Von der Allgegenwart der Lexikologie: Kontrastive Lexikologie als Vorstufe zur zweisprachigen Lexikographie ; Akten des Internationalen Werkstattgesprächs zur Kontrastiven Lexikologie 29.-30.10.1994 in Kopenhagen [Reprint 2013 ed.] 9783110938081, 9783484309661

Kontrastive Lexikologie ist als Grundlagenwissenschaft der zweisprachigen Lexikographie für metatheoretische Zwecke und

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German Pages 138 [140] Year 1996

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Table of contents :
Hans-Peder Kromann in Memoriam
Einleitung
Es lohnt sich - Kontrastive Lexikologie Deutsch/Englisch im Bereich ‘Einkünfte’
Von der Unmöglichkeit der kontrastiven Lexikologie
Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch
Vergleich von Unvergleichbarem. Zur kontrastiven Analyse unbestimmter Rechtsbegriffe
Wissensordnung und Wissensrepräsentation in der Terminologie
Phraseologische Äquivalenz und Differenz am Beispiel deutscher, englischer und finnischer Verbidiome
Zur Gültigkeit lexikologischer Untersuchungen
Eine Möglichkeit der kontrastiven Analyse von Kommunikationsverben
Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik und Mikroskopie in der Lexikologie
Ausgewählte Schriften von Hans-Peder Kromann
Adressen der Teilnehmer
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Von der Allgegenwart der Lexikologie: Kontrastive Lexikologie als Vorstufe zur zweisprachigen Lexikographie ; Akten des Internationalen Werkstattgesprächs zur Kontrastiven Lexikologie 29.-30.10.1994 in Kopenhagen [Reprint 2013 ed.]
 9783110938081, 9783484309661

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Series Maior

LEXICOGRAPHICA Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Suppléments a la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie

Edited by Sture Allén, Pierre Corbin, Reinhard R. K. Hartmann, Franz Josef Hausmann, Hans-Peder Kromann, Oskar Reichmann, Ladislav Zgusta 66

Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX)

Von der Allgegenwart der Lexikologie Kontrastive Lexikologie als Vorstufe zur zweisprachigen Lexikographie Akten des internationalen Werkstattgesprächs zur kontrastiven Lexikologie 29.-30.10.1994 in Kopenhagen Herausgegeben von Hans-Peder Kromann f und Anne Lise Kjaer

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1995

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme [Lexicographica / Series maior] Lexicographica : supplementary volumes to the International annual for lexicography / pubi, in cooperation with the Dictionary of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX). Series maior.- Tübingen : Niemeyer. Früher Schriftenreihe Reihe Series maior zu: Lexicographica NE: International annual for lexicography / Supplementary volumes 66. Von der Allgegenwart der Lexikologie - 1995 Von der Allgegenwart der Lexikologie : kontrastive Lexikologie als Vorstufe zur zweisprachigen Lexikographie ; Akten des Internationalen Werkstattgesprächs zur kontrastiven Lexikologie, 29. 31.10.1994 in Kopenhagen / hrsg. von Hans-Peder Kromann und Anne Lise Kjasr. - Tübingen : Niemeyer, 1995 (Lexicographica : Series maior ; 66) ISBN 3-484-30966-0

ISSN 0175-9264

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co.KG, Tübingen 1995 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nadele, Nehren

Inhaltsverzeichnis

Franz Josef Hausmann Hans-Peder Kromann in Memoriam

vii

Anne Use Kjœr Einleitung

1

Peter Rolf Lutzeier Es lohnt sich - Kontrastive Lexikologie Deutsch/Biglisch im Bereich 'Einkünfte'

7

Franz Josef Hausmann Von der Unmöglichkeit der kontrastiven Lexikologie

19

Iwar Werten Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch

24

Anne Use Kjœr Vergleich von Unvergleichbarem. Zur kontrastiven Analyse unbestimmter Rechtsbegriffe

39

Heribert Picht Wissensordnung und Wissensrepräsentation in der Terminologie

57

Jarmo und Briitta Korhonen Phraseologische Äquivalenz und Differenz am Beispiel deutscher, englischer und finnischer Verbidiome

67

Knud Troels Thomsen Zur Gültigkeit lexikologischer Untersuchungen

91

Gisela Harras Eine Möglichkeit der kontrastiven Analyse von Kommunikationsverben

102

Hans-Peder Kromann ( f ) Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik und Mikroskopie in der Lexikologie... 114 Ausgewählte Schriften von Hans-Peder Kromann

127

Adressen der Teilnehmer

131

IN MEMORIAM

Hans-Peder Kromann (2.11.1941-9.1.1995)

Wer hätte, als wir am letzten Wochenende des Oktober 1994 zum Kopenhagener Werkstattgespräch im prächtigen Schaeffergârden zusammensaßen, geahnt, daß der Gastgeber, der uns wie eh und je vorkam — freilich vergrippt und im kleinen Kreise klagend, daß er sein geliebtes Forsthaus gegen eine Wohnung in der Millionenstadt hatte eintauschen müssen — nur noch wenig mehr als zwei Monate zu leben hatte? Am wenigsten er selbst, der mir während der Tagung noch vorschlug, einen gemeinsamen Artikel Uber die ihm wie mir am Herzen liegenden Kollokationen zu verfassen. Am 23. November wurden die tödlichen Metastasen in der Lunge entdeckt. Am 9. Januar war Hans-Peder Kromann nicht mehr unter den Lebenden. Ich hatte ihn 1983 auf Reinhard Hartmanns denkwürdigem Kolloquium in Exeter 1 kennengelernt, d.h. im Zeichen der Wörterbuchforschung, die uns von da an vielfach zusammenführen sollte, nicht nur als Herausgeberkollegen von Lexicographica Series Maior und auf mancherlei Kongressen, namentlich den Kopenhagener Symposien,2 sondern auch bei einem von ihm initiierten und finanzierten Werkstattgespräch aller Uber die zweisprachige Lexikographie schreibenden Beiträger des Internationalen Handbuchs zur Lexikographie.3 Als HumboldtStipendiat am Lehrstuhl für germanistische Linguistik in Heidelberg war er am 18. und 19. Mai 1987 auch zu einem Vortrag nach Erlangen gekommen. Womit gesagt ist, daß ich die Bekanntschaft Hans-Peder Kromanns in allen Punkten der unermüdlichen Aktivität unseres Freundes Herbert Ernst Wiegand verdanke.

1

Lexicographica Series Maior, Bd. 1.

2

Lexicographica. Series Maior, Bde. 5 und 19.

3

Lexicographica 4,1988,186-202.

viii Denn Kromann war ja Germanist und hätte eigentlich mit mir als Französisten wenig Berührungspunkte haben sollen. Die Berührung ergab sich über die Metalexikographie, der Kromann die zweite Phase seines wissenschaftlichen Wirkens widmen sollte, nachdem er in der ersten — seit seiner Promotion von 1969 — vornehmlich Grammatiker gewesen war. 1983 und 1984 erschienen seine bahnbrechenden Arbeiten zum zweisprachigen Wörterbuch, 4 mit denen er sich schlagartig in die erste Reihe der Wörterbuchforschung katapultierte. Das Spezialgebiet Lexikographie, das er selbst neben Lexikologie, Fachsprachenforschung, Syntax und Kontrastiver Linguistik Deutsch-Dänisch als Hauptarbeitsgebiet nennt, ist kein Zufall. Es deutet auf Kromanns Gemeinsamkeit mit dem deutschen Romanisten. Kromann war nämlich nicht einfach Germanist, er war Auslandsgermanist, Fremdsprachengermanist und hatte als solcher auf die Sprache einen Blick, den man vom Muttersprachenlinguisten nicht selbstverständlich erwarten kann. Markantestes Kennzeichen von Kromanns Auslands blick auf die Sprache war sein Insistieren auf der Beschreibung der Kollokationen, ein Bereich der Lexikologie, der von der Inlandsgermanistik traditionell gar nicht wahrgenommen wird. Hier hinterläßt Kromann wissenschaftlich die größte Lücke. Es ist ein wahrer Jammer, daß die Auslandsgermanistik künftig ohne ihn versuchen muß, sich der Theorielastigkeit der Muttersprachenlinguistik zu erwehren. Kromanns Wort ist mir im übrigen gerade deswegen immer um so gewichtiger erschienen, als es nicht aus dem Munde eines hitzköpfigen Polemisten kam, sondern die vornehme Zurückhaltung eines besonnenen Charakters verriet. Hans-Peder Kromann hat auf mich immer den Eindruck von jemand gemacht, der unter dem sanften Gesetz lebt und urteilt. Das gelungene Foto aus dem Linguistenhandbuch5 widerspricht dem nicht. Kromann hatte, so wage ich zu vermuten, ein erfülltes Leben. Mit 18 Jahren nimmt er sein Studium auf, das ihn früh und mehrfach nach Deutschland führen wird. Mit 25 heiratet er Hanne Trautner-Kromann, heute ebenfalls Professorin. Mit 26, 30 und 32 Jahren wird er dreifacher Sohnesvater, mit 34 Jahren Ordinarius für deutsche Sprache an der Wirtschaftsuniversität Kopenhagen, Institut für deutsche Sprache (Übersetzen, Dolmetschen, Fachsprache). Der 45jährige wird zum Mitglied des Wissenschaftlichen Rates des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim berufen. Von 1989—1995 gehört er der Kommission für die Geisteswissenschaften der Dänischen Forschungsgemeinschaft an; seit 1992 ist er Fachberater für deutsche Sprache am dänischen Nationallexikon; die Kommission zur internationalen Evaluation der Geisteswissenschaften in Lettland hat ihn zu ihrem Vorsitzenden; 1993 tritt er in den Aufsichtsrat der Königl. Dänischen Pädagogischen Hochschule Hans-Peder Kromann hat uns vieles gegeben, als letztes das Geschenk eines Kolloquiums in dem so persönlichen und unverwechselbaren Rahmen dänischer Gastfreundschaft. Wir danken ihm dafür — dafür und für alles, was er uns war und bleiben wird.

Erlangen, den 1. Mai 1995 Franz Josef Hausmann

4

Vor allem: Überlegungen zu Grundfragen der zweisprachigen Lexikographie. In: Germanistische Linguistik 3-6/85,1984,159-238.

5

Linguistenhandbuch, hrsg. v. Wilfried Kürschner, Tübingen 1994,508.

ANNE LISE KJ/ER

Einleitung

Warum ein Symposium zum Thema Kontrastive Lexikologie? Lexikologie im allgemeinen und kontrastive Lexikologie im besonderen scheinen in der heutigen linguistischen Diskussion weitaus vernachlässigte Bereiche zu sein. Nicht zuletzt für die "Auslandsgermanistik" fällt diese Forschungslücke ins Gewicht. Denn Deutsch lernende und lehrende Ausländer sind ständig mit den Wörtern und Wendungen der Fremdsprache beschäftigt und stehen die ganze Zeit vor der Aufgabe, den deutschen Wortschatz mit dem der Muttersprache zu vergleichen und zu kontrastieren. Ihnen fehlt aber häufig der theoretische Rahmen für die Durchführung der Vergleiche. Da kontrastive Lexikologie als Grundlagenwissenschaft für die zweisprachige Lexikographie zu bewerten ist, besteht hier ein auch lexikographisch zu bedauernder Nachholbedarf der Forschung. Deshalb kam Hans-Peder Kromann auf die Idee, lexikologisch arbeitende Vertreter der "Inlandsgermanistik" mit "Auslandsgermanisten" und deutschen "Auslandsromanisten" in Kopenhagen zusammenzubringen. Er forderte die Teilnehmer am Kopenhagener Werkstattgespräch auf, von dem Deutschen als der einen Objektsprache auszugehen und auf der Basis gemeinsprachlicher oder fachsprachlicher Wortschätze eines Sprachenpaars theoretische und praktische Aspekte der kontrastiven Lexikologie zu beleuchten. Durch die jeweils verschiedenen Forschungsinteressen und theoretischen Standorte der Teilnehmer wurde gewährleistet, daß unterschiedliche Auffassungen von dem Gegenstand und den Methoden der kontrastiven Lexikologie vertreten waren. Das Werkstattgespräch fand vom 29. bis 31. Oktober 1994 in Schaeffergârden bei Kopenhagen statt. Eingeladen waren neun Lexikologen und Lexikographen aus Deutschland, Finnland, Dänemark und der Schweiz. Drei Tage lang diskutierten die Teilnehmer intensiv mit jeweils verschiedenem Ausgangspunkt Grundprobleme der kontrastiven Lexikologie. Die Vielschichtigkeit der kontrastiven Lexikologie ist mit den Beiträgen dieses Sammelbandes angedeutet. Da den Beiträgen jeweils die Zusammenfassungen der Autoren vorangestellt sind, wird im folgenden nur kurz auf die Tendenzen des Forschungsbereichs eingegangen, die in den Beiträgen zu beobachten sind. Außerdem werden die Themen angesprochen, die in den Diskussionen immer wieder aufgegriffen wurden. Der Gegenstandsbereich der Lexikologie Welche sind die Einheiten des Wortschatzes einer Sprache? Sind nur Wörter Wortschatzelemente oder gehören auch Wortverbindungen dazu? Was macht die Einheit des lexikalischen Elements aus? Was ist der Objektbereich lexikologischer Untersuchungen?

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Anne Lise Kjœr

Alle Teilnehmer waren sich einig, daß neben einfachen und komplexen Wörtern auch Phraseolexeme1 (d.h. feste Wendungen mit unikalen Komponenten oder mit idiomatischer oder lexikalisierter metaphorischer Bedeutung) zum Wortschatz gehören. Die Erkenntnisse der kognitiven Linguistik bestätigen, daß solche Wendungen als mentale Einheiten der Sprachteilhaber gespeichert sind. In dem Maße, wie Einheiten des mentalen Lexikons als Einheiten des Wortschatzes interpretierbar sind, scheint es also sinnvoll zu sein, auch feste Wendungen dem Gegenstandsbereich der Lexikologie zuzuordnen.2 Bei den Kollokationen gingen die Auffassungen der Teilnehmer aber auseinander. Welche Kriterien sollen zur Abgrenzung der Kollokationen3 gegenüber syntagmatisch-semantisch regulären Wortverbindungen und Phraseolexemen gelten? Über den Sonderstatus der klassischen Beispiele für "paradigmatisch bedingte syntagmatische Erscheinungen" blondes Haar, der Hund bellt, einen Baum fällen ('lexikalische Solidaritäten' (Coseriu 1967), 'wesenhafte Bedeutungsbeziehungen' (Porzig 1934)) konnten sich alle einigen. Unumstritten waren auch Fälle wie eingefleischter Junggeselle (vgl. z.B. Hausmann 1989). Aber sind auch Syntagmen wie einen Freistoß anordnen, verhängen; einen Strafstoß verhängen; auf Abstoß, Eckstoß, Strafstoß, Tor entscheiden (vgl. den Beitrag von Kromann) als Beispiele für Kollokationen zu bewerten? Diese Beispiele der Fachsprache des Fußballspiels sind mit den Paradebeispielen für die auf Coseriu zurückgehenden 'bevorzugten Analysen' vergleichbar. Angesprochen sind Fälle wie sich die Zähne putzen, die Telefonnummer wählen, bei denen "aus einer Anzahl möglicher Wortverbindungen zur Bezeichnung eines Sachverhalts oder Vorgangs durch den Sprachgebrauch eine bestimmte Kombination ausgewählt und als 'Norm' verfestigt ist", Burger et al. (1982:34). Solche Wortverbindungen sind bei einer intralingualen Beschreibung Beispiele für durchaus regelhafte Realisierungen der syntagmatischen Eigenschaften der Wörter. Die teilnehmenden "Inlandsgermanisten" waren deshalb der Ansicht, bei solchen Fällen lägen keine Kollokationen vor. Aus kontrastiver Perspektive sind Wortverbindungen dieses Typs aber durchaus interessant, weil sie interlingual unvorhersagbar sind. Im Dänischen werden die Zähne nicht geputzt, sondern gebürstet, die Telefonnummer nicht gewählt, sondern gedreht. In der dänischen Fußballsprache wird ein Freistoß nicht angeordnet, sondern nur verhängt ('d0mt'), auf Abstoß, Eckstoß, Strafstoß, Tor nicht entschieden, sondern es wird ein Abstoß, Eckstoß, Strafstoß, Tor verhängt ('d0mt'). Das sind syntagmatisch-semantisch unerklärbare Festlegungen, und der Sprachlerner muß die Wortverbindungen als Einheiten lernen. In einem zweisprachigen Hinübersetzungswörterbuch sind sie deshalb als lexikographische Beispiele unbedingt mitzunehmen. Aber auch ohne die kontrastive Sicht ist es sinnvoll, bei den genannten Fällen von Kollokationen zu reden, dann nämlich wenn bei ihrer Beschreibung die Einbindung in genau beschreibbare fachliche Situationstypen berücksichtigt wird, in denen andere mögliche Formulierungen empirisch nachweisbar nicht verwendet werden (vgl. Kjaer 1992). "Auslandsgermanisten", "Auslandsromanisten" und Fachsprachenforscher waren sich deshalb einig, daß

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3

'Phraseolexeme' ist der auf Fleischer (1982) zurückgehende Terminus für Phraseologismen im engeren Sinne. Es sollte aber an dieser Stelle hervorgehoben werden, daß sich für phraseologische Untersuchungen eine eigenständige linguistische Disziplin "Phraseologie" eingebürgert hat, in der die Vielschichtigkeit der phraseologischen Einheiten eingehender und umfassender beschrieben werden kann. 'Kollokationen' wurde von allen Teilnehmern im Sinne von 'restricted collocations' in der englischen Tradition verwendet.

Einleitung

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bei solchen Beispielen Kollokationen vorlägen und daß ihre Beschreibung Aufgabe der lexikologischen Forschung sein sollte. An der Tagung nahm auch ein Vertreter der Terminologielehre teil. In der Terminologielehre als der besonders zur Erfassung naturwissenschaftlicher und technischer Wortschätze geeigneten Nachbarwissenschaft der Lexikologie wird nicht vom Wort, sondern vom Begriff ausgegangen. Mit diesem Ausgangspunkt werden verschiedene Repräsentationsformen (Benennung, Definition, Erklärung und nicht-sprachliche semiotische Formen) gleichgesetzt, als unilaterale Zeichen bezogen auf Begriffe. Die Frage, welche Einheiten zum Wortschatz gehören, entsteht in der Terminologielehre also überhaupt nicht (vgl. den Beitrag von Picht). Das Verhältnis von Lexikologie und lexikalischer Semantik Wenn man neben Wörtern auch Wortverbindungen als Objekt lexikologischer Untersuchungen betrachtet, liegt auf der Hand, daß man nicht sinnvoll Lexikologie mit lexikalischer Semantik gleichsetzen kann. Es ergibt sich aus der Mehrgliedrigkeit von Wortverbindungen, daß nicht nur die Inhaltsseite dieser komplexen sprachlichen Zeichen, sondern auch ihre Formseite zu berücksichtigen ist. Dies gilt, wie aus Korhonens Beitrag ersichtlich, nicht zuletzt bei kontrastiven Untersuchungen, in denen auch formale (morpho-syntaktische) Unterschiede der LI- und L2-Einheiten auf ihre Äquivalenz einwirken. Aber auch im Hinblick auf die Beschreibung von Wörtern wurde vor einer vorschnellen Gleichsetzung von Lexikologie und lexikalischer Semantik gewarnt. Die lexikalische Semantik muß die Bedeutungskonzeption für lexikologisches Arbeiten bereitstellen. Insofern hat sie Grundlagenstatus für die Lexikologie. Die beiden Disziplinen sind also nicht als gleichwertig zu betrachten (vgl. Lutzeier). Als Problem besonders bei der kontrastiven Analyse von kulturell stark divergierenden Sprachen stellt sich die Frage, wie lexikalische Semantik von kulturellem Hintergrundswissen zu unterscheiden ist (vgl. Werlen). Ein ähnliches Problem bereitet die Analyse juristischer Wortschätze. "Das Recht ist in der Sprache", aber zur Festlegung der Bedeutung juristischer Fachwörter reicht die Angabe ihrer lexikalischen Bedeutung nicht aus (vgl. Kjser). Das Verhältnis von Lexikologie und Lexikographie Wie ist Lexikologie von der Lexikographie zu unterscheiden? Ist es überhaupt möglich, die beiden Aufgabenbereiche gegeneinander abzugrenzen? Die Lexikologie wurde von allen Teilnehmern als Grundlagendisziplin der Lexikographie betrachtet. Es wurde aber von mehreren Seiten betont, daß die beiden Disziplinen in der Praxis nicht leicht zu trennen sind (vgl. den Beitrag von Werlen). Die lexikologische Gesamtbeschreibung leisten in der Praxis die Lexikographen, nicht die Lexikologen. Der Schritt von der lexikologischen Analyse für Fachkollegen bis hin zum fertigen Wörterbuchartikel unternimmt der Lexikograph, und dieser Schritt kann sich nicht in einer Vermittlung von schon vorhandenen lexikologischen Erkenntnissen erschöpfen. Die Lexikographie als Theorie und Praxis des Schreibens von Wörterbüchern zu definieren (vgl. Lutzeier), also als Metalexikographie und praktische Wörterbucharbeit, wurde deshalb von einigen Teilnehmern als zu eng betrachtet. Jedenfalls sei hinzuzufügen, daß die praktisché Arbeit des Lexikographen lexikologische Studien umfaßt. Das Verhältnis von Lexikologie und Grammatik Bei der kontrastiven Analyse der Wortschätze zweier oder mehrerer Sprachen taucht mitunter das Problem auf, daß die Grenze zwischen Lexikologie und Grammatik in den beschriebenen Sprachen nicht in gleicher Weise gezogen werden kann. Dies gilt vor allem dann, wenn die verglichenen Sprachen strukturell und kulturell sehr unterschiedlich sind. Werlen nennt als Beispiel das besondere Problem der unkategorisierten "Begriffswörter" des Tagalog, die den

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Anne Lise Kjcer

deutschen grammatisch kategorisierten Wörtern bei einer kontrastiven Analyse gegenüberzustellen sind. Aber auch bei kontrastiven Untersuchungen von verwandten Sprachen wie dem Deutschen und Dänischen ist eine strikte Trennung von lexikologischer und grammatischer Analyse nicht immer möglich (vgl. Thomsen). Sogar bei intralingualen Untersuchungen entsteht die Frage der Grenzziehung: Sind z.B. Valenzanalysen in die lexikologische Beschreibung von Verben einzubeziehen, oder sind sie als Gegenstand syntaktischer Studien zu betrachten? Sind Fragen der Wortbildung Gegenstand der Lexikologie oder der Morphologie? Derartige Fragen stellen sich auch für den Lexikographen, der bei der Konzipierung seines Wörterbuchs entscheiden muß, welche Rolle die Grammatik in der Beschreibung des von seinem Wörterbuch erfaßten Teils des Wortschatzes spielen soll, vgl. das Begriffspaar 'Lexikographie' und 'Grammatikographie' (Kromann et al. 1991). Letztendlich ist die Frage, wie das Verhältnis von Lexikologie und Grammatik einzuschätzen ist, theorieabhängig und in dem Sinne nicht absolut zu beantworten (vgl. Lutzeier). Die Methoden der kontrastiven lexikologischen Analyse Vor allem in den Diskussionen zu diesem Punkt verrieten sich die unterschiedlichen Forschungsinteressen der Teilnehmer des Werkstattgesprächs. Zum Teil gegensätzliche Auf fassungen von dem Zweck und dem Verfahren einer kontrastiven lexikologischen Analyse wurden ins Feld geführt. Einige sahen kontrastive lexikologische Untersuchungen als vorwiegend anwendungsorientierte gerichtete (direktionale, unilaterale) Analysen zum Wortschatz eines Sprachenpaars LI L2 im Dienste der zweisprachigen Lexikographie bzw. der Übersetzungswissenschaft (vgl. Hausmann, Korhonen, Kjaer, Thomsen, Werlen). Andere betonten die Selbständigkeit der kontrastiven Lexikologie als theoretischen Rahmens ungerichteter (adirektionaler, bilateraler) vergleichender Studien zu Strukturierungen im Wortschatz zweier Sprachen, LI + L2 oder LI « L2 (vgl. Harras und Lutzeier). Entsprechend den verschiedenen Interessen werden verschiedene kontrastive Verfahren in den Beiträgen verwandt: (1) Das onomasiologische Verfahren, das von einem gemeinsamen 'Begriff' (Lutzeier) 'Handlungstyp' (Kromann), 'Rekurssituationstyp' (Harras) ausgeht und auf seiner Basis vergleichbare Paradigmen in den verglichenen Sprachen aufbaut. (2) Das semasiologisch-onomasiologische Verfahren, das von einem abgegrenzten sprachlichen Material in LI ausgeht, die verallgemeinerte Bedeutung der Ll-Einheiten als Vergleichsbasis ansetzt und auf ihrer Basis die Entsprechungen in L2 sucht (Hausmann, Korhonen, Kjaer, Thomsen, Werien). In Kromanns Beitrag wird der Versuch unternommen, zwischen den beiden Verfahren Brücken zu schlagen. Kontrastive onomasiologische Makrobeschreibungen des Wortschatzes sind um Mikrobeschreibungen zu ergänzen, durch die die Vergleichsrichtung (Optik) und damit die Detailliertheit der Analyse bestimmt werden. Mikrobeschreibungen können aber nicht ohne den theoretischen Rahmen durchgeführt werden, den die Makrobeschreibungen bereitstellen. Die prinzipielle (Un)vergleichbarkeit von Wortschätzen zweier Sprachen Die Diskussionen zu diesem Punkt ergänzten die Erörterung der Frage der prinzipiellen (Un)beschreibbarkeit des Wortschatzes einer Sprache. Besteht im Wortschatz hauptsächlich Chaos, und ist er deshalb hauptsächlich unbeschreibbar (Hausmann, Kjaer), oder besteht der Wortschatz vorwiegend aus geordneten Strukturen, die einer lexikologischen Beschreibung grundsätzlich zugänglich sind (Lutzeier, Harras, Picht)? Ist dementsprechend die kontrastive lexikologische Analyse typischerweise ein Vergleich von Chaos 1 mit Chaos 2 oder ein Vergleich von Strukturiertheit 1 mit Strukturiertheit 2?

Einleitung

S

Die Beantwortung dieser Fragen hängt nicht nur von dem theoretischen Standort des Betrachters ab, sondern auch von dem Teil des Wortschatzes, den man beschreiben möchte. Will man die Semantik der Benennungen verschiedener Typen von Kugellagern einzelsprachlich oder mehrsprachig untersuchen (Picht), oder die Nomina im Deutschen und Englischen analysieren, die das Wortfeld 'Einkünfte' belegen (Lutzeier), besteht grundlegende Ordnung. Will man dagegen die Semantik von Adjektiven wie pathétique (Hausmann) oder von unbestimmten Rechtsbegriffen wie die guten Sitten (Kjaer) vergleichend oder auch nur intralingual beschreiben, besteht eher Chaos. Dazwischen fallen Fußballspielkollokationen (Kromann) und Kommunikationsverben (Harras). Die gängige Auffassung, die "Strukturiertheitsgrenze" sei zwischen Fachsprache und Gemeinsprache zu ziehen, versucht Kjaer mit Beispielen aus der Rechtssprache zu widerlegen. Bei einer sprachvergleichenden Analyse bereitet die Aufstellung eines Tertium Comparationis besonders bei Fällen wie pathetique und die guten Sitten Schwierigkeiten. Untersucht man Kugellager, ist die Vergleichsbasis von der Sache her gegeben. Die verschiedenen Typen von Kugellagern machen ein Stück objektiver Wirklichkeit aus, die in den verglichenen Sprachgemeinschaften zu parallelen Konzeptualisierungen und unmittelbar vergleichbaren lexikalischen Elementen führt. Bei der kontrastiven Analyse von den Wortschätzen der Rechtssprachen zweier Rechtsordnungen besteht eine gemeinsame objektive Wirklichkeit dagegen nicht. Die Vergleichsbasis erschöpft sich in sehr allgemeinen Angaben Uber vergleichbare Funktionen der zu vergleichenden Einheiten in den jeweiligen Rechtsordnungen. Will man zur Äquivalenz der LI- und L2-Einheiten Stellung nehmen, reicht die gemeinsame Funktionsbestimmung aber nicht aus. Bei pathetique und ähnlichen Beispielen für semantisch unautonome Wörter fehlen in den verglichenen Sprachgemeinschaften Konkretes und konzeptuell Geordnetes, das bei der Aufstellung einer Vergleichsbasis eingesetzt werden könnte (Hausmann). Die Bedeutung solcher Adjektive ist so textabhängig, daß Verallgemeinerungen eher unmöglich erscheinen. Daß es Aufgabe der Lexikologen ist, nach Regularitäten im Wortschatz zu suchen, war zwar unumstritten. Als ungelöstes Problem bestand aber die Frage, wie weit die kontrastive lexikologische Analyse möglich ist (vgl. Hausmann), auch am Ende des Werkstattgesprächs. Überhaupt waren sich alle Beiträger nur in einem Punkt einig: Die Lexikologie ist in der Linguistik allgegenwärtig. Nachwort Ermöglicht wurde die ergiebige Diskussion der in diesem Sammelband veröffentlichten Beiträge durch eine Finanzierung der Stiftung "Carlsbergfondet" und einen Zuschuß der Wirtschaftsuniverstität Kopenhagen. Diesen Institutionen gilt der Dank aller Beiträger. Den Teilnehmern sei an dieser Stelle nochmals gedankt für die Beiträge. Gedankt sei auch den Herausgebern der "Lexikographica. Series Maior" für die Aufnahme des Bandes in diese Reihe und Frau Karin Wenzel des Niemeyer Verlags für die geduldige Betreuung des Bandes. Mein Dank gilt auch meinem Mann, Per Galle, für den großen Arbeitseinsatz bei der Festlegung der typographischen Gestaltung des Sammelbandes und für Rat und Tat während des ganzen Prozesses. Veranstalter des Werkstattgesprächs war Hans-Peder Kromann. Auf seine Initiative versammelte sich der enge Kreis von Lexikologen und Lexikographen in den letzten Herbsttagen in Kopenhagen. Das Werkstattgespräch war als erster Schritt auf dem Weg zu neuen Erkenntnissen im Bereich der kontrastiven Lexikologie gedacht. Es wurde der letzte Schritt von Hans-Peder Kromann. Den Teilnehmern gab er mit dem Kolloquium fruchtbare neue Impulse. Im Namen aller Beiträger zum Sammelband danke ich ihm.

6

Anne Lise Kjœr

Literatur Burger, Harald, et al. (1982): Handbuch der Phraseologie. - Berlin, New York: de Gruyter. Coseriu, Eugenio (1967): Lexikalische Solidaritäten. - In: Poetica. Zeitschrift für Sprach- und Literaturwissenschaft 1,293-303. Fleischer, Wolfgang (1982): Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. - Leipzig: VEB Bibliographisches Institut Hausmann, Franz Josef (1989): Le dictionnaire de collocations. - In: F. J. Hausmann, O. Reichmann, H. E. Wiegend, L. Zgusta (Hgg.): Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Erster Teilband (Berlin, New York: de Gruyter) 1010-1019. Kjœr, Anne Lise (1992): Noimbedingte Wortverbindungen in der juristischen Fachsprache (Deutsch als Fremdsprache). - In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 21. Themenschwerpunkt: Idiomatik und Phraseologie, 4664. Kromann, Hans-Peder, et al. (1991): Grammatical Constructions in the Bilingual Dictionary. - In: F.J. Hausmann, O. Reichmann, H.E. Wiegand, L. Zgusta (Hgg.): Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Dritter Teilband (Berlin, New York: de Gruyter) 2770-2775. Porzig, Walter (1934): Wesenhafte Bedeutungsbeziehungen. - In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 58,70-97.

PETER ROLF LUTZEIER

Es lohnt sich - Kontrastive Lexikologie Deutsch/Englisch im Bereich 'Einkünfte'

Zusammenfassung: Nachdem eine Klärung über das Verständnis von Lexikologie herbeigeführt ist, wird der Bereich 'Einkünfte' im Deutschen und Englischen als Beispiel für die kontrastive Lexikologie untersucht. Als Mittel der Untersuchung findet eine Kombination des onomasiologischen Vorgehens mit der Wortfeldmethode Anwendung. Summary: Given the clarification what we mean by 'lexicology' the domain of income is investigated in German and English as an example of contrastive lexicology. A combination of the onomasiological approach and the lexical field approach is used. Résumé: Au début le sens de 'lexicologie' est clarifié. Après le domaine de revenu en allemand et anglaise est étudié par exemple de la lexicologie contrastive. Une combinaison de la méthode de l'onomasiologique et de la méthode des champs lexicals est appliquée.

1.

Grundlegendes zur Bestimmung der Disziplin

Das Bewußtsein Uber eine Disziplin Lexikologie ist überraschenderweise nicht sehr weit verbreitet. Dabei muß doch von einer Allgegenwart der Lexikologie in der Linguistik gesprochen werden. Aber diese Allgegenwart scheint gerade für die Vorstellung einer eigenständigen Disziplin eher abträglich gewesen zu sein. Übereinstimmung im intuitiven Verständnis von Lexikologie scheint meinen Beobachtungen nach immerhin darin zu bestehen, daß in der Lexikologie mindestens Wörter fokussiert werden. Dies gilt nun allerdings auch für die Lexikographie. Gerade deshalb ist es wichtig, die Lexikologie nicht mit der Lexikographie zu verwechseln. Dieser Gefahr entgehen wir mit folgenden Festlegungen a) und b): a)

Lexikologie ist die Theorie und Praxis der Strukturierungen im Wortschatz.1

b)

Lexikographie ist die Theorie und Praxis des Schreibens von Wörterbüchern.

Der aufgrund der Festlegung a) eigentliche Gegenstandsbereich der Lexikologie, der Wortschatz, kann auf mindestens dreierlei Weise verstanden werden:

1

Cf. Lutzeier (1985:51-55) für den relevanten Begriff der Struktur.

8

Peter Rolf Lutzeier

1.

Wortschatz als die mentale Speicherung lexikalischer Einheiten beim Individuum, also der Wortschatz bezogen auf ein Individuum. Als identifizierende Bezeichnung bietet sich hier 'mentales Lexikon' an.

2.

Wortschatz als der Grundstock eines beliebigen Ausschnitts einer natürlichen Sprache, also der Wortschatz bezogen auf eine natürliche Sprache. Hier bietet sich die traditionelle Bezeichnung 'Wortschatz1 weiterhin an. Selbstverständlich bezieht sich lexikographisches Arbeiten normalerweise genau auf dieses Verständnis von 'Wortschatz'.

3.

Wortschatz im Verhältnis zur Grammatik, wofür sich die Bezeichnung 'Lexikon' sinnvollerweise eingebürgert hat. Wie genau das Verhältnis zwischen Lexikon und Grammatik einzuschätzen ist (als völlig separate Entitäten - als skalares, möglicherweise überlappendes Nebeneinander - Lexikon als Teil der Grammatik 2 ), ist in erster Linie theorieabhängig und braucht uns an dieser Stelle nicht zu beschäftigen.

Diese drei Sehweisen über den Wortschatz hängen eng miteinander zusammen, wie wir dem Diagramm 1 entnehmen können:

Diagramm 1

MENTALES LEXIKON procedurale Orientierung

systematische Orientierung

WORTSCHATZ EINER NATÜRLICHEN SPRACHE

LEXIKON UND GRAMMATIK

Korrespondenz Die Korrespondenz-Beziehung zwischen 'Wortschatz einer natürlichen Sprache' und 'Lexikon und Grammatik' versteht sich insofern, als bei einer linguistischen Beschreibung einer natürlichen Sprache der Lexikonteil einem Ausschnitt des Grundstocks der betreffenden Sprache entsprechen muß. Die Komponenten der Grammatik leisten schließlich eine Operationalisierung der im Lexikon versammelten Informationen - wir sind hier bei der prozeduralen Orientierung - und die Erfassung des Wortschatzes einer natürlichen Sprache wird sich auf die interne Systematik konzentrieren. Es sollte einen nicht überraschen, daß das mentale Lexikon sowohl die systematische Orientierung als auch die prozedurale Orientierung in sich vereinen muß. Ungeachtet der durch die Kanten des Dreiecks bewußt betonten Vernetzung der Sehweisen des Gegenstandsbereiches der Lexikologie bietet sich angesichts des Diagrammes 1 eine Unterteilung der Lexikologie an, und zwar in einen Zweig, der sich um die systematische Seite von Wortschätzen kümmert und in einen Zweig, der sich um die Wirkungen des Wortschatzes in andere Bereiche der Sprache kümmert. Da solche Auswirkungen auf den Gegebenheiten 2

Die Umkehrung 'Grammatik als Teil des Lexikons' ist bei unverändertem Verständnis von 'Grammatik' und "Lexikon' wohl nicht denkbar.

Es lohnt sich - Kontrastive Lexikobgie..

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des Systems basieren, ergibt sich ein Abhängigkeit des wirkungsorientierten Zweiges vom systemorientierten Zweig und meine anfängliche Festlegung der Lexikologie - Theorie und Praxis der Strukturierungen im Wortschatz - bleibt voll gültig. Die in der Lexikologie gefragte Beschäftigung mit dem Wortschatz setzt offensichtlich Kenntnisse Uber seine Semente voraus. Dieses Voraussetzungsverhältnis erklärt das eingangs erwähnte intuitive Verständnis einer Fokussierung auf Wörter bei der Lexikologie. So wird sich etwa der Umfang des Wortschatzes nur Uber die Zusammenfassung aller seiner Elemente erfassen lassen. Ferner sollten individuelle Eigenschaften der Elemente des Wortschatzes für das Ausmaß des Auftretens spezieller Strukturierungen im Wortschatz verantwortlich gemacht werden können. Die Elemente des Wortschatzes oder, wie ich sie von nun an nennen werde, die lexikalischen Elemente, 3 müssen als sprachliche Zeichen eine Formseite und eine Inhaltsseite aufweisen. Hiernach stellen sich Morphologie und (lexikalische) Semantik als Grundlagendisziplinen für die Lexikologie heraus, denn von der Morphologie dürfen wir formorientierte Kriterien für die lexikalischen Elemente und von der (lexikalischen) Semantik inhaltsorientierte Kriterien, am besten in Form einer Bedeutungskonzeption,4 ür die lexikalischen Elemente erwarten. Die Aussonderung der Morphologie für die formorientierten Kriterien erklärt sich unter dem Aspekt der systematischen Beschreibung für das Lexikon. Denken wir an das mentale Lexikon, dann haben natürlich Phonologie und Graphematik mindestens den gleichen Stellenwert, da bei der Sprachverarbeitung die Formanalyse häufig unmittelbar an der konkreten Realisierung im Medium ansetzt. Ferner stellt für das mentale Lexikon die Psycholinguistik im weitesten Sinne, dazu zähle ich mindestens die Bereiche der Spracherwerbsforschung, der Mehrsprachigkeitsforschung, der Fehlerforschung und der klinischen Linguistik, eine Grundlagendisziplin dar, stellt sie doch die Methodologie und Begrifflichkeit zur Erfassung des mentalen Lexikons zur Verfügung. Die Lexikologie, und dies ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, steht jedoch nicht nur auf der Empfängerseite. Wird sie doch in ihrer systematischen Orientierung zur Grundlagendisziplin für die Lexikographie5 und in ihrer prozeduralen Orientierung nimmt sie Grundlagencharakter an für eine Grammatiktheorie als Teil einer Sprachtheorie, für eine Implementierung als sprachverarbeitendes System in der Computerlinguistik oder für diagnose- bzw. rehabilitationsorientierte Verfahren in der klinischen Linguistik. Letzteres zeigt, daß die Lexikologie wünschenswerte praktische Auswirkungen auf eine Disziplin haben kann, die selbst Grundlagenstatus für das mentale Lexikon einnimmt. Vergleichen Sie hierzu Diagramm 2.

3

4 5

Hierzu zähle ich neben den einfachen und komplexen Wörtern die Wendungen mit obsoleten Wörtern, die idiomatischen Wendungen und die lexikalisierten metaphorischen Wendungen; cf. Lutzeier (1995b). Die Einschätzung der Kollokationen und ihr Verständnis blieb über die gesamte Tagung hinweg strittig. Vgl. für meinen Ansatz Lutzeier (1993). Aus verschiedenen Gründen, nicht zuletzt wirtschaftlichen Überlegungen der Verlage, ist die Lexikographie bisher sehr zögerlich im Aufgreifen der Erkenntnisse der Lexikologie gewesen. Gleichzeitig stellen natürlich die Ergebnisse der praktischen Seite der Lexikographie, also die Wörterbücher, unverzichtbare Hilfsmittel lexikologischen Arbeitens dar.

10

Peter Rolf Lutzeier

Diagramm 2 Psycholinguistik

l ^

kognitive Linguistik

Lexikologie Lexikographie

y i

Grammatiktheorie

¿

Computerlinguistik

j

\

klinische Linguistik

Wie paßt sich in dieses allgemeine Verständnis von Lexikologie die hier interessierende kontrastive Lexikologie ein? Ich wähle folgende Festlegung c): c)

Kontrastive Lexikologie ist die Theorie und Praxis der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Strukturierungen in Wortschätzen.

Die Beachtung der Gemeinsamkeiten ist mindestens genauso wichtig wie die beliebte Betonung der Unterschiede, garantieren doch die Gemeinsamkeiten erst den Rahmen, der als Bezugspunkt für den Vergleich unabdingbar ist. Selbstverständlich ist auch für die Festlegung einer kontrastiven Lexikologie die bereits ermittelte dreifache Sehweise von 'Wortschatz' zu beachten. So bewegen wir uns z.B. im Falle des mentalen Lexikons im Bereich der Mehrsprachigkeit. Ferner können die betrachteten Wortschätze allesamt Wortschätze von Varietäten einer natürlichen Sprache ('einzelsprachlich kontrastive Lexikologie') oder Wortschätze von Varietäten verschiedener natürlichen Sprachen ('mehrsprachlich kontrastive Lexikologie') sein. Eine gewisse Mischform finden wir in den kontrastiven Untersuchungen von Piirainen (1991) zu den Phraseologismen im Westmünsterländischen als einer niederdeutschen Varietät und den Phraseologismen im Hochdeutschen. Vergleicht man die Festlegung für die kontrastive Lexikologie mit der Festlegung für die historische Lexikologie: d)

Historische Lexikologie ist die Theorie und Praxis der Konstanz und der Veränderungen der Strukturierungen des Wortschatzes Uber einen bestimmten Zeitraum,

dann erkennt man, daß die historische Lexikologie im Falle eines weiter gefaßten Zeitraumes, der den Vergleich von Varietäten im Sinne von Sprachstufen wie das Althochdeutsche, das Mittelhochdeutsche usw. nahelegt,6 dem Bereich der einzelsprachlich kontrastiven Lexikologie zugeordnet werden kann.

6 Im Unterschied zu einem enger gefaßten Zeitraum, bei dem es um die systematische Beschreibung eines historischen Ausschnitts des Wortschatzes einer Sprache/einer Varietät geht - bis hin zur Vorstellung der Beschreibung eines Wortschatzes zu einem bestimmten Zeit"punkt". Somit erweist sich die Festlegung von "historischer Lexikologie' in bekannter Weise als zweideutig.

Es lohnt sich - Kontrastive Lexikologie.,

2.

11

Erste Hinweise zum Beispiel

Das Beispiel wird im folgenden als Beispiel für die Behandlung der systematischen Seite im Aufgabenfeld einer kontrastiven Lexikologie angesehen. Als Ausgangspunkt wählen wir die onomasiologische Sichtweise, womit als erforderliche Vergleichsbasis ein Ausschnitt der Inhaltsebene dient. Genauer geht es natürlich auf dem Hintergrund des Dreiecks 'sprachliche Form - Denken - Wirklichkeit' um Konzeptualisierungen eines festzulegenden Bereiches der Wirklichkeit Für das gewählte Sprachenpaar (Gegenwärtiges) Deutsch - (Gegenwärtiges) Britisches Englisch kann von einer relativ unproblematischen, gemeinsam gültigen Aussonderung des Bereiches 'Einkünfte' ausgegangen werden. Beide Sprachgemeinschaften teilen als Kulturgemeinschaften z.B. das Konzept der Lohnarbeit, das seinerseits mit Entwicklungen wie Herausbildung von Städten, Arbeitsteilung, Industrialisierung und monetärem System zu tun hat. Im Unterschied zu anderen Kulturgemeinschaften ist deshalb für Sprecher/Sprecherinnen beider Sprachen der Bereich 'Einkünfte' in erster Linie mit Geld und nicht mit materiellen Gütern assoziiert. Eine nicht uninteressante Entwicklung ist allerdings die wieder zunehmende Abkehr vom Geld im Zahlungsverkehr und dessen Ersatz durch elektronisch vermittelte Überweisungen oder durch die als 'Plastikgeld1 bezeichneten Kreditkarten. Unmittelbare Auswirkungen dieses Wandels sind aber in unserem Bereich der Einkünfte noch nicht festzustellen.7 Mit dem erläuterten Vorgehen erzielen wir (onomasiologische) Paradigmen als Ausgangsbasis für semantische Felder. Prinzipiell empfiehlt sich zu diesem Stadium ein liberales Umgehen mit der Frage, was alles zu den Paradigmen zu zählen ist. Die ermittelten Paradigmen lassen einen ersten Vergleich der Belegung in den einzelnen Sprachen nach Wortarten und Phraseologismen zu, und selbst bei Festlegung einer bestimmten Wortart - hier die Wortart 'Substantiv' - läßt sich noch die Frage beantworten, ob die jeweiligen - im vorliegenden Fall nominalen Paradigmen als Ausgangsbasis für lexikalische Felder 8 dienen können. Es sollte an dieser Stelle betont werden, daß uns hier allein die Frage der Behandlung im Rahmen der Wortfeldtheorie/Lexikalischen Feldtheorie interessiert. Selbstverständlich stellen die Paradigmen Ausgangsbasis für zahlreiche weitere Untersuchungsinteressen dar. Man denke etwa an eine Beschreibung im Rahmen der Frametheorie oder an eine Erfassung der wortbildungsmäßigen Zusammenhänge. Beide onomasiologischen (nominalen) Paradigmen stellen sich als Ausgangsbasis für lexikalische Felder, d.h. als Wörterparadigmen, heraus. Eine Beschreibung für das Britische Englisch liegt bereits vor, cf. Lutzeier (1982), und ein Kontext wie Hans freute sich über X liefert für den Aspekt 'Einkünfte' nach einigen morphologischen Glättungen das relevante Paradigma für das Deutsche. Dies erweist bereits die allgemeine, nicht weiter überraschende syntagmatische Vergleichbarkeit der jeweiligen Substantive, was nennenswerte Unterschiede im syntagmatischen Potential einzelner lexikalischer Einheiten im Kontext von Kollokationen, Sprichwörtern usw. selbstverständlich nicht ausschließt. Solche Erscheinungen sind dann Teil der Einzelbeschreibungen. Es stehen sich für unsere Vorgaben nun folgende Paradigmen gegenüber:9 7 8 9

Man vergleiche dagegen die festzustellende Bedeutungserweiterung bei einem Verb wie bezahlen. Als Überblick zu den lexikalischen Feldern vgl. Lutzeier (1995a). Obwohl loss bzw. Verlust als eine Art negative Einkünfte verstanden werden können, zähle ich sie nicht zu den entsprechenden Paradigmen.

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Peter Rolf Lutzeier

P(Britisches Englisch) = {bonus , bursary , collection , compensation , consideration , cost, donation , earnest, earnings , emoluments , exhibition , expenses ,fee , gift , golden handshake , grant, gratification , gratuity , hire , honorarium , income , increment, indemnification , indemnity, inheritance, interest, legacy, /need, pay, payment, pension , pittance , pocket-money , price , prize , profit, rates , recompense , remuneration , rent, reparations , revenue , reward, royalty , salary , savings , scholarship , screw , stipend , subsidy , subvention , tip, wages , winnings } P(Deutsch) = {abfindung , anzahlung, ¿»a/tfg , bedienungsgeld , beihilfe , belohnung , besoldung , bezahlung , bezilge , bonus , diäten , einkommen , einkünfte , einnahmen , entgeld, entschädigung , erbe, erlös , ersparnis ,findergeld , finderlohn , gage, gebühr , gehalt, gewinn , gratifikation , Aener , honorar, hungerlohn, kollekte , kosten, lohn, /wiefó , mietzirts , pachi,pension ,preis , profit, rate, rente, reparationen , ruhegeld , Sammlung, Schenkung , sold, spende, Stipendium, stundenlohn , subvention , tantieme , taschengeld, trinkgeld, Unkosten , verdienst, Vergütung, zins , zubrot, Zuwendung }.

3.

Zum Vergleich zweier lexikalischer Felder

Umfangsmäßig ergeben sich keine größeren Unterschiede: 54 Einheiten im Paradigma des Englischen 10 und 58 Einheiten im Paradigma des Deutschen. 11 Auffallend dagegen ist der Anteil an zueinander formähnlichen Elementen aus dem Englischen und Deutschen. Da sich die in den Festlegungen a) und c) auftretenden Strukturierungen selbstverständlich neben der Inhaltsebene auch auf die Formebene beziehen können, sind wir mit solchen Überlegungen bereits mitten drin im Kernbereich der Lexikologie; cf. Lutzeier (1995c) für die Betonung der Formseite. Wir finden die Paare: bonus - bonus , gratification - gratifikation , honorarium - honorar, meed - miete , pension - pension, price/prize - preis , profit - profit, rates -rate , rent rente , reparations - reparationen , stipend - Stipendium , subvention - subvention , was nicht weiter Überraschend ist, da es sich allesamt um Entlehnungen aus dem Lateinischen oder Altfranzösischen oder auf eine indoeuropäische Wurcel zurückführende Formen handelt. Selbst wenn die Ähnlichkeit der Formen auf diese Weise leicht erklärlich ist, entwickeln die Elemente in der jeweiligen Sprache unweigerlich ihr Eigenleben, nicht zuletzt, weil sie sich ja in unterschiedliche Systeme integrieren müssen. Aus diesem Grunde dürfen wir selbst im inhaltlich Ubereinstimmenden Rahmen der Felder nicht von einer Identität der jeweiligen Inhalte ausgehen. Dabei mag es sich nicht nur um Unterschiede im konnotativen Bereich oder im syntagmatischen Potential handeln, sondern auch um Unterschiede, die völlig verschiedene Positionszuweisungen im jeweiligen Feld erzwingen. ist ein solches Paar falscher Freunde: das englische Substantiv stipend gehört zum Bereich derjenigen Einkünfte, die als Gegenwert von Arbeit anzusehen

10

In Lutzeier (1982) wurde ein Paradigma mit 41 Einheiten besprochen. Die dort ermittelte Struktur, insbesondere was die Hyponymie-Relation angeht, kann mehr oder weniger für das erweiterte Paradigma übernommen werden.

