Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte: Eine vergleichende Studie nach deutschem Verbandsrecht und dem amerikanischen Recht der corporation ... und internationalen Privatrecht, Band 62) 3161468279, 9783161603167, 9783161468278


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German Pages 825 [848] Year 1997

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Table of contents :
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung und Problemstellung
1. Teil: Grundlagen
§ 2 Der rechtsvergleichende Ansatz
§ 3 Zur Einteilung der Mitgliedschaftsrechte und ihrer Einfügung in die Verbandsordnung
I. Individualrechte
II. Gruppen- und Kollektivrechte
III. Minderheitenrechte
IV. Sonderrechte
V. Mitgliedschaftsrechte und Verfahrensordnung
§ 4 Aufsichtsmittel und Aufsichtsmodelle
I. Die Skala der Aufsichtsmittel
II. Vereinigungsfreiheit und Selbstverwaltungsrecht
III. Beschränkungen der Vertragsfreiheit im Verbandsrecht
IV. Die Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und Satzungen
V. Effizienzbewertung
§ 5 Der Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Leitung von Gesellschaften
I. Der privatrechtliche Anspruch des Mitglieds auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung
II. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Rechtsstaatsprinzip im Verfassungsrecht
III. Rechtsvergleichende Perspektiven
IV. Zum Gang der Darstellung
2. Teil: Das Recht der Vereinigten Staaten
§ 6 Grundlagen des amerikanischen Verbandsrechts
I. Die hauptsächlichen Gesellschaftsformen
II. Bestimmungsfaktoren für die Rechtsformwahl
III. Varianten der corporation
IV. Gemeinschaftliche Grundlagen des Rechts der Personenzusammenschlüsse
V. Kodifikation und Vereinheitlichung
§ 7 Die Einzelklagebefugnis des Mitglieds der corporation (shareholder’s derivative action)
I. Grundlagen und Herkunft
1. Historische Entwicklung
a) Englisches Recht
b) Amerikanisches Recht
c) Vergleichende Bewertung
2. Gegenstand der Einzelklage
3. Derivative suit und class action
4. Derivative suit und materielles Recht
II. Die Zulässigkeit der derivative suit
1. Die Klagebefugnis in gegenständlicher Hinsicht
2. Die Klagebefugnis in persönlicher Hinsicht
a) Mitglieder
b) Double derivative suits
c) Die Klagebefugnis der Gesellschaftsgläubiger
d) Die Klagebefugnis der Verwaltungsmitglieder
3. Die Parteien der derivative suit
4. Anforderungen an den Gesellschafter-Kläger
5. Das gesellschaftsinterne Vorverfahren
a) Demand on the board
b) Demand on the shareholders
c) Entbehrliches Vorverfahren
6. Stellung und Entscheidungsbefugnisse eines special litigation committee
7. Das System der Kostentragung
8. Sicherheitsleistung für die Kosten der Gegenseite (security for expenses)
III. Die rechtspolitische Bewertung der derivative action
§ 8 Die Begründetheit der derivative suit
I. Gestaltungsrechte, Einwendungen und Verteidigungsrechte
II. Verurteilung und Einziehungsbefugnis
1. Allgemeine Kennzeichnung der Berechtigungsstruktur
2. Arten der recovery
3. Statthaftigkeit einer direkten Leistung an die Gesellschafter (individual pro rata recovery)
III. Begründetheit der Klage in besonderen Zusammenhängen – Das Beispiel der corporate opportunity-Doktrin
1. Grundlagen
2. Der Tatbestand der corporate opportunity
a) Geschäftschance der Gesellschaft
b) Ausschlagung einer corporate opportunity
3. Besonderheiten für die close corporation?
4. Corporate opportunities in Konzernverbindungen
IV. Besonderheiten der Kostenerstattung bei der begründeten derivative suit mit Bezug auf die Verwaltung
1. Grundlagen
2. Die Indemnifizierungsregelung in New York
3. D & O insurance
§ 9 Der besondere Verfahrensrahmen der derivative suit
I. Streitgegenstand und Parteiherrschaft
II. Die Urteilsrechtskraft
III. Entscheidung durch ein Schiedsgericht
1. Staatliche Gerichtsbarkeit versus Schiedsgerichtsbarkeit
2. Die Herbeiführung der Bindung der Parteien an die Schiedsabrede
3. Einflüsse aus verwandten Rechtsgebieten
IV. Mißbrauch des Klagerechts und verfahrensrechtliche Lösungen
§ 10 Die derivative suit im Recht der partnership
I. Typus und Strukturen der partnership
1. Die general partnership
2. Die limited partnership
II. Gesellschafterrechte und business judgment
III. Die Zulässigkeit der derivative suit
IV. Ablauf und Ergebnis der derivative suit
§ 11 Verbandsordnung, Mitgliederrechte und Leitungsermessen der Verwaltung
I. Wesen der business judgment rule
1. Der haftungsrechtliche Aussagegehalt
2. Beweisrechtliche Implikationen
3. Wirkung der business judgment rule als Schranke gerichtlicher Kognition
4. Auswirkungen der business judgment rule auf Schadensersatz-, Vornahme- oder Unterlassungsklagen
II. Leitungsermessen der Verwaltung für Handlungen im sog. Grundlagenbereich
III. Anwendung der business judgment rule auf Übernahme- und Übernahmeabwehrmaßnahmen insbesondere
IV. Effektivität der Rechtsschutzgewährung
V. Beziehung der Leitungsmacht der Verwaltung zu den Rechten der Gesellschafter
§ 12 Rechtsschutz gegen Gesellschafterbeschlüsse
I. Grundlagen
1. Allgemeine Kennzeichnung
2. Vergleich der Rechtsbehelfe
3. Rechtsstellung des Gesellschafters
4. Der besondere Bedarf für eine Beschlußanfechtungsklage
II. Sonderregime für Wahlen
1. Einzelstaatliche Regelungen
2. Verfahrensbeteiligte und rechtliches Gehör
3. Zuständigkeit, schiedsrichterliche Entscheidung und Fristen
4. Gerichtlicher Prüfungsumfang und taugliche Anfechtungsgründe
5. Rechtsweg für bestimmte Anfechtungsklagen
III. Die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen im allgemeinen
IV. Fazit und Ausblick
§ 13 Rechtsschutz gegenüber Handlungen des board of directors
I. Notwendigkeit eines isolierten Rechtsschutzes gegenüber Handlungen des board
II. Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen
§ 14 Die Informationsrechte der Gesellschafter
I. Ökonomische Bezüge
II. Die Rechtsquellen des Informationsrechts
III. Voraussetzungen der Rechtsausübung
1. Einsichtsberechtigung
2. Einsichtsgründe, Einsichtsantrag und Entscheidung der Gesellschaft
3. Gegenstand des Informationsrechts
IV. Gerichtliche Erzwingung
V. Die Rechtslage bei der partnership insbesondere
VI. Das Informationsrecht in konzernverbundenen Gesellschaften
VII. Informationsrecht und Informationsverwertung
1. Proxy contests und take overs
2. Bedeutung des Informationsrechts für den Austritt und für die Anteilsbewertung
3. Teil: Deutsches Recht
§ 15 Typus und Rechtsform im Verbandsrecht
I. Vom Typus hinter den Verbandsformen
II. Leistungsfähigkeit des Typusdenkens für das Gesellschaftsrecht
III. Zum Einfluß von Typus und Rechtsform auf die steuerliche Behandlung der Verbände
IV. Der Allgemeinen Teil des Rechts der Personenzusammenschlüsse (Rechtsformübergreifendes Gesellschaftsrecht)
§ 16 Das Verhältnis von Subjekt und Verband im deutschen Gesellschaftsrecht
I. Das Problem
II. Entwicklungsgeschichte
1. Stellenwert der Mitgliedschaft
2. Kompetenzverschiebungen zugunsten der Verwaltung
III. Verfassungsrechtliche Vorgaben
§ 17 Die Geltendmachung von Beschlußmängeln
I. Die Beschlußmängel und ihre Folgen
II. Gesellschaftsinterne Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen
III. Die Nichtigkeit von Beschlüssen und ihre Geltendmachung
1. Nichtigkeitsgründe
2. Die Geltendmachung der Nichtigkeit
3. Konsequenzen der Nichtigkeit
IV. Die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen
1. Anfechtungsgründe
a) Allgemeines
b) Die Sondervorteilsanfechtung nach § 243 Abs. 2 AktG insbesondere
2. Anfechtungsbefugnis
3. Die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG
4. Der Anfechtungsrechtsstreit im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten
a) Die Rechtsnatur der Anfechtungsklage
b) Prozeßkostentragung und Streitwertbestimmung
c) Urteilswirkungen und Entscheidungsinhalte
§ 18 Die Ausdehnungsfähigkeit des Konzepts der Beschlußmängelklage
I. Extension auf Beschlüsse der Verwaltung
1. Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse
a) Rechtsschutzbedarf
b) Der Einfluß der Arbeitnehmermitbestimmung
2. Der Verfahrensrahmen für die Geltendmachung fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse
a) Geltendmachungsbefugnis
b) Die Anfechtungsfrist
c) Das Anfechtungsverfahren
3. Der fehlerhafte Vorstandsbeschluß
a) Grundlagen: Das Beispiel des genehmigten Kapitals
b) Das Anfechtungsverfahren
II. Der privatrechtliche Organstreit
III. Ausdehnungsfähigkeit der §§ 241 ff. AktG auf andere Verbandsformen
1. Idealvereine
2. Die Wohnungseigentümergemeinschaft
3. Die Rechtslage bei den Personengesellschaften
4. Fazit
§ 19 Die Einzelklagebefugnis
A. Grundlagen und Begrifflichkeit
B. Die Rechtslage bei den Personengesellschaften
I. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
1. Die Einzelklage wegen Einziehung der Einlageforderung
a) Rechtsgrundlagen
b) Voraussetzungen der Geltendmachung
c) Wirkungen und Ergebnis der Prozeßführung
2. Die Einzelklage zur Durchsetzung von Ansprüchen aus fehlerhafter Geschäftsführung
a) Rechtsformspezifika der GbR
b) Voraussetzungen der Geltendmachung
3. Einzelklage wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrages durch andere Gesellschafter
4. Einzelklage wegen Vornahme oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen
5. Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Dritte
a) Ausgangslage
b) Vorverfahren und Streitbeteiligung der Gesellschaft
II. Die Einzelklagebefugnis bei der Offenen Handelsgesellschaft
1. Besonderheiten der OHG
2. Die Inhalte der Einzelklage bei der OHG
III. Rechtslage bei der Kommanditgesellschaft
1. Verfassungsaufbau der KG
2. Die Anspruchsinhalte
a) Schadensersatzansprüche
b) Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
3. Publikumskommanditgesellschaft und treuhänderische Beteiligung
C. Die Einzelklage im Recht der Partenreederei
D. Die Einzelklage im GmbH-Recht
I. Verbandsrechtliche Grundlagen
II. Einzelklage wegen Einforderung der Stammeinlagen und Erhaltung des Stammkapitals
III. Einzelklage wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrages durch Nichtgeschäftsführer
IV. Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer und Gesellschafter (§ 46 Nr. 8 GmbHG)
1. Rechtslage bei Zustandekommen des Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG
2. Ablehnung des Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG
3. Untätigkeit der Gesellschafterversammlung
V. Vornahme oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungshandlungen
1. Unterlassungsklagen
2. Vornahmeklagen
VI. Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte
E. Die Rechtslage bei der Aktiengesellschaft
I. Organisation der AG und Rechte der Aktionäre
II. Aktienrechtliche Vorgaben für die Einzelklage
III. Die Einzelklage zur Aufbringung der Einlagen und Erhaltung des Grundkapitals
IV. Rechtsbehelfe bei Verletzung der Satzung und Schädigung der Gesellschaft durch Nichtverwaltungsmitglieder
V. Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltung
VI. Erzwingung von Geschäftsführungshandlungen
VII. Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen mittels Einzelklage
VIII. Fazit
F. Die Einzelklage im Vereinsrecht
G. Die Rechtslage bei der eingetragenen Genossenschaft
I. Grundlagen und Verfassungsaufbau
II. Das Einzelklagerecht in der Genossenschaft
H. Exkurs: Zur Rechtslage bei der Wohnungseigentümergemeinschaft
I. Die Gliederung der Wohnungseigentümergemeinschaft
II. Die Einzelklagebefugnis des Wohnungseigentümers
III. Die Fallgruppen der Einzelklage
J. Der Allgemeine Teil der Einzelklage
I. Klagebefugnis
1. Mitglieder
2. Verwaltungsmitglieder
II. Klagefrist
III. Das Verhältnis der Einzelklage zu anderen Rechtsbehelfen
IV. Das verbandsinterne Vorverfahren
V. Kostentragung
VI. Eignung und Stellung des Klägers
VII. Rechtskraft und Zwangsvollstreckung
VIII. Die Einzelklage im Konzern
§ 20 Die Informationsrechte in den Verbänden
I. Grundlagen
II. Die Dogmatik des Informationsrechts
1. Der Inhalt des Informationsrechts
2. Träger und Verpflichteter des Informationsrechts
3. Voraussetzungen und Schranken des Informationsrechts
4. Durchsetzung des Informationsrechts und Rechtsfolgen der Informationsverweigerung
5. Informationsrechte im Unternehmensverbund
III. Ausgestaltung der Informationsrechte in den Verbandsformen
1. Gesellschaft bürgerlichen Rechts
2. Offene Handelsgesellschaft
3. Kommanditgesellschaft
4. Aktiengesellschaft
5. Gesellschaft mit beschränkter Haftung
6. Eingetragener Verein
7. Eingetragene Genossenschaft
IV. Zusammenfassende Bewertung
§ 21 Mißbräuchliche Ausübung von Gesellschafterrechten
I. Zweck, funktionsgemäßer Gebrauch und Mißbrauch von Gesellschafterrechten
II. Der Mißbrauchstatbestand
III. Abkauf des Klagerechts und Vergleichsbefugnis der Parteien
IV. Die angemessenen Folgen mißbräuchlichen Verhaltens
1. Rechtsmißbrauch und Schicksal der Klage
2. Die Behandlung des Auskaufentgelts
a) Abfindung durch die Gesellschaft
b) Die Einschaltung Dritter
3. Haftung rechtsmißbräuchlich handelnder Gesellschafter
V. Abhilfekonzepte
1. Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung
2. Inhaltskontrolle von Parteihandlungen
3. Verzahnung von Streit- und Registerverfahren; einstweiliger Rechtsschutz
VI. Abweichende Behandlung eigennütziger Gesellschafterrechte?
VII. Synthese
§ 22 Die Schiedsfähigkeit von Gesellschafterklagen
I. Wesen und Grundlagen
1. Die Vorbehaltsklauseln der Schiedsgerichtsbarkeit
2. Verfassungsrechtliche Verbürgung und Grenzen der Schiedsgerichtsbarkeit
II. Schiedsfähigkeit und Vergleichsbefugnis von Gesellschafterklagen
1. Die Vergleichsbefugnis im Gesellschaftsrecht
2. Schiedsfähigkeit
III. Form und Bindungsumfang der Schiedsabrede
IV. Organisation und Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts
1. Anforderungen an die Schiedsgerichtsverfassung
2. Jurisdiktionsgewalt des Schiedsgerichts
V. Schiedsrichterliches Verfahren und Urteil
1. Anwendbares Verfahrensrecht
2. Anwendbares Sachrecht
3. Vorlageberechtigung
4. Veröffentlichung des Schiedsspruchs
VI. Fazit
4. Teil: Erträge und Perspektiven
§ 23 Fazit und Ausblick
I. Die Aktiengesellschaft als Paradigma verbandsrechtlicher Reformen
II. Wettbewerb und Effizienz der Aufsichtsmittel
III. Mitgliederpartizipation und Leitungsgewalt
IV. Der geeignete Verfahrensrahmen
V. Schlußblick
Literaturverzeichnis
Entscheidungsregister
Sachregister
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Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte: Eine vergleichende Studie nach deutschem Verbandsrecht und dem amerikanischen Recht der corporation ... und internationalen Privatrecht, Band 62)
 3161468279, 9783161603167, 9783161468278

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Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht

62 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt und Hein Kötz

Michael Becker

Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte Eine vergleichende Studie nach deutschem Verbandsrecht und dem amerikanischen Recht der Corporation

Mohr Siebeck

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Becker, Michael:

Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte: eine vergleichende Studie nach deutschem Verbandsrecht und dem amerikanischen Recht der corporation / Michael Becker. - Tübingen: Mohr Siebeck, 1997 (Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht; Bd. 62)

ISBN 3-16-146827-9 / eISBN 978-3-16-160316-7 unveränderte eBook-Ausgabe 2022

© 1997 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) T übingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde gedruckt von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständigem Werk­ druckpapier der Papierfabrik Weissenstein in Pforzheim und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden.

ISSN 0720-1141

Vorwort Gegenstand der Untersuchung ist die Aufsicht über die Verwaltungsorgane und über das Verwaltungshandeln in den privatrechtlichen Personen­ zusammenschlüssen. Dies ist ein zentrales, aktuelles und zeitloses Thema aus der Diskussion um die corporate govemance, das dem Gesetzgeber, den Ge­ richten und der Wissenschaft keine Ruhe gönnt. Die Fragestellung und die Studie erschöpfen sich freilich nicht in einer organisationsrechtlichen Be­ trachtung, da sich das Organisationsrecht allein als nicht tragfähig erwiesen hat, die von der Verbandsbildung im Innen- wie im Außenverhältnis be­ rührten unterschiedlichen Interessen wirksam auszugleichen und die bekann­ ten Konflikte abzustellen. Dieser Befund ist gleichermaßen kennzeichnend für das deutsche wie für das amerikanische Recht. Die vorliegende Schrift plädiert wider den Zeitgeist dafür, das privatrechtlich-mitgliedschaftliche Substrat der Verbände wieder in den Vordergrund treten zu lassen. Die Kontrolle der Verbände bleibt, obwohl sie zugleich im öffentlichen Interesse liegt, in erster Linie den Mitgliedern überantwortet und von subjektiven Rechten getragen. Das entspricht überdies dem grundgesetzlichen Verständ­ nis der Vereinigungsfreiheit, in deren Mittelpunkt die Mitglieder stehen. Die von den Mitgliedern ausgehende Aufsicht ist anderen Aufsichtsformen — etwa dem Kapitalmarkt — per saldo überlegen und in allen Verbänden ein­ setzbar. Die Rückbesinnung auf das Konzept der Legalitätsaufsicht durch die Mitglieder, denen ein Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Ver­ waltung zusteht, verlangt nach einer Fundierung im materiellen Verbands­ recht sowie nach der Entwicklung eines funktionsorientierten prozessualen Rahmens für die Durchsetzung der Kontrollrechte. Aufsicht durch Mitglie­ derrechte ordnet die Verbände dem Privatrecht zu und beinhaltet insbeson­ dere für die Aktiengesellschaft eine Absage an das Vorstellungsbild von ei­ nem Unternehmen an sich. Der Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg hat die Arbeit im Wintersemester 1995/96 als Habilitationsschrift angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Referent am MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Wichtige Entscheidungen sind bis Ende 1996 nachgetragen. Später erschienene Lite­ ratur und Rechtsprechung konnte allenfalls noch in den Fußnoten Berück­ sichtigung finden.

Vielen schulde ich Dank und Anerkennung. An erster Stelle zu nennen ist mein verehrter akademischer Lehrer Professor Dr. Dr.h.c. Emst-Joachim Mestmäcker für seine wohl wollende und vielfältige Förderung, die sich einer Beschreibung durch Worte entzieht. Das Zweitvotum hat Professor Dr. Karsten Schmidt in außerordentlich kurzer Zeit erstellt. Die Aufnahme der Abhandlung in die Schriftenreihe des Instituts hat das Direktorium, beste­ hend aus den Professoren Dres. Dres.h.c.mult. Drobnig, Hopt und Kötz, bewilligt. Die Fazit-Stiftung hat das Entstehen der Arbeit in der Anfangs­ phase durch die Gewährung eines großzügigen Stipendiums, das meine zeit­ weilige Freistellung ermöglichte, nachhaltig gefördert. Der Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort GmbH hat einen ansehnlichen Druckkostenzuschuß geleistet. Ingeborg Stahl und besonders Pauline Sullivan haben dem Manuskript unter großen Mühen eine reproduk­ tionsfähige Gestalt gegeben und dadurch die Drucklegung wesentlich er­ leichtert. Meine Frau schließlich hat die Hauptlast des Korrekturlesens ge­ tragen. Ihnen allen gebührt mein aufrichtiger Dank.

Hamburg, im Sommer 1997

Michael Becker

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis............................................................................................ IX

Abkürzungsverzeichnis................................................................................. XXI

§

1 Einleitung und Problemstellung............................................................... 1

1. Teil

Grundlagen §

2 Der rechtsvergleichende Ansatz............................................................ 10

§

3 Zur Einteilung der Mitgliedschaftsrechte und ihrer Einfügung in die Verbandsordnung...................................................... 17

§

4 Aufsichtsmittel und Aufsichtsmodelle.................................................. 39

§

5 Der Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Leitung von Gesellschaften................................................................... 75

2. Teil

Das Recht der Vereinigten Staaten § 6 Grundlagen des amerikanischen Verbandsrechts............................... 90 § 7 Die Einzelklagebefugnis des Mitglieds der Corporation (shareholder’s derivative action)................................................ 114 §

8 Die Begründetheit der derivative suit............................................... 171

§ 9 Der besondere Verfahrensrahmen der derivative suit...................... 205

§ 10 Die derivative suit im Recht der partnership................................... 237 §11 Verbandsordnung, Mitgliederrechte und Leitungs­ ermessen der Verwaltung........................................................... 263

§ 12 Rechtsschutz gegen Gesellschafterbeschlüsse..................................295 § 13 Rechtsschutz gegenüber Handlungen des board of directors................................................................................. 329 § 14 Die Informationsrechte der Gesellschafter...................................... 337

3. Teil

Deutsches Recht § 15 Typus und Rechtsform im Verbandsrecht....................................... 370 § 16 Das Verhältnis von Subjekt und Verband im deutschen Gesellschaftsrecht........................................................................ 393

§

17Die Geltendmachung von Beschlußmängeln.................................... 411

§ 18 Die Ausdehnungsfähigkeit des Konzepts der Beschlußmängelklage.................................................................. 485 §

19Die Einzelklagebefugnis.....................................................................529

§

20Die Informationsrechte in den Verbänden.........................................669

§

21Mißbräuchliche Ausübung von Gesellschafterrechten..................... 701

§

22Die Schiedsfähigkeit von Gesellschafterklagen................................ 743

4. Teil

Erträge und Perspektiven § 23 Fazit und Ausblick................................................................................ 776

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsübersicht............................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................... XXI

§ 1

Einleitung und Problemstellung............................................................... 1

1. Teil

Grundlagen §2

Der rechts vergleichende Ansatz........................................................... 10

§3

Zur Einteilung der Mitgliedschaftsrechte und ihrer Einfügung in die Verbandsordnung.................................................................... 17

§4

§5

I.

Individualrechte................................................................. 18

II.

Gruppen- und Kollektivrechte.......................................... 20

III.

Minderheitenrechte...........................................................22

IV.

Sonderrechte...................................................................... 25

V.

Mitgliedschaftsrechte und Verfahrensordnung.............. 35

Aufsichtsmittel und Aufsichtsmodelle................................................. 39

I.

Die Skala der Aufsichtsmittel.......................................... 40

II.

Vereinigungsfreiheit und Selbstverwaltungsrecht.......... 61

III.

Beschränkungen der Vertragsfreiheit im Verbandsrecht.65

IV.

Die Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und Satzungen..................................................................................... 67

V.

Effizienzbewertung......................................................... 71

Der Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Leitung von Gesellschaften............................................................................... 75

I.

Der privatrechtliche Anspruch desMitglieds aufgesetzesund statutenkonforme Verwaltung...............................................75

II.

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Rechtsstaatsprinzip im Verfassungsrecht.......................................................................... 79

III.

Rechtsvergleichende Perspektiven.................................... 83

IV.

Zum Gang der Darstellung................................................86

2. Teil

Das Recht der Vereinigten Staaten §6

Grundlagen des amerikanischen Verbandsrechts.................................90 I.

Die hauptsächlichen Gesellschaftsformen........................90

II.

Bestimmungsfaktoren für die Rechtsformwahl............... 93

III.

Varianten der Corporation.................................................. 96 Gemeinschaftliche Grundlagen des Rechts der

IV.

Personenzusammenschlüsse............................................................. 103

Kodifikation und Vereinheitlichung.............................. 105

V. §7

Die Einzelklagebefugnis des Mitglieds der Corporation (shareholder’s derivative action)................................................ 113

Grundlagen und Herkunft........................................................... 113 1. Historische Entwicklung.................................................. 113 a) Englisches Recht...............................................................................113 b) Amerikanisches Recht...................................................................... 115 c) Vergleichende Bewertung................................................................. 116 2. Gegenstand der Einzelklage............................................. 118 3. Derivative suit und dass action........................................ 122 4. Derivative suit und materielles Recht.............................. 128

II. 1. 2.

a) b) c) d) 3. 4. 5.

a) b)

Die Zulässigkeit der derivative suit............................... 130 Die Klagebefugnis in gegenständlicher Hinsicht........... 130 Die Klagebefugnis in persönlicher Hinsicht....................131 Mitglieder........................................................................................... 131 Double derivative suits...................................................................... 131 Die Klagebefugnis der Gesellschaftsgläubiger................................. 133 Die Klagebefugnis der Verwaltungsmitglieder................................. 137 Die Parteien der derivative suit....................................... 139 Anforderungen an den Gesellschafter-Kläger................ 142 Das gesellschaftsinteme Vorverfahren............................ 144 Demand on the board........................................................................ 144 Demand on the Shareholders............................................................ 148

Entbehrliches Vorverfahren.............................................................. 151 Stellung und Entscheidungsbefugnisseeines speciallitigation committee.................................................................................................. 153 7. Das System der Kostentragung........................................ 159 8. Sicherheitsleistung für die KostenderGegenseite(securityfor expenses) .................................................................................................. 164 c)

6.

Die rechtspolitische Bewertung der derivative action... 167

III.

§8

Die Begründetheit der derivative suit................................................. 171 I. Gestaltungsrechte, Einwendungen und Verteidigungsrechte.. 172 Verurteilung und Einziehungsbefugnis...................

II. 1. 2. 3.

175 Allgemeine Kennzeichnung der Berechtigungsstruktur. 176 Arten der recovery.......................................................... 177

Statthaftigkeit einer direkten Leistung an die Gesellschafter (individual pro rata recovery) ........................................................... 179

III. Begründetheit der Klage in besonderen Zusammenhängen - Das Beispiel der corporate opportunity-Doktrin..... 182 1. 2. a) b) 3. 4.

Grundlagen...................................................................... 182 Der Tatbestand der corporate opportunity .................... 188 Geschäftschance der Gesellschaft..................................................... 188 Ausschlagung einer corporate opportunity...................................... 191 Besonderheiten für die close Corporation?...................... 192 Corporate opportunities in Konzemverbindungen......... 195

IV. Besonderheiten der Kostenerstattung bei der begründeten derivative suit mit Bezug auf die Verwaltung.................. 198 1. 2. 3.

§9

Grundlagen...................................................................... 198 Die Indemnifizierungsregelung in New York............... 201 D & O Insurance............................................................. 202

Der besondere Verfahrensrahmen der derivative suit........................205

I.

Streitgegenstand und Parteiherrschaft............................ 205

II.

Die Urteilsrechtskraft...................................................... 214

III. 1. 2. 3.

Entscheidung durch ein Schiedsgericht........................... 217 Staatliche Gerichtsbarkeit versus Schiedsgerichtsbarkeit.217 Die Herbeiführung der Bindung der Parteien an die Schiedsabrede... 219 Einflüsse aus verwandten Rechtsgebieten...................... 224

IV. Mißbrauch des Klagerechts und verfahrensrechtliche Lösungen............................................................................ 230

§ 10 Die derivative suit im Recht der partnership..................................... 237

I.

Typus und Strukturen der partnership...................................... 237 1. Die general partnership....................................................240 2. Die limited partnership................................................... 242

II.

Gesellschafterrechte undbusiness judgment.................. 245

III.

Die Zulässigkeit der derivative suit............................... 249

Ablauf und Ergebnis der derivative suit....................... 254

IV.

§ 11 Verbandsordnung, Mitgliederrechte und Leitungsermessen der Verwaltung................................................................................. 263

Wesen der business judgment rule..................................263

I.

Der haftungsrechtliche Aussagegehalt..................................................265 Beweisrechtliche Implikationen............................................................. 268 Wirkung der business judgment rule als Schranke gerichtlicher Kognition...................................................................... 270 4. Auswirkungen der business judgment rule auf Schadensersatz-, Vornahme- oder Unterlassungsklagen................. 273 1. 2. 3.

II.

Leitungsermessen der Verwaltung für Handlungenim sog. Grundlagenbereich..................................................................... 276

III.

Anwendung der business judgment rule auf Übernahmeund Übemahmeabwehrmaßnahmen insbesondere................... 284

IV.

Effektivität der Rechtsschutzgewährung ....................... 289

V.

Beziehung der Leitungsmacht der Verwaltung zuden Rechten der Gesellschafter........................................................ 292

§ 12 Rechtsschutz gegen Gesellschafterbeschlüsse .................................... 295

I. 1. 2. 3. 4.

II.

Grundlagen....................................................................... 296 Allgemeine Kennzeichnung............................................. 296 Vergleich der Rechtsbehelfe............................................ 299 Rechtsstellung des Gesellschafters.................................. 304 Der besondere Bedarf für eine Beschlußanfechtungsklage.305

Sonderregime für Wahlen.............................................. 314 1. Einzelstaatliche Regelungen................................................................... 315 2. Verfahrensbeteiligte und rechtliches Gehör.......................................... 317 Zuständigkeit, schiedsrichterliche Entscheidung und Fristen...........................................................................................318 4. Gerichtlicher Prüfungsumfang und taugliche Anfechtungsgründe............................................................................. 320 5. Rechtsweg für bestimmte Anfechtungsklagen....................................... 322

3.

III. Die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen im allgemeinen................................................................................. 324

IV. Fazit und Ausblick......................................................................325

§13 Rechtsschutz gegenüber Handlungen des board of directors.......... 329

I.

Notwendigkeit eines isolierten Rechtsschutzes gegenüber Handlungen des board........................................................329

Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen........................... 334

II.

§ 14 Die Informationsrechte der Gesellschafter...................................... 337

I.

Ökonomische Bezüge...................................................... 339

II.

Die Rechtsquellen des Informationsrechts....................... 342

III.

Voraussetzungen der Rechtsausübung............................. 345 Einsichtsberechtigung..................................................... 346

1. 2.

Einsichtsgründe, Einsichtsantrag und Entscheidung der Gesellschaft......................................................................................... 347 3. Gegenstand des Informationsrechts................................ 351

IV.

Gerichtliche Erzwingung................................................. 352

V.

Die Rechtslage bei der partnership insbesondere........ 354

VI.

Das Informationsrecht in konzemverbundenen Gesellschaften............................................................................ 357

VII. 1. 2.

Informationsrecht und InformationsVerwertung ............ 361 Proxy contests und take overs........................................ 361 Bedeutung des Informationsrechts für den Austritt und für die Anteilsbewertung............................................................. 365

3. Teil

Deutsches Recht §15 Typus und Rechtsform im Verbandsrecht......................................... 370 I.

Vom Typus hinter den Verbandsformen........................ 371

II. Leistungsfähigkeit des Typusdenkens für das Gesellschaftsrecht.............................................................. 377

III. Zum Einfluß von Typus und Rechtsform auf die steuerliche Behandlung der Verbände............................................... 380 IV. Der Allgemeinen Teil des Rechts der Personenzusammen­ schlüsse (Rechtsformübergreifendes Gesellschaftsrecht)........ 387

§ 16 Das Verhältnis von Subjekt und Verband im deutschen Gesellschaftsrecht........................................................................393

Das Problem.................................................................... 394

I.

Entwicklungsgeschichte................................................... 395 Stellenwert der Mitgliedschaft........................................ 395 Kompetenzverschiebungen zugunsten der Verwaltung..401

II. 1. 2.

III. Verfassungsrechtliche Vorgaben................................................ 405 §17 Die Geltendmachung von Beschlußmängeln.................................... 411 Die Beschlußmängel und ihre Folgen............................ 413

I.

II. Gesellschaftsinteme Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen................................................................. 418 Die Nichtigkeit von Beschlüssen und ihre Geltendmachung.. 419 Nichtigkeitsgründe...........................................................420 Die Geltendmachung der Nichtigkeit............................. 424 Konsequenzen der Nichtigkeit........................................ 428

III. 1. 2. 3.

IV. 1.

Die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen....... 428 Anfechtungsgründe...........................................................428 a) Allgemeines...................................................................................... 428

Die Sondervorteilsanfechtung nach § 243 Abs. 2 AktG insbesondere.................................................................................. 431 2. Anfechtungsbefugnis....................................................... 444 3. Die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG................ 459 4. Der Anfechtungsrechtsstreit im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten............................................................................................ 470 a) Die Rechtsnatur der Anfechtungsklage........................................... 471 b) Prozeßkostentragung und Streitwertbestimmung............................ 475 c) Urteilswirkungen und Entscheidungsinhalte................................... 480

b)

§18 Die Ausdehnungsfähigkeit des Konzepts der Beschlußmängelklage.................................................................. 485 I. 1.

Extension auf Beschlüsse der Verwaltung..................... 486 Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse................................487 a) Rechtsschutzbedarf........................................................................... 487 b) Der Einfluß der Arbeitnehmermitbestimmung................................ 491

Der Verfahrensrahmen für die Geltendmachung fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse...................................................................... 494 a) Geltendmachungsbefugnis................................................................494 b) Die Anfechtungsfrist.......................................................................... 496 c) Das Anfechtungsverfahren................................................................ 497 3. Der fehlerhafte Vorstandsbeschluß ................................ 500 a) Grundlagen: Das Beispiel des genehmigten Kapitals...................... 501 b) Das Anfechtungsverfahren................................................................ 504

2.

III.

Ausdehnungsfähigkeit der §§241 ff. AktG auf andere Verbandsformen................................................................ 512 1. Idealvereine.......................................................................513 2. Die Wohnungseigentümergemeinschaft.......................... 517 3. Die Rechtslage bei den Personengesellschaften............. 518 4. Fazit.................................................................................. 525

§19 Die Einzelklagebefugnis.....................................................................529 A.

Grundlagen und Begrifflichkeit.......................................................... 531

B.

Die Rechtslage bei den Personengesellschaften................................ 536 I. 1.

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts........................... 537 Die Einzelklage wegen Einziehung der Einlageforderung.541 a) Rechtsgrundlagen.............................................................................. 542 b) Voraussetzungen der Geltendmachung........................................... 543 c) Wirkungen und Ergebnis der Prozeßführung................................. 545

Die Einzelklage zur Durchsetzung von Ansprüchen aus fehlerhafter Geschäftsführung........................................................... 546 a) Rechtsformspezifika der GbR.......................................................... 547 b) Voraussetzungen der Geltendmachung........................................... 550 3. Einzelklage wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrages durch andere Gesellschafter.............................................................. 551 4. Einzelklage wegen Vornahme oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen........................................................... 552 5. Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Dritte.554 a) Ausgangslage.....................................................................................554 b) Vorverfahren und Streitbeteiligung der Gesellschaft..................... 558

2.

II. Die Einzelklagebefugnis bei der Offenen Handels­ gesellschaft..........................................................................560 1. 2.

III.

Besonderheiten der OHG................................................. 560 Die Inhalte der Einzelklage bei der OHG....................... 561

Rechtslage bei der Kommanditgesellschaft................... 565 1. Verfassungsaufbau der KG.............................................. 565 2. Die Anspruchsinhalte ...................................................... 566 a) Schadensersatzansprüche.................................................................. 567 b) Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen................................. 567 3.

Publikumskommanditgesellschaft und treuhänderische Beteiligung.......................................................................................... 569

C.

Die Einzelklage im Recht der Partenreederei.................................... 571

D.

Die Einzelklage im GmbH-Recht......................................................... 573 I.

Verbandsrechtliche Grundlagen..................................... 574

II. Einzelklage wegen Einforderung der Stammeinlagen und Erhaltung des Stammkapitals............................................ 577

III.

Einzelklage wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrages durch Nichtgeschäftsführer........................................................ 582

IV.

Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer und Gesellschafter (§ 46 Nr. 8 GmbHG)..................................................................583 1.

Rechtslage bei Zustandekommen des Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG.................................................................... 584 2. Ablehnung des Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG.. 586 3. Untätigkeit der Gesellschafterversammlung................... 590

E.

V.

Vornahme oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungshandlungen....................................................592 1. Unterlassungsklagen ....................................................... 593 2. Vornahmeklagen............................................................... 594

VI.

Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte..................595

Die Rechtslage bei der Aktiengesellschaft.......................................... 598 I.

Organisation der AG und Rechte der Aktionäre.......600

II.

Aktienrechtliche Vorgaben für die Einzelklage............ 604

III. Die Einzelklage zur Aufbringung der Einlagen und Erhaltung des Grundkapitals......................................609

IV. Rechtsbehelfe bei Verletzung der Satzung und Schädigung der Gesellschaft durch Nichtverwaltungsmitglieder..............................................610

V. Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltung........................................................................... 611 VI.

Erzwingung von Geschäftsführungshandlungen..............613

VII. Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen mittels Einzelklage............................................................. 618

VIII.

Fazit.................................................................................. 622

F.

Die Einzelklage im Vereinsrecht........................................................ 623

G.

Die Rechtslage bei der eingetragenen Genossenschaft...................... 626

H.

I.

Grundlagen und Verfassungsaufbau...............................626

II.

Das Einzelklagerecht in der Genossenschaft................... 629

Exkurs: Zur Rechtslage bei der Wohnungseigentümergemeinschaft.......................................... 633

I.

Die Gliederung der Wohnungseigentümergemeinschaft.......... 633

J.

Die Einzelklagebefugnis des Wohnungseigentümers............... 637

II

.

II

I. Die Fallgruppen der Einzelklage............................ 642

Der Allgemeine Teil der Einzelklage................................................. 647 I. 1. 2.

Klagebefugnis................................................................. 647 Mitglieder ....................................................................... 648 Verwaltungsmitglieder................................................... 649

II.

Klagefrist.......................................................................... 650

III.

Das Verhältnis der Einzelklagezu anderen Rechtsbehelfen .. 651

IV.

Das verbandsinteme Vorverfahren................................ 652

V.

Kostentragung................................................................ 657

VI.

Eignung und Stellung des Klägers.................................. 659

VII.

Rechtskraft und Zwangsvollstreckung........................... 661

VIII.

Die Einzelklage im Konzern......................................... 664

§ 20 Die Informationsrechte in den Verbänden.......................................... 669

Grundlagen....................................................................... 669

I.

II. 1. 2. 3. 4.

Die Dogmatik des Informationsrechts...........................672 Der Inhalt des Informationsrechts .................................. 672 Träger und Verpflichteter des Informationsrechts......... 674 Voraussetzungen und Schranken des Informationsrechts.675

Durchsetzung des Informationsrechts und Rechtsfolgen der Informationsverweigerung..................................................................680 5. Informationsrechte im Unternehmensverbünd................ 685

III. Ausgestaltung der Informationsrechte in den Verbandsformen................................................................ 687 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

IV.

Gesellschaft bürgerlichen Rechts................................... 687 Offene Handelsgesellschaft.............................................688 Kommanditgesellschaft................................................... 689 Aktiengesellschaft............................................................692 Gesellschaft mit beschränkter Haftung.......................... 694 EingetragenerVerein....................................................... 695 Eingetragene Genossenschaft......................................... 696

Zusammenfassende Bewertung....................................... 698

§21 Mißbräuchliche Ausübung von Gesellschafterrechten...................... 701

I.

Zweck, funktionsgemäßer Gebrauch und Mißbrauch von Gesellschafterrechten.......................................................... 702

III. IV.

Abkauf des Klagerechts und Vergleichsbefugnisder Parteien........................................................................................ 710

Die angemessenen Folgen mißbräuchlichenVerhaltens.......... 717 Rechtsmißbrauch und Schicksal der Klage.................... 717 Die Behandlung des Auskaufentgelts........................... 718 a) Abfindung durch die Gesellschaft................................................... 720 b) Die Einschaltung Dritter.................................................................. 723 3. Haftung rechtsmißbräuchlich handelnder Gesellschafter.725

1. 2.

V. 1. 2. 3.

Abhilfekonzepte.......................................................... 727 Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung........... 727 Inhaltskontrolle von Parteihandlungen.......................... 728 Verzahnung von Streit- und Registerverfahren; einstweiliger Rechtsschutz....................................................................................... 730

VI.

Abweichende Behandlung eigennütziger Gesellschafterrechte?................................................................. 740

VII.

Synthese........................................................................... 741

§ 22 Die Schiedsfähigkeit von Gesellschafterklagen................................. 743

I. 1. 2.

II.

Wesen und Grundlagen................................................. 745 Die Vorbehaltsklauseln der Schiedsgerichtsbarkeit...... 746 Verfassungsrechtliche Verbürgung und Grenzen der Schieds­ gerichtsbarkeit .................................................................................... 747

Schiedsfähigkeit und Vergleichsbefugnis von Gesellschafterklagen...................................................................750 1. Die Vergleichsbefugnis im Gesellschaftsrecht.............. 750 2. Schiedsfähigkeit.............................................................. 753

III.

Form und Bindungsumfang der Schiedsabrede............ 760

IV.

Organisation und Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts........................................................................... 762 1. Anforderungen an die Schiedsgerichtsverfassung ........762 2. Jurisdiktionsgewalt des Schiedsgerichts........................ 764

V.

Schiedsrichterliches Verfahren und Urteil................... 767 1. Anwendbares Verfahrensrecht................................................................767 2. Anwendbares Sachrecht..................................................769 3. Vorlageberechtigung.......................................................770 4. Veröffentlichung des Schiedsspruchs............................ 771

VI. Fazit........................................................................................... 773

4. Teil

Erträge und Perspektiven § 23 Fazit und Ausblick.............................................................................. 776 I.

Die Aktiengesellschaft als Paradigma verbandsrechtlicher Reformen.....................................................................................777

II.

Wettbewerb und Effizienz der Aufsichtsmittel .............. 779

III.

Mitgliederpartizipation und Leitungsgewalt................... 789

IV.

Der geeignete Verfahrensrahmen.................................... 791

V.

Schlußblick....................................................................... 797

Literaturverzeichnis...................................................................................... 803 Entscheidungsregister....................................................................................815 Sachregister.................................................................................................... 817

Abkürzungsverzeichnis Die hier verwandten Abkürzungen zum deutschen Recht erfolgen in An­ lehnung an Hildebert Kirchner, AbkürzungsVerzeichnis der Rechts­ sprache, 4. Aufl. 1993; die zum amerikanischen und englischen Recht be­ nutzten Abkürzungen folgen Bieber’s Dictionary of legal Abbreviations, hrsg. von Mary Miles Prince, 4. Aufl. Buffalo, N.Y. 1993. Im übrigen sind folgende Abkürzungen gebraucht: ALI AmJur AmJur 2d ARS BauersZ

BGE BR-Drucks. BT-Drucks. Cal. Corp. Code Columb.L.Rev. CPLR dis. D.J.T. DZWir F.R.Civ.P.

FN GesRZ

GK GmbHRdsch. Großkomm. GrSen. GrünhutsZ

HoldhMSchr. Hrsg., hrsg. i.S.d. i.S.v. J.O. JherJb.

American Law Institute American Jurisprudence American Jurisprudence, Second Series Arbeitsrechts-Sammlung Der Handelsgesellschafter, später Zeitschrift für Aktiengesellschaften und für Gesellschaften m.b.H., hrsg. von Bauer (1893-1943) Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (Lausanne, 1876 ff.) Drucksachen des Deutschen Bundesrates Drucksachen des Deutschen Bundestages California Corporations Code Columbia Law Review Civil Practice Law and Rules (New York) dismissed Deutscher Juristentag Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (1991 ff.) Federal Rules of Civil Procedure (im Anhang zu 28 U.S.C.A.) Fußnote Zeitschrift für Gesellschafts- und Untemehmensrecht (Wien, 1972 ff.) Gemeinschaftskommentar GmbH -Rundschau Großkommentar Großer Senat Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begründet von Grünhut (Wien, 1874-1916) Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen u.a., begründet von Holdheim (1892-1919) Herausgeber, herausgegeben im Sinne des im Sinne von Journal Officiel Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts

XXII

KartellRdsch.

Komm. KritV L.Q.Rev. M.B.C.A. N.Y.B.C.L. N.Y.P.L. öAktG

öGmbHG OLG-Rspr.

OGH ORDO

P.L. PublKG R.M.B.C.A. RAGE RdA RdNr. reh.den. Rev.soc. RGRK ROHGE R.U.L.P.A. S.E.C., SEC See. Act Sec.Exch.Act SeuffA.

SJZ Sig. sog.

sz U.L.P.A. U.P.A. U.S.C. U.S.C.A. VerwArchiv WpHG WuB WuM ZBH

Abkürzungsverzeichnis

Kartell-Rundschau, Monatsschrift für Kartell- und Konzemwesen (1903-44) Kommentar Kritische Vierteljahresfrist für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft The Law Quarterly Review (London, 1885 ff.) Model Business Corporation Act (American Bar Association, 1950) New York Business Corporation Law New York Partnership Law Österreichisches Gesetz über Aktiengesellschaften von 1965 Österreichisches Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1906 Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Oberster Gerichtshof (Österreich) Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Partnership Law Publikumskommanditgesellschaft Revised Model Business Corporation Act (American Bar Association, 1984) Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit Randnummer rehearing denied Revue des socits (Paris, 1883 ff.) Kommentar der Reichsgerichtsräte Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Revised Uniform Limited Partnership Act (1985) Securities and Exchange Commission Securities Act von 1933, 15 U.S.C. § 77a Securities Exchange Act von 1934, 15U.S.C. §78a Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Schweizerische Juristenzeitung Sammlung sogenannt Sammlung in Zivilsachen des Österreichischen Obersten Gerichtshofs, zitiert: Band/Nr. Uniform Limited Partnership Act (1916) Uniform Partnership Act (1916) United States Code United States Code Annotated

Verwaltungsarchiv Wertpapierhandelsgesetz vom 26.7.1994 (BGBl. I 1749) Entscheidungssammlung zum Wirtschaftsund Bankrecht Wohnungswirtschaft und Mietrecht Zentralblatt für Handelsrecht (1926-33)

§ 1 Einleitung und Problemstellung Reichhaltig ist die Palette von Möglichkeiten, die das Gesetz für den Zu­ sammenschluß von Personen oder für die Organisation von Unternehmen be­ reitstellt, noch vielfältiger ist die Verbandswirklichkeit. Die Arten- und Formenvielfalt kommt den praktischen Bedürfnissen entgegen, die das wirt­ schaftliche und soziale Leben dem Recht vorgibt. Die Gestaltungen, die sich zulässigerweise dadurch ergeben, daß die Gesellschaftsformen dehnbar und untereinander mischbar sind, tun ein übriges1. Die Organisation der Unternehmensleitung und die effiziente Allokation von Ressourcen unter dem rechtlichen Dach einer Gesellschaft als Unter­ nehmensträgerin sind gemeinsame Anliegen der Rechts- wie der Wirt­ schaftswissenschaften. Die konkrete Wechselbeziehung zwischen Rechts­ und Wirtschaftsordnung schließt es aus, das Gesellschafts- und besonders das Aktienrecht als Materien mit einem überwiegend organisatorisch-formalen Aussagegehalt zu begreifen2. Das Recht darf sich nicht auf die Schaffung der organisatorischen Grundlagen beschränken, sondern hat immer die Folge­ wirkungen im Auge zu behalten. Angesprochen ist die Kontrolle von Macht­ stellungen im gesellschaftlichen und im wirtschaftlichen Bereich, die das Verbandsrecht ermöglicht3. Damit ist eine Problemstellung für grundsätzlich alle Formen der Personenzusammenschlüsse umschrieben, mögen auch die Ausrichtung und die Intensität im Einzelfall variieren. Eine denkbare Form der Aufsicht über die Verbände liegt in der Gewährung subjektiver Rechte an die Mitglieder. Die Ablösung der Staatsaufsicht durch eine von den Mit­ gliedern ausgehende Eigenaufsicht war das Produkt der verbandsrechtlichen 1 Es genügt der Hinweis auf die Zulassung der GmbH & Co. KG durch BayObLG OLG-Rspr. 27 (1913), 331; RGZ 105, 101. Bei diesen Entscheidungen ging es um wesent­ lich mehr als nur um die Frage, ob eine juristische Person Gesellschafterin einer Personen­ handelsgesellschaft werden kann, nämlich um die Grundsatzfrage einer Handelsgesellschaft auf Einlagen. Ein ebenso illustratives Beispiel ist die endgültige Anerkennung der Ein-Mann-GmbH durch RGZ 85, 380, die die Organisation des einzelkaufmännischen Unternehmens mit Haftungs­ beschränkung auf das in der GmbH investierte Betriebsvermögen eröffnet. Methodenehr­ licher ist in diesem Punkt das französische Recht, das mit Gesetz Nr. 85-697 vom 11.7.1985 das einzelkaufmännische Unternehmen mit beschränkter Haftung (entreprise unipersonnelle ä responsabilite limitee) eingeführt hat, vgl. hierzu Weyand RIW 1986, 418. Dies war insoweit konsequent, weil bis dahin bereits ein großer Teil der Gesellschaften m.b.H. de facto als Ein-Mann-GmbH betrieben wurde. Die neue Unternehmensform darf allerdings nicht zur Konzembildung verwendet werden (Art. 36-2). 2 Im gegenteiligen Sinne BVerfGE 14, 263 (275) - "Feldmühle 3 Zu den Grenzen der Ausübung wirtschaftlicher Macht und ihrer Kontrolle statt vieler Böhm, Die Justiz III (1927/28), S. 324; Kronstein, Recht und wirtschaftliche Macht, 1962; Biedenkopf, Festschrift für Böhm zum 70. Geburtstag, 1965, S. 113; aus kartell­ rechtlicher Sicht Mestmäcker RabelsZ 60 (1996), 58.

Diskussion des 19. Jahrhunderts, wird heute indessen vermehrt in Zweifel gezogen. Das Defizit dieses Ansatzes soll darin liegen, daß er mißbrauchsan­ fällig ist und keine wirksame Kontrolle der Kontrolleure vorsieht. Wer aber - so fragt man - kontrolliert die "selbsternannten" Kontrolleure? Ob es möglich ist, diese Art der Aufsicht auf Dauer gleichwertig durch eher marktbezogene Kontrollinstrumente, etwa den Markt für Untemehmenskontrolle (take overs), zu ersetzen, erscheint zumindest fraglich. Die Ergebnisse aus den Vereinigten Staaten überzeugen nicht. Im übrigen bestehen die Mit­ gliederrechte dort neben sonstigen Aufsichtsinstanzen. Selbst das amerika­ nische Recht vertraut dieses wichtige Anliegen nicht den Steuerungskräften des Marktes allein an. Die Aufgabe der Aufsicht über die Verbände läßt sich auf ganz unter­ schiedlichen Wegen und mit verschiedenartigen Vorverständnissen in Angriff nehmen. Der Gesetzgeber und die das Recht fortbildenden Gerichte haben hierbei in den einzelnen Rechtsformen zum Teil unterschiedliche Richtungen eingeschlagen, die aus den verbandsspezifischen Unterschieden nicht immer eine Rechtfertigung erfahren4. Dieser Befund gilt für gesellschaftsrechtliche Fragestellungen ganz allgemein. Er resultiert aus dem Formenpluralismus des deutschen Rechts mit seinen Verwerfungen, die bei der GmbH & Co. KG oder bei der Publikums-KG am stärksten ins Auge springen. Für sie ist die Inkongruenz von Rechtsform und Verbandstypus kennzeichnend. An sich begrenzt der im deutschen Verbandsrecht herrschende numerus clausus der Rechtsformen die verfassungsrechtlich verbürgte Assoziierungsfreiheit auf die gesetzlich definierten Legaltypen. Dessenungeachtet durften die Kau­ telarjurisprudenz und die Rechtsprechung weitere Realtypen schaffen oder zulassen5. In methodischer Hinsicht verlangt dieser Prozeß nach einer Funk­ tionsanalyse der hinter den Verbänden stehenden Rechtsfiguren6. Um diese typologisch stimmig in das System der Verbandstypen zu integrieren, sind Anleihen im Recht typusverwandter Verbände notwendig oder sogar ganz neue Ordnungsmittel zu kreieren. Auf diese Weise ist etwa die Inhaltskon­ trolle von Gesellschaftsverträgen und Verbandssatzungen als neues Kon­ trollinstrument praeter legem entstanden. Zurückzuführen ist die gesamte Entwicklung auf die Vereinigungs- und Vertragsfreiheit, die den Zusammen­ schluß von Personen zu gemeinschaftlicher Zweckverfolgung im Rahmen der 4 Zur rechtsformübergreifenden Interessenanalyse untemehmensrechtlicher Fragestel­ lungen siehe cden Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980, Tz. 119 f. 5 WÜST ZHR 152 (1988), 215 ff. für die Publikums-KG. 6 Sehr grundsätzlich hierzu Jahr, in: Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 33 n.F., hrsg. von L. Raiser u.a., 1964, S. 14 (24 f.); näher noch unten § 15 I und II.

geltenden Gesetze erlaubt. Der Zusammenschluß darf auf die Verfolgung idealer oder wirtschaftlicher Ziele gerichtet sein. Es wäre indes ein Mißver­ ständnis dieser Garantien, wenn man aus ihnen folgern wollte, daß der Ge­ setzgeber für bestimmte Sparten von Betätigungen nur gerade eine Rechts­ form bereitzustellen bräuchte, unter vollständiger Reglementierung ihres Or­ ganisationsstatuts7. Genau umgekehrt verlangen diese Garantien, daß sich der Staat grundsätzlich aus der freien Körperschaftsbildung herauszuhalten und sich auf die Festlegung eines Ordnungsrahmens zu beschränken hat, so­ fern nicht ausnahmsweise eine Intervention zum Schutze von wichtigen Gemeinschaftsgütem erforderlich ist8. Die Formenvielfalt hat der Gesetzgeber in unterschiedlichen Gesetzen ausgestaltet und dabei durchweg eine nach seinen Vorstellungen vollständige Durchnormierung der einzelnen Verbandsformen angestrebt9. Eine verbin­ dende kodifikatorische Klammer für alle Rechtsformen fehlt indessen, jeden­ falls bei rein äußerlicher Betrachtung, obwohl das deutsche Recht wegen sei­ ner pandektistischen Prägung eine starke Neigung hat, Gemeinsames und Verbindendes in einem Allgemeinen Teil mit Geltungsanspruch für mehrere Rechtsgebiete zusammenzufassen10. Das Fehlen dieser Klammer macht sich darin bemerkbar, daß zentrale Institute des Verbandsrechts in den einzelnen Rechtsformen verschiedene und mitunter konträre Entwicklungen nehmen, ohne daß die Gründe hinreichend reflektiert sind. Es besteht so die Gefahr einer Partikularisierung, der der Blick für die gemeinsamen Strukturen, der für die Fortbildung dieser Institute unerläßlich ist, zum Opfer fallen kann. Das starre Denken in kodifizierten Einzelrechtsformen stößt hier an seine Grenzen. Über die Anwendung bestimmter Rechtssätze oder Einrichtungen, die im Organisationsgesetz einer Rechtsform vorgesehen sind, darf aber

7 Nur bei den regulierten Wirtschaftszweigen wie Banken, Versicherungen oder Kapi­ talanlagegesellschaften ist spezialgesetzlich ein Organisationszwang in einer Rechtsform vorgeschrieben. 8 Wichtige Gemeinschaftsgüter mit Bezug auf das Verbandsrecht sind etwa der Gläubi­ ger- oder der Minderheitenschutz. Ferner zählt hierzu die Wettbewerbsfreiheit, die durch die Fusionskontrolle nach den §§23 ff. GWB sicherzustellen ist. Die Freiheit der Körper­ schaftsbildung versteht sich in einem umfassenden Sinne und schließt insbesondere die Ver­ schmelzung von Personenverbänden ein, vgl. DROBNIG/BECKER/REMIEN, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991, S. 31 ff. 9 Bei der Kommanditgesellschaft erklärt § 161 Abs. 2 HGB die Bestimmungen der OHG für hilfsweise anwendbar. Für atypische Formen der KG und speziell die Publikums­ KG paßt die Verweisung überhaupt nicht. Beim nichtrechtsfähigen Verein ist die Verwei­ sung in § 54 Satz 1 BGB auf die §§ 705 ff. heute praktisch obsolet, vgl. statt vieler BGH NJW 1979, 2304. 10 Zum Allgemeinen Teil als Kodifikationsprinzip noch immer lesenswert Zitelmann GrünhutsZ 33 (1906), 1 (19 ff.); ferner Karsten Schmidt, Die Zukunft der Kodifika­ tionsidee, 1985, S. 43 ff.

nicht ausschließlich die Rechtsform bestimmen. Andernfalls sind typolo­ gische Verfehlungen unausweichlich11. In einem Allgemeinen Teil des Rechts der Personenzusammenschlüsse findet die (Wieder-)Zusammenfuhrung der auseinanderstrebenden Teilrechte der Einzelverbände statt. Die Lösung einer Rechtsfrage für eine Verbands­ form sollte stets auf die Lösung in anderen Verbänden Bedacht nehmen. Die­ ser Ansatz verleiht der Arbeit im Gesellschaftsrecht selbst bei der Befassung allein mit dem nationalen Recht eine vergleichende Note. Die Rechtsverglei­ chung unter Einbeziehung weiterer Rechtsordnungen erweitert diesen Hori­ zont. Aus den bei vergleichender Umschau gewonnenen Bausteinen läßt sich ein Gesamtsystem formen. Im deutschen Recht ist dieser Prozeß Bestandteil der System- und Institutionenbildung12. Was der Allgemeine Teil als Kodifi­ kationstechnik konkret zu leisten vermag, führt das neue Umwandlungsge­ setz vor. Das Denken in rechtsformübergreifenden Strukturen ist in Deutschland weitergediehen als in den USA. Dort gibt es mit Corporation und partnership zwei Basisrechtsformen, wobei die Corporation sowohl zah­ lenmäßig wie nach ihrem Anteil am erwirtschafteten Nationaleinkommen ein Übergewicht besitzt. Die Corporation ist die Rechtsform, unter deren Dach sich Zweckgemeinschaften mit den verschiedensten Gegenständen organi­ sieren lassen. Die Bandbreite reicht von der Körperschaft mit gemeinnütziger Zielsetzung bis zur Unternehmensträgerkörperschaft. Diese Beobachtungen zeichnen den Verlauf der Darstellung vor. Im Mit­ telpunkt der Untersuchung sollen die Rechte und die rechtliche Stellung der Mitglieder in den privatrechtlichen Personenverbänden stehen. Die Kontrollund Mitverwaltungsrechte in den Verbänden weisen einen dualen Bezug auf, der im Verbandsrecht selbst wie im Verfahrensrecht, das diese Rechte durch­ setzen soll, zum Tragen kommt. Zunächst dienen diese Rechte der Gestal­ tung des eigenen mitgliedschaftlichen Status, und dies ist für den Gesell­ schafter das hauptsächliche Motiv der Rechtsausübung. Zum anderen sind die Mitgliederrechte Bestandteil des Systems der Legalitätsaufsicht in den Verbänden. In diesem Sinne sind sie in den Dienst des Institutionenschutzes und der Aufrechterhaltung der Verbandsordnung gestellt. Aus der gesell­ schaftsbezogenen Perspektive ist das Netz der Gesellschafterrechte beim Übergang vom Konzessions- zum Normativsystem historisch entstanden. Der Rechtsprechung war es vorbehalten, unter dem Obersatz, daß jeder Aktionär das Recht habe, "um der Gesellschaft und seiner Mitgliedschaft willen zu verlangen, daß der Gesellschaftswille sich entsprechend den Gesetzen und 11 Näher unten § 15. 12 Hierzu eingehend Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 3 II (S. 51 ff.) mit Nachweisen.

den statutarischen Bestimmungen betätige’’, das Beschlußanfechtungsrecht zu kreieren13. Damit vollzog sich die Hinwendung zu einem System der inneren Selbstkontrolle, mit der zugleich eine Internalisierung der Kosten der Auf­ sicht über die Verbände einherging. In ihm hat die Ausübung subjektiver Rechte nicht nur eine eigennützige Funktion. Vielmehr ist der Rechtsträger zugleich ein private attomey general für den Verband wie für die Gesamt­ rechtsordnung. Fraglich ist, ob der genannte Obersatz die Entwicklung wei­ terer Mitgliederrechte trägt oder sogar gebietet, zumal sich seit dem 19. Jahrhundert die rechtliche, soziologische und wirtschaftliche Realität in der Aktiengesellschaft wie in anderen Verbänden teilweise grundlegend gewan­ delt hat. Seither hat die Rechtsprechung die Verbandsaufsicht durch Zulassung weiterer subjektiver Rechte und Klagebefugnisse ausgebaut. Für die Aktien­ gesellschaft hat sie ein Klagerecht jedes Aktionärs auf Feststellung der Un­ wirksamkeit oder auf Unterlassung einer rechtswidrigen Maßnahme der Verwaltung zugelassen14. Dies ist auf scharfe Kritik gestoßen, weil man die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft in Gefahr glaubt15. Der Prozeß der feineren Ausprägung der Aufsichtsrechte ist dynamisch angelegt. Die ge­ genwärtig absehbare Entwicklung wirft wenigstens zwei Fragen auf: Unge­ klärt ist, ob sich die Einzelklagebefugnis wirklich im Allgemeinen Teil des Verbandsrechts etablieren kann, ob sie etwa im Recht der eingetragenen Ge­ nossenschaft16 und des Idealvereins Anerkennung findet und ob sie mit ande­ ren Anspruchsinhalten vorkommen kann. Zum anderen ist umstritten, ob die Akte anderer Organe als der Mitgliederversammlung in das Rechtsschutzsy­ stem der §§241 ff. AktG einbezogen werden sollen und ob ein Organstreit­ verfahren zuzulassen ist. Das Fundament für alle diese Tendenzen hatte bereits die große Aktien­ rechtsreform von 1965 gelegt. Die erklärten Reformziele waren die Verbes­ serung der Publizität, die Verstärkung des Einflusses der Aktionäre und erstmals die Schaffung eines kodifizierten Konzemrechts, damals noch ver­ standen als Schutzrecht für die Gläubiger sowie für die außenstehenden Ak­ 13 Grundlegend bereits Reichsoberhandelsgericht 20.10.1877, ROHGE 23, 273 (275 ff.), wo das Gesellschaftsinteresse mit Vorbedacht über den Schutz der eigenen mit­ gliedschaftlichen Belange des Aktionärs gestellt ist. 14 BGHZ 83, 122 - "Holzmüller". 15 Die Kritik an der "Holzmüller"-Entscheidung betrifft zwei zu unterscheidende Kom­ plexe: Zum einen richtet sie sich gegen das Einzelklagerecht des Aktionärs, zum anderen gegen die (ungeschriebenen) Kompetenzen der Hauptversammlung und die berichtigende Auslegung von § 119 Abs. 2 AktG, zum letzteren Gesichtspunkt eingehend Mecke, Kon­ zemstruktur und Aktionärsentscheid, 1992, S. 161 ff. mit Nachweisen zum Streitstand. Zum Ganzen unten § 19 E. 16 Dazu jetzt C. Frank, Die actio pro socio in der eingetragenen Genossenschaft, 1996.

tionäre17. Die Reform des GmbH-Gesetzes von 1980 stand ebenfalls noch unter diesem Einfluß, der auch sonst für die Fortbildung des GmbH-Rechts Wirkung zeigte17 18. Die Pflichtenbindung der Verwaltung, das Verhältnis von Subjekt und Verband, der Haftungsmaßstab und das Leitungsermessen der Organe sowie der Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Gesellschafts­ gläubiger, das sind die zeitlosen Themen, die sich wie ein roter Faden durch alle Reformprojekte bei sämtlichen Rechtsformen ziehen19. Verwaltungskontrolle als Aufgabe ist im folgenden in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Ihre Adressaten sind in erster Linie die bestellten Funk­ tionäre, also die Mitglieder des Geschäftsführungs- und eines eventuellen Überwachungsorgans. Hier endet der Adressatenkreis aber nicht. In dem Maße, in dem sich die Akteure der strengen Organverantwortlichkeit da­ durch entziehen wollen, daß sie Befugnisse auf andere delegieren, sind die korrespondierenden Pflichtenbindungen zu erstrecken20. Es ist weiter auszuholen und die Mehrheitsherrschaft und das Verhalten des herrschenden Unternehmens im Konzern in eine Betrachtung der Kontrolle der Verwaltung einzubeziehen. Im deutschen Recht war das bisher schon bei der GmbH be­ züglich der Stellung eines faktischen Geschäftsführers anerkannt21. Der An­ satz ist für die übrigen Rechtsformen ebenso fruchtbar zu machen. Die Kon­ trolle muß jeden treffen, der — auf welcher Grundlage immer — Leitungs­ befugnisse tatsächlich wahrnimmt, die den Gesellschaftsorganen vorbehalten sind. Die anschließenden Ausführungen sollen erweisen, was die Mitglieder­ rechte bei der Bewältigung dieser Aufgaben und für die corporate govemance überhaupt zu leisten vermögen. Die Herausforderung einer Untersuchung ihrer Leistungsfähigkeit ist um so größer, als der Zeitgeist zu einer Zurückdrängung der subjektiven Rechte tendiert22. Gefährlich ist, daß 17 Baumbach/Hueck, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, Einl. RdNr. 13; Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1973/84, Vorb. 17 ff., 28 ff. vor § 1. 18 Die kleine GmbH-Reform von 1980 hat den Ruf nach mehr Transparenz der Ge­ schäftsführung in den §§ 51a, 51b GmbHG umgesetzt. Schon 1975 hatte die Rechtsprechung in zeitgemäßer Fortentwicklung des GmbH-Rechts zur Bewältigung konzemrechtlicher Kon­ flikte eine Einzelklagebefugnis jedes Gesellschafters anerkannt, BGHZ 65, 15 - "ITT". 19 Jüngst bestätigt durch den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), dokumentiert mit Sachverständigenanhö­ rungen im AG-Sonderheft August 1997. 20 Siehe für das deutsche Recht U. Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 33 ff.; im französischen Recht entspricht dem die Figur des dirigeant de fait, vgl. nur Vidal, Droit des socits, Paris 1993, N. 431 f.; in der Schweiz unterliegen die "stillen Verwaltungsräte" der Organverantwortlichkeit aus Art. 754 OR, BGE 107 II 349 (353 ff.) - "Baumgartner". 21 Scholz/U. H. Schneider, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 6 RdNr. 46 ff. so­ wie § 43 RdNr. 18 ff. zur Haftung des faktischen Geschäftsführers. 22 Vgl. nur BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler".

man die Angriffsrichtung als solche nicht bezeichnet, sondern die Mitglie­ derrechte - um vermeintlichen Mißbräuchen vorzubeugen - an immer neue Vorbehalte knüpfen will. Allen Bestrebungen, die auf eine Reduzierung der subjektiven Rechte abzielen oder deren Aktionsradius einengen wollen, ist aber im Verbandsrecht wie sonst mit Entschiedenheit entgegenzutreten.

1. Teil Grundlagen Die Beziehungen von Subjekt und Verband, von Mehrheit und Minder­ heit, die Pflichtenbindung der Verwaltung, die Sanktionen bei Pflichtverstö­ ßen und deren effektive Durchsetzung, so lassen sich die hauptsächlichen Aufgaben des Innenrechts der Verbände umreißen. Vor allem bei den großen, dem Publikum offenen Kapitalgesellschaften ist es schwierig, der Leitungsgewalt der aktionsberechtigten Verwaltung wirksame Gegen­ gewichte von Seiten der vermögensberechtigten Mitglieder entgegenzusetzen. Die Entstehung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Machtstellungen, die das Zivilrecht ermöglicht, indem es die nötigen Instrumente zur Verfügung stellt, gebietet zugleich deren Kontrolle. Sie wahrt nicht nur die Interessen der betroffenen Privatrechtssubjekte, sondern liegt im öffentlichen Interesse. Im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen steht deshalb die Frage, was das Privatrecht selbst zu einer wirksamen Begrenzung verbandsrechtlich begrün­ deter Macht beitragen kann. Auch private Macht ist immer rechtlich gebun­ dene Macht. Wer sie in Händen hält, darf über ihren Gebrauch nicht will­ kürlich entscheiden.

§ 2 Der rechtsvergleichende Ansatz Die nachfolgenden Ausführungen sind rechtsvergleichend angelegt und nehmen sich insbesondere des Rechts der USA an. Die Entscheidung für das US-Recht als Gegenstand und Bezugspunkt einer rechtsvergleichenden Ana­ lyse ist keineswegs willkürlich, sondern aus der Sache begründbar1. Die vor­ zustellenden Institute und Konzepte existieren in den Vereinigten Staaten zum Teil bereits und können auf eine langjährige Tradition zurückschauen. Die Kritik, die ihnen widerfahren ist, mag helfen, Fehlentwicklungen von vornherein auszuschließen. Wenn im vorigen bereits gesagt wurde, daß die Genese und Anlage des deutschen Gesellschaftsrechts mit der ihm eigentümlichen Aufteilung in ver­ schiedene Organisationsgesetze geradezu herausfordert, die Rechtsentwick­ lungen bei den einzelnen Rechtsformen zu vergleichen, so heißt dies nicht, daß hier der rechtsvergleichende Blick halt machen darf. Im Gegenteil ist das Verbands- und Gesellschaftsrecht ein besonders fruchtbares Feld der Rechts­ vergleichung. Das amerikanische Korporationenrecht bietet sich hierfür an, weil es für das deutsche Recht trotz teilweise signifikanter Strukturunter­ schiede bei der verbandsrechtlichen Institutionenbildung wiederholt eine Vorreiterrolle eingenommen hat2. Dies hat in Deutschland nicht immer die gebührende Beachtung gefunden.

1. Auffallend ist bei der rechtsvergleichenden Arbeit mit dem amerika­ nischen Recht das Phänomen der Phasenvoreilung. Empirisch läßt sich für das Verhältnis von amerikanischem und deutschem Wirtschaftsrecht belegen, daß viele Entwicklungstendenzen und Institutionen des deutschen Rechts be­ reits eine Vorwegnahme im US-Recht erfahren haben. Die Beispiele hierfür sind Legion. Hervorgehoben sei an dieser Stelle aus Anlaß der deutschen In­ solvenzreform die wesentlich flexiblere Insolvenzgesetzgebung der USA3, die den Liquidationskonkurs - vor allem im Unternehmensrecht — nicht als Regelfall ansieht, sondern viel stärker auf den Sanierungsgedanken baut. Dieses System hat sich schon seit Ende des 19. Jahrhunderts an der Aufgabe 1 Gerade zum Gesellschaftsrecht im Vergleich Deutschland - USA GROSFELD RabelsZ 39 (1975), 5 (13 ff.) m.w.N. Für den Anlegerschutz und das Kapitalmarktrecht sehr an­ schaulich Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 87 ff. 2 Dazu etwa die Arbeiten von Schmey, Aktie und Aktionär im Recht der Vereinigten Staaten, 1930; MESTMÄCKER, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, 1961; GROBFELD, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970. 3 Hierzu eingehend Flessner, Sanierung und Reorganisation, 1982, S. 33 ff.

der Sanierung großer Eisenbahngesellschaften bewährt und wurde 1938 um­ fassend kodifiziert4. Herzstück und Philosophie dieses Konzepts ist es nach wie vor, das gesamte im Unternehmen steckende Vermögen des Gemein­ schuldners nicht durch Versilberung unter Wert zu realisieren, sondern die künftigen Entwicklungschancen des Unternehmens als going concem in den Befriedigungsfonds der Unternehmensgläubiger mit einzubeziehen, wobei auch eine Gläubigerminderheit bei Beachtung bestimmter Minimalstandards und Sicherheitsleistungen auf den im Rahmen des Reorganisationsverfahrens zu erarbeitenden Sanierungsplan verbindlich und notfalls gegen ihren Willen festgelegt werden kann5. Da dieses Verfahren ganz wesentlich auf die Prä­ misse gegründet ist, daß aus Unternehmensgläubigern Untemehmensteilhaber werden können, ist hier eine enge Verzahnung von Insolvenz- und Ge­ sellschaftsrecht vorgezeichnet. Diese Fragestellungen bestimmen auch die Diskussionen um die deutsche Insolvenzreform, die die amerikanischen Er­ fahrungen wenigstens beispielhaft zur Kenntnis nehmen sollte6. Ein weiteres illustratives Beispiel dieses Phasenvoreilungsphänomens ist die Ausprägung des Publizitäts- und Anlegerschutzgedankens als unmittel­ bare Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre. Be­ reits 1933 antwortete der Kongreß mit Erlaß des Securities Act7 bzw. des Securities Exchange Act von 19348 durch Schaffung eines integrierten pe­ riodischen Publizitätssystems und einer wesentlichen Verschärfung des zivil­ und strafrechtlichen Sanktionsinstrumentariums für alle Formen des Anlage­ betruges. Insbesondere verdrängten die Haftungsnormen dieser landesweit gültigen Bundesgesetze das bis dahin nur kraft Einzelstaatsrechts geltende deliktische Haftungssystem9. 4 Zur Herausbildung des amerikanischen Sanierungsverfahrens am Beispiel der großen Eisenbahninsolvenzen des 19. Jahrhunderts und zur Kodifikation dieses Verfahrens in § 77 B Bankruptcy Act 1934 und Kapitel X und XI im Bankruptcy Reform Act 1938, eingehend Flessner (wie FN 3), S. 35 ff., 74 ff. 5 Sog. cram down (erzwungene Planannahme) nach 11 U.S.C. §§ 1129(b), 1325. 6 Zu den Zielen der deutschen Insolvenzreform vgl. statt vieler Heinze KTS 1982, 605; Hanau KTS 1982, 625; Lutter KTS 1982, 637; Karsten Schmidt KTS 1982, 613; DERS. ZGR 1986, 178 und öfter. 7 15 U.S.C. § 77a. Zum Recht der Securities Regulation siehe M. Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 755 ff. 8 15 U.S.C. § 78a. 9 Der berühmte Fall Ultramares Corporation v. Touche, 174 N.E. 441 (N.Y. 1931) gab letztlich den Anstoß für die neue Gesetzgebung, da das Deliktsrecht den Anlegerschutz nicht mehr bewältigen konnte. Denn zum Ersatz ist nach allgemeinem Deliktsrecht nur ver­ pflichtet, wer einen anderen wissentlich täuscht (scienter), und hierfür ist der Geschädigte beweispflichtig. Nach allgemeinem Deliktsrecht ist überdies nur ein forseeable plaintiff er­ satzberechtigt, vgl. Palsgraf v. Long Island R.R. Co., 162 N.E. 99 (N.Y. 1928). Die schneidende Wirkung der Anlegerschutzgesetzgebung zeigte sich in Escott v. BarChris Construction Corp., 283 F.Supp. 643 (S.D.N.Y. 1968), wonach es für die Teilnehmer an einer

In Deutschland ist eine Anpassung an dieses Niveau erst nach dem Kriege in Angriff genommen worden, und bis heute besteht ein noch erhebliches Gefälle10. Der Angleichungsprozeß ist bei weitem nicht abgeschlossen. Ein illustrativer Beleg der Phasenvoreilung mit unmittelbarer Berührung zum Gesellschaftsrecht findet sich im weiten Feld der Unternehmensüber­ nahmen, die sich über die letzten zehn Jahre in den USA zu einem regel­ rechten Industriezweig entwickelt haben11. In der Bundesrepublik ist die Diskussion der Übernahmeproblematik in Gang gekommen12. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Bankensysteme werden spektakuläre Übernahme­ fälle in Deutschland die Ausnahme bleiben. In den USA hat sich mittlerweile ein eigenständiges Recht der "corporate acquisitions" als Unterdisziplin des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts etabliert und neue Denkanstöße im Be­ reich der Verhaltenspflichten der verantwortlichen Organmitglieder, der Überprüfung des fairen Kaufpreises und der Rechte der Gesellschafter hier insbesondere die Einzelklagebefugnis von Aktionären - vermittelt. Ein wichtiges Strukturprinzip des amerikanischen Gesellschaftsrechts ist das Trust-Konzept, das durch gleichgerichtete Gesellschafterrechte er­ Effektenemission sehr schwer ist, den Entlastungsbeweis nach § 1 l(b) Securities Act 1933, 15 U.S.C. § 77k(b), zu führen. Zum Übergang von der deliktischen Haftung zu § 11 Securities Act 1933 und seiner Entstehungsgeschichte Shulman, Civil Liability and the Securities Act: 43 Yale L.J. 227 (1933); Scott, Resurrecting Indemnification: Contribution Clauses in Underwriting Agreements: 61 N.Y.U.L.Rev. 223, 234 ff. (1986). Das deutsche Kapitalanlegerschutzrecht operiert demgegenüber noch immer mit einem deliktischen Begründungsansatz, vgl. BGHZ 105, 121 - ”Kerkerbachbahn". 10 Dies zeigt sich etwa in der Behandlung der Frage des Insiderhandels. In den USA hat der Bundesgesetzgeber zwingendes Recht gesetzt, vgl. SEA-Rule 10b-5, 17 C.F.R. §240.10b-5. Zur strengen Handhabung der Bestimmungen siehe SEC v. Texas Gulf Sulphur, 401 F.2d 833 (2d Cir. 1968). In Deutschland gibt es zur Bewältigung dieser offenen Frage bislang nur eine freiwillige Übereinkunft gegen den Insiderhandel. Allerdings ist die Sensibilität des Gesetzgebers durch einige gravierende Insiderverstöße geweckt. Auf europäischer Ebene sah § 82 des Statuts ei­ ner Europäischen Aktiengesellschaft (SE) immerhin vor, daß das Insiderwissen von Ver­ waltungsmitgliedern und mit ihnen verbundenen Personen der Gesellschaft gehört, so daß diese die Herausgabe der durch Insiderhandel erlangten Gewinne verlangen kann, § 82 Abs. 5 SE. Zum Ganzen Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, 1973, S. 140 ff. Der entscheidende Anstoß zur gesetzlichen Regelung des Insiderhandels ist vom EG-Recht ausgegangen. Der nationale Gesetzgeber war gezwungen, die Richtlinie des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte (89/592/EWG, ABI. EG Nr. L 334/30 vom 18.11.1989) umzusetzen. Die Verbotsnormen gegen Insidergeschäfte finden sich nunmehr in §§ 12 ff. WpHG, die jedoch keinen privat­ rechtlichen Schadensersatz gewähren. Ob § 14 WpHG Schutzgesetz gemäß § 823 Abs. 2 BGB ist, wird von der h.M. verneint, siehe ASSMANN/CRAMER, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), Komm.z.WpHG, 1995, § 14 RdNr. 107 ff. 11 Lipton/Steinberger, Takeovers and Freezeouts, 1983 ff. 12 Aus dem Schrifttum Peltzer DB 1987, 973; SÜnner AG 1987, 276; Depser RIW 1992, 351; aus der Rechtsprechung LG Aachen AG 1992, 410 - "AGF/AMB". Zur Lage in Frankreich Kerber WM 1987, 741.

zwungen wird. Die Gesellschaftsorgane als Verwalter fremden Vermögens unterliegen fiduziarischen Bindungen. Die in den sechziger Jahren begin­ nende Übernahmewelle und gewisse Deregulierungsbestrebungen haben das fiduziarische Modell gewandelt und die Stellung der Verwaltung gegenüber den Aktionären gestärkt, die Aktionärsrechte entsprechend zurückgedrängt. Dies erhellt exemplarisch aus der rechtlichen Stellung des Board bei einem Übemahmeangebot 13. Das Trust Modell verbietet dem Board das Streben nach persönlichen Vorteilen auf Kosten der beneficiaries. Er darf nicht ver­ suchen, sich in seinem Amt zu verschanzen, indem er einen "feindlichen” KaufInteressenten ab wehrt oder sich von einem "freundlichen" Vorteile zu­ wenden läßt. Dem entspräche eine strikte Neutralitätsverpflichtung der Ver­ waltung im Übernahmekampf. Die Rechtsprechung einiger Bundesstaaten hat hieran erhebliche Abstriche vorgenommen und dem Board sehr weitgehende Freiräume in seinem business judgment zugestanden. Diese Entwicklung bewirkt eine Verschiebung in der corporate govemance sowie in der Qualität der Eigentümerposition der Aktionäre. Ihre transnationalen Auswirkungen für das Kapitalmarkt- und das Gesellschaftsrecht sind unübersehbar. Mit der Feststellung einer Phasenvoreilung des amerikanischen Rechts ist nicht gemeint, daß das deutsche Recht Defizite aufweist und seinen Rege­ lungsauftrag nicht erfüllt. Auf der anderen Seite der Bilanz schlagen zwei entscheidende Aktivposten des deutschen Gesellschaftsrechts zu Buche: Das landesweit vereinheitlichte Gesellschaftsrecht mit einer ausschließlichen Ge­ setzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers14, das zudem der kontinuier­ lichen Angleichung und Fortentwicklung im Rahmen der Europäischen Ge­ meinschaft unterliegt, sowie ein wissenschaftlich und dogmatisch gut aufbe­ reitetes Recht der verbundenen Unternehmen15. Ein leistungsfähiges Kon­ zemrecht wird zum Gütesiegel eines in sich stimmigen Gesellschaftsrechts überhaupt, weil gesellschaftsrechtliche Lösungskonzepte hier ihre eigentliche Bewährungsprobe zu bestehen haben. Fragen des Gläubiger- und Minder­ heitenschutzes treten im Konzernrecht noch schärfer hervor als irgendwo sonst im Gesellschaftsrecht.

2. Eine Rechts Vergleichung auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts macht besonders deutlich, wie sehr diese Rechtsdisziplin unter dem Einfluß öko­ nomischer Rahmenbedingungen steht. Gesellschaftsrecht entwickelt sich 13 Am Ende einer Reihe von Fällen jetzt Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140 (Del. 1989). 14 Artt. 72 Abs. 1, 74 Nr. 1 und 3 GG. Der Bund hat diese Materien vollständig durch­ normiert. 15 Dazu MESTMÄCKER (wie FN 2), S. 98 ff.; Blumberg, The Law of Corporate Groups (1983).

nicht in einem wirtschaftsfreien Raum, sondern bedarf der Orientierung an den Bedürfnissen der Wirtschaft. Eine hochentwickelte Volkswirtschaft stellt naturgemäß anspruchsvollere Aufgaben an die Rechtsordnung, in der sie sich entfaltet. Damit bestätigt sich auch durch eine ökonomisch-juristische Inter­ dependenzanalyse die rechts vergleichende Fragestellung mit den USA als Bezugspunkt. Die hohe Entwicklungsstufe der dortigen Rechtskultur im Ge­ sellschaftsrecht ist gerade aus dieser Abhängigkeit vom Entwicklungsgrad der Volkswirtschaft zu erklären. Dem Gesellschaftsrecht stellt sich jedoch immer auch der Interessensausgleich als Aufgabe. Gesellschaftsrecht darf sich daher nicht damit begnügen, geeignete Paßformen für einzig auf Ge­ winnmaximierung ausgerichtetes Wirtschaften bereitzustellen, sondern muß auf der anderen Seite ebenso um die Ausprägung rechtsethischer Maßstäbe bemüht sein16, weil nur hierdurch ein fairer Interessenausgleich gelingen wird. In diesem Vor- und Selbstverständnis gibt es in beiden Rechtsord­ nungen trotz nicht zu leugnender Unterschiede in der Sozialstruktur ebenfalls einen Grundkonsens.

3. Die Rechtsvergleichung mit den USA ist schließlich fruchtbar, weil im amerikanischen Recht wesentliche Anstöße von einem rechtsschöpferischen Instrument ausgehen, das den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen in seiner Art fremd ist. Dort kann Recht ”at law” oder "in equity" gesetzt und interpretiert werden17. Wichtige Einrichtungen des Gesellschaftsrechts, wie etwa die Einzelklagebefugnis des Gesellschafters für die Gesellschaft (derivative suit) oder die Lehre vom Haftungsdurchgriff (piercing the corpo­ rate veil) sind typische Produkte der Equity-Rechtsprechung. Eine Unvoll­ kommenheit im Bestand der Rechtssätze "at law" führt in Ländern mit common law-Tradition zur Rechtssetzung oder Rechtsfortbildung "in equity". Im deutschen Recht gibt es dieses Nebeneinander von "law" und "equity" nicht - zumindest nicht in dieser Form. Rechtsprechung versteht sich hier stärker als Justizgewährung im Sinne einer Streitentscheidung des Einzelfalles, die regelmäßig die Gesetzesauslegung und nur hilfsweise Rechtsfortbildung in sich schließt. Rechtsfortbildung befindet sich in Deutschland in einem hier­ archischen Verhältnis zur Rechtsauslegung. Dies wird etwa dadurch sichtbar, daß es in Deutschland keine Generalnorm nach dem Vorbild von Art. 1 des schweizerischen ZGB gibt, der dem Richter ausdrücklich einen Auftrag zur 16 Zur Lehre von den rechtsethischen Maßstäben im Unternehmens- und Gesellschafts­ recht, Wiedemann, Rechtsethische Maßstäbe im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, 1979, S. 10 ff.; DERS. ZGR 1980, 147. 17 Zur Law-Equity-Dichotomie Zweigert/KÖTZ, Einführung in die Rechtsverglei­ chung, 3. Aufl. 1996, § 14 III (S. 184 ff.); Blumen WITZ, Einführung in das anglo-amerikanische Recht, 5. Aufl. 1994, § 3 (S. 6 ff.).

systemkonformen Fortbildung planwidrig unvollkommenen Rechts erteilt18. 19 20 Die Grenzen von Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung sind mitunter flie­ ßend. Gerade im Gesellschaftsrecht sind wichtige Institute, wie die Differenz­ haftung der GmbH-Gründer19 oder die Haftung des herrschenden Unterneh­ mens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern20 im Wege der richter­ lichen Rechtsfortbildung anerkannt worden21. Nach angelsächsischem Rechtsverständnis wären sie in equity entstanden. Dem rechtsschöpferischen Gestaltungswillen des deutschen Richters sind dabei jedoch erheblich engere Grenzen gezogen, weil Rechtsprechung in kontinentaleuropäischer Tradition die Akzente auf Justizgewährung und Gesetzesauslegung setzt. Rechtssetzung ist dagegen grundsätzlich dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber Vor­ behalten. Besondere Vorsicht ist bei der Ersetzung eines vom Richter als "unbillig’' empfundenen Rechts durch ein "gerechteres" angebracht, zumal wenn das prorogierende Recht aus der Verfassung unmittelbar abgeleitet werden soll. Solche Griffe in den "Sternenhimmel des Verfassungsrechts" sind populär, bergen jedoch die Gefahr in sich, daß darüber dem mitunter eindeutigen Auftrag des Gesetzes vorschnell die Gefolgschaft verweigert wird22. Entscheidend kommt es hierbei auf die Beachtung des Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) an, die folgende Vor­ gehensweise vorschreiben: Die rechtsprechende Gewalt kann Normen ver­ werfen und damit dem Gesetzgeber Gelegenheit zu erneuter Rechtssetzung 18 Im deutschen Recht hat die richterliche Rechtsfortbildung keinen vergleichbaren Stellenwert. Die Gefahr der Verwerfung einer auf Fortbildung beruhenden Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht erklärt die große Zurückhaltung der Instanzgerichte. Eine absolute Pflicht zur richterlichen Rechtsfortbildung besteht für deutsche Gerichte bei Anwendung deutschen Rechts nicht. Dies ändert sich indes, wenn nach Internationalem Pri­ vatrecht ausländisches Recht zur Entscheidung berufen ist. Dann beschränkt sich dessen Anwendung nicht auf die Ermittlung des Standes von Rechtsprechung und Rechtslehre. Vielmehr schließt die Anwendung ausländischen Rechts seine Fortbildung ein, wenn es eine Lücke aufweist oder eindeutig überholt ist, vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 1994, § 31 I 2 (S. 192); MünchKomm-SONNENBERGER, 2. Aufl. 1990, EGBGB, Einl. RdNr. 457 unter Hinweis auf BGH NJW 1982, 1215 = IPRspr. 1981 Nr. 2 zu Art. 1 Abs. 2 türkisches ZGB, der Art. 1 Abs. 3 schweizer. ZGB entspricht. 19 BGHZ 80, 129. Kritisch dazu Priester ZIP 1982, 1141 und noch grundsätzlicher Schultz, in: Recht und Gesetz im Dialog II, hrsg. von Rüfner, 1984, S. 9 (20 ff.). 20 BGHZ 95, 330 - "Autokran”; 107, 7 - "Tiefbau”; 115, 187 - "Video"; NJW 1993, 1200 - "TBB"; übernommen durch BAG AP § 113 BetrVG 1972 Nr. 21; ZIP 1992, 1566; 1993, 380. 21 Zur richterlichen Rechtsfortbildung durch den II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs besonders auf dem Gebiet des Personengesellschaftsrechts PEHLE/STIMPEL, Richterliche Rechtsfortbildung, 1969, S. 15 ff. 22 Zur richterlichen Rechtsfortbildung im Gesellschaftsrecht überhaupt Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 2 I 2 (S. 31 f.); Seidl ZGR 1988, 296 ff.; Wank ZGR 1988, 314.

geben. Die gedanklich vorher zu prüfende verfassungskonforme Auslegung von einfachrechtlichen Normen bleibt nur im Rahmen der gesetzesimma­ nenten Grenzen statthaft23. 4. Die Rechtsvergleichung mit den USA muß von der Einsicht ausgehen, daß es dort kein landesweit geltendes Gesellschaftsrecht gibt. Die Korpora­ tionsgesetze der Einzelstaaten sind — trotz Überlagerung durch bundesrecht­ liche Bestimmungen - das Produkt unterschiedlichster Strömungen und Tendenzen. So gibt es Rechte, die die Belange der Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger in den Mittelpunkt stellen, wie etwa Kalifornien, während andere Staaten, z.B. Delaware24, eher den Interessen des Manage­ ments und der Großaktionäre entgegenkommen. Trotz dieses auf den ersten Blick disparat anmutenden Bildes verspricht eine rechtsvergleichende Institu­ tionen- und Funktionsanalyse konkrete Hilfestellung für die Selektion von Bewährtem und Gescheitertem.

23 Als Musterbeispiel einer verfassungswidrigen Rechtsfortbildung gilt noch immer die Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts in BAGE 31, 176 = DB 1979, 261. Dort wurde unter Berufung auf das Sozialstaatsprinzip im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung den Sozialplanansprüchen des Arbeitnehmers im Konkurs des Arbeitge­ bers der Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO ("Nr. Null") zugebilligt, um ihnen so zu einer "sozialstaatsadäquaten Deckungsquote" zu verhelfen. Diese Rechtsfortbildung hat BVerfGE 65, 182 später mit Recht korrigiert, weil sie contra legem war, da der Gesetzgeber bei No­ vellierung der §§ 112, 113 BetrVG die soziale Tragweite der konkursrechtlichen Behandlung dieser Ansprüche sehr wohl in Erwägung gezogen hatte, ihnen aber bewußt einen anderen Rang gewähren wollte. Die Entscheidung des BAG war aufzuheben, weil sie einen willkürlichen und noch dazu die fachlichen Grenzen der Arbeitsgerichtsbarkeit überschreitenden Eingriff in das Ranggefüge der Konkursforderungen vorgenommen hat. Das Beispiel macht die Sperrwirkung von Art. 100 Abs. 1 GG deutlich: Ist ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit von geschriebenem Recht überzeugt, so steht ihm selbst oder dem Bundesverfassungsgericht die Normverwerfungsbefugnis zu, nicht aber noch zusätzlich eine Kompetenz zur Rechtsneusetzung. 24 In Delaware besitzen Minderheitsgesellschafter ein nur eingeschränktes Austrittsrecht (appraisal remedy). Grundlegende Entscheidungen in bezug auf die gewachsene Gesell­ schaftsstruktur bedürfen keiner qualifizierten Mehrheit. Ein Bezugsrecht bei der Ausgabe neuer Aktien (preemptive right) hängt von einer Ermächtigung im certificate of incorporation ab, 8 Del.Code § 102(b)(3).

§ 3 Zur Einteilung der Mitgliedschaftsrechte und ihrer Einfügung in die Verbandsordnung Mit der Mitgliedschaft in privaten Personenverbänden, die grundsätzlich auf dem Prinzip des freiwilligen Erwerbs beruht, verbindet sich ein ganzes Bündel von Rechten und Pflichten. Mitgliedschaft meint den äußeren Rah­ men dieser komplexen Rechtsstellung zwischen Subjekt und Verband1. Es handelt sich um einen rechtlichen Aggregatzustand, der alle Rechtsbezie­ hungen des Mitglieds aufgrund seiner rechtlichen Stellung zum Verband wie zu den anderen Verbandsmitgliedem umfaßt2. Man kann die aus der Mit­ gliedschaft fließenden Rechte grob in Vermögens- und Herrschaftsrechte unterteilen. Die Herrschaftsrechte wiederum unterfallen in Mitverwaltungsund Kontrollrechte. Daneben beginnen sich im Hinblick auf ihre wachsende Bedeutung die sog. Lösungsrechte als eigene Kategorie der Mitgliedschafts­ rechte zu etablieren3. Diese Lösungsrechte fügen sich nicht mehr nahtlos in das überkommene Einteilungsschema der Mitgliedschaftsrechte ein: Sie wei­ sen insofern vermögensrechtliche Elemente auf, als die Mitgliedschaft einen selbständig realisierbaren Vermögenswert verkörpert und das Mitglied bei seinem Ausscheiden eine Abfindung für den Verlust seiner bisherigen Rechtsstellung beanspruchen kann. Sie haben insoweit Kontrollrechtscha­ rakter, als das Mitglied durch legitime Androhung seines Austritts mit Ab­ findungsfolge und einem damit einhergehenden Kapitalabfluß die Verbands­ führung disziplinieren und zur Rücksichtnahme auf seine Belange bestimmen kann. Darüber hinaus geht es beim Austritts- und Auflösungsrecht noch all­ gemeiner um die Begrenzung der Verbandsgewalt über das Mitglied und ei­ ner trennscharfen Grenzziehung zwischen Privat- und Kollektivsphäre; denn die Mitgliedschaft in einem Verband impliziert intensivere Beziehungen als eine vertragliche Gebundenheit, die auf einen bloß punktuellen Leistungs­ austausch angelegt ist. Sie bedeutet vielmehr Eingliederung in eine Organi­ 1 Zur Theorie der Mitgliedschaft vgl. die umfassende Bestandsaufnahme durch Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948, S. 22 ff. sowie Lutter AcP 180 (1980), 84 (97 f.) jeweils m.w.N. 2 Zur Mitgliedschaft als Aggregatzustand insbesondere Huber, Vermögensanteil, Ka­ pitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 1 f., 161; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 9 (S. 125 ff.). 3 Zu den Lösungsrechten Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 IV 2 (S. 396 ff.) sowie DERS., ZGR 1978, 477 ff. Diese Lösungsrechte scheinen willkürlich über die ein­ zelnen Verbandsformen (§§ 39 BGB, 27 GmbHG, 132 HGB, 723 BGB, 304 AktG) systemund zusammenhanglos verstreut zu sein. Dennoch wachsen sie unter dem Eindruck der Ver­ fassungsgarantie der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), die auch die negative Verei­ nigungsfreiheit umfaßt, zu einem allgemeinen Grundsatz des deutschen Verbandsrechts zu­ sammen, vgl. M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 25 ff.

sation, die grundsätzlich wieder aufhebbar sein muß. Die Mitgliedsrechte dienen demnach dem Schutz der Individualsphäre. Die Klassifizierung der Mitgliederrechte wird zudem von einem anderen Einteilungskriterium überlagert: Neben dem Berechtigungsinhalt und der Zielrichtung kann die Motivation der Rechtsausübung Relevanz gewinnen. Die Rechtsausübung mag fremd- oder eigennützig sein, und sie ist je nach­ dem wirksam oder unwirksam. Noch wichtiger ist jedoch die Frage nach der Ausübungsberechtigung und die Durchsetzung dieser Rechte notfalls selbst gegen den Willen anderer Mitglieder. Hierfür ist entscheidend, ob das Mit­ glied alleine handeln darf oder ob es sich mit weiteren Mitgliedern zu ge­ meinsamem Vorgehen verbinden muß und wie diese Organisierung gegebe­ nenfalls erzwingbar oder ersetzbar ist. In diesem Zusammenhang bleibt wei­ terhin zu erörtern, ob der gesetzliche Rahmen der Mitgliederrechte eine Er­ weiterung durch die Satzung - z.B. durch die Einräumung von Sonder­ rechten - verträgt.

I. Individualrechte Individualrechte sind solche Rechte, die jedem Mitglied ohne Rücksicht auf die Größe und Dauer seiner Beteiligung zur Ausübung zustehen. Die Be­ rechtigung unterliegt nicht der Bestimmungsmacht der Mehrheit oder der Satzung4. Die Ausübung dieser Rechte ist an die Mitgliedschaft gebunden und kann nicht von dieser abgespalten werden5. Die Individualrechte tragen dem Umstand Rechnung, daß mit der rechts­ geschäftlichen Begründung bzw. dem Erwerb der Mitgliedschaft das Mit­ glied ein Stück seiner persönlichen Freiheit aufgibt und sich einer unter Um­ ständen weitreichenden Verbandsmacht unterstellt. Bei den Kapital vereinen des Handelsrechts tritt ein finanzielles Engagement hinzu, das für das Mit­ glied existentielle Folgen haben kann. Aufgabe von Verbandsrecht ist es ins­ besondere, einen ausgewogenen Ausgleich von Verbands- und Indivi­ 4 Zu Wesen und Funktion der Individualrechte Wiedemann (wie FN 3) § 7 I 2 (S. 363 ff.). Das ältere Schrifttum sah den Anspruch auf gleiche Behandlung mit den übrigen Mit­ gliedern infolge eines anderen Verständnisses der Mitgliederrechte als individualrechtlichen Bestandteil des Mitgliedschaftsverhältnisses, so O. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887 (Nachdruck 1963), S. 237. 5 Das Stimmrecht läßt sich regelmäßig nicht von der Mitgliedschaft abspalten. Eine isolierte Abtretung des Stimmrechts ist nach § 134 BGB nichtig (mit § 68 Abs. 2 AktG als Verbotsgesetz), wenn dadurch die Vinkulierung umgangen werden soll, derart, daß der nichtakzeptierte Erwerber das Stimmrecht für den Veräußerer der Aktien ausüben soll. Die nichtige Stimmrechtsabtretung kann solchenfalls auch nicht in eine entsprechende Bevoll­ mächtigung des Erwerbers durch den Veräußerer umgedeutet werden, so für die Aktienge­ sellschaft BGH AG 1987, 157 m.w.N.

dualsphäre zu schaffen, beide Lebensbereiche grundsätzlich zu sondern und ein willkürliches und unkontrolliertes Übergreifen der Verbandsgewalt in die Individualsphäre einzudämmen. Im Einzelfall kommt weiterhin dem Um­ stand eine entscheidende Bedeutung zu, welchen Verhandlungsspielraum das Mitglied bei der Begründung des MitgliedschaftsVerhältnisses hatte. Dabei bedarf ein Satzungsgesellschafter, der die Mitgliedschaft etwa durch Erbfall erworben und die Verbandsordnung ohne die Möglichkeit, sie für sich neu aushandeln zu können, vorgefunden hat, eines stärkeren Schutzes seiner Statusrechte als ein Vertragsgesellschafter, der ebendiese Mitgestaltungs­ möglichkeiten aktiv ausüben konnte6. Von daher betrachtet erweist sich der gelegentlich gezogene Vergleich der individuellen Mitgliedschaftsrechte zu den Grundrechten des Verfas­ sungsrechts als durchaus treffend7: Im Ansatz wie im Staatsorganisations­ recht geht es um die Bewahrung des Status negativus des Mitglieds. Zugleich ziehen die Grundrechte der Ausübung hoheitlicher Gewalt Grenzen. Da jedes Mitglied allein in die Lage versetzt werden soll, diese Rechte zu verwirk­ lichen, verzichtet das Gesetz konsequent auf die Errichtung von Kapitalquoren oder Assoziierung einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern zur Rechts­ ausübung. Mit diesen Individualrechten verwirklicht das Mitglied nicht nur seine Abschirmung gegenüber der Verbandsmacht, sondern übt mit ihnen gleich­ zeitig seine Rechte aus der Mitgliedschaft im Verband aus. Dabei können auch ganz eigennützige Interessen verfolgt werden, ebenso wie eine Paralle­ lität mit den Interessen des Verbandes oder der übrigen Mitglieder bestehen kann. Die doppelte Ausrichtung der Individualrechte8 belegt nur, daß hier zwei scheinbar gegenläufige Strömungen ineinander münden9. Dennoch lag der Akzent beim Verständnis der Individualrechte traditionsgemäß stärker auf dem Gesichtspunkt der gemeinschaftsorientierten Amtsbefugnisse, mit denen das Mitglied erst in zweiter Linie eigene Interessen verknüpfen durfte. Die Gemeinschaftsverträglichkeit wurde damit zu einer konkreten Rechts­ 6 Grundlegend zur Unterscheidung zwischen Satzungs- und Vertragsgesellschafter und ihren Auswirkungen auf die Definition der Mitgliedschaft MünchKomm-REUTER, 3. Aufl. 1993, § 38 RdNr. 1; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unterneh­ men, 1973, S. 403 ff. Zur Erfassung der Mitgliedschaft in Gesellschaften einerseits und Körperschaften anderer­ seits Flume (wie FN 2), § 7 III 3 (S. 97 ff.). 7 Wiedemann (wie FN 3), S. 358. 8 Überhaupt kritisch zur Begriffsbildung Individual-/Minderheitenrechte RGZ 104, 253 (255). 9 Zur Janusköpfigkeit der Individual- und Minderheitenrechte Rudolf Fischer, in: Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts III/l, 1916, S. 196 ff.; die alte Dichothomie bleibt bis heute bei der Problematik des Rechtsmißbrauchs sichtbar, Guntz, Treubindungen von Minderheitsaktionären, 1997, S. 351 ff.

ausübungsschranke erhoben, weil man in den Individualrechten von Anbe­ ginn ihrer Zulassung Einfallstore des Querulantentums sah10. Die ideenge­ schichtliche Entwicklung der Individualrechte bleibt damit bis heute von Be­ deutung, wenn man das Diktat des jeweiligen Zeitgeistes darüber nicht aus den Augen verliert. In Wahrheit kommt der Amtswalteransatz aber ohne den individuellen Begünstigungsanreiz nicht aus, da er - wie die moderne Ver­ bandssoziologie nachgewiesen hat11 - den eigentlichen Anstoß zum Tätig­ werden liefert. Beide Gesichtspunkte schließen einander nicht aus. Selbst wenn danach ein Individualrecht zur Verfolgung eigennütziger Motive einge­ setzt zu werden scheint, ist nicht ausgeschlossen, daß dies gleichzeitig Schutzreflexe zugunsten des Verbandes und der Gesamtrechtsordnung ent­ faltet12.

IL Gruppen- und Kollektivrechte Kollektivrechte sind dadurch gekennzeichnet, daß die Rechtsausübung als solche zwar durch jedes Mitglied erfolgen kann, die Früchte der Rechtsaus­ übung jedoch unmittelbar nur dem Verband zufallen. Sie können von einem Mitglied mit Wirkung für und gegen alle oder nur von allen und für alle ausübbar sein. Dem Handelnden selbst wächst bei dieser Gruppe von Rech­ ten nur mittelbar ein Vorteil zu, den er allenfalls über eine Steigerung des inneren Wertes seiner Beteiligung realisieren kann. Beispiele hierfür sind etwa die Fälle, wo das Mitglied gestaltend in die Verbandsführung eingreift und sich zum partiellen Organverwalter aufschwingt, etwa bei notwendiger Komplettierung der verbandsführenden Organe, um so die volle Handlungs­ fähigkeit des Verbandes wiederherzustellen wie nach §§ 29 BGB, 84, 97 AktG. Dasselbe trifft zu auf die Geltendmachung von Ansprüchen des Ver­ bandes im Wege der Einzelklage (actio pro socio) durch Mitglieder, ganz gleich, ob der Verband als Gesamthandsgemeinschaft oder juristische Person verfaßt ist.

10 Die wenig aufgeschlossene Einstellung der Aktienrechtsreformen gegenüber den In­ dividualrechten erklärt sich durch die Befürchtung, diese könnten zu Einfallstoren des Que­ rulantentums werden, das zu einer Lähmung der Verwaltung der Aktiengesellschaften führt, vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaft auf Ak­ tien und die Aktiengesellschaften (Aktenstück Nr. 21 vom*7. März 1984), S. 293 ff. = Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 464 ff. (466 rechte Spalte). Diese wenig liberale Einstellung hat sich erst nach 1945 allmählich geändert. 11 Grundlegend Olsen, The Logic of Collective Action, Cambridge/London 1965, S. 60 ff.; Boettcher AG 1985, 7; Schmitz-Herscheidt, Kooperationstheorie und Grup­ penstruktur im Gesellschaftsrecht, 1981, S. 133 ff. 12 Vgl. FN 9.

Ein schwieriges Problem bei dieser Gruppe von Befugnissen liegt im un­ mittelbaren persönlichen Anreiz für den Handelnden: Zumindest bei der zu­ letzt angesprochenen Einzelklagebefugnis von Mitgliedern zeichnet sich nach überwiegender Meinung das Bild ab, daß das Mitglied nur ganz ausnahms­ weise auf Leistung pro rata an sich klagen kann, auf der anderen Seite aber mit dem vollen Prozeßrisiko belastet bleibt, das nicht auf den Verband ab­ gewälzt werden kann13. Solche Begleitumstände zeichnen für eine entschei­ dende Hemmung des innerverbandsmäßigen Aufsichtspotentials verantwort­ lich und konterkarieren geradezu die Funktion dieser Rechte. Hier gilt es, das Verfahrensrecht mit dem materiellen Gehalt der Gesellschafterrechte wieder in Einklang zu bringen. Es gibt Gesellschafterrechte, die derart kollektiviert sind, daß ihre Aus­ übung grundsätzlich nur durch alle Gesellschafter gemeinsam zugelassen ist. Dies gilt für die Entziehungsrechte nach §§117, 127 HGB oder das Aus­ schließungsrecht nach § 140 HGB. Bei den Personenhandelsgesellschaften werden die Mitgliedschaft und die Verwaltungsbefugnisse durch den Gesell­ schaftsvertrag erworben. Die Entziehung dieser Stellung, die eine Ver­ tragsänderung bedeutet, muß durch sämtliche Gesellschafter im Klagewege erfolgen, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung vor­ schreibt. Die richterliche Gestaltung liegt in der Veränderung der gesell­ schaftsvertraglichen Grundlage. Eine Einzelklagebefugnis etwa zugunsten des geschäftsführungsbefugten Gesellschafters ist an sich nicht statthaft. Das einmütige Vorgehen nach §§ 117, 127, 140 HGB kann jedoch intern er­ zwungen werden, was eine Einzelklagebefugnis entbehrlich macht: Herrscht unter den Gesellschaftern Streit darüber, ob gegen einen Mitgesellschafter die Entziehung seiner Verwaltungsbefugnis zu betreiben ist und verweigert einer der Gesellschafter aus Uneinsichtigkeit oder Obstruktion seine Mitwir­ kung bei der Klage oder seine vorprozessuale Zustimmung14, so können die zur Klageerhebung entschlossenen Gesellschafter die Mitwirkung über § 894 13 In Anlehnung an § 2039 Satz 1 BGB, der insofern ein verallgemeinerbares Rechts­ prinzip beinhaltet, herrscht Einigkeit darüber, daß der in actio pro socio vorgehende Gesell­ schafter nur Leistung an die Gesellschaft bzw. an die Gesellschafter in ihrer gesamthände­ rischen Verbundenheit verlangen kann. Andererseits ist der Kläger aber mit dem vollen Pro­ zeßrisiko belastet, vgl. GROSFELD, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 301 ff. - Die notwendige Ergänzung zum Prozeß führungsrecht aus § 2039 liegt in der Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Kostentragung nach §§ 2038 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 748 BGB. Selbst wenn ein Mitglied der Erbengemeinschaft sein Not­ verwaltungsrecht überschreitet und keinen Ersatz nach § 748 beanspruchen kann, bleiben Ansprüche wegen nützlicher Prozeßführung nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag vorbehalten, vgl. BGH NJW 1987, 3001 m.w.N. 14 Bei der Entziehungs- oder Ausschließungsklage ist eine Mitwirkung solcher Gesell­ schafter nicht erforderlich, die vorprozessual bereits bindend ihre Zustimmung zur Klageer­ hebung erteilt haben, RGZ 146, 169 (171 ff.); Robert Fischer, in: Großkomm.z.HGB, 3. Aufl. 1967, § 117 Anm. 17.

ZPO herbeiführen in einem Gang mit der Durchsetzung ihres Anspruches gegen den auszuschließenden oder abzuberufenden Gesellschafter15. Die Zu­ stimmung zur Mitwirkung bei der Klage wird aus der gesellschaftlichen Treuepflicht geschuldet. Beide Streitfragen sind in einem Verbundverfahren mit objektiver Klagenhäufung zu konzentrieren: Steht fest, daß alle Gesell­ schafter bei der Klageerhebung gegen den abzuberufenden oder auszuschlie­ ßenden Gesellschafter mitwirken müssen, so steht zugleich fest, daß die Klage aus §§ 117, 127, 140 HGB durchdringt. Das Verbundverfahren für die Durchsetzung dieser kollektiven Gesell­ schafterrechte weist eine prozessuale Struktur auf, wie sie ebenfalls bei der Einzelklage eines Gesellschafters zur Realisierung von Ansprüchen und Rechten der Gesellschaft auftritt. Es existieren zwei Prozeßrechtsverhält­ nisse, weil zwei Rechtsfragen zu klären sind. Zum einen ist die Berechtigung zur Ausschließung bzw. Abberufung festzustellen, zum anderen die Pflicht der übrigen Gesellschafter zur Mitwirkung an der Klage. Die Streitgegen­ stände hängen miteinander zusammen, sind aber nicht identisch. Obwohl ein wichtiger Abberufungs- oder Ausschließungsgrund vorliegt, kann eine Mit­ wirkungspflicht entfallen. Die notwendige Beteiligung sämtlicher Gesell­ schafter erscheint im Vergleich zu Verfahren mit einer anderen Verteilung der Parteirollen - etwa § 61 GmbHG - zwar als umständlich, doch elimi­ niert sie die Problematik des rechtlichen Gehörs.

III. Minderheitenrechte Minderheitenrechte sind dadurch charakterisiert, daß grundsätzlich nicht ein Mitglied allein zur Rechtsausübung befugt ist, sondern hierfür ein be­ stimmtes Quorum nach Kopf- oder Kapitalanteilen erreicht sein muß16. Im Recht der GmbH sind Beispiele für Minderheitenrechte die Befugnis zur 15 Zur Erzwingung der Mitwirkung aller Gesellschafter bei den Klagen nach §§ 117, 127, 140 HGB läßt die Rechtsprechung aus Gründen der Prozeßökonomie ein besonderes Verbundverfahren zu: Die Kläger können den Auszuschließenden verklagen und gleichzeitig die nicht klagewilligen Gesellschafter auf Mitwirkung zur Ausschließungsklage in Anspruch nehmen. Nach BGHZ 68, 81 (83 ff.) können Ausschließungs- und Mitwirkungsklage zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden wegen der großen recht­ lichen Affinität beider Streitgegenstände. Ein wichtiger Grund zur Ausschließung ist dem­ nach gleichzeitig hinreichender Grund zur Mitwirkung, die alle fortsetzungswilligen Gesell­ schafter als Ausfluß ihrer gesellschaftlichen Treuepflicht schulden, ausführlich zu diesen Fragen jetzt Karsten Schmidt, Mehrseitige Gestaltungsprozesse bei Personengesellschaf­ ten, 1992, S. 13, 81 ff., der die interne Mitwirkungsklage nicht als eigenständige Lei­ stungsklage begreift, sondern mit dem Hauptsacheverfahren zu einem Mehrparteien-Gestaltungsprozeß verschmelzen will. 16 Zu Herleitung und Geschichte des Minderheitenschutzes ausführlich Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 16 III (S. 473 ff.)

Einberufung einer Gesellschafterversammlung nach § 50 GmbHG, das Recht zur gerichtlichen Auflösung der Gesellschaft nach § 61 GmbHG, sowie das Recht zur Liquidatorenbestellung nach § 66 Abs. 2 GmbHG. Handlungsbe­ fugt sind jeweils solche Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammenge­ nommen mindestens 10% des Stammkapitals repräsentieren. Bei der Aktien­ gesellschaft gibt es kein einheitliches Quorum für die Ausübung der gesetzlichen Minderheitenrechte 17. Diese Mindestbeteiligungserfordemisse beruhen auf ganz unterschied­ lichen gesetzgeberischen Erwägungen. Bei § 61 GmbHG ist das Quorum damit gerechtfertigt worden, daß es einen Kompromiß zu finden galt zwi­ schen dem Lösungsrecht des klagenden Gesellschafters auf der einen Seite und dem Erhaltungsinteresse der fortführungswilligen Gesellschafter ande­ rerseits18. Das Quorum will einen Rechtsmißbrauch verhindern, indem die Überschreitung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle gefordert wird. Die Nebenwirkung dieses Konzepts ist allerdings, daß solche Mindestan­ teilserfordernisse die Gesellschafter in zwei Klassen teilen, nämlich in ein­ flußreichere und -ärmere19. Ein so bewirktes Einflußgefälle unter den Ge­ sellschaftern kann sich überdies nachteilig für den Verband selbst auswirken: In § 66 Abs. 2 GmbHG wird für die Bestellung von Liquidatoren vorausge­ setzt, daß ein entsprechender Antrag von wenigstens 10% des Stammkapitals unterstützt sein muß, während §§ 29, 48 BGB dies mit guten Gründen nicht fordern. Ebenso ist bei der Aktiengesellschaft jeder Aktionär zur Notvor­ standsbestellung legitimiert20. Eine davon verschiedene Behandlung im Li­ quidationsstadium erscheint nicht zwingend begründbar. Die Schaffung von Minderheitenquoren zersplittert die Minderheitsgruppe und stärkt anderer­ seits die Herrschaft der Mehrheitsgruppe und der Verwaltung über den Ver­ band. Wem es nicht gelingt, allein oder im Bunde mit anderen das Quorum zu erreichen, bleibt unter der Geltung der Minderheitenrechte in wichtigen Bereichen einflußlos und gleichzeitig versagt das System der internen Ver­ bandsaufsicht. Die Minderheitenrechte sind insoweit abgeschwächte Indivi­ dualrechte, als eine Rechtsausübung für Mitglieder mit geringer Beteili­ gungsgröße das abgestimmte Verhalten mit anderen Mitgliedern voraussetzt. In Massenverbänden läßt sich die Kontrolle durch die Mitglieder leicht un­ terlaufen, wenn dem einzelnen diese Organisierung nicht gelingt, weil ihm 17 Dazu die tabellarische Übersicht über die gesetzlichen Minderheitsrechte im Aktien­ recht bei Lehmann AG 1983, 113 (117 ff.). 18 Vgl. die Stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Reichstages 8. Le­ gislaturperiode - 1. Session 1890/92, Fünfter Anlageband Nr. 660, S. 3755/56. 19 Mit Recht kritisch zur Zweiteilung der Gesellschafter durch Quorumserfordernisse Brodmann, Komm.z.GmbHG, 2. Aufl. 1930, § 50 Anm. 5. 20 Arg. § 98 Abs. 2 Nr. 3 AktG.

die Kontaktaufnahme mit anderen Gesellschaftern praktisch unmöglich ist. Besonders anschaulich läßt sich das für das Klageerzwingungsverfahren in § 147 AktG aufzeigen. Diese konzeptionell bedingten Schwächen der Minderheitenrechte sollen nach allgemeiner Ansicht beseitigt werden. Hierbei zeichnen sich im we­ sentlichen zwei Lösungen ab: Zum einen wird die Verwandlung der Minder­ heiten- in Individualrechte vorgeschlagen21, zum anderen soll wenigstens zu­ gelassen werden, das Quorum gesellschaftsvertraglich herabzusetzen oder ganz abbedingen zu dürfen. Diese zweite Alternative hat den offensichtlichen Nachteil, daß eine Satzungsdisponibilität zugunsten der Minderheit deren Po­ sition noch nicht automatisch verbessert, weil sie nach wie vor auf die Groß­ zügigkeit der Mehrheit bei einer dahingehenden Abfassung der Satzung an­ gewiesen bleibt. Hinzu kommt, daß nicht alle Verbände der Satzung den nö­ tigen Gestaltungsfreiraum eröffnen (§§23 Abs. 5 AktG, 18 Satz 2 GenG) und zusätzliche Beschränkungen zu beachten sind, wenn die Gesellschaft mitbestimmungspflichtig ist (§31 MitbestG). Bei der GmbH wird ganz allgemein angenommen, daß der Gesellschafts­ vertrag die Mindestanteilsvoraussetzungen in §§50 Abs. 1, 61, 66 Abs. 2 GmbHG herabsetzen darf, so daß auch Gesellschafter mit einem Anteilsbe­ sitz von weniger als 10% die dort jeweils garantierten Rechte ausüben kön­ nen. Für das außerordentliche Einberufungsrecht nach § 50 GmbHG er­ scheint dies nicht zweifelhaft, weil es sich hierbei um einen rein gesellschaftsintemen Vorgang handelt. Weniger eindeutig liegen die Dinge jedoch bei § 66 Abs. 2 und § 61 Abs. 2 Satz 2 GmbHG22. Beide Vorschrif­ ten verlangen die Einschaltung des Gerichts. Das Problem resultiert daraus, daß in § 61 GmbHG Regelungen Zusammentreffen, die zu verschiedenen Rechtsgebieten gehören, nämlich Gesellschafts- und Verfahrensrecht. Wenn den Gesellschaftern von der ganz überwiegenden Meinung gestattet wird, das Auflösungsquorum nach unten zu korrigieren, so disponieren sie über eine Zulässigkeitsvoraussetzung hinsichtlich der Klageerhebung, die dem Prozeß­

21 Für die Transformation der Minderheiten- in Individualrechte de lege ferenda Flume, Grundfragen der Aktienrechtsreform, 1960, S. 16; Kühn, Die Minderheitsrechte in der GmbH und ihre Reform, 1964, S. 56 ff. 22 Eingehender zur Bewertung von § 61 als Instrument des Minderheitenschutzes M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 30 ff. Wenn dort (S. 29) ausgeführt wurde, daß die Auflösungsklage in der heutigen gerichtlichen Praxis keine große Bedeutung mehr hat, so stimmt dieser empirische Befund der (publizierten) höchstrichterlichen Rechtspre­ chung trotz der inzwischen ergangenen Entscheidung BGH NJW 1985, 1901, die einen ex­ tremen Fall behandelte und wo an einer gerichtlichen Auflösung der Gesellschaft schlechter­ dings kein Weg vorbeiführte. Zum Verhältnis des Austrittsrechts zur Auflösungsklage und zur Bedeutung von §61 GmbHG Röhricht, Festschrift für Kellermann, 1991, S. 361 (369 ff.).

recht zuzurechnen ist23. Die zwingende Natur des verfahrensrechtlichen Teils von § 61 GmbHG zeigt sich im ausschließlichen Gerichtsstand des Abs. 3. Eine Gerichtsstands Vereinbarung zugunsten eines anderen als dem Landgericht im Bezirk des Sitzes der Gesellschaft wäre unzulässig24. Hier­ von unberührt bliebe die Entscheidungszuständigkeit eines Schiedsgerichts25. Dem amerikanischen Gesellschaftsrecht fehlt die Abstraktionshöhe des deutschen Rechts. Bei Corporation und partnership werden die Mitglieder­ rechte nicht derart klassifiziert. Die Gesellschafterrechte - zumal die Kon­ trollrechte - sind dort mit gutem Grund Individualrechte. Nur ausnahms­ weise wird die Rechtsausübung bei geringerem Beteiligungsbesitz von einer Sicherheitsleistung zugunsten der Gesellschaft abhängig gemacht, wie etwa bei der derivative suit in New York (§ 627 N.Y.B.C.L.). Schon diese Ein­ schränkung ist umstritten.

IV. Sonderrechte 1. Ein Sonderrecht verleiht seinem Inhaber eine Befugnis, die anderen Verbandsmitgliedem nicht zusteht. Die Sonderrechte sind im Gesetz nur für den Verein in § 35 BGB besonders angesprochen. Diese Norm gehört jedoch zum Allgemeinen Teil des Verbands- und Gesellschaftsrechts. Sonderrechte werden durch die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag begründet und müs­ sen als solche gewollt und ausgewiesen sein26. Die statuarische Fixierung verleiht ihnen ihre Bestandskraft und legitimiert die in ihrer Schaffung lie­ gende Durchbrechung des Gleichbehandlungsgebots. Ein typisches Sonder­

23 Der Gesellschaftsvertrag darf die Klagebefugnis erweitern durch Absenkung des Kla­ gequorums unter 10% oder indem jedem Gesellschafter das Auflösungsrecht zugebilligt wird, vgl. Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 61 RdNr. 2 und 8; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 61 RdNr. 4. Die Befugnis hierzu ergibt sich aus § 60 Abs. 2 GmbHG. 24 Der ausschließliche örtliche Gerichtsstand in § 61 Abs. 3 GmbHG findet seine Bestä­ tigung in Art. 16 Nr. 2 EuGVÜ. Die örtliche wird dort um die internationale Zuständigkeit erweitert, Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 5. Aufl. 1996, Art. 16 RdNr. 36. Die Möglichkeit der Zuständigkeitsbegründung zugunsten eines Schiedsgerichts bleibt von der Anordnung ausschließlicher Gerichtsstände unberührt, weil sich diese nur auf die Zu­ ständigkeit staatlicher Gerichte beziehen. Schiedsfähigkeit und ausschließlicher Gerichts­ stand liegen auf zwei unterschiedlichen gesetzestechnischen Ebenen, was sich exemplarisch durch eine Zusammenschau von § 29a ZPO einerseits und § 1025a ZPO andererseits belegen läßt. 25 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 61 RdNr. 20. 26 Die Einräumung eines Sonderrechts muß auf der Verbandssatzung beruhen, um den speziellen Bestandsschutz des § 35 BGB zu genießen, RG HRR 1932, 1287; BGH MDR 1970, 913; LM Nr. 4 zu § 35 BGB betreffend die GmbH.

recht ist ein Vorzug bei der Gewinnverteilung, ein erhöhtes Stimmrecht oder ein Organbestellungsrecht (z.B. § 101 Abs. 2 AktG). In § 35 BGB finden sich zwei Grundsatzaussagen für die Sonderrechte: ihre prinzipielle Anerkennung vor dem Gesetz sowie ihre fehlende Entziehbarkeit gegen den Willen des Rechtsinhabers. Das Sonderrecht ist dem Ein­ fluß der Mitgliedermehrheit entzogen. Wesenstypisch ist der Vorrechtscha­ rakter. Wegen des besonderen Bestandsschutzes, den die Sonderrechte defi­ nitionsgemäß genießen, ist in der Vergangenheit versucht worden, andere Ausschnitte der Mitgliedschaft und sogar diese selbst als Sonderrecht zu qualifizieren, um die erwünschte Rechtsfolge auszulösen. Die Sonderrechts­ theorien des 19. Jahrhunderts helfen nicht weiter, da man mit ihnen ver­ suchte, alle Individualrechte zu Sonderrechten zu machen27. Es handelt sich um den gescheiterten Versuch, mit reiner Begrifflichkeit ein Sachproblem zu lösen. § 35 BGB hat unter dieses Verwirrspiel schließlich einen Schlußstrich gezogen. § 35 BGB trifft keine Aussage über die Anforderungen, die an den Be­ gründungsakt zu stellen sind. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, daß die Einräumung eines Sonderrechts durch die Verbandssatzung zu erfolgen hat28. Bei ursprünglicher, ebenso wie bei nachträglicher Einführung, wird im Vereinsrecht allgemein Einstimmigkeit gefordert29. Das Sonderrecht ist im Vereinsrecht stets und bei den Kapitalkörperschaften regelmäßig auf die Person des Inhabers bezogen, endet also, wenn dieser aufhört, Inhaber der respektiven Mitgliedschaftsstelle zu sein30. Sonderrechte können daneben auch durch Vertrag zwischen Mitglied und Verein oder durch bloßen Mitgliederbeschluß begründet werden. So geschaf­ fene Rechtspositionen genießen jedoch einen erheblich geringeren Bestands­ schutz, weil sie wieder kündbar sind. Unabhängig vom Entstehungsmodus bleibt zu beachten, daß die Einräumung den Gleichheitssatz (§ 53a AktG) 27 Zu diesen Sonderrechtstheorien eingehend O. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887 (Nachdruck 1963), S. 245 ff.; MESTMÄCKER, Ver­ waltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 10 ff.; Wiedemann, Gesell­ schaftsrecht I, 1980, § 7 I 1 (S. 358 ff., 354 f.). Die heute weitgehend gegenstandslose Dis­ kussion ist hier nicht zu vertiefen. 28 Bei der Frage, ob ein Recht tatsächlich Sonderrechtscharakter trägt, kommt es maß­ gebend auf den Willen der Parteien an. Dabei ist entscheidend, ob dem Recht nach dem mutmaßlichen Parteiwillen der besondere Bestandsschutz nach § 35 BGB zukommen soll, RGZ 170, 358 (368). Es ist mithin der Tatbestand im Lichte seiner Rechtsfolge auszulegen. Aus diesem Grunde ist die gleichzeitig mit der GmbH-Gründung verbundene und in den Ge­ sellschaftsvertrag aufgenommene Bestellung zum Geschäftsführer im Zweifel noch keine Einräumung eines Sonderrechts auf Geschäftsführung, BGH LM Nr. 4 zu § 35 BGB. 29 Siehe v.Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band 1, 1910, S. 554. 30 Vgl. BGB-RGRK-Steffen, 12. Aufl. 1974, § 35 RdNr. 1; im übrigen siehe § 101 Abs. 2 AktG.

nicht verletzen darf, weil die Maßnahme andernfalls nichtig ist31. Wählen die Beteiligten anstelle der statutarischen Verankerung die Begründung einer Sonderrechtsposition durch Vertrag mit dem Verband oder einen Beschluß der Mitgliederversammlung, so ist für die Wirksamkeit und Beständigkeit der Rechtseinräumung ebenfalls der Gleichheitssatz zu wahren. Andernfalls ist die Maßnahme nach dem Grundgedanken des § 243 Abs. 2 AktG an­ fechtbar, sofern die Privilegierung nicht angemessen ausgeglichen wird.

2. Da die Begründung statutarischer Sonderrechte einen Gestaltungsspiel­ raum der Gründer voraussetzt, hängen die Möglichkeiten zur Etablierung von Sonderrechten davon ab, inwieweit das Gesetz bei den einzelnen Ver­ bandsformen die Satzungsautonomie anerkennt. Unproblematisch ist dies für den Verein (§ 35 BGB) und die Personenhandelsgesellschaften (§ 109 HGB). Hier können Vorrechte in Form von besonderen Vermögensrechten auf einen erhöhten Gewinn- und/oder Liquidationsanteil oder besondere Mitverwal­ tungs- oder Organschaftsrechte geschaffen werden, wie etwa Vetorechte oder die Befugnis zur Bestellung eines Geschäftsführers. a) Bei der GmbH ist die Begründbarkeit von Sonderrechten unbestritten, zumindest solange die Gesellschaft mitbestimmungsfrei ist32. Deutlicher Be­ leg hierfür sind die §§ 29 Abs. 3 Satz 2, 72 Satz 2 GmbHG, die dies für be­ sondere aus der Mitgliedschaft fließende Wertrechte zum Ausdruck bringen. Nichts anderes gilt aber für Organschaftsrechte wie einem satzungsmäßig verankerten Recht, Geschäftsführer zu sein oder einen Geschäftsführer be­ stellen zu dürfen33. §§ 29 Abs. 3 Satz 2, 72 Satz 2 GmbHG verleihen also für die Wertrechte einem Prinzip Ausdruck, das auch für andere Typen von

31 Aus § 35 BGB läßt sich der Gleichheitssatz zwar nicht herleiten, er wird jedoch von dieser Vorschrift vorausgesetzt: Das Sonderrecht bedarf einer statutarischen Fixierung und so müssen diejenigen Mitglieder, die durch seine Begründung zurückgesetzt werden, mit­ wirken. Dies sanktioniert den Verstoß gegen den Gleichheitssatz, den die Schaffung von Sonderrechten naturgemäß mit sich bringt. 32 BGH NJW-RR 1989, 542 33 Regelmäßig sind die Geschäftsführer der GmbH durch die Gesellschafterversamm­ lung zu bestellen, § 46 Nr. 5 GmbHG. Diese Regel ist jedoch satzungsdispositiv nach § 45 Abs. 2, Hachenburg/Schilling, Komm.z.GmbHG, 7. Aufl. 1979, § 46 RdNr. 14. Die Überlagerung der Kompetenzzuweisungsfreiheit durch § 31 MitbestG ist zu beachten. Das GmbH-Recht räumt, sofern die Gesellschaft nicht der Mitbestimmung unterliegt, dem Ge­ sellschaftsvertrag sogar die Möglichkeit ein, eine durch Sonderrecht geschaffene Organ­ schaftsposition vererblich zu stellen, wenn die Grenzen in § 38 Abs. 2 GmbHG beachtet werden, RGZ 170, 358 (373 ff.). Danach ist es insbesondere zulässig, daß der Sohn eines Gesellschafter-Geschäftsführers seinem Vater in dessen Amt als Geschäftsführer nachfolgt, ohne daß dazu ein vollziehender organschaftlicher Bestellungsakt der Gesellschaft erforder­ lich wäre (sog. Kronprinzenprivileg).

Sonderrechten bei der GmbH gilt. Nicht dagegen herrscht im GmbH-Recht ein generelles Verbot organschaftlicher Sonderrechte34. b) Im Aktienrecht zieht der Grundsatz der limitierten Satzungsautonomie (§23 Abs. 5 AktG) der Einräumung von Sonderrechten erheblich engere Grenzen35. Die Freiheit zur Schaffung beliebiger Sonderrechte nimmt um so stärker ab, je mehr außenstehende Personen betroffen werden. Bei Publi­ kumsgesellschaften vertraut der Kapitalmarkt auf ein standardisiertes Organi­ sationsstatut, das nicht durch ausgefallene Sonderrechte aufgeweicht sein darf. Zum Ausgleich der mitunter recht konträren Interessen in der Aktien­ gesellschaft hat das Gesetz einen starren Organisationsrahmen geschaffen, der nicht zur vertraglichen oder tariflichen Disposition der Beteiligten steht36. Ein Sonderrecht auf Geschäftsführung oder einen garantierten Sitz zugunsten eines Aktionärs im Vorstand verträgt sich in der Publikums-AG nicht mit § 84 AktG37. Das Aktiengesetz bekennt sich zu drei Sonderrechten. § 12 AktG erlaubt ein potenziertes Stimmrecht für bestimmte Aktien aufgrund einer Konzes­ sionsentscheidung der WirtschaftsVerwaltung. Über ihre Entscheidungen ist unter Beachtung gesamtwirtschaftlicher Belange zu entscheiden, nicht dage­ gen nach den persönlichen Interessen der Aktionäre oder der Gesellschaft. Bei der stimmrechtslosen Vorzugsaktie nach § 139 AktG wird das Weniger an Mitsprache- und Mitentscheidungsbefugnissen durch ein Mehr an Ge­ winnteilhabe kompensiert. Das klassische Sonderrecht bei der Aktiengesell­ schaft ist das Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat nach § 101 Abs. 2 AktG, das der satzungsmäßigen Fixierung bedarf. Zur Wahrung des gesetzlichen Leitbildes, wonach grundsätzlich die Hauptversammlung über die Zusam­ mensetzung des Aufsichtsrates zu entscheiden hat, begrenzt das Gesetz folge­ richtig die Zahl der entsandten Aufsichtsratsmitglieder auf ein Drittel. Eine besondere Möglichkeit zur Schaffung von Sonderrechten eröffnet endlich § 11 Satz 1 AktG, wonach Aktien verschiedene Rechte gewähren können, namentlich bei der Verteilung des Gewinns und des Vermögens. Es 34 Gegen MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 35 RdNr. 3. 35 V.Godin/Wilhelmi, Komm.z.AktG, 4. Aufl. 1971, § 119 Anm. 5. 36 Das in § 23 Abs. 5 AktG niedergelegte untemehmensverfassungsrechtliche Prinzip ist also nach zwei Richtungen zwingend: Weder können die Aktionäre die Satzung anders fas­ sen, noch können die Tarifpartner den durch das Gesetz abschließend definierten Organisa­ tionsrahmen der Aktiengesellschaft abweichend ausgestalten. Damit wird sichergestellt, daß ein anderes Organisationsmodell auch nicht durch Arbeitskampfmaßnahmen erzwingbar ist, Hommelhoff ZHR 148 (1984), 118 (134). 37 De lege lata ist § 84 AktG unabhängig von der konkreten Realstruktur einer Aktien­ gesellschaft formuliert. Bei der personalistischen Klein-AG, die nicht der Mitbestimmung unterliegt, wäre jedoch ein anderes Bestellungsverfahren denkbar und gerechtfertigt, so Lutter, Das Wertpapier 1987, 1016 (1020).

läßt sich so das gleiche Ergebnis erzielen wie bei der GmbH nach §§29 Abs. 3 Satz 2, 72 Satz 2 GmbHG. Auf dem Weg über § 11 Satz 1 AktG, so mag es scheinen, darf die Satzung eine Aktiengattung schaffen, mit besonde­ ren Rechten ausstatten und einem bestimmten Inhaber zuwenden. Die Palette der nach § 11 AktG begründbaren Sonderrechte ist jedoch begrenzt durch die konstitutiven Wesensmerkmale der Aktiengesellschaft. Es sind die Schranken der §§ 23 Abs. 5, 241 Nr. 3 und 4 AktG zu beachten. So kann nicht durch Schaffung einer besonderen Aktiengattung ein Vetorecht gegen Maßnahmen der Geschäftsführung in den Händen einzelner Aktionäre begründet werden, weil dies auf eine Abschaffung des Mehrheitsprinzips hinausliefe38. Ebenso­ wenig darf eine Aktiengattung zugelassen werden, mit der sich für ihren In­ haber das Recht verbindet, einen garantierten Vorstandssitz innezuhaben, weil § 84 AktG das abschließend behandelt. § 11 Satz 1 AktG belegt, daß das Aktiengesetz keinen ausdrücklichen nu­ merus clausus der Sonderrechte kennt. Der Weg der Begründung von Son­ derrechten durch differenzierte Aktiengattungen bietet gegenüber § 35 BGB den Vorteil, daß hier das Sonderrecht verdinglicht ist und mit der Mit­ gliedschaftsstelle übertragbar wird, für die es besteht. Vor dem Gesetz haben alle diejenigen Sonderrechte Bestand, die sich innerhalb der immanenten Schranken für Sonderrechte halten, d.h. die weder mit dem Wesen der AG unvereinbar sind noch gegen die guten Sitten verstoßen und den aktienrecht­ lichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG) nicht verletzen. Im Korporationenrecht der USA werden Sonderrechte für einzelne Mit­ glieder typischerweise durch Schaffung von Sonderaktiengattungen geschaf­ fen. Will sich hier ein Gesellschafter das Recht reservieren, in den unter­ nehmensführenden Gremien unabhängig vom jeweiligen Mehrheitswillen in der Mitgliederversammlung vertreten zu sein, so geschieht dies am zweck­ mäßigsten durch Ausgabe einer Aktiengattung an den Begünstigten, dem im Gesellschaftsstatut das gewünschte Recht vorbehalten bleibt. Mit dieser Technik lassen sich beliebige Sonderrechte schaffen, sei es als Vermögens­ rechte, sei es als Organschaftsrechte39 und sogar für Vetorechte40. In diesem 38 Gegen eine Begründung von Vetorechten im Wege der Schaffung besonderer Aktien­ gattungen V.GODIN/WILHELMI, Komm. z. AktG, 4. Aufl. 1971, § 11 Anm. 5. 39 Lehrman v. Cohen, 222 A. 2d 800 (Del. 1966). Es darf beispielsweise eine Aktien­ gattung geschaffen werden, die mit einem potenzierten Stimmrecht ausgestattet ist, dem an­ dererseits aber kein gleichwertiger Kapitaleinsatz entsprechen muß, vgl. 8 Del. Code § 151(a). 40 Amerikanische Gerichte billigen Vetorechte zugunsten einzelner Gesellschafter dem Grundsatz nach. Sie müssen im certificate of incorporation und in den by-laws verankert sein, was ihren Sonderrechtscharakter unterstreicht. Für ihre wirksame Ausübung gilt das spezielle Treupflichtgebot, dem nicht nur Mehrheitsgesellschafter bei der Wahrung ihrer Rechte unterliegen; denn der Widerspruchsberechtigte gewinnt eine Schlüsselstellung. Das Vetorecht darf nicht als Instrument der willkürlichen Obstruktion mißbraucht werden, son-

Falle sind Gesellschafterbeschlüsse nur dann als gefaßt anzusehen, wenn eine Mehrheit bei allen Aktiengattungen zustande kommt. Diese Praxis wird von den amerikanischen Gerichten weitgehend gebilligt41. c) Bei der eingetragenen Genossenschaft sind Sonderrechte im Prinzip ebenfalls zulässig42. Die Ausgangslage bei der Genossenschaft ähnelt derje­ nigen der Aktiengesellschaft. In § 18 Satz 2 GenG erlaubt das Gesetz dem Genossenschaftsstatut Abweichungen nur insoweit, als diese ausdrücklich für zulässig erklärt sind. Eine § 11 Satz 1 AktG entsprechende Vorschrift fehlt im Genossenschaftsgesetz. § 18 Satz 2 GenG schließt die Begründung sol­ cher Sonderrechte aus, die dem gesetzlich vorgegebenen Leitbild von der Organisation der Genossenschaft widersprechen. Als zulässigerweise be­ gründbare Sonderrechte erkennt die herrschende Meinung die Beitragsfrei­ heit von Genossen43, dauernde Mitgliedschaft im Vorstand44, ständiger Vor­ sitz in einem Gesellschaftsorgan oder eine erhöhte Liquidationsquote bei Abwicklung der Genossenschaft (§91 Abs. 3 GenG) an. d) In neuerer Zeit wird die Legitimität von Sonderrechten nqx allem bei den Körperschaften des Handelsrechts überhaupt angezweifelt45. Als Be­ gründung wird angeführt, daß Sonderrechte nicht zu einer Institutionalisie­ rung der Verfolgung verbandsfremder Sonderinteressen dienen dürfen, mit der Schaffung von Sonderrechten eine risikoinadäquate Herrschaft über den Verband einhergehe und daß die §§ 12 Abs. 2, 101 Abs. 2, 139 AktG einen numerus clausus der bei den Kapitalvereinen schlechthin erlaubten Sonder­ rechte enthalten. Keines dieser Argumente verfängt. Zunächst ist davon auszugehen, daß § 35 BGB die Ermächtigungsgrund­ lage zur Schaffung von Sonderrechten darstellt. Dabei steht diese Vorschrift dem muß das Unternehmensinteresse sowie die Belange der Mitgesellschafter wahren. Zwingende Schranke der Begründung wie der Ausübung von Gesellschafterrechten bleibt die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft, die zum ordre public zählt, grundlegend Smith v. Atlantic Properties, 422 N.E. 2d 798 (Mass. App. 1981). 41 Seit der Grundsatzentscheidung in Galler v. Galler, 203 N.E. 2d 577 (111. 1964), die bis heute allgemein für maßgebend gehalten wird, billigen Gerichte geringfügige Abwei­ chungen ("slight impingements") vom gesetzlichen Leitbild, wenn es sich um eine close Cor­ poration handelt und die Variierung nicht dazu benutzt wird, Minderheitsgesellschafter oder Gesellschaftsgläubiger in ihren Rechten zu verkürzen. Ferner verlangt man, daß die Abwei­ chung nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstößt. 42 MEYER/MEULENBERGH/BEUTHIEN, Komm.z.GenG, 12. Aufl. 1983, § 18 RdNr. 12 und 13; a.A. jedoch ohne Begründung MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 35 RdNr. 2. 43 MEYER/MEULENBERGH/BEUTHIEN (wie FN 42), § 18 RdNr. 12. 44 LANG/WEIDMÜLLER/METZ, Komm.z.GenG, 32. Aufl. 1988, § 18 RdNr. 26; MEYER/MEULENBERGH/BEUTHIEN (wie FN 42), § 18 RdNr. 12; a.A. Klaus Müller, Komm.z.GenG, 2. Aufl. 1991, § 18 RdNr. 40. 45 Hierfür mit Nachdruck MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 35 RdNr. 2 und 3.

selbst nur im Dienste der Erreichung des Verbandszwecks. Die Gründer sollen genug Raum behalten, einer Mitgliedergruppe, die mehr als andere für den Verband einsetzen und leisten will, eine dementsprechende Aktionsplatt­ form zu schaffen und diese hinreichend abzusichern. So gesehen schaffen Sonderrechte eine Chance, den Verband attraktiv zu machen und einen be­ sonderen Anreiz zur Mitarbeit zu bieten. Die Begründung eines Sonderrechts bedeutet andererseits nicht notwendig die Verfolgung (persönlicher) Sonder­ interessen unter Hintanstellung des Verbandswohls. Geschieht dies im Einzelfall gleichwohl, so kann hierauf immer noch mit dem allgemeinen Sanktionsinstrumentarium reagiert werden, das bis zum Totalentzug des Sonderrechts aus wichtigem Grund reicht46. Die potentielle Gefahr der Ver­ folgung verbandsfremder Sondervorteile ist, wie insbesondere § 243 Abs. 2 AktG bestätigt, keine starre, sondern eine variable Schranke: Nichtigkeit tritt nicht ipso iure wie bei § 241 AktG ein, sondern bedarf vielmehr der Aus­ übung eines formalisierten Gestaltungsrechts. Durch diese Abstufung in § 241 AktG einerseits, §§ 243 Abs. 2, 246 Abs. 1 AktG andererseits ist be­ legt, daß Sonderrechte in den Kapitalvereinen des Handelsrechts nicht stets nichtig sind. Für Gesellschaften, die einem breiteren Publikum offenstehen oder Zugang zum öffentlichen Kapitalmarkt suchen, erzwingen die §§ 23 Abs. 5 AktG, 18 Satz 2 Genossenschaftsgesetz die Einhaltung eines standar­ disierten Organisationsrahmens. Im übrigen liegt es in der Organisationsho­ heit der Gesellschafter, ob sie die Gefahren eines Mißbrauchs des Sonder­ rechts durch den Nutzen der Privilegierung einzelner als aufgewogen an­ sehen. Die Ansicht von den §§ 12 Abs. 2, 101 Abs. 2, 139 AktG als numerus clausus der Sonderrechte ist schon mit Blick auf § 11 Satz 1 AktG unhalt­ bar47. Des weiteren gibt es keinen starren Grundsatz, wonach die Schaffung von Sonderrechten unter dem Vorbehalt einer strikten Verklammerung von Herrschaft und Haftung steht. Im deutschen Recht begründet ein Mehr an Herrschaftsbefugnissen im Außenverhältnis noch kein Mehr an Haftung. Für die Kapitalvereine des Handelsrechts steht das außerhalb einer konzemmäßi­ gen Verbindung von Unternehmen außer Frage. Sogar bei den Personalge­ sellschaften, deren Verfassung dem Gleichlauf von Herrschaft und Haftung folgt, gilt: Nach § 128 HGB haftet jeder Gesellschafter für die Verbindlich­ keiten der OHG ohne Rücksicht auf seine aktive Teilnahme an der Unter­ 46 Dazu sogleich unten im Text. 47 §§ 12 Abs. 2, 101 Abs. 2, 139 AktG enthalten mit Bezug auf § 11 Satz 1 AktG le­ diglich Sonderrechte, die vor §§23 Abs. 5, 241 Nr. 3 und 4 AktG ohne weitere Prüfung Bestand haben. Andere Rechte sind also nicht präjudiziert, vgl. Kraft, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 RdNr. 13 ff., sondern haben sich einer Inhaltskontrolle zu unterziehen.

nehmensführung. §§ 114 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB sehen ausdrücklich vor, daß der Gesellschaftsvertrag einzelnen Gesellschaftern ein Übergewicht oder ein Monopol in der Geschäftsführung und/oder der Vertretung einräumen kann, ohne daß damit zwangsläufig eine quotale Haftungsvermehrung ein­ hergehen müßte48. Eine zwingende, aber in diesem Zusammenhang bisher nicht hinreichend beachtete Schranke der Begründbarkeit von Sonderrechten liegt im Mitbe­ stimmungsrecht. Für Sonder-Organschaftsrechte errichten §§ 30, 31 MitbestG hier Schranken, wie sie sich für die Aktiengesellschaft schon aus § 84 AktG ergeben. Damit werden mitbestimmungspflichtige Unternehmen unab­ hängig von ihrer Rechtsform, also insbesondere auch die GmbH, einem § 23 Abs. 5 AktG ähnlichen Regime der limitierten Satzungsautonomie unter­ stellt. Die aus den §§ 30, 31 MitbestG folgenden Restriktionen sind jedoch von ihrem Telos auf die Unternehmensverfassung bezogen und sollen die Mitspracherechte der Arbeitnehmer nach dem Geiste dieses Gesetzes ver­ wirklichen, enthalten dagegen kein generelles Verbot von ansonsten mitbestimmungsverträglichen Sonderrechten bei Unternehmen. Im Interesse des Grundanliegens des Mitbestimmungsrechts geht § 31 Abs. 1 MitbestG allen Sonder-Organschaftsrechten vor49. Die Gewährleistung der Einheit von Herrschaft und Haftung oder allgemein der risikoadäquaten Herrschaft über Unternehmen liegen außerhalb des Blickfeldes des Mitbestimmungsgesetzes.

48 In BGHZ 45, 204 wird dem Dogma von der Einheit von Herrschaft und Haftung für die Kommanditgesellschaft eine deutliche Absage erteilt. 49 Nicht abschließend geklärt ist das Verhältnis der §§ 30, 31 MitbestG zu den statuta­ rischen Sonderrechten und insbesondere den Organschaftsrechten. § 31 MitbestG wird für zwingend gehalten, um einer Verschiebung der durch das Gesetz mit Vorbedacht austarierten Machtbalance zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern entgegenzutreten. So können keine Sonderrechte für Anteilseigner oder ihnen nahestehende Dritte auf einen Vorstandssitz begründet werden. § 31 MitbestG geht § 35 BGB vor, T. Raiser, Komm.z.MitbestG, 2. Aufl. 1984, § 31 RdNr. 7 a.E.: § 31 Abs. 2 MitbestG ist zwingendes Recht. Dies wirft die Frage nach dem rechtlichen Schicksal von Sonderrechten auf, wenn die Ge­ sellschaft in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes hineinwächst. Ein davor zum Geschäftsführer bestellter Sonderrechtsinhaber verliert seine Position nicht, neu zu be­ stellende unterliegen danach jedoch dem Verfahren nach § 31 Abs. 2 MitbestG. Dennoch wird das Sonderrecht nicht gegenstandslos. § 35 BGB will den Rechtsinhaber von den je­ weiligen Mehrheitsverhältnissen in der Mitgliederversammlung unabhängig machen. Im mitbestimmten Unternehmen behält das Sonderrecht die Bedeutung, daß die Mitglieder nach Kräften dabei mitzuwirken haben, daß der Sonderrechtsinhaber von ihren Vertretern im Auf­ sichtsrat unterstützt wird. Das Sonderrecht lebt also wenigstens auf der Ebene der Mitglie­ derversammlung als Stimmrechtsbindung fort. Zu beachten bleibt allerdings, daß die Mit­ glieder des Aufsichtsrats als dem eigentlichen und nach § 31 Abs. 2 MitbestG ausschließlich zuständigen Bestellungsorgan in ihrer Entscheidung frei sind und an Vorschlagsrechte for­ mal nicht gebunden werden können, T. Raiser, a.a.O., RdNr. 8.

3. Sonderrechte genießen einen hohen Bestandsschutz, weil sie nicht ohne die Zustimmung des Rechtsinhabers angetastet werden dürfen. Dies macht Sonderrechte freilich nicht schlechthin unantastbar. Die Innehabung und Ausübung eines Sonderrechts muß sich stets am Verbandswohl ausrichten. Das Sonderrecht berührt die allgemeinen Rechte und Pflichten des Inhabers nicht. Der Rechtsinhaber ist zu einer schonenden und rücksichtsvollen Rechtsausübung gegenüber den anderen Mitgliedern gehalten, und er unter­ liegt einer gesteigerten Zweckerreichungspflicht gegenüber der Gesellschaft. Eine Überschreitung des Sonderrechts kann gerichtlich festgestellt werden und macht den Berechtigten möglicherweise schadensersatzpflichtig. Daß der von § 35 BGB ausgehende Bestandsschutz nicht schrankenlos ist, erhellt aus der Behandlung von Sonderrrechten in den anderen Gesellschafts­ formen. Es existieren Vorschriften, die die Entziehung von Befugnissen un­ ter besonderen Umständen verlangen. Bei der GmbH ist das Geschäftsfüh­ reramt nicht unentziehbar. Erhöhter Bestandsschutz der Organstellung kann dem Geschäftsführer nur derart gewährt werden, daß der Gesellschaftsver­ trag die Zulässigkeit des Widerrufs an das Vorliegen eines wichtigen Grun­ des knüpft (§38 Abs. 2 GmbHG). Diese Grenze ist zwingendes Recht und besteht im öffentlichen Interesse an der Bestandssicherung der Gesell­ schaft50. Wenn bei der GmbH ein Sonderrecht auf Geschäftsführung besteht, so besagt § 38 Abs. 2 GmbHG, daß dieses Recht nicht willkürlich entzogen werden darf. Es bleibt bei der Trennung von Bestellungsakt und Abberu­ fung. Dasselbe Ergebnis ergibt sich noch deutlicher für die rechtliche Stel­ lung des geschäftsführungs- und/oder vertretungsbefugten Gesellschafters ei­ ner Personenhandelsgesellschaft nach §§ 117, 127 HGB, die ebenso wie § 38 Abs. 2 GmbHG für unabdingbar gehalten werden51. Die genannten Vor­ schriften belegen, daß das Sonderrecht notfalls selbst gegen den Willen sei­ nes Inhabers nach vorhergehender justizförmiger Überprüfung des sachlichen Grundes entziehbar ist52. Dasselbe gilt für den Entzug eines Sonderrechts auf

50 RGZ 170, 358 (368) im Anschluß an RGZ 44, 95 (98). Erfolgt die Bestellung zum Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag, ist damit im Zweifel noch nicht die Einräumung eines Sonderrechts gewollt, zutreffend BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER, Komm.z. GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 38 RdNr. 7 mit Nachweisen. 51 Ebenso wie § 38 Abs. 2 GmbHG können §§ 117, 127 HGB durch den Gesellschafts­ Vertrag nicht abbedungen werden, RG JW 1935, 696. Zulässig ist aber, das Klageerfordemis durch einen Gesellschafterbeschluß zu substituieren. 52 Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948, S. 292; A. SCHULTZE, JherJb. 75, 1925), 455 (470 ff.).

Geschäftsführung bei der GmbH, wo gelegentlich auf die Parallelität zu §§ 117, 127 HGB hingewiesen wird53. Entsprechend ist bei der Entziehung von Sonderrechten im allgemeinen zu verfahren. Der Sonderrechtsinhaber kann aus wichtigem Grund wegen der Treupflicht, die er dem Verband schuldet, gehalten sein, in die Aufhebung seines Rechts einzuwilligen. In subjektiver Hinsicht kommt hierfür Unfähig­ keit zur Bekleidung der Sonderrechtsposition oder deren Mißbrauch bzw. in objektiver Hinsicht eine grundlegende Wandlung derjenigen Verhältnisse, die die Geschäftsgrundlage für die Einräumung des Sonderrechts gebildet haben, in Betracht. Willigt der Berechtigte nicht ein, so kann ihn der Verein auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung klage weise in Anspruch nehmen. Wenn bei Vorliegen eines wichtigen Grundes der Ausschluß aus dem Verein statthaft ist, so darf erst recht die Aberkennung der Sonder­ rechtsposition ausgesprochen werden. Ob dies im Wege der Gestaltungsklage nach §§ 117, 127 HGB geschieht oder durch Leistungsklage auf Abgabe ei­ ner Verzichtserklärung mit Vollstreckung aus § 894 ZPO, ist eine rechts­ technische Frage. Im übrigen sind beide Wege funktional äquivalent54. So­ fern die oben beschriebenen Entziehungsvoraussetzungen vorliegen, schuldet das sonderberechtigte Mitglied seinen Verzicht, wenn dieser eine verhältnis­ mäßige Konfliktlösung darstellt. Erweist sich die Entziehung des Sonder­ rechts aus Gründen als nötig, die der Inhaber nicht zu vertreten hat, so er­ hebt sich die Frage nach einer Abfindung für den Rechts Verlust. Oft liegen die Dinge so, daß das Sonderrecht echten Gegenleistungscharakter trägt und eingeräumt ist, weil sein Inhaber neben der Kapitaleinlage besondere Lei­ stungen gegenüber der Gesellschaft erbringt. Die Entziehung darf dann nicht ohne eine angemessene Entschädigung erfolgen55. Auch der Entzug der ge­ samten Mitgliedschaft wäre entschädigungspflichtig, und die Aberkennung eines Sonderrechts ist nichts anderes als ein Teilausschluß aus der Gesell-

53 Als Vorbild für den Entzug eines organschaftlichen Sonderrechts mag das Verfahren nach §§ 117, 127 HGB dienen. Auch dort geht es um die nachträgliche Entziehung einer ur­ sprünglich durch Vertrag begründeten besonderen Rechtsstellung, wobei das rechtskräftige Urteil die Einwilligung des Rechtsinhabers ersetzt. In eben diese Richtung tendierte § 69 Abs. 5 RegE.—GmbHG 1971/73, vgl. BT-Drucks. VI/3088 = 7/253. Der Entwurf nahm offenbar eine Anleihe beim Verfahren des Ausschlusses von Gesellschaftern aus der GmbH. Das Aberkennungsurteil verlangt einen Gesellschafterbeschluß, der der Klageerhebung zu­ stimmt. Im Normalfall klagt sodann die Gesellschaft gegen den Sonderrechtsinhaber. Nur bei der zweigliedrigen GmbH sollte der Streit unter den Gesellschaftern unmittelbar auszu­ tragen sein. Bis zur Rechtskraft des Aberkennungsurteils bleibt das Sonderrecht bestehen. 54 Zur Verwandtschaft einer Vollstreckung über § 894 ZPO mit den (unechten) Gestal­ tungsklagen des Handelsrechts M. Becker ZZP 97 (1984), 314 (322 ff.). 55 Vorbild ist § 5 Abs. 2 Sätze 4-7 EG AktG. Zur Entschädigungspflicht näher ZÖLL­ NER, in: Kölner Komm.z.AktG, 1971/85, § 5 EGAktG RdNr. 3 mit Nachweisen.

schäft. Wohlerworbene vermögensmäßige Rechte dürfen nachträglich nicht ohne wichtigen Grund und ohne Entschädigung entzogen werden.

4. Mit dem Wesen der Sonderrechte ist es nicht unvereinbar, das § 35 BGB immanente Potential in den Dienst der Aufsicht über die Verbände zu stellen. Die Satzung darf den Kreis der Kontrollrechte erweitern, sie jedoch nicht in ihrem Kernbestand angreifen oder verkürzen. Vorbehalten bleibt eine Verträglichkeitsprüfung mit Bezug auf die Unternehmensverfassung (Gläubiger- und Minderheitenschutz) und die Sozialverfassung (Arbeit­ nehmermitbestimmung). Obendrein ist anhand des Einzelfalls zu prüfen, daß ein Sonderrecht, z.B. ein Vetorecht gegen Geschäftsführungsmaßnahmen oder gegen Beschlüsse der Mitgliederversammlung, den Verband nicht handlungsunfähig macht.

V. Mitgliedschaftsrechte und Verfahrensordnung In vielen Fällen bedarf das Mitglied zur Ausübung seiner mitgliedschaftlichen Rechte, vor allem soweit sie Gestaltungsklagerechte sind, der Ein­ schaltung des Gerichts. Dieser Umstand bedingt eine Harmonie und Ab­ stimmung der Mitverwaltungsrechte mir dem zugrundeliegenden Verfahrens­ recht. Insbesondere hat der Verfahrensrahmen der Doppelnatur der Mitglie­ derrechte gerecht zu werden. Das Amtswalterverständnis bewirkt, daß ein Gesellschafter-Kläger nicht allein in Verfolgung seiner subjektiven Rechte handelt. Die Prozeßführung berührt ebenso stets die Rechte anderer Gesell­ schafter, Individualrechtsschutz und privatrechtlicher Institutionenschutz ge­ hen ineinander über. Prozeßmaximen, die typischer Ausfluß des klassischen kontradiktorischen Zwei-Parteien-Zivilprozesses sind und auf der Parteiherr­ schaft über den Streitgegenstand beruhen56, dürfen für solche Verfahren nicht unbesehen übernommen werden. Unbedingt notwendig ist die Anpas­ sung an den Verfahrenszweck. Das amerikanische Recht reagiert auf diese Herausforderung, indem es das Prozeßrechtsverhältnis nach den Vorgaben des Sachrechtsverhältnisses ausgestaltet. Mithin herrscht eine Präponderanz der Sachrechtsbeziehung gegenüber den wertungsoffeneren Normen und In­ stitutionen des Zivilprozeßrechts: Ein Kläger, der einen Personenverband oder eine Gruppe gleichermaßen Betroffener repräsentiert, verfolgt die ge­ meinsamen Rechte in trust und muß sich eine gerichtliche Aufsicht über seine Parteihandlungen gefallen lassen. Weiterhin haben die Gruppenmitglie­

56 Etwa §§ 138, 306, 307, 331 ZPO.

der Anspruch auf vollständige Transparenz der Prozeßführung, für die eben­ falls das Gericht zu sorgen hat57. Im deutschen Recht manifestiert sich der Prozeß des allmählichen Ab­ rückens vom klassischen Zivilprozeß darin, daß bereits gewisse Streitigkeiten aus dem Bereich der Gesellschafterrechte vom streitigen Zivilverfahren in das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen wurden58. Dies reicht aber nicht hin, da die freiwillige Gerichtsbarkeit die gestellte Aufgabe tatsächlich nicht bewältigen kann. Das wird der weitere Gang der Darstel­ lung bei der Behandlung der Informationsrechte der Gesellschafter erweisen. Es ist ein partiell neuer Rahmen für die Gesellschafterprozesse zu ent­ wickeln59. Die Aufgabe besteht in einer schutzzweckkompatiblen und verfas­ sungskonformen Handhabung der Verfahrensordnung einschließlich ihrer Ergänzung durch Institute aus den öffentlich-rechtlichen Prozeßordnungen; denn diese haben von vornherein den Zuschnitt auf eine Prozeßführung auch im fremden Interesse, die Verbindung von Individualrechtsschutzgewährung und Kontrolle der Verwaltung und tragen dem Umstand einer subordina­ tionsrechtlichen Prägung der Beziehung zwischen den Parteien Rechnung. Die Schwierigkeiten, die dies dem deutschen Recht bereitet, sind wesentlich auf die überkommene Fixierung auf die Parteirollen zurückzuführen. Ein starres prozessuales Parteirollenkonzept gewährleistet nicht mehr in jedem Falle die Einbindung sämtlicher Beteiligten des Sachrechtsverhältnisses. Das wird noch virulenter, wenn die Gesellschaft kraft gesetzlicher Parteirollen­ zuweisung als Prozeßpartei mitzuwirken hat und die Gesellschafter von jeg­ licher Teilnahme an der Prozeßführung ausschließt60. Die Beteiligung aller Gesellschafter ist aber für so zentrale Punkte wie das rechtliche Gehör61 oder die Rechtskrafterstreckung, die aus der Tatsache folgt, daß die zu treffende Entscheidung notwendigerweise für und gegen alle Beteiligten wirkt, unum­ gänglich. Die Probleme sind leichter in den Griff zu bekommen, wenn man statt auf die Parteistellung auf die Selbstbetroffenheit abhebt. Die Grundlage 57 Beispielhaft für das Verfahren vor den Bundesgerichten F.R.Civ.P. 23(c) und (e) be­ züglich der dass action sowie F.R.Civ.P. 23.1 für die Shareholders’ derivative suit. 58 §§ 51a, 51b GmbHG; §§ 99, 132, 306 AktG; §§30, 31 UmwG. Zum Ganzen v. Falkenhausen AG 1967, 309 ff. 59 In diese Richtung jetzt Karsten Schmidt, Mehrseitige Gestaltungsprozesse bei Per­ sonengesellschaften, 1992, S. 32 ff., 113 ff., allerdings vornehmlich anhand der Klagerechte aus §§ 117, 127, 133, 140, 142 HGB und nicht für die Gesellschafterklagen im Körper­ schaftsrecht, wo sich die aufgeworfenen Fragen noch deutlicher präsentieren. Zum Ganzen auch Koch KritV 1989, 323 (326 ff.). 60 Siehe etwa § 61 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, § 276 Abs. 2 Satz 1 AktG, wonach die juri­ stische Person Prozeßstandschafter auf der Passivseite für die übrigen Gesellschafter ist, M. Becker ZZP 97 (1984), 314 (330 ff.). Anders in der Terminologie Karsten Schmidt (wie FN 59), S. 37, der dieses Phänomen mit dem Terminus "Repräsentationsprozeß” bezeichnet. 61 BVerfGE 60, 7 (13 ff.).

dazu ist in § 63 VwGO gelegt, der zumindest für die komplexer strukturier­ ten Prozeßrechtsverhältnisse zum Allgemeinen Teil des Verfahrensrechts zu rechnen ist. Die Beteiligteneigenschaft nach § 63 VwGO ist dadurch gekenn­ zeichnet, daß sich der Kreis der Beteiligten nicht in Kläger und Beklagtem erschöpft und daß diese den prozessualen Aktionsradius anderer Beteiligter nicht einengen dürfen. Festzuhalten bleibt einstweilen, daß sich das Verbandsrecht auf der Suche nach einem modifizierten zivilprozessualen Rahmen befindet. Seine Koordi­ naten sind durch den streitigen Zivilprozeß, das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und den Verwaltungsprozeß markiert. Der Bedarf für ein Sonderverfahrensrecht62 für die Gesellschafterklagen ist dargetan durch die Existenz versprengter Normen mit rein prozeßrechtlichem Gehalt, die sich in Gesetzen befinden, die sonst nur materiell-gesellschaftsrechtliche Materien regeln63. Diese versprengten Vorschriften gilt es zusammenzuführen und als systematisches Ganzes zu begreifen, obwohl und gerade weil sich die Ver­ fahrensgrundlagen nicht einer Prozeßordnung entnehmen lassen.

62 In diese Richtung gingen bereits die Überlegungen von GRABHOFF ZZP 60, 1936/37), 242 ff., die sich allerdings auf das vollstreckungsrechtliche Verteilungsverfahren und auf die Ehenichtigkeitsklage beschränkten. Von ihrer Brauchbarkeit für die familien­ rechtlichen Statusverfahren darf indes auch auf die Einsatzfähigkeit im Handelsrecht ge­ schlossen werden, da die handelsrechtlichen Gestaltungsklagen ebenfalls statusklärenden Charakter haben. 63 Siehe nur §§ 244 Satz 2, 245, 246 Abs. 2-4, 247, 248 AktG sowie § 61 Abs. 2 und 3 GmbHG.

§ 4 Aufsichtsmittel und Aufsichtsmodelle Die Einteilung der Mitgliederrechte hat erwiesen, daß diese einen wichti­ gen Baustein im System der Aufsicht über die Verbände bilden. Sie dienen dem Interesse der Mitglieder gegenüber den Maßnahmen der Verwaltung und der Mehrheit. Zugleich sind sie Instrumente zur Legalitätskontrolle der Unternehmensführung der sich selbst verwaltenden, staatlicherseits nicht überwachten Gesellschaften1. Es ist historisch belegbar, daß die Selbstkon­ trolle die Staatsaufsicht über das Verbandswesen abgelöst hat. Die Kontrolle aus der Verbandsinnensphäre bietet den Vorzug, Kosten für die Errichtung und fortlaufende Unterhaltung einer externen Aufsichtsinstanz einzusparen. Des weiteren ist eine Kontrolle durch die Mitglieder überlegen, weil diese mit den verbandlichen Gegebenheiten vertraut sind und aus eigenem Inte­ resse handeln. Eine von außen ansetzende Aufsicht über Vereine und Gesellschaften kann mit der Garantie der Vereinigungsfreiheit in Konflikt geraten. Die durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützte Vereinigungsfreiheit erstreckt sich grundsätzlich auch auf Vereinigungen mit erwerbswirtschaftlicher Zweckset­ zung2. Art. 9 Abs. 1 GG garantiert die freie Bildung von Vereinigungen so­ wie die ungehinderte Entfaltung des Vereinslebens unter Einschluß der Or­ ganisationshoheit und der Selbstverwaltung. Art. 9 Abs. 1 GG bietet Schutz gegen alle Einmischungen von außen in die Angelegenheiten des eigenen Wirkenskreises3. Jeder Verband hat bei seiner Gründung den gesetzlichen Normativbedingungen zu folgen. Ferner muß er sich bei seiner Betätigung im Rahmen von Recht und Gesetz halten. Darin liegen zulässige Schranken­ konkretisierungen der Vereinigungsfreiheit. Allerdings müssen beschrän­ kende Gesetze oder Maßnahmen ihrerseits gemessen am Schutzgut von Art. 9 Abs.l GG verhältnismäßig sein4. Die Vereinigungsfreiheit des 1 Immenga GmbHRdsch. 1973, 5 (6); Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 53 ff.; Wiethölter, Interessen und Organi­ sation der Aktiengesellschaft, 1961, S. 285 ff.; Guntz, Treubindungen von Minderheits­ aktionären, 1997, S. 228 ff. je mit Literatur. 2 Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Komm.z.GG, Stand: August 1979, Art. 9 RdNr. 57 ff., 60 ff.; a.A. RÜBENACH, "Wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit" und Vereinigungs­ freiheit, 1984, S. 16 ff. 3 Scholz (wie FN 2), RdNr. 34 f. 4 Angesprochen ist das Spannungsverhältnis zwischen grundrechtlicher Gewährleistung und grundrechtseinschränkendem einfachen Gesetz. Das grundrechtsbeschränkende Gesetz ist seinerseits als unter dem Vorbehalt der korrespondierenden Grundrechtsgarantie stehend anzusehen wegen der objektiv wertsetzenden Bedeutung der Grundrechte. Dies erfordert, daß die Schutzobjekte von Grundrecht und grundrechtseinschränkendem Gesetz in Bezie­ hung zueinander gesetzt werden, um als Ergebnis einer Schutzgutabwägung auf Verfas­ sungsebene im Einzelfall die Vorrangentscheidung treffen zu können. Grundlegend zu dieser

Grundgesetzes hat dem staatlichen Konzessionssystem endgültig eine Absage erteilt. Das historische Anliegen des Konzessionssystems ist im Gewerbe­ recht aufgegangen, das keine Gründungs-, sondern allenfalls Betätigungs­ schranken aufstellen darf5.

L Die Skala der Aufsichtsmittel 1. Das amerikanische wie das deutsche Gesellschaftsrecht beruhen heute primär auf einer Verbandsaufsicht aufgrund von mitgliedschaftlichen Kon­ trollrechten6. Die Gesellschafter üben diese Rechte aus, um ihre eigenen vermögensmäßigen bzw. mitgliedschaftlichen Belange wahrzunehmen, errei­ chen jedoch gleichzeitig etwas der Gesellschaft und der Allgemeinheit Nütz­ liches. Alleiniger Bezugspunkt der Rechtsausübung ist ihre Bindung an Ge­ setz und Satzung. Die Bindung der Verbandsgewalt an Gesetz und Satzung ist die privatrechtliche Schranke der Vereinsautonomie. Es kommt nicht dar­ auf an, ob eine Maßnahme der Gesellschaft finanziell zuträglich oder sozial geboten ist. Eine rechtswidrige Maßnahme läßt sich niemals dadurch heilen, daß sie für die Gesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft ist7. Das konträre Mo­ dell besteht in der Errichtung und Unterhaltung eines Behördenapparates, der die Gesellschaft zu überwachen hat. Dieses Modell unterscheidet sich Wechselwirkung von Grundrecht und grundrechtseinschränkendem Gesetz, BVerfGE 7, 198 (202 ff.) - "Lüth"- anhand von Art. 5 GG, zuletzt BVerfGE 64, 108 (115 ff.) und in ständiger Rechtsprechung; speziell zu Art. 9 Abs. 1 GG BVerfGE 50, 290 (355) - Mitbe­ stimmung. Beispiel einer unverhältnismäßigen und verfassungswidrigen Einschränkung von Art. 9 Abs. 1 GG, für die es überdies kein einleuchtendes Bedürfnis gibt, ist die Vorenthal­ tung der Möglichkeit einer echten Fusion bei Ideal vereinen, kritisch hierzu DROBNIG/BECKER/REMIEN, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991, S. 31 ff. Der Gesetzgeber hat die Idealvereine jetzt in den Kreis verschmelzungstauglicher Rechtsträ­ ger aufgenommen, vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 99 ff. UmwG. 5 Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, § 10 I b (S. 152). Unter dem Eindruck der Garantie der Vereinigungsfreiheit mußte das historisch im Gewerberecht beheimatete Konzessionssystem bei der freien Körperschaftsbildung zugunsten des Systems der Normativbedingungen in den Hintergrund treten. Im Lichte von Art. 9 Abs. 1 GG ergibt sich daraus folgende Abstufung: Wo die Körperschaftsbildung mit Hilfe des Normativsystems zufriedenstellend geordnet werden kann, ist dies erforderlich und genügend. Die Gründer haben, sofern sie die gesetzlichen Gründungsbedingungen, die ihrerseits mit Art. 9 Abs. 1 GG in Einklang stehen müssen, erfüllen, einen Rechtsanspruch auf freie Assoziierung. Erst wenn dies für den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter nicht mehr ausreicht, darf der Gesetzgeber auf das Konzessionssystem zurückgreifen und damit der Exekutive einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Körperschaftsbildung einräumen. 6 Seit der Aktienrechtsreform von 1884 hat im deutschen Recht eine Akzentverschie­ bung hinsichtlich des Grundverständnisses der Aktionärsrechte stattgefunden. Danach sind Gesellschafterrechte nicht so sehr zu persönlich-egoistischem Nutzen verliehen, sondern be­ greifen die Gesellschafter vielmehr als Wahrer der Interessen des öffentlichen Wohls, vgl. Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985. 7 Sehr deutlich bereits RG 12.7.1897, RGZ 40, 33 (35).

grundlegend von einer Verbandsaufsicht durch Mitgliederrechte. Eine be­ hördliche Aufsicht ist keinesfalls Fachaufsicht, die Aufsicht durch Mitglieder ist dagegen Rechtsaufsicht und unternehmerische Zweckmäßigkeitsaufsicht. Da die Mitglieder die Verwaltung bestimmen, dürfen sie auch Einfluß auf deren Führungsentscheidungen (business judgment) nehmen. Einer externen Aufsichtsinstanz wäre dies verwehrt. Die Eigentümer haben, da sie das wirt­ schaftliche Risiko tragen, ein unmittelbares Interesse am wirtschaftlichen Gelingen. Das macht die Gesellschafter aber nicht unfähig, wirksame Rechtsaufsicht auszuüben. Einer administrativen Rechtsaufsicht über ihr ge­ schäftliches Gebaren unterstehen Kreditinstitute und Versicherungen. Neben der branchenbezogenen Aufsicht in den regulierten Industriezweigen gibt es eine marktmachtbezogene Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörden nach §§22 ff. GWB. In den USA existiert daneben eine Wertpapier- und Börsen­ aufsichtsbehörde, für die in Deutschland bislang ein vollwertiges Äquivalent fehlt8. Immer wieder hat in Deutschland die Diskussion um die Schaffung eines Aktienamtes zur Sicherung der Publizität ihre Konjunktur gehabt9. Frucht dieser Diskussionen ist das Wertpapieraufsichtsamt, vgl. §§ 3 ff. WpHG. Da in den USA und anderen Ländern solche Aktien- und Börsenauf­ sichtsämter bestehen, ist eine rechtsvergleichende Analyse angezeigt. Die amerikanischen Erfahrungen lehren, daß die Errichtung des Behördenappa­ rates bei weitem nicht ausreicht. Die Publizitätsregeln konnten dort ihre volle Durchschlagskraft erst entfalten, als ihnen die Gerichte private Klage­ rechte zugunsten publizitätsgeschützter Anleger und Gläubiger an die Seite stellten. Ein weiteres öffentlich-rechtliches Aufsichtsmittel, das nicht wie ein Aktienamt punktuell nur auf die Sicherung der aktienrechtlichen Publizität gerichtet ist, liegt in der Schaffung einer zivilrechtlichen Staatsanwalt­ schaft10. Dieses Modell ist in einigen Ländern des romanischen Rechtskrei­ ses anzutreffen und war in den ehemals sozialistischen Staaten weitverbreitet. Es paßt - von anderen Einwendungen ganz abgesehen 8 Die Securities and Exchange Commission (SEC) in den USA übt grundsätzlich eine Aufsicht über den Kapitalmarkt in dem Sinne aus, daß Wertpapiere (securities) nur in den Verkehr gelangen dürfen, nachdem sie einen förmlichen Registrierungsprozeß durchlaufen haben. Dabei wird nur geprüft, ob eine angemessene und wahrheitsgetreue Offenlegung (full disclosure) der wesentlichen Tatsachen hinsichtlich des Emittenten, des Wertpapiers und des Zwecks des Inverkehrbringens stattgefunden hat. Dagegen wird keine Kapitalmarktzugangs­ aufsicht nach Rentabilitätsgesichtspunkten veranstaltet. Der Investor bekommt die wesent­ lichen Informationen durch einen Prospekt mitgeteilt und muß dann eigenverantwortlich seine Investitionserwägungen prüfen. Siehe SEC (Hrsg.), The Work of the Securities and Exchange Commission (March 1978), abgedruckt bei Cary/Eisenberg, Corporations, 5. Aufl. Mineola, New York 1980, S. A-69. 9 Hierzu eingehend M. Richter, Die Sicherung der aktienrechtlichen Publizität durch ein Aktienamt, 1975, S. 245 ff. 10 Baudenbacher ZSR 102 n.F. (1983), 161 (178 ff.).

nicht ohne Systembrüche zu Rechtsordnungen, die die subjektiven Rechte des einzelnen als Mittelpunkt ihres Wertesystems begreifen. Im Gegensatz zu den USA vertraut das deutsche Recht stärker auf ein re­ gulierendes Unternehmens- und Gesellschaftsrecht mit engeren Gründungs­ voraussetzungen. Kapitalgesellschaften müssen eine vorgeschriebene Min­ destnennkapitalziffer aufweisen, Aktien und Geschäftsanteile müssen einen Nennwert haben. Für die Aktiengesellschaft sowie für die eingetragene Ge­ nossenschaft herrscht das Prinzip der limitierten Satzungsautonomie (§§ 23 Abs. 5 AktG, 18 Satz 2 GenG). Man verhindert so, daß die Gründer vom gesetzlichen Organisationsrahmen abweichen. Solche und andere regulie­ rende Eingriffe sind erforderlich, um die Vereinigungsfreiheit aller Mitglie­ der zu gewährleisten. 2. Die administrative Aufsicht über Verbände kann dem Bereich der ge­ bundenen Verwaltung oder der Ermessensverwaltung zuzuordnen sein. Diese Unterscheidung ist wesentlich für das Ausmaß der gerichtlichen Kontroll­ dichte, die im Bereich der Ermessensverwaltung vermindert ist. Der wichtig­ ste Fall der Ermessensaufsicht über Verbände ist die Konzessionierung nach § 22 BGB11. Diese Aufsicht betrifft die Entstehung sowie jede nachfolgende Änderung der satzungsmäßigen Grundlage (§33 Abs. 2 BGB) eines konzes­ sionierten Vereins. Gemäß § 22 BGB erlangt eine Personenvereinigung, de­ ren Zweck auf einen erwerbswirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, die Rechtsfähigkeit aufgrund behördlichen Konzessionsaktes. Diese Konzes­ sionsermessensentscheidung in § 22 BGB hat vor der Garantie der Vereini­ gungsfreiheit Bestand, weil die Genehmigung kein Assoziierungshindernis schlechthin darstellt, sondern den Gründern die Möglichkeit zum Auswei­ chen auf einen für solche Vereinigungszwecke eigentlich vorgesehenen Ver­ ein des Handelsrechts unbenommen läßt. Aus Art. 9 Abs. 1 GG folgt mithin keine gebundene Genehmigungsentscheidung für Vereinsgründungen nach § 22 BGB12. Vielmehr war diese Norm zu dem Zweck konzipiert, das Recht 11 MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, §§21, 22 RdNr. 62. Die Entscheidung BVerwGE 58, 26 = (ausführlicher) NJW 1979, 2261 hat das Konzessionsermessen der Be­ hörde nicht erweitert, sondern das Kriterium der Zumutbarkeit der Organisation nach dem Recht einer anderen Verbandsform zum echten Verleihungshindemis erhoben. Auf diesem Weg sollte in der Richtung fortgeschritten werden, daß Mitbewerbern eine Konkurrenten­ klage zugebilligt wird. Das unterbindet Wettbewerbs Verzerrungen und trägt zu einer Körper­ schaftsbildung ohne Systembrüche bei. 12 BVerwGE 58, 26 (30 ff.) dazu Karsten Schmidt NJW 1979, 2239 und eingehender ders., Verbandszweck und Rechtsfähigkeit, 1984, S. 207 ff. mit einem Plädoyer für eine obligatorische Bindung der Konzessionserteilung an materielle Normativbedingungen, die in Anlehnung an die Normativbedingungen der Handelsgesellschaften zu formulieren sind. Das Zumutbarkeitskriterium als immanente Schranke von Art. 9 Abs. 1 GG klingt auch im Mit­ bestimmungsurteil BVerfGE 50, 290 (355) an.

der Idealvereine gegen Korporationen mit erwerbswirtschaftlicher Interes­ senausrichtung abzuschotten. Dem Vereinsrecht fehlen die für solche Tätig­ keiten erforderlichen institutioneilen Vorkehrungen. Dazu zählen namentlich die bei den Kapitalgesellschaften ausgeprägte Finanz- und Sozialverfassung: Die Regeln zur Aufbringung und Erhaltung des Gesellschaftsvermögens bie­ ten den Gesellschaftsgläubigem einen Befriedigungsfonds für die wirtschaft­ lichen Risiken; die in den obligatorisch zu bildenden Gesellschaftsorganen stattfindende Mitbestimmung sichert die Arbeitnehmer gegen die sozialen Ri­ siken unternehmerischer Tätigkeit. Es ist daher zulässiger Inhalt der Ermes­ sensentscheidung nach § 22 BGB, darauf abzustellen, ob der zu gründenden Vereinigung zugemutet werden darf, sich nach dem Recht einer Gesell­ schaftsform des Handelsrechts zu organisieren13. Weder Art. 9 Abs.l GG noch § 22 BGB gewähren ein subjektiv-öffentliches Recht auf Verleihung der Rechtsfähigkeit zum Zwecke der Ersparung von Gründungs- und Organi­ sationsaufwendungen. § 22 BGB hat darüber hinaus eine wettbewerbsrechtliche Dimension, die neben die gesellschaftsrechtlichen Aufgaben der Vorschrift tritt. Beide Aspekte ergänzen einander. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird dieser wettbewerbsrechtliche Bezug allerdings generell in Abrede gestellt14. Nach dieser Auffassung sind die §§21, 22 BGB in ihrem wettbewerblichen Aussagegehalt im Hinblick auf § 1 UWG neutral formuliert. Die Aufnahme einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit durch einen Idealverein oder eine Überschreitung des Nebenzweckprivilegs15 ist unbestreitbar ein Verstoß ge­ gen vereinsrechtliche Vorschriften, der die Verwaltungsbehörde zum Ein­ schreiten nach § 43 Abs. 2 BGB berechtigt16. Die Rechtsprechung17 verneint 13 BVerwGE 58, 26 (30 ff.) = NJW 1979, 2261. 14 So BGHZ 85, 84 (88 ff.) — "ADAC-Verkehrsrechtsschutz", wo der eigentlich für die Fragen des Gesellschaftsrechts nicht zuständige I. Zivilsenat obendrein sanktioniert hat, daß ein (Ideal-)Verein Konzemspitze eines qualifizierten faktischen Konzerns sein könne und dies, obwohl gesellschaftsrechtlich äußerst umstritten ist, ob qualifizierte faktische Konzerne - selbst mit Handelsgesellschaften als herrschendem Unternehmen - überhaupt zulässig sind, grundlegend Mestmäcker, Festschrift für Kronstein, 1967, S. 129 (139 ff.). Die strenge Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Kon­ zem und die weitherzige Fassung des Unternehmensbegriffs in der Folgerechtsprechung nach "Autokran" (BGHZ 95, 330) unterstreichen diese Reserve.- Generell gegen einen wettbewerbsrechtlichen Aussagegehalt von § 22 BGB allerdings BGH WM 1986, 1505 mit Anm. Immenga/Boll WuB II L. § 21 BGB 1.87. 15 Von diesem Nebenzweckprivileg gedeckt sind solche partiellen erwerbswirtschaft­ lichen Betätigungen, die nur dazu bestimmt sind, der Verfolgung des ideellen Hauptzweckes dienlich zu sein, BGHZ 85, 84 (93) m.w.N. 16 REICHERT/DANNECKER, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 5. Aufl. 1993, RdNr. 2084 ff. Fraglich ist allerdings, ob der Entzug der Rechtsfähigkeit nach §§ 43 Abs. 2, 44 BGB tatsächlich die einzige Möglichkeit ist, einer gesetzes- oder satzungswidrigen Zweckverfolgung durch einen Verein zu begegnen oder ob nicht daneben Privatklagebefug­ nisse in Betracht kommen, die auf die Erzwingung einer gesetzes- und statutenkonformen

die Wettbewerbsrelevanz einer Übertretung des Nebenzweckprivilegs, weil §§21, 22 BGB weder Normen mit einem unmittelbar eigenständigen, wett­ bewerbsregelnden Aussagegehalt seien noch Schutzbestimmungen zur Wah­ rung besonders wichtiger Rechtsgüter und Gemeinschaftsinteressen, deren Verletzung als sittenwidrig zu bewerten sei, enthielten. Beide Annahmen sind in dieser pauschalen Form unzutreffend. Zudem verwischt diese Auffassung die elementare Grenzziehung zwischen Idealver­ ein und Kapitalkörperschaft mit erwerbswirtschaftlicher Zwecksetzung, um die sich §§ 21, 22 BGB zusammen mit § 54 Satz 1 BGB bemühen. Dieses Dreigestirn bildet ein konsistentes System zur Erzwingung marktgerechten und ordnungskonformen Verhaltens bei der Körperschaftsbildung: Die obli­ gatorische Finanzverfassung erwerbswirtschaftlich arbeitender Verbände verlangt nach einem spürbaren finanziellen Engagement der Mitglieder, das in angemessenem Verhältnis zum Unternehmensrisiko stehen muß. Die eventuell hinzutretende Sozialverfassung leistet eine Verhaltenssteuerung durch Mitbestimmung und Publizität17 18. Der besondere wettbewerbspolitische Bezug der §§21, 22 BGB erhellt aus den mutmaßlichen Motiven, aus welchen die Gründer einer Organisation die Form des Idealvereins wählen. Da die Vereinsform ein erheblich ver­ mindertes Maß obligatorischer Verfassungsbestandteile erfordert, mit denen man im primären Anwendungsbereich des § 21 BGB durchaus auskommen kann, erweist sich die Errichtung eines Vereins im Vergleich zur Gründung einer Kapitalkörperschaft als kostensparend. Die Vereinsform wird zur Er­ sparung von gewinnmindernden Aufwendungen gewählt, die sich bei der Wahl einer anderen Rechtsform in höheren Gründungs- und fortlaufenden Organisationskosten bemerkbar machen. Die geringeren Organisationskosten bedingen einen gewerblichen Vorteil. Der Wettbewerbs verstoß liegt solchen­ falls im Gesetzesverstoß und in der hinzutretenden kalkulierten Ausnutzung der Gesetzestreue anderer Wettbewerber, durch die sich ein ungerechtfertig­ ter Wettbewerbsvorsprung erzielen läßt19. Die Wahl der Rechtsform erfolgt Verwaltung abzielen und gegenüber dem Entzug der Rechtsfähigkeit das mildere Eingriffs­ mittel wären. 17 Etwa BGH WM 1986, 1505. 18 Treffend MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 54 RdNr. 3. 19 Grundlegend zum Wettbewerbsvorsprung durch die Ersparung von bei gesetzmäßi­ gem Alternativ verhalten entstehenden Aufwendungen RGZ 117, 16 (20 ff.): Entlohnung von Arbeitnehmern unter Tarif, die einmal einen Verstoß gegen Tarifrecht begründet, zum anderen aber dem rechtsuntreuen Wettbewerber die Möglichkeit der Preisunterbietung von rechtstreuen Konkurrenten ermöglicht, vgl. BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl. 1996, § 1 UWG RdNr. 608 m.w.N.; Schricker, Gesetzesverletzung und Sitten­ verstoß, 1970, S. 25 ff., 260 ff. - RGZ 117, 16 belegt, daß keine Personenidentität zwi­ schen dem Opfer der primären Rechtsverletzung (unterbezahlter Arbeitnehmer) und dem be­ nachteiligten, rechtstreuen Mitbewerber zur Erfüllung von § 1 UWG existieren muß. Es be­

unter dem Vorzeichen der Kostenminimierung. Die zentrale Bedeutung die­ ses Gesichtspunktes zeigt sich auch bei den relevanten Abwägungsbelangen der Behörde im Rahmen ihrer Konzessionsentscheidung nach § 22 Satz 1 BGB. Die Behörde hat maßgebend darauf abzustellen, ob dem Bewerber um die Konzession die Aufwendungen einer handelsvereinsrechtlichen Organisa­ tion zumutbar sind20. Ebensowenig kann dem weiteren Argument der Rechtsprechung gefolgt werden, daß die §§21, 22 BGB keine wichtigen Rechtsgüter und Gemein­ schaftsinteressen schützen sollen. Diese Anschauung verkennt die jahrzehn­ telange Diskussion um die Auslegung und Einordnung dieser Normen. Be­ reits die Existenz des Genehmigungserfordernisses, in dem sich die ord­ nungspolitische Funktion des Systems der Körperschaftsbildung manifestiert, beweist das Gegenteil. Diese Diskussion soll hier aber nicht geführt werden, ohne ihre Relevanz sichtbar zu machen. Die Beantwortung entscheidet über die Reichweite des Rechtsschutzes und die Klagebefugnis. Hier steht die Aufsicht über Verbände in den Formen des Privatrechts im Mittelpunkt des Interesses. Die Lösung des Sachproblems determiniert die Sanktionsbeweh­ rung und die Geltendmachung dieser Sanktionen (vgl. § 13 Abs. 2 UWG). Das Dogma von der wettbewerbspolitischen Neutralität der §§21, 22 BGB bewirkt eine bedenkliche Verengung dieser Sanktionen und des zu ihrer Geltendmachung befugten Personenkreises. Aus der Existenz von § 43 Abs. 2 BGB läßt sich nicht auf die Exklusivität dieses Rechtsbehelfs schließen21. steht hier ein anderes Konzept des Rechtswidrigkeitszusammenhanges als etwa bei § 823 Abs. 2 BGB. Des weiteren verlangt § 1 UWG nicht, daß Stoffgleichheit bestehen muß zwi­ schen dem Vorteil des Verletzers und dem Vermögensnachteil des Verletzten. Dies übersieht BGH WM 1986, 1505. 20 BVerwGE 58, 26 (31 ff.). Ungeklärt ist dabei die Frage, inwieweit die Genehmi­ gungsbehörde bei ihrer Entscheidung nach § 22 BGB die wettbewerbsbezogenen Auswir­ kungen nach § 1 UWG als eigenständigen Belang im Interesse der handelsvereinsrechtlich organisierten Mitbewerber zu berücksichtigen hat und ob diese die Entscheidung u.U. nach § 42 Abs. 2 VwGO anfechten dürfen (Konkurrentenklage). Nach der hier vertretenen Auf­ fassung hat die Antwort zu lauten: Die Behörde muß von der Unzumutbarkeit überzeugt sein, die der antragstellende Verein darzutun hat, und die Behörde muß weiterhin zu einem Überwiegen des Interesses des Vereins gegenüber potentiellen Konkurrenten gelangen. Die behördliche Entscheidung hinsichtlich des Unzumutbarkeitskriteriums besitzt damit eine doppelte Ausrichtung. 21 Karsten Schmidt AcP 182 (1982), 1 (50) will das Ergebnis, wonach keine subjek­ tiv-öffentlichen Rechte zur Beeinflussung der Rechtsformwahl bzw. Bekämpfung der Rechtsformverfehlung bestehen sollen, dadurch ausgleichen, daß §§ 43 Abs. 2 BGB, 142 FGG zu gebundenen Entscheidungen auszubauen sind und daß einem verletzten Dritten aus rechtsfehlerhaftem Nichteinschreiten von Verwaltungsbehörde bzw. Registergericht ein Schadensersatzanspruch nach den Regeln der Amtspflichtsverletzung erwachsen soll. Damit ist implizit gesagt, daß das Einschreiten eine Amtspflicht gegenüber solchen Dritten ist, auf deren Kehrseite eben doch ein subjektiv-öffentliches Recht steht. Im übrigen wird dem Verletzten mit einem Schadensersatzanspruch kaum gedient sein, weil sich sein Schaden nur schwer quantifizieren läßt.

Gegen die Exklusivität spricht bereits § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB, der den Mit­ gliedern Mitwirkungs- bzw. Unterlassungsansprüche gegen den Verein ein­ räumt, wenn die Tätigkeitsverlagerung zweckändemden Charakter an­ nimmt22. Ob diese Maßnahmen allerdings neben § 43 Abs. 2 BGB ausrei­ chen, erscheint zweifelhaft. Der Vorteil, den der Verein aus einer Rechts­ formverfehlung zieht, kommt zugleich seinen Mitgliedern zugute. Die dis­ sentierenden Mitglieder stehen dem Verein interessenmäßig näher und mö­ gen aus seinem rechtswidrigen Verhalten ebenfalls Vorteile ziehen, die ande­ rerseits ihre Bereitschaft, gegen den Verband auf der Grundlage von § 33 BGB vorzugehen, entscheidend herabsetzen können. Dieser Umstand läßt die Mitglieder nur als bedingt tauglich erscheinen, gegen Rechtsformverfeh­ lungen mit Nachdruck einzuschreiten. Wo die Mitgliedschaft keinen Ver­ mögenswert besitzt, fehlt für das mit dem vollen Prozeßkostenrisiko bela­ stete Mitglied jeder finanzielle Anreiz. Andererseits fehlt die Interessenver­ quickung zwischen Mitglied und Verein bei den gewerblichen Konkurrenten, weshalb dieses Kontrollpotential für die Reinhaltung des Wettbewerbs und für die systemkonforme Körperschaftsbildung und -betätigung nicht unge­ nutzt bleiben sollte.

3. Eine eigenartige Sonder- und Zwitterstellung im System der aufsichts­ rechtlichen Systeme nimmt § 12 Abs. 2 AktG ein, demzufolge Mehrstimm­ rechte grundsätzlich unzulässig sind und im Einzelfall nur geschaffen werden können, wenn die Wirtschaftsbehörde zustimmt. Hier greift eine Behörde gezielt von außen in die Führung der Gesellschaft ein und hat ein Entschei­ dungsmonopol hinsichtlich der konstitutiven Begründung eines potenzierten Stimmrechts zugunsten bestimmter Aktionäre. § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG ist ein klassisches Mittel der Ermessensaufsicht. Die Entscheidung richtet sich nicht nach dem Wohl der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre, sondern hat die überwiegenden Belange der nationalen Volkswirtschaft zu wahren23. Die Genehmigung ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt, der Einver­ nehmen zwischen Behörde und Gesellschaft voraussetzt. Das ganze Institut des Mehrstimmrechts ist im Aktien- und Verbandsrecht außerordentlich umstritten. Frühere Reformbestrebungen wollten es ganz entfernen, weil das Mehrstimmrecht einen Fremdkörper im Aktienrecht bil­ det und gegen seinen ordre public verstößt, nämlich dem grundsätzlichen

22 Karsten Schmidt (wie FN 21), S. 52, hält im Falle eines Verstoßes gegen § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB das Registergericht für befugt, eine Löschung nach § 142 FGG vorzu­ nehmen. 23 Näher zu diesem Maßstab Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1986, § 12 RdNr. 18 ff.; HÜFFER, Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1995, § 12 RdNr. 9.

Gleichlauf von Einfluß und Kapitalbeteiligung 24. In neuerer Zeit ist diese Kritik verstummt, weil sich der Gesetzgeber im Genossenschaftsrecht erneut zu diesem Rechtsinstitut bekannt hat25. Die Aktienrechtsreform von 1937 brachte eine Kompromißlösung hervor, die dem Aktiengesetz bis heute er­ halten geblieben ist26. Seit 1965 hängt die gesellschaftsrechtliche Zulässig­ keit der Einführung von Mehrstimmrechten davon ab, ob sie zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange erfolgt und notwendig ist. § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG ist kein gelungener Kompromiß. Die Gesetzge­ bung stand vor dem Dilemma, daß eine starke Neigung zur völligen Beseiti­ gung der Mehrstimmrechte bestand, die aber letztlich keine Mehrheit fand. Der Kompromiß lag in einer spürbaren Einschränkung der Schaffung neuer, sowie der Reduzierung bereits bestehender Mehrstimmrechtsaktien27. Der Verwaltungsbehörde fällt die Schlüsselrolle bei der Schaffung von Mehr­ stimmrechten zu. Die prinzipielle rechtspolitische Entscheidung über die Be­ rechtigung von Mehrstimmrechten wird nicht vom Gesetzgeber selbst wahr­ genommen, sondern ins Wirtschaftsverwaltungsrecht verschoben. In § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG wird der Versuch unternommen, öffentlichen Belangen mit den Mitteln des Privatrechts Geltung zu verschaffen. Die Wah­ rung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Interessen hat durch eine Be­ hörde in Vollziehung staatlicher Gesetze zu geschehen, was im Einzelfall nicht ausschließt, einen geeigneten und entsprechenden Pflichtbindungen unterliegenden Nicht-Hoheitsträger mit dieser Aufgabe zu beleihen. Dazu ist aber eine kontinuierliche Einrichtung erforderlich, die sich permanent an den Maßstab des § 12 Abs. 2 Satz 2 zu halten hat. Statt dessen wirkt die Ent­ scheidung der Behörde nur punktuell bei der Genehmigung der Einführung des Mehrstimmrechts. Nach der Gesetzeslage ist dagegen nicht gewährlei­ stet, daß derjenige, der in den Genuß des Mehrstimmrechts gelangt, dieses 24 Zur ganzen Kontroverse um die Mehrstimmrechte vgl. Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1973, § 12 RdNr. 31. Die hinderliche Wir­ kung von Höchst- und Mehrfachstimmrechten auf eine freie Entfaltung des Marktes für Untemehmenskontrolle zeigt Adams AG 1990, 63 ff. auf. 25 Vgl. § 43 Abs. 3 GenG seit der Novellierung von 1973. Anders als in § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG wird dort auf das behördliche Genehmigungserfordemis verzichtet. 26 Zur Entstehungsgeschichte der Gesetzesgebung hinsichtlich der Mehrstimmrechte SCHLEGELBERGER/QUASSOWSKI, Komm.z.AktG, 3. Aufl. 1939, § 12 Anm. 1. Während § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG 1937 als Erlaubnisgrund für die Befreiung vom Verbot der Schaf­ fung von Mehrstimmrechtsaktien noch das Wohl der gesamtwirtschaftlichen Belange oder daneben das der Gesellschaft anerkannte, kennt § 12 Abs. 2 AktG 1965 nur noch die Wah­ rung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange als Befreiungsgrund. 27 Für den Abbau von Alt-Mehrstimmrechten sehen § 5 Abs. 2 Satz 2 und 3 EGAktG eine bedeutsame Modifizierung der Grundnorm des § 35 BGB vor. Die Abschaffung von Mehrstimmrechten ist demnach unter erheblich erleichterten Voraussetzungen zulässig. Ins­ besondere bedarf es nicht der Zustimmung des betroffenen Aktionärs, der lediglich einen Abfindungsanspruch nach § 5 Abs. 2 Satz 4 EGAktG hat.

stets so einsetzt, wie es die Wahrung der gesamtwirtschaftlichen Belange er­ fordert. § 12 Abs. 2 schweigt zu der Frage, für wen Mehrstimmrechte ge­ schaffen werden dürfen und welchen Pflichtbindungen der Inhaber unter­ liegt. Weiterhin ist offen, wer die Stimmabgabe im Interesse gesamtwirt­ schaftlicher Belange überwacht und welche Gerichtsbarkeit für den Rechts­ schutz zuständig sein soll28. Der Umstand, daß die Genehmigung aus § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen mit Bedingungen und Auflagen erteilt werden kann29, vermag an den darge­ legten Bedenken gegen die Konstruktion an sich nichts zu ändern. Entschei­ dend ist, daß die Behörde die Ausübung eines aufgrund ihrer Entscheidung potenzierten Stimmrechts selbst gar nicht mehr darauf überprüfen kann, ob das Stimmrecht im Sinne der Ermächtigungsnorm zum Einsatz gelangt. Da­ mit steht und fällt die Effizienz des ganzen Instituts, weil nicht die im vor­ hinein erteilte Genehmigung, sondern die nachfolgende Abstimmung in der Hauptversammlung die Willensbildung der AG steuert. Die Regelungssachverhalte, die der Gesetzgeber bei der Zulassung von Mehrstimmrechten vor Augen hatte, waren die Sicherstellung der heimischen Energieversorgung und die Abwehr einer drohenden Überfremdung deut­ scher Aktiengesellschaften30. Ob diese Fragen, sofern sie tatsächlich im öf­ fentlichen Interesse liegen sollten, gerade mit den Mitteln des Privat- und Gesellschaftsrechts wirksam zu gestalten sind, ist mit überzeugenden Grün­ den bezweifelt worden31. Durch punktuell wirkende Konzessionen ist dies kaum zu leisten, weil § 12 AktG gar keine Garantien enthält, daß sich der Mehrstimmrechtsaktionär bei seinem Abstimmungsgebaren als Vertreter des öffentlichen Interesses verhält. Das behördliche Genehmigungserfordemis macht die Begründung von Mehrstimmrechten zu einem Doppelakt. Dies zieht auch eine Aufspaltung des Rechtsweges nach sich32. Erste Vorausset­ zung für die Entstehung eines Mehrstimmrechts ist ein satzungsändernder Beschluß, der mit Hinzutreten der Genehmigung seine volle Wirksamkeit erlangt. Der opponierende Gesellschafter kann die Schaffung von Mehr­ 28 Dafür kommt der Zivil- oder der Verwaltungsrechtsweg in Betracht. Zu beachten bleibt freilich, daß nur das Zivilgericht einen Hauptversammlungsbeschluß aufheben darf. Ungeklärt ist, ob die Stimmrechtsausübung durch einen Mehrstimmrechtsinhaber aus Moti­ ven, die nichts mit der Wahrung gesamtwirtschaftlicher Belange zu tun haben, einen An­ fechtungsgrund nach § 243 AktG abgeben und noch grundsätzlicher, ob das Zivilgericht überhaupt Jurisdiktionsgewalt hinsichtlich solcher öffentlich-rechtlicher Vorfragen hat. 29 ZÖLLNER (wie FN 23), § 12 RdNr. 26. 30 Brändel, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1992, § 12 RdNr. 6 und 28. 31 Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 144 ff.; ders. BB 1961, 945 (950) für den Schutz einer Aktiengesellschaft gegen Überfremdung als öffentlicher Belang. 32 Zur Darstellung des Rechtsschutzes Zöllner (wie FN 23), § 12 RdNr. 13-16.

stimmrechten verhindern, wenn er nur einen Teilakt zu Fall bringt. Für die privatrechtliche Komponente geschieht dies nach §§241 ff. AktG, für die öffentlich-rechtliche nach §§40, 42 VwGO, da die behördliche Genehmi­ gung privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt ist. Aus dieser Doppelgleisigkeit der Rechtsschutzgewährung ergibt sich, daß Prüfungsgegenstand und Ju­ risdiktionsgewalt von Zivil- und Verwaltungsgericht nicht deckungsgleich sind, daß also nur das eine Gericht einen Teilakt aufheben darf, was das je­ weils andere nicht dürfte. Gegen den Hauptversammlungsbeschluß auf Ein­ führung des Mehrstimmrechts steht dem Aktionär die Anfechtungsklage im Zivilrechtsweg zur Verfügung (§§ 13 GVG, 243 AktG). Dies gilt unabhän­ gig davon, ob sich die Behörde zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Klage oder bis zur letzten mündlichen Verhandlung schon über ihre Entscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG geäußert hat. Im Hinblick auf § 246 Abs. 1 AktG besitzt der Kläger bereits mit der Fassung des Hauptversammlungsbe­ schlusses das Rechtsschutzbedürfnis zur Erhebung der aktienrechtlichen An­ fechtungsklage, weil eine Versäumung der Anfechtungsfrist zur Heilung et­ waiger zivilrechtlicher Beschlußmängel führt. Selbst wenn die Behörde noch innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 die Genehmigung verweigert, bleibt das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers im aktienrechtlichen Anfechtungsprozeß hiervon unberührt. Dies folgt aus der Möglichkeit, daß die Gesellschaft nach Ablauf der Monatsfrist die Erteilung der Genehmigung im Verwaltungs­ rechtsweg erstreiten könnte, womit dann einer Einführung von Mehrstimm­ rechten nichts mehr im Wege stünde33. Im Zivilrechtsweg darf nur die Ver­ einbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses an den Maßstäben des Gesell­ schaftsrecht geprüft werden, nicht dagegen die Erforderlichkeit dieser Maß­ nahme zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange. Der Aktionär kann die Etablierung von Mehrstimmrechten schließlich durch Anfechtung der behördlichen Genehmigung im Verwaltungsrechtsweg blockieren. Als Verwaltungsakt ist sie nach den allgemeinen Regeln angreif­ bar. Fraglich ist aber, ob die Erteilung der Genehmigung den Aktionär über­ haupt in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt und ihm damit die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO eröffnet. Immerhin wird die Ge­ nehmigung der Gesellschaft gegenüber zur Wahrung überwiegender gesamt­ wirtschaftlicher Belange ausgesprochen, nicht dagegen ist der einzelne Ak­ tionär ihr Adressat. Auf dieses formale Adressatenkonzept kommt es indes­ 33 Dies mag verdeutlichen, daß die aktienrechtliche Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage der für den opponierenden Aktionär wertvollere Rechtsbehelf ist. Er sollte auf jeden Fall höchst vorsorglich ergriffen werden. Er ist nicht an das engere Beschwerkonzept des § 42 Abs. 2 VwGO gebunden. Unterbleibt die Klageerhebung, so droht die Präklusion aller zivil­ rechtlichen Unwirksamkeitsgründe nach § 246 Abs. 1 AktG, sofern der Beschluß bloß an­ fechtbar war.

sen für die Bejahung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht ent­ scheidend an34. Die Entscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG hat Belange der Allge­ meinheit und private Belange der Aktionäre abzuwiegen. Die Normstruktur von § 12 Abs. 2 zeigt, daß das privatrechtliche Interesse der Aktionäre an einem unverfälschten Stimmengewicht Vorrang hat, und nur die positive Feststellung der Schutzbedürftigkeit überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange vermag die Zurücksetzung der Interessen der Aktionäre zu rechtfer­ tigen35. Der einzelne Aktionär nimmt also mit abwägungserheblichen Belan­ gen am Entscheidungsprozeß der Behörde teil. Die Zubilligung der Klagebe­ fugnis ermöglicht für jeden Beteiligten die Überprüfung einer rechtsfehler­ freien Berücksichtigung dieser Abwägungsbelange36. Prozessual ist der In­ teressenverknüpfung dadurch Rechnung zu tragen, daß, wenn ein Aktionär die Erteilung der Genehmigung im Verwaltungsrechtsweg anficht, die Ge­ sellschaft nach § 65 VwGO notwendig beizuladen ist. Das gleiche gilt für den begünstigten Mehrstimmrechtsaktionär. Liegt der Fall umgekehrt so, daß die Genehmigung verweigert wurde und die AG dagegen vorgeht, so ist den Aktionären ebenfalls die Möglichkeit zu bieten, an diesem Rechtsstreit teilzunehmen37. Die Zweispurigkeit des Rechtsweges bei Streitigkeiten um die Schaffung von Mehrstimmrechten erklärt sich schließlich aus der zwin­ genden Jurisdiktionsgewalt der Gerichte. Nur das Verwaltungsgericht könnte die behördliche Ausnahmegenehmigung aufheben, bei Verweigerung die Be­ hörde zu ermessensfehlerfreier Neubescheidung des Antragstellers verurtei­ len (§ 114 VwGO) oder, wenn der Ermessensspielraum der Behörde auf Null reduziert sein sollte, zur Erteilung der Genehmigung verurteilen. Den der Einführung von Mehrstimmrechten zugrundeliegenden Hauptversamm­ lungsbeschluß darf das Verwaltungsgericht nicht aufheben, selbst wenn er gemäß § 243 AktG anfechtbar sein sollte. Das Verwaltungsgericht darf allen­ falls die Nichtigkeit des Beschlusses beachten (§ 249 Abs. 1 Satz 2 AktG). Umgekehrt könnte den Hauptversammlungsbeschluß nur das Zivilgericht 34 Zu den Beschwerkonzepten bei § 42 Abs. 2 Satz 1 VwGO für Verwaltungsakte mit drittbelastender Doppelwirkung Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Komm.z.VwGO, Stand: April 1996, §42 Abs. 2 RdNr. 110 ff.; Redeker/v.Oertzen, Komm.z.VwGO, 12. Aufl. 1997, § 42 RdNr. 16 ff. 35 § 12 Abs. 2 Satz 1 AktG statuiert die Regel, Satz 2 hingegen die Ausnahme. Das ge­ setzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis determiniert die Ermessensausübung. 36 Im Ergebnis wie hier Zöllner (wie FN 23), § 12 RdNr. 16. 37 Schwierigkeiten bereitet die Zustellung eines Beiladungsbeschlusses (§ 65 Abs. 3 VwGO) an alle Aktionäre. In Publikumsgesellschaften mit Inhaberaktien ist es praktisch ausgeschlossen, den Beschluß jedem Aktionär zuzustellen. In diesem Sonderfall darf das Ge­ richt vielmehr nach dem Vorbild von § 246 Abs. 4 AktG verfahren und den Beiladungsbe­ schluß in den Gesellschaftsblättern bekanntmachen lassen. Dadurch werden alle Aktionäre instand gesetzt, sich am Verfahren zu beteiligen.

aufheben (§ 241 Nr. 5 AktG), das seinerseits hinsichtlich der behördlichen Genehmigung lediglich befugt wäre, deren Nichtigkeit festzustellen. - Ins­ gesamt zeigt sich, wie die Organisation der Aufsicht und die Vorgabe der Mittel über ihre Effizienz bestimmen und den Streit hierüber einer Gerichts­ barkeit zuweisen. Die für die Mehrfachstimmrechte gewählte Konzeption schließt den Markt für Untemehmenskontrolle als denkbare Aufsichtsinstanz weitgehend aus. 4. Ein vom personenverbandsrechtlichen grundlegend verschiedenes Auf­ sichtsmodell hat im Recht der Stiftung seine Verwirklichung gefunden. Die Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung macht § 80 Satz 1 BGB zufolge eine behördliche Konzession erforderlich. In der Verbreitungsform der Unter­ nehmensträgerstiftung reicht sie als juristische Person in die Nähe der Han­ delsgesellschaften. Kennzeichnend für die Stiftung ist, daß sie nicht durch an ihr korporations- oder vermögensrechtlich beteiligte Personen kontrolliert wird. Ähnlich wie bei den Handelsgesellschaften haben die Stiftungsorgane mit anvertrautem Gut zu wirtschaften. Das Fehlen des mitgliedschaftlichen Substrats verstärkt die möglichen Konflikte zwischen den stiftungsfremden Interessen der Organwalter und dem von ihnen zu wahrenden anonymen In­ teresse der Stiftung. Das Stiftungsrecht des BGB vermeidet eine nähere Festlegung der Pflichten der Stiftungsorgane, die sich insbesondere nicht aus § 86 BGB mit seiner Verweisung auf das Vereinsrecht gewinnen läßt38. Das so verursachte Kontrollvakuum darf nicht bewirken, daß die Stiftungsorgane von ihren Befugnissen entgegen dem erklärten Stifterwillen Gebrauch ma­ chen oder den Stiftungszweck nicht einhalten. Diese Überwachungsaufgabe nimmt ersatzweise die staatliche Stiftungsaufsicht wahr. Kern der Stiftungs­ aufsicht ist der Schutz der Stiftung vor sich selbst und ihren Organen. Au­ ßerdem fungiert sie als verlängerter Arm des Stifters. Die Aufsicht über Stiftungen ist eine Rechtsaufsicht, keine auf Zweckmäßigkeit abstellende Fachaufsicht. Maßstab der Stiftungsaufsicht ist, daß sich die Stiftung im Rahmen von Gesetz und Satzung bewegt. Darüber hinaus steht der staat­ lichen Stiftungsaufsicht kein Beanstandungsrecht zu. Eine Beanstandung jen­ seits dieser Grenze muß die Stiftung nicht hinnehmen. Ihre allgemeine Handlungsfreiheit gibt ihr das Recht zur Anfechtung exzessiver stiftungsauf­ sichtsrechtlicher Interventionen39.

38 Mestmäcker, Verhandlungen des 44. DJT (1962), Band 2, G 24 ff. mit reichhalti­ gen rechts vergleichenden Hinweisen. 39 BVerwGE 40, 347 (349 ff.) unter Hinweis auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG.

Für eine Effizienzbewertung dieser Aufsichtsform ist nicht unerheblich, daß die staatliche Stiftungsaufsicht recht schwerfällig arbeitet. Nach gefe­ stigter Rechtsprechung besitzen die Destinatäre keinen Rechtsanspruch gegen die Stiftungsaufsicht auf Einschreiten40. Es bleibt daher der Frage nachzu­ gehen, inwieweit die staatliche Stiftungsaufsicht durch privatrechtliche Kla­ gebefugnisse ergänzbar ist. In Betracht käme etwa die Anfechtung von Or­ ganbeschlüssen, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Verwaltung wegen schuldhafter Schädigung der Stiftung oder eine Klage auf Abberufung des Stiftungsvorstands. Die Rechtsprechung nimmt an, daß es dem Stiftungsgeschäft vorbehalten bleibe, den Destinatären Ansprüche oder Klagerechte einzuräumen (§ 85 BGB)41. In der Stiftungssatzung oder urkunde muß der Wille des Stifters Niederschlag gefunden haben, dem Be­ günstigten neben seinem Anspruch auf die festgelegte Zuwendung das Recht zuzugestehen, eine mit Gesetz und Satzung übereinstimmende Verwaltung der Stiftung durch Klage zu erzwingen42. Diese Einschränkung beraubt die Destinatäre ihrer Möglichkeit, als zweite Säule der Aufsicht neben die Stif­ tungsbehörden zu treten und diese zu entlasten43. Auch im Recht der Perso­ nenverbände steht der Umfang der Mitgliederrechte nicht zur beliebigen Disposition der Satzungsgestaltung. Wegen der besonderen ordnungspoli­ tischen Bedeutung dieser Rechte darf ihre Wirkung einerseits nicht von Zu­ fälligkeiten abhängen und andererseits den Stifter nicht überfordern 44. 5. Der Stiftung verwandte Strukturen weist die Konstruktion der Invest­ mentfonds auf. Träger ist zwar eine Kapitalanlagegesellschaft, an die die Anleger ihre Einlagen zum Zwecke der Anlage am Kapitalmarkt leisten. Die Anleger besitzen an der Kapitalanlagegesellschaft selbst jedoch keinerlei mitgliedschaftliche Rechte, vermöge derer sie auf die Anlagepolitik Einfluß nehmen oder das Management kontrollieren können. Der Inhaber eines In­ vestmentzertifikats besitzt weder unmittelbare Vermögensrechte in bezug auf das Fonds vermögen noch Mitverwaltungsrechte. Insbesondere gibt es kein Stimmrecht der Anleger in der Anlagegesellschaft, und dies nicht einmal bei Entscheidungen im Grundlagenbereich wie etwa der Veränderung der An­ 40 BVerwG NJW 1985, 2964. 41 BGHZ 99, 344 (348 ff.) mit Nachweisen. 42 RAGE 27, 354 (355 ff.) = ARS 47, 19 betreffend die Carl-Zeiss-Stiftung. 43 Mit Recht für ein Klagerecht der Destinatäre ohne Rücksicht auf das Stiftungsgeschäft Mestmäcker (wie FN 38), G 27; überhaupt gegen Klagerechte der Destinatäre MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 85 RdNr. 7 und 9. 44 Besonders augenfällig BGHZ 99, 344 für ein Stiftungstestament aus dem Jahre 1602. Der Stifter konnte das nach dem Jahre 1900 geltende Stiftungsrecht des BGB nicht vorher­ sehen.

lagepolitik. Die Höhe der jährlichen Ausschüttungen bestimmt die Fonds­ verwaltungsgesellschaft nach eigenem Ermessen. Außerdem besitzen Anleger kein Auskunfts- und Einsichtsrecht in den Angelegenheiten der Fondsverwaltung. Das Rechtssubjekt Anleger ist durch die Konstruktion des Investmentfonds seiner subjektiven Rechte entkleidet. In gewisser Hinsicht kommt diese Organisation den Wünschen vieler Investmentsparer durchaus entgegen: Sie sind an Risikostreuung interessiert und wollen ihren Anlagebetrag hingeben gegen die Erwirtschaftung einer Rendite, an den eigentlichen Investitions- und Verwaltungsentscheidungen dagegen nicht teilhaben. Auf diesen Eckdaten baut das Gesetz über Kapitalanlage­ gesellschaften (KAGG)45 auf. Es substituiert die Aufsicht der Mitglieder, indem es das Gewerbe der Kapitalanlagegesellschaften den regulierten Industrien unterstellt hat. Denn das Treuhandmodell der Investmentfonds hat den gleichen Grundkonflikt zu bewältigen: Das Management ist gehalten, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Der Umstand, daß den begünstigten Anlegern ihre Überwachungsbefugnisse genommen sind, darf nicht als Einladung zur Untreue oder Eigenbegünstigung mißverstanden werden. Die Wirtschaftspresse berichtete wiederholt, daß sich die Kapitalanlagegesellschaften und die Kreditinstitute, die deren Depotver­ mögen verwahren, stattliche Gebühren zu Lasten des Fondsvermögens gewähren. Durch eine strenge Rechnungslegung allein lassen sich die angedeuteten Interessengegensätze nicht ausgleichen. Selbst wenn die Masse der Investoren die passive Rolle hinnimmt, ist intensivere Aufsicht nötig, um Veruntreuungen bei Verwaltern fremden Vermögens auszuschließen. Kontrollbefugnisse der Anleger haben als solche bereits den Effekt einer "fleet in being”. Ein rechtsvergleichender Seitenblick sollte das deutsche Investmentrecht ermutigen, von seinem monistischen Aufsichtssystem abzurücken. Von der Warte der Kontrolleffizienz empfiehlt es sich, unabhängige Aufsichtsträger nebeneinander wirken zu lassen. Im amerikanischen Recht lehnt sich die rechtliche Organisation der Investmentfonds an das Trustmodell an46. Das deutsche Recht gestaltet die Rechtsbeziehungen Anleger-Kapitalanlagegesell45 In der Fassung der Bekanntmachung vom 14.1.1970, BGBl. I 127. 46 Die amerikanische Rechtsprechung hat zu §§ 15, 37 Investment Company Act von 1940 (15 U.S.C. §§ 80a-15, 80a-36) entschieden, daß jedem Investor ein privates Klage­ recht - in Form der derivative suit oder der direkten Klage - gegen die Fondsmanager zu­ steht wegen schlechter Verwaltung, vgl. Brown v. Bullock, 194 F.Supp. 207 (S.D.N.Y. 1961), aff'd 294 F.2d 415 (2d Cir. 1961). Insbesondere exzessive Verwaltungsgebühren können danach zurückgefordert werden. Das Klagerecht des geschädigten Investmentsparers wird aus der Strafvorschrift des § 37 (15 U.S.C. § 80a-36) abgeleitet, die den Diebstahl oder die Unterschlagung von Fondsvermögen mit Strafe bedroht, aber gleichzeitig Schutz­ gesetz zugunsten des Anlegers ist.

schäft mit Bezug auf das Fondsvermögen ebenfalls als TreuhandVerhältnis aus47. Das amerikanische Trustrecht veranschlagt den Wert der Erzwingung der fiduciary duties, denen der trustee unterliegt, derart hoch, daß es sie nicht einem Aufsichtssystem alleine anvertraut. Der trustee unterliegt zunächst der Aufsicht des Surrogate's court, der den trustee wegen Pflicht­ verletzungen absetzen kann. Dies nimmt dem beneficiary jedoch nicht seine Kontrollrechte hinsichtlich der Vermögens Verwaltung. Die surcharge action ist ein scharfes Schwert in den Händen des beneficiary, die seiner equitable ownership Ausdruck verleiht. Mit der surcharge action macht der beneficiary geltend, daß der trustee seine fiduziarischen Pflichten verletzt, seine Kom­ petenzen überschritten, von seinen Verwaltungsbefugnissen — insbesondere den Investitionsentscheidungen — zu leichtfertigen Gebrauch gemacht oder in selbstbegünstigender Absicht gehandelt hat. Jeder dieser Tatbestände ist ein klagbarer Verstoß gegen die fiduziarischen Pflichten für sich. Für die surcharge action muß daneben nicht dargetan sein, daß der trustee im bösen Glauben oder fahrlässig gehandelt hat. Gleich, ob der Surrogate’s court gegen einen pflichtvergessenen trustee vorgeht oder ob der beneficiary eine surcharge action zugunsten des Trusts erhebt, stets geschieht dies zur Erzwingung der fiduciary duties. Erst beide Aufsichtssysteme zusammen garantieren die Wahrung der Sta­ tik des TreuhandVerhältnisses. Für das Treuhandmodell des Investmentrechts folgt hieraus die Frage, ob nicht ein Zertifikatinhaber im Namen des Son­ dervermögens Ansprüche gegen die Fondsverwaltungsgesellschaft wegen pflichtwidriger Vermögens Verwaltung erheben darf oder schädigende Be­ schlüsse, die im Gegensatz zum Verwaltungsreglement stehen, anfechten kann. Das KAGG sieht solche Klagerechte nicht vor. Deshalb bleibt es weit unter dem Niveau des amerikanischen Trustrechts. Keinesfalls eignet sich das deutsche Investmentrecht als Organisationsvorbild für die PublikumsAG48. Dem Erwerber von Investmentzertifikaten verbleibt nur die Möglich­ keit der allerdings beschränkten Einflußnahme über den Kapitalmarkt, d.h. durch Liquidierung seiner Beteiligung über die Börse. Ein zwingendes Aus­ trittsrecht mit Abfindungsanspruch gegen die Kapitalanlegesellschaft auf der 47 Vgl. §§1,6, 10 KAGG. Näher G.H. Roth, Das Treuhandmodell des Investment­ rechts, 1972, S. 80 ff., HO ff. 48 So jedoch Roth (wie FN 47), S. 206 ff. Mit Recht kritisch hierzu Schwark, Anle­ gerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 154 f., 158 ff.

Basis des gemeinen Anteilswertes steht ihm nicht zu49. Soweit das Fonds­ vermögen nach den statutarischen Zweckwidmungsbestimmungen der An­ lagegesellschaft in Aktien zu investieren ist, bewirkt das Investmentmodell die Schaffung mediatisierter Mitgliedschaften: Der einzelne Anleger hält Zertifikate am Fonds, der seinerseits eine echte gesellschaftsrechtliche Betei­ ligungsstellung in den jeweiligen Aktiengesellschaften innehat. Die Kapital­ anlagegesellschaft besteht ganz unabhängig von der Zusammensetzung des Kreises der Investmentfondsteilhaber. Diese können weder auf den Bestand noch auf die Führung der Anlagegesellschaft Einfluß nehmen. Das Invest­ mentmodell trägt Wesenszüge der Stiftung wie der Anstalt, wiewohl es sich in keine dieser Kategorien nahtlos einfügt. Es ist nicht Anstalt, weil der Trä­ ger keinen dauernden und maßgeblichen Einfluß auf die Organisation nimmt, und es ist nicht Stiftung, weil die Anvertrauung des Vermögens nicht fremdnützigen Zwecken dienen soll50. Das Treuhandmodell des deutschen Invest­ mentrechts bewirkt, daß eine Kontrolle durch den eigentlichen Risikoträger nicht mehr stattfindet. Der Zertifikatinhaber hat in Ansehung des Fonds zwar eine Vermögensberechtigung, jedoch keine korrespondierende Aktionszu­ ständigkeit51. Der Anleger besitzt keine Möglichkeit, Entscheidungen von grundlegender Bedeutung wie etwa der Umwidmung des Fondsvermögens entgegenzutreten, weil ihm keine Organrepräsentanz in der Fondsträger­ gesellschaft zusteht. Die fehlende Aufsicht durch die Vermögensberechtigten ist durch eine staatliche Aufsicht ersetzt, da sich die Verwaltung nicht in ei­ nem kontrollfreien Raum bewegen darf. Zivilrechtlich steht die ausschließ­ lich aktionsberechtigte Fondsträgergesellschaft (§ 9 Abs. 1 KAGG) in einer fiduziarischen Rechtsbeziehung zum Anteilinhaber. In der Entscheidung zum Erwerb von Fondsanteilen liegt ein konkludent ausgesprochener Verzicht auf eigene Verwaltung durch den Anleger. Aus dem Treuhandcharakter der Rechtsbeziehung zwischen Anleger und Anlagegesellschaft folgt die Pflicht der letzteren, mit dem anvertrauten Ver­ 49 Aus der Rücknahmegarantie hinsichtlich der Investmentzertifikate nach § 11 Abs. 2 KAGG folgt nichts anderes, weil danach nur ein Rückkauf zum Börsenpreis stattfindet, in dem sich nicht unbedingt der gemeine Anteilswert widerspiegeln muß. Insbesondere hat der Investmentsparer keine Möglichkeit, diesen gemeinen Wert im Rahmen eines Verfahrens nach dem Vorbild der § 306 AktG, §§ 305 ff. UmwG gerichtlich feststellen zu lassen. Das Fehlen von Auskunfts- und Einsichtsrechten macht sich hier ebenfalls schmerzlich bemerk­ bar. 50 Zur Unterscheidung Anstalt-Stiftung Wolff/Bachof/Stober Verwaltungsrecht II, 5. Aufl. 1987, § 98 I (S. 298 ff.) sowie § 102 II 1 (S. 402). 51 Vergleicht man § 9 KAGG mit § 76 Abs. 1 AktG so fällt auf, daß die zurückgesetzte Aufsichtsbefugnis des Investmentsparers durch eine behördliche Aufsicht ersetzt ist. Dieses behördliche Aufsichtssystem findet im Aktienrecht keine Entsprechung. - Andeutungsweise für eine Klagebefugnis des Investmentsparers auf der (fortzuentwickelnden) Grundlage der §§ 309 Abs. 4, 317 AktG siehe Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 9 II 2b (S. 493).

mögen nach den Grundsätzen einer nach kaufmännischen Gesichtspunkten ordnungsgemäßen Fondsverwaltung umzugehen. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht ist nach den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts sank­ tionsbewehrt. Eine Pflichtverletzung kann insbesondere Schadensersatzan­ sprüche wegen positiver Vertragsverletzung des Treuhand Verhältnisses oder nach Deliktsrecht gegen die Kapitalanlagegesellschaft nach sich ziehen, die sich das Verhalten ihrer Organe nach § 31 BGB zurechnen lassen muß. Er­ folgversprechender für den Anleger ist aber wohl eine persönliche Inan­ spruchnahme der Depotbank oder der Organmitglieder der Anlagegesell­ schaft, deren Eigenkapitalausstattung oftmals nur gering ist52. Solche An­ sprüche kann der Anteilinhaber in Höhe seiner individuellen Schadensquote geltend machen, da sie nicht Bestandteil des Fondsvermögens werden53. Durch diese Schadensersatzansprüche behält der Anleger eine gewisse Restkontrolle, da Schadensersatz nicht nur Kompensation für Vermögensein­ bußen ist, sondern ebenso auf Verhaltensprävention abzielt. Die schuldhafte Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Fondsverwaltung hat nach § 823 Abs. 2 Außenwirkung und begründet einen unmittelbaren Anspruch gegen die handelnden Organe54'55. Aus der Behandlung der Kapitalanlagegesellschaften als Kreditinstitute (§ 2 Abs. 1 KAGG) und dem damit über sie errichteten öffentlich-recht ­ lichen Aufsichtssystem folgt schließlich, daß für Anleger, die infolge einer Amtspflichtverletzung bei der Wahrnehmung oder der Unterlassung der Kre­ ditaufsicht zu Schaden gekommen sind, die Haftung des Staates nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht kommen kann56. Die drohende Mög­ 52 Dazu die Nachweise bei Ebner von Eschenbach, Die Rechte des Anteilinhabers nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, Diss. Erlangen 1959, S. 96. 53 Die dingliche Surrogation nach § 6 Abs. 2 KAGG greift nicht Platz, wenn dem Anle­ ger ein Schadensersatzanspruch wegen pflichtwidriger Fondsverwaltung erwächst. 54 Die Anlage- und Fondsverwaltungsgrundsätze des § 8 KAGG besitzen Schutzgesetz­ qualität im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Daß § 8 KAGG Schutzgesetz ist, folgt daraus, daß er unmittelbare Verhaltenspflichten auferlegt im Zusammenhang mit der Fondsverwaltung. 55 Die Geschäftsführung der Kapitalanlagegesellschaft sieht sich damit einer doppelten Pflichtenbindung gegenüber: Zum einen im Verhältnis zu den Gesellschaftern der Kapital­ anlagegesellschaft nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen, zum anderen - und hiervon zu unterscheiden - gegenüber den Investmentzertifikatinhabern nach Treuhandgrundsätzen. Dabei ist die zuletzt genannte Bindung die stärkere, und ihr gebührt, sofern beide Pflichten­ kreise in Kollision geraten sollten, nach dem Selbstverständnis des KAGG der Vorrang. 56 BGHZ 74, 144; 75, 120 für die Kreditaufsicht. Anders noch BGHZ 58, 96 für die Versicherungsaufsicht. Dieser Rechtsprechung wurde allerdings durch die novellierte Fas­ sung von § 6 Abs. 3 KWG, wonach das Bundesaufsichtsamt seine Aufgaben nur im öffent­ lichen Interesse wahrnimmt, der Boden entzogen, zum Ganzen sehr kritisch Erman/K. Küchenhoff, Komm.z.BGB, 9. Aufl. 1993, § 839 RdNr. 105 mit Nachweisen. Aus dieser Entwicklung folgt ohne Rücksicht auf eine eventuelle Verfassungswidrigkeit von § 6 Abs. 3 KWG n.F., daß in dem Maße, in dem der Staatsaufsicht ihre verbraucherschützende Wir­ kung genommen wird, die privaten Kontrollbefugnisse zunehmen müssen.

lichkeit der Amtshaftung liefert einen entscheidenden Impuls für die Aktivie­ rung der staatlichen Aufsicht, zu deren Gunsten das KAGG die Individual­ rechte der Anleger weitgehend ausgeschlossen hat. Privatrechtliche Ansprü­ che oder Klagebefugnisse von Anlegern müssen hiervon aber unberührt blei­ ben, da die Amtshaftung subsidiär ist. § 839 Abs. 3 BGB zufolge tritt die Ersatzpflicht des Staates nicht ein, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Die Subsidiarität verdichtet sich zu einem allgemeinen Rechts­ grundsatz: Wer (staatliche) Ersatzleistungen in Anspruch nehmen will, hat vorher zunächst zu versuchen, die sie auslösenden Maßnahmen abzuweh­ ren57. Hierfür muß die Rechtsordnung allerdings bereit sein, dem verant­ wortungsbewußten Anleger die notwendigen privatrechtlichen Eingriffsbe­ fugnisse an die Hand zu geben.

6. Die repressivste Form der Staatsaufsicht über Verbände manifestiert sich in der Zwangsauflösung nach § 396 AktG58. Obwohl dieser Rechtsbe­ helf nie große Bedeutung gewonnen hat, lassen sich aus ihm doch grundsätz­ liche Regeln für das moderne Zusammenspiel von staatlicher und privater Verbandsaufsicht entwickeln. Nach § 396 AktG kann eine AG auf Antrag der zuständigen Behörde gerichtlich aufgelöst werden, wenn die Verwal­ tungsträger durch ihr gesetzwidriges Verhalten das Gemeinwohl gefährden und weder die Hauptversammlung noch der Aufsichtsrat wirksam Abhilfe schaffen können. Das Gemeinwohl als rechtlich relevanter Maßstab spielt an dieser Stelle noch eine Rolle59. Bemerkenswert ist an § 396 AktG das Ineinandergreifen von staatlicher und privater Aufsicht über Verbände60. Das behördliche Auflösungsrecht be­ zweckt die gesetzeskonforme Betätigung der Gesellschaft und versteht sich als ultima ratio. Zunächst ist zu versuchen, die innergesellschaftlichen Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Hierzu ist die Verwaltungsbehörde schon

57 Grundlegend BVerfGE 58, 300 - "Naßauskiesung". 58 Parallelvorschriften in den Gesetzen anderer Gesellschaftsformen finden sich in §§62 GmbHG, 81 GenG, 43 BGB, 87 VAG. 59 § 70 Abs. 1 AktG 1937 enthielt die Gemeinwohlklausel noch als unmittelbare Ver­ haltensmaxime an den Vorstand der AG. § 76 Abs. 1 AktG 1965 verzichtet darauf. Zur Entwicklung vgl. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 235 ff. 60 Im wesentlichen Gleiches gilt für die Parallelvorschriften zu § 396 AktG in den übri­ gen Gesellschaftsformen, siehe oben FN 58. Zu einem interessanten Fall aus der Schweiz betreffend Art. 57 ZGB siehe das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, BGE 112 II 1 = RIW 1988, 140 sowie BGE 115 II 401.

nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehalten61. Diese Interpretation der Auflösungsbefugnis wird vor dem Hintergrund verständlich, daß eine Bedrohung des Gemeinwohls durch juristische Personen letztlich auf ein Fehl verhalten von natürlichen Personen zurückzufuhren ist. Deshalb sollen diese vorrangig Gelegenheit erhalten, die Gemeinwohlgefährdung abzustel­ len. Dazu sind vor allem der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung in der Lage durch Umbesetzung der Verwaltungsspitze oder durch die Ausschlie­ ßung eines Großaktionärs aus der Aktiengesellschaft, der die Verwaltung zu gemeinwohlgefährdenden Handlungen bestimmt62. Erst wenn diese Maß­ nahmen privater Aufsicht definitiv nichts fruchten, darf die Behörde auf ihr Auflösungsrecht nach § 396 AktG zurückgreifen. Wenn die Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten vorliegen, kann das Auflösungsrecht noch nicht direkt angewandt werden. Zuerst ist zu versuchen, die in § 396 AktG Genannten als die primär Verantwortlichen für das Verhalten der AG zu erreichen. Zu diesem Zweck stehen der Behörde über § 396 hinaus flankierende Befugnisse zu: Selbständiges, außerordent­ liches Recht, eine Hauptversammlung einzuberufen, Ankündigung von Ta­ gesordnungspunkten für eine einberufene Hauptversammlung oder Zutrittsund Rederecht für Behördenvertreter zur Hauptversammlung. Ebenfalls aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hat die Behörde zunächst eine Gewer­ beuntersagungsverfügung nach § 35 GewO in Erwägung zu ziehen63. Das Gewerberecht ist erheblich flexibler als das administrative Auflösungsrecht. Gewerbepolizeiliche Aufsichtsmaßnahmen können befristet ausgesprochen oder mit selbständig durchsetzbaren Auflagen versehen werden. Das Gewer­ berecht gestattet die Voll- oder Teiluntersagung der Gewerbeausübung. § 35 Abs. 6 GewO gewährt einen Rechtsanspruch auf Wiedergestattung der Ge­ werbeausübung, sofern die gewerberechtliche Zuverlässigkeit wieder gege­ ben ist. Die behördliche Auflösung nach § 396 AktG trägt dagegen endgül­ tigen Charakter, jedoch gibt es kein Neugründungshindemis, wenn der Li­ quidationserlös nach Berichtigung aller Gesellschaftsverbindlichkeiten an die Aktionäre ausgekehrt ist. § 396 AktG nimmt damit im Gesamtspektrum der wirtschaftsaufsichts­ rechtlichen Instrumente die Stellung eines subsidiären Eingriffsmittels ein. 61 Zu den Anforderungen an eine verhältnismäßige Handhabung und Anwendung der behördlichen Auflösungsbefugnisse, vgl. M. Becker ZSR 107 n.F. (1988), 613 (628 ff.) in Auseinandersetzung mit BGE 112 II 1. 62 Dazu näher M. Becker ZGR 1986, 383 (389 ff.). 63 Schon § 35 GewO wird als ultima ratio angesehen, Marcks, in: Landmann/Rohmer, Komm.z.GewO I, Stand: Dezember 1984, § 35 RdNr. 18, 76 ff. Die Behörde darf daher auf § 396 AktG erst zurückgreifen, wenn sich die Ermächtigungsnormen des Gewerberechts als unzureichend erwiesen haben.

Dabei liegt der Akzent nicht auf der Verwirklichung der Sanktion. Nach der hinter der Vorschrift stehenden Philosophie soll viel eher das allzeit präsente Drohpotential die Verbandsmitglieder und -Organe präventiv zu einer geset­ zeskonformen Verhaltenskoordinierung anhalten. Diese Präventionsfunktion ist wichtiger als die repressive Anwendung in Gestalt einer Zerschlagung volkswirtschaftlich erheblicher Werte, die eine Auflösung mit sich bringen könnte. Im Lichte dieser Erwägung ist das Auflösungsrecht ungeachtet seiner geringen praktischen Bedeutung nicht überflüssig, sondern hat im Gegenteil den Beweis für die Richtigkeit der Standortbestimmung von privaten zu ad­ ministrativen Aufsichtsmitteln erbracht. Deshalb ist an diesem Rechtsinstitut trotz aller Kritik64, die man ihm gelegentlich wegen gewisser Unzulänglich­ keiten im Bereich des Auflösungsverfahrens entgegengebracht hat, festzu­ halten. 7. Es ergäbe ein verkürztes Bild der Dinge, wenn man die Aufsicht über die Verbände nur in ein zweipoliges Kräftefeld zwischen subjektiven Mit­ gliederrechten und staatlich-bürokratischen Aufsichtsinstrumenten einordnen wollte. Denn in diese Überlegungen sind außerdem die Instrumente des Marktes einzubeziehen, die ebenfalls geeignet sind, Verhaltensprozesse in den Personenvereinigungen zu steuern. Die Personenzusammenschlüsse — vor allem die des Handelsrechts - sind dem Kräftespiel unterschiedlicher Märkte ausgesetzt. Dies ist zunächst der Markt für die Dienstleistungen und Produkte der Gesellschaft, die in der Linie ihres Handelszweiges liegen, so­ dann der Markt für Manager sowie der Kapital- und Untemehmenskontrollmarkt65. Auf vollkommenen Märkten mit unverfälschten wettbewerblichen Strukturen ist ein Ausweichen in Alternativen möglich. Für die Aufsicht über Verbände ergibt sich daraus, daß Gesellschafter, Manager, Arbeitneh­ mer, Kunden und Anleger ihre Zustimmung oder ihre Ablehnung hinsicht­ lich bestimmter Maßnahmen der Geschäftsführung durch Abwanderung (exit) oder durch Widerspruch (voice) zum Ausdruck bringen können66. Die Abwanderung ist ein typisch marktliches Verhalten, dessen Funktionsweise bei den Verbänden ebenfalls nützliche Wirkungen zu entfalten vermag. Ver­ bandsrechtliche Ausprägung des Phänomens der Abwanderung ist die Aus­ trittsfreiheit (§ 39 Abs. 1 BGB) bzw. die freie Fungibilität der Mit­ gliedschaft. Die disziplinierende Wirkung der Abwanderung besteht darin, 64 Kohlmann AG 1961, 309 (312) zu den Reformbestrebungen vor 1965. 65 Meier-Schatz ZSR 107 n.F. (1988), 191 (210 ff.). 66 Zu diesen Kategorien Hirschman, Abwanderung und Widerspruch, (Deutsche Aus­ gabe) 1974, S. 17 ff., 25 ff.; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 218 ff., 263 ff.; zu Abwanderung/Widerspruch mit Bezug auf Verbände und Organisa­ tionen MESTMÄCKER, Organisationen in spontanen Ordnungen, 1992, S. 19 ff.

daß der Austritt mit Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft dieser un­ freiwillig Mittel entzieht oder bei massenhafter Abwanderung über die Börse zu einem Kursverfall der Aktien führt. Hierdurch setzt sich die Verwaltung der Gefahr einer feindlichen Übernahme aus oder begibt sich der Möglich­ keit der Eigenkapitalfinanzierung neuer Vorhaben durch eine Kapitalerhö­ hung zu guten Konditionen. Das Beispiel der Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zeigt die einschneidende Wirkung einer Kontrolle durch den Ka­ pitalmarkt und den Zwang von Gesellschaften, sich dem anlagesuchenden Publikum attraktiv darzubieten. Gerade im Verbandsrecht existieren mannig­ fache Möglichkeiten, das Kontrollpotential des Marktes durch Einschrän­ kungen der Abwanderung herabzusetzen. In vielen Gesellschaftsformen ist die Anteilsübertragung vinkuliert. Außerdem kann die Verwaltung oder die Aktionärsmajorität durch bestimmte strukturwandelnde Maßnahmen, die den Börsenkurs nachteilig beeinflussen, einen Austritt über die Börse finanziell unmöglich machen oder erschweren67. In dem Maße, in dem eine wirkungs­ volle Abwanderung ausscheidet, muß die Bedeutung des Widerspruches zu­ nehmen, d.h. die Widerspruchsmechanismen müssen intakt bleiben. Auf die Verbände projiziert bedeutet Widerspruch die Ausübung subjektiver Rechte konkret in Gestalt von Kontroll- und Mitverwaltungsrechten, welche die Verwaltung bzw. die Majorität in die ihnen durch Gesetz und Statut gezoge­ nen Schranken weisen. Das Verhältnis von Abwanderung und Widerspruch, oder in der Be­ griffswelt des Verbandsrechts von Preisgabe der Mitgliedschaft oder aktives Ankämpfen gegen Mißstände innerhalb der Organisation, entzieht sich einer generalisierenden Beschreibung, da das jeweilige Leistungsvermögen unter dem Einfluß verschiedener Faktoren steht. Sicher ist aber, daß sich beide Aufsichtsmittel nicht ausschließen68. Wichtig ist, daß die Rahmenbedin­ gungen für ihr ungestörtes Funktionieren bestehen. Es verrät keine tiefere Einsicht in diese Zusammenhänge, wenn man - wie es die Rechtsprechung zum Teil zugelassen hat - der Mehrheitsgruppe freie Hand läßt, die Ab­ wanderung der Minderheit zu erzwingen und sie damit als Kontrollinstanz zu eliminieren69. Die marktlichen Kontrollmechanismen stehen im Verbands­ recht in Abhängigkeit zur Realstruktur. Bei der close Corporation scheidet 67 Reaktion des Rechts auf eine solchermaßen gestörte Funktionsfähigkeit des Preisbil­ dungsmechanismus ist etwa das Verfahren der Sicherung der außenstehenden Aktionäre beim Abschluß von Organschaftsverträgen nach §§ 304-306 AktG. 68 MESTMÄCKER (wie FN 66), S. 22. 69 So etwa BVerfGE 14, 263 - "Feldmühle"; BGHZ 105, 213. Kritisch zu dieser Ent­ wicklung bereits MESTMÄCKER JuS 1963, 417 (418); M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419 (437 ff.).

die Abwanderungsalternative praktisch aus. Im Verbandsrecht liegt der Ak­ zent noch aus einem anderen Grunde stärker auf der Widerspruchsalterna­ tive. Der Markt ist als alleiniges Kontrollinstrument ungeeignet, weil er einen anderen Bezugspunkt aufweist. Der Markt sorgt für optimierte Effi­ zienz im Sinne einer optimalen Ressourcenzuordnung. Im Verbandsrecht ist die Aufgabenstellung eine andere. Gefragt ist eine gesetzes- und statutenkon­ forme Verwaltung, die jeglichen Effizienzerwägungen im betriebswirtschaft­ lichen Sinne vorgeht70. Aus diesem Grunde lassen sich die subjektiven Rechte nicht von den Marktmechanismen verdrängen.

II. Vereinigungsfreiheit und Selbstverwaltungsrecht Die Vereinigungsfreiheit als Institution des Privatrechts weist in bezug auf ihre Entwicklung und Bedeutung starke Parallelen auf zur Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit. Auf einer ersten Stufe geht es um die Gewährleistung der jeweiligen Freiheit. Grundrechte schützen die genannten Betätigungen der Privatrechtssubjekte in ihrer klassischen vertikalen Wirkrichtung gegen Beeinträchtigungen aus dem hoheitlichen Sektor. Der Schutz dieser Frei­ heiten darf sich darin indessen nicht erschöpfen. Ebenso beachtlich sind Be­ schränkungen in der horizontalen Richtung. Eine schrankenlose Gewährlei­ stung der Freiheit einzelner darf nicht zur Versagung der inhaltsgleichen Freiheitsgewährleistung anderer führen. Beim Vertrag darf nicht die Ver­ tragsfreiheit von einem Kontrahenten einseitig in Anspruch genommen wer­ den, mit der Folge, daß der andere Teil an der Verwirklichung seiner Vor­ stellungen und Präferenzen gehindert ist. Andernfalls büßt der Prozeß des Vertragsschlusses seine Richtigkeitsgewähr, eine gerechte Regelung zwi­ schen den Parteien herbeizuführen, ein71. Außerdem würde der Vertrag sei­ nem Zweck als Mittel des Interessenausgleichs zwischen den Parteien nicht gerecht72. Das sind die zentralen Fragestellungen im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen73. Die ungleiche Verhandlungsparität war von der

70 Richtig RGZ 40, 33 (35). Dagegen erlaubt die amerikanische Rechtsprechung den Aktionären nicht, für die Gesellschaft Ansprüche wegen Zahlung von Bestechungsgeldern an ausländische Behörden zu verfolgen, vgl. Gall v. Exxon, 418 F.Supp. 508 (S.D.N.Y. 1976); Rosengarten v. Intern.Tel. & Tel. Corp., 466 F.Supp. 817 (S.D.N.Y. 1979). 71 Schmidt-Rimpler AcP 147 (1941), 130 (149 ff.); Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 109 ff. 72 MESTMÄCKER JZ 1964, 441.

73 Grundlegend L. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 277.

Rechtsprechung sukzessive durch eine Inhaltskontrolle des Vertragsergebnis­ ses zu korrigieren74. Ähnlich ist der Entwicklungsprozeß bei der Wettbewerbs- und Gewerbe­ freiheit verlaufen. § 1 der Gewerbeordnung von 1869 garantierte nach Ab­ schaffung des Zunftswesens jedermann das Recht zum Betrieb eines Gewer­ bes. Dies hat das Reichsgericht nicht abgehalten, wettbewerbsbeschränkende Absprachen über Preise und Konditionen als von der Gewerbe- und Ver­ tragsfreiheit gedeckt anzusehen75. Es sollte noch länger als ein halbes Jahr­ hundert dauern, bis sich unter dem Einfluß der amerikanischen Dekartellie­ rungsverordnungen in Deutschland mit § 1 GWB schließlich die gegenteilige Auffassung durchsetzen konnte. Bei der Vertrags- wie bei der Wettbewerbs­ freiheit kann die Betätigungsfreiheit des einzelnen durch die wirtschaftliche oder soziale Machtstellung anderer aufgehoben werden. Daher gehört es zum notwendigen Regelungsprogramm der Garantienorm, daß einerseits der er­ laubte Freiraum definiert wie andererseits eine garantieschädliche Machtbe­ fugnis domestiziert wird. Ein vergleichbarer Befund bietet sich für die Vereinigungsfreiheit. Das Privatrecht stellt die Organisationsformen zur Realisierung der Vereinigungs­ freiheit bereit ebenso wie die Instrumente zu ihrer Beschränkung. Der ein­ zelne unterstellt sich durch seinen Beitritt zu einer Vereinigung der Ver­ bandsgewalt und erkennt namentlich das Bestimmungsrecht der Mehrheit in allen verbandlichen Angelegenheiten an. Mehrheitsentscheid, Verbandsge­ walt und Organisationshoheit sind Erscheinungen des Verbandsrechts, die an der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Vereinigungsfreiheit teilneh­ men. Durch den Beitritt vollzieht sich ein teilweiser Verzicht auf eigene Grundrechte des Mitglieds, das seinen Willen mit dem der übrigen Mitglie­ der koordinieren muß. Vor diesem Hintergrund ist die Grenzziehung von Gewährleistungsschutzbereich und Grundrechtsschranken zu treffen. Zur Gewährleistung zählt mindestens die Gründung in einer anerkannten Rechts­ form und die Bestimmung der Binnenorganisation im Rahmen der geltenden Gesetze. Die Schranken folgen u.a. aus dem Verbandszweck und aus der Pflicht zur gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung und Ausübung jed­ weder verbandlichen Gewalt. Die Garantie der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG erstreckt sich richtiger Auffassung zufolge auch auf die Handelsgesellschaften76. Im 74 Nunmehr § 9 AGBG. 75 Urteil vom 4.2.1897, RGZ 38, 155 (158 ff.) - "Sächsisches Holzstoffkartell". Einen vortrefflichen Überblick zur ganzen Entwicklung gibt BÖHM ORDO 1948, 197. 76 Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Komm.z.GG, Stand: August 1979, Art. 9 RdNr. 60 ff.; Merten, in: Handbuch des Staatsrechts VI, 1989, § 144 RdNr. 37 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm.z.GG, 4. Aufl. 1992, Art. 9 RdNr. 28; Wiedemann, Ge-

Zusammenhang mit der Mitbestimmungsdiskussion der siebziger Jahre hat man in Abrede gestellt, daß Art. 9 Abs. 1 auf wirtschaftliche Vereinigungen überhaupt anwendbar sei77. Von der Frage, ob sich die Vereinigung auf Art. 9 Abs. 1 GG berufen kann, ist die Frage zu scheiden, ob deren Mitglie­ der die Garantie in Anspruch nehmen dürfen. Der Gewährleistungsumfang des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit ist nicht danach differenziert, ob sich die Vereinigung erwerbswirtschaftlichen Zwecken widmet oder nicht. Dies gilt für den Wortlaut wie für die Entstehungsgeschichte. Die Idee der Assoziierungsfreiheit hat einen tiefgreifenden Wandel erfahren: Der Obrig­ keitsstaat des frühen 19. Jahrhunderts wachte in der Tat noch aufmerksam darüber, ob eine Vereinigung nach politischer oder wirtschaftlicher Macht strebte. Für die Vereinigungsfreiheit des Grundgesetzes ist diese Prüfung un­ erheblich, solange sich die Vereinigung in den grundrechtlichen Schranken bewegt und namentlich nicht mit Art. 9 Abs. 2 in Konflikt gerät. Art. 9 Abs. 1 GG ist auf alle Personenzusammenschlüsse — auch diejenigen mit erwerbswirtschaftlicher Zwecksetzung - anwendbar unter Einschluß der Aktiengesellschaft78. Daß bei dieser das personale Element im Einzelfall schwächer ausgeprägt sein mag, zwingt zu keinen Abstrichen im Schutzbe­ reich der Gewährleistung79. Es ist nicht haltbar, aus der Nähe der Vereini­ gungsfreiheit zu Art. 8 GG schließen zu wollen, daß nur eine Vereinigung, die am politisch-sozialen Kommunikationsprozeß teilnehmen will, den "vollen’’ Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG verdient. Die Inanspruchnahme von Grundrechtspositionen zur Verwirklichung wirtschaftlicher Ziele ist nicht minder wichtig und schutzbedürftig als die zur Beteiligung am Vorgang der seilschaftsrecht I, 1980, § 12 I 3a (S. 675); Säcker RdA 1979, 380 (385); Überblick zum Meinungsstand bei RÜbenach, "Wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit" und Vereinigungs­ freiheit, 1984, S. 52 ff.; zuletzt KOPPENSTEINER NJW 1990, 3105. 77 Stein, Staatsrecht, 14. Aufl. 1993, § 39 II la (S. 325); RÜbenach (wie FN 76), S. 16 ff.; zu den Konsequenzen der Ausklammerung der Kapitalgesellschaften aus Art. 9 Abs. 1 GG Wollburg, Die Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 1 GG auf Kapitalgesellschaf­ ten, Diss. München 1984, S. 6 ff. — Die Gegner der Mitbestimmungsregelung von 1976 beriefen sich vor allem auf deren Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 GG. Dies hatte zur Reaktion, daß deren Befürworter die Anwendbarkeit von Art. 9 bestritten. Nach dem Urteil des Bun­ desverfassungsgerichts sollte die Entideologisierung der Mitbestimmungsfrage auch Art. 9 erfassen. Seit BVerfGE 50, 290 ist geklärt, daß die jetzige Mitbestimmungsregelung vor dem Grundgesetz und vor Art. 9 Bestand hat, eine weitere Verschiebung der Paritäten je­ doch gegen die Vereinigungsfreiheit verstoßen kann. Inzident ist damit die Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 1 GG bestätigt. Aus der Mitbestimmungsbezogenheit der Entscheidung folgt, daß eine Abschichtung nach Vereinigungsformen allenfalls bei den Grundrechts­ schranken, nicht aber im Schutzbereich der Garantie statthaft ist. 78 Siehe die Nachweise in FN 76. 79 Anders Stein (wie FN 77) unter Berufung auf BVerfGE 50, 290. Das Bundesverfas­ sungsgericht führt jedoch lediglich aus, daß aus Art. 9 Abs. 1 GG kein Mitbestimmungshin­ demis erwächst. Ob Art. 9 Abs. 1 auf mitbestimmungspflichtige Gesellschaften deshalb schlechterdings unanwendbar ist, hat das Gericht (S. 356) mit Vorbedacht offen gelassen.

gesellschaftlichen Willensbildung. Der Ergänzungszusammenhang zwischen den politischen Grundrechten der Artt. 5 und 8 GG darf nicht überbetont werden. Insbesondere folgt aus diesem Zusammenhang keine gegenständ­ liche Beschränkung von Art. 9 auf am politischen Willensbildungsprozeß teilnehmende Vereinigungen. Im vorliegenden Zusammenhang richtet sich das Augenmerk auf die in­ nere Vereinigungsfreiheit. Die Rechtsstellung des Mitglieds gegenüber dem Verband weist ebenfalls einen Verfassungsbezug auf, der nicht durch den grundrechtlichen Status der Vereinigung bedingt ist. Ungeachtet der Streit­ frage, ob Art. 9 Abs. 1 GG die sog. wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit ab­ deckt, ist unbestritten, daß die innere Vereinigungsfreiheit der Mitglieder den Teilhabeanspruch an der Willensbildung, die Kontrolle der Verwaltung sowie die Unantastbarkeit der unverzichtbaren Minderheiten- und Individual­ rechte umfaßt80. In diesem Sinne begrenzt Art. 9 Abs. 1 GG den Spielraum der staatlichen Verbandsgesetzgebung. Reglementierungen der Vereinigungs­ freiheit müssen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die Wesensgehalts­ garantie (Art. 19 Abs. 2 GG) beachten81. Dies sind zugleich die privatrecht­ lichen Schranken für Eingriffe in die Rechtsstellung des Mitglieds sei es durch die Satzung, sei es durch sonstige Akte der Verbandsgewalt. Zum Kernbestandteil der Vereinigungsfreiheit zählt die Selbstverwaltung durch die Mitglieder, also die von staatlichen Weisungen und sonstigem Außeneinfluß freie Regelung der eigenen Angelegenheiten durch die Mit­ glieder und die von ihnen bestellten Organe. Selbstverwaltung und Satzungs­ autonomie stehen unter dem Schutz der Vereinigungsfreiheit. Die Selbstverwaltung ist ein kalkulierter Ordnungsfaktor bei den privat­ rechtlichen Personenzusammenschlüssen. Die Selbstverwaltungsautonomie schafft für die unternehmenstragenden Vereinigungen des Handelsrechts die unabdingbare Voraussetzung für eine dezentrale ökonomische Planung und Leitung. Hier erweist sich konkret das Ineinandergreifen von Wirtschaftsund VerbandsVerfassung. Das Gesellschaftsrecht ist mehr als ein Konzentrat organisatorisch-formaler Regeln, die beziehungslos neben die Wirtschafts­ ordnung treten82. Das Verbandsrecht kennt eine Autonomie im umfassenden Sinne. Sie beinhaltet die Verwaltung der Angelegenheiten des eigenen Wir­ kungskreises und die hierfür notwendige Rechtssetzung, besitzt mithin eine

80 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 12 I 3c (S. 679 ff.). Zur inneren Vereini­ gungsfreiheit auch Stein (wie FN 77), § 39 II 2c (S. 327 f.). 81 Merten, in: Handbuch des Staatsrechts VI, 1989, § 144 RdNr. 42 ff. 82 Dafür mit Nachdruck MESTMÄCKER, in: Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft (Schriften des Vereins für Socialpolitik, n.F. Bd. 33), 1964, S. 103 (111 ff.); DERS. JuS 1963, 417 (420) gegen BVerfGE 14, 263 (275) - "Feldmühle”.

administrative und eine legislative Seite83. Eine wirkungsvolle Verbandsauf­ sicht muß beide Tätigkeitsfelder erfassen. Für die legislativen Funktionen, die der Hauptversammlung vorbehalten sind, existiert mit der Beschlußmän­ gelklage ein erprobter Rechtsbehelf. Noch gänzlich unterentwickelt sind im deutschen Verbandsrecht die Rechtsschutzmöglichkeiten hinsichtlich der Exekutivakte. Der Ausbau des Rechtsschutzes auf diesem Sektor ist umso dringlicher, als im Gesellschaftsrecht eine zunehmende Funktionenverlage­ rung auf die Exekutive zu beobachten ist. Aus der Selbstverwaltungsautonomie erwächst dem Verband andererseits eine tatsächliche Machtstellung gegenüber seinen Mitgliedern. Sehr häufig macht man von der anerkannten Gestaltung Gebrauch, die Akte der Ver­ bandsgewalt durch Schiedsgerichte überprüfen zu lassen, was sie der staat­ lichen Gerichtsbarkeit entzieht. Die Mitglieder verwalten ihre verbandlichen Belange und dürfen die Aufsicht hierüber wahrnehmen. Sofern staatliche Ge­ richte hiermit befaßt sind, ist ihre Kognitionsbefugnis auf eine Rechtsaufsicht beschränkt. Keine verbandsexteme Instanz dürfte etwa eine Investitionsent­ scheidung unter dem Blickwinkel unternehmerischer Zweckmäßigkeit unter­ sagen oder anordnen. Eine solche Fachaufsicht, die an das Leitungsermessen der Verwaltung (business judgment) heranreicht, fällt in die ureigene Do­ mäne der Mitglieder. Daran zeigt sich, daß die Verbandsaufsicht von keiner Instanz so wirksam ausgeübt werden kann wie von den Mitgliedern selbst.

III. Beschränkungen der Vertragsfreiheit im Verbandsrecht Der Vertragsfreiheit sind in manchen Verbänden Fesseln angelegt. Dies gilt durchgängig für die als Aktiengesellschaft (§23 Abs. 5 AktG) oder als eingetragene Genossenschaft (§18 Satz 2 GenG) organisierten Gesellschaf­ ten. Bei den übrigen Verbänden existieren partielle Ausnahmen vom Grund­ satz der Vertragsfreiheit im Gesellschaftsrecht84. Ansonsten überlagert die Arbeitnehmermitbestimmung in den mitbestimmten Unternehmen die freie Gestaltung der inneren Organisation85. Die genannten Beschränkungen ver­ folgen unterschiedliche Zwecke. Vorrangige Ziele sind der Schutz der ver­ handlungsohnmächtigen Minderheit, der Schutz der nicht an gesellschaftsintemen Entscheidungsprozessen beteiligten Gläubiger, der Schutz der Kapital­ anleger durch Standardisierung der Organisationsverfassung und die Bewah­ rung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer. Hierin zeigt sich die re­ 83 Recht 84 85

Zu den Zusammenhängen von Selbstverwaltung und Autonomie im öffentlichen näher Händler, Selbstverwaltung als Organisationsprinzip, 1984, S. 293 ff. Etwa in den §§ 133 Abs. 3 HGB, 723 Abs. 3 BGB, 25 GmbHG. §§ 30-33 MitbestG.

gulierende Hand des Gesetzgebers, die Aufsichtsfunktionen wahrnimmt und Aufsichtsziele implementiert. Diese gesetzlichen Vorgaben sind durchgängig Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB. Im Stadium der Gründung oder der Sat­ zungsänderung wacht das Registergericht über die Befolgung dieser Normen. Zwingendes Recht nimmt dem Normanwender naturgemäß eigene Bewer­ tungsspielräume. Eine Bewertung dieser Art der Aufsicht über das Ver­ bandswesen ergibt, daß zwingendes Recht für Rechtssicherheit und Rechts­ gleichheit sorgt, diese jedoch auf Kosten großer Unflexibilität gewonnen wird. Diejenigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, die die Satzungsautono­ mie oder die Verbandsgewalt begrenzen, gelten ipso iure. Besonders § 23 Abs. 5 AktG sorgt bei der Aktiengesellschaft für einen starren Verfassungs­ aufbau, der allgemein als Voraussetzung für die Kapitalmarktfähigkeit dieser Gesellschaftsform gilt, die Mobilisierung von Risikokapital indes ebenso hindern kann. § 23 Abs. 5 AktG wie das gesamte zwingende Gesellschafts­ recht enthält keine Öffnungsklausel für eine typologische Differenzierung. So gilt die Satzungsstrenge bei der Publikums-AG genauso wie für die Fa­ milien- oder Ein-Mann-AG. Im ersten Falle ist die Anwendung angebracht, im zweiten nicht. Dies machte sich konkret bei der Diskussion um die Ein­ führung der "kleinen” AG bemerkbar86. Eine Deregulierung des zwingenden Normenbestandes ist eine Vorbedingung für die Öffnung des Aktienrechts gegenüber der mittelständischen Wirtschaft. § 23 Abs. 5 AktG zeichnet für die Überregulierung des Aktienrechts verantwortlich, die sukzessive auf den Kernbestand an notwendigem zwingendem Recht zurückzuführen ist. § 23 Abs. 5 AktG zwingt den Gesetzgeber zu immer neuen Eingriffen in den Ge­ setzestext. Wo der Gesetzgeber Freiräume für Abweichungen eröffnen will, sind Befreiungsvorbehalte zu schaffen (Satz 1). Will er andererseits Ergän­ zungen unterbinden, so muß die gesetzliche Regelung abschließend sein (Satz 2). Immer noch unwidersprochen ist die Feststellung, daß das deutsche Aktienrecht mit der Hälfte seines aktuellen Normenbestandes gut auskom­ men könnte87.

86 Siehe Lutter, in: Das Wertpapier 1987, 1016 (1020 f.). Zu § 23 Abs. 5 als Dere­ gulierungshindemis im Aktienrecht Röhricht, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1996, § 23 RdNr. 167. 87 Hierzu die Streitschrift von Huppert, Recht und Wirklichkeit der Aktiengesellschaft, 1978, S. 15 ff.

IV. Die Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und Satzungen Auch im Recht derjenigen Verbände, denen von Gesetzes wegen kein ein­ heitliches Organisationsstatut vorgegeben ist, ist das Gesetzesrecht heute nicht mehr schlechthin dispositiv. Die gesetzlichen Leitentscheidungen sind vielfach Ausdruck elementarer GerechtigkeitsVorstellungen. Will eine Ge­ sellschaftergruppe hiervon abweichen und die Gewichte in der corporate govemance verschieben, hat sie im Gegenzug dafür einen Ausgleich zu schaffen. Über dieses Gleichgewicht der gesellschaftlichen Kräfte wacht eine richterliche Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, die nunmehr zu den etablierten Instrumenten im Verbandsrecht gehört88. Die Inhaltskontrolle ist im Vergleich zum zwingenden Gesetzesrecht die schwä­ chere, jedoch flexiblere Alternative, da sie einer einzelfallbezogenen Ent­ scheidung Raum läßt. Für die Fortentwicklung des Normenbestandes und den Prozeß der Institutionenbildung im Gesellschaftsrecht hält die Inhalts­ kontrolle ein beträchtliches Gestaltungspotential bereit89. Obwohl § 23 Abs. 1 AGBG eine Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiete des Gesell­ schaftsrechts statuiert, praktiziert die Rechtsprechung eine inhaltliche Kon­ trolle vorformulierter und anderer Klauseln. Am Maßstab des § 242 BGB ist zu prüfen, ob Klauseln in Satzungen oder Gesellschaftsverträgen ohne sach­ liche Grundlage einseitig dem Interesse bestimmter Gesellschafter dienen, ohne den übrigen einen angemessenen Ausgleich zu gewähren90. Richterliche Inhaltskontrolle ist qualitativ mehr als die registergerichtliche Überprüfung der Einhaltung der Normativbedingungen. Es handelt sich um eine weitreichende allgemeine Rechts- und Billigkeitskontrolle, deren Ver­ einbarkeit mit der Vertrags- und Vereinigungsfreiheit zu bejahen ist. Der Verfassung ist ein Gebot zu entnehmen, krasse Ungleichgewichtslagen, die den Benachteiligten in seinem grundrechtsrelevanten Bereich tangieren, auf das erlaubte Maß zurückzuführen91. Selbstverwaltung und Organisationsho­ 88 Wiedemann (wie FN 80), § 3 II 3a (S. 172 ff.); Karsten Schmidt, Gesellschafts­ recht, 3. Aufl. 1997, § 5 III 4 (S. 127 ff.); umfassend zum Ganzen Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 124 ff. 89 Das Recht der Publikums-KG oder der GmbH & Co. ist durch richterliche Inhalts­ kontrolle geformt worden, siehe Krieger, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 307 ff. 90 Grundlegend BGHZ 64, 238 (241 ff.) und seither in ständiger Rechtsprechung, vgl. nur BGHZ 68, 212 (214); 84, 11; 102, 172 (177); 104, 50 (53). Das Inkrafttreten des AGB­ Gesetzes 1976 (§ 23 Abs. 1) hat diese Entwicklung nicht aufgehalten, BGHZ 103, 219 (226); Überblick bei MünchKomm-BASEDOW, 3. Aufl. 1993, § 23 AGBG RdNr. 10 ff. 91 So grundlegend für die vertragliche Inhaltskontrolle BVerfGE 81, 242 (253 ff.) = JZ 1990, 691 mit Anm. Wiedemann: Ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot für Han­ delsvertreter nach § 90a HGB a.F. verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Einer vertraglichen Regelung, die dies ignoriert, haben die Zivilgerichte trotz bestehender Vertragsfreiheit die

heit als Ausschnitte der Vereinigungsfreiheit implizieren, daß der Staat die Akte der Verbandsgewalt grundsätzlich hinzunehmen hat. Diesem Toleranz­ gebot steht jedoch ein Interventionsgebot gegenüber, das ebenfalls aus Art. 9 Abs. 1 GG folgt. Die Verfassung enthält einen der Vereinigungsfreiheit im­ manenten Schutzauftrag an den Gesetzgeber wie an die Gerichte, die Funk­ tionsvoraussetzungen der Verbandsautonomie zu überprüfen und bei fehlen­ der Richtigkeitsgewähr herbeizufuhren92. Für die richterliche Kontrolle von Klauseln in Gesellschaftsverträgen und Satzungen gelten die für die Ver­ trags- und AGB-Kontrolle entwickelten Grundsätze mindestens entsprechend. Die Mitgliedschaft bringt stärkere Bindungen zwischen Mitglied und Ver­ band mit sich als ein bloß punktuell wirkender Austauschvertrag. Durch sei­ nen Beitritt unterstellt sich das Mitglied der Verbandsgewalt und leistet einen partiellen Verzicht auf eigene Rechte. Die Grundrechte wirken aber auf die Vertrags- wie auf die Verbandsordnung ein. Die Inhaltskontrolle ermöglicht neben den in der Verbandsordnung verankerten Mitgliederrechten eine Do­ mestizierung der Verbands- und Satzungsgewalt. Dennoch ist die richterliche Inhaltskontrolle nicht ohne Widerspruch geblieben93. In der Hauptsache be­ klagt man die Zurückdrängung der Vertragsfreiheit im Gesellschaftsrecht. Als vorzugswürdige Alternative wird auf das Austrittsrecht nach § 39 Abs. 1 BGB verwiesen, das im Körperschaftsrecht die Richtigkeitsgewähr der Sat­ zungsautonomie garantiere94. Das Austrittsrecht darf in diesem Zusammenhang freilich nicht überbe­ wertet werden. Es steht nicht in allen Verbänden rechtstatsächlich in dem Maße zur Verfügung, daß es seine Ersatzfunktion gegenüber einer Inhalts­ kontrolle voll zur Geltung bringen könnte95. Obwohl das Austrittsrecht satzungsfest ist, hat die Kautelarpraxis mannigfache Techniken entwickelt, die Austrittsfreiheit über die Austrittsfolgen faktisch stark einzuschränken. Das wichtigste Beispiel ist die Regelung der Abfindungshöhe bei den Han­ delsgesellschaften, die im Lichte der §§ 40, 723 Abs. 3 BGB zu ermitteln ist96. Daneben zeigt § 39 Abs. 2 BGB, daß die Austrittsfreiheit nicht Gefolgschaft zu versagen. Instrumentell geschieht dies durch eine Inhaltskontrolle, deren oberster Kontrollmaßstab die Verfassung ist, V.HOYNINGEN-HUENE, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, 1991, RdNr. 85 ff. - Im gleichen Sinne jetzt für existenzbedrohende Bürgschaftsverträge mittelloser Bürgen BVerfGE 89, 214 (229 ff.) = JZ 1994, 408 mit Anm. Wiedemann gegen BGH ZIP 1989, 629; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrs­ schutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 35 ff. 92 BVerfGE 81, 242 (256); Wiedemann JZ 1990, 695. 93 K.-P. Martens JZ 1976, 511 ff.; Reuter AG 1979, 321 ff.; Flume DB 1986, 629 (631); LORITZ JZ 1986, 1073 (1077 ff.). 94 So namentlich Reuter AG 1979, 321 (324 ff.). 95 M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 9 ff. 96 M. Becker (wie FN 95), S. 196 ff.

schlechthin unantastbar ist und daß für die danach zulässigen Einschrän­ kungen eine Überprüfung vorbehalten bleibt. Die Verweisung auf das Aus­ trittsrecht allein verengt die Rechtsbehelfe der Mitglieder auf die Abwande­ rung. Die Möglichkeit zur Abwanderung realisiert zwar die negative Verei­ nigungsfreiheit, liefert den Verband jedoch der u.U. gesetzwidrig handeln­ den Mehrheit aus, die nach Ausscheiden der Minderheit nach eigenem Gut­ dünken schalten und walten kann. Dieses Ergebnis wäre unvereinbar mit dem Verständnis der Gesellschafterrechte als zugunsten des Verbandes wir­ kendem Schutzschild. Abwanderung und Widerspruch haben komplementäre Funktionen, und die Inhaltskontrolle ist der Ebene des Widerspruchs zuzu­ ordnen. Die Ausübung von Mitgliederrechten der Widerspruchsebene setzt voraus, daß man eine innerverbandliche Opposition erhält. Deshalb ist die richterliche Inhaltskontrolle unverzichtbar. Der Charme der Inhaltskontrolle liegt darin, daß sie - im Gegensatz zu den meisten der herkömmlichen Gesellschafterklagen - keine aktionen­ rechtliche Fixierung kennt, an keine Fristen gebunden ist und keine beson­ dere Antragsbefugnis erfordert. Die Inhaltskontrolle zählt zu den equitable remedies des deutschen Rechts. Sie ermöglicht eine Rechts- und eine Billig­ keitskontrolle in bezug auf die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages sowie grundsätzlich aller Maßnahmen der Verbandsgewalt. In neuerer Zeit wächst sich die Inhaltskontrolle zu einer umfassenden verbandsrechtlichen actio negatoria aus. Ein Ende dieser Entwicklung ist einstweilen nicht absehbar. Die Inhaltskontrolle schaut ebenso wie die klassischen Gesellschafterrechte nach zwei Richtungen. Sie bezweckt den Individualrechtsschutz des Klägers, der das Verfahren in Gang bringt. Noch wichtiger ist indes ihre ordnungs­ politische Leistung für die gesamte Rechtsordnung. So war es der richter­ lichen Inhaltskontrolle vorformulierter Kommanditverträge vorbehalten, die Mindeststandards einer Kapitalmarktordnung für die Publikums-KG zu for­ mulieren97. Der im Verbandsrecht anzutreffende Umfang der Inhaltskontrolle über­ steigt das im übrigen Privatrecht bekannte Ausmaß, weil die Prüfung nicht bei Vertrags- oder Satzungsklauseln halt macht. Der richterlichen Inhalts­ kontrolle unterstehen namentlich bestimmte strukturprägende Maßnahmen in Gestalt von Beschlüssen oder Exekutivakten der Geschäftsführungsorgane. Diese untersucht die Rechtsprechung auf ihre besondere sachliche Berechti­ gung, an die sie um so strengere Anforderungen stellt, je schwerer ein Ein­ griff in die mitgliedschafts- und vermögensrechtliche Stellung der betroffe­

97 Siehe aus der Anfangszeit der Inhaltskontrolle im Gesellschaftsrecht BGHZ 64, 238 (241 ff.); 68, 212 (214).

nen Mitglieder wiegt98. Eine Maßnahme hält der richterlichen Inhaltskon­ trolle nur stand, wenn sie sich im Zeitpunkt ihrer Umsetzung auch bei ge­ bührender Berücksichtigung der Mitgliederinteressen durch sachliche, im Verbandswohl liegende Gründe rechtfertigen läßt. Diese Sachkontrolle ge­ wisser Mehrheitsentscheidungen führt die Verhältnismäßigkeitsprüfung ins Verbandsrecht ein und verbreitert den innerverbandlichen Rechtsschutz. Zu klären bleibt die Frage nach den Aufgreifkriterien für die Inhaltskon­ trolle99. Die Inhaltskontrolle im Vertragsrecht wird ausgelöst durch eine Un­ gleichgewichtslage der Partner, die die stärkere Partei in die Lage versetzt, die Vertragsbedingungen einseitig festzulegen. Hieraus resultiert eine ver­ minderte Selbstbestimmungsmöglichkeit des anderen Teils. Infolge des ge­ störten Vertragsschlußprozesses ist das Verhandlungsergebnis unausgewo­ gen. Die Ausgangslage im Verbandsrecht ist ähnlich, wenn sich das Mitglied einem vorgefundenen Statut unterstellt. Die für die Vertragskontrolle gelten­ den Aufgreifkriterien lassen sich ferner auf die Überprüfung der Maßnahmen der Verbandsgewalt übertragen. Im Verbandsrecht findet sich die Ungleich­ gewichtslage zwischen den Beteiligten gleichsam in institutionalisierter Form wieder. Die Mitgliedschaft in einem Personenverband mag durch Beitritts­ vertrag mit den anderen Gesellschaftern oder im Wege der Unterwerfung erlangt sein. Im ersten Fall ist das Mitglied Vertragsgesellschafter, im zwei­ ten Fall Satzungsgesellschafter100. Die Position des Satzungsgesellschafters entspricht im Vertragsrecht dem nicht voll ausgehandelten Vertrag, wobei die richterliche Inhaltskontrolle die Vertragsgerechtigkeit herstellt. Das amerikanische Gesellschaftsrecht gelangt zu ähnlichen Ergebnissen. Der richterlichen Inhaltskontrolle entspricht funktional die Lehre von der unconscionability, die Bestandteil des allgemeinen Vertragsrechts ist. Sie be­ sagt, daß ein Gericht einem Vertrag oder einzelnen seiner Bestimmungen die Durchsetzung versagen darf, sofern es diese bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses als unzumutbar (unconscionable) ansieht101. Im US-ameri­ kanischen Gesellschaftsrecht hat die Doktrin der unconscionability bisher nicht Fuß fassen können, wohl deshalb, weil bei der Corporation die ver­ tragsrechtliche Sichtweise gegenüber der organisationsrechtlichen in den Hintergrund getreten ist. Dennoch praktizieren die Gerichte eine allgemeine Inhaltskontrolle losgelöst vom Maßstab der unconscionability in Ausschöp­ fung ihrer equitable powers. Danach stehen Klauseln in Verträgen und Sat­ 98 BGHZ 71, 40 - "Kali+Salz"; eingehend Timm ZGR 1987, 403. 99 Hierzu Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 3 II 3a (S. 173). 100Zu dieser wichtigen Unterscheidung Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 299 ff., 403 ff. 101 Siehe Restatement 2d, Contracts § 208 (1981) oder Uniform Commercial Code § 2­ 302.

zungen unter dem Vorbehalt der equitable limitation. Hierin sieht man kei­ nen Konflikt zur Vertrags- oder Vereinigungsfreiheit, sondern im Gegenteil eine Funktionsbedingung für jene Gewährleistungen. Nach dem traditionellem amerikanischem Rechtsverständnis wird jede Art der Verbandsgewalt in trust gehalten und ist mit dieser Maßgabe aus­ zuüben102. Von diesen corporate powers ist im Interesse der Gesellschaft und aller Gesellschafter Gebrauch zu machen. Ihre Begrenzung durch das Trust­ prinzip wird als der notwendige Preis dafür empfunden, daß der Staat der Corporation überhaupt eine Selbstverwaltungsautonomie zugesteht. Es ist die selbstverständliche Aufgabe der Gerichte, die fiduziarischen Bindungen durch die fundamental equitable control durchzusetzen. Typischerweise ge­ schieht das im Wege einer derivative suit oder in einem Begehren um declaratory bzw. injunctive relief, ohne jedoch in einen starren Verfahrensrahmen eingezwängt zu sein. Ein wichtiges Anwendungsfeld der Inhaltskontrolle betrifft die Stimmbin­ dungsverträge oder die Gesellschaftervereinbarungen — vor allem in der close Corporation —, durch die vom gesetzlichen Organisationsleitbild der Corporation abgewichen wird und die Führung der Geschäfte von den Shareholders an Stelle des board of directors wahrzunehmen ist. Solche Ver­ einbarungen unterhalb oder außerhalb der Satzung sind grundsätzlich zuläs­ sig, sofern sie aus nachvollziehbaren Motiven getroffen werden, etwa wenn es für die Minderheit einen Bedarf gibt, sich gegen Majorisierungen zu schützen oder ihren Anspruch auf Vertretung in den gesellschaftsleitenden Gremien abzusichern, und der Übereinkunft keine zwingenden Gründe ent­ gegenstehen, wie die Aufhebung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft, die Benachteiligung außenstehender Gesellschafter, die Verkürzung von Gläubigerinteressen oder die Verletzung zwingenden Gesetzesrechts103.

V. Effizienzbewertung Die unterschiedlichen Modelle, nach denen die Aufsicht über Verbände organisierbar ist, fordern eine Effizienzbewertung heraus. Wo das privat­ rechtliche und das öffentlich-rechtliche Aufsichtsmodell in Wettbewerb zu­ einander treten, liegt das entschieden größere Potential in der privatrechtlich vermittelten Aufsicht. Dies bestätigen die Erfahrungen des deutschen wie des 102 Grundlegend Berle, Corporate Powers as Powers in Trust: 44 Harv.L.Rev. 1049 ff. (1930/31). 103 Aus einer langen Serie von Entscheidungen siehe nur Clark v. Dodge, 199 N.E. 641 (N.Y. 1936); Galler v. Galler, 203 N.E.2d 577, 584 (111. 1964, reh.den. 1965); Zion v. Kurtz, 405 N.E.2d 681 (N.Y. 1980) alle mit Nachweisen.

amerikanischen Rechts. Die Umsetzung dieser Erfahrungen ist gegenwärtig gefordert beim Ausbau des Kapitalmarktrechts, insbesondere bei der Insider­ gesetzgebung. Mit der Schaffung einer Kapitalmarktaufsichtsbehörde sind nicht alle Probleme zu lösen. Die behördlichen Eingriffsrechte können ihre volle Wirksamkeit erst entfalten, wenn sie durch private Rechtsbehelfe flan­ kiert sind. Dies mag geschehen, indem man solchen Personen, deren Schutz die Aufsicht dient, Ansprüche gegen die Aufsichtsbehörde einräumt, sofern diese ihre Aufgaben nicht gehörig erfüllt. Hierin läge aber nur eine indirekte Mobilisierung des primären Aufsichtsträgers über § 839 oder § 823 Abs. 2 BGB. Entschieden wirkungsvoller erscheint demgegenüber die direkte Zulassung gleichgerichteter privater Klagerechte neben den behördlichen Interventions­ befugnissen. Zu diesem Prinzip bekennt sich das amerikanische Recht mit Nachdruck im Wettbewerbs-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Ver­ stöße gegen das Verbot des Insiderhandels nach Rule 10b-5104 hat die SEC zu ahnden. Die Rechtsprechung hat jedoch zusätzlich dem Anleger als Schutzadressaten der Securities Acts Ansprüche zugestanden und zwar aus eigenem Recht wie aus dem Recht der Gesellschaft104 105. Mit den gleichen Erwägungen wurde aus Rule 14a-9106 eine ungeschriebene Anspruchs­ grundlage (implied cause of action) abgeleitet107. Die Begründung der amerikanischen Gerichte lautete übereinstimmend, daß die Befugnisse der SEC alleine nicht hinreichen, um alle Verletzungen der Kapitalmarktgesetz­ gebung zu verfolgen. Die Behörde mag Verstöße als nichtahndungswürdig betrachten, während der geschädigte Anleger gleichwohl zu seinem Recht kommen will. In Deutschland ist diese Doppelgleisigkeit der Aufsicht im Wettbewerbsrecht anzutreffen. § 35 GWB sowie §§13, 19 UWG erkennen private Klagebefugnisse zurückgesetzter Konkurrenten an. Im Verbandsrecht vertragen sich die privatrechtlichen Aufsichtsbefugnisse der Mitglieder am besten mit der Gewährleistung des Art. 9 Abs. 1 GG. Die Vereini­ gungsfreiheit beinhaltet geradezu einen Vorrang dieser Aufsichtsform. Die bewußte Instrumentalisierung Privater zur Rechtsverfolgung im öffentlichen

10417C.F.R. §240.10b-5. ^Kardon v. National Gypsum Co., 69 F.Supp. 512 (E.D.Pa. 1946), 73 F.Supp. 798 (E.D.Pa. 1947), 83 F.Supp. 613 (E.D.Pa. 1947); Superintendent of Insurance v. Bankers Life & Casualty Co., 404 U.S. 6, 92 S.Ct. 165 (1971). 10617C.F.R. §240.14a-9. 107J.I. Case Co. v. Borak, 377 U.S. 426, 84 S.Ct. 1555 (1964); Mills v. Electric AutoLite Co., 396 U.S. 375, 90 S.Ct. 616 (1970); aus neuerer Zeit Virginia Bankshares, Inc. v. Sandberg, 501 U.S. 1083, 111 S.Ct. 2749 (1991).

Interesse108 ist daher kein Widerspruch in sich, sondern die List der Idee der Mitgliederrechte überhaupt.

108Vgl. hierzu die in Deutschland wenig beachtete rechtsvergleichende Untersuchung von Buxbaum, Die private Klage als Mittel zur Durchsetzung wirtschaftspolitischer Rechts­ normen, 1972; ferner Homburger/Kötz, Klagen Privater im öffentlichen Interesse, 1975 sowie Koch, Prozeßführung im öffentlichen Interesse, 1983.

§ 5 Der Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Leitung von Gesellschaften Im vorangehenden wurde gezeigt, daß die Dienstbarmachung von Gesell­ schafterrechten für die Aufsicht über Verbände und ihre Leitungsorgane ent­ scheidende Vorteile zu bieten hat. Aufsichtskosten werden internalisiert, da sich keine externe Instanz dieser Aufgabe annimmt. Die Mitglieder haben ein natürliches Interesse an der Wahrnehmung dieser Aufgabe und bedürfen keiner zusätzlichen Motivation. In der Regel verfügen die Mitglieder über eine ausreichende Informationsbasis. Die Einsichts- und Auskunftsrechte sind integraler Bestandteil dieses Kontrollkonzepts. Dieser Befund besitzt Gültigkeit für das amerikanische wie für das deutsche Recht. Die Individualund Klagerechte der Gesellschafter sind der effizienteste Weg, um die Ein­ haltung der der Verwaltung oder einem beherrschenden Gesellschafter oblie­ genden Pflichten in der Gesellschaft zu erzwingen.

L Der privatrechtliche Anspruch des Mitglieds auf gesetzesund statutenkonforme Verwaltung Im deutschen Recht gibt es eine starke Strömung, die meint, daß die Ge­ sellschafterrechte der Leitung der Gesellschaft entgegengesetzt seien und die Verbandsordnung eher stören1. Die Gesellschafterrechte werden für Effi­ zienzverluste vor allem in der Führung von Handelsgesellschaften verant­ wortlich gemacht. Aufgabe der Verwaltung sei die Wohlfahrtsmehrung der Gesellschaft und nicht die Abwehr lästiger Gesellschafterklagen. Mit solchen und ähnlichen Argumenten will man die Gesellschafterrechte zurückdrängen und gegen die Funktionsfähigkeit der Gesellschaften ausspielen2. Gesell­ schafterrechte und Verbandsordnung werden in eine Gegensatzbeziehung ge­ bracht, die ihnen tatsächlich nicht eigen ist. Denn ein voraussetzungsgemäß 1 Es entsprach einem tiefverwurzelten Mißtrauen und Vorurteil gegenüber den Indivi­ dualrechten, daß man diese als Einfallstore für Berufsopponenten und Querulanten ange­ sehen hat. Daher sollten diese Rechte weitgehend zurückgedrängt und umgekehrt die Stel­ lung der Verwaltungen gestärkt werden, vgl. SCHUBERT/HOMMELHOFF, Hundert Jahre mo­ dernes Aktienrecht, 1985, S. 101 ff. Diesen Befürchtungen ist die Einführung der actio pro socio im Aktienrecht und später im GmbH-Recht zum Opfer gefallen. Heute hat sich das Recht der Körperschaften jedoch als so stabil erwiesen, daß man in diesem Sinne mehr Ver­ bandsdemokratie wagen und dem einzelnen Mitglied mehr Mitwirkungsrechte zugestehen darf. 2 Im deutschen Recht zeigt sich dies u.a. bei den rechtsmißbräuchlichen Anfechtungs­ klagen, siehe BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler". Dem entspricht im amerikanischen Gesell­ schaftsrecht die Figur der strike suit.

ausgeübtes Recht kollidiert nicht mit der Leitung der Gesellschaft oder der Verbandsordnung, weil es deren Bestandteil ist. Die Verbandsordnung läßt die Ausübung solcher Rechte nur in dem Maße zu, als dies zur Erreichung des Gesellschaftszweckes beiträgt. Die subjektiven Rechte der Mitglieder stehen gleichberechtigt neben dem Leitungsanspruch der Verwaltung. Beide finden in der Verbandsordnung ihre Grundlage wie ihre Grenze. Einem miß­ bräuchlichen Einsatz von Gesellschafterrechten ist nicht durch Abschaffung oder Einschränkung zu begegnen, sondern durch eine zweckentsprechende Rechtsanwendung im Einzelfall. Die Frage nach dem Verhältnis von Mitgliedschaftsrechten und Ver­ bandsordnung berührt das Selbstverständnis der privaten Personenzusam­ menschlüsse. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen dabei nicht die Stif­ tung oder die Anstalt mit ihrem verwaltungszentrierten Verfassungsaufbau, sondern die Willensbildung durch Mitglieder. Die Mitglieder sind keine Ob­ jekte der Verbandsgewalt, denen subjektive Rechte von Dritten zugewiesen sind, sondern die originären Träger der Verbandsgewalt. Dieses Verständnis ist durch die Garantie der Vereinigungsfreiheit vorgezeichnet. Das Bestim­ mungsrecht der Mitglieder wird nicht nach dem Vollzug des Gründungsaktes durch einen allumfassenden Leitungsanspruch der Verwaltung verdrängt. Die Beziehung auf die Mitglieder und deren Bestimmungsrecht ist ein durchge­ hendes Strukturprinzip der privaten Personenzusammenschlüsse. Sie bewir­ ken insbesondere bei der Aktiengesellschaft deren Zuordnung zum Privat­ recht. Die Synthese für das reibungslose Nebeneinander von Rechten der Mit­ glieder und Leitungsanspruch der Verwaltung ist für das deutsche Verbands­ recht schon vor über 100 Jahren dem Reichsoberhandelsgericht3 gelungen. Für die Aktiengesellschaft formulierte das Gericht, daß jeder Aktionär unab­ hängig von der Höhe seiner Beteiligung um der Gesellschaft und seiner Mit­ gliedschaft willen einen Anspruch auf gesetzes- und statutengemäße Betäti­ gung des Gesellschaftswillens habe. Dieser fundamentale Rechtssatz des pri­ vaten Verbandsrechts ist erst spät wiederentdeckt worden4. Sein ordnungs­ politischer Gehalt trägt weit. Er vereinigt diese zwei vermeintlich gegenläu­ figen Komponenten. Gesetz- und statutenkonforme Verwaltung von Verbän­ den meint zunächst ein organisationsrechtliches Prinzip und einen konkreten Handlungsauftrag an diejenigen, die den Verbandswillen bilden oder ausfüh­ 3 ROHG 20.10.1877, ROHGE 23, 273 (275 ff.); - 9.9.1879, ROHGE 25, 307 (310 ff.). 4 Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 7 ff.; Knobbe-Keuk, Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 239 ff.; Stauber, Das Recht des Aktionärs auf gesetz- und statutenmässige Verwaltung, Zürich 1985, S. 7 ff.; zweifelnd Zöllner ZGR 1988, 392 (421), der von einem angeblichen Recht spricht.

ren. Die Verpflichtung zu gesetzes- und satzungsgemäßer Verwaltung be­ grenzt alle Organkompetenzen. Das Reichsoberhandelsgericht vermied es mit Vorbedacht, eine Formel mit dem Charakter eines bloßen Programmsatzes aufzustellen und versah sie durch die Einkleidung in eine Anspruchsposition unmittelbar mit einem Durchsetzungsmechanismus. Darin liegt die subjektiv­ rechtliche Komponente. Das Mitglied, das auf ordnungsgemäße Verwaltung dringt, handelt nicht gegen die übrigen Organe und die Verbandsordnung, sondern in ihrem Sinne. Die Anspruchgsposition des Aktionärs als subjektiv­ korporatives Recht5 verdeutlicht den Bezug der Pflichtbindung der Verwal­ tung. Maßnahmen innerhalb dieser Grenzen gilt es zu ergreifen, spiegelbild­ lich sind Maßnahmen, die außerhalb dieses Rahmens liegen, zu unterlassen. Die Umsetzung ist Aufgabe des Verfahrensrechts. Der Anspruch auf gesetzund statutengemäße Verwaltung wird mit Recht als das materiellrechtliche Substrat der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen bei der Akti­ engesellschaft angesehen6. Das Reichsoberhandelsgericht hat den Grundsatz allerdings ohne aktionenrechtliche Vorgaben definiert. Die verfahrensrecht ­ liche Einkleidung in eine Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptver­ sammlung war das Produkt der nachfolgenden Gesetzgebung. Das Gericht wollte sein Postulat jedenfalls nicht auf die Bekämpfung fehlerhafter Haupt­ versammlungsbeschlüsse begrenzt wissen. Der Satz des Reichsoberhandelsgerichts bedarf der Präzisierung. Mit der Bezugnahme auf Gesetz und Statut sind zwei Fixpunkte gewählt, die den Handlungsrahmen der Korporation abstecken. Die Begrenzung der Betäti­ gung des Gesellschaftswillens und der Verbandsgewalt durch die staatlichen Gesetze verlangt die Unterordnung der privaten Verbände unter die höher­ rangigen Normen des Staates, dem die Korporationen ihre Existenz sowie ihre Autonomie zu verdanken haben. Staatliche Interventionsbefugnisse wie die aus § 396 AktG oder nach dem Gewerberecht (§ 35 GewO) geben dieser Gebundenheit Ausdruck. Die Verwaltung im Einklang mit den Statuten trägt dem Umstand Rechnung, daß die Verbände bezüglich ihres Wirkenskreises verbindliches Recht setzen können, das rechtsnormähnliche Wirkungen ent­ faltet und keine Relativierungen durch interessenopportunistische Erwä­ gungen verträgt. Ein verbandsrechtswidriger Akt behält diesen Charakter, selbst wenn ein rechtswidriger Zustand der Gesellschaft nützlich ist oder die Durchführung einer an sich rechtswidrigen Maßnahme sittlich geboten er­ 5 Zur Umgießung des objektivrechtlichen Prinzips in eine Anspruchsgrundlage und den damit verbundenen Problemen näher M. Becker ZHR 152 (1988), 603 (604). 6 HÜffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, RdNr. 6 vor §241.

scheint7. Gerade bei den Handelsgesellschaften besteht eine Neigung, von diesen Vorgaben abzuweichen, weil man glaubt, so flexibler auf wettbe­ werbsbedingte Anpassungszwänge reagieren zu können. Die rechtlichen Bin­ dungen werden als Hemmschuh für die betriebswirtschaftliche Effizienz der Unternehmensführung empfunden. Typisches Erscheinungsbild ist die Verla­ gerung der Geschäftstätigkeiten außerhalb des Unternehmensgegenstandes. Dies muß kein Aktionär hinnehmen8. Andererseits könnte jedoch eine gehö­ rige Mehrheit solche Akte ratifizieren und einer Klage hierdurch ihre Grundlage nehmen. Wiewohl der Anspruch auf gesetzes- und statutengemäße Verwaltung dem Aktionär zugestanden wurde, kann kein Zweifel darüber herrschen, daß es sich in Wahrheit um einen Grundsatz des allgemeinen Verbandsrechts han­ delt. Er gilt unabhängig davon, ob die Mitgliedschaft Vermögenswert besitzt oder nicht, und er gilt für Personenverbände im weiteren Sinne9. Das Recht zur Beanstandung nichtgehöriger Geschäftsführungsmaßnahmen folgt für das Mitglied aus seiner Mitgliedschaft und für die Organwalter aus ihrer Amts­ stellung10. Die Idee der Gesellschaft beruht darauf, daß die Mitglieder Mittel - ins­ besondere Kapital, Dienst- und Sachleistungen - aufbringen, die der Errei­ chung eines im Gesellschaftsvertrag gemeinschaftlich vereinbarten Zweckes gewidmet sind. Die Zweckabrede bindet die Mitglieder und die von ihnen bestellte Verwaltung. Die Gebundenheit der Mitglieder hat zur Geschäfts­ grundlage, daß diese Maßgaben eingehalten werden. Unterbleibt das, steht jedem Mitglied eine actio negatoria zu11. Die Begründung liegt im Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung, der zugleich die gehörige Erfüllung des Gesellschaftsvertrages darstellt. Daneben bedarf es keines

7 RGZ 40, 33 (35). 8 BGHZ 83, 122 — “Holzmüller". 9 Er schließt also die Wohnungseigentümer- oder die Bruchteilsgemeinschaft ein (§21 Abs. 4 und 5 WEG, § 745 Abs. 1 BGB). Allgemein gilt für die Willensbildung und für die Verwaltung, daß eine Mehrheit die Minderheit nicht wirksam zu binden vermag, sofern sie eine nichtordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme beschließt, vgl. OLG Düsseldorf NJWRR 1987, 1256; MünchKomm-KARSTEN Schmidt, BGB, 2. Aufl. 1986, §§ 744, 745 RdNr. 23 ff. 10 Vgl. § 245 AktG. Zur gegebenenfalls bestehenden Pflicht der Verwaltungsmitglieder zum Einschreiten BAUMBACH/HUECK, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, § 245 RdNr. 6 a.E. 11 So bereits ROHGE 25, 307 (311), wo anklingt, daß es sich nicht bloß um einen Auf­ hebungsanspruch hinsichtlich des rechtswidrigen Beschlusses handelt, sondern daß auch die allfälligen Folgen zu beseitigen sind, die aufgrund der Ausführung eines solchen Beschlusses bestehen. Das Beschlußanfechtungsrecht bleibt ohne Folgenbeseitigungsanspruch, der in Einzelklage zu verfolgen ist, unvollkommen; ebenso schon ROHGE 23, 273 (276).

Rückgriffs mehr auf die gesellschaftliche Treupflicht, die selbst keine heuri­ stischen Maßstäbe liefert12. Der besagte Anspruch und das hinter ihm stehende Kontrollpotential va­ riieren zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch, je nach der Stellung des Ge­ sellschafters und seinem Gewicht in der Gesellschaft. Sofern ein Mitglied selbst Leitungsbefugnisse wahrnehmen kann, ist sein Bedürfnis nach Erzwin­ gung einer gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung unter Einschaltung externer Instanzen geringer. Das trifft besonders auf die Personalgesell­ schaften zu. Dies ändert sich jedoch in dem Maße, in dem ownership und control auseinanderfallen. Bei den Personengesellschaften hat jeder Gesell­ schafter ein Widerspruchsrecht gegen außergewöhnliche Betriebsgeschäfte (§ 116 Abs. 2 HGB). Das Personengesellschaftsrecht ist andererseits der Ort, wo sich das Einzelklagerecht des Gesellschafters in Gestalt der actio pro socio etabliert hat13. Um wieviel eher verdient dann die Einzelklage, die eine gesetzes- und statutenkonforme Leitung im Bereich der Verwaltungsbefug­ nisse erzwingt, ihren Platz im Recht der Körperschaften, die auf dem Prinzip der Trennung von ownership und control aufbauen, und wo das Wider­ spruchsrecht fehlt?

II. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Rechtsstaatsprinzip im Verfassungsrecht Der verbandsrechtliche Anspruch auf gesetzes- und satzungsgemäße Ver­ waltung findet eine Entsprechung in der Staatsverfassung. Der vom Reichs­ oberhandelsgericht für das Recht der privaten Personenverbände anerkannte Anspruch erscheint als das Pendant zur Gesetzesbindung der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG. Ein Seitenblick in das Verfassungsrecht erbringt wichtige Rückschlüsse für das private Verbandsrecht, zumal die ganze Dis­ kussion im öffentlichen Recht stets stärker unter Einbeziehung des Verfah­ rensrechts geführt wurde. Im öffentlichen Recht erscheint überdies das Be­ wußtsein dafür stärker ausgeprägt zu sein, daß alle Fragen, die um Rechts­ schutzmodelle, Verfahrensarten oder den Umfang von Klagebefugnissen kreisen, in der Sache über die Intensität der gerichtlichen Kontrolldichte ent­

12 So aber die Rechtsprechung zur Einzelklagebefugnis im GmbH-Recht, vgl. BGHZ 65, 15 - "ITT” = (ausführlicher) NJW 1976, 191 mit Anm. Ulmer. 13 Zur Entwicklungsgeschichte statt vieler A. HUECK, Das Recht der offenen Handels­ gesellschaft, 4. Aufl. 1971, S. 271 ff. mit umfänglichen Nachweisen.

scheiden. Trotz aller Unterschiede weisen Staatsverfassung und Korpora­ tionsverfassung gerade in diesem Punkte eine instruktive Parallele auf14. Unter dem Blickwinkel der Einheit der Rechtsordnung ist es nicht ausge­ schlossen, die Lösung verbandsrechtlicher Fragestellungen unter Zuhilfe­ nahme des Verfassungsrechts und umgekehrt in Angriff zu nehmen15. Die beiden Rechtsgebiete stehen im Austausch miteinander, doch dürfen die ele­ mentaren Unterschiede zwischen Staats- und Verbandsrecht niemals außer Blick geraten. Im Verfassungsrecht gibt es ebenfalls ein Nebeneinander von Organisationsrecht und den Grundrechten als Individualbürgerrechte. In beidem liegt eine Begrenzung hoheitlicher Befugnisse, einmal durch die kom­ petenzfestlegende Wirkung des Staatsorganisationsrechts, zum anderen durch die Definition von Freiheitssphären in Gestalt der Grundrechte. Im Grund­ gesetz rangieren die Grundrechte mit Absicht vor den Regeln der Staatsorga­ nisation. Die Grundrechte und das Staatsorganisationsrecht konstituieren die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes. Diese Konzeption schließt es ebenso wie im Verbandsrecht aus, daß man in den Grundrechten nur et­ was der Staatsführung Lästiges sieht. Das Verfassungsrecht stellt den Grundrechten und den Regeln über die Staatsorganisation Klagerechte zur Seite, die deren Durchsetzung gewährlei­ sten. Die Klagerechte des Bürgers machen ihn auch zum Wächter über die Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit der Betätigung der staatlichen Gewalten. Nach § 42 Abs. 2 VwGO, § 90 BVerfGG eröffnet die Verletzung subjektiv­ 14 Zu dem immer wieder bemühten Vergleich zwischen Staatsverfassung und dem orga­ nisatorischen Aufbau der Aktiengesellschaft etwa U.H. Schneider, Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 727 (734 ff.) m.w.N. sowie der Mitbestimmungsbericht, BT-Drucks. VI/334 Teil IV A II 3 (Rz. 22 ff.). 15 Für die Gleichbehandlung der Aktionäre lange vor der Kodifizierung in § 53a AktG bereits RGZ 41, 97 (99); 52, 287 (293 ff.); 62, 56 (60); 80, 81 (85); G. HUECK, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 35 ff. für die Personen­ gesellschaften, S. 44 ff. bezüglich der Körperschaften. Für das Verhältnismäßigkeitsgebot bei Eingriffen in die Rechtsstellung der Aktionäre aus Anlaß des Bezugsrechtsausschlusses BGHZ 71, 40 - "Kali4-Salz". - Ein weiteres Beispiel für die Entsprechungen zwischen zi­ vilem Verbandsrecht und Staatsrecht bilden die Verfassungsstreitigkeiten. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG kann ein Organ (z.B. der Bundestag) oder Organteile i.S.v. ständigen Untergliederungen (wie z.B. Fraktionen oder ständige Aus­ schüsse) den Umfang von Rechten und Pflichten anderer vom Grundgesetz mit eigenen Rechten ausgestatteter Beteiligter geltend machen. Eine Fraktion des Bundestages kann dem­ nach, wenn der Bundestag als oberstes Bundesorgan übergangen wird, dessen Rechte geltend machen. Der einzelne Abgeordnete hat für das Parlament keine Organstreitbefugnisse, son­ dern kann in diesem Verfahren lediglich die Verletzung eigener Rechte rügen, zum Ganzen eingehend Umbach, in: Festschrift für Zeidler, Band II 1987, S. 1235 (1252 ff.); BVerfGE 80, 188 (208 ff.) - "Wüppesahl". Organstreitverfahren werden jetzt auch für die privaten Verbände diskutiert, vgl. BGHZ 106, 54 - "Adam Opel". Das öffentliche Recht tut sich weniger schwer, die partielle Rechtsfähigkeit bzw. Parteifähigkeit von Organen oder Or­ ganteilen anzuerkennen, wohl nicht zuletzt, weil dies heute gesetzlich geregelt ist und weil diese Verfahren im öffentlichen Recht auf eine längere Tradition zurückblicken können.

öffentlicher Rechte die Klagebefugnis. Im Verbandsrecht fehlt diese Be­ schränkung. Hier existiert viel eher die auf die Verbandssphäre begrenzte Popularklage. Der Kläger muß keine Verletzung in eigenen Rechten dar­ legen16. Dem Anspruch auf Einhaltung der gesetzlichen und statutarischen Be­ stimmungen des Mitglieds in den privatrechtlichen Verbänden entspricht auf der Ebene der Staatsverfassung die Bindung der staatlichen Gewalten an die verfassungsmäßige Ordnung. Diese Entsprechung ist kein Zufall, sondern ist auf den Werdegang des gesamten Verbandsrechts im 19. Jahrhundert zu­ rückzufuhren. Die Verbandsrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts legte ein gemeinschaftliches Fundament für die Verbände des öffentlichen Rechts wie des Privatrechts17. Die Konstitutionalismusbewegung des 19. Jahrhunderts strebte nach einer Begrenzung von Machtstellungen durch Bindung an eine Verfassung. Namentlich die Frage der Domestizierung von Machtstellungen ist dem Staats- und dem Gesellschaftsrecht gemeinsam. Privatrechtliche und staatsrechtliche Rechtsstaatlichkeit besitzen eine duale Ausrichtung. In objektivrechtlicher Hinsicht wird mit dem Postulat der gesetzes- und statutengemäßen Verwaltung ein elementarer Standard des inneren Verbandsorganisationsrechts eingeführt. Seine Einkleidung in eine Anspruchsposition wirkt daneben unmittelbar rechtserzeugend. Verletzt die Verwaltung der Korporation diesen Anspruch, schuldet sie Schadensersatz und kann aus dem Amt entfernt werden. Der Inhaber des Anspruchs darf diese Sanktionen durchsetzen. Bei den privatrechtlichen Korporationen sind die subjektiv- und die objektivrechtliche Seite der Anspruchsposition von vornherein als Einheit gesehen worden. Für das Staatsrecht gilt heute das­ selbe, doch ist die Entwicklung dorthin anders verlaufen. Im Verfassungs­ recht war lange ungewiß, ob die Gesetzesbindung der Verwaltung subjektiv­ öffentliche Rechte erzeugt oder ob sie nur von den Staatsorganen zu erzwin­ gen ist. In Deutschland war diese Frage auf das engste mit dem Ringen um die Reichweite der Verwaltungsgerichtsbarkeit verbunden. Erst die Subjektivierung hat dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip und der Gesetzesbindung der Verwaltung zur vollen Entfaltung verholfen18. 19 Die sog. Elfes-Doktrin19 be­ wirkt, daß die Gesetzesbindung der Verwaltung oder die Verhältnismäßigkeit hoheitlicher Akte von jedem betroffenen Bürger im Verwaltungsrechtsweg oder hilfsweise mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden 16 Vgl. nur § 245 AktG; anders aber für den Verbandsorganstreit BGHZ 106, 54 "Adam Opel". 17 O. Bähr, Der Rechtsstaat, 1864 (2. Neudruck 1969), S. 18 ff., 47 ff.; umfassend Giercke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887. 18 Zum Ganzen näher Bleckmann JöR 36 n.F. (1987), 1 (4 ff.) mit Nachweisen. 19 BVerfGE 6, 32 = JZ 1957, 167 mit Anm. DÖRIG.

kann. Entscheidend hierfür war der Brückenschlag von der Bindung an Ver­ fassung und Gesetz in Art. 20 Abs. 3 GG zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG, die den Begriff der verfassungsmä­ ßigen Ordnung als gemeinsamen Bezugspunkt aufweisen. Seit der Elfes-Ent­ Scheidung gilt, daß jeder Bürger einen subjektiv-öffentlichen Anspruch dar­ auf hat, nicht durch hoheitliche Maßnahmen belastet zu werden, die nicht in formeller wie in materieller Hinsicht mit der verfassungsmäßigen Ordnung in Einklang stehen. Dieser Abwehranspruch gegen verfassungswidrige Ho­ heitsakte wurzelt in Art. 2 Abs. 1 GG. Die Konkretisierung der allgemeinen Handlungsfreiheit wie der verfassungsmäßigen Ordnung hat eine beträcht­ liche Erweiterung des Verwaltungsrechtsschutzes wie der Verfassungsbe­ schwerdebefugnis zur Folge. Diese Entwicklung hat man als Krönung des Grundrechtsschutzes bezeichnet20. Die Rügbarkeit von Verstößen gegen das Staatsorganisationsrecht räumt dem Bürger als Betroffenem eines ihn bela­ stenden Hoheitsaktes eine ähnliche Stellung ein wie im Verbandsrecht: Er verteidigt auf der einen Seite seinen Status negativus und dringt gleichzeitig auf die gesetz- und verfassungsmäßige Ausübung hoheitlicher Gewalt21. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinigt den Vor­ rang und den Vorbehalt des Gesetzes. Auch hierfür existieren vergleichbare Strukturen im Verbandsrecht. Vorrang des Gesetzes meint, daß Verwal­ tungsmaßnahmen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen dürfen. Das gilt entsprechend im privaten Verbandsrecht, das ebenfalls eine Hierarchie für Normen kennt. An deren Spitze steht das Grundgesetz sowie das EG-Recht, das immer mehr auf das nationale Gesellschaftsrecht einwirkt. Dahinter ran­ gieren die staatlichen Gesetze. Auf der nächsten Hierarchiestufe stehen die Bestimmungen der Satzung. Darauf folgen die Beschlüsse der Mitgliederver­ sammlung sowie der übrigen Organe im Rahmen der jeweiligen Zuständig­ keiten und schließlich das Verbandsgewohnheitsrecht 22. Eine Rechtmäßig­ keitsprüfung auf jeder Stufe muß die Vorgaben der nächsthöheren beachten. - In den privaten Verbänden gibt es schließlich einen Gesetzesvorbehalt dergestalt, daß die Handlungen der Verwaltung einer Ermächtigungsgrund­ lage bedürfen. Er erstreckt sich auf Eingriffe in die Rechte der Mitglieder

20 Kunig, in: v.Münch/Kunig (Hrsg.), Komm.z.GG, 4. Aufl. 1992, Art. 2 RdNr. 24 mit Nachweisen. 21 Für den Verwaltungsprozeß standen sich zwei Ansichten gegenüber. Die eine sieht den Kläger als Funktionär im Dienste der Gesamtrechtsordnung, so Niese JZ 1952, 353 (356) ihm folgend Naumann DVB1. 1952, 695. Nach der anderen Auffassung dient die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage nur dem Interesse des Klägers an der Beseitigung behördlichen Unrechts, so Bettermann DVB1. 1953, 163 und BVerwGE 3, 258 (263). 22 Auch Observanz genannt, siehe MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 25 RdNr. 2 mit Nachweisen.

wie die Einziehung von Aktien, der Ausschluß aus der Gesellschaft oder die Ausschließung des Bezugsrechts. Die gewährende Verwaltung - etwa die Ausschüttung einer Dividende - unterliegt denselben Beschränkungen.

III. Rechtsvergleichende Perspektiven Im amerikanischen Verbandsrecht haben diejenigen, die die Individual­ rechte der Gesellschafter bei der Corporation oder bei der partnership in Ge­ gensatz zur Verbandsordnung zu stellen versucht haben, nie die Oberhand erhalten. Trotz der starken Stellung der SEC haben die Gesellschafterrechte ihren unverrückbaren Platz. Wichtigster Kontrollrechtsbehelf des Mitglieds der Corporation und der partnership ist die derivative suit. Wie bei der An­ fechtungsklage im deutschen Recht sind bei der derivative suit Mißbräuche vorgekommen. Doch hat dies weder bei den Gerichten noch beim Gesetzge­ ber Bestrebungen geweckt, die Kontrollrechte der Gesellschafter zu be­ schneiden oder durch einschränkende Auslegung zu stumpfen Waffen ver­ kommen zu lassen. In den USA existiert kein Obersatz der Abstraktionshöhe des Reichsober­ handelsgerichts, auf welchen man die Gesellschafterrechte in der Corporation und der partnership systematisch zurückführt. Das Einzelklagerecht des shareholder (derivative action), das gemessen an der Häufigkeit seines Vor­ kommens der Beschlußanfechtungsklage im deutschen Recht entspricht, wurde von der equity-Rechtsprechung als Gegengewicht zur Leitungsgewalt des board of directors und zum Entscheidungsrecht der Mehrheit entwickelt. Die derivative suit ist das verfahrensrechtliche Instrument zur Durchsetzung der fiduciary duties. Denn Mehrheitsentscheid der shareholder und Leitungs­ gewalt des board of directors können den Willen der Corporation nicht mehr ordnungsgemäß bilden oder ausführen, wenn sie außerhalb der korporations­ verfassungsrechtlichen Grundlagen handeln, also gegen die staatlichen Ge­ setze, das certificate of incorporation oder die by-laws verstoßen. Durch die derivative action sind alle Formen des breach of trust justitiabel. Nach dem zuletzt Gesagten liegen die Konzeptionen der Gesellschafter­ kontrollrechte in Deutschland und den USA sehr nah beieinander. Zwei Ge­ sichtspunkte durchziehen die Rechtsprechung der amerikanischen Gerichte wie ein roter Faden. Zunächst betont man die Pflicht von Verwaltung und Majorität zu formell und materiell ordnungsgemäßer Führung der Corpora­ tion. Damit verbunden ist eine Befugnis des Gesellschafters, diese Pflicht er­ satzweise für die Gesellschaft zu erzwingen23. Im amerikanischen Recht ist 23 Dies ist im US-Korporationenrecht anerkannt seit dem Grundsatzurteil zur derivative action in Dodge v. Woolsey, 18 Howard 331, 1 U.S. 284, 292 aus dem Jahre 1855. Die Ent-

der Rechtsbehelf verwaltungsbezogen, im deutschen Recht war seine Stoß­ richtung lange Zeit auf die Hauptversammlung gelenkt. Nach amerika­ nischem Rechtsverständnis hat der Gesellschafter das Recht, aus dem Recht der Corporation und zu deren Gunsten vorzugehen. Die deutsche Rechtspre­ chung verhält sich in diesem Punkte, der auch verfahrensrechtlich bedeutsam ist, schwankend. Während das Reichsoberhandelsgericht von einem An­ spruch des Gesellschafters ausging, judizierte das Reichsgericht später, daß, wenn in wichtigen Gesellschaftsangelegenheiten die Mitwirkung der Haupt­ versammlung gefordert sei, die Gesellschaft, und nicht bloß ein einzelner Aktionär, ein absolutes Recht auf Befassung dieses Organs habe24. Der Bun­ desgerichtshof hingegen sieht die Rechte des einzelnen Aktionärs verletzt, wenn der Vorstand eine Maßnahme ohne die gebotene Zustimmung der Hauptversammlung trifft, und hält ihn aus eigenem Recht für klagebefugt25. Alle Ansätze ermöglichen es, ein pflichtwidriges Verhalten gegenüber der Gesellschaft zu korrigieren. Dennoch laufen sie auf diametrale prozessuale Lösungen hinaus, da schon die Rechtsstellung des Gesellschafters in bezug auf den jeweils zu verfolgenden Anspruch verschieden ist. Die amerikanische Rechtsprechung hat das Verhältnis von Gesellschafts­ recht und Prozeßrecht für die derivative suit dahingehend geordnet, daß dem Verfahrensrecht nur eine dienende Rolle zufällt, es also nicht über die Be­ rechtigung des Anspruchs entscheiden darf. Der leading case ist Dodge v. Woolsey aus dem Jahre 185526. Der Supreme Court führt aus, daß ein Akt, der ohne Grundlage in der Verfassung der Corporation ist, diese nicht zu binden vermag und daß der Rechtsweg zu den Gerichten der equity für jeden Gesellschafter offensteht, wenn dargetan ist, daß die Corporation von ihren Befugnissen Gebrauch macht, um außerhalb der Satzung liegende Ziele zu verfolgen. In der Sache läuft dies auf einen Anspruch jedes shareholder auf gesetzes- und satzungsgemäße Verwaltung, wie ihn das Reichsoberhandels­ gericht postuliert hat, hinaus, doch vermeidet die amerikanische Rechtspre­ chung jede Fixierung auf den Akt eines bestimmten Gesellschaftsorgans. Die Scheidung steht in ihrer Bedeutung auf einer Stufe mit ROHGE 23, 273 sowie 25, 307. Al­ lerdings sind diese Entscheidungen in moderneren Untersuchungen des Themas in Deutsch­ land wie in den USA weitgehend außer Blick geraten. 24 RG 3.5.1902, HoldhMSchr. 1903, 197 mit Anm. Endemann zu einem statuta­ rischen Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung. Die Verwaltung macht sich danach haftbar, wenn sie die Hauptversammlung übergeht und findet mit dem Einwand rechtmäßi­ gen Alternativverhaltens kein Gehör. Die Rechtsprechung des ROHG wird nicht herange­ zogen. 25 BGHZ 83, 122 - "Holzmüller" für die Einzelklage, die auf Unterlassung gerichtet ist. Diese Entscheidung setzt sich ebenfalls nicht mit der früheren Rechtsprechung - spezi­ ell RG HoldhMSchr. 1903, 197 - auseinander. 26 18 Howard 331, 1 U.S. 284.

Prinzipien der equity bewahren dem ganzen Rechtsschutzsystem die Flexibi­ lität, die es zur Erreichung des Prozeßzwecks braucht. In Deutschland ist die ursprünglich bloß dienende Funktion des Verfah­ rensrechts nach der Aktienrechtsnovelle von 1884 tatsächlich zur Fessel des Anspruchs des Gesellschafters geworden. Nur noch in Form der Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung sollte ein Anspruch des Aktionärs auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung nach der Novellierung beste­ hen. Die vom Reichsoberhandelsgericht zugelassene Anfechtung von Haupt­ versammlungsbeschlüssen war lediglich als pars pro toto und nicht als exklu­ sives Klagerecht des Aktionärs gemeint. Den Ausführungen des Gerichts darf man entnehmen, daß die gerichtliche Kontrolle gegen dasjenige Gesell­ schaftsorgan wirken soll, welches die Leitungsmacht über die Gesellschaft effektiv innehat. Diese ist primärer Gegner des Anspruchs. Leitungsorgan in diesem Sinne ist aber heute längst nicht mehr die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, sondern der Vorstand und in zunehmendem Maße der Aufsichtsrat. In dem Umfange, in dem Leitungsbefugnisse durch die nach­ folgende Gesetzgebung von der Hauptversammlung wegverlagert worden sind, muß die gerichtliche Kontrolle diejenigen Organe erfassen, bei denen ein Zuwachs an Kompetenzen eingetreten ist. Hieraus erklären sich letztlich die Bestrebungen, ein Organstreitverfahren im Gesellschaftsrecht zu etablie­ ren, mit dem auch andere Organe als die Hauptversammlung dem Grundsatz der gesetz- und statutenmäßigen Verwaltung unterworfen werden sollen27. Interessant ist schließlich ein kurzer Seitenblick auf die Entwicklung der­ selben Rechtsfrage in den maßgeblich vom deutschen Recht beeinflußten Ländern. In Österreich gilt das deutsche Aktiengesetz von 1937 in einer 1965 novellierten Fassung fort28. Noch aufschlußreicher ist der Werdegang des schweizerischen Aktienrechts im späten 19. Jahrhundert unter dem Ein­ druck der Ereignisse in Deutschland. Die Schweiz hat bis heute am zwei­ gliedrigen Aufbau der Aktiengesellschaft mit den Gesellschaftsorganen Ge­ neralversammlung und Verwaltungsrat festgehalten. Der Generalversamm­ lung überließ man formal die Stellung als oberstes Gesellschaftsorgan. Wie das Reichsoberhandelsgericht hat das Bundesgericht ohne Rückgriff auf eine ausdrückliche Rechtsgrundlage im Aktienrecht anerkannt, daß jeder Aktionär ein vertragliches Recht darauf habe, daß bei allen Maßnahmen der Gesell­ schaft und ihrer Organe die statutarischen Vorschriften beachtet werden und daß dieses Recht gerichtlich durchsetzbar ist. Ein weiteres Interesse als die 27 Reserviert noch BGHZ 106, 54 - "Adam Opel". 28 Die §§192 ff. öAktG regeln die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Hauptver­ sammlungsbeschlüssen. Die Diskussion um die Einzelklagebefugnis des Aktionärs - etwa in Gestalt eines Unterlassungsbegehrens - oder ein Organstreit stehen wohl erst am Anfang.

Einhaltung der Satzung verlangt die Klagebefugnis nicht29. Dieses Recht gründet im allgemeinen Verbandsrecht und ist ein sog. wohlerworbenes Recht, das von den Beschlüssen der Generalversammlung oder des Verwal­ tungsrates unberührt bleibt und satzungsfest ist30. Die Statuten bilden auch nach schweizerischer Auffassung die Verfassung der AG, an deren Vorgaben alle Gesellschaftsorgane gebunden sind31. Durch Beitritt zur Gesellschaft be­ gibt sich der einzelne zwar seines Rechts auf alleinige Bestimmung der ge­ sellschaftlichen Angelegenheiten, doch kann ihn die Mehrheit niemals jen­ seits dieser Verfassung verpflichten. Auch in der Schweiz ist dieses Recht des Aktionärs auf gesetz- und statutenmäßige Verwaltung durch nachfol­ gende Gesetzgebung als Anfechtungsrecht gegen Beschlüsse der Generalver­ sammlung kodifiziert worden32. Dies konnte aber - ebensowenig wie im deutschen Recht - den Wirkungsradius des zugrundeliegenden Anspruchs beschneiden. Denn das besagte Recht existierte ohne gesetzliche Grundlage im Allgemeinen Teil des Verbandsrechts sowie in der Natur der Aktienge­ sellschaft selbst und genießt deshalb staatlichen Schutz33. Diese Betrachtung gibt den Weg frei für die Einbeziehung des Rechtsschutzes gegen Maßnah­ men des Verwaltungsrates34. Die Anfechtung von Verwaltungsratsbeschlüs­ sen lehnt die Rechtsprechung allerdings unter Hinweis auf die fehlende ge­ setzliche Grundlage, die dem fehlenden Regelungsbedürfnis entspräche, ab35.

IV. Zum Gang der Darstellung Die aufgezeigten Zusammenhänge gilt es als Fundament für die Mitglie­ derrechte und -klagen fruchtbar zu machen. Der Ertrag besteht u.a. in der richtigen Zuordnung von Verfahrensrecht und materiellem Gesellschafts­ 29 Bundesgericht 19.10.1894, BGE 20, 940 (947); ebenso Bundesgericht 17.12.1897, BGE 23 II 1825 (1830); - 30.6.1900, BGE 26 II 418 (434); - 22.6.1901, BGE 27 II 231 (235). 30 Bundesgericht 30.6.1900, BGE 26 II 418 (434). 31 BGE 20, 940(951). 32 Durch Art. 706 OR 1936. An diesem Zustand hat die Revision des Aktienrechts 1992 nichts verändert. 33 BGE 20, 940 (952). 34 Dazu Stebler, Die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Verwaltungsrates der Akti­ engesellschaft, Freiburg/Schweiz 1944, S. 86 ff.; Stauber, Das Recht des Aktionärs auf gesetz- und statutenmässige Verwaltung, Zürich 1985, S. 167 ff. mit eingehender Analyse der Schweizer Rechtsprechung. 35 Ablehnend gegenüber einem Anfechtungsrecht gegen Verwaltungsratsbeschlüsse analog Art. 706 OR, Bundesgericht 21.3.1950, BGE 76 II 51 (61 ff.). Das Schrifttum be­ urteilt das mit größerer Aufgeschlossenheit.

recht. Im Folgenden sind auf rechtsvergleichender Grundlage verschiedene Gesellschafterrechte zu behandeln, die typische, jedoch nicht exklusive Aus­ prägung des Rechts auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung der Ge­ sellschaft sind. Die behandelten Rechtsordnungen sind dabei hinsichtlich die­ ser Rechte und ihrer Funktionen keinesfalls symmetrisch. Im deutschen Recht liegt bei den Körperschaften der Schwerpunkt für die Kontrollrechte auf der Anfechtungsklage und in neuerer Zeit auch auf der Unterlassungsklage. Von daher ist es interessant, Rechtsbehelfe gegen Ver­ waltungsmaßnahmen zu untersuchen. Hierbei verspricht das amerikanische Recht großen Erkenntnisgewinn. Für das amerikanische Gesellschaftsrecht ist nämlich von der derivative suit auszugehen, die in mancherlei Hinsicht eine Allzweckwaffe ist. Dennoch kann auch sie nicht alle Konfliktlagen in der Corporation oder der partnership bewältigen. Hier mag das deutsche Recht für einen Erkenntnistransfer Hilfestellung bieten.

2. Teil Das Recht der Vereinigten Staaten Unterschiede im Verfassungsaufbau zwischen der Aktiengesellschaft und der Corporation wie der übrigen Vereinigungsformen bedingen eine andere Statik der Gesellschafterrechte. Obgleich der board of directors eine sehr starke Stellung innehat, hat das amerikanische Recht die Entmachtung der Generalversammlung und die Entwertung der subjektiven Rechte der Aktio­ näre nicht so weit vorangetrieben wie das deutsche. Das Trustdenken und das fiduciary principle haben den Gedanken daran stets wachgehalten, daß die Verwaltung Treuhänderin und Vertreterin der Aktionäre ist und daß diese die wirtschaftlichen Eigentümer der Corporation bleiben. Wie in der Schweiz und den Ländern des romanischen Rechtskreises gibt es in den USA einen zweigliedrigen Verwaltungsaufbau ohne einen Auf­ sichtsrat. Einer Minderheit fällt es daher — sofern kein zwingendes cumulative voting vorgeschrieben ist - noch schwerer, eigene Repräsentanten im board of directors durchzusetzen. Die amerikanische Rechtsentwicklung hat aus diesem Verfassungsaufbau und aus der Funktionsweise der Corporation im Rechtsalltag die angemessenen Konsequenzen gezogen. Die Generalver­ sammlung (shareholders’ meeting) als Organ ist zu heterogen und schwerfäl­ lig, um Aufsichtsfunktionen wirksam ausüben zu können. Ersatzweise nimmt deshalb der einzelne Aktionär diese Rechte wahr. Zu dieser Lösung hat sich das deutsche Aktiengesetz nur in den §§241 ff. bekannt. Für die Ersatzan­ sprüche gegen die Verwaltung wegen einer Schädigung der Gesellschaft ist das deutsche Recht in § 147 AktG einen halbherzigen Kompromiß zwischen individueller und kollektiver Rechtsdurchsetzung eingegangen. Die rechtsvergleichende Perspektive wird erweisen, wie sich beide An­ sätze auf die corporate govemance auswirken und welcher seine Aufgabe besser zu erfüllen vermag. Da die repräsentative Rechtsverfolgung in Gestalt der derivative suit im Arsenal der Aktionärsrechte in der amerikanischen Corporation eine zentrale Rolle spielt, bildet sie den Ausgangspunkt der fol­ genden Überlegungen.

§ 6 Grundlagen des amerikanischen Verbandsrechts Trotz aller Unterschiede in den rechtlichen Traditionen lassen sich das deutsche und das amerikanische Gesellschaftsrecht auf gemeinsame Wurzeln zurückführen: die rechtsstaatlich-demokratische Staatsform, eine marktwirt­ schaftlich verfaßte Wirtschaftsordnung sowie eine Rechtsordnung, die sich zu Vertrags-, Wettbewerbs- und Vereinigungsfreiheit bekennt. Mit Bezug auf die Personenzusammenschlüsse ist beiden Rechtsordnungen gemeinsam, daß die Körperschaften als Rechtssubjekte mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind, die Personalgesellschaften hingegen nicht. Die dem deut­ schen und manchem kontinentaleuropäischen Recht typische Differenzierung nach unternehmenstragenden und nichtunternehmenstragenden Gesellschaften bzw. nach voll-, minder- und nichtkaufmännischen Gesellschaften ist dem amerikanischen Recht gänzlich fremd. Dies mag ein Grund dafür sein, daß das amerikanische Gesellschaftsrecht mit weniger Rechtsformen auskommt und daß dort keine Verbindung zwischen Vereinigungszweck und Rechts­ form existiert.

I. Die hauptsächlichen Gesellschaftsformen Für das Recht der privaten Personenzusammenschlüsse in den USA ist charakteristisch, daß nur zwei hauptsächliche Organisationsformen bereitste­ hen. Dies sind die Corporation und die partnership1. Auf sie lassen sich die meisten der sonst bekannten Organisationsformen in ihren wesentlichen Strukturen zurückführen2. Ein Pluralismus der Rechtsformen mit einer ent­ sprechenden Vielfalt an Organisationsgesetzen wie in Deutschland ist in den USA unbekannt. Das amerikanische Recht hat nicht den Versuch unternom­ men, mit Hilfe von rechtsformfixierten Organisationsgesetzen innerverband­ liehe Konflikte zum Ausgleich bringen zu wollen oder Personenvereini­ gungen zu reglementieren. 1 Die Sonderform des business trust, der insbesondere noch im Bundesstaat Massa­ chusetts verbreitet ist, soll hier vernachlässigt bleiben. Seine Besonderheit besteht darin, daß der Gründer (settlor) ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen (trust corpus) bereit stellt, das von trustees verwaltet wird. Für die Verbindlichkeiten haften grundsätzlich weder die Grün­ der noch diejenigen, denen die wirtschaftlichen Erträge zuzufließen bestimmt sind. Die Be­ günstigten (beneficiaries) haften nicht, weil die trustees nicht ihre Stellvertreter sind und sie nicht persönlich verpflichten. Ein business trust kann jedoch von den Gerichten als partner­ ship mit allen rechtlichen Konsequenzen qualifiziert werden, wenn sich die beneficiaries selbst eine direkte Verwaltungsmacht über das Sondervermögen anmaßen. 2 Einen Überblick über die sonst gebräuchlichen Gesellschaftsformen gibt Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, S. 113 ff.

1. Die Corporation ist diejenige Gesellschaftsform, die die rechtlich und wirtschaftlich bedeutendste Rolle spielt. Die Bundesstaaten haben die Ge­ setzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Alle Juris­ diktionen besitzen heute Corporation Statutes, die die Essentialia der Grün­ dung, der Finanzverfassung, der Kompetenzabgrenzung hinsichtlich der Ge­ sellschaftsorgane sowie die Auflösung oder Verschmelzung regeln. Das Recht der Corporation bildete die organisatorische Hülle für sämtliche als Corporation gegründeten Personenverbindungen. Es existiert das gleiche Re­ gelwerk für die personalistische Corporation3 oder die public Corporation, für mittelständische Unternehmen oder für multinational operierende Konzemge­ sellschaften, für erwerbswirtschaftlich orientierte Gesellschaften wie für die gemeinnützig wirtschaftende Corporation4. Für sie alle stellt das Recht der Corporation den Grundbestand an Normen zur Verfügung, der im Einzelfall unter typologischen Gesichtspunkten zu variieren ist. Rechtsformübergrei­ fend beansprucht für die Corporation und für die partnership das Kapital­ marktrecht Geltung, wenn eine Gesellschaft an den Kapitalmarkt herantritt und die Schwellenwerte einer reporting Company erreicht5.

2. Die partnership umfaßt nach deutschem Vorverständnis sowohl die OHG wie die BGB-Gesellschaft. Die Unterteilung in kaufmännische und nicht­ kaufmännische Gesellschaften ist dem amerikanischen Recht fremd. Anson­ 3 Dazu Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 60 ff. 4 Zum charitable trust und zur charitable Corporation siehe Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 2. Aufl. 1984, S. 328 ff.; Westebbe, Die Stiftungstreuhand, 1993, S. 20 ff. 5 Soweit nicht ausdrücklich von der Registrierungspflicht ausgenommen sind alle Wertpapiere, die an einer amerikanischen Börse gehandelt werden, bei der Securities and Exchange Commission (S.E.C.) zu registrieren, § 12(a) Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 781(a). Die gleiche Verpflichtung trifft jeden Emittenten, der ein Gesamtaktivvermögen von mehr als 5 Mio. $ und eine Gattung von vollstimmberechtigten Stammaktien (equity securities) hat, die von 500 oder mehr Personen gehalten werden, § 12(g)( 1) Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. 781(g)(l) und Rule 12g-l, 17 C.F.R. § 240.12g-l. Im zuletzt genannten Fall bleibt die Ge­ sellschaft selbst dann noch eine reporting Company, wenn die Zahl der Anteilseigner unter die Marke von 500 absinkt. Die Registrierungspflicht endet erst, wenn die Gesellschaft ent­ weder weniger als 300 Mitglieder hat oder diese Zahl unter 500 absinkt, wenn gleichzeitig das Gesamtaktivvermögen dieser Gesellschaft nicht mehr als 500 Mio. $ zum Ende der je­ weils drei letzten Geschäftsjahre betragen hat, Rule 12g-4(a)(l), 17 C.F.R. § 240.124(a)(l). Konsequenz der Registrierung ist, daß der Emittent den Vorschriften des Sec.Exch.Act unterliegt: Er muß der S.E.C. periodische Berichte vorlegen, § 13(a)-(c), er unterliegt der proxy regulation, § 14(a)-(c), sowie den Bestimmungen für Übernahmeangebote, § 13(d)-(f) und 14(d)-(f), und kann von bestimmten als insider definierten Personen nach § 16(b) Ge­ winne aus dem Handel mit den eigenen Aktien herausverlangen. Es ist bemerkenswert, daß sich der Anwendungsbereich der Wertpapiergesetzgebung nicht nach der Rechtsform oder nach dem Gesellschaftstypus bestimmt, sondern nach der Zahl der zu schützenden Anleger und der Größe der Gesellschaft. "Equity security" kann auch der Anteil an einer partnership sein.

sten entsprechen sich die grundsätzlichen Strukturen weitgehend: Die part­ nership ist nichtrechtsfähig, besitzt eine gesamthänderische Vermögensbin­ dung, verlangt nach gesamtschuldnerischer Haftung der Partner für die Ge­ sellschaftsverbindlichkeiten und behält den Gesellschaftern die Geschäftsfüh­ rung und Vertretung vor. Die limited partnership ist der deutschen Kom­ manditgesellschaft vergleichbar. Konzeptionell abweichend vom deutschen Recht ist die Vorstellung, wonach die Partner in den Angelegenheiten der Gesellschaft als Vertreter füreinander handeln. Dieses Verständnis dient als Grundlage der unbeschränkten Haftung. In der Rechtswissenschaft hat es die Darstellung des Rechts der partnership im systematischen Zusammenhang mit dem Recht der Stellvertretung (agency) bewirkt.

3. Zu erwähnen ist schließlich die limited liability Company, die eine neue, aufstrebende Gesellschaftsform vor allem für Joint Ventures mit auslän­ dischen Partnern darstellt6. Sie ist eine nichtkörperschaftliche Vereinigungs­ form und nimmt ihren Platz zwischen der close Corporation und der partner­ ship ein. Sie hat mit beiden ein hohes Maß an Flexibilität gemeinsam. Außerstatutarische Gesellschaftervereinbarungen (shareholder agreements) sind weitgehend zulässig, sofern sie dem gesellschaftsrechtlichen ordre pu­ blic nicht zuwiderlaufen. Die limited liability Company unterliegt nicht der für die Corporation herrschenden Formenstrenge. Die Gründung erfordert nicht das Durchlaufen eines vollständigen Inkorporierungsverfahrens. Die von den Gründern unterzeichnete Gründungsurkunde (articles of Organiza­ tion) ist lediglich beim Secretary of State zu hinterlegen, damit eine Ein­ sichtnahme durch den Rechtsverkehr möglich ist. Die inneren Angelegen­ heiten sind im operating agreement zu regeln. Attraktiv wird diese Gesell­ schaftsform insbesondere durch ihre steuerrechtliche Behandlung, die sich durch eine Vermeidung der Doppelbesteuerung kennzeichnet, nachdem die amerikanische Finanzverwaltung dies grundsätzlich anerkannt hat7. Im übri­ gen verfügt die limited liability Company über die typischen Attribute der Körperschaft: Rechtsfähigkeit, Ausschluß der persönlichen Haftung der Mit­ glieder, unbestimmte, von der personalen Kontinuität des Gesellschafterkrei­ ses unabhängige Existenz, freie Fungibilität der Geschäftsanteile und zentra­ 6 Zur limited liability Company siehe statt vieler Keatinge/Ribstein/Hamill/ The Limited Liability Company: A Study of the Emerging Entity, 47 Bus.Lawyer 375 (1992); Hey RIW 1992, 916; Pense, Die personalistische Eurokapitalgesellschaft als Instrument der Untemehmenskooperation in der EU, Diss. Hamburg 1997, S. 196 ff.; CARY/ElSENBERG, Corporations, 7. Aufl. 1995, S. 120 ff.; Wright/Holland NJW 1996, 95. 7 IRS-Revenue Ruling 88-76, 1988-2 Cumulative Bulletin 360; zur steuerrechtlichen Behandlung einer Limited Liability Company als partnership Keatinge/Ribstein/Hamill/ Gravelle/Connaughton (vorige FN), S. 423 ff. GRAVELLE/CONNAUGHTON,

lisiertes Management, das auf der Basis der Selbst- oder der Fremdorgan­ schaft durchführbar ist. Die Besteuerung als partnership ist gewährleistet, solange nicht mehr als zwei der letzten drei jener Merkmale gegeben ist, weil dann die nichtkörperschaftlichen Charakteristika noch überwiegen. Die limited liability Company ist für die Zwecke der folgenden Betrachtungen zu vernachlässigen. Da sie ein ausgesprochenes Mischgebilde darstellt, er­ scheint absehbar, daß sich alle Fragen der Gesellschafterrechte zunächst nach dem Recht der Corporation, der partnership oder nach allgemeinem Ver­ bandsrecht beantworten. Ob die limited liability Company der Dogmatik der Gesellschafterrechte neue Impulse geben kann, wird das künftige Fallmate­ rial erweisen.

II. Bestimmungsfaktoren für die Rechtsformwahl Maßgeblich für die Wahl zwischen den Gesellschaftsformen ist wie in Deutschland in erster Linie die beschränkte Haftung der Mitglieder und die steuerliche Behandlung. Daneben zählen der Zugang zum Kapitalmarkt so­ wie die vertraglichen Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Gesellschaftsver­ hältnisses. Der zentrale Unterschied zwischen Corporation und partnership liegt in der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung. Die Mitglieder der Corporation sind vorbehaltlich der seltenen Fälle des Haftungsdurchgriffs (piercing the corporate veil) nicht für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haftbar und ris­ kieren bei Konkurs lediglich den Verlust ihrer Einlage8. Das Privileg der be­ schränkten Haftung schafft die Voraussetzung für die Handelbarkeit der Ge­ sellschaftsanteile9 und vermittelt diejenigen Anreize von Aktivitäten für das Unternehmen, die bei gegebener Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme nicht unternommen würden. Im Konzern eröffnet die Haftungsbeschränkung die Möglichkeit einer Risikosegmentierung. Der auf den ersten Blick schla­ gende Vorzug der beschränkten Haftung muß allerdings ins Verhältnis ge­ setzt werden zu den wirtschaftlichen Realitäten. Gemeint ist die Wechselwir­ kung zwischen Haftungsgrundlage und Kreditwürdigkeit. Denn die Kredit­ würdigkeit hängt wesentlich vom haftenden Vermögen des Kreditnehmers ab. Im Bereich der vertraglich begründeten Obligationen schlägt die Kredit­ 8 Eine bedeutende Ausnahme gilt in New York, vgl. § 630 N.Y.B.C.L.: Die zehn größten Aktionäre einer in New York inkorporierten Gesellschaft haften für die Lohnforde­ rungen von Arbeitern und Angestellten persönlich, es sei denn, daß die Aktien in den Bör­ senhandel eingeführt sind. Hierin bestätigt sich die innere Verbindung, die zwischen be­ schränkter Haftung und Umlauffähigkeit von Gesellschaftsanteilen besteht. 9 Instruktiv Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 16 f. am historischen Beispiel der niederländisch-ostindischen Kompanie.

besicherung unmittelbar auf die Entscheidung über die Unternehmensorgani­ sation durch. Zwar mögen die Gründer die Gesellschaftsform der Corpora­ tion wählen. Ist deren Kapitalisierung jedoch schwach, wird jeder erfahrene Kreditgeber auf der Gestellung zusätzlicher Sicherheiten bestehen. Zumeist verlangt man die Übernahme einer Bürgschaft durch die shareholder. Die Gründer sehen sich damit vor die Alternative gestellt, bei marginaler Kapi­ talausstattung ihrer Corporation rechtlich zwar nur beschränkt zu haften, Kredite nur gegen eine Verbürgung für die Gesellschaftsschuld zu erhalten, oder aber sogleich eine partnership mit unbeschränkter persönlicher Haftung zu errichten10. Die Praxis der Kreditsicherung holt die Gründer stets ein11. Die übrigen Vorteile der Inkorporierung eines Unternehmens sind ähnlich wie im deutschen Recht: Die Gründer besitzen bei der Corporation die Mög­ lichkeit des flexibleren Managements; sowohl Eigen- wie Fremdorganschaft sind zulässig, während bei der partnership und bei der limited partnership obligatorische Eigenorganschaft herrscht. Ferner hat die Corporation eine höhere Beständigkeit, weil das Gesellschaftsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen wird, da es vom Ausscheiden eines Gesellschafters unberührt bleibt. Das Recht des Gesellschafters einer Corporation zur Erhebung der Auflösungsklage ist stark eingeschränkt. Schließlich bilden die ungehinderte und formfreie Übertragbarkeit von Anteilen an der Corporation einen ent­ scheidenden Vorzug. Wenn die Anteile nicht im certificate of incorporation oder in den by-laws vinkuliert sind, können sie nach Belieben vererbt oder abgetreten werden. Vinkulierungen sind nur bei nicht börsennotierten Gesell­ schaften und nur aus wichtigen Gründen, die objektiv in den Belangen der Gesellschaft angelegt sein müssen, erlaubt. Das Übertragungsgeschäft bedarf keiner notariellen Beurkundung. Die Umlauffähigkeit kann im Bedarfsfälle zusätzlich dadurch erhöht werden, daß das Anteilsrecht wertpapiermäßig, z.B. in Form eines Orderpapiers, verbrieft wird. Den Ausschlag bei der Wahl zwischen Corporation und partnership gibt oft eine Gegenüberstellung 10 Erheblich bleibt der Unterschied stets im Bereich der Deliktsobligation, da sich der Delinquent ungesicherten Kredit auf Kosten des Geschädigten verschaffen kann. 11 Dennoch bleiben rechtlich erhebliche Unterschiede. Der persönlich in Anspruch ge­ nommene OHG-Gesellschafter hat anders als ein gewöhnlicher Bürge keine Einrede der Vorausklage gegenüber dem Gläubiger, da er gesamtschuldnerisch haftet. Diese rechtlichen Unterschiede mögen es vorteilhafter erscheinen lassen, eher mit dem gesamten jetzigen Vermögen zu bürgen, als nach § 128 HGB zu haften. Wer sein ganzes Vermögen in eine juristische Person einbringt, verbreitert so deren Kreditgrundlage und erreicht wenigstens noch insoweit eine zeitlich beschränkte Haftung, als er im Insolvenzfall seine Einlage ver­ liert. Der Einzelkaufmann sowie der persönlich haftende Gesellschafter verlieren im Ver­ gleich dazu ihr gesamtes Privat- und Geschäftsvermögen und bleiben obendrein dem Verfol­ gungsrecht unbefriedigter Konkursgläubiger nach § 164 Abs. 1 KO ausgesetzt. Diese Haf­ tung ist noch unbeschränkter, da sie sich auf künftiges Vermögen erstreckt. Das amerika­ nische Konkursrecht kennt im Gegensatz dazu bei Wahl des Liquidationskonkurses eine echte Schuldbefreiung durch Konkurs (discharge in bankruptcy, 11 U.S.C. § 727).

der Gründungskosten und der steuerliche Status der Unternehmung. Die Unternehmensform der Corporation verlangt nach strikter Einhaltung erheb­ licher Formalitäten, die zur rechtswirksamen Gründung sowie bei der Füh­ rung der Gesellschaft zu beachten sind. Eine zentrale Rolle bei der Rechtsformwahl spielen die steuerrechtlichen Konsequenzen. Das Steuerrecht baut auf der vom Gesellschaftsrecht vorge­ gebenen Trennung der Corporation von ihren Gesellschaftern als jeweils selb­ ständigen Rechtssubjekten auf. Während die partnership als solche nicht Ge­ genstand der Besteuerung ist, sondern Einkommen und Verlust der Gesell­ schaft anteilig als Einkommen bzw. Verlust der Gesellschafter behandelt wird12, ordnet das amerikanische Steuerrecht für die Corporation eine dop­ pelte Besteuerung der Gesellschaftsgewinne an. Diese sind einmal bei der Gesellschaft selbst zu besteuern und ein zweites Mal als Einkommen beim Gesellschafter, wenn die Corporation ihm eine Dividende ausschüttet. Der shareholder erhält - anders als nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG - keine Steu­ ergutschrift für die bereits von der Corporation bezahlte Körperschaftsteuer. Nur für den Fall einer 85%igen Schachtelbeteiligung einer Corporation an einer anderen entfällt die doppelte Besteuerung13. Die Doppelbesteuerung wird rigide erzwungen, indem die Corporation mit einer Zwangssteuer zu belegen ist, falls sie keine Dividende ausschüttet, obwohl ihre wirtschaftliche Lage dies zuließe. Damit fördert das Steuerrecht die Ausschüttung an die Gesellschafter und wirkt einer unvertretbaren Thesaurierungspolitik der Verwaltung entgegen14. Wegen dieser steuerlichen Rahmenbedingungen mag es ratsam sein, ein mit Betriebsverlusten anlaufendes Unternehmen zunächst einmal in der Rechtsform der partnership zu errichten und damit in der er­ sten Phase den steuerlichen Effekt der Mitunternehmerschaft zu nutzen. Später kann man ein solches Unternehmen mit Verlustvortrag in die Rechts­

12 Persönliches Einkommen eines Partners kann so gegen eine Verlustzuweisung aus dem Gesellschaftsanteil in Ansatz gebracht werden, vgl. 26 U.S.C. § 701. 13 Vgl. 26 U.S.C. §§ 243-246. 14 Vgl. Smith v. Atlantic Properties, Inc., 422 N.E.2d 798 (Mass.App. 1981). Danach muß ein Gesellschafter, der aus reiner Obstruktion gegen die Ausschüttung einer den finan­ ziellen Bedürfnissen der Gesellschaft angemessenen Dividende votiert, der Gesellschaft denjenigen Schaden ersetzen, der ihr durch die Festsetzung einer Strafsteuer (accumulated eamings tax) auf nicht ausgeschüttete Gewinne nach 26 U.S.C. §§ 531, 537 entsteht. Dar­ über hinaus besteht die Möglichkeit, daß die Gesellschaft zur Zahlung einer "reasonable dividend" verurteilt wird, wenn das Geschäftsführungsermessen der Verwaltung soweit re­ duziert ist, daß nur noch diese Entscheidung rechtsfehlerfrei ist. Zur Kasuistik der Klagen auf Zahlung einer Dividende vgl. Sinclair Oil Corporation v. Levien, 280 A.2d 717 (Del. 1971); Keough v. St. Paul Milk Co., 285 N.W. 809 (Minn. 1939); Dodge v. Ford Motor Co., 170 N.W. 668 (Mich. 1919); Miller v. Magline, Inc., 256 N.W.2d 761 (Mich.App. 1977).

form der Corporation überführen und in den Genuß der beschränkten Haftung gelangen.

III. Varianten der Corporation 1. Die große Flexibilität, der die Corporation ihren Siegeszug verdankt, äußert sich darin, daß sie sich für die unterschiedlichsten Vereinigungs­ zwecke eignet. Die Bandbreite reicht von Gesellschaften mit gewerblicher Ausrichtung (business Corporation) bis zur Vereinigung ohne Gewinnerzie­ lungsabsicht (nonprofit Corporation), von der großen Körperschaft mit Öff­ nung gegenüber dem anlagesuchenden Publikum (public Corporation) bis zur Körperschaft mit exklusivem