Von dem Rechte des Arztes über Leben und Tod [Aus dem J. d. Heilkunde abgedr. Reprint 2019] 9783111666983, 9783111282237


279 50 3MB

German Pages 48 Year 1823

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Das Leben vor der Geburt
Das Leben während der Geburt
Das Leben nach der Geburt
Recommend Papers

Von dem Rechte des Arztes über Leben und Tod [Aus dem J. d. Heilkunde abgedr. Reprint 2019]
 9783111666983, 9783111282237

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Von

dem Rechte des Arztes über

L e b e n und Tod.

Von

C. W.

Hufeland,

König!. Prauf». Staalirath und Leibarzt.

Aus dem Journal der praktischen Heilkunde besoaders abgedruckt.

B e r l i n 1025. G e d r u c k t b e i G.

und v e r l e g t R e i m e r .

E s ist hier nicht die Rede von jenen* Rechte , welches jedem Arzt mit dem Doktorhüte verliehen w i r d , und' weichet jeder K r a n k e , der sich einer K u r unterwirft^ stillschweigend a n e r k e n n t , — dem Rechte f in das Leben der Menschen einzugreifen,, um es bei V e r i r r u n g e n w i e d e r auf die recht* Bahn zu b r i n g e n , wobei allerdings auch di« Möglichkeit einer f e h l e r h a f t e n , selbst lebensgefährlichen, Führung gegeben , a n d sonach immer dem Arzte Leben und T o d in die H ä n d e gelegt w i r d ; — Sondern die Frage ist h i e r : Steht dem Arztt das Hecht zu, über die Notwendigkeit eines menschlichen Daseyns zu entscheiden, und dasselbe in gewissen Fällen absichtlich zu verkürzen oder zu verruchten ? Man sollte kaum g l a u b e n , dafs bei ei* oem Geschäfte, was *o rein Erhaltung n n d

A 2

4

Rettung des Lebens i u r a Gegenstand h a t , und wo jedes Mitglied gleich bei der Einw e i h u n g b e s c h w ö r t , nie etwas cum Schaden oder z u r V e r k ü r z u n g des Lebens zu u n t e r n e h m e n , eine solche F r a g e je möglich w e r d e n k ö n n t e , und doch ist sie es geworden , ja man hat in diesem Sinne wirklich g e h a n d e l t , und noch bis diesen Augenblick sind die Begriffe d a r ü b e r noch g a r nicht im Klaren. Aber es ist von d e r höchsten W i c h t i g k e i t , nicht blofs f ü r den A r z t , sondern f ü r die ganze M e n s c h h e i t , die dabei gefährdet w i r d , diesen Gegenstand einmal r e c h t scharf ins Auge s u f a s s e n , und d e r strengsten P r ü f u n g zu u n t e r w e r f e n , und ich w i l l e» h i e r v e r s u c h e n , indem ich alle Fälle zusammenfasse, w o d e r Arzt in die L a g e kommen k a n n , absichtlich oder wissentlich auf Abkürzung oder Z e r s t ö r u n g eines menschlichen L e b e n s h i n z u w i r k e n . D e r oberste G r u n d s a t i , von welchem w i r h i e r ausgehen, und an welchem w i r bei d e r ganzen Untersuchung festhalten müssen, i s t u n s t r e i t i g d e r : Niemand, als Gott allein, kommt es. zu, über die Nothwendigkeit desDaseyns

^

5.

_

eines Menschenlebens zu entscheiden. —

Er al-

l e i n g a b e s , e r a l l e i n k a n n es w j e d e r n«hm a n , —>, S o allgemein

gewifs

für

wahr

nun aber dieser Sata und gültig

angenom-

men w e r d e n mufs und auch w i r k l i c h w i r d , •o exiitiren

doch

eine

Menge

einzelner

Kollisionsfälle and Scheingründe, w o Aasnahmen

davon

nnd

g a n z b e s o n d e r s d e r A r z t , dem s o

wo

erlaubt

in

seyn

scheinen,

r e c h t e i g e n t l i c h u n d u n m i t t e l b a r das L e b e n in die Ilända gelegt ist, g a r sehr in V e r s u chung geführt werden kann,

s e l b s t in d e r

besten A b s i c h t ,

dagegen

handeln.

können

That Kompilationen

in

Pflichten genheit

der

entstehen, setzen

erscheinen.

die in grofse

and

Aber

höchst wehe

hier der V e r n ü n f t e l e i gibt.'

Er

tungsmittel

i s t verloren« ist und

zu

von

Verle-

verführerisch

dem,

der

sich

u n d Sophistilc

hin-

Das einzige

Ret-

bleibt,

a n das e i n f a c h e G e b o t

Es

sich

Gottes

lediglich

zu

halten]

Du sollst nicht tödten. D e r Z w e c k dieses A u f s a t z e s i s t n u n a l s o , diese einzelnen Fälle durchzugehen, w o der Arzt

durch solche Kollisionen und Schein-

gründe sehr leicht irre geführt w e r d e n kann, und, wie wir

aus Erfarung w i s s e n ,

auch

•chön oft gfenng irr« geführt werden ist. l o b theile sie in drei Klassen: das Leben vor der Geburt, das Leben während der Gtburt, und das Leben nach der Gtburt.

D a s

h e b e n

v o r

d e r

G«-

b u r t .

Die erste Frage ist hier unstreitig d i e : fVann fängt das Leben an? —

Und hier ist

es wohl keinem Zweifel unterworfen, dato der Zeagungsakt als der Anfang; des Daseyns des künftigen W e s e n s zu betrachten i s t , und dafs der e r s t e , selbst noch nnsichtb a r e , Keim desselben die aehmlichen An« sprüche auf Achtung', Vorsorge, und Schatz, auch von Seiten des Arztes, h a t ,

als der

nachfolgende ausgebildete Mensch. Aber ich

gehe

noch

und es ist Pflicht hier

weiter

zurück,

e i n m a l , und ich

glaube zum erstenmale, einen Gegenstand öffentlich zur Sprache zu bringen, der der Aufmerksamkeit der Aerzte bisher entgangen i s t ,

und

der

sie

doch im höchsten

Grade verdient, da er nicht hlofs von seiner moralischen Seite höchst strafbar, sondern auch von der physischen höchst verderblich i s t , nehmlich: die Vereitelung Zcugun£sakts.

des

W i r unterscheiden aUo hier zweierley, Vernichtung des Werdens, und Verrichtung des Gewordenen, als beides gehörig zu der Vernichtang; des Lebens v o r der Gebort. i.

Vernichtung des Werdens, — lung des Zeugungsaktes.

Vereite-

Ich rer«tehe darunter die absichtliche Vereitelung jenes Lebensakt», d e r e i n neoes W e s e n z u n Daseyn r u f t , oder vielmehr jenes Moments desselben, der in einer geheimnifsvollen W e c h s e l w i r k u n g und Verschmelzung zweier N a t u r e n — nach der neuen Sprache der IndifFerenzirung s w e i e r organischen Polaritäten — bestehet, der wesentliche Bedingung alles organischen Anfangs ist, und der es eigentlich ist, wo« durch der Beischlaf f r u c h t b a r wird. — Es ist unstreitig d e r h ö c h s t e , heiligste, aber auch geheimnisvollste Moment des ganzen Naturlebens des Individuums, indem er der einzige ist, der, als ein, nicht dem Individ u u m , sondern dem Daseyn der Gattung, Angehöriger A k t , in das Leben des AU, in die Totalität der N a t u r , eingreift.