11

Da, wie wir gleich erkennen werden, das englische Substantiv rates und die deutschen Substantive preis , rate , rente und zins als polyseme Elemente differenziert werden müssen, sind es im Englischen genaugenommen 55 Elemente und im Deutschen genaugenommen 62 Elemente.

Es lohnt sich - Kontrastive Lexikologie..

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sind, 12 m.a.W. stipend ist hyponym zu pay bzgl. des Aspektes 'Einkünfte', während das deutsche Substantiv Stipendium zum Bereich der finanziellen Unterstützungen gehört und damit im Umkreis der Bedeutung der gemeinsamen lateinischen Quelle geblieben ist. Da im Englischen der Bereich dieser finanziellen Unterstützungen besonders für den universitären Bereich formal stark belegt ist (bursary, exhibition , grant, scholarship), stört die Hinwendung von stipend zum Bereich der Einkünfte, die als Gegenwert von Arbeit anzusehen sind, überhaupt nicht. Die Relevanz der finanziellen Unterstützungen für den universitären Bereich hat übrigens auch im Deutschen durchaus seinen formalen Reflex: Hier finden wir neben Stipendium das Kurzwort bafög, das eine Abkürzung von 'Bundesausbildungsförderungsgesetz' darstellt. Der Vergleich dieses Kurzwortes mit seiner Langform verdeutlicht eine häufig wenig beachtete lexikologische Tatsache: Kurzwörter entwickeln ebenfalls ein Eigenleben, gerade auch was ihre Inhaltsseite angeht. Bei dem Tripel sind die beiden Sprachen auch getrennte Wege gegangen. Das englische Substantiv price und das deutsche Substantiv preis stammen beide aus dem Altfranzösischen, genauer dem Substantiv prîs. Das mittelenglische Substantiv prîs besaß bereits alle Lesarten der altfranzösischen Quelle, d.h. 'Ehre1, 'Ruhm', 'Lob', 'Wert' und 'Belohnung' und wandelte seine Form über prise zu price. Das englische Substantiv prize entwickelte sich relativ früh als differenzierende Variante von price mit einer Spezialisierung der Bedeutung auf die eine Lesart 'Belohnung in einem Wettbewerb'. Für price blieb schließlich ebenfalls einzig eine Lesart, nämlich 'Geldwert' übrig. 13 Im Englischen haben wir somit synchron gesehen zwei verschiedene Wörter, die in der Nähe zweier homophoner Formen angesiedelt sind. 14 Ursprüngliche Polysemie löste sich hier durch Anbindung an unterschiedliche Formen auf, d.h. die ursprüngliche Einheit des lexikalischen Elementes wurde gesprengt. Im Deutschen ging die Entwicklung etwas anders. Das mittelhochdeutsche Substantiv prîs taucht zum Ende des 12. Jhd. als Entlehnung des altfranzösischen Substantivs prîs auf, allerdings nur mit den Lesarten 'Lob' und 'Ruhm'. Diese erfuhren eine normale Erweiterung zu der Lesart 'Belohnung, die als Zeichen der Anerkennung gegeben wird'. Die heute geläufige Lesart 'Geldwert', vgl. kau/preis, tritt erst im 16. Jhd. auf, also mit einer verspäteten Anlehnung an eine der Lesarten der altfranzösisehen Quelle. 15 Wir finden somit im Deutschen preis als (zunehmend) polysemes Element vor, das in unser lexikalisches Feld mit den Lesarten l j = 'Geldwert' und ¡2 = 'Belohnung in einem Wettbewerb' eingeht. Die zusätzliche Lesart 13 = 'Lob', vgl. lob und preis singen, paßt dagegen nicht zum Aspekt unseres lexikali sehen Feldes. Das Paar ist das Beispiel mit gemeinsamer indoeuropäischer Wurzel *mizdho und ebenfalls ein Beispiel falscher Freunde. 16 Beide Elemente besaßen die ursprüngliche Bedeutung 'Lohn'. Das englische Substantiv meed hat sich verändert zu der Lesart 'Belohnung', 17 während das deutsche Substantiv miete von allen Elementen der beiden Paradigmen vielleicht den drastischsten Bedeutungswandel in letzter Zeit durchgemacht hat, da es bis ins 19. Jhd. noch die ursprüngliche Bedeutung 'Lohn' aufwies. 12

Ich vermeide den Gebrauch von "Bereich der Gehälter', da geholt im gegenwältigen Deutsch für den relevanten Aspekt ein engeres Verhältnis aufweist.

13

Cf. Oxford English Dictionary Vol. XII (1989:451).

14

Selbstverständlich liefern die Standardaussprachen /prais/ und /praiz/ auch eine Differenzierung auf der Lautebene.

15

Cf. Paul (1992:904).

16

Cf. Kluge (1989:477).

17

Cf. Oxford English Dictionary Vol. IX (1989:559).

14

Peter Rolf Lutzeier

In die Richtung der Erweiterung des Wortschatzes finden wir in beiden Paradigmen Elemente mit morphologisch komplexer Formausprägung. Dabei paßt die größere Anzahl an Komposita im Paradigma des Deutschen zum allgemeinen Bild des Vergleiches der Produktivität von Wortbildungsprozessen für Substantive. Im einzelnen fällt folgendes auf: 1.

Der formalen Komplexität und Durchsichtigkeit von trinkgeld entspricht im gegenwärtigen Deutsch keineswegs eine Motiviertheit auf der Inhaltsebene: Der Inhalt von trinkgeld für den Aspekt 'Einkünfte' wird unanalysiert als Einheit erfaßt. Völlige Motiviertheit hat es hier anscheinend nie gegeben, denn trinkgeld, seit dem 14. Jhd. bekannt, bedeutete ursprünglich "Zeche' und war damit von Anfang an nicht nur auf die Bezahlung der Getränke beschränkt. 18 Nehmen wir die Sichtweise von Wortschatz als mentales Lexikon ein, dann steht das lexikalische Element rinkgeld wohl insgesamt eher als Kandidat für ein Simplex zur Debatte, d.h. die durchgehende Nicht-Motiviertheit schlägt sich auch auf die Durchsichtigkeit durch.

2.

zubrot ist im gegenwärtigen Deutschen wohl nur noch in der Wendung sich ein zubrot verdienen geläufig. Die historische Bedeutung "Zukost zum Brote' 19 ist dabei einer phraseologischen Bedeutung gewichen.

3.

findergeld und finderlohn können selbstverständlich als Beispiel synonymer Wörter bzgl. des Aspektes unseres lexikalischen Feldes gelten. 20

Diskrepanzen zwischen morphologisch komplexen Formen und ihren Inhalten haben auch Auswirkungen auf die für die Strukturierungen relevanten Sinnrelationen innerhalb der Paradigmen. Für das Deutsche gibt es hier zu beachten: Akzeptieren wir lohn bzgl. des Aspektes 'Einkünfte' als Ausdruck für den regelmäßigen Verdienst von Arbeitern, vgl. die Wörter lohnarbeit bzw. lohnarbeiter und die geläufige Konstruktion löhne und gehälter sind um χ Prozent gestiegen, dann kann entgegen den üblichen Erwartungen das Kompositum finderlohn nicht als Hyponym zu lohn bzgl. des Aspektes 'Einkünfte' angesetzt werden, finderlohn ordnet sich übrigens generell nicht unter den Verdienst-Zweig von Einkünften ein, da verdienst den Gegenwert von Arbeit profiliert. Historisch gesehen wäre das Ansetzen des Paares als Beispiel der Hyponymie-Relation bzgl. des Aspektes 'Einkünfte' wohl korrekt, allerdings muß für das gegenwärtige Deutsch bei hungerlohn von einer typischen Erweiterung auf der Inhaltsebene auf alle Einkommensgruppen ausgegangen werden, so daß wir im Feld unter Umgehung von lohn das Paar als Beispiel der Hyponymie-Relation bzgl. des Aspektes 'Einkünfte' ansetzen müssen. 21 Schließlich bilden kosten und Unkosten keinen Gegensatz, sondern besetzen eher die gleiche Position im Feld, d.h. sind bzgl. des Aspektes unseres lexikalischen Feldes als Synonyme anzusehen. Auch im Feld für das Britische Englisch finden wir natürlich Beispiele für Synonymie bzgl. des angenommenen Aspektes, so die Paare und . Selbstverständlich ist für die Ausprägung der Hyponymie-Relation bzgl. des Aspektes 'Einkünfte' entscheidend, daß wir in beiden Paradigmen Archilexeme, nämlich income bzw. einkünfte haben. 18

CT. Paul (1992:904).

19

CT. Grimm/Grimm (1954:Sp.254) bzw. für mhd. zuobrôl Lexer (1986:340).

20

CT. Duden Bd.3 (1993:1094). Insofern ist die Bedeutungsangabe für hungerlohn 'sehr geringer Lohn1 in Duden Bd.4 (1994:1654) strenggenommen nicht korrekt

21

Es lohnt sich - Kontrastive

Lexikobgie.,

15

Da mit dem behandelten Bereich ein Bezug auf Verhältnisse in der Wirklichkeit gegeben ist, bietet sich neben der Beachtung der Sinnrelationen der frühe Versuch der Beschreibung mithilfe von Dimensionen an. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, kann man von der Relevanz mindestens der folgenden Dimensionen ausgehen: 1.

Regularität der Einkünfte. Diese Dimension ist zentral für beide Paradigmen.

2.

Relevanz einer Gegenleistung. Diese Dimension ist zentral für beide Paradigmen.

Beide Dimension bewirken unterschiedliche Zerlegungen der Paradigmen, wie man für das Deutsche etwa an taschengeld beobachten kann. Für die Zerlegung der ersten Dimension 'Regularität' tritt taschengeld zusammen mit lohn und gehalt in einer Klasse ohne spende und kollekte auf, während es für die Zerlegung der zweiten Dimension 'Relevanz der Gegenleistung' zusammen mit spende und kollekte in einer Klasse ohne lohn und gehalt auftritt. 3.

Berufsgruppen für Einkünfte. Im Deutschen finden wir die Teilklassen Arbeiter (lohn) 22 vs. Angestellte/Beamte (gehalt, besoldung) vs. Freiberuflich (honorar, gageJ23 vs. Soldaten (sold) vs. Seeleute (heuer) vs. Parlamentarier (diäten). Im Britischen Englisch drängt sich diese Dimension nicht so stark auf; immerhin für Seeleute (hire) und für Geistliche bzw. Universitätslehrer in Oxford (stipend).

4.

Berufsgruppen für Ruhegelder. Im Deutschen benötigen wir Beamte (pension) vs. Nicht-Beamte (rente). Diese Unterscheidung ist ohne Entsprechung im Britischen Englisch. Dies hebt die Sonderstellung der Beamten in der deutschen Gesellschaft hervor.

5.

Berechnungsbasis für Einkünfte. Im Britischen Englisch drängt sich jährliche Basis (salary) vs. nicht-jährliche, genauer wöchentliche Basis (wages) auf. Obwohl diese Unterteilung mit den Berufsgruppen 'Nicht-Arbeiter' und 'Arbeiter' direkt korreliert, scheint mir die Berechnungsbasis als Information zunächst wichtiger zu sein. Diese Unterscheidung ist ohne Entsprechung im gegenwärtigen Deutschen, vgl. allerdings stundenlohn. Falls allerdings eine Präzisierung nötig sein sollte, stünden selbstverständlich Kompositumbildungen wie wochenlohn oder jahreslohn zur Verfügung. Fraglich ist auch, inwieweit bei diäten noch ein Bewußtsein Uber den Tagesbezug, vgl. lat. dies Tag', mitschwingt.

6.

Empfänger. Z.B. brauchen wir für das Britische Englisch öffentliche Institution bzw. Staat (reparations , revenue) vs. Individuum (fee). Eine entsprechende Unterscheidung gilt auch für das Deutsche.

Da, wie angedeutet, der Zerlegung aufgrund der Dimension der Berechnungsbasis im Britischen Englisch letztlich auch die Gruppe der Arbeiter zugrundeliegt, offenbart sich in beiden Paradigmen der historisch zu verstehende Sonderstatus der Arbeiter in beiden Gesellschaften. 22

Seit dem 14. Jhd. hat sich lohn auf die monetäre Seite konzentriert, vgl. die Wendungen jmdm. lohn und kost geben und in lohn und brot stehen .

23

gage erweist sich dabei als hyponym zu honorar bzgl. des Aspektes "Einkünfte1, da es auf Künstler, Schauspieler usw. beschränkt ist.

16

Peter Rolf Lutzeier

In diesen Zusammenhang paßt dann auch die Frage der Fairness des finanziellen Gegenwertes für die getane Arbeit, vgl. hungerlohn bzw. pittance, die beide den unfairen Gegenwert der Arbeit profilieren. Nicht ohne Interesse ist hier die Warnung dienst ohne lohn macht diebe und als allgemeiner Hinweis auf die Relevanz der Frage der Gerechtigkeit können Wendungen wie der eine hat die arbeit, der andere den lohn ; undank ist der weit lohn ; schlechter lohn macht schlechtes) tuch24 verstanden werden. Weitere Dimensionen haben eher mit einzelnen Elementen in den Paradigmen zu tun, so etwa die Frage regionaler Besonderheiten: bursary 'Schottland', bafög 'Bundesrepublik Deutschland', die Frage des Registers für das Slangwort screw und die fürs Deutsche anzusetzende Unterteilung im Gaststättengewerbe: bedienungsgeld - trinkgeld. Letzteres ist wiederum ohne Entsprechung im Britischen Englisch; allerdings tip 'für die Ausübung einer Tätigkeit, zusätzlich zu einem normalerweise knapp bemessenen Gehalt'. Diese Bemerkungen müssen als Skizze der Gemeinsamkeiten und der Unterschiede in beiden Feldern genügen. Anhand der Elemente honorar, rate und rente lohnt es sich, abschließend noch auf die Frage der Polysemie innerhalb eines einzelnen lexikalischen Feldes einzugehen. Im Falle von preis hatten wir die Polysemie bereits vorher erkannt und für zins mit den für das Feld relevanten und deutlich getrennten Lesarten = 'Abgabe' und I2 = 'Ertrag für ausgeliehenes Kapital' scheint die Polysemie von vornherein klar. Für honorar finden wir im Duden-Wörterbuch Band 4 (1994) die zwei Angaben: "1. Bezahlung, die Angehörige der freien Berufe (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Schriftsteller) für einzelne Leistungen erhalten. 2. Vergütung, die jd. für eine Tätigkeit, die er nebenberuflich (z.B. auf Grund eines Werkvertrags) oder als freier Mitarbeiter ausübt, erhält." (1636).

Abgesehen von der wohl eher stilistisch einzuschätzenden Variation zwischen bezahlung und Vergütung sind in beiden Angaben die Elemente 'freiberuflich' und 'nicht-regelmäßig' als entscheidende Bedeutungsangaben anzusehen. Beide Elemente spielen auch für das gesamte Feld in Form verschiedener Dimensionen eine Rolle und rechtfertigen auf diesem Hintergrund keine Annahme von Polysemie für honorar.25 Für rate finden wir im Duden-Wörterbuch Band 5 (1980) die zwei Angaben: "1. Von zwei Geschäftspartnern (bes. einem Käufer und einem Verkäufer) vereinbarter Geldbetrag, durch dessen in regelmäßigen Zeitabständen erfolgende Zahlung eine (größere) Schuld schrittweise getilgt wird. 2. (Fachspr.) (tariflich festgesetzter oder für den Einzelfall ausgehandelter) Preis für den Transport von Gütern, bes. per Schiff." (2100).

In diesem Fall scheinen von vorherein deutlich geschiedene Bereiche angesprochen zu sein. Zum einen geht es um den in einem Kaufvertrag festgelegten Teilbetrag einer Zahlung (vgl. ratenzahlung) und zum andern geht es um eine Gebühr für eine bestimmte Leistung im Verkehrswesen. 26 Da beide Angaben zum Aspekt 'Einkünfte' unseres Feldes passen, müssen wir im Feld zwei Formen ratei u r , d rate2 ansetzen und damit von einer Polysemie für rate sprechen. Die englische Form rate(s) ist im Britischen Englisch übrigens nicht völlig analog zur deutschen Form rate, da wir hier noch eine für das Feld relevante Lesart 'Steuern' fin-

24

Cf. Beyer/Beyer (1987) und Wander (1873:Sp.230). Insofern ist wohl der Eintrag im dtv-Wörterbuch "Vergütung von Leistungen freier Berufe" (420) adäquater.

2
Nach Paul (1992:679) handelt es sich bei der zweiten Angabe um eine Entlehnung aus dem Englischen.

Es lohnt sich - Kontrastive Lexikologie.,

17

den. 27 Damit haben wir auch für das Feld im Britischen Englisch mindestens ein polysemes Element erkannt. Für rente finden wir im Duden-Wörterbuch Band 5 (1980) die zwei Angaben: "a) regelmäßiger, monatlich zu zahlender Geldbetrag, der jdm. (als Einkommen auf Grund einer gesetzlichen Versicherung bei Erreichen der entsprechenden Altersgrenze, bei Erwerbsunfähigkeit o.ä.) zusteht, b) regelmäßige Zahlungen, die jd. aus einem angelegten Kapital, aus Rechten gegen andere, als Zuwendung von anderen o.ä. erhält." (2144).

Die hier auftretende Unterscheidung mittels Buchstaben a) und b) soll wohl eine geringere Differenz zwischen beiden Angaben suggerieren als im Falle der Unterscheidung mittels Zahlen 1. und 2. Zwar geht es nun in beiden Fällen um regelmäßige Zahlungen, dennoch scheinen mir die betroffenen Bereiche - zum einen 'Altersversorgung, Ruhegeld', zum andern 'allgemeine Abgabe' - im heutigen Verständnis so klar getrennt, daß man, falls die zweite Angabe Uberhaupt noch als geläufig erachtet würde, meiner Meinung nach von Polysemie reden müßte. Paul (1992:691) weist auf den Bedeutungswandel von der 'Abgabe'-Lesart zur erst im 20. Jhd. auftretenden 'Ruhegeld'-Lesart hin und sieht die erste Lesart als veraltet an. Danach gibt es für rente nur eine Lesart, und die Frage der Polysemie stellt sich Uberhaupt nicht. Die englische Form rent weist mit der alleinigen Lesart 'Mietzins' eine speziellere Lesart als die 'Abgabe'-Lesart auf. Insgesamt haben wir damit gesehen, daß es polyseme Einheiten geben kann, die mit verschiedenen Lesarten in ein und demselben Feld vertreten sind. Hat sich nun der Vergleich der Paradigmen gelohnt? Ich finde ja. Ein Vergleich war zunächst möglich, da wir uns einen Bereich ausgesucht hatten, der für beide Sprachgemeinschaften in etwa gleiche Konzeptualisierungen aufweist. Auf diesem Hintergrund konnten dann sehr wohl wichtige Gemeinsamkeiten, aber auch strukturelle Unterschiede in beiden Feldern aufgezeigt werden, die subtilere Unterschiede in den betreffenden Gesellschaften reflektierten. Insofern kann dieser Vergleich als Beitrag zu einer Kultursemantik für die jeweiligen Sprachen verstanden werden. 28

Literatur Beyer, Horst und Beyer, Annelies (1987): Sprichwörterlexikon. Sprichwörter und sprichwörtliche Ausdrücke aus deutschen Sammlungen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. - München: Vertag C. H. Beck, dtv - Wörterbuch der deutschen Sprache. (Hrsg. G. Wahrig). - München: Deutscher Taschenbuchverlag 1978. DUDEN. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden. (Hrsg. G. Drosdowski). Band 5: O-So. - Mannheim: Dudenverlag 1980. - Band 6: Sp-Z. - Mannheim: Dudenverlag 1981. DUDEN. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in acht Bänden. 2. Auflage. (Hrsg. G. Drosdowski). Band 1: A-Bim. - Mannheim: Dudenverlag 1993. -

Band 2: Bin-Far. - Mannheim: Dudenverlag 1993.

-

Band 3: Fas-Hev. - Mannheim: Dudenverlag 1993.

-

Band 4: Hex-Lef. - Mannheim: Dudenverlag 1994.

27

Cf. Oxford Advanced Learner's Dictionary of Current English (1989:1039). Unter Kultursemantik verstehe ich eine Semantik, die das Weltbild der Sprachgesellschaft in ihren Beschreibungen erfassen will.

18 -

Peter Rolf Lutzeier Band 5: Leg-Pow. - Mannheim: Dudenverlag 1994.

Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm (1954): Deutsches Wörterbuch. Sechzehnter Band. Zobel - Zypressenzweig, (bearbeitet v. G.Rosenhagen). - Leipzig: Verlag von S. Hirzel [Deutsches Wörterbuch Band 32. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1984], Kluge, Friedrich (1989): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. - Berlin: Walter de Gruyter. (22. Auflage, bearbeitet v. E. Seebold). Langenscheidts Handwörterbuch Englisch. Teil I Englisch-Deutsch. (Hrsg. H. Messinger/W. Rüdenberg). 10. Auflage. - Berlin: Langenscheidt 1983. -

Teil Π Deutsch-Englisch(Hrsg. H. Messinger). 16. Auflage. - Berlin: Langenscheidt 1987.

Lexer, Matthias (1986): Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. - Stuttgart: Verlag S. Hirzel. (37. Auflage). Lutzeier, Peter Rolf (1982): "The notion of lexical field and its application to English nouns of financial income". - In: Lingua 56,1-42. -

(1985): Linguistische Semantik. - Stuttgart Metzlersche Verlagsbuchhandlung.

-

(1993): "Anmerkungen zur Wortbedeutung". - In: G. Bartels/I. Pohl (Hgg.): Wortschatz - Satz - Text. Beiträge der Konferenzen in Greifswald und Neubrandenburg 1992 (Frankfurt a.M.: Peter Lang) 257-268.

-

(1995a): "Lexikalische Felder - was sie waren, was sie sind und was sie sein könnten". - In: G.Harras (Hrsg.): Die Ordnung der Wörter. Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache Mannheim 1993 (Berlin: Walter de Gruyter) 4-29.

-

(1995b): Lexikologie. Ein Arbeitsbuch. - Tübingen: Stauffenburg Verlag.

-

(1995c): "Aufgaben der Lexikologie". - In: E. Wiegand/F. Hundsnurscher (Hgg.): Lexical structures and language use. Lexikon und Sprachgebrauch (Tübingen: Max Niemeyer).

Oxford Advanced Learner's Dictionary of Current English, (ed. A. S. Hornby) 4th edition. - Oxford: Oxford University Press 1989. Oxford English Dictionary 2nd edition Vol. IX Look - Mouke. (eds. J. A. Simpson/E. S. C. Weiner). - Oxford: Oxford University Press 1989. -

Vol. XII Poise - Quelt (eds. J. A. Simpson/E. S. C. Weiner). - Oxford: University Press 1989.

Paul, Hermann (1992): Deutsches Wörterbuch. (9. Auflage, bearbeitet von H. Henne/G. Objartl). - Tübingen: Max Niemeyer Verlag. Piirainen, Elisabeth (1991): "Phraseologismen im Westmünsterländischen. Einige Unterschiede der westmünsterländischen Phraseologie im Vergleich zum Hochdeutschen". - In: Niederdeutsches Wort 31,33-76. Wander, Karl Friedrich Wilhelm (1873): Ein Hausschatz für das deutsche Volk. Dritter Band. Lehrer bis Satte (der). - Leipzig: F.A.Brockhaus.

FRANZ JOSEF HAUSMANN

Von der Unmöglichkeit der kontrastiven Lexikologie

Zusammenfassung: Im Wortgebrauch überwiegt die Bindung über die Freiheit, das Syntagmatische über das Paradigmatische, die Idiomatik über die Kompositionalität. Deshalb ist kontrastive Wörterbetrachtung nur in kleinen Bereichen der Sprache möglich. Darüberhinaus wird sie zur kontrastiven Phraseologie und Textologie. Summary: In word usage the idiom principle prevails over the open choice principle. Therefore contrastive lexicology is possible but in small domains of vocabulary. Beyond this area contrastive lexicology becomes contrastive phraseology and textology. Résumé: L'usage des mots est plus lié que libre, plus syntagmatique que paradigmatique, plus idiomatique que compositionnel. Voilà pourquoi la lexicologie contrastive n'est possible que dans un domaine très restreint du vocabulaire. Au-delà, la lexicologie contrastive devient phraséologie contrastive, voire textologie contrastive.

1.

Thesen zur Desillusionierung: Was wissen wir von den Wörtern?

(1)

Wir wissen nicht, wie das einzelne Wort definiert ist. Die Definition besteht aus Semen, Merkmalen, aber wir wissen nicht, wann die Merkmale vollständig sind. Die Definitionen der Wörterbücher sind nur der Anfang der Merkmalsbeschreibung. Der Übersetzer muß mit Merkmalen operieren, die nicht im Wörterbuch stehen. Der Schriftsteller aktualisiert (z.B. metaphorisch) Merkmale, die nicht im Wörterbuch stehen. Die Definition ist kontextabhängig. Die Kontexte sind unendlich.

(2)

Wir wissen nicht, wie viele Bedeutungen ein Wort hat. Für die Unterscheidungen des Wortes in verschiedene Lesarten, Sememe (= Merkmalsbündel), gibt es keine objektiven Kriterien. Die semasiologische Differenzierung des Wortes ist ein Konstrukt. Wir wissen auch nicht, wann die Sememe vollständig sind. Die Sememe sind kontextabhängig. Die Kontexte sind unendlich.

(3)

Wir wissen nicht, wie viele Synonyme ein Wort hat, besser gesagt, wieviel synonyme Sememe ein Semem hat. Denn die Synonymbeziehung ist kontextabhängig. Die Kontexte sind unendlich. Was in den kumulativen Synonym-Wörterbüchern steht, ist immer nur ein kleiner Ausschnitt.

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Franz Josef Hausmann

(4)

Wir wissen nicht, worin sich Synonyme gleichen und worin sie sich unterscheiden. Denn das kann man erst sagen, wenn man das Gesamt der Kontexte beider Synonyme durch gegenseitigen Austausch durchgetestet hat. Abgesehen davon, daß die Kontexte ohnehin unendlich sind, ergibt sich ein höchst komplexes Bild allein schon durch den Vergleich zweier Synonyme. Nimmt man nun weitere Synonyme hinzu, ergibt sich eine riesige Matrix, die nicht mehr überschaut werden kann. Wieso gibt es dann distinktive Synonymiken? Die sog. vergleichenden Synonymiken sind sehr selektiv und zwar in mehrerer Hinsicht: a) viele Wörter fehlen ganz b) viele Sememe aufgenommener Wörter fehlen c) unendlich viele Merkmale der verglichenen Wörter fehlen

Dies alles wegen mangelnder kontextueller Basis. Strebten die distinktiven Synonymiken Vollständigkeit an, würden sie zu Werken von unüberschaubarer Informationsfülle und Komplexität. Umfassende distinktive Synonymiken sind unmöglich. (5)

Wir wissen nicht, wieviele französische Äquivalente ein deutsches Wort hat. Denn die Äquivalenz ist kontextabhängig und die Kontexte sind unendlich. Die zweisprachigen Wörterbücher bieten immer nur eine Äquivalentauswahl und eine Kontextauswahl. Auch das größte zweisprachige Wörterbuch läßt sich ins Unendliche erweitern.

2.

Wieweit ist kontrastive Lexikologie möglich?

Daß kontrastive Lexikologie möglich ist, bedarf keiner Frage. Die Frage ist: Wieweit ist kontrastive Lexikologie möglich? Hinter einem Raum der Möglichkeit beginnt das Terrain der Unmöglichkeit. Von der Unmöglichkeit der kontrastiven Lexikologie soll hier vor allem die Rede sein. Doch zuerst kurz zur Möglichkeit. Wenn ich meinen Nagel auf französisch statt auf deutsch in die Wand schlagen will, macht es keine Mühe, das Schildchen Nagel durch das Schildchen clou zu ersetzen, das In-die-Wand-Schlagen hingegen bereitet erhebliche Schwierigkeiten, denn hier können nicht mehr die deutschen Schildchen schlagen, Wand, in durch die entsprechenden französischen Schildchen ersetzt werden. Kontrastive Lexikologie setzt kontextunabhängige Konzeptualisierungen voraus. Nagel = clou ist so ein semantisch autonomes Wort, ebenso wie Nagel = ongle oder Wasserhahn = robinet oder Junggeselle = célibataire oder Gewissen = conscience. Wir haben es mit Autosemantika zu tun, die l:l-Entsprechungen zu ihren französischen Äquivalenten bilden. Die Suche der l:l-Entsprechungen ist die Hauptaufgabe der kontrastiven Lexikologie. Die Frage ist nur, auf welcher Ebene sie sich finden lassen. Solange sie sich zwischen Autosemantika finden lassen, ist die Welt noch in Ordnung. Wenn ich hingegen für die l:l-Entsprechung lange Texte brauche, dann wird die Welt der kontrastiven Lexikologie chaotisch. Wo finden wir Autosemantika, d.h. Wörter, die semantisch autonom sind, die zu ihrer Definition und zu ihrer Übersetzung nicht des Kontextes bedürfen, die man in Wortgleichungen lernen kann? Offensichtlich vor allem unter den Substantiven, immer dann, wenn Konkretes oder geistig Durchkonzipiertes in beiden Sprachgemeinschaften existiert. Auch unter den Verben und

Von der Unmöglichkeit der Kontrastiven Lexikologie

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Adjektiven sind einfache Wortgleichungen möglich: bewundern = admirer, nützlich = utile, angenehm = agréable. Viele Adjektive und Verben jedoch zeigen ein ganz anderes semiotaktisches Verhalten. Das französische Verb serrer verlangt eine große Zahl deutscher Äquivalente je nach dem Objekt, das es zusammenzubeißen (Zähne), anzuziehen (Bremse), gut zuzudrehen (Wasserhahn) usw. gilt. Das französische Adjektiv sauvage entspricht mal schüchtern, mal bestialisch, was wegen der extremen Spannweite verwundern muß, und es leuchtet ein, daß dazwischen Platz ist für einige Dutzend Äquivalente. Wenn aber von einigen Dutzend die Rede ist, dann gleiten wir offenbar in den Raum der unmöglichen kontrastiven Lexikologie hinüber. Was spielt sich dort ab? Dort gilt keine Wortäquivalenz mehr, sondern Textäquivalenz. In einem bestimmten Kontext, dessen Darstellung Zeilen oder Seiten füllt, übersetzt der Übersetzer (und nicht der kontrastive Lexikologe) je serai sauvage mit ich werde erbarmungslos durchgreifen oder mit ich werde mich nicht trauen. Textäquivalente kann man sammeln. Man kann heute Übersetzungen in den Computer einlesen und so programmieren, daß alle deutschen Textäquivalenzen von sauvage ausgedruckt werden können. Probleme können sich allerdings ergeben wegen der Länge des für die Eindeutigkeit nötigen Kontextes, doch mögen die meisten Fälle durch den mitdenkenden Benutzer klärbar sein. Was aber nicht möglich ist, ist das systematische In-Beziehung-Setzen der Textäquivalente. Denn dann ergibt sich ein gewaltiges many-to-many-Geflecht, das nicht mehr überschaubar ist. Eine kurze Demonstration kann das beweisen. Für sauvage würden sich auf deutscher Seite z.B. die Adjektive wild, wildlebend, ungezähmt, wildwachsend, unberührt, primitiv, unzivilisiert, urtümlich, natürlich, barbarisch, bestialisch, menschenscheu, ungesellig, schüchtern, unerlaubt ergeben, von nicht-adjektivischen Entsprechungen ganz zu schweigen. Diese Menge müßte in synonymische Felder aufgeteilt werden, die Unterschiede zwischen den Synonymen wären darzustellen. Auf französischer Seite wären die Synonyme für sauvage zu ermitteln und in Felder zu ordnen mit Darstellung der Unterschiede. Nun wären die deutschen Textäquivalente aller dieser französischen Synonyme aus dem Corpus zu entnehmen und den deutschen Feldern einzuverleiben. Als nächstes wären aus dem Corpus die französischen Textäquivalente aller inzwischen gefundenen deutschen Wörter zu entnehmen und in die französischen Felder einzufügen. Für die neu hinzugekommenen französischen Wörter müßte im Corpus nach weiteren deutschen Äquivalenten gesucht werden, für die dadurch hinzugekommenen deutschen Wörter nach weiteren französischen Äquivalenten. Wann sich dieses Hin und Her erschöpft, ist nicht voraussehbar. Sollte es zu einem Ende kommen, so hätte man zwei lange Listen französischer und deutscher Wörter vor sich. Damit nun von kontrastiver Lexikologie gesprochen werden kann, müßten alle französischen Wörter in allen Kontexten aller deutschen Wörter auf Ersetzbarkeit (mit und ohne Bedeutungsunterschied) getestet werden und umgekehrt alle deutschen Wörter in allen Kontexten aller französischen Wörter. Spätestens an dieser Stelle können wir die Demonstration abbrechen. Auf dieser Ebene ist kontrastive Lexikologie nicht möglich. Sie wäre kontrastive Textologie. Die Arbeit des Übersetzers ist nicht formalisierbar. Sauvage ist kein Einzelfall. Viele Adjektive sind so. Z.B. pathétique, désinvolte, docte, baroque und viele mehr. An den Äquivalenten dieser Wörter sammele ich seit Jahren. Ich stehe jedes Mal vor neuen Schwierigkeiten. Nun gibt es zwischen der l:l-Wortäquivalenz und dem Chaos der Textäquivalenzen eine Zwischenebene, die noch einigermaßen überschaubar scheint, eine Kontextabhängigkeit, die

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Franz Josef Hausmann

noch der langue angehört. Ich meine die Kollokationen. Die Kollokationen liefern syntagmatische l:l-Äquivalenzen, z.B. einen Nagel einschlagen Schuhe einlaufen einen Traum haben ein eingefleischter Junggeselle

planter un clou briser ses chaussures faire un rêve un célibataire endurci

Kontrastive Lexikologie sollte mit dem Sammeln von Kollokationen anfangen. Jeder Sprecher einer Fremdsprache braucht ab einem bestimmten Schwellenniveau, auf dem Wörter des Typs Nagel, Schuh, Traum, Junggeselle, Wasserhahn, Zähne, Bremse bekannt sind, die Kenntnis der Satellitenwörter, mit denen die Fremdsprache arbeitet, um typisches Funktionieren der Basiswörter zu versprachlichen. Die autonomen Basiswörter werden durch semiotaktisch abhängige, hochidiomatische (d.h. einzelsprachlich verschiedene) Funktoren in Szene gesetzt, die wir Kollokatoren nennen. Kontrastive Lexikologie muß das Gesamt der Kollokationen so zur Verfügung stellen, daß die Kollokatoren über die Basis abgefragt werden können. Im einsprachigen Wörterbuch bedeutet es den Eintrag der Kollokation unter dem Basiswort. Im zweisprachigen Wörterbuch bedeutet das den Eintrag der Kollokation an bis zu drei Stellen: L,-Basiswort und/oder Lj-Kollokatorwort und/oder Lj-Basiswort. Im informatisierten Wörterbuch muß für jedes Basiswort das Gesamt der Kollokatoren abfragbar sein. Die Informatisierung des TLF und des GR könnte eine befriedigende Kollokationsbeschreibung des Französischen ergeben, wofern den jetzigen, sehr unzureichenden Basisartikeln der Kollokations-Reichtum der Kollokatorartikel zugeführt würde. Briser ses chaussures würde dann auch unter chaussure abfragbar sein (wohingegen es bislang in dem Artikel briser versteckt ist.) Die Kollokationen gehören zu den Phrasemen. Kontrastive Lexikologie zwischen der Kontrastivik der Autosemantika und der kontrastiven Textologie ist kontrastive Phraseologie. Auch die sog. festen Redewendungen (F. locutions, E. idioms) sind Phraseme. Aber zwischen beiden gibt es einen entscheidenden Unterschied. Die Kollokationen haben Basen, die Redewendungen haben keine. In jemanden durch den Kakao ziehen geht es nicht um Kakao. Kollokationen sind durchsichtig, aber nicht vorhersehbar. Ihre Idiomatizität fällt erst bei der Enkodierung auf. Die Idiomatizität der Redewendungen fällt bereits bei der Dekodierung auf. Dazwischen stehen teiltransparente Redewendungen (sauver les meubles hat die Basis «retten») und kollokationsähnliche Formulierungen (sauver ce qui peut l'être = retten, was zu retten ist). Für die Redewendungen gilt in vieler Hinsicht dasselbe wie für die Wörter. Sie sind oft hochgradig polysem und auch polyäquivalent. Einige sind autonom, viele sind semiotaktisch abhängig. Eine kontrastive Redewendungenbeschreibung gibt es aber kaum, weil die Redewendungen allgemein in der Lexikographie stiefmütterlich behandelt werden. Sie ist dringend erforderlich. Allerdings auch genauso unmöglich wie die kontrastive Lexikologie der Wörter.

3.

Von der Unmöglichkeit der kontrastiven Lexikologie

Jede lexikalische Einheit neigt zur Individualisierung, zur Idiomatisierung. Die Einheiten, ob Lexeme oder Phraseme, sind Individuen. Sie sind wie Menschen. Kein Individuum gleicht dem anderen. Diese Individuen tun sich zur Textkonstitution zusammen, aber nicht nach

Von der Unmöglichkeit der Kontrastiven Lexikologie

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einfachen kompositionellen Regeln, sondern ungefähr so kompliziert wie die Beziehungen zwischen Menschen sind. Freiheit und Bindung vermischen sich. Bei den Wörtern überwiegt die Bindung über die Freiheit, das Syntagmatische über das Paradigmatische, die Idiomatik über die Kompositionalität. Deshalb ist kontrastive Wörterbetrachtung nur in kleinen Bereichen der Sprache möglich, nämlich da, wo man Autosemantika vergleichen kann. Darüber hinaus wird die kontrastive Lexikologie zur kontrastiven Phraseologie und darüber hinaus zur kontrastiven Textologie. Von da ist es nur noch ein Schritt zur Übersetzung. Der Übersetzer kämpft mit dem Chaos. Er stellt sich. Er springt in das Wasserchaos des Ozeans hinein, um darin herumzuschwimmen, nicht um es zu ordnen. Der Lexikologe konstruiert eine mehr oder weniger grobe Gliederung der gesamten Landschaft und nimmt ein paar herausragende Berge, Seen und Wälder auf. Wie sollte er der Knorrigkeit jedes einzelnen Baumes nachspüren? Von diesen Metaphern ist die Wassermetapher die beste. Der Wortschatz ist wie die Oberfläche des Ozeans. Eben nichts Festes und Starres, sondern ständig in Bewegung, schillernd. Dieses ständig Bewegliche hat schon Horaz mit den Blättern am Baum verglichen. Wie will man zwei Gegenstände miteinander vergleichen, die gar keine festen Größen sind? Die nicht zu fassen sind. Die schwabbeln und glitschen? So aber sind Wörter, semantisch gesehen. Deshalb ist kontrastive Lexikologie unmöglich. Sie ist genauso wenig möglich wie die Beschreibung all dessen, was im Leben aller Menschen zweier Nationen passiert und sich als Verhältnisse und Beziehungen ergibt. Wir können ein Leben leben, aber wir können es nicht beschreiben. Wir können den Wortschatz leben, aber wir können ihn nicht beschreiben.

Literatur Collinson, W. E. (1939): "Comparative Synonymics: Some Principles and Illustrations". - In: Transactions of the Philological Society, 54-77. Hausmann, F. J. (1993a): "Ist der deutsche Wortschatz lernbar? Oder: Wortschatz ist Chaos". - In: Info DaF 20, 471-485. - (1993b): "Was ist eigentlich Wortschatz?". - In: W. Börner, K. Vogel (Hgg.): Wortschatz und Fremdsprachenerwerb. (Bochum: AKS-Verlag) (= Fremdsprachen in Lehre und Forschung 14) 2-21. Kleineidam, H. (1976): "Lexikalische Synonymie unter kontrastivem Aspekt". Lebendige Romania. Festschrift für Hans-Wilhelm Klein. Göppingen: Kümmerte, 177-195. Van der Eist, G. (1983): "Versuch einer kontrastiven semantischen Analyse (am Beispiel Deutsch-Niederländisch)". Mehrsprachigkeit und Gesellschaft. Akten des 17. Linguistischen Kolloquiums. Bd. 2. (Tübingen: Niemeyer) 211-221.

IWAR WERLEN

Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch

Zusammenfassung: Anhand von Tagalog und Deutsch als strukturell und kulturell sehr unterschiedlichen Sprachen werden drei lexikologische Probleme diskutiert. (1) Tagalog verfügt über grammatisch unkategorisierte Begriffswörter, Deutsch über grammatisch kategorisierte Wörter - wie läßt sich dieser Unterschied lexikographisch erfassen? (2) Tagalog verfügt über eine produktive Morphologie, die weder in einem alphabetischen noch in einem nestartig aufgebauten System genügend erfaßt wird. (3) Tagalog ist eine wenig normierte Ausbausprache mit großer soziostilistischer Variation; das Problem der Auswahl und der Erfassung solcher Variation ist nicht gelöst. Summary: Based on Tagalog and German as two both structurally and culturally very diverse languages we will discuss three lexicological problems. (1) Tagalog displays grammatically uncategorized content words, whereas German displays grammatically categorized words how can this difference be deliminated in terms of lexicography? (2) Tagalog has a productive morphology which cannot be adequately described in neither an alphabetical nor a nesting system. (3) Tagalog is an Ausbau language with a low degree of normation and a high degree of sociolinguistic variation; the problem of both selection and registration of such variation is unsolved. Résumé: A partir du tagalog et de l'allemand en tant que langues structurellement et culturellement très différentes, trois problèmes lexicologiques sont abordés. (1) Le tagalog dispose de mots grammaticalement non catégorisés, l'allemand comprend des mots grammaticalement catégorisés: comment cette différence peut-elle être saisie lexicologiquement? (2) Le tagalog connaît une morphologie productive qui ne s'explique ni par un système alphabétique ni par un système de niches. (3) Le tagalog est une Ausbausprache peu normée et avec une grande variété socio-stylistique; le problème de la sélection et du recensement d'une telle variation n'est pas résolu.

0.

Einführung

Tagalog gehört zur Gruppe der philippinischen Sprachen innerhalb der austronesischen Sprachfamilie. Gesprochen wird es im wesentlichen in Manila und Umgebung, aber auch in anderen Teilen des philippinischen Archipels. Es gilt als Grundlage der Nationalsprache Filipino (vgl. Werlen, i.Dr.); in diesem Text wird dennoch meist der traditionelle Sprachname Tagalog verwendet.

Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch

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Aus der Sicht einer kontrastiven Lexikologie 1 bietet Tagalog 2 für den deutschsprachigen Interessenten zumindest drei Probleme, die anhand von Kelz/Samson (1986, 3 1994) kurz zu diskutieren sind: (a)

die Formulierung von Bedeutungsangaben für tagalische Begriffswörter;

(b)

der semasiologische Aufbau eines Tagalog-Deutsch-Wörterbuches (Nest- vs. alphabetisches Prinzip);

(c)

das Problem der Auswahl der Einträge.

Zum besseren Verständnis dieser drei Problembereiche ist eine kurze Skizze der morphologischen Struktur des Tagalog nötig.

1.

Die morphologische Struktur des Tagalog

Tagalog (und die anderen typisch philippinischen Sprachen) verfügen über eine Menge kategorial unbestimmten Stämmen (Himmelmann 1987:191 nennt sie "Begriffswörter"), die Stämme als solche und auch einige Ableitungen sind nicht als Nomina, Verben oder jektive klassifizierbar; die Kategorisierung wird erst im Satzkontext deutlich und zwar grund der morphologischen Form und der syntaktischen Funktion.

von d.h. Adauf-

1

Die Kopenhagener Diskussion zeigte ein unterschiedliches Verständnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in bezug auf die Unterscheidung von 'Lexikologie' und 'Lexikographie'. In diesem Beitrag wird - wie bei andern - zwischen den beiden nicht immer klar unterschieden. Etwas vereinfacht ließe sich sagen, daß Lexikologie eine Theorie des Wortschatzes einer Sprache darstellt, Lexikographie dagegen die Beschreibung des Wortschatzes einer Sprache. Kontrastive Lexikologie hätte dann zur Aufgabe, die unterschiedlichen Wortschätze zweier oder mehrerer Sprache theoretisch zu vergleichen; zweisprachige Lexikographie die Aufgabe, eine Typologie der möglichen zweisprachigen Wörterbücher zu entwickeln (siehe dazu die Artikel zu den zweisprachigen Wörterbüchern im 3. Teilband des Handbuchs Wörterbücher (eds. F. J. Hausmann/O. Reichmann/H.E. Wiegand/L. Zgusta 1991:2711-3119).

2

Informationen zum Tagalog sind am einfachsten bei Schachter (1987) zu finden. Deutschsprachige wissenschaftliche Literatur stammt in den letzten Jahren von W. Drossard und N. Himmelmann. Ausser Kelz (1981;51992) und Hanewald (1982;51993) existieren keine deutschsprachigen praktischen Einführungsbücher. Das einzige umfangreichere Deutsch-Filipino/Filipino-Deutsch Wörterbuch ist Kelz/Samson (1986, 3 1994); mehr dazu unten. Zur geographischen Verteilung der philippinischen Sprachen siehe Wurm/Hattori (1983) und Wurm (1994), zur genetischen Einordung Tryon (1995:18-29).

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Iwar Werten

Prädikate mit verbalem3 Charakter werden in den philippinischen Sprachen nach einem System konstruiert, das als Fokussystem4 bekannt ist. Der Stamm wird dabei morphologisch modifiziert, im Regelfall durch ein Präfix oder ein Suffix. Dieses sagt aus, daß die fokussierte nominale Form eine bestimmte semantische Rolle innehat (z.B. Aktor, Objekt, Benefiziar, Lokativ, Instrument, um die wichtigsten zu nennen). Die so gebildete Verbform kann weiter aspektuell verändert werden, normalerweise durch zwei morphologische Prozesse: Reduplikation und phonologische Modifikation; Person oder Numerus werden nicht ausgedrückt. Ein Verb hat vier Aspektformen,5 die als Infinitiv (Imperativ), Completed, Incompleted und Contemplated Form bezeichnet werden. Zwei Beispielsätze zeigen das Fokussystem. In Satz (1) wird ein aktorfokussierendes Verb verwendet, in Satz (2) ein objektfokussierendes. Das fokussierte Element erhält den 'Artikel' ang, das nichtfokussiert den 'Artikel' ng (ausgesprochen [nag]):6 (1)

kumakáin ng saging ang batà AF-INCOMPLET-eß NF Banane FOC Kind7 'Das Kind ißt eine Banane'

(2)

kinakáin ng batà ang saging GF-INCOMPLET-eß NF Kind FOC Banane 'Das/ein Kind ißt die Banane'

Morphologisch sind die beiden Verbformen wie folgt zu analysieren: Stamm (Begriffswort) 3

kain 'Essen, essen'

Unter 'verbalem Charakter' verstehen wir hier Prädikate, die aspektuell und fokusmässig gekennzeichnet sind; sie unterscheiden sich dadurch von anderen Prädikaten, die in sogenannten Aquations- und Possessivsätzen verwendet werden. Da Tagalog über kein Auxiliar verfügt, ist - mit Ausnahme der sog. 'inverted order' - normalerweise das erste strukturelle Element des Satzes ein Prädikat. Der Unterschied zwischen Prädikat und Attribut wird in den folgenden Beispielen deutlich: malaki ang bahay

vs.

ang malaking bahay

groß FOC Haus

FOC groß-LI Haus

'Das Haus ist groß'

'Das große Haus'

Im ersten Satz ist malaki Prädikat, im zweiten ein Attribut; in diesem Fall erscheint ein Linker als Klitikon an 4

malaki, was zur Oberflächenform malaking führt. Der Terminus ist umstritten, vor allem auch deswegen, weil mit 'Fokussierung' meistens eine nicht zutreffende Vorstellung verbunden wird. Auf eine Diskussion verzichten wir hier aus Raumgründen; eine Zusammenfassung bietet Matsuda French (1987/88).

5

Eine fünfte Form - eine Art unmittelbarer Vergangenheit - wird hier vemachläßigt, da sie nicht voll produktiv und nur eingeschränkt verwendbar ist.

6

Wir halten uns hier an die übliche Schreibweise des Tagalog oder Filipino, wie es sich aufgrund einerseits puristischer Bestrebungen seit den 40-er Jahren und anderseits in der Praxis der veröffentlichten Literatur auf den Philippinen herausgebildet hat. Die Akzentzeichen werden allerdings nicht geschrieben. Für unsere Kontexte gelten folgende Konventionen: Akut steht auf der jeweils betonten Silbe, die normalerweise auch lang ist. Gravis steht auf einem auslautenden Vokal, wenn die Betonung auf der vorhergehenden Silbe liegt, der Vokal aber von einem Glottisschlag gefolgt ist. Akut steht auf einem auslautenden Vokal, wenn der Vokal betont ist und aspiriert wird. Zirkumflex steht auf einem auslautenden Vokal, der betont ist und von einem Glottisschlag gefolgt ist. Auslautende Glottisschläge und Aspirationen werden in der Schrift nicht vermerkt.

7

In den Glossierungen werden folgende Abkürzungen verwendet: AF = aktorfokussierend, COMPL = completed aspect, CONTEMPL = contemplated aspect, FOC = Focus, GEN = Genitiv, GF = goalfokussierend, INCOMPLET = incompleted aspect, LI = Linker, NF = nichtfokussiert, PL = Plural.

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Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch

Reduplikation von anlautend CV

ka-kain

Infix in erste CV

k-um-a-kain/k-in-a-kain

Das Infix -um- ist ein aktorfokussierendes Suffix für intentionale Handlungen (also nicht Stativ); das Infix -in- erscheint in den meisten nicht-aktorfokussierenden Verbbildungen in der Incompleted und der Completed Form, nicht aber in den anderen zwei Formen (Infinitiv und Contemplated Form); weitere Präfixe sind etwa mag-, ma-, mang-, i-, ipag, magpa-, maki-, paki-, um einige wichtige zu nennen, und es erscheinen zwei Suffixe, nämlich -in und -an. Die Wörter saging und batà in (1) und (2) entsprechen nominalen Elementen. Aber auch sie können verbal oder attributiv verwendet werden, wie batà in (3) und (4): (3)

bumatà ang iná AF-COMPL-jung FOC Mutter 'Mutter ist jünger geworden'

(4)

Si Nene ay bátang kapatíd ni Cielita FOC Nene LI jung-LI Geschwister GEN Cielita 'Nene ist Cielitas jüngere Schwester'

(das auslautende -ng ist ein sog. Linker, der eine syntaktische Verbindung anzeigt). In (3) übernimmt der Stamm mit dem Infix -um- eine verbale Funktion, in (4) eine attributiv-adjektivische. Eine Verbform wie kumakáin kann aber auch nominal verwendet werden wie in (5): (5)

umuupô ang mga kumakáin AF-INCOMPL-setz FOC PL AF-INCOMPL-eß 'Die Essenden setzen sich/sitzen'

Die Verbalform ist formal vollständig gleich wie in Satz (1) (was zur Frage führt, ob es im Tagalog überhaupt so etwas wie finite Verben gibt). Begriffswörter des Typs kain oder batà erlauben eine große Menge von Ableitungen verschiedener Art. Als Beispiel aus English (1991b:271f.) s.v. kain8

8

kain

'consumption of food'; 'consumption of any supply'

kakanin

'sweets, tidbits; dainties'

káinan

'eating together'; 'place where one eats'

kainin/kanin

'to eat' (GF)

kumain

'to eat' (AF)

makákáin

'edible, can be eaten'

makakain

'to be able to eat'

makain

'to be able to eat something'

mákáin

'to be eaten, to have something to eat, to happen to eat something'

makikain

'to join others at a meal'

Zorc (1991a) wählt das gleiche Beispiel aus einem anderen Wörterbuch, das mir bei der Abfassung dieses Papiers nicht vorliegt.

