Vom Lehnstaat zum Ständestaat: Ein Beitrag zur Entstehung der landständischen Verfassung [(Neudr. d. Ausg. München 1912). Reprint 2019 ed.] 9783486741193, 9783486741186


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German Pages 219 [220] Year 1964

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Kapitel I: Eigenart und Organisation des Lehnstaates
Kapitel II: Der Übergang zum Standestaat
Kapitel III: Ansätze einer ständischen Verfassung
Kapitel IV: Rückbildungen; die staatsrecht-liche Stellung des landesherrlichen Rates
Kapitel V: Die Lockerung des Territorialver-bandes; Auflösung und Dezentralisation des 14. Jahrhunderts
Kapitel VI: Das ständische Einungswesen und seine Bedeutung für die innere Entwicklung der Territorien
Kapitel VII: Die Entstehung der Landeshoheit und landständischen Verfassung
Kapitel VIII: Wesen und Bedeutung der landständischen Verfassung
Verzeichnis der häufiger zitierten Bücher und Abhandlungen
Ortsnamen-Register
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Vom Lehnstaat zum Ständestaat: Ein Beitrag zur Entstehung der landständischen Verfassung [(Neudr. d. Ausg. München 1912). Reprint 2019 ed.]
 9783486741193, 9783486741186

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Historische Bibliothek Herausgegeben von der Redaktion der Historischen Zeitschrift 29. Band:

Vom Lehnstaat zum Ständestaat Ein Beitrag zur Entstehung der landständischen Verfassung von

HANS SPAJiGENBERG

NEUDRUCK DER AUSGABE MÜNCHEN 1912

HANS SPANGENBERG

Yom Lehnstaat zum Ständestaat Ein Beitrag zur Entstehung der landständischen Verfassung

NEUDRUCK DER AUSGABE MÜNCHEN 1912

1964 SCIENTIA VERLAG AALEN

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des R. Oldenbourg Verlags, München Herstellung: fotokop Reprografischer B e t r i e b GmbH., Darmstadt

Vorwort. Das Interesse an der Verfassungsgeschichte der deutschen Territorien, insbesondere an der älteren Landtagsverfassung, war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erschlafft und ist erst durch G. v. Belows, O. v. Gierkes, Luschin v. Ebengreuths und Fei. Rachfahls Forschungen wieder neu belebt worden. Eine Vertiefung unserer Kenntnis ist hauptsächlich von eindringendem Studium der einzelnen Territorialverfassungen zu erwarten. Die Ernte, die des Schnitters wartet, ist noch reich genug. Recht augenfällig tritt der Mangel ausreichender Monographien in der Tatsache hervor, daß das Deutsche Reich im 14. Jahrhundert etwa 90 geistliche Fürstentümer umfaßt hat und bisher allein für Salzburg, Lüttich, Trier, wie für Dorpat, Ansätze zur Erforschung der landständischen Entwicklung gemacht worden sind. Mehr wissen wir von der inneren Geschichte der weltlichen Territorien. Doch ist ein eingehenderes Gesamtbild der ständischen Entwicklung gleichfalls nur für wenige weltliche Landschaften, namentlich für Mecklenburg, Bayern, Schlesien, Jülich-Berg, die belgischen Territorien und Tirol, allenfalls auch für Vorderösterreich, Ostpreußen und die Grafschaft Mark gewonnen worden, während man sich für andere Gebiete,

VI wie z. B. Braunschweig-Lüneburg und die Wettinischen Lande, auf die Vorgeschichte der landständischen Verfassung beschränkt hat. Dieser Stand der Forschung verbietet es zunächst, das Werk F.W. Ungers, eine zusammenfassende Darstellung der deutschen Landstände, wieder aufzunehmen. Dagegen dürfte der Versuch, die gemeinschaftlichen Züge in der Entwicklung der deutschen Territorien darzulegen, auch als Vorarbeit für jenes umfassendere Unternehmen und für weitere Monographien, nützlich und lohnend sein. Ein Ansatz dazu ist in K. Maurers trefflichem Artikel »Landstände« (Deutsches Staatswörterbuch, 1861) gemacht worden. Üngers stoffreiches Buch (1844) gewährt wohl mannigfache Belehrung, dagegen kein anschauliches Bild des historischen Werdeganges; und von der Forschung neuerer Zeit ist in Werken allgemeineren Inhalts meist die systematische Darstellung bevorzugt worden. Die Skepsis mancher Gelehrten, welche eine allgemeine Verfassungsgeschichte der deutschen Territorien für ein undurchführbares Unternehmen halten, geht, wie mir scheint, zu weit. Langjährige Beschäftigung mit der deutschen Geschichte des späteren Mittelalters hat mir wenigstens die Überzeugung immer mehr gefestigt, daß die Entwicklung der deutschen Territorien nicht anders als die der germanisch-romanischen Staaten zum Teil von gleichen Strömungen beherrscht und geleitet worden ist. Diese Ansicht ist bereits in meiner Abhandlung »Landesherrliche Verwaltung, Feudalismus und Ständetum in den deutschen Territorien des 13. bis 15. Jahrhunderts« (Historische Zeitschrift Bd. 103, 1909) vertreten worden. Dort wurde die Frage erörtert, welchen Einfluß der Feudalismus und die ständische Erhebung auf Umfang und Tätigkeit der Lokal- und Zentral V e r w a l t u n g deutscher Territorien geübt haben. Hier ist der ergänzende Versuch unternommen, auf Grund eigner Quellenstudien, die sich hauptsächlich auf Bayern, die

VII Mark Brandenburg und das geistliche Fürstentum Osnabrück beziehen, und mit Verwertung der gesamten mir zugänglichen Literatur die Entwicklung vom Lehnstaat zum Ständestaat unter dem besonderen Gesichtspunkt der allmählichen Entstehung einer landständischen V e r f a s s u n g darzustellen und aus den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Zeit zu erklären. K ö n i g s b e r g (Ostpr.), August 1912.

H. Spangenberg.

Inhaltsverzeichnis. Seit«

Kapitell: E i g e n a r t u n d O r g a n i s a t i o n d e s L e h n staates 1—16 Das Germanentum als Träger einer neuen Staatsform S. 1—2. — Die Ordnung des Lehnstaates S. 2—4.— Die Reichsversammlungen und Landdinge (placita) des 12. Jahrhunderts S. 4—10. — Einfluß des Lehnrechtes auf die Entstehung der Landesherrlichkeit S. 10—11. — Der Kampf des Fürstentums mit dem Lehnsadel S. 11. — Der Spruch des Reichshofgerichtes vom Jahre 1231 und die Versuche des Königtums zur Erhaltung der feudalistischen Ordnung innerhalb der Reichsfürstentümer S. 11—13. — Bedeutung des Reichsspruches für die Entstehung der Landstande S. 14—16. Kapltelü: D e r Ü b e r g a n g z u m S t a n d e s t a a t 16—44 Die Auflösung der feudalistischen Ordnung S. 16. — Schwindender Einfluß des Lehnsadels und höheren Klerus auf das fürstliche Regiment S. 16—19. — Die Bedeutung der Ministerialitat für die Einrichtung einer einheitlich gegliederten staatlichen Verwaltung; Anfange des Beamtenstaats S. 19—20. — Versuche zentralistischer Ordnung der landesherrlichen Verwaltung S. 20—21. — Absolutistische Tendenzen S. 21—22. — Hemmnisse für die Erstarkung der Fürstengewalt; das Aufkommen der ständischen Gewalten S. 23—24. — Die neuen Berufsstände und ihre Emanizipation von der landesherrlichen Gewalt S. 24—35. — Dualistischer Charakter des Territorialstaates; dreifache Gliederung in Landesherrschaft, Rat und Stände S. 36, 37. —

X Seite

Übergang zu ständischen Versammlungen; Unterschied der Ständetage und älteren Landdinge; Scheidung zwischen Verfassungs- und Verwaltungsformen S. 37 bis 44. Kapitel III: A n s ä t z e fassung

einer

ständischen

Ver44—56

Grundlage für die Entstehung des Ständestaates S. 44, 45. — Ansätze ständischer Verfassung (um 1300) S. 45. — Das fürstliche Bedeerhebungsrecht S. 45—46.— Kampf der Landesherrschaft und Stände um das fürstliche Besteuerungsrecht S. 46—52. — Bedeutung der Bedeverträge für das innere Leben der Territorien S. 53—55. — Entstehung des Steuerbewilligungsrechtes der Stände S. 55. — Einungs- und Widerstandsrecht S. 56. Kapitel IV: R ü c k b i l d u n g e n ; d i e s t a a t s r e c h t liche Stellung des landesherrlichen Rates 56—74 Rückgang der ständischen Bewegung S. 56. — Seltenheit ständischer Versammlungen S. 57—59. — Die Ritterversammlungen des 14. Jahrhunderts S. 59 bis 60. — Der fürstliche Rat als Bindeglied zwischen Landesherrscha/t und Ständen; Zusammensetzung und staatsrechtliche Stellung des Rates S. 61 — 65. — Das Verhältnis des Rats zu den Ständen und sein Anteil am fürstlichen Regiment S. 66—74. Kapitel V: D i e L o c k e r u n g d e s T e r r i t o r i a l v e r bandes; AuflösungundDezentralisation d e s 14. J a h r h u n d e r t s 74—93 Der Niedergang des Fürstentums infolge privatrechtlicher Verbildung der landesherrlichen Gewalt S. 74—76. — Abwehr der Stände; Gegensatz zwischen Land und Landesherrschaft S. 76—77. — Das Aufdringen der Stände; ihr Streben nach Autonomie und Reichsunmittelbarkeit; Städte- und Rittereinungen S. 77 — 80. — Die Einschränkung der landesherrlichen Verwaltung; Zerrüttung des Finanzwesens; zunehmende Verpfändung des landesherrlichen Vermögens S. 80—86. — Lockerung des Territorialverbandes S. 87—88. —

XI Seite

Verschärfung des Gegensatzes zwischen den einzelnen Ständen, zwischen Rittern und Bürgern, Bürgern und Bauern S. 88—91. — Allgemeine Zerfahrenheit und Rechtsunsicherheit S. 91 — 93. Kapitel VI: D a s s t ä n d i s c h e E i n u n g s w e s e n u n d s e i n e B e d e u t u n g f ü r die in-nere E n t wicklung der Territorien 93—116 Anfänge der Umkehr S. 93—94. — Das Einungswesen als Mittel zur Erhaltung ständischer Rechte und Freiheiten 8. 94. — Angliederung der Städte S. 94 bis 97. — Anschluß der Geistlichkeit S. 97 — 99. — Entstehung ständischer Verbände in weltlichen Territorien S. 99—100. — Das Einungswesen in Bayern S. 100—107 — in Braunschweig-Lüneburg S. 107 bis 108 — im preußischen Ordenslande S. 108—111. — in den geistlichen Fürstentümern S. 111—113. — Blütezeit der Einungen S. 113. — Dauer, Zweck und Bedeutung der ständischen Einungen; ihr Einfluß auf die Entstehung und Form der Landtage S. 113—116. Kapitel VII: D i e E n t s t e h u n g d e r L a n d e s h o h e i t u n d l a n d s t ä n d i s c h e n V e r f a s s u n g . . . 116—147 Die Herstellung staatlicher Ordnung durch die obrigkeitliche Gewalt S. 116—117. — Untergang der alten Wehrverfassung und die Rezeption des römischen Rechts S. 117—119. — Anfänge einer politischen Renaissance in Deutschland S. 119—126. — Einschränkung des Fehde- und Faustrechts; Aufrichtung der fürstlichen Autorität S. 126—127. — Die Wiederherstellung des Untertanen Verbandes; Unterwerfung der drei Stände unter die obrigkeitliche Gewalt S. 127 — 130. — Die Aufrichtung der Finanzhoheit und Erneuerung des fürstlichen Besteuerungsrechtes S. 131 — 134. — Neue Formen der Steuerbewilligung S. 135. — Beseitigung des ständischen Einungsrechtes; Anspruch der fürstlichen Obrigkeit auf ein ausschließliches Recht zur Einberufung der Stände S. 135—140. — Übergang zur verfassungsmäßigen Bewilligung der Steuern durch Landtage S. 140. — Einbürgerung des Majoritätsprinzipes bei ständischen Verhandlungen S. 140—143. — Die Vertretungsbefugnis der Landstände S. 143—146. — Die landständische Korporation, eine Schöpfung der Landesobrigkeit S. 147.

XII Seite

Kapitel VIII: W e s e n u n d B e d e u t u n g d e r l a n d ständischen Verfassung 147—194 Die Vertretungsbefugnis als wesentliches Merkmal der landständischen Verfassung S. 147—148. — Die Bedeutung des Steuerwesens für die Entstehung und rechtliche Stellung der Landschaft S. 149—153. — Entstehungszeit der landständischen Verfassung S. 153. — Die Konstituierung der Gesamtlandschaft S. 154. — Die ständische Entwicklung in der Mark Brandenburg S. 154—158 — in Mecklenburg S. 158—166 — in Bayern S. 166—181 — im Elsaß S. 181 —186 — in Schlesien S. 186—191. — Das allgemeine fürstliche Steuererhebungsrecht als Erziehungsmittel zur Staatsgesinnung der Untertanen S. 191 — 192. — Die Entstehung des Staatebegriffs S. 193. — Die landständische Verfassung als Übergangsstufe zur Aufrichtung eines absoluten Staatswesens S. 194. Verzeichnis der h ä u f i g e r z i t i e r t e n und Abhandlungen Register der Ortsnamen

Bücher 195—204 205—207

I. Die deutsche Auffassung vom Staat steht in ausgesprochenem Gegensatz zur antiken Staatsidee. Dem Germanentum war es vorbehalten, eine neue Staatsform zu finden, welche das Individuum aus den Fesseln des allgewaltigen antiken Staats befreite und einen Ausgleich zwischen der Herrschaft einerseits, den Rechten des Volkes und der Freiheit der Persönlichkeit anderseits zu schaffen suchte. Die Anfänge repräsentativer Staatsformen, schrieb schon Montesquieu, sind in den germanischen Wäldern zu suchen. Eine Staatsauffassung, welche die Persönlichkeit voll und ganz für das öffentliche Leben in Anspruch nahm, ist dem deutschen Freiheitsgefühl von Anbeginn unerträglich gewesen. Der Germane ging nicht im Staate auf; er führte ein eigenes Dasein neben und unter der Staatsgewalt im Hause, in der Gemeinde, später in der Stadt, in Friedensgemeinschaften und Rechtskreisen, die der Staat mit seiner Zwangsgewalt nicht unmittelbar oder nur in beschränktem Maß erfaßte. Individuum und Gesellschaft behaupteten hier von jeher ihr Recht. Sie schufen ein Volks- und Gewohnheitsrecht, an dem jede Regierung ihre Schranke fand. Daher ist auch die in der karolingischen Zeit ausgebildete königliche Banngewalt, »die erste Form einer Regierungsgewalt und eines Verordnungsrechtes«1), im allgemeinen nur ergänzend neben dem Volksrecht zur Ausübung gelangt. *) Rud. Gneist, Die Eigenart des preußischen Staates, Berlin

1873, 8.4.

S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat.

1

2 Der altgermanische König bereits besaß »ein eigentümliches Machtgebot« nur über sein Gefolge1). »Nec regibus infinita ac libera potestas«, schreibt Tacitus; den freien Volksgenossen gegenüber fand die königliche Gewalt ihre Schranken. Königs- und Herzogswahl, Beamtenwahl, Beschluß über Krieg und Frieden, all diese Rechte lagen in der Hand der Volksversammlung, die zugleich als oberstes Gericht fungierte. Selbst in der fränkischen Zeit hat der König in Rechtsprechung und Gesetzgebung, in allen wichtigen politischen Maßnahmen den Rat der weltlichen und geistlichen Großen eingeholt, durch deren Entscheidung sich das Volk gebunden fühlte. Und wie die Versammlung der freien Volksgenossen dem patriarchalischen Königtum der Germanen, die Magnatenversammlung dem Frankenherrscher, so hat in der feudalen Zeit die Versammlung der Großen des Landes, die Lehnskurie, dem deutschen Könige beratend und beschließend zur Seite gestanden. Die öffentliche Ordnung des Feudalismus ist gewiß nicht schlechthin als Verwirklichung der germanischen Staatsidee aufzufassen. Germanische Rechtsvorstellungen aber übten zweifellos starken Einfluß auf die Gestaltung des Lehnstaates aus. Das altgermanische, schon der Gefolgschaft eigentümliche Treuverhältnis, das an Stelle der starren, rechtlichen Forderung des Untertanengehorsams, wie sie der römische Staat erhoben, ein persönliches Band zwischen Herrscher und Beherrschten setzte2), erhielt im Lehnstaat als politischer Kitt der neuen Staatsform erst seine volle Bedeutung. Und noch x

) Richard Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Leipzig 1907, S. 27. a ) W. Arnold, Deutsche Geschichte, Gotha 1883, Bd. II 2, S. 121. »Man könnte sagen: Das Lehensprinzip habe den Staatsgedanken zuerst mit persönlichem Leben und sittlicher Wärme erfüllt, in einer Woise, wie das weder bei den Griechen, noch bei dem so viel gepriesenen Staats- und Rechtsvolk der Römer jemals der Fall war.«

3 zwei weitere Eigentümlichkeiten germanischen Volkstums, die Vorliebe für »Selbstregierung in enggezogenen Kreisen«1) sowie die Beteiligung des Volkes oder der Großen an den Angelegenheiten der Gesamtheit, haben dem Lehnstaat sein besonderes Gepräge verliehen. Das Lehnwesen ließ der Neigung des Deutschen zur Ausbildung und Schonung berechtigter Eigentümlichkeiten weiten Spielraum. Indem der privatrechtliche Leiheakt das Lehen, mochte es in Grundbesitz, Amtsbefugnissen oder öffentlichen Rechten bestehen, in die Nutzung des Beliehenen brachte, entzog er es teilweise der Verfügung des Leihenden. Der Lehnsherr mußte sich jeden Eingriffes in das Lehen enthalten, soweit Besitz und Nutzung des Lehnsmannes reichten. Da die Feudalisierung den Amtsauftrag in ein nutzbares Recht verwandelte und dem Beliehenen einen dauernden Anspruch auf die mit dem Grundbesitz bzw. Amt verbundenen Befugnisse gab, entwickelte sich das Recht des Beliehenen am Lehnsobjekte »zu einem fast wie Eigentum behandelten Herrschaftsrechte«. Der König verlor also »durch die Verleihung einer Amtsgewalt als Lehen das Recht zu eigener unmittelbarer Handhabung derselben in dem betreffenden Amtsbereich2«). Nicht anders erging es den Reichsvasallen mit ihren Mannen und diesen wiederum mit den eigenen Lehnsträgern. Das stufenförmig gegliederte, hochgetürmte System, das vom König bis in die niederen Schichten des Volkes reichte, umfaßte zahlreiche, vielfach abgeschichtete Verbände, deren Glieder nach oben hin sich in dienstpflichtiger Abhängigkeit befanden, nach unten Herrschaftsrechte übten3). J. Ficker, Vom Reichsfürstenstande, Innsbruck 1861, S. 6. *) Otto v. Zallinger, Mitteilungen des Instituts f. österr. Gesch., 1889, Bd. 10, S. 225, Anm. 2; Jul. Ficker, Das deutsche Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen, Innsbruck 1862, S. 59 ff. •) Vgl. auch Paul Sander, Feudalstaat und bürgerliche Verfassung, Berlin 1906, S. 94 ff.

4 Die herrschaftliche Organisation des Lehnstaates, welche nur die höchsten Lehnsträger in unmittelbarer Verbindung dem obersten Lehnsherrn unterordnete und dem Königtum dadurch die soziale Führung der Massen entzog, erklärt es, daß sich auch die Teilnahme an den Angelegenheiten der Gesamtheit immer ausschließlicher auf die Höchsten und Vornehmsten beschränkte. Es sind die fürstlichen Inhaber der hohen geistlichen und weltlichen Reichsämter, die als fester Bestand der königlichen Hoftage für die Gesamtheit des Volkes ihre Stimme gaben. Als dann seit dem Ende des 12. Jahrhunderts der Besitz eines Fahnlehens unmittelbar aus der Hand des Königs Vorbedingung für die Zugehörigkeit zum Fürstenstand wurde, gewannen die königlichen Hoftage in wachsendem Maße das Aussehen einer. Lehnskurie, »auf welcher die Gesamtheit der Reichslehnsträger den Lehnsherrn berät und beschränkt, das Recht der Reichsgenossenschaft weist oder schöpft, Übereinkommen mit ihm in der Form von Reichsgesetzen abschließt« 1 ). Die Hoftage, welche die Hohenstaufenkönige mit ihren fürstlichen Lehnsträgern abhielten, unterschieden sich wesentlich von den Ständetagen des 15. Jahrhunderts, mit denen sie die gemeinsame Bezeichnung »Reichstag« fälschlich auf eine Stufe zu stellen pflegt 2 ). Der Vorzug, *) Otto Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, 1868, Bd. 1, S. 197. 2 ) Die Darstellungen der deutschen Verfassungs- und Rechtsgeschichte, die den »Reichstag« vom 10. bis zum 15. Jahrhundert meist in einem Kapitel zu behandeln pflegen, erwecken den Eindruck, als handle es sich um die kontinuierliche Entwicklung einer einheitlichen Institution, die, ursprünglich Beirat der Krone, seit dem 12. Jahrhundert allmählich ein Recht der Beschlußfassung und der Reichsstandschaft erworben habe. Dabei wird übersehen, daß das 13. Jahrhundert, die Zeit des Überganges vom Lehnstaat zum Ständestaat, einen bemerkenswerten Einschnitt bildet, und daß die vom Könige mit seinen fürstlichen Lehnsträgern um 1200 abgehaltenen Versammlungen einerseits, die Ständetage des 15. Jahr-

5 den die Fürsten durch ihre Teilnahme am Reichsregiment vor anderen Großen besaßen, war im 12. Jahrhundert keineswegs in ständischen Vorrechten begründet; er hätte sonst auch den freien Herren zustehen müssen, die mit den Fürsten und Schöffenbaren nach Ebenbürtigkeit, Buße und Wehrgeld ein und demselben Geburtsstande angehörten1). Vielmehr beruhte die in den Königsurkunden durchweg hervortretende Scheidung der principes von den freien Herren und einfachen Edlen auf ihrer Stellung in der Heerschildordnung. Die Fürsten waren vor ihren Standesgenossen dadurch ausgezeichnet, daß sie, ohne von einem Laienfürsten belehnt zu sein, hunderts anderseits nach ihrer Stellung im staatlichen Organismus wie nach ihrer Kompetenz zwei ganz verschiedene Gebilde sind. W. Arnold schon bemerkt in der Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte Bd.2, S.67: »Von einem Reichstag kann eigentlich erst seit dem Hinzutritt der Städte gesprochen werden; vorher gab es nur Hoftage oder Reichsversammlungen.« Wie berechtigt seine Mahnung ist, den Ausdruck »Reichstag« für die staufische Zeit zu meiden, beweisen zahlreiche entstellende und falsche Formulierungen, die sich mit jener irreführenden Bezeichnung eingeschlichen haben. So definiert z. B. C. Wacker, Der Reichstag unter den Hohenstaufen, Leipzig 1882, S. 59 den »Reichstag« der Hohenstaufenzeit als »den Verband der Reichsstände«, »welche, unter dem Vorsitze des Königs versammelt, die ihnen v e r f a s s u n g s mäßig zustehenden Rechte der Mitregierung ausüben«. Natürlich hat es zur Zeit des Lehnstaates noch keine »Reichsstände« gegeben. Die Annahme ferner, »es habe verfassungsmäßig festgestanden, daß der König bei gewissen Verfügungen ungebunden gewesen sei, bestimmte andere aber zu ihrer Rechtsgültigkeit der vorherigen Zustimmung der Fürsten bedurft hätten«, ist von Jul. Ficker, Fürstliche Willebriefe und Mitbesiegelungen, Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch., Innsbruck 1882, Bd. 3, S. 6 ff. überzeugend widerlegt worden. — Vgl. auch W. Sickel, Zur Geschichte des deutschen Reichstags im Zeitalter des Königtums, Mitteilungen des Instituts f. österr. Gesch., Ergänzungsband 1, Innsbruck 1885, S. 220 ff., bes. S. 251, 252. l

) Philipp Heck, Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, Halle 1905, S. 267ff.; Andr. Heusler, Institutionen des deutschen Privatrechts, Leipzig 1885, Bd. 1, S. 167 ff.

6 ihr Fahnlehen oder Fürstenamt unmittelbar vom Könige erhielten1); und seit der Einordnung der Reichsbischöfe und -äbte in den Reichslehnverband hat hierin ein prinzipieller Unterschied zwischen geistlichen und weltlichen Fürsten nicht bestanden2). Als oberste lehnrechtliche Genossenschaft, durch die höhere Stellung im Lehnsverbande, nicht infolge ihrer Zugehörigkeit zu einem Stande nahmen die Fürsten eine bevorzugte Stellung im Feudalstaate ein. Die Reichsversammlung dès 12. Jahrhunderts ist somit kein »Reichstag« in unserm Sinne gewesen. Sie unterscheidet sich auch dadurch wesentlich von den Ständetagen späterer Zeit, daß den Fürsten jener Zeit ein Recht auf Mitwirkung in allgemeinen Landesangelegenheiten »verfassungsmäßig« nicht zugestanden hat. Die Rechtskräftigkeit königlicher Verordnungen ist, soweit bekannt, niemals auf den formellen Grund hin bestritten worden, daß die notwendige Zustimmung der Fürsten vorher nicht eingeholt worden sei. Der König war an sich nicht genötigt, die fürstliche Zustimmung einzuholen, sondern nur verpflichtet, im Einklang mit dem geltenden Rechte des Ganzen wie der einzelnen Personen zu bleiben. Und man hat die Gewähr dafür, daß der König die ihm gezogene Schranke einhielt, nicht sowohl in der Beschränkung seiner Handlungsfreiheit durch die Forderung vorherigen fürstlichen Konsenses, als vielmehr in dem Schutzmittel gefunden, daß jeder in x ) Jul. Ficker, Vom Heerschilde, Innsbruck 1862, S. 51 ff. und Vom Reichsfürstenstande, Innsbruck 1861; F. Güterbock, Die Neubildung des Reichsfürstenstandes und der Prozeß Heinrichs des Löwen, Festschrift zu K. Zeumers 60. Geburtstag, Weimar 1910, S. 579—590 (vgl. dazu Deutsche Literaturzeitung vom 28. Mai 1910); Herrn. Bloch, Die staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, Leipzig und Berlin 1911, S. 296 ff. *) R. Boerger, Die Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten (Leipziger Studien, Bd. 8, Heft 1), Leipzig 1901.

7 seinem Rechte Verletzte vor dem Reichsgericht klagen und dieses durch Urteilsspruch den König nötigen konnte, seine Verfügung zurückzunehmen. Da die u n a n f e c h t b a r e , d a u e r n d e Rechtskraft königlicher Verordnungen also durch die Zustimmung »der zu einem allgemeinen Hoftage entbotenen Fürsten« bedingt war, ist es üblich gewesen, in wichtigen allgemeinen Reichsangelegenheiten, die Ehre, Gut und Recht des Reiches betrafen, zumal wenn ein Widerspruch nicht ausgeschlossen schien, im voraus die Zustimmung der Fürsten, nötigenfalls in der Form eines auf einem allgemeinen Hoftage gesprochenen Urteils, einzuholen1). Die königlichen Hoftage (generalis curia, sollemnis, celebris curia, curia magna, conventus, colloquium) nahmen im Reiche ungefähr die gleiche Stellung ein wie in den Territorien die von den Reichsfürsten berufenen Hoftage oder »Landdinge «*) (placita, curiae, conventus, *) Jul. Ficker, Fürstliche Willebriefe und Mitbesiegelungen, Mitteil, des Instituts für österr. Geschichtsforschung, 1882, Bd. 3, S. 7 ff. *) Vgl. R. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 4907, 5. Aufl., S. 628 ff.; J. Ficker, Vom Reichsfürstenstande, Innsbruck 1861, S. 36ff., 64, 65 usw.; J. Ficker, Über die Entstehungszeit des Schwabenspiegels, in den Sitzungsber. der kaiserl. Akad. der Wiss., phil.-histor. Klasse, Bd. 77, S. 854; F. A. v. Campe, Die Lehre von den Landständen nach gemeinem deutschen Staatsrechte, Lemgo und Detmold, 1864, S. 38ff.; Fr. W. TJnger, Geschichte der deutschen Landstande, Hannover 1844, Bd. 1, S. 122ff.; Friedr. Krüger, Commentatio de veterum in Germania provincialium ordinum origine atque natura, Göttingen 1843. Es gibt nur wenige brauchbare Monographien zur Geschichte und rechtlichen Stellung der Landdinge: Friedr. Karl Hausmann, Beiträge zur Kenntnis der kursächsischen Landesversammlungen, Leipzig 1798, und besonders die noch heute beachtenswerte Arbeit von P. Koloman Sanftl, Von den Land- und Hoftagen in Bayern bis zum Ende des 13. Jahrhunderts (in den neuen histor. Abhandlungen der kurfürstlich bayrischen Akademie der Wissensch., Bd. 4, München 1792), die aus Riezlers Geschichte Bayerns, v. Freybergs und v. Lerchenfelds bekannten Arbeiten

8 colloquia), deren Teilnehmer als primates, proceres, optimates, magnates, barones, hier und da auch als principes bezeichnet wurden1). Die Herzöge von Bayern z. B. pflegten den Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Bamberg, Freising, Eichstätt, Augsburg, Passau, Brixen, Regensburg, seit dem 13. Jahrhundert auch die Bischöfe der neugegründeten Bistümer Chiemsee, Seckau, Lavant, von weltlichen Großen die Markgrafen vom Nordgau, von Österreich, Steier, Istrien, zahlreiche Pfalzgrafen, Landgrafen und Grafen einzuberufen. Diese bildeten den ordentlichen Bestand der Mitglieder des bayrischen Landdinges2). Neben den principes nahmen an den königlichen Hoftagen auch freie Herren und Reichsministerialen, an den Landdingen neben jenen Primaten auch »nobiles et liberi« und »ministeriales« teil; sie durften ihre Zustimmung geben. Aber wie »für die volle Rechtskraft königlicher Verfügungen in allgemeinen Reichsangelegenheiten die Zustimmung der Fürsten einerseits erforderlich, anderseits aber auch durchaus genügend war«8), so traten innerhalb der Reichsfürstentümer hinter den Bischöfen und Grafen die freien Landsassen und vollends die über die bayrischen Landstande zu ergänzen ist. Vgl. auch C. Fr. v. Posern-Klett, Zur Geschichte der Markgrafschaft Meißen im 13. Jahrhundert, Leipzig 1863: Joh. W. Neumann, Qeschichte der Landstande des Markgrafentums Niederlausitz, Lübben 1843, S. 73ff.; Martin Luther, Die Entwicklung der landständischen Verfassung in den Wettinischen Landen bis zum Jahre 1485, Leipzig 1895; C. Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landst&nde bis zum Jahre 1555, Rostock 1856; L. A. Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahr 1305, Tübingen 1835, Bd. 1, S. 263ff., 307ff.; Heinr. G. Gengier, Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns, Heft 4( Die Verfassungszustände im bayerischen Franken bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts), Erlangen und Leipzig 1894, S. 54; H. A. Lüntzel, Geschichte der Diözese und Stadt Hildesheim, Teil 2, Hildesheim 1858^ S. 30, 31. *) Jul. 'Ficker, Vom Reichsfürstenstande, S. 38, 40. ») Vgl. Koloman Sanftl a. a. O. S. 476 ff. *) J. Ficker, Mitt. d. Instituts f. österr. Gesch., Bd. 3, S. 14.

9 Ministerialen zurück1). Die maiores et meliores terrae, neben der Geistlichkeit die höchsten adeligen Lehnsträger des Landes, gaben um 1200 auf den Landdingen noch den Ausschlag. Es stand im Belieben des Königs wie der Fürsten, wann und wohin sie ihre Hoftage beriefen, wen sie luden und was sie zur Beratung stellten. Doch betrachteten sie ihre Ladung als Befehl2), unentschuldigtes Fernbleiben von der Versammlung als strafbare Mißachtung des königlichen bzw. fürstlichen Befehls, die den Verlust der Gnade oder zum mindesten eine Geldstrafe nach sich ziehen konnte. Die Teilnahme an der Beratung galt nicht als Recht, sondern als Pflicht der Geladenen. Da aber jede Änderung des geltenden Rechts nur durch Konsens der Großen dauernde Rechtskraft erhielt, so hatte der Konsens derselben tatsächlich nicht geringe Bedeutung; und die Teilnahme der Großen erstreckte sich wohl auf alle wichtigen Gebiete des öffentlichen Lebens, der Verwaltung und Rechtsprechung von der Königs- bzw. Herzogswahl3) bis zur Erteilung von Privilegien, Abl

) Vgl. z. B. den Schluß der Urkunde von 1209 28./8. (Sudendorf, Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von BraunschweigLüneburg, Bd. I, Nr. 5, S. 4), durch welche Wilh. von Lüneburg der zu gründenden Stadt Löwenstadt das Recht einer freien Stadt erteilt. *) Der Schwabenspiegel, herausgegeben von Wilh. Wackernagel, Zürich und Frauenfeld 1840, bemerkt in Kap. 118 des Landrechts: tSumeliche herren hant daz reht daz si hof gebieten für sich selben. Ist er ein herzöge oder ein ander leienfürste, unde sintbistuom in sinem lande gelegen: die selben bischove sullen sine hove suochen unde allez daz reht daz der künic hat gein den, die sine hove niht suochent, daz selbe reht hant die leienfürsten gein den, die ire hove niht suochent. Diz reht hant alle die leienfürsten, die mit rehte hof gebietent.« *) Vgl. K. Sanftl a. a. O. S. 439ff.; Unger a. a. O. Bd. 1 , 1 2 2 ; Posern-Klett a. a. 0 . S. 30. Vgl. auch Annalista Saxo ad ann. 1123 (M. G. SS. VI. 760).

10 Schluß minderwichtiger Kauf- und Tauschverträge u. dgl. Auch darin glichen die Landdinge den königlichen Hoftagen, daß sie gleichzeitig als Gerichtstage fungierten1). Die Verhandlungen vollzogen sich nicht selten in der Form eines gerichtlichen Verfahrens. So erklärt es sich, daß die Ausdrücke consensus und sententia oder iudicium oftmals in gleicher Bedeutung gebraucht werden. Das Lehnsverhältnis gewann seit dem Ende des 12. Jahrhunderts im Reich, wie in den Fürstentümern immer größeren Einfluß auf die Gestaltung der öffentlichen Ordnung. Die amtsrechtliche Grundlage des Fürstentums schwand mit der Feudalisierung der öffentlichen Gewalt dahin2). Spätestens zurzeit des Schwabenspiegels bestimmten ausschließlich lehnrechtliche Gesichtspunkte die staatsrechtliche Stellung des Fürstenstandes. Der Kampf der Reichsfürsten um Befreiung aus der königlichen Gewalt mußte daher auf dem Gebiete des Reichslehnrechtes ausgefochten werden. Die Geschicke Deutschlands nahmen eine verhängnisvolle Wendung, als im Kampf mit dem Lehnwesen nicht der König, sondern das Fürstentum den Sieg erfocht. Der Zusammenhang des Reichsganzen lockerte sich; die deutsche Kleinstaaterei begann. Schon in der Stauferzeit glückte es den Fürsten unter der Gunst der politischen Verhältnisse, das Lehnrecht in einem ihnen vorteilhaften Sinne fortzubilden. Sie nötigten dem Königtum die schon im Sachsenspiegel erwähnte, verhängnisvolle Verpflichtung auf, welche Weiterleihung erledigter Lehen binnen Jahr und Tag gebot. Die *) Vgl. z. B. Ed. Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Bayerns, 1889, Bd. 1, S. 109ff. *) Hans Fehr, Fürst und Graf im Sachsenspiegel, in den Berichten der phil.-histor. Klasse der kgl. sächs. Ges. der Wiss. zu Leipzig, Bd. 58, 1906.

11 strengen Grundsätze über Felonie, Verleihung, Veräußerung und Teilung der Lehen, über Lehnsnachfolge und Heimfall wurden allmählich ganz oder teilweise außer Kraft gesetzt und die Herrschaftsrechte des höchsten Lehnsherrn damit fast zur Bedeutungslosigkeit abgeschwächt. Die Befreiung des Fürstentums nach oben fand ihre Ergänzung durch Unterdrückung der erblichen Feudalgewalten im Innern der Territorien. Eine bedrohliche Gefahr erwuchs hier den Territorialherren durch die zunehmende Selbständigkeit der eigenen Vasallen, die durch Erblichkeit ihres Amtes nach oben hin und weil »das Recht des Belehnten an dem Lehnsobjekt prinzipiell eine Mitausübung durch den Lehnsherrn ausschloß«, auch im Innern ihres Amtsbereichs eine Selbständigkeit erlangten, die den Amtscharakter mit der Zeit völlig aufhob. Erst dadurch erhoben sich die Fürsten in Wirklichkeit zu »domini terrae«, daß es ihnen gelang, sich zum Herrn auch im eigenen Hause zu machen, den feudalen Großgrundbesitz erfolgreich zu bekämpfen mit Hilfe der Ministerialität, die nun in der landesherrlichen Verwaltung immer ausgedehntere Verwendung fand. Die Vorteile dieser unfreien, abhängigen Dienstmannschaften konnten nicht verkannt werden in einer Zeit, da die Erblichkeit des Lehens dem Lehnsherrn die Verfügung über Gut und Ämter der Vasallen mehr und mehr entzog. Die feudalen Großgrundbesitzer, die herrschende Klasse jener Zeit, fanden im Kampfe mit der zur Landesherrschaft emporstrebenden Fürstenmacht Rückhalt am Königtum, dem jede Einschränkung fürstlicher Gewalt willkommen war. Wir erhalten Einblick in diese Interessenkämpfe aus der Gesetzgebung des Jahres 1231. Am gleichen Tage, an dem die Landesherrlichkeit durch das statutum in favorem principum reichsgesetzliche Anerkennung fand, erging vor König Heinrich das bekannte Urteil des Reichsgerichtes: »ut neque principes neque alii quilibet con-

12 stituciones vel nova iura facere possint, nisi meliorum et maiorum terre consensus primitus habeatur.« 1 ) Der Spruch führt uns in die Zeit, in der sich das Zerwürfnis zwischen Kaiser Friedrich II. und seinem Sohne Heinrich 2 ) vorbereitete. Während der Kaiser zum deutschen Fürstentum hielt, unter dessen Vermittlung soeben der Frieden von Ceperano (1230) abgeschlossen war, suchte Heinrich der Politik des Vaters entgegenzuarbeiten. Nichtsdestoweniger gelang es den Fürsten, deren Selbstbewußtsein durch kaiserliche Huld und die Erfolge ihrer diplomatischen Tätigkeit sich noch hob, dem Könige auf dem Wormser Reichstag (1231) die wichtigen Vergünstigungen des statutum in favorem principum abzunötigen. Entstand das statutum im Gegensatz zu den politischen Absichten Heinrichs, so kam der reichsgerichtliche Spruch unzweifelhaft seinen Wünschen entgegen. Der Spruch gab Antwort auf die Frage, ob die Landesherren berechtigt wären, neue Gesetze und Rechtssatzungen zu erlassen, ohne den Konsens der meliores et maiores terrae einzuholen. Vermutlich klagten die Antragsteller über Willkür der Landesherrschaft oder hegten zum mindesten die Befürchtung, daß die Fürsten des Reiches sich eigenmächtig über das geltende Gewohnheitsrecht hinwegsetzen würden. Sie gehörten unzweifelhaft den meliores et maiores selbst, dem feudalen Großgrundbesitz 3 ), den edlen und gräflichen Geschlechtern an, welche das Fürstentum damals mit aller Macht bekämpfte, >) M. G. Const. II, Nr. 305, S. 420; K. Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, 1904, S. 45, Nr. 45. 2 ) Peter Reinhold, Die Empörung König Heinrichs (VII.) gegen seinen Vater, Leipziger historische Abhandlungen, Heft 15, 1911. 3 ) Vgl. Luschin v. Ebengreuth, S. 439 ff.

Histor. Zeitschrift, Bd. 78,

13 um au! den Trümmern der feudalen Ordnung ein straffes, leistungsfähiges Regiment begründen zu können1). Schon diese Gegnerschaft machte sie zu natürlichen Bundesgenossen des Königtums. Der König hatte zudem ein lebhaftes Interesse, die edlen und gräflichen Lehnsmannen der Reichsverfassung zu erhalten; beruhte doch auf ihnen, den Aftervasallen des Königs, zum Teil auch die militärische Leistungsfähigkeit des Reiches. Der Spruch verfolgte diesen politischen Tendenzen entsprechend einen doppelten Zweck: der fürstlichen Gewalt Schranken zu ziehen und gleichzeitig eine führende Klasse des sinkenden Lehnstaates, den in seiner politischen und sozialen Stellung bedrohten Lehnsadel, zu stützen durch reichsgerichtliche Bekräftigung des Satzes, daß bei Erlaß neuer Gesetze und Rechtssatzungen2) die Zustimmung der meliores et maiores terrae eingeholt werden müsse. Der Reichsspruch wollte kein neues Recht schaffen; denn die ihm zugrunde liegende Rechtsauffassung war so alt, wie das deutsche Staatswesen selbst. *) Hermanni Altahensis annales, M. G. SS. XVII, S. 392 (um 1233) berichten von Herzog Friedrich II. von Österreich: »satagebat etiam nobiles et meliores terre sue opprimere et ignobiles exaltare.« Nach dem Chron. principum Austriae et Stiriae, bei A. Rauch, Rerum austriacarum scriptores, Wien 1793, Bd. I, S. 322 nahm Friedrich zwölf Bürger in seinen Hofstaat auf. 2 ) Die herkömmliche Auslegung, daß man unter nova iura hauptsächlich oder gar ausschließlich Steuern oder steuerähnliche Abgaben zu verstehen habe, scheint mir nicht ganz zweifelfrei zu sein. Es ist freilich unbestreitbar, daß die Worte iura, ius Steuern bedeuten können und sich auch mehrfach in solcher Bedeutung nachweisen lassen; vgl. R. Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 1907, S. 630, Anm. 113; G. v. Below, Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins, Bd. 21, S. 252 und Territorium und Stadt, S. 171, Anm. 1. Aber es fragt sich doch, ob »iura« hier nicht in weiterem Sinne zu fassen ist. Der Wunsch, eine so wichtige Befugnis, wie es das Steuerbewilligungsrecht ist, zu gewinnen, hätte es jedenfalls nahegelegt, schon in der Fassung, etwa durch Wahl bzw. Einfügung des Wortes exactiones o. dgl. einen Zweifel über die Natur der iura

14 Es ist daher auch nicht zulässig, die Entstehung der Landstände auf den Spruch des Jahres 1231 zurückzuführen, den man fälschlich als »Reichsspruch über das Recht der Landstände« (»sententia de iure statuum«) bezeichnet hat. Solange die feudalistische Ordnung bestand, solange die Ministerialitäten und jungen Bürgerschaften der Städte noch in der Abhängigkeit herrschaftauszuschließen. Die Bezeichnung »nova iura« würde ferner in der Bedeutung » n e u e Steuern« nur dann einen klaren Sinn geben, wenn nachgewiesen werden könnte, daß das fürstliche Besteuerungsrecht — wie etwa nach Fixierung der Bede und Ablösung des Besteuerungsrechtes in den bekannten Reservatfällen des 14. Jahrhunderts — schon um 1231 auf ganz bestimmte Fälle beschränkt gewesen ist. Die Fürsten pflegten aber um 1231, wie man allgemein annimmt, Steuern im Notfalle nach eigenem Ermessen zu erheben. Was sollte man damals unter » n e u e n « Steuern verstanden haben? Es kommt dazu, daß für die dem Spruch (1231) nächstfolgende Zeit ein Steuerbewilligungsrecht der meliores et maiores terrae nirgends, soweit bisher bekannt, in den Quellen bezeugt ist. In den Bedeverträgen des ausgehenden 13. Jahrhunderts aber hat es sich nicht, wie später ausgeführt wird, um Erwerbung einer Steuerbewilligung, sondern vielmehr um Beseitigung des landesherrlichen Besteuerungsrechtes gehandelt. Es scheint mir daher richtiger und ungezwungener, die Worte »nova iura« mit »neue Rechtssatzungen« zu übersetzen, zumal ihnen auch nach dem verbindenden Wörtchen »vel« eine ähnlich allgemeine Bedeutung wie »constitutiones« beigelegt zu sein scheint. Die Interpretation der Worte »constitutiones vel nova iura« ist meist durch die m. E. irrtümliche Auffassung beeinflußt worden, daß durch den Reichsspruch die Anfänge »landständischer Berechtigung« begründet worden seien, zu der ja bekanntlich vor allem die Steuerbewilligung gehörte. So schreibt z. B. Ed. Winkelmann, der jene Auffassung vertritt, das Reichsgesetz von 1231 habe die Landesherren »in der Gesetzgebung und bei Einführung neuer Steuern an die Zustimmung der höheren Stände« gebunden; »die Anfänge landständischer Berechtigung fallen also in Deutschland zeitlich mit der reichsrechtlichen Anerkennung der Landeshoheit zusammen«; Kaiser Friedrich II., Jahrbücher der deutschen Geschichte, Leipzig 1897, Bd. 2, S. 251. Bei J. F. Böhmer, Regesta imperii, Innsbruck 1882, Bd. V 2, S. 762 findet sich eine Bemerkung über die im Jahre 1231 »sanktionierte Entstehung der Landstände«. Vgl. dazu S. 15 Anm. 1.

15 licher Genossenschaften lebten, gab es keine Stände im späteren Sinne des Wortes, am wenigsten »Landstände«. Die zarten Keime ständischer Entwicklung kamen jener Zeit zweifellos noch nicht zu vollem Bewußtsein. Der Reichsspruch hatte keinen fortschrittlichen, sondern konservativen Charakter 1 ). Er bildete gewissermaßen ein Gegenstück zu den bekannten Verfügungen Kaiser Konrads II., der den Grundsatz der Erblichkeit, welche er den Fürstenlehen, besonders den Herzogtümern zugestehen mußte, gleichzeitig auf die niederen, die gräflichen und ritterlichen Vasallen ausdehnte, weil diese dadurch eine festere, unabhängigere Stellung gegenüber den fürstlichen Lehnsherren erhielten und wieder in ein unmittelbareres Verhältnis zum Könige als ihrem natürlichen Schirmherrn traten 2 ). Als dann nach etwa zwei l ) Das Urteil des Reichsgerichtes erkannte nach A. Luschin v. Ebengreuth, österreichische Reichsgeschichte, S. 160 »nur bestehendes Gewohnheitsrecht . . . als allgemein verbindlich an.« Nach der schroffen, aber m. E. durchaus zutreffenden Formulierung F. Rachfahls hat »das Gesetz König Heinrichs in Wahrheit nicht den geringsten Einfluß auf die Verfassungsentwicklung in den deutschen Territorien gehabt«, Zur österreichischen Verwaltungsgeschichte, Jahrb. f. Gesetzgebung usw., Jahrg. 23, Leipzig 1899, S. 1116; doch macht Rachfahl an späterer Stelle (Jahrb. f. Gesetzgebung usw., Jahrg. 33, S. 95 ff.) der alten Auffassung (vgl. S. 14 Anm.) Konzessionen. Es ist eine Eigentümlichkeit mittelalterlicher Gesetze, daß sie kein neues Recht schaffen, sondern meist nur geltendes Recht bestätigen oder allgemein verbindlich machen. »Da selbst, wo ausnahmsweise eine anscheinend neue Gesetzgebung vorzuliegen scheint, ergibt sich fast durchweg bei eingehender Prüfung, wie wenig es sich dennoch um eigentlich neue Satzungen handelte, wie nur Zerstreutes zusammengefaßt, tatsächlich bereits zu Rechte Bestehendes nun auch förmlich anerkannt wurde«; vgl. J. Ficker, Vom Reichsfürstenstande, Innsbruck 1861, S. 13. Selbst in der goldenen Bulle hat der Gesetzgeber keine Neuerungen eingeführt, noch hat er es beabsichtigt; vgl. K. Zeumer, Die goldene Bulle Kaiser Karls IV., Weimar 1908, S. 226, 227. ') H. Breßlau, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Konrad II., Leipzig 1884, Bd. 2 S. 368ff.

16 Jahrhunderten die aus dem erblichen Fürstenlehen erwachsene Landesherrschaft sich von allen Fesseln ihrer Macht nach oben und unten zu befreien suchte, griff der König wiederum zugunsten des feudalen Großgrundbesitzes, der edlen und gräflichen Vasallen einT um jenem wichtigen Gliede der Lehnsverfassung seine ausschlaggebende politische Stellung innerhalb der Reichsfürstentümer zu erhalten.

II. Die Entwicklung nahm den Lauf, den der Reichsspruch vom Jahre 1231 hatte aufhalten, oder hemmen sollen. Die feudalistische Ordnung verfiel. Die neuaufstrebenden Stände, Ministerialität und Bürgertum, boten der Landesherrschaft eine starke, willkommene Stütze, um die herrschende Klasse der vergangenen Zeit, die edlen und freien Lehnsmannen, die im erblichen Besitz der Ämter allzu unabhängig geworden, aus ihrer bevorzugten Stellung zu verdrängen. Ein Teil der Landesherren ging dabei offenbar planmäßig zu Werke. Große Komplexe adeliger Grundherren kamen durch Kauf, Heimfall, Erbschaft oder als Mitgift in fürstlichen Besitz; und wo die gesetzlichen Mittel versagten, scheute man auch vor Rechtsbruch und Gewalttat nicht zurück. Noch um die Mitte des 12. Jahrhunderts hatten der Lehnsadel, die höhere Geistlichkeit und Ministerialität sich in den politischen Einfluß geteilt. Seit dem Ende des Jahrhunderts aber traten der Adel und höhere Klerus immer mehr zurück.1) 1

) Der wechselnde politische Einfluß der sozialen Klassen läßt sich fast nur aus den urkundlichen Zeugenreihen und Konsensvermerken mit einiger Sicherheit feststellen. Die Untersuchung ergibt, daß in zahlreichen deutschen Territorien ungefähr zur

17 Viele Edle fanden in den Kreuzzügen den Tod. Adelige Geschlechter starben in merkwürdig großer Zahl um die Wende des 12. Jahrhunderts aus. Die weitaus größte Einbuße aber erlitt der Stand durch massenhaften Übertritt in die landesherrlichen Ministerialitäten. Kaum noch fünf Geschlechter blieben in Thüringen von dem zahlreichen freiherrlichen Adel bis zum Ende des 13. Jahrhunderts übrig.1) In Bayern starben fast alle alten Grafengeschlechter aus. »Ein alteinheimisches Grafengeschlecht gleichen Zeit, bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts, eine grundlegende Verschiebung eingetreten, der Einfluß des Adels zum großen Teil geschwunden, das Ubergewicht der Ministerialität bzw. Ritterschaft entschieden ist. Im Erzstift Köln z. B. werden 1197 22./1. (Lacomblet I Nr. 554, S. 385, 386) noch 16 nobiles neben 11 ministeriales Petri, 1216 7./3. (ebendas. II Nr. 57, S. 31) noch 19 nobiles, im Urkb. des Fürstentums Osnabrück 1186 nicht weniger als 17 »nobiles inbeneficiati« (Mitt. d. Ver. f. Gesch. Osnabrücks, Bd. 25, S. 67ff.), im Urkb. des Bistums Halberstadt 1237 (Urk. Nr. 666) noch 7 nobiles genannt. Doch beschränkte sich in Halberstadt die Zahl der nobiles schon damals auf einen kleineren Kreis, während die seit etwa 1218 (Nr. 504) als milites bezeichneten Ministerialen immer zahlreicher und ausschließlicher zum testimonium herangezogen wurden. Im Urkb. des Hochstifts Hildesheim I Nr. 422, S. 408ff. (1183 21./4.) sind noch 15 laici inbeneficiati genannt; vgl. auch I, Nr. 504, S. 479, 480 (1194) usw. Der Adel trat hier, wie es scheint, früher als in Halberstadt, schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts, merklich zurück. In den Urkk. der Mark Brandenburg findet sich um 1155 (Riedel A X 71, 72) die erste längere Aufzählung von Ministerialen. Noch Albrecht II. (1205—1220) fand im Adel eine Stütze seines Regiments. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts dagegen bildeten die Ministerialen bzw. Ritter ganz überwiegend die regelmäßige Umgebung des Landesherrn. Bei Sudendorf, Urkb. I Nr. 5, S. 4, 5 (1209 28./8.) sind noch zahlreiche Edle als Konsenserteilende genannt; 1247 28./4. (I, Nr. 29, S. 20, 21) verschwinden die wenigen noch aufgezählten Adeligen gegenüber der großen Masse Ministerialen, deren Übergewicht auch hier um die Mitte des 13. Jahrhunderts zweifellos entschieden war. x

) Zeitschr. d. Ver. f. thüringische Geschichte, N. F., Bd. 14, S. 6, 7. S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat.

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18 gab es im Allgäu nach 1268 nicht mehr.« »Von den freiherrlichen Geschlechtern des Allgäus überlebten nur die von Rettenberg, Trauchberg, Hohenegg, Tannenberg und Neidegg die staufische Zeit; aber auch von diesen Häusern bewahrte nur das der Rettenberger den vollfreien Stand bis an sein Ende«; die übrigen sanken in die Reihen der Ministerialität herunter1.) In ähnlichemVerhältnis schwand der Nobilität in vielen anderen Gebieten des Reiches die Lebenskraft.2) Wie der Lehnsadel, so verlor auch der höhere Klerus seinen alten Einfluß auf das fürstliche Regiment. Er zog sich seit der Entstehung der Landesherrlichkeit teilweise F. L. Baumann, Geschichte des Allgäus, 1883, Bd. 2, S. 485, 490; Wittich, Altfreiheit und Dienstbarkeit des Uradels in Niedersachsen, Stuttgart 1906. 2 ) Viktor Hasenöhrl, Beiträge zur Geschichte des deutschen Privatrechts in den österreichischen Alpenländern, Archiv für österreichische Geschichte, 1909, Bd. 97, S. 98: »Im Laufe de» 12. Jahrhunderts starben die freien Dynastengeschlechter in Steiermark größtenteils aus«; R. Meli, Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, Salzburg 1905, S. 59: Bis um die Mitte des13. Jahrhunderts war »fast der ganze alte freie Adel in die Ministerialität übergetreten«; Martin Luther, Die Entwicklung der landständischen Verfassung in den Wettinischen Landen, Leipzig 1895, S. 32: »Nur wenige Edle sind in Meißen imstande gewesen, ihre bevorrechtete Stellung zu behaupten«; Herden a. a. O. S. 17, 18 usw.; S. Riezler, Geschichte Bayerns, Bd. 3, S. 746; Alois. Schulte, Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von U. Stutz), Stuttgart 1910, Heft 63 und 64, S. 47ff., S. 295 ff., S. 334 ff. weist den ungefähr gleichzeitigen, starken Rückgang edler Geschlechter für das Gebiet des heutigen Großherzogtums Baden und für die Provinz Westfalen nach; Alois Resch, Die Edelfreien des Erzbistums Trier im linksrheinischen deutschen Sprachgebiet, Trierisches Archiv, 1911, Heft 17—18, S. 5 ff.; A. Werminghoff, Ständische Probleme in der deutschen Kirche des Mittelalters, Zeitschr. d. Savigny-Stiftung, kanonistische Abteil., Bd. 1, 1911, S. 33ff.; Otto Oppermann, Die Altfreiheit der niederrheinischen Ministerialität, Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, 1911, Jahrg. 30, Heft 2/3, S. 412 ff.

19 von den Landesversammlungen zurück, um nicht in eine landBässige Stellung herabgedrückt zu werden 1 ). An die Stelle edler Vasallen trat die abhängige Ministerialität oder Ritterschaft. Sie gab um die Mitte des 13. Jahrhunderts an den Höfen der weltlichen Fürsten fast durchweg den Ausschlag. Das Fürstentum gewann in den Ministerialen ein brauchbares Beamtentum, das in der neuen, im Kampfe mit dem Feudalismus entstehenden Lokalverwaltung sogleich eine ausgedehnte Verwendung finden konnte. Ein wirkliches Beamtentum konnte sich auf dem Boden des Lehnrechtes nicht mehr ausbilden, seit die Erblichkeit der Lehen entstanden und reichsgesetzlich anerkannt war; eine einheitlich gegliederte, staatliche Verwaltung war dem Lehnstaat fremd geblieben. Freie und Vasallen hatten auch um die Mitte' des 12. Jahrhunderts Ämter prinzipiell nur in der Form erblichen Lehens angenommen. Schon ein Jahrhundert später aber herrschte im Fürstentum allgemein der Brauch, Ämter möglichst nur an abhängige Ministerialen bzw. Ritter zu vergeben. An die Stelle erblicher Lehnsträger, der edlen Burggrafen, Vizegrafen, Grafen und Vögte traten absetzbare, auf Zeit berufene, besoldete Beamte aus dem Ministerialen- oder Ritterstande, die den Namen Amtmann, Bailli, Drost, Kastellan, Vogt, Viztum führten und in Vertretung des Landesherrn allgemeine administrative, richterliche, militärische Funktionen versahen. Es gelang, in kleinen und großen, geistlichen und weltlichen Territorien, von den Grafschaften Flandern und Hennegau, den ober- und niederrheinischen Territorien im Westen des Reichs bis nach Schlesien, von Holstein, Meißen, Thüringen bis nach Bayern, x) Fr. W. Unger, Geschichte der deutschen Landstände, Hannover 1844, Bd. 1, S. 133ff.; C. Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstande, Rostock 1856, S. 58; M. Luther a. a. O., S. 20 usw.

20 Österreich und Tirol die Territorien durch Gliederung in gleichartige Amtsbezirke als administrative Einheit zusammenzufassen. 1 ) Die Beseitigung des Lehnwesens im Beamtentum bedeutet einen der wichtigsten Fortschritte in der deutschen Verwaltungsgeschichte.2) Das neue Beamtentum und die einheitliöhe Amtsverfassung bildeten die Grundlage, auf der die Landesherren eine geordnete, umfassendere Verwaltung zu führen suchten. Die Ubergangszeit zwischen dem Verfalle des Lehnstaates und den Anfängen einer ständischen Entwicklung zeigt uns die Landesherrschaft in einem merkwürdigen Aufschwung, namentlich in den weltlichen Territorien, wo schon das Erblichkeitsprinzip, die ununterbrochene Fortdauer des Geschlechtes dem Fürstentum festeren Halt verlieh. Die Fürstengewalt gewann hier allmählich »einen immer stärker ausgeprägten, einheitlichen Charakter.« Sie sprengte die Fesseln des Feudalsystems mit Hilfe der abhängigen Ministerialität, die ein neues brauchbares Verwaltungspersonal und ein bereites Offizierkorps lieferte, und erlangte in manchen Gebieten um die Mitte des 13. Jahrhunderts eine fast unumschränkte Gewalt. Die Landesherrschaft setzte ihre Kräfte ein, das Territorium nach außen abzurunden und im Innern zu konsolidieren. Der Ausbau der Landesburgen förderte die Abschließung des Landes zu einem einheitlichen Ganzen. Ein territoriales Recht entstand schon während des 13. Jahrhunderts in Flandern, im Herzogtum Brabant, in Österreich; und sogar Ansätze zur Bildung von Landeskirchen lassen sich gleichzeitig in Österreich, in Holstein, in der Mark Brandenburg mit voller Deutlichkeit wahrnehmen. Vgl. Historische Zeitschrift, Bd. 103, S. 478ff.; dazu auch Fr. Heidingsfelder, Die rechtlichen Zustände im Hochstift Eichstätt am Ausgang des Mittelalters, Würzburger Diss. 1910, S. 4,5,9 ff., 46ff. ») G. v. Below, Göttinger gelehrte Anzeigen 1890, S. 311.

21 Hier und da äußerte sich unverkennbar ein bewußtes Streben, die Kräfte des Landes durch eine zentralisierte Verwaltung zusammenzufassen und einheitlich zu leiten. Das trat besonders in den Versuchen einheitlicher Regelung des Maß- und Gewichts-, Münz- und Steuerwesens, teilweise sogar in der Zollpolitik und in Ansätzen obrigkeitlicher Preisregulierung hervor. Die planmäßige Fürsorge einzelner Fürsten wandte sich frühzeitig auch dem Handels- und Verkehrsleben zu. Nicht bloß die österreichischen Herrscher trieben schon damals »territoriale Handelspolitik«, indem sie den Nahverkehr auf Kosten des Fernverkehrs, die eigenen Untertanen auf Kosten der Fremden begünstigten; auch andere Fürsten förderten den Verkehr durch Ausbau des Straßennetzes, suchten den Handel in bestimmte Wege zu weisen und von anderen abzulenken, indem sie Straßenzwang übten, Zoll-, Schiffahrtsund Niederlagsprivilegien erteilten. Nicht gering war die Zahl begabter und willensstarker Fürsten, welche im 13. Jahrhundert die junge Landesherrschaft Deutschlands zu Macht und Ansehen hoben. Man denke an Heinrich den Erlauchten und Friedrich I. in Sachsen, Friedrich II. von Babenberg (1230—1246) und Albrecht I. 1 ) in Österreich, an die beiden Askanierbrüder Johann I. und Otto III. 2 ), welchen die Mark ihren Aufschwung zum mächtigsten Territorium des deutschen Nordens dankte, an Ludwig II. von Bayern (1253—1294), eine der hervorragendsten Fürstengestalten des Wittelsbachschen Hauses8). Mit Recht ist Rudolf I. (1243—1288) in der Reihe de« Zähringer, die vor Bernhard I. regiert, »als der weitaus bex

) Alf. Dopsch, Albrechts I. von Habsburg Bedeutung für die Ausbildung der Landeshoheit in Österreich (1282—1298), in den Blättern des Ver. f. Landesk. Niederösterreichs, N. F. Jahrg. 27,1893. *) Bauch, Die Markgrafen Johann I. und Otto III. von Brandenburg, Diss., Breslau 1885. •) S. Riezler a. a. O. Bd. 2, S. 166.

22 deutendste«1) hervorgehoben worden; und gleichzeitig nahm in Württemberg unter Ulrich mit dem Daumen, in Tirol unter Meinhard II. (1258—1295)2), dem Gründer der geforsteten Grafschaft, die territoriale Entwicklung einen kräftigen Anlauf. Diese Fürsten zeigten in Wesen und Politik Züge, die uns ganz modern anmuten. Absolutistische Tendenzen traten unverkennbar schon damals hervor. Man möchte glauben, daß »die verfrühte Erscheinung des ersten modernen Staates«, wie ihn Friedrich II. von Hohenstaufen in Unteritalien geschaffen, ihren Eindruck auf das deutsche Landesfürstentum übte und schon wegen der gleichartigen Richtung auf Begründung eines geordneten, zentralistischen Regimentes wirksame Anregungen gab. Bei den nahen Beziehungen der Reichsfürsten zu Friedrich II., der sie mehrfach zu Hof- und Reichsversammlungen nach Italien entbot, wird ein mehr oder minder starker Einfluß der gewaltigen Herrschernatur kaum ausgeblieben sein3) *) Rieh. Fester, Markgraf Bernhard I. und die Anfänge des badischen Territorialstaates, Badische Neujahrsblätter, herausgegeben von der badischen historischen Kommission, Karlsruhe 1896, S. 5 ff. 2 ) A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols, Bd. 1, S. 136 ff., Bd. 2, S. 11; A. Huber, Geschichte Österreichs, Gotha 1885, Bd. 1, S. 500 ff.; H. v. Voltelini, Die ältesten Pfandleihbanken und Lombardenprivilegien Tirols, in den Beiträgen zur Rechtsgeschichte Tirols, 1904, S. 17ff., 28ff.; Otto Stolz, Archiv für Österreich. Geschichte, 1909, Bd. 47, S. 693ff. *) Vgl. K. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, Leipzig 1909, S. 226, 227, 233. Die Institution des Hofrichters, welche auch deutsche Territorien übernahmen, ist bekanntlich eine sizilische Einrichtung gewesen. J. Ficker schreibt einmal, wie P. Puntschart, Vom Reichsfürstenstande, Innsbruck 1911, S. XIII berichtet: »Das Beispiel Siziliens muß Früchte getragen haben. Die Fürstentümer wurden zu Beamtenstaaten, während das Reich Lehenstaat blieb und nur Versuche stattfanden, in derselben Weise erledigte Fürstentümer nicht zu verleihen, sondern durch Beamte verwalten zu lassen (Reichsvogteien usw.).«

23 »Die erstaunlichen Fortschritte der Fürstengewalt«, schreibt H. Pirenne 1 ), »offenbarten sich deutlich, wohin auch immer man die Blicke lenken mag.« Aber sie blieben im allgemeinen noch unvollkommen und beschränkten sich auf einige bevorzugte Territorien. Es fehlte ihnen die Gunst der Verhältnisse, die Zeit zum Ausreifen. Der Aufschwung fürstlicher Macht ergriff längst nicht alle Glieder des Standes. Die geistlichen Fürsten traten sogar an faktischer Macht mehrfach hinter den Domkapiteln zurück, die seit der Erwerbung des ausschließlichen Wahlrechts des Bischofs häufig eine wahre Mitherrschaft erlangten. Der Versuch, die Kräfte des Volkes in geschlossenen Landesherrschaften zusammenzufassen, konnte am wenigsten im Südwesten des Reiches, in Schwaben und Franken, gelingen, wo die verschiedenartigsten Herrschaftsgebiete, Ritterordenskommenden, gefürstete Abteien und Propsteien, geistliche Fürstentümer, Gebiete freier Herren und Reichsritter, Reichsdörfer und Reichsstädte, Reichsgut und Reste kaiserlicher Vogteien, in buntem Gemenge nebeneinander lagen. Schon in den größeren, geschlosseneren Territorien des Nordens und Ostens boten sich Schwierigkeiten genug. Mochte man auch der feudalen Selbständigkeiten Herr werden, so lebte doch überall der zähe Widerstand des Klerus fort, der mit seinen weitreichenden Privilegien an der festen Organisation der katholischen Kirche einen unüberwindlichen Rückhalt fand. Es gab kaum ein größeres deutsches Territorium, das nicht durch exemte, dynastische, reichsunmittelbare Gebiete oder durch kirchliche Immunitäten zersetzt und zerrissen war. Darin lag unzweifelhaft eine hemmende Schranke für die Erstarkung der Fürstengewalt. Noch größere Gefahr aber drohte ihr von einer Macht, der die Zukunft gehörte, den neuen s t ä n d i s c h e n Gewalten, die aus dem Innern des a. a. O. Bd. 1, S. 352.

24 Volkes empordrängten und, lüstern nach Autonomie und freier Entwicklung, sich von der Landesherrschaft nach Möglichkeit zu emanzipieren suchten. Das Wirken dieser Kräfte, welche den Ausbau des deutschen Territorialstaates nicht zur Reife kommen ließen und ihn von innen heraus untergruben, reicht weit zurück. Der geistliche Stand erhielt längst, bevor eine Landesherrlichkeit sich bilden konnte, umfassende Privilegien. Die Fürsten verzichteten zugunsten geistlicher Stifter auf Abgaben und Dienste aller Art, auf Bede und Zoll, Burgwerk, Wagendienst und Heerespflicht und befreiten geistliche Besitzungen von allen Eingriffen landesherrlicher Beamten. Einige Bischöfe übten schon im 13. Jahrhundert das Recht, Münzen prägen zu lassen. Sie besaßen regelmäßig die niedere Jurisdiktion, zum Teil auch schon die Blutgerichtsbarkeit, die sich der Landesherr in gewissen Fällen noch vorbehielt. Die Unabhängigkeit der Bischöfe von der weltlichen Gewalt festigte sich wesentlich noch dadurch, daß Könige und Fürsten ihren alten Einfluß auf die Besetzung der höchsten geistlichen Würden verloren, als im 13. Jahrhundert das ausschließliche Wahlrecht des Bischofs den Domkapiteln zufiel. Die Trennung von Staat und Kirche bestand in den Landschaften des Reiches schon zur Zeit des Lehnstaates. Die beiden weltlichen Berufsstände dagegen, Bürger- und Rittertum, erwarben erst während des 13. Jahrhunderts eine gewisse Selbständigkeit neben der Landesherrschaft. Sie verdankten ihre Befreiung aus der herrschaftlichen Organisation zum guten Teil den Wirkungen des Einungswesens, das als neues beherrschendes Prinzip neben das Lehnwesen trat. Die genossenschaftliche Bindung der neuen Berufsstände löste die geburtsrechtliche der alten Stände ab.

25 Das Bürgertum, die wichtigste ständische Bildung der neueren Zeit, entfaltete sich auf herrschaftlichem Boden. Ein Stadtherr steht an der Spitze der bürgerlichen Gemeinde; ein herrschaftlicher Richter übt die Justiz. Auch die Anlegung des Marktes, von der die Entstehung der Stadt ihren Anfäng nahm, war ein fürstliches Vorrecht. Die Stadtherren ließen neben dem Rathause Kaufhäuser, Buden und Bänke für die Gewerbetreibenden errichten; sie setzten die Höhe des Marktzolles, Maß und Gewicht fest, sorgten für Erhaltung der Marktordnung, für wirksame Ausübung der Marktpolizei und Gerichtsbarkeit, gestatteten die Gründung von Innungen. Das Gewerbe- und Handelsleben entwickelte sich in den Anfängen meist unter ihrem Schutze. Die oberste Verwaltung der Stadt ruhte in den Händen des Stadtherrn und seiner Beamten. Das erste Aufblühen der Landstädte erscheint als ein Werk der Grund- oder Landesherrschaft. Aber die spätere Entwicklung erfolgte auch hier »auf rein genossenschaftlichem Wege durch die Bürgerschaften selbst«. Bereits seit dem 12. Jahrhundert drängte erfolgreich eine starke kommunale Bewegung empor, welche Befreiung von der Stadtherrschaft, eigne Rechtsprechung und eigene Verwaltung durch selbstgewählte genossenschaftliche Behörden zu erwerben suchte. Die Gemeinde, einmal erstarkt, suchte sich ihres fürstlichen Erziehers zu entledigen1). Eine wichtige Stufe in dem Befreiungswerk bezeichnet der Zeitpunkt, wo die Bürgerschaft durch Wahl eines eignen Gemeindeorgans, des Stadtrates, den Charakter einer öffentlichen Körperschaft erhielt2). Der Rat galt S. Riezler, Geschichte Bayerns, 1880, Bd. 2, S. 194 bezeichnet die Stadt als »wichtigste Bildung des neuen Prinzipes« der Einung. *) Rieh. Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 1907, S. 650ff.; Otto Gierke, Genossenschaftsrecht, 1868, Bd. 1, S. 276ff.; S. Riet-

26 als Hort städtischer Freiheit. Die Räte vertraten die Gemeinde nach innen und außen, ursprünglich neben den herrschaftlichen Organen. Allmählich aber erhoben sie sich zur Stadtobrigkeit, indem sie die Herrschaft immer weiter zurückdrängten, ihr ein Recht nach dem andern, Regalien und öffentliche Nutzungen entzogen. Schon frühzeitig erwarben Gemeinden mit den Hufen-, Areal- und Marktzinsen, Weide und Wald die freie Verfügung über den Grund und Boden. Vor allem zwei Merkmale gehörten zum Wesen einer deutschen Stadt: eigne Gerichtsbarkeit und ein gewisses, fast unbeschränktes Maß der Selbstbestimmung in der Verwaltung des Gemeinwesens. Die Stadt bildete einen eigenen Friedens- und Rechtskreis, einen geschlossenen, vom Lande scharf gesonderten Gerichtsbezirk. Sie wählte die Schöffen aus der Bürgerschaft. Diese sprachen das Recht unter Vorsitz eines eignen, in der Regel vom Stadtherrn ernannten Richters, des Schultheißen oder Stadtvogtes, in Zivilsachen und niederen Strafsachen der Bürger. Die Zuständigkeit in schweren Strafsachen dagegen gebührte dem Vorsitzenden des Landgerichtes, welchem Dorf- und Stadtgericht in der älteren Zeit untergeordnet waren. Allmählich erhielten die Städte Anteil an den Gerichtsgefällen und an der Bestellung des Richters, erlangten zunächst vereinzelt, seit dem 14. Jahrhundert in großer Zahl auch die Blutgerichtsbarkeit, die sich der Landesherr bis dahin meist noch vorbehalten. Die Verwaltung des Gerichts schel, Markt und Stadt, Leipzig 1897, S. 163 ff.; A. Luschin v. Ebengreuth, österreichische Reichsgeschichte, 1895, S. 249; G. L. v. Maurer, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, Erlangen 1869, Bd. 1, S. 581 ff. usw.; S. Rietschel, Die Städtepolitik Heinrichs des Löwen, Histor. Zeitschr. 1909, Bd. 102, S. 263ff.; G. v. Below, Stadtgemeinde, Landgemeinde und Gilde, Histor. Vierteljahrsschrift f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1909, Bd. 7, Heft 3 und 4, S. 425 ff.

27 und die Leitung des Prozeßverfahrens gingen nunmehr vom Landrichter auf die Stadtschulzen über, die gesamte Rechtsprechung auf die aus der Bürgerschaft ernannten Schöffen. Die Exemtion der Stadt vom Landgericht war mit der Erwerbung des iudicium manus et colli vollendet. Nicht alle Städte freilich erwarben die hohe Gerichtsbarkeit und nicht zu gleicher Zeit. Ein Teil erhielt sie bereits bei der Gründung; viele Städte erwarben sie später durch Privileg, Vertrag oder Kauf; einige — wie z. B. manche Städte Bayerns1) — mußten sich bis in die neuere Zeit mit einer geringeren Kompetenz begnügen. Die Selbstverwaltung ist mit Recht als »das eigentümliche Gebiet der städtischen Autonomie« bezeichnet worden. Sie dehnte sich von der Regelung des Marktverkehrs, die gewiß zu den ältesten Bestandteilen der kommunalen Selbstverwaltung gehörte, auf immer weitere Gebiete aus. Die Stadt erwarb neben den Marktgerechtsamen Zollfreiheit, bisweilen auch die Münze, die Verwaltung der Stadtmarkangelegenheiten, das Recht der Beamtenwahl, Gesetzgebung und Selbstbesteuerung4). Sie baute das gesamte Gebiet der inneren Verwaltung, das man im Mittelater als »Polizei« zu bezeichnen pflegte, in eigenartiger, vorbildlicher Weise aus. Es entstand eine städtische Bau-, Straßen- und Verkehrspolizei, Feuerund Sicherheits-, Lebensmittel- und Gesundheitspolizei. Die kommunale Verwaltung zog Armen- und Krankenpflege, Unterrichts- und Erziehungswesen in ihren Bereich, Gebiete, die bisher ganz oder teilweise in den Händen des Klerus und geistlicher Genossenschaften gelegen. Die Stadt bildete endlich auch volkswirtschaftlich ein geschlossenes Ganzes. Die Pflege des Gewerbewesens Ed. Rosenthal, Ges Richte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Bayerns, Würzburg 1889, S. 158. a ) K. Zeumer, Die deutschen Städtesteuern, insbesondere die städtischen Reichssteuern im 12. und 13. Jahrhundert, Leipzig 1878, S. 59ff.

28 und Handels, der anfangs auch das Fürstentum seine planvolle Fürsorge zugewandt, galt im späteren Mittelalter als Vorrecht und ausschließliche Aufgabe de» Bürgertums. Auf wirtschaftlichem Gebiet trat der Monopolgeist, die selbstsüchtige Ausschließlichkeit desBürgertums am schärfsten hervor. Zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen und Vorschriften waren dazu bestimmt, die Vorteile des Erwerbslebens den Bürgern zu sichern, jede Konkurrenz des Landmannes, der benachbarten Gemeinden, des fremden Kaufmannes auszuschließen. Diesen Zweck hatten das Bannmeilenund Gästerecht, die Vorkaufs- und Wochenmarktsgesetzgebung, das Stapel- und Niederlagsrecht, mannigfache Verbote, die auf dem Lande Handel und Handwerk untersagten 1 ). Die Entwicklung der Geld- und Kreditwirtschaft brachte auch die Landesherrschaft in Abhängigkeit von den neuen Geldmächten, den »Mittelpunkten des Mobiliarkredits«2). Die Entwicklung der Stadt, ihr Verhältnis zur Landesherrschaft zeigt im einzelnen die größten Verschiedenheiten. Die städtische Freiheit beruhte auf dem Privileg, zahlreichen einzelnen Gerechtsamen und Erwerbungen. Aber trotz aller Abweichungen traten deutlich gemeinsame Eigentümlichkeiten hervor, welche die Eigenart der deutschen Stadt als »eines in sich rechtlich geschlossenen, in ihren inneren Angelegenheiten selbständigen genossenschaftlichen Gemeinwesens« mit mannigfachen *) V. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. III 2, S. 234; G. Schmoller, Umrisse und Untersuchungen zur Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte, Leipzig 1898, S. 6 ff.; Derselbe, Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1900und 1904, B d . l , S.293ff., Bd. 2, S.1129; Waldemar Mitscherlich, Der wirtschaftliche Fortschritt, sein Verlauf und Wesen, Leipzig 1910, S. 32 ff. *) R. S. 264.

Sohm,

Jahrbücher

für

Nationalökonomie,

Bd. 34,

29 besonderen Rechten politischer, sozialer und wirtschaftlicher Art bestimmten. Die größeren, durch Reichtum und politische Selbständigkeit ausgezeichneten Städte blieben ihrem Ziele nicht fern, ein Staat im Staate zu werden. Auf anderem Wege, als das Bürgertum, entwickelten sich die Genossenschaften der Ministerialen bzw. Ritter zu privilegierten Korporationen. Die soziale Schicht, aus der die ritterschaftlichen Verbände hervorgingen, ist zum Teil in den Kreisen des Hofrechtes zu suchen. Eine unfreie Ministerialität gab es freilich nicht überall. Sie existierte nicht in einigen ehemals slawischen Gebieten an der Peripherie des Reiches, in Mecklenburg1), Pommern, Schlesien, der Oberlausitz 2 ), teilweise auch nicht in Holstein8). In altdeutschen Gebieten aber bildeten die Ministerialitäten, wie es scheint, den Grundstock, aus dem die Ritterschaft, der niedere Adel des späteren Mittelalters, hervorgegangen ist 1 ); und gewiß ist die Tatsache, daß die Ritterschaft sich ausschließlich aus Ministerialen zusammengesetzt hat, d. h., daß auch Edle und Freie nur durch Eintritt in die unfreie Genossenschaft Aufnahme in der Ritterschaft fanden, l ) Vgl. C. Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände, Rostock 1856, S. 22. *) H. Knothe, Geschichte des oberlausitzer Adels ujid seiner Güter vom 13. bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, Leipzig 1879, S. 10 ff. In der Niederlausitz dagegen bestand eine Ministerialität und verschmolz hier, wie in anderen deutschen Landen, mit den Vasallen zu einem neuen Stande, der Ritterschaft; vgl. Neumann, Über den Ursprung der niederlausitzischen Landstände, Allgem. Archiv f. Gesch. des preuß. Staates, herausgegeben von L. v. Ledebur, 1834, Bd. 13, S. 42. s ) Max Sering, Erbrecht und Agrarverfassung in SchleswigHolstein, Berlin 1908, S. 197, 200; vgl. dazu Fei. Rachfahl, in den Jahrbb. f. Nationalökonomie, 3. Folge, 1909, Bd. 38, S. 449. *) G. v. Below, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Jena 1898, Bd. 1, »Adel«.

30 nicht bloß auf einzelne Territorien, Jülich-Berg1), die Mark Brandenburg*), das geistliche Fürstentum Osnabrück8) zu beschränken, für die der Nachweis bisher geführt werden konnte. Die Ministerialen besaßen im Haus- und Hofwesen der Fürsten, als Inhaber der Hofämter und als kriegerisches Gefolge frühzeitig maßgebenden politischen Einfluß. Die Vorteile, welche die abhängige Dienstmannschaft bot, traten um so deutlicher hervor, je mehr die Erblichkeit der Lehen dem Fürsten die Verfügung über Gut und Leistungen der Vasallen entzog. Es bildete sich daher die Praxis, verlehnbaren Grund und Boden, Ämter und nutzbare Rechte möglichst nur an Ministerialen zu vergeben. Die Herren förderten im eignen Interesse Wachstum und Macht ihrer Dienstmannschaften und diese nutzten die Gunst der Verhältnisse zur Hebung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage aus. Die unterscheidenden Merkmale zwischen Ministerialen und freien Vasallen begannen sich allmählich zu verwischen. Das Ansehen der mächtigen Genossenschaft, die sich durch eignes Recht gegen die nach Landrecht und Hofrecht lebenden Freien und niederen Unfreien abschloß, der politische Einfluß, die Auszeichnung durch Benefizien, Ämter und Ehren aller Art boten solche Vorteile, daß Freie und selbst Edle in wachsender Zahl der Ministerialität beitraten. Der Eintritt dieser Elemente, die sich manche Vorzüge ihrer edlen bzw. freien Herkunft zu wahren wußten, hob naturgemäß das Ansehen des Standes. Die Ministerialen erreichten ihr Ziel, die Gleichstellung mit den 1

) Q. v. Below, Zeitschr. des bergischen GeschiehtsVereins, 1885, Bd. 21, S. 178 ff., 186. ») Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, 1908, S. 23. *) Mitteilungen des Vereins f. Gesch. und Landeskunde zu Osnabrück, 1900, Bd. 25, S. 65 ff.

31 freien Vasallen, vor allem durch zwei große Errungenschaften, welche die Umbildung der alten Standesbegriffe vollzogen: die Erwerbung der Ritterwürde1) und Erweiterung ihrer Lehnsfähigkeit2). Die Ritterwürde war an sich geeignet, den Unfreien über nichtritterbürtige Freie zu erheben, und gewann noch besondere Bedeutung, als die Ritterschaft sich unter dem Einfluß der Kreuzzüge zu einer allgemeinen abendländischen, der Geistlichkeit nachgebildeten Genossenschaft vereinigte. Die Erwerbung der vollen aktiven und passiven Lehnsfähigkeit hatte zur Folge, daß man den Dienstmannen auch die Rechtsfähigkeit vor dem Lehnsgerichte nicht mehr versagen konnte8). Die Dienstmannengerichte gingen allmählich in Lehnsgerichte über. Die Erwerbung des Gerichtsstandes im Landgerichte vollendete dann die rechtliche und soziale Gleichstellung der Ministerialen mit den freien Vasallen4). Die Ministerialität trug noch um 1200 den Charakter einer herrschaftlichen Genossenschaft, welche durch gleiche Standesrechte und Verpflichtungen gegen den gemeinsamen Dienstherrn zusammengehalten war. Die Umbildung zur Ritterschaft vollzog sich bis zur zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fast gleichzeitig in den meisten Landschaften des Reichs. Der Ausdruck »ministeriales« wich in den Urkunden der neuen Standesx

) O. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Berlin 1868, Bd. 1, S. 199. ») J. Ficker, Vom Heerschilde, Innsbruck 1862, S. 173ff., 187 ff. *) Ein Reichsgesetz von 1222 bestimmte, daß jeder Ministeriale, der im Besitze von Lehnsgut sei, über jedenVasallen, mochte dieser freier Herr oder Dienstmahn sein, zu Gericht sitzen könne; Mon. Germ. Const. II, Nr. 279, S. 393. ') Vgl. auch A. v. Fürth, Die Ministerialen, Köln 1836, S. 472 ff.

32 bezeichnung »milites«1). Die Lehnsfähigkeit vor allem verwandelte die persönliche Abhängigkeit vom Dienstherrn mehr und mehr »in eine bloß dingliche«, die ministeriales ducis bzw. comitis in ministeriales terrae. Man sprach nur noch ausnahmsweise von Dienstmannen des Landesherrn, statt dessen um so häufiger von Ministerialen des Landes, ministeriales Marchiae, Austriae, Styriae1) u. dgl. Die Pflichten des Ministerialen bzw. Ritters gegen seinen Herrn regelten sich nun nicht mehr nach Hofrecht, sondern nach Lehnrecht. Das Lehnrecht war daher der Boden für die weiteren Versuche der Ritterschaft, sich aus den Banden der Herrschaft zu lösen. Die Bewegung, durch welche die Reichsfürsten die Landesherrschaft erwarben, setzte sich nunmehr in einer unteren Schicht l

) Der Ubergang laßt sich für zahlreiche deutsche Landschaften nachweisen durch eine sorgfältige Prüfung der urkundlichen Zeugenreihen und Konsensvermerke; vgl. Mitteilungen des Ver. f. Gesch. und Landesk. Osnabrücks 1900, Bd. 25, S. 38, 69ff.; R. Fressel, Das Ministerialenrecht der Grafen von Tecklenburg (Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung, Heft 24), Münster 1907, S. 61; Jak. Ahrens, Die Ministerialität in Köln und am Niederrhein, Leipzig 1908, Diss., S. 90; Oppermann, Untersuchungen zur Geschichte von Stadt und Stift Utrecht vornehmlich im 12. und 13. Jahrhundert, Westdeutsche Zeitschrift f. Geschichte und Kunst, 1909, Jahrg. 28, Heft 2, 3, S. 159; Th. Virnich, Corveyer Studien zur Geschichte der Stände im Mittelalter, Diss., Bonn 1908, S. 44; Herden a. a. O. S. 17, Anm. 4; H. B. Meyer, Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner, Leipzig 1902, S. 13; A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols, Innsbruck 1881, Bd. 1, S. 467ff.; v. Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter, Wien 1897, S. 23ff.; A. Huber-Dopsch, österreichische Reichsgeschichte, Wien 1901, S. 51 ff. *) Viktor Hasenöhrl, Archiv f. österr. Geschichte, 1909, Bd. 97, S. 77. Der österreichische Marschall wird in den Urkunden seit der Mitte des 13. Jahrhunderts in der Regel nicht mehr marschallus ducis, sondern marschallus Austriae genannt; vgl. A. Luschin v. Ebengreuth, Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, Weimar 1879, S. 83.

33 fort. Wie die Fürsten das Reichslehnrecht zu ihren Gunsten fortgebildet, so suchten die Ritter innerhalb der Territorien die strengen Grundsätze des Lehnrechts über Felonie, Lehnsfolge und Heinifall, Teilung und Veräußerung der Lehen außer Kraft zu setzen oder abzuschwächen, das Recht der Gesamtbelehnung zu erwerben, die Pflichten des Lehnsmannes aber, Hoffahrt und Heerfahrt, zu beseitigen oder wenigstens auf ein bestimmtes, geringes Maß zu beschränken1). Das Verhältnis zum Lehnsherrn lockerte sich dadurch aufs äußerste; und gleichzeitig gestalteten die Ritter ihre Grundherrschaften durch Erwerbung von Land und öffentlichen Rechten zu kleinen Staatswesen aus. Sie erwarben für ihre Hintersassen in großem Umfange Befreiung von öffentlichen Abgaben und Leistungen aller Art, von Heerfahrt, Brückenund Burgwerk, Hand- und Spanndiensten; sie erlangten die niedere Jurisdiktion, ausnahmsweise bereits im 13. Jahrhundert auch die Blutgerichtsbarkeit2) und beanspruchten M Vgl. Histor. Zeitschrift 1909, Bd. 103, S. 485. *) G. L. v. Maurer, Geschichte der Fronhöfe, der Bauernhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, Erlangen 1863, Bd. 3, S. 68ff.; Tzschoppe-Stenzel, Urkundensammlung, S. 147; Fei. Rachfahl, Organisation der Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens, S. 50—52, 63 ; Derselbe, Zur Geschichte der Grundherrschaft in Schlesien, Zeitschr. der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, Bd. 16, S. 117 ff. ; Ferd. v. Bilow, Geschichtliche Entwicklung der Abgabenverhältnisse in Pommern und Rügen, Greifswald 1843, S. 72; Martin Luther a. a. O. S. 36, Anm. 48; Max Sering -a. a. O. S. 213; C. Hegel a. a. O. S. 32, 65, 66; Heinrich Schöningh, Der Einfluß der Gerichtsherrschaft auf die Umgestaltung der ländlichen Verhältnisse in den niederrheinischen Territorien Jülich und Köln im 14. und 15. Jahrhundert, Annalen d. hist. Ver. für d. Niederrhein, Köln 1905, Heft 79; Ed. Rosenthal a. a. O., Bd. 1, S. 188ff. ; Alf. Dopsch, Zur Geschichte der patrimonialen Gewalten in Niederösterreich, Mitteil. d. Instituts f. österr. Gesch., 1908, Bd. 29, Heft 4; A. Luschin v. Ebengreuth, Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, Weimar 1879, S. 113. S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat.

3

34 in einigen Gebieten, wie in Mecklenburg1), Holstein 2 ), der Mark Brandenburg3), sogar das Recht zur Besteuerung der Untertanen. Sie befanden sich auf dem besten Wege r ihren Hintersassen gegenüber in Ausübung der öffentlichen Rechte an die Stelle des Landesherrn zu treten, und gewannen in der Einungsbewegung des Jahrhunderts, die sich im Ritterstande kräftig äußerte und häufig zu korporativem Zusammenschluß4) der ritterlichen Landesinsassen führte, einen starken Rückhalt, um die erkämpften Privilegien behaupten, neue Rechte und Nutzungen erwerben zu können. Die ständische Bewegung, anfangs unter herrschaftlichem Schutze gewachsen, ist von einer gewissen Stufe der Entwicklung an für den Schutzherrn selbst zur drohenden Gefahr geworden. Er sah sich genötigt, den Freiheitsdrang zu zügeln, seine eignen Interessen und Herrschaftsrechte wahrzunehmen, um so mehr als auch x

) C. Hegel a. a. O. S. 66, Anm. 1 und 2.

2

) H. Reuter, Die ordentliche Bede der Grafschaft Holstein, Zeitschrift der Ges. für Schleswig-Holsteinische Geschichte, 1905, Bd. 35, 8. 205ff., S. 210, Anm. 1. 3

) In der Mark Brandenburg ließen sich die Ritter das jedenfalls viel umstrittene Recht sichern: »Jeder Mann, er sei Ritter, Knecht oder Bürger, soll Bede nehmen, als sie die Herrschaft nimmt«; Riedel, Codex diplom. Brandenb. A XIV 65, 66 (1324 5./2.), A XX 202, 203 (1327 14./7.), Fidicin, II 28, 29 (1328, 2./6.). 4 ) Die Umbildung der Ministerialität zur freien Ritterschaft ist noch wenig erforscht worden. Doch hat sich die Existenz ritterschaftlicher Korporationen bereits für manche Territorien nachweisen lassen. Vgl. Mitteilungen des Ver. f. Gesch. und Landesk. zu Osnabrück, 1900, Bd. 25, S. 31 ff. 97ff.; Pirenne a. a. O., Bd. 2, S. 168; C. Hegel a. a. O. S. 76; Fei. Rachfahl, Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens, S. 53, 54; Georg Waitz, Geschichte Schleswig-Holsteins, Göttingen 1851, S. 116; W. Schum a. a. O., S. 424; A. v. Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter, Wien 1897, S. HOff.; A. Luschin v. Ebengreuth, Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, S. 82 ff.

35 der landesfürstliche Haushalt in den meisten Territorien entschieden zurückging. Die im Lehnstaat übliche, äußerst kostspielige Form, Dienste und Leistungen der Untertanen durch lehnweise Übertragung von Landbesitz, dem üblichen Zahlungsmittel jener Zeit, zu vergüten, ferner die zahlreichen Exemtionen und freigiebigen Veräußerungen mußten allmählich zur Erschöpfung des verfügbaren Grund und Bodens und der nutzbaren Rechte führen, zumal Erblichkeit des Lehens die verliehenen Güter der Verfügung des Lehnsherrn auf unabsehbare Zeit entzog. Die Fürsten hielten daher von selbst mit den umfangreichen Schenkungen, u n e n t g e l t l i c h e n Exemtionen, Befreiung von Zoll, Bede, Abgaben und Leistungen inne, je mehr die Schranken und Nachteile des Systems vorwiegender Naturalwirtschaft sich geltend machten. Aber was die Stände nicht auf jenem Wege erwarben, fiel ihnen zu mit Hilfe eines wichtigen Erbteils, das ihnen aus der Zeit des Feudalismus verblieben, der Verdinglichung aller Rechte, welche das Amt schließlich als Zubehör des Grund und Bodens, als nutzbares Eigentum des Beliehenen erscheinen ließ. Der privatrechtliche Gesichtspunkt, die »vermögensrechtliche Auffassung aller öffentlichen Rechte«, nach der jedes Amt und nutzbare Recht vererbt und veräußert werden konnte, gab Geistlichen und Adeligen, Rittern und Bürgern die Möglichkeit, durch Kauf, Veräußerungsformen mannigfacher Art öffentliche Nutzungen, Rechte und Ämter, bald ganze Städte und Dörfer mit landesherrlichen Gerechtsamen, bald einzelne Abgaben und Leistungen, Zinsen, Zehnten, Beden, Zölle, Judenkontributionen, Mühlenabgaben, Wagendienst, Mann- und Roßdienst zu erwerben. So entstanden innerhalb der Territorien mehr oder minder geschlossene Herrschaftsbezirke von den unbedeutenden Patrimonialherrschaften der sog. Zaunjunker bis zu den ausgedehnten Besitzungen hoher geistlicher Würdenträger und adeliger Herren.

36 Die Emanzipation der Stände von der Landesherrschaft kam zwar erst im 14. Jahrhundert zu einem gewissen Abschluß. Aber die Grundzüge des neuen dualistischen 1 ) Staatswesens traten in der großen Mehrzahl deutscher Territorien doch schon am Ende des 13. Jahrhunderts mit voller Klarheit hervor. Sie veränderten mit der Lockerung des Untertanenverbandes auch das Verhältnis des Fürsten zu denjenigen Personen, die ihm als Diener und Ratgeber in der Verwaltung des Landes zur Seite standen. Der meist noch um die Mitte des 13. Jahrhunderts herrschende Brauch der Fürsten, aus abhängigen Ministerialen und getreuen Mannen bald diesen, bald jenen zur Verrichtung der Amtsfunktionen und Ratserteilung an den Hof zu ziehen, ließ sich nicht mehr aufrecht erhalten, als die diensthörigen Genossenschaften sich in freie ritterschaftliche Korporationen verwandelten und mit den anderen Ständen die Untertanenpflichten möglichst abzuschütteln, auf Kosten ihres Herrn wirtschaftliche Macht und öffentliche Rechte zu gewinnen suchten. Die Fürsten verließen das veraltete System des Lehnstaates und gingen allmählich dazu über, grundsätzlich ohne Rücksicht auf Stand und Lehnsverhältnis ergebene Personen auf Zeit in ihren Dienst zu stellen, sich in eigens ernannten abhängigen und absetzbaren Räten ein geeignetes Beamtentum auch für die Zentralverwaltung zu schaffen. *) Die Theorie vom dualistischen Charakter des Ständestaates ist heute fast allgemein anerkannt. Vgl. bes. O. Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 535ff., 564ff., 572ff.; G. v. Below, Landtagsakten von Jülich-Berg, 1895, Bd. 1, S. 60ff.; Ders., Territorium und Stadt, S. 248ff.; Fei. Rachfahl, Zur österreichischen Verwaltungsgeschichte, Jahrb. fttr Gesetzgeb. usw. Jahrg. 23, 1899, S. 1117 ff.; Ders., Der dualistische Ständestaat in Deutschland, Jahrb. für Gesetzgeb., Jahrg. 26, 1902, S. 1063ff.; Ders., Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, Jahrg. 33, 1909, S. HOff.; Ders., Wilhelm von Oranien und der niederländische Aufstand, Halle a. S. 1905, Bd. 1, S. 537 ff.

37 Der neue Rat, der in seiner Zusammensetzung beständig wechselte, aber doch als Gesamtheit aller ernannten R&te eine geschlossene Einheit bildete, hat bestimmenden Einfluß auf die Entwicklung und Organisation des Ständestaates geübt. Die Entstehung der Landesherrlichkeit und der Stände hing eng miteinander zusammen; aber auch der Rat, das neue Organ fürstlicher Zentralverwaltung, ist mit ihnen emporgewachsen. Als die dualistische Form des Ständestaates entstand, schob sich zwischen Landesherrschaft und Stände der Rat ein. Vormals gehörten die Ratgeber, die der Fürst nach freiem Belieben an seinen Hof zog, ohne sie ausdrücklich zu consiliarii zu ernennen, einer abhängigen Genossenschaft, der Lehnsmannschaft bzw. Ministerialität, an; sie bildeten die vermittelnde Instanz zwischen dem Fürsten und den ihm u n t e r geordneten, politisch angesehenen Kreisen des Volkes. Jetzt waren sie das Bindeglied zweier fast nebengeordneter Faktoren des Staatslebens. Die Dreigliederung in Landesherrschaft, Rat und Stände blieb seit dem Ende des 13. Jahrhunderts maßgebend für die Struktur des deutschen Territorialstaats. Ein erstaunlich schneller Wandel vollzog sich im 13. Jahrhundert, in dem so viel Neues entstanden, auch in den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des deutschen Volkes. Der hochgetürmte Bau des Lehnstaates, um 1200 noch in festgefügter Form, war bis zum Ende des Jahrhunderts mit zunehmender Lockerung des Lehnsverbandes gewissermaßen eingesunken ; und an die Stelle desselben war ein buntes Nebeneinander mannigfacher ständischer Herrschaftsbezirke getreten, die im Reich sowohl wie in seinen Fürstentümern nur ein loses Untertanenverhältnis mit dem gemeinsamen Oberhaupt verband. Noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatten die Fürsten auf Landesversammlungen (Land-

38 dingen, placita) mit dem Lehnsadel und der hohen Geistlichkeit die Regierung geführt. Fast gleichzeitig mit dem Übergang vom Lehnstaat zum Beamtenstaat verloren die Landdinge ihre alte Bedeutung. Die placita der Lehnszeit sind in Niederbayern bis 1255, in der Markgrafschaft Meißen vereinzelt bis 1278 nachzuweisen, dann aber hier, wie in Schwaben, Braunschweig-Lüneburg und anderen Landschaften des Reiches, allmählich nicht mehr einberufen worden 1 ). Die Landdinge vieler weltlichen Territorien verwandelten sich in Rittertage. Dann währte es längere Zeit, bisweilen mehrere Dezennien, bis dringende Veranlassungen, welche Herrschaft und Untertanen nahe berührten, vor allem finanzielle Bedrängnisse, das Fürstentum nötigten, wiederum mit der Gesamtheit der politisch l

) Nach P. Koloman Sanftl, Von den Land- und Hoftagen in Bayern bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, in den neuen histor. Abhandl. der bayer. Ak. der Wiss., Bd. 4, München 1792 sind Hofund Landtage in Bayern noch 1234, 1237, 1240, 1243, 1244 abgehalten worden; von 1244 bis 1293 reicht eine Lücke. S. Riezler a. a. O., Bd. 2, S. 11 bezeichnet die niederbayerische, 1255 zu Straubing abgehaltene Versammlung »als letzten der Landtage im älteren Sinne«; Ludwig II. von Oberbayern (1253—1294) »hat während seiner ganzen Regierung keinen Landtag einberufen«. — Ein Verzeichnis bei Friedrich K. Hausmann, Beiträge zur Kenntnis der kursächsischen Landesversammlungen, Leipzig 1798, S. 106 ff. nennt Landtage zu den Jahren 1255, 1256, 1259, 1267, 1271, 1278. Von 1278 bis 1350 reicht auch hier eine Lücke, die nur durch zwei zum Jahre 1308 überlieferte Landesversammlungen (vgl. ebendas. S. 21) unterbrochen wird. Die zweite dieser Landesversammlungen erwähnt bereits eine Beteiligung der Städte; Chronica S. Petri, M. G. SS. XXX, 441 ad annum 1308: »Marchio ergo Fridericus . . . plebiscito indicto omnes nobiles terre Thuringie cum civitatibus advocans cum eis pacem verbotenus est aggressus, quia ipsam exactiones nimie fedaverunt.« — Vgl. auch K. D. Hüllmann, Gesch. des Ursprungs der Stände in Deutschland, Berlin 1808, S. 659 und Fr. Krüger, Commentatio de veterum in Germania provincialium ordinum origine atque natura, Göttingen 1843, S. 28.

39 einflußreichen Kreise, den neuen ständischen Gruppen, in Verhandlung zu treten. Es ist zweifelhaft, ob die neuen ständischen Versammlungen, die uns für das Ende des 13. Jahrhunderts bereits aus zahlreichen Urkunden bezeugt sind, im allgemeinen eine direkte organische Fortbildung der älteren Landdinge waren. Jedenfalls bestanden zwischen beiden in ihrer Zusammensetzung, ihrer Stellung im staatlichen Organismus, in den Kompetenzen tiefgreifende Verschiedenheiten. Verschieden war schon die Z u s a m m e n s e t z u n g der Landdinge und Ständetage. Der A d e l und die hohe Geistlichkeit, welche den regulären Bestand unter den Teilnehmern der placita gebildet, traten seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts allmählich zurück. Die gräflichen und freiherrlichen Familien starben zum Teil aus; zahlreiche Adelige gingen in die Ministerialitäten über. Die landsässigen Herren bildeten freilich in einigen Ländern, in Böhmen, Mähren, Schlesien, Österreich, Steiermark, Kärnten, eigne ständische Korporationen; im weitaus größten Teile des Reiches aber erhielt sich vom älteren Adel nur ein spärlicher Rest. Die hohe G e i s t l i c h k e i t erschien bis zur zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts meist nur selten auf ständischen Versammlungen, wenn nicht ihr eignes Interesse durch Steuerforderung, Streit über geistliche Güter und Rechte usw. beteiligt war; um so zahlreicher war in einigen Ländern, wie z. B. in Bayern, der niedere Klerus vertreten. Neben Adel und Geistlichkeit hatte schon auf den Landdingen des 12. Jahrhunderts die M i n i s t e r i a l i t ä t eine beachtenswerte, freilich in der Regel noch weniger bedeutende Rolle gespielt. Sie erhob sich um die Mitte des 13. Jahrhunderts als ritterschaftliche Korporation zur politisch einflußreichsten ständischen Gruppe, in geistlichen Fürstentümern wenigstens zur maßgebenden Schicht des Laienelementes. Als ganz

40 neuer und wesentlicher Bestandteil aber trat die B ü r g e r s c h a f t hinzu, die den ständischen Versammlungen erst den eigentümlichen Charakter gab. Verschieden, wie die Zusammensetzung, war ferner die Stellung der Landdinge und Ständetage im staatlichen Organismus. Die Fürsten hielten im 12. Jahrhundert Landdinge ab als Reichsbeamte, in Vertretung des Königs. Sie luden die angesehensten Vasallen, die mit ihren Lehnsmannen die placita besuchten. Die Aufgebotenen übten nicht ein Recht zur Beratung; sie erfüllten lediglich ihre Pflicht, wenn sie der Ladung folgten und »debitum consilium« erteilten. Anders ein Jahrhundert später I Die Fürsten, nunmehr im Besitze landesherrlicher Gewalt, beriefen die Stände aus eigener Vollmacht. Die ständischen Gruppen aber, die sich inzwischen aus herrschaftlichen Verbänden zu privilegierten Korporationen umgebildet, verhandelten mit dem Landesherrn nicht wie Untertanen, sondern fast wie gleichberechtigte Kontrahenten und erwarben mit der Zeit ein Recht der Standschaft und der Mitwirkung bei bestimmten Regierungsangelegenheiten, die erst durch Zustimmung der Stände rechtliche Gültigkeit erhielten. Die Landdinge und ständischen Versammlungen unterschieden sich endlich wesentlich hinsichtlich de» Umfanges ihrer Tätigkeit und der Kompetenzen. Es gab kaum eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse, die vor dem placitum nicht zur Sprache gekommen wäre. Das placitum beriet den Fürsten in Angelegenheiten der äußeren Politik, bei wichtigen und geringfügigen Regierungsmaßnahmen; es galt als höchste richterliche Instanz, erledigte Geschäfte der Verwaltung und erteilte seine Zustimmung, um neuen Gesetzen und Rechtsbestimmungen unanfechtbare Gültigkeit zu sichern. Die Landdinge sind also Gerichtsversammlung, Organ der Verwaltung und gleichzeitig ein Glied der Verfassung gewesen.

41 Diese umfassende Tätigkeit der älteren Landesversammlungen erfuhr eine wesentliche Einschränkung, als um die Wende des 13. Jahrhunderts der fürstliche Rat entstand und sich zwischen Landesherrschaft und Stände schob. Nun spaltete sich gewissermaßen die Tätigkeit der Landdinge; ein Teil ging auf den Rat, ein anderer auf die ständischen Versammlungen über. Es vollzog sich eine (freilich nicht ganz reinliche) Scheidung zwischen der verfassungsmäßigen Stellung der Landdinge einerseits und ihrer Verwaltungs- und richterlichen Tätigkeit anderseits. Die r e g e l m ä ß i g e n , früher zum großen Teil auf Landdingen erledigten Geschäfte der Verwaltung und Rechtsprechung1) gingen auf den fürstlichen Rat über. Es kommt in diesem Zusammenhange nicht darauf an, die vielumstrittene Frage zu entscheiden, ob die fürstlichen Hofgerichte (Kammergerichte) aus »an den Hof des Landesherrn gezogenen Landgerichten« entstanden sind, wie K. Fr. Eichhorn, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Göttingen 1844, Bd. 4, S. 279, Georg Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, Leipzig 1895, 4. Aufl., S. 306, Rieh. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 1907, S. 617 u. a. meinen, oder ob die landesherrliche Gerichtsbarkeit des späteren Mittelalters sich im Anschluß an die älteren »Landtage« (Landdinge, Landtaidinge, placita) entwickelt hat, wie es Ed. Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Bayerns, Würzburg 1889, Bd. 1, S. 113ff. für Bayern erwiesen hat; Rosenthals Ansicht (vgl. Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abteilung, Bd. 29, 1908, S. 343), der auch Schröder a. a. O. S. 617, Anm. 71 bis zum gewissen Grade beipflichtet, trifft jedenfalls für viele deutsche Territorien zu. Es gilt hier vielmehr festzustellen, daß an die Stelle der älteren, vom Fürsten auf größeren oder allgemeinen Versammlungen geübten Gerichtsbarkeit seit der Entstehung des fürstlichen Rates am Ende des 13. bzw. im 14. Jahrhundert ein Rätegericht, ein vornehmlich aus fürstlichen Räten zusammengesetztes, vom Landesherrn oder einem Vertreter geleitetes Hofgericht als höchste richterliche Instanz des Landes getreten ist. Das glaube ich für die Mark, »Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg«, 1908, S. 183 ff.

42 Der Rat bildete als Gerichtshof die Ubergangsform von den älteren Volksgerichten zu der modernen Rechtsprechung durch gelehrte Juristen. Er ist Vorläufer der Hof- und Kammergerichte wie der modernen geheimen Räte geworden und hat im 15. bzw. 16. Jahrhundert durch die Neuorganisation der Verwaltung die Form einer modernen Behörde erhalten. Die Betätigung des neuen Organs der Zentralverwaltung machte dem Fürsten die ordentliche Mitwirkung erwiesen zu haben. Für Bayern ist es durch Rosenthal, a. a. O., Bd. 1, S. 108 ff. geschehen. Über Österreich, Württemberg, Baden vgl. G. L. v. Maurer, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, 1870, Bd. 3, S. 785; Siegel, Die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Österreich im 12. und 13. Jahrhundert, in den Sitz.-Ber. der Wiener Ak. 1883, Bd. 102, S. 253ff.; A. Luschin v. Ebengreuth, Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, Weimar 1879, S. 95ff., 66ff.; Alf. Dopsch, Entstehung und Charakter des österreichischen Landrechtes, Archiv für österr. Geschichte, Wien 1893, S. 76ff.; Alf. Dopsch, Albrechts I. von Habsburg Bedeutung für die Ausbildung der Landeshoheit in Österreich (1282 bis 1298), in den Blättern d. Ver. f. Landeskunde Niederösterreichs, N. F., Jahrg. 27, 1893, S. 252ff. — C. Fr. v. Posern - Klett, Zur Geschichte der Markgrafschaft Meißen im 13. Jahrhundert, Leipzig 1863, S. 60ff.; H. B. Meyer, Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner, Leipzig 1902, S. 43 ff. — A. L. Reyscher, Sammlung der württembergischen Gesetze, Stuttgart und Tübingen, 1828, S. 81 ff.; G. Seeliger, Das deutsche Hofmeisteramt, 1885, S. 49, 50; P. Fr. Stälin, Geschichte Württembergs, Gotha 1887, Bd. 12, S. 728; Fr. Wintterlin, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Stuttgart 1892, Bd. 1, S. 11 ff. — Rud. Carlebach, Badische Rechtsgeschichte, Heidelberg 1906, S. 26, 118ff. Die vom Landesherrn mit seinen Räten geübte Jurisdiktion läßt sich trotz Dürftigkeit des Quellenmaterials auch für kleinere weltliche Territorien, wie z. B. für die Grafschaft Ravensberg (Urk. von 1364 17./8., Abschr. in Msk. VII 3117, Bd. III, S. 202 des Staatsarchivs zu Münster i. W.; K. Nitzsch, Die ravensbergische Territorialverfassung im Mittelalter, Halle 1902, S. 96), für LippeDetmold (O. Preuß und Falkmann, Lippesche Regesten, Bd. II, Nr. 615, Bd. III, Nr. 2109, 2433, Bd. IV, Nr. 2640 usw.) und auch für geistliche Fürstentümer nachweisen, wie z. B. für das Hochstift

43 der Landesversammlungen entbehrlich. Hatten die Fürsten im 12. Jahrhundert die Landdinge regelmäßig einberufen, so konnte sich die Landesherrschaft seit dem Ende des 13. Jahrhunderts darauf beschränken, die große Masse der politisch berechtigten Untertanen nur in besonderen Fällen heranzuziehen. Man berief die Stände in außerordentlichen Fällen, hauptsächlich wenn es sich 1. um Einführung neuer Gesetze und Einrichtungen, 2. um Gewährung außerordentlicher Steuern handelte, und 3. zu gerichtlichen Verhandlungen 1 ) oder schiedsrichterlichen Vereinbarungen, deren Aufgabe nicht selten war, zwischen Landesherrn und Ständen zu vermitteln. Osnabrück (Osn. Urk. von 1299 4./12.; Osnabr. Mitteil., Bd. 2, S. 340, Bd. 25, S. 115ff.; C. B. Stüve, Geschichte des Hochstifts Osnabrück, Bd. 1, S. 145). Vgl. auch Franz Heidingsfelder, Die rechtlichen Zustände im Hochstift Eichstätt am Ausgang des Mittelalters, Würzburger Diss., 1910, S. 42ff., 70ff. (als Hofrichter fungierte häufig der Hofmeister) u. a. Auch in den Stiftern Riga, Dorpat, ösel, Reval war der Rat zugleich Gerichtshof; vgl. Fr. G. von Bunge, Geschichtliche Entwicklung der Standesverhältnisse in Liv-, Est- und Kurland bis zum Jahre 1561, Dorpat 1838, S. 77 (vgl. ebendas. S. 76 über den Rat im dänischen Estland). Die oben ausgesprochene Ansicht findet ihre Bestätigung auch durch Rückschlüsse aus den Zuständen des 15. und 16. Jahrhunderts. Otto Hintze, Ratstube und Kammergericht in Brandenburg während des 16. Jahrhunderts, Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 1911, Bd. 24 führt den Nachweis, daß Ratstube und Kammergericht noch im 16. Jahrhundert nicht zwei gesonderte Organe, sondern ein und dasselbe Organ nur mit zwei verschiedenen Funktionen gewesen sind. Er weist (S. 34) auf Analogien im deutschen Reich, Frankreich, England hin. »Es ist eben ein durchgehender Zug der damaligen Behördenorganisation (16. Jahrhundert), daß die fürstlichen Ratskollegien zugleich als Gerichtshöfe tätig sind.« >) Vgl. z. B. W. Unger a. a. O. Bd. 2, S. 161 ff.; O. Gierke a. a. O., Bd. 1, S. 566; G. v. Below, Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd.l, S. 124ff; Ders., Territorium und Stadt, S. 261; Ders., Ursachen der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, 1905, S. 131; C. Hegel a. a. O., S. 60, 61; Rud. Schulze a. a. O., S. 116,117 u. a.

44 Die im Lehnstaat verwischte Scheidung zwischen Verfassungs- und Verwaltungsformen trat nun wieder klarer hervor. Der Rat hat im allgemeinen seinen Charakter als Organ der Verwaltung treu bewahrt. Die ständischen Versammlungen dagegen, die mit Anbruch der neueren Zeit mehr oder weniger umfassenden Anteil auch an der staatlichen Verwaltung erhielten, sind als verfassungsmäßige Instanz gewissermaßen an die Stelle der älteren Landdinge getreten. Man kann sie daher mit einigem Recht als deren Fortsetzung betrachten.

III. Die gesellschaftlichen Grundlagen des Staates erfuhren selten eine so schnelle und durchgreifende Änderung als im 13. Jahrhundert. Das Leben gestaltete sich damals ganz neu aus den Tiefen des Volkes, und der unentwickelte Staat vermochte die mannigfachen Kräfte, die zu freier, selbständiger Entfaltung empordrängten, noch nicht zu beherrschen und in seine Ordnungen zu fassen. Die sozialen Umwälzungen der Zeit, das Aufkommen der Berufsstände, die mächtige Entfaltung des Städtewesens mit seiner neuen und reichen Kultur legten den Grund zur Entstehung des Ständestaates. Daneben aber übten volkswirtschaftliche Verhältnisse, die mit dem Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft anhebende große wirtschaftliche Revolution, welche Könige und Fürsten in Abhängigkeit von den neuen bürgerlichen Geldmächten brachte, und nicht zum wenigsten auch politische Veränderungen maßgebenden Einfluß. Die Ausstattung der Stände mit politischen Rechten und Privilegien, die Bildung zahlreicher, fast selbständiger Herrschaftsbezirke mit Selbstverwaltung und eigner Gerichtsbarkeit erzeugte erst jenen eigenartigen politischen

45 Dualismus, der zu den Kennzeichen des neuen ständischen Staatswesens gehörte. Ein Ständestaat bestand in seinen wesentlichen Eigentümlichkeiten schon am Ende des 13. Jahrhunderts. Aber noch lange Zeit währte es, bis Regierung und Gesellschaft sich in einer dauernden Verfassungsform einzurichten wußten. Nur Ansätze einer Verfassung sind bereits um 1300 entstanden, als der Kampf des Fürstentums und der Stände um das Besteuerungsrecht zu Kompromissen führte, welche mit der prinzipiellen Beseitigung des fürstlichen Steuererhebungsrechtes die Landesherrschaft in Abhängigkeit von den empordrängenden ständischen Gewalten führte. Eine Steuer gab es im 12. und 13. Jahrhundert in fast allen Territorien. Die geistlichen jmd weltlichen Fürsten des Reiches erhoben Beden, welche man bezeichnenderweise auch »exactiones violentas, quas precarias vocant«1), »petitio exactoria« oder »violenta«, »Zwangsbede« nannte, so häufig, daß Erzbischof Konrad von Mainz schon im Jahre 1183 von einer allgemeinen Gewohnheit der Bischöfe und Fürsten sprechen konnte, im Falle der Not allgemeine außerordentliche Steuern auszuschreiben2). Das Fürstentum konnte Steuern um so weniger entbehren, als infolge umfangreicher Vergabung von Landbesitz, Ämtern und Rechten zu Lehen, infolge zahlreicher Schenkungen, Exemtionen, Befreiungen von Steuern, Zöllen und anderen Abgaben das landesherrliche Vermögen zur Deckung der nötigsten Ausgaben für Hof- und Landesverwaltung nicht mehr hinreichte und gleichzeitig die mit dem Eindringen der Geldwirtschaft notwendigen Änderungen der Verwaltung neue und große Anforderungen an die landesherrliche Kasse 1

) Mittelrheinisches Urkundenbuch, Bd. 1, S. 487. •) Ferd. Kogler, Archiv f. österr. Geschichte, Wien 1901, Bd. 90, S. 450.

46 stellten. Die Bemühungen der Untertanen, unter Ausnutzung der Geldverlegenheit dem schon am Ende des 13. Jahrhunderts meist verschuldeten Fürstentum das einträgliche Besteuerungsrecht zu nehmen, führten daher im inneren Leben der Territorien um die Wende des 13. Jahrhunderts zu einer bedeutsamen Krise, welche viel dazu beitrug, das Übergewicht der Stände zu entscheiden. Am eingehendsten sind wir über die Vorgänge in Mecklenburg, Schlesien, Bayern und in der Mark Brandenburg unterrichtet. Die Fürsten Heinrich und Johann von Werle gelobten 1276 für Gewährung einer einmaligen größeren Zahlung zur Begleichung fürstlicher Schulden den Mannen und Geistlichen des Landes Gnoien (in Mecklenburg), sie künftig von jeder Steuer zu befreien; nur zur Schwertleite eines Fürstensohnes sollten 2 Schillinge, zum Hochzeitsfeste einer Prinzessin 4 Schillinge von jeder Hufe entrichtet werden1). Einen ähnlichen Vertrag schlössen die Grafen Helmold und Nikolaus von Schwerin 1279 mit ihren Untertanen. Sie erließen ihnen für einmalige Entrichtung von 1 Mark lübischer Denare (von der Hufe) jegliche Bede und behielten sich nur für den Fall der eignen Gefangenschaft oder der Verheiratung ihrer Kinder das Recht, eine Steuer zu erbitten, vor: »tunc terram nostram petere possumus, ut nobiscum subveniant in subsidium expensarum«2). Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg befreite 1280 für eine im ganzen Ratzeburger Lande zur Begleichung l ) Mecklenburgisches Urkundenbuch, Bd. II, S. 553ff., Nr. 1413 (1276, 12./11.). Nikolaus von Werle und seine Brüder verliehen 1285 den Vasallen im Lande Röbel, Malchow und Wenden nach Begleichung des dritten Teils ihrer Schulden ein inhaltlich fast gleichlautendes Privileg; Mecklenb. Urkb., Bd. III, S. 163ff., Nr. 1781 (1285). l ) Ebendas. Bd. II, S. 609ff., Nr. 1504 (1279 27./7.).

47 seiner Schulden gezahlte Abgabe (12 Hamburger Denare von der Hufe) die freien Güter seiner Vasallen von jeder »exactio violenta«1). Am bekanntesten sind die Verträge, welche die Brandenburger Markgrafen der Stendalschen und Salzwedelschen Linie 1280/81 mit ihren Untertanen abschlössen. Sie stimmten trotz einiger Verschiedenheiten in der Háuptsache, der prinzipiellen Beseitigung des markgräflichen Besteuerungsrechtes, überein: Die Markgrafen der Stendaler Linie, Johann II., Otto IV. und Konrad I., verkauften am 1. Mai 1281 ihren Untertanen die petitio exactoria, d. h. das Recht, außerordentliche Steuern vom Lande zu erheben, für eine an drei Terminen von Vasallen, Bürgern und Bauern zahlbare Summe von insgesamt drei Vierdungen (d. i. % Mark oder 20 Schillingen). An die Stelle der außerordentlichen Steuer trat vom Andreastage 1282 ab eine mäßige fixierte Bede. Die Befugnis zur Erhebung außerordentlicher Beden aber beschränkte sich fortan auf zwei Fälle. Erstens mußten die Untertanen zur Auslösung eines gefangenen Markgrafen von der Hufe, die einen Wispel Hartkorn zinste, einen halben Vierdung, die gewöhnlichen Leute, Müller und Kossäten, 6 Denare vom Talent beisteuern. Ferner sollte bei Kriegsgefahr oder Landesnot (»necessitas legitima«) durch eine vom Markgrafen und seinen Vasallen ernannte Kommission von vier Rittern nach Vereinbarung mit den »potiores et seniores terrae « die Höhe der zu leistenden Beihilfe festgesetzt werden. Falls bei einer Landesteilung der neue Herr diesen Vertrag brechen sollte, war es den Vasallen und Bürgern gestattet, zu einem andern der markgräflichen Brüder überzugehen, bis das Unrecht wieder ausgeglichen wäre2). Auch die Markgrafen der »Salzwedeler Linie«, Otto V., Albrecht III. und Otto VI.,

2

Ebendas. Bd. II, S. 640, 641, Nr. 1550 (1280, 2./11.). ) Riedel, Codex dipi, brand. C. I, 10—12.

48 mußten in einem am 18. August 1280 »mit Ministerialen, Rittern, Knappen, Vasallen und anderen Untertanen« abgeschlossenen Vertrage auf jede Art außerordentlicher Bede Verzicht leisten. Nur wenn ein Burgenbau »mit Rat der Vasallen« beschlossen wurde, waren die Mannen verpflichtet, mit Geld und Diensten beizusteuern. Für den Fall, daß die Markgrafen sich in Zukunft nicht »des Rates Einiger« (»aliquorum sano consilio«) bedienten und gegen den Eid verstießen, war es »allen Vasallen und Städten« erlaubt, einander so lange beizustehen und Widerstand zu leisten, bis sie solche Gewalttat von sich abwehrten1). Nach einem mit Land und Stadt Salzwedel am 3. und 5. März 1282 abgeschlossenen Sonderabkommen sollte eine Kommission von sechs Rittern die Beachtung der Verträge überwachen und ihr zugleich die Entscheidung zufallen, wieviel das Land gegebenenfalls zur Befreiung eines kriegsgefangenen Markgrafen zu entrichten habe2). In Schlesien gab Herzog Boleslav II. bereits 1249 das Versprechen, den Untertanen und Gütern des Bistums Breslau »collectas sive exacciones generales sive speciales « nur mit Genehmigung des Bischofs und der Barone des Landes aufzuerlegen3). Am 10. August 1282 entschied dann Bischof Philipp von Fermo als päpstlicher Legat einen neuen zwischen Bischof Thomas von Breslau und Herzog Heinrich (IV.) ausgebrochenen Zwist dahin, daß alle Besitzungen und Untertanen des Bistums von allen Steuern, Lasten und Diensten frei sein sollten. Das Recht des Herzogs, von den Untertanen der Kirche eine Hilfe zu fordern, war fortan eingeschränkt auf die bekannten Fälle der Verheiratung eines Kindes, der Schwert) *) *) Breslau l

Riedel, Cod. dipl. brand. G. I, 9 , 1 0 (1280, 18./8.). Ebendas. A. XIV, 26—28 (1282 3./3. und 5./3.). G. A. Stenzel, Urkunden zur Qeschichte des Bistums im Mittelalter, Breslau 1845, S. 16ff. (1249 28./1.).

49 leite eines Sohnes, der Gefangenschaft eines Herzogs und der Landesnot 1 ). Zehn Jahre später (1292) verzichtete Erzbischof Erich von Magdeburg in einem mit Domkapitel und Stadt Magdeburg abgeschlossenen Abkommen gegen Gewährung einer einmaligen freiwilligen Zahlung auf das Recht der Steuererhebung. Nur wenn Krieg oder Landesnot eine Beihilfe erforderte, sollte mit Rat und Zustimmung des Kapitels und der Bürgerschaft eine dem Lande erträgliche Steuer erhoben werden2). Und im gleichen Jahre 1292 versprach auch Herzog Johann von Brabant zum Entgelt für Gewährung einer Geldleistung, niemals mehr eine solche Abgabe zu verlangen; ja er gewährte den Ständen das Recht bewaffneten Widerstandes, falls er sein Gelöbnis nicht einhalten sollte8). Besonders lehrreich, auch für die Wirkung, die das Einungswesen als Mittel zur Erwerbung ständischer Vorrechte übte, gestalteten sich die Verhältnisse in Bayern, das seit der Teilung von 1255 in zwei geschiedene Länder, Oberbayern mit der Pfalz und Niederbayern, zerfiel4). Codex diplom. Silesiae, Breslau 1886, Bd. VII zur schlesischen Geschichte, Teil III) S. 21, 22.

(Regesten

*) v. Mülverstedt, Regesta episcopatus Magdeburgensis, 1886, Bd. III, S. 275, Nr. 729 (1292 17./1.); vgl. W. Schum, Histor. Aufsätze dem Andenken von Georg Waitz gewidmet, Hannover 1886, S. 427. s

) K. D. Hüllmann, Geschichte des Ursprungs der Stände in Deutschland, Berlin 1830, S. 655. 4

) Ign. Rudhart, Die Geschichte der Landstände in Bayern, Heidelberg 1816; M. v. Freyberg, Geschichte der bayerischen Landstände und ihrer Verhandlungen, Sulzbach 1828; G. v. Lerchenfeld, Die altbayerischen landständischen Freibriefe, München 1853; S. Riezler, Geschichte Bayerns, Gotha 1880, Bd. 2, S. 507 ff. Ernst Baasch, Die Steuer im Herzogtum Bayern bis zum ersten landständischen Freiheitsbrief (1311), Diss., Marburg 1888; Ludwig Hoffmann, Geschichte der direkten Steuern in Bayern, Leipzig 1883. S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat. 4

50 Die niederbayerischen Herzoge forderten 1295 zur Tilgung ihrer Schulden Notsteuern. Die Forderungen wiederholten sich 1304 und 1309. Als dann unglückliche Kriege von neuem die Kassen der Landesherrschaft geleert, verlangten die Herzoge 1311 eine ungewöhnlich hohe Abgabe, zu der sämtliche Einwohner des Landesherangezogen werden sollten. Damals vereinigten sich alle Stände Niederbayerns, »Grafen, Freie und Dienstmannen«, welche die Hofordnung von 1293 zum erstenmal zusammenfassend als »Landherren« bezeichnet1), mit der Geistlichkeit und den Städten und erlangten vom Herzoge am 15. Juni 1311 den ersten Freibrief, der allen denen, welche die Steuer bewilligten, die niedere Gerichtsbarkeit, der Geistlichkeit aber Testierfreiheit gewährte. Auch hier verzichtete der Landesherr für eine einmalige Zahlung auf die regelmäßige Einnahme eines wichtigen Regals. Die ottonische Handveste bestimmte, daß die geforderte Steuer nie wieder erhoben werden sollte, und erkannte nicht nur die Einung, welche die Landherren zu gegenseitigem Schutz gegen jeden Rechtsbruch des Herzogs und seiner Beamten geschlossen, sondern auch das Widerstandsrecht der Eidgenossen ausdrücklich an2). Eine Einung der Grafen, Freien und Dienstmannen bildete auch in Oberbayern den Ausgangspunkt der ständischen Bewegung. Sie trat zusammen, als Herzog Rudolf zur Begleichung seiner in Kriegszeiten gewachsenen, drückenden Schuldenlast 1302 eine Yiehsteuer verlangte. Die Landherren bewilligten die Steuer und erhielten dafür 1302 auf dem Schnaitpacher Rittertage vom Herzog die urkundliche Bestätigung zweier höchst wichtiger Rechte: die Steuerfreiheit ihrer Güter und Hintersassen durch das Versprechen des Fürsten, fernerhin ») S. Riezler a. a. O. Bd. 2, S. 513, Anm. 1. *) Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, München 1861, Bd. VI, S. 183 ff.

51 »keine gemeine Steuer mehr an ihren Leuten und Gütern zu suchen«, sowie die Anerkennung der Einung, in welcher die Landherren sich zu gemeinsamem Widerstande gegen weitere Steuerforderungen des Herzogs verbunden hatten: »Und ist davon unser guter Willen und Gunst dabei, daß sie sich des jetzo miteinander vereint haben und auch geschworen, daß sie uns keine gemeine Steuer fürbas geben«1). Die Erträgnisse der Steuer reichten, wie es scheint, nicht hin, die Not des Landesherrn zu heben. Und als einige Jahre später die Herzoge zu dem gefährlichen, aber oft angewendeten Mittel einer Münzverschlechterung ihre Zuflucht nahmen, schlössen zum ersten Male die drei oberbayerischen Stände, Landherren, Geistlichkeit und Städte, eine Einung und zwangen den Herzog am 12. April 1307, ihnen die herzogliche Münze in Ingolstadt und München für Bewilligung einer neuen Viehsteuer zu verkaufen2). Sie bezweckten damit hauptsächlich, weiteren Mißbräuchen im Münzwesen vorzubeugen8). Die angeführten Beispiele reichen hin, Anlaß und Ziel des ständischen Kampfes zu erkennen. Die Bewegung beschränkte sich keineswegs auf einzelne Territorien. Wenn wir hören, daß in Geldern 1293 Ritter, Knappen und Gemeinden des Landes eine allgemeine Steuer zur Auslösung des Landes aus der Pfandschaft bewilligten4), daß Markgraf Friedrich 1308 Ritterschaft und Städte von Thüringen berief, um sie wegen bisheriger Steuerbedrückungen zufriedenzustellen6), und 1309 Bischof Konrad G. v. Lerchenfeld a. a. O. S. CXXIX; Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, Bd. VI, S. 131, 132. «) G. v. Lerchenfeld a. a. O. S. CXXX ff. *) Vgl. S. Riezler a. a. O. Bd. 2, S. 518, 519. 4 ) G. Müller, Die Entwicklung der Landeshoheit in Geldern bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Diss., Marburg 1889, S. 46, 63. s ) Cronica S. Petri, M. G. SS. X X X 441 (zum Jahre 1308): »insuper plebiscito indicto omnes nobiles terre Thuringie cum civitatibus advocans, cum eis pacem verbotenus est aggressus, quia ipsam exaetiones nimie fedaverunt.«

52 v o n Münster den Adeligen, Ministerialen, Vasallen und Städten des Landes zum Dank für Hilfleistungen Vergünstigungen gewährte 1 ), so ist schon aus diesen und ähnlichen, leider nur knappen Angaben der Quellen ersichtlich, d a ß die verschuldete Landesherrschaft auch hier zu Konzessionen an die Stände genötigt wurde 2 ). U n d wo die Uberlieferung uns für die kritische Zeit des ersten harten Kampfes (um 1300) im Stiche läßt, beweist häufig schon das gleichartige Ergebnis einer späteren Zeit, daß ähnliche K ä m p f e o d e r Vereinbarungen vorausgegangen sein müssen 8 ). !) Westfäl. Urkb., Münster 1908, Bd. VIII, Nr. 510, S. 178, 179 (1309 1./7.). 2 ) Die Beispiele lassen sich nicht unbeträchtlich vermehren: Bischof Berthold von Bamberg erklärte 1261 13./6., daß er kein Recht habe, in den Immunitäten der Stadt Bamberg Steuern oder andere ungewöhnliche Abgaben zu erheben; vgl. G. Weigel, Die Wahlkapitulationen der Bamberger Bischöfe (1328—1693), Würzburger Diss. 1909, S. 130, 131, vgl. auch S. 26; J. B. Mayer, Versuch einer Abhandlung über Steuer und Abgaben im allgemeinen, vorzüglich im Hochstift Bamberg, Bamberg 1795, Beilage 1. »Im Jahre 1264 sehen wir den Bischof, die fünf Stifter und die Stadtbürgerschaft sich in der Erklärung vereinigen, daß das ,newe ungelt', das in der Stadt Bamberg ausgesetzt sei, abgestellt, auch künftighin von niemandem mehr ein solches gefordert, noch die Erhebung gestattet werden solle«; A. Chroust, Chroniken der Stadt Bamberg, Leipzig 1907, in d. Veröffentlichungen d. Ges. f. fränkische Geschichte I. 1, S. XXXI. — Bischof Bernhard V. von Paderborn verpflichtete sich 1326, »als Gegengabe für die Gewährung einer Steuer« vor allem von Land und Leuten des Domkapitels und der Ritterschaft »nene bede eder cysen« zu verlangen; vgl. H. Aubin, Die Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn im Mittelalter, Berlin und Leipzig 1911, S. 68, Anm. 1. — Über ähnliche im Bistum Würzburg (1276) und Lüttich (1291) erhobene Steuern vgl. Unger a. a. O. Bd. 1, S. 283 und Ad. Wohlwill, Die Anfänge der landständischen Verfassung im Bistum Lüttich, Leipzig 1867, S. 160. ') Das bergische Rechtsbuch z. B., dessen Entstehung G. v. Below in die Zeit zwischen 1355 und 1397. setzt, kennt ein Recht des Landesherrn »zur Forderung einer Steuer nur für den Fall, daß er in Gefangenschaft geraten oder im Kriege unterlegen ist«. Sonst »besteht nach dem Rechtsbuch der Grundsatz voller Freiheit der

53 Die Bedeutung der Bedeverträge für das innere Leben der Territorien ist meist nicht im Zusammenhange der Entwicklung gewürdigt worden. Eine Verkennung ihrer Tendenzen liegt jedenfalls in der herrschenden Ansicht, daß durch jene Verträge von den Ständen ein Steuerbewilligungsrecht e r w o r b e n sei. Damals soll, so wird behauptet, die dem Reichsgesetz von 1231 zugrunde liegende Idee verwirklicht worden sein, daß neue Gesetzes» bestimmungen oder Rechte, constitutiones vel nova iura, nur mit Zustimmung der maiores et meliores terrae erlassen werden dürften. Eine andere Auffassung wird sich ergeben, sobald man die um das Bederecht geführten Verhandlungen als Glied des ständischen Befreiungskampfes auffaßt, der in jenen Kompromissen zwischen Landesherrschaft und Ständen einen vorläufigen Ausgleich fand. Es war keinesfalls schon in jener Zeit die A b s i c h t der Untertanen, ein Steuerbewilligungsrecht zu erwerben. Das Ziel der Stände — darin stimmen die Verträge überein — ist nicht Erwerbung eines politischen Rechtes, vielmehr Befreiung ihrer Untertanen von Bede und anderen Lasten, völlige Beseitigung des fürstlichen Besteuerungsrechtes gewesen. Sie haben das Ziel nicht ganz erreicht, sondern den Fürsten in wenigen besonderen Fällen, die s c h o n f r ü h e r Anlaß zu Auflagen gegeben, ein Recht der Steuerforderung belassen müssen. Die Erhebung ist freilich in diesen Fällen von ständischer Bewilligung abhängig geworden. Doch ist diese Bestimmung im Zusammenhange der Entwicklung nicht als eine Errungenschaft der Untertanen, sondern vielmehr als eine Konzession zu betrachten, welche man für den prinziBewilligung«, vgl. Zeitschr. des bergischen Geschichtsvereins, 1886, Bd. 22, 8 . 5 , 6; ähnlich G. Waitz, Schleswig-Holsteins Geschichte, 1851, Bd. 1, S. 356, 357; Joh. Wilh. Neumann, Geschichte der Landstände des Markgrafentums Niederlausitz, Lübben 1843, S. 111 ff. usw.

54 piellen Verzicht auf Erhebung außerordentlicher Steuern der Landesherrschaft machte. Die Landesherrschaft konnte nun wenigstens in der Not ein Recht auf Steuerforderung geltend machen. Wie wenig die Untertanen auf Erwerbung eines Bewilligungsrechtes Wert legten, geht auch aus der Tatsache hervor, daß die Bedeverträge in den bekannten Reservatfällen die dem Landesherrn gebührende Steuer mehrfach gleich in bestimmter Höhe festsetzten. Es verdient ferner Beachtung, daß zahllose landesherrliche Privilegien und Schadlosbriefe des 14. Jahrhunderts nicht etwa ein Steuerbewilligungsrecht der Stände, sondern vielmehr die auch in den Bedeverträgen enthaltene Forderung bestätigten, daß Bede in Zukunft überhaupt nicht mehr erhoben werden sollte: Von der Absicht der Stände ist nun aber die W i r k u n g zu scheiden, welche die Bedeverträge in der Tat ausgeübt haben. Es ist natürlich, daß in einer Zeit eindringender Geldwirtschaft und zunehmender Verschuldung des Fürstentums sich das Recht desselben zur Steuererhebung nicht auf die vier Reservatfälle, Landesnot, Gefangenschaft des Landesherrn, Schwertleite eines Prinzen, Verheiratung einer Prinzessin, beschränken ließ. Das Fürstentum konnte weiterer Steuerleistungen der Untertanen auf die Dauer nicht entbehren. Die große Masse derselben aber folgte nicht mehr seiner unmittelbaren Führung. Eine Zeit lang freilich, um die Mitte des 13. Jahrhunderts, als das Fürstentum mit Hilfe der Ministerialität die erblichen Feudalgewalten verdrängte und die emporstrebenden Stände noch in der Abhängigkeit herrschaftlicher Verbände hielt, hatte es den Anschein gehabt, als sollte das Fürstentum die im Lehnstaate verlorene unmittelbare Fühlung mit der großen Masse des Volkes wiedergewinnen. Die ständische Erhebung aber führte, wie bereits ausgeführt wurde, von neuem zur Bildung zahlreicher Herrschaftsbezirke, welche den Landesherrn

55 wiederum von der direkten Verbindung mit Bauern und Bürgern abschnitten. Es entstanden, wie im Lehnstaat, »intermediäre« Gewalten, die sich zwischen Volk und Herrschaft schoben. Der Herr konnte daher seine Untertanen im allgemeinen nur durch die Stadtobrigkeiten, die geistlichen und weltlichen Patrimonialherren erreichen, nur durch ihre Vermittlung ihnen Abgaben und Dienste auferlegen. Seine Abhängigkeit von diesen Kreisen wuchs noch mit der volkswirtschaftlichen Macht der Städte und der Bedeutung des Rittertums. Die Bürger mit ihrem zunehmenden Reichtum, dem entwickelten Geldund Kreditwesen übten maßgebenden Einfluß auf die Landesherrschaft, ohne daß ihnen formell ein Recht dazu übertragen war. Verschlossen sie ihren Geldbeutel, so geriet die Landesherrschaft in größte Verlegenheit. Und nicht minder war der Landesherr auf die Ritterschaft angewiesen, auf deren militärischen Leistungen hauptsächlich die Wehrkraft des Landes beruhte. Es kam dazu, daß beide Stände durch Einung, wenn auch zunächst nur vorübergehend, ihre gemeinsamen Interessen zu wahren wußten. Als nun die ständischen Herrschaften im Kampf um Autonomie auch das im 13. Jahrhundert ziemlich frei ausgeübte landesherrliche Besteuerungsrecht prinzipiell zu beseitigen vermochten, ergab sich als natürliche Folge, daß weitere, in den Bedeverträgen nicht vorgesehene Steuerforderungen von ihrem guten Willen abhingen. Die Mitwirkung der Stände ließ sich nicht mehr umgehen. Ihr Bewilligungsrecht also hatte nicht in Zugeständnissen der Landesherrschaft seinen Ursprung; es entstand vielmehr »ganz von selbst«1). Nur für die erwähnten vier Reservatfälle konnten sich die Stände auf eine fürstliche Rechtsverleihung berufen; und hier war ihnen zugleich eine Art Vertretungsbefugnis zuerkannt. G. v. Below, Zeitschr. des bergischen Geschichtsvereins, Bd. 21, S. 235, Anm. 242.

56 Man kann daher mit Recht sagen, daß sich schon zur Zeit der Bedeverträge Ansätze einer ständischen Verfassung bildeten. Die Beseitigung des Bederechtes glich einer Vergewaltigung des Fürstentums. Der Sieger erkannte wohl, daß es zähe Ausdauer kosten würde, das gemeinschädliche Recht zu behaupten. Er suchte daher seinen Erfolg durch Garantien zu schützen, ließ die Einungen bestätigen und, wie es vorher schon in England 1 ), Ungarn 2 ) und anderen Staaten 8 ) geschehen war, im Falle des Vertragsbruche» sich zu bewaffnetem Widerstande ermächtigen. Nichts vielleicht ist bezeichnender für Geist und Ziel der ständischen Bewegung, als die Gewährung des Einungs- und Widerstandsrechtes, welche den politischen Dualismus des Ständestaates förmlich sanktionierte.

IV. Die Bedeverträge bezeichnen im Kampf der Landesherrschaft mit den Ständen eine Art Waffenstillstand. Sie lassen unzweifelhaft bereits Ansätze einer ständischen Verfassung erkennen. Aber diese Ansätze sind bald wieder verlassen worden. Das gleiche Interesse an der Beschränkung der landesherrlichen Gewalt hatte die Stände zusammengeführt. Sobald sie ihren nächsten Zweck erreicht hatten, lösten sich auch die Einungen wieder auf. *) Rud. v. Gneist, Englische Verfassungsgeschichte, Berlin 1882, S. 251. *) Akos von Timon, Ungarische Verfassungsgeschichte (nach der dritten, vermehrten Auflage übersetzt von Fei. Schiller), Berlin 1909, S. 123 ff. ') Heinrich Leo, Geschichte der italienischen Staaten, Vierter Teil, Hamburg 1830, S. 633 weist auf die magna Charta Karls II. von Neapel (1283) hin, welche dem Regenten sehr bestimmte Schranken setzte.

57 Freilich haben auch im 14. Jahrhundert ständische Versammlungen und Beratungen stattgefunden. Auch jetzt gab es Angelegenheiten mancherlei Art, welche die Landesinteressen so nahe berührten, daß sie zweckmäßigerweise nicht bloß mit Getreuen und Räten beraten wurden 1 ). Wiederholt sind die mächtigeren Landsassen, auch städtische Magistrate bei Erb- und Thronfolgestreitigkeiten innerhalb des regierenden Hauses als Vermittler oder Schiedsrichter, als Bürgen einer neuen Ordnung hinzugezogen worden. Bei der Wahl eines Regenten, beim Wechsel einer Dynastie haben die Stände eingegriffen. Sie sind bisweilen zu Beratungen und gemeinsamer Abwehr landesherrlicher Maßnahmen zusammengetreten. Das geschah in dringendsten Fällen, wenn aller Interesse getroffen war. So haben sich am 26. September 1345 die Stände der Mark Brandenburg vereinigt, um gegen die Einführung einer von Ludwig dem Älteren geplanten Münzeinrichtung Protest zu erheben und die Zahlung eines Schosses abzulehnen. Rudolf IV., Herzog von Österreich, hat jene wichtige Anordnung vom 21. März 1359, welche die Erhebung einer allgemeinen Getränkesteuer (Ungelt) unter Verzicht auf den Brauch der Münzerneuerung festsetzte, »mit allen geistlichen und weltlichen Fürsten, Prälaten und Pfarrern, Landherren, Rittern und Knechten und mit allen andern unsern Getreuen gemeinlich in unserm Lande zu Österreich« vereinbart 2 ). Aber ständische Versammlungen dieser Art blieben selbst während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in den größeren Territorien des Reiches noch eine Ausnahme. Die Stände der Mark Brandenburg haben sich *) Vgl. K. Maurer, Artikel »Landstände«, Deutsches StaatsWörterbuch, Stuttgart und Leipzig 1861, S. 251—272. *) E. v. Schwind und A. Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter, Innsbruck 1895, Nr. 103, S. 191 ff.

68 während des ganzen 14. Jahrhunderts nur höchst selten zu gemeinsamer Beratung vereinigt. Dem Darsteller der landständischen Geschichte Mecklenburgs C. Hegel fiel es auf, daß die Fürsten des Landes nicht sämtliche privilegierten Stände, »selten auch nur einen einzelnen Stand in der Gesamtheit seiner Mitglieder, sondern in der Regel nur einzelne, mehr oder weniger an Zahl, welche das Vertrauen des Landesherrn, die amtliche Stellung und das persönliche Ansehen« auszeichnete, zur Mitwirkung bei fürstlichen Regierungshandlungen berufen haben1). Die gleiche Beobachtung machte Riezler an der Geschichte Oberbayerns, wo die landständische Entwicklung am Anfang des 14. Jahrhunderts wieder »ins Stocken geraten« sei. Die Stände sind hier unter Ludwigs Regierung, der wie der Vater dem Lande nur geringen Einfluß auf die Regierung gestattete, nach 1315 »nie mehr hervorgetreten«2). Auch die Habsburger scheinen »bis gegen das Ende des 14. Jahrhunderts sich um die verschiedenen Stände wenig gekümmert und nur ihre adeligen oder geistlichen Räte und Beamten einigen Einfluß auf die Regierungsangelegenheiten geübt zu haben«8); nur »sehr ausnahmsweise« ist es in Österreich »schon im 14. Jahrhundert zu einer vom Landesfürsten berufenen Vollversammlung der Landstände« gekommen4). Im l

) C. Hegel a. a. O. S. 56. «) S. Riezler a. a. O. Bd. 2, S. 517, 519. *) A. Huber, Geschichte Österreichs, Gotha 1885, Bd. 2, S. 402; vgl. auch S. 400. Auch H. J. Schwarzweber, Die Landstände Vorderösterreichs, Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs, Jahrg. 1908, S. 206 ist die Tatsache aufgefallen, daß »bald nach der Wende des 14. Jahrhunderts mehr und mehr der Rat der Rate zur Geltung kommt und jene gelegentliche Beratung unmittelbar durch die Stände verschwindet«. *) A. Luschin v. Ebengreuth, Histor. Zeitschr., Bd. 78, S. 453, 440. »Die Formen, in welchen sich der ständische Einfluß geltend machte,« bemerkt Luschin v. Ebengreuth in seiner österreichischen Reichsgeschichte, Bamberg 1895, S. 172, »sind keines-

59 Lande der Wettiner Boll gar bis zum Jahre 1379 »jede Spur ständischer Bildung gefehlt« haben1). Es ist offenbar Grundsatz der Landesherrschaft gewesen, nach Möglichkeit ohne Mitwirkung der Stände auszukommen; sie fürchtete, in noch größere Abhängigkeit von ihnen zu geraten. Die Fürsten genügten dem guten deutschen Brauche, daß sie nicht eigenmächtig regieren, sondern bei allen wichtigeren Maßnahmen sich des Rates der Besten und Weisesten bedienen sollten, indem sie ihre Ritter oder »Landherren« hinzuzogen. Wir hören wiederholt aus urkundlichen Quellen, daß die Landesherren Maßnahmen mit Rat oder Zustimmung der Ritter, »der getreuen Vasallen und Dienstmannen«, trafen. dieser Zeit Die R i t t e r v e r s a m m l u n g e n glichen denen des 13. Jahrhunderts in vielen wesentlichen Zügen. Der Landesherr berief sie nach freiem Belieben. Er hatte im allgemeinen nicht die rechtliche Verpflichtung, die Ritterschaft um ihren Rat oder Konsens zu fragen; noch hatten die Ritter und Mannen ein Anrecht darauf, ihren Rat in allgemeinen Landesangelegenheiten zu erteilen. Viel eher ließ sich noch im 14. Jahrhundert aus dem Dienst- und Lehnsverhältnis eine Pflicht derselben herleiten, die Hoftage des Landesherrn zu besuchen. Dagegen unterschieden sich die Rittertage des 14. Jahrhunderts von den gleichen Versammlungen des 13. Jahrhunderts dadurch, daß sie nicht mehr wie jene regelmäßig an der Regierung des Landes, der Verwaltung und Rechtsprechung teilnahmen, seit die Pflege der fürstlichen Gerichtsbarkeit und Verwaltung auf den wegs gleichmäßig ausgebildet worden, indem man z. B. das Zusammenwirken in Versammlungen, die schon nahezu die Gestalt landtaglicher Vertretungen angenommen hatten, plötzlich ohne erkennbaren Grund wieder verließ, um auf altere Stadien zurückzugreifen.« *) H. B. Meyer, Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner, Leipzig 1902, S. 14.

60 landesherrlichen Rat übergegangen war. Die Wirksamkeit der Ritterversammlungen also war eine erheblich geringere geworden; sie beschränkte sich auf wenige, außerordentliche Fälle. Als wichtige Tätigkeit verblieb ihnen die Teilnahme an der Gesetzgebung, am Erlaß neuer Verordnungen und Rechtsbestimmungen, die durch den Konsens der Beteiligten unanfechtbare Gültigkeit erhielten. So zog Herzog Albrecht II. von Österreich »Landherren, Ritter und Knechte« hinzu, als er im Jahre 1338 eine Landesordnung für Kärnten erließ1). Herzog Albert erkannte 1311 in den Braunschweig-Lüneburgischen Landen vor seinen »Dienstmannen und Getreuen« an, daß jeder, welchem Stande er auch angehöre, seine Güter mit der nächsten Erben Erlaubnis frei veräußern dürfe 2 ). Ein Anlaß, den größeren Kreis der Ritter und Vasallen hinzuzuziehen, bot sich mehrfach bei besonders wichtigen und feierlichen Angelegenheiten, bei Abschluß von Bündnissen, Friedensverträgen, Regelung von Erbund Thronstreitigkeiten, Lehnsentscheidungen, Verleihung wichtiger Privilegien. Der Landesherr hatte ein naheliegendes Interesse, in solchen Fällen die Zustimmung seiner Ritter und Vasallen einzuholen. Anderseits mochte bisweilen auch der Wunsch des Urkundenempfängers berücksichtigt worden sein, daß durch Zeugnis und Bürgschaft angesehener Vasallen die landesherrliche Verfügung verstärkte Sicherheit erhalte. Die Institution, welche es der Landesherrschaft im 14. Jahrhundert ermöglichte, ohne regelmäßige Mitwirkung der Stände, auch ohne regelmäßigere Beteiligung der Ritter- und Lehnsmannschaften die Regierung zu leiten, war der um die Wende des 13. Jahrhunderts ent1 ) E. v. Schwind und Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande, Innsbruck 1895, Nr. 94, S. 175, 176. 2) Unger a. a. O. Bd. 1, S. 241.

61 standene fürstliche R a t 1 ) . Er ist das Bindeglied zwischen der Landesherrschaft und den Ständen geworden. Die Zusammensetzung der neuen Institution2) wechselte mannigfach nach dem Belieben des Fürsten, den sozialen und politischen Verhältnissen der einzelnen Landschaften. Lag es einerseits im Interesse der Landesherrschaft, die Räte dort zu nehmen, wo sie möglichst unabhängige, von ständischen Einflüssen unberührte Personen fand, so durfte doch anderseits die Fühlung mit den politisch maßgebenden und wirtschaftlich leistungsfähigen Schichten des Volkes nicht verloren gehen. Der geistliche Herr sah sich auf den Klerus, insbesondere das Domkapitel, der weltliche Territorialherr meist auf *) Vgl. Luschin v. Ebengreuth, Histor. Zeitschrift, Bd. 78, S. 443: Der »Staatsrat . . . ersetzte auch in Ungarn lange Zeit die Vollversammlungen der Landstände, so daß König Ludwig I. der Große während seiner vierzigjährigen Regierung einen einzigen Landtag (1351) berief und sonst die wichtigsten Angelegenheiten des Reichs mit Zuziehung seines iuratum consilium erledigte.« Vgl. auch Ed. Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Bayerns, 1889, Bd. 1, S. 254ff. ! ) Die Entstehung eines engeren landesfürstlichen Rates um die Wende des 13. Jahrhunderts glaube ich in den Mitteilungen des Ver. f. Gesch. und Landesk. Osnabrücks, 1900, Bd. 25, S. 98ff. für die geistlichen Fürstentümer und in »Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg«, Leipzigl908, S.20ff.auch für die große Masse der weltlichen Territorien erwiesen zu haben. Vgl. dazu Ed. Rosenthal a. a. O., Bd. 1, S. 236ff. und in der Zeitschr. der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abteilung, 1908, Bd. 29, S. 341 ff., ferner Rob. Küster, Die Verwaltungsorganisation von Mecklenburg im 13. und 14. Jahrhundert, Freiburger Diss., Schwerin in M., 1909; W. Radioff, Das landesfürstliche Beamtentum Mecklenburgs im Mittelalter, Diss., Kiel 1910; Otto Herkert, Das landesherrliche Beamtentum der Markgrafschaft Baden im Mittelalter, Diss., Freiburg i. Br. 1910, S. 64 ff.; Herrn. Aubin, Die Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn im Mittelalter, Berlin und Leipzig 1911; Fei. Pischel, Die Entwicklung der Zentralverwaltung in SachsenWeimar bis 1743, Zeitschr. d. Ver. f. thüringische Gesch. und Altertumsk. N. F. Bd. 20, Heft 2, S. 240 ff.

62 die ritterlichen Grundherren angewiesen, auf denen die Wehrkraft des Landes ruhte. Der Rat des Fürsten bestand in Mecklenburg, Pommern, in der Mark Brandenburg, Sachsen, Bayern, Württemberg, Österreich, Tirol und anderen weltlichen Territorien ganz überwiegend aus Mitgliedern der Ritterschaft. Die anderen Stände, Geistlichkeit und Städte, fanden hier bis über die Mitte des 14. Jahrhunderts hinaus nur ausnahmsweise Vertretung. Einige Fürsten, Adelige, Prälaten, die dem Rate hier und da angehörten, verschwanden meist ganz in der großen Masse ritterbürtiger consiliarii. Das bürgerliche Element stand dem Hofe noch am fernsten. Allerdings gehörten in Mecklenburg schon um 1330 neben vielen Rittern auch Bürgermeister und Ratmannen der jüngst bezwungenen Seestädte Wismar und Rostock dem landesherrlichen Rate an 1 ); und im Westen des Reichs verschaffte die frühzeitige Entwicklung des Städtewesens den durch Blüte des Handels und der Industrie erstarkten Bürgerschaften von Brabant, Flandern und Lüttich bereits zu Anfang des 14. Jahrhunderts auch das Übergewicht im fürstlichen Rate. Im allgemeinen aber ist es den Bürgerschaften doch erst mit Anbruch der Neuzeit gelungen, regeren Anteil an der Zentralverwaltung der weltlichen Territorien zu gewinnen. Das »consilium iuratum« der geistlichen Fürsten 1 ) gewährt in seiner Zusammensetzung ein anderes Bild. Das Ubergewicht der Domkapitel, welche durch das ausschließliche Wahlrecht des Bischofs, als Vertreter desselben in Zeiten der Sedisvakanz einen entscheidenden Einfluß auf die Landesregierung, sehr häufig eine Art !) Mecklenburg. Urkb. Bd. VIII, Nr. 5152 (1330 5./6.) und IX, Nr. 5778 (1337 8./6.). Vgl. dazu C. Hegel a. a. O. S. 59. Hegel verwechselt bisweilen Rat und Stände, z. B. S. 56, 57. *) Mitteilungen des Ver. f. Geschichte und Landeskunde von Osnabrück, 1900, Bd. 25, S. 98 ff.

63 Mitregentschaft ausübten, mochte es dem Bischof ratsam erscheinen lassen, durch Aufnahme ritterlicher und bürgerlicher Personen in den Rat ein Gegengewicht gegen die Herrschaft des Kapitels zu schaffen. Der »geschworene Rat« setzte sich im Erzstift Magdeburg1), im Bistum Osnabrück2), Münster und anderen geistlichen Fürstentümern8) bereits um 1300 aus Mitgliedern aller drei Stände, des Domkapitels, der Ritter- und Bürgerschaft, zusammen. Das freie Ernennungsrecht, das die weltlichen Landesherren sich in der Regel zu wahren wußten, war hier in zweifacher Weise, durch Gewohnheitsrecht und ständische Ansprüche, beschränkt. Gewisse Mitglieder des Domkapitels, die Dignitäre oder »Prioren« (nament1 ) Der Erzbischof von Magdeburg vollzog am 12. Okt. 1303 (Regg. III, Nr. 1185) die Schenkung eines Teiches usw. »praesentibus illis, qui nostro adiuncti sunt consilio, videlicet honorabilibus viris Gernando preposito, Roperto de Mansvelt camerario nostre ecclesie necnon Hermanno de Wederde, domino de Warmstorp, Hinrico de Plocich militibus ac Thilone de Luchere et Bertramo Brandani burgensibus in Magdeburg«. Schon 1303 waren demnach alle 3 Stände, neben dem Kapitel auch Ministerialität und Bürgerschaft im Rate vertreten. Vgl. W. Schum, Über die Stellung des Kapitels und der Laienbevölkerung zu den Wahlen und der Verwaltungstätigkeit der Magdeburger Erzbischöfe bis zum 14. Jahrhundert, in d. Histor. Aufsätzen dem Andenken an G. Waitz gewidmet, Hannover 1886, S. 431. ') Osnabrücker Urkundenbuch, 1902, Bd. IV, Nr. 162, S. 110, 111 (1285 22-/9.)- Ebendas. Nr. 573, S. 367, 368 (1299 4./12.) werden die Zeugen, Mitglieder des Domkapitels, der Ministerialität und Schöffen, ausdrücklich als »iurati de consilio« bezeichnet. Am 9. August 1335 beauftragte Bischof Gottfried von Osnabrück 6 Mitglieder des »geschworenen Rates«, zwei aus dem Kapitel, zwei Dienstmannen und zwei Schöffen, mit der Erhebung gewisser bischöflicher Einnahmen; Mitteil, des Ver. f. Gesch. Osnabrücks, Bd. 2, S. 344 ff. Ebenso zählt die Urkunde 1357 1./8. (Druck: Stammtafeln und Nachrichten von dem Geschlechte der Bar, Nr. 32; Original im Osnabrücker Domarchiv) Mitglieder der drei Stände als geschworene Räte des Bischofs auf. ») Westfälisches Urkb., Bd. III, Nr. 936, IV, Nr. 188, 935.

64 lieh Propst und Dekan), häufig die Bürgermeister als Vertreter der Stadt, selbst erbliche Vorsteher der Ministerialität, wie z. B. der Erbdrost in Osnabrück 1 ), gewannen mit der Zeit eine Art Anrecht auf Sitz und Stimme im geschworenen Rate. Die Räte hatten als Hofbeamte und Vertrauensmänner des Fürsten nach ihrem Diensteid die Pflicht, das Interesse ihres Herrn wahrzunehmen. Gleichzeitig aber gehörten sie zum weitaus größten Teil ständischen Korporationen an, welche der innere Kampf oft genug in Konflikt mit der Landesherrschaft führte. Sie waren durch Geburt, Verwandtschaft, Lebensbedingungen mancherlei Art, durch familiäre und soziale Bande eng mit ihren Standesgenossen verbunden, in deren Reihe sie zurücktraten, sobald sie ihrer Ratspflicht am Hofe genügt hatten. Besonders die Provinzialräte, d. i. die in verschiedenen Landesteilen angesessenen Ritter, welche den Fürsten bei seinen Reisen durch das Land über die Verhältnisse ihres engeren Heimatsbezirkes aufklären und beraten mußten, lebten in steter Verbindung mit dem Lande und seinen Ständen. Diese Zwitterstellung des Rats, die Mischung des Beamten- und ständischen Elementes verursachte mannigfache Reibungen und Konflikte. Bald trat der ständische, bald der Beamtencharakter deutlicher hervor. Der Landesherr bemühte sich natürlich, die Räte seinen Wünschen gefügig zu machen und ständischen Sonderinteressen fernzuhalten. Die Stände dagegen übten Druck auf ihre Standesgenossen am Hofe aus; sie legten Wert darauf, daß die consiliarii im Lande angesessen, x

) Vgl. Mitteil, des Ver. f. Gesch. Osnabrücks, 1900, Bd. 25, S. 94 ff. Eine entsprechende Stellung bekleidete in Paderborn, Münster und Köln der Marschall; vgl. Westfälische Zeitschrift, Bd. 29, S. 331 ff. Auch in Österreich galt der Landmarschall wenigstens im 15. Jahrhundert als ständischer Würdenträger; Luschin v. Ebengreuth, Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, S. 88, 89.

65 mit seinen Lebensbedingungen verwachsen waren und sich abhängig von ihm fühlten. Glückte es der Landschaft einmal, dem Fürsten einen Rat nach ihren Wünschen aufzunötigen, so hatte sie meist doch nur vorübergehenden Erfolg. Der Landesherr zog dann häufig einen kleinen Kreis ihm ganz gewogener Personen hinzu; oder er berief Fremde in den Rat, die dem Lande fernstanden und bei dem natürlichen Gegensatz gegen die einheimische Bevölkerung um so engeren Anschluß an den Hof suchten. Die fremdländischen Räte erlangten an den Höfen deutscher Fürsten im 14. Jahrhundert mehrfach das Ubergewicht. Der Regierungsrat Markgraf Ludwigs des Älteren von Brandenburg setzte sich von etwa 1339 bis 1347 aus einem bestimmten Kreise von 20 bis 25 Hofbeamten meist bayerischer und schwäbischer Herkunft zusammen. Auch die Luxemburger verwendeten in der märkischen Zentralverwaltung fremdländische Getreue, zum Teil polnischer und ungarischer Herkunft. Als Markgraf Ludwig von Brandenburg 1342 die Regierung in Tirol übernahm, mußte er sich verpflichten, keine zur Herrschaft Tirol gehörige Burg oder Festung mit einem Fremden zu besetzen ; aber das hinderte ihn nicht daran, alsbald die Eingeborenen zu verdrängen und die höchsten Ämter an Bayern und Schwaben zu vergeben 1 ); es waren zum Teil dieselben Personen, die als Räte in der Mark Brandenburg genannt werden. Die Klagen über Verwendung der Fremden verstummten in deutschen Landen nicht. Privilegien und ständische Freibriefe nötigten der Landesherrschaft die immer wieder umgangene Verpflichtung auf, »die Fremden fahren zu lassen«, den Hof und alle Ämter mit Landesinsassen zu besetzen2). *) A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols, Innsbruck, Bd. II, S. 81, 82, 89, 130ff. ») Vgl. z. B. Unger a. a. O. Bd. 2, S. 275ff., 279; A. Dopsch, Albrechts I. von Habsburg Bedeutung für die Ausbildung der Landeshoheit in Österreich, a. a. O. S. 248; Luschin v. Ebengreuth, S p a n g e n b e r g , Vom Lehnetaat zum Ständestaat.

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66 Das Gegenspiel landesherrlicher und ständischer Interessen unterwarf den Rat den verschiedensten Wandlungen vom fürstlichen Beamtenkollegium bis zum ständischen Regentschaftsrat. Während die Markgrafen von Brandenburg, die Herren von Jülich-Berg1) u. a. die freie Verfügung über die Besetzung der höchsten Ämter im allgemeinen in ihrer Hand behielten, ist es anderwärts den Ständen gelungen, Einfluß auf die Besetzung derselben zu gewinnen und den Fürsten in gewissen Fällen an die Mitwirkung des Rates zu binden. Die Herzoge Niederbayerns verschuldeten es durch ihre Mißwirtschaft und Streitigkeiten in der Familie, daß Ritterschaft und Städte ihnen 1324 einen Rezeß abnötigten, in dem sie versprechen mußten, beieinander zu bleiben und über Histor. Zeitschrift, Bd. 78, S. 446; Spangenberg, Hof-und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, 1908, S. 95—100; Pirenne a. a. O. Bd. 2,161: »Im Lütticher Lande umgibt sich Adolf von der Mark (1313—1344) mit deutschen Räten und seit Guido von Dampierre findet man unter den Räten der Grafen von Flandern französische Juristen sowie lombardische Bankiers«; A. Wohlwill, Die Anfänge der landständischen Verfassung im Bistum Lüttich, Leipzig 1867, S. 120, 125; J. C. Dähnert, Sammlung gemeiner und besonderer pommerscher und rügischer Landesurkunden, Stralsund 1865, S. 425 usw. Die den Ständen ausgestellten Freibriefe und Privilegien jener Zeit wiederholen immer wieder das Versprechen des Landesherrn, »das Land mit keinem Gast zu besetzen«, »die Fremden fahren zu lassen« u. dgl.; vgl. z. B. G. v. Lerchenfeld, Die altbayerischen landständischen Freibriefe, München 1853, S. 15 (1339), S. 17 (1347), S. 18 (1355), S. 20 (1355), S. 22 (1358) usw.; J. F. Böhmer, Die Regesten des Kaiserreichs unter Karl IV., herausgegeben von Alfons Huber, Innsbruck 1877, Nr. 336 (1347): Versprechen Karls IV., Ämter in Böhmen nur an Böhmen, in Mähren nur an Einwohner Mährens zu übertragen. *) G. v. Below, Zeitschr. des bergischen Geschiehtsvereins, 1885, Bd. 21, S. 255: »Regelmäßig sind die Räte Glieder der Ritterschaft. Aber sie sind nie Beauftragte derselben gewesen, wie nicht, selten in anderen Territorien; vielmehr reine Beamte des Landesherrn.«

67 zwei Jahre nicht zu teilen, ihre Streitigkeiten durch 15 Räte schlichten zu lassen, »ohne des Rates Rat« keine neuen Bündnisse zu schließen, ohne ihn nichts zu verschenken oder einen neuen Rat zu ernennen 1 ). Die Stände von Brabant ließen sich die Unterstützung ihres stets geldbedürftigen Herzogs Johann II. teuer durch jenen Brief von Cortenberg (vom 27. September 1312) bezahlen, der die Errichtung eines auf Lebenszeit gewählten, aus den Reihen des Adels und der Städte zusammengesetzten Rates von 14 Personen verordnete. Der Rat sollte sich alle drei Wochen versammeln, die Privilegien und Gewohnheitsrechte des Landes hüten. Weigerte sich der Herzog, seine Entscheidungen, die als höchste Instanz galten, zu befolgen, so war das Land des Gehorsams gegen ihn entbunden. Als dann Johanns III. langwierige Kämpfe 1334 neue Auflagen erforderten, übertrug man die Einziehung und Verwaltung aller zur Tilgung der fürstlichen Schulden bestimmten Summen einem Rate, der sich aus sechs Personen, zwei Rittern sowie je zwei Bürgern von Brüssel und von Löwen zusammensetzte 2 ). Der Bischof von Lüttich war schon durch den Friedensvertrag von Fexhe (1316) verpflichtet, nach dem Willen des Landes, »sens du pays«, zu regieren. Er mußte dann 1343 die Errichtung eines Tribunals von 22 auf Lebenszeit berufenen Räten, 4 Domherren, 4 Rittern, 4 Lüttichern und 10 Vertretern der anderen Städte zulassen, welche alle gegen die Beamten erhobenen Beschwerden entscheiden und für gute Regierung des Landes sorgen sollten3). G. v. Lerchenfeld, Die altbayerischen landständischen Freibriefe, München 1853, 8. CLVI ff. s ) Pirenne a. a. O. Bd. 2, S. 180 ff. s ) Pirenne a. a. O. Bd. 2, 175; Ad. Wohlwill, Die Anfänge der landständischen Verfassung im Bistum Lüttich, Leipzig 1867 S. 145 ff.

68 Die Stände erlangten in einigen Territorien so großen Einfluß auf das Landesregiment, daß es ihnen zeitweise gelang, dem Rat den Charakter einer ständischen Institution aufzuprägen. So mußte sich Bischof Ludwig von Münster 1336 mit Domkapitel, Edelmannen, Ritterschaft und Städten des Stifts dahin vereinigen, einen Rat, bestehend aus drei Domherren und dem Propst von St. Mauritz, fünf Edelherren, sechzehn Rittern und dreizehn Knappen, zwei Bürgermeistern und zwei Schöffen der Stadt Münster, zu ernennen. Er versprach, Amtleute, die dem Rate nicht behagten, zu entsetzen, solche Personen, die dem Rate mißliebig wären, aus diesem zu entfernen, kein Gut zu vergeben oder zu versetzen »buten vulbort unses rades« usw 1 ). Ein Nachfolger Ludwigs, Bischof Florenz von Münster, gestand 1368 dem ihm von den Ständen aufgenötigten Rate ganz ähnliche Befugnisse zu 2 ). Es war nur eine andere, freilich seltene und merkwürdige Form solcher Vereinigung, wenn einige Mitglieder der Stände in einem Landfriedensbündnisse mit Ludwig von Münster sich am 25. Oktober 1346 als »geschworene Räte« in den Dienst des Bischofs stellten und sich verpflichteten, »um endrechtigkeit des Stichtes vom Monstere und um des besten Willen unsers Herrn vom Monstere« für des Landes Beste zu sorgen 3 ). Das Ansehen des Lüneburger Rates war bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts so weit gestiegen, daß man ihm unter bestimmten Bedingungen selbst die Wahl des Herzogs anvertraute 4 ). Als Herzog Magnus von Lüneburg 1) J . Niesert, Münsterische Urkundensammlung, Coesfeld 1834, Bd. Y, S. 158—160, Nr. 49. ') Kindlinger, Münsterische Beiträge, Münster 1787, Bd. I, Nr. 13, S. 30—36. ') Die Urkunde befindet sich im Staatsarchiv Münster; Urkunden Fürstentum und Domkapitel Nr. 578 (1346 25./10.). *) Sudendorf, Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, 1860, Bd. II, S. 302, Nr. 561 und Bd. III, S. 57, Nr. 93.

69 sich am 22. Oktober 1367 huldigen ließ, sicherte er den Ständen neben dem Schutz ihrer Freiheiten und Privilegien Unteilbarkeit des Landes zu. BraunschweigLüneburg sollte nur einem Herrn, dem ältesten Herzoge, huldigen; falls dieser aber nicht tauglich wäre, sollte es den Räten zufallen, unter den rechten Erben einen Tauglichen zu wählen 1 ). Das gleichzeitige Versprechen des Fürsten, die Räte Herzog Wilhelms, dessen Drosten, Marschälle und Kämmerer in ihren Ämtern und Ratsstellen zu lassen, war unzweifelhaft zu dem Zwecke gefordert, um den Ständen ihren Einfluß auf das Landesregiment zu wahren. Eine besonders günstige Gelegenheit bot sich den Ständen in Zeiten der Sedisvakanz oder Minderjährigkeit, Einfluß auf das Landesregiment zu gewinnen. Das besondere Interesse, welches das Land an der Ernennung der Regentschafts- und Vormundschaftsräte 2 ) nahm, erklärt es, daß auch die im Rate sonst nicht vertretenen Stände an dem außerordentlichen Regiment sich zu beteiligen suchten. So fanden in dem Vormundschaftsrate, den Herzog Wilhelm von Lüneburg dem jugendlichen Ludwig zur Seite setzte, außer acht Rittern zum ersten Male auch je zwei Ratsherren aus Lüneburg und Hannover und ein Ratsmann aus Ülzen Aufnahme 3 ). Es wurde in späterer Zeit durchaus üblich, bei der Einsetzung eines vormundschaftlichen Rates, die sich in manchen Landschaften, wie z. B. in Württemberg, besonders häufig >) Ebendas. Bd. III, S. 223, Nr. 337. ') Die Herzöge Albrecht und Otto von Braunschweig-Lüneburg bevollmächtigten 1292 den engeren Rat, in ihrer Abwesenheit die Regierungsgeschäfte zu führen; vgl. Herden a. a. O. S. 36. — Die Regierung des Erzstiftes Salzburg wurde im gleichen Jahre 1292 durch einen Ausschuß von Domherren, Ministerialen und Bürgern geführt; vgl. R. Meli, Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, Salzburg 1905, S. 22, 25. *) Vgl. Herden a. a. O. S. 46, 47.

70 wiederholte1), Vertreter aller drei Stände heranzuziehen. Die eigentümliche Zwitterstellung des Rates zwischen Herrschaft und Ständen tritt uns in den verschiedenen Territorien mit voller Deutlichkeit entgegen. Sie veranlaßte A. Luschin v. Ebengreuth in einer höchst anregenden Abhandlung über »die Anfänge der Landstände« 2 ), den Rat des 14. Jahrhunderts geradezu als »Übergangsform« in der Entwicklung der Landstände zu bezeichnen. Diese Erscheinung sei darum nicht schon früher erkannt worden, weil man »den geschworenen Rat der Landherren« mit einem zweiten Ratskörper zusammengeworfen habe. Luschin v. Ebengreuth unterscheidet nämlich zwei Institutionen: den vom Landesherrn frei ernannten, von ihm besoldeten Rat mit Beamteneigenschaft und ferner den »geschworenen Rat der Landherren«, einen vom Fürsten aus dem Kreise der »Landherren« erwählten, auch den Ständen verpflichteten Rat, einen »ständischen Ausschuß«, der später nur dann zu Worte kam, »wenn es sich um minder wichtige Sachen handelte oder wenn der Fürst dadurch im einzelnen Falle eine Befragung der Landstände sich ersparen konnte«. Es mag dahingestellt bleiben, ob in Österreich bis ins 15. Jahrhundert hinein ein doppelter Rat bestanden hat. Ein überzeugender Beweis für diese von einigen gebilligte8), von anderen verworfene4) Ansicht ist, wie Unger a. a. O. Bd. 2, S. 283—317. *) A. Luschin v. Ebengreuth, Die Anfange der Landstande, Historische Zeitschrift 1897, Bd. 78, S. 441 ff.; Derselbe, österreichische Reichsgeschichte, Bamberg 1895, S. 177 ff. ') Franz v. Krones, Landesfürst, Behörden und Stände des Herzogtums Steier (1283—1411), Graz 1900, S. 191 ff. 4 ) E. Werunsky, österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte, 1898, Bd. 1, S. 173, 174; vgl. auch A. v. Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter, Wien 1897 , S. 153 ff. und Friedr. Tezner, Die landesfürstliche Verwaltungspflege in Österreich vom Ausgang des 15. bis zum Ausgang des 18. Jahr-

71 mir scheint, bisher nicht geführt worden. Jedenfalls aber geht die Behauptung zu weit, daß in den deutschen Territorien ein doppelter Rat existiert und die ständische dieser beiden Institutionen eine von den Landtagen im 15. Jahrhundert abgelöste »Übergangsform« gebildet habe. Es ist allerdings im 14. Jahrhundert oftmals versucht worden, die Ratspflicht der consiliarii in ein Konsensrecht zu verwandeln und den fürstlichen Rat zur ständischen Kreatur zu machen. Geschah dies, so hat der Landesherr bisweilen neben dem ihm aufgezwungenen ständischen consilium einen engeren Kreis abhängiger vertrauter Räte hinzugezogen, mit denen er die Regierungsgeschäfte erledigte. Doch sind ständische Verbildungen jener Art Ausnahmezustände von kürzerer Dauer gewesen1); sie haben selbst in geistlichen Territorien nur ganz selten längeren Bestand gehabt. Wer die dauernde, regelmäßige Existenz zweier Ratskörper leugnet, wird von vornherein auch in die Richtigkeit der weiteren Behauptung Zweifel setzen, daß der geschworene Rat der Landherren »ziemlich allgemein« eine Übergangsform gebildet habe, an deren Stelle im 15. Jahrhundert die Landtage getreten seien. Selbst der ständisch verbildete Rat kann nicht als Vorhunderts, Wien 1898, S. 24, Anm. 47. Nach Wretschko wurde die seit Albrecht I. bestehende Scheidung des herzoglichen Rates in einen geschworenen und engeren Rat unter Rudolf III. (1298 bis 1306) noch festgehalten; seit Friedrich III. (t 1362) aber erwähnen die Urkunden »nur ein Ratskollegium, in dessen Zusammensetzung das ständische und das Beamtenelement nebeneinander Berücksichtigung fanden.« Demnach also würde die Existenz zweier Ratskörper höchstens bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts gedauert haben. J ) So hat z. B. Aubin a. a. O. S. 69 nach 1309 einen »allgemeinen Rat der Stände« erst wieder zum Jahre 1491 nachweisen können, in dem »geschickte und gestalte rede« der Stände'neben dem »geschworenen Rate« des Bischofs funktioniert haben sollen.

72 läufer landständischer Versammlungen bezeichnet werden. Die Beamteneigenschaft der Mitglieder ist auch hier für Charakter und Kompetenzen der Institution der Regel nach durchaus bestimmend gewesen. Der Rat hat vielmehr seit der Entstehung seine Stellung z w i s c h e n dem Landesherrn und den Ständen behauptet. Die Räte nahmen auch dort, wo sie mit ständischen Vertretern zusammen handelten, eine gesonderte Stellung n e b e n diesen ein, wie schon aus zahlreichen urkundlichen Konsensvermerken, z. B. »mit Rate unserer Räte, Herren, Mannen und Städte«, »mit Rate unserer Räte, dazu mit Willen der Herren, Prälaten, Mannen und Städte« usw. mit Sicherheit hervorgeht. Dieselbe Scheidung von Rat und Ständen begegnet auch in dem Vermerk einer herzoglich österreichischen Urkunde vom 20. Juli 1361 »nach manger Vorbetrachtung und guetem Rate unser Landherren, unsers Rates und unser Purger« 1 ). Der urkundliche Vermerk ist mit Unrecht als Beweis für die Existenz eines doppelten Rates angeführt worden; schon im 14. Jahrhundert ist es durchaus üblich gewesen, auch die Mitwirkung der Stände als Rat zu bezeichnen2). Es ist den deutschen Ständen im allgemeinen nicht gelungen, sich vermittelst des Rates einen dauernden, »verfassungsmäßigen« Einfluß auf die Ordnung der Landesangelegenheiten zu sichern, wie es ausnahmsweise in Ungarn 3 ) geschah. Der Rat ist ein Organ der Verwaltung, nicht ein Glied der Verfassung gewesen. Wir hören nicht, daß die Regierungshandlung eines Fürsten durch Zustimmung des Rates Rechtsgültigkeit erhalten habe und durch Mißbilligung unrechtmäßig geworden Hist. Zeitschr. Bd. 78, S. 446. *) Vgl. v. Below, Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins, 1885, Bd. 21, 8. 253, Anm. 302; Derselbe, Landtagsakten von Jülich und Berg, 1895, Bd. 1, S. 18. •) Akos von Timon, Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte, übersetzt von Fei. Schiller, Berlin 1909, S. 125, 176ff.

73 sei. Die Beteiligung des Rates ist juristisch nicht notwendig gewesen. Und niemals hat er den Charakter einer ständischen Vertretung 1 ) erhalten. Freilich ist der Versuch gemacht worden, ihm auch Vertretungsbefugnisse beizulegen. Aber diese Versuche sind bezeichnenderweise vom Landesherrn, nicht von den Ständen ausgegangen und am Widerspruch der Stände gescheitert, die einem vom Fürsten abhängigen Organ Verfügung über ihre Rechte und Leistungen nicht zugestehen wollten. So versuchte der Hochmeister des preußischen Deutschordens 1432 für seinen Landesrat möglichst hohe Vollmachten von den Ständen zu erlangen. Die Stände indessen verlangten, daß wichtige Landessachen, Erhebung von Steuern, Krieg, Bündnisverträge, alle Maßnahmen, welche ihre Rechte berührten, nur mit Wissen und Willen des ganzen Landes beschlossen werden sollten 2 ). Und auch später wurde der Grundsatz, daß die Bewilligung von Steuern nur dem g e s a m t e n Lande zustehe, beharrlich aufrecht erhalten. Kein einziges Beispiel ist bisher dafür bekannt geworden, daß auch dem ständisch verbildeten Rate ein Verfügungsrecht über finanzielle oder militärische Leistungen des Landes, d. i. ein Vertretungsrecht zugestanden worden sei. Die Bedeutung der eigenartigen Institution liegt vor allem in ihrer Mittelstellung zwischen Fürst und Ständen. Der Rat wahrte einerseits dem Fürsten die Fühlung mit dem Lande; anderseits ermöglichte er den Ständen, durch *) C. Hegel a. a. O. S. 102 behauptet: »Es kann nicht bezweifelt werden, daß die von den Fürsten in Landesangelegenheiten zu Rat gezogenen und als Räte bezeichneten Personen eine Art ständische Vertretung ausübten, ehe es gewöhnlich war, die gesamten Stände des Landes einzuberufen.« l ) M. Toppen, Ständeakten Bd. I, S. 721 ff. (vgl. auch 573ff.); E. Wiehert, Die politischen Stände Preußens, ihre Bildung und Entwicklung bis zum Ausgange des 16. Jahrhunderts, Altpreuß. Monatsschrift, 1868, Bd. 5, S. 230, 426 ff.

74 ihre Standesgenossen am Hofe Einfluß auf die Regierung zu üben, den ärgsten Mißbräuchen des Eigennutzes und der fürstlichen Willkür, den unheilvollen Landesteilungen und -Veräußerungen, der Verschwendungssucht gewisse Schranken zu ziehen. Der Rat hat als Bindeglied zwischen Land und Herrschaft eine völlige Entfremdung beider Teile verhindert. Bekanntlich ist das Schicksal des Deutschordenslandes nicht unwesentlich dadurch beschleunigt worden, daß hier eine entsprechende Institution, welche dem Hochmeister die Fühlung mit dem Lande vermittelte, bis über die Zeit der Tannenberger Schlacht hinaus fehlte und der zu spät, in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts künstlich geschaffene Landesrat seinen Dienst versagte. Die Notwendigkeit der vermittelnden, ausgleichenden Institution trat um so klarer hervor, je mehr sich die Kluft zwischen Landesherrschaft und Ständen erweiterte.

V. Der Dualismus des Ständestaates hat im 14. Jahrhundert seine schärfste Ausbildung gefunden. Die L a n d e s h e r r s c h a f t wich nur schrittweise dem begehrlichen Andringen der partikularen ständischen Gewalten aus. Sie litt schwer unter den zersetzenden Mächten, welche die staatliche Ordnung auflösten, nicht zum mindesten aber auch unter der vom Feudalismus verschuldeten privatrechtlichen Verbildung der eignen Regierungsgewalt. Das deutsche Fürstentum verlor das Gesamtinteresse seines Landes imnfer mehr aus den Augen, je entschiedener die privatrechtlichen Grundsätze des Lehnwesens auf die Staatsgewalt Anwendung fanden. Der dingliche Charakter, den die Landesherrschaft angenommen, hatte nach Verdrängung der strengen Grundsätze des deutschen Lehnrechts schließlich die Staats-

75 gewalt der deutschen Territorien in ein lehnbares Eigentum verwandelt. Die Staatsidee war im Eigentumsbegriff fast untergegangen 1 ). Das Fürstentum, das nach dem Sachsenspiegel noch bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts als unmittelbares Reichslehen galt und nicht eigenmächtig verpfändet werden durfte, wurde nun wie eine private Hinterlassenschaft, wie ein nutzbares Eigentum der regierenden Familie unter den Söhnen des verstorbenen Fürsten aufgeteilt, mit Erbenkonsens veräußert und verpfändet. Das privatrechtliche Teilungsprinzip, das sich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gleich einer verheerenden Krankheit in den deutschen Fürstenhäusern verbreitete, zeitigte die schlimmsten Folgen. Die verhängnisvolle Praxis, den Staat als feudales Eigentum, die Untertanen als nutzbare Pertinenz des Landes zu behandeln, führte dahin, daß die Fürsten sehr häufig den privaten Nutzen der regierenden Familie über die Interessen des Landes stellten. Sie schädigte nicht nur das Ansehen des Fürstenstandes; sie mußte auch im Lande den noch kaum entwickelten Gemeinsinn unterdrücken. Die Untertanen fühlten den Schaden der Landesteilungen, Verpfändungen und Veräußerungen, jener Maßnahmen, die das Fürstentum als Hausgut der regierenden Familie behandelten; sie hatten ein natürliches Interesse an dem unversehrten Bestände des Landes, der seine Macht und politische Bedeutung verbürgte. Die beständigen Zerreißungen hinderten die festere Konsolidierung und stetige Entwicklung der Territorien. Die fürstlichen Bruderkriege, Erb- und Thronfolgestreitigkeiten, die häufig genug eine Folge des unseligen Teilungsprinzipes waren, verheerten und verwilderten das Land. Durch Teilungen vermehrten sich die fürstlichen Hofhaltungen, die Ausgaben des Hofes und damit ') Vgl. Hermann Schulze, Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern und seine Bedeutung für die deutsche Staatsentwicklung, Leipzig 1851.

76 auch die Lasten des Volkes. Die Landveräußerungen und -Verpfändungen wirkten nicht minder schädlich; sie zerrissen die landschaftlichen Verbände und verursachten oftmals drückende Last und Rechtswidrigkeiten, wenn der Pfandinhaber, auf den regelmäßig die Verwaltung des verpfändeten Bezirkes überging, im eignen Interesse möglichst hohe Zinsen seiner Pfandsumme herauszuwirtschaften suchte. Der schwere Schaden, den die privatrechtliche Behandlung des Staatswesens verursachte, trat im 14. Jahrhundert mit erschreckender Gewalt hervor und forderte das Land zum Widerstande heraus. Die L a n d s c h a f t fand im landesherrlichen, meist aus Mitgliedern der Stände zusammengesetzten Rat das geeignete Organ, um den Fürsten in Anwendung jener privatrechtlichen Grundsätze beschränken, Landesteilungen, Verpfändungen und Veräußerungen verhindern oder mindestens erschweren zu können. Sie erhob sich gegen die Auswüchse und Schädigungen einer mißverstandenen und mißbrauchten Fürstengewalt. Damals nahmen die Stände in der Tat das Interesse des Landes wahr und erwarben sich in Bayern und manchen anderen Landschaften, wo häufige Thron- und Bruderstreitigkeiten, Teilungen und Zersplitterungen immer neues Unheil brachten, um die Wohlfahrt des Landes und die Erhaltung seiner Einheit manch namhaftes Verdienst1). Ungera. a. O. Bd. 1, S.257, 267, Bd.2, S. 323,329; G. v. Below, Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins, Bd. 22, S. 10, 56,69 und 69 Anm. 262; Derselbe, Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd. 1, S. 95; C. Hegel a. a. O. S. 79; G. Waitz, Geschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 1, S. 406; Max Sering, Erbrecht und Agrarverfassung in Schleswig-Holstein, in den Landwirtschaftl. Jahrb., Bd. 37, Ergänzungsbd. 5, Berlin 1908, S. 215: Der Einfluß der ständischen Versammlungen »wüchst durch die häufigen Landesteilungen, denen gegenüber sie mit aller Energie die Fortdauer der gemeinschaftlichen ständischen Versammlungen und die politische Unteilbarkeit des ritterschaftlichen Gebietes durchsetzen«; Rud. Schulze,

77 Diese Tatsache aber berechtigt keineswegs zu dem Schluß, daß Interesse für das Landeswohl auch das treibende Motiv jener ständischen Maßnahmen gewesen sei. Die Verhältnisse selbst vielmehr nötigten die Landschaft zur Abwehr fürstlicher Willkür, deren Schädigungen sie am eignen Fleische fühlte. Das Ziel der ständischen Bestrebungen ist gemeinhin nicht etwa Förderung der Landeswohlfahrt oder Erwerbung gemeinsamer politischer Rechte, sondern vielmehr Einschränkung der Regierungsgewalt und Erweiterung der ständischen Sonderrechte gewesen. Die Stände hüteten eifersüchtig ihre Privilegien und drangen schonungslos in Besitzungen und Rechte der Landesherrschaft ein. Ganz von selbst verschärfte sich das Gefühl des Gegensatzes zwischen Land und Herrschaft. Geldnot des Fürsten, Wechsel der Dynastie, Erb- und Thronstreitigkeiten begünstigten das eigennützige Streben der Städte, der weltlichen und geistlichen Patrimonialherren, auf Kosten der Landesherrschaft sich an Gut und Rechten zu bereichern. Die Stände, die sich frei zu entwickeln und auszuleben trachteten, durchbrachen immer entschiedener das Gefüge der territorialen Herrschaft. Die ständischen Gruppen lebten ihrem eignen Wohl. Die gemeinsamen Interessen aber, welche die Standesgenossen miteinander verbanden, griffen weit über die Grenzen der Territorien und selbst der einzelnen europäischen Staaten hinaus. Die Hierarchie verband alle Glieder der katholischen Kirche zur Einheit. Die Ritterschaft galt als allgemeine, der Geistlichkeit nachgebildete, das ganze Abendland Die Landstände der Grafschaft Mark bis zum Jahre 1510, Heidelberg 1907, S. 18, 19, 33; G. Herden a. a. O. S. 52; O. v. Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover, Gotha 1886, Bd. 2, S. 121 ff.; Sudendorf, Urkb. Bd. III, S. 223ff., Nr. 337 (1367, Okt. 18 und 22); G. v. Lerchenfeld, Die altbayerischen landständischen Freibriefe, S. CLVII (1324), S. 24 usw.; A. Jäger, landst. Verf. Tirols, 1881, Bd. 2, S. 208 ff.

78 umfassende Genossenschaft. Und auch die in Freiheit mächtig aufblühenden Bürgergemeinden, »deren Interesse in mannigfachen, großartigen Verbänden Europa durchzog, fühlten sich als Bestandteile der europäischen Gemeinschaft, der sie angehörten« 1 ). Die Städte des nördlichen Deutschlands schlössen untereinander und mit fremden Mächten zoll- und handelspolitische Verträge; sie gehörten der Hanse an und beteiligten sich an überseeischen Unternehmungen. Die Städte weltlicher und geistlicher Territorien suchten in großer Zahl sich der Herrschaft ihrer Landesund Stadtherren zu entledigen und vollere Autonomie zu erwerben. Manche hofften reichsunmittelbar zu werden, ihre Stellung so gestalten zu können, daß das Zwischenglied zwischen ihnen und dem »Kaiser, der geistliche oder weltliche Landesherr, für ihre Stellung im Reich nur eine formale Bedeutung haben sollte. Sie wollten also in ihrer Stadt und in ihrem Stadtgebiet selbst die Stellung des Landesherrn haben und dafür angesehen werden«2). Als der Gegensatz sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts noch verschärfte, hörten auch die Landfriedensvereinigungen zwischen Fürsten und Städten allmählich auf. Der Hansetag zu Lübeck im Juni 1381 bestimmte, daß Zwistigkeiten zwischen den Hansestädten nur durch Nachbarstädte, nicht dagegen durch Fürsten geschlichtet werden sollten3). Die Fürsten sollten prinzipiell von städtischen Angelegenheiten ausgeschlossen werden. Einige Städte verboten ausdrücklich ihren Ratmannen und Bürgern, Ämter, ja selbst Lehen vom Landesherrn anzunehmen. Ranke, Preußische Geschichte, Bd. 1, S. 108. *) W. Stein, in den Hansischen Geschichtsbl., Jahrg. 1906, S. 166. *) E. Daenell, Die Blütezeit der deutschen Hansa, Berlin 1906, Bd. 2, S. 330.

79 Ein gleiches Streben nach Freiheit vom landesherrlichen Regiment oder gar nach reichsunmittelbarer Stellung ergriff auch die Ritterschaft der deutschen Lande. Eberhard der Greiner führte in Württemberg seit 1367 blutige Kämpfe mit der Gesellschaft der Schlegler oder Martinsvögel, die er nur mit unerbittlicher Strenge zu meistern vermochte. Die Stellmeiser in der Mark Brandenburg, an deren Spitze die Quitzows traten, suchten offenbar Reichsfreiheit zu erwerben. Ritterliche Bewegungen in Österreich, Bayern, Franken verfolgten gleiche oder ähnliche Ziele1). Die Einung bot den Ständen das wirksamste Mittel, ihre Sonderrechte und Unabhängigkeit zu erweitern. Die Städte traten zusammen, zum Teil zu offenem Widerstand gegen Fürstentum und Adel, so jener große 1381 abgeschlossene, durch Beitritt bayerischer, fränkischer, wetterauischer Gemeinden erweiterte schwäbisch-rheinische Städtebund. Auch die Ritter verbanden sich schon am Anfange des 14. Jahrhunderts, sehr häufig während der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in allen Teilen des Reiches vom Elsaß bis nach Ostpreußen in Einungen zu kriegerischen Unternehmungen, bisweilen mit Fürsten und Städten zu Landfriedensbünden, hauptsächlich aber zu dem Zweck, die gemeinsamen Standesinteressen der Ritterschaft gegen Fürstentum und Städte zu vertreten 2 ). Das Aufdringen der Stände durchbrach die junge Geschlossenheit des Territoriums, namentlich in den größeren Landschaften des Reiches. Die Landesherrschaft erlitt hier die empfindlichsten Verluste und mußte eine Zeitlang l

) Unger a . a . O . Bd. 2, S. 55 ff., 257, 263 ff.; O. Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 491 ff., 8.539, Anm. 12; G. v. Below, Territorium und Stadt, S. 199, Anm. 4; Herden a. a. O. S. 31; Riezler, Geschichte Bayerns, Bd. 3, S. 473. *) O. Gierke a. a.O. Bd. 1, S. 476ff., 488ff.; A. Jäger, Landständ. Verf. Tirols Bd. II, 1, S. 256ff.; F. L. Baumann, Geschichte des Algäus, Bd. 2, S. 505.

80 zurücktreten, um den aus dem Innern des Volkes empordrängenden Kräften, vor allem dem Städtewesen mit seiner neuen und reichen Kultur, dem Aufschwung des Handels und des städtischen Reichtums, den Adam Smith die größte Revolution der Weltgeschichte genannt hat, freien Spielraum, die Möglichkeit kräftiger Entwicklung zu schaffen. Die Entstehung zahlreicher geistlicher und weltlicher Herrschaftsgebiete im Lande selbst verkleinerte durch Zersplitterung und Durchlöcherung der lokalen Amtsbezirke nicht nur räumlich den Umfang der Landesherrschaft in dem Maße, daß in einigen Landen, besonders im Osten und Norden Deutschlands, der Fürst fast nur noch auf seinen Domänen unmittelbare Herrschaftsbefugnisse ausübte, sie engte auch die materielle Verwaltung ein. Die landesherrliche Verwaltung beschränkte sich immer mehr auf engere Gebiete, das Gerichts-, Finanzund Heerwesen und erlitt selbst hier empfindliche Einbußen 1 ). Die Schädigung des Fürstentums trat am stärksten im Finanzwesen hervor. Die wirtschaftliche Lage der Landesherren gelangte zu einem kritischen Wendepunkt, als die Stände ihnen um 1300 das Recht zur Erhebung außerordentlicher Steuern entzogen und auf wenige Fälle beschränkten. Die gewalttätige Beschränkung in einer Zeit beginnender Geldwirtschaft machte sich um so fühlbarer, als die Landesherrschaft für den Ausfall keinen Ersatz erhielt. Die Veräußerung des fürstlichen Vermögens nahm vielmehr in der Regel noch zu. Die Erträgnisse des flachen Landes, Zins, Pacht- und Bedeabgaben fielen *) Meine Abhandlung in der Histor. Zeitschr., Bd. 103, Heft 3, S. 503 ff. »Landesherrliche Verwaltung, Feudalismus und Ständetum« sucht den Einfluß naher zu bestimmen, den die ständische Erhebung auf Art und Umfang der landesfürstlichen Verwaltung ausgeübt hat.

81 der Aufsaugung durch die Stände in beträchtlichem Maße, hier mehr, dort weniger, zum Opfer. Während die Bevölkerung des flachen Landes namentlich im Osten und Norden des Reiches zum größten Teil unter patrimonialer Herrschaft lebte, blieben die Städte meist in unmittelbarer Abhängigkeit vom Landesherrn. Und offenbar war es im 14. Jahrhundert Prinzip der fürstlichen Verwaltung, die städtischen Abgaben, welche bare Geldmittel gewährten, insbesondere Orbeden, Zölle und Münzgewinn, nach Möglichkeit zu konservieren. Die wohlberechnete Zurückhaltung in der Veräußerung des Zolles und die Zähigkeit, mit der die Fürsten im Kampf gegen ständische Ansprüche mehrfach an dem unverkürzten Genuß des Münzregals und der renovatio monetae festhielten, sind offenbar aus dem steigenden Geldbedarf zu erklären. Aber auch diese Quellen fürstlichen Einkommens, die fiskalische Ausbeutung des Münzgewinnes und die einträglichen periodischen Münzverrufungen, sollten mit der Erwerbung des Münzrechtes durch städtische Gemeinwesen zum Teil versiegen1). Herzog Rudolf IV. von Österreich verzichtete 1359 in einem Vertrage mit den Landherren für Gewährung einer allgemeinen Getränksteuer auf den Brauch der Münzerneuerung1); und in der Mark Brandenburg gelangte zehn Jahre später mit Einführung des »ewigen Pfennigs« auch das Münzrecht an den Berliner und Stendaler »Münziser«. Da die Landesherrschaft trotz wachsender Anforderungen immer neue Opfer brachte, die ständischen Gewalten der Be*) A. Luschin v. Ebengreuth, Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit, München und Berlin 1904, S. 218, 231. *) Schwind-Dopsch, Ausgewählte Urkunden usw., Nr. 103, S. 141 ff. (1359 21./3.). — Über Braunschweig-Lüneburg vgl. Sudendorf a. a. O. Bd. I, 200, 201, Nr. 357 (1322 2./2.); II, 205, Nr. 393 (1351 30./4.); II, 287, 288, Nr. 533 (1355 9./12.); VI, 8, 9, Nr. 9 (1382 13./7.). S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat.

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82 gründung ertragsfähiger, regelmäßige Einnahmen liefernder Rechte grundsätzlich entgegentraten und den herrschaftlichen Besitz mit rücksichtsloser Erwerbssucht auskauften, ging der fürstliche Haushalt so weit zurück, daß die ordentlichen Einnahmen vieler Landesherren schon für den regulären Bedarf der Hof- und Staatshaushaltung im allgemeinen nicht mehr hinreichten. Die Deckung außerordentlicher Ausgaben aber im Falle eines Krieges, zur Bestreitung fürstlichen Aufwandes, zur Auslösung größerer Pfandschaften u. dgl. konnte nur auf dreierlei Art ermöglicht werden: durch Veräußerung des eigentümlichen Besitzes an Rechten, Gütern, Nutzungen, durch Erhebung außerordentlicher Steuern oder durch Anleihen. Das erste Mittel versagte allmählich mit der Erschöpfung des vorhandenen Vorrats» Die Gewährung außerordentlicher Steuern hing vom guten Willen der Stände ab und erfolgte sehr häufig nur gegen Verleihung neuer Privilegien und nutzbarer Rechte. Sie brachte das Fürstentum immer wieder in Abhängigkeit von den begehrlichen Ständen, die ihm durch Beseitigung des Besteuerungsrechtes den empfindlichsten Schaden zugefügt. Es erklärt sich daher sehr wohl, daß die Landesherren nach Möglichkeit ohne ständische Hilfe auszukommen suchten. Die Absicht ließ sich dort am leichtesten durchführen, wo das Land Schätze des Bodens barg oder das fürstliche Vermögen noch hinreichenden Ertrag lieferte. Der Reichtum der Wettiner, die vor allem aus den Bergwerken ihres Landes große Einnahmen zogen, ermöglichte es dem Fürstenhause, wie es scheint, bis zur zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine ziemlich unabhängige Stellung neben den Ständen zu behaupten. Doch auch hier drängte die Not allmählich dazu, die Mittel der Untertanen, namentlich den wachsenden Reichtum der Städte zur Deckung der öffentlichen Bedürfnisse heranzuziehen. Die Stände konnten bisweilen im eignen Interesse die Steuerforderung nicht ablehnen,

83 w e n n es sich z. B. u m Auslösung v o n Pfandschaften, Befreiung gefangener Ritter oder Bürger, militärischen Schutz ihres besonderen Gebietes handelte; und der Landesherr w u ß t e solche Gelegenheiten auszunutzen, u m die Abneigung der Untertanen gegen Steuerzahlungen zu überwinden. Er wandte sich in der Regel an e i n zelne ständische Gruppen 1 ), e i n z e l n e Korporationen oder Grundherren, häufig an solche, die durch auswärtige Feinde am nächsten bedroht oder an der Eininteressiert lösung verpfändeter Gebiete unmittelbar waren; oder er ließ sich Bede zahlen, u m Veräußerung des Landes oder einzelner Amtsbezirke vermeiden zu können. Besonders häufig führten Kriegsnot und Einlösung verpfändeter Gebiete 2 ) zur Steuerforderung. Die bede1

) Allgemeine Beden, »Landessteuern« kamen 4m 14. Jahrhundert nur selten vor. Die Regel war, daß der Landesherr sich an einzelne ständische Gruppen oder Patrimonialherren wandte. Vgl. darüber Unger a. a. O. Bd. 1, S. 276ff.; G. v. Below, Zeitschr. des bergischen Geschieh tsver., Bd. 22, S. 60, 61; G. A. v. Mülverstedt, Die altere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg, Berlin 1858, S. 198 ff.; H. Spangenberg, Hof-und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, 8. 377, 378, 379, 382; C. Hegel a. a. O. 8. 62; G. v. Lerchenfeld a. a. O. S. CCIV, Anm. 540; H. Widmann, Geschichte Salzburgs, 1909, Bd. 2, S. 205; Joh. Falke, Die Steuerbewilligungen der Landstände im Kurfürstentum Sachsen bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts, Zeitschr. f. d. ges. Staatswissenschaft, Tübingen 1874, Bd. 30, S. 399, 400: »Daraus geht hervor, daß bis dahin (1438) diese außerordentlichen Beden nicht auf einer allgemeinen Landesversammlung, sondern von j e d e m Landesteil b e s o n d e r s verlangt und bewilligt und deshalb auch von jedem einzelnen reversiert wurden.« Die Geschichte der außerordentlichen direkten (später landständischen) Steuern ist nur selten monographisch behandelt worden. Daraus erklärt sich die Tatsache, daß bisher nur verhältnismäßig wenig Zeugnisse für eine zweifellos weit verbreitete Erscheinung bekannt sind. l ) G. v. Below, Landtagsakten von Jülich-Berg, 1895, Bd. 1, S. 94; Ders., Zeitschr. des bergischen Geschichtsvereins, Bd. 22, S. 7, 9 und Bd. 26, S. 68ff. (Einlösung verpfändeter Gebiete wird

84 zahlenden Korporationen und Grundherren schützten sich dann vor neuen Auflagen durch »Schadlosbriefe« des Fürsten, der die Versicherung erteilen mußte, daß die Steuer freiwillig von ihnen gegeben sei, daß sie den Privilegien und Freiheiten der Stände unschädlich sein und nie wieder verlangt werden solle. Die Steuer linderte wohl für den Augenblick die Geldverlegenheit des Fürsten; doch war sie nur zu oft um den hohen Preis öffentlicher Rechte und Nutzungen erkauft, die nun in dauernden Besitz der Untertanen übergingen. Das unwürdige Feilschen und Handeln um jede neue Bede schädigte das Ansehen und die Unabhängigkeit des Fürstentums und beschleunigte den wirtschaftlichen Verfall. Die außerordentlichen Steuern brachten im 14. Jahrhundert in der Regel nicht hinreichenden Ertrag und legten anderseits dem Empfänger als Entgelt für die Leistungen der Stände schwere Opfer auf. Die Fürsten sahen sich daher genötigt, zur Anleihe und Verpfändung Zuflucht zu nehmen; denn beides hing eng zusammen, da man im Mittelalter größere Summen meist nur gegen reale Sicherstellung des Gläubigers durch Hinterlegung eines Pfandes entlieh. Verpfändung von Besitzungen und Rechten half oftmals schon im 13. Jahrhundert aus augenblicklicher Verlegenheit. Im 14. Jahrhundert wandten sie die Fürsten als regelmäßiges Mittel zur Deckung außerordentlicher Anforderungen der Finanzwirtschaft an. Ein Zwang zur Mäßigung bei Veräußerungen und Verpfändungen lag in geistlichen Fürstentümern in der Verpflichtung des Bischofs, den Konsens des Domkapitels bei Bestimmungen über das Stiftsgut einzuholen. Anders in weltlichen Territorien! Hier stand hier als der Fall bezeichnet, »welcher am häufigsten eine Steuerforderung nötig machte«); H. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, S. 376, 377 Anm. 1, 378, 384, 385; v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. CCXII, CCXIII, CCXLIII; H. Widmann, Geschichte Salzburgs, 1909, Bd. 2, S. 205 usw.

85 das weitgehende Recht des Fürsten, das ihm Verfügung über sein Land nach privatrechtlichen Grundsätzen einräumte, in grellem Widerspruch zur tatsächlichen Ohnmacht der Landesherrschaft. Der weltliche Fürst bedurfte meist nur des Erbenkonsenses, um ganze Landesteile, Amtsbezirke, Städte, Dörfer, Abgaben aller Art verpfänden zu können, und ließ sich in diesem Recht durch gelegentliche Verträge, die ihn an die Zustimmung der Räte oder selbst der Stände zu binden suchten, im allgemeinen nicht einschränken 1 ). Die Verpfändungen nahmen während des 14. Jahrhunderts besonders in den weltlichen Fürstentümern teilweise einen unerhörten Umfang an. In Tirol war um die Mitte des 14. Jahrhunderts der größte Teil des landesfürstlichen Einkommens verpfändet. Die Jahre 1369 bis 1373 bezeichneten nach Kostaneckis Berechnung für Braunschweig-Lüneburg den Höhepunkt herzoglicher Verschuldung. Und in der Mark Brandenburg fand der Hohenzoller Friedrich I. bei seiner Ankunft die Landesherrschaft ihrer Güter und Rechte fast vollständig entblößt, die fürstlichen Schlösser mit einziger Ausnahme Spandaus in ständischem Besitz. Es war in manchen deutschen Landschaften bis zur Wende des 14. Jahrhunderts in der Tat dahin gekommen, daß weitere Verpfändungen sich kaum noch ermöglichen ließen2). l

) Unger a. a. O. Bd.2, S. 324, 325: »Ebensowenig finden wir in dem größten Teile der unzähligen Urkunden über Verpfändungen und Veräußerungen aus dieser Periode Erwähnung einer Einwilligung oder auch nur eines Rates der Landstände.« *) G. v. Below, Zeitschr. des bergischen Geschichtsvereins, Bd. 22, S. 47 und Bd. 26, S. 69; Ders.,in d. Göttinger Gel. Anz. 1890, S. 324; C. Hegel a. a. O. S. 64ff.; G. Herden a. a. O. S. 41; A. v. Kostanecki, Der öffentliche Kredit im Mittelalter, Leipzig 1889, 8. 56; Rud. Schulze, Die Landstände der Grafschaft Mark, Heidelberg 1907, 8. 28; H. B. Meyer a. a. O. S.91, 92; Fei. Rachfahl, Die Organisation der Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens, S. 51 ff.; Deßmann, Geschichte der schlesischen Agrarverfassung, Straßburg-

86 Das Finanzwesen geriet in Unordnung, hier mehr, dort weniger. Nirgends aber konnten Verwirrung und Zerrüttung der Finanzen ganz ausbleiben in jener Übergangszeit, da die staatliche Ordnung in ihrer alten Form zugrunde ging und mit eindringender Geld- und Kreditwirtschaft das öffentliche wie private Leben sich von Grund aus umgestaltete. Da durch Exemtionen, zahlreiche e i n z e l n e Privilegierungen, Veräußerung e i n z e l n e r Besitzungen und nutzbarer Rechte, Verpfändungen, Abgabenerlasse und -ermäßigungen die Verhältnisse sich überall verschieden gestalteten, entstand ein Chaos, das jene Zeit mit ihren Mitteln nicht zu beherrschen vermochte. Die Spuren einheitlicher Organisation verschwanden. Es fehlten Übersicht und Kontrolle. Noch herrschte in der landesherrlichen Verwaltung die vom System der Naturalwirtschaft gebotene weitgehende Dezentralisation, so sehr auch alles dahin drängte, den veralteten Zustand zu überwinden und das Finanzwesen auf geldwirtschaftlicher Grundlage neu zu gestalten. Es ist vor allem in den wirtschaftlichen Verhältnissen begründet, daß die Landesherren ihre Selbständigkeit einbüßten und in Abhängigkeit von den Ständen gerieten. Das fürstliche Regiment ließ sich durch die drängende Not des Augenblicks treiben. Die Einnahmen gingen zurück. Die Stände umgingen geflissentlich das landesherrliche Gericht und die Fürsten erkannten selbst 1904, S. 172, 173; Franz Keller, Die Verschuldung des Hochstifts Konstanz im 14. und 15. Jahrhundert, Freiburg 1903; A. Jager, Landstand. Verfassung Tirols, Bd. II, 1, S. 113, 129ff., 347ff.; H. v. Voltelini, Die ältesten Pfandleihbanken und Lombarden-Privilegien Tirols, Festschrift zum 27. Juristentage, Innsbruck 1904, S. 39; A. Huber, Geschichte Österreichs, Gotha 1885, Bd. 2, S. 402; A. Dopsch, Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark aus dem Mittelalter, Wien und Leipzig 1910, S. LIII, CLXIII.

87 die Gebrechlichkeit ihrer richterlichen Gewalt an, indem sie sich ständischen Schiedsgerichten unterwarfen. Die mühsam erkämpfte Geschlossenheit der deutschen Landschaften drohte sich wiederum aufzulösen. Die Städte ließen sich in der Wahrnehmung ihrer Interessen durch die Zugehörigkeit zum Territorium nicht beengen; sie übernahmen in ihrem Kreise die eigentlich staatliche Pflicht militärischen Schutzes und gingen oft selbst in der äußeren Politik eigne Wege1). Gleich ihnen führten die ritterlichen Geschlechter hinter den schützenden Mauern ihrer Burgen ein selbstherrliches Dasein; sie ließen sich häufig genug nur vertragsweise dazu herab, ihr Schloß dem Fürsten im Falle eines Krieges oder der Not zu öffnen, nahmen Dienste bei fremden Machthabern und führten Krieg auf eigne Fa'üst. Ritterliche Gesellschaften und Städtebündnisse gewährten den nötigen Rückhalt, um Dienstentziehung und Gewalttat ungestraft üben zu können. Die Kriege der Landesherren selbst trugen bisweilen den Charakter bloßer Privatfehden, die sie mit Hilfe weniger noch dienstpflichtiger Vasallen, des Hofgesindes und geworbener Soldritter ausfochten. Es kam so weit, daß Fürsten sich miteinander zum Schutz gegen ihre eignen Untertanen verbanden2). l ) Selbst im Deutschordenslande, wo es im 14. Jahrh. noch eine starke und auch finanziell wohlgesicherte Herrschaft gab, nahmen die Stände eine merkwürdig freie Stellung ein. Max Töppen, Akten der Ständetage Preußens, Leipzig 1878, Bd. I, S. 5: »In den auswärtigen Beziehungen ließen die Hochmeister . . . dieselben (die Städte) in dem Maße frei gewähren, daß die Städte z. B. an dem dänischen Kriege 1362 und 1363 teilnehmen, während der Orden mit Dänemark in Frieden lebt, daß sie Bündnisse, Verträge und Friedensschlüsse eingehen, ohne des Ordens dabei Erwähnung zu tun, und daß selbst, wo der Orden mit seinen Städten dasselbe Interesse verficht, . . . seine Mitwirkung mehr als die Beihilfe eines Bundesgenossen, denn als das Eingreifen des Oberherrn erscheint. «

») Historische Zeitschrift, Bd. 103, S. 514.

88 Der Verkehr des Fürsten mit den Ständen nahm nicht selten die Formen an, in denen man mit Bundesgenossen zu verhandeln pflegt 1 ). Es kam vor, daß die Landesherrschaft sowohl wie die Stände nach Abschluß eines Krieges gesonderte Friedens- oder Bündnisverträge mit der feindlichen Macht abschlössen, oder daß die Stände eines Landes auf eigne Faust mit fremden Machthabern in diplomatischen Verkehr traten 2 ). Die Lockerung des staatlichen Zusammenhanges verschlimmerte sich noch erheblich dadurch, daß auch die Stände u n t e r e i n a n d e r zerfielen. Der zähe Trotz der Selbstbehauptung, der Materialismus der Zeit, die rücksichtslose Erwerbssucht schürten den Klassengegensatz zu bitterem Haß. Die Städte fürchteten nicht bloß vom Landesherrn als ihrem Feinde Schaden und Beschränkung; sie mußten sich auch gegen die Ritterschaft zur Wehr setzen, der das »Legen des Kaufmannes« als rühmliche Tat, die Bekämpfung des Bürgertums als gemeinsame Aufgabe des Standes galt. Die s o z i a l e n Gegensätze zwischen Rittern und Bürgern, Bürgern und Bauern verschärften sich. Die Ritterschaft des Mittelalters war zu ihrer guten Zeit eine lebendige, sich fortwährend aus frischen Kräften verjüngende Institution G. v. Below, Territorium und Stadt, S. 249, 253. Vgl. z. B. Friderici-Sttive, Geschichte der Stadt Osnabrück, Bd. 1, S. 266, 271, 275ff. (Urkk. 1357 16./6., 1358 18./1., 1360 24./3.); Sudendorf, Urkb. V, 238, 239, Nr. 194 (1381 3./3.). ') Unger a. a. O. Bd. 2, S. 336ff.; G. v. Below, Landtagsakten von Jülich-Berg, Düsseldorf 1895, S. 96: Fremde Landesherren »treten mit den Ständen in unmittelbaren diplomatischen Vermehr. So haben wir aus dem Jahre 1431 eine Korrespondenz nicht bloß zwischen den Landesherren von Kurköln und JülichBerg, sondern auch zwischen den beiderseitigen Ständen und zwischen dem Landesherrn des einen und den Ständen des andern Territoriums«; A. Jäger a. a. O. Bd. II, 1, S. 287ff.; v. Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover, Bd. 2, S. 164, 165; C. Hegel a. a. O. S. 77.

89 gewesen, die jedem »wacker und ehrlich« geborenen Manne gestattete, durch Erwerbung eines Lehngutes v o n Fürsten oder Edlen zum Ritterschilde zu k o m m e n 1 ) ; seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts begann sie sich allmählich zum Geburtsstande des niederen Adels kastenmäßig abzuschließen 2 ). Nicht minder hatten die Städte zur Zeit ihrer Entstehung und früheren Entwicklung ihren Zuwachs aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft, vornehmlich aus bäuerlichen Kreisen, erhalten. *) Vgl. den Ritterspiegel des Joh. Rothe bei Gustav Frey tag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, Leipzig 1882, Bd. 2, S. 41; Julius Petersen, Das Rittertum in der Darstellung des Joh. Rothe (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker, herausgegeben von A. Brandl, E. Martin, E. Schmidt, Heft 106), Straßburg 1909; Fr. Löher, Ritterschaft und Adel im späteren Mittelalter, in den Sitzungsberichten der Münchener Akad. 1861, S. 365ff.; G. Seeliger, Ständische Bildungen im deutschen Volke, Leipziger Rektoratsrede, 1905, S. 22ff., 30ff. 2 ) Joh. G. Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. 1, S. 37 charakterisiert die Ritterschaft zutreffend als »neuen Mittelstand«. Die allgemein übliche Bezeichnung der Ritterschaft als »niederer Adel« ist für die Zeit des 13. und die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zu verwerfen. AI. Schulte, Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 1910, setzt die Grenze m. E. zu früh an, wenn er meint, daß schon »um 1300 der Stand der Dienstmannen als Adel angesehen ward« (S. 21). Für Brandenburg und Sachsen z. B. lassen sich Verschenkungen bzw. Vertauschungen von Ministerialen noch 1317 und 1322 (Riedel, Cod. dipl. brand. B I, S. 409 und A XII S. 209), für das Fürstentum Osnabrück gar noch 1370 (Lodtmann, Acta Osnaburgensia, Bd. 2, S. 203ff.) nachweisen. Die Ritter werden in den Urkunden des 14. Jahrhunderts und selbst noch später vom Adel scharf geschieden. Vgl. Andreas Heusler, Deutsche Verfassungsgeschichte, Leipzig 1905 S. 165; v. Below, »Adel« im Handwörterbuch der Staatswissenschaften; Ders., Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd. 1, S. 17 Anm. 12; S. Riezler, Geschichte Bayerns, Bd. 2, S. 514 Anm. 2, 3, S. 746ff.; C. Hegel a. a. O. S. 118; Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, S. 40 Anm. 3, S. 40, 41; S. W. Wohlbrück, Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlechte von Alvensleben und dessen Gütern, Berlin 1819, Bd. I, S. 50, 377.

90 Als sie aber »aus dem inneren Zuwachs ihrer Bevölkerung alle Erwerbsgebiete zu füllen imstande waren, entstand auch bei ihnen das Bestreben nach Hemmung des Zuzugs von außen und jene zahlreichen Erschwerungen der Niederlassung und des Zugangs zum Gewerbebetrieb, welche bis auf die neuere Zeit fortgedauert haben. Es bildete sich eine scharfe Trennung von Stadt und Land. Ab- und Zuwanderung fand wohl auch fernerhin noch statt; aber sie beschränkte sich in der Hauptsache auf den Austausch von Arbeitskräften unter den Städten selbst«1). Das Land wollte sich von den Städten nicht mehr ausbeuten lassen. Es begann hartnäckigen Widerstand zu leisten. Die Schattenseiten der festgeschlossenen mittelalterlichen Stadtwirtschaft machten sich allmählich fühlbar. Die Ritter versuchten die städtischen Monopole zu durchbrechen. Sie hatten keinen namhaften Anteil an dem Reichtum des Handels und Gewerbes, den die Bürgerschaft sich selbst vorzubehalten suchte, und verarmten durch das Sinken des Geldwertes, da sie trotz der durch den städtischen Reichtum gesteigerten Lebensansprüche im allgemeinen von den zur Zeit höheren Geldwertes fixierten Zinsen und Leistungen ihrer grundsässigen Bauern leben mußten. Der w i r t s c h a f t l i c h e Gegensatz aber war nicht das einzige trennende Element. Stadt und Land schieden sich ferner in zwei scharf voneinander gesonderte R e c h t s gebiete; und auch m i l i t ä r i s c h vertraten Ritterschaft und Bürgertum entgegengesetzte Prinzipien. Während das Bürgertum die Errungenschaften der neueren Kriegskunst, die Verwendung des Fußvolkes, des Pulvers und der Geschütze, sich frühzeitig aneignete, hielten die 1

) Karl Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft, Tübingen 1893, S. 290, 291; Ders., Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im 14. und 15. Jahrhundert, Tübingen 1886, S. 412ff., 449ff., 452ff.; S. Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 757.

91 Ritter an der veralteten Kampfesart mit schweren Rüstungen und gepanzerten Pferden fest; sie mißachteten den Bürger, der sich in der minderwertigen Kunst des Armbrustschießens übte, und sahen mit Groll und Erbitterung, wie die in den Städten sich einbürgernden technischen Errungenschaften der Kriegskunst die ritterliche Kampfesart entwerteten. Die Auflösung des Ganzen in einzelne einander bekämpfende Interessenkreise führte in einigen Gebieten zu fast anarchischen Zuständen. Selbst die aufblühenden Stadtgemeinden, wo unter dem Schutz einer kräftigen Verwaltung die allgemeine Wohlfahrt noch am ehesten zu gedeihen schien, sahen den inneren Frieden gestört durch die Erhebung der Zünfte gegen das städtische Patriziat. Die unübersehbare Mannigfaltigkeit der Sonderrechte und Privilegien, die Absonderung der Stände, die Gegensätze zwischen Landesherrschaft und Ständen, zwischen Landwirtschaft und städtischem Gewerbe, zwischen Großhandel und kleinen Produzenten lähmten das Volk in aufreibenden Kämpfen. Das Aufblühen der Städte vermochte für den allgemeinen Rückgang doch keinen Ersatz zu schaffen. Am meisten litt das flache Land unter der Zerfahrenheit, dem Sinken der landwirtschaftlichen Betriebe, der unablässigen Fehde, zumal auch verheerende Seuchen, Hungersnot und Pest nicht ausblieben. Alles aber krankte am größten Übel der Zeit, der allgemeinen Friedlosigkeit und Rechtsunsicherheit, an jenen heillosen Zuständen der Vergewaltigung, denen das ausgehende Mittelalter seinen üblen Ruf verdankt. Schutz fand nur der, der sich selbst zu schützen vermochte1). x

) Im Westen des Reichs schützten sich auch Einzelhöfe durch burgähnliche Anlagen; Steinhausens Archiv für Kulturgesch., Berlin 1906, Bd. IV, Heft 2: Otto Schell, »Burgtürme und Burghäuser auf bergischen Bauernhöfen und in belgischen Dörfern.« Wie im Bergischen sind auch im Lippeschen und Osnabrückischen befestigte Zufluchtsorte auf Bauernhöfen nicht selten gewesen.

92 Der Ritter oder Edelmann, welcher eine Burg besaß, glaubte als unabhängiger Herr aus seinen Mauern ungestört hervorbrechen, Raub und Totschlag verüben zu dürfen. Zahlreiche deutsche Dörfer, Hunderte an Zahl, verwandelten sich durch die unablässigen Fehden, die in gegenseitiger Verwüstung der ländlichen Besitzungen, Zerstörung der Felder, Obstgärten, Vernichtung des Viehs bestanden, in Wüstungen, die heute nur noch durch ihren Namen daran erinnern, daß sie einstmals Wohnstätten der Landbevölkerung waren. Niemals entbehrte man des Friedens mehr als in jener Zeit, da in allen Teilen des Reichs die Stände sich zu Landfriedensbünden einigten. Die Zerfahrenheit der Verhältnisse trat in den engeren Verhältnissen der geistlichen Fürstentümer oft nicht so grell hervor, als in den größeren weltlichen Territorien, die noch dazu unter häufigem Dynastiewechsel, Teilungen und Zersplitterungen, Erb- und Thronfolgestreitigkeiten leiden mußten. Die Auflösung des mittelalterlichen Lebens äußerte sich in ganz verschiedenen Formen und in ungleichem Maße. Kein Teil des Reiches aber konnte verschont bleiben von dem Zersetzungsprozeß, der weit über Deutschlands Grenzen hinaus die Entwicklung der europäischen Staaten bestimmte. »Ein allgemeiner Krieg Aller gegen Alle«, schreibt Ranke in seiner Geschichte der romanischen und germanischen Völker1), »entsprang in dem Innern unserer Nationen. Eben die Zusammengehörigen entzweiten sich am heftigsten.« Schwaben und Schweizer waren beide Alemannen, Österreicher und Bayern gehörten zum gleichen Stamm; »nun zerfielen sie in Feindschaft. . . . Kriege um die Erbfolge, Kriege der Kinder gegen ihren Vater, Bruderkriege verwüsteten Thüringen und Meißen. . . . Hierzu kam die Erhebung der Fürsten wider die königliche Gewalt, der Landsassen wider die fürstliche; wo man reichsunmittelbar war, der Ritter x

) S. X X X I I f f .

93 -wider die Städte, in den Städten der Zünfte wider die Geschlechter. Da sind es nicht allein Völker und Stämme, Staaten oder Kabinette, welche öffentlich handeln, sondern Geschlechter, Korporationen, die einzelnen, an seinem Teil auf jedem Punkt ein jeder, so gut er kann.« Das überlebte mittelalterliche System endete in kläglicher Verwirrung, in Selbsthilfe und Gewalttat, Fehdeund Faustrecht.

VI. Die scharf zugespitzten sozialen und politischen Gegensätze des 14. Jahrhunderts, die allgemeine Unsicherheit des Lebens und des öffentlichen Verkehrs, der klägliche Verfall erzeugten das Gefühl, daß man in unhaltbaren Zuständen lebte und ein Ausweg aus so entarteten Verhältnissen nur dann gefunden werden konnte, wenn Recht und Gerechtigkeit, Gesetzmäßigkeit und Ordnung hergestellt, vor allem eine obrigkeitliche Gewalt, eine wirkliche Herrschaft wiederaufgerichtet würde, die den Schwachen schützen, den Hader zwischen Stadt und Land schlichten, die sozialen und politischen Gegensätze ausgleichen, die Sicherheit des Lebens und des Verkehrs hüten konnte. Man begann endlich einzusehen, daß dort Freiheit und Volkswirtschaft nicht gedeihen konnten, wo jeder nur sein eigenes Interesse zügellos geltend machte, sich selbst Recht schaffen und selbst Herrscher sein wollte. Rückkehr zu geregelten Verhältnissen, Herstellung der Ruhe und Ordnung war eine soziale, wirtschaftliche und politische Notwendigkeit. Die Anfänge der Umkehr reichten noch in die Zeit zurück, wo die Auflösung der veralteten Ordnung unaufhaltsam fortschritt. Bereits um die Mitte des 14. Jahrhunderts kündigte sich die Aufrichtung einer obrigkeitlichen Gewalt an

94 und forderte allmählich die iD ihren Freiheiten, Privilegien, Rechten bedrohten Stände zum Widerstände heraus. Die Erkenntnis der gemeinsamen Gefahr e i n t e die Stände und verschärfte zunächst den Gegensatz zwischen dem Lande und der Landesherrschaft, bis auch die freie ständische Einung der Obrigkeitsidee unterliegt und der Ausgleich in der Form einer Verfassung gefunden wird. Die E i n u n g galt den Ständen längst als wirksames Mittel zum Schutz und zur Erweiterung ihrer Freiheiten, seit jenen Bedeverträgen (um die Wende des 13. Jahrhunderts), welche die Landesherrschaft zum Verzicht auf das Besteuerungsrecht nötigten. Damals aber währte die Einung nur kurze Zeit. Sie diente einem besonderen Zweck und wurde in der Regel wieder aufgegeben, sobald das nächste Ziel, die grundsätzliche Beseitigung des landesherrlichen Besteuerungsrechtes, erreicht war. An die Stelle ständischer Versammlungen traten in den weltlichen Territorien alsbald wieder Rittertage. Es währte dann noch geraume Zeit, bis sich die Tagungen der Ritterschaft bzw. des Domkapitels (in geistlichen Fürstentümern) durch Angliederung anderer Stände zu ständischen Versammlungen erweiterten. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts setzte diese Bewegung ein. Besondere Fälle, eine beabsichtigte Münzverschlechterung, Steuerforderung oder Privilegienverletzung, Thronfolgestreit oder Landesteilung, gaben in der Regel den Anlaß zu gemeinsamer Beratung der Stände. Die Zusammenkünfte aber führten nur ganz ausnahmsweise schon während des 14. Jahrhunderts zu dauernder Einung, und meist erst im 15. Jahrhundert haben die landständischen Verbände ihren korporativen Abschluß erhalten. Erst die Angliederung der Städte verlieh den Rittertagen älterer Zeit den Charakter ständischer Versamm-

95 lungen1). Wir kennen Landtage, die ein fast ganz bürgerliches Gepräge hatten — z. B. in Württemberg und Flandern —; dagegen gab es, soweit bisher bekannt, kein einziges Territorium von einiger Bedeutung, dessen Landtag eine städtische Kurie fehlte2). ') Ich schließe mich trotz der Bedenken von Belows (Zeitschrift des bergischen Qeschichtsver., 1886, Bd. 22, S. 75, 76, Anm. 289) den Ergebnissen O. Gierkes, Genossenschaftsrecht Bd. 1, S. 540 an. Below bekämpft zwar Gierkes Ansicht, daß erst »durch den Hinzutritt der Städte die Möglichkeit gegeben war, aus den alten Rittertagen . . . die neuen landständischen Versammlungen hervorgehen zu lassen«, doch steht er ihr offenbar nicht fern. Er kennzeichnet selbst a. a. O. S. 14 den Unterschied beider Zeiten vor und nach dem Anschluß der Städte ganz im Sinne Gierkes: Vorher »geht alles in persönlichen Beziehungen zum Herrn auf; nach dem Rechtsbuch dagegen (d. i. um die Wende des 14. Jahrh.) steht dem Landesherrn ein geschlossenes politisches Cremeinwesen, das Land, gegenüber«, und läßt den Anfangstermin fQr »die Existenz von Landständen« mit der ersten »Erwähnung der Zuziehung der Städte« — also mit dem Jahre 1355 in Berg, dem Jahre 1347 in Jülich — zusammenfallen; vgl. a. a. O. S. 20, 49. Die Ritterschaft hat als Landstand, in der Vereinigung mit andern Ständen und durch Anpassung an die freiere Stellung der Städte allmählich eine selbständigere Stellung dem Landesherrn gegenüber gewonnen. *) Die Behauptung v. Belows, daß die Landherren in Tirol bereits um 1342 (also vor dem Anschluß der Städte) »die Stellung von wirklichen Landständen« eingenommen haben (Zeitschr. des bergischen Geschichtsver. Bd. 22, S. 76 Anm. 289), stützt sich, wie es scheint, auf folgende Worte einer Urkunde Markgraf Ludwigs vom 28. März 1342: »Auch sullen wir dhein ungewonlich stiur nicht uflegen on der landlutt rat« (Schwind-Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande, Innsbruck 1895, S. 180). Das Wort »Landlutt« aber ist offenbar nicht mit »Landherren« identisch. Die Bedeutung des Wortes ergibt sich z. B. aus einer Urkunde des Jahres 1406, in der sich die Herzoge Leopold IV. und Friedrich IV. verpflichten, die Hauptmannschaft an der Etsch und das Burggrafenamt mit »Landleuten« an der Etsch zu besetzen (Schwind-Dopsch a. a. O. Nr. 158, S. 298; ebendas. S. 217 »landsazzen und lauten«, S. 323ff. usw.; Lerchenfeld a. a. O. S. 17, Zeile 7). Das Wort »Landleute« bezeichnet die »Landsassen«

96 Die S t ä d t e hielten sich verhältnismäßig lange Zeit der Teilnahme an allgemeinen Landesangelegenheiten fern. Ganz vereinzelt noch in der brandenburgischen Geschichte des 14. Jahrhunderts war die Beteiligung der Städte am allgemeinen Ständetage zu Berlin, wo die Landschaft sich am 26. September 1345 gegen Einführung «iiier von ihrem Markgrafen geplanten Münzeinrichtung •erhob1). Bürger und Ritter schlössen in Niederbayern 1347 den Landshuter Bund zu gegenseitigem Schutz im Gegensatz zu den Fremden. Die obenzitierte Urkunde enthält also die Bestimmung, daß Landeseinwohner (»Landleute«), die zur Steuerzahlung herangezogen werden, vorher um ihre Einwilligung befragt werden müssen, und darf daher m. E. nicht als Beweis für eine landständische Vertretungsbefugnis einer besonderen Klasse, der »Landherren«, verwendet werden. Ebensowenig als die Ritterschaft, hat das Domkapitel vor dem Hinzutritt anderer Stände 1 a n d ständische Befugnisse besessen. Die Behauptung, daß in einigen bischöflichen Territorien das Domkapitel der einzige Stand gewesen sei und für sich den Landtag gebildet habe (Gierke a. a. O. Bd. 1, S. 538; G. v. Below, Territorium und Stadt, S. 186), bedarf wenigstens noch des Beweises. Die Verfassungszustände von Kurmainz, das Gierke offenbar im Anschluß an Moser als Beispiel anführt, beweisen nur das Gegenteil. Das Domkapitel muß in Kurmainz mit zur Herrschaft gerechnet werden. Die »gemeine Landschaft« aber ist im unteren Erzstift aus Adel und Städten zusammengesetzt gewesen; »die obere Landschaft scheinen die Städte allein gebildet zu haben;« vgl. Hans Goldschmidt, Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum Mainz vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Berlin und Leipzig 1908, S. 52 ff. Die Behauptung Mosers, Von der teutschen Reichsstände Landen usw., Leipzig 1769, S. 367 ff., es habe im Bistum Bamberg, Passau, Augsburg, Konstanz, Freising, Regensburg usw. keine Landstände gegeben, bezieht sich, wie W. Stolze, Zur Vorgeschichte des Bauernkrieges, 1900, S. 10 Anm. 6 richtig bemerkt, nur auf die Zeit, in der Moser selbst geschrieben hat. Das gleiche gilt von Mosers Angaben über Stift Kempten (S. 461) und Abtei Essen (S. 473, 474). *) Riedel, Codex dipl. C I, S. 24, 25 (1345 26-/9.).

97 ihrer Privilegien und Freiheiten1). In der Grafschaft Mark vereinigten sie sich im gleichen Jahre zum Protest gegen eine Teilung des Landes*). Für Jülich ist die Zuziehung der Städte zuerst 1347, für Berg zuerst 1355 nachgewiesen worden3). Die herzogliche Huldigung am 9. Dezember 1355 gab Städten und Geistlichkeit BraunschweigLüneburgs den Anlaß, sich zum Schutz ihrer Freiheiten zu verbinden*). Die Städte Tirols, deren Handels- und Gewerbeleben unter Markgraf Ludwig einen kräftigen Aufschwung nahm, beteiligten sich seit 1362 an der Beratung allgemeiner Landesangelegenheiten5), während die bürgerlichen Gemeinden Innerösterreichs regelmäßiger wohl erst seit der Wende des 14. Jahrhunderts zu ständischen Versammlungen hinzugezogen wurden4). Am spätesten geschah dies, wie es scheint, in geistlichen Fürstentümern (häufig erst am Anfang des 15. Jahrhunderts). Die G e i s t l i c h k e i t trat meist später, als das Bürgertum, den Ständen bei. Sie wurde durch die allgemeinen kirchlichen Verhältnisse, den Rückgang der katholischen Hierarchie, den Kampf der Staatsgewalt mit dem Klerus genötigt, die Stütze ihres irdischen Regimentes in engerem Anschluß an die weltlichen Gewalten des Territoriums zu suchen. Es ist daher kein Zufall, daß zahlreiche Prälaten gerade seit der Mitte des 14. Jahrhunderts sich als fürstliche Räte anstellen ließen. Die l

) G. v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. CXCIff. *) Rud. Schulze, Die Landstände der Grafschaft Mark bis zum Jahre 1510, Heidelberg 1907, S. 18ff. •) G. v. Below, Zeitschrift des bergischen Geschichtsver., Bd. 22, S. 20, 49. 4 ) G. Herden, Entwicklung der Landstände im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg vom 13. bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, Jena 1888, S. 45. •) A. Jäger a. a. O. Bd. II 1, S. 119 ff. •) A. Luschin v. Ebengreuth, österreichische Reichsgeschichte, 1895, S. 180. S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat.

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98 Bischöfe von Merseburg, Naumburg-Zeitz und Meißen traten seit der Mitte des 14. Jahrhunderts als Räte in fürstlichen Dienst und nahmen an den territorialen Ständetagen teil1); immer mehr ging ihnen seitdem das Bewußtsein ihrer unmittelbaren Beziehungen zum Reich verloren. Fast zur selben Zeit gerieten die Bischöfe von Brandenburg und Havelberg, die im 13. Jahrhundert reichsunmittelbar gewesen, in direkte Abhängigkeit vom Markgrafen, von dessen Land ihre Stifter eng umschlossen waren; sie gehörten schon zur Zeit der Luxemburger den märkischen Ständen an2). In Braunschweig-Lüneburg8), wie in Ober- und Niederbayern4) waren die Prälaten am Ende des 14. Jahrhunderts (1395, 1394) mit den weltlichen Ständen vereint. Die Bischöfe von Brixen und Trient, die sich bereits an der Erwerbung Tirols für Österreich beteiligten, zählten wohl erst seit der Leopoldinischen Landesordnung vom Jahre 1404 zu den Ständen Tirols5). Auch in Österreich scheint erst die Ausbildung des Landtagwesens am Anfang des 15. Jahrhunderts die reichsunmittelbaren Bischöfe zum Eintritt in die Landstände bestimmt zu haben. Der Bischof von Passau betätigte sich seit 1406 dauernd, der Freisinger Bischof 1406 zum ersten Mal als Mitglied der österreichischen Landstände; Salzburg scheint sich am spätesten in die neuen Verhältnisse gefügt zu haben6). Prälaten des Fürstentums Wenden 1

) Martin Luther, Die Entwicklung der landständischen Verfassung in den Wettinischen Landen bis zum Jahre 1485, Leipzig 1895, S. 17 ff.; R. Zieschang, Die Anfänge eines landesherrlichen Kirchenregiments in Sachsen am Ausgange des Mittelalters, 1909, Diss., Leipzig, S. 57ff., 107ff., 114ff. 2 ) Bruno Hennig, Die Kirchenpolitik der älteren Hohenzollern in der Mark Brandenburg, Leipzig 1906, S. 71 ff. ») G. Herden a. a. O. S. 53 ff. «) v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. CCXXVff. Vgl S. 103. s ) A. Jäger a. a. G. Bd. II 1, S. 226ff., 403ff. e ) Heinr. v. Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während des Mittelalters (Forschungen zur inneren

99 in Mecklenburg erschienen zuerst 1437 auf der Landesversammlung von Parchim als eigner Stand1). Das E i n u n g s w e s e n gewann in den einzelnen Territorien ganz verschiedene Bedeutung. Es übte verhältnismäßig geringen Einfluß auf die ständische Entwicklung der Mark Brandenburg, Mecklenburgs, einiger niederrheinischer Gebiete, wie z. B. Jülich-Bergs, wo die Stände mehrfach gemeinsame Versammlungen abhielten, aber sich nur dreimal, besonders 1451 und 1452 und auch dann nur vorübergehend, zu bestimmten Zwecken in förmlicher Einung verbanden2). Der Bruderzwist zwischen Gerhard und Adolf von Cleve, der 1398 auch in der Grafschaft Mark Landesherr wurde, gab den Anlaß, daß 1419 Bevollmächtigte der märkischen Ritterschaft und der Stadt Hamm, am 14. September 1426 92 Ritter mit den Städten Hamm, Unna, Kamen, Iserlohn, Lünen und Schwerte eine später nochmals erneuerte Union zum Schutze ihrer Rechte und Privilegien, angeblich um »der Not des Landes willen«, abschlössen8). Wie in der Grafschaft Mark, so befestigten auch in Österreich Zerwürfnisse im Herrscherhause, Streitigkeiten Herzog Emsts und Leopolds IV. wegen der Vormundschaft überAlbrecht V. die Macht der Stände, die als Schiedsrichter in den Hader des Herzogshauses eingriffen: 15 Bischöfe und Äbte, 7 Pröpste, 2 Prioren, 81 Landherren und Ritter sowie die Gesch. Österreichs, herausgegeben von A. Dopsch, Heft 1), Innsbruck 1904, S. 70 ff.; A. Huber, Geschichte Österreichs, Gotha 1885, Bd. 2, S. 402 ff.; E. Werunsky a. a. O. S. 183. *) C. Hegel a. a. O. S. 80. *) G. v. Below, Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd. 1, S. 51, 53, 71. — Below setzt den Höhepunkt ständischer Macht in Jülich-Berg in die Jahre 1403/4, 1423—1452. — Auf eine bisher unbekannte »Einung der Jülicher Ritterschaft aus dem Jahre 1464« macht H. Goldschmidt aufmerksam; Westdeutsche Zeitschrift, Jahrgang 30, Heft 1, Trier 1911, S. 100—109. *) Rud. Schulze, Die Landstände der Grafschaft Mark, S. 36, 39 ff.

100 Vertreter von 20 Städten und Märkten des Landes ob und unter der Enns gehörten dem großen Bunde an, der am 6. August 1406 Albrecht V. für den rechten Erbherrn erklärte 1 ). Fast gleichzeitig wie in Österreich erhob sich in Tirol die ständische Macht zu größerer Selbständigkeit. Der »Elefantenbund« des Jahres 1406 vereinte die Tiroler Ritter zur Wahrung ihrer Standesrechte, »ob unsere gnädige Herrschaft gegen einen oder gegen mehrere aus uns in Ungnaden etwas vornehmen wollte, wanne sie unser einem oder mehreren Gewalt anthun würde, was wider Landesrecht und die Ordnung und Bestätigung wäre«. Er wich nach kurzem Bestand einem größeren Bunde (1407 28./3.), der aus 126 Herren, Städten und Landgemeinden bestand und am 14. Februar 1408 auch Bischof Ulrich von Brixen aufnahm; A. Jäger bezeichnet ihn als erste Vereinigung »der sich wechselseitig anerkennenden vier Stände« Tirols2). Der Einungstrieb der Stände entfaltete sich besonders wirksam in Bayern, das nach der ersten Teilung in Oberbayern mit der Pfalz und Niederbayern (1255) länger als zwei Jahrhunderte so stark, wie kaum eine andere Landschaft des Reiches, unter den Folgen des unseligen Teilungsprinzips, unter Zerwürfnissen des Herrscher') A. Luschin v. Ebengreuth, österreichische Reichsgeschichte, Bamberg 1895, S. 125ff., 175, 176; E. Werunsky, österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte, S. 176. ») A. Jager a. a. O. Bd. I I I , S. 256 ff.; Schwind-Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte, Nr. 161, S. 303 ff. Joh. Jakob Moser, Von der teutschen Reichsstände Landen, deren Landständen, Unterthanen, Landesfreiheiten usw., Frankfurt und Leipzig, 1769 führt in Kapitel 15 (»Von denen Landständen, so ferne sie ein einiges Korpus ausmachen«) S. 659ff. noch die Einung pommerscher Grafen, Herren, Ritter und Städte im Jahre 1354 (vgl. S. 697), die Vereinigung der Landstände in Sachsen, Meißen, Franken, Osteriand und Vogtland im Jahre 1438 (S. 697, 698), die Vereinigung der ober- und niederlausitzischen Stände gegen König Georg von Böhmen im Jahre 1467 (S. 676) an.

101 hauses, Thron- und Erbfolgestreitigkeiten zu leiden hatte. Nach den ersten großen Erfolgen, welche die niederbayerischen Stände mit der ottonischen Handveste (1311), die Stände Oberbayerns auf dem Schnaitpacher Rittertag (1302), 1307 und 1315 mit der Beseitigung bzw. Einschränkung des herzoglichen Besteuerungsrechtes, der Anerkennung ihres Versamxnlungs- und Widerstandsrechtes errungen1), gelangte die Einungsbewegung zunächst zum Stillstand und setzte erst nach Kaiser Ludwigs Tode wieder ein. Die Söhne des Kaisers bestätigten nach der Huldigung am 4. November 1347 die ständischen Privilegien und am selben Tage schlössen 95 Ritter, 19 Städte und Märkte Niederbayerns eine auf »Hausfrauen, Erben und Nachkommen« ausgedehnte, also »erbliche und ewige« Einung zum Schutze des ihnen im Freibrief erteilten herzoglichen Versprechens, keinen Gast als Rat oder Amtmann zu setzen, die ständischen Privilegien zu achten und keine Steuer dem Lande aufzuerlegen. Würde diese Gnade verletzt und der Schaden auf erhobene Klage nicht abgestellt, so sollten sie gemeinsam dem Kläger mit Leib und Gut helfen und, falls sie wegen des Bundes bei der Herrschaft in Ungnade fielen, »beieinander bleiben und aneinander geholfen sein, als wir des widersten«2). Mit dem Tode Kaiser Ludwigs begann für Bayern eine Zeit der Not und der Prüfung. Schon zwei Jahre nach Ludwigs Tode vergaßen die Kinder — er hinterließ drei erwachsene und drei unmündige Söhne — die wohlbedachte väterliche Bestimmung (1341), daß die Einheit des ganzen Landes gewahrt oder wenigstens 20 Jahre nach seinem Tode erhalten bleiben sollte, und kamen am 13. September 1349 überein, sich zu je drei in die Regierung von Ober- und Niederbayern, das seit 1340 mit dem Ober*) Vgl. S. 49 ff. *) v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. CXCI ff.

102 lande vereint gewesen war, zu teilen. Nur vier weitere Jahre vergingen, so wurde Niederbayern durch Teilung der herzoglichen Brüder (3. Juni 1353) in zwei Hälften, Niederbayern- Straubing und Niederbayern - Landshut, die niederbayerische Landschaft aber damit in zwei entsprechende ständische Gruppen zerrissen, welche seit 1353 im Landshuter und Straubinger Anteil ihre besonderen Zusammenkünfte abhielten1). Die politische Zerrissenheit des Landes zeitigte alsbald ihre schlimmen Folgen. Die innere Zwietracht wuchs bedrohlich an. Man vermochte die Friedlosigkeit durch Landfriedensbünde (1352, 1362, 1365) nicht zu beseitigen, auch nicht durch jenen vielgenannten Bund, den die Herzoge mit den Ständen des gesamten Landes zur Aufrechterhaltung des Landfriedens im »großen Brandbriefe« (1374) schlössen. Die Wirren nahmen noch zu, als nach dem Tode Ludwigs V. von Oberbayern (1361) die Nachgiebigkeit seines schwächlichen, energielosen Sohnes Meinhard gegen die übermächtige Ritterschaft 1362 einen Bürgerkrieg entfesselte, das Vorspiel zahlreicher innerer Kämpfe, die von jetzt an 120 Jahre hindurch das Land in schneller Folge heimsuchten. Ein Glück war es wenigstens, daß die Einheit des oberbayerischen Landes auch nach dem Tode Stephans II., der den Ständen (1363) hatte versprechen müssen, das Land »beieinander bleiben zu lassen ungeteilt und unzerbrochen«8), trotz der Vielköpfigkeit des Herrscherhauses noch längere Zeit erhalten blieb. Am 18. Oktober 1392 jedoch teilte man auch Oberbayern in zwei Fürstentümer mit den Hauptstädten München und Ingolstadt. Die Teilung wurde zwar durch die Wiedervereinigung von 1395 aufgehoben, aber durch den Spruch eines stän*) Vgl. die Tabellen bei J. N. G. v. Krenner, Anleitung zur näheren Kenntnis der bayerischen Landtage des Mittelalters, München 1804, S. 220 ff., 225 ff. *) v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. 24.

103 dischen Schiedsgerichtes vom 11. November 1402 von neuem angeordnet und dann vom 6. bis 9. Januar 1403 auch wirklich vollzogen. Die Zersplitterung des Landes in vier Staatswesen, Oberbayern-München und -Ingolstadt, Niederbayern-Landshut und -Straubing, denen das Sonderleben der ständischen Gruppen in den vier Fürstentümern entsprach, leitete die Zeit des kläglichsten politischen Niederganges ein, den Bayern bis dahin erlebt hatte, die Blütezeit der Wittelsbachschen Familienstreitigkeiten und zugleich der ständischen Einungen. Die »Grafen, Freien, Dienstleute, Ritter und Knechte, Städte und Märkte« von Ober- und Niederbayern ließen sich noch vor der Teilung (1392) ihre Privilegien und Rechte, darunter auch das Einungs- und Widerstandsrecht, bestätigen 1 ) und gelobten gleichzeitig einander, sich gegen jede Privilegienverletzung gemeinsam zu widersetzen, »doch in solchem Maß, daß unser obgenannt Herren allzeit bei ihren Fürstentümern und Herrschaften bleiben sollen«2). Bald darauf erweiterte sich, in beiden niederbayerischen Fürstentümern 1394, in Oberbayern 1395, die Einung zum Bunde aller drei Stände, indem zum erstenmal — freilich noch nicht auf längere Dauer — auch die Geistlichkeit sich den weltlichen Ständen anschloß. Die nach Herzog Friedrichs Tod dem unmündigen Sohne Heinrich geleistete Huldigung gab 1394 in BayernLandshut 3 ), eine Steuerbewilligung in Bayern-Straubing4), in Oberbayern dagegen (1395) hauptsächlich der starke, längst schwer empfundene Steuerdruck8) die unmittelbare Veranlassung zur Einung aller drei Stände. Der größere Einfluß, den die Stände nunmehr gewannen, trat auch darin hervor, daß die Landesteilungs*) ) ») ') 5 ) a

v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. 30—33. Ebendas. S. 33—35. Ebendas. S. 38—40 (Brief 17), S. 41, 42 (Brief 19). Ebendas. S. 40, 41 (Brief 18). Ebendas. S. 44.

104 Verträge, über die sich bis 1392 die Mitglieder des regierenden Hauses geeinigt, seit dieser Zeit unter reger Mitwirkung der Stände, zum Teil durch ständische Kommissionen —wie z. B. 1402 und 1429—vereinbart wurden. Die Stände der einzelnen Fürstentümer hielten von Zeit zu Zeit in Ausschußtagen und Versammlungen, ja selbst in förmlich geschlossenen Einungen mit andern Teilen des Bayernlandes Verbindung. Ein Teil der Ritterschaft von Niederbayern-Landshut verband sich 1416 mit einigen Geschlechtern des Oberbayern-Ingolstädter Landesteiles auf 15 Jahre zum Schutz der Rechte und alten, guten Gewohnheiten, zur Abwehr jeglichen Unrechtes »es wär von unserer gnädigen Herrschaft oder anders jemand, wer die wären inner oder außer Landes«. Ein jährlich zu erwählender Hauptmann sollte als Haupt des Bundes Klagen eines Genossen prüfen, auf gerechtfertigte Beschwerden hin Abhilfe bei der Herrschaft suchen und wenn diese sich weigerte, nötigenfalls gewaltsam dem Geschädigten zu seinem Rechte verhelfen. Den Städten und Märkten war der Beitritt vorbehalten1) Außer Herzog Ludwig und seinem gleichnamigen Sohn schlössen sich (1420) die Grafen, Freien, Ritter und Städte des Ingolstädter Landes dem Bunde an2). So frei hob sich die Macht der Stände und mit jeder Einung wuchs ihr Selbstgefühl. Die Zwietracht der drei bayerischen Linien, welche sich seit dem kinderlosen Tode Herzog Johanns von Straubing (6. Jan. 1425) um das Straubinger Erbe stritten, ermöglichte es den Ständen sogar, als schiedsrichterliche Instanz zeitweise eine Stellung über der herzoglichen Gewalt einzunehmen. Da die erbberechtigten Herzoge sich nicht zu einigen vermochten, ward 1427 bis zum endgültigen Spruch des Königs ein Ausschuß von 20 l

) v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. 59 ff. *) Ebendas. S. 70 ff., S. 62 ff.

105 oberbayerischen und 5 niederbayerischen Rittern mit der Schlichtung der Irrungen beauftragt 1 ). Das kaiserliche Hofgericht beendete den vierjährigen Erbstreit am 26. April 1429 mit der Verfügung, daß der Straubinger Landesteil in vier Lose geteilt werden sollte, von denen drei an oberbayerische Fürsten fielen, eins an Niederbayern kam. Da die Straubinger Landesanteile auch nach der Vereinigung mit den drei Fürstentümern nicht verschmolzen» gab es nunmehr in Bayern nicht weniger als sechs ständische Gruppen, die zwar hin und wieder in größeren Versammlungen zusammentraten, im allgemeinen aber ein selbständiges landschaftliches Dasein führten. Ein Freibrief der Herzoge Ludwig, Ernst und Wilhelm bestätigte 1429 von neuem das Einungs- und Widerstandsrecht der Stände 2 ); und schon im nächsten Jahre schlössen die beiden oberbayerischen Landschaften von München und Ingolstadt mit der bis dahin meist unbeteiligten Prälatenschaft zum Schutz ihrer Freiheiten und Rechte einen neuen Bund, der den Ständen eine förmliche Verfassung gab. Beide Landschaften wählten einen kleineren und größeren, zur Hälfte aus Rittern, zur andern Hälfte aus Bürgern zusammengesetzten Ausschuß von vier bzw. acht Personen, deren Aufgabe war, allen in ihrem Rechte gekränkten Bundesmitgliedern Genugtuung von der Herrschaft zu verschaffen und nötigenfalls beide Landschaften nach Augsburg oder Freising zu gemeinsamer Beratung zu entbieten. Von jeder Landschaft sollte jährlich eine Umlage erhoben werden, »um sich gemeiniglich . . . desto besser bei Gnaden, Freiheiten, Ehren, Rechten und guten Gewohnheiten erhalten zu können«. Die Abgaben flössen in eine gemeinschaftlich verwaltete Bundeskasse®). 1

) v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. 83ff. ) Ebendas. S. 90. ») Ebendas. S. 91 ff.

l

106 Die inneren Wirren, Familienzwistigkeiten, die Kämpfe des Bruders mit dem Bruder, des Vaters mit dem Sohne um Thron und Erbe verschlimmerten die politische Ohnmacht des Landes und nährten das Übergewicht und die Selbständigkeit der Stände. Ein Umschwung trat erst ein, als seit der Vereinigung Niederbayerns mit Ingolstadt (1448) die heillose politische Zersplitterung zu weichen begann und mit den beiden Herzogen, die sich damals in die Herrschaft des Gesamtlandes teilten, Ludwig dem Reichen von Landshut (f 1479) und Albrecht III. von München (f 1460), die Fürstengewalt einen kräftigeren Aufschwung nahm. Das Einungswesen ging seitdem sichtlich zurück und erst am Anfang des 16. Jahrhunderts lebte es noch einmal auf, namentlich in der nach Konstituierung der gemeinen, unteilbaren Landschaft (1506) abgeschlossenen Gesamtkonföderation aller bayerischen Stände (1514), der »Vereinigung gemeiner Landschaft der dreier Ständ im Ober- und Niederland des löblichen Haus und Fürstentums zu Bayern«. Es war der letzte Erbbund in der Geschichte der bayerischen Landschaft. Die Stände verbanden sich zum Schutz und zu gegenseitiger Abwehr jeden Eingriffs in ihre Rechte, »da uns« — so heißt es in dem Bundbrief — »bisher großer merklicher Abbruch, Eingriff und Widerwärtigkeit an obgemelten unsern Briefen, Freiheiten begegnet sind, und uns derselben wenig gehalten worden«. Ein Ausschuß von vier Personen aus Oberbayern und vier aus Niederbayern wurde dazu bestimmt, solche," die sich in ihren Privilegien und Freiheiten geschädigt glaubten, bei der Herrschaft zu ihrem Recht zu verhelfen. Scheiterte ihr Versuch, so sollte er von weiteren 16 halb aus Oberbayern, halb aus Niederbayern erwählten Personen erneuert und endlich, falls auch dies nicht zum Ziel führte, von allen 24 Personen die Landschaft zu gemeinsamer Beratung zusammengerufen werden. Jene acht Verordneten sollten zweimal

107 jährlich zur Entscheidung etwaiger Beschwerden an den Hof reiten und sich durch Kooptation vollzählig halten. Kein Stand sollte ohne Zustimmung der anderen sich »etwas wider des gemeinen Landes Rechte, Freiheiten und Gewohnheiten auflegen lassen«1). Die Einung blieb trotz der entschiedenen Mißbilligung des Kaisers, der gleichartige Ereignisse auch in anderen Reichsländern befürchtete, bestehen und erhielt die Bestätigung der bayerischen Herzoge. Das Einungswesen, das in Bayern so kräftig gedieh, wirkte auch in Braunschweig-Lüneburg, begünstigt durch die Erbfolge- und Thronstreitigkeiten des Herrscherhauses, nachdrücklich auf die Geschicke des Landes ein. Die drei Stände Lüneburgs traten zum ersten Male 1355 aus Anlaß der Huldigung, von neuem 1377 zu gemeinsamem Schutze ihrer Freiheiten zusammen. Nach vergeblichen Versuchen, die Streitigkeiten der Herzoge miteinander und mit dem Lande durch ein ständisch zusammengesetztes Gericht zu schlichten, schlössen die Stände im Jahre 1392, gereizt durch zunehmenden Steuerdruck und eine harte Züchtigung, die das Herzogshaus der Stadt Lüneburg zuteil werden ließ, mit den Herzogen das berüchtigte, unter dem Namen »Lüneburger Sate« bekannte Abkommen2), welches angeblich der Erhaltung des Landfriedens dienen sollte. Die Herzoge mußten allen Mitgliedern der Sate, Prälaten, Rittern und Bürgern erlauben, sich ewig und erblich miteinander zu vereinigen. Ein Ausschuß von 8 Rittern und 8 Bürgern (4 aus Lüneburg, 2 aus Hannover, 2 aus Ülzen) ward zur Wahrung der Sate eingesetzt mit der Vollmacht, in allen gegen Satebrecher erhobenen Klagen zu entscheiden. Die »Sateleute« hatten die Befugnis, die zur Erhaltung der >) v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. 129 ff. ') H. Sudendorf, Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, Hannover 1872, Bd. VII, Nr. 100, S. 101 ff. Vgl. dazu v. Below, Territorium und Stadt, S. 229 Anm. 4.

108 Sate notwendigen Leistungen und Lasten auf sämtliche Mitglieder zu verteilen und Tagfahrten anzusetzen. Sie durften wegen ihrer amtlichen Handlungen, besonders wegen ihrer Erkenntnisse gegen Satebrecher weder von den Herzogen noch von sonst jemand zur Verantwortung gezogen werden. Ihr richterlicher Spruch aber traf auch den Herzog und seine Beamten, wenn sie die Sate verletzten oder gegen Satebrecher keinen Rechtsschutz gewährten. Erging eine Klage gegen den Herzog selbst, so mußte dieser nach dem Erkenntnis aller Sateleute dem Geschädigten innerhalb 8 Wochen Vergütung leisten, widrigenfalls am ersten Tage nach Ablauf der 8 Wochen unaufgefordert zum Einlager in Hannover einreiten. Geschah auch dies nicht, so waren die Sateleute und der Rat von Lüneburg befugt, die herzoglichen Renten, Gülten, Pflichten in Beschlag zu nehmen und so lange zum Nutzen der Satemitglieder zu verwenden, bis die Vergütung geleistet oder die Schuldsumme von 50 000 Mark dem Lüneburger Rat zurückerstattet wäre. Als äußerstes Mittel blieb den Ständen gemeinsame Abwehr des Unrechts mit Waffengewalt. Das von den Herzogen Bernhard und Heinrich beschworene Abkommen, ein trauriges Bekenntnis ihrer Schwäche, konnte wie alles gewaltsam Erzwungene unmöglich längeren Bestand haben. Schon vier Jahre später kam es zum Kampfe. Die Überrumpelung der Stadt Ülzen durch Herzog Heinrich (14. Februar 1396), der von hier aus Lüneburg, das Haupt der Sate, bekämpfte, entfesselte im Herzogtum einen Bürgerkrieg, durch den auch die Sate den ersten tötlichen Stoß erhielt. Die Spannung zwischen der Landesherrschaft und den sich ihrer Freiheit trotzig erwehrenden Ständen entlud sich auch im preußischen Ordenslande1) schließlich J

) Max Toppen, Akten der Standetage Preußens unter der Herrschaft des deutschen Ordens, Leipzig 1878—1886, Bd. 1—5; Ernst Wiehert, Die politischen Stande Preußens, ihre Bildung und

109 in einer Revolution. Der Hochmeister führte hier mit seinen Großgebietigern noch im 14. Jahrhundert ein starkes Regiment. Ein Gegensatz zwischen Herrschaft und Ständen trat erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts deutlicher hervor. Schon Hochmeister Konrad Zöllner (1382—1391) sah sich genötigt, bei Beratungen über gesetzgeberische Maßnahmen, Steuerwesen, politische Fragen auch die weltlichen Stände zu berücksichtigen. Die sechs preußischen Hansestädte hielten mindestens seit 1363 gemeinsame Tagfahrten. Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen verband die Ritter des Kulmerlandes 1397 in der Eidechsengesellschaft zum Widerstand gegen Vergewaltigung. Dagegen kam es noch nicht zu g e m e i n s a m e n Aktionen beider weltlichen Stände. Die tiefe Kluft zwischen der Landschaft und dem geistlichen Orden, dem das Gesetz den Beirat weltlicher Leute aufs strengste untersagte, öffnete sich erst vor aller Augen, als die Katastrophe der Tannenberger Schlacht (1410) den finanziell erschöpften Orden nötigte, zur Begleichung einer ungeheuren drückenden Kriegsschuld auch die weltlichen bisher steuerfreien Stände zu belasten. Die Tagfahrt zu Osterode (22. Februar 1411), die erste uns bekannte allgemeine Ständeversammlung, bewilligte dem Hochmeister einen allgemeinen Landschoß. Bereits im folgenden Jahre stellte der Hochmeister weitere Forderungen. Die GeEntwicklung bis zum Ausgange des 16. Jahrhunderts, Altpreußische Monatsschrift 1868, Bd. 5, S. 213—242, 419—464; Max Toppen, Der deutsche Ritterorden und die Stände Preußens, Historische Zeitschr., 1881, Bd. 46, S. 430—449; E. Blumhoff, Beiträge zur Geschichte und Entwicklung der westpreußischen Stände im 15. Jahrhundert, Zeitschr. des westpreußischen Geschichtsvereins, Danzig 1894, Heft 34, S. 1—80; Karl Scherler, Hans v. Baisen der erste Gubernator in Preußen c. 1380—1459, Greifswalder Diss. 1911; A. Werminghoff, Der Deutsche Orden und die Stände in Preußen bis zum zweiten Thorner Frieden im Jahre 1466, Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins, Blatt 8, 1912.

110 fährdung der Freiheiten und Privilegien, über deren Verletzung man schon 1411 zu Osterode Klage geführt, die Bedrückungen und Gewalttätigkeiten der immer willkürlicher schaltenden Ordensgebietiger nährten den Geist der Widersetzlichkeit in den Ständen, die sich allmählich daran gewöhnten, aus freiem Antriebe, auch ohne Genehmigung des Hochmeisters Tagfahrten zum Schutz ihrer gemeinsamen Interessen abzuhalten, in der richtigen Erkenntnis, daß in der Einigkeit die beste Gewähr ihrer Sicherheit läge. So versprachen die zu Elbing 1433 vertretenen Stände einander, auf Zieseforderungen des Landesherrn nur eine gemeinschaftliche Antwort zu geben1); und 1434 einigten sich Ritterschaft und Städte, »ob imand under en obir ere privilegie, freyheidt und recht gedrungen wurde, das eyner dem andern das getruwlich wil helfen vorentwerten, alse billich und recht ist«2). Eine planvolle Agitation für den Schutz der Landesrechte ging 1437 vom Kulmerlande aus. Ritter und Knechte des Kulmerlandes gelobten auf der Elbinger Tagfahrt (Sept. 1438), die vergeblich eine Aussöhnung mit dem Hochmeister anstrebte, den Städten getreulich beizustehen in allen Geschäften, die sie »gegen unsern Herrn zu tun haben, als in Freiheiten, Privilegien und in rechtfertigen Sachen«*). Der Hochmeister verbot umsonst eine Versammlung, welche die Städte auf den Januar 1440 eigenmächtig nach Elbing ausschrieben, als ungesetzlich. Er konnte nicht hindern, daß die angekündigte »Samenung« stattfand und bald darauf (am 21. Februar 1440) Abgeordnete der Städte, des Kulmerlandes, der Gebiete Osterode, Christburg, Elbing, der beiden Bistümer Riesenburg und Ermland den »Bund vor Gewalt« vereinbarten, den am 14. März der zu Marienwerder von x ) Töppen, Standeakten, Bd. 1, S. 578ff. *) Ebendas. Bd. 1, S. 623. •) Ebendas. Bd. 2, S. 68.

Iii 53 Rittern und 19 Städten unterzeichnete Bundesbrief1) besiegelte. Schutz gegen Gewalt bildete den Kern der Bestimmungen. Wenn jemand in seinen Freiheiten bedrängt oder vergewaltigt würde, so sollte er sich an den Herrn, dann an den Richttag wenden, und falls auch das Gericht nicht so bestellt würde, daß dem Recht Genüge geschähe, sollte der Fall den Ständen unterbreitet werden, denen es anheimfiel, die Angelegenheit mit vereinten Kräften zum Austrag zu bringen. Dem tief gedehmütigten Hochmeister Paul von Rusdorf blieb nur übrig, sich in das Geschehene zu fügen; er ist am 15. Januar 1441 gestorben. Sein Nachfolger Konrad von Erlichshausen (1441—1449) erwarb sich das hohe Verdienst, durch mildes und weises Regiment dem Lande noch fast zehn Jahre den Frieden zu wahren. Aber schon bei der Wahl Ludwig von Erlichshausens brach der Streit von neuem aus, als der damals anwesende Deutschmeister den Orden aufforderte, die widerspenstigen Stände mit Hilfe des Kaisers und Papstes zum Gehorsam zu zwingen. Der Bund ernannte zur Erledigung gemeinsamer Angelegenheiten einen engeren Rat aus Rittern und Bürgern (1452), dessen Sitzungen man als »Tagfahrten« von Land und Städten bezeichnet;. Er erhob trotz des hoch meisterlichen Verbotes Steuern für Bundeszwecke und kündigte endlich, als der Spruch des kaiserlichen Hofgerichtes ihn als ungesetzlich verurteilte, dem Orden den Gehorsam auf und übertrug die Herrschaft des Landes dem Polenkönige (Februar 1454). Die Stände erreichten mit diesem letzten vermessenen Schritt den Höhepunkt ihrer Macht. Nach dem Thorner Frieden (19. Okt. 1466) aber hörten sie auf, eine selbständige Organisation zu bilden, und lernten allmählich wieder, der Eigenmächtigkeit zu entsagen. Die freie Einung führte auch in den kleineren, geistlichen Fürstentümern die ständischen Gruppen zu grö!) Ebendas. Bd. 2, S. 170ff.

112 Seren Verbänden zusammen. Die Stände des Fürstbistums Münster gelobten einander 1370, auf 6 Jahre gegen jeden, der ihre Rechte kränkte, »zamentliken bi eyn zu bliven und zine vyende zu werden«1). Der am 20. Mai 1403 von 56 Rittern und 5 Städten beschworene »Igelbund« des Erzstifts Salzburg rechtfertigte den ersten Zusammenschluß der Stände des Landes mit Beschwerden über allzu großen Steuerdruck, Verweigerung rechtmäßiger Belehnungen und andere Gewalttätigkeiten der Landesherrschaft2). Die Vereinigungen, die im Bistum Paderborn Domkapitel, Ritterschaft und Städte 1413 und 14563), im Bistum Osnabrück 1423 Domkapitel, Stiftsmannen, Stadt Osnabrück, Burgmannen und Rat von Quakenbrück, die Burgmannen zu Grönenberg, Fürstenau, Hunteburg, Wittlage4), im Erzstift Trier am 10. Mai 1456 die weltlichen Stände, Grafen, Herren und Ritterschaft, sowie 11 Städte mit den zugehörigen Dörfern und Pflegen zu gegenseitiger Unterstützung schlössen5), die Landesvereinigungen des Stifts Münster von 1446 und 14666) erfüllten im Grunde alle denselben *) V. Kindlinger, Münsterische Beiträge zur Geschichte Deutschlands, hauptsächlich Westfalens, Münster 1787, Bd. I 2, S. 38—44 (1370). *) Rieh. Meli, Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, Salzburg 1905, S. 89 ff. ') Herrn. Aubin, Die Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn im Mittelalter, 1911, S. 68 Anm. 1 und G. J. Rosenkranz, Die Verfassung des ehemaligen Hochstifts Paderborn in älterer und späterer Zeit, Zeitschr. f. westfäl. Gesch., 1851, Bd. 12, S. 124ff. *) Friderici-Stüve, Geschichte der Stadt Osnabrück, Bd. 2, S. 178ff. *) G. Knetsch, Die landständische Verfassung und reichsritterschaftliche Bewegung im Kurstaate Trier vornehmlich im 16. Jahrhundert, Berlin 1909, S. 28. Die Einung ist im Jahre 1501 erneuert worden; vgl. ebendas. S. 36, 37. «)V. Kindlinger a.a.O. Bd.I, S. 122, Nr. 33 und IS. 148, Nr. 41.

113 Zweck, die ständischen Privilegien und Rechte, namentlich auch das Recht der Steuerfreiheit gegen jeden, nicht zuletzt gegen die Landesherrschaft selbst, gemeinsam zu verteidigen. Die drei Stände des Osnabrücker Stifts verpflichteten sich 14611), künftighin nur noch im Falle einer Niederlage der Herren oder des Stifts eine gemeine Landschatzung zu bewilligen. Wie im Kölnischen Herzogtum Westfalen die bereits im 14. Jahrhundert durch Landfriedensbündnisse vorbereiteten Konföderationen der Ritterschaft und Städte 1437 und 14528) dem ständischen Wesen einen festen Halt gaben, so ist im Kölner Grzstift selbst der ständische Zusammenhang durch die bekannte Erblandesvereinigung des Domkapitels mit Adel, Ritterschaft und Städten 1463 befestigt worden 8 ). Die Blütezeit der Einungen, die den dualistischen Charakter des älteren deutschen Territorialstaates in voller Schärfe hervortreten ließen, reichte vom Ende des 14. Jahrhunderts bis etwa 1460. Die Einungsbewegung ging um die Mitte des 15. Jahrhunderts entschieden zurück und lebte dann nochmals um die Wende des 15. Jahrhunderts in der Vereinigung der Württemberger Landschaft (1498), der bayerischen Gesamtkonföderation {1514), in den beiden hessischen Unionen (1509 und 1514), der mecklenburgischen Union (1523) und einigen anderen Einungen wieder auf, um dann nach dem Bauernkriege allmählich zur bedeutungslosen Form herabzusinken. Die Einung konnte auf kurze Zeit oder auf längere Dauer geschlossen werden. *) Mitteilungen d. Ver. f. Gesch. und Landesk. Osnabrücks, Bd. 2, S. 368 (Original, Stadtarchiv, II A 54). 2 ) Joh. S. Seibertz, Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogtums Westfalen, Arnsberg 1854, Bd. 4 (Urkk. Bd. 3), S. 88(f., Nr. 941 (1437 Okt. 10) und S. 117 ff., Nr. 959 (1452 28-/8.). *) Th. Jos. Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, Düsseldorf 1858, Bd. 4, S. 398 ff., Nr. 325 (1463 Jfärz 26). S p a n g e n b e r g , Vom Lebnstaat zum Ständestaat.

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114 Sie wurde von neuem als wirksames Machtmittel im Ständekampf erprobt, als die Landesherrschaft sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts aufraffte, ihre verlorenen Rechte wiederzugewinnen. Die gemeinsame Gefahr, das gleiche Interesse an der Erhaltung der Privilegien und Freiheiten wirkte stark genug, die ständischen Gruppen trotz aller Gegensätze eine Zeit lang um eine Fahne zu sammeln. Die Einung verlieh Widerstandskraft und politischen Einfluß. Der Aufschwung ständischer Gewalten artete oft genug in Zügellosigkeit und Ungebundenheit aus; aber er brachte auch mannigfachen Segen. Ein großer Gewinn lag schon darin, daß es eine Macht gab, die auch gegen den Willen der Landesherrschaft für Erhaltung des Friedens und den unversehrten Bestand des Landes eintreten, Landesteilungen, Veräußerung und Verpfändung fürstlicher Gebiete verhindern, den Hader der Erbberechtigten und Thronfolgekandidaten im Schiedsgerichte ausgleichen konnte. Die ständische Einung bildete also eine heilsame Schranke gegen Eigennutz und Willkür der Fürstengewalt. Sie wirkte ferner dazu mit, die innere Geschlossenheit des Territoriums wieder herzustellen, als die deutsche Landschaft um die Mitte des 14. Jahrhunderts in völligen Verfall zu geraten drohte. Das Fürstentum vermochte in seiner Ohnmacht zunächst keine wirksame Abhilfe zu schaffen. Da war es die Einung, welche in vielen Territorien die auseinanderfallenden gesellschaftlichen Gruppen wieder zusammenführte. Geschah es auch nur zum Schutze der Freiheit, zur Abwehr landesherrlicher Ansprüche, so stärkte doch diese Gemeinschaft das Gefühl der Zusammengehörigkeit und erzeugte mit der Zeit eine Gewöhnung, die gemeinsamen Interessen durch Rat und Tat zu pflegen. Die geeinten Stände gaben im Bewußtsein ihrer gehobenen politischen Stellung dem neuen Verhältnis Ausdruck, indem sie sich selbst als »Landschaft«, »gemeines Land« bezeichneten, und er-

115 hoben damit zugleich einen Anspruch auf Repräsentation des Landes, der dem Entstehen des landständischen Vertretungsgedankens unzweifelhaft Vorschub leistete. Die ständischen Einungen erlangten mit festerem Bestände teilweise so großen politischen Einfluß, daß sie nicht mehr ignoriert werden konnten, als das Fürstentum sich im 15. Jahrhundert entschloß, »Landtage« zur Bewilligung allgemeiner Landessteuern einzuberufen. Die gewillkürte Einung kam längst nicht überall zu sicherem Bestände. Dort aber, wo die Stände auf dem Wege freier Einung festeren korporativen Zusammenschluß gefunden, konnte die Existenz eines ständischen Bundes, der schon beanspruchte, eine Vertretung des Landes zu sein, auf die Zusammensetzung, die äußere Gestalt des Landtages nicht ohne Einfluß bleiben. Der Bauernstand Tirols würde vielleicht auf den Landtagen keine ständische Vertretung gefunden haben, wenn die Landgemeinden sich nicht vor der Einberufung von Landtagen als »Thäler« oder »Gerichte« konstituiert und mit den anderen Ständen vereinigt hätten. Anderseits sind Gruppen des Volkes, die sich nicht aus eigner Kraft erhoben und den Anschluß an die politischen Stände verpaßt haben, auch später nicht vom Fürsten zu Landtagen entboten worden. Ein mehr oder minder starker Einfluß, den die freie Einung in einzelnen Territorien auf die Form der späteren Landtage übte, kann also nicht verkannt werden. Aber weiter, als eben angedeutet wurde, reicht dieser Einfluß auch nicht. Die weitverbreitete Ansicht, daß der Landtag, die landständische Korporation als Vertretung des Landes im juristischen Sinne, aus der gewillkürten Einung hervorgegangen sei, ist mit gewichtigen Gründen widerlegt worden 1 ). *) Vgl. G. v. Below, Zeitschr. des bergischen Geschichtsver., 1886, Bd. 22, S. 62ff.; Ders., Territorium und Stadt, 1900, S. 174 Anm. 1, S. 228—230; Ders., Landtagsakten von Jülich und Berg, Düsseldorf 1895, Bd. 1, S. 51 ff.

116 Die gewillkürte Einung gehört der »Vorgeschichte«1) der landständischen Verfassung an. Sie erhob sich im Gegensatz zur fürstlichen Gewalt, als Verteidigungsmittel gegen die steigenden Ansprüche derselben. Die ängstliche Geflissenheit, mit der die Stände ihre Privilegien und Freiheiten und das Mittel zu deren Erhaltung, das Einungs- und Widerstandsrecht, sich immer wieder bestätigen ließen, war ein Symptom der ununterbrochenen Kampfbereitschaft zwischen Fürstentum und Ständen. Der Zustand, in dem die Untertanen zum Widerstande bereit und bisweilen auch berechtigt waren, sobald sie sich in ihren Sonderrechten beeinträchtigt oder mit Abgaben ungerecht belastet glaubten, glich einem latenten Bürgerkrieg. Die Entstehung der landständischen V e r f a s s u n g setzt ein Erstarken des Fürstentums voraus. Der obrigkeitlichen Gewalt war es vorbehalten, die verlorene Einheit des staatlichen Zusammenhangs im Kampf mit den ständischen Gewalten zu erneuern und den Ausgleich der widerstreitenden Interessen in einer Verfassungsform herzustellen. Landeshoheit und landständische Verfassung haben sich gleichzeitig entwickelt.

VII. Eine Gesundung des öffentlichen Lebens war nur von oben her zu erwarten. Nur der energische Wille eines Fürsten konnte Recht und Gesetzmäßigkeit wieder *) Fei. Rachfahl, Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, Jahrb. f. Gesetzgebung, Verw. und Volkswirtschaft, 1909, Jahrg. 33, S. 92. R. betont ebendas. S. 93 mit Recht die Notwendigkeit, »bei den Untersuchungen über die Entstehung der Landstande eines Territoriums deren Vorgeschichte streng von ihrer eigentlichen Geschichte zu sondern«.

117 aufrichten, die wirre Mannigfaltigkeit zahlreicher unabhängiger, sich selbst genügender Lebenskreise einer obrigkeitlichen Gewalt unterordnen. Das Fürstentum aber lag im 14. Jahrhundert noch danieder an den Wunden, die es sich selbst geschlagen durch eine übertriebene, ihm scheinbar günstige Fortbildung feudalistischer Anschauungen. Gelang es, diese feudalistische Auffassung zu überwinden, nach welcher der Staat als lehnbares Eigentum der regierenden Familie erschien, den Grundsatz der Teilbarkeit durch das staatsrechtliche Prinzip der Unteilbarkeit und Primogenitur zu ersetzen, die fürstliche Stellung aus der privatrechtlichen Yerbildung, in der sie sich selbst untreu gewprden, wieder zur Hoheit einer wirklichen Staatsgewalt zu erheben, dann gehörte ihr die Zukunft. Dann mußte die Bedeutung der Stände, deren Macht sich bisher durch die heilsame Einschränkung einer entarteten Fürstengewalt rechtfertigte, von selbst zurücktreten. Die Zeit rang danach, die Staatsidee zu finden, den Obrigkeitsgedanken zu verwirklichen, und bot denen, welche ihrem Weckruf folgen wollten, auch in den neuen technischen Errungenschaften der Kriegskunst und aus der Geisteswerkstatt des römischen Rechts wirkungsvolle Waffen, mit deren Hilfe den neuen Ideen trotz aller Zähigkeit der veralteten mittelalterlichen Lebensformen der Sieg errungen werden konnte. »Die Arznei, von welcher Frieden und Recht allmählich gesundeten,« schreibt Otto von Zallinger, zweifellos mit einiger Übertreibung, »ist das Schießpulver gewesen. Das Krachen der Feuerwaffen bedeutete den Untergang der alten Wehrverfassung und damit den Anbruch eines neuen Zeitalters auch für den Zustand der öffentlichen Ordnung in deutschen Landen«1). O. v. Zallinger, Der Kampf um den Landfrieden in Deutschland während des Mittelalters, Mitteilungen des Instituts für Österreich. Gesch., Ergänzungsband 4, Innsbruck 1893, S. 458.

118 Die Unbotmäßigkeit der autonomen Gewalten hatte im 14. Jahrhundert einen starken Schutz in dem »Übergewicht der Mittel der Verteidigung über die Mittel des Angriffs« gefunden. »Daher kam es, daß die höchste Gewalt den Widerstand, der ihr entgegengesetzt wurde, niederzuwerfen so häufig außerstande war«1). Das änderte sich, sobald die Geschütze2), welche zunächst noch die Mittel der Verteidigung verstärkten, als Angriffswaffe die Selbstherrlichkeit der Burgherren brachen und mit dem Verfall der alten Wehrverfassung, des eigentlichen Nährbodens aller Fehde und Friedensstörung, die Aufrichtung einer obrigkeitlichen Staatsordnung erleichterten. Nicht minder bereitete die Aufnahme des römischen Rechts dem Obrigkeitsstaat den Boden. Man begreift die Abneigung des Volkes und Adels gegen das neue Recht, die Heftigkeit der volkstümlichen Opposition gegen die Lehre der römischrechtlich gebildeten Doktoren. Denn die neuen Rechtssatzungen standen in grellem Widerspruch zu den hergebrachten Anschauungen und Gewohnheiten. Sie wußten nichts von einem Recht der Fehde, der Selbsthilfe oder des Widerstandes, nichts von jenen Freiheiten, 1

) Ranke, Genesis des preußischen Staates, Leipzig 1874,

S. 86. ') E. Daenell, Die Blütezeit der deutschen Hanse, Berlin 1906, Bd. 2, S. 470, 471 Anm. 1; G. Köhler, Die Entwicklung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit von Mitte des 11. Jahrhunderts bis zu den Hussitenkriegen, Breslau 1866 ff., Bd. 8,1, S. 141 ff., 174ff., 231 ff. Bei der Belagerung von Mühldorf durch Herzog Stephan von Bayern wurden »Büchsen« verwendet — »wie es scheint, die ersten sicher bezeugten Feuerwaffen im Kriegswesen der bayerischen Herzoge«; S. Riezler a. a. O., Bd. 3, S. 81; vgl. auch Bd. 3, S. 726, 727; Karl Jacobs, Das Aufkommen der Feuerwaffen am Niederrhein bis 1400, Bonn 1910. Vgl. auch Hans Delbrück, Über die Bedeutung der Erfindungen in der Geschichte, in d. »Historischen und politischen Aufsätzen«, 1887.

119 die aus dem deutschen Eigentumsbegriff flössen, oder von einer Beschränkung der Regierungsgewalt durch ständische Befugnisse; wohl dagegen kannten sie Verbote unerlaubter Verbindungen, die Idee gleichmäßiger Ordnung und Gesetzmäßigkeit, staatliche Einheit, eine starke, in sich selbst ruhende fürstliche Gewalt. Das römische Recht schien das zu gewähren, dessen die Zeit zur Heilung ihrer Schäden am dringendsten bedurfte, Mittel, die anarchische Ungebundenheit, Monopolien- und Privilegiensucht, die Buntscheckigkeit und Zerrissenheit mittelalterlichen Lebens, die Vermengung öffentlichen und privaten Rechtes zu überwinden, an Stelle des ungeschriebenen, ständisch gegliederten Rechtes mit seinen vielen lokalen Abweichungen ein »ius certum«, ein einheitliches, geschlossenes, schriftliches Recht, an Stelle der feudalistischen Staatsauffassung, der Veräußerlichkeit und Teilbarkeit öffentlicher Rechte und Ämter den Grundsatz der Unveräußerlichkeit aller öffentlichen Rechte, die einheitliche, unteilbare Staatsgewalt, die Obrigkeitsidee zu setzen. Der Wunsch nach Erneuerung einer wirklichen Herrschaft kam der Einbürgerung des römischen Rechtes entgegen. Es ist von oben nach unten vorgedrungen. »Die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland fängt im Staatsrecht an; von hier aus wurden dem Siegeslauf des fremden Rechts die Wege geebnet«1). Ein neuer Geist durchdrang allmählich das deutsche Fürstentum und führte es aus dem Niedergange heraus, in den die »Landesherrlichkeit« durch Einfluß des Feudalismus geraten war. Je ausschließlicher das Lehnrecht in seiner eigentümlich deutschen Entwicklung zur Geltung gekommen war, um so mehr hatte man den staats*) P. Laband, Die Bedeutung der Rezeption des römischen Rechts für das deutsche Staatsrecht, Straßburger Rektoratsrede, 1880, S. 30.

120 rechtlichen Gesichtspunkt aus den Augen verloren. Zur Zeit des Interregnums war die privatrechtliche Behandlung fast vollständig durchgedrungen; und in der Tat erscheint uns seit dieser Zeit die Geschichte mancher deutschen Landschaft, die durch fortgesetzte Teilungen, Thron- und Erbfolgestreitigkeiten politische Bedeutung und Wohlstand einbüßte, fast wie die »Leidensgeschichte der gekreuzigten Staatseinheit.« Eine Wendung zum Besseren trat ein, als sich in der Landeshoheit ein ganz neues Prinzip 1 ) erhob, das i m Es besteht zwischen »Landesherrlichkeit« und »Landeshoheit« ein beachtenswerter Unterschied, der auch in strenger Scheidung der beiden Bezeichnungen zum Ausdruck kommen sollte. Die »Landesherrlichkeit« entstand im 12. und 13. Jahrhundert aus der Erblichkeit des Lehens durch eine vom Lehnrecht vollzogene Umbildung, welche die vom Reich übertragenen Befugnisse in selbständige Herrschaftsrechte verwandelte. Die fürstliche Gewalt büßte durch Anwendung privatrechtlicher Grundsatze der Teilbarkeit, Veräußerlichkeit usw. an ihrem öffentlichen Charakter ein und erhob sich erst wieder seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Stellung einer wirklichen Staatsgewalt, als gleichzeitig mit dem Eindringen des römischen Rechtes in der »Landeshoheit« ein neues Prinzip zur Herrschaft kam und »die Landesherren begannen, sich als Träger einer ihrem Wesen nach einheitlichen und des öffentlichen Wohls willen unveräußerlichen und unteilbaren Staatsgewalt, mit anderen Worten als Landesobrigkeit zu betrachten«; vgl. O. Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 535 ff. Die Darstellungen der deutschen Verfassungs- und Rechtsgeschichte erwecken leicht den Eindruck, als habe sich die »Landeshoheit« vom 13. Jahrh. ab kontinuierlich weiterentwickelt. So bemerkt z. B. R. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 1907, S. 605 nach Erwähnung der Reichsgesetze von 1220 und 1231: »Einen weiteren Schritt in der Ausbildung der Landeshoheit bezeichnete die goldene Bulle von 1356, indem sie verschiedene Freiheiten der böhmischen Krone auf die übrigen Kurfürsten ausdehnte und neue hinzufügte«. K. Burdach, Vom Mittelalter zur Neuzeit, S. 25 schreibt im Sinne jener Worte: »Er (Karl IV.) v o l l e n d e t e durch seine goldene Bulle . . . die Ausbildung der Landeshoheit.« Tatsächlich b e g a n n die Entstehung der Landeshoheit erst in Karls IV. Zeit.

121 Kampfe mit dem Einungswesen und dem Feudalismus den Staatsbegriff wiederherstellte. Was das Lehnswesen in seiner Übertreibung zerstört hatte, baute die Landeshoheit mit Hilfe des römischen Rechts wieder auf. Die fürstliche Gewalt ruhte nun nicht mehr auf mannigfachen speziellen Rechtstiteln. Landeshoheit bedeutete vielmehr den die verschiedenen erworbenen Rechte umfassenden Kollektivbegriff, die ihrem Wesen nach einheitliche, »Land und Leute zur organischen Einheit zusammenfassende«, unteilbare und unveräußerliche obrigkeitliche Die übliche Verwechselung der beiden Bezeichnungen hat auch dazu beigetragen, den Stand der Forschung zu verdunkeln. Die von R. Schröder (Lehrb. der deutschen Rechtsgeschichte, 1907, S. 599, 600) in den Literaturangaben erwähnten Autoren betiteln ihre Arbeiten teils als Geschichte der »Landesherrlichkeit«, teils als Geschichte der »Landeshoheit«. Die seit 1907 erschienenen Abhandlungen wählen mit Vorliebe den Titel »Landeshoheit«: »Die Entwicklung der Landeshoheit in der Grafschaft Mark bis zum Ende des 13. Jahrhunderts«, Dortmund 1907 (Wilh. Marré), »Die Entstehung der Landeshoheit der Bischöfe von Hildesheim«, Freiburger Diss. 1908 (Otto Müller), »Die Entwicklung der Landeshoheit der Grafen von Arnsberg«, Münster i. W. 1909 (Jos. Tigges), »Die Entwicklung der Landeshoheit der Mindener Bischöfe«, Münster 1909 (Bernhard Fríe), »Die Entstehung und Entwicklung der Landeshoheit des Abtes von Prüm«, Westdeutsche Zeitschrift f. Gesch. und Kunst, 1909, Jahrg. 28, Heft 4 (H. Wohltmann), »Die Entwicklung der Territorialherrlichkeit in der Grafschaft Ravensberg«, Diss., Leipzig 1909 (Arthur Roßberg). In Wirklichkeit behandeln sie sämtlich nur die Entwicklung der »Landesherrlichkeit«. Monographische Arbeiten über die Entstehung der »Landeshoheit« sind ein dringendes Bedürfnis der deutschen Verfassungsgeschichte. Abgesehen von dem wertvollen Buch Rieh. Festers, Markgraf Bernhard I. und die Anfänge des badischen Territorialstaats, Karlsruhe 1906, sind mir Monographien über die Geschichte der Landeshoheit nicht bekannt geworden. Brauchbares Material für die gleichartige Entwicklung eines geistlichen Territoriums enthält die Würzburger Dissertation von Franz Heidingsfelder, Die rechtlichen Zustände im Hochstift Eichstätt am Ausgang des Mittelalters, Leipzig 1910, S. 13ff., 29ff., 50ff., 63, 77ff., S. 79 (Appellationsordnung von 1457). Vgl. auch Ulrich Stutz, Das

122 Gewalt1). Die Staatsidee begann aus dem Schutt der zusammenstürzenden veralteten Ordnung neu zu erstehen. Als Träger dieser neuen Macht, welche die sozialen und politischen Gegensätze auszusöhnen, die staatliche Einheit und zentralisierte Verwaltung herzustellen suchte, wurde das Fürstentum der Bildner des modernen deutschen Staates. Es beginnt eine Scheidung von öffentlichem und privatem Recht, später auch von Rechtspflege und Verwaltung einzutreten. Vor allem hörten die Teilungen, Zersplitterungen und Verpfändungen der Fürstentümer allmählich auf. Ein zunächst ganz vereinzeltes und in der Regel noch erfolgloses Bemühen blieb es, wenn einsichtsvolle Regenten, wie Graf Berthold der Weise von Henneberg (1310), Landgraf Otto von Hessen (1311), Ludwig IV. von Bayern (1340), Herzog Magnus I. von Braunschweig (1351), schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts für Unteilbarkeit ihrer Länder eintraten. Eine wirksamere Reaktion gegen das herrschende System begann erst, als die goldene Bulle mit ihren freilich nur für die Kurfürstentümer geltenden Bestimmungen über habsburgische Urbar und die Anfänge der Landeshoheit, Zeitschr. der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abteilung, 1904, Bd. 25, S. 192ff.; K. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Leipzig 1886, Bd. I 2, S. 1322ff.; Martin Spahn, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Herzogtums Pommern von 1478 bis 1625, Leipzig 1896 (Staats- und sozialwissenschaftl. Forschungen, Bd. 14, Heft 1); G. Schmoller, Umrisse und Untersuchungen zur Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte, Leipzig 1898, S. lOff.; F. Rachfahl, Die Organisation der Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens, S. 101 ff.; Eb. Gothein, Die badischen Markgrafschaften im 16. Jahrhundert, Neujahrsblätter der badischen histor. Kommission, 1910, S. 1 ff.; K. Käser, Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters, Bd. 2, Stuttgart und Berlin, 1912, S. 303 ff., 317 ff., 350 ff. !) Vgl. O. Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 10, 297, 535, 536, 583, 642, 650; Bd. 2, S. 856, 857.

123 Primogenitur und Unteilbarkeit dem ganzen deutschen Fürstenstande einen starken Antrieb gab, mit der verderblichen Unsitte des Teilungswesens zu brechen. Schon kurz nach dem Erlaß des Reichsgesetzes folgten Unteilbarkeitsverordnungen auch in nichtkurfürstlicheQ Häusern: der Vergleich zwischen Eberhard II. dem Greiner und Ulrich IV. von Württemberg (1361), die Verordnung Graf Simons zur Lippe (1368), das Gräflich Hanauische Statut (1375), der Badensche Brüdervergleich zwischen Bernhard I. und Rudolf VII. (1380), welcher für die Zukunft höchstens zwei regierende Linien des Markgrafenhauses zuließ. Das neue staatsrechtliche Prinzip •der Primogenitur und Unteilbarkeit mußte mühsam, Schritt für Schritt Boden gewinnen. Meist scheiterten die Bemühungen noch an den Vorurteilen der Zeit, der Zähigkeit eingewurzelter Sitten und des Familienherkommens, am Widerstand der nachgeborenen Söhne. Es vergingen Jahrhunderte, bis der Schaden, den die privatrechtliche Behandlung der Fürstengewalt gebracht, wieder ganz beseitigt war1). So beginnt um die Mitte des 14. Jahrhunderts auch eine politische Renaissance in Deutschland*). Die goldene Bulle mit ihrer neuen Auffassung des Untertanenverhältnisses und der fürstlichen Autorität steht bereits unter dem Einfluß der römisch-rechtlichen Anschauungen Karls IV. und seines Hofkanzlers Johann von Neumarkt. Sie gebietet, Fehden ordnungsgemäß anzusagen, widrigenfalls sie als Verbrechen gelten sollen; sie untersagt den 1 ) Hermann Schulze, Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern und seine Bedeutung für die deutsche Staatsentwicklung, Leipzig 1851. Vgl. ebendas. S. 346: »Es ist ein merkwürdiges Zeugnis für die einheitliche Entwicklung der deutschen Staatsverhältnisse, daß in allen deutschen Primogeniturordnungen eine vollständige Übereinstimmung, selbst in bezug auf die Motivierung, stattfindet.« !)

Konrad Burdach, Vom Mittelalter zur Neuzeit, S. 22 ff.

124 Lehnsträgern, Bündnisse untereinander oder mit anderer Herren Untertanen zu schließen, verbietet Einungen oder Eidgenossenschaften ohne königlichen oder landesherrlichen Konsens, unerlaubte Städtebündnisse, »conspirationes et conventículas seu colligationes illicitas in civitatibus et extra «x); und anderseits suchte sie die fürstliche Stellung zur staatlichen Obrigkeit, das Kurfürstent u m sogar zur Würde der Majestät zu erheben durch die Bestimmung, daß Vergehen gegen Kurfürsten als Majestätsverbrechen geahndet werden sollten. Der am französischen Hofe vorgebildete, klug und vorsichtig berechnende, begabte und welterfahrene Böhmenkönig gab selbst das Beispiel einer modernen, zentralisierten Verwaltung mit wirksamerem Rechtsschutz und geordneten Finanzen. Karl IV. eilte hierin, wie auch Rudolf IV. von Österreich (1356—1365), seiner Zeit weit voraus. Herzög Rudolf, »ein rechter Vorläufer des kommenden Absolutismus «2), sprach bekanntlich das Wort: »In meinem Lande will ich Papst, Erzbischof, Bischof,Archidiakon und Dekan sein«; die Stellung des »erleuchteten Fürsten« glaubte er hoch erhaben über den »viehischen Unverstand« der Untertanen. Rückfälle in die Wirren der vergangenen Zeit blieben freilich in beiden Ländern nicht aus. Aber der Geist, der einmal geweckt war, lebte doch fort; und das Bewußtsein der gemeinsamen Gefahr, welche der staatlichen Autorität durch den Verfall des territorialen Verbandes, durch die Verschwörungen und Unbotmäßigkeit der Untertanen drohte, führte auch die Fürsten zu Bündnissen zusammen. So schlössen Mark1

) Karl Zeumer, Die goldene Bulle Kaiser Karls IV., Weimar

1908, S. litt.

2 ) Fr. v. Bezold, Geschichte, der deutschen Reformation, Berlin 1890, S. 88. Vgl. auch Alf. Huber, Geschichte des Herzogs Rudolf IV. von Österreich, Innsbruck 1865; Ad. Bruder, Studien über die Finanzpolitik Herzog Rudolfs IV. von Österreich (1358 bis 1365), Innsbruck 1886.

125 graf Ludwig der Römer, Bischof Johann von Kammin, einige pommersche und mecklenburgische Fürsten 1362 einen Bund gegen ihre eigenen Untertanen und alle diejenigen, welche »sich gegen uns allen oder gegen unser etlyken vorbunden oder verstricket hebben oder noch vorbinden oder uns vorunrechten willen«1). Die drei rheinischen Kurfürsten vereinigten sich 1381 mit den Pfalzgrafen Ruprecht dem Älteren und dem Jüngeren, um städtische oder ritterschaftliche Bündnisse zu verhindern 2 ); sie versprachen einander, während der sechsjährigen Dauer ihres Bündnisses in keinen Städte- oder Gesellschaftsbund einzutreten und ihren »Mannen, Burgmannen, Dienern und Untersassen zu verbieten, daß sich der keiner verbünde mit den Städten noch mit einer Gesellschaft vorgenant.« Die Wiedergeburt des Fürstentums war Vorbedingung für die Genesung des Staatslebens. Allein der zielbewußte Wille kräftiger Fürsten konnte in der heillosen Verwirrung und Buntscheckigkeit der sich auflösenden und versteinernden mittelalterlichen Lebensformen Wandel schaffen und die Fundamente des Fortschrittes legen. Wir können diese Entwicklung wegen des bedauerlichen Mangels an Monographien zur Geschichte der Landeshoheit bisher nur in allgemeinen Umrissen erkennen. Sie setzte hier früher, dort später ein und vollzog sich in mannigfach wechselnden Formen je nach der verschiedenartigen Begabung und Einsicht des herrschenden Geschlechtes, der mehr oder minder großen Widerstandskraft feudaler und ständischer Gewalten; auch zufällige Ereignisse, wie ein Wechsel der Dynastie, und selbst die verschiedene räumliche Ausdehnung und Zusammensetzung der Territorien übten ihren Einfluß. Aber Tendenz Riedel, Cod. diplom. brand., B II, S. 439, 440. ') Lacomblet, Urkundenbuch zur Geschichte des Niederrheins, Düsseldorf 1853, Bd. III, S. 750, 751, Nr. 857 (1381 Juni 23).

126 und Ziele der Entwicklung stimmten doch im ganzen überein; und in der Regel handelte es sich um einen •wirklichen Neubau, um Wiederaufrichtung der Einheit und Ordnung staatlichen Lebens. Man mußte meist mit dem Einfachsten und Notwendigsten beginnen. Es galt zunächst, die rohesten Auswüchse der anarchischen Verwilderung, Fehde- und Faustrecht zu beseitigen, Ruhe und Frieden, die Geschlossenheit des Territoriums, die Autorität der fürstlichen Gewalt wiederherzustellen. Das Landfriedensgesetz Friedrichs I. von Hohenzollern (20. März 1414)1) gab ein Beispiel energischer Friedenswahrung, indem es Verstöße gegen den Frieden dem Privatrechte entzog, Friedensbruch oder Fehde als öffentliche Vergehen zu ahnden drohte und gleichzeitig die ordentlichen Gerichte zu gewissenhafter Tätigkeit anspornte. Oftmals unterstützte Bundesgenossenschaft der Städte die Landesherren im Kampfe mit dem Raubrittertum; und selbst in Bayern, wo Teilungsunwesen und politische Zerfahrenheit später wichen als anderswo, ging das Fehdewesen doch schon im 15. Jahrhundert entschieden zurück 2 ). Das ritterliche Recht, erlittene Kränkungen mit den Waffen zu rächen, verlor mehr und mehr seine Geltung. Ritter und Bürger mußten allmählich ihren außerterritorialen Verbindungen, die Städte des Nordens der Zugehörigkeit zur Hanse entsagen. Der fast vergessene Anspruch, daß die diplomatische und militärische Vertretung des Landes ein Vorrecht der Landesherrschaft sei, ward wieder in Erinnerung gebracht. Das Ansehen der Landesherrschaft hob sich besonders dort, wo das Fürstentum mit Entschiedenheit dafür eintrat, die teilweise selbstverschuldeten Schäden zu heilen, wo es dem Teilungsunwesen steuerte, im Sinne >) G. W. v. Raumer, Cod. dipl. brand. cont., Bd. I, S. 82, 83; J. G. Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Berlin 18 55 Bd. 1, S. 318. ») S. Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 356, 749.

127 der Einheit und Konsolidierung des Territoriums Veräußerungen und Verpfändungen von Landesteilen — wie es z. B. 1380 in Baden 1 ), 1473 in der Mark Brandenburg geschah — untersagte oder erschwerte. Die innere Geschlossenheit der Territorien kehrte nur sehr langsam, häufig erst nach schweren Kämpfen zurück. Es galt vor allem, ein strafferes Untertanenverhältnis wiederherzustellen, die fast unabhängig gewordenen ständischen Gruppen einer übergeordneten staatlichen Gewalt zu unterwerfen, sie zur Anerkennung der Landeshoheit zu zwingen. Die gute Zeit des Rittertums ging zur Neige, als die Hussitenkriege über das alte Kriegswesen den Stab brachen und mit zunehmender Verwendung der Feuerwaffen, des Fußvolkes und der Soldtruppen die ritterliche Kampfesart entwertet wurde. Von der Zeit, als die Quitzows und ihre Gesinnungsgenossen Friedrich L von Hohenzollern unterlagen (1414), der die neuen technischen Errungenschaften der Kriegskunst erfolgreich zur Herstellung der fürstlichen Autorität verwendete, bis zur Demütigung der Löwenritter durch Herzog Albrecht IV. von Bayern (1491, 1492)2) schwanden Burgenherrlichkeit und ungebundene Selbständigkeit des Rittertums zum guten Teile dahin. Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg gab mit der Unterwerfung seiner Hauptstadt BerlinKöln (1442) ein erstes glänzendes Beispiel, den Trotz der selbstbewußten Bürgerschaften zu brechen. Er nötigte die Berliner, ihre Freiheiten und Privilegien auszuliefern, das Gericht abzutreten, ihm die Bestätigung des Rates und der Schöffen fortan zu überlassen; jedes Bündnis märkischer Städte sollte für immer abgetan sein und keinerlei Einung wieder geschlossen werden, es geschähe denn mit der Herrschaft Willen. »Es ward das Staatliche und *) R. Fester, Markgraf Bernhard I. und die Anfänge des badischen Territorialstaates, Karlsruhe 1896, S. 14ff. (Erbfolgeordnung vom 16. Oktober 1380). *) S. Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 541 ff.

128 Kommunale, das im städtischen Gemeinwesen gemischt gewesen, voneinander geschieden«1). Der fürstliche Gedanke erhob sich in ganzer Kraft; ein neues Prinzip erkämpfte sich den Sieg. Schon kurz nach dem Falle Berlins brachen andere deutsche Fürsten Streitigkeiten mit ihren Städten vom Zaun. Eine willkommene Bundesgenossenschaft bot sich gleichzeitig den Landesherren, um auch den dritten Stand, die Geistlichkeit, der staatlichen Autorität zu unterwerfen. Der päpstliche Stuhl sicherte sich im Kampf mit den Selbständigkeitsbestrebungen des Episkopats und den konziliaren Tendenzen des Jahrhunderts die Hilfe des territorialen Fürstentums durch Verleihung wichtiger, besonders reichlich für Brandenburg und Österreich2) (1446, 1447) bemessener Privilegien, welche den Landesherren maßgebenden Einfluß auf die Besetzung der kirchlichen Ämter, Korporationen und Bistümer einräumten; und die Fürsten nutzten die Gunst der Lage aus, um im Anschluß an das geistliche Haupt der Christenheit das Kirchengut den staatlichen Zwecken nutzbar zu machen, die kirchlichen Gebilde dem System der fürstlichen Regierung einzuordnen, auf Grund älterer Patronatsrechte und der advocatia ecclesiae eine mehr oder minder umfassende Kirchenhoheit, die Anfänge eines landesherrlichen Kirchenregiments schon vor der Reformation zu begründen 8 ). *) J. G. Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Berlin 1857, Bd. 2, S. 58. Vgl. auch G. Schmoller, Die Bevölkerungsbewegung der deutschen Städte von ihrem Ursprung bis ins 19. Jahrhundert, Festschrift für O. Gierke, Weimar 1911, S. 167ff., 215ff. •) Heinr. v. Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während des Mittelalters, Innsbruck 1904. •) Vgl. A. Werminghoff, Geschichte der Kirchenverfassung Deutschlands im Mittelalter, Hannover und Leipzig 1905, S. 254ff; Ders., Neuere Arbeiten über das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland, Histor. Vierteljahrsschrift, Jahrg. 11,1908, S.174ff.; Heinr. Werner, Landesherrliche Kirchenpolitik bis zur Zeit der

129 Es lag unzweifelhaft ein großer Gewinn darin, daß es gelang den Sondergeist der Stände unter die staatliche Autorität zu beugen, die Landeshoheit einheitlicher und stärker über die unübersehbare Mannigfaltigkeit ständischer Herrschaftsbezirke und privilegiertei' Besonderheiten zu spannen. Aber was das Fürstentum verschenkt, veräußert und verschleudert hatte, was die Stände an öffentlichen Gerechtsamen und Nutzungen erworben, das konnte erst in Jahrhunderten zurückgewonnen werden. Einer systematischen Reorganisation standen die ständischen Privilegien im Wege, die man schonen, ja bestätigen und erweitern mußte, um wenigstens die unentbehrlichen Steuern zu erhalten. So kam die Landesherrschaft selbst auf dem engeren Gebiet, das ihrer Tätigkeit verblieben, im Gerichts-, Finanz- und Heereswesen nur ganz allmählich weiter. Ein Hoheitsrecht nach dem andern mußte mühsam zurückerworben werden. Reformation, A. Tilles Geschichtsbl. 1908, Bd. 9, S. 144ff.; S. Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 818ff.; R. Zieschang, Die Anfänge eines landes herrlichen Kirchenregiments in Sachsen am Ausgange des Mittelalters, Diss., Leipzig 1909; K. Pallas, Die Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments in Kursachsen vor der Reformation, Neue Mitteilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschung, 1910, Bd. 24, Heft 2; Joh. Weißbach, Staat und Kirche in Mecklenburg in den letzten Jahrzehnten vor der Reformation, Jahrbb. des Ver. f. mecklenb. Geschichte, Jahrg. 75, Schwerin 1910, S. 29ff.; E. Bütow, Die Stellung des Stiftes Kammin zum Herzogtum Pommern im ausgehenden Mittelalter, Baltische Studien, 1910, N. F. Bd. 14, S. 85ff.; Rendtoff, Zur Entstehungsgeschichte der schleswig-holsteinischen Landeskirche, Schriften des Ver. f. schleswig-holst. Kirchengeschichte, 2 R., 5, 1, S. 72—87. U. Stutz, Anfänge des Landeskirchentums am Niederrhein, Annalen des histor. Ver. für den Niederrhein, 1908, Heft 85, S. 197: »Das Landeskirchentum ist überhaupt im letzten Grunde aufzufassen als ein Teil der Landeshoheit und als im Wesen derselben begründet.« Vgl. auch Joh. Janssen, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters, Freiburg i. Br., 1881, Bd. 3, S. 17 ff., S. 50 ff.; K. Käser a. a. O. S. 350 ff. S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Standestaat.

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130 Mühe genug kostete es schon, die Anerkennung der Gerichtshoheit zu erzwingen. Die Städte mußten einem Teil ihrer Gerechtsame, der Klerus unbefugter Einmischung in das Gebiet der weltlichen Gerichtsbarkeit entsagen. Das Fürstentum bekämpfte die Übergriffe auswärtiger Gerichte und verlieh der heimischen Justiz neues Ansehen. Es versuchte, die Auswüchse ständischer Rechtshandhabung zu beseitigen und die landesherrlichen Gerichtshöfe zur höchsten Spruchstelle im Lande zu erheben. Aber wie lange währte es, bis die Untertanen dazu erzogen werden konnten, sich in Fällen der Justizverweigerung und mit Appellationsklagen an das landesherrliche Gericht zu wenden, statt der Urteilsschelte beim städtischen Oberhof an das fürstliche Gericht zu appellieren! Noch größere Schwierigkeiten verursachte es, in der Heeresverwaltung sich den modernen Bedürfnissen anzupassen. Eine Erneuerung des Heerwesens nach neueren Grundsätzen ließ sich vorläufig nicht durchführen, da die Veränderungen der Kriegskunst, die Verwendung der Soldtruppen, Geschütze und Feuerwaffen vor allem flüssige Geldmittel erforderten. Die Pflege des Militärwesens und der Justiz mußte während des 15. Jahrhunderts noch ganz zurücktreten hinter der Finanzverwaltung. Die Reform der Finanzen stand durchaus im Vordergrunde des öffentlichen Interesses. Die Entwicklung aber, welche zur Aufrichtung der Finanzhoheit und Erneuerung des fürstlichen Besteuerungsrechtes führte, vollzog sich im engsten Zusammenhange mit den Anfängen einer l a n d s t ä n dischen Verfassung. Die Entstehung eines leistungsfähigen, schlagfertigen Staatswesens hing wesentlich davon ab, ob es gelang, der fürstlichen Gewalt zur Erfüllung ihrer wachsenden Aufgaben die notwendige materielle Grundlage zu schaffen. Diese Grundlage war im Laufe des 14. Jahrhunderts mehr oder minder geschwunden. Die finanziellen Opfer, welche das Fürstentum den Ständen durch Ver-

131 äußerung seiner Besitzungen und nutzbaren Rechte gebracht, hatten häufig eine unerträgliche Notlage erzeugt. Die finanzielle Erschöpfung des Fürstentums trat in den größeren Territorien des Ostens und Nordens teilweise stärker hervor als im Westen und Süden des Reiches; doch konnte sie nirgends ganz ausbleiben. Die Einnahmen reichten meist nicht einmal zur Deckung der laufenden Ausgaben hin; die Schuldenlast stieg. Gingen die Einnahmen zurück, so wuchsen anderseits die Ausgaben der staatlichen Verwaltung erheblich an. Auch die Vermehrung der fürstlichen Hofhaltungen erhöhte den Bedarf. Die Verpflichtung zu Reichssteuern, die Entlohnung der fürstlichen Räte und gelehrten Juristen durch Jahrgelder verlangten bare Mittel. Vor allem aber stellte das Heerwesen seit dem Übergang vom Lehnssystem zum Soldsystem große Anforderungen, da der Krieg durch Anwerbung von Söldnern, die man teils als Reiter-, teils als Fußtruppen organisierte, durch Abschluß von Kriegsdienstverträgen mit fremden und einheimischen Rittern, aber auch durch die Vervollkommnung der Technik, Wagenburgen, Pulver und Geschütze viel kostspieliger wurde als früher. Die häufig arg verschuldete Landesherrschaft konnte dem Nötigsten kaum genügen und sah sich doch neuen und großen Aufgaben gegenüber, welche die wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen, die eindringende Geldwirtschaft und die Veränderungen des Kriegswesens ihr stellten. Da half es nichts mehr, von den Resten alter Erträgnisse zu retten, was noch zu retten war, und einzelne Posten zu erhöhen. Die Not zwang dazu, mit dem veralteten System der Naturalwirtschaft, der Privilegierungen und Einzelrechte zu brechen, neue Quellen zu eröffnen, welche regelmäßige und reichlichere Einkünfte gewährten. Der Schwerpunkt des wirtschaftlichen Lebens hatte zur Feudalzeit in der Naturalwirtschaft gelegen. Mit den

132 Städten aber war das bewegliche Vermögen, Geld- und Kreditwesen emporgekommen. Sollte der Staat wieder leistungsfähig werden, so mußte er das bewegliche Kapital, die Großmacht des modernen Wirtschaftslebens, auf der das finanzielle und politische Ubergewicht der Städte beruhte, in seinen Dienst stellen. Die Grundlage für ein finanziell gesichertes Staatswesen aber konnte nur durch Einführung eines geldwirtschaftlichen Systems, einer zentralisierten Finanzverwaltung mit geordnetem Kontrollund Rechnun gswesen geschaffen werden. Die Finanzreform bildete daher die Kern- und Lebensfrage der Territorien, die gelöst werden mußte, wenn der Staat den wachsenden Aufgaben der Zeit gerecht werden sollte. Die Erkenntnis dieser Notwendigkeit leitete in ganz Deutschland hier früher, dort später zu durchgreifenden R e f o r m e n d e s S t e u e r w e s e n s hin. Der Zustand, den die Bedeverträge am Ende des 13. Jahrhunderts 1 ) geschaffen, war auf die Dauer nicht haltbar. Der Verzicht auf das einträgliche Besteuerungsrecht bedeutete für das Fürstentum eine schwere Niederlage und trug wesentlich dazu bei, das Übergewicht im inneren Kampfe zugunsten der Stände zu entscheiden. Die Entschädigung einer von den Ständen bisweilen gewährten fixierten ordentlichen Bede konnte den schweren Verlust, den jener erzwungene Verzicht bedeutete, längst nicht aufwiegen; denn die auf kleine Beträge festgesetzte ordentliche direkte Bede schmolz durch Veräußerung schnell zusammen und ließ als ein für allemal fixierte Abgabe eine Erhöhung ihres Betrages nicht zu. Die Befugnis des Fürsten aber, außerordentliche Steuern zu fordern, beschränkte sich seit den Bedeverträgen auf ganz wenige Fälle, Landesnot, Gefangenschaft des Landesherrn, Verheiratung einer Prinzessin, Schwertleite eines Prinzen; und selbst in diesen Fällen entsprach ») Vgl. S. 46 ff.

133 der landesherrlichen Berechtigung zur Steuerforderung keineswegs überall eine Verpflichtung der Landschaft, die Steuer zu gewähren1). Selbst im Falle der Kriegsnot verhandelten Landesherr und Stände wie zwei freie Kontrahenten über Gewährung der Steuer. Und vollends in anderen Fällen vermieden die Stände ängstlich, den Schein einer Verpflichtung zu erwecken. Sie behaupteten grundsätzlich das Recht voller Steuerfreiheit, wiesen ausdrücklich jede Verpflichtung ab, stellten einmal gewährte Zahlungen als freiwillige, vorübergehende, einmalige Leistung, als Zeichen ihres guten Willens hin und bestimmten neben Art und Umfang nicht selten auch die Verwendung der Abgabe. Der Landesherr aber erkannte das rechtliche Verhältnis an, indem er sich für die Leistung wie für ein Geschenk bedankte und den Bedezahlern Reverse, sog. »Schadlosbriefe«, ausstellte2) mit der Versicherung, daß die Steuer aus freiem Willen gezahlt sei, den Freiheiten und Privilegien der Stände nicht schädlich sein und vom Landesherrn nicht wieder gefordert werden sollte. Die Stände ließen sich dann zum Entgelt Güter oder nutzbare Rechte übertragen, Rechte bestätigen, Freiheiten oder Privilegien gewähren. An die Stelle einer »Auflegung der Besteuerung« seitens der Staatsgewalt war seit der Wende des 13. Jahrhunderts »die vertragsmäßige Regelung« der Steuer, »der Vertragsgesichtspunkt des do ut des« getreten, der »keine Identität zwischen Staats- und Volksinteresse und keine eigentlich rechtliche Verpflichtung zur Steuerleistung« kannte8). *) Vgl. Zeitschr. des bergischen Geschichtsver. Bd. 22, S. 60, Anm. 224. *) Die Sitte hat sich auch in der Folgezeit zum Teil zäh erhalten; in Krain z. B. bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts; vgl. Wlad. Levec, Die krainischen Landhandfesten, Mitteilungen des Instituts für österr. Geschichte, Innsbruck 1898, Bd. 19, S. 270. 3 ) Ad. Wagner, Finanzwissenschaft, Leipzig und Heidelberg 1880, Bd. 2, S. 200. Adolf Wagner scheidet in der Anordnung der

134 Diese eigenartige Behandlung des Steuerwesens erklärt sich zum Teil aus der privatrechtlichen Verbildung des Territorialstaates, den man als lehnbares Eigentum der Landesherrschaft betrachtete. Der Fürst behandelte sein Land wie Hausgut und bestritt daher sämtliche Ausgaben sowohl für den eignen Hofhalt wie auch für die staatliche Verwaltung und das Heereswesen aus der eignen Tasche. Der Begriff eines Landes- oder Staatsvermögens war der Zeit noch unbekannt. Die Vermischung von privatem und öffentlichem Recht, von Hof- und Staatshaushalt ließ klare Vorstellungen von einer Steuerpflicht der Untertanen nicht entstehen. Am ehesten trat das öffentlich-rechtliche Moment der Besteuerung noch im Falle der Kriegsnot hervor, die auch das Interesse der Stände aufs nächste berührte. Eine andere Auffassung und Behandlung des Steuerwesens mußte sich notwendig ergeben, als mit fortschreitender Entwicklung des staatlichen Lebens der Finanzbedarf unaufhörlich wuchs und das zu neuem Bewußtsein seiner Aufgaben gehobene Fürstentum sich mit der Kraft des Obrigkeitsgedankens erfüllte. Das Fürstentum, das sich als Landeshoheit fühlte, setzte sich über die Privilegien und Einzelrechte hinweg und nahm auf Grund der obrigkeitlichen Gewalt das Recht auf Besteuerung aller Untertanen ohne Unterschied des Standes und der Geburt für sich in Anspruch. Schon die neue Bezeichnung »Landbede«, »Landschoß« betonte die Pflicht des ganzen Volks zur Steuerzahlung und die Ausdehnung der Steuerpflicht auf den vollen Umfang des Landes. Besteuerung drei Rechtsformen: 1. »Auflegung« seitens der Staatsgewalt, 2. »vertragsmäßige Regelung« und 3. »verfassungsmäßige Regelung der Besteuerung«. Die zweite F o r m war dem Ständestaate des Mittelalters eigentümlich; doch erhielt sie sich in einzelnen Fällen bis ins 17. und 18. Jahrhundert hinein. »Noch lange blieb der landständischen Steuerverfassung etwas von dem alten Charakter.«

135 Die veränderten Bedürfnisse und Anschauungen, die im 15. Jahrhundert mehr und mehr durchdrangen, führten notwendig auch zu neuen Formen der Steuerbewilligung. Das bisherige höchst umständliche Verfahren der Landesherrschaft, mit e i n z e l n e n ständischen Gruppen, zahlreichen e i n z e l n e n Städten und Patrimonialherren zu verhandeln und den Willen der Steuerzahler durch Versprechungen, Verleihung immer neuer Rechte, Vergünstigungen, Freiheiten gefügig zu machen, erforderte große Unkosten und deckte längst nicht den nötigen Bedarf. Das unwürdige Handeln und Feilschen stand in unvereinbarem Widerspruch zur veränderten Auffassung des Untertanenverhältnisses und der fürstlichen Gewalt; und wie ließ sich auf dem gewohnten Wege eine gleichmäßige Verteilung der Steuerlast auf die Landesbewohner erzielen! Die Verhältnisse nötigten dazu, die Gesamtheit der Stände aufzubieten und sie in korporativem Verein zur Bewilligung allgemeiner Landessteuern zu erziehen. Die Schöpfung eines solchen Verbandes aber entsprach wohl den Interessen der Herrschaft, nicht immer dagegen denen der einzelnen Stände und rief daher bisweilen lebhaften Widerstand hervor, besonders dort, wo die Landschaft in freier Einung zum Schutz der Steuerfreiheit und anderer Gerechtsame kampfbereit dem Fürsten gegenüberstand. Der Erfolg der Landesherrschaft hing daher zum Teil davon ab, ob es ihr gelang, die Kraft des Einungswesens zu brechen nnd mit dem Anspruch auf ein ausschließliches Recht zur Einberufung der Stände durchzudringen. Das Einungswesen1) ging seit der Mitte des 15. Jahrhunderts entschieden zurück. Das Fürstentum betrachtete eigenmächtige Bündnisse und Verbrüderungen der Untertanen schon längst als Eingriff in seine Regentenrechte. Die goldene Bulle ') Vgl. S. 94 ff., 113.

136 Karls IV., die im 15. Kapitel »de conspirationibus« Verschwörungen untersagte, bezog sich vielleicht noch nicht auf ständische Einungen. Aber sie bezeichnete deutlich die Richtung der fürstlichen Politik. Die Erhebung des Fürstentums reizte zunächst die Stände, sich zur Wehr zu setzen; die Einungsbewegung nahm in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einen neuen Aufschwung. Die zentralistische Tendenz der Landesherrschaft indessen begann um die Mitte des 15. Jahrhunderts mehr und mehr durchzudringen. Friedrich IL von Hohenzollern vernichtete damals die Privilegien der märkischen Städte und gebot den Ständen, Bündnisse nur mit der Herrschaft Willen zu schließen. Die Hochmeister des Deutschordens sprachen gewiß im Sinne ihrer fürstlichen Standesgenossen, wenn sie die Einung der preußischen Stände als »conspirationes« verdammten und gegen sie den Schutz des kaiserlichen Hofgerichtes anriefen 1 ). Der Kurfürst von Trier verlangte 1456 von Kaiser und Papst die Vernichtung der von seinen Ständen geschlossenen Einung, weil sie gegen die Obrigkeit des Erzbischofs, die Hoheit des Kaisers und die Würde des Papstes gerichtet wäre. Kaiser Friedrich III. gebot darauf in einem Mandat vom 18. April 1457 den Städten des Erzstiftes, das Bündnis, das nicht allein dem Erzbischof und Erzstift merklichen Schaden und Nachteil ihrer Gerechtsame, sondern »auch dem Kaiser und Reich an ihren Obrigkeiten, Herrlich- und Gerechtigkeiten Nachteil bringen mochte«, binnen sechs Wochen und drei Tagen ganz abzutun; und als die Trierschen Stände das Gebot nicht beachteten, kassierte auch der Papst am 8. August 1457 das Bündnis bei Strafe des Bannes 2 ). ') E. Blumhoff, Beiträge zur Geschichte und Entwicklung der westpreußischen Stände im 15. Jahrhundert, Zeitschrift des westpreuß. Geschichtsvereins, Danzig 1894, Heft 34, S. 5ff., S. 66. *) J. J. Moser, Von der teutschen Reichsstände Landen, S. 660.

137 Der Kampf um das Selbstversammlungsrecht wogte hin und her. Erst seit dem ewigen Landfrieden (1495) wurde das Recht der freien Einung ernstlich und ziemlich allgemein bestritten. Kaiser Karl V. versprach in der Wahlkapitulation (1519), »alle unziemliche, gehässige Bündnis, Verstrickung und Zusammentun der Untertanen, des Adels und gemeinen Volks . . . aufzuheben.« Die freie Einung hob sich nichtsdestoweniger nochmals am Anfange des 16. Jahrhunderts als Reaktion gegen die absolutistischen Bestrebungen des Fürstentums. Dann aber sank sie mit dem Versiegen der schöpferischen Kraft des Volkes, nach Beendigung des Bauernkrieges mehr und mehr zur bedeutungslosen Form herab. Die allmähliche Beseitigung des freien Einungsrechtes entzog den Ständen das wirksamste Kampfmittel. Die Landesherrschaft aber beschränkte sich nicht darauf, Eigenmächtigkeiten der Landschaft zu unterbinden, sondern verfolgte zugleich positive Zwecke; sie nahm das Versammlungsrecht der Stände, von deren Gemeinschaft sie Landessteuern fordern mußte, für s i c h in Anspruch. Das gelang ihr im allgemeinen dort verhältnismäßig leicht, wo die Landschaft infolge geringer Entfaltung oder durch frühzeitiges Erlahmen der Einungsbewegung weniger Selbständigkeit und Widerstandskraft besaß. Die Stände Jülichs z. B. scheinen nicht einmal selbst sich das Recht beigelegt zu haben, nach Belieben zusammenzutreten 1 ). Die bayerische Landschaft dagegen behauptete ziemlich lange ihre Selbständigkeit. Sie erhob unter Ludwig dem Reichen (f 1479) die Forderung, jährlich geladen zu werden. Der Herzog aber ließ seinen freien Willen nicht beschränken und wies im Bewußtsein seiner obrigkeitlichen Pflichten auf sein gutes Recht hin, die Stände zu berufen, »wann *) G. v. S. 36, 71.

Below,

Landtagsakten

von

Jtilich-Berg,

Bd. 1,

138 und so oft es ihn not dünkte«1). Die Tatsache, daß es in Tirol bereits 1444 2 ), in Vorderösterreich 1468 8 ) eine Matrikel (»Landleutzettel«) gab, würde auch mangels anderer Zeugnisse den Beweis liefern, daß die Landesherrschaft hier bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts Landtage abzuhalten pflegte. Auch die Generalstände der Niederlande durften nur auf Geheiß des Fürsten zusammentreten. Das Privileg von 1477 bestätigte ihnen zwar das Recht, sich aus eigenem Antriebe, d. i. ohne vorherige Einberufung, zu versammeln; »aber diese Neuerung blieb ein toter Buchstabe« 4 ). Das Selbstversammlungsrecht wurde den Ständen am Anfang des 16. Jahrhunderts allenthalben geraubt, »auch den Ständen von Geldern, die es bis zum Anfalle dieser Landschaft an Karl V. besessen hatten. Von jetzt ab traten die Stände nur auf Berufung seitens des Provinzialstatthalters im Auftrage der Zentralregierung zusammen«5). Die Landesherrschaft hielt immer beharrlicher an dem Grundsatz fest, daß die Stände sich nicht aus eignem Antriebe versammeln dürften, sondern nur nach dem Willen des Fürsten; und schon im 15. Jahrhundert ist es ihr bis zum gewissen Grade gelungen, dieser neuen Auffassung des Obrigkeitsstaates Geltung zu schaffen8). ) Fr. v. Krenner, Bayerische Landtagsverhandlungen, Bd. 7, S. 292, 330, 417; vgl. S. Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 663, 664. *) A. Jäger a. a. O. Bd. II 2, S. 514. Maximilian verbot 1499, ohne besonderen Befehl des Landesherrn einen Landtag zu halten; vgl. auch Bd. II 2, S. 430. *) H. J . Schwarzweber a. a. O. S. 229ff., 265. 4 ) H. Pirenne a. a. O. Bd. 3, S. 246, 248; vgl. auch S. 476, 478. 5 ) Fei. Rachfahl, Wilhelm von Oranien, Bd. 1, S. 536. •) Vgl. auch Unger a. a. O. Bd. 2, S. 140ff.; G. v. Below, Territorium und Stadt, S. 235; A. Luschin v. Ebengreuth, österreichische Reichgeschichte, S. 181; Joh. W. Neumann, Geschichte der Landstände der Niederlausitz, 1843, S. 121. — Der Abt von Fulda beschwerte sich 1517 bei dem Kaiser darüber, daß seine Landstände sich erlaubten, eigenmächtig Landtage auszuschreiben. J

139 Die Formen und Mittel, deren sich die Landesherrschaft bediente, u m ihren Anspruch auf Einberufung der Stände durchzusetzen, unterschieden sich nicht unwesentlich nach Personen und Verhältnissen, nach der ungleichen Verteilung der Machtverhältnisse, der verschiedenartigen Zusammensetzung der Territorien. Meist jedoch bot die Existenz eines Rates, der nach seiner Zusammensetzung auch in weltlichen Territorien mehr und mehr die äußere Form eines ständischen Ausschusses annahm 1 ), der Landesherrschaft zum wenigsten die Möglichkeit, Fühlung mit den ständischen Gruppen zu halten und den Rat durch Einberufung solcher ständischen Vertreter, die nicht Ratsposten bekleideten, zu allgemeineren Ständeversammlungen zu erweitern. Die Prälaten, Herren und Ritter, die dem Kurfürsten Albrecht Achill 1480 x

) Der Rat bestand in geistlichen Fürstentümern nicht selten schon um 1300 aus Mitgliedern der drei Stände, des Domkapitels, des Rittertums und der Bürgerschaft, während er in weltlichen Territorien bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts überwiegend aus Ritterbürtigen zusammengesetzt war; vgl. S. 62 ff. Doch drangen auch hier seit dem 14. Jahrhundert allmählich Kleriker und Bürgerliche in den Rat ein. So erhielten die Städte in Lüneburg zuerst 1373, im Braunschweigischen seit 1374 Vertretung im herzoglichen Rate. »1386 sehen wir zum ersten Male einen Ausschuß aus allen drei Ständen im Rate des Herzogs vertreten, und seitdem sind die Regierungshandlungen der Herzoge regelmäßig abhängig von dem Rate der Prälaten, der Mannschaft und der Städte«; Herden a. a. O. S. 53. Als die Herzoge von Mecklenburg 1492 »die Abstellung der willkürlich eingeführten Akzise verlangten, bezogen sie sich auf einen deshalb mit den geistlichen und weltlichen Räten der drei Lande gefaßten Beschluß«; C. Hegel a. a. O. S. 102, 116. In Anhalt gehörten Bürgerliche seit dem 15. Jahrhundert dem Rat an; Ulrich Schrecker, Das landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, Breslau 1906, S. 67. Der Bischof von Freising ist 1381, der Bischof von Passau 1413 als österreichischer Rat genannt; H. v. Srbik a. a. O. S. 72. Der Bischof von Schleswig wird um 1414 als fürstlicher Rat bezeichnet; G. Waitz, Geschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 1, S. 361, 362. Das bürgerliche Element ist seit dem 15. Jahrhundert durch den Eintritt der Gelehrten verstärkt worden.

140 Beiträge zur Tilgung von Landeschulden gewähren sollten, waren fast ausnahmslos kurfürstliche Räte 1 ). Das Verfahren der Hohenzollern, zu den Landtagen (des 15. Jahrhunderts) außer städtischen Abgeordneten mit Vorliebe kurfürstliche Räte zu laden, ist gewiß nicht vereinzelt geblieben. Man wird vielmehr annehmen dürfen, daß in jener Übergangszeit, die meist noch keine Matrikeln und feste Bestimmungen über Landtagsfähigkeit kannte, die eigenartige Mittelstellung des Rates auch in anderen Territorien, vielleicht sogar ziemlich allgemein benützt worden ist, um Widersetzlichkeit der Stände zu überwinden und den nach dem Willen der Landesherrschaft berufenen Landtag als bleibende Institution der ständischen Verfassung einzufügen. Ein praktisches Bedürfnis vornehmlich nötigte die Landesherrschaft, das Recht zur Einberufung der Stände für sich in Anspruch zu nehmen: Die Notwendigkeit nämlich, zur Deckung des wachsenden Finanzbedarfs in allgemeinen Landessteuern neue Geldquellen zu eröffnen. Einst, um die Wende des 13. Jahrhunderts, hatten sich die Stände in freier Einung verbunden, um Bede und andere Lasten von sich abzuschütteln; jetzt einte das Fürstentum die Stände, um sich von Landtagen die unentbehrlichen allgemeinen Steuern bewilligen zu lassen. Der Ubergang zur verfassungsmäßigen Bewilligung der Steuern durch Landtage vollzog sich (häufig unmerklich) im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts. Sobald der Landtag eine dauernde Einrichtung geworden, war die landständische Verfassung vollendet. Es lag natürlich im Interesse der Landesherrschaft, ihren Zweck, die Bewilligung allgemeiner Landessteuern, möglichst vollkommen zu erreichen. Sie suchte daher dem Landtage korporative Festigkeit zu geben, vor allem dem 1

) Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, S. 104, 105, 105 Anm. 3.

141 M e h r h e i t s p r i n z i p e bei der Abstimmung und dem ständischen V e r t r e t u n g s g e d a n k e n möglichst weite Geltung zu schaffen. Ein voller Erfolg der Landesherrschaft war zum Teil davon abhängig, ob es ihr gelang, mit Hilfe des M a j o r i t ä t s p r i n z i p e s einen einstimmigen, alle bindenden Landtagsbeschluß zu erzielen, ein Steuergesetz zu schaffen. Die Unterwerfung unter den Willen der Mehrheit aber erforderte Opfer und rief daher Widerstand hervor, der zuweilen unüberwindlich war. So versuchten z. B. die Söhne Philipps von Kurpfalz im 16. Jahrhundert vergeblich, eine landständische Verfassung einzuführen; »sie scheiterten an der Abneigung der Untertanen, zugunsten von Majoritätsbeschlüssen irgend etwas von ihren Privilegien zu opfern, welche den Fürsten zwangen, wegen jeder Bewilligung mit jeder einzelnen Stadt und jedem Amte besonders zu unterhandeln« 1 ). Auch sonst drang die Ansicht durch, daß jeder auf dem Landtag nur für sich selbst und seine Hintersassen bewilligen dürfte und niemand ein Recht dazu hätte, über den Geldbeutel des andern zu verfügen. So fehlte z. B. in Holland das Mehrheitsprinzip bei Beschlüssen über Steuerbewilligung; »jeder Deputierte vertrat auf der Ständeversammlung nur seinen besonderen Kommittenten, und nur wenn alle Stimmen einig waren, konnten die Stände einen das ganze Land bindenden Beschluß fassen; . . . wenn auch nur eine einzige Stimme dissentierte, so war die ständische Verfassung außer Kraft gesetzt«. Und auch in Brabant konnte weder das einzelne Ständemitglied innerhalb seiner Kurie noch auch eine Kurie von zwei anderen überstimmt werden. Dieser Zustand erwies sich selbst in Brabant auf die Dauer als unhaltbar; man erfand daher für den Fall der Not als Surrogat für das fehlende Majoritätsprinzip das Mittel ') Eberhard Gothein, Die Landstände der Pfalz, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, herausgegeben von der badischen histor. Kommission, Bd. 42 (N. F. Bd. 3), S. 2.

142 der »Vervangung« oder »Komprehension.« Die Regierung stellte nämlich, falls die Opposition sich durchaus nicht gewinnen ließ, an die gefügigen Stände das Ansinnen, die opponierenden Stände in ihren Beschluß einzuschließen, zu »vervangen« (comprehendere). Geschah dies, so galt die Steuer als bewilligt1). Durch diese außerordentlichen Maßnahmen »supplierte man gleichsam aus königlicher Machtvollkommenheit der Ständeverfassung das ihr fehlende Mehrheitsprinzip«2). Die Zustände der Niederlande aber, wo die Versammlungen der Generalstaaten mehr Kongressen ständischer Abgeordneten, als wirklichen Landtagen glichen, wichen doch erheblich von dem allgemeinen Typus ständischer Verfassungen ab. Die landständische Korporation besaß in den meisten deutschen Landschaften größere Festigkeit; und mehrfach gelang es hier schon im 15. Jahrhundert, wenn auch nicht ohne Druck und Zwang, dem Mehrheitsprinzip zum mindesten bei Verhandlungen innerhalb der einzelnen Kurie eine gewisse Beachtung zu sichern. Kurfürst Albrecht Achill lud die altmärkischen Stände 1473 wegen ihrer Zahlungsverweigerung nach Berlin und machte es ihnen als dem bei weitem »mindesten Teil« zur Pflicht, sich dem Beschluß der Mehrheit zu fügen8). Als die mecklenburgischen Vögte 1489 eine Bede auf den Rostocker Landgütern erhoben und Rostock selbst ein Recht der Steuerfreiheit beanspruchte, erwiderten die Herzoge: »da alle gute Mannen und Untersassen, geistliche und *) Fei. Rachfahl, Wilhelm von Oranien und der niederländische Aufstand, HaUe a. S. 1906, Bd. 1, S. 526ff., 537ff. l ) Ebendas. S. 540. Rachfahl bemerkt (S. 550), es hätte lediglich der Einführung »gemeinsamer Beschlußfassung nach Maßgabe des Mehrheitsprinzipes bedurft, um die niederländischen Generalstaaten auf die Stufe einer staatsrechtlich vollgültigen und politisch leistungsfähigen Landesvertretung zu erheben«.

') Joh. G. Droysen, Bd. II 1, S. 480, 481.

Geschichte

der preußischen

Politik,

143 weltliche, in unsern Landen und Herrschaften besessen, sowie auch unsere eignen Bauern solche Bede zugesagt,« so könnten die von Rostock gleichfalls nicht übersehen werden. Die Rostocker m u ß t e n zahlen 1 ). Die Entscheidung der Frage, ob ein Ständemitglied zur Zahlung verpflichtet wäre oder nicht, hing sehr häufig davon ab, ob es die Macht besaß, seinen Ansprach auf Steuerfreiheit zu behaupten. Die Macht der Stände aber sank im allgemeinen, je mehr die obrigkeitliche Staatsidee sich durchsetzte. Dazu kam, daß es der Landesherrschaft mit der Zeit gelang, auch indirekte Steuern vom Landtage zu erhalten, bei diesen aber eine Scheidung zwischen denjenigen Personen, welche die Zahlung bewilligt und verweigert hatten, sich nicht durchführen ließ. Der Anspruch, daß jedes Ständemitglied die Steuer nur für sich bewilligen dürfte, konnte hier nicht anerkannt werden. Die Gewährung des Ungelts verpflichtete natürlich das ganze Land, nicht bloß die Bewilligenden. Die Einbürgerung indirekter Steuern trug daher nicht unwesentlich dazu bei, dem Satz, daß eine von der Majorität bewilligte Steuer das ganze Land binde, allgemeinere Geltung zu schaffen 2 ). Während das Mehrheitsprinzip sich nur unter günstigen Verhältnissen durchsetzen ließ, gehörte die V e r t r e t u n g s b e f u g n i s 3 ) zum Wesen der landständischen Verfassung. *) C. Hegel a. a. O. S. 109ff. ») Vgl. O. Gierke a. a. O. Bd. 1, S. 563, 571; C. Hegel a. a. O. S. 109: »Es ist schon im allgemeinen bemerkt worden, daß eine von der Mehrzahl der Stände bewilligte Steuer als für alle angenommen galt«; G. v. Below, Landtagsakten von Jülich und Berg, BcL 1, S. 43 ff.: Ritterschaft und Städte berieten für sich; innerhalb der einzelnen Kurien entschied die Majorität; E . Werunsky, österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte, Wien 1898, S. 188; Fei. Rachfahl, Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens, S. 148. *) Vgl. Wilda, Artikel »Landstände«, im Rechtslexikon herausgegeben von Jul. Weiske, Leipzig 1845, Bd. 6, S. 818ff.;

144 Die Vertretungskompetenz der Stände trat dort am deutlichsten hervor, wo die Landtagsfähigkeit sich auf einzelne ständische Gruppen oder innerhalb derselben gar nur auf einen auserlesenen Kreis beschränkte und die von diesen gefaßten Beschlüsse trotzdem das ganze Land verpflichteten. Die Bevölkerung des flachen Landes hatte nur ausnahmsweise, z. B. in Tirol, Ostfriesland und einigen minder bedeutenden Landschaften1), unmittelbare Vertretung im Landtage. Während sie im Osten des Reiches regelmäßig im Hintersassenverhältnis lebte, erhielten sich im Westen, z. B. in Westfalen und am Niederrhein, zahlreiche vollfreie Bauern. Sie sahen sich von der Landesvertretung ausgeschlossen und mußten doch gleich den sog. Freien und Schatzleuten von Jülich-Berg2) die von den anderen Ständen, von Ritterschaft und Städten bewilligten Landessteuern zahlen. Der geistliche Stand war in Jülich-Berg, Geldern usw. überhaupt nicht, in Seeland allein durch den Abt von St. Nikolaus in Middelburg, in manchen Territorien nur Fr. W. Unger a. a. O. Bd. 2, S. 429ff.; O. Gierke a. a. O. Bd. 1, S. 573 ff.; G. v. Below, Zeitschr. des bergischen Geschichtsvereins, 1886, Bd. 22, S. 12 ff., S. 66: »Seit der ersten Begründung von Landständen haben wir jedenfalls ein Zwangsgemeinwesen«; Ders.ebendas. Bd. 21, S. 176: »Die Landstände des deutschen Mittelalters waren gewisse bevorzugte Klassen eines Territoriums in korporativer Vereinigung, die dem Landesherrn gegenüber das Land vertraten«; Ders., Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd. 1, S. 55, Territorium und Stadt, S. 243 ff. Die Rechtsstellung der Landstände als Landesvertretung ist eingehend und scharfsinnig nachgewiesen worden von Fei. Rachfahl: Der dualistische Ständestaat in Deutschland, Jahrb. für Gesetzgebung, Jahrg. 26,1902, S. 192ff.; Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, Jahrb. f. Gesetzgebung, Bd. 33, S. 99 ff., S. 103 ff.; Wilhelm von Oranien und der niederländische Aufstand, Halle a. S. 1906, Bd. 1, S. 524 ff. ») Rachfahl, Wilhelm von Oranien, Bd. 1, S. 532. *) Zeitschr. des bergischen Geschichtsver., Bd. 22, S. 8, 71; Bd. 28, S. 45ff.; Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd. 1, S. 56.

145 durch den hohen Klerus, die Bischöfe des Landes, vertreten. Ebenso besaßen die Immediatstädte der deutschen Fürstentümer bei weitem nicht vollzählig Sitz und Stimme auf dem Landtage. Und selbst die Landtagsfähigkeit der Ritterschaft bzw. des Adels beschränkte sich namentlich im Westen auf bestimmte Kreise innerhalb des Standes, in Jülich-Berg z. B. auf die Burgenbesitzer, in Geldern auf die Bannerherren, in den niederländischen Provinzen Namur und Welschflandern auf solche Adelige, welche »eine Herrschaft mit hoher Gerichtsbarkeit und festem Wohnsitz im Lande hatten«1). Die Städte beschickten in Flandern und Württemberg fast ausschließlich den Landtag und bildeten doch eine wirkliche L a n d e s Vertretung. Anderseits besaßen im Osten bisweilen s ä m t l i c h e lokalen Obrigkeiten, Immediatstädte, geistliche und ritterbürtige Grundherren auf Grund des Lehnsnexus und der obrigkeitlichen Stellung Sitz und Stimme auf dem Landtage2), so daß hier sich unter Umständen die Gesamtheit der von Landtagsberechtigten vertretenen städtischen und ländlichen Gebiete mit dem ganzen Lande vollständig deckte. Das geschah dort, wo die gesamte bäuerliche Bevölkerung sich im Hintersassenverhältnis befand und sämtliche Obrigkeiten in Stadt und Land Landtagsfähigkeit besaßen. Eine solche Zusammensetzung des Landtags konnte allerdings den Anschein erwecken, als ob jedes StändeRachfahl, Wilhelm von Oranien, Bd. 1, S. 530if. *) Vgl. M. Haß, Die landständische Verfassung und Verwaltung in der Kurmark Brandenburg während der Regierung des Kurfürsten Johann Georg (1571—1598), Diss. Berlin 1905, S. 14ff. Die Geltung der alten Theorie, daß in den Landtagen rein geographisch das gesamte Land vertreten gewesen sei, auf ganz Ostdeutschland auszudehnen (vgl. Haß S. 46), geht m. E. zu weit. Sie trifft z. B. auf Schlesien und Ostpreußen nicht zu; vgl. Töppen, Zur Geschichte der ständischen Verhältnisse in Preußen, Histor. Taschenbuch, N. F. Bd. 8, S. 316ff. S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat.

10

146 mitglied bloß sich selbst vertrat und also die Gesamtheit der Stände nicht sowohl eine Landesvertretung als vielmehr einen Verband von »Mitherren« bildete. Die Tatsache jedoch, daß die Stände vor allem ihr eignes Interesse wahrnahmen, berechtigt noch nicht, ihnen den Vertretungscharakter abzusprechen. Sie nahmen selbst das Recht der Vertretung in Anspruch, bezeichneten sich geradezu als »Landschaft«, »Ritterschaft, Städte und gemeines Land» u. dgl.; und anderseits verlieh die Landesherrschaft Privilegien und Rechte nicht nur den Ständen, sondern dem ganzen Lande und erkannte den Ständen das Recht zu, an Stelle des handlungsunfähigen, wenn auch keineswegs rechtlosen Landes die Interessen der Gesamtheit wahrzunehmen. Die Vertretungskompetenz ist den Ständen nicht auf Grund einer Vollmacht der Vertretenen, nicht durch einen vom Lande erteilten Auftrag zugefallen1); sie geht vielmehr ihrem rechtlichen Ursprünge nach auf die landesherrliche Gewalt zurück, mag nun eine gewohnheitsrechtliche Bildung direkt oder indirekt vom Fürstentum anerkannt oder das Recht durch ausdrückliche Anordnung begründet worden sein2). *) Th. Mündt, Geschichte der deutschen Stände, Berlin 1854, S. 404, 405: Die Landesrepräsentation, »welche ohne Zweifel von den Ständen ausgeübt wurde, trug freilich mehr den vormundschaftlichen Charakter an sich, als daß darin ein der Volksgesamtheit als solcher entflossenes Recht zur Wahrung ihrer Interessen in Vollzug gesetzt worden wäre«; Fei. Rachfahl, Jahrb. für Gesetzgebung, Bd. 33, S. 110: »Die Untertanen sind in ihrer Gesamtheit keineswegs politisch rechtlos; aber sie sind nicht selbst zur Wahrnehmung ihrer Rechte befugt, sondern sie werden politisch und staatsrechtlich nach der Analogie Unmündiger behandelt. « *) Rachfahl, Jahrb. für Gesetzgebung, Bd. 33, S. 100: »Die landständische Verfassung ist, was das rechtliche Prinzip ihres Ursprungs anbelangt, eine Schöpfung des Landesherrn.«

147 Die landständische Korporation als rechtlich anerkannte Vertretung des Landes ist somit nicht eine gewillkürte Genossenschaft, sondern eine Zwangsgemeinschaft, nicht ein Werk der in freier Einung verbundener* Stände, sondern eine Schöpfung der Landesobrigkeit gewesen.

VIII. Die Vertretungsbefugnis gehört zu den eigentümlichen Merkmalen der landständischen Verfassung1). Sie ist den Ständen von der Landesherrschaft im Interesse der Steuerhebung zuerkannt worden. Die Ansichten über das Wesen der landständischen Verfassung gehen freilich noch weit auseinander. Die einen glauben, »Landstände« schon dann annehmen zu können, sobald »in allgemeinen Landesangelegenheiten das Beraten des Fürsten oder mehr gewissen Klassen der Bevölkerung als Recht eingeräumt ist« 2 ). Andere finden ein Kriterium für die Entstehung einer landständischen Verfassung in der Verpflichtung des Fürstentums, in gewissen wichtigen Angelegenheiten, wie z. B. Landesveräußerung oder Abschluß eines Bündnisses, den Konsens der Stände einzuholen. Diese Verpflichtung bestand sehr häufig in geistlichen Territorien, wo der Bischof bei Verleihung kirchlicher Lehen, bei Veräußerung von Stifts- und Tafelgut u. dgl. an die Zustimmung des Domkapitels, zuweilen auch der Ritterschaft gebunden war. Aber auch in weltlichen Territorien nahmen die Stände gleiche Befugnisse in Anspruch. Die bergische Regierung z. B. erteilte wiederholt die Versicherung, daß kein Stück Landes ohne Zustimmung der Stände, der Ritterschaft ') F. Rachfahl, Jahrb. für Gesetzgebung, Jahrg. 33, S. 103ff. ) A. Luschin v. Ebengreuth, österreichische Reichsgeschichte, S. 176, 177 und Histor. Zeitschrift, Bd. 78, S. 439; vgl. dazu Rachfahls Kritik im Jahrb. für Gesetzgebung, Jahrg. 33, S. 93, 94. 2

148 und Städte, veräußert werden sollte1). Die bayerischen Herzoge versprachen, ihren Rat zu bestellen »nach Rat der Ritter und Knecht und unser Städte«, »nichts zu versetzen noch zu verkaufen, es geschähe denn mit unserer Rät und Landschaft Rat und Heißen«2); ja sie verpflichteten sich selbst, »keinen namhaften Krieg anzufangen, denn nach Rat der Landherren, Ritter und Knechte, Städte und Märkte« 8 ); und auch anderwärts machte man der Landschaft gleiche Konzessionen. Diese Zugeständnisse begründeten eine gewisse Mitwirkung der Stände am fürstlichen Regiment, aber keineswegs eine Vertretungsbefugnis. Die Stände bezweckten mit Erwerbung des Konsensrechtes weniger, politische Rechte für sich zu erwerben als vielmehr Mißbräuchen und Schädigungen durch Teilung des Landes, Veräußerung von Gebietsteilen u. dgl. vorzubeugen; es handelt sich um Einschränkung der Regierungsgewalt durch ständischen Konsens, um §ine vom Fürsten in gewissen Fällen zugestandene Beteiligung am Regiment, die man nur als eine Art Mitregentschaft bezeichnen kann. Die Vertretungsbefugnis dagegen trat erst in solchen Fällen klar hervor, wo es sich um Verfügung über Gut und Rechte des Landes, der Vertretenen selbst handelte, d. i. bei Bewilligung von Steuern und militärischen Leistungen; und jedenfalls erst zum Zwecke der Steuerbewilligung ist der Landtag 4 ), das unentbehrliche Glied der ständischen Verfassung, als deren f e s t e s Institut ins Leben getreten. ') G. v. Below, Zeitschrift des Ver. für bergische Geschichte, Bd. 22, S. 29, 37, 38, 53 ff.; Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd. 1, S. 92. *) v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. 50ff. (1402). ») Ebendas. S. 36ff. (1393). *) Uber das Aufkommen des Wortes »Landtag« zur Bezeichnung ständischer Versammlungen vgl. G. v. Below, Territorium und Stadt, S. 183 Anm. 2.

149 Die rechtliche Stellung der Landstände, nicht bloß ihre Vertretungsbeftignis, hat sich am Steuerwesen ausgebildet. Steuerbewilligung war das wichtigste Recht der Landstände, der »Eck- und Grundstein ihrer gesamten Macht- und Rechtsstellung«. Man erhob freilich allgemeine Landessteuern ausnahmsweise schon in einer Zeit, in welcher unzweifelhaft noch keine landständische Verfassung existierte. Die Fürsten forderten Landbeden bereits während des 14. Jahrhunderts häufig in der Art, daß sie ohne allgemeine Versammlungen zu berufen, direkt oder indirekt mit den einzelnen Lokalobrigkeiten in Stadt und Land verhandelten. So geschah es z. B. bei einer Viehsteuer, welche Herzog Ludwig 1356 von Oberbayern erhielt. Der Herzog sagte im Schadlosbrief: »und haben b e s a n t unser lieb getrewen ritter und knechte, stet und märgt l i b e r a l in unserm land zu Oberbayern; und haben die gebeten umb ein hilff mit einer viehstewer. Und die sind darueber ze rat worden und überein komen von iren trewen« 1 ). Die Idee der Selbständigkeit der ein zelnen Stände überwog hier noch ganz; das korporative Element war nur sehr mangelhaft oder gar nicht ausgebildet. Die Anordnung der Steuer geschah also in der üblichen vertragsmäßigen Form, nicht durch Bewilligung eines Landtags. Daneben aber kam es auch vor, daß die steuerbedürftige Landesherrschaft ständische Vertreter zu allgemeinen Tagungen berief, die sich in der Form von späteren Landtagen nicht unterschieden. So verlangte z. B. der Hochmeister des Deutschordens im Februar 1411 auf der Tagfahrt zu Osterode einen allgemeinen Landschoß von Geistlichen und Weltlichen, Ritterschaft und Städten. Die Tagung jedoch trug noch ganz den Charakter einer außerordentlichen Versammlung und konnte schon aus diesem Grunde nicht als Anfang einer landständischen Verfassung gelten, die in Ost>) v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. CCIII.

150 preußen erst nach Beendigung des langen Bürgerkrieges entstanden sein kann. Die Nachricht, daß allgemeine Landessteuern erhoben sind, darf also nicht ohne weiteres als Anzeichen für die Entstehung einer landständischen Verfassung angesehen werden — ganz abgesehen davon, daß unsere Kenntnis des Steuerwesens in der Zeit des Ubergangs vom Mittelalter zur Neuzeit noch außerordentlich lückenhaft1) ist. l

) Die wichtigste Literatur zur Geschichte der außerordentlichen direkten (landständischen) Steuern habe ich in der Arbeit über die Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, S. 372 Anm. 4 angeführt. Die Arbeit G. v. Belows über Jülich-Berg ist auch hier grundlegend. Daneben kommen besonders Joh. Falke, Die Steuerbewilligungen der Landstande im Kurfürstentum Sachsen bis zu Anfang des 17. Jahrh., Tübinger Zeitschr. für die ges. Staatswissenschaft, Bd. 30, 31, 1874, 1875 und Ludwig Hoffmann, Geschichte der direkten Steuern in Bayern vom Ende des 13. bis zum Beginn des 19. Jahrh., Schmollers staats- und sozialwissenschaftl. Forsch., 1883, Bd. 4, Heft 5 in Betracht. Sonst fehlt es an sorgfältigen und sachkundigen Monographien über das ständische Steuerwesen des ausgehenden Mittelalters, das häufig nur einleitungsweise oder ganz oberflächlich, ohne Berücksichtigung der für die landständische Entwicklung wesentlichen Momente (des ersten Aufkommens allgemeiner Landessteuern usw.) behandelt wird. Das gilt — wenigstens für die ältere Zeit — auch von der Monographie Fr. v. Mensis, Geschichte der direkten Steuern in Steiermark bis zum Regierungsantritt Maria Theresias, Forschungen zur Verfassungsund Verwaltungsgeschichte der Steiermark, 1910, Bd. 7. Erwähnt seien noch zwei kürzlich erschienene Dissertationen: Heinrich Plönes, Die direkten Staatssteuern unter den Grafen und Herzogen von Geldern bis zur Zeit des Venloer Traktats (1543), Münstersche Beiträge, Heft 25, Münster 1909; Karl Sterzenbach, Das Steuerwesen des Siegerlandes im Mittelalter, Diss. Münster i. W. 1911, S. 37 ff. Vgl. auch Unger a. a. O. Bd. 2, S. 386—426; K. Maurer, Artikel »Landstände« im Deutschen Staatswörterbuch, Stuttgart und Leipzig 1861, Bd. 6, S. 258ff.; O. Gierke a. a. O., Bd. 1, S. 569ff.; G. Schmoller, Umrisse und Untersuchungen, Leipzig 1898, S. 29ff., 117ff.; v. Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. CCLXXXIIIff.; Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 730ff.; Alf. Dopsch, Beiträge zur

151 Von einer landständischen Verfassung dürfen wir vielmehr erst dann reden, wenn das vom Fürstentum zum Zwecke der Steuerbewilligung geschaffene Organ, der Landtag, durch häufigere oder periodische Einberufung ein »dauerndes Verfassungsinstitut zur Vertretung des Landes« geworden ist. Diese Bedingung ist aber offenbar in den meisten Fällen, in denen wir zuerst von allgemeinen Landessteuern des ausgehenden Mittelalters hören, erfüllt gewesen; denn nur als dauerndes Verfassungsinstitut konnte der Landtag den Bedürfnissen, die ihn ins Leben gerufen, auch wirklich genügen. Die Zeit, in der zuerst allgemeine Steuern vom Landtage bewilligt sind, deutet uns in der Regel den Anfangstermin, in anderen Fällen wenigstens den terminus post quem für die Entstehung der landständischen Verfassung an. Man erhob allgemeine Schätzungen im Erzstift Magdeburg bereits 14001), in Österreich, wie es scheint, um 14022), im Stift Osnabrück um 14253), in Geschichte der Finanzverwaltung Österreichs im 13. Jahrhundert, Mitteil, des Instituts für österr. Geschichte, Innsbruck 1897, Bd. 18, S. 243ff.; H. v. Srbik a. a. O. S. 139ff.; C. Hegel a. a. O. S. 107ff.; G. A. v. Mülverstedt a. a. O. S. 183—240; Jos. Fr. Abert, Die Wahlkapitulationen der Würzburger Bischöfe bis zum Ende des 17. Jahrhunderts 1225—1698, Würzburger Diss. 1905, S. 105, 106; Herrn. Aubin, Die Verwaltungsorganisation des Fürstentums Paderborn, S. 144—146; Franz Heidingsfelder, Die rechtlichen Zustände im Hochstift Eichstätt am Ausgang des Mittelalters, Diss. 1910, S. 26, 27, 36, 40. 1 ) Har. Bielfeld, Geschichte des magdeburgischen Steuerwesens von der Reformationszeit bis ins 18. Jahrhundert, Leipzig 1888 (Schmollers staatswissenschaftl. Forsch., Bd. 8, Heft 1), S. 4 ff. *) Nach Herrn. Wopfner, Landeshoheit und landesherrliche Verwaltung . . ., Mitteil, des Inst, für österr. Geschichte 1911, Bd. 32, S. 571. s ) Der Eid des Osnabrücker Bischofs Johann von Diepholz (1425 28./11.) erwähnt zum erstenmal die Verpflichtung des Bischofs, bei Auferlegung von Schätzungen, Beden und Diensten den Konsens

152 Tirol 1 ) und vermutlich auch in Württemberg 2 ) während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Bewilligung der Ziese auf der edlgemeinen Landesversammlung zu Leipzig (1438) bezeichnete nach J. Falke den »Beginn der gemeinsamen landständischen Verfassung und Wirksamkeit im Kurfürstentum Sachsen« 8 ). Die erste allgemeine Landesbesteuerung fand in Jülich 1447 4 ), in Vorderösteralier drei Stände einzuholen, während bis dahin nur der Konsens des Domkapitels in Diensteiden und Wahlkapitulationen genannt wird; Osnabr. Mitteil., Bd. 2, S. 353ff. — Der Revers Remberts von Quernheim (1429 23./8.) enthält das Versprechen, wenn eine «gemeine Bede« über das Land ginge, solche auch über das Amt Gronenberg gehen zu lassen (Osnabr. Mitteil. Bd. 2, S. 368). 1 ) A. Jäger a. a. O. Bd. II 1, S. 409 ff. läßt nicht genau erkennen, ob die auf dem Landtag zu Bozen 1437 bewilligte Steuer eine allgemeine Landessteuer war.

») Nach P. Fr. Stälin, Geschichte Württembergs, Gotha 1887, Bd. I 2, S. 735 mag die erste allgemeine Landschatzung »in dem ersten Drittel oder der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts« erfolgt sein. Ernst, Die direkten Staatssteuern in der Grafschaft Württemberg, im Württemb. Jahrbuch für Statistik und Landesk., Jahrg. 1904, Heft 2, S. 78 ff. gibt auch Uber das erste Vorkommen der Landbeden keine Auskunft; seine Ausführungen auf S. 97 sind schwerlich zutreffend. •) Joh. Falke, Die Steuerbewilligungen der Landstände im Kurfürstentum Sachsen bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts, Zeitschr. für die ges. Staatswiss., Tübingen 1874, Bd. 30, S. 400 ff. Die Landstände erhielten 1438 die Versicherung, daß ohne ihre Bewilligung keine neue Steuer erhoben werden sollte. Der vom 30. Januar 1439 datierte Revers war für sämtliche Lande, Sachsen, Meißen, Franken, Osterland und Vogtland gemeinsam ausgestellt. Vgl. auch J. Falke, Bete, Zise und Ungeld im Kurfürstentum Sachsen bis 1485, Mitteil, des kgl. sächs. Ver. für Erforschung und Erhaltung vaterl. Geschichtsdenkmale, Dresden 1869, Heft 19, S. 32 ff. und ebendas. Heft 20, S. 78 ff.; Lobe, Die oberste Finanzkontrolle des Königreichs Sachsen . . Finanzarchiv, Jahrgang 2, Bd. 2, Stuttgart 1885, S. 13. *) G. v. Below, Zeitschrift des bergischen Geschichtsver., Bd. 26, S. 61. »Die folgenden Steuern sind sämtlich (mit Ausnahme der . . . von 1529) allgemeine Landessteuern.«

153 reich vermutlich 1454 statt 1 ). Wie Kurfürst Albrecht Achilles auf dem Herrentage von 14722), so erhielt König Matthias 1474 in Schlesien eine direkte Steuer vom ganzen Lande3), der Pommernherzog 1484 einen zwei Jahre zuvor bewilligten Landschoß, dem weitere Bewilligungen 1494, 1499, 1507, 1512 folgten4). Gesamtlandtage Mecklenburgs fanden jedenfalls schon um 1484 statt 6 ). Eine allgemeine Steuer wurde in der Grafschaft Mark, wie es scheint, zuerst i4866), in Hessen gar erst nach der Vereinigung des gesamten hessischen Landes unter Landgraf Wilhelm II. im Jahre 15047) erhoben. Die ständische Verfassung entstand also, soweit sich bisher ermitteln läßt, im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts. Mit der periodischen Bewilligung allgemeiner Landessteuern waren in der Regel alle Bedingungen gegeben, die erfüllt sein müssen, wenn man von »Landständen« sprechen will: die Befugnis der Stände zur Steuerbewilligung, ihre rechtliche Stellung als Landesvertretung und die Existenz der Gesamtlandschaft8). >) H. J. Schwarzweber a. a. 0 . S. 291, 293, 280, auch S. 218,219. *) Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, S. 386. *) Fei. Rachfahl, Die Organisation der Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens, 1896, S. 110. »Diese Steuer des Jahres blieb nicht die einzige; es folgten in kurzen Zwischenräumen deren noch acht weitere, von welchen die letzte noch kurz vor dem Tode des Königs gefordert wurde.« 4 ) M. Wehrmann, Geschichte von Pommern, Gotha 1904, Bd. 1, S. 239. «) C. Hegel a. a. 0 . S. 113, 114, auch S. 84, 101 ff. •) Rud. Schulze, Die Landstände der Grafschaft Mark, S. 63. 7 ) Otto Ruppersberg, Die hessische Landsteuer bis zum Jahre 1567, Diss., Bonn 1904, S.5ff. In der Treysaer Einung(1514) wurde das unbedingte Bewilligungsrecht der Stände festgelegt. 8 ) Vgl. G. v. Below, Zeitschr. des bergischen Geschichtsvereins, Bd. 21, S. 177, Anm. 10: »Die Annahme, daß L a n d stände zu einer gewissen Zeit noch nicht das g a n z e Land vertreten hätten, ist widersinnig.«

154 Die Konstituierung der G e s a m t l a n d s c h a f t steht meist mit der Entstehung der landständischen Verfassung in engstem Zusammenhang. Die Eigentümlichkeiten der Entwicklung, die charakteristischen Merkmale der ständischen Verfassungsform treten in den zusammengesetzten Landschaften, wie die Geschichte der Mark Brandenburg, Mecklenburgs, Bayerns, Schlesiens und des Elsasses lehrt, besonders klar, in der Regel sehr viel deutlicher hervor als in den einfachen Territorien. Das Beispiel der fünf genannten Territorien möge daher dazu dienen, die wesentlichen und übereinstimmenden Züge der Entwicklung in noch helleres Licht zu stellen. Die M a r k B r a n d e n b u r g ist, wie Mecklenburg, Bayern und Schlesien, eine zusammengesetzte Landschaft gewesen. Sie zerfiel in zahlreiche ständische Einzelkörperschaften. Die geographischen Bezirke des Landes, die Altmark, Priegnitz, Mittelmark, Uckermark, Neumark, die zahlreichen kleineren Territorien, das Land Ruppin, Sternberg, Barnim, Teltow, Lebus, Glien usw.1) verfolgten ihre eigenen ständischen Interessen. Ganz selten nur führte sie die Abwehr mißliebiger landesherrlicher Maßnahmen während des 14. Jahrhunderts zu größeren Vereinigungen zusammen. Als Ludwig der Ältere 1345 für Abschaffung der renovatio monetae eine erhebliche Münzverschlechterung und neue Steuerauflagen plante, kamen die Stände am 26. September des Jahres in Berlin zusammen, legten Protest gegen Einführung der geplanten Münzeinrichtung ein und verweigerten die Zahlung eines vom Markgrafen ausgeschriebenen Schosses2). Es war seit langer Zeit die erste uns bekannte allgemeine Vereinigung der märkischen Stände und blieb es auf Jahrzehnte hinaus. Nur wenn l

) Vgl. z. B. Riedel, Codex diplom. brandenb., B III, 102— 105 (1388, Juni 4). ») Riedel, Codex dipl. br. C I 24, 25 (1345 26./9.).

155 aller Interesse getroffen war, vereinigten sich die Provinzialstände einmal zu gemeinsamer Beratung. Und trat dieser seltene Fall ein, so geschah es auf dem beschwerlichen Wege besonderer Verständigung. Eine gemeinsame, dauernde Organisation verband die Gesamtstände der Mark während des 14. Jahrhunderts ebenso wenig, als die einzelnen ständischen Gruppen, Prälaten, Herren, Ritterschaften und Städte. Es kam wohl vor, daß die Städte und Ritterschaft der Altmark sich zu gemeinschaftlicher Aufrechterhaltung der Sicherheit und zum Schutz ihrer Freiheiten zusammenschlössen (1321, 1322, 1334)1). Die altmärkischen Städte verbündeten sich in den Jahren 1344, 1353, 1436, die Städte des Havellandes und der Lande Barnim, Teltow und Lebus 1393, die Städte der Mittelmark 1399, die Städte Perleberg, Pritzwalk, Kyritz und Havelberg 14372). Doch führten derartige Ansätze keineswegs zu größeren, die ganze Mark umfassenden Organisationen, wie sie in anderen, nicht zusammengesetzten Territorien nicht selten vorkamen. Die Stände erwiesen sich infolge ihrer Zersplitterung in der Regel als unfähig, einen gemeinsamen Willen zu erzeugen und zu betätigen, und übten daher auf Landesherrschaft und Rat einen verhältnismäßig geringen Einfluß aus. Die Landesherrschaft anderseits besaß während des 14. Jahrhunderts weder die Fähigkeit noch auch, wie es scheint, den Willen, die nach freier innerer Entwicklung und Unabhängigkeit ringenden Städte, die weltlichen und geistlichen Patrimonialherren zu korporativer Einheit zu verbinden, zumal deren gemeinsames Interesse hauptsächlich auf Befreiung von der landesRiedel a. a. O. A XV 73—75; A V 311; A XVII 482. ) Ebendas. A XIV 88 (1344 24./11.); AVI 100 (1353 10./8.); A V I 120 (1436 1./9.); A X I 66 (1393 2-/2-); A X X I V 393 (1399 9./6.); A l l 37 (1437 23-/4.). — Vgl. auch A X X I 161; B III 93 und 111; A X X I I 487, C I 535. 2

156 herrlichen Bevormundung, auf Beseitigung der öffentlichen Lasten und Erweiterung ihrer Freiheiten gerichtet war. Brauchte der Markgraf Steuern, so wandte er sich regelmäßig an die Stände e i n z e l n e r märkischer Landesteile, an e i n z e l n e Städte oder Grundherren. So gewährten die Stände der Vogtei Frankfurt 1338, im selben Jahre die neumärkischen Städte, 1343 die altmärkischen Städte, 1362 Städte und Mannen der Altmark eine Bede. Die von Karl IV. erhobene Bede, welche nach dem Landbuch der Mark einen Ertrag von etwa 6732 Schock Groschen brachte, trug ausnahmsweise den Charakter einer allgemeinen, vielleicht vom ganzen Lande erhobenen Abgabe. Markgraf Jobst forderte 1409 eine Bede von den Ständen der Alt- und Mittelmark. Fast alle diese Steuern aber mußten als freiwillige Leistungen der Untertanen durch Erteilung von Privilegien, Preisgabe wichtiger Rechte und Nutzungen, welche zum Teil dauernde Erträge lieferten, vom Landesherrn erkauft werden. Kein Wunder, daß die Markgrafen das unwürdige Feilschen und Handeln um Bede, wenn es anging, vermieden und durch Veräußerung landesherrlichen Vermögens die drängende Finanznot zu lindern suchten. Namentlich die Luxemburger halfen sich gern mit Verpfändungen und Anleihen und beschleunigten dadurch den finanziellen Ruin des Landes. Ein Wandel trat erst ein, als die Hohenzollern in die Mark kamen. Die ersten Kurfürsten der Mark stellten beharrlich und kraftvoll der Privilegiensucht und Unbotmäßigkeit der partikularen ständischen Gewalten das Recht der einheitlichen, unveräußerlichen Staatsgewalt gegenüber. Sie unterwarfen Rittertum, Städte, Landesklerus nacheinander der »Landesobrigkeit« und gaben dem zerfallenden Staatswesen durch Reform des Steuerwesens die unentbehrliche finanzielle Grundlage. Schon die Bezeichnung »Landesbede«, »Landesschoß« — die sich urkundlich in der Mark zuerst 1412 nach-

157 weisen läßt — kündigte eine ganz neue Auffassung der Steuerpflicht, ihres Charakters und ihrer Ausdehnung an. Die Forderung allgemeiner Landessteuern jedoch blieb zunächst ein Anspruch, bis die Stände sich als gefügige Glieder dem obrigkeitlichen Staatsorganismus einzufügen begannen. Es ist wohl möglich, daß schon Friedrich II. (1440 bis 1470) sich allgemeine Steuern auf Landtagen bewilligen ließ; und jedenfalls ist es zum guten Teil der harten Arbeit dieses begabten und willensstarken Staatsmannes zu danken, wenn es seinem Bruder Albrecht Achilles gelang, den korporativen Zusammenhang der Gesamtstände des Kurfürstentums zu schaffen oder zu festigen. Albrecht Achill nahm die Einberufung der Landtage als sein fürstliches Recht in Anspruch. »Landtage zu halten,« schrieb er am 26. September 1472 an die Städte der Altmark, »sei nicht nötig, denn dieses Recht fließe nicht von den Ständen her, sondern er habe solches kraft kaiserlicher Gewalt, wie andere Fürsten des Reichs sich solcher in ihren Landen gebrauchen«1). Eine neue Auffassung trat ferner hervor, wenn Albrecht es 1472 als Pflicht der Stände hinstellte, die »durch redliche Ursachen gemachten« Schulden seiner Vorfahren zu übernehmen2). Der Landtag des Jahres 1472, der die kurfürstlichen Schulden begleichen sollte, bezeichnete in der Verfassungsgeschichte der Mark einen beachtenswerten Wendepunkt; denn er war, so viel wir wissen, der erste von einem Kur*) G. W. v. Raumer, Verhandlung Kurfürst Albrecht Achills mit den märkischen Landstanden nach seinem Regierungsantritt; neben einem eigenen Aufsatze des Kurfürsten hierüber, Märkische Forschungen, Berlin 1841, Bd. 1, S. 330. ) Wilh. Roscher, System der Finanzwissenschaft, 5. Auflage bearbeitet von Otto Gerlach, Stuttgart 1901, S. 261 Anm. 4 erkennt in der neuen Auffassung von der Verpflichtung der Stände zur Übernahme landesherrlicher Schulden den ersten Gedanken einer Staatsschuld Brandenburg-Preußens. 2

158 fürsten berufene und von Vertretern der gesamten Landschaft besuchte » g e m e i n e Herrentag«. Die Stände versprachen 1472, die Schuldentilgung zu übernehmen, ließen sich jedoch erst acht Jahre später nach langwierigen Streitigkeiten und gerichtlichen Prozessen herbei, die Hälfte der inzwischen auf 200 000 Gulden angewachsenen Landesschuld durch sechs Landbeden zu decken. Die Gesamtlandschaft, mit deren Existenz die landständische Verfassung (um 1472) ins Leben trat, bildete sich in der Mark verhältnismäßig spät. Ihre Entstehung war durch Rivalität einzelner ständischer Gruppen und mehr noch durch die der Mark eigentümliche Zersplitterung in eine größere Zahl gesonderter territorialer Stände aufgehalten. Indem Albrecht Achill die Stände mehrfach nötigte, über widersetzliche Glieder derselben Gericht zu halten, und dem Majoritätsprinzip Geltung schaffte1), indem er die Gesamtstähde häufiger zu gemeinen Herrentagen versammelte, sind die Stände allmählich dazu erzogen worden, sich als Vertreter der Interessen des gesamten Landes zu fühlen. Der Landtag ist spätestens zur Zeit Albrecht Achills eine feste Institution der märkischen Verfassung geworden. Die Entstehung einer landständischen Verfassung ist in M e c k l e n b u r g 2 ) ganz ähnlich der brandenburgischen Entwicklung durch die territoriale Zersplitterung aufgehalten worden. Seit der Erbteilung des Landes unter Heinrichs des Jüngeren vier Söhne (1229) zerfiel Mecklenburg in ebensoviel gesonderte Herrschaften, G. W. v. Raumer, Cod. dipl. brand. contin., 1833, Bd. II, S. 58,59 (1480); Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. II 1, S. 480, 481. — Vgl. auch Viktor Meyer, Zur Entwicklung der Hausverfassung der Hohenzollernschen Burggrafen von Nürnberg und ersten Markgrafen von Brandenburg, Dissert., Königsberg i. Ostpr., 1911. s ) Vgl. C. Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände bis zum Jahre 1555, Rostock 1856.

159 von denen bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts nur Mecklenburg und Werfe bestehen blieben. Beide Häuser spalteten sich dann wiederum in zwei Linien: die Herrschaft Mecklenburg, welche 1304 Stargard als Mitgift der Beatrix von Brandenburg gewann, zerfiel durch die brüderliche Teilung von 1352 in Mecklenburg-Schwerin und -Stargard, der Werlesche Anteil dagegen — später »Wenden« genannt — seit 1316 in zwei zu Güstrow und Waren regierende Fürstenlinien. Wilhelm von Güstrow (t 1436) vereinigte die ganze Herrschaft Wenden wieder in seiner Hand. Seitdem unterschied man die drei Länder Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Stargard und Wenden als gesonderte, nur durch das gemeinsame Fürstenhaus verbundene Herrschaften. Die ständische Entwicklung paßte sich in flüssiger, leicht beweglicher Form den Landesteilungen und besonderen Herrschaftsverhältnissen der einzelnen mecklenburgischen Territorien an. Das Land Stargard besaß seinen besonderen ständischen Verband schon in der Zeit, als Herzog Heinrich es von den brandenburgisch^n Markgrafen zu Lehen erhielt. Außerhalb dieses Gebietes, das mit den Vogteien Röbel und Sternberg den Herrschaftsbereich der mecklenburgisch-stargardschen Linie bildete, gab es einen größeren landschaftlichen Verband nur noch in Wenden, dessen Stände man trotz der wiederholten Landesteilungen doch als ein zusammengehörendes Ganze ansah. Der Grafschaft Schwerin dagegen fehlte eine einheitliche Organisation. »Es war ohne Zweifel eine Folge der lange Zeit hindurch dreifach geteilten Herrschaft in dieser Grafschaft, daß sie für sich kein landständisches Ganze ausmachte, sondern, in einzelne Vogteien aufgelöst, der mecklenburgischen Herrschaft einverleibt wurde.« Die Stände der mecklenburgischen Gebiete nahmen das freie Einungsrecht in Anspruch; doch übten sie es, wie es scheint, in verhältnismäßig bescheidenem Maße

160 aus. Die Seestädte Rostock und Wismar traten schon 1293 mit Lübeck, Stralsund und Greifswald dem wendischen Hansabunde bei; einzelne Stände verbündeten sich untereinander und schlössen Verträge mit auswärtigen Mächten. Indessen kam es, so viel wir wissen, bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht zu umfassenderen Einungen, welche mehrere Fürstentümer oder gar das ganze mecklenburgische Land umschlossen. Die Stände des gesamten Landes traten zum erstenmal geschlossen hervor, als gelegentlich des Friedensvertrages (1442), der dem brandenburgischen Hause die Erbfolge in allen mecklenburgischen Landen nach Erlöschen des dortigen Regentenhauses zusicherte, alle »Lande und Leute, Prälaten, Herren, Mannen und Städte unserer Lande zu Mecklenburg, Stargard, Wenden, Rostock und Schwerin« den brandenburgischen Markgrafen Erbhuldigung leisteten; doch führte auch diese außerordentliche, im besonderen Interesse des Herzogshauses veranlaßte Zusammenkunft keine feste ständische Organisation herbei. Das Sonderleben der ständischen Gruppen entsprach der politischen Zersplitterung des Landes. Die Gesamtlandschaft ist erst nach der politischen Einung Mecklenburgs entstanden, nicht aus freier Einung der bis dahin getrennten Landschaftskörper, sondern durch den Willen der Landesherrschaft. Ein günstiges Schicksal fügte es, daß von den drei mecklenburgischen Fürstenlinien das Haus Wenden mit Wilhelm von Güstrows Tode (1436), das Haus Stargard mit Herzog Ulrichs Tode ( | 1471) erlosch und Heinrich der Dicke von Mecklenburg-Schwerin die seit der brüderlichen Teilung von 1229 nie wieder vereinigten mecklenburgischen Lande unter seinem Zepter zusammenfassen konnte. Ein kurzer Rückfall in die politische Zersplitterung der vergangenen Zeit trat ein, als nach Heinrichs des Dicken Tode (1477) seine drei Söhne sich in das Erbe teilten (1480), so daß Albrecht das Land Wenden, Magnus

161 und Balthasar das übrige Erbteil zufiel. Nach Albrechts frühzeitigem Tode aber (1483) regierten Magnus II. und Balthasar wiederum gemeinschaftlich das gesamte Land. Hatte noch Heinrich der Dicke (f 1477), ihr Vater, sich einer maßlosen Verschwendung der herzoglichen Rechte und Domänen schuldig gemacht, so forderte nun der gestrenge Herzog Magnus, eifrig bedacht, die obrigkeitlichen Rechte der Fürstengewalt zur Anerkennung zu bringen1), die veräußerten Hoheitsrechte nachdrücklichst zurück. Die Entwicklung der mecklenburgischen Lande nahm unter seinem Regiment (1477—1503) einen neuen Aufschwung 2 ). Der Aufrichtung der fürstlichen Landeshoheit gingen auch hier Kämpfe zwischen Landesherrschaft und Ständen voraus, welche die Machtverhältnisse zugunsten des Herzogshauses verschoben. Als die Herzoge 1480 eine allgemeine Landessteuer forderten, verweigerten die beiden Seestädte Wismar und Rostock die Zahlung unter BeVgl. C. Hegel a. a. O. S. 101: »Als H. Magnus im Jahr 1503 {Nov. 20) starb, hat ihm der Geschichtschreiber Albert Krantz die Leichenrede gehalten, worin er ihn gegen den Vorwurf verteidigt, daß er sich allzu streng gegen seine Untertanen bewiesen habe. Es gebe Krankheiten, bemerkt er, die nur durch Eisen und Feuer geheilt werden könnten: die Heilung habe darin bestanden, daß unter H. Magnus' Regierung jedes Glied zur Ordnung zurückgekehrt sei.« 2 ) Eine monographische Behandlung der für die innere Geschichte des Landes so wichtigen Regierungsperiode Herzog Magnus' II. fehlt leider bisher. Dafür bieten auch die umfassenderen Darstellungen von Rische, Geschichte Mecklenburgs vom Tode Heinrich Borwins I. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, Berlin 1901 (Mecklenburg. Geschichte in Einzeldarstellungen, Heft 4) und von Hans Witte, Mecklenburgische Geschichte, Bd. 1, Weimar 1909, S. 277 ff. keinen vollen Ersatz. Die grundlegende Darstellung dieser Epoche bleibt nach wie vor C. Hegels Geschichte der mecklenburgischen Landstände. Vgl. dazu auch Weißbach, Staat und Kirche in den letzten Jahrzehnten vor der Reformation, Jahrbücher des Vereins für mecklenburg. Geschichte, 1910, Jahrgang 75. S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat.

H

162 rufung auf ihre Privilegien und ein zwischen beiden getroffenes Abkommen, durch welches sie sich verpflichteten, dem Landesherrn keine Bede mehr zu entrichten. Während Wismar bald nachgegeben zu haben scheint, verharrte Rostock im Widerstande. Vergeblich hielten die Herzoge den Rostockern vor, daß sie j a selbst die Steuer mitbewilligt hätten. Sie mußten es geschehen lassen, daß im Wismarer, unter ständischer Vermittlung vereinbarten Abkommen vom 15. August 1482 die von den Rostockern beanspruchte Bedefreiheit für das eigentliche Stadtgebiet anerkannt wurde. Als dann der Streit von neuem ausbrach, erging aus Schwerin vom ersten uns bekannten Gesamtlandtage der vereinigten mecklenburgischen Lande am 16. Dezember 1484 ein von »Räten, Mannen und Städten der Lande Mecklenburg, Wenden und Stargard« unterzeichnetes Schreiben an die Stadt Rostock, das sie beschuldigte, die auf mehreren Tagen getroffenen Vereinbarungen nicht eingehalten zu haben; man stellte ihr anheim, die weltlichen Streitpunkte dem Urteil von Prälaten, Mannen und Städten zu überlassen. Umsonst versuchte der Herzog, auf der Sternberger Tagfahrt im nächstfolgenden Jahre (Februar 1485) die aus allen drei Landen einberufenen Vasallen zum Waffengang gegen die trotzige Bürgerschaft zu gewinnen. Selbst ein Kriegszug, den die Herzoge nun mit auswärtiger Hilfe und geworbenen Truppen gegen die mächtige Seestadt unternahmen, vermochte ihre Selbständigkeit nicht zu brechen. Erst innere Zerwürfnisse zwangen die Rostocker 1491 endlich zur Nachgiebigkeit. »Irren wir nicht,« schreibt Hegel, »so liegt hier der Wendepunkt und der Übergang zu einem neuen Verhältnis zwischen Fürst und Ständen in Mecklenburg. Es bedurfte eines so kräftigen Regenten, wie Herzog Magnus war, um den ersten Versuch zur Begründung der landesherrlichen Gewalt gegen die mächtige Handelsstadt, welche für sich allein 2000 Mann zu Fuß und 200 zu Pferde geworbener

163 Truppen gegen ihn ins Feld stellen konnte, glücklich durchzuführen. Darin, daß dieser Versuch gelang, lag eine wichtige und weitgreifende Entscheidung.« Das neue Prinzip der Landesobrigkeit begann auch in Mecklenburg sich durchzuringen. Die entscheidende Wendung ging von der fürstlichen Gewalt aus. Der politischen Einigung aller ehemals getrennten mecklenburgischen Lande folgte fast unmittelbar die Entstehung der Gesamtlandschaft. Mit kraftvoller Entschlossenheit setzte Herzog Magnus seine obrigkeitlichen Rechte durch. Er rief den mecklenburgischen Gesamtlandtag, dessen die Quellen zuerst 1484 gedenken, ins Leben und zwang die widersetzlichen Glieder der Landschaft, selbst das mächtige Rostock durch Mittel mannigfacher Art, durch gütliche Vereinbarung und ständische Schiedsgerichte, sich den Beschlüssen der Mehrheit zu unterwerfen. Sobald einmal der Gesamtlandtag als ständiges Organ ins Leben getreten war, sehen wir ihn auch in Mecklenburg seinen vornehmsten und nötigsten Zweck, die Bewilligung allgemeiner Landessteuern, erfüllen. Die Landessteuer von 1480 ließen sich die Herzoge nach alter Sitte noch in jedem Landesteile besonders bewilligen. Die 1489 erhobene Abgabe dagegen war, wie es scheint, die erste, vom Gesamtlandtage bewilligte Landesbede. Sämtliche Untertanen ohne Unterschied des Standes und Berufes sollten sie entrichten. Als Rostock sich auf seine Privilegien berief, erwiderten die Herzoge in einem Schreiben vom 13. Dezember 1489: »Da alle gute Mannen und Untersassen, geistliche und weltliche, in unseren Landen und Herrschaften besessen, sowie auch unsere eignen Bauern solche Bede zugesagt und geben müßten«, so könnten die Rostocker nicht übersehen werden. Nicht minder scharf betonten die Herzoge gelegentlich einer Steuerforderung im Jahre 1500 und 1501 ihr landesherrliches Recht den Rostockern gegenüber, die ihnen »gleich allen

164 unsern Prälaten, Mannen und Städten in allen ehrlichen und rechtlichen Dingen verpflichtet« seien. Die Rostocker mußten ihren Beitrag zur Steuer entrichten. Und »noch kürzer angebunden war das Verfahren der Herzoge Heinrich und Albrecht gegen das Kloster Doberan, als dieses im Jahre 1510, mit Berufung auf seine Privilegien und die auf dem Landtage zuvor mit dem Adel abgegebene Erklärung, sich weigerte, die von ihm verlangte Reichssteuer zum Betrage einer halben Bede zu entrichten. Die Herzoge gaben den Bescheid, daß sie sich solcher Privilegien so wenig zu erinnern wüßten, als sie ihrerseits gesonnen wären, sich der ihnen zustehenden Freiheit, nämlich des Rechts der Besteuerung, zu begeben« 1 ), und drohten, die Klosterleute auszupfänden. So gering auch unsere Kenntnis dieser wichtigen Regierungsperiode ist, darüber kann kein Zweifel bestehen, daß die landständische Verfassung Mecklenburgs, die am Anfang des 16. Jahrhunderts schon voll ausgebildet erscheint, um 1489, jedenfalls in der Regierungszeit des Herzogs Magnus (f 1503) entstanden und nicht erst, wie man in der Regel annimmt, durch die bekannte ständische Union des Jahres 1523 begründet worden ist. Die Union entstand 20 Jahre nach Magnus' II. Tode (1503). Als der Herzog gestorben, führten seine drei Söhne mit ihrem Oheim gemeinsam die Regierung. Zwei von ihnen, die Herzoge Heinrich und Albrecht, behielten auch nach dem Tode des Oheims und des dritten Bruders die Regierungsgemeinschaft bei. Bald aber kam es zum Streite zwischen den beiden Brüdern, als Albrecht, der Jüngere von ihnen, eine Landesteilung verlangte und auch trotz der vermittelnden Regelung des sog. Neubrandenburger Hausvertrages (vom Jahre 1520) beharrlich auf gänzliche Erbteilung bestand. Während dieser Streitig!) C. Hegel a. a. O. S. 110, 111.

165 keiten schlössen die »gemeinen Stände« der Fürstentümer und Lande Mecklenburg, Wenden und Stargard am 1. August 1523 die Union zur Aufrechterhaltung ihrer Privilegien und des inneren Friedens. Die Landschaft stand mit ihren Sympathien zweifellos auf Seiten Heinrichs, der das Prinzip der Einheit vertrat, und verurteilte Herzog Albrechts willkürliches Verhalten; sie stellte der Landesteilung ein festes Hindernis entgegen. Das ausschlaggebende Motiv jedoch für den Abschluß der Einung war nicht sowohl Erhaltung der Landeseinheit als vielmehr Schutz der ständischen Privilegien und Freiheiten. Die Stände versprachen einander, ihrem gnädigen Herrn in allem gehorsam zu sein, was sie ihm von Rechts wegen zu tun schuldig seien, damit sie von ihm »zu ihrem Rechte«, bei ihren Privilegien, Rechten und Gewohnheiten erhalten würden. Sie verpflichteten sich ferner zu gegenseitiger Hilfe, falls sie alle oder einer durch jemand wider solche Privilegien, überhaupt wider Recht und Billigkeit beschwert würden. Friede, Recht und Einigkeit sollten unter ihnen gewahrt und ein Ausscnuß von 23 Bevollmächtigten verordnet werden, der auf Klage dem Verletzten Beistand leisten und nötigenfalls die gemeinen Stände zur Beschlußfassung einberufen könnte. Die Einung des Jahres 1523 war im wesentlichen eine reaktionäre Bewegung der in ihren Sonderrechten bedrohten Stände gegen die wachsenden Ansprüche der erstarkten Landeshoheit. Es ist daher unrichtig, in der Union den »Beginn des ständischen Verfassungsbaues« 1 ) zu erkennen. Eher J ) Vgl. z. B. Sachse, Die landständische Verfassung Mecklenburgs, in der deutschen Juristenzeitung vom 1. Dez. 1905 (Jahrg. 10, Nr. 23) und O. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, 1868, Bd. 1, S. 552; dagegen C. Hegel a. a. O. S. 119ff., besonders S. 145 ff. Mit Recht warnt Hegel davor, die verfassungsgeschichtliche Bedeutung der Union zu überschätzen: »Man wird gewiß nicht be-

166 könnte man sie mit Hegel als »Abschluß« der bisherigen landständischen Entwicklung bezeichnen. Der Zusammenschluß der schon häufig zu Landtagen entbotenen Stände war längst geschehen, bevor »der Unionsakt der Stände von 1523 erfolgte, der gewöhnlich als die eigentliche Grundlage der späteren mecklenburgischen Landesverfassung angesehen wird«. Neu war nur, daß die Vereinigung nun durch einen freiwilligen Entschluß der Stände und zum Schutz ihrer Sonderrechte gegen landesherrliche Eingriffe abgeschlossen wurde. Das Gefühl der Interessengemeinschaft und Zusammengehörigkeit stärkte sich unter den Ständen, die immer enger zu einer geschlossenen Körperschaft verwuchsen. Daher trug die als dauernde Institution, nicht zu vorübergehendem Zweck begründete Union auch in Zukunft viel dazu bei, die landständischen Rechte und Freiheiten zu erhalten. Die landständische Verfassung ist in Mecklenburg wie in der Mark Brandenburg eine Schöpfung der Landesherrschaft gewesen. Während in beiden Territorien die Gesamtstände von der Regierung einberufen und durch den periodisch berufenen Landtag zusammengehalten wurden, ohne daß freie ständische Bündnisse von einiger Bedeutung und Festigkeit vorausgegangen wären, bildeten gewillkürte Einungen in B a y e r n und mehr noch in S c h l e s i e n die Grundlage der Entwicklung. Die Landschaft B a y e r n s hat ihre eigenartige Geschichte. Die Stände gelangten hier zu so großer Macht und Wirksamkeit, wie sonst nirgends im Reich 1 ), seit der Vertrag von 1392 Bayern in mehrere Teilfürstentümer zerriß und das Erbübel des wittelsbachschen Hauses, der unheilvolle Familienzwist, den kläglichen haupten können, daß überall, wo sonst die ständischen Freiheiten vernichtet worden sind, die Landstände nicht ehenso fest unter sich, wie in Mecklenburg, gegen die Übergriffe der landesherrlichen Gewalt verbunden gewesen wären« (S. 147). Vgl. S. 1 0 0 - 1 0 7 .

167 politischen Zerfall des Landes besiegelte. Ein Umschwung trat erst ein, als nach neuem blutigen Kriege zwischen Vater und Sohn um die Herrschaft des Ingolstädter Landes ein Spruch des Königs das Ingolstädter Erbe am 4. März 1448 Herzog Heinrich von Bayern-Landshut zuwies und der Familienzwist des wittelsbachschen Hauses damit ein vorläufiges Ende nahm. Die Herrschaft des Gesamtlandes war nunmehr zwischen Heinrich dem Reichen von Bayern-Ingolstadt und -Landshut (f 1450) und Albrecht I I I . von Bayern-München und -Straubing (1438—1460) geteilt. Die Rückkehr zu gesunderen politischen Verhältnissen nach langer Zeit kläglicher Zerrissenheit übte sogleich ihre wohltätigen Wirkungen. Das Einungswesen der Stände, die sich bisher berufen sahen, Geschlossenheit und Frieden des Landes bisweilen gegen das Herrscherhaus zu schützen, ging entschieden zurück. Die fürstliche Gewalt trat mehr und mehr in ihre Rechte und Pflichten ein und begann sich auch in Bayern an der obrigkeitlichen Staatsidee zu verjüngen. Die aufsteigende Bewegung setzte fast gleichzeitig in beiden Landesteilen ein. N i e d e r b a y e r n genoß den großen Vorzug, daß hier ein volles Jahrhundert lang immer nur ein Herzog das Regiment führte und eine überaus günstige Finanzlage der Regierung den Ständen gegenüber eine gewisse Selbständigkeit sicherte. Herzog Heinrich von Landshut, der Erbe des Ingolstädter Landes, begründete als geschickter Finanzkünstler die günstige Finanzlage seines Hauses, die ihm und seinen beiden Nachfolgern den Beinamen des Reichen gab. Sein Nachfolger Ludwig der Reiche (1450—1479) vermochte auf dieser Grundlage ein kräftigeres Regiment aufzurichten. Der Freiheitsbrief, den er am 9. September 1450 gab, gestattete den Ständen das Recht »beieinander zu bleiben« nicht mehr bedingungslos, sondern nur in dem Falle, wenn Beschwerden über Verletzung der Privilegien und

168 des Rechtsbuches von ihm nach Erkenntnis seiner Räte nicht abgestellt werden sollten. Es fehlte nicht an Reibungen mit der Landschaft; doch lebte der ernste und gestrenge, durch ritterliche Tugenden ausgezeichnete Fürst zumeist doch in Frieden mit den Ständen, deren Rechte er achtete, und sorgte in gemeinsamer Arbeit mit ihnen für des Landes Wohlfahrt. Das Ansinnen der Stände, jährlich versammelt zu werden 1 ), wies der Herzog entschieden zurück. Er nahm die Berufung derselben als sein fürstliches Recht in Anspruch 2 ) und wußte auch sonst im Gefühle der Würde und Pflichten seines Fürstenamtes die Untertanen mit Erfolg an die Ansprüche einer obrigkeitlichen Gewalt zu gewöhnen. Die Verhältnisse des o b e r b a y e r i s c h e n Landes lagen weit schwieriger. Doch gelang es auch hier Albrecht I I I . und IV., zwei Fürsten von Begabung und bestem Willen, den Staatsgedanken zur Anerkennung zu bringen. Man mag es vielleicht als politischen Fehler ansehen, daß Albrecht I I I . sich nach dem Tode Ludwigs des Älteren von Ingolstadt (1447) untätig zurückhielt und im Dezember 1450 gar zugunsten Heinrichs von Landshut seinen berechtigten Ansprüchen auf das Ingolstädter Erbe entsagte. Das bayerische Gesamtland gewann beträchtlich dadurch, daß ihm in dieser Zeit erstarkender Fürstenmacht ein neuer Erbfolgekrieg der beiden wittelsbachschen Linien erspart blieb; und durch tatkräftige Wahrung der Ruhe und Sicherheit im Innern des Landes bewies Albrecht I I I . jedenfalls zur Genüge, daß es ihm an der nötigen Energie nicht mangelte. Er schloß am 3. August 1444 einen Bund mit benachbarten Fürsten zur Erhaltung des Landfriedens und schritt ') Krenner, Bayerische Landtagshandlungen in den Jahren 1429—1513, München, Bd. 7, S. 69. 2 ) Krenner a. a. O. Bd. 7, S. 330: »Behalten Wir Uns darin unsern Willen bevor, unsre Landschaft zu fordern, so oft Uns das noth zu sein bedunken wird.«

169 schonungslos gegen das verwahrloste Raubrittertum ein, das im Bayerischen Walde und an der Donau teilweise unter dem Schutze edler Herren mit Mord, Raub und Diebstahl den Landfrieden störte. Die Ausrottung des Raubrittertums war nur ein Vorspiel langjähriger Kämpfe des oberbayerischen Fürstentums mit der Straubinger Ritterschaft, in der ein trotziger partikularistischer Oppositionsgeist lebte. Vertreter der Straubinger Ritterschaft erklärten auf dem Münchener Landtage (Januar 1457), der Herzog sollte die Straubinger Landschaft, wie es von alters geschehen wäre, in ihrem eignen Lande versammeln; und als der Herzog die Stände nichtsdestoweniger zum 6. Februar wiederum nach München entbot, blieben die Straubingei fern und wiederholten in einer Petition ihre Forderung 1 ). Der Herzog mußte nachgeben. Sein Wunsch, die Differenzen mit der Straubinger Landschaft auszugleichen, damit der Sohn nach seinem Tode mit der Landschaft »in besserer Einigkeit und Gnaden bleiben möge«, ging nicht in Erfüllung. Der Riß hatte sich noch nicht geschlossen, als Albrecht I I I . am 1. März 1460 starb. Nach seiner letztwilligen Verfügung übernahmen die beiden ältesten Söhne Johann und Sigmund gemeinsam die Regierung. Die beiden Landschaften, die Münchener und die Straubinger, huldigten eine jede für sich. Die Straubinger Landschaft verharrte auch jetzt noch auf ihrem partikularistischen Standpunkt und protestierte im August 1463 gegen die Ladung auf einen gemeinsam mit der Münchener Landschaft nach Pappenhofen ausgeschriebenen Ständetag, da sie »nach Laut der Freiheit zu Landschaft an solches Ende zu kommen nicht schuldig seien« 2 ). Das Selbstgefühl der Ritterschaft wuchs noch, als nach dem Tode des älteren Bruders Johann (f 18. November Krenner a. a. O. Bd. 2, S. 167. *) Krenner a. a. O. Bd. 5, S. 101.

170 1463) Sigmund allein die Regierung führte, ein kunstliebender und milder, aber auch leichtlebiger und verschwenderischer Fürst, der das wittelsbachsche Hausgut durch Darlehen und Verschreibungen an angesehene Edle des Landes bedenklich schmälerte. Das schädliche Treiben, das dem Willkürregiment eines selbstsüchtigen Adels breiten Raum ließ, nahm glücklicherweise ein Ende, als der gleichnamige Sohn des verstorbenen Herzogs Albrecht I I I . die Mitregentschaft (1465) und nach Sigmunds Verzicht am 3. September 1467 allein die Regierung des gesamten oberbayerischen Landes übernahm. Albrecht IV. der Weise (f 18. März 1508), unzweifelhaft der geistig bedeutendste Fürst der oberbayerischen Linie, war ein kraftvoller und selbstbewußter Mann, wie die Zeit ihn forderte, mit ganzem Eifer darauf bedacht, seine fürstliche Obrigkeit ungeschmälert zu erhalten und eine leistungsfähige Staatsgewalt aufzurichten. Sein Ziel war die Einheit und Größe seines Vaterlandes. Der moderne Staatsgedanke beherrschte sein politisches Denken und die Ziele seiner staatsmännischen Kunst. »Ein für jene Zeit auffallend absolutistischer Geist spricht aus vielen seiner Maßnahmen. Oft brauchte man in seinen zahlreichen Landgeboten nur die Sprache etwas zu ändern, um sie als Erzeugnisse des aufgeklärten Absolutismus des 18. Jahrhunderts auszugeben«1). Das Geschick begünstigte Albrecht IV. nicht in gleichem Maße, als seinen reichen Vetter Ludwig von Landshut-Ingolstadt, der das Glück hatte, als einziger Erbe im unbestrittenen Besitz seiner Herrschaft zu bleiben. Familienzwistigkeiten, die Ansprüche des jüngeren Bruders Christoph, Feindschaft der Pfälzer und Kaiser Friedrichs III., der, wie es scheint, »systematisch der Macht der bayerischen Herzoge entgegenzuarbeiten« 2 ) ») S. Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 648. 2 ) Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 746.

171 suchte, lähmten Albrechts Kraft und erschwerten ihm die Anfänge seiner Regierung. Dazu kamen die Zwistigkeiten mit den Landsassen, mit dem unzufriedenen, verwöhnten, in engem mittelalterlichen Korporationsgeist befangenen Adel, dem jedes Verständnis für die neuen staatsrechtlichen Ideen des Herzogs fehlte. Schon kurz nach Albrechts Aufnahme in die Regentschaft des Landes gründeten 41 Herren, namentlich Ritter des Straubinger Landes, des Hauptsitzes der Opposition, zu Regensburg im August 1466 die »Gesellschaft vom Eingehürn«, welche man nach dem Bundeszeichen, dem Abbild eines Bockes, die »Böckler« nannte. Die kühne Entschlossenheit, mit welcher Albrecht, unterstützt vom Kaiser und dem Pfalzgrafen, im Oktober die Auflösung des Bundes durchsetzte, ließ die Ritterschaft zum ersten Male die starke Hand des neuen Herzogs fühlen. Der Herzog bemühte sich im allgemeinen, friedlich mit den Ständen auszukommen, die mehrfach zwischen ihm und seinen Gegnern vermittelten; doch ließ sich bei seinen zahlreichen Kriegen nicht vermeiden, die Steuerkraft des Landes häufig in Anspruch zu nehmen. Das geschah auch auf einem zum 10. August 1488 nach München berufenen Landtage, wo Albrecht die Hilfe seiner Untertanen zu Kriegsrüstungen verlangte. Die Ritterschaft versprach Beistand; doch verlangte sie für ihre Dienste Steuerfreiheit der Bauern und zwar nicht bloß der Eigenleute sondern auch der Vogtei- und Gerichtsleute. Als der Herzog nun so weitgehende Zugeständnisse zurückwies und seinen Steuererhebern gebot, nur »die armen Leute, welche auf den freien Gütern des Adels sitzen«, und die Sedelhöfe von der Steuererhebung auszunehmen, protestierte die Straubinger Ritterschaft. Die zur Besprechung nach München geladenen Abgeordneten der Straubinger Ritterschaft, welche zur Unterstützung ihrer Beschwerden die 14 bekannten Freibriefe, namentlich auch den Freiheitsbrief König Ottos

172 mitbrachten, waren nicht wenig erstaunt, am herzoglichen Hofe ein vom rechtsgelehrten Rat, dem nachmaligen Kanzler Johann Neuhauser verfaßtes Gutachten zu hören, welches die Gültigkeit des von König Otto erteilten Privilegs, des »Palladiums ständischer Freiheiten«, bestritt und die Steuererhebung auch ohne den Rat gemeiner Landschaft als Ausfluß der »Obrigkeit« für den Herzog in Anspruch nahm: Kein Lehnsmann dürfe ohne Erlaubnis des Lehnsherrn seine Lehen schmälern, am wenigsten der Fürst ohne Zustimmung des Kaisers. Daher habe König Otto kein Recht gehabt, die niedere Gerichtsbarkeit zu veräußern; damit der Freibrief gültig sei, müsse die Zustimmung des Kaisers nachgewiesen werden. Aus seiner Obrigkeit, so erklärte Herzog Albrecht weiter, fließe der Zwang »der hohen Scharwerk«, das Recht Leib und Gut der Untertanen zu Dienstbarkeit zu fordern1). Es war in Bayerns Geschichte »der erste staatsrechtliche Streit von Bedeutung, in dem die fachmännische Gelehrsamkeit der Juristen das große Wort führte und das römische Recht zur Entscheidung von Streitfragen des bayerischen Staatsrechtes herangezogen wurde«2). Die Berufung auf die verhaßte römische Weisheit mußte die Erbitterung der Ritterschaft noch steigern über die Art, wie Albrecht aus seiner Obrigkeitsidee eine gleiche Steuerpflicht aller Untertanen herleitete und sich über die soeben (1471) noch bestätigten Privilegien der Stände hinwegzusetzen suchte. Und als der Herzog nun die Steuern mit unerbittlicher Strenge von den Bauern eintreiben ließ, schlössen 46 hauptsächlich im Straubinger Land angesessene Ritter zu Cham am 14. Juli 1489 den Bund »zum Löwen«, um gemeinsam ihre Freiheiten zu wahren und ihr Vermögen vor unrechter Gewalt zu beschirmen®). Die Löwenritter, die auch die beiden stets ') Krenner a. a. O. Bd. 10, S. 140ff. 2 ) Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 535. 3 ) Krenner a. a. O. Bd. 10, S. 174.

173 unzufriedenen Brüder des Herzogs als Bundesgenossen gewannen, schlugen im Dezember 1491 los. Der im August 1493 unterzeichnete Friedensvertrag, der im Oktober auf weitere Mitglieder des Löwenbundes ausgedehnt wurde, lautete für Albrecht nicht günstig. Die »gemeine Landschaft sollte in Würden bleiben«, die Ritterschaft dagegen dem Herzog »als ihrem rechten natürlichen Herrn und Landesfürsten« verpflichtet sein 1 ). Schon im Frühjahr hatte der Herzog den Prälaten und Edelmannen, Vogt- oder Gerichtsherren gestatten müssen, ihre Bauern bei Erhebung einer Landessteuer selbst einzuschätzen; nur durften sie nicht mehr auf ihre armen Leute und Untertanen legen, als ihnen selbst auferlegt war. Damit drang die bisher vom Landesherrn verworfene Auffassung des ritterlichen Grundherrn durch, der sich »seine Steuerfreiheit so konstruierte, daß er die Gesamtgabe seiner Hintersassen, die in seinen Händen sich sammelte, als seine eigene betrachtete und sich selbst dadurch jeder weiteren Pflicht überhoben sah« 2 ). Der energische, vielleicht allzu schroffe Versuch des Herzogs, sein obrigkeitliches Recht im Steuerwesen durchzusetzen, scheiterte am Widerstande der Löwenritter, die — wie vor ihnen schon die Böckler (1466) — einer weiteren Ausdehnung der Fürstenmacht entgegentraten. Sie kämpften trotz momentaner Erfolge im Grunde doch für eine verlorene Sache. Die ganze Entwicklung drängte auf Stärkung der Fürstenmacht hin; und in Albrechts Denken hatte sich der moderne Staätsgedanke zu tief befestigt, als daß ihn Mißerfolge vom einmal betretenen Weg hätten ablenken können. Schon 1494 berief er einen Landtag nach Straubing, um »die unlauteren Artikel der Freiheit zu läutern«; der Satz in Heinrichs, Ottens und Heinrichs Privileg, daß künftighin keine Steuer erhoben !) Krenner a. a. O. Bd. 11, S. 435. 2 ) L. Hoffmann a. a. O. S. 17 und 29, 30.

174 werden solle, sei »wider das Recht, die Natur und Vernunft« 1 ). Blieb dem Herzog trotz allem ein durchschlagender Erfolg versagt, so war es ihm doch vergönnt, mit der Einigung des Bayernlandes und Einführung der Primogeniturordnung die notwendigste Voraussetzung für die Verwirklichung seines Staatsideals zu schaffen. Die Möglichkeit hierzu bot sich, als Herzog Georg von Niederbayern-Landshut-Ingolstadt am 1. Dezember 1503 kinderlos starb. Auf die Kunde von seinem Ableben ritt Albrecht sogleich nach Ulm und erlangte für sich und seinen Bruder Wolfgang am 9. Dezember die Belehnung mit dem niederbayerischen Landesteil. Aber er mußte sich erst durch einen blutigen, neunmonatlichen Krieg, der dem trotzigen niederbayerischen Adel neue, nie ganz verheilte Wunden schlug, den Besitz des Erbes erkämpfen. Dem Abschluß eines Waffenstillstandes (9. Februar 1505) folgte am 30. Juli 1505 Maximilians Spruch, der nach Abtrennung der »jungen Pfalz« das gesamte Erbe Herzog Georgs Albrecht IV. dem Weisen zusprach. Länger denn anderthalb Jahrhunderte waren Ober- und Niederbayern politisch voneinander getrennt gewesen. Zum erstenmal seit den Tagen Kaiser Ludwigs regierte nun wieder ein Fürst das gesamte Land. Die Begründung der Staatseinheit Bayerns ist das lang ersehnte Ziel Herzog Albrechts IV. gewesen. Er hatte schon am 7. Juli 1485 für den Fall eines kinderlosen Todes ohne Rücksicht auf die jüngeren Brüder seinen Vetter Georg als Erben eingesetzt, damit »das löbliche Haus und Fürstentum Bayern in mehr Würde, Ehre und Aufnehmen kommen möge, wofür sich nichts Besseres und Füglicheres erfinden lasse, als daß dasselbe Fürstentum in eines einzigen Fürsten von Bayern Gewalt und Regierung komme« 2 ). Nun gab der Anfall des >) Krenner a. a. O. Bd. 9, S. 322ff. ») Vgl. Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 475.

175 niederbayerischen Erbes dem Herzog, der inzwischen geheiratet und Kinder gezeugt, Gelegenheit, durch Einführung einer Primogeniturordnung die staatliche Einheit zu sichern und die Entwicklung seines Vaterlandes damit in günstigere Bahnen zu lenken. Auf dem Münchner Landtage kam am 8. Juli 1506 ein Vertrag zustande, der Albrecht nach dem Verzicht seines jüngeren Bruders Wolfgang die einheitliche Herrschaft über die vereinigten Fürstentümer zusicherte. Er regelte zugleich die Nachfolge nach dem Grundsatze der Primogenitur: Die Fürstentümer, die fortan ein Herzogtum bildeten, sollten nicht mehr geteilt oder zertrennt, nur von einem Herzog regiert und nach dem Grundsatze der Erstgeburt vererbt werden. Die nachgeborenen Söhne aber sollten den Grafentitel und -Stand, sowie jährlich vom 18. Lebensjahre an ein bestimmtes Deputat bekommen1). Die Primogeniturordnung erhielt noch im August desselben Jahres die königliche Bestätigung2). Der Münchener Landtag (1506) war epochemachend für Bayerns Geschichte und die Entwicklung der l?:idständischen Verfassung. Einer einheitlichen Staatsgewalt gegenüber konnte die ständische Opposition nicht mehr auf dauernde Erfolge rechnen. Die Begründung der staatlichen Einheit und festen Thronfolgeordnung stärkte die Macht des Fürstentums mehr als alle Kämpfe gegen den partikularistischen Adel. Ihre unmittelbare Folge war die Entstehung der G e s a m t l a n d s c h a f t . Die Stände jedes bayrischen Fürstentums verfolgten im 15. Jahrhundert ihre eigenen landschaftlichen Interessen. Die ständische Bildung schloß sich auch in Bayern, wie in Mecklenburg und der Mark Brandenburg, in flüssiger Form der politischen Entwicklung, zunächst der 1392 geschaffenen Gliederung in vier Fürstentümer, seit BeendiKrenner a. a. O. Bd. 15, S. 358 ff. *) Krenner a. a. O. Bd. 15, S. 414ff.; vgl. Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 642.

176 gung des Ingolstädter Erbfolgekrieges (1448) allmählich der Gliederung in einen ober- und niederbayerischen Landesteil an. Die Bildung ständischer Verfassungsformen setzte in den Teilfürstentümern längst vor der Entstehung einer Gesamtlandschaft ein. Als die Einungsbewegung unter den Ständen erschlaffte, kamen Stände und Herrschaft einander allmählich näher und begannen sich zu gemeinsamer Arbeit zu verbinden. Es bezeichnet den Gegensatz zur früheren Zeit, daß die Vertreter der Landschaft (seit der Mitte des 15. Jahrhunderts etwa) fast regelmäßig auf den Ständetagen mit Petitionen und Beschwerden über Mißstände der Rechtspflege und Verwaltung, über Münzwesen, Handel und Verkehr hervortraten und dadurch die gesetzgeberische Tätigkeit anregten. »Die ältesten, auf Erlaß neuer Gesetze gerichteten Anträge, die sich erhalten haben, sind im Münchener Lande 1444 von der Landschaft und den herzoglichen Räten gemeinsam gestellt worden«1). Schon 1465 beriet man in Oberbayern über die Ordnung eines ständigen Hofhaltes. Ludwig der Reiche erließ 1474 im niederbayerischen Landesteil als Frucht langer Beratung mit seinen Ständen eine Landesordnung2), welche einen bedeutenden Fortschritt auf dem Gebiete der Rechtspflege und Polizei bezeichnete. Deutlicher aber noch als auf dem Gebiete der Gesetzgebung trat auf dem des Steuerwesens in beiden Landesteilen der Fortschritt zur Entstehung ständischer Verfassungen hervor. Die Steuern nahmen etwa seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die Form sog. »Landessteuern« an, am ehesten, wie es scheint, in Niederbayern. Der niederbayerische Landesteil gelangte unter Herzog Ludwigs einsichtigem Regiment (1450—1479) früher, als ») Riezler a. a. O. Bd. 3, S. 661. 2 ) Krenner a. a. O. Bd. 1, S. 472ff.

177 Oberbayern, zur inneren Geschlossenheit. Daher bürgerte sich hier auch zuerst die Form der Landessteuer ein. Die Herzoge von Bayern-Landshut und -Ingolstadt erhoben auf gemeinsamen Tagen der niederbayerischen Landschaft 1459, 1462 (?), 1464, 1474 (?), 1482, 1488, 14991) allgemeine Landessteuern. Nur ausnahmsweise bewilligte nach den erhaltenen Zeugnissen die Landshuter2) oder Ingolstädter 3 ) Landschaft für sich. Anders verhielt es sich in Oberbayern. Hier gelang es freilich schon auf einem vereinigten Landtage des Münchener und Straubinger Landesteils 1453 die Bewilligung einer oberbayerischen Landessteuer durchzusetzen4). Aber der Fall blieb noch vereinzelt. Als der Herzog vier Jahre später wiederum einen Landtag nach München berief (1457), blieb die Straubinger Ritterschaft aus mit der Begründung, daß sie nicht verpflichtet wäre, außerhalb ihres eigenen Landes zu erscheinen; und in der Tat berief seit dieser Zeit der oberbayerische Herzog die beiden Landschaften seines Herzogtums, die Münchener und die Straubinger, gesondert ein, wenn er Steuern von ihnen erhalten wollte. So geschah es im Münchener Landesteil 1458, 1459 (?), 1462, 1468, 1473 (?), 1476, 14805), im Straubinger Lande 1458, 1461, 1463, 1469, 1474, 1476, 1480, 1486 (?)6). Albrecht IV. der Weise überwand erst allmählich den ») Krenner a. a. O. Bd. 7, S. 52ff. (1459), Bd. 7, S. 109ff. (1462), Bd. 7, S. 115ff. (1464), Bd. 7, S. 400ff.(1474), Bd. 12, S. 8ff. (1482), Bd. 12., S. 202ff. (1488), Bd. 13, S. 73 (1499). *) Im Jahre 1445.; nach Hoffmann a. a. O. S. 18. ») Krenner a. a. O. Bd. 3, S. 299ff. (1448). *) Krenner a. a. O. Bd. 1, S. 204ff., Bd. 2, S. 124ff. l ) Krenner a. a. O. Bd. 1, S. 277 (1458), Bd. 1, S. 293 (1459), Bd. 5, S. 89ff. (1462), Bd. 5, S. 321 ff. (1468), Bd. 8, S. 119ff. (1473), Bd. 8, S. 214ff. (1476), Bd. 8, S. 318ff. (1480). «) Krenner a. a. O. Bd. 2, S. 172ff. (1458), Bd. 6, S. 22ff. (1461), Bd. 6, S. 47ff. (1463), Bd. 6, S. 163ff. (1469), Bd. 10, S. 23ff. (1474), Bd. 10, 8. 48ff. (1476), Bd. 10, S. 60ff. (1480), Bd. 10, S. 84ff. (1486). S p a n g e n b e r g , Vom Lelmstaat zum Ständestaat.

178 partikularistischen Oppositionsgeist der Straubinger. Er hielt 1485, 1493, 15001) gemeinsame Landtage ab und erzog die Stände beider Landesteile dazu, sich als Vertretung des ganzen oberbayerischen Landes zu fühlen. Der Übergang zu den Formen verfassungsmäßiger Steuerbewilligung und gemeinsamem Zusammenwirken auf gesetzgeberischem Wege vollzog sich in beiden Teilfürstentümern unter dem Einfluß der erstarkenden Landesobrigkeit. Die » g e m e i n e Landschaft des Hauses und Herzogtums Bayern« entstand dann fast gleichzeitig mit der politischen Einigung des Landes. Sie trat zum erstenmal im Februar 1505 zusammen. Die Umlage, welche der Herzog damals von g a n z Bayern erhob2), bezeichnete den Anfang einer 1 a n d ständischen Verfassung. Die »gemeine Landschaft« tagte seitdem jährlich bis zum Tode des Herzogs (18. März 1508). Sobald der Generallandtag ein festes Institut der Verfassung geworden, war die landständische Verfassung Bayerns vollendet. Ein kurzer Rückschlag trat ein, als Albrechts IV. rücksichtsloser und gewalttätiger Sohn Wilhelm, der nach kurzem vormundschaftlichen Regiment am 13. November 1511 die Regierung selbständig antrat, durch willkürliches Gebaren den Widerstand der Stände herausforderte. Länger als zwei Jahre ließ Herzog Wilhelm die Landschaft auf Bestätigung ihrer Freiheiten warten. Er berief die Stände nicht zum Landtage, sondern verhandelte nur mit einem Ausschuß ständischer Vertreter, mit denen er leichter fertig zu werden hoffte. Als er dann endlich, durch Geldnot und Schuldenlast gezwungen, den Landtag auf Neujahr 1514 nach München berief, war die Mißstimmung aufs höchste gestiegen. Sie ermutigte Wilhelms jüngeren Bruder Ludwig, der sich durch die Krenner a. a. O. Bd. 8, S. 428ff. (1485); Bd. 9, S. 192ff., Bd. 11, S. 417ff. (1493), Bd. 9, S. 414ff.; Bd. 11, S. 498ff. (1500). 2 ) Krenner a. a. O. Bd. 15, S. l f f .

179 Primogeniturordnung des Vaters zurückgesetzt fühlte, den dritten Teil des Landes als väterliches Erbteil oder Mitregierung zu beanspruchen. Ludwig rechnete dabei auf die Hilfe der Stände, denen jedes Mittel willkommen schien, Macht und Rechte ihres Fürsten zu beschränken. Die Landschaft ergriff sogleich die günstige Gelegenheit, sich den Ansprüchen des neuen absolutistischen Geistes zu widersetzen; sie schloß am 1. Februar 1514 den Erbbund der »gemeinen Landschaft von allen Ständen« 1 ) zum Schutze ihrer Freiheiten und zur Abwehr jeglichen Angriffs und forderte gleichzeitig für Ludwig die Mitregierung 2 ). Die Landschaft gelangte durch diesen Erbbund wiederum zu Macht und Einfluß. Sie erstieg damit für kurze Zeit den Höhepunkt ihrer Wirksamkeit und erfüllte noch einmal »ihren schönsten Beruf, einen Damm gegen Mißregierung und Willkürherrschaft zu bilden.« Aber es war der letzte Erbbund in Bayerns Geschichte. Nach 1514 machten die Stände von ihrem Koalitionsrecht nicht mehr Gebrauch. Als die beiden herzoglichen Brüder erkannten, daß ihre Zwietracht die Stände groß gemacht habe, einigten sie sich am 20. November 1514 dahin, zunächst die Regierung auf drei Jahre gemeinsam zu führen, und stellten damit das Übergewicht der fürstlichen Gewalt endgültig her. »Gegenüber einem in sich einigen Fürstenhause war der frondierende Adel ohnmächtig, die Landschaft nicht fähig, eine ernste und ausdauernde Opposition zu unterhalten« 3 ). Die Wirksamkeit der Stände ging in Bayern rascher zurück als anderswo. Schon Wilhelm und Ludwig erhoben drei Steuern, ohne die Bewilligung der Landschaft nachzusuchen. Es kam soweit, daß die Stände 1577 im Gefühle ihrer Ohnmacht selbst darum baten, nicht mehr einberufen zu werden 4 ). ) ) 3) 4) J

2

Vgl. S. Riezler Riezler Riezler

106 und Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. 129 ff. a. a. O. Bd. 4, S. 1 ff. a. a. O. Bd. 6, S. 11. a. a. O. Bd. 6, S. 26.

180 Die bayerische Entwicklung erweist in gleichem Maße als die brandenburgische und mecklenburgische Geschichte, daß die Entstehung einer landständischen Verfassung sich in engem Zusammenhange mit der Ausbild u n g der fürstlichen Landeshoheit vollzog 1 ). Fürstliches Machtgebot rief auch in Bayern die Gesamtlandschaft, den Landtag des Jahres 1505 ins Leben, der die erste allgemeine Landessteuer bewilligte. Der Erbbund des Jahres 1514 dagegen war nicht anders als die mecklenburgische Union (1523) eine Reaktion gegen die absolutistischen Bestrebungen des Fürstentums. Auch in anderen Ländern fehlte es nicht an späten Versuchen der Landschaft, mit Hilfe des Einungswesens die Machtverhältnisse wiederum zugunsten des ständischen Partikularismus zu verschieben. Der Schöpfung der nieder1

) Die bayerische Geschichte zeigt ganz deutlich, daß die Entstehung einer landständischen Verfassung durch die gewillkürte Einung der Stände eher aufgehalten als gefördert worden ist. Das Widerstands- und Einungsrecht mußte den Ständen genommen werden, wenn der Gegensatz zwischen der Landschaft und der landesherrlichen Gewalt sich in einer Verfassung ausgleichen, ein ersprießliches Zusammenwirken beider Teile ermöglicht werden sollte. Es ist bezeichnend für den allmählichen Rückgang der ständischen Macht, daß den Ständen das Widerstandsrecht zum letzten Male 1430 (Lerchenfeld-Rockinger a. a. O. S. 93), das Einungsrecht bis 1508 (vgl. ebendas. S. 124) bestätigt wurde. Das Einungsrecht verlor seit 1514, dem Jahr des letzten bayerischen Erbbundes, auch faktisch jede Bedeutung. Es will nichts besagen, daß das Selbstversammlungsrecht ausnahmsweise später noch im Privileg des Jahres 1550 (ebendas. S. 152) erwähnt wird. Nicht minder bezeichnend ist es für den Wandel der Zeiten und die neue Auffassung des Obrigkeitsstaates, daß die regelmäßig den Schadlosbriefen eingefügte Verpflichtung, in Zukunft von den Ständen keine Steuer mehr zu fordern, seit dem Jahre 1463 (ebendas. S. 112) kaum wieder erwähnt wird. Der Satz, daß die bewilligte Bede den Ständen »an allen ihren Freiheiten, Gerechtigkeiten und Herkommen ganz unschädlich und unvergriffenlich« sein sollte (vgl. z. B. den Schadlosbrief vom Jahre 1510, a. a. O. S. 129), wurde mehr und mehr zur leeren, bedeutungslosen Formel.

181 ländischen Generalstände durch Philipp den Guten (1463) folgte das »große Privileg« des Jahres 1477, das der Maria von Burgund aufgezwungen wurde und den Ständen das Recht verlieh, sich aus eigenem Antriebe zu versammeln und jedem neuen, ohne ihre Zustimmung unternommenen Kriege zu widersetzen. Es wäre ebenso verfehlt, die Entstehung der landständischen Verfassung in den Niederlanden vom großen Privileg des Jahres 14771), als in Bayern und Mecklenburg von den Erbbünden der Jahre 1514 und 1523 zu datieren. Weitere Klärung der Frage, welche treibenden Kräfte eine landständische Verfassung entstehen ließen, wird sich aus der Geschichte zweier deutschen Grenzländer, des Elsasses und Schlesiens ergeben, wo die Entwicklung sich eine Zeitlang auf ziemlich gleichartiger Grundlage vollzog und doch zu ganz verschiedenen Ergebnissen führte. Das E l s a ß 2 ) nimmt unter den deutschen Landschaften eine Sonderstellung ein. Die Einheit des Landes, das durch die Vogesen von Frankreich, durch den Rhein von Deutschland, durch den Jura von der Schweiz getrennt war, bestimmte sich zunächst wesentlich durch seine g e o g r a p h i s c h e Abgeschlossenheit. Eine Art p o l i t i s c h e r Einheit8) begann sich seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu bilden in *) Die »durch den Mißbrauch der monarchischen Gewalt hervorgerufene Reaktion« des Jahres 1477 war »nichts anderes als eine Rückkehr zu dem ehemaligen Provinzialismus«; Pirenne a. a. O. Bd. 3, S, 214. Pirenne a. a. O. Bd. 3, S. 11 ff. warnt davor, die Bedeutung des Privilegs von 1477 zu überschätzen; vgl. auch ebendas. Bd. 3, S. 245ff. 2 ) Vgl. F. W. Müller, Die elsässischen Landstände, Straßburg i. E., 1907. s ) Vgl. H. Bloch, Die geschichtliche Einheit des Elsasses, Korrespondenzblatt des Gesamtver. der deutschen Geschichtsund Altertumsvereine, 1900, S. 37 ff. und Alfr. Overmann, Die Abtretung des Elsaß an Frankreich im westfälischen Frieden, Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, 1904 N. F. Bd. 19, S. 84ff.

182 der Form von Landfriedensbündnissen der bedeutenderen Territorialfürsten und Reichsstädte, welche im Gefühl der Schwäche des Einzelnen zur Bewahrung der Ruhe und Verkehrssicherheit sich miteinander verbanden. Landfriedenskommissionen, denen die Gerichtsbarkeit über die Friedbrecher zufiel, sollten die Erhaltung des Friedens und die Ausführung der Bundesbestimmungen überwachen. Diese wesentlich zum Schutz gegen innere Feinde geschlossenen Einungen erweiterten sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zu Defensivbündnissen nach außenhin. Die Anschläge Frankreichs auf die Selbständigkeit des Elsasses und die Schwäche des Reichsregimentes, die Armagnakeneinfälle im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts und die Burgunderkriege der siebziger Jahre zwangen die Fürsten, Herren und Städte des in seiner Sicherheit bedrohten Grenzlandes zu gemeinsamer Abwehr und stärkten dadurch in ihnen das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die Armagnakenbündnisse bildeten das Bindeglied zwischen den elsässischen Landfrieden des Mittelalters und den periodisch berufenen Bundestagen des 16. Jahrhunderts 1 ), zu denen alle reichsunmittelbaren Stände des Elsaß ihre Vertreter sandten. An die Stelle der Landfriedenskommissionen früherer Zeit traten Bundesversammlungen, die zur Leitung und Regelung der Bundesangelegenheiten in jedem einzelnen Falle einberufen wurden. Die ständischen Versammlungen, die wir in gesamtelsässische, ober- und unterelsässische scheiden können, lassen sich zuerst 1463, 1472, häufiger seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts (von 1513 an) nachweisen, gesamtelsässische nur bis 1616, oberelsässische bis 1652, unterelsässische bis 1683 2 ). Die Einberufung der gesamt!) F . W . Müller a. a. O. S. 53. «) Vgl. die Verzeichnisse bei F . W . Müller a. a. O. S. 159 ff. und S. 56, Anm. 1.

183 elsässischen Tage erfolgte nach Analogie der Reichskreisverfassung durch einen ausschreibenden Fürsten, den man im 17. Jahrhundert als Inhaber des Direktoriums bezeichnete, zuerst durch den Bischof von Straßburg, und die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim (Oberelsaß), seit den 40 er des 16. Jahrhunderts mit kurzer Unterbrechung allein durch die österreichische Regierung. Der Bund verfolgte als wesentlichen Zweck: Schutz gegen äußere Feinde. Die sog. »Landsrettungen«, die auf den Ständetagen des 16. Jahrhunderts beschlossen wurden, sollten die Landesverteidigung organisieren. Allmählich dehnten dann die ständischen Versammlungen ihre Kompetenzen auch auf die inneren Angelegenheiten des Landes aus; sie erließen Polizeiverordnungen zum Schutz gegen Bettler, Landstreicher, abgedafikte Landsknechte, räuberisches Gesindel, Kornordnungen- zur Regelung des Getreidehandels im ganzen Bundesgebiet, Metzgerordnungen, die dem Fleischmangel und der Fleischteuerung vorbeugen sollten, Gesinde- und Handwerkerordnungen. Neben den Landsrettungen aber war es vor allem die Regelung des Münzwesens, welche die Bundestage (seit der Mitte des 16. Jahrhunderts) am eingehendsten beschäftigte. Der Bund besaß als freiwillige, zwanglose Vereinigung der reichsunmittelbaren Stände des Landes 1 ) eine ganz lockere Organisation. Das Direktorium erwarb keine führende Stellung; es leitete den Vorsitz bei den Versammlungen, die man regelmäßig in Straßburg »in des Kapitels Stuben« abhielt, und erledigte die Verwaltungsgeschäfte des Bundes. Für die Bundesmitglieder bestand keine bindende Verpflichtung, die Versammlungen zu beNach Overmann a. a. O. S. 86 Anm. 1. nahmen nur die reichsunmittelbaren Stände, nicht auch die Mediatstände an den Bundesversammlungen teil.

184 suchen. Entschuldigten sich diejenigen, welche keine Abgesandten schickten, beim Vorsitzenden, so erfüllten sie lediglich eine Pflicht der Höflichkeit. Die Beschlüsse der Versammlung ferner hatten Gültigkeit nur für diejenigen, welche den Abschied unterzeichneten und besiegelten. Es gab keine Möglichkeit, die Ausführung der Beschlüsse zu erzwingen. Der einzelne Stand übernahm mit der Ratifizierung des Beschlusses wohl die Verpflichtung dafür zu sorgen, daß die Bestimmungen auch von seinen Untertanen beachtet würden. Doch hingen die Leistungen in Wirklichkeit vom guten Willen des einzelnen ab. Oft genug blieb es bei schönen Versprechungen; und. zahlreich liefen beim Direktorium Beschwerden über Bundesmitglieder ein, welche die Beschlüsse überhaupt mißachteten. Die Bundesorganisation vermochte den Stürmen der Zeit auf die Dauer nicht standzuhalten. Die religiösen Gegensätze, die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer mehr zuspitzten, das Mißtrauen der beiden Religionsparteien, der Straßburger Kapitelsstreit (1583—1592) verhinderten ein gemeinsames politisches Zusammenwirken der gesamten elsässischen Stände. Die Tagung am 10. August 1616 war die letzte, auf der oberund unterelsässische Stände gemeinsam berieten. Das Band, welches die beiden Bezirke bis dahin zusammengehalten, begann sich aufzulösen. Die sog. »Landstände «*) des Elsaß gingen aus der mittelalterlichen Landfriedensbewegung hervor. Sie blieben ') Es widerspricht durchaus dem rechtlichen Charakter dieser ständischen Verbände, sie als »Landstände«, ihr Organ, die Bundesversammlung, als »Landtag« zu bezeichnen. Weit zutreffender wäre die Bezeichnung »Landsverein«, welche sich die Bundesmitglieder, wie es scheint, mit Vorliebe selbst beilegten. Verstehen wir mit v. Below unter »Landständen« »gewisse bevorzugte Klassen eines Territoriums in korporativer Vereinigung, die dem Landesherrn gegenüber das Land vertreten«, so ist es nicht

185 auch im 16. Jahrhundert im wesentlichen nichts anderes als ein organisierter Bund gleichberechtigter Genossen, welche ihre gemeinsamen Interessen mit Hilfe einer periodisch einberufenen Bundesversammlung wahrnahmen. Es fehlte dem elsässischen Ständebund der Charakter einer staatlichen Gemeinschaft, innerhalb deren das Verhältnis von Regierung und Regierten durch eine Verfassung geregelt werden konnte. Daher gab es auch keine elsässischen Landessteuern. Wohl existierte eine Bundeskasse zur Bestreitung gemeinsamer Bedürfnisse, Besoldung der Hauptleute u. dgl.; sie speiste sich aus Abgaben, welche die einzelnen Reichsstände innerhalb ihres eigenen Herrschaftsgebietes in Steuerform erhoben. 1 ) Die Beiträge der Bundesmitglieder als solcher aber trugen nur den Charakter freiwilliger Kontributionen, während in Territorien mit landständischer Verfassung die vom Landtag einmal bewilligten Abgaben von der Landesherrschaft als Zwangsbeiträge, nötigenfalls gewaltsam erhoben wurden. Diese zwingende Gewalt fehlte im Elsaß. Eine landständische Verfassung hätte sich hier nur dann bilden können, wenn es einer übergeordneten staatlichen Gewalt, etwa dem Kaiser als dem gemeinsamen Herrn der elsässischen Reichsstände gelungen zweifelhaft, daß Landstände in diesem Sinne im Elsaß nicht existierten. Es gab hier keinen Landesherrn, dem gegenüber-sich die Stände als Landesvertretung konstituieren konnten. Ganz richtig erkennt auch F. W. Müller, daß der Name »Landstände« als reine Analogiebildung von den deutschen Territorien auf elsässische Verhältnisse übertragen worden ist. Doch zieht er nicht die Konsequenz, jene irreführende Bezeichnung zu vermeiden. Der Name »Landstände « soll nach Müller S. 12, 53 schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts neben dem andern »gemeine Stände im Elsaß « gebräuchlich gewesen sein. Leider erfahren wir nicht, ob er sich auch in offiziellen Aktenstücken vorfindet und ob nicht vielmehr die weit zutreffendere Bezeichnung »Landesverein« (vgl. ebendas. S. 93, 98, 99, 102) die offiziell gebräuchliche gewesen sei. *) Vgl. F. W. Müller a. a. O. S. 91 ff.

186 wäre, den Bund gleichberechtigter Genossen unter seiner Obrigkeit als staatliches Gemeinwesen zu organisieren und zur Bewilligung allgemeiner Landessteuern, deren die Landesobrigkeit an der stets bedrohten Reichsgrenze am wenigsten entbehren konnte, einen Landtag als dauerndes Verfassungsinstitut ins Leben zu rufen. In welcher Weise eine landständische Verfassung unmittelbar auf der Grundlage von Landfriedensgemeinschaften entstehen konnte, lehrt mit seltener Klarheit die Geschichte Schlesiens, des östlichen Grenzlandes, dessen Generallandtag unzweifelhaft eine Schöpfung der Krone Böhmen war. Die ältere Geschichte S c h l e s i e n s 1 ) mit seiner politischen Zersplitterung, dem Bedürfnis der Selbsthilfe, den Landfriedens- und Kriegsbünden weist mannigfache Ähnlichkeit mit der Entwicklung des Elsaß auf. Das schlesische Land löste sich im 12. Jahrhundert von dem Hauptreiche der Piasten los, als die drei Söhne des Polenherzogs Wladislaus 1163 durch Friedrich Barbarossas Vermittlung sich in das Stromgebiet der Oder teilten, das seit dem 14. Jahrhundert nach einem der sechs großen Gaue des Landes den gemeinsamen Namen Schlesien erhielt. Als einer der drei Söhne Herzog Wladislaus' starb, bestand das Land aus zwei größeren Gebieten, dem ducatus Zlesie und Opoliensis. Beide zerfielen durch immer fortgesetzte Erbteilungen in viele kleinere Territorien, die aus der Oberhoheit Polens seit dem 14. Jahrhundert allmählich unter die Lehnsherrlichkeit der Krone Böhmen übergingen. Einige Territorien, wie Breslau und Schweidnitz* Jauer, fielen schon im 14. Jahrhundert der unmittelbaren Herrschaft Böhmens anheim. Man bezeichnete sie als »Erbfürstentümer« im Unterschiede zu den Territorien, Der folgende Abriß beruht auf F. Rachfahls Werk über »die Organisation der Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens vor dem Dreißigjährigen Kriege« (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, herausgegeben von G. Schmoller, Bd. XIII, 1) 1894.

187 die noch unter der Herrschaft von Piastenfürsten verblieben. Die zahlreichen kleinen, fast isolierten, nur durch das gemeinsame Lehnsverhältnis zur Krone Böhmen miteinander verbundenen Territorien fühlten bei der Schwäche des einzelnen sehr bald das Bedürfnis, sich im Interesse der Friedenswahrung und des Schutzes gegen äußere Feinde miteinander zu verbinden. Die Einungsbewegung ging von den Schlesiern selbst aus und führte auf ganz ähnlichem Wege, wie im Elsaß, dahin, das schlesische Land zu einem nach außen geschlossenen politischen Organismus zusammenzufassen. Die großen Landfriedensbündnisse am Ausgang des 14. Jahrhunderts (1387 und 1389) verbanden zunächst nur Piastenfürsten, nicht auch die Erbfürstentümer. Erst am Anfang des 15. Jahrhunderts kam es zu Einungen, welche neben den Fürsten auch die nichtfürstlichen Stände, Ritterschaft und Städte eines Erbfürstentums umfaßten. Größere Dauer und Festigkeit gewannen diese Organisationen in den Zeiten der Hussitenkriege. Die verbündeten Fürsten und Stände machten im Jahre 1427 den ersten Versuch, ein Zentralgericht für das ganze Land und eine gemeinsame militärische Organisation zu schaffen. Die Initiative hierzu ging ausschließlich von den Bundesgenossen, vom Lande aus. Allmählich aber verbreitete sich die Anschauung, daß man die königliche Bestätigung nicht ganz umgehen könnte; und König Sigismund selbst tat energische Schritte, die ständische Bundesorganisation dem königlichen Einflüsse zu unterwerfen. Der auf Sigismunds Veranlassung geschlossene Landfrieden des Jahres 1435 stand unter Leitung eines obersten Hauptmannes, welcher der kaiserlichen Bestätigung bedurfte. Gewohnheitsrechtlich bildeten sich gewisse Formen aus, unter denen die Zusammensetzung jener Einungen sich vollzog, so daß unter der königlichen Autorität die Fürsten Schlesiens und neben ihnen die Ritter-

188 Schäften und Städte der Erbfürstentümer sich als »drei geschlossene Kollegien konstituierten.« Sigismunds Versuch, die schlesischen Fürsten und Stände zu einem staatsrechtlichen Ganzen zu vereinigen, scheiterte mit seinem Tode. Selbst der Landfrieden (1435) löste sich auf und in den stürmischen Zeiten Georg Podiebrads zeitigte die politische Zerrissenheit des Landes wiederum ihre üblen Folgen. Eine neue Epoche begann in der schlesischen Geschichte, als König Matthias Corvinus von Ungarn, den man 1469 zum Böhmenkönig erwählte, Sigismunds Plan wieder aufnahm, den Bund der schlesischen Territorien eng mit der Krone zu verbinden. Er war Schöpfer der staatlichen Einheit, der Gesamtstaatsverfassung und -Verwaltung Schlesiens. Matthias Corvinus erklärte den Schlesiern schon auf dem Fürstentag des Jahres 1474: »Er wäre König und Herr; was er mit seinen Räten für das Beste halte, das sollten sie als gehorsame Untertanen tun.« Der König bekundete damit deutlich, wie er sein Verhältnis zu den Fürsten und Ständen Schlesiens auffaßte. Diese sollten lernen, der erstarkten Zentralgewalt Gehorsam zu erweisen; sie sollten sich nicht sowohl als Lehnsmannen, denn als Untertanen fühlen. Der vom König, den Fürsten und Ständen verkündete Landfrieden (1474) nahm für die Krone das ausschließliche Recht der Friedenswahrung in Anspruch. Er bestimmte, daß Streitigkeiten der Fürsten und Stände miteinander auf gerichtlichem Wege geschlichtet, daß Festungen fortan nur mit königlicher Erlaubnis erbaut werden sollten. Der Landfrieden stellte das ganze Land im Kriegsfalle unter die Führung eines königlichen Oberhauptmanns. Eine Matrikel regelte die Höhe der Kontingente, welche Fürsten und Stände dem Könige stellen mußten. Wichtiger noch und folgenreicher war es, daß der König auch auf dem Gebiete des Finanzwesens seine Hoheitsrechte zur Anerkennung zu bringen suchte. Er machte den Versuch, eine einheitliche

189 Währung für ganz Schlesien zu schaffen. Schon 1474 erging eine Münzordnung, in der zum erstenmal »eingehendere Bestimmungen über die Münzhoheit des Königs als des obersten Herrschers von Schlesien sich befinden.« Vor allem aber ging Matthias Corvinus zuerst dazu über, allgemeine schlesische Landessteuern zu erheben; er legte damit den Grund zur Entstehung einer Gesamtstaatsverfassung Schlesiens. Schon während seines zweiten Aufenthaltes in Schlesien versammelte der neue König Fürsten und Stände nach Breslau und forderte für Kriegszwecke — zum erstenmal, so viel wir wissen — eine allgemeine Steuer von ganz Schlesien. Erst seit Begründung der staatlichen Einheit konnten allgemeine Steuern in Schlesien erhoben werden. Das Recht der Bedeerhebung, das dem einzelnen Fürsten innerhalb seines eigenen Herrschaftsgebietes in den bekannten Fällen zustand, nahm nun der König den Fürsten und Ständen des Gesamtlandes gegenüber nachdrücklich in Anspruch. Der Steuer von 1474 folgten acht weitere (Ende 1477 oder Anfang 1478, 1479, 1480, 1482, 1483, 1485 oder 1486, 1487, 1489), die letzte kurz vor dem Tode des Königs. Fast jährlich berief Matthias Corvinus namentlich zur Steuerbewilligung die Fürsten und die Stände der Erbfürstentümer. Damit trat der schlesische Generallandtag oder »Fürstentag« ins Leben, der neben der Krone die staatsrechtliche Einheit des Landes verkörperte. Die schon 1474 im wesentlichen begründete landständische Verfassung Schlesiens erhielt einen gewissen Abschluß durch das große Landesprivileg König Wladislaus' vom Jahre 1498, das den Gesamtständen die Befugnis, über die Rechtmäßigkeit der Steuerforderungen zu entscheiden, also ein Steuerbewilligungsrecht ausdrücklich garantierte. Der »Fürstentag«, d. i. die allgemeine schlesische Ständeversammlung, knüpfte in seiner Entstehung an

190 die Landfriedens- und Kriegsbündnisse der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an. Die Einungen der Fürsten und Stände Schlesiens im 15. Jahrhundert glichen nach Form und Zusammensetzung schon fast ganz den späteren Generallandtagen. Wie jene, so setzten sich auch die Generallandtage aus den Oberhäuptern der Mediatfürstentümer und aus ritterlichen und bürgerlichen Delegierten der Erbfürstentümer zusammen. Der charakteristische Unterschied beider Institutionen aber bestand darin, daß die älteren Einungen gewillkürte, nur auf Zeit, zu besonderen Zwecken begründete Genossenschaften, die Generallandtage dagegen Zwangsverbände und feste Institutionen der Verfassung waren. Der König berief die Gesamtstände, wenn er ihres Rates und ihrer Hilfe bedurfte, namentlich zur Bewilligung von Steuern; und da dies Bedürfnis sehr häufig eintrat, so gewann der schlesische Generallandtag ganz von selbst schon unter Matthias Corvinus den Charakter einer dauerhaften staatlichen Institution. Die Umwandlung der älteren Einungen in den schlesischen Generallandtag »war und konnte sein lediglich ein Werk der königlichen Gewalt; darin lag anderseits zugleich eine Anerkennung des Rechtes der Fürsten und Stände zur Vertretung des Landes seitens der Krone«1). Als Oppeln nach dem Aussterben der plastischen Herzoge ein Erbfürstentum wurde, erhielten Ritterschaft und Städte des Landes keine Vertretung im Generallandtage; und doch hatten dessen Beschlüsse und Steuerbewillil

) Rachfahl a. a. O. S. 95, Anm. 2. Eine interessante Parallele zur Entwicklung der schlesischen Fürstentümer bietet die Geschichte der Niederlande. Auch die niederländischen Generalstände waren »keineswegs ein Werk des Landes, sondern ausschließlich ein Werk des Fürsten.« Sie »waren eine persönliche Schöpfung des Fürsten (Philipps des Guten) und entsprachen . . . dem Bedürfnis einer Zentralisation der Regierung«; vgl. Pirenne a. a. O. Bd. 3, S. 241, Bd. 2, S. 475ff.

191 gungen bindende Kraft auch für das Oppelner Land. Der Generallandtag besaß also, wie man aus diesem und ähnlichen Beispielen ersieht, die Vertretungsbefugnis für das gesamte schlesische Land, ein von der Landesherrschaft abgeleitetes Recht, das den Gesamtständen im Interesse der landesherrlichen Steuererhebung durch stillschweigende oder ausdrückliche Anerkennung der Krone zufiel. Die landständische Verfassung Schlesiens, Bayerns, Mecklenburgs, wie der anderen deutschen Landschaften, deren inneres Leben wir bisher genauer kennen, ist erwachsen im Kampf des Fürstentums und der Stände, die sich zur Zeit des dualistischen Territorialstaates »als zwei zu keiner höheren organischen Einheit verbundene, voneinander relativ unabhängige und selbständige Subjekte staatlichen Rechtes und staatlicher Gewalt« gegenüberstanden. Der Gegensatz ständischer Freiheit und der neuen Staatsauffassung, die aus der obrigkeitlichen Stellung ein Recht des Fürsten zur Besteuerung aller Untertanen herleitete, ist in einer Verfassungsform ^u vorläufigem Ausgleich gelangt. Sobald sich das Übergewicht zugunsten der Landeshoheit entschieden, sind die verschiedenen Ansprüche des Landes und der Herrschaft auf Steuerfreiheit und Steuererhebung in der Form gewohnheitsrechtlicher Bildung oder durch ausdrückliche verfassungsmäßige Bestimmung 1 ) auf mittlerer Linie, in einem ständischen Recht der Steuerbewilligung vereinigt worden. Die Entstehung der landständischen Verfassung ist ein Erfolg des Fürstentums gewesen. Die Stände mußten zugunsten der Allgemeinheit ihren Freiheiten und Privilegien teilweise entsagen. Die veraltete Auf*) Das landständische Verfassungswesen, »anderwärts eine mehr oder minder wildgewachsene Tatsächlichkeit«, beruhte beispielsweise in Württemberg auf einem »verbrieften, einheitlichen Grundgesetz«, dem Tübinger Vertrage des Jahres 1514; vgl. B. Erdmansdörfer, Deutsche Geschichte, 1892, Bd. 1, S. 66.

192 fassung, nach der die Beden freiwillige, nicht pflichtmäßige, »zur Hilfe« des Landesherrn gewährte Abgaben waren, ließ sich nicht mehr aufrechterhalten. Kräftige Landesfürsten gingen bereits im 16. Jahrhundert nicht selten so weit, auch ohne ständische Bewilligung Steuern auszuschreiben und zu erheben. Sie motivierten ein solches Verfahren mit dem Satze, daß die Untertanen verpflichtet wären, für wirkliche Landesbedürfnisse Steuern zu entrichten, und die Entscheidung der Bedürfnisfrage ihnen selbst, als den Vertretern des öffentlichen Wohles, zustände. Die obrigkeitliche Gewalt mit ihrer ausgesprochen zentralistischen Tendenz erzog die in Sonderinteressen und Privilegiensucht entarteten Stände allmählich wieder zu einer staatlichen Gesinnung. Die gleiche und regelmäßige Erhebung allgemeiner Landessteuern erwies sich dabei als wichtigstes Erziehungsmittel. Sie brachte den Ständen die Zusammengehörigkeit, die Untertanenpflicht wieder zum Bewußtsein. Freilich bedurfte es einer Jahrhunderte langen Erziehungsarbeit und Gewöhnung, bis die Stände von ihren Freiheiten abließen und der Regierung das Recht zuerkannten, in den Steuern Zwangsbeiträge für allgemeine öffentliche Zwecke zu erheben, »deren Forderung die prinzipielle Begründung im Existenzrechte des Staates findet.« Sie mußten zunächst lernen, sich als Glieder eines großen Ganzen, nicht als privilegierte Besonderheiten zu fühlen. Der Satz, daß alle Untertanen membra unius capitis seien, fand niemals so häufig Verwendung als bei Steuerverhandlungen. »Was das Lehen bei uns zertrennte«, schreibt Dahlmann, »das haben in der zweiten Hälfte des Mittelalters die Steuern wieder zu verknüpfen getrachtet; an sie vornehmlich knüpfte sich der Gedanke, daß man auch in Friedenszeiten einem großen Gemeinwesen, welches alle angeht, verbunden sei und Opfer zu bringen habe«1). ») F. C. Dahlmann, Die Politik, Leipzig 1847. S. 119.

193 Die gemeinsamen Verhandlungen über Bewilligung von Steuern und militärischen Leistungen, die Notwendigkeit des Zusammenwirkens und der gegenseitigen Verständigung hatten zur Folge, daß man den Maßstab für die Berechtigung der landesherrlichen Forderungen und für die Pflicht der Stände zur Bewilligung derselben in dem von den Bedürfnissen beider Teile unabhängigen Wohl des g a n z e n Landes zu suchen begann. Die Stände konnten sich der Rücksicht auf das Landeswohl und der Verpflichtung nicht entziehen, den Forderungen der Landeswohlfahrt auch wirklich zu genügen. Dieser Gesichtspunkt de3 öffentlichen Interesses, der »als zwingendes Motiv dem älteren Territorialstaatsrecht fremd gewesen«, trat erst seit der Entstehung der landständischen Verfassung klarer hervor und bedeutete einen nicht unwesentlichen Fortschritt der staatlichen Entwicklung. Die Vorstellung eines Landeswohls aber, das weder mit den Interessen der Herrschaft noch mit denen der Stände zusammenzufallen brauchte, leitete notwendig dahin, eine Einheit über Beiden, den Staatsbegriff, zu erkennen. Die Bewilligung allgemeiner Steuern und Kriegsleistungen war der weitaus wichtigste, doch nicht der einzige Anlaß zur Einberufung landständischer Versammlungen. Die ständische Mitwirkung erwies sich notwendig vor allem auch auf dem Gebiete der Gesetzgebung. Wollte die Landesherrschaft mit Hilfe fürstlicher Verordnungen und ständischer Abschiede über die Mannigfaltigkeit mittelalterlicher Lebensformen, über die zahlreichen besonderen Privilegien und Gerechtsame hinweg eine zentralistische, nach einheitlichen Normen geregelte Verwaltung schaffen, so konnte sie der Einwilligung und Unterstützung der Landstände, der lokalen Obrigkeiten in Stadt und Land, zunächst nicht entbehren. Manches Opfer mußte dabei auch den Ständen gebracht werden. Die Preisgabe des Bauernstandes wog vielleicht am schwersten. Die gemeinsame Reformtätigkeit aber, zu S p a n g e n b e r g , Vom Lehnstaat zum Ständestaat.

194 der sich Krone und Stände auf den Landtagen vereinigten, zeitigte ganz überwiegend wohltätige Folgen und erleichterte es der Landesherrschaft, die obrigkeitlichen Rechte, welche sie einst an die Stände verloren, wiederzugewinnen und allmählich immer weitere Gebiete, auch die Leitung des Verkehrs- und Wirtschaftslebens, Handels- und Gewerb ewesen in den Kreis der staatlichen Tätigkeit zu ziehen. Die Zukunft gehörte der obrigkeitlichen Gewalt, die seit der Wiedergeburt des Fürstentums im 14. Jahrhundert sich im Kampfe mit den ständischen Sonderinteressen erhoben hatte. Der absolute Staat ward zur Devise der Zeit1). »Den drei Jahrhunderten, in denen alles von unten und innen kam«, schreibt O. Gierke, »folgten (mit Anbruch der Neuzeit) drei Jahrhunderte, in denen, was überhaupt in Deutschland zum Kulturfortschritt geschah, dem Volke von oben und außen gespendet ward«2). In der Ubergangszeit dieser beiden Perioden ist die landständische Verfassung entstanden. Sie ist eine Schöpfung der neuen obrigkeitlichen Staatsgewalt und als solche der Wendepunkt gewesen auf dem weiten und beschwerlichen Wege, der zur Aufrichtung eines leistungsfähigen, absoluten Staatswesens führte. *) R. Koser, Die Epochen der absoluten Monarchie in der Geschichte, Hist. Zeitschr., 1889, Bd. 61, S. 246 ff. ') O. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, 1868, Bd. 1, S. 297

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Ortsnamen-Register. Allgäu 18. Altmark 154—156. Augsburg 8, 96 Anm., 105. Baden 18 Anm. 2, 42 Anm., 123, 127. Bamberg 8, 52 Anm. 2, 96 Anm. Bayern 8, 17, 18 Anm. 2, 19, 21, 27, 38, 38 Anm. 1, 39, 42 Anm., 4 9 - 5 1 , 58, 62, 65, 66, 76, 79, 92, 96, 98, 100, 101—107, 113, 118 Anm. 2, 122, 126, 127, 137, 138, 148, 149, 154, 1 6 6 - 1 8 1 , 191. Berg 30, 52 Anm. 2, 66, 88 Anm. 2, 91 Anm. 1, 97, 99, 144, 145, 147. Berlin 96, 127. Böhmen 39, 66 Anm., 124, 186-188. Bozen 152 Anm. 1. Brandenburg (Bistum) 21, 98. Brandenburg, Mark 17 Anm., 20, 30, 34, 34 Anm. 3, 41 Anm. 1, 46, 47, 57, 62, 65, 66, 79, 81, 89 Anm. 2, 96, 99, 125, 1 2 6 - 1 2 8 , 136, 139, 140, 142, 145 Anm. 2, 153, 154, 1 5 4 - 1 5 8 , 159, 166, 175, 180.

Brabant 20, 49, 62, 67, 141. Braunschweig-Lüneburg 38, 60, 68, 69, 69 Anm. 2, 85, 97, 107, 108, 122, 139 Anm. 1. Breslau 185, 189. Brixen 8, 98, 100. Ceperano 12. Chiemsee 8. Cham 172. Christburg 110. Cleve 99. Cortenberg 67. Doberan 164. Dorpat 43 Anm. Eichstätt 8, 43 Anm. Elbing 110. Elsaß 79, 154, 181—186. England 56. Ensisheim 183. Ermland 110. Essen 96 Anm. Estland 43 Anm. Fexhe 67. Flandern 19, 20, 62, 66 Anm., 95, 145. Franken 23, 79, 100 Anm. 2, 152 Anm. 3. Frankfurt 156.

206 Frankreich 181, 182. Freising 8, 96 Anm., 98, 105, 139 Anm. 1. Fürstenau 112. Fulda 138 Anm. 4. Geldern 51, 144. Greifswald 160. Gronenberg 112. Güstrow 159, 160. Halberstadt 17 Anm. Hamm 99. Hanau 123. Havelberg 98, 155. Hennegau 19. Hessen 113, 122, 153, 153 Anm. 7. Hildesheim 17 Anm. Holland 141. Holstein 19, 34. Hunteburg 112. Ingolstadt 102—104, 106, 167, 168, 170, 174, 176, 177. Iserlohn 99. Istrien 8. Jülich 30, 66, 88 Anm. 2, 97, 99, 137, 144, 145, 152. Kärnten 39, 60. Kamen 99. Kammin 125. Kempten 96 Anm. Köln 17 Anm., 64 Anm. 88 Anm. 2, 113. Konstanz 96 Anm. Krain 133 Anm. 2. Kulm 109, 110.

1,

Landshut 102, 103, 104, 106, 167, 168, 174, 177. Lausitz 29, 29 Anm. 2, 100 Anm. 2. Lavant 8.

Lippe 42 Anm., 91 Anm. 1, 123. Livland 43 Anm. Lübeck 78, 160. Lüneburg 68, 107, 108, 139 Anm. 1. Lünen 99. Lüttich 52 Anm. 2, 62, 66 Anm., 67. Mähren 39, 66 Anm. Magdeburg 49, 63, 63 Anm. 1,151 Mainz 96 Anm. Marien werder 110. Mark (Grafschaft) 66 Anm., 97, 99, 121 Anm., 153. Mauritz 68. Mecklenburg 29, 34, 46, 58, 62, 73 Anm. 1, 99, 113, 139 Anm. 1, 142, 153, 1 5 8 - 1 6 6 , 175, 180, 181, 191. Meißen 18 Anm. 2, 19, 38, 92, 98, 100 Anm. 2, 152 Anm. 3. Merseburg 98. Middelburg 144. Mittelmark 154, 156. München 102, 103, 106, 167, 169, 171, 175, 177, 178. Münster 52, 63, 64 Anm. 1, 68, 112. Namur 145. Naumburg 98. Neubrandenburg 164. Neumark 154. Niederlande 181, 190 Anm. 1. Nordgau 8. Ösel 43 Anm. Österreich 8, 20, 21, 32, 32 Anm. 2, 39, 42 Anm., 57, 58, 60, 62, 64 Anm. 1, 70, 79, 81, 92, 95 Anm. 2, 97, 98, 99, 100, 142, 128, 138, 151, 152, 183.

207 Oppeln 186, 190. Osnabrück 17 Anm., 43 Anm., 63, 63 Anm. 2, 64, 89 Anm. 2, 91 Anm. 1, 112, 113, 151. Osterland 100 Anm. 2, 152 Anm. 3. Osterode 109, 110, 149. Ostfriesland 144. Paderborn 52 Anm. 2, 64 Anm. 1, 112. Pappenhofen 169. Passau 8, 96 Anm., 98, 139 Anm. 1. Pfalz 100, 125, 141, 170, 174. Pommern 29, 62, 100 Anm. 2, 153. Preußen, Ost-, 73, 73 Anm. 2, 74, 79, 87 Anm. 1, 1 0 8 - 1 1 1 , 136, 145 Anm. 2, 149, 150. Priegnitz 154. Quakenbrück 112. Ravensberg 42 Anm. Regensburg 8, 96 Anm., 171. Reval 13 Anm. Riesenburg 110. Riga 43 Anm. Röbel 159. Rostock 62, 142, 143, 1 6 0 - 1 6 4 . Sachsen 18 Anm. 2, 21, 59, 62, 82, 89 Anm. 2, 100 Anm. 2, 152, 152 Anm. 3. Sachsen-Lauenburg 46. Salzburg 8, 18 Anm. 2, 69, 98, 112. Salzwedel 48. Schlesien 19, 29, 39, 46, 48, 145 Anm. 2, 153, 153 Anm. 3, 154, 166, 1 8 6 - 1 9 1 . Schleswig 139 Anm. 1. Schnaitpach 50, 101. Schwaben 23, 38, 65, 92. Schweidnitz 186.

Schweiz 92, 181. Schwerin 46, 159, 160, 162. Schwerte 99. Seckau 8. Spandau 85. Stargard 159, 160, 162, 165. Steiermark 8, 18 Anm. 2, 32, 39. Sternberg 159, 162. Stralsund 160. Straßburg 183, 184. Straubing 38 Anm. 1, 102, 1 0 3 - 1 0 5 , 167, 169, 1 7 1 - 1 7 3 , 177, 178. Tannenberg 18, 74, 109. Thorn 111. Thüringen 17, 19, 38 Anm. 1, 51, 92. Tirol 20, 22, 62, 65, 85, 95 Anm. 2, 97, 98, 100, 115, 138,144, 152. Treysa 153 Anm. 7. Trient 98. Trier 18 Anm. 2, 112, 136. Tübingen 191 Anm. 1. Uckermark 154. Ülzen 108. Ungarn 56, 61 Anm. 1, 72. Unna 99. Vogtland 100 Anm. 2. Waren 159. Wenden 159, 160, 162, 165. Werle 46, 159. Westfalen 18 Anm. 2, 113, 144. Wismar 62, 1 6 0 - 1 6 2 . Wittlage 112. Worms 12. Württemberg 42 Anm., 69, 79, 95, 113, 123, 145, 152, 152 Anm. 2, 191 Anm. 1. Wiirzburg 52 Anm. 2.