W i r d ntjn dieser Moment verhindert, so wird der Zeugungsakt in seiner gänzlichen Vollziehung u n t e r b r o c h e n , welche eben i n Erreichung jenes Moments besteht, u n d dadurch der wesentliche Zweck desselben v e r e i t e l t , welcher immer doppelt i s t : Gegenseitige Umtauschung (gleichsam eine organische Saturation) zweier Naturen 7 und Hervorrufung eines neuen Daseyns, Die Folgen sind demnach doppelt) Einmal, es wird ein menschliches Wesen in der Entstehung gemordet. — Ich lasse mich h i e r s i e h t in sophistische Spitzfindigkeiten, ein, die hier schon oft in jesuitische ausgeartet sind; sondern ich appellire an den gesunden Menschenverstand, und an das reine unverdorbene moralische Gefühl eines jeden Menschen. Das Gewordene setzt das Werden voraus; u n d , wenn es unrecht ist das Gewordene zu t ö d t e n , so ist es unstreitig eben so u n r e c h t , den A k t , wodurch ts wird, zu v e r n i c h t e n , denn man tödtet ja wirklich das W e r d e n d e in seinem e r sten Entstehen« So sieht es auch die heilige Schrift an» Es wird als eine Handlung dargestellt, di«

10

G o t t m i f s f ä l l i g , s ü n d l i c h , u n d ftir die N a * t o r selbst V e r d e r b e n

b r i n g e n d i s t *).

i s t die e i g e n t l i c h e Onanie,

die

Es

OnanSünde,

w e l c h e n Namen man denn, nicht g a n t richtig*, a u f getragen

die ganze

Selbstbefltckung

über-

hat.

Zweitens,

es w i r d i n

beiden

Faktoren

des Z e u g u n g ' s a k t s , d e m m ä n n l i c h e n u n d d e m w e i h l i e h e n , eine H e m m u n g und U n t e r b r e chung

einer der

wichtigsten

organischen

F u n k t i o n e n b e w i r k t — eino U n t e r b r e c h u n g und Suppretsion des von beiden Seiten aufgeregten

und

herzuströmenden

triebes und der ihrem strebenden Productivität hörigen

Säften.

Stockung,

Zurücktrittf

teriellen,

retrvgrade

gedrängte Richtung

Die

Bildungs-

höchsten Zielo zum i t den d a z u g e Folge

mufs

u n d Anhäufung

seyn: des

Ma-

und in sich selbst zurück• des

Bildungstriebes.

D i c f s beweiset auch die Erfarnng vollkommen. Die in

den

W i r k u n g e n - zeigen Organen

*) S. i . Buch

Mose

der

sich zuAäc&st

Generation.

38. 9.

Impo-



tenz,

'11

Unfruchtbarkeit,

chronische



Sexuelle

Hennorrhoeen

schlechtern« der Testikeln

Besonders

Abneigung, beiden

Sarcocek,

Ovarien,

Cirso-

und i c h bin ü b e r z e u g t ,

dafs d i e so h ä u f i g v o r k o m m e n d e n ganisationen

Ge-

aber K r a n k h e i t e n

(Hydrocele,

cele) u n d O v a r i e n ,

in

Desor*

and Afterorganisationen

dei

so w i e die G e b ä r m u t t e r p o l y p e n ,

s e h r oft nichts anders s i n d als Folgen der v e r e i t e l t e n E m p f ä n g n i f * , a n d der dadrirch in sich zurückgedrängten

and

aasgearte-

ten P r o d u c t i v i t ä t . A b e r auch allgemein sind sie t r a n r i g , das g a n z e N e r v e n s y s t e m w i r d davon h e f t i g a n g e g r i f f e n , es entstehen H y p o c h o n d r i e , H y sterie , alle F o r m e n der

Nervenkrankhei-

t e n , und z u l e t z t k a n n es z a r völligen A b z e h r u n g führen. S o w a h r z e i g t sich a n d bestätigt sich es a n c h h i e r , dafs das G e s e t z der N a t u r auch Gottes G e s e t z i s t , nnd dafs jede U e b e r t r e t u n g desselben anch

zugleich Sünde

i s t , a n d i h r e S t r a f e nach sich zieht. N u n ist diese U e b e r t r e t u n g g a r nicht so selten

als man glanbt.

Sie g e h ö r t zn

12 den geheimen Sünden, die selbst unschuldig, ja in der besten Absiebt, begangen werd e n , w e i l man ihre Sündlichkeit und ihre verderblichen

folgen

nicht kennt.

Und

diefs ist e s , w a s es mir hauptsächlich t u r Pflicht macht, einmal laut und nachdrücklich davon zu reden. Ich spreche aus Erfarnng, und trau? rige

mehrmalige

Erfarungen

berechtigen

m i c h , das z u sagen w a s ich gesagt habe. — Nicht blofs jene schändlichen Erfindung e n , wodurch die V e r w o r f e n h e i t z u Befriedigung

der

tbierischen W o l l u s t ohne

Erreichung des Befruchtungszwecks gleichsam eine Scheidewand zwischen dem ge^ benden und dem empfangenden ziehet, sind e s , die ich meyne j sondern selbst sittliche und rechtliche Eheleute können, ohne zu wissen was weg

sie

gerathen,

thun,

auf

entweder

diesen

aus

schen Rücksichten, um nicht

Ab-

ökonomizu zahlrei.

che Familien zu bekommen, oder selbst aus zärtlicher Sorgfalt für die Gesundheit r um der schwächlichen Frau eine beschwerliche oder gefährliche Schwangerschaft und Entbindung zu ersparen, —

durch plötzliche

Entfernung wahrend des Bcischlafs vor der

Ejaculation oder durch andere Verhindetrungsmittel, die Empfängnifs 2a vereiteln. Es ist unglaublich, wie sinnreich die Erfindungskraft hierbei gewesen ist. Es ist ist mir ein Beispiel bekannt, wo «ich in einer Gegend auf dem Lande auffallend eine Verminderung der Kinderzahl zeigte. Die meisten Bauerfamilien hatten nur 2 bis 5 Kinder, und dann nicht mehr. Bei genauer Untersuchung fand sichs, dafs eine Hebamme dieses Geheimnifs besafs. Sie brachte, den Weibern unbewufst, zu Ende des W o chenbettes, einen fremden Körper vor dem Muttermund, welcher den Eingang verschlofs. Ja selbst der Arzt kann in den Fall Kommen, hierüber befragt und mit so viel Scheingründen bestürmt zu werden, dafs er leicht wankend gemacht werden kann, und diefs ist es hauptsächlich, weswegen ich diesen Gegenstand hier i u r Sprache bringen mufstc. Ich selbst bin in diesen Fall gewesen, und es war das erste Mal wo ich auf diese Sache aufmerksam gemacht wurde. Ein, durch Stand eben so sehr als durch edle religiöse Gesinnungen, ausgezeich-

-

H



•netos Ehepaar, dessen I l a t s a r s t ich v i r , wa* eine ziemliche Reihe Von Jahren hindurch fast alle Jahre durch die Gebort eines Kindes erfreuet worden. «Seit einigen Jahren hatte dies aufgehört, und seitdem verfiel die Frau in raannichfaltige Nervenbeschwerden , hysterische Krämpfe, besonders Schwäche, Aufgetriebcnheit und Krämpfe des Unterleibes, die immer mehr c a . nahmen. Eine Menge Mittel fruchteten nichts. Auch der Gemahl fing an zu kränkeln. Endlich als ich einst in einem vertraulichen Gespräche ihm meine Verwunderung bezeigte , dafs sie nicht mehr schwanger würde, und meine Hoffnung, 'dafs eine neue Schwangerschaft und glückliche Entbindung das beste Mittel ihrer Wiederherstellupg seyn würde, entdeckte er mir, dafs er schon seit einigen Jahren, aus Furcht, dafs eine neue Schwangerschaft •einer schon durch viele Wochenbetten angegriffenen Gattin schädlich werden könne, nnd aus zärtlicher Schonung, bei jedem Beischlaf die Empfängnifs durch Entfernung verhütet habe, und dafs ihn! sein Gewissen treibe, nachzufragen, ob er daran Recht gethan, und ob er es fortsetzen könne. Ich erklärte ihm, dafs es unrecht sey, und



15



d a f s , wenn e r sich des ehelichen Umganges nicht g&HB enthalten k ö n n t e , es s i w o M göttlich als menschlich besser s e y , dem Gesetz der N a t a r freien Lanf t u lasten, als sie (in einem i h r e r heiligsten Geschäfte en stören oder vielmehr au betrügen. — Aber es w a r zn spät. Schon hatte sich nnbemerkt eine Krankheit des Ovariutns e r z e u g t , welche sich nach einiger Zeit al« deutlicher Hydrops Ovarii e n t w i c k e l t e , nnd «»letzt durch W a s s e r s a c h t den Tod herbeiführte. Aehnliche Fälle 6ind m i r nachher mehr e r e vorgekommen, nnd einen Beitrag -von einem andern Arzte findet man im J o u r n a l der praktischen Heilkunde Januar 1823. 2. Vernichtung des Gewordenen. Das ist es, ws« man gewöhnlich Btförderung des Abortus nennt. Aber man inufs weiter z u r ü c k g e h e n , als gewöhnlich geschieht. Von dem ereten Augenblicke an, •wo der Zeugungsakt den Keim des künftigen W e s e n s g r ü n d e t e , ist es ein lebendiges, wenn gleich unsichtbares, Daseyn, h a t die nehmlichen Rechte und Ansprüche

an/ seine Anerkennung wie; da» Geborene, und jede Zerstörung dieses Lebens ist ein Mord. Ich bemerke aber, dafs über den Begriff von Abortus und Beförderung desselben noch, sehr viel schwankendes in den Schriften, noch mehr in den Begriffen und dem Handeln der Aerzte herrscht, ja dafs man so weit gegangen i s t , selbst die Existens von Abortivmitteln zu leugnen, und ich halte es deshalb für Pflicht, und benutze gern diese Gelegenheit, diesen wichtigen Gegenstand hier ausführlich und gründlich zu erörtern. Es gab allerdings Zeiten, wo man, ans unvollkommenen medicinischen und juristischen Kenntnissen, das Leben des Kindes im Mutterleibe erst nach einer gewisseu Zeit beginnen liefs, ja das Vorurtheil so weit ging, erst den Zeitpunkt, -wo sich merkbare Bewegungen des Kindes fühlen liehen — die Hälfte der Schwangerschaft; den Zeitpunkt, wo das "Volk sagt, es lebt.^auch als den anzunehmen, wo es grst als ein wirklich lebendes Wesen anzusehen sei, und wo es erst eine Seele habf« — Aber diese

diese Zeiten sind, Gott L o b , vorbei. Mit dem ersten Augenblicke des Zeugung*a c t s , w o das göttliche W o r t : Werdet aasgesprochen wurde, erkennen w i r auch das volle Daseyn des künftigen W e s e n s gegeben , und alles Folgende ist nur fortgesetzte Entwickehing desselben, völlig gleich, ob in dem ersten Keim seines D a s e y n s , odür in völlig ausgebildeter Gestalt. V o n die» sem ersten Augenblicke an hat es die nämlichen Ansprüche und Rechte auf seine An*Erkennung und Erhaltung, als in dem gen« zen folgenden Leben* Nun frage ich: was thut derjenige der in diesem Zeitpunkt des still verborgen schlummernden Lebens etwas unternimmt, wodurch es zerstört, und der belebte Keim von seiner M a t t e r losgetrennt w i r d ? — E r tödtet; er vernichtet das D a seyn eines lebenden W e s e n s eben so gut« als wenn er es 20 J a h r e nachher in der Blüthe seiner vollen K r a f t zerstört. Ja

der Mensch hat in diesem Z e i t -

punkte seines Lebens

noch v i e l gröfsere

Ansprüche auf unsere gröfste Aufmerksamkeit und Sorgfalt f ü r seine E r h a l t u n g , f e B

raohr ««in Daseyn in demselben verborgen u n d Tinbemerkbar ist. Auf welche W e i s e kann n u n dieser Mord geschehen? — L e i d e r auf eine,.«ehr u n b e m e r k b a r e , ja oft sowohl den Aerzten als den Nichtärzten a n b e w u f s t e , W e i s e . Sie ist doppelt. Entweder da« Leben des Keim« wird, z e r s t ö r t , — durch heftige Aff e c t e n , mechanische Erschütterungen, Ent•iehnng der N a h r u n g , dnrch unmittelbare operative Z e r s t ö r u n g der E i h ä u t e , — und e r w i r d n u n , als etwas Todtes und Fremdes , von der N a t u r a u s g e s t o ß e n ; Oder ea w i r d gewaltsam durch einen zu heftigen B l u t a n d r a n g , d u r c h Zusammenziehungen der G e b ä r m u t t e r , dieser Keim mit seinen «arten W u r z e l n abgelöset und qus der Verbindung mit dem ihn nährenden Mutterboden gerissen, und dann m i t d e m B I u t flufs ausgeleert. Auf diese W e i s e werden in den ersten Monaten unzählige menschliche W e s e n u n b e m e r k t , u n t e r dem N g . men der M e n s t r u a t i o n , dem Leben entsogen. Oeswegen ist es heilige P f l i c h t , und wird alt solche auch allgemein anerkannt,



i g -

l n den e r s t e n M o n a t e n a l l e s z u v e r m e i d e n , w as diese b e i d e n T o d e s a r t e n h e r b e i f ü h r e ? und besonders alles,

tonnte,

was entwe-

der durch mochanische Erschütterung oder dnr^h E r r e g u n g v o n B l u t c o n g e s t i o n e n , da* Leben der Frucht gefährden könnte. da

w i r kein

anderes

borgenen Lebens

Zeichen

haben,

bendo M e n s t r u a t i o n ,

Und

dieses v e r »

als d i e

ausblei-

s o g e b i e t e t das G e -

w i s s e n und mich das G e s e t z , b e i j e d e r Per« s o n , W® dies «1er F a l l i s t , d i e M ö g l i c h k e i t einer Schwangerschaft anzunehmen, dieses vielleicht verborgene Leben in Schute

zu

n e h m e n , und alles zu v e r m e i d e n , w a s jene zerstörende W i r k u n g hervorbringen te.



D i e s ist

der Begriff

von

könnAhortiv-

mittein. A l s ÀbortivuTsachtn

hat sie die Patholo-

g i e l ä n g s t a n g e n o m m e n , u n d j e d e r A r z t er» k e n n t s i e als s o l c h e , u n d w a r n t d a g e g e n . Dahin auf L e i b

gehören :

und B ü c k e n ,

r u n g e n ^beim F a h r e n Tanzen,

Stofsen

nnd

heftige

Fallen

Erschütte-

und B e i t e n ,

heftiges

heftige B r e c h - und Purgirmittel,

s t a r k e E r h i t z u n g des K ö r p e r s s o w o h l d u r c h B e w e g u n g , als h i t z i g e G e t r ä n k e » fi

3

Erregung



so —

eines starken Biotandranges nach der G«. bfirmutter > welche« anf doppelte Art geschehen k a n n , 'entweder durch Antrieb von Innen (treibende Mittel, Pellentia), oder durch Herbeiziehung von aufsen (Attrahentia). Zu den erstem gehören besonders die specifisch auf diese Theile wirkenden und sie reizenden Mittel, Aloe, Sabina, Helleborus, eisenhaltige kohlensaure W a s s e r ; zu den letztern, Aderlässe an den Fäfsen, Blutegel an die Genitalien, Fnfsbäder, Dampfbäder an die Genitalien, Injectionen, vorzüglich öfterer oder «u gewaltsamer Beischlaf. Alles aber, was Ursache, werden kann, kann bekanntlich, wenn es absichtlich an. gewendet w i r d , Mittel werden. Dafs diese Mittel nicht jederzeit dieselbe bestimmte W i r k u n g erzengen, ist kein Gegenbeweis, denn alles W i r k e n in der Medizin , — ja in der ganzen organischen Natur — ist relativ, r'as lieifst zusammengesetzt aus der Einwirkung und Gegenwirkung oder Receptivität des Gegenwirkenden, und es kann also Fälle geiben, wo eine kräftige Natur der W i r k u n g widersteht und sie aufhebt. Dasselbe gilt aber von jedem

M i t t e l ; selbst Brecb - und Purgirmittel wirken zuweilen nicht, ohne dafs man deswegen ihnen die Brechen und Purgiren erregende Kraft abstreiten w i r d . — Ja man würde mit eben dem Rechte aüch die Ursachen des Abortus ableugnen können, was doch wohl niemanden einfällt. Ursachen nnd Mittel sind an sich völlig e i n s , der Zweck allein macht die Ursache zum Mittel, and jede Ursache wird M i t t e l , sobald sie mit Absicht angewendet wird. W e r also Ursachen des Abortns zugiebt, und das thnn w i r wohl a l l e , der giebt auch die Existenz von Abortivmittdn zu. Es ist ja der nämliche Fall njit unzähligen andern Potenzen. — Die gröfsest« Analogie haben die Wurmmittel• Man bemerkte , dafs auf gewisse Genüsse oder Proceduren die W ü r m e r abgingen. Dies waren Ursachen. — Man wendete sie absichtlich a n , nnd nun wurden es Mittel, — Ja die Analogie läfat sich noch weiter fortsetzen. W a s von der Abtreibung der Eingeweidewürmer gilt, gilt auch von dem Menschenwarm, dem Fötusl Sie können nämlich eben so w i e e r , auf doppelte

W e i s e fortgeschafft werden, entweder durch Tödtung der W ü r m e r , welche dann die Natnr selbst als etwas Fremdes ausstöfst, oder durch Erregung einer gewaltsamen Lebensthätigkeit des Organs, was sie enthält, des Darmkanals, Diese Mittel nennen wir W u r m m i t t e l , and niemand trägt Bedenken, ihre Existenz anzuerkennen. Und doch wollen wir es bei den Abortivmitteln, welche in derselben Kategorie stehen! — W e l c h e r W i d e r s p r u c h ! Aber auch die Erfarung bestätigt es vollfeuramen, Niemand wird leugnen, dafs der Arzt die Menstruation befördern oder treiben könne, und dieselbe Wirkung kann ja, wie wir oben gesehen haben, auch den Abortus hervorbringen, Die Geschichte 4er Medizin ist voll von Beispielen, wo durch solche Mittel wirklicher Abortus erzeugt wurde, und wie unendlich viele mögen existireu von den ersten Monaten, W9 es niemand bemerken konnte! Das Anlegen von Blutegeln au die Genitalien, und das Aderlars am Fufse gehören hierbei zu den wirksamsten Mitteln, W e r hat nich t •chon Beispiele erlebt, dafs nach dem Fahren auf stofsendqn W a g e n , oder nach Stö-



25



fsen nnd Fällen anf den Leib oder Mcken Abortus erfolgt ist? Eben so nach heftigen Brechmitteln nnd drastischen Parginmitteln? Noch ganz kürzlich hatte ich Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, wo eine Frau bald nach einem genommenen heftigen Brechmittel die stärksten Bewegungen tum Abortus bekam, und 24 Ston* den darauf abortirte. Aber noch ein ganz neues Beispiel von den geheimen und un" bemerkbaren Abortusbeförderungen und -von der Kraft der Sabina möge hier «etilen Fiats finden: In S — hatte man lange schon ein Mädchen wegen ihres Lebenswandels in Verdacht , aber es zeigte sich keine Schwangerschaft; endlich wurde einjSabinabaum, der im Garten stand, ausgerottet, und bald darauf wtirde das Mädchen schwanger. — Es ist bekannt, dafs diese« Mittel zu der geheimen Hausapotheke gehört, wodurch Personen, bei denen die Reinigung ausbleibt, dieselbe wieder herstellen, und wie mancher Lebenskefm ist dadurch schon in der ersten Entstehung vernichtet worden!

Die medizinische Polizei hat ja darauf ihre Vorschriften zum Schutzbund die gerichtliche ihre Gesetze und Strafen gegründet. — Ja der Schutz, den das Gesetz diesem verborgenen Leben schenkt» geht so weit, dafs es selbst den straft, der in den ersten Monaten die Schwangerschaft verheimlicht, und Eltern und Dienstherrschaften, die diese Anzeige nicht beachten. Eben so warnt jeder gewissenhafte Lehrer der Heilkunst und Klinik •eine Schüler, bei ausbleibender Menstruation sowohl verheiratheter als unverheiratheter Personen, niemals gleich herbeiziehende oder treibende Mittel anzuwenden, sondern erst die Zeit abzuwarten, wo man über das Daseyn oder Nichtdaseyn einer Schwangerschaft Gewifsheit haben kann. — Auch verbietet deshalb die Medizinal - Ordnung den Apothekern ausdrücklich, nächst den Brechmitteln und drastischen Purgirmitteln, den Verkauf der Menstruation treibenden Mittel. W i r geben gern z u , dafs in den spätem Zeitpunkten, wo die Frucht schon aasgewachsen und befestigt ist,, -die W i r kung der Abortivmittel schwächer ist, wie

nns noch neulich ein Fall in einer Französischen Zeitschrift mitgetheilt wurde» wo die Schwangerschaft den heftigsten drastischen Mitteln .widerstanden hatte, ntfd wie wir auch einigemal bei Schwan^ gerschaften, die f ü r Wassersacht gehalten wurden oder damit verbanden waren, und mit den stärksten diuretischen und drastischen Mitteln bekämpft w u r d e n , gesehen haben. Aber dieis ist keineswegs immer der Fall, and besonders in den ersten Mo» n a t e n , wo das Leben der Frucht nur schwach und ihre Adhäsion noch so zart i s t , da ist die Gefahr gewifs sehr grofs. W i r glauben also, mit vollem Recht, i n m Schlafs den Satz als festgegründet aussprechen za können: Es giebt Abortivmittel 5 — Monaten

und ein Arzt, nach

(welche jederzeit

welcher sie in den ersten

ausbleibender als präsumtive

zu betrachten ist)

anwendet,

Monatsreinigung Schwangerschaft beweiset dadurch

entweder einen Straßaren Leichtsinn, wissenheitoder

oder Un-

die Absicht den Abortus zu be-

fördern.

Bei der gegenwärtigen Untersuchung kommt nun vorzüglich die Frage in Betracht: Ob es nicht unter gewissen Umständen dem Arzte,



26



gelbst erlaubt, ja Pflicht teyn AÖnne, dtn Abortus tu befördern ? Es können nehmlich durch die Schwangerschaft selbst so gefährliche körperliche, selbst g e i s t i g e , Zufälle erregt w e n d e n , efe kann mit der Schwangerschaft die Gefahr Viner so schweren Gebart verbunden seyn, flafs durch alles dieses das Leben der M u t t e r gefährdet wird. Es kann die Befechaffenheit des Beckens eine sehr s c h w e r e , ja tödliche, Niederkunft fürchten last e n . Und hier kann die Unwissenheit, die Schlechtigkeit, ja selbst sophistische Ueberklugheit und Gutmeinen, es für erlaubt und recht halten, besonders in den ersten Monaten, w o man selbst noch durch die Uegewifsheit der Schwangerschaft das Gew i s s e n beschwichtigen .kann, durch treibende Mittel die einige Monate ausgebliebene Menstruation wieder herzustellen, und auf solche W e i s e die Schwangerschaft zu v e r n i c h t e n . Aber auch h i e r a n t w o r t e n

wir:

Vor

M e n s c h e n und nach menschlichen Ansichten mögt i h r e u e r Beginnen entschuldigen und beschönigen.

V o r Gott bleibt es Sün-

ae, Gott hat dlefs Daseyn gewollt, denn er hat es gegeben. Der beschränkte, kurzsichtige, Mensch darf sich nicht anmafsen, in diese höhere Macht nnd Fügung eingreifen zu wollen und Gotte» W e r k zu •vernichten. W i e viel tausend W e g e «teilen der göttlichen Macht zu Gebote, dennoch alles glücklich und herrlich autzu« f ü h r e n , ja selbst aus Leiden und Unglück das Herrlichste h e r v o r z u r u f e n ! Die neuerlich empfohlene Beförderung der Frühgeburt w ü r d e u n t e r dasselbe V e r d a m mungsurtheil fallen, wenn sie sich e r l a u ben w o l l t e , die Frucht vor i h r e r Lebensfähigkeit oder mit Gefahr ihres Lebens zur W e l t zu fördern.

Das heben während der Geburt. Hie^ störten wir auf Fälle unserer Aufgabe, die unstreitig zu den schwierigsten gehören, und das Gefühl, die Pflicht, und das Gewissen des Arztes auf eine fnrehtbare Art in Ansprach nehmen nnd entzweyen können. Dahin gehört die schreckliche Lage, wenn die Matter ihr Kind nicht gebähren kann, and die Frage entsteht, wer für das andere sterben soll. Es ist bekannt genug, jdafs man in manchen dieser Fälle sich für berechtigt hielt, zuweilen das Kind, zuweilen die Matter, je nachdem die Umstände, ja selbst politische und äafsere Verhältnisse, es foderten, aufzuopfern — ja einen absichtlichen, wohl überlegten und kunstmäfsigen, Todtschlag (die Compression und Enthirnung) zu begehen. — In welche Lage kommt hier der Arzt! Und wie soll er sich dabei benehmen ! W i r wollen die Fälle genauer untersuchen.

2g

"

Der erste Fall i s t , wenn das Kind allst e r der Gebärmutter in der Höhle des Unterleibes Hegt (Graviditas extrauterina), also die Gebnrt anf dem natürlichen W e g e völlig unmöglich ist. H i e r ist der Tod des Kindes gewifs, die Mutter aber bann es überleben, und noch viele J a h r e , mit der todten Frucht in ihrem Leibe, fortleben, oder sie auch durch allmählige Auflösung und Vereiterung auf andern W e g e n von sich geben. — Es kann aber das Leben des Kindes gerettet -werden, wenn sie sich zur rechten Zeit zur Operation des Bauchschnitts entschliefst, wobei aber freilich ihr eignes Leben in Gefahr kommt. Hier bleibt es also ganz dem Gewissen und der Kraft der Mutter überlassen, ob siö sich der Operation unterwerfen will, so wie der Einsicht des Arztes, den Zeitpunkt der Operation so zu wählen, dafs auch der Z w e c k , ein lebendiges und lebensfähiges Kind zur W e l t zu bringen, völlig erreicht wird. Der zweite Fall, wenn entweder durch unverhältnifsmäfsige G r ö ß e des Kindes, oder durch zu bedeutende Enge des Beckens,



So



«der durch Gewächse und andere Hindernisse, die Gebart» wenigstens eines leben, den Kindes, unmöglich wird. — Hier ist die Matter verloren, wenn das Kind nicht geboren wird. Sie kann aber ihr Leben retten, wenn das Kind im Matterleibe getödtet wird (darch Enthirnung und Compression des Kopfes, wodurch es durchgangsfähig wird). Sie kann selbst beide^, ihr und des Kindes Leben, retten, wenn •ie sich zur Operation des Kaiserschnitts entschliefst, wobei aber auch immer ihr eignes Leben in Gefahr kommt« Hier hat man nun die wunderbarsten Berechnungen, nach irrdischen, politischen^ ja diplomatischen, Rücksichten angestellt, aber sich, wie gewöhnlich, in immer neue Schwierigkeiten verwickelt, —• um zu entscheiden, welches Leben wichtiger, welches zu erhalten Und welches zu opfern gey. Bei einem Kinde der niedern Klasse ¿um Beispiel war es das Kind, was map opferte, und der Mutter 'wurde das J^** bensrecht zugestanden, bei den hähern Ständen aber, wo etwa mit dem Daseyn des Kindes grofse Erbschaften oder gar Thronfolgen verbunden waren, meinten die



3i



Ringen dieser W e l t , müsse man die Matter daran geben und das Kind erhalten»

Aber ich frage: Einmal, w i f s t ihr denn g e w i f s , wa# ¡hr erhaltet? — Es kann ja eine Mifsgeburt seyn, es bann ein weibliches W e s e n f e y f l , was alle diese Vortheile verliert; es kann ein so schwaches Kind s e y n , d?¿s es bald nach der Geburt stirbt. Und w i e w i r d es dann mit euren klagen Berechnungen aussehen, wenn ihr das Leben ejnes Menschen deshalb geopfert habt? Zweitens, w e r gab euch das Recht, das Todesurtheil über einen Menschen zu sprechen? Und w e r darf je die göttliche Heilkunst, die erhaltende und belebende, z u einem Instrument des Todes herabwürdigen ? W e l c h e r Arzt kann die Schmach auf sich laden, ein Henker zu werden? Uns scheint aber kelt gemachte Aufgabe, und göttlichen Gesetzen, folgende wenige W o r t e

diese so verwifc« nach menschlichen sehr einfach durch aufgelötet zu seyn;



32



Kein Mensch hat das Recht, über die Notwendigkeit des Dnseyns eines andern Menschen zu entscheiden, und ihn zutödten. Also jede Tödtung, jede Enthirnung eines Kindes so lange es lebt, ist eine verwerfliche, eine sündhafte Handlang. Der Matter allein steht es zu, ia ei.« nem solchen Falle zu. entscheiden. Es ist ihr eignes Leben, and das Kind u t noch ein Theil ihres Selbst. Sie allein kann bestimmen, ob sie ihr eigen Leben wagen will, um das Leben ihres Kindes zu retten. Und diefs ist jederzeit möglich, Im ersten Fall durch den Baachschnitt, im zweiten durch den Gebärmutterschnitt. Beide Operationen können, wenn sie ge« hörig und zur rechten Zeit angestellt wer» den, mit Erhaltung des Lebens von Mutter und Kind gemacht werden, und sind schon mit diesem glücklichen Erfolg gemacht worden. — Die einzige Pflicht des Arztes hierbei also ist, der Mutter zur rechten Zeit die Unmöglichkeit dei Geburt und die Notwendigkeit der Operation als einziges Rettungsmittei vorzustellen, und ihre Entscheidung za erwarten; nie

nie aber die Énthirnung oder Kompression oder Zerstückelung des Kindes früher \Ot* zunehmen, als bis er von dein Tode dés* seihen völlig überzeugt ist. Ânch wird bei der GeWifsheit eine« Solchen Ausgangs t die von dem würdiget! Menzel empfohlene, künstliche Frühgebart» •wenn sie mit der gehörigen VerSicht s o Erhaltung des Kindeslâbens angestellt wird) eine treffliche Aashülfe seyn.

C

Das Leben nach der Geburt. Auch nach der G e b a r t , im schon völlig aasgebildeten Leben, können Lagen und Verhältnisse eintreten, wo der Arzt, selbst der rechtlichste, in Versuchung geführt werden b a n n , des Leben eines Menschen aufs Spiel zu setzen, ja sein Nichtdaseyn für besser zu halten, und es absichtlich zu vernichten. Zuerst die gar nicht selten vorkommenden Fälle, die nnr zu oft mit grofsem Leichtsinn behandelt w e r d e n , wo eine schwere, bei gewöhnlicher Behandlung unheilbare, K r a n k h e i t , ein Mittel oder eine Operation nöthig macht, wobei das Leben des Kranken in offenbare Gefahr gesetzt w i r d , und wo allerdings, wenn der Tdd darauf erfolgt, der Arzt als Ursache des Todes angesehen werden kann. — Es fragt sich: H a t der Arzt ein Recht dazu, einen Menschen dieser Gefahr auszusetzen? — Meine Antwort ist: J a , aber nur unter zwei Bedingungen:

Einmal: Es mufs völlig entschieden «ey», dafs nur ander dieser Bedingung die Ret» lung des Lebens möglich ist. Zweitens: Der Kranke mufs von der Le* bfensgefährlichkcit des Mittels unterrichtet und es selbst zufrieden seyn, sein Leben t u wagen, um dem gewissen Tode KU entrinnen. Alse eigentlich bleibt es auch hier der K r a n k e , der allein das Recht h a t , sein Le» ben auf das Spiel zu setzen, und in die» sen Fall i n entscheiden. Der Arzt bekommt es nur Auftragsweise durch i h n , und er darf es, weil er die Absicht hat ihn cu retten. Aber nirgends ist wohl die Versuchung gefährlicher, und nirgends zeigt sich die Gefahr einer falschen Philosophie gröfser, als d a , wo bei unheilbaren, schweren» schmerzhaften, Leiden, bei gänzlichem Schwinden jeder irrdischen Hoffnung, bei manchen Arten der peinlichsten Schwermuth Und Angst, der Kranke selbst sehnlichst um Abkürzung seiner Leiden bittet; ja seine Lieben selbst) aus den theilneh* C s

m e n d s t e n M i t g e f ü h l , s e i n e Auflösung erfleBen. — Sollte I n e r n i c h t d e r A r z t das R e c h t h a b e n , i h m «eine L e i d e n — denn das alloin ist noch s^in L e b e n — a b z u k ü r zen ? Sollte es n i c h t s o g a r Pflicht füfc ihm geyn? — Und dvch darf er es nicht. Böi, allem Schein d e r V e r s u c h u n g , bei den t r ü g e r i s c h s t e n v e r f ü h r e r i s c h s t e n Vorspiegel a n g e n seines G e f ü h l s u n d d e r g u t e n Abs i c h t , darf er es nicht. D e n n e r b r a u c h t sich n u r z w e i e r l e i r e c h t l e b h a f t und in sein e r einfachen Gestalt v o r Aegen z u stell e n , das, was er tliut, und das, wozu er d u r c h sein Amt b e r u f e n ist. — W a s t h u t e r ? — E r v e r k ü r z t a b s i c h t l i c h das L e b e n eines M e n s c h e n , e r tüdtet. Und d a z u h a t k e i n Mensch u n t e r k e i n e r B e d i n g u n g ein R e c h t , d e n n das Gebot G o t t e s l a u t e t ganz e i n f a c h : Du sollst nicht tödten, d u r c h a u s ohne alle Klausel — ja in d e r A u s d e h n u n g , diidas Ghristenthum diesem Gebote gegeben h a t ; d u sollst n i c h t e i n m a l den T o d eines M e n s c h e n w ü n s c h e n . — Und was ist sein B e r u f , sein ihm v o n G o t t a n v e r t r a u t e s Amt? •— D a s e i g e n t l i c h e W e s e n , der C e n t r a l p u n k t , des h o h e n ä r z t l i c h e n B e r u f e s , ist Erhaltung, möglichste Verlängerung^ des Lebern Diefs h a t der Arzt b e s c h w o r e n , ' a l s er Mo»

-

3;

-

stör seiner Kunst wurde, und ihm die Rechte und Pflichten derselben übertragen w u r den.

Er

Nat feyerlich beschworen, alles

zo t h u n , wodurch menschliches Leben erhalten, aber nichts, wodurch es auch nur einen Augenblick verkürzt werden könnte. Denn was ist ein Augenblick, was ist lange und kurz , was ist überhaupt jede Zeitbestimmung in solchen Verhältnissen ? — E i n Augenblick kann die Ewigkeit werth seyn. -— Kein irrdisches Auge vermag zu durchschauen ,

wozu

diese

Zeit des

Daseyns,

selbst des schmerzlichsten L e i d e n s ,

noch

von dem V a t e r alles Daseyns bestimmt ist, wozu sie heilsam und nothwendig i s t , für den Leidenden, für die Angehörigen,

für

den Zusammenhang des G a n z e n , wovon er ein T h e i l ist.

J a was ist das physische

Leiden» gegen das Leben tntwickelung

des

und die liöherq

Geistes,

die vielleicht

dabei bezweckt wird ? Und ich bitte einmal hierbei recht ernsthaft zu bedenken, was es heifst — sei es auch in der besten Absicht — einmal das gültliche Gebot zu überschreiten, und, wo!un es ßlhrt! schritten,



Ist einmal die L i n i e über-

so gitll es keine Ganzen

Mir-,

es

— sind

nnr

38

-

stufenweise

Uebergänge

den AHerfurchtbarsten, einmal,

über

die

bis

zn

Erlauben w i r uns

Nothwendigkeit

eines

menschlichen D a s e y n s z u entscheiden, und Uns das R e c h t a n z u m a ß e n , eigenen

Besten,

es,

zu seinem

zu vernichten,

so

mufs

es ja n o c h v i e l m e h r erlaubt s e y n , es cum TIeil des Ganzen tausend

a u f z u h e b e n , u n d so d u r c h

Scheingründe immer w e i t e r

— und der scheufslichste fertig, dessen W e s e n

Jesuitismus

fort; ist

eben der Grundsatz

' s t ; „ D e r Z w e c k h e i l i g t das M i t t e l . " — Ein Grundsatz,

den i c h u n b e d e n k l i c h die D o c -

t r i n des T e u f e l s n e n n e , Und doch ist es e b e n d i e s e r Irrsatz, d u r c h w e l c h e n n o c h in den n e u e s t e n Z e i t e n selbst die rechtlichsten Männer

z u den v e r d a m -

mungswürdigsten Handlungen verleitet worden sind, — M a n d e n k e an den, g e w i f s edlen Jüngling, in

der

Sand,

d e r in der besten A b s i c h t ,

Meinung

Gott

einen

Dienst

zu

l l i u n , das s c h ä n d l i c h s t e aller L a s t e r , e i n e n Meuchelmord,

beging.

Eben so w i e m a n

i n frühern Z e i t e n , ebenfalls G o t t und d e r W a h r h e i t z u r E h r e , anders denkende v e r brannte^ —

M a n denke an Crispin, der das

L e d e r stahl,

um armen Leuten Schuhe z u

-

3y

-

machen. Man denke an «o m a n c h e n E h e b r u c h d e r n e n e r n Z e i t , den d e r T h e t e r sich d a d u r c h beschönigte, dar« e r dabei ein v e r i r r t e « W e gen auf den r e c h t e n W e g z u r ü c k f ü h r e , u n d au» 'einer u n h e i l i g e n V e r b i n d u n g r e i f t e . A b e r es ist d u r c h a u s falsch, dafs d e r Z w c c k das M i t t e l heilige ; s o n d e r njede Handlung hat ihre Moralitüt in sich stlbst, u n d in sich e n t w e d e r Gut Hecht oder Unrecht.

oder Böse,

ist

entweder

D i e Z w e c k e u n d Folgen

e n t s c h e i d e n n i c h t s , u n d l e t z t e r e liegen nie in

des M e n s c h e n H a n d .

fühl,

nicht

unsere

Nicht unser

menschliche

Ge-

Ansicht,

die so l e i c h t i r r e n k a n n , also a u c h n i c h t unser individueller Glaube recht zu

thun

Sondern Geltes Gesetz allein e n t s c h e i d e t darü« b e r , w a s S ü n d e ist»

Und gegen diese l ä f s t

sich n i c h t s a n d e r e s a u f w i e g e n . W i e einfach s p r i c h t dieses d e r g ö t t l i liche

Stiftdr

unserer

W o r t e n aus: „ W a s

Religion

in

wenig

i h r n i c h t w o l l t , dafs

e u c h die L e u t e t h u n , das t h u t i h n e n a u c h n i c h t " — diefs ist d e r Inbegriff und K e r n aller

Gebote.

Und

d r ü c k t d u r c h Kant; Handeln

Maxime

philosophisch

ausge-

„ H a n d l e s o , dafs dein des

H a n d e l n s f ü r alle

vernünftige W e s e n werden könnte."



4o

Bedarf es noch e i n e r E v i n n e r a n g , dar« diefs alle« v o n doppelter fVichtigle.it ¿erz,te,

ist für

denen das P u b l i k u m m i t so unbe „Alles, was man in der subjektiven Ueberzeugung Recht zu t h u n , thue, selbst der Meuchelmord, sei auch vor Gott Hecht gethan," Ich möchte wohl diese Herren fragen, ob sie Merzten mit diesen Grundsätzen ihr Leben anvertrauen wollten? Sehr merkwürdig ist hierüber ein Gqs p r i c h , welches Napoleon selbst jnit seineqi A r z t e , dem Doctor O'Meara h i e l t , und dqa Betragen seiner Aerzte bei der berühmten Vergiftiingsgeschislite in Syrien betrifft,





W i r tfaeilen es hier m i t , so w i e es in der Stimme aus St, Helena erzählt w i r d : „ E h e ich von J a f f a a b z o g , f a h r Napow ¡epn f o r t , und nachdem die. meisten K r a n ken und V e r w u n d e t e n eingeschifft worden w a r e n , wurde m i r berichtet, dafs noch ein i g e Soldaten i n dem Hospital so gefährlich trank, l ä g e n , dafs man nicht im Stande s e y , sie zu transportiren.

Ich liefs ao-

rgleich die Chefs des ärztlichen Staabes ve*s a m m l e n , und sie f r a g e n , w a s hier zu thun w ä r e , und bat s i e , m i r ihren Rath über die Sache mitzutheilen." „ S i e stellten daher i h r e Untersuchung a n , und f a n d e n , dals 7 oder 8 Soldaten gefährlich krank w ä r e n , dafs an kein Auf» kommen derselben zu denken s e y , und dafa sie höchstens noch 2 4 — 5 o Stunden leben w ü r d e n ; überdies litten sie an der

Pest,

und man laufe G e f a h r , alle diejenigen, die •ich ihnen nahern w ü r d e n , angesteckt zu sehen.

Einige derselben, die noch Bowufst-

seyn hätten und bemerkten, dafs m a n sie zurücklassen w ü r d e , bäten aufs dringends t e , sie zu tödten.

Larrey

w a r der Mei-

n u n g , es sei keine Wiedergdnesung mög-



43



l i e h , and diese-armen Soldaten würden ifr -wenigen Standen den Geist aufgeben: da es indessen möglich s e i , dafs sie bei dem E i n z a g e der T ü r k e n in die Stadt noch lebten, and die Erfahrung lehrte, welche grausamen M a r t e r n diese gewöhnlich ihren Gefangenen auflegten, so halte e r es f ü r ein« H a n d l a n g der Menschlichkeit, i h r e W ü n T sehe za e r f ü l l e n , a n d i h r Ende am einig« Standen z a beschleunigen« Desgmtues w a r laicht dieser Meinung und e r w i e d e r t e , sein Amt gebiete ihm, die Kranken zu heilen, und nicht, ihr Ende zu beschleunigen. Larrey kam gleich nachher z a m i r , erzählte m i r all« Umstände a n d die Aeufserung Desgenettes, m i t dem Z u s a t z , dafs Desgenettes doch wohl Becht hätte. Aber, f a h r Larrey fort, diese L e u t e können n u r noch 24 oder höchstens 36 Standen l e b e n , und wenn Sie einen Nachtrapp von Reiterei zum Schutz derselben gegen Streifcorps zurücklassen woll e n , so w i r d dies hinreichend seyn. Ich liefs daher 4 — ö o o Mann Reiterei zurück, m i t dem Befehl, den Platz nicht eher z a verlassen, als bis sie alle todt Wären. Sie blieben z u r ü c k , und berichteten m i r naclfclier, dafs alle noch v o r ihrem Abzog gestorben wären. Ich habe aber indessen er-



4-i



fähren, dafs noch einet oder 2 Lebende w a r e n , als Sidney Smith dort anlangte. Dies ist d«r "wahre Hergang dieses Geschichte, Ich glaubo sagen au dürfen, dafa Wilson selbst jetzt weifs, daf» er getäuscht wurde, SiJney Smith hat diesen Umstand nie für W a h r h e i t aasgegeben. Mir scheint diese ganze Vergiftungsgeschichte, aus einer Aeufsernng von Desgenettes entsprungen &u seyn. Seine Aenfserung wurde wahrscheinspäter mifsverstanden, oder nicht genau wiederholt. Desgenettes, fuhr er fort, war ein guter Mann, und obschon er die Ver» anlassung zu dieser Erzählung gab, so war ich doch nicht darüber beleidigt, und hatte ihn in inehrern spätem Feldzügen noch uqi meine Person angestellt. Nicht als ob ich es für ein Verbrechen gehalten hätte, wäre Opium gegeben worden: im GegenthciJ, ich würde es für eine Tugend gehalten haben. Ich glaube, es wäre wahrhaft^grausam gewesen, wenn man einige arme Uu« glückliche die nicht genesen konnten, IUrücligelassen hätte, um sie durch die Türken nach ihrer gewöhnlichen Sitte» unter den jammervollsten Martern niedermachen zu lassen. Min General mufs mit seinen ¡¿ol.daUn so handeln, wi« er gegen skh

selbst h a n d e l e w ü r d e .

W ü r d e nun

aber

n i c h t jeder v e r n ü n f t i g e M e n s c h u n t e r ä h n « liehen U m s t ä n d e n einen l e i c h t e n T o d ,

ei«

pige S t a n d e n f r ü h e r , d e r H i n r i c h t u n g u n t e r den M a r t e r n dieser S a r b a r e n v o r g e z o gen haben?" Und d e n n o c h , t r o t z dieses g a n z e n R a i sonnements

Napoleons,

hatt« der

wao&ere

JJesgenettes R e c h t : der Arzt darf sich nie, unter keiner Bedingung,

zum

Henker

brauchen

lassen* Zum Schlufs erlaube man m i r ,

noch

ein W o r t ü b e r , das Versuche machen mit Giften und mit noch nicht erprobten neuen Mitteiii, b e i z u f ü g e n , — ein P u n k t , d e r auch hieher g e h ö r t , Leben

der Menschen

allerdings

in s o f e r n dabei das auf

das Spiel

ge-

s e t z t -werden k a n n ; u n d w o ebenfalls oft nicht zu leugnen i s t , dafs m i t u n v e r z e i h lichem L e i c h t s i n n v e r f a h r e n w i r d , u n d es noch i m m e r A e r z t e zu geben s c h e i n t ,

die

in den M e n s c h e n ein blofses K u n s t o b j e k t , ja w o h l gar eine Anima vilis, zu e r k e n n e n glauben. —

Aber w i e o f t soll es w i e d e r -

holt w e r d e n , dafs das m e n s c h l i c h e Leben nia als Mittel, sondern i m m e r als Selbstzweck,

zu bebandeln i s t , und d a f t in jedem Men* gehen die ganze Menschheit r e p r ä s e n t i r t u n d zn ehren i s t ! Dafs fdlglich jedes solche» Beginnen v e r w e r f l i c h rind sündhaft Ist, u n d jeder A r z t , d e r bei einem solchen V e r s a c h das L e b e n eines Menschen ver* k ü r z t , immer als M ö r d e r desselben betracht e t werden m a f s ! — W i r wissen z w a r sehr Wohl, dais d e r V e r s u c h z u r E r w e i t e r u n g d e r Kunst unentbehrlich i s t , und dafs i h b in sofern das Interesse und das W o h l d e r ganzen Menschheit f o d e r t . Aber e r darf n u r m i t jener Rücksicht ^unternommen w e r den, e r werde i m m e r m i t der gröfsten V o r sicht g e m a c h t , erst an T h i e r e n , und dann e r s t m i t g r ö f s t e r Behutsamkeit an M e n s c h e n , und m i t b e s o n d e r e r AufmerK« samkeit auf alle dabei möglichen N a c h theile f ü r L e b e n und Gesundheit. Am besten, w i e Stork t h a t , mache der Arzt den ersten V e r s u c h am eignen K ö r p e r . Er berücksichtige dabei f e r n e r n i c h t blofs die u n m i t t e l b a r e n tödtlichen F o l g e n , sondern a u c h die oft lange n a c h h e r erst nachkommenden, w i e dies bei m e h r e r n Mitteln, welche geheim und tief in die Organisation e i n g r e i f e n , und den ersten Keim zu i n n e r n Desorganisationen edler Eingeweide legen

können, als z. Bi dem Arsenik, gar nicht *u leugnen ist» w o «war der Kranke von der gegenwärtigen Krankheit geheilt wird^ aber darnaoh in ein sieches Lehen verfällt, und dann oft nach Jahren erst den Tod erleidet, welcher immer noch als Nachwirkung jener Kur zu betrachten ist. Ueberhaupt halte ich es nicht filr über^ flüfsig, die Aerzte hierbei an eine de* wichtigsten Regeln der Ileilkunst zu welche Angreifender und »erstörender sind als die Krankheit selbst), und, in sofern jedes Arzneibrauchen eine künstlich erregte Krankheit ist, erregt er ihm in der That eine gröfsere Krankheit als die w a r , die er heilen woIlte>