28

Iwar Werlen magpakain

'to feed someone; to allow others to eat' (A1F)

pakainin

'to feed someone; to allow others to eat' (GF)

magsikain

'pi. to eat' (mehrere Essende)

mangain

'to eat small things or pieces of things one after another'

manginain

'to graze; to feed on growing grass as cattle and sheep do'

mapakain

'to be able to get someone to eat'

pakain

'ration of food'

pákainín

'person or animal that has to be fed'(pákakanín)

pagkain

'food';'a meal'; 'act of eating'

pagpapakain

'act of feeding others'

pangangain

'act of eating certain small things together'

panginginain

'act of feeding on grass as cattle and sheep do'

Die Liste ließe sich fortsetzen. Alle mit 'to' übersetzten Elemente in der obigen Liste können in den vier Aspektformen erscheinen und als verbale Prädikate verwendet werden; die pa(g)Formen stellen so etwas wie Verbalsubstantive dar. Im nominalen Bereich gibt es neben den reinen Begriffswörtern auch Komposita und vor allem Ableitungen mit einer produktiven Morphologie, hingegen keine Flexion. Wie schon aus Beispiel (1) und (2) deutlich wurde, sind »Kasus« durch artikel- oder präpositionsartige Elemente gekennzeichnet. Plural wird - wenn überhaupt - im Nominalbereich durch eine eigene Partikel mga (phonet. mangáh) angezeigt (siehe oben Beispiel (5)); prädikativ verwendete Adjektive können den Plural durch die Reduplikation der ersten Stammsilbe ausdrücken, wie in: (6)

malakás ang babae stark FOC Frau Die Frau ist stark

malalakás ang mga babae9 PL-stark FOC PL Frau (Die) Frauen sind stark

Tagalog kennt keine Genera (mit wenigen Ausnahmen bei spanischen Lehnwörtern, z.B. maestro 'Lehrer' vs. maestra 'Lehrerin'), auch nicht im System der Personalpronomina. Wichtig zum Verständnis der Tagalogsyntax sind die Linker, Elemente, die entweder Kokonstituenz oder Adjunktion ausdrücken (siehe Beispiel (4) oben). Es gibt im wesentlichen drei: ay auf Satzebene, na, resp. -ng bei Attributionen und ng (phonet. nafy auf der Ebene der Komplemente; dazu hier aus Raumgründen keine Beispiele. Im verbalen und nominalen Bereich verfügt Tagalog also über eine reiche und produktive Morphologie, die fast vollständig derivativer Art ist. Präfixe, Infixe, Suffixe und Zirkumfixe sind besonders ausgeprägt, dagegen sind Ablaut, Umlaut und ähnliches unbekannt.

9

Die Pluralisierung ist optional; es genügt die Pluralbildung beim Argument; wenn der Kontext Plural vorgibt, braucht keine morphologische Pluralmarkierung vorhanden zu sein.

Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch

2.

29

Lexikographische Probleme

2.1. Zweisprachige Lexikographie des Tagalog: kurzer Überblick Die zweisprachige Tagaloglexikographie10 ist bis ca. 1900 vorherrschend Spanisch-Tagalog und umgekehrt; danach beginnt das Englische zu dominieren und heute sind vorwiegend zweisprachige Wörterbücher Englisch-Tagalog und Tagalog-Englisch auf dem Markt.11 Die meisten dieser Wörterbücher sind anspruchslose Wortgleichungslisten, zumeist gedacht für Benutzerinnen und Benutzer mit Tagalog als Ausgangssprache. Das hängt mit der sog. zweisprachigen Bildungspolitik zusammen, die ein weitgehend englischsprachiges höheres Bildungssystem zur Folge hat. Die Medien (Presse wie Radio und Fernsehen) sind primär englisch dominiert, es gibt aber auch viele Sendungen und Publikationen in Filipino oder häufiger - Taglish (Tagalog + English), das sich bei näherem Zusehen als eine Form des Code-switching betrachten läßt. Das Zielpublikum ist daher gemischt: Tagalogsprecher haben Englisch als Zielsprache. Personen aus den oberen sozialen Schichten, die häufig aus programmatischen Gründen Tagalog verwenden, aber in Englisch ausgebildet wurden, haben dagegen Tagalog als Zielsprache. Das dritte Zielpublikum sind Touristen (sofern sie nicht mit Englisch durchkommen); Sprachwissenschaftler sind als Zielpublikum eher marginal. Zweisprachige Wörterbücher mit der zweiten Sprache als Ausgangssprache wurden früher vor allem von Missionaren geschaffen und auch benützt (gilt bis heute für die Arbeiten des Summer Institute of Linguistics12). Das gegenwärtig bekannteste und wohl auch beste dieser Wörterbücher ist English;13 dagegen ist Panganiban (1966; 1972 mir gegenwärtig nicht zugänglich), der mit English zusammenarbeitete, nicht aus der Missionarstradition heraus entstanden, sondern durchaus zu schulischen und sprachkulturorientieren Zwecken. Da Deutschland nie engere Beziehungen zu den Philippinen hatte,14 existieren deutsche zweisprachige Wörterbücher erst seit kurzem. Reflexionen zu einem Tagalogwörterbuch hat Skorynin (1985) vorgelegt. Kelz/Samson (1986, 2 1988, 3 1994) ist in Zusammenhang zu sehen mit der Einführung von Kelz (1981, s 1992). Für Touristen gedacht ist Hanewald (1985,

Ό Eine Geschichte der philippinischen Lexikographie bietet Hidalgo (1977); die Arbeit ist mir gegenwärtig nicht zugänglich (zitiert nach Newell 1991). Der Wechsel von Englisch zu Spanisch ist durch den Wechsel von Spanien zu Amerika als Kolonialmacht zu erklären. 11

Neben den zweisprachigen Wörterbüchern existieren auch dreisprachige, z.B. English - Tagalog - Ilocano (Enriquez/Quimba 1949), die zumeist reine Wortgleichungen enthalten und für den Schulgebrauch bestimmt sind. Das zitierte Buch enthält 8000 Wörter "most commonly used by students of the elementary and secondary schools" (Titelblatt). Es richtet sich an Ilocano-Sprecher.

12

Das Summer Institute of Linguistics (SIL), Philippine Branch, ist in den Philippinen sehr präsent. Es hat seinen Hauptsitz in Manila und arbeitet bei Publikationen eng mit der Linguistic Society of the Philippines zusammen.

13

Aus Raumgründen hier nur kurze Angaben zu den beiden Bände von English. Als erstes erschien sein English-Tagalog-Dictionary (1977; 1991a); der zweite Band (1986; 1991b) ist eine Umarbeitung des ersten; beide sind mehrfach nachgedruckt, aber für philippinische Verhältnisse teuer. In beiden ist Englisch die Metasprache. Der erste Band enthält ca. 14'000 Haupteinträge und rund 30'000 Sätze auf Englisch und Tagalog, der zweite Band ca. 16'000 Haupteinträge und die gleichen Sätze mit umgekehrter Übersetzung (Selbstangaben der Verfasser). Der zweite Band ist nach Stammwörtem geordnet (mit wenigen Ausnahmen); innerhalb der Stammwörter folgen die wichtigsten Einzelderivationen alphabetisch.

14

Eine Darstellung der deutschsprachigen sprachwissenschaftlichen Beschäftigung mit den Philippinen gibt Spiecker-Salazar (1981); mehr Informationen bietet die Dissertation von 1989, die allerdings nicht gedruckt wurde, aber in der Bibliothek der University of the Philippines at Diliman zugänglich ist.

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¡war Werten

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1994). Im folgenden wird eine kurze Diskussion der drei oben genannten Probleme anhand von Kelz/Samson (1986)15 geführt.

2.2. Die Formulierung von Bedeutungsangaben für tagalische Begriffswörter Die Skizze des Tagalog machte deutlich, daß die Stämme des Tagalog kategorial unbestimmte Bedeutungskerne enthalten, welche in der morphologischen Derivation und der syntaktischen Einbettung näher bestimmt werden. Das Deutsche dagegen legt für jedes Wort die Wortartenzugehörigkeit16 fest und erlaubt damit nur kategoriell bestimmte Bedeutungsangaben. Das dahinterliegende Problem ist in der Literatur zum Relativitätsprinzip der Sprache und der inhaltsbezogenen Grammatik (Werlen 1989) als Problem der "drei Weltbilder" diskutiert worden; die Wortartenkategorisierung der drei großen Wortklassen Nomen, Verb und Adjektiv wird als semantische Kategorisierung der Welt verstanden: Nomina stellen ihre Inhalte als 'Dinge' dar, Verben als 'Ereignisse' oder 'Prozesse', Adjektive als 'Eigenschaften'. E. Leisi (51975) hat diese Problematik in seiner Analyse des englischen Wortschatzes am deutlichsten gemacht. Der Unterschied zwischen Tagalog und Deutsch besteht nun tatsächlich darin, daß die tagalischen Begriffswörter auf eine solche Kategorisierung verzichten können. Der begriffliche Kern ist nicht schon durch die Wortklasse in eine bestimmte Richtung hin interpretiert. Auf der anderen Seite verfügt das Deutsche nicht über einfache, lexikalisierte Begriffswörter. Jedes Wort ist notwendigerweise mindestens einer Wortart zugehörig und gibt insofern eine Interpretation vor.17 Die meisten zweisprachigen Wörterbücher des Tagalog18 lösen dieses Problem dadurch, daß sie den Begriffswörtern einfach eine Wortartenkategorie zuweisen. Kelz/Samson (1986) gehen anders vor. Der Wörterbuchteil Filipino-Deutsch ist vor allem für deutschsprechende Benützer zum Herübersetzen gedacht. Zitiert wird die Filipinowortform (meistens mit Akzentangabe, da Akzent19 bedeutungsunterscheidend ist); sofern es sich um einen als Verb

15

Der erste Teil (Filipino-Deutsch) enthält etwa 3000 bis 3500 Einträge; der zweite ist umfangreicher und enthält etwa 4000 bis 4500 Einträge (meine Schätzung). Kelz/Samson 31994 ist demgegenüber noch einmal erweitert (ca. 3500-4000 Einträge für Filipino und 4500 bis 5000 Einträge) und geht nach einem andern Prinzip vor. Für das Referat wurde die zweite Auflage von Kelz/Samson verwendet, da die dritte Auflage noch nicht zugänglich war; in diesem Artikel wird auch auf die dritte Auflage Rücksicht genommen.

16

Die Wortartenzugehörigkeit ist zwar im Deutschen in einigen Fällen auch problematisch, so insbesondere im Bereich der Adjektiv-Adverb-Unterscheidung und bei der Kategorisierung der unveränderbaren Wörter, doch sind die drei Grossklassen der Verben, Nomina und Adjektive formal deutlich voneinander unterschieden; für die meisten Benutzer von Wörterbüchern stellt sich dieses Problem im Deutschen also nicht.

17

Dies ist eine sehr schwache Interpretation des Prinzips der sprachlichen Relativität. Eine stärkere Version würde annehmen, daß die sprechenden Subjekte in ihrer Wahrnehmung der Welt durch solche Kategorisierungen mitbestimmt oder gar vollständig determiniert sind. Diese stärkste Fassung läßt sich vermutlich nicht aufrechterhalten; es wird jedem Sprecher des Deutschen klar sein, daß das Wort Baum in klarerer Weise ein 'Ding' meint als das Wort Wind.

18

Die Möglichkeit der Wortartenzuweisung im Tagalog wird nicht von allen Autoren in der gleichen Weise negativ gesehen, wie das hier geschieht. So gehen Schachter/Otanes (1972) von einer syntaktisch-morphologisch motivierten Wortartenzuweisung aus, allerdings häufig mit schwacher Argumentation. Auf der anderen Seite entwickelte L. Bloomfield (1917) eine eigenständige Terminologie für die grammatischen Kategorien des Tagalog, um jede Ähnlichkeit mit den indogermanischen Sprachen zu vermeiden.

19

Akzent interagiert in Tagalog mit Länge, aber in einer sehr komplexen Art. Die Akzentzeichen werden im normalen gedruckten Tagalog oder Filipino nicht geschrieben; ebenso wird Länge nicht angegeben. Die

Kontrastive

Lexikologie:

Tagalog - Deutsch

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verwendbaren Stamm handelt, gibt eine Reihe von Zahlen die möglichen Verbbildungen an; diese Verbbildungen sind erst S. 143 aufgeführt, vor einer Liste der unregelmäßigen Verben des Deutschen. Für alle andern Arten von Wörtern fehlen weitere Hinweise. Als Beispiel eines Begriffswortes der Eintrag zu bago (27): bago 1, 7, 9i: ausbessern, neu, frisch, umgestalten, umformen, umbilden, ummodeln, umändern, abändern, sich verändern, sich verbessern, sich bessern, etwas ändern, etwas wechseln, etwas verändern, vorher, vormals, eher, ehemals Die Technik besteht also darin, durch die Wahl der Kategorie des Übersetzungsäquivalentes im Deutschen eine Kategorisierung des Begriffswortes zu geben. Die Abfolge der Äquivalente ist problematisch: nach einem ersten Verb folgen zwei Adjektive, dann eine weitere Reihe von Verben, danach Adverbien. Ein deutschsprachiger Benützer muß aus dieser Angabe herauslesen, daß bago als eine Art Begriffswort in etwa heißt «Wechsel, Veränderung, sich verändern» und daß verschiedene Verbableitungen davon existieren können; in attributiver Verwendung kann das Ergebnis eines Wechsels ('neu') gemeint sein, die Bedeutung 'frisch' ist beschränkt auf die Komponente 'neu' wie in «frisch gestrichen»; bei Früchten z.B. würde sariwa verwendet. Aus deutschsprachiger Sicht ist insbesondere die Verwendung von bago im Sinne von 'vorher, eher' als eine Art Konjunktion oder Adverb zu notieren: (6)

Kumain ka muña bago umalis AF-IMPERAT-eß FOC-du zuerst bevor AF-INFINITIV-geh Iß zuerst, bevor du gehst (das Haus verläßt).

bago unterscheidet sich hier generell von anderen Begriffswörtern, die nicht als Konjunktionen verwendet werden können. Diese Verwendung müßte also auf jeden Fall besonders gekennzeichnet sein. Betrachtet man nun aber bago als Begriffswort, dann müßte ein Versuch, in etwa die Bedeutung dieses Begriffswortes im Deutschen wiederzugeben, mehr umfassen als eine Liste von verschieden kategorisierten Elementen des Deutschen. Man müßte also zu einer paraphrasierenden Methode greifen, in der das Begriffswort bago kontextualisiert wird, etwa als »ein Begriff, der zustandsartig etwas vorher nicht oder nicht so Existierendes, prozeßartig das Verändern, und zwar eher zum Positiven, als Eigenschaft das eben Entstandene und noch nicht lange Dauernde, als Zeitpunkt den in naher Zukunft folgenden meint.« Eine solch schwerfällige Paraphrase ist in der Lexikographie wenig brauchbar, gibt aber einen Eindruck davon, wie schwierig es ist, den begrifflichen Kern eines kategoriell nicht gekennzeichneten Elementes zu beschreiben. In der Neuauflage übernehmen Kelz/Samson (1994:31) die Lösung mit den Wortartenzuweisungen im Deutschen: bago 1. Adj. neu, frisch; 2. Adv. vorher, vormals, eher, ehemals; 3. V. (mag-, AF; -hin, PF) ausbessern, umgestalten, umformen, umbilden, ummodeln, umändern, abändern, sich verändern, sich verbessern, sich bessern Der deutschsprechende Benutzer erhält hier den Eindruck, dass bago im Tagalog zu drei verschiedenen Wortarten gehört und entsprechend drei verschiedene Bedeutungen aufweist.

Grammatiken und Handbücher stimmen in ihren Beschreibungen nicht überein; wir verzichten hier auf eine Diskussion.

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¡war Werlen

Die Einheit des Begriffswortes geht damit verloren und damit auch die Art der Strukturierung des semantischen Gehaltes im Tagalog.20 Der Deutsch-Filipino-Teil gibt in allen drei Auflagen für die deutschen Nomina jeweils den Artikel und die Pluralform an. Er ist also für den Tagalogbeniitzer gedacht, da Tagalog kein Genus kennt und da die Pluralbildung des Deutschen für Tagalogbenützer sehr schwierig ist (Tagalog kennt ja im wesentlichen nur die nichtobligatorische Partikel mga). Genus fehlt wie gesagt - auch im pronominalen System, was Tagalogsprechern die Unterscheidung von er, sie und es fast unmöglich macht. Diese drei Pronomina erscheinen bei Kelz/Samson (1982) in verwirrlicher Form: er (93) wird als siya übersetzt; es (95) fehlt, sie (sg) (123) wird als siya übersetzt, aber ein sie (pl.), das sila heißen würde, fehlt; statt dessen ist Sie (123) als kayo angegeben.21 Für den deutschsprechenden Benützer ist der Eintrag (136) wir kamí, táyo wenig hilfreich, da er nicht weiß, ob es sich um Synonyme handelt oder nicht; in der dritten Auflage wird angegeben »(inklusiv) tayo«. Sucht er umgekehrt im ersten Teil, so findet er unter táyo (71) 'wir' als Bedeutungsangabe; bei temi (43) jedoch 'wir (du und ich)'. Letzteres ist schlichtweg falsch, da - wie das in der dritten Auflage dann richtig steht - táyo das inklusive Pronomen ist; kami dagegen das exklusive. Nur ist in der dritten Auflage vorausgesetzt, daß die Benützer die technischen Begriffe 'inklusiv' und 'exklusiv' verstehen.22 Im übrigen ist dies ein gutes Beispiel für eine Unterscheidung, die in der einen Sprache zwingend gemacht werden muß, und in der anderen nur optional gemacht werden kann, wenn es denn die Umstände erfordern. Das Gegenbeispiel im Deutschen sind die Genera: Tagalog ist durchaus in der Lage, zwischen männlichen und weiblichen Lebewesen zu unterscheiden, aber diese Unterscheidung ist optional und nicht, wie im Deutschen, obligatorisch.

Kelz/Samson geben in keiner der drei Auflagen Beispielsätze; English gibt Beispielsätze, aber es ist klar, dass English's Tagalog-English-Dictionary eine Umarbeitung des English-Tagalog-Dictionary ist, das für englische Sprecher zum Hinübersetzen gedacht ist. Insofern geht English immer von der englischen Mehrdeutigkeit aus und gibt die unterschiedlichen Übersetzungen ins Tagalog. Bei der Umarbeitung wird die Semantik des tagalischen Wortes wiederum in englische Äquivalente übersetzt. Die Beispielsätze versuchen dabei, typische Kontexte zu evozieren. Bei Kelz/Samson bleibt die Suche nach Kontexten dem Leser überlassen. 21

Tagalog verfügt im pronominalen System für jedes Pronomen über drei verschiedene Formen, die auf den ersten Blick wie Flexionsformen aussehen; für die dritte Person Singular z.B.: siya, rtiya, (sa) kaniya. Jede dieser Formen kann im Deutschen als er, sie, es, ihn, ihm, ihr usw. erscheinen. Kelz/Samson geben für ihr (105) nur gerade kayo. Ein Tagalogsprecher kann dann den Satz: Sonja hat ihr Buch gelesen nur so übersetzen: bumasa ng inyong libro si Sonja 'Sonja las Ihr Buch' nicht aber als bumasa si Sonja ng kaniyang libro 'Sonja las ihr Buch'. Das Wörterbuch läßt hier den Tagalogbenützer im Stich. Umgekehrt findet der deutschsprechende Benützer keinen Eintrag für kaniya (42) als Pronomen. In der 3. Auflage stehen kaniya und kanila (S. 61) als Possessivpronomen, was aber nur für einen Gebrauch richtig ist.

22

Nach unserer Erfahrung aus vielen Einfuhrungsveranstaltungen in die Linguistik verstehen durchschnittliche Studienanfänger die Bedeutung dieser Unterscheidung praktisch nie. Die meisten können sich auch nicht vorstellen, wie die Unterscheidung in praxi funktioniert.

Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch

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2.3. Der semasiologische Aufbau: alphabetisches Prinzip vs. Nestprinzip Der Filipino-Wortschatz ist bei Kelz/Samson (1986) in allen drei Auflagen alphabetisch geordnet, ohne die Begriffswörter besonders herauszuheben, wie das schon beim Beispiel bago deutlich wurde. Das oben angeführte Beispiel kain (41) erscheint in den ersten zwei Auflagen nur in dieser Form; als Bedeutung angegeben wird 'essen'. Dann findet sich noch pagkain (47) 'Essen, Mahlzeit', was zumindest nicht unzweideutig ist; das philippinische Wort meint sowohl, was engl, food, als auch, was dt. Mahlzeit, aber auch Gericht. Die dritte Auflage geht einen Schritt weiter; unter kain (59) werden einige Verbalbildungen mit ihrer jeweiligen Semantik spezifischer angegeben. In einer strikt alphabetischen Reihenfolge wird die Menge der Einträge unüberschaubar und der Zusammenhang zwischen den einzelnen Items geht verloren. Ordnet man aber die Ableitungen dem Stamm pder Begriffswort zu (sog. Nestprinzip, siehe Skorynin 1985), dann muß die benutzende Person in der Lage sein, aktuelle vorkommende Formen zu analysieren. Ein fortgeschrittener Benutzer wird in der Lage sein, ein Wort wie kumain unter kain zu suchen und die Formen kumain, kumakain, kakain unter dem gleichen Eintrag zu subsumieren. Schwieriger wird das bei mangain, weil das Präfix mang- ein anlautendes k- assimilieren kann zu -ng-. Dabei ist nicht immer deutlich, ob native speakers solche Auflösungen tatsächlich vornehmen oder nicht. In manchen Fällen ist das sicher der Fall, in anderen zweifelt man. 23 Die Anordnung der Formen nach dem Nestprinzip in Begriffswörtern scheint für fortgeschrittene Benutzer die sinnvollste Art und Weise der Ordnung der Einträge zu sein. Für eine Person, welche über dieses Vorauswissen nicht verfügt, muß jedoch eine alphabetische Ordnung erstellt werden. (Für eine ausfuhrliche Diskussion siehe Skorynin (1985:3750)). Kelz/Samson haben einer Art Zwischenlösung: sie listen - wie bago zeigte - zwar Begriffswörter auf, haben aber daneben auch Ableitungen mit fester Bedeutung. Die Entscheidung ist dabei nicht immer nachzuvollziehen. So ist kaum einsichtig, warum z.B. walanghiyâ 'schamlos, unverschämt' (3. Aufl.: 128) gesondert steht und beim Begriffswort hiyâ (58) kein Hinweis zu finden ist. Alle andern möglichen tva/a(ng)-Bildungen, wie - um ein Beispiel zu bringen - walang-bayad 'gratis' (lit. 'keine Bezahlung'), fehlen jedoch und es gibt auch keinen Hinweis, dass der Existenznegator walâ so verwendet werden kann. In manchen Fällen wird diese gemischte Art der Darstellung problematisch. Ein für das Tagalog sehr wichtiges Begriffswort ist loob , 24 Kelz/Samson (1986:49) geben dazu den Eintrag 25 : loob 2,4, 9a: rauben, stehlen, innen, innerlich 23

Aus lerntheoretischen Gründen würde man natürlich gerne annehmen, daß eine Sprecherin des Tagalog, die imstande ist, die Formen naintidihan, naiintindihan, maiintindihan und maintidhan ('verstehen') und dazu weitere Formen mit intindi zu bilden, eine formale Analyse dieser Formen zumindest vornehmen kann. Aber Bloomfield (1917, 251) z.B. analysiert kailangan ('nötig haben, müssen') als Verbalableitung zur Wurzel Hang ('verblüffend'), was formal stimmt, doch findet sich diese Ableitung in keinem der uns zugänglichen neueren Wörterbücher - dort wird kailangan als Einheit betrachtet, obwohl Ableitungen davon möglich sind. Dies führt generell zur Frage nach der Auflistung von Stämmen, die zwar formal identifizierbar sind, denen man aber keine oder keine klare Bedeutung zuordnen kann, oder die nicht in untersuchten Korpora vorkommen.

24

Zu loob und seiner Rolle im Christentum siehe Rafael (1993:124ss. u. passim).

25

Die dritte Auflage ist etwas anders gegliedert und deswegen besser durchschaubar (S. 74); diese Umstrukturierung hat aber auch eine Verschlechterung zur Folge, weil kalooban nun nicht mehr als Einzeleintrag erscheint: zwar ist damit der Zusammenhang mit loob jetzt hergestellt, für den Benutzer stellt sich aber das Auffinden des Eintrags als Problem.

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Iwar Werten

Seite 41 steht die Ableitung kalooban 'Wille, Wollen, Seele, Innenleben, Geist', ohne Hinweis auf loob. Weitere Bildungen mit loob sind an anderen Stellen vorhanden, jedoch ohne Hinweis auf das Begriffswort selbst. Der Eintrag für das Begriffswort loob ist auf den ersten Blick verwirrlich. Was hat 'rauben' mit 'innen' zu tun? English (1991b: 844) unterscheidet relativ willkürlich - fünf verschiedene Wurzeln loob, von den eine - die vierte - als 'robbery' übersetzt wird, mit panloob als geläufigster Form. Zentral ist für alle fünf Begriffswörter der zugrundeliegende Begriff des 'innen'; angewandt auf den Menschen sein Inneres (damit auch 'Wille, Geist, Herz, Seele') und mit weiteren Bildungen alle möglichen Stimmungen des Menschen, angewandt auf Räume die Innenseite, damit dann auch etwa ein umzäunter Garten. Für die philippinische Kultur kennzeichnend ist der Terminus utang na loob (lit. 'innere Schuld'), welche die Verpflichtung eines Menschen anderen Menschen gegenüber meint, die ihm etwas gegeben haben; auf dieser Bindung beruhen etwa die engen Familienbeziehungen: die Eltern haben den Kindern das Leben gegeben, deswegen bleibt die innere Schuld der Kinder den Eltern gegenüber ein Leben lang bestehen. Die meisten der morphologischen Bildungen sind regulär und damit für den Benutzer durchsichtig, einige sind aber auch semantisch opak und müssen deswegen von den Benutzerinnen und Benutzern gelernt werden; wenn z.B. panloob 'Beraubung' tatsächlich zum Stamm loob 'innen, inner' gehört, dann dürfte es für einen fremdsprachigen Wörterbuchbenützer nicht durchsichtig sein. Wie immer in solchen Fällen ist der Fremdsprachige in einer recht schwierigen Lage: er weiß a priori nicht, ob eine Bildung nun opak ist oder nicht, ob man sie verwenden kann oder nicht. Das führt zur Frage der Auswahl der Einträge.

2.4. Auswahl der Einträge Die wenigsten der vorliegenden Wörterbücher sprechen sich über die Kriterien für die Auswahl der aufgenommenen Wörter aus. Bemerkungen wie jene von Kelz/Samson (1985:9): »in der Allgemeinsprache gebräuchlichster Wortschatz« (so im deutschen Vorwort; das FilipinoVorwort sagt »ang mga katagang kinakailangan sa araw-araw«, was wörtlich etwa heißt: die Wörter, die man alltäglich braucht (im Sinne von 'nötig hat')) sind relativ ungenau. Erst mit McFarland (1989) liegt ein Frequenzwörterbuch für die häufigsten 2000 Wörter des Filipino vor.26 In beiden sucht man aber etwa den Eintrag kubeta 'WC, Toilette' vergeblich, obwohl man dieses Wort im Alltag braucht. Gerade für die Philippinen macht es weiter einen großen Unterschied, ob man den Alltagswortschatz eines Mittelschichtangehörigen zur Grundlage nimmt, der z.B. in Makati (Stadtteil von Manila) lebt, oder eines Bauern in einem abgelegenen Dorf in der Provinz. Sehr schön demonstriert diesen Unterschied der Vergleich von Hanewald (1983) mit Kelz/Samson (1986), etwa im Bereich der aufgezählten Speisen bei Hanewald.27

26

McFarland (1989) hat als seinem Frequenzwörterbuch ein klar definiertes Korpus zugrundegelegt: es handelt sich um populäre Romane (etwa dem Charakter von Bastei-Liebesromanen entsprechend), Kurzgeschichten aus Liwayway (eine populäre Zeitschrift, in der auch renommierte Autoren publizieren), Romane, Theaterstücke und Hörspiele, ältere Romane, Sachliteratur, Sprichwörter und Verwandtes, Übersetzungsliteratur und Lehrmaterialien (die bis in die jüngste Zeit hinein einen starken amerikanischen Einschlag haben).

27

Ein Vergleich des Buchstabens a bei Hanewald und Kelz/Samson ergibt folgende Einträge, die bei Hanewald, nicht aber bei Kelz/Samson stehen (letztere sind viel umfangreicher, haben also viele Einträge, die bei H. fehlen): annähen, Antibaby-Pille, Arm (anat.). Zwei der drei Ausdrücke sind also direkt auf Reisende mit ihrem Alltagsbedarf ausgerichtet.

Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch

35

Ein Sonderproblem stellt sich mit dem Ausbau von Filipino zur Nationalsprache: das frühere Institute of National Language verfolgte eine puristische Sprachpolitik, in der bestehende Fremdwörter und Tagalogausdrücke durch Neuprägungen ersetzt wurden; viele von ihnen haben sich nicht gehalten, tauchen aber in den Wörterbüchern trotzdem auf. Uns sind keine Wörterbücher bekannt, die systematisch Angaben über Stilhöhe, Gebräuchlichkeit usw. enthalten. In der neueren Literatur zur Intellektualisierung des Tagalog (vgl. Band 19, Nr. 2 vom December 1988 des Philippine Journal of Linguistics) werden vermehrt auch englische Fremdwörter in Tagalogschreibweise aufgenommen (z.B. kemistri 'Chemie'). Hinzu kommt, daß im Taglish jede Menge von okkasionellen Bildungen erscheinen können. Als Beispiel aus einem populären Roman (Barrios 1991: If.) pinick-up , eine goalfokussierte Verbform des Completed Aspect zu engl, pick-up, iko-comfort, eine goalfokussierte Verbform des Incompleted Aspect zu engl, comfort, nag-brief, eine aktorfokussierte Verbform des Completed Aspect zu engl, brief usw. 28 Die Auswahl der Einträge hängt also nicht nur von der Benützerperspektive, sondern auch von den Bemühungen um den Ausbau einer Sprache ab, der teilweise von der alltäglichen Sprachwirklichkeit konterkariert wird.

3.

Schluß

Die vorstehenden Überlegungen sollten deutlich machen, daß die zweisprachige Lexikologie im Fall von einander strukturell weit entfernten und kulturell stark divergierenden Sprachen wie Tagalog und Deutsch vor Problemen steht, die weitgehend ungelöst sind. In einer theoretischen Perspektive betrachtet, lassen sich die im vorigen dargestellten drei Einzelprobleme auf die folgenden Aspekte zurückführen: • was ist in einer bestimmten Sprache eine lexikalische Einheit? Tagalog stellt mit seinen Begriffswörtern semantisch-lexikalische Einheiten zur Verfügung, die es in dieser Form im Deutschen nicht gibt. Der strukturelle Unterschied zwischen den beiden Sprachen ist hier so gestaltet, daß die eine Sprache Strukturen der anderen nicht wiedergeben kann. • wieweit lassen sich Semantik und kulturelles Hintergrundwissen trennen? Wir versuchten das am Beispiel von loob zu diskutieren. Die Bedeutungsbreite dieses Begriffswortes wird nur auf dem Hintergrund von Kulturen sichtbar, die - mit E. T. Hall (1976:105ff) gesprochen - High-Context-Kulturen sind. Sie weisen indirekte Formen der Kommunikation auf und sind generell übereinstimmungsbezogen. In diesem Bereich ist z.B. das Konzept des utang na loob ein kulturkonstituierendes Prinzip, ohne dessen Kenntnis auch verbales Kommunizieren nicht verständlich ist. Hierzu nur als Beispiel ein einfacher Dialog aus einem Einführungsbuch (Wolff 1991:6):29 A:

Malaki ho pala ang bahay ninyo, ano? Ihr Haus ist aber groß mein Herr!

McFarland (1989) bezieht Fremdwörter in seine Zählung mit ein und kennzeichnet sie durch einen Asterisk. Allerdings zählt er assimilierte Fremdwörter wie kotse 'Auto' etc. nicht zu den Fremdwörtern. Unter den 2000 häufigsten Wörtern finden sich als Fremdwörter Daddy (832), Boss (943), Mommy (1003), Party (1039), School (1217), Sorry (1223), Birthday (1271), Club (1319), Attorney (1405), Room (1565), Business (1693), Date (1762), Mother (1793), Bar (1836), Baby (1874), Boy (1884), College (1910), Ma'am (1931). Die Liste spricht für sich. Aus Raumgründen verzichten wir auf eine präzise Glossierung.

36

¡war Werten Β:

A, hindi naman masyadong malaki. Tama lang kasi konti lang kami. Oh, es ist nicht mal so groß. Gerade recht so, weil wir nur wenige sind.

A befindet sich als Besucher bei Β und A möchte gern ein Zimmer mieten. Er muß jetzt erst mal das Gespräch auf das Haus bringen. Das geschieht mit einem Kompliment, dessen Wert durch die Partikel pala 'zur Überraschung, entgegen der Erwartung' erhöht wird (deutsch etwa »ich hätte mir nicht gedacht, dass Sie ein so großes Haus haben«). Β kann nun unmöglich A's Kompliment einfach zustimmen. Er muß vielmehr versuchen, das Kompliment abzuschwächen. Das tut er mit einer Formulierung, deren erster Teil die Größe relativiert und deren zweiter Teil eine Begründung für diese Einschätzung gibt: »wir sind nur eine kleine Familie«. Es wäre nun äußerst unhöflich von A, B's Einwand zurückzuweisen; philippinische Regeln fordern jetzt ziemlich klar, daß A sich nach den Familienangehörigen erkundigt. Das Beispiel zeigt, daß die Semantik von so einfachen Wörtern wie malaki 'groß' oder konti 'wenige' nur auf kulturellem Hintergrund zu erschließen ist, desgleichen aber auch der Sprechakt EIN KOMPLIMENT MACHEN oder der Gesprächszug EIN THEMA EINFÜHREN. • wie analysiert und dokumentiert man soziostilistische Variation in einer Sprache? Die Lexikographie von gut dokumentierten Nationalsprachen mit einer relativ starken Kodifizierung und Normierung neigt im allgemeinen eher dazu, soziostilistische Variation etwas zu vernachlässigen. Bei den weniger gut dokumentierten Sprachen mit einer sehr viel schwächeren Kodifizierung und Normierung ist dieses Problem deutlicher spürbar und es ist auch in der betreffenden Kommunikationsgemeinschaft ein Thema. Dabei interferiert diese sozio-stilische Variation eng mit dem kulturellen Hintergrund. Der systematische Einbezug solcher Aspekte ist zumindest in der Tagalog-Lexikographie nur wenig reflektiert. Daß diese Probleme einer Lösung zugeführt werden, ist wissenschaftlich wünschbar. Die praktische Umsetzung allerdings dürfte sich angesichts des geringen Nutzerpotentials für ein zweisprachiges Wörterbuch Tagalog-Deutsch auf sich warten lassen.

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Kontrastive Lexikologie: Tagalog - Deutsch

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Iwar Werten

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ANNE USE KJyER

Vergleich von Unvergleichbarem. Zur kontrastiven Analyse unbestimmter Rechtsbegriffe

Zusammenfassung: In diesem Beitrag wird versucht darzulegen, daß die Grundannahmen der kontrastiven Lexikologie für Vergleiche im Bereich der Rechtslexik nicht oder nicht unbeschränkt Gültigkeit haben. Unbestimmte Rechtsbegriffe zweier verschiedener Rechtsordnungen sind unvergleichbar, wenn der Vergleichende unkritisch von den Annahmen der lexikologischen Analyse ausgeht und beansprucht, absolute Ähnlichkeiten und Unterschiede der Begriffe feststellen zu können. Das "Recht" ist in die Analyse einzubeziehen. Summary: In this contribution an attempt is made to show that in the study of legal vocabulary, basic assumptions of contrastive lexicology are not immediately valid. A comparison of vague legal concepts belonging to different legal systems cannot uncritically be based on standard lexicological analysis claiming to reveal general similarities and differences of the concepts. For the comparison to be meaningful, the functioning of law in the two legal systems must be taken into account. Résumé: La présente contribution tâche de démontrer que les hypothèses fondamentales de la lexicologie contrastive ne sont pas du tout, ou seulement dans une mesure limitée, valables pour les comparaisons du vocabulaire juridique. Les conceptions de droit indéterminées appartenant à deux systèmes de droit différents sont incomparables lorsque celui qui procède à la comparaison dans le but de constater les différences et les ressemblances absolues des conceptions de droit, manque de critique et se base sur les hypothèses d'une analyse lexicologique. Il faut introduire "le droit" dans l'analyse.

1.

Einleitung

Ausgangspunkt der Überlegungen dieses Beitrags ist die unilaterale bzw. gerichtete kontrastive Analyse von Wortschätzen bzw. Wortschatzelementen zweier Sprachen, deren Zweck in einer Zuordnung von L2-Einheiten zu Ll-Einheiten auf der Basis einer Vergleichsgrundlage (Tertium Comparationis) besteht. Eine so verstandene kontrastive lexikologische Analyse beruht auf mindestens folgenden Annahmen: (1)

Es ist sinnvoll, lexikalische Einheiten in LI mit lexikalischen Einheiten in L2 zu vergleichen.

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(2)

Es ist möglich, eine einzelfallunabhängige (lexikalische oder konventionalisierte) Bedeutung von Wörtern und Wendungen anzugeben.

(3)

Es ist möglich, eine semantische Vergleichsgrundlage zu formulieren, an der die generellen Ähnlichkeiten bzw. Verschiedenheiten der verglichenen Einheiten gemessen werden können.

(4)

Es ist möglich, auf der Basis eines lexikalischen Sprachvergleichs zur usuellen Übersetzbarkeit der Ll-Einheiten durch die ermittelten L2-Einheiten Stellung zu nehmen.

Mit diesen Annahmen der kontrastiven Lexikologie (vgl. ähnlich Schepping 1985:184f.) möchte ich mich auseinandersetzen. Die allgemeine Gültigkeit der Annahmen wird nicht in Frage gestellt, sondern es wird versucht darzulegen, daß sie im Falle der Rechtslexik nicht oder nicht immer erfüllt sind. Bevor auf die vier Annahmen und meine Begründungen für ihre (partielle) Abweisung eingegangen wird, ist die Reichweite der Überlegungen einzuschränken. Bei kontrastiven Analysen im Bereich der Rechtssprache ist von entscheidender Wichtigkeit die Zahl der am Vergleich beteiligten Rechtsordnungen (vgl. ähnlich de Groot 1988:409f.). Folglich sind die in Abbildung 1 - 3 skizzierten Fälle auseinanderzuhalten:

Abb. 1.

Ro LI
L2

L3 -
L4

Der erste Fall (Abb. 1) wird nicht berücksichtigt. Hier gehören die verglichenen Rechtssprachen nur einem Rechtssystem an, LI, L2, L3 und L4 sind also Amtssprachen derselben Rechtsordnung (Ro). Das Begriffssystem ist bei allen Amtssprachen konstant, Gesetze und Gerichtsbarkeit sind die gleichen, es besteht kein Problem der unterschiedlichen Einteilung der Welt, was eine interlinguale Analyse relativ einfach macht. Einen solchen Fall belegt das schweizerische Bundesrecht, das im Deutschen, Französischen, Italienischen und Rätoromanischen mit gleicher Gültigkeit formuliert ist. Ein anderes Hauptbeispiel ist Kanada mit dem Englischen und Französischen als gleichwertigen Amtssprachen bezogen auf nur ein Rechtssystem. Auch die in Abb. 2 veranschaulichten besonderen Probleme des Europarechts bleiben unberührt. Hier spielen supranationales Recht und nationales Recht der Mitgliedsländer zusammen, was bei den vielen gleichwertigen Sprachen (per 1.1.1995: 11) und nationalen Rechtsordnungen (per 1.1.1995: 15) eine sprachlich und rechtlich ganz unüberschaubare Situation herbeiführt. Bei einem Vergleich von zwei Sprachen im Rahmen des Europarechts sind u.U. drei Rechtssysteme - also zwei nationale Rechtssysteme und das Europarecht - und vier Sprachen - zwei "Nationalrechtssprachen" und zwei "Europarechtssprachen" - mit im Spiel. Ist z.B. ein auf dänisch abgefaßtes Urteil des EU-Gerichtshofs mit dem gleichwertigen Text

Vergleich von Unvergleichbarem..

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auf deutsch, ζ. B. im Hinblick auf die Bedeutungsfestlegung dann vorkommender Begriffe, zu vergleichen, gehören zum Vergleich auf der Begriffsebene dänische, deutsche und EURechtsbegriffe und auf der sprachlichen Ebene dänische und deutsche Rechtssprache, bezogen einerseits auf die nationalen Rechtssysteme (dänisches und deutsches Recht), andererseits auf das Europarecht ("europäische Rechtssprache in dänischer und deutscher Ausprägung")! Die folgenden Überlegungen treffen zwar auch für Europarechtsvergleiche zu, ziehen aber nicht alle Aspekte dieser komplexen Vergleiche in Betracht.

Abb. 2.

Im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen steht der dritte Fall (Abb. 3), bei dem zwei Sprachen zweier verschiedener Rechtsordnungen kontrastiert werden, in casu das Deutsche und das Dänische und deutsches und dänsiches Recht.1 Im Gegensatz zu den von Abb. 1 erDie dänische und die deutsche Rechtsordnung stehen und standen nicht ohne Berührungspunkte isoliert nebeneinander. Sie gehören zwar nicht demselben Rechtskreis an, haben aber beide in verschiedener Ausprägung Wurzeln im römischen Recht. Außerdem hat Deutschland als großes Nachbarland Dänemark auch rechtlich beeinflußt Deshalb ist es für Vergleiche von dänischem und deutschem Recht immer möglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Je weniger verwandt die Rechtsordnungen sind, desto schwieriger ist es, eine hinreichend bestimmte Vergleichs grundlage zu formulieren. Daß alle Rechtsordnungen gemeinsame Züge aufweisen, wird aber in der vergleichenden Rechtswissenschaft angenommen, vgl. auch den völkerrechtlichen Gedanken, daß es möglich ist, "von allen Kulturvölkern anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze" zu erschließen (Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs). Dieser stets vorhandene gemeinsame Nenner aller Rechtsordnungen geht aus Abb. 3 nicht hervor.

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faßten interlingualen Analysen zwischen Amtssprachen derselben Rechtsordnung erfordern Vergleiche der in Abb. 3 veranschaulichten Art neben dem Sprachvergleich auch eine Rechtsvergleichung. Intersprachliche Analysen sind in diesem Fall also zugleich auch "interrechtliche" Analysen, so daß die Vergleiche stets zwischen LI in Rol einerseits und L2 in Ro2 andererseits stattfinden.2

Abb. 3. Rol LI

Ro2 L2

Wenn im folgenden die Anwendbarkeit der Grundannahmen der kontrastiven Lexikologie auf Vergleiche von Rechtswortschätzen in Frage gestellt werden, gilt die Erörterung nur dem dritten Fall. Mit dieser Einschränkung der Reichweite meiner Ausführungen sind die oben aufgelisteten Annahmen zu diskutieren.

2.

Sprache und Recht beim Rechtssprachenvergleich

Wenn Wortschatzelemente der Rechtslexik zweier Sprachen und zweier Rechtsordnungen zu vergleichen sind, ist es nicht sinnvoll, wie mit der ersten Annahme vorausgesetzt, den Vergleich als einen Vergleich von lexikalischen Einheiten, als reinen Sprachvergleich, durchzuführen. Das wäre ein Vergleich der Spitzen zweier Eisberge. Das Recht ist nicht neben, sondern in der Sprache. So lautet ein Grundgedanke der Rechtsphilosophie (vgl. z.B. Grossfeld 1990:85ff. m.w.N., Busse 1992b:8 m.w.N., Constantinesco 1972:166f.).3 Das Recht wird durch sprachlich abgefaßte Regelungen geschaffen. Rechtshandlungen werden durch Sprachhandlungen durchgeführt. Verträge, Urkunden, Urteile, die alle den Rechtszustand ändern, bzw. ändern können, sind ohne eine Rechtssprache undenkbar. Aber das Umgekehrte gilt auch: Ebensosehr wie Recht ohne Sprache undenkbar ist, ist eine Rechtssprache ohne Recht eine Absurdität. Die Rechtssprache lebt von der Realität, in der sie verwendet wird. Sie läßt sich nicht beschreiben, wenn sie aus ihrem rechtlichen Zusammenhang gerissen ist. Eine Analyse von Rechtssprache erfordert also die Einbeziehung von "Recht". Die Abhängigkeit von der Welt des Rechts gilt nicht nur für die Rechtssprache im allgemeinen, sondern spiegelt sich auch in der Bedeutungsstruktur von Rechtsbegriffen wider. Dies möchte ich mit Begriffen erklären, die der juristischen Methodenlehre entnommen sind,

2

Außer Betracht bleiben "interrechtliche" Vergleiche, die nicht auch Sprachvergleiche erfordern, so z.B. Vergleiche von bundesdeutschen und schweizerischen Rechtsbegriffen.

3

Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf den Grundgedanken der philosophischen Hermeneutik von Gadamer: Die Sache ist Von der Sprache kaum zu trennen (Wahrheit und Methode (1960:365)). Vgl. des weiteren das Prinzip der sprachlichen Relativität. Werlen (1989) vermittelt einen guten Überblick über die Geschichte und Bedeutung dieses sprachlichen Relativitätsprinzips, über die Fragestellungen des Verhältnisses von Sprache, Mensch und Welt.

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und an unbestimmten Rechtsbegriffen des deutschen und dänischen Vertragsrechts veranschaulichen.4 Allgemeines Kennzeichen von Rechtsbegriffen ist ihre Abhängigkeit von einer und nur einer Rechtsordnung. Rechtsbegriffe haben ihren bestimmten Platz in der komplexen Vernetzung von Rechtsnormen eines Landes, und ihre Bedeutung kann nicht ohne Einbeziehung ihrer Funktion im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung angegeben werden (Larenz 1983:420). Unbestimmtheit als Merkmal von Rechtsbegriffen liegt vor, wenn die Rechtsbegriffe auslegungsbedürftig sind, d.h. vom Gesetzgeber bewußt so allgemein formuliert sind, daß ihre Anwendung auf konkrete Sachverhalte, die dem Gericht in einem Prozeß zur Entscheidung vorgelegt werden, stets eine vorherige Auslegung durch den Richter erfordert (Wank 1985:6ff.). 5 Ein Hauptfall der unbestimmten Rechtsbegriffe sind die wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln. Wegen ihrer unbestimmten, auslegungsbedürftigen Bedeutung sind sie an die Rechtsprechung einer Rechtsordnung besonders eng gebunden. Hauptbeispiele sind die Generalklauseln des deutschen Vertragsrechts Treu und Glauben und die guten Sitten. "Entsprechende" Begriffe des dänischen Vertragsrechts sind u.a. redelig handlemâde 'redliche Handlungsweise', almindelig hœderlighed 'allgemeine Ehrbarkeit', god markedsföringsskik 'gute Wettbewerbssitten' und ordentlig forretningsbrug 'ordentlicher Geschäftsbrauch'. Sie sind unten im Kontext der Gesetzesparagraphen aufgeführt, die sie einführen und ihre Anwendung z.T. festlegen: • Treu und Glauben § 242 BGB: Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 320 II BGB: Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben versto&en würde. § 9 1 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG): Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

• die guten Sitten § 1381 BGB: Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG): Wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Ansprach genommen werden.

4

Ich spreche im folgenden von "Begriffen" und "Generalklauseln", wobei ich die Terminologie der juristischen Methodenlehre benutze. Die Begriffe und Klauseln haben ihren lexikalischen Ausdruck in Wörtern und Wortverbindungen. In dem Sinne sind sie als Wortschatzelemente aufzufassen.

5

Unbestimmtheit wird in der juristischen Methodenlehre teilweise anders verstanden als semantische Unbestimmtheit bzw. Vagheit in der lexikalischen Semantik. In der Methodenlehre wird als Definitionskriterium der Unbestimmtheit (neben der Auslegungsbedürftigkeit) das der Nicht-Wahrnehmbarkeit angeführt. Rot gilt deshalb als ein bestimmter Rechtsbegriff (Wank 1985:7), während rot und andere Farbadjektive in der lexikologisehen Forschung als Hauptfälle semantísch vager Ausdrücke bewertet werden, vgl. z.B. Pinkal (1985:42). Darüber hinaus sei Vagheit im Sinne von Allgemeinheit für die Semantik kein Problem, sondern gehöre zum klassischen Standard (ibid. 40). Bei den Generalklauseln handelt es sich aber gerade um allgemeine Ausdrücke, um "rechtliche Standards", wie sie in der skandinavischen Rechtstradition heißen.

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Anne Lise Kjœr

• almindelig

hœderlighed

'allgemeine Ehrbarkeit'

§ 33 des dänischen Gesetzes über Verträge ('Aftaleloven'): Selv om en viljeserklxring ellers mâtte anses for gyldig, kan den, til hvem erkl seringen er afgivet, dog ikke pâberâbe sig den, nâr det pâ grund af omstxndigheder, som forelâ, da erkl «ringen kom til han s kundskab, og bvorom han mâ antages at have vaeret vidende, ville stride imod almindelig hœderlighed, om han gjorde den gxldende. [Auch wenn eine Willenserklärung sonst als wirksam anzusehen ist, kann der, dem gegenüber die Erklärung abgegeben ist, sich nicht auf sie berufen, wenn es auf Grund von Umständen, die vorlagen, als er von der Erklärung Kenntnis nahm, und von denen anzunehmen ist, daß er sie kannte, gegen die 'allgemeine Ehrbarkeit' verstoßen würde, wenn er die Erklärung geltend machen würde.] • redelig handlemäde

'redliche Handlungsweise'

§ 36 des dänischen Gesetzes über Verträge ('Aftaleloven'): En aftale kan tilsidesaettes helt eller delvis, hvis det vii vere urimeligt eller i strid med redelig handlemäde at g0re den gsldende. [Ein Vertrag kann ganz oder teilweise aufgehoben werden, wenn seine Geltendmachung unbillig ist oder gegen [den Grundsatz einer] 'redlichen Handlungsweise' verstößt.] • god markedsf0ringsskik

'gute Wettbewerbssitten'

§ 1 des dänischen Gesetzes über Wettbewerbshandlungen ('Lov om markedsf0ring'): Loven gaelder i privat erhvervsvirksomhed og offentlig virksomhed, som kan sidestilles hermed. Der mâ i sâdan virksomhed ikke foretages handlinger, som strider mod god markedsföringsskik. [Das Gesetz gilt in Privatunternehmen und in vergleichbaren öffentlichen Unternehmen. In solchen Unternehmen dürfen Handlungen nicht vorgenommen werden, die gegen 'die guten Wettbewerbssitten' verstoßen.] • ordentlig forretningsbrug

'ordentlicher Geschäftsbrauch'

§ 51 des dänischen Kaufgesetzes ('K0beloven'): I handelsk0b har k0beren, nâr salgsgenstanden er leveret, eller en aftalt udfaldspr0ve er kommet ham i hiende, at foretage sâdan unders0gelse som ordentiig forretningsbrug krœver. [Beim Handelskauf hat der Käufer, wenn die Kaufsache geliefert oder eine vereinbarte Ausfallprobe ihm in die Hände gelangt ist, eine solche Untersuchung vorzunehmen, wie 'ordentlicher Geschäftsgebrauch' sie fordert] Eine Anwendung der genannten Generalklauseln auf dem Gericht vorgelegte Rechtsfälle erfordert die vorherige Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe. Die entscheidenden Richter müssen festlegen, wie die im Gesetz verwendeten Begriffe interpretiert werden sollen, damit sie beurteilen können, ob der vorgelegte Rechtsfall darunter fällt. D i e juristische Methodenlehre steckt den Rahmen dieser Interpretation, dieser Bedeutungsfestlegung, ab. In der traditionellen Lehre wird dabei von dem sogenannten "natürlichen Wortsinn" der Rechtsbegriffe gesprochen, der ihrer juristischen Bedeutung gegenübergestellt wird. 6 Jede Auslegung von Rechtsbegriffen beginnt traditionell mit der Festlegung des "natürlichen Wortsinns", mit einer Wortinterpretation (Auslegung nach dem Wortlaut oder "grammatische 6

Nicht alle Rechtswissenschaftler wollen die Unterscheidung anerkennen, vgl. z.B. Wank (1985:30): "Man kann zwar mit den Hilfsmitteln der Sprachwissenschaft, eine umgangssprachlich übliche Wortbedeutung feststellen. [...] Aber sie wird durch die 'juristische Wortbedeutung* verdrängt." In der lexikologischen Diskussion entspricht die Unterscheidung zwischen "natürlichem Wortsinn" und "juristischer Bedeutung" etwa der Trennung von "Bedeutung" einer lexikalischen Einheit und dem "enzyklopädischem Wissen", "Sach- oder Fachwissen", das sich auf die mit der lexikalischen Einheit bezeichneten Gegenstände und Sachverhalte bezieht, vgl. z.B. Lutzeier (1985:78ff), Wiegand (1988:772ff), Harras (1991:29), Schippan (1992:1440).

Vergleich von Unvergleichbarem..

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Auslegung", Larenz 1983:329). Bei der Auslegung des Begriffes Treu und Glauben, wie er in § 242 verwendet ist, wird also zunächst nach der Bedeutung von Treue und Glauben gefragt, vgl. z.B. Jauernig (1987:157): Sein Inhalt [der Inhalt von 'Treu und Glauben'] steht nicht von vornherein abschließend fest, sondern bedarf wertender Konkretisierung im Einzelfall. Erste Anhaltspunkte liefert die Wortinterpretation. Treue verweist auf Rechtstugenden der Verläßlichkeit [...], des Worthaltens und der Loyalität; Glauben meint das Vertrauen auf die Treue des anderen Teils [...]. 'Treu und Glauben" bedeutet damit den Grundsatz des anständigen und rücksichtsvollen Verhaltens, das Gebot der billigen Rücksichtsnahme auf die berechtigten Belange des anderen Teils [...]; [Hervorhebungen wie im Original]

Aber auch andere Auslegungskriterien werden in Anwendung gebracht. Das sind nach Larenz ( 1983:3 lOff.) die folgenden (auf die ich aus Platzgründen hier nicht näher eingehen kann): (1)

Der Bedeutungszusammenhang des Gesetzes ("systematische Auslegung", Auslegung nach der Stellung im "System" des Gesetzes oder aller Gesetze).

(2)

Historisch-teleologische Auslegungskriterien: Regelungsabsicht, Zwecke und NormVorstellungen des historischen Gesetzgebers.

(3)

Objektiv-teleologische Kriterien: (a) Strukturen des geregelten Sachbereichs, tatsächliche Gegebenheiten. (b) Rechtsethische Prinzipien, die hinter einer Regelung stehen, vor allem die in Verfassungsrang erhobenen Prinzipien.

Solche zusätzlichen Auslegungskriterien verwendet auch Jauernig (1987:157): Treu und Glauben (den Begriff verwenden femer §§ 157,162,320II, 815; AGBG 91) ist Verhaltensmaßstab für die an einer Sonderverbindung [...] Beteiligten und Entscheidungsmaßstab für das Gericht. [...] er umfaftt das Prinzip des Vertrauensschutzes [...] Bei der inhaltlichen Konkretisierung von Treu und Glauben ist nicht nur auf die in § 242 ausdrücklich genannte Verkehrssitte (Begriff: § 133 Anm ld) zurückzugreifen, sondern vor allem auch auf die in der Rechtsgemeinschaft anerkannten obj Werte [...]. Auf diese Weise gewinnt die "Weitordnung des Grundgesetzes" [...], wie sie namentlich im Grundrechtsteil des GG ihren Ausdruck gefunden hat, Eingang ins bürgerliche Recht [...]. [Hervorhebungen wie im Original]

Wenn im Laufe der Zeit solche zusätzlichen Auslegungskriterien in Rechtsprechung und in der Literatur angewandt werden, ergibt sich eine Summe von Auslegungsbeiträgen zum Begriff, die insgesamt die juristische Bedeutung des Begriffes ausmachen. (Insgesamt füllt Jauernigs Kommentar zum § 242 24 Seiten, wobei zu beachten ist, daß Jauernigs Kommentar bei weitem nicht der einzige oder der größte BGB-Kommentar ist.) 7 In Abb. 4 habe ich versucht, die Bedeutungsstruktur eines Rechtsbegriffes zu veranschaulichen. An der Spitze des Eisberges ist sein "natürlicher Wortsinn" angesiedelt; unter der Meeresoberfläche verbirgt sich aber die juristische Bedeutung des Begriffes. Die Figur verdeutlicht die semantische Komplexität von Rechtsbegriffen und den großen Umfang der Merkmale, aus denen ihre juristische Bedeutung besteht. Aus diesem der juristischen Methodenlehre entnommenen Verständnis von Bedeutung wird aber darüber hinaus klar, daß die Bedeutung von Rechtsbegriffen auf eine bestimmte Rechtsordnung bezogen ist, auf keine objektive juristische Wirklichkeit: Stellenwert im Gesamtzusammenhang des deutschen - Vertragsrechts, Verhältnis zu verwandten Begriffen des - deutschen - Rechts, Regelungsabsicht des - deutschen - Gesetzgebers usw. 7

Zum Umfang der Kommentarliteratur und der Auslegungsbeiträge zu juristischen Begriffen, vgl. auch Busse (1992b: 125).

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Anne Lise Kjœr

Dies ist bei einem Sprachvergleich im Rechtsbereich von entscheidender Wichtigkeit. Abb. 4. "Treu und Glauben"

Bisherige Ausfüllung der Bedeutung des Begriffes "Treu und Glauben" in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung: ... Fallbeispiele: ...

Wenn ich nun von einem "reinen Sprachvergleich" spreche, denke ich an einen Vergleich, der sich nur im Rahmen des "natürlichen Wortsinns" der Rechtsbegriffe hält. Ein solcher Fall würde vorliegen, wenn man Treu und Glauben mit "entsprechenden" Begriffen des dänischen Rechts, z.B. almindelig hcederlighed 'allgemeine Ehrbarkeit' und redelig handlemáde 'redliche Handlungsweise', vergleichen möchte, und im Zuge des Vergleichs nur die wörtlichen Bedeutungen berücksichtigen würde, also den Grad der Übereinstimmung der Begriffe an ihren wörtlichen Bedeutungen zu messen versuchte. Ein solcher Vergleich würde die juri stische Bedeutung der Begriffe außer acht lassen, würde die Begriffe aus ihrem rechtlichen Zusammenhang reißen, und wäre - selbstverständlich - unzulänglich. Einem Vergleich von Rechtsbegriffen zweier Sprachen sollten also ihre juristischen Bedeutungen zugrundeliegen. Ein Sprachvergleich im Bereich der Rechtslexik muß mit anderen Worten zugleich auch Rechtsvergleichung sein, muß "das Inbezugsetzen vergleichbarer Rechtsinstitute oder vergleichbarer Problemlösungen in verschiedenen Rechtsordnungen" umfassen (Zweigert/Kötz 1971:5). Nach Constantinesco (1972:169) gehört die Rechtsterminologie sogar nur scheinbar zum sprachlichen Bereich. "In Wirklichkeit gehört sie zum Bereich des Rechts, dessen Ausdrucksform sie ist. Alle Juristen, die sich mit vergleichender Terminologie befassen, betreiben im Grunde Rechtsvergleichung."

Vergleich von Unvergleichbarem..

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Bei einem derartigen Vergleich kann kaum mehr von einem Vergleich der Bedeutungen von lexikalischen Einheiten gesprochen werden. Das würde wohl den Bedeutungsbegriff der Lexikologie sprengen. Deshalb wird die erste der in der Einleitung aufgeführten Annahmen für Vergleiche von Rechtsbegriffen zweier Rechtsordnungen abgelehnt. Auch die zweite Annahme lehne ich ab und behaupte: Es ist nicht immer möglich, eine einzelfallunabhängige (lexikalische oder konventionalisierte) Bedeutung von Rechtsbegriffen anzugeben.

3.

Zur Dynamik der Bedeutung von RechtsbegrifFen

Die Bedeutung von Rechtsbegriffen ist entgegen einer Laienauffassung der Juristensprache alles andere als bestimmt und genau bestimmbar. Vielmehr ist sie mehr oder weniger elastisch, - die Juristen sagen "auslegungsbedürftig" - , damit die Begriffe auf eine größtmögliche Vielfalt außersprachlicher Fälle angewandt werden können. Die Auslegungsbedürftigkeit trifft für Rechtsbegriffe jeder Art zu, fällt aber bei den unbestimmten Rechtsbegriffen besonders ins Gewicht, weil sie vom Gesetzgeber bewußt so allgemein formuliert sind, daß ihre Anwendung auf konkrete Sachverhalte stets eine vorherige Auslegung durch den Richter erfordert. Jedesmal, wenn ein Richter die Generalklauseln des deutschen Vertragsrechts zur Entscheidung eines Rechtsstreits auf einen ihm vorgelegten Sachverhalt anwenden möchte, d.h. wenn er den Sachverhalt unter die Generalklausel subsumieren möchte, fragt er sich (z.B.): Stellt diese oder jene Handlungsweise einen Verstoß gegen 'die guten Sitten* im Sinne von § 138 BGB dar? Haben die Vertragspartner bei der Erfüllung dieses oder jenes Vertrages den Grundsatz von 'Treu und Glauben' im Sinne von § 242 BGB bewahrt? Zur Beantwortung solcher Fragen muß er dazu Stellung nehmen, was 'die guten Sitten', 'Treu und Glauben' sind (was die guten Sitten, Treu und Glauben bedeuten), und sich Uberlegen, ob die bisherige Ausfüllung ihrer Bedeutung auch auf den zu beurteilenden Sachverhalt zutrifft. In dem folgenden Auszug aus den Entscheidungsgründen eines Urteils des Bundesgerichtshofs verweisen die Richter am Anfang auf "die gefestigte Rechtsprechung", stellen dann am Ende eigene neue Überlegungen Uber die (juristische) Bedeutung von 'Treu und Glauben' im Sinne von § 242 BGB an: Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein an sich formnichtiger Grundstückskaufvertrag in besonderen Ausnahmefällen als wirksam zu behandeln, wenn die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben unvereinbar wäre. [...] Muß der Verkäufer sich [...] an dem verdeckt abgeschlossenen und vollzogenen Geschäft nach Treu und Glauben festhalten lassen, ist der Kaufvertrag als wirksam zu behandeln. [...] Etwas anderes hat allerdings zu gelten, wenn der Käufer sich nicht an den Vertrag gehalten und die Erfüllung seiner Pflichten unter Berufung auf die Formnichtigkeit des Geschäfts verweigert hat. Denn es widerspräche geradezu Treu und Glauben, den Verkäufer an einem Vertrag festzuhalten, den der Käufer nicht als gültig angesehen hat. (NJW 1994:656f) [Meine Hervorhebungen]

Die Analyseschritte dieser Bedeutungserschließung können wie folgt beschrieben werden: 1. Angabe des Bedeutungszusammenhangs des Gesetzes: Der Grundsatz von 'Treu und Glauben' im Sinne von § 242 durchbricht in Ausnahmefallen den Grundsatz des § 125 BGB, nach dem Mängel in der Form die Nichtigkeit eines Vertrags bewirkten 2. Hinweis auf gefestigte Rechtsprechung, d.h. die bisherige Auslegung von 'Treu und Glauben': Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn die Nichtigkeit schlechthin untragbare Rechtsfolgen für die betroffene Partei hat,

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Anne Lise Kjœr hier fttr den Käufer eines Grundstücks, der trotz des ihm und dem Verkäufer bekannten Formmangels seine Pflichten aus dem Vertrag erfüllt. 3. Auslegungsbeitrag des Gerichts in dem zitierten Urteil: Wenn auch die Nichtigkeit untragbare Rechtsfolgen für die betroffene Partei hat, kommt eine Durchbrechung des Grundsatzes von der Formnichtigkeit unter Berufung auf 'Treu und Glauben' nicht in Frage, wenn die betroffene Partei selbst nicht den Vertrag als gültig ansieht und seine Pflichten aus dem Vertrag nicht erfüllt hat. Das würde dem Grundsatz von 'Treu und Glauben' nämlich widersprechen.

Mit d i e s e m Auslegungsbeitrag des Gerichts wird die juristische Bedeutung von 'Treu und Glauben' um einen neuen Aspekt erweitert. Der Bundesgerichtshof überprüft immer, o b das Berufungsgericht das Recht richtig angewandt hat. W i e aus dem folgenden Auszug ersichtlich, beruht die richterliche Überprüfung der R e c h t s a n w e n d u n g einerseits auf H i n w e i s e n darauf, w i e die in den a n g e w a n d t e n Vorschriften vorkommenden Begriffe in der bisherigen Rechtsprechung ausgelegt wurden, und andererseits auf eigenen Bedeutungsanalysen: Die Erwägungen des [Berufungsgerichts] zur Frage, ob der Bürgschaftsvertrag vom 13.3.1984 wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig ist, beginnen beim richtigen Ausgangspunkt, bestimmen jedoch die Grenze, von der ab § 138 I BGB Anwendung findet, nicht zutreffend. Ein Rechtsgeschäft ist nach dieser Vorschrift nur dann nichtig, wenn es in seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter den guten Sitten widerspricht, wobei allein auf die Umstände bei VertragsschluB abzustellen ist. [Hinweis auf Rechtsprechung] Die Tatsache, daß der Inhalt des Vertrages nur den [Beklagten] in erheblichem Umfang belastet, stellt für sich die Wirksamkeit der Bürgschaft noch nicht in Frage. [Hinweis auf Rechtsprechung] Die eingegangene Verpflichtung ist auch nicht bereits deshalb rechtlich zu mifibilligen, weil der Bürge im Zeitpunkt einer Willenserklärung nicht die Einkünfte oder das Vermögen zur Erfüllung der Verbindlichkeiten hatte, für die er haften soll. [...] Verpflichtet sich der Bürge in einem Umfang, der seine gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Einkommens- und Vennögensverhältnisse weit übersteigt, kann ein solcher Vertrag jedoch Hann gem. § 1381 BGB nichtig sein, wenn der Bürge durch weitere Umstände in einer dem Gläubiger zurechenbaren Weise zusätzlich erheblich belastet wird, die zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragspartner führen. Solche Belastungen können sich [insbesondere] daraus ergeben, dafi der Gläubiger die geschäftliche Unerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Bürgen ausnutzt oder auf andere Weise ihn in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt. [...] Auf dieser Grundlage ist der Bürgschaftsvertrag gem. § 1381 BGB nichtig. Die Unwirksamkeit des Vertrages folgt bereits aus dem besonders groben MiBverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Bekl. in Verbindung mit dessen geschäftlicher Unerfahrenheit. (NJW 1994: 1278f.) [Meine Hinzufügungen] Im Zuge der Rechtsanwendung, durch Bedeutungsanalysen der gezeigten Art und durch die bloße Subsumtion immer neuer Sachverhalte unter die Generalklauseln, trägt der Richter zum fortdauernden Prozeß ihrer Bedeutungsfestlegung bei. Dies ist ein prinzipiell unabgeschlossener Prozeß. Im Laufe der Zeit verändern sich die Sachverhalte und die Auffassung der Leute davon, w a s 'die guten Sitten' sind, w i e man sich als Vertragspartner "anständig" und "rücksichtsvoll" verhält und somit den Grundsatz von 'Treu und Glauben' bewahrt, vgl. das Jauernig-Zitat oben. Und diese Veränderung der Wirklichkeit sollen die Generalklauseln auffangen. Im Ergebnis werden der Bedeutungsumfang bzw. der Bedeutungsinhalt der unbestimmten Rechtsbegriffe ständig überprüft. Bekannt sind somit nur die Bedeutungen, die den Rechtsbegriffen in der bisherigen A u s l e gungspraxis der Juristen beigemessen wurden, nicht dagegen die Bedeutungen, die ihnen in Zukunft zugeschrieben werden.

Vergleich von Unvergleichbarem ..

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Man kann den "natürlichen Wortsinn" eines Begriffes angeben (was übrigens keine so automatische Aufgabe ist, wie manche Juristen unterstellen 8 ), man kann die Summe seiner bisherigen Auslegungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft angeben (wenn eine Auflistung angesichts der FUlle der Auslegungsbeiträge auch sehr viele Seiten in Anspruch nehmen würde - die Generalklauseln des BGB können auf eine 100jährige Auslegungsgeschichte zurückblicken!), und man könnte notfalls diese Angaben als Angaben der lexikalischen oder konventionalisierten Bedeutung auffassen. Was dagegen nicht anzugeben ist, ist die Dynamik der Bedeutung von Rechtsbegriffen: Wie werden sie in Zukunft ausgelegt? Kennzeichnend für die Bedeutung von Generalklauseln als unbestimmten Wertmaßstäben sind gerade ihre Abhängigkeit vom Einzelfall und ihre ständige Bedeutungskorrektur, wenn im Laufe der Zeit die Klauseln auf immer neue Fälle angewandt werden. Die auf ihrer gewollten Unbestimmtheit beruhende Bedeutungsdynamik steht einer endgültigen Bedeutungsfestlegung entgegen. Damit fehlt auch eine allgemeingültige semantische Vergleichsgrundlage, die als Konstante bei einer jeden kontrastiven Analyse der Rechtsbegriffe anwendbar wäre. Deshalb ist auch die dritte der obigen Annahmen abzulehnen: Es ist bei den unbestimmten Rechtsbegriffen nicht möglich, ein semantisches Tertium Comparationis aufzustellen, an dem die Ähnlichkeiten bzw. Verschiedenheiten der verglichenen Einheiten generell gemessen werden können.

4

Zur Vergleichsgrundlage bei der kontrastiven Analyse unbestimmter Rechtsbegriffe

Wenn wir die unbestimmten Rechtsbegriffe Treu und Glauben und die guten Sitten mit ihren dänischen "Entsprechungen" vergleichen, erfolgt die Gegenüberstellung nicht auf der Basis ihrer lexikalischen Bedeutungen, des "natürlichen Wortsinns". Wörtlich entspricht Treu und Glauben auf dänisch 'tro og love', der zwar ein genuiner dänischer Rechtsbegriff ist, synchron aber mit einem anderen Bedeutungsinhalt (erklœring pâ tro og love 'eidesstattliche Erklärung'). Die guten Sitten entspricht 'gode saeder', 'god moral', 'god skik', die dagegen keine selbständigen Rechtsbegriffe im Dänischen sind. Nicht der "natürliche Wortsinn", sondern die gleiche Funktion der Wortverbindungen in ihren jeweiligen Rechtsordnungen ermöglicht die Gegenüberstellung: Alle Begriffe sind Generalklauseln des Vertragsrechts, sie sind Verhaltensmaßstäbe für die Bürger und Entscheidungsmaßstäbe für das Gericht. Und sie sind als unbestimmte Rechtsbegriffe auslegungsbedürftig. Diese gemeinsame Funktionsbestimmung steckt also den Rahmen des Vergleichs der Rolund Ro2-Rechtsbegriffe ab, reicht aber ebensowenig aus wie die wörtlichen Bedeutungen, wenn zur Äquivalenz der Begriffe Stellung genommen werden soll: Stimmt z.B. Treu und Glauben eher mit 'allgemeiner Ehrbarkeit' als mit 'redlicher Handlungsweise' Uberein? Oder muß sogar mit Nulläquivalenz gerechnet werden? Wenn der Grad der Übereinstimmung der Begriffe zu bewerten ist, bedarf es einer Vergleichsbasis. Da es bei Vergleichen der hier erör8

Vgl. die Unterscheidung von Bedeutungsfeststellung und Bedeutungsfestsetzung bzw. Bedeutungsbeschreibung und Bedeutungserschließung bei Busse (1992a:9ff.). Nach Busse sind juristische Bedeutungen nicht objektiv feststellbar oder beschreibbar, sondern sind immer subjektive Bedeutungsfestlegungen bzw. BedeutungserschlieBungen des Richters.

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terten Art keine "objektive juristische Realität" gibt, die ein rechtsordnungsunabhängiges Tertium abgeben könnte, 9 muß sie sich nach der juristischen Bedeutung der Ll-Einheiten orientieren, kann also der Vergleich nur unilateral durchgeführt werden. Mit dieser Feststellung gelangen wir wieder zur zweiten Annahme und ihrer Ablehnung: Erstens sind die juristischen Bedeutungen der Begriffe so komplex, daß es mehr als schwierig ist, auf ihrer Basis eine allgemeine Vergleichsgrundlage zu formulieren. Zweitens sind sie wegen der Dynamik ihrer Bedeutung nicht endgültig festlegbar. Und drittens sind die juristischen Bedeutungen der L2-Einheiten ebenso komplex und ebenso "nicht-festlegbar", was eine Festeilung ihrer absoluten Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten letztendlich unmöglich macht. Vergleiche sind jedoch für die Praxis der Fachlexikographen und Fachübersetzer notwendig, und eine Lösung sollte angeboten werden. Hier kann zwar kein endgültiges Lösungsmodell angeboten werden, die Lösung scheint mir aber die folgende zu sein: Da keine allgemeingültige Vergleichsgrundlage formulierbar ist, sind mehrere Vergleichsgrundlagen aufzustellen, die jeweils verschiedene Aspekte der juristischen Bedeutung der Begriffe in den Mittelpunkt rücken. In Frage kommen die am Anfang zitierten Auslegungskriterien der juristischen Methodenlehre, vgl. auch Abb. 4: Der "natürliche Wortsinn" der Begriffe, Funktion und Zweck der Generalklausel ("Regelungsabsicht des Gesetzgebers"), die Rechtsfolge, die eine Anwendung der Klausel auf einen Rechtsfall impliziert (z.B. Nichtigkeit eines Vertrags), Verwandtschaft mit anderen Begriffen ("der Bedeutungszusammenhang des Gesetzes", in dem die Begriffe angewandt sind), geschichtlicher Hintergrund, "Strukturen des geregelten Sachbereichs, tatsächliche Gegebenheiten", die mit der Klausel geregelt sind, "rechtsethische Prinzipien, die hinter der Regelung stehen", bisherige Auslegungsbeiträge der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft, Fallbeispiele, usw. Mit dieser Relativierung der Vergleichsbasis kommen wir dann zur vierten Annahme.

5.

Zur Übersetzbarkeit der Ll-Einheiten durch L2-Einheiten

Ziel eines lexikalischen Sprachvergleichs ist u.a. die Gewinnung von Wissen über die usuelle Übersetzbarkeit von lexikalischen Einheiten der LI durch entsprechende lexikalische Einheiten der L2. Aber im Falle der Rechtslexik sind die im Zuge einer kontrastiven Analyse ermittelten genuinen L2-Einheiten bei weitem nicht immer als Übersetzungseinheiten für die L l Einheiten anwendbar. Oft sind L2-Einheiten sogar als Übersetzungseinheiten abzuweisen. Warum? Eben weil sie L2-Einheiten sind und somit zu einer anderen Rechtsordnung gehören. Dies folgt bereits aus den obigen Ausführungen. Hinzuzufügen ist außerdem die folgende Be9

Interessant ist indessen die (heute zwar weitgehend verlassene) Annahme der Rechtsethnologie, daß alle Rechtsordnungen auf eine Art "Urrecht" zurückzuführen seien, das sich im Laufe der Zeit in verschiedenen Varianten über die gleichen Entwicklungsstufen entwickele, vgl. z.B. Zweigert/Kötz (1971:9f.). Ein solches Urrecht könnte ja als eine Vergleichsgrundlage aller Rechtsordnungen, eine "objektive juristische Realität", verstanden werden. Bemerkenswert ist außerdem der Zweck der Rechtsvergleichung, der darin bestehen kann, "aus dem Vergleich verschiedener Rechtsinstitutionen 'Idealtypen' der Rechtsinstitute zu formen, d.h. zu erstrebendes Ergebnis einer rechtsvergleichenden Untersuchung kann die Herausarbeitung eines von nationalen Eigenarten gereinigten juristischen Typus für den Kauf, die Forderungsabtretung, die Kreditsicherungsrechte usw. sein." (Zweigert/Kötz 1971:12). Solche "Idealtypen" sind ja die gemeinsamen Nenner der beschriebenen Rechtsinstitute und in dem Sinne als Tertia Comparationis eines Vergleichs von Rechts instituten aufzufassen.

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gründung: Weil die Grundfrage der Übersetzungswissenschaft, ob angleichend oder verfremdend 10 zu Ubersetzen ist, bei kontrastiven Analysen im Rechtsbereich nicht hinwegzudenken ist. Kontrastive Lexikologie und Übersetzungswissenschaft seien streng voneinander zu trennen. Kontrastive Lexikologie könne nur systembezogen und Übersetzungswissenschaft nur textbezogen sein. Diese Auffassung des Untersuchungsgegenstandes der beiden Forschungszweige vertreten viele, vgl. vor allem Koller (1987:176ff) (siehe auch Wilss (1994), der in der kontrastiven Textlinguistik einen Schnittpunkt der beiden Wissenschaften sieht). Im Recht muß aber der Vergleich einen Zweck haben, sonst wären die sprachlichen Analysen der L l und L2-Einheiten wie gezeigt bodenlos und letztlich undurchführbar. Darüber hinaus wäre eine systembezogene Untersuchung von Rechtssprache ein Contradicto in adjecto. Die Rechtssprache lebt von der Realität, in der sie verwendet wird, kann nicht losgerissen vom Rechtsleben beschrieben werden. Bevor dazu Stellung genommen werden kann, ob die guten Sitten nun mit 'allgemeiner Ehrbarkeit' oder eher mit einem der anderen dänischen Begriffen wiedergegeben werden sollte, muß also gefragt werden, wann eine angleichende Übersetzungsmethode Uberhaupt anzuwenden ist, wann es vertretbar ist, Rechtsbegriffe der LI mit verwandten Rechtsbegriffen der L2 zu Ubersetzen. Die Antwort darauf ist m.E. nicht aus dem Grad ihrer Äquivalenz abzuleiten, sondern ergibt sich aus dem rechtlichen Zusammenhang, der ihre Übersetzung bestimmt. 11 Maßgeblich ist, ob das Recht der Rol oder das Recht der Ro2 bei der Auslegung des Textes, in dem die Begriffe vorkommen, anzuwenden ist. Zu unterscheiden sind folgende Hauptfälle: ( 1)

Das Recht der Rol gilt. (a) Auslegung nur von AS-Text nach dem Recht der Rol. (b) Auslegung entweder von AS-Text oder von ZS-Text nach dem Recht der Rol.

(2)

Das Recht der Ro2 gilt. (a) Auslegung von ZS-Text nach dem Recht der Ro2. (b) Auslegung entweder von ZS-Text oder von AS-Text nach dem Recht der Ro2.

Als Beispiele für die genannten Fälle kann ich folgende Situationen nennen: Zu (la): Eine dänische Frau verklagt einen deutschen Mann vor einem dänischen Gericht zur Feststellung der Vaterschaft. Es ergibt sich aus den Vorschriften des internationalen Privatrechts, daß dänisches Recht auf den Rechtsfall anzuwenden ist. 12 Ein Urteil ergeht, und der deutsche Mann erhält eine Ausfertigung des Urteils, die er ins Deutsche Ubersetzen läßt. Der Übersetzerdienst der EU läßt ein dänisches Gesetz ins Deutsche Ubersetzen, damit es deutschsprachige EU-Kommisare, Europaparlamentariker und EU-Angestellte lesen können.

10

Begriffe nach Schleiermacher (1838).

11

Ich sehe hier von vollständiger "Äquivalenz" ab, die m.E. bei zwei beteiligten Rechtsordnungen nie gegeben ist

12

Das internationale Privatrecht beantwortet die Frage, welche von mehreren in Betracht kommenden Rechtsordnungen auf einen konkreten Fall Anwendung findet, wenn dieser Fall Auslandsbeziehungen aufweist. (Zweigert/Kötz 1971:6).

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In einem deutschen Testament ist ein dänischer Bekannter der Verstorbenen als Erbe eingesetzt. Das Testament ist nach deutschem Recht auszulegen und zu vollstrecken. Der Erbe läßt das Testament ins Dänische Ubersetzen, damit er es versteht. 13 Zu(lb): Ein Vertrag ist zwischen gleichwertigen Geschäftspartnern in Deutschland und Dänemark geschlossen. Der Vertragsstext wird auf deutsch konzipiert und ins Dänische Ubersetzt, und beide Fassungen des Vertrags werden als gültig angesehen. Der Vertrag enthält eine Bestimmung darüber, daß Rechtsstreitigkeiten anläßlich des Vertrags nach deutschem Recht vor einem deutschen Gericht zu entscheiden sind. Zu (2a): Ein dänischer Formularvertrag, der bisher nur für dänische Geschäftspartner galt, soll jetzt in einem dänisch-deutschen Vertragsverhältnis gelten. Der dänische Text wird ins Deutsche Ubersetzt. Der deutsche Geschäftspartner verlangt, daß nur der deutsche Text Gültigkeit haben soll und daß im Zweifel der Vertrag nach deutschem Recht auszulegen ist. Zu (2b): Ein Vertrag ist zwischen gleichwertigen Geschäftspartnern in Dänemark und Deutschland geschlossen. Der Vertragsstext wird auf dänisch konzipiert und ins Deutsche übersetzt, und beide Fassungen des Vertrags werden als gültig angesehen. Der Vertrag enthält eine Bestimmung darüber, daß Rechtsstreitigkeiten anläßlich des Vertrags nach deutschem Recht vor einem deutschen Gericht zu entscheiden sind. Eine deutsche Frau studiert an einer dänischen Hochschule. Sie erhebt Klage gegen das Bundesland, in dem sie ihren Wohnsitz hat, weil es ihren Antrag auf BaFög mit der Begründung abgelehnt hat, das Studium in Dänemark sei kein Hochschulstudium im deutschen Sinne. Zu Beweisführungszwecken läßt die Frau eine dänische Verordnung Uber das Studium ins Deutsche übersetzen. Die Bestimmungen der Verordnung sind von dem deutschen Gericht nach deutschem Recht zu beurteilen. Ich sehe hier von Texten ab, die der juristischen Fachliteratur zuzurechnen sind (Lehrbücher, rechtswissenschaftliche Artikel, Rechtsenzyklopädien u.ä.). Sie besitzen keine Rechtsgültigkeit, mit ihnen werden keine Rechtshandlungen durchgeführt, und bei ihnen kommt keine Auslegung im juristischen Sinne in Frage. Werden sie Ubersetzt, dient die Übersetzung immer nur als Information Uber das Recht der Rol. Deshalb bekommt die Zielsprache bei solchen Texten die Funktion einer Art Metasprache, mit der Rechtsbegriffe und Rechtsvorstellungen der Rol kommentiert und erörtert werden. Die Betrachtungen gelten also nur Rechtstexten im engeren Sinne, juristischen Dokumenten, Verträgen, Urteilen, Gesetzestexten, d.h. bindenden Texten, Texten, mit denen Rechtshandlungen durchgeführt werden, Texten, von denen gesagt werden kann, ob sie rechtsgültig oder ungültig sind. Werden solche Rechtstexte übersetzt, ist zu unterscheiden, ob im Zuge des

Zweigert/Kötz (1971:7) nennt einen Fall, in dem ein englisches Testament in Deutschland nach englischem Recht zu vollstrecken war. Die Verfasser heben hervor, daß eine Abwicklung des Nachlasses in Deutschland nur erfolgen könne, wenn vorher die Bestimmungen des Testaments rechtsvergleichend den deutschen erbrechtlichen Bestimmungen gegenübergestellt werden.

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ÜbersetzungsVorgangs nur die Sprache wie bei (1) oder neben der Sprache auch das Rechtssystem wie bei (2) "gewechselt" wird. Im ersten Fall gilt das für die Übersetzung juristischer Fachliteratur Gesagte entsprechend. Die Zielsprache dient als eine Art Metasprache, mit der Rechtsbegriffe, Rechtsvorstellungen und Rechtshandlungen der Rol zum Ausdruck gebracht werden. Im zweiten Fall wird dagegen in die Begriffs- und Handlungswelt der Ro2 Ubersetzt, weil die Auslegung des Textes nach dem Recht der Ro2 erfolgt. Nur im zweiten Fall ist m.E. eine angleichende Übersetzungsmethode anzuwenden. Im ersten Fall sollte "verfremdend" übersetzt werden, 14 denn: "If the translator were to choose terms of art exclusively from the legal system of the receptor, he would be referring to the 'wrong' legal system." (Rayar 1988:452). Für die hier behandelten Generalklauseln gilt hiernach folgendes: Wenn die dänische Wiedergabe von die guten Sitten deutsches Recht widerspiegeln soll, ist es m.E. falsch, einen dänischen Begriff stellvertretend für den deutschen einzusetzen. Sind dagegen nicht nur die Sprachen, sondern auch die Rechtssysteme bei der Übertragung auszuwechseln, so sollte in die dänischen Rechtsbegriffe hinein übersetzt werden. Wo beim Übersetzungsvorgang nur die Sprache gewechselt wird, könnte man sogar behaupten, ein Vergleich sei überflüssig, denn Ll-Recht gelte unter allen Umständen. Nur wo beim Übersetzungsvorgang auch das Rechtssystem gewechselt wird, sei ein Vergleich von verwandten Rechtsbegriffen der beiden Rechtsordnungen erforderlich. Eine derartige Schlußfolgerung wäre zwar falsch, wichtig ist aber festzuhalten, daß der Vergleich in Fällen, wo das Recht der Rol bei der Auslegung auch des fremdsprachlichen Textes gilt, nicht den Zweck der Ermittlung von genuinen L2-Einheiten hat, die als Übersetzungseinheiten eingesetzt werden können. Vielmehr können mit dem Vergleich die Ähnlichkeiten, Unterschiede und "das gemeinsame Minimum der Bedeutung" 15 der LI- und L2-Einheiten festgestellt und damit geeignete Formulierungen zur "Erklärung" der Rechtsbegriffe der Rol in der Zielsprache gefunden werden. Interessant sind in diesem Zusammenhang folgende Ausführungen von Zweigert/Kötz (1971:12): Die Rechtssoziologie ist damit befähigt, die Ursprache des Rechtsvergleichers bereitzustellen: was der Rechtsvergleicher in nationalen Begriffen ohne irreführende Assoziationen nicht zu sagen vermag, kann er mit einer idealtypischen Umschreibung in Worte fassen, zu der die Rechtssoziologie viel beitragen kann.

Und damit wären wir wieder bei der Frage der Vergleichsgrundlage gelandet. Welcher Aspekt der juristischen Bedeutung der Begriffe sollte als relatives Tertium Comparationis des Vergleichs eingesetzt werden? Ich kann in diesem Zusammenhang keine vollständigen Analysen vorlegen, denn die praktische Entscheidung, welche der möglichen L2-Einheiten als geeignete Übersetzungseinheiten für die Ll-Einheiten im Einzelfall anzuwenden sind, ist eine parolebezogene, im Rahmen übersetzungswissenschaftlicher Studien zu beantwortende Frage. Solche Analysen umfassen weitere pragmatische und textstrukturelle Faktoren, auf die ich hier nicht eingehen kann (die "intralinguale" Pragmatik, d.h. die bekannten Fragen: Wer sagt wem was

14

Die beiden Kategorien "angleichend"und "verfremdend" sind bei der praktischen Arbeit eines Fachübersetzers zu grob. Vor allem ist bei der "verfremdenden" Übersetzungsmethode zu entscheiden, wie die fremden Begriffe am besten in der Zielsprache zum Ausdruck zu bringen sind. In der übersetzungswissenschaftlichen Literatur sind Verfahren zur Schließung lexikalischer Lücken entwickelt worden, die bei einem verfremdenden Übersetzungsverfahren auch bei der Rechtslexik gegebenenfalls angewandt werden können, vgl. z.B. Koller (1987:162ff).

15

Der Ausdruck stammt von Stolze (1992:225).

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zu welchem Zweck und in welcher Weise, auf die Welt des Rechts bezogen, und von der "interlingualen" Pragmatik: Zu welchem Zweck wird übersetzt?). Ich kann aber eine Analyse andeuten: Stellen wir uns vor, daß wir die guten Sitten ins Dänische und in dänisches Recht Ubersetzen wollen. Die allgemeine Vergleichsgrundlage ist die Funktion der Generalklausel als unbestimmten Wertmaßstabs der Gerichte im Vertragsrecht. Aus den dänischen Entsprechungen, die auf dieser Grundlage ermittelt werden, müssen wir eine herausgreifen. Als relative Vergleichsgrundlage setzen wir wegen der pragmatischen Faktoren des Textes und des Zwecks der Übersetzung die Rechtsfolge ein, die eine Anwendung der Generalklausel impliziert. Ein Verstoß gegen die guten Sitten bewirkt Nichtigkeit. Dies gilt für einen Verstoß gegen die 'allgemeine Ehrbarkeit' im Sinne von § 33 des dänischen Vertragsgesetzes entsprechend. Deshalb wählen wir diese Entsprechung aus. Für die Fachlexikographie bedeuten diese Überlegungen, erstens, daß die dargebotenen Äquivalente entsprechend der Unterscheidung von angleichender und verfremdender Übersetzungsmethode zu trennen sind, zweitens, daß die relativen Vergleichsgrundlagen als Glossen der Lemmata eingesetzt werden sollten. Und jetzt bin ich dann am Ende meiner Überlegungen. Vergleich von Unvergleichbarem habe ich meinen Beitrag zu unserer Diskussion genannt. Unbestimmte Rechtsbegriffe zweier verschiedener Rechsordnungen sind unvergleichbar, wenn der Vergleichende unkritisch die in den Annahmen Vorausgesetzen lexikologischen Analyseverfahren verwendet und beansprucht, absolute Ähnlichkeiten und Unterschiede der Begriffe feststellen zu können. Ich kann aber die These der Unvergleichbarkeit relativieren: Der Vergleichende kann die lexikologischen Analyseverfahren den Besonderheiten der Rechtslexik anpassen, Methoden der Übersetzungswissenschaft miteinbeziehen und Vergleiche anstellen, in denen relative Ähnlichkeiten und Unterschiede bezogen auf Teilaspekte ihrer juristischen Bedeutungen ermittelt werden. Was dem Vergleichenden aber nie gelingen kann, ist die Dynamik, d.h. die ständige Veränderung, der Bedeutung von Rechtsbegriffen mitzuberiicksichtigen. Mit dieser Ungenauigkeit muß er leben.

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Vergleich von Unvergleichbarem ..

SS

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HERIBERT PICHT

Wissensordnung und Wissensrepräsentation in der Terminologie

Zusammenfassung: Die Wissensordnung und -representation auf begrifflicher Ebene wird erörtert und es wird aufgezeigt, welche grundlegende Bedeutung sie für die Fachkommunikation haben. Ferner wird auf das Verhältnis von terminologischem Wissen auf Makro- und Mikroebene eingegangen und dargelegt, daß Wissensrepräsentation und Wissensordnung nicht allein mit sprachlichen Mitteln erreicht werden kann, sondern sich auch anderer semiotischer Systeme bedienen muß, um ihre Aufgabe in unterschiedlichen Kommunikationssituationen erfüllen zu können. Summary: Knowledge systematization an representation at the conceptual level are discussed; their vital importance for professional communication is emphasized. Furthermore, the relation between terminological knowledge at macro and micro levels is treated, and it is pointed out that knowledge systematization and representation cannot be attained by linguistic means only, but require the application of other semiotic systems in order to fulfil their tasks in different communicative situations. Résumé: La systématisation et l'organisation des connaissances au niveau des concepts sont discutées et l'importance fondamentale de cet exercice pour la communication professionelle est mise en relief. Ensuite, la relation entre les connaissances terminologiques au niveau micro et au niveau macro est mise à l'étude, d'où il ressort que la systématisation et l'organisation des connaissances ne peut pas se faire uniquement avec des moyens linguistiques, mais qu'il faut recourir à d'autres systèmes sémiotiques afin d'atteindre les objectifs dans des situations communicatives différentes.

1.

Einleitung

Die Terminologie als wohl der älteste der fachsprachlichen Forschungsbereiche ist ein grundlegendes Element der Fachsprachen, die ihrerseits erst im Ubergeordneten Verband der Fachkommunikation ihre Funktion entfalten. Die Bedeutung der Terminologie für die Fachkommunikation als Funktionsgeftige tritt mit aller Deutlichkeit dann hervor, wenn aus einem Fachkommunikat (Picht 1995) die Benennungen entfernt werden, wobei diese keineswegs nur auf die Wortklasse Substantive beschränkt sein müssen. In vielen Fällen ist die thematische Identifizierung des Kommunikates nicht mehr möglich, z.B. bei einer technischen Beschreibung mit hoher Informationsdichte, einer Klassifikation oder einer Stückliste, aber auch bei anderen Fachkommunikaten geringerer In-

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Heribert Picht

formationsdichte würde die Auslassung der Benennungen als Repräsentationsform der verwendeten Begriffe zum Abbruch des Kommunikationsflusses fuhren. Die tibergeordnede Funktion der Terminologie im oben skizzierten Gesamtrahmen ist die Wissensvermittlung auf Begriffsebene. Daraus ableitbar sind die beiden Hauptelemente der Terminologie: der Begriff und seine Repräsentationsformen. Da Begriffe aber nicht isoliert auftreten, sondern erst in begrifflichen Zusammenhängen ihren Sinn erhalten, wird die begriffliche Ordnung im Hauptelement 'Begriff' mitverstanden. Der Ansatz der Terminologie ist onomasiologisch; die Analyse setzt beim Begriff an, wobei die Benennung oder andere Repräsentationsformen zunächst lediglich als Indikatoren für das Vorhandensein eines Begriffs dienen. Zu einem späteren Zeitpunkt im Analyseverlauf wird dann zu den Repräsentationsformen Stellung genommen, wobei - soweit möglich, zweckdienlich und durchsetzbar - versucht wird, die begriffliche Ordnung durch motivierte Benennungen auch sprachlich widerzuspiegeln.

2.

Der Begriff

Der Begriff ist im Laufe der theoretischen Konsolidierung der Terminologielehre verschieden definiert worden. Die meisten Klärungsversuche gehen von philosophischen Positionen aus, unter denen die aristotelische deutlich vorherrscht; psychologische Ansätze sind ebenfalls anzutreffen, haben aber nicht in gleichem Maße Eingang gefunden. Weitgehende Einigkeit besteht aber darüber, den Begriff als Denkelement (Wüster 1979:7), Denkeinheit (unit of thought) (ISO 1087; 1990:1), Wissenseinheit (Dahlberg 1976) und als Erkenntniseinheit aufzufassen. Diese drei Betrachtungsweisen stehen nicht im Gegensatz zueinander, sie kennzeichnen vielmehr zweckgebundene Funktionen des Begriffs in unterschiedlichen Verwendungen. Von der Funktion der Erkenntniseinheit soll hier abgesehen werden, siehe hierzu jedoch Laurén, Myking, Picht (19%). Die Funktion des Begriffs als Denkeinheit ist in jenen Fällen relevant, in denen ein Denkprozeß abläuft oder durch ein Rechnerprogramm simuliert werden soll. Charakteristisch für den Begriff als Denkeinheit ist die gedankliche Realisierung zweckgebunden ausgewählter Merkmale in einer gegebenen Situation; z.B. ist ein Apotheker bei der Abgabe des Medikaments XYZ daran interessiert, inwieweit es rezeptpflichtig ist, bei der Lagerung treten die Lagerungsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, hermetischer Verschluß, Unzugänglichkeit für Dritte etc.) in den Vordergrund. Ein Arzt dagegen wird andere Merkmale des Medikaments gedanklich realisieren, z.B. Dosierung, Nebenwirkungen, Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Medikamenten, Zusammensetzung. Der Patient schließlich hat ebenfalls einen Begriff als Denkeinheit für das Medikament, in der die eben genannten Merkmale nicht oder nur bruchstückhaft aufscheinen, da ihm möglicherweise die fachliche Kompetenz fehlt, rein fachliche Merkmale überhaupt zu realisieren - er kennt sie einfach nicht. In seiner Begriffskonfiguration können z.B. Merkmale wie 'wohlschmeckend', 'positive Wirkung' oder 'verursacht Übelkeit' auftreten. Das Beispiel zeigt, (1) daß eine Denkeinheit auch von derselben Person höchst verschieden eingesetzt weiden kann, (2) daß zumeist nur zweckgebundene Teile des Begriffs gedanklich realisiert werden und schließlich, (3) daß die Verwendung des Begriffs in einem Denkprozeß nicht nur an die fachliche Kompetenz gebunden ist; ob im letzten Fall allerdings eine fachlich korrekte, weil von fachlichem Wissen abhängige, Entscheidung als Ergebnis des Denkprozesses getroffen werden kann, muß bezweifelt werden.

Wissensordnung und Wissensrepräseniation..

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Ferner illustriert dieses Beispiel den Unterschied zwischen Begriffen in der allgemeinen (nicht-fachlichen) und der fachlichen Kommunikation, wobei eine scharfe Grenzziehung allerdings kaum möglich ist, da die Anwendung eines Begriffs in erster Linie von dem Zweck und dem begrifflichen Wissen des Anwenders bestimmt ist. Betrachtet man den Begriff als Wissenseinheit, fällt die individuelle Bindung weitgehend weg. In diesem Falle steht das gesamte, intersubjektiv feststellbare Wissen Uber einen Begriff im Vordergrund. Als Wissenseinheit kann der Begriff in eine terminologische Datenbank oder eine Wissensbank eingehen, die als Speicher von Begriffs- und begrifflichem Repräsentationswissen charakterisiert werden kann und die ebenfalls begriffliches Ordnungswissen (Begriffssystemwissen) umfassen sollte, um diese Bezeichnung zu verdienen.

3.

Die Begriffssystematisierung

Begriffssystematisierung ist als Oberbegriff für verschiedene Arten der Ordnung von Begriffen zu verstehen. Die ftir die Terminologie relevante Art der Begriffsordnung ist das Begriffssystem, in dem Begriffe, die in einer logischen und/oder ontologischen Relation zueinander stehen, zusammengefaßt sind. Durch logische Begriffssysteme können Arten in ihrer Über-, Unter- und Nebenordnung dargestellt werden, wobei auf jeder Abstraktionsstufe zu dem Einteilungskriterium Stellung genommen werden muß, das dann zwangsläufig zu einer bestimmten Einteilung führt, z.B. können 'Rohre' nach ihrem Verwendungszweck, Verlegung, Material, Herstellungsverfahren, Durchmesser etc. geordnet werden. Jedes dieser Einteilungskriterien kann einzeln oder in Kombinationen in einer bestimmten Strukturierungssituation relevant sein. Zumeist erschöpft sich die Unterteilung, wenn alle bekannten Begriffe ihren Platz im Begriffssystem, das auch gleichzeitig eine Wissensstruktur ist, gefunden haben. Ontologische Begriffssysteme dagegen können auf sehr verschiedenartigen Beziehungen beruhen, die durchaus nicht immer hierarchisch sind (siehe hierzu z.B. Nuopponen 1994). Die in der terminologischen Praxis am häufigsten vorkommenden ontologischen Systematisierungen basieren auf der Teil-Ganzes-Relation oder der zeitlichen Abfolge von Prozeßphasen im weitesten Sinne, aber auch kausale, genetische u.a. Begriffsbeziehungen werden für die Systematisierung herangezogen. Diese Beziehungsarten sind grundsätzlich wesensverschieden von den logischen. Die Unterteilung erfolgt nicht auf der Grundlage der Ähnlichkeit der Begriffe, sondern auf der der räumlichen und zeitlichen Nähe in den ersten beiden Fällen und kausalen Abhängigkeiten in dritten Falle. Die Systematisierung ist durch ontischen Gegebenheiten bedingt, die sich auf der Anwendungsebene durch fachliche Konventionen und Traditionen manifestieren können. Die Einteilung eines Fahrrades in verschiedene Teile und Funktionsgruppen ist z.B. im Großhandel, in der Werkstatt, im Werk und bei der Verzollung verschieden (Bock 1979). Auch die Systematisierungstiefe ist nicht problemlos; die Auffassungen darüber, ob ein Teil noch 'typisch' für den beschriebenen Gegenstand ist, gehen auch zweckbedingt - auseinander; z.B. ist das rechte Vorderradlager 'fahrradkonstituierend' oder nicht? Für die Lagerhaltung wird die Frage positiv beantwortet werden müssen, ob sie für den Benutzer ebenso relevant ist, kann bezweifelt werden. Bei der zeitlichen Berührung stellt sich die Frage, wann ein Prozeß beginnt, wann er endet oder in einen anderen übergeht? Die Antwort liegt auch hier ausschließlich auf der empirischen Ebene. Zeitliche Berührungssysteme können auch kaum sinnvoll wie hierarchische analytisch oder syntetisch betrachtet werden, z.B. von den Teilen zum Ganzen oder umgekehrt,

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Heribert Pichl

da konsekutive Beziehungen, die eventuell simultane Verzweigungen haben können, die Strukturierungsgrundlage bilden. Eine weitere Frage ist die nach dem Umfang von Begriffssystemen. Theoretisch ist es vorstellbar, den gesamte Begriffsapparat eines Fachgebietes in einem, wenn auch von den Beziehungsarten her gemischten, Begriffssystem darstellen zu können. In der Praxis jedoch ergäben sich sehr umfangreiche Systeme, die ab einem gewissen Komplexitätsgrad nicht mehr überschaubar wären und bei denen der wissensordnende Effekt sich in das Gegenteil verkehren würde. Das Erreichen des kritischen Punktes ist weitgehend vom Fachwissen des Betrachters bestimmt und somit individuell unterschiedlich anzusetzen. Wenn nun Begriffssysteme auf der einen Seite einen gewissen Umfang nicht Uberschreiten sollten, auf der anderen aber als unverbundene Teile einer Gesamtstruktur nur von begrenztem Wert sind, ist es erforderlich, sich nach einem angemessenen Bindeglied umzusehen, das die auf begrifflicher Ebene in begrenzten Bereichen dargestellten Wissensstrukturen so verbindet, daß eine Gesamtschau des Begriffsapparates eines Faches möglich wird. Oder anders ausgedrückt: die Mikrostrukturebene des Begriffssystems erfordert einen Überbau, gewissermaßen eine Klammer, die die einzelnen Begriffssysteme in einer begrifflichen Makrostruktur zusammenhält. Modelle für solche Makrostrukturen sind in der Information und Dokumentation (I&D) als Klassifikationen und Thesauren seit langem bekannt und in Anwendung. Im Gegensatz zur Terminologie werden hier nicht Begriffe sondern Dokumente geordnet, nachdem eine Analyse ihre Inhalte klargelegt hat und diese durch die Zuordnung von Deskriptoren (Thesaurus) oder Notationen (Klassifikation) beschrieben worden sind. Kurz: die Dokumente sind indexiert worden. Nun sind aber Klassifikationen, z.B. die Universelle Dezimalklassifikation (DK), und Thesauren auch Wissensstrukturen auf der Makroebene. Zwar können Klassifikationen, z.B. die DK, Teile von Begriffssystemen enthalten, in der Regel aber handelt es sich doch - wie Wüster (1971) nachweisen konnte - um eine Mischstruktur aus Themen und Begriffen, so daß die DK zu Recht als eine gemischte Thema- und Begriffsklassifikation bezeichnet werden muß, die eine auf die I&D-Bedürfnisse zugeschnittene Makrostruktur des gesamten menschlichen Wissens darstellt Für die Anwendung in terminologischen Datenbanken wurden bisher mehrere Klassifikationssysteme, die sich oft auf bestehende Dokumentationsklassifikationen stützen, für bestimmte Terminologiebanken unter Beachtung der Fachzugehörigkeit der zu speichernden Daten entwickelt. Sie sind somit stark zweck- und systemgebunden und untereinander nur selten kompatibel, ein Umstand, der den Datenaustausch erschwert bzw. ohne Nachbearbeitung unmöglich macht. Eine Klassifikation eigens für Terminologiebanken ist die DANTERM-Klassifikation (Picht 1994a: 115ff), bei der die Vermischung von Begriffs- und Themaklassifikation vermieden wurde. Die Besonderheit dieser Klassifikation liegt darin, daß sie nicht deterministisch in dem Sinne ist, daß eine in allen Einzelheiten festgelegte Themenstruktur vorgegeben ist. Die erste Einteilungsebene besteht aus einer offenen Reihe übergeordneter Themenbereiche, die in generelle Hauptbereiche unterteilt sind, von denen man bereits weiß, daß sie terminologisch relevant sind. Der Aufbau erfolgte nach dem Mengenprinzip (unter keiner Notation dürfen mehr als 500 terminologische Einheiten gespeichert werden) und erlaubt eine Themenunterteilung und -erweiterung, die von der Existenz terminologischer Daten bestimmt ist. Ferner gestattet dieses Design eine mühelose Einfügung neuer Wissensgebiete und 'Bindestrichdisziplinen', die Dokumentationsklassifikationen erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bei der Einordnung bereiten.

Wissensordnung und Wissensrepräsentation..

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Zwar können durch die DANTERM-Klassifikation keine Begriffssysteme dargestellt werden, aber in Kombination mit dem terminologischen Eintrag im DANTERM-Format, das eine Positionsangabe des einzelnen Begriffs im jeweiligen System vorsieht, ist die Wiedergabe eines Begriffssystems möglich, so ein solches zuvor erarbeitet worden ist. Die Mikrostruktur ist damit Uber den Eintrag, die Makrostruktur Uber die Klassifikation zugänglich. Man könnte diese Struktur mit einem Kleiderschrank vergleichen, wo der Schrank die Makrostruktur repräsentiert und die Kleiderbügel (Notationen) die thematischen Aufhänger für die Mikrostrukturen (Begriffsssyteme) sind.

4.

Die Wissensordnung

In Übereinstimmung mit den eingangs erwähnten Hauptelementen der Terminologie kann das terminologische Wissen in —

Begriffswissen



Begriffssystemwissen und



Begriffsrepräsentations wissen

untergliedert werden. Diese Unterteilung ist vor allem für die Wissensdarstellung, sei es in Wörterbüchern aber auch - und ganz besonders - in terminologischen Datenbanken, relevant. Die Wisssensordnung soll hier nur unter zwei Gesichtswinkeln behandelt werden, einmal aus der Sicht der verschiedenen Fachgebiete und zum anderen kontrastiv. Gegenstand, Wesen, Art und Ordnung des Wissens eines Fachgebietes steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wesen des jeweiligen Wissensgebietes. Heisenberg hat in seinem Buch "Ordnung der Wirklichkeit" (1989) eine Charakterisierung der Wissensgebiete gegeben, in der weniger der Versuch einer Klassifikation derselben unternommen wird als vielmehr das Aufzeigen ihre Grenzbereiche und Übergänge. Diese Vorgehensweise läßt die Wesensveränderungen des Wissens von einem Fachgebiet zu anderen deutlich hervortreten. Wenn von dem vorwissenschaftlichen Wissen abgesehen wird, beginnt die Skala mit den inhaltsleeren Formalwissenschaften, bewegt sich über die physikalischen Gesetze der Mechanik zur modernen Physik und weiter über die Chemie zur Biologie. Eine wichtige, wenn auch verschwommene Grenze ist der Übergang zum Leben. Eine weitere Grenzmarkierung liegt zwischen der Biologie und dem erkenntnisfähigen Menschen und damit den Wissenschaften, die sein Leben und Zusammenleben mit anderen Menschen regeln wie die Rechts-, Wirtschafts-, Polit- und Gesellschaftswissenschaften im weitesten Sinne. Die Religion/Theologie beschließt die Skala. Für alle Bereiche gilt, daß in ihnen Fachkommunikation stattfindet, für die die jeweiligen Begriffe und Benennungen zur Verfügung stehen müssen. Die Art des Wissens, das die Begriffsinhalte ausmacht, ist jedoch grundverschieden. Während bei den Formalwissenschaften abstrakte Begriffe vorherrschen, finden sich in den Naturwissenschaften und besonders in ihren Anwendungen - dem technologischen Bereich - sowie in der Biologie ein Übergewicht an Begriffen, die durch Abstraktion (und damit Reduktion) aus den Eigenschaften materieller Gegenstände gewonnen wurden. In den folgenden Bereichen, die das Zusammenleben von Menschen und ihren Glauben zum Gegenstand haben, ändert sich Art und Wesen des Wissens erneut und damit auch die Natur der Begriffe und die der Beziehungen, die sie zu Systemen zusammenfügen. Die Vielfalt der möglichen Strukturierungen steigt erheblich, da die

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Heribert Picht

Forschungsmethoden und Ordnungskriterien anderen Parametern unterliegen als die der physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten. Daraus ergibt sich, daß, abgesehen von einigen zumeist aus den Formalwissenschaften stammenden Beziehungsarten, die offensichtlich in allen Bereichen Anwendung finden können, andere bereichspezifische Beziehungsarten auftreten, die einen wesentlichen Einfluß auf die Wissensstrukturen haben, was wiederum auch in der terminologischen Strukturierung der Begriffe, der terminologischen Wissensordnung, seinen Niederschlag findet. Diese Feststellung wird auch bestätigt durch die kontrastive Analyse von Wissensstrukturen. Kontrastiv in diesem Sinne bezieht sich nur bedingt auf verschiedene Sprachen; gemeint sind hier vielmehr auch die Unterschiede, die in Wissensordnungen anzutreffen sind, die für verschiedene Gemeinschaften mit derselben Sprache gelten. Es ist eine verbreitete Annahme, daß die Naturwissenschaften und besonders ihre Anwendungen in der Technik weitgehend international gültige Wissenstrukturen aufweisen. Als genereller Trend mag dies für genormte und normbare Bereiche gelten und auch für solche, die erst im geistigen Klima einer intensiven Intemationalisierung entstanden sind und von den auf dem jeweiligen Gebiet führenden Nationen begrifflich geprägt werden. Andere technischen Bereiche dagegen haben Begriffe und Wissensstrukturen, die stark voneinander abweichen können; z.B. sind Dachziegelformen regional verschieden, weil sie klimatischen Bedingungen angepaßt sein müssen; die Begriffe der Pflugformen sind stark von den Bodenbedingungen, aber auch von kulturellen Einflüssen geprägt. Eine Kontrastierung der jeweiligen Begriffssysteme läßt die z.T. erheblichen Unterschiede in den technischen Wissensstrukturen deutlich hervortreten. Weniger überraschend sind die Abweichungen der Begriffssysteme in den Rechtswissenschaften, da sie an nationale Rechtssysteme gebunden sind, die auch innerhalb derselben Sprachgemeinschaft voneinander abweichen, man denke nur an die verschiedenen Rechtssysteme der spanischsprachigen Länder. Daß die Affinität der Wissensstrukturen bei gleicher Sprache größer sein kann als bei entfernter verwandten Sprachen, kann zutreffen, ist aber nicht regelhaft. So gilt z.B. das spanische Recht auch im Baskenland, obwohl das Baskische mit dem Spanischen nicht verwandt ist. Bestimmend für eine Wissensstruktur dieser Art sind demnach Faktoren, die im ideologischen, kulturellen, soziologischen und religiösen Bereich anzusiedeln sind. Auch sind diese Wissensstrukturen weniger von einem kontinuierlichen Erkenntnisprozeß geprägt als von ideologisch, soziologisch, religös etc. bestimmten Umschwüngen. Ein Vergleich der Rechtsbegriffe des Francoregimes mit denen des heutigen spanischen Staates zeigt die Unterschiede mit aller Deutlichkeit. Bemerkenswert ist auch, wie schnell solche durch gesellschaftliche Umbrüche bedingten Wissensstrukturänderungen eintreten und sich durchsetzen. Ein anderer Fall, in dem das begriffliche Fundament weitgehend unverändert bleibt und auf das sprachliche und auch soziologische Faktoren wenig Einfluß haben, sind die weltumspannenden ideologichen Gedankengebäude weltlicher oder religiöser Art, wobei jedoch nationale und regionale Eigenentwicklungen nicht ausgeschlossen sind. Ein Sonderfall ist der Begriffsapparat einer Theorie. Auch sie stellt eine Wissensstruktur dar, die jedoch zu einem gegebenen Zeitpunkt einzig ist und einen Wisssensstrukturvergleich im obigen Sinne irrelevant macht Durch die Gegenüberstellung vergleichbarer Wissensstrukturen werden Unterschiede sichtbar, die auf der Ausdrucksebene - der Begriffsrepräsentation - in Betracht gezogen werden müssen. Unmittelbar berührt von diesen Verschiedenheiten ist die Fachübersetzung, aber auch beim technischen Schreiben, wo kein Übersetzungsprozeß abläuft, sind diese Abweichungen zu berücksichtigen.

Wissensordnung und Wissensrepräsentation ...

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Beim Vergleich von Wissensstrukturen (Begriffssystemen) stellt man, abgesehen von einer unterschiedlichen Strukturierung des Wissens, auch zwangsläufig 'Begriffslöcher' fest. 'Löcher' sind sie aber nur im Vergleich, d.h. wenn der Versuch unternommen wird, ein gemeinsames Begriffssystem zu erstellen, nicht aber im jeweiligen System. Daß solche 'Begriffslöcher* nicht mit 'Wissenslöchern' identisch sein brauchen, liegt auf der Hand. So wußten spanische Juristen während des Francoregimes sehr wohl, was ein 'ombudsmand' ist (sie nannten ihn auch so), obwohl das damalige Rechtssystem einen solchen Begriff nicht kannte. Mit den politischen Veränderungen hat auch der Begriff des 'ombudsmand' in das heutige Rechtssystem Eingang gefunden und eine eigene spanische Begriffsrepräsentation defensor del pueblo - erhalten. Zusammenfassend für diesen Abschnitt kann festgestellt werden, daß die terminologische Komponente der Fachkommunikation ohne Kenntnisse der zugrundeliegenden Wissensstrukturen nicht analysiert, verglichen und bearbeitet werden und somit auch keine Lösungen anbieten kann, die den Fluß der Fachkommunikation sichern.

5.

Die Wissensrepräsentation

Wissensrepräsentation ist ein weiter und unscharfer Begriff, der sehr verschiedene Formen haben kann. In diesem Zusammenhang, in dem der Begriff als Wissenseinheit definiert ist, ist Wissensrepräsentation als Darstellung von Begriffs- und Begriffssystem wissen zu verstehen. In der Terminologie hat die Repräsentation von Begriffen folgende Formen: (1)

Benennung

(2)

Definition

(3)

Erklärung

(4)

nicht-sprachliche semiotische Formen.

5.1

Benennung

Die internationale Norm ISO 1087:1990 definiert die Benennung folgendermaßen: 'Term: Designation of a defined concept in a special language by a linguistic expression. Note: A term may consist of one or more words or even contain symbols."

Bei der Beurteilung dieser Definition sollte nicht vergessen werden, daß es sich um eine genormte Definition handelt, die besonders auf die Normung selbst zugeschnitten ist. In der deskriptiven Terminologiearbeit ist es nicht immer möglich, auf eine Definition zurückgreifen zu können, die als allgemein akzeptiert und verbindlich gelten kann. Dies trifft besonders auf die Gesellschaftswissenschaften zu. Die beiden anderen Elemente 'Fachsprache' und 'sprachlicher Ausdruck' dagegen gelten auch in anderen terminologischen Zusammenhängen. Die Benennung ist also die Bezeichnung eines Begriffs, sie repräsentiert ihn. Die Leistung der Benennung als Wissensrepräsentation ist - auch bei gut motivierten Benennungen - schon durch die Kürze stark eingeschränkt. Bei nicht-motivierten Benennungen kann von einer unmittelbaren Wissensrepräsentation nicht gesprochen werden; ähnlich verhält es sich bei veralteten oder falschen Motivierungen; hier liegt zudem eine zumeist ungewollte

64

Heribert Picht

'Irreführung' vor, da bei unzureichendem fachlichen Wissen falsche Assoziationen hervorgerufen werden. Motivierte Benennungen können - zumeist bruchstückhaft - ein Begriffssystem widerspiegeln, allerdings ist auf diese 'Systemandeutung' wenig Verlaß, sie sollte keinesfalls als Wissensstrukturierungsmittel verwendet werden. Hinzu kommt, daß Benennungen eine weit größere Inertie aufweisen als die durch sie bezeichneten Begriffe. Die Stärke der Benennung - wie immer es sich auch mit ihrer Motivierung verhalten mag - liegt in der relativen Kürze im Verhältnis zu anderen Repräsentationsformen und der Einbaubarkeit in syntaktische Gefüge.

5.2

Definition und Erklärung

Im Gegensatz zur Benennung bieten diese Repräsentationsformen durch ihre Explizität direkten Zugang zu fachlichem Wissen. Durch die Nennung der Merkmale, die an sich auch Begriffe und damit Wissenselemente sind, wird der Begriffsinhalt beschrieben und damit zugänglich gemacht. Theoretisch sollten diese Repräsentationsformen in einer Terminologieoder Wissensbank das gesamte bekannte Wissen Uber einen Begriff darstellen. In der Praxis ist dies jedoch kaum durchführbar und auch nicht erforderlich, da Definitionen und Erklärungen in Abhängigkeit von Zielgruppen - soweit sie definierbar sind - erstellt werden; mit anderen Worten: sie sind fast immer zweckgebunden, was zwangsläufig zu einer kontrollierten Begrenzung der Wissensrepräsentation führt. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Repräsentationsformen liegt darin, daß der formelhafte Aufbau der klassischen Definition (Definiendum - Definitor - Definiens) zum einen eine Sichtbarmachung der Begriffsbeziehungen durch die Struktur des Definiens erlaubt (Nennung des Oberbegriffs + einschränkende Merkmale) und zum anderen eine Redundanz der Wissensrepräsentation vermeidet, da die Merkmale des Oberbegriffs bereits durch seine Benennung repräsentiert sind. Die Erklärung zeichnet sich durch einen weit weniger formalisierten Aufbau aus; sie enthält auch viel seltener systemkonstituierende Elemente (z.B. Nennung des unmittelbaren Oberbegriffs). Ist der Oberbegriff genannt, wird er oft erneut erklärt - obwohl er seinen eigenen Eintrag hat -, um ein unmittelbares Verstehen zu erleichtern. Ferner ist es üblich, in Erklärungen Beispiele anzuführen und auf Unterbegriffe zu verweisen oder sie sogar gleichzeitig zu behandeln. Diese scheinbaren Unzulänglichkeiten sollten aber nicht unbedingt negativ gewertet werden, besonders dann nicht, wenn in einer terminologischen Einheit beide Wissensrepräsentationsformen gleichzeitig vorhanden sind und somit ein ergänzender Effekt erzielt wird. Sind Erklärungen aber die einzige Begriffsrepräsentationsform, gehen oft wichtige Orientierungshilfen verloren. Versuche mit Studenten haben gezeigt, daß korrekt aufgebaute Definitionen die Rekonstruktion eines Begriffssystems auch dann erlauben, wenn kein detailliertes Fachwissen, wohl aber ein Überblickswissen, vorhanden ist, z.B. bei Fachübersetzern. Erklärungen und Beschreibungen aus genuinem Dokumentationsmaterial zu denselben Begriffen dagegen erschwerte und behinderte die Rekonstruktion der begrifflichen Wissensstruktur so stark, daß sie in vielen Fällen unbrauchbar war, weil sie den fachlichen Sachverhalten nicht entsprach. Anders ausgedrückt: Erklärungen erfordern in der Regel umfassenderes Fachwissen, um die repräsentierten Begriffe zu einer konsistenten Wissensstruktur zusammenfügen zu können, was schließlich eine der Grundbedingungen für das Verstehen (und Übersetzen können) eines fachlichen Kommunikats ist.

Wissensordnung und Wissensrepräsentation..

65

5.3 Nicht-sprachliche semiotiche Repräsentationsformen Gegenstände und Begriffe können durch andere semiotische Systeme dargestellt und vermittelt werden. Hierunter fallen Symbole (z.B. mathematische), Formeln (z.B. chemische), Notationen (z.B. die der DK) bildliche Darstellungen verschiedener Abstraktionsgrade (von der Fotographie bis zur technischen Zeichnung) und Diagramme im weitesten Sinne. Diese Repräsentationsformen sind zwar sprach- aber nicht kontextunabhängig, wenn darunter die sachlichen Umstände und situativen Zusammenhänge, in denen sie auftreten, verstanden werden. Bei Notationen ist dieser Kontext durch ihre Bindung an ein System gegeben. Die Wissensrepräsentationsfähigkeit dieser Formen ist sehr unterschiedlich; sie reicht von der einfachen Bezeichnungsfunktion einer Notation, die ihren Sinn nur im Rahmen eines Systems hat, bis zur vollständigen Wissensrepräsentation z.B. einer technischen Zeichnung, die nur schwer und wenn dann meist ohne hinreichende Präzision verbalisiert werden kann. Auch Begriffssystemwissen wird - abgesehen von Definitionen (siehe oben) - normalerweise durch nicht-sprachliche Mittel wie Baumstrukturen, Diagramme und Notationssysteme dargestellt. In einer Reihe von Fachgebieten ist diese Form der Wissensrepräsentation ein unverzichtbarer Teil der Fachkommunikation und wurde als solcher schon früh in die terminologische Wissensrepräsentation übernommen. Siehe zu diesem Abschnitt Arbeiten von u.a. Kalverkämper (1993), Picht (1994b), Galinski/Picht (1995).

6.

Zusammenfassung

Das Ziel dieses Beitrages war es, auf die Interdependenzen zwischen Wissensarten, Wissensordnung und Wissensstrukturen einerseits und dem Begriff als Denk- und Wissenseinheit und seiner Repräsentation andererseits hinzuweisen. Ferner sollte aufgezeigt werden, daß terminologische Methoden, bei deren Anwendung fachliches Wissen eine Voraussetzung ist, sehr geeignet sind, fachliche Wissensstrukturen und Wissensrepräsentationen auf Begriffsebene sichtbar zu machen, zu vergleichen und zu bearbeiten. In ihren wissensrepräsentierenden und damit auch kommunikativen Aspekten reicht die Terminologie mit ihren Wissensrepräsentationsformen Uber den Rahmen der Sprachwissenschaft hinaus und greift auf nicht-sprachliche semiotische Systeme zurück, um ihre Funktion im Bedingungsgefüge der Fachkommunikation erfüllen zu können.

Literatur Bock, Anders (1979): Cykelterminologi. En terminologisk unders0gelse af en cykels hoveddele. Diplomarbeit. Kopenhagen: Handelsh0jskolen i Kebenhavn. Dahlberg, Ingetraut (1976): Über Gegenstände, Begriffe, Definitionen und Benennungen: Zur möglichen Neufassung von DIN 2330. - In: Muttersprache 2/1976,81-117.

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Heribert Picht

Galinski, Christian; Picht, Heribert (1995): Graphical and Other Semiotic Forms of Knowledge Representation in Terminology Work. - In: G. Budin, S. E. Wright (eds.): Handbook of Terminology Management (in Druck). Heisenberg, Werner (1989): Ordnung der Wirklichkeit. - München: Piper. ISO 1087 (1990): Terminology - Vocabulary. - Genf: ISO. Kalverkämper, Hartwig (1993): Das fachliche Bild. - In: H. Schröder (Hrsg.): Fachtextpragmatik (Tübingen: Gunter Narr Verlag) 215-238. Laurén, Christer; Myking, Johan; Picht, Heribert (1996): Terminologi - en videnskabsgren. Terminologiens centrale teoretiske grundlag (in Vorbereitung). Nuopponen, Anita (1994): Begreppssystem för terminologisk analys. - Vasa: Universitas Wasaensis, no. 38 Sprâkvetenskap 5. Picht, Heribert (1994a): Entstehung, Grundlage und Anwendung der DANTERM-Klassifikation. - In: A. Grinsted, B. N. Madsen (eds): Festskrift til Gert Engel i anledning af hans 70 ârs f0dselsdag. - Kolding: Handelsh0jskole Syd, skriftserie 11.94,115-126. - (1994b): On Object and Concept Representation with Focus on Non-verbal Forms of Representation. - In: J. K. Draskau, H. Picht (eds.): International Conference on Terminology Science and Terminology Planning. International IITF-Workshop on Theoretical Issues of Terminology Science. Wien: TermNet, IITF-Series 4, 231-254. - (1995): Fagsprog og faglig kommunikation. Kolding: Handelsh0jskole Syd; skriftserie (in Druck). Wüster, Eugen (1971): Begriffs- und Themaklassifikation. Unterschiede in ihrem Wesen und in ihrer Anwendung. - In: Nachrichten für Dokumentation, 22, Nr. 3,98-104 und Nr. 4,143-150. -

(1979): Einführung in die Allgemeine Terminologielehre und Terminologische Lexikographie. - Wien/New Yoik: Springer.

JARMO UND BRUTTA KORHONEN

Phraseologische Äquivalenz und Differenz am Beispiel deutscher, englischer und finnischer Verbidiome

Zusammenfassung: Die im vorliegenden Beitrag beschriebenen Idiome entstammen einem Teilkorpus, das für ein kontrastives Forschungsprojekt zur Verbidiomatik des Deutschen und des Finnischen erarbeitet wurde. Dem Vergleich der Idiome liegen die beiden Begriffe Konvergenz und Divergenz zugrunde. Für die Konvergenz wird zwischen totaler und partieller Äquivalenz, für die Divergenz zwischen totaler und partieller Differenz unterschieden. Die untersuchten Einheiten werden auch unter dem Gesichtspunkt der idiomatischen Null- und Scheinäquivalenz betrachtet. Die Beschreibung konzentriert sich vor allem auf interlinguale Gemeinsamkeiten und Unterschiede der lexikalischen und syntaktischen Struktur von Verbidiomen, zusätzlich wird kurz auf Besonderheiten des Gebrauchs von Idiomen hingewiesen. Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse der Untersuchung ist, daß zwischen dem Deutschen und Finnischen ein etwas höherer Äquivalenzgrad festzustellen ist als zwischen dem Englischen und Finnischen. Vom Standpunkt des Finnischen aus scheinen das Deutsche und das Englische keine so engen idiomatischen Beziehungen zu haben, wie aufgrund der sprachlichen Verwandtschaft und der geographischen Lage angenommen werden könnte. Summary: The idioms described in the article have been taken from a partial corpus which has been compiled for a contrastive research project dealing with German and Finnish verb idioms. The basis for the comparison of the idioms is provided by the concepts of convergence and divergence. With respect to convergence, a distinction is made between total and partial equivalence; with respect to the various aspects of divergence, the concepts of total and partial difference are utilized. The units under study are also examined from the perspective of idiomatic null and apparent equivalence. The description focuses primarily on cross-linguistic similarities and differences in the lexical and syntactic structure of verb idioms. Additionally, it makes brief reference to any idiosyncracies pertaining to the use of the idioms. One of the most significant results of the study is that a slightly higher degree of equivalency is to be observed between German and Finnish than between English and Finnish. From the standpoint of Finnish, German and English do not appear to have as firmly established idiomatic relationships as might be expected on the basis of their linguistic relationship and geographical location. Résumé: Les idiotismes décrits dans l'article viennent d'une section d'un corpus qui a été réuni pour un projet de recherche contrastive concernant l'idiomatique verbale de l'allemand et du finnois. La comparaison se base sur les concepts de convergence et de divergence. Pour ce qui est de la convergence, on distingue l'une de l'autre l'équivalence totale et l'équivalence partielle, pour la divergence, la différence totale et la différence partielle. Certains idiotismes sont examinés aussi du point de vue de l'équivalence idiomatique zéro et de l'équivalence

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Jarmo und Briitta Korhonen

idiomatique apparente. La description s'attache avant tout aux ressemblances et aux différences interlinguistiques de la structure lexicale et syntaxique des idiotismes verbaux, tout en signalant brièvement les particularités liées à l'emploi des idiotismes. L'un des résultats les plus intéressants de cette étude est qu'il existe entre l'allemand et le finnois un degré d'équivalence un peu plus élevé qu'entre l'anglais et le finnois. Considérées du point de vue du finnois, les relations idiomatiques entre l'allemand et l'anglais ne semblent pas aussi étroites que la parenté linguistique et la situation géographique ne le laisseraient supposer.

1.

Theoretische und methodische Grundlagen

Den Hintergrund der folgenden Darlegungen bilden die Forschungsarbeiten im kontrastiven Verbidiomatikprojekt Deutsch-Finnisch. Dieses Unternehmen wurde im Jahre 1986 an der Universität Oulu gestartet und im Jahre 1989 an der Universität Turku weitergeführt, bis es endlich 1993 an der Universität Helsinki seinen Ort fand. Die zentralen Beschreibungseinheiten, deutsche und finnische Verbidiome bzw. Verbphraseme, verbale Phraseologismen oder Phraseolexeme, sollen zum einen in bezug auf das System (semantische, lexikalische und syntaktische Struktur), zum andern in bezug auf den Gebrauch (u.a. syntaktisch, textlinguistisch und pragmatisch) erfaßt werden.1 Eine der Teilaufgaben des Projekts besteht darin, für eine Auswahl deutscher und finnischer Idiome in bestimmten weiteren europäischen Sprachen phraseologische Entsprechungen aufzuzeigen. 2 Es ist, etwa im Hinblick auf die Erläuterung von Entlehnungswegen der Idiomatik, nicht uninteressant, eine kleine Sprache wie das Finnische mit größeren Sprachen zu vergleichen, die dazu noch typologisch anders beschaffen sind. Deshalb soll jetzt eine trilinguale Untersuchung vorgenommen werden, bei der das Finnische neben dem Deutschen einer Sprache mit einem außergewöhnlich breiten Einfluß, dem Englischen, gegenübergestellt wird. Außerdem läßt sich ein solcher Vergleich dadurch motivieren, daß kontrastive phraseologische Untersuchungen mit drei (oder mehr) Sprachen viel seltener sind als solche mit zwei Sprachen. Überhaupt fällt hier der relativ geringe Anteil des Englischen ins Auge; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine systematische und intensive Beschreibung anhand eines umfangreicheren Idiommaterials handelt. 3 Die für den vorliegenden Beitrag benutzten idiomatischen Einheiten entstammen einem Teilkorpus, das für das deutsch-finnische Verbidiomatikprojekt von Briitta Korhonen auf der Basis von Wörterbuchbelegen erarbeitet wurde.4 Als Ausgangspunkt diente das Grundkorpus des Projekts, eine kontrastive Liste mit ca. 2000 deutschen Verbidiomen und ihren finnischen Entsprechungen. Für diese Ausdrücke wurden zunächst englische Äquivalente ermittelt, und danach wurden englische bzw. finnische Idiome als Ausgangsmaterial verwendet, um die verschiedenen Äquivalenzbeziehungen unter den drei Sprachen möglichst vollständig zu registrieren. Die Nennformen der Einheiten im aktuellen Teilkorpus, insgesamt 340 trilinguale Belege, wurden in erster Linie mit Hilfe einsprachiger phraseologischer und allgemeiner Wörterbücher abgesichert, selbstverständlich wurden aber auch zwei- und mehrsprachige Wörterbücher zu Rate gezogen.

1

Näheres zum Projekt in J. Korhonen ( 1987b; 1991 a; 1992b; 1993a; 1995).

2

Vgl. auch J. Korhonen ( 1991 b).

3

Siehe dazu z.B. J. Korhonen ( 1993a: 105f ).

4

Die unten vorgestellten Untersuchungsergebnisse basieren zu einem wesentlichen Teil auf B. Korhonen ( 1993).

Phraseologische Äquivalenz und Differenz..

69

Die wichtigsten lexikographischen Quellen für die Bestimmung der Form deutscher Idiome, wobei valenzgebundene Ergänzungen sowie fakultative Elemente und Variationen des Kerns berücksichtigt wurden, waren DUR, DUW und HWDG. 5 Maßgebend für das Englische waren aufgrund einer vielseitigen struktur- und gebrauchsspezifischen Charakterisierung vor allem die beiden einschlägigen Lexika LDI und Ol. In den Fällen, wo ein englisches Wörterbuch zwischen einem Personen- und einem Sachobjekt keinen Unterschied macht (statt dessen werden ein direktes, indirektes und präpositionales Objekt durch Symbole markiert), wurden die Objektstellen eines Idioms auf der Basis des Beispielmaterials im jeweiligen Idiomartikel in betreffende Ergänzungen umgewandelt, damit sie denen der deutschen Äquivalente besser entsprechen. Wenn bei einigen englischen Idiomen der nominale Teil allein die Nennform ausmacht, wurde diese unter Zugrundelegung der entsprechenden Anwendungsbeispiele um eine Verbkomponente erweitert. Die Nennformen finnischer Idiome wiederum wurden überwiegend mit Hilfe von NS und SKPS gestaltet. Da jedoch für das Finnische keine zuverlässigen phraseologischen Lexika existieren, 6 mußte nicht selten unsere eigene Sprachkompetenz in Anspruch genommen werden. Hinzu kommt, daß NS bereits ein älteres Werk ist und SKPS nur das finnische Grundvokabular verzeichnet, ebenso ist in beiden Wörterbüchern die linguistische Beschreibung von Idiomen minimal. Zu den zwei- oder mehrsprachigen Wörterbüchern und Lexika, die sich bei der Zusammenstellung des Korpus als brauchbar erwiesen haben, zählen u.a. folgende: DUO, Gerbert/Zimmermann (1990), Hurme/Malin/Syväoja (1991), Hurme/Pesonen/Syväoja (1992), Katara/Schellbach-Kopra (1982), Lupson (1987), Schaufelbüel (1989), Schellbach-Kopra (1985), Spears (1989) und Taylor/Gottschalk (1965). Für die Kontrastierung der idiomatischen Einheiten wird von den beiden Oberbegriffen Konvergenz und Divergenz ausgegangen. Im Bereich der Konvergenz wird zwischen totaler und partieller Äquivalenz unterschieden, und analog wird die Divergenz in zwei Gruppen eingeteilt, und zwar in partielle und totale Differenz. Besonders im Hinblick auf völlig unterschiedliche Strukturen erscheint es sinnvoll, das breite Feld der Äquivalenz in Teilbereiche aufzugliedern und dafür den Begriff Differenz einzuführen. In den Bereich der totalen Äquivalenz fallen Idiome, die hinsichtlich der Bildhaftigkeit, Semantik, Lexik, Syntax und Pragmatik völlig identisch sind. Voraussetzung für die Aufnahme in die Gruppe der partiellen Äquivalenz sind z.B. kleinere syntaktische Unterschiede, Fakultativität der Komponenten und unterschiedliche Zahl der Bedeutungsvarianten. Mit der Erscheinung der partiellen Differenz hat man es dann zu tun, wenn das Bild der kontrastierten Idiome eine Ähnlichkeitsvorstellung aufweist; die Idiome unterscheiden sich in bezug auf die Lexik und/oder Syntax, mitunter auch in bezug auf die Semantik (Bedeutungsvarianten) und Pragmatik. In Abweichung davon sind in der Gruppe der totalen Differenz die sprachlichen Bilder der zu vergleichenden Idiome völlig unterschiedlich. Daraus ergibt sich eine lexikalische Verschiedenheit, die öfter mit Unterschieden in der Syntax, manchmal aber auch in der Semantik (bezüglich der Bedeutungsvarianten) und Pragmatik verbunden ist.7

Zu diesen und weiteren Abkürzungen vgl. die Auflistung der Wörterbücher unter Punkt 1. im Literaturverzeichnis. Auch das neueste Werk, Kari ( 1 9 9 3 ) , ist in wissenschaftlicher Hinsicht eine große Enttäuschung. 7

Zu den Begriffen Konvergenz, Divergenz, Äquivalenz und Differenz sowie ihrer genaueren Charakterisierung vgl. J. Korhonen (1991b). Auch in Mrazovié ( 1 9 8 5 ) und Petrovii ( 1 9 8 8 ) wird v o m Begriff der Differenz Gebrauch gemacht; allerdings wird hier die Differenz der Äquivalenz untergeordnet. V o n den neueren Beschreibungsmodellen sei auf das von Krohn ( 1 9 9 4 ) hingewiesen, w o noch an der Zweiteilung vollständige vs. partielle Ä q u i v a l e n z festgehalten wird. Der Bereich der partiellen Äquivalenz wird in vier Teilbereiche eingeteilt (Krohn 1994:89ff.).

70

Jarmo und Briitta Korhonen

Im folgenden sollen bedeutungsäquivalente Idiome, genauer gesagt Ausdrücke, die eine identische denotative Bedeutung besitzen, miteinander kontrastiert werden. Das heißt, daß im Falle polysemer Verbidiome nicht der gesamte Bedeutungsumfang, sondern jeweils nur eine bestimmte Bedeutungsvariante in Betracht gezogen werden kann.8 Es sollen konkrete Idiomrealisationen verglichen werden: Weisen Idiome lexikalische und/oder syntaktische Varianten auf, wird in den zu vergleichenden Sprachen die am nächsten liegende Variante der Ausgangseinheit gegenübergestellt (das Vorhandensein von Varianten soll jedoch kurz kommentiert werden).9 Fakultative Komponenten werden für die Gegenüberstellung nicht beachtet, erhalten aber wie die übrigen Variationen bei der Besprechung der Belege einen Kommentar. Die Lexikographie läßt in dieser Hinsicht vorläufig noch sehr zu wünschen übrig: Am besten ist die Situation im Englischen, am schlechtesten im Finnischen; im Deutschen ist die Beschreibung uneinheitlich und mangelhaft. Neben idiomatischen Einheiten tauchen im Korpus nichtidiomatische Konstruktionen auf. Das erklärt sich daraus, daß nicht zu jedem Idiom in einer anderen Sprache ein idiomatisches oder phraseologisches Äquivalent anzusetzen ist. Diese Erscheinung wird in der Phraseologie als idiomatische Nulläquivalenz bezeichnet. Darüber hinaus sollen Konstellationen besprochen werden, die sowohl aus der Sicht der Theorie als auch der Praxis von Belang sind: Zwischen den Einheiten besteht keine semantische Äquivalenz, dafìir aber eine formale Gleichheit oder Ähnlichkeit (= idiomatische Scheinäquivalenz). Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Betrachtung der lexikalischen und syntaktischen Struktur des Idiomkerns. Es soll eine möglichst genaue Klassifizierung angestrebt werden, wobei für die Äquivalenz und die Differenz jeweils von Gruppierungen mit drei Sprachen ausgegangen wird. Nur am Rande kann auf Besonderheiten des syntaktischen und pragmatischen Gebrauchs hingewiesen werden. Eine konsequente Berücksichtigung verschiedener Gebrauchsbedingungen von Verbidiomen würde oft zu andersartigen Klassifizierungen führen.

2.

Äquivalenz Deutsch-Englisch-Finnisch

2.1. Totale Äquivalenz Deutsch-Englisch-Finnisch Deutsche, englische und finnische Verbidiome, in denen sich Lexik, Syntax und Pragmatik vollkommen decken, sind relativ selten. In der Gruppe Totaläquivalenz weisen die Idiome nur in bezug auf Variationen Unterschiede auf. Es handelt sich um eine lexikalische Variation, wenn zwei oder mehr bedeutungsgleiche Idiome mit der gleichen syntaktischen Struktur anhand des verbalen und/oder nominalen Teils in einer Grundform zusammengefaßt werden können. 10 Die Variante, die aufgrund der größten Ähnlichkeit mit den Ausdrücken der anderen Sprachen gewählt wird, braucht nicht die häufigste zu sein, ebenso ist es nicht erforderlich, daß die Zahl der Varianten in den einzelnen Sprachen gleich ist. Im Falle eines identischen sprachlichen Bildes liegen meistens sog. phraseologische Internationalismen vor, die o

q

Vgl. dazu auch J. Korhonen (1988:202). Wie man polyseme Idiome bei einer kontrastiven Gegenüberstellung zweier Sprachen beschreiben kann, wird u.a. in Földes (1990a:69; 1990b:179f.) und Krohn (1994:108ff.) gezeigt. Zur Berücksichtigung der idiomatischen Variabilität im Deutschen und Finnischen vgl. etwa J. Korhonen (1988:202; 1991a:43f., 46f.; 1993b:215ff; 1994:78f.) und Hyvärinen (1992:24ff.).

10

Zum Wesen der lexikalischen Variation in der Phraseologie vgl. z.B. Dobrovol'skij (1988:163ff.), J. Korhonen (1991a:46f.) und Barz (1992).

Phraseologische

71

Äquivalenz und Differenz..

auf einem ähnlichen kulturellen Hintergrund fußen. Die Idiome stammen dann oft aus der Bibel, den mythologischen Überlieferungen der Antike oder aus bekannten Werken der Weltliteratur. Einige idiomatische Entsprechungen können Entlehnungen sein oder basieren auf den universellen Gesetzen des menschlichen Denkens." Die Idiome in (1) beziehen sich auf die Bibel, die in (2) (indirekt) auf die Antike: (1) (2)

das schwarze Schaf sein — be the black sheep — olla musía lammas auf seinen Lorbeeren ausruhen — rest on one's laurels — levata

laakereillaan

In (1) ist eine fakultative Erweiterung der Substantivkomponente in jeder kontrastierten Sprache möglich: das schwarze Schaf der Familie, the black sheep of the family, perheen musta lammas. Die unterschiedliche Genitivstruktur im Englischen wird als sprachimmanente Erscheinung außer acht gelassen. Bei (2) kann zum Verb des deutschen Idioms das Reflexivpronomen sich hinzutreten. Die kognitive Forschung hat bestimmte Universalien in der semantischen Motivation von Idiomen feststellen können. Die menschliche Sphäre ist in erster Linie Gegenstand der Phraseologisierung und Idiomatisierung. Menschliche Körperteile, Kleidungsstücke, menschliche Verhaltensweisen, verschiedene Lebenssituationen, aber auch Pflanzen und Tiere kommen häufig in sprachlichen Bildern vor. 12 Eine besonders große Gruppe sind Somatismen, Phraseologismen mit einer Bezeichnung eines Körperteils als nominaler Komponente: (3)

seinen Augen nicht trauen — not believe one 's eyes —jku ei usko silmiään

Beim nominalen Teil sind im Deutschen das Adjektiv eigen und im Englischen die Kette the evidence of (vor one 's eyes) als fakultative Komponenten möglich. Die englische Verbvariation lautet believe/credit. Im Falle einer Pertinenzrelation, die sich für Somatismen häufig beobachten läßt, existiert zwischen dem deutschen Dativ und dem englischen bzw. finnischen Genitiv eine weitgehende sprachtypologische Regularität. Unter dieser Voraussetzung können die Idiome bei (4) in die Gruppe Totaläquivalenz eingeordnet werden: (4)

jmdm. auf die Zehen treten — tread on sb 's toes — astua jkn varpaille

Jede Sprache hat eine lexikalische Variation mit derselben Bedeutung fur den nominalen Teil: Hühneraugen, corns, liikavarpaille. Dazu weist das deutsche Idiom eine Substantivvariation mit Schlips (im Singular) auf. Im Englischen kann tread mit step variieren. Beispiele für phraseologische Stabilität sind die Ausdrücke in (5) und (6): (5)

sein eigener Herr sein — be one 's own master — olla orna herransa

(6)

jmdn. unter den Tisch trinken — drink sb under the table — juoda jku pöydän alle

Die Idiome lassen hier keine Variationsmöglichkeiten erkennen. Die Konstruktion mit Genitiv und Postposition im finnischen Idiom in (6) stellt eine sprachtypologische Eigenheit dar.

11

Vgl. hierzu Földes ( 1990b: 170f.), s. jedoch auch Kromann ( 1987:186f.)

12

Vgl. u.a. Klimaszewska (1991:367).

72

Jarmo und Briitta Korhonen

2.2. Partielle Äquivalenz Deutsch-Englisch-Finnisch Unter dem Titel partielle Äquivalenz werden die Idiome besprochen, die neben derselben denotativen Bedeutung und Bildhaftigkeit kleinere syntaktische Unterschiede vorwiegend im nominalen Teil aufweisen. Solche geringfügigen Abweichungen haben beim Fremdsprachenerwerb leicht Interferenzen zur Folge. 13 In der Gruppe der partiellen Äquivalenz unterscheiden sich meistens die Substantivkomponenten voneinander, und zwar in bezug auf Kasus, Numerus, Gebrauch des Artikels und Possessivpronomens, Wortfolge und Wortbildung: (7) freie Hand haben — have a free hand — jklla on vapaat kädet (8)

das Gesicht verlieren — lose face — menettää kasvonsa

In (7) beziehen sich die Unterschiede auf den Gebrauch des Artikels und auf den Numerus: Der deutsche Nominalteil hat keinen Artikel, der englische einen unbestimmten Artikel, und das finnische Nominalsyntagma steht im Plural. In der Gruppe (8) steht wiederum der englische Nominalteil ohne Artikel; der deutsche Nominalteil ist mit einem bestimmten Artikel und der finnische mit einem Possessivsuffix versehen. Ähnliche Unterschiede sind auch fur (9) zu beobachten: (9)

zur See gehen — go to sea — mennä merille

Die englische und die deutsche Substantivkomponente weichen beim Gebrauch des Artikels voneinander ab; die deutsche Komponente hat einen bestimmten Artikel, die englische steht ohne Artikel. Das Finnische unterscheidet sich von den beiden anderen in bezug auf den Numerus. In diesem Fall ist der Numerus deshalb von besonderer Relevanz, weil es im Finnischen ein Idiom mit den gleichen Lexemen, aber mit einer singularischen Substantivkomponente gibt: mennä merelle. Dieses Idiom hat eine andere denotative Bedeutung, die mit 'aus dem Hafen auf die See segeln oder mit dem (Motor)boot fahren' (oft zu dem Zweck, Fische zu fangen) umschrieben werden kann.

3.

Äquivalenz Deutsch-Englisch, partielle Äquivalenz bzw. Differenz Finnisch

3.1. Totale Äquivalenz Deutsch-Englisch, partielle Äquivalenz Finnisch In der untenstehenden Idiomgruppe verhält sich das Finnische im Hinblick auf das Objekt anders als das Deutsche und das Englische: (10) den Nagel auf den Kopf treffen — hit the nail on the head — osua naulan kantaan Die beiden substantivischen Elemente des deutschen und des englischen Idioms sind nebengeordnet, während das erste Substantiv in der finnischen Entsprechung (naulan) als Genitivattribut dem zweiten untergeordnet ist.

13

Siehe dazu u.a. auch J. Korhonen (1993b:220).

Phraseologische Äquivalenz und Differenz ..

73

3.2. Totale Äquivalenz Deutsch-Englisch, partielle bzw. totale Differenz Finnisch Die Konstellation "totale Äquivalenz Deutsch-Englisch, partielle Differenz Finnisch" läßt sich zunächst fur einige komparative Verbidiome nachweisen: (11) arm sein wie eine Kirchenmaus — be as poor as a church mouse — olla köyhä kuin kirkonrotta ( 12) müde sein wie ein Hund — be as tired as a dog — olla väsynyt kuin riepu Bei (11) ist der zweite Teil des nominalen Elements des finnischen Idioms (wörtl. 'Kirchenratte') weder mit dem deutschen noch mit dem englischen lexikalisch voll äquivalent. Auch beim zweiten Vergleich ist die finnische Nominalkomponente unterschiedlich: wörtl. '(Wasch-)Lappen'. Ferner unterscheidet sich das Finnische vom Deutschen und Englischen lexikalisch in bezug auf nur eine Komponente in den Idiomgruppen (13) und (14): (13) ein offenes Geheimnis sein — be an open secret — olla julkinen salaisuus (14) päpstlicher sein als der Papst — be more papist than the Pope — olla paavillisempi kuin paavi itse Das Deutsche weist in (13) eine seltene, mit dem Finnischen äquivalente Variante für die adjektivische Komponente auf: öffentlich. In (14) dagegen ist die Anzahl der Idiomkomponenten im Finnischen höher als im Deutschen und Englischen (das Pronomen itse 'selber' bezieht sich auf das Substantiv paavi). Die betreffende Bedeutung wird im Englischen primär durch be more royalist than the king zum Ausdruck gebracht; andere Varianten lauten be more Scottish than the Scots und be more British than the British. Um eine syntaktische und lexikalische Abweichung geht es beim nächsten Beispiel: (15) seine Karten auf den Tisch legen — lay one 's cards on the table — paljastaa korttinsa Das finnische Idiom hat eine Substantivkomponente weniger (es fehlt eine Entsprechung fur auf den Tisch bzw. on the table), und die verbale Komponente entspricht dem deutschen Verb aufdecken. Weiterhin ist der finnische Ausdruck stabil, wohingegen für das deutsche Idiom folgende Variationen nachweisbar sind: die/seine bei Karten und offen als fakultatives Element zwischen Karten und auf Das englische Idiom läßt eine lexikalische Verbvariation mit put zu.14 Beim ersten Beispiel für die Gruppierung "totale Äquivalenz Deutsch-Englisch, totale Differenz Finnisch" gehen das deutsche und das englische Idiom wohl auf das vorsichtige Verhalten einer Schnecke, die die Umwelt mit Hilfe ihrer Fühler ertastet, zurück.15 Das finnische Idiom hat seinen Ursprung im vorsichtigen Vorgehen eines Menschen in der Natur (wörtl. 'den Boden prüfen od. sondieren'): (16) Fühler ausstrecken — stretch out feelers — tunnustella maaperää Vor dem deutschen Substantiv kann der bestimmte Artikel oder ein Possessivpronomen erscheinen. Das Substantiv des englischen Idioms ist auch im Singular verwendbar, und das Verb kann durch put out ersetzt werden. 14

In IRSS2 120 und Schellbach-Kopra(1985:129), nicht jedoch in einsprachigen finnischen Wörterbüchern, wird für die betreffende Bedeutung der Ausdruck lyödä kortit pöytään (wörtl. 'die Karten auf den Tisch schlagen') aufgeführt.

15

Vgl. z.B. die Erklärung in Müller (1994:152).

74

Jarmo und Briitta Korhonen

Das Bild, das dem deutschen und englischen Idiom in (17) zugrunde liegt, stammt aus der Bibel. Es ist im Finnischen unbekannt: (17) den Weg allen Fleisches gehen — go the way of all flesh — mennä manan majoille Die wörtliche Übersetzung des finnischen Idioms lautet 'zu den Hütten des Totenreiches gehen'. Für das Deutsche läßt sich eine morphosyntaktische Variation feststellen: Das Pronomen in der Substantivgruppe kann auch alles heißen.

3.3.

Partielle Äquivalenz Deutsch-Englisch, totale Äquivalenz Finnisch

Die teilweise Äquivalenz von Deutsch und Englisch ist hier auf einen unterschiedlichen Artikelgebrauch zurückzufuhren. In (18) und (19) sind die nominalen Komponenten der deutschen Idiome mit dem bestimmten Artikel versehen; die der englischen stehen ohne Artikel. Da das Finnische eine artikellose Sprache ist, ergibt sich dafür in solchen Fällen eine totale Äquivalenz. Das Finnische kennt für die zweite Substantivkomponente des Idioms in (19) die Variante kärsään ('in die Schnauze'), die jedoch verhältnismäßig ungebräuchlich bzw. veraltend sein dürfte: (18) mit dem Feuer spielen — play with fire — leikkiä tulella (19) von der Hand in den Mund leben — live from hand to mouth — elää kädestä suuhun Im Gegensatz zu den beiden oben angeführten Beispielen weist das Englische in (20) den bestimmten Artikel auf. Im Deutschen fehlt der Artikel vor dem pluralischen Substantiv: (20) den Wald vor Bäumen nicht sehen — not see the wood for the trees —jku ei näe metsää puilta Für das Deutsche kommt eine quantitative Variation in Frage, insofern als vor Bäumen das indeklinable Adjektiv lauter einsetzbar ist.

3.4.

Partielle Äquivalenz Deutsch-Englisch, partielle bzw. totale Differenz Finnisch

Das Deutsche und das Englische differieren weiter im Gebrauch des Artikels, das Finnische weist einen lexikalischen Unterschied im verbalen Teil auf (näyttää 'zeigen'): (21) grünes Licht geben — give the green light — näyttää vihreätä valoa In (22) erklärt sich die partielle Differenz aus einer unterschiedlichen Anzahl der substantivischen Komponenten: (22) das Handtuch werfen — throw in the towel — heittää pyyhe kehään Im Deutschen fehlt eine Entsprechung für die englische adverbielle Komponente in; im Finnischen steht dafür eine substantivische Komponente (kehään 'in den Ring'). Die finnische Struktur bringt die sportliche Herkunft des Idioms (Boxen) am deutlichsten zum Ausdruck. Die finnische Totaldifferenz kann durch die Gruppe (23) veranschaulicht werden. Das deutsche und das englische Idiom beziehen sich auf das Orgelspiel, im Finnischen könnten verschiedene Arten des Spiels (Kartenspiel usw.) in Betracht kommen: (23) alle Register ziehen — pull out all the stops — panna kaikki peliin

Phraseologische Äquivalenz und Differenz..

75

Das englische Verbidiom weist eine zusätzliche adverbielle Komponente auf. Der bestimmte Artikel in der englischen Substantivgruppe ist als eine sprachspezifische Erscheinung zu betrachten. Neben den lexikalischen Unterschieden weicht das finnische Verbidiom von den anderen in bezug auf die Unterordnungsbeziehung der Komponenten ab (kaikki ist kein Attribut; wörtl. 'alles ins Spiel setzen'). Das deutsche Verbelement kann auch spielen lassen heißen.

4.

Äquivalenz Deutsch-Finnisch, Differenz Englisch

4.1. Totale Äquivalenz Deutsch-Finnisch, partielle bzw. totale Differenz Englisch In den folgenden zwei Idiomgruppen ist eine syntaktische Äquivalenz vorhanden; die Unterschiede liegen nur in der Lexik (totale Äquivalenz Deutsch-Finnisch, partielle Differenz Englisch). Das Englische weicht einmal im verbalen, zum andern sowohl im verbalen als auch im nominalen Teil vom Deutschen und Finnischen ab: (24) gegen Windmühlen kämpfen — taistella tuulimyllyjä vastaan — tilt at windmills (25) Öl ins Feuer gießen — valaa öljyä tuleen — addfuel to the fire Das Verb tilt hat die Bedeutung 'mit der Lanze angreifen'. Im deutschen Idiom von (24) kann statt gegen die Präposition mit vorkommen. In (25) besitzen das Finnische und das Englische folgende lexikalische Varianten: kaataa 'schütten' für valaa bzw. flames für fire. Die nächste Gegenüberstellung läßt für den englischen Ausdruck eine syntaktische und lexikalische Abweichung erkennen: (26) Öl auf die Wogen gießen — valaa öljyä laineille —pour oil on troubled waters Das englische Verbidiom hat auch beim zweiten, vom Deutschen und Finnischen verschiedenen, Substantiv keinen Artikel, dafür aber eine attributivische Komponente. Das Bildmotiv aus der Bibel in (27) ist in der deutschen und finnischen Idiomatik bekannt, in der englischen unbekannt (englische Totaldifferenz): (27) zur Salzsäule erstarren — jähmettyä suolapatsaaksi — stand rooted to the spot Das unterschiedliche Bild im Englischen ergibt eine völlig abweichende lexikalische und syntaktische Struktur. Die substantivische Variante für spot lautet ground. Übereinstimmende Idiome können auf einem ähnlichen Brauch beruhen, wie im Deutschen und Finnischen: (28) jmdm./für jmdn. den Daumen halten — pitää peukkua jklle — keep one 's fingers crossed Das deutsche und das finnische Idiom basieren wohl auf abergläubischen Vorstellungen oder auf einem unwillkürlichen Verhalten beim angespannten Miterleben von Anstrengungen anderer Leute.16 Mit Ausnahme des konjugierbaren Verbs ist das Englische lexikalisch abweichend; hinsichtlich der Syntax hat es eine (verbale) Komponente mehr. Eine umgangssprachliche Idiom variante lautet cross one 's fingers. Im Deutschen und Finnischen besteht für

16

Zur Erklärung der Herkunft des deutschen Idioms vgl. u.a. DUR 146 und Müller (1994:83).

76

Jarmo und Briitta Korhonen

den Numeras des nominalen Teils dieser Idiome eine Variationsmöglichkeit. Der deutsche verbale Teil kann auch drücken, der englische have heißen, und im Finnischen kommt hinter dem Substantiv als fakultatives Element das Adverbpystyssä 'aufrecht' vor.

4.2.

Partielle Äquivalenz Deutsch-Finnisch, partielle Differenz Englisch

Die syntaktischen Unterschiede, die hier als Bedingung fur die Aufnahme in die Gruppe partielle Äquivalenz (von Deutsch und Finnisch) registriert wurden, sind im Bereich der Wortbildung, im Ausdruck des Possessivverhältnisses sowie beim Numerus und Kasus zu finden. Bei (29) entspricht dem finnischen Possessivsuffix der bestimmte Artikel im Deutschen, was jedoch nicht als eine reguläre interlinguale Beziehung angesehen wird; es gibt im Deutschen Idiome, in denen Körperteilbezeichnungen mit einem Possessivpronomen versehen sind (seinen Augen nicht trauen, seine Nase in etw. stecken usw.): (29) die Nase rümpfen — nyrpistää nenäänsä — turn one 's nose up Die partielle Differenz des Englischen beruht auf der abweichenden Verbkomponente. (30) jmdm. den Laufpaß geben — antaa jklle lähtöpassit — give sb his marching orders Sowohl das Deutsche als auch das Finnische haben im nominalen Teil ein unikales, nur phraseologisch verwendetes Element; im Deutschen steht es im Singular, im Finnischen im Plural. Das englische Idiom unterscheidet sich syntaktisch und lexikalisch leicht vom Vergleichspaar (deshalb partielle Differenz): Die englische Substantivkomponente, die im Hinblick auf den Gebrauch des Possessivpronomens vom Deutschen und Finnischen abweicht, bedeutet 'Marschbefehl'. Laujpaß ist auch militärischer Herkunft; so hieß der Paß, der den Soldaten bei der Entlassung ausgestellt wurde. 17

5.

Äquivalenz Englisch-Finnisch, partielle Äquivalenz bzw. Differenz Deutsch

5.1.

Totale Äquivalenz Englisch-Finnisch, partielle Äquivalenz bzw. Differenz Deutsch

Ist ein deutsches Idiom mit einem englischen und finnischen Idiom partiell äquivalent, findet sich der Unterschied meistens im Ausdruck des Possessivverhältnisses, besonders bei Somatismen: (31 ) turn one 's back on sb/sth — kääntää selkänsä jklle/jllek —jmdm./einer ken wenden

Sache den Rük-

In der Verbkomponente des deutschen Idioms kommt alternativ kehren vor. In (32) führt der Unterschied im Numerus der ersten Substantivkomponente das deutsche Idiom zur Aufnahme in die Gruppe partielle Äquivalenz: (32) take the words out of sb's mouth — ottaa sanat jkn suusta — jmdm. das Wort aus dem Munde nehmen

17

Vgl. Röhrich (1992:935), s. aber auch Müller (1994:363).

Phraseologische Äquivalenz und

Differenz..

77

Anstelle von ottaa begegnet im Finnischen auch das Verb viedä. Im Deutschen stellt von der Zunge eine Variante zur zweiten nominalen Komponente dar. Das englisch-finnische Idiompaar von (33) illustriert das Phänomen der totalen Äquivalenz einschließlich der Alliteration. Die deutsche Entsprechung weist für die erste Substantivkomponente eine abweichende Lexik auf, 18 desgleichen gibt es einen Unterschied im Gebrauch des Artikels. Es handelt sich um eine partielle Differenz Deutsch: (33) buy a pig in a poke — ostaa sika säkissä — die Katze im Sack kaufen In der Aufstellung bei (34) stimmen das englische und das finnische Verbidiom hinsichtlich der Anzahl der Komponenten mit dem deutschen Ausdruck nicht überein, also partielle Differenz Deutsch: (34) wash one 's hands of sth — pesta kätensä jstak — seine Hände in Unschuld waschen Bei diesen Idiomen biblischer Herkunft findet der zweite nominale Teil des Deutschen, in Unschuld, keine Entsprechung im Englischen oder Finnischen. Das gleiche trifft auf mehrere weitere europäische Sprachen zu. 19

5.2.

Partielle Äquivalenz Englisch-Finnisch, partielle bzw. totale Differenz Deutsch

Die Wortfolge in der nominalen Gruppe und der Numerus (Englisch Singular, Finnisch Plural) sind die unterscheidenden Faktoren im Englischen und Finnischen in Beispiel (35): (35) fight tooth and nail against sth — vastustaa jtak kynsin hampain — sich mit Händen und Füßen gegen etw. sträuben Der englische Ausdruck weist eine syntaktische Anomalie auf; das Wortpaar erscheint ohne Präposition. Das deutsche Wortpaar ist von den beiden anderen lexikalisch verschieden (partielle Differenz), weiterhin kann das Verb auch sich wehren lauten. Bei (36) besteht zwischen Englisch und Finnisch für die erste Substantivkomponente ein morphosyntaktischer Unterschied im Ausdruck des Possessivverhältnisses: (36) burn the candle at both ends — polttaa kynttiläänsä molemmista päistä — mit seinen Kräften Raubbau treiben Auch im Deutschen war früher ein ähnliches Sprachbild vorhanden: das Licht an beiden Enden anzünden. Dieses Idiom, das im Laufe der Zeit verlorengegangen ist, hatte zwei Bedeutungen, nämlich 'seine Arbeitskraft doppelt verbrauchen' und 'etw. Überflüssiges, Unnützes, Unsinniges tun'. Dasselbe Bild existierte auch im Englischen: light one's candle at both ends.20 Das heutige Idiom könnte darauf basieren. Der deutsche Ausdruck mit etw. Raubbau treiben, der in diesem Zusammenhang die Beziehung der totalen Differenz vertritt, be-

18 19

70

Es sei jedoch daran erinnert, daß im älteren Deutsch auch eine Form wie das Ferkel im Sacke kaufen belegt ist, vgl. Wander 1 983 und Öhmann (1923:63). Vgl. J. Korhonen (1991b: 129). Für das deutsche Idiom dürfte Ps. 26,6 als Grundlage gedient haben: "Ich wasche meine Hände in Unschuld". In anderen Sprachen wird eventuell auf Matth. 27,24 Bezug genommen, wo es heißt: "nahm er Wasser und wusch die Hände vor dem Volk und sprach" (der Ausdruck in Unschuld kommt also an dieser Bibelstelle nicht vor). Siehe Röhrich (1992:960), vgl. aber auch Wander 3 116.

78

Jarmo und Briitta Korhonen

deutet 'etw. zu stark beanspruchen'; anstelle von Kraft können also auch andere Substantive in der Rolle eines Präpositionalobjekts auftreten.

6.

Differenz Deutsch-Englisch-Finnisch

Bei partieller Differenz kann das Bild in den untersuchten Sprachen entweder gleich oder ähnlich sein. Die Abweichungen, die im ganzen stärker sind als in der partiellen Äquivalenz, beziehen sich auf die Lexik und/oder Syntax, desgleichen auf die Pragmatik. Für die Unterschiede sind verschiedene Varianten und Bündelungen nachweisbar. Beschränken sich die Unterschiede auf die formale Ebene, sind z.B. folgende Alternativen vorhanden: Eine einzige Komponente ist abweichend, was mit einem teilweise anderen Bild zusammenhängt; mehrere Komponenten sind abweichend; der Unterschied kann sich auf den gesamten Lexembestand erstrecken, aber die sprachlichen Bilder sind sich ähnlich.

6.1. Partielle Differenz Deutsch-Englisch-Finnisch mit lexikalischen bzw. lexikalischen und syntaktischen Unterschieden In (37) läßt sich für das englische Idiom im verbalen Teil, für das finnische im zweiten Substantivteil ein lexikalischer Unterschied nachweisen (pensaaseen 'in den Busch'). Nur im Englischen und Finnischen wird im ersten Substantivelement das Possessivverhältnis zum Ausdruck gebracht. Im finnischen Idiom ist eine für die finnische Phraseologie typische Alliteration vorhanden: (37) den Kopf in den Sand stecken — bury one 's head in the sand — panna päänsä pensaaseen In (38) divergieren alle Ausdrücke syntaktisch, dazu gibt es lexikalische Unterschiede: (38) bei jmdm. ist eine Schraube los — have a screw loose — jkn päässä on jokin ruuvi irti Das Finnische hat eine Substantivkomponente mehr als das Vergleichspaar (wörtl. 'in jmds. Kopf ist eine Schraube los'). Ausnahmsweise hat der unbestimmte Artikel der beiden germanischen Sprachen eine Entsprechung im Finnischen. Wegen der unterschiedlichen Konstitution des Idiomkerns erscheint die Personenbestimmung in verschiedenen Formen: mit Präposition + Dativ (Deutsch), im Nominativ (Englisch; als Subjekt) und im Genitiv (Finnisch). Jede Sprache kennt für den prädikativen Teil eine Variante; im Deutschen und Finnischen sind sie lexikalisch voll äquivalent (locker bzw. löysällä), Die englische Variante heißt missing.

6.2. Partielle Differenz Deutsch-Englisch, totale Differenz Finnisch Es sind auffallend viele Beispiele vorhanden für eine lexikalische Differenz zwischen deutschen und englischen Verbkonstituenten wie etwa in (39): (39) etw. in den Wind schlagen — throw sth to the winds — viitata kintaalla jllek

Phraseologische Äquivalenz und Differenz .,

79

Die englischen Verbvarianten heißen fling und hurl. Der finnische idiomatische Ausdruck (wörtl. 'einer Sache mit dem Fausthandschuh winken') besteht auch aus einer Substantiv- und einer Verbkomponente; er unterscheidet sich aber in lexikalischer Hinsicht völlig von den anderen. In (40) weichen das Deutsche und das Englische lexikalisch (bis auf ein Adjektiv) und syntaktisch voneinander ab; anstatt einer attributiven Substantivgruppe weist das englische Idiom eine prädikative Konstruktion auf: (40) mit jmdm. reinen Tisch machen — wipe the slate clean — tehdä tilinsä selviksijkn sa

kans-

Die syntaktische Struktur des finnischen Idioms ähnelt der des englischen, insofern als sie auch eine prädikative Beziehung enthält (wörtl. 'seine Rechnungen mit jmdm. klar machen').

6.3.

Partielle Differenz Deutsch-Finnisch, totale Differenz Englisch

Die partielle Differenz zwischen dem Deutschen und dem Finnischen in (41) ist auf die Unterschiedlichkeit der attributivischen Komponenten zurückzufuhren (die wörtliche Übersetzung von tulisilla hiilillä lautet 'auf feurigen Kohlen'): (41) wie auf glühenden Kohlen sitzen — olla kuin tulisilla hiilillä — be like a cat on hot bricks Im Unterschied zum Deutschen stellt das Adjektiv im Finnischen eine obligatorische Komponente dar. Abgesehen vom verbalen Teil, der mit dem entsprechenden finnischen Teil lexikalisch kongruiert, erstrecken sich die lexikalischen Unterschiede des englischen Ausdrucks auf den restlichen Idiomkern. Auch die Anzahl der Komponenten ist größer, was auf ein divergierendes sprachliches Bild mit 'Katze' zurückgeht. Beim nächsten Beispiel lassen das deutsche und das finnische Negationsidiom eine interessante syntaktische Differenz erkennen: Der deutschen Konstruktion Verb + Akkusativobjekt entspricht im Finnischen ein semantisch äquivalentes Nomen agentis in Form eines Kompositums (wörtl. 'kein Pulvererfinder sein'): (42) das Pulver auch nicht gerade erfunden haben — jku ei ole mikään ruudinkeksijä — not . set the Thames on fire Auch und gerade sind fakultative Elemente im Deutschen, außerdem ist im nominalen Teil die Form Schießpulver alternativ verwendbar. Der semantisch äquivalente englische Ausdruck leitet sich aus einem völlig anderen Bereich her und ist folglich in bezug auf die Lexik und die Anzahl der Komponenten vom Deutschen und Finnischen verschieden.

6.4.

Partielle Differenz Englisch-Finnisch, totale Differenz Deutsch

In (43) hat das englisch-finnische Vergleichspaar eine lexikalische Differenz im verbalen Teil (das finnische Idiom lautet wörtlich 'jmdn. zur Rechenschaft verlangen'). Das Deutsche verhält sich auch in bezug auf die nominale Komponente anders als das Englische und das Finnische. Alle kontrastierten Ausdrücke sind syntaktisch identisch: (43) call sb to account — vaatia jku tilille — jmdn. zur Rede stellen

80

Jarmo und Briitta Korhonen

Trotz beträchtlicher Unterschiede in der Lexik und Syntax kann bei (44) fur das Englische und das Finnische aufgrund des gemeinsamen konjugierbaren Verbs (give — antaa) noch eine partielle Differenz angesetzt werden: (44) give as good as one gets — antaa jklle samalla mitalla takaisin —jmdm. Paroli bieten Der finnische Ausdruck lautet in wörtlicher Übersetzung 'jmdm. mit gleichem Maß zurückgeben'. Die völlige Unterschiedlichkeit der deutschen Entsprechung läßt sich vor allem durch das Vorhandensein einer unikalen Komponente erklären.

6.5. Totale Differenz Deutsch-Englisch-Finnisch In der Phraseologie der natürlichen Sprachen lassen sich die außersprachliche Realität und die kulturhistorische Entwicklung verschiedener Nationen in jeweils spezifischer Ausprägung beobachten. Darauf beruhen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Phraseologie der einzelnen Sprachen. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß der Wortschatz einer Sprache von Lebensbedingungen, Gewohnheiten und Sitten, von der Kultur der betreffenden Nation überhaupt, geprägt ist. So hat jede Sprache ein eigenes Phraseologiegut, das kulturspezifische Idiome besitzt. Darin können oft auch bestimmte Eigentümlichkeiten des Volkscharakters zutage treten.21 Die in (45) kontrastierten Idiome sind im Rahmen dieser Gruppe als eine seltene Erscheinung zu betrachten. Die Unterschiede beziehen sich ausschließlich auf die lexikalischen Elemente, d.h. es liegt ein gemeinsames Konstruktionsmodell eines bestimmten Konzepts zugrunde (der finnische Ausdruck wörtl. 'aus dem Graben in den Tümpel geraten'): (45) aus dem Regen in die Traufe kommen — jump out of the frying pan into the fire — joutua ojasta allikkoon Im Deutschen kann die Präposition der ersten Substantivgruppe mit von wechseln. Im Englischen ist zwischen den nominalen Teilen die Konjunktion and fakultativ verwendbar. Bei (46) liegt eine andersartige Konstellation vor. Die bildliche Grundlage der Idiome der drei Sprachen ist unterschiedlich, so daß die lexikalische und syntaktische Struktur stark divergieren: (46) in den Mond gucken — be left out in the cold — jäädä nuolemaan näppejään Das finnische Idiom enthält zwei verbale Komponenten und einen Substantivteil im Partitiv (wörtl. 'seine Fingerspitzen lecken bleiben'), die beiden anderen haben eine präpositionale Substantivgruppe. Im Deutschen können das Substantiv und das Verb variieren: die Röhre bzw. sehen.

7.

Idiomatische Nulläquivalenz

Das Vorhandensein einer nichtidiomatischen Entsprechung in einer oder zwei Sprachen wird dann angenommen, wenn für ein bestimmtes Idiom in mehreren zweisprachigen (phraseologi21

Vgl. u.a. Klimaszewska (1991:362ff.) und Röhrich (1991:46f.).

Phraseologische

Äquivalenz

und Differenz

81

.,

sehen und nichtphraseologischen) Wörterbüchern oder im deutsch-finnischen Grundkorpus des Helsinkier Verbidiomatikprojekts jeweils nur eine Paraphrase zu finden ist. Dabei kann die Paraphrase aus einem Einwortlexem oder einer freien syntaktischen Wortverbindung bestehen. Mit idiomatischer Nulläquivalenz in einer der zu vergleichenden Sprachen ist insbesondere im Zusammenhang mit sprach- und kulturspezifischen Idiomen zu rechnen, aber es gibt auch sonst zahlreiche Beispiele fur das Fehlen idiomatischer Äquivalente in einer Sprache. Was in einer Sprache phraseologisiert ist, ist es in einer anderen Sprache nicht usw.; überhaupt kann die phraseologische Aktivität von Sprache zu Sprache nicht unerheblich variieren.22

7.1.

Idiomatische Nulläquivalenz in einer Sprache

Für die Bedeutungen in (47) und (48) steht den englischen und finnischen Idiomen jeweils eine nichtidiomatische deutsche Entsprechung gegenüber: (47) have a nodding acquaintance with sb — olla vain hyvänpäiväntuttu jkn kanssa — jmdn. nur flüchtig kennen Das englische und das finnische Verbidiom sind als zur Gruppe partielle Differenz gehörig zu klassifizieren; das finnische Idiom lautet in wörtlicher Übersetzung 'ein Gutentagbekannter mit jmdm. sein'. (48) pay on the nail — lyödä rahatpöytään

— sofort bar bezahlen

Die kontrastierten idiomatischen Ausdrücke sind völlig unterschiedlich, es liegt m.a.W. eine totale Differenz vor (der finnische Ausdruck wörtl. 'die Gelder auf den Tisch schlagen'). Im Finnischen kann die zweite Substantivkomponente pöytään mit kouraan ('in die hohle Hand') variieren. Bei (49) muß die Bedeutung der beiden idiomatischen Einheiten im Englischen durch eine Paraphrase, beispielsweise wie folgt, wiedergegeben werden: (49) Luft für jmdn. sein — olla jklle pelkkää ilmaa — ignore sb completely In der finnischen Idiomstruktur ist ein zusätzliches Adjektiv enthalten (Idiom wörtl. 'für jmdn. lauter Luft sein'). So besteht hier zwischen dem Deutschen und Finnischen eine Beziehung der partiellen Differenz. Wie sich sprach- und kulturspezifische Unterschiede im Phraseologiegut widerspiegeln können, kommt in (50) deutlich zum Vorschein: (50) mit jmdm. auf Duzfuß stehen — olla jkn kanssa sinut — call sb by his Christian name Da die englische Sprache bei der Anrede für das Personalpronomen keinen Unterschied macht, ist hier nur eine nichtphraseologische Umschreibung möglich. Beim Übertragen des deutschen Idioms ins Englische bzw. Finnische geht etwas von der konnotativen Bedeutung verloren, weil das Duzen im Deutschen eine Funktion hat, die von vielen anderen Sprachen verschieden ist. Sowohl im Deutschen als auch im Finnischen kann sich das Idiom außerdem auf eine Sachbezeichnung beziehen, wobei sich allerdings die Bedeutung verändert ('mit etw.

22

Z u r idiomatischen N u l l ä q u i v a l e n z zwischen d e m D e u t s c h e n u n d Finnischen vgl. a u c h J. K o r h o n e n ( 1 9 8 7 b : 12; 1991 a:51 ; 1992a: 113f.).

82

Jarmo und Briitta Korhonen

vertraut sein'). Der deutsche Substantivteil kann auch mit dem bestimmten Artikel versehen sein. Die nominalen Komponenten beider Idiome stellen jeweils ein Spezifikum dar: Im Deutschen liegt eine unikale Komponente, im Finnischen eine morphosyntaktische Anomalie (singularisches Personalpronomen im Plural; Idiom wörtl. 'mit jmdm. du sein') vor. Weitere strukturell nahestehende Idiome im Deutschen lauten mit jmdm. auf du und du stehen und mit jmdm. per du sein. In (51) und (52) muß man im Finnischen zu einer Bedeutungserklärung greifen: (51) aus dem Rahmen fallen — be out of place — olla tilanteeseen

sopimaton

(52) einen Frosch in der Kehle haben — have a frog in one 's throat — jklla on ääni käheänä Das deutsch-englische Idiompaar von (51) vertritt die Klasse der totalen Differenz, bei (52) wiederum sind die kontrastierten Idiome identisch. Im nominalen Teil des deutschen Idioms kann alternativ das präpositionale Substantiv im Hals erscheinen. Für (51) lautet die finnische Paraphrase 'für die Situation unpassend sein', für (52) 'eine heisere Stimme haben'.

7.2.

Idiomatische Nulläquivalenz in zwei Sprachen

In den ersten zwei Gruppierungen kann einem deutschen Verbidiom weder im Englischen noch im Finnischen ein idiomatisches Äquivalent gegenübergestellt werden: (53) etw. an den Tag legen — display sth — osoittaa jtak (54) Hahn im Korb sein — draw attention as a man in a female group — olla miehenä naisseuran huomion kohteena Für das deutsche Idiom in (53) kann die Bedeutung im Englischen und Finnischen durch ein Einwortlexem wiedergegeben werden, bei (54) dagegen ist eine Wortverbindung als Paraphrase erforderlich (Finn, wörtl. 'als Mann Gegenstand der Aufmerksamkeit einer weiblichen Gesellschaft sein'). Das englische Idiom be cock of the walk wie auch das finnische Idiom olla kukkona tunkiolla (wörtl. 'der Hahn auf dem Mist sein') ähneln dem deutschen Ausdruck in bezug auf das Bildmotiv. In der englischen und finnischen idiomatischen Einheit fehlt der Aspekt des Geschlechts, auf der anderen Seite bringen sie aber auch die Wichtigkeit einer Person zum Ausdruck (im Finnischen im negativen Sinne). In (55) und (56) werden englische Idiome aufgeführt, die im Deutschen und Finnischen paraphrasiert werden müssen: (55) not know sb from Adam —jmdn. überhaupt nicht kennen —jku ei tunne jkta lainkaan (56) wet the baby's kunniaksi

head — die Geburt des Babys begießen — juoda

vastasyntyneen

Der Name Adam kommt zwar in mehreren Idiomen der kontrastierten Sprachen vor, doch sind für den englischen Ausdruck von (55) im Deutschen und Finnischen weder ähnliche noch überhaupt idiomatische Äquivalente vorhanden (die Paraphrasen lauten hier gleich). Die Sitte, auf der das englische Idiom von (56) beruht, hat im Deutschen und Finnischen zumindest kein Standard- oder umgangssprachliches Idiom entstehen lassen (die finnische Paraphrase lautet wörtl. 'auf das Wohl des Neugeborenen trinken').

Phraseologische Äquivalenz und Differenz..

83

Die Gegenüberstellungen (57) und (58) enthalten eigenständige Idiome des Finnischen, für die das Deutsche und das Englische keine adäquaten phraseologischen Entsprechungen kennen: (57) panna paperit vetämään — seine Bewerbungsunterlagen application

einreichen — send in one 's

(58) lyödä lukkoon jtak — etw. abmachen — settle sth Auch an dieser Stelle macht sich die für finnische idiomatische Einheiten so typische Alliteration bemerkbar. Die Idiome lauten in wörtlicher Übersetzung wie folgt: 'die Papiere ziehen lassen' für (57) und 'etw. ins Schloß schlagen' für (58).

8.

Scheinäquivalenz

Haben formal gleiche oder ähnliche Idiome eine unterschiedliche Bedeutung, handelt es sich um idiomatische Scheinäquivalenz, um falsche Freunde. In unserem Untersuchungsmaterial ist kein Beispiel dafür zu finden, daß deutsche, englische und finnische Idiome, die entweder in den Bereich der totalen oder der partiellen Äquivalenz fallen, gleichzeitig untereinander falsche Freunde sind. Statt dessen wurde die Scheinäquivalenz immer paarweise registriert;23 die Rolle der dritten Sprache ist dabei jedoch nicht uninteressant. Zuerst sollen Gruppierungen besprochen werden, in denen eine dritte Sprache keinen idiomatischen Ausdruck aufweist. Danach folgen Gegenüberstellungen mit einem Idiom in drei Sprachen.

8.1. Konstellationen mit zwei Sprachen Beim ersten Beispiel handelt es sich um idiomatische Scheinäquivalenz zwischen dem Deutschen und dem Englischen. Hinsichtlich ihrer Struktur sind die Idiome total äquivalent: (59) jmdn. aufs Haupt schlagen — knock sb on the head Die deutsche idiomatische Einheit kann mit vanquish bzw. nujertaa übersetzt werden. Dem englischen Idiom entsprechen semantisch die Verbidiome jmdm. den Garaus machen und ottaa jku päiviltä. Außer der Semantik ist die Stilschicht der Ausdrücke von (59) unterschiedlich: In der Lexikographie wird das deutsche Idiom als gehoben, das englische als umgangssprachlich vermerkt. In (60) besteht zwischen dem deutschen und dem finnischen Verbidiom ein semantischer Unterschied, aber syntaktisch sind sie sich ähnlich: (60) die Ringe tauschen — vaihtaa sormuksia Im Deutschen bedeutet das Idiom 'heiraten', im Finnischen 'sich verloben'. Die richtige finnische Entsprechung für das deutsche Idiom lautet mennä naimisiin; im Englischen wird die betreffende Bedeutung mit get married ausgedrückt. Das finnische vaihtaa sormuksia kann im

23

Beobachtungen zu falschen Freunden im Bereich der deutsch-finnischen Idiomatik finden sich u.a. auch in J. Korhonen (1987b: 11 ; 1991a:51; 1992a: 128; 1994:77) und Schellbach-Kopra (1990).

84

Jarmo und Briitta Korhonen

Deutschen bzw. Englischen nur paraphrasiert werden: sich verloben bzw. get engaged. Mit einer englisch-finnischen Scheinäquivalenz haben wir es beim nächsten Beispiel zu tun. Die Idiome sind formal identisch: (61 ) eat one 's words — syödä sanansa Dieses sprachliche Bild fehlt im Deutschen. Der Bedeutung des englischen Idioms entspricht im Deutschen der Ausdruck seine Worte zurücknehmen, im Finnischen ottaa sanansa takaisin, das mit dem Deutschen total äquivalent ist. Die adäquaten semantischen Entsprechungen für das Finnische in (61) lauten nicht Wort halten bzw. sein Wort brechen und break one's word.

8.2.

Konstellationen mit drei Sprachen

In (62) unterscheiden sich das deutsche und das englische Verbidiom, die untereinander bedeutungsgleich sind, semantisch von dem finnischen. Die Idiome aller drei Sprachen sind formal völlig identisch: (62) mehrere Eisen im Feuer haben — have many irons in the fire — jklla on monta rautaa tulessa Die richtige finnische idiomatische Entsprechung heißt jklla on monta naulaa vetämässä (wörtl. 'viele Nägel ziehen haben'). Das finnische Idiom in (62) hat eine Bedeutung, die sich im Deutschen bzw. Englischen idiomatisch wie folgt wiedergeben läßt: alle Hände voll zu tun haben, have one 's hands full. In (63) kongruieren das deutsche und das finnische Idiom semantisch: (63) jmdn. an der Nase herumführen — vetää jkta nenästä — lead sb by the nose Aufgrund des unterschiedlichen verbalen Teils (vetää 'ziehen') differieren alle Idiome in bezug auf die Lexik partiell. Hinsichtlich der Syntax sind sie aber total äquivalent. Adäquate englische Übersetzungen des deutschen bzw. finnischen Idioms von (63) wären lead sb up the garden path und pull sb 's leg. Das englische Idiom in der Gegenüberstellung (63) hat dieselbe denotative Bedeutung wie die semantisch miteinander total äquivalenten Verbidiome jmdn. nach seiner Pfeife tanzen lassen und tanssittaa jkta pillinsä mukaan. In (64) stimmen das englische und das finnische Idiom semantisch miteinander überein. Eine Scheinäquivalenz besteht hier also zwischen dem Englischen bzw. Finnischen und dem Deutschen: (64) beat the drum — lyödä rumpua — auf die Pauke hauen Das deutsche Idiom ist wegen der Präposition in der Substantivkomponente mit den beiden anderen syntaktisch partiell äquivalent. Dem englisch-finnischen Idiompaar von (64) entspricht im Deutschen etwa der Ausdruck die Trommel rühren. Ein semantisch zutreffendes Äquivalent für auf die Pauke hauen wäre im Englischen das Verbidiom paint the town red, eine adäquate finnische Entsprechung heißt z.B. panna ranttaliksi. Bei (65) liegt eine Konstellation vor, in der für kein Idiompaar eine semantische Äquivalenz feststellbar ist: (65) am Ball sein — have a ball —pallo on nyt jklla

Phraseologische Äquivalenz und Differenz

85

Das deutsche Idiom ist mit dem englischen be on the ball total äquivalent. Auch die semantisch zutreffende finnische Entsprechung kommt aus der Sprache des Sports: olla pelissä mukana (wörtl. 'mit im Spiel sein'). Die idiomatische Einheit des Englischen in (65) bezieht sich nicht auf den Sport, sondern im Rahmen der Homonymie auf eine Tanzveranstaltung. Im Deutschen kann sie durch viel Vergnügen haben, im Finnischen durch jklla on hirveän hauskaa ('sich riesig amüsieren') wiedergegeben werden. Der finnische Ausdruck von (65) (wörtl. 'jmd. hat jetzt den Ball') läßt sich mit an der Reihe sein ins Deutsche übersetzen; die englische Entsprechung dafür lautet the ball is in sb 's court.

9.

Gebrauch

Werden neben der Struktur des Idiomkerns Aspekte des Gebrauchs berücksichtigt,24 ergeben sich für nicht wenige Idiome sowohl im Bereich der Äquivalenz als auch der Differenz neue Gruppierungen. Idiome, die aufgrund einer völligen Übereinstimmung in der Lexik und Syntax der Komponenten des Kerns unter der Rubrik totale Äquivalenz zu subsumieren sind, müssen dann der Gruppe der partiellen Äquivalenz zugeordnet werden usw. Im Hinblick auf valenzbedingte Ergänzungen von Verbidiomen, d.h. auf den syntaktisch-semantischen Gebrauch, zeigt sich u.a., daß das Subjekt in einer Sprache mehr oder weniger auf ein bestimmtes Geschlecht festgelegt ist, in einer anderen Sprache (eventuell wegen eines unterschiedlichen sprachlichen Bildes) dagegen nicht: (66) die Hosen anhaben — wear the trousers — sanoa missä kaappi seisoo Die totale Differenz zwischen Deutsch bzw. Englisch und Finnisch, die bereits auf einer unterschiedlichen Bildhaftigkeit beruht (vgl. die wörtliche Übersetzung des finnischen Idioms: 'sagen wo der Schrank steht'), wird durch die differierende semantische Besetzungsmöglichkeit des Subjekts noch verstärkt: Sowohl im Deutschen als auch im Englischen ist das Subjekt vorwiegend eine Frau, im Finnischen kann es ein Mann oder eine Frau sein. Um sprechaktbezogene Besonderheiten geht es beim folgenden Beispiel: (67) sich etw. hinter die Ohren schreiben — write sth on one 's mental tablet — panna jtak korvan taakse Wird die Sprechaktspezifik des deutschen Idioms (vorwiegend als Vorwurf oder Drohung in Form eines Imperativsatzes verwendet) zum Ausgangspunkt genommen, dann muß im Finnischen eine andere Entsprechung gewählt werden: painaa jtak mieleensä (wörtl. 'etw. in seinen Sinn prägen'). Im Finnischen läßt sich fur das Idiom in (67) zusätzlich ein Gebrauch wie ich werd' mir's merken/, also eine Ankündigung mit Drohung in Form eines Exklamativsatzes ('bei entsprechender Gelegenheit werde ich es dir heimzahlen'), denken. Die folgende Gegenüberstellung zeigt, wie Idiome mit einem ähnlichen Bild bezüglich situationsspezifischer Verwendungsbedingungen voneinander abweichen können: (68) jmdm. im Gesicht geschrieben stehen — be written all over sb's face — näkyä jkn naamasta

24

Zu einem Konzept der Beschreibung des Gebrauchs von Idiomen im Rahmen der deutsch-finnischen Phraseographie vgl. J. Korhonen (1994:78ff.).

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Jarmo und Briitta

Korhonen

Das deutsche Idiom vertritt die formelle, das englische die neutrale und das finnische (wörtl. 'an jmds. Visage zu sehen sein') die umgangssprachliche Ebene. Unterschiede kann es schließlich in der Aktualität von Verbidiomen der drei Sprachen geben: (69) sich ins Fäustchen lachen — laugh in one 's beard — nauraa partaansa Das deutsche und das finnische Idiom (letzteres wörtl. 'in seinen Bart lachen') sind nach Wörterbüchern in der Standardsprache noch ganz gebräuchlich, wohingegen die englische Einheit als "old-fashioned" markiert ist.25

10.

Schlußbemerkung

Zur Klasse der Äquivalenz gehören zum größten Teil phraseologische Internationalismen und Somatismen. Für eine völlige Übereinstimmung ist zwischen dem Deutschen und Finnischen ein etwas höherer Äquivalenzgrad festzustellen als zwischen dem Englischen und Finnischen. Zwischen dem Deutschen und Englischen ist der entsprechende Grad wesentlich niedriger, was jedoch zum Teil mit theoretischen Grundlagen des auf das Untersuchungsmaterial angewendeten Klassifikationsmodells zusammenhängt. Was die Gruppe der partiellen Äquivalenz betrifft, so stellte sich heraus, daß kleinere morphosyntaktische Unterschiede selten allein vorkommen. Öfter sind sie mit lexikalischen Unterschieden verbunden und werden dann der Gruppe partielle Differenz zugeordnet. Hier ist die Mannigfaltigkeit der Abweichungen im ganzen recht groß. Die Gruppe totale Differenz besteht überwiegend aus vollidiomatischen Phraseologismen, die meistens auf nationale Quellen zurückgehen. Nicht selten ist der Ursprung der betreffenden Ausdrücke in einer Sondersprache zu finden wie z.B. in der Sprache der Jäger, des Rittertums oder des Rechtswesens. Oft ist in einer oder zwei Sprachen fur ein Idiom mit einem kulturspezifischen Hintergrund keine idiomatische Entsprechung zu finden; es liegt dann idiomatische Nulläquivalenz vor. Auf der Basis des untersuchten Idiommaterials ist zwischen dem Englischen und Deutschen keine so enge phraseologische Beziehung zu beobachten, wie sie — im Vergleich mit dem Finnischen — wegen der sprachlichen Verwandtschaft und der geographischen Lage anzunehmen war. Unterschiede sind hier für verschiedene Ebenen zu beobachten: für die bildliche Grundlage, für die Struktur und für den Gebrauch. Obwohl das Finnische heute unter einem starken Einfluß des Englischen steht, scheint es noch eher eine europäische Phraseologietradition zu repräsentieren, bei der einmal die deutsche Sprache eine bedeutende Rolle gespielt hat. Es ist jedoch auch für die Verbidiomatik durchaus damit zu rechnen, daß ältere Ausdrücke allmählich von einem neueren, angloamerikanisch geprägten, Sprachgut überlagert werden. Die Idiome, die in letzter Zeit aus dem Englischen ins Finnische eingedrungen sind, gehören insbesondere der salopp-umgangssprachlichen Stilschicht an.

25

Früher hat es auch im Deutschen ein Idiom mit dem gleichen Bild wie im Englischen und Finnischen gegeben: in den Bart hineinlachen (Wander I 240).

Phraseologische Äquivalenz und Differenz

Abkürzungen (Finnisch) jklla jklle jkn jkta jku jllek jstak jtak

= = = = = = = =

jollakulla 'bei jemandem' jollekulle 'jemandem' jonkun 'jemandes' jotakuta 'jemanden' joku 'jemand' jollekin 'einer Sache (Dat.)' jostakin 'aus etwas' jotakin 'etwas'

87

88

Jarmo und Briitta Korhonen

Literatur 1.

Wörterbücher und Lexika

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2.

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90

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KNUD TROELS THOMSEN

Zur Gültigkeit lexikologischer Untersuchungen

Zusammenfassung: In vier Kleinstudien wird der Versuch unternommen, einerseits die Grenzziehung zwischen Lexikon und Syntax zu betrachten, andererseits das Problem der grammatischen 'Lehnkategorien' zu beleuchten. Abschließend wird erörtert, inwiefern die aufgegriffenen Fragen für die Lexikographie Konsequenzen haben sollten. Summary: In four small studies we discuss a. the borderlines between lexicon and syntax, and b. the problem of grammatical categories borrowed from other languages. Based on the discussions some assumed lexicographical implications are brought forward. Résumé: Dans quatre petites études, l'auteur tâche d'une part de mettre en question la délimitation du lexique d'avec la syntaxe, d'autre part d'élucider le problème des catégories grammaticales "empruntées". En conclusion, l'auteur discute dans quelle mesure les questions soulevées devraient avoir des conséquences pour la lexicographie.

1.

Einleitung

In diesem Beitrag wird die Auffassung vorgetragen, daß die Unterscheidung von langue/ parole1 für die Gültigkeit von Äquivalenzbetrachtungen bei kontrastiven lexikologischen Untersuchungen ausschlaggebend ist. Vier Themen werden berührt, die m.E. jeweils einen Aspekt der Notwendigkeit der Unterscheidung von langue und parole bei der kontrastiven lexikologischen Sprachbeschreibung darstellen, und das sind: 1. Ein Vergleich von Wortschatzelementen, 2. Zur Grenzziehung zwischen Lexikon und Syntax, 3. Die vorgetäuschte grammatische Kategorie Kentaur im Dänischen, deutsch: substantivierter Infinitiv und 4. Die Lehnkategorie Artikel im Dänischen. Die in diesem Beitrag gewählten Themen fallen auf den ersten Blick vielleicht nicht in den Kernbereich von Wortschatzvergleichen, sondern sind wegen ihres sprachstrukturellen Zuschnitts eher an der Peripherie der Lexikologie angesiedelt Die Wahl ist ganz bewußt getroffen, denn die Suche nach Grenzziehungen verleiht den Kernbereich des zu erörternden Themas Relief.

Die Dichotomie langue-parole wird in diesem Zusammenhang verwendet im Sinne von P. v. Polenz (1973), 127, der auf der langue-Seite zwischen individueller Sprachkompetenz und sozialem Sprachsystem, auf der parole-Seite zwischen individueller Sprachverwendung und sozialem Sprachverkehr unterscheidet. Dafi diese Darstellung der Existensformen von Sprache auch für kleinere Sprachgemeinschaften als Nationalsprachen verwendet werden kann, bleibt hier unberücksichtigt

92 2.

Knud Troels Thomsen

Eine Kontrastierung von Parolezeichen des Dänischen bzw. Deutschen oder Eine scheinbar lexikologische Untersuchung

Für zwei so eng verwandte Sprachen wie Deutsch und Dänisch läßt sich unschwer eine Übersicht über der Form nach gemeinsame Ableitungssuffixe erstellen. Aus der Vielfalt von Suffixen habe ich die anscheinend gebräuchlichsten ausgewählt, die eine sowohl semantische als auch syntaktische Funktion haben. Es handelt sich um die deutschen bzw. dänischen Adjektivsuffixe -bar/-bar und -lich/-lig. Der Untersuchungsgegenstand ist folgenderweise formuliert: Ist es möglich, auf formaler2 Basis Regeln dafür zu formulieren, wie die deutschen Ableitungssuffixe ins Dänische übersetzt werden können und umgekehrt?

Nicht sehr überraschend wurde festgestellt, daß es zwar möglich ist, sehr genaue Regeln dafür zu formulieren, wie die deutschen Ableitungen ins Dänische "hin-übersetzt" werden können und vice versa3,4: So ist es im Prinzip möglich, alle dänischen -¿>ar-Ableitungen auch im Deutschen durch eine -for-Ableitung wiederzugeben. Umgekehrt ist es möglich, auf formaler Grundlage wie z.B.: Verbtyp: transitiv/intransitiv/reflexiv, Ursprung: Deutsch/ Lateinisch, Phonologie: ± Vokalauslaut des Stammes, Entlehnung des Stammes od. der abgeleiteten Form aus dem Deutschen dänische -bar oder -lig "Übersetzungsäquivalente" zu deutschen -¿rar-Ableitungen zu definieren. Ebenso ist es möglich, nach gleichen Kriterien Regeln für die Übersetzung von -Z;g/-/¿c/í-Ableitungen in beide Richtungen zu geben. Es gelang am Ende der Untersuchung, eine ganze Batterie von formalen Regeln für die Übersetzung von jeder Ableitung in jede Richtung zu erstellen. Ein paar Beispiele:

Aus dem Deutschen ins Dänische: -ôar-Ableitungen (Angaben in Klammem verweisen auf die "Äquivalierungsregel(n)") abbaubar abgrenzbar abschätzbar absehbar angreifbar anwendbar applizierbar

'nedbryde/z'g (Urspr.: germ. = > -lig) 'afgraense//'g'(Urspr.: germ. = > do.) 'vurderôar' (Urspr.: lat.; Stamm: -ere => -bar) 'overskueög' (Urspr.: germ.; Stamm: Vokal = > -lig) 'angribelig' (Urspr.: germ. = > -lig) 'anvendelig' (Urspr.:germ. = > -lig) 'applicerfrar' (Urspr. :lat.; Stamm: -ere => -bar)

Aus dem Dänischen ins Deutsche: -/¿^-Ableitungen

2

Unter 'formal' wird in diesem Zusammenhang auch die Frage der syntaktischen Valenz in Form von Satzgliedern verstanden, obwohl diese Frage strenggenommen auch eine semantische ist.

3

Die Untersuchung is publiziert in: K. T. Thomsen (1993): Brudstykker af moderne dansk orddannelse, ARK 68, Handelsh0jskolen i K0benhavn, S. 64-72.

4

Unter 'wiedergeben' soll nicht eine lexikalisch und pragmatisch einwandfreie Übersetzung verstanden werden, sondern nur, daß die strukturelle Möglichkeit der Ableitung eines in etwa entsprechenden Lexems von L2 vorhanden ist.

Zur Gültigkeit lexikologischer Untersuchungen

anskuelig anvendelig forstâelig forudsigelig forventelig gavnlig udnyttelig opl0selig

93

'anschau/i'c/z' (in der Form aus dem Deutschen entlehnt) 'anwendter' (Verbtyp: transitiv, Urspr.: germ.: = > -bar) 'verständlich' (germ. Verbalsubstantiv m. Umlaut = > -¿ich) 'vorhersagte/·' (Verbtyp: transitiv, Urspr.: germ.: = > -bar) 'erwartter' ( do. ) 'nützlich' (abstrakt, intransitiv = > -lieh) 'nutzbar' (konkret, transitiv = > -bar) 'löslich' (reflexiv, germ. = > -lieh) 'lösbar' (transitiv = > -bar)

Was das Übersetzerische betrifft, so sind einerseits einige Äquivalierungen zwar denkbar, in der Praxis aber eher zweifelhaft in dem Sinne, daß andere Lexeme als die hier vorgeschlagenen Anwendung finden würden. Beispielsweise ist opleselig nur schwer mit lösbar und gavnlig nur schwer mit nutzbar gleichzusetzen. Andererseits ist eine solche Gegenüberstellung wie diese von sehr begrenztem Nutzen, weil nur Fragen der formalen und der strukturellen Möglichkeit, nicht die Frage der Zweckmäßigkeit oder Korrektheit der Übersetzung in einer gegebenen Textsorte beantwortet wird. Ob sich interlingual betrachtet die Ableitungselemente semantisch decken, wurde nur zum Teil untersucht, und zwar in Form von der Verbsemantik, die aufgrund von Satzgliedern erkennbar ist, und in Form von der Dichotomie konkret/abstrakt. Diese primitive Semantik gibt jedoch Hinweise darauf, in welchem Rahmen die Ableitungsmuster zu beschreiben sind. Da Semantik nur in begrenztem Umfang und Pragmatik gar nicht Untersuchungsgegenstand waren, kann die Untersuchung wohl kaum als eine lexikologische charakterisiert werden, so wie sie aus denselben Gründen auch nicht dem Lexikographen große Hilfe leistet. Hat eine solche Untersuchung überhaupt einen Zweck? Ja, sie dient wie angedeutet der Feststellung struktureller Gleichheiten in bezug auf die deverbative Adjektivableitung durch Suffix. Somit weiß man auch, daß die beiden Sprachen bei einer kontrastiven lexikologischen Untersuchung in diesem Punkt wenigstens teilweise durch dieselben strukturellen Kategorien beschreibbar sind. Die Untersuchung besagt jedoch nicht, daß dies in allen Fällen die treffende Beschreibungsweise darstellt. Für den Übersetzer ist das Ergebnis in dem Sinne von großem Nutzen, daß er weiß, daß die Möglichkeit der Textstrukturiening durch Ableitung vorhanden ist. Die eingangs gestellte Frage muß teilweise verneint werden. Erstens, weil für eine Übersetzung wichtige Fragen wie lexikalische Semantik und Pragmatik nicht behandelt wurden. Zweitens weil nicht dazu Stellung genommen wurde, welche andere Formen mit den Ableitungselementen konkurrieren, wie z.B. finite Reflexiwerben gegenüber -Z/c/i-Ableitung bzw. Passivform gegenüber Ableitung usw. Antwort auf diese Fragen leistet nur eine Gesamtuntersuchung, die /»aro/e-Ausdrücke im /a/zgi/e-Zusammenhang erklärt.

94 3.

Knud Troeìs Thomsen

Zur Grenzziehung zwischen Lexikologie und Grammatik

Zur Veranschaulichung dieses Problems, muß die Adjektivableitung durch Suffix wieder herhalten. Wortbildung wird in der deutschen Tradition (Henzen (1965), Fleischer/Stepanowa (1985), Baiz (1988)) mit zwei Funktionen verbunden, einer syntaktischen und einer nominativen. Bei der Ableitung scheint es jedoch zweckmäßig, von vier Funktionen auszugehen: 1.

Semantische Modifizierung, wo kein Wortklassenwechsel vollzogen wird, z.B. grünlich

2.

Syntaktische Strukturiemng, wo von Wortklassenwechsel und Wortfolgeänderung und evtl. von semantischer und syntaktischer Reduktion,3 nicht aber von semantischer Modifizierung die Rede ist, z.B. vierbeinig

3.

Kombinationen aus 1. und 2. (löslich), und schließlich

4.

Nomination (Vierbeiner).

Es liegt auf der Hand, semantische Modifizierung und Nomination als typisch lexikologische Untersuchungsthemen zu betrachten. Wenn es sich um syntaktische Modifizierung oder um Kombinationen von semantischer und syntaktischer Modifizierung handelt, ist die Zuordnung zur Lexikologie vielleicht weniger eindeutig. - Hier soll untersucht werden, ob es sich anders verhält, wenn die semantische Modifizierung zugleich eine syntaktische Veränderung hervorruft, wie dies beim Wortklassenwechsel durch Affigierung häufig der Fall ist. Auf der einen Seite ist die inhaltliche Verwandtschaft von Ableitung und Basis (Wurzel oder Stamm) unleugbar, z.B. sich lösen = > löslich, schweißen = > schweißbar, auf der anderen Seite ist die Ableitung am häufigsten auch mit einer syntaktischen Umfunktionierung verbunden. Wenn die Umfunktionierung unabhängig vom Bedeutungsgehalt des Affixes erfolgt, wenn also Syntax und Semantik deutlich auseinandergehalten werden können, sollte die Trennung von Lexik und Syntax gut möglich sein. Ein Vergleich von sich lösen mit lösen mündet grob gesagt in die Feststellung, daß das transitive Verb lösen durch -bar, das intransitive Verb sich lösen durch -lieh abgeleitet wird. Diese Ableitungsmuster sind generell im Deutschen (Thomsen 1993). Es liegt hier anscheinend eine suffixale Markierung vor, so daß -bar eben markiert, daß von einem transitiven Stamm abgeleitet wurde, während -lieh eine intransitive Ableitungsbasis markiert. Sehr deutlich wird die Markierungsfunktion bei Verbstammhomonymie, so z.B. löslich, wie in lösliche Verbindungen (Chemie) gegenüber lösbar in z.B. lösbare Verbindungen (Maschinenbau), denn hier ist das Suffix die einzige Markierung von der Transitivität/Intransitivität (und der damit verbundenen Semantik) der Basis! D.h. die genannten Ableitungselemente lassen in der Ableitung soviel Semantik erkennen, wie sie aus der Valenz hervorgeht. Mit Valenz sind hier sowohl die syntaktischen Glieder des Verbs als ihre semantischen Rollen gemeint. Die Suffixe modifizieren aber nicht nur Verbstämme. Sowohl in Aussagesätzen als in Nominalsyntagmen werden sowohl Verb wie (logisches) Objekt/ Subjekt modifiziert, und zwar so, daß das Verb primär syntaktisch (Wortklassenwechsel) das Objekt/Subjekt primär semantisch (Qualifizerung durch das adjektivische Verb) modifiziert wird. Da nicht alle transitiven

^ In diesem Fall kann dann von semantischer und syntaktischer Reduktion gesprochen werden, wenn davon ausgegangen wird, daß vierbeinig eine Kondensierung des Ausdrucks: mit vier Beinen ist.

95

Zur Gültigkeit lexikologischer Untersuchungen

Verben durch -bar und nicht alle intransitiven Verben durch -lieh abgeleitet werden können, bedeutet das, daß die Suffixe auch insofern Semantisches enthalten, als nur Verben mit bestimmten Subjekten/Objekten durch ebendiese Suffixe modifiziert werden können. So müssen die Subjekte/Objekte über solche Eigenschaften verfügen, daß sie sich durch die erwähnten Suffixe modifizieren lassen, und diese Eigenschaften sind in den Suffixen enthalten. Auch in der semantischen Beschreibung der Ableitungssuffixe tritt die Interdependenz von Syntax und Semantik hervor. Zur semantischen Beschreibung gelangen wir vorerst durch Paraphrasierung der deverbativen Wortbildungen in finite Formen.6 Daher muß die Beziehung zwischen Paraphrase und Paraphrasiertem eine annähernd synonymische sein: Salz löst sich in Wasser = > Salz ist wasserlöslich, Salz geht in Lösung gegenüber Der Vorarbeiter schweißt den Stahl = > schweißi werden?

Stahl ist schweißbar, Stahl kann (von jem.) ge-

Wenn nun der Lexikologe die Bedeutung der Ableitungssuffixe beschreiben will, kann er um die Paraphrase nicht umhin, und das Sem Autonomie oder Selbsttätigkeit bei löslich (intransitiver Stamm) so wie das Sem von außen kommende Instanz (= der Schweißer) bei lösbar (transitiver Stamm) treten notwendig in Erscheinung. Des weiteren können wir nur zu den ¿ö/igMe-Zeichen gelangen, wenn wir ihre semantischen Ko- und Interrelationen beschrieben haben, und dazu brauchen wir eben die Paraphrasen. Somit läßt sich folgern, daß, jedenfalls bei Wortbildungssuffixen, die sowohl eine semantische als eine syntaktische Funktion haben, Syntax von Semantik nicht ohne weiteres getrennt werden kann. Das um so mehr, als die Ableitung modifikatorische Konsequenzen für sowohl die Basis als auch für das nachfolgende nominale Glied hat. Daher sollten diese Suffixe in einem größeren Zusammenhang betrachtet werden, die über die Wortgrenze hinausgeht. Aus der Sicht der Kontrastierung, tritt der Zusammenhang von Lexik und Syntax besonders dann hervor, wenn strukturelle Unterschiede der beiden Sprachen vorhanden sind. Z.B. wenn im Dänischen keine entsprechende deverbative Ableitung zu einer deutschen -bar- oder -/i'c/t-Ableitung gefunden werden kann. In dem Falle muß entweder ein anderes Lexem oder eine umschreibende konkurrierende Form gefunden werden. Im letzteren Fall stellt sich die Frage, von welcher parole-Einheit nun tatsächlich die Rede ist, wenn überhaupt bei einer Paraphrase von einer Einheit gesprochen werden kann.

6

Diese kann dann nachfolgend durch Oppositionen, vor allem paradigmatischen Vergleichen erweitert werden, aber die inhaltlichen Oppositionen müssen auch durch Paraphrase erschlossen werden. D.h. der Paraphrase kommt die Rolle des Primats gleich.

7

So auch Henzen (1965,207 nach Hotzenköcherle 1962,325f): "eine klare Funktionalisierung von - 'bar' um die Achse passivisch-potentieller Bedeutung" und (VDI2273) [hat] -bar [eine] passive Bedeutung, drückt dann die Möglichkeit aus, sich fähig zu etwas zu machen oder fähig zu etw. zu werden.

96 4.

Knud Troels Thomsen

Die vorgetäuschte Kategorie8 substantivierter Infinitiv im Dänischen

Man kann berechtigterweise die Frage stellen, was ein Befund über eine einzelsprachliche Kategorie mit kontrastiver Lexikologie gemeinsam hat? Die Antwort ist, daß gleichgültig von welcher Kategorie aus ein Vergleich durchgeführt werden soll, sei sie inhaltlich oder nicht, sie einen natürlichen Zarcgue-Stellenwert in der Einzelsprache haben muß. In der europäischen grammatischen Tradition ist es üblich (gewesen), viele (oder alle) Beschreibungskategorien (BK) einer älteren Grammatiktradition, typisch der lateinischen und/oder der griechischen zu entnehmen. Das ist nicht immer glücklich, weil das u.a. zu kategoriellen Lücken jeglicher Art oder zu vorgetäuschten Kategorien führen kann. Einige eklatante Fälle vorgetäuschter Kategorien bestehen im Dänischen und das sind u.a. 1. die Wortklasse der Artikel und 2. die Flexionskategorie der substantivierten Infinitive. Per Tradition (Hansen 1967, Bd. 2, 279-81) werden die dänischen substantivierten Infinitive (SI) den deutschen ditto ohne weiteres gleichgestellt.9 Es gibt zwar Parallelen, so haben beispielsweise weder deutsche noch dänische SI Numerusflexion, aber auch sehr viele Unterschiede. Im Dänischen können die Infinitive nicht mit einem objektiven Genitiv kombiniert werden, was im Deutschen sehr häufig ist: das Fahren der Strecke, das Malen des Bildes usw. Im Deutschen sind auch statische Verben substantivierbar: das Verstehen der Arithmetik fiel ihm immer schwerer, sein jahrzehntelanges Wohnen in Berlin hat ihn nicht besonders geprägt. Im Gegensatz zu den deutschen SI, können die dänischen nicht im Genitiv, dem einzigen obliquen Substantivkasus, flektiert werden. Was die linksseitige Determination betrifft benehmen sich die dänischen SI wie Substantive. Sie können von pronominalen wie adjektivischen Determinantien bestimmt werden: den megen snakken ('das viele Reden'). Rechtsseitig aber benehmen sie sich im Unterschied zu den deutschen SI wie Verben: hendes forbaskede blanden tingene sammen = > hun blander tingene sammen ('ihr verflixtes Vermischen der Sachen' = > 'sie vermischt die Sachen'). Die Objekte (direktes und indirektes), Adverbiale, Prädikative, Präpositionalobjekte sind in gleicher Art positioniert wie bei einem finiten Verb. Die erwähnten Unterschiede bezeugen an sich in mehrerer Hinsicht eine Nichtparallelität und begründen, weshalb die SI der beiden Sprachen nicht ohne weiteres parallelisiert werden dürfen. Diese Feststellung ist aber bloß der erste Schritt des Sprachvergleichs, denn die Nichtparallelität läßt darauf schließen, daß größere systemische Unterschiede zwischen Deutsch und Dänisch vorhanden sind, als bisher angenommen wurde. Und zwar ist (noch) unklar, in welchem System SI in der jeweiligen Sprache eingebettet sind, m.a.W. ist unklar, welchen Stellenwert den SI jeweils zugeschrieben werden soll. Heltoft und Hansen meinen, daß die Kentaure, wie sie sie im Dänischen nennen, in das System der Aktionsarten eingebettet sind. Ob das für Deutsch zutrifft ist unklar, denn die SI des Deutschen sind meines Wissens nicht aus der Perspektive beschrieben worden. Ein Sprachvergleich in puncto SI ist demnach erst dann möglich, wenn a. die Kategorie der SI in ihrer jeweiligen sprachintemen Einbettung beschrieben worden ist und b. wenn festgestellt worden ist, in welchen semantischen Systemen die zu vergleichenden Kategorien jeweils eingebettet sind.

8

Terminus nach Rein 1983.

9

Die sprachlichen Daten dieses Abschnittes sind dem Artikel von Heltoft und Hansen 1994 entnommen.

97

Zur Gültigkeit lexikobgischer Untersuchungen

5.

Sprachinterne Anomalie oder Gibt es eine Wortklasse Artikel im Dänischen?

In dänischen Grammatiken wird per Tradition mit einer Wortklasse Artikel operiert.10 Der Artikel hat im Dänischen morphologisch prinzipiell zwei Formen, eine vorangestellte en/den bil (=em/das Auto) und eine sogenannte nachgehängte: bilen (=das Auto). Mit der in der lateinischen Tradition beschriebenen deutschen Sprache verglichen, scheint diese Gegenüberstellung auf den ersten Blick sinnvoll zu sein, weil es unmittelbar möglich erscheint, sinnvolle Ubersetzungen in beide Richtungen vorzunehmen. Die Gegenüberstellung ist jedoch falsch. Es gibt allem Anschein nach keine Wortklasse Artikel im Dänischen, sondern nur eine schier pronominale Funktion Artikel. 1986 wurde eine größere kontrastive Arbeit Ober den Artikelgebrauch im Dänischen und Deutschen veröffentlicht (Siehe Hansen, G. 1986). In dieser Arbeit werden zwar wichtige Beiträge der dänischen und der deutschen Diskussionen zum Thema Artikel referiert, es wird aber zur Affinität zwischen Pronomen und Artikel nicht Stellung genommen. D.h. der Ausgangspunkt als solcher wird nicht in Frage gestellt und die Diskussion Diderichsens nicht wieder aufgenommen. Und das ist verwunderlich, weil sowohl freie lexikalische Morpheme wie en (ein), den (der, die) als auch Flexive -en, -0 beide als Wortklasse bezeichnet werden (vgl. Diderichsen 1976, 54, G.Hansen 1986). Zweitens werden den beiden Morphemklassen verschiedene semantische Klassen zugeordnet, u.z. für die lexikalischen Morpheme: Bestimmtheit, für die Flexive: Bekanntheit, (Vgl. Aa. Hansen 1967, Bd. 2, 166ff). Es wäre von einem dänischen Gesichtspunkt aus aber zweckmäßiger, ein Schema aufzustellen mit den beiden semantischen Klassen als Gliederungskriterium, statt wie jetzt, ein inkonsistentes Wortklassenkriterium gelten zu lassen. Das Schema kann folgenderweise dargestellt werden:

Determinatoren Bekanntheit bekannt Sg.

8

-en/-et

Bestimmtheit unbekannt

bestimmt

unbestimmt

PI.

Sg.

PI.

sg.«

PI.

Sg·8

PI.

-(e)ne

-01-0

-0*

den/det

de

en/et

nogle**

8

Der Schrägstrich trennt die Formen der beiden Genera: Commune bzw. Neutrum * - 0 meint, daß über das Pluralflexiv hinaus, nichts ergänzt wird, die Pluralflexive sind (von Wurzeländerungen abgesehen) -0/-e/-(e)r ** Es gibt wahrscheinlich mehr Möglichkeiten. Die semantische Basis für diese Einteilung baut darauf, ob es sich um eine ganze, geschlossene Menge handelt (Bekanntheit) oder um eine Teilmenge (Bestimmtheit). a.

Spiser De fisk? ('Essen Sie Fisch?') (unbekannt, ganze Menge) Hier ist von der (ganzen) Menge aller denkbaren Fische die Rede)

10

Diderichsen (1976, 530, z.B., diskutiert in seiner Grammatik, ob es überhaupt berechtigt ist, von Artikeln zu sprechen, da keine einheitliche morphologische Klasse von Wörtern vorhanden ist.

98

Knud Troels Thomsen

b.

Spiser Defisken ? ('Essen Sie den Fisch? ') (bekannt, ganze Menge)(ganze, geschlossene Menge)

c.

Spiser De den flsk? ('Essen Sie den Fisch?') (bestimmt, Teilmenge)(Teilmenge: andere Fische kümmern mich nicht)

d.

Spiser de en fish? ('Essen Sie einen Fisch?')(unbestimmt, Teilmenge)(Teilmenge: aus der ganzen Menge von Fischen)

e.

Spiser De én flsk? ('Essen Sie einen Fisch?') Zahlwort + Betonung!

f.

Spiser De de fisk? ('Essen Sie die Fische?')(bestimmt/Teilmenge)(Teilmenge: aus der ganzen menge von Fischen)

g.

Spiser De nogle fisk?ÇEssen Sie einige Fische?')(bestimmt/Teilmenge)(Teilmenge: aus der ganzen Menge von Fischen)

Die Einteilung dänischer (sogenannter) Artikel ist wegen der vorgetäuschten Kategorie Artikel m.E. nicht auf der Grundlage ihrer eigener Prämissen erfolgt, was zu inkonsistenter Kategorienbildung geführt hat. Das hat bei einer kontrastiven lexikologischen Untersuchung, so wie sie in Hansen (1986) erfolgt ist, zur Konsequenz, daß von parallelen und unmittelbar vergleichbaren Kategorien ausgegangen wird. Nach der hier vorgeschlagenen Beschreibung liegen folgende Verhältnisse vor:11 KATEGORIE Wortklasse Funktion

DEUTSCH

DÄNISCH

Artikel, Pronomen

Pronomen Artikel

Es versteht sich von selbst, daß diese kleine Übersicht auch nicht das Problem erfaßt. Denn, wie eingangs angedeutet, müßte die Diskussion alle Pronomina mitsamt ihren Affinitäten zu anderen Wortklassen wie Konjunktionen, Adverbien und Adjektiven mit einbeziehen. Aber eine solche Untersuchung würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Aus diesem Grund sollte bei jeder Kontrastierung kontrolliert werden, ob eine einzelsprachliche Kategorie tatsächlich ein organischer Teil der jeweiligen Sprache ist, oder ob es eine Lehnkategorie ist, die aus einer Sprachbeschreibungstradition einer anderen Sprache übernommen wurde. So gibt es im Deutschen keine morphologische Kategorie Bekanntheit. Es gibt Wahrscheinlich eine phonologische Kategorie Bekanntheit, und zwar betontes vorangestelltes Artikelwort, diese Kategorie aber ist dadurch zustandegekommen, daß das die Weise ist, in der die dänische Kategorie Bekanntheit im Deutschen wiedergegeben wird. Ob es eine phonologisch begründete grammatische Kategorie im Deutschen ist, kann hier nicht kommentiert werden.

11

Es wird hier nicht zum deutschen Pronominal- bzw. Determinationssystem Stellung genommen.

Tur Gültigkeit lexikologischer

6.

Untersuchungen

99

Metalexikographische Implikationen der erörterten Fragen

Im folgenden wird im Verhältnis zum obigen Text in umgekehrter Reihenfolge verfahren. Das geschieht aus praktischen Gründen, da es einsichtiger ist, von dem Wortklassenbegriff zur Syntax zu gelangen als von der Syntax zur Wortklasse. Was die obigen Kleinstudien zusammenbindet, ist aus der Sicht der Kontrastierung die Frage der Äquivalenz. Wie oben dargelegt, ist es, selbst aus eurozentrischer Perspektive, wo viele Sprachen mit einem mehr oder weniger gemeinsamen Bündel von sprachlichen Kategorien operieren, nicht unbedingt möglich, zwischensprachlich wortklassengleiche Inhaltsäquivalente zu finden. Das heißt, daß man als Lexikograph oder Übersetzer auf entweder Paraphrasen oder auf Wortklassen- mit gleichzeitigem Syntaxwechsel angewiesen ist. Dazu kommt noch insbesondere für Lexikographen und -logen das Problem, daß die Wortklassen oft nicht einmal in der einzelnen Sprache einheitlich definiert sind. Handelt es sich um Verben oder Substantive ist die Abgrenzung der Wortklassen relativ einfach, weil diese Klassen nur in begrenztem Umfang Affinität zu anderen Wortklassen aufweisen. Anders verhält es sich mit Adjektiven, die Affinität zu vor allem pronominalen und adverbialen Wörtern haben, während die gegenseitige Abgrenzung der Wortklassen Konjunktionen, Pronomina, Präpositionen, (Artikel) und Adverbien sehr undurchsichtig ist. Was letztere Klassen betrifft, so werden sie eher stiefmütterlich behandelt. Das hängt m.E. damit zusammen, daß die Wortklassenabgrenzung anscheinend eher auf der Basis von Tradition, als auf der Grundlage einer theoriegebundenen Untersuchung des ganzen Wortschatzes erfolgt ist. Sehr klar kommt dieser Mißstand zum Ausdruck in teils dem metasprachlichen Vokabular, teils in den Bedeutungserklärungen in (einsprachigen) Wörterbüchern. Daß es relevant ist, die einsprachigen Wörterbücher heranzuziehen, kann damit begründet werden, daß sie oft als Basis für zweisprachige Werke verwendet werden. Das bedeutet, daß die dort verzeichneten Fehler oder Ungenauigkeiten schier übernommen werden. Zu unserem Zweck wurden WDG und DUDEN untersucht. Das Lemma 'Konjunktion' wird so erklärt: (WDG) "Bindewort: eine beiordnende, unterordnende K.", während die Erklärung für 'Bindewort' folgende Ausformung hat: " Wort, das Satzglieder miteinander verbindet, Konjunktion: ein beiordnendes, unterordnendes B." Im DUDEN lauten die Erklärungen folgendermaßen: 'Konjunktion' : "Bindewort", und 'Bindewort':" Wort, das [Gliedjsätze, Haupt- und Gliedsatz od. Satzglieder verbindet, Konjunktion." Das Lemma 'Präposition' heißt im WDG:" Verhältniswort: 'an', 'in', 'neben' sind Präpositionen", während 'Verhältniswort' so erklärt wird: "Präposition". Im DUDEN lauten die Erklärungen so: 'Präposition':"Verhältniswort (z.B. auf, in) und 'Verhältniswort': "Wort, das Wörter zueinander in Beziehung setzt u. ein bestimmtes (räumliches, zeitliches o.ä.) Verhältnis angibt, Präposition (z.B. der Ball liegt auf/in/unter dem Schrank). Aus diesen Beispielen dürfte ersichtlich sein, daß keine operationelle Wortklassenabgrenzung zwischen Präposition bzw. Konjunktion erfolgt ist. Denn in dem Fall, wo Satzglied = Wort ist, und das kommt sehr häufig vor, reichen die unterscheidenden Merkmale nicht hin. Noch schlimmer ist die Lage bei pronominalen Ausdrücken, da insbesondere die Kategorie der sogenannten indefiniten Pronomina zu einer Art Mülleimer geworden ist. Das Wort 'selbst' wird beispielsweise in sowohl WDG als DUDEN als Pronomen beschrieben, obwohl sich 'selbst' in keiner Hinsicht benimmt wie z.B. die persönlichen Pronomina. So kann 'selbst' nie alleine vorkommen, ein anderes nominales Glied ist unabdingbar, was wiederum heißen muß, daß 'selbst' ein Argument erfordert, also über Valenz verfügt, was für die persönlichen nicht und für die possessiven Pronomina nicht unbedingt der Fall ist.

100

Knud Troels Thomsen

Die Verbindung zwischen dem soeben Dargelegten und der obigen Erörterung der Wortklasse Artikel und der Kategorie Kentaure im Dänischen ist nicht schwer zu ziehen, und es dürfte klar sein, daß Traditionen zwar oft sehr nützlich sein können, sie aber keine ewigen Wahrheiten sind. Auch Traditionen bedürfen einer Überholung insbesondere dann, wenn neue Einsichten es begründen. Die andere aufgeworfene Hauptfrage der Grenzziehung zwischen Lexik und Syntax erhebt u.a. die lexikographisch wichtige Frage, in welcher Weise syntaktische Paraphrasen lexikalischer Einheiten in Wörterbuchartikel aufzunehmen sind, wenn überhaupt.12 Mit anderen Worten handelt es davon, ob und wie konkurrierende Formen jeglicher Art verzeichnet werden sollen. Aus der Sicht der zweisprachigen Lexikographie stellt sich die Frage, wie Inhalte, die in den Sprachen X und Y entweder durch jeweils verschiedene Lexeme oder durch Paraphrasen wiedergegeben werden sollten, ins Wörterbuch aufzunehmen sind. Es ist wohl über jeden Zweifel erhaben, daß es für den Übersetzer sehr nützlich wäre, zwischen mehr in synonymischer Beziehung zueinander stehenden Konstruktionen wählen zu können, da er dann sehr oft eine treffende Konstruktion wird finden können. Daß dem Lexikographen diese Arbeit kaum zuzumuten ist, sollte uns jedoch nicht daran hindern, das Desiderat vorzutragen. Die Erfüllung dieses Desiderats setzt jedoch voraus, daß entschieden werden kann in welcher Beziehung sprachliche Ausdrücke zueinander stehen, und daß folglich entschieden werden kann, wann die Paraphrasenmöglichkeiten erschöpft oder irrelevant sind bzw. welche Paraphrasen mitkommen und welche nicht. Das wiederum verlangt eine in sich geschlossene und konsistente Grammatik, die dann als grammatische Basis des Wörterbuchs dient. Paraphrasen oder nicht, so möchte ich auf der Grundlage des in diesem Beitrag Vorgetragenen den Vorschlag unterbreiten, eine begründete Wahl einer bestimmten Grammatik als Basis für die lexikographische oder lexikologische Arbeit zugrunde zu legen, um dadurch so konsistente Aussagen über die Sprache(n) wie möglich formulieren zu können.

Literatur Barz, Irmhild (1988): Nomination durch Wortbildung. - Leipzig. Diderichsen, Paul (1976): Elementer Dansk Grammatik, 3. udg. 7. oplag. - Kabenhavn: Gyldendal. DUDEN: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden. Bibliographisches Institut Mannheim/ Wien/Zürich. Dudenverlag. Bd.l A-Ci 1976; Bd. 2 Ci-F 1976; Bd. 3 G-Kal 1977; Bd. 4 Kam-N 1978; Bd.5 O-So 1980; Bd. 6 Sp-Z 1981. Hansen, Aage (1967): Moderne dansk, Bd. 1-3. - Kebenhavn: Grafisk Forlag. Hansen, Gyde (1986): Kontrastive Analyse des Artikelgebrauchs im Dänischen und Deutschen. - Kebenhavn: Nyt Nordisk Forlag. Hansen, Erik & Heltoft, Lars (1994): Kentaurnominaler i dansk. - In: Irène Baron (Red.) NORDLEX-Projektet, Sammensatte substantiver i dansk, Lambda Nr. 20, (Kopenhagen: Handelshejskolen i Kjabenhavn) 57-68. Henzen, Walter (1965): Deutsche Wortbildung. - Tübingen: Niemeyer. Hotzenköcherle, R. (1962): EntwicklungsgeschichtlicheGrundzügedes Neuhochdeutschen. - In: Wirkendes Wort 12. Kromann, Hans-Peder (1978): Ein vergleich von dänischer und deutscher grammatik anhand morphologischer und syntaktischer beispiele. - In: CEBAL No. 4, (Kopenhagen: Nyt Nordisk Forlag) 23-46.

12

Diese Problemstellung ist auch von Hausmann/Otto (1989), Lötzsch (1989) und Martola (1995) berührt worden.

Zur Gültigkeit lexikologischer Untersuchungen

101

Hausmann, Franz Josef/Wenier, Reinhold Otto (1989): Spezifische Bauteile und Strukturen zweisprachiger Wörterbücher. - In: Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Band 5, Teilband 3, Wörterbücher (Berlin. New York: de Gruyter) 2729-2769. Lötzsch, Ronald (1989): Die Komposita im zweisprachigen Wörterbuch. - In: Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Band 5, Teilband 3, Wörterbücher (Berlin. New York: de Gruyter) 2779-2782. Martola, Nina (1995): Substantiv avledda av adjektiv och verb i nàgra ordböcker med fínsk som källsprik. - In: LexicoNordica 2 (im Druck). Polenz, Peter von (1973): Sprachkritik und Sprachnormenkritik. - In: Angewandte Sprachwissenschaft und Deutschunterricht, 118-167, hrsg. von Gerhard Nickel, München. Rein, Kurt (1983): Einführung in die kontrastive Linguistik. - Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft Stepanowa, Marija D./Fleischer, Wolfgang (1985): Grundzüge der deutschen Wortbildung. - Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. Thomsen, Knud Troels (1993): Bnidstykker af moderne dansk orddannelse, ARK 68 (Kopenhagen: Handelshejskolen i Kebenhavn). WDG: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. l.Bd. A-deutsch 1961; 2.Bd. Deutsch-Glauben 1967; 3.Bd. glauben-Lyzeum 1969; 4.Bd. M-Schinken 1975; 5.Bd. Schinken-Vater, voter- 1976; 6.Bd. väterlichZytologie 1977. - Berlin: Akademie-Verlag.

GISELA HARRAS

Eine Möglichkeit der kontrastiven Analyse von Kommunikationsverben

Zusammenfassung: In dem folgenden Beitrag wird eine sprachunabhängige Basis entwickelt zur Beschreibung von Sprechaktverben für jede beliebige Sprache. Die Tragfähigkeit dieser Basis wird an zwei Beispielen verdeutlicht: einmal an der Demonstration von Lexikali sierungstendenzen für das Deutsche und zum andern an der Kontrastierung der Strukuren des deutschen und des englischen Wortfelds für "lügen". Summary: The following contribution will deal with the possitility of constituting a conceptual base for describing speech act verbs indepently of any language. The utility of this base will be shown by two examples: first by the demonstration of some cases of lexicalization in German and secondly by contrasting the structures of the German and the English wordfield for "to lie". Résume: La contribution suivante contient une conception d'une base universelle pour décrire des verbes de communication d'une langue quelconque. La capacité de cette base sera élucidé en mettant en relief quelque cas de lexicalisations en allemand et en contrastant la structure du champ de mot allemand pour "mentir" avec celle du champ de mot anglais.

1. Eine Basis für Kontraste: Rekurssituationstypen Alle Sprachen verfügen über Ausdrücke, mit denen auf sprachliche Handlungen Bezug genommen werden kann, d.h. auf Situationen, die ganz allgemein dadurch charakterisiert sind, daß jemand, ein Sprecher, einem Hörer im Sinn von angesprochenem Adressaten, etwas mit einer bestimmten Absicht sagt. Dieser Typ von Situation mit seinen standardmäßigen Situationsrollen - einem Sprecher, einem Hörer, einem Äußerungprodukt sowie einer komplexen kommunikativen Einstellung des Sprechers - wird als ein konzeptuelles Setting verstanden, das konstitutiv ist für die Verwendungsmöglichkeiten der entsprechenden Prädikate in einer beliebigen Sprache. Ich nenne ihn den zugrundeliegenden allgemeinen Rekurssituationstyp, der die Basis liefert für weitere Spezifikationen, indem den entsprechenden Situationsrollen bestimmte Eigenschaften (Attribute) zugeordnet werden, für die jeweils bestimmte Ausprägungen dieser Eigenschaften (Attributwerte) spezifiziert werden können. Die relevanten Eigenschaften sind die folgenden: (1)

für das Äußerungsprodukt die Eigenschaft seines propositionalen Gehalts;

(2)

für die kommunikative Einstellung des Sprechers die Eigenschaft seiner Einstellung zu dem Gesagten, z.B. ob er es glaubt, will oder gut bzw. schlecht findet, technisch ge-

Eine Möglichkeit der kontrastiven

Analyse..

103

sprachen: die propositionale Einstellung sowie die Eigenschaft der intentionalen Einstellung oder Sprecherabsicht und weitere situative Bedingungen aus der Sicht des Sprechers, die zusammenfassend Interaktionswelt des Sprechers genannt werden soll. Durch die Zuordnung dieser Eigenschaften zu den genannten Rollen sowie die weitere Zuordnung der Ausprägung dieser Eigenschaften werden spezielle Rekurssituationstypen aufgebaut, die jeweils den konzeptuellen Rahmen abgeben für die Klassifizierung von Teilmengen kommunikativer Verben. Für die Eigenschaften des propositionalen Gehalts gibt es die folgenden Optionen: Jeder propositionale Gehalt repräsentiert einen Geschehenstyp, der als Zustand, Ereignis oder Handlung ausgeprägt bzw. diesbezüglich auch unbestimmt sein kann. Im Fall, daß der Geschehenstyp eine Handlung darstellt, gibt es verschiedene Ausprägungen des Rollenbezugs, je nachdem ob der Handlungsträger der Sprecher (z.B. bei versprechen), der Hörer (z.B. bei bitten) oder Sprecher & Hörer (z.B. bei vorschlagen) ist. Für alle Ausprägungen des Geschehenstyps gibt es Optionen für ihren Zeitbezug: vergangen (z.B. für tadeln), gegenwärtig (?), zukünftig (z.B. für ankündigen) sowie die Option der Unbestimmtheit des Zeitbezugs (z.B. für informieren). Insgesamt ergibt sich somit die folgende Optionsverteilung für die Ausprägungen des propositionalen Gehalts:

Figur 1. propositionaler Gehalt

Rollenbezug

Für die propositionale Einstellung des Sprechers werden fünf Möglichkeiten von Eigenschaftsausprägungen vorgesehen: —

epistemische Einstellung



voluntative Einstellung



ordinative (einstufende) Einstellung

104

Gisela Harras



evaluative Einstellung



emotive Einstellung

Epistemische Einstellungen werden durch die Prädikate für wahr halten und kennen gekennzeichnet (zur Diskussion einer kommunikativen Epistemik vgl. Mudersbach (1984)). Im einzelnen ergibt dies die folgenden Verteilungen: S S S S S S S

hält für wahr: Ρ hält für wahr: nicht Ρ hält nicht für wahr: Ρ hält nicht für wahr: nicht Ρ hält für wahr: F ist zu Ρ ergänzbar kennt: Ρ kennt nicht: Ρ

(z.B. (z.B. (z.B. (?) (z.B. (z.B. {z.B.

behaupten) bestreiten) lügen) fragen) mitteilen) fragen)

Voluntative Einstellungen sind durch das Prädikat wollen gekennzeichnet (zur Semantik vgl. v. Wright (1977)). Es ergeben sich die folgenden Verteilungen: S S S S

will: Ρ will: nicht Ρ will nicht: Ρ will nicht: nicht Ρ

(z.B. bitten) (z.B. verbieten) (z.B. warnen) (?)

Die Differenzierung des Negationsskopus in der Einstellung einerseits und im Einstellungshalt andererseits ist durch das Kriterium der Thematisierung von Ρ im Vorkontext (explizit oder implizit) begründet, z.B. keine Thematisierung von Ρ für lügen, warnen vs. Thematisierung von Ρ für bestreiten, verbieten. Ordinative (einstufende Einstellungen) sind durch das Prädikat finden gekennzeichnet (zu Einstufungen vgl. Urmson (1974)): S findet: Ρ S findet: nicht Ρ

(z.B. beurteilen) (z.B. ablehnen)

Evaluative Einstellungen sind durch das Prädikat gut/schlecht finden gekennzeichnet: S findet: Ρ gut S findet Ρ schlecht

(z.B. rühmen) (z.B. kritisieren)

Emotive Einstellungen sind durch das Prädikat empfinden gekennzeichnet: S empfindet Freude (Ärger, Leid) wegen Ρ

(z.B. jubilieren, lamentieren)

Intentionale Einstellungen (Sprecherabsichten) sind durch das Prädikat wollen (vgl. v. Wright (1977)) gekennzeichnet: S will: H tut Ρ S will: H tut nicht Ρ S will: H tut R

(z.B. anordnen) (z.B. verbieten) (z.B. fragen)

S S S S

(z.B. bekräftigen) (z.B. bestreiten) (z.B. berichtigen) (?)

will: will: will: will:

H hält für wahr: Ρ H hält für wahr nicht Ρ H hält nicht für wahr Ρ H hält nicht für wahr nicht Ρ

105

Eine Möglichkeit der kontrastiven Analyse..

S will: H kennt Ρ S will: H kennt nicht: Ρ

(z.B. mitteilen) (z.B. verheimlichen)

S will: H findet: Ρ S will: H findet: nicht Ρ

(z.B. plädieren flir) (z.B. ausreden)

S will: H findet: Ρ gut/schlecht

(z.B. loben, tadeln)

S will: Q

(z.B. taufen)

(Q steht für eine institutionelle Tatsache)

S will: H erkennt: (S)

(z.B. versprechen, wehklagen)

(Φ steht für eine propositionale oder intentionale Einstellung)

Für die Interaktionswelt aus der Sicht des Sprechers gibt es neben kulturspezifischen Ausprägungen wie die Gebundenheit an bestimmte Institutionen die folgenden systematischen Ausprägungen: —

die Planzierung der Äußerung: initial (z.B. fragen), reaktiv (z.B. bestreiteri), re-reaktiv (z.B. beharren auf)



bestimmte Vorannahmen des Sprechers bezüglich relevanter Situationsumstände: erwartbar: Ρ erwartbar nicht Ρ nicht erwartbar: Ρ nicht erwartbar: nicht Ρ

(z.B. warnen) (z.B. ermähnen) (z.B. raten) (?)

im Interesse von S: Ρ im Interesse von S: nicht Ρ nicht im Interesse von S: Ρ nicht im Interesse von S: nicht Ρ

(z.B. bitten) (z.B. verbieten) (?) (?)

im Interesse von Η: Ρ im Interesse von H: nicht Ρ nicht im Interesse von Η: Ρ nicht im Interesse von H: nicht Ρ Η hält für wahr Ρ Η hält für wahr nicht Ρ Η hält nicht für wahr Ρ Η hält nicht für wahr nicht Ρ

(z.B. (?) (z.B. (?) (z.B. (z.B. (z.B. (?)

Η kennt: Ρ Η kennt nicht: Ρ

(z.B .fragen) (z.B. informieren)

Η findet: Ρ gut/schlecht

(z.B. schmeicheln, beleidigen)

Η empfindet Freude (Ärger, Trauer) wegen Ρ Η ist fähig, Ρ zu tun Η ist fähig, R zu tun

(z.B. trösten) (z.B. ermuntern) {z.B. fragen)

zusichern) warnen) zurückweisen) insistieren) behaupten)

106 2.

Gisela Harras

Wozu die Basis taugt: Lexikalisierungstendenzen im Deutschen und Kontraste von Wortfeldstrukturen Deutsch-Englisch

Die dargestellte konzeptuelle Basis ist aus zwei Gründen so exhaustiv wie möglich angelegt: (1)

Sie soll es gestatten, den spezifisch deutschen Lexikalisierungsraum im Bereich der kommunikativen Prädikate zu erfassen. Unter Lexikalisierungsraum ist zunächst die Menge aller lexikalischen Ausdrücke zu verstehen, für deren Bedeutung eine der möglichen Kombinationen von Attributwerten konstitutiv ist. Zum anderen soll der Begriff 'Lexikalisierungsraum' auch als Möglichkeit der Lexikalisierung von logisch möglichen Kombinationen von Attributwerten verstanden werden, d.h. er umfaßt außer den konkreten lexikalischen Einheiten des Deutschen auch mögliche Wörter (vgl. Baumgärtner (1977)). Bezüglich der Tauglichkeit der Basis für kontrastive Untersuchungen bedeutet dies, daß zunächst einmal alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die systematischen und idiosynkratischen Spezifika einer Sprache, in dem Fall des Deutschen, zu erfassen, um dann in einem nächsten Schritt Kontraste zu einer zweiten Sprache auf dem Hintergrund der Befunde von Lexikalisierungstendenzen im Deutschen zu ermitteln. Beispiele für Lexikalisierungstendenzen werden im folgenden Abschnitt gegeben und diskutiert werden.

(2)

Die konzeptuelle Basis soll darüber hinaus - ganz unabhängig von der Lexikalisierung in einer bestimmten Sprache - eine differenzierte - wenn man so will: im traditionellen Sinn onomasiologische - Grundlage für kontrastive lexikologische Untersuchungen abgeben, speziell für die Organisation von lexikalischen Paradigmen oder Wortfeldern. Im letzten Abschnitt dieses Beitrags werde ich dazu ein Beispiel diskutieren.

2.1

Lexikalisierungstendenzen im Deutschen

Lexikalisierungstendenzen im Deutschen lassen sich nach dem Ausmaß bestimmen, in dem bestimmte kommunikative Situationstypen als spezielle Rekurssituationstypen lexikalisiert sind oder auch nicht. Eine solche Bestimmung kann und soll natürlich kein Selbstzweck bleiben: ihre Ergebnisse können Ankerpunkte liefern für anschließende kontrastive Untersuchungen. Dies gilt in besonderem Maß für diejenigen Fälle, in denen logisch mögliche Kombinationen von Attributwerten mögliche spezielle Rekurssituationstypen darstellen, für deren Bezeichnung es im Deutschen keine lexikalischen Ausdrücke gibt. Ob diese Fälle dann auch tatsächlich Ankerpunkte für kontrastive Untersuchungen abgeben können, hängt zusätzlich davon ab, welche Erklärung für eine jeweilige lexikalische Lücke gefunden werden kann. Im folgenden werden vier Fälle von lexikalischen Lücken vorgestellt und Ansätze zu ihrer Erklärung vorgeschlagen: (I)

Die Unterscheidung der beiden möglichen Attributwerte 'Zustand* und 'Ereignis' für den Parameter 'Geschehenstyp propositionaler Gehalte' ist für das Deutsche nicht distinktiv: es gibt keine Verben speziell für die Lexikalisierung von so etwas wie "Ereignissagen" vs. "Zustandssagen"; dagegen gibt es ein "Handlungssagen", lexikalisiert durch alle direktiven und kommissiven Prädikate wie bitten, sich verpflichten, vorschlagen, raten usw. Wirklich distinktiv ist für das Deutsche nur die Unterscheidung "Handlung" vs. "beliebiger Sachverhalt".

Eine Möglichkeit der kontrastiven

Analyse..

107

Der Grund für eine solche Lexikalisierungslücke könnte in Relevanzprinzipien zu finden sein, die in einer Gruppe gelten: für eine Gruppe ist es für ihr Überleben als Gruppe wichtig, sich über zukünftige und vergangene Handlungen ihrer Mitglieder zu verständigen d.h. ihr Verhalten zu koordinieren und einschlägige Konventionen auszubilden. Man sollte meinen, daß dies für jede Gruppe gilt, so daß die Suche nach einer Sprache mit entsprechenden Lexikali sierungen vergeblich sein dürfte, aber vielleicht ist dies auch viel zu eurozentrisch gedacht! (2)

Für die Attributwerte des Parameters 'intentionale Sprechereinstellung' gibt es die beiden prinzipiellen Optionen: S will: H tut Ρ S will: H tut Ρ nicht

Im Deutschen gibt es keine eigene Lexikalisierung für Nicht-Tun oder Unterlassen von Hörerhandlungen bei einfachen Aufforderungen, d.h. es gibt keinen lexikalischen Ausdruck für 'auffordern, etwas nicht zu tun'. Der Einwand, das Deutsche habe das Verb verbieten ist nicht stichhaltig; verbieten heißt zwar 'auffordern, etwas nicht zu tun', impliziert aber darüber hinaus eine Art Vorkommunikation, die in etwa so formuliert werden kann: Ή hat den Wunsch, die Absicht geäußert, Ρ zu tun'. Das gleiche gilt für kommissive Prädikate mit sprecherrollenbezogener Handlung wie versprechen: für 'versprechen, daß nicht P' gibt es keinen lexikalischen Ausdruck. Die Verben entsagen und verzichten implizieren ebenso wie verbieten eine Art Vorkommunikation. Die gleiche Restriktion finden wir nun auch für repräsentative Prädikate wie behaupten, mitteilen, ankündigen usw. Für deren komplexe Gegenstücke mit implizierter Vorkommunikation wie zustimmen, zurückweisen, bestätigen, bestreiten usw. ist die Opposition Ρ vs. nicht Ρ distinktiv. Eine Erklärung dieser Lexikalisierungslücke scheint auf der Hand zu liegen: die komplexen Prädikate bezeichnen Rekussituationstypen, in denen Ρ bereits durch Vorkommunikation eingeführt ist, d.h. Ρ ist im Aufmerksamkeitsbereich oder in der kognitiven Umgebung von S und H manifest, so daß eine Festlegung bezüglich 'P:ja' oder 'P:nein' einen hohen Relevanzwert erhält. Diese Begründung ist pragmatischer Natur. Ob zur Erklärung solcher Lexikalisierungslücken auch allgemeine Prinzipien zur Strukturierung formaler Repräsentationen herangezogen werden können, wäre durch eine systematische Analyse zu prüfen. Würde dann die Antwort positiv ausfallen, wäre es müßig, nach Sprachen zu suchen, in denen entsprechende lexikalische Ausdrücke existierten. (3)

Für die möglichen Attributwerte des Parameters 'intentionale Sprechereinstellung' gibt es im Deutschen keine Lexikalisierungen von Kombinationen aus ihnen. Das mag trivial erscheinen, doch denkbar wäre z.B. die folgende Kombination: S will: H hält für wahr: Ρ S will: H findet: Ρ gut/schlecht

Die Kombination dieser beiden Attributwerte würde z.B. Prädikate hervorbringen wie *gutneinen, *miesjahen, *schlechtneinen u.ä., Prädikate also, mit denen sowohl das Bestehen eines Sachverhalts behauptet oder supponiert als auch dieser Sachverhalt bewertet wird. Solche Prädikate gibt es im Deutschen nicht. Existente Verben wie kritisieren, gutheißen, tadeln, loben usw. sind faktive Verben, mit denen das Bestehen der jeweiligen bewerteten Sachverhalte vorausgesetzt, präsupponiert wird. Eine vernünftige Erklärung für diese Lexkalisierungslücke ist nicht leicht zu finden: die Kombination ist logisch möglich und ihre Lexikalisierung würde dem Prinzip der lexika-

108

Gisela Harras

lischen Ökonomie entgegenkommen. Jedoch sollte man vorsichtig sein, aus dieser Beobachtung zu schließen, daß hier ein besonders geeigneter Ankerpunkt für kontrastive Untersuchungen vorläge: alle mir bekannten indogermanischen Sprachen verhalten sich bezüglich der Lexikalisierung der beiden Attributwerte genau wie das Deutsche. (4)

Bestimmte Attributwerte für den Parameter 'Interaktionswelt aus der Sicht des Sprechers', speziell solche für Sprecher- und Hörerinteressen, sind für Direktive und Kommissive im Deutschen Uberhaupt nicht lexikalisierbar: für Direktive wie auffordern gibt es keine Kombination der Sprecherintention: 'S will: H tut F mit der Vorannahme: 'nicht im Interesse von H: F . Das Prädikat zumuten, das einer solchen Kombination noch am ehesten entspräche, ist weder performativ verwendbar - allenfalls in solchen Formeln wie leider muß ich dir zumuten, daß... - noch eindeutig auf sprachliche Handlungen beziehbar. Für Kommissive wie versprechen gilt das gleiche: für den Fall, daß jemand jemandem etwas für ihn schlechtes verspricht, haben wir das Verb drohen, dessen problematische Werteverteilung in Wendungen wie ich drohe dir nur ungern zum Ausdruck kommt.

Schließlich sind Kombinationen mit negativen Sprecherinteressen nicht lexikalisiert: für nicht-sprachliches, altruistisches, sich selbst nicht schonendes Handeln gibt es das Verb sich aufopfern·, es gibt aber kein kommissives Prädikat, in dem sowohl die positive Wertung der Sprecherhandlung für den Hörer als auch die negative Wertung der Handlung für den Sprecher selbst lexikalisiert wäre. Daß solche Lexikalisierungen nicht vorkommen, könnte kommunikationsethische Gründe haben: mit ihnen würde eine Verletzung der angemessenen Distanz zwischen Sprecher und Hörer zum Ausdruck kommen, wobei die Angemessenheit der Distanz in der Balance zwischen der Vermeidung des Eingreifens in die Sphäre des anderen einerseits und der Vermeidung des Aufdringens der eigenen Sphäre andererseits bestünde. Allerdings ist für diese Fälle sicher in Rechnung zu stellen, daß die Variable der Angemessenheit bzw. Distanz zwischen Sprecher und Hörer in den verschiedenen Kommunikationsgemeinschaften unterschiedlich gedeutet werden kann, so daß hier in der Tat ein interessanter Ankerpunkt für kontrastive Untersuchungen - in erster Linie natürlich für nicht-indogermanische Sprachen -vorliegen könnte. Die hier diskutierten vier Fälle lexikalischer Lücken stellen natürlich nur einen kleinen Ausschnitt dar aus dem Möglichkeitsspektrum, das die konzeptuelle Basis zur Verfügung stellt. Inwieweit die Erklärungsansätze der Lexikalisierungstendenzen im Deutschen tragen, kann nur durch eine systematische Untersuchung aller Kombinationsmöglichkeiten geklärt werden.

2.2

Kontraste von Wortfeldstrukturen Deutsch-Englisch: das Lügen-Paradigma

Ausgangspunkt für die Konstituierung des Paradigmas ist der (komplexe) Aspekt des speziellen Rekurssituationstyps Repr.lüg. mit den folgenden Attributwerten: (1)

propositionaler Gehalt: unbestimmt

(2)

propositionale Einstellung von S: S hält nicht für wahr Ρ

(3)

intentionale Einstellung von S: S will: H hält für wahr Ρ

(4)

Vorannahme von S: Η kennt nicht: Ρ

Eine Möglichkeit der kontrastiven

Analyse..

109

Die gewählte Bezeichnung dieses speziellen Rekurssituationstyps trägt durch das Ettikett "Repr." der Tatsache Rechnung, daß lügen zur Klasse der Repräsentative, d.h. der Behauptens- und Mitteilungsprädikate, gehört. Relativ zu diesem speziellen Rekurssituationstyp ergeben sich für das Deutsche die folgenden Verben: die einfachen Verben:

lügen, flunkern, schwindeln

die präfigierten Verben:

anlügen, anflunkern, anschwindeln belügen, beflunkern, beschwindeln erlügen, erflunkern, erschwindeln vorlügen, vorflunkern, vorschwindeln rumlügen, rumflunkern, rumschwindeln

die hybriden Ausdrücke:

irrefähren, irreleiten, vormachen

Unter hybriden Ausdrücken werden solche Prädikate verstanden, die auch, aber nicht ausschließlich sprachliche Handlungen bezeichnen (vgl. Searle/Vanderveken (1985)). Für das Englische ergibt sich relativ zu dem speziellen Rekurssituationstyp Repr.lüg. ein vergleichsweise armselig bestücktes Paradigma, zu dem nur die Ausdrücke to lie, to fib und allenfalls der hybride Ausdruck to mislead gehören, wobei hier komplexe Ausdrucksmöglichkeiten wie to tell lies/fibs nicht berücksichtigt werden, was auch für das deutsche Paradigma gilt. In beiden Pardigmen ist jeweils ein Ausdruck - im Deutschen lügen, im Englischen to lie Hyperonym. Relativ zur semantischen Information, die durch den Rekurssituationstyp Repr.lüg. repräsentiert ist, sind alle anderen Ausdrücke kohyponym zueinander. Eine weitere Strukturierung des Lügen-Päradigmas ergibt sich durch die Berücksichtigung der beiden folgenden Aspekte: (1)

des Intensitätsgrades der Gewichtung der Lüge; dieser Aspekt gestattet es, flunkern und schwindeln von lügen und irreführen/irreleiten zu unterscheiden, wobei flunkern den geringsten Intensitätsgrad besitzt und irreführen!irreleiten den höchsten. Das gleiche gilt für die Unterscheidung von to fib und to lie und to mislead. Damit korreliert zugleich auch ein Unterschied im Register der Ausdrücke: flunkern, schwindeln, to fib gehören eher zur familiären Umgangssprache, lügen und to lie zur Schriftsprache;

(2)

der unterschiedlichen Perspektiviertheit der Rollen des allgemeinen zugrundeliegenden Rekurssituationstyps S, H und P. Mit Perspektiviertheit der Rollen ist die jeweilige obligatorische syntaktische Realisierung als Verbkomplemente gemeint (vgl. Storrer (1991)). Für das Deutsche ergibt sich unter all den genannten Aspekten die folgende Wortfeldstruktur (Figur 2):

110 FÍ

*Ur2·

Gisela Harras

LÜGEN

Für das Englische ergibt sich dagegen eine sehr armselige Wortfeldstruktur, die hier aus Gründen der Kontrastwirkung zusätzlich um die fakultativen syntaktischen Realisierungen für to lie ergänzt sein soll:

Figur 3. LIE

Die im Vergleich zum Englischen reichhaltigere Wortfeldstruktur des Deutschen soll im folgenden noch weiter differenziert werden: zunächst sind zwei spezielle Restriktionen festzuhalten:

111

Eine Möglichkeit der kontrastiven Analyse...

(1) (1) (ii)

rumlügen, rumflunkern, rumschwindeln blockieren die syntaktische Realisierung aller Situationsrollen außer S, vgl.: Er hat ihm gegenüber gelogen *Er hat ihm gegenüber rumgelogen

(2) erlügen, erflunkern, erschwindeln können nicht finit gebraucht werden, vgl.: (iii) *Er erlog diese Geschichte (iv) Er hat diese Geschichte erlogen In der oben repräsentierten Wortfeldstruktur sind die Z>e-Präfigierungen von lügen, flunkern, schwindeln als Hyponyme zu den entsprechenden α/ι-Präfigierungen dargestellt. Wie läßt sich diese Relation rechtfertigen? Zudem scheint die fee-Präfigierung bei flunkern ungewöhnlich zu sein; jedenfalls kommt sie weder in den umfänglichen IDS-Korpora vor noch ist sie in irgendeinem deutschen Wörterbuch als Stichwort verzeichnet. Es bleibt also die Frage, ob es einen semantischen Unterschied zwischen den an- und fte-Präfigierungen gibt und wie er beschrieben werden kann und wie sich die Blockierung der ¿>e-Präfigierung bei flunkern erklären läßt. Mithilfe des Modells des allgemeinen Rekurssituationstyps und mithilfe des Kriteriums der Rollenperspektiviertheit lassen sich die beiden Probleme offenbar nicht lösen. Ich schlage deshalb vor, das Modell des allgemeinen Rekurssituationstyps, der ja zunächst nur für Kommunikationssituationen einschlägig ist, in ein generelles Ereignismodell, wie es Lutzeier vorgestellt hat, zu integrieren. Das generelle Ereignismodell enthält - lokalistisch metaphorisch gesprochen - eine source-Relation, ein goal-Relation sowie eine signpost-Relation:

Figur 4. (Lutzeier 1991:205) verbalized items

perceived/conceived holistic scene

perceived/conceived (dynamic) interaction

Der source-Relation entspricht die S-Rolle des allgemeinen Rekurssituationstyps, der goalRelation die Η-Rolle und der signpost-Relation die P-Rolle. Dieses allgemeine Ereignis-Modell gründet nach Lutzeier in einem elementaren kognitiven "Batterie-Modell" von Ereignissen: etwas bewegt sich (in der Vorstellung) von einem positiven zu einem negativen Pol, d.h. die Richtung des (vorgestellten) Energieflusses ist ausschlaggebend für die Einteilung in source (positiver Pol) und goal (negativer Pol). Die

112

Gisela Harras

source-goal-Perspektive ist dann nichts anderes als eine Installierung des elementaren Batterie-Modells. Neben der source- und der goal-Relation kann auf dem gerichteten Pfad zwischen source und goal ein drittes Ereigniselement perzipiert bzw. konzipiert werden, das in das gesamte Ereignis involviert ist. Dieses hat die Rolle, zwischen zwei Entitäten einen Pfad zu etablieren. Das Standardbeispiel dafür ist: (v)

Die Lehrerin gibt dem Jungen ein Buch

Das Geben-Ereignis etabliert eine Interaktion zwischen der Lehrerin und dem Jungen: der gerichtete Pfad beginnt bei der Lehrerin und endet bei dem Jungen, d.h. die Lehrerin repräsentiert die source-Relation, dem Jungen die goal-Relation, und das Buch etabliert den Pfad zwischen den beiden; die entsprechende NP repräsentiert die signpost-Relation. Innerhalb dieses Modells ließe sich der Unterschied von anlügen und beliigen folgendermaßen erklären: der gerichtete Pfad von source zu goal endet im Fall von anlügen irgendwo auf der Strecke des letzen Drittels, im Fall von belügen endet er auf dem goal-Punkt, im Bild:

Figur 5. O source

>

~0 goal

anlügen beliigen Dies würde zusätzlich noch zweierlei erklären: (1)

Aus dem Satz Er hat ihn belogen folgt Er hat ihn angelogen, aber nicht umgekehrt. Der Satz Er hat ihn stundenlang angelogen ist völlig in Ordnung, wogegen der Satz ?Er hat ihn stundenlang belogen leicht korrupt erscheint.

(2)

Die ¿«-Blockierung für flunkern könnte in diesem Modell so erklärt werden: flunkern hat in dem Lügen-Paradigma den geringsten Intensitätsgrad der Gewichtung der Lüge, Ubertragen auf das Batterie-Modell würde das bedeuten, daß der Energiefluß von source zu goal so gering ist, daß er goal gar nicht erreichen kann.

Zum Abschluß ist das Verhältnis Situationsrolle - Ereignisrolle und syntaktische Form in der folgenden Übersicht dargestellt: Situationsrolle

Ereignisrolle

Formspezifik

S

source

NP(Nom)

H

goal

NP(Akk) NP(Dat)

Ρ

signpost

NP(Akk)/SE

Eine Möglichkeit der kontrastiven Analyse..

113

Literatur Austin, J.L. (1962): How to do things with words. - Oxford: Oxford University Press. Barwise, J. & Perry, J.(1986): Situationen und Einstellungen. Grundlagen der Situations-semantik. - Berlin: de Gruyter. Baumgärtner, K. (1977): Lexikalische systeme möglicher performative. - In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 5(3), 257-277. Baumgärtner, K.(1979): Lexikalische systeme möglicher performative. - Ms. Stuttgart. Coleman, L. & Kay, P. (1981): Prototype semantics. The English verb 'lie'. - In: Language 57,26-44. Lutzeier, R.P.(1981): Wort und Feld. Wortsemantische Fragestellungen mit besonderer Berücksichtigung des Wortfeldbegriffs. - Tübingen: Niemeyer. Lutzeier, R.P.(1991): Major Pillars of German Syntax. An Introduction to CRMS-Theory. - Tübingen: Niemeyer. Mudersbach, K.(1984): Kommunikation über Glaubensinhalte. Grundlagen der epistemischen Linguistik. - Berlin: de Gruyter. Searle, J.R. & Vanderveken, C.(1985): Foundations of illocutionary logic. - Cambridge: Cambridge University Press. Storrer, A.(1991): Verbvalenz. Theoretische und methodische Grundlagen ihrer Beschreibung in Grmmatikographie und Lexikographie. - Tübingen: Niemeyer. Urmson, J.O.(1974): Einstufen. - In: Grewendorf, G. & Meggle, G. (Hrsg.): Sprache und Ethik (Frankfurt/M.: S uhrkamp), 140-174. Vanderveken, D.(1990): Meaning and speech acts. - Cambridge: Cambridge University Press. Verschueren, J.(1980): On speech act verbs. - Amsterdam: Benjamins. Verschueren, J.(1985): What people say they do with words. - Norwood: New Jersey. Wiezbicka, A.(1987): English speech act verbs. A semantic dictionary. - Sidney: Academic Press. Wright, G.H.v.(1977): Handlung, Nonn und Intention. Untersuchungen zur deontischen Logik. - Berlin: de Gruyter.

HANS-PEDER KROMANN (|)

Yon den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik und Mikroskopie in der Lexikologie1

Zusammenfassung: Wenn man die Grenzen für die 'regelrechten' Wortbildungsstrukturen und Kollokationen innerhalb eines Feldes (Wissensrahmens) eines Sprachenpaars festlegen will, führt eine vergleichende empirische Mikroskopie im jeweiligen Feld zu Ergebnissen, zu denen man bei einer einzelsprachlichen Analyse nicht gekommen wäre. Außerdem sollte man die Optik, die Vergleichsrichtung, von vornherein auf eine bestimmte Sprache festlegen, so daß die Lexik einer Sprache Β durch die Brille der Sprache A (oder umgekehrt) gesehen wird. Dabei ist die Optik grundlegend für die semantische Detailliertheit einer Analyse: Die verschiedene Komplexität der Felder der jeweiligen Einzelsprachen bringt verschiedene Analysetiefe mit sich. Summary: When 'regular' word-formation structures and collocations within a field of knowledge have to be delimited for a pair of languages, an empirical contrastive microscopic analysis of this field leads to results which would not have emerged if the languages had been investigated one by one. Furthermore, the direction of the contrastive analysis (the optics) must be determined, so that the lexis of language Β is seen through the glasses of language A or vice versa. The choice of direction is fundamental to the degree of semantic detail of an analysis, and the different complexity of the fields of the languages involved leads to differences in analytical depth. Résumé: Lorsqu'on veut déterminer les limites des structures de la formation "régulière" de mots ainsi que celles des collocations internes d'un champ lexical prévalent pour deux langues définies, une microscopie empirique contrastive de chacun des champs mène à des résultats qu'une analyse intralinguale n'aurait pas donné. De plus, il faut, d'avance, définir l'optique, soit le sens dans laquelle la comparaison est effectuée, pour que le registre langagier de la langue Β soit vu avec les yeux de la langue A (et vice versa). L'optique est fondamentale pour la gradation de détails de l'analyse sémantique. Les différentes complexités des champs lexicals des deux langues entraînent des profondeurs d'analyse différentes.

1

Der folgende Beitrag ist der Vortragstext von Hans-Peder Kromann, den er mündlich beim Werkstattgespräch vorgetragen hat. Die lockere Darstellung und die direkte Anrede an die Zuhörer sind beibehalten. Nur geringfügige Änderungen, vor allem in der typographischen Gestaltung des Textes, sind nachher vorgenommen worden (A. L. Kjaer).

Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik ...

1.

115

Einführende Beispiele

Im Fußballspiel werden der Raum, die Personen des Spiels sowie die Handlungen der Spieler und des Richters mit vergleichbaren Ausdrücken im Dänischen und Deutschen bezeichnet. Denn die Wortbedeutungen und die Wortbildungsstrukturen laufen in beiden Sprachen strekkenweise parallel miteinander: Ball : Bold, Fußball : fodbold, Fußballspiel : fodboldspil, Tor : mài, Torraum : mâlfelt, Torlinie : mâllinie, Seitenlinie : sidelinie, Mittellinie : midterlinie usw. Ab und zu laufen die Wortbildungsstrukturen dieses verwandten Sprachenpaars jedoch nicht so parallel, wie man es vorhersagen möchte: Die regelrechte Reihe von Einwurf : indkast, Freistoß : frispark, Eckstoß : hj0rnespark, Strafstoß : straffespark ist auf deutsch mit Abstoß (*Torstoß) und auf dänisch mit mâlspark (*fraspark) fortzusetzen. Der Regel von gleichen Wortbildungsstrukturen in beiden Sprachen wird im kontrastiven Mikroskop eine Grenze gesetzt.

1.1. Dänische und deutsche Kollokationen der Fußballspiellexik Nehmen wir als erstes Beispiel in beiden Sprachen die in den Richtlinien des jeweiligen Fußballbundes schriftlich fixierten Kollokationen, mit denen man auf die Anordnungen des Richters Bezug nehmen kann.2 In beiden Sprachen werden die Spielregeln und somit die zugelassenen bzw. die verbotenen Handlungen der Spieler mittels sprachlicher Ausdrücke genau beschrieben. In beiden Sprachen bezieht man sich auf den gleichen Wissensrahmen, auf das gleiche Spiel. Das Verhalten und die Einstellungen der Spieler und der Schiedsrichter zu diesen Spielregeln sind in beiden Ländern vergleichbar. Also sind die außersprachlichen Bedingungen sozusagen identisch. Man könnte wohl von einem äquivalenten Situationstyp in beiden Ländern sprechen, sozusagen von einem soziokulturellen Tertium Comparationis. Ich habe die sprachlichen Ausdrücke für einige mögliche Handlungen des Schiedrichters, etwa die Handlung des Schiedrichters, ein Versehen eines Spielers wiedergutzumachen, in Übersicht 1 abgedruckt. Wahrscheinlich halten Sie Ihre Gegenbeispiele für andere mögliche Kollokationen schon bereit. Ich habe Ihnen aber vorenthalten, daß es sich um die usuellen Kollokationen bei der sachlichen oder fachlichen Beschreibung der internationalen Spielregeln handelt. Die Beispiele kommen alle aus den Texten der deutschen und dänischen Fußballregeln: Fußballregeln. Deutscher Fußballbund e.V. Frankfurt am Main 1990/91 Love for Association Fodbold. Dansk Boldspil Union. K0benhavn 1990.

Sie ersehen aus dem Beispiel, daß es im Deutschen ein differenzierteres Paradigma von Kollokatoren gibt. Das Dänische kommt in diesem Fall mit einem (zwei) Kollokator(en) aus. Es kann aber auch umgekehrt sein: Ich gebe Ihnen in Übersicht 2 ein weiteres Beispiel.

2

Meine empirischen Daten zur dänischen und deutschen FuBballsprache sind einer Diplomarbeit von Michael Launen entnommen: En kontrastiv leksikologisk unders0gelse afudvalgte omräder inden for dansk og tysk fodboldsprog. November 1992. 123 S.

116

Hans-Peder Kromann

Übersicht 1. TEXTTYP Fußballregeln. Kollokationen bei der fachlichen Beschreibung der Spielregeln. TEXTTYPBEZOGENE HANDLUNGSBESCHREIBUNG: Der Schiedsrichter ordnet O an. din.

dt BASIS

KOLLOKATOR

KOLLOKATOR

BASIS

O

V

V

O

einen Freistoß

anordnen

d0mme

frispark

einen Freistoß

verhängen

einen Strafstoß

-

«

auf Abstoß

entscheiden

auf Eckstoß

M

aufStrafotoß

fi

auf Tor

Μ

mälspark hftrnespark

II

straffespark

pfeifen

(Tor

straffespark

-

II

mài

flOjte

mài)

Übersicht 2. TEXTTYP Fußballregeln. Kollokationen bei der fachlichen Beschreibung der Spielregeln.TEXTTYPBEZOGENE Handlungsbeschreibung: Die Spieler nehmen das Spiel nach einer Unterbrechung wieder auf. dt

dän.

BASIS

KOLLOKATOR

KOLLOKATOR

BASIS

O

V

V

O

einen Anstoß

ausführen

einen Einwurf

-.-

einen Strafstoß



II

einen Freistoß



»



einen Abstoß

-»-

einen Eckstoß

_ -

udßre

et begyndelsesspark



n



et indkast



«



et straffespark



«



et frispark

tage

et mälspark et hj0rnespark

Etwas komplizierter wird es, wenn man die Kollokationen in der Journalistik mit untersuchen möchte. Schauen Sie sich die Beispiele der Übersicht 3 an.

Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik...

117

Übersicht 3. TEXTTYP Sportjournalistik. Kollokationen bei der Beschreibung dramatischer Höhepunkte. dän.

dt BASIS

KOLLOKATOR

KOLLOKATOR

BASIS

O

V

V

O

einen Eckball (eine Ecke)

schießen

skyde

et htfrnespark (hj0rne)

»

treten

sparke



1, _

schlagen

tage

-

»

-

-

—η

-

hereingeben

einen Elfmeter

schießen

skyde

-

«

-

treten

sparke

-

«

-

-



-

vollstrecken

tage

-

*

-

eksekvere



«

«

et strajfespark

In den schriftlichen Richtlinien für das Fußballspiel ßhrt ein Spieler einen Anstoß, Einwurf, Freistoß, Eckstoß, Strafstoß, Abstoß aus. Er kann auch einen Freistoß treten. In den dänischen Richtlinien kann ein Spieler ebenfalls 'udföre' et begyndelsesspark ('Anstoß'), indkast ( 'Einwurf), frispark ( 'Freistoß') und strajfespark ( 'Strafstoß'). In der Sportsprache der Journalisten hört es sich ganz anders an: Der Journalist spricht vom Elfmeter und nicht vom Strafstoß. Der Spieler führt nicht den Elfmeter oder den Eckstoß aus, er tritt ihn, schießt ihn, usw.. Ich kann hier auf die vielen empirischen Details nicht genauer eingehen, aber bloß ein erstes Fazit ziehen: Im Gegensatz zur fachlichen Beschreibung der Fußballregeln in den Fußballregeln des Fußballbundes finden wir in den Texten der Journalisten eine variierte bildliche und metaphernreiche Lexik vor: dt. Torwart, Torsteher, Torhilter,... dän. m&lmand, keeper, ... dt. Stürmer, Angreifer, Spitze,... dän. angriber, spydspids,frontangriber,... Der Ball (dän. bolden) heißt auch das Leder (laederet, klumpen). Auch die Kollokationen sind in der Journalistensprache als bildhaft und metaphernreich zu charakterisieren (einen Elfmeter vollstrecken). Vielleicht metaphernreicher in der deutschen Journalistensprache als in der dänischen. So sieht es nach ersten Untersuchungen aus. (Das kann aber an der Unzulänglichkeit der Empirie liegen.) Ein solcher Befund von situationsbedingten Synonymen und landesspezifischer Sprachkultur ist keine Überraschung. Die neutral-fachliche Lexik der Fußballregeln gegenüber der metaphernreichen Lexik der Sportberichte in den Medien ist aber aus folgenden Gründen ein Thema für die kontrastive Lexikologie:

118

Hans-Peder Kromann

Erstens muß die Lexik in solchen Feldern relativ zu den usuellen Situationen erfaßt werden und situationsspezifisch und interlingual relativ zu den konzipierten Situationen miteinander verglichen werden. Dabei ist der Vergleich auf der fachsprachlichen Ebene möglicherweise etwas einfacher, als wenn man die metaphernreiche Sprache der Journalisten vergleicht. Unverzichtbar ist es jedoch, ein situationsbezogenes Tertium Compartionis anzugeben, also die spezifischen Situationsbedingungen für das lexikalische Feld anzugeben. Zweitens wird das empirische Verfahren im Hinblick auf die Kollokationen und die Synonyme bzw. die Metaphern eine notwendige Vorarbeit für die zweisprachige Lexikographie sein. Ich nehme folgendes an: Eine theoretisch und empirisch fundierte kontrastive Lexikologie legitimiert sich dadurch, daß sie die wissenschaftlich fundierte zweisprachige Lexikographie bedient. Die zweisprachige Lexikographie sollte eigentlich die etwas arbiträren Grenzen zwischen den jeweiligen usuellen Kollokationen innerhalb eines Feldes eines Sprachenpaars im Wörterbuch präsentieren. Diese Grenzen kann man aber nur mit Hilfe einer vergleichenden empirischen Mikroskopie ziehen. Unter kontrastiver Mikroskopie verstehe ich also die vergleichende empirische Analyse von Feldern. Die empirische kontrastive Lexikologie ist eine Voraussetzung für die wissenschaftlich fundierte zweisprachige Lexikographie. Nur kann man sich fragen, ob diese harte empirische Arbeit eine Aufgabe der Lexikologen oder der Lexikographen ist. Wer soll die harte Arbeit leisten? Vor allem die Computerlexikologie bzw. -lexikographie. Auf jeden Fall ist die Methodologie sowie die Theorie für diese sprachvergleichende empirische Arbeit ein Anliegen der sprachvergleichenden Lexikologen.

1.2. Dänische und deutsche Wortbildungsstrukturen. Sprachverwandtschaft und Sprachtypologie als theoretischer Rahmen für eine kontrastive Lexiklogie 12.1. Sprachverwandte Strukturen Es ist naheliegend, in der kontrastiven Lexikologie die Sprachverwandtschaft einer Sprachfamilie voll auszuschöpfen. Viele Sprachen haben einen gemeinsamen Wortschatz, teils wegen der Sprachverwandtschaft, teils wegen der Kulturverwandtschaft. In der Wortbildung des Fußballspiels sehen wir deutliche Indizien für regelrechte Strukturen, die auf die gleichen Konstituenten und die gleichen semantischen Paraphrasen zurückzuführen sind. Sehen Sie sich bitte das Beispiel unter der Nummer 4 an! Ein gemeinsamer Grundwortschatz scheint bei der Wortbildung produktiv zu sein: Die syntaktische Struktur sieht in beiden Sprachen identisch aus. Die semantische Interpretation ist die gleiche.

Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik...

119

Übersicht 4. Semantisch und syntaktisch 'regelrechte' Wortbildungsstrukturen. dt

dSn.

Ν

Ν

Ν

vH)

Ν

vS)

Fuß

ball

Jod

bold

Tor

linie

mäl

linie

Seiten

linie

side

linie

Mittel

linie

midter

linie

Ein

wurf

ind

kost

Frei

stoß

Ρ

spark

Eck

stoß

hjfrne

spark

Straf

stoß

straffe

spark

Analoge dreigliedrige Komposita: Fußballspiel fodboldspil Strafstoßmarke straffesparknuerke

Das sieht alles ganz schön aus, aber wir finden klare Gegenbeispiele, die das syntaktisch-semantische Paradigma stören, Übersicht 5:

120

Hans-Peder Kromann

Übersicht 5. Semantisch idiosynkratische, syntaktisch realisierbare Strukturen.

Tor *Tor

räum feld

*mäl mài

rum felt

*Tor Ab

stoß stoß

mài *fra

spark spark

Weitere Beispiele Strafraum

*strafferum

*Stra/stoßraum straffesparksfelt *Straffeld

straffefelt

Warum aus der Sicht der Sprachverwandtschaft diese idiosynkratischen Strukturen beschreiben? Es sind die strukturbedingten falschen Freunde eines verwandten Sprachenpaares. Und falsche Freunde sind wohl doch ein Thema der kontrastiven Lexikologie. Auf jeden Fall sollte man in zweisprachigen Wörterbüchern sozusagen Verbotsschilder aufstellen, so daß falsche Freunde nicht konstruiert werden, wenn man von der einen Sprache in die andere übergeht. Dafür sehe ich einige Lösungen, wenn man sprachtypologische Strukturen mit berücksichtigt. 122. Sprachtypologische Strukturen In meinem Thesenpapier habe ich angedeutet, daß kontrastive lexikologische Analysen vielleicht zu sprachtypologischen Regelformulierungen führen könnten. Bei verwandten Sprachen mit gleichen Wortbildungsmustern sollte man eigentlich die formalen und semantischen Strukturen der lexikalischen Einheiten der anderen Sprache vorhersagen können. Wie wir gesehen haben, laufen die lexikalischen Bedeutungen denn auch im Dänischen und im Deutschen streckenweise ganz schön paralleli miteinander. Mit Hilfe eines sprachtypologischen Zugangs kann man wahrscheinlich gewisse systematische Gleichheiten und Verschiedenheiten im Bereich des Wortschatzes formulieren. Das Deutsche und das Dänische folgen im Bereich der Wortbildung einem vergleichbaren System. Auf der formalen und inhaltlichen Seite manifestieren sich die Wortbildungsregeln für das Deutsche anders als die dänischen, englischen und französischen. Im grossen und ganzen besteht eine systemhafte Korrespondenz zwischen den zweigliedrigen dt.-dän. Komposita. Wir können sie semantisch und syntaktisch gleich interpretieren. Ich

121

Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik...

wähle jetzt Beispiele aus dem Fachbereich der deutschen und dänischen Versicherungsterminologie, die eine Kollegin in diesem Jahr empirisch untersucht hat. Sie hat mir das Material für eine Wortbildungsstrukturanalyse zur Verfügung gestellt (Übersicht 6,7,8). 3

Übersicht 6. Korrespondenz: Zweigliedrige dt.-dän. Komposita. dt

Ν

\N)

Ν

Schaden

bericht

skades

rapport

Schaden

besichtigung

skades

besigtigelse

Schaden

ereignis

skade

begivenhed

Schaden

ermittlung

skades

opg0relse

Schaden

fall

skade

begivenhed, -tilfcelde

Schaden

feststellung

skade

opg0relse

Schaden

ort

skade

sted

Schaden

regulierung

skade

regulering

Schadens

anzeige

skade

begivenhed

Schadens

quote

skade

kvote?

Schadens

umfang

skades

omfang

Schaden

Versicherung

skade

forsikring

Schaden

Zahlung

skades

betaling

Die Struktur ändert sich in Nummer 7. Im Deutschen hat man eine dreigliedrige Struktur, im Dänischen eine zweigliedrige. Im Dänischen eliminiert man die Konstituente Schaden-, weil sie im ganzen Text mitgedacht oder präsupponiert wird.

3

Birthe Vesterli (red.) Forsikringsterminologi. Dansk-tysk, tysk-dansk. Institut for Tysk, HHK 1994. (91 S.)

122

Hans-Peder Kromann

Übersicht 7. Teilweise Divergenz: dt. dreigliedrige - dän. zweigliedrige Komposita. dt

dan.

Ν

Ν

Ν

te)

te)

Schaden

ersatz

anspruch

erstatnings

ansvar

Schaden

ersatz

berechtiger

erstatning

berettigede

Schaden

ersatz

Pflichtiger

erstatnings

pliglige

(Minus skade)

Wenn Sie nun zum nächsten Beispiel weitergehen, sehen Sie, daß wir im Deutschen dreigliedrige Komposita haben, die durchgängig dänischen Nominalphrasen entsprechen. Wir haben hier eine fast systematische Änderung des Dänischen im Vergleich zum Deutschen.

Übersicht 8. Vollständige Divergenz: dt. dreigliedrige Komposita - dän. Nominalphrasen. dän.

dt

Detl

Schaden

verhiitungs

risiko

for at ifalde erstatningsansvar

omkostninger

iforbindelse med begrcensning af skade

pligt

til skadesforebyggelse

Pflicht

Andere Beispiele: Schadenfeststellungsverfahren

skadesopg0relsesprocedure

Schadenminderung

begrœnsning afskader

Schadenersatzleistung

erstatning

123. Fazit In der kontrastiven Lexikologie spielt irgendwie die Sprachverwandtschaft mit. Man kann ja gemeinsame Regeln für die regelrechten WB-Strukturen zweier Sprachen formulieren. Dabei

Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik..

123

muß man die semantisch idiosynkratischen Strukturen mit beschreiben, und das ist nur mit Hilfe der Empirie möglich. In der kontrastiven Lexikologie gibt es wahrscheinlich keine Regeln ohne Ausnahmen. Die Regeln und die Ausnahmen zu beschreiben, wäre also die Aufgabe der kontrastiven lexikologischen Mikroskopie! Die Sprachverwandtschaft wird aber auch - wie wir gesehen haben - von sprachtypologischen Tendenzen überspielt, wie vor allem aus der Übersicht 8 ersichtlich: Die stark synthetische Wortbildungsstruktur im Deutschen (etwa als SOV-Sprache) wird Uberspielt von der stark analytischen Struktur der dänischen Sprache - als SVO-Sprache. Streckenweise haben wir gleiche syntaktische und semantische Strukturen gefunden, vor allem bei zweigliedrigen Komposita. Bei dreigliedrigen Strukturen finden wir im Dänischen andere Strukturen. Im Beispiel 7 präsupponiert der dänische Fachtext sozusagen die zentrale lexikalische Einheit Schaden, während sich in vergleichbaren deutschen Fachtexten diese lexikalische Einheit mit großer Genauigkeit als feste Konstitutente des Wortbildungsparadigmas manifestiert. Ich nenne das versuchsweise die Hyperpräzision der deutschen Fachsprache, die kraft des synthetischen Sprachbaus der Wortbildungsstrukturen im Deutschen leicht zu handhaben ist. Auch im Fußballtext gibt es Belege für diese wegen des synthetischen Sprachbaus mögliche Hyperpräzision des Deutschen (9)

Deutsch: ein einen Freistoß/ Eckstoß/ Strafstoß ausführender Spieler Dänisch: sparkeren (der 'Treter')

2.

Kulturgemeinsame bzw. -differente Bewertungen im Wortschatz

Sprache, Mensch und Gesellschaft oder unter einem anderem Blickwinkel: Sprache - Denken - Wirklichkeit gehören eng zusammen. Die kulturellen Grundannahmen einer Gesellschaft bilden die Voraussetzung für die semantische Interpretation von Teilen des Wortschatzes. Zwei Gesellschaften wie etwa die dänische und die deutsche teilen viele gemeinsame Grundannahmen über ethische und moralische Wertungen und Normen. Als Beispiel für diese gemeinsame Grundeinstellung nenne ich unser Verhalten und unsere Einstellungen zur jüdischen Minderheit in unseren Ländern. Die Mehrheit folgt bestimmten Normen und Wertungen, die im Wortschatz zum Ausdruck kommt. Diese Normen und Wertungen wurzeln tief in den sozial-kollektiven religiösen, politisch-ökonomischen und geschichtlichen sozial-kollektiven Grundannahmen der Gesellschaft Fangen wir nun mit der Analyse des Wortschatzes an, mit dessen Hilfe die deutsch-christliche Mehrheit von der in Deutschland seit 2000 Jahren lebenden jüdischen Minderheit redet. Zum Vergleich ziehen wir den dänischen Wortschatz heran. Selbstverständlich kann man im Dänischen und im Deutschen sachlich und fachlich neutral ohne Wertungen von jüdischen Realien reden, z.B. von den Realien, die zur jüdischen Religion gehören: (10) Judentum, Judaistik, Judaica, Judaist, Tora, Talmud, Bibel, Synagoge, Yeshiva, Rabbiner, Sabbath, Pessach, Laubhuttenfest, Channuka,...

124

Hans-Peder Kromann

jOdedom, judaistik, judaica, judaist, Tora, Talmud, Bibel, synagoge, jeshiva, rabbiner, sabbath, pessach, l0vhyttefest, channuka,... Es hört sich in beiden Sprachen wie ein Fachwortschatz an, der beiden Sprachen gemeinsam ist. Mit solchen Ausdrücken kann man neutral und sachlich vom Judentum reden. Wie ist aber die semantische Interpretation, wenn wir von einem lexikalischen Feld der Bezeichnungen für jüdische Personen ausgehen? Unter sich nennen die Juden in Deutschland und in Dänemark sich Juden (dän. jede). Für sie ist es ein neutrales Wort, genau wie wir uns Deutsche, Dänen, Finnen usw. nennen. Eine negative Einstellung zur jüdischen Minderheit wurzelt aber tief in der deutschen und der dänischen Sprache. Beispielsweise sind die eine bestimmte Lokalität bezeichnenden Zusammensetzungen mit Juden- bzw. j0de- durchgehend negativ-wertend, während die nominalen Ausdrücke mit jüdisch bzw. j0disk neutral sind. (11) Neutrale Bewertung jüdische Siedlung jüdisches Viertel jüdischer Laden

Negative Bewertung Judensiedlung Judenviertel Judenladen

Bloß diese Beispiele für die gleiche kulturgebundene semantische Interpretation von solchen Wortschätzen. Überraschend für mich ist die Differenz in der Interpretation der jüdischen Namen in Deutschland und Skandinavien.4 Deutsche reagieren auf jüdisch klingende Namen, die Skandinavier überhaupt nicht. Die in deutschen Ohren jüdisch klingenden Namen verbindet ein Skandinavier nicht mit einer jüdischen Herkunft. Bestenfalls mit einer deutschen Herkunft. (12a) Abrahamso(h)n, Berliner, Blumental, Herz, Hirsch, Itzig, Stern, ...Sara, Israel Auch sind Namen wie (12b) Abrahamsen, Davidsen, Israelsen, Isaksen, Levinsen, Salomonsen, Samuelsen, u.a.m. in Skandinavien keine jüdisch klingenden Namen. Die Namensträger könnten zwar Dänen jüdischer Herkunft sein, aber in der Regel sind die Namensträger gute christliche Dänen, deren Vorfahren biblische Namen als Vorbilder genommen haben. Das gilt auch für Schweden und Norwegen. Dies hat beispielsweise zur Folge, daß beim Übersetzen aus dem Deutschen in die skandinavischen Sprachen oder umgekehrt die mit den Namen verknüpften Wertungen eigentlich nicht übersetzbar sind. Beim Übersetzen können also Informationen verlorengehen. Fazit. Die Beschreibung von kulturgemeinsamen Bewertungen, die in bestimmten Wortschatzausschnitten zum Ausdruck kommen, ist wohl eine Voraussetzung für die Beschreibung der kulturdifferenten Ausschnitte.

4

Dietz Berings Buch Der Name als Stigma hat mich darauf aufmerksam gemacht. Vgl. die Doppelrezension des Buches durch Wimmer / Trautner-Kromann in ZGL 17 (1989) S. 68-83.

Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik..

3.

125

Lexikologische Mikroskopie

In der kontrastiven Lexikologie sollte man zwischen zwei Ebenen unterscheiden: zwischen der Makroebene und der Mikioebene: Auf der Makroebene werden Ausschnitte des Wortschatzes der Sprache A, B, C usw. in Gruppen, Felder u.dgl. gegliedert und beschrieben. Die zu vergleichende Lexik ist also einem im voraus definierten Feld, Paradigma, Fachgebiet, Wissensrahmen, zuzuordnen. Es geht dabei nicht um die Korrespondenzen Wort für Wort, sondern um die Korrespondenzen auf der Ausdrucksseite und auf der Inhaltseite eines lexikalischen Feldes in zwei oder mehreren Sprachen. Makrobeschreibungen sind eine Voraussetzung für die Mikrobeschreibungen. Aber die Makrobeschreibungen müssen um Mikrobeschreibungen ergänzt werden. Das ist mein Punkt. Auf der Mikroebene geht es um die Wortschatzbeschreibung zweier oder mehrerer Sprachen innerhalb eines Feldes, einer Gruppe, wobei die Paradigmatik mit der Syntagmatik und der Situationsbezogenheit (also relativ zu einem usuellen Texttyp) kombiniert werden soll. Auf der Mikroebene werden die Regularitäten und die Irregularitäten beschrieben, die Ausnahmen von der Regel, vgl. die Beispiele, die ich Ihnen am Anfang gezeigt habe. Die morphosyntaktischen Strukturen der Wortschätze sind bei den verwandten Sprachen vergleichbar, wobei sprachtypologische Unterschiede beachtet werden müssen. Die kontrastive Semantik in der Mikroskopie zielt primär auf die interlingualen semantischen Relationen, kurzum auf die Äquivalenz, d.h. auf •

die interlinguale Synonymie (Volläquivalenz)



die interlinguale Hyperonymie bzw. Hyponymie (Teiläquivalenz oder partielle Äquivalenz)

Dabei gilt die Grundannahme, daß die Äquivalenz zwischen Feldern und innerhalb der Felder zwischen Einzelbedeutungen und nicht zwischen den Wörtern der Sprache A und Β besteht. Die Polysemie muß man auflösen, bevor man die Felder im Hinblick auf das Kontrastieren aufbaut.

4.

Kontrastive Optik

Ich habe von einem Tertium Comparationis gesprochen. Es gibt aber keine dritte Sprache als Vergleichsgrundlage beim Vergleich von zwei oder mehreren Sprachen. Es gibt selbstverständlich eine Theoriesprache, deren man sich beim Vergleich bedient. Die kontrastive Optik schaltet also kein theoretisches Tertium aus, sondern verpflichtet auf eine bestimmte Sprache als empirischen Ausgangspunkt. Die Kollokationen im Fußballspiel werden mit Hilfe einer bestimmten Theoriesprache der syntagmatischen Kombinatorik beschrieben, etwa mit Hilfe von bestimmten HANDLUNGSBESCHREIBUNGEN, BASIS und KOLLOKATOR relativ zu bestimmten USUELLEN TEXTTYPEN. Im ersten Beispiel hatte das Deutsche drei Kollokatoren, während das Dänische bloß einen hatte. Aus dänischer Sicht kommt man also von einer Einheit zu drei Einheiten. Aus deutscher Sicht kommt man von drei Einheiten zu einer Einheit. Die Optik ist also verschieden je nach

126

Hans-Peder Kromann

dem Standort beim Vergleich. Die Verschiedenheit der Optik kommt erst richtig in der Mikroebene, vor allem in der syntagmatischen Kombinatorik, zum Ausdruck. In den Beispielen mit den sogenannten semantisch idiosynkratischen Wortbildungsstrukturen ist die kontrastive Optik genauso wichtig. Je nach der Optik kommt man zu verschiedenen Idiosynkrasien: vom Dänischen kommt man zum deutschen *Linienwart, *Torfeld, *Torstoß usw. Ohne die kontrastive Optik könnte man die intersprachlichen Idiosynkrasien nicht beschreiben. Auch die sprachtypologische Feststellung, daß das Deutsche als synthetische Sprache bestimmte Wortbildungsstrukturen bevorzugt, während das Dänische als analytische Sprache eher bestimmte Nominalstrukturen bevorzugt, halte ich für interessant. Hier sehe ich eine Aufgabe der kontrastiven Lexikologie. Dabei geht es um Wortbildungsstrukturen in verschiedener Optik: Lexikalische Hyperpräzision im Deutschen mittels der Wortbildungsstrukturen im Deutschen kraft des synthetischen Sprachbaus, gegenüber der lockeren dänischen Nominalphrasenstruktur, die mit dem analytischen Sprachbau des Dänischen korrespondiert und die von der kontextuellen Interpretation abhängig ist. Die kontrastive Optik, also die Vergleichsrichtung, ist auch grundlegend für die semanti sehe Detailliertheit. Sie zwingt zu einer detaillierten semantischen Analyse (Eckstoß - Eckball gegenüber hj0rnespark). Oder wenn Sie gestatten, daß ich das alte Hjelmslev-Beispiel benutze: Aus der französischen Perspektive (Optik) ist Wald ein interlinguales Hyperonym zu den entsprechenden französischen Sememen in bois und forêt. Aus der deutschen Perspektive sind die französischen Äquivalente bois und forêt interlinguale Hyponyme zu Wald. Weitere Beispiele: dt. Tante engl, aunt, dän. moster (mütterlichseits) faster (väterlichseits). Die semantischen Relationen Hyperonymie und Hyponymie sind von der kontrastiven Optik abhängig. Bei der Volläquivalenz ist die Vergleichsrichtung - die Optik - selbstverständlich ohne Bedeutung, aber wenn wir die syntagmatische Kombinatorik mit berücksichtigen wollen, wird die Volläquivalenz nicht so häufig vorkommen. Bei der kontrastiven Analyse sollte man also die Optik von vornherein auf eine bestimmte Sprache festlegen. Die verschiedene Komplexität in den Feldern der jeweiligen Einzelsprachen bringt eine verschiedene semantische Analysetiefe mit sich. Man kann in der kontrastiven Analyse bestenfalls auf der Makroebene von einem onomasiologisch begründeten Begriffssystem mit einem universalistischen Anspruch ausgehen. Für den konkreten Sprachvergleich ist ein relativierendes Verfahren zu überlegen, wonach ein kultur- und sprachenbezogener Wissensrahmen als Ausgangspunkt für eine Richtung (Direktionalität) des Vergleichs mit berücksichtigt wird. Das legitimiert eine kontrastive Optik, wonach die Lexik einer Sprache Β sozusagen immer durch die Brille der Sprache A (oder umgekehrt) - auf irgendeiner theoretischen Grundlage gesehen wird. Kontrastive Lexikologie verstehe ich so, daß man von einer bestimmten Sprache aus, in casu Deutsch, zwei oder mehrere Sprachen mit Deutsch vergleicht. Die kontrastive Lexikologie zielt auf die Regelsysteme im Wortschatz, also auf das System, das dem usuellen Gebrauch der Wörter in konkreten Texten, in den Sätzen und in den Satzgliedern zugrundeliegt. Ich danke Ihnen!

Ausgewählte Schriften von Hans-Peder Kromann1

1.

Monographien

1968

Afvigelser fra normalskemaet i den moderne tyske saetningsordstilling, herunder en sammenligning mellem ordstillingen i aktive og passive saetninger. 180 Seiten + IX. (Dissertation. Goldmedaille für hervorragende Forschung von der Universität Ârhus verliehen. Teilweise veröffentlicht in Kromann 1974 (s. unten Abschnitt 2)).

1977

Studien zur deutschen Wortstellung. Ca. 250 Seiten. (Unabgeschlossen).

1988

Fagsprog og fagsproglig kommunikation ca. 1970-1988. En udforlig systematisk bibliografi pâ database. (Floppy disk 3 1/2Ä. Harddisk. Macintosh-Programm: Reflex Plus). (Zusammen mit H.K. Mikkelsen).

1989

Fagsprog og fagsproglig kommunikation. En selektiv systematisk bibliografi ca. 1980-1988 (= ARK 45. Arbejdspapirer fra Det erhvervssproglige Fakultet, Handelsh0jskolen i K0benhavn) 186 Seiten. (Zusammen mit H.K. Mikkelsen).

1991

Base b l l : Fagsprogsbibliografien. (In der HERMES-Datenbasis der Bibliotek von Handelsh0jskolen, Dal gas Have 15. Laufende Ergänzung von Kromann 1988 (s. oben)). (Zusammen mit H.K. Mikkelsen).

1993

Tysk Sprogbygning. En introduktion til sprogiagttagelse og sprogbeskrivelse. Fra kryds-og-bolle-analyser til konstituentgrafer og dependensboller. Ca. 125 Seiten. (Unabgeschlossen).

2.

Wissenschaftliche Artikel

1973

Zur Wortstellung in der Transformationsgrammatik des Deutschen. - In: Sprache der Gegenwart 24 (Festgabe für Paul Grebe zum 65. Geburtstag. Teil 2) (= Linguistische Studien IV) 135-151.

1974

Satz, Satzklamirier und Ausklammerung. - In: Kopenhagener Beiträge zur germanistischen Linguistik 4,7-82.

1

Das folgende Schriftenverzeichnis baut auf Hans-Peder Kromanns eigenen Aufzeichnungen auf. Die Auswahl ist von mir vorgenommen (A. L. Kjaer).

128

Ausgewählte Schriften von Hans-Peder Kromann

1975

Alte Wortstellungsregeln in neuer Sicht. Skizze einer topologischen Paradigmatik. In: Deutsche Sprache 2,97-119.

1977a

Hvad skal vi med hovedsaetningen? - In: SPRINT 1 (Sproginstitutternes Tidsskrift, Handelsh0jskolen i K0benhavn) 18-22.

1977b

Grammatischer Problemkatalog bei der Erarbeitung des Dansk-Tysk-Ordbog. Ein Arbeitsbericht. - In: Kopenhagener Beiträge zur germanistischen Linguistik 12, 162169.

1978

Ein Vergleich von dänischer und deutscher Grammatik anhand morphologischer und syntaktischer Beispiele. - In: CEB AL 4,22-46.

1979a

Die syntaktischen, semantischen und pragmatischen Faktoren und Funktionen in der Wortstellung des einfachen Verbalsatzes im heutigen Deutsch. - In: Lunder germanistische Forschungen 48,304-316.

1979b

Betydningsbeskrivelse og ordbogstyper inden for tosprogsleksikografien med saerligt henblik pâ en dansk-tysk ordbog (= ARK 1. Arbejdspapirer fra Det erhvervssproglige Fakultet, Handelshojskolen i K0benhavn) 22 S. (Zusammen mit Th. Riiber, P. Rosbach).

1983

Paradigmatische und syntagmatische Relationen im zweisprachigen Wörterbuch. In: J. Schildt, D. Viehweger (Hgg.): Die Lexikographie von heute und das Wörterbuch von morgen. Analysen - Probleme - Vorschläge (Berlin: Akademie der Wissenschaften der DDR ) (= Linguistische Studien. Reihe A. Arbeitsberichte 109) 330348.

1984a

Überlegungen zu Grundfragen der zweisprachigen Lexikographie. - In: H. E. Wiegand (Hg.): Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie V (Hildesheim, Zürich, New York: Olms ) (= Germanistische Linguistik 3-6/85) 159-238. (Zusammen mit Th. Riiber, P. Rosbach).

1984b

"Active" and "Passive" bilingual dictionaries: the§6erba concept reconsidered. - In: R. R. K. Hartmann (Hg.): LEXeter '83. Proceedings. Papers from the International Conference on Lexicography at Exeter, 9.-12. September 1983 (Tubingen: Niemeyer) (= Lexicographica. Series Maior 1) 207-215. (Zusammen mit Th. Riiber, P. Rosbach).

1985

Zur Selektion und Darbietung syntaktischer Informationen in einsprachigen Wörterbüchern des Deutschen aus der Sicht ausländischer Benutzer. - In: H. Bergenholtz, J. Mugdan (Hgg.): Lexikographie und Grammatik. Akten des Essener Kolloquiums zur Grammatik im Wörterbuch 28.- 30.6.1984 (Tübingen: Niemeyer) (= Lexicographica. Series Maior 3) 346-357.

1986a

Die zweisprachige Lexikographie: Ein Stiefkind der Germanisten. - In: Walter Weiss, H. E. Wiegand, Marga Reiss (Hgg.): Textlinguistik contra Stilistik? Wortschatz und Wörterbuch. Grammatische oder pragmatische Organisation von Rede? Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses Göttingen 1985 (= Kontroversen, alte und neue. Bd. 3) (Tübingen: Niemeyer) 177-181.

1986b

Om principper for oversaettelsesleksikografi. - In: CEBAL 8 (Festskrift til Jens Rasmussen i anlediiing af hans 70 ârs f0dselsdag) 264-287. (Zusammen mit Th. Riiber, P. Rosbach).

Ausgewählte Schriften von Hans-Peder Kromann

lZy

1987a

Zur Typologie und Darbietung der Phraseologismen in ÜbersetzungswörterbUchem. - In: Jarmo Korhonen (Hg.): Beiträge zur allgemeinen und germanistischen Phraseologieforschung. Internationales Symposium in Oulu 13.-15. Juni 1986 (= Veröffentlichungen des germanistischen Instituts 7) 183-192.

1987b

Zur Syntax im Übersetzungswörterbuch. - In: Kopenhagener Beiträge zur Germanistischen Linguistik. Sonderband 3 (Festschrift für Karl Hyldgaard-Jensen zum 70. Geburtstag) 143-150.

1989a

Neue Orientierung der zweisprachigen Wörterbücher. Zur funktionalen zweisprachigen Lexikographie. - In: M. Snell-Hornby, E. Pohl (Hgg.): Translation and Lexicography. Papers from the EURALEX Colloquium, Innsbruck, 2.-5. July 1987 (= A Special Monograph. Paintbrush. A Journal of Poetry, Translation and Letters XVI) 55-65.

1989b

Zur funktionalen Beschreibung von Kollokationen und Phraseologismen in ÜbersetzungswörterbUchem. - In: G. Gréciano (Hg.): EUROPHRAS 88. Phraséologie contrastive. Actes du Colloque International. Klingenthal-Strasbourg. 12.-16. mai 1988 (Université des Sciences Humaines, Departement d'Etudes Allemandes) (= Collection Recherches Germaniques 2) 265-271.

1990

Selection and Presentation of Translational Equivalents in Monofunctional and Bifunctional Dictionaries. Vortrag beim Colloque de Lexicographie Franco-Danois, 19.-20. septembre 1988. - In: Cahiers de lexicologie. Revue internationale de lexicologie et lexicographie 56-57,17-26.

1991a

Principles of Bilingual Lexicography. - Artikel 285 in: F. J. Hausmann, O. Reichmann, H. E. Wiegand, L. Zgusta (Hgg.): Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Dritter Teilband (Berlin, New York: de Gruyter) 2711-2728. (Zusammen mitTh. Riiber, P. Rosbach).

1991b

Grammatical Constructions in the Bilingual Dictionary. - Artikel 287 in: F. J. Hausmann, O. Reichmann, H. E. Wiegand, L. Zgusta (Hgg.): Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Dritter Teilband (Berlin, New York: de Gruyter) 2770-2775. (Zusammen mitTh. Riiber, P. Rosbach).

1991c

Wörterbuchtypen und -funktionen im Hinblick auf Deutsch als Fremdsprache. - In: E. Iwasaki, Y. Shichiji (Hgg.): Begegnung mit dem 'Fremden'. Grenzen - Traditionen - Vergleiche. Akten des VIII. Kongresses der Internationalen Vereinigung für Germanische Sprach- und Literaturwissenschaft. Band 4: Kontrastive Syntax, Kontrastive Semantik, Lexikologie. Lexikographie. Kontrastive Pragmatik (München: ludi cium Verlag) 389-395.

1992a

Wörterbücher und ihre Benutzer. Wörterbücher mit Deutsch als Objektsprache. - In: V. Agel, R. Hessky (Hgg.): Offene Fragen - offene Antworten in der Sprachgermanistik. (Tübingen: Niemeyer) 151-164.

1992b

Von der lexikalischen Inkongruenz zur sememischen Äquivalenz. - In: S. R. Anschütz (Hg.): Texte, Sätze, Wörter und Moneme. Festschrift für Klaus Heger zum 65. Geburtstag (Heidelberg: Heidelberger Orientverlag) 389-397.

1994a

Zur funktionalen Benutzerperspektivierung bei der Äquivalentdarbietung in einem zweisprachigen Wörterbuch mit Deutsch und Portugiesisch. - In: U. Figge (Hg.):

130

Ausgewählte Schriften von Hans-Peder Kromann

Portugiesische und portugiesisch-deutsche Lexikographie (Tübingen: Niemeyer) (= Lexicographica. Series Maior 56) 35-45. 1994b

Grammatiske informationer i ordb0ger. - In: A. Garde, P. Jarvad (Hgg.): Nordiske Studier i leksikografi II. Rapport fra Konference om Leksikografi i Norden, 11.-14. maj 1993. K0benhavn (= Skrifter udgivet af Nordisk Forening for Leksikografi 2) 143-151.

1995?

Deutsche Wörterbücher. Aus der Perspektive eines fremdsprachigen Benutzers. - In: Deutsch als Fremdsprache. An den Quellen eines Faches. Festschrift für Gerhard Heibig. (Im Druck).

1995?

Von den Möglichkeiten einer kontrastiven Optik und Mikroskopie in der Lexikologie. (In diesem Band).

3.

Lehrmittel

1977

Topologie des einfachen Verbalsatzes im Deutschen. - Mannheim: Institut für deutsche Sprache. 68 Seiten. (Arbeitskapitel zu kontrastiver deutsch-spanischer Grammatik von Nelson Cartagena und Hans Martin Gauger.)

1981a

Betydningsordb0ger for sprogstuderende. - In: SPRINT 1 (Sproginstitutternes Tidsskrift, Handelsh0jskolen i K0benhavn) 27-30.

1981b

Leksika for tyskstuderende. - In: SPRINT 3 (Sproginstitutternes Tidsskrift, Handelsh0jskolen i K0benhavn) 38-42. (Zusammen mit Margrethe Stig Hansen).

1987

Tysk grammatik. - In: Tysk-dansk / dansk-tysk ordbog (K0benhavn: Gad) 789-817.

1993

Tysk Sprogbygning. En introduktion til sprogiagttagelse og sprogbeskrivelse. Fra kryds-og-bolle-analyser til konstituentgrafer og dependensboller. Ca. 125 Seiten. (Unabgeschlossen).

4

Kongreßberichte

1976

Sprachwandel und Sprachgeschichtsschreibung. 12. Jahressitzung des Wissenschaftlichen Rates des Instituts für deutsche Sprache (IdS) in Mannheim 9.-12.3.1976. - In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 4, 213-227. (Zusammen mit Georg Objartel).

1989

Akzente der Fachsprachenforschung von heute und morgen. Bericht vom Kopenhagener Werkstattgespräch 1.-2. Juni 1988. - In: Terminologie et Traduction 1, 137160. (Zusammen mit K.T. Thomsen).

Adressen der Teilnehmer

Prof. Dr. Gisela Harras Institut für Deutsche Sprache R 5,6-13 Postfach 10 16 21 D-68016 Mannheim

Prof. Dr. Heribert Picht Institut für Spanisch Wirtschaftsuniversität Kopenhagen Dalgas Have 15 DK-2000 Frederiksberg

Prof. Dr. F. J. Hausmann Lehrstuhl für Angewandte Sprachwissenschaft Universität Erlangen-Nürnberg Glückstraße 5 D-91054 Erlangen

Dr. Κ. T. Thomsen Den Danske Ordbog K0benhavns Universitet Njalsgade 80 DK-2300 Kebenhavn S

Dr. Anne Lise Kjœr Institut für Deutsch Wirtschaftsuniversität Kopenhagen Dal gas Have 15 DK-2000 Frederiksberg Prof. Dr. Jarmo Korhonen Universität Helsinki Germanistisches Institut PL4 (Hallituskatu 11-13) SF-00014 Heisingin yliopisto Prof. Dr. Peter Lutzeier Chair in German Department of Linguistics and International Studies University of Surrey Guildford, Surrey GU2 5XH England

Prof. Dr. Iwar Werten Institut für Sprachwissenschaft Universität Bern Länggaßstraße 49 CH-3000 Bern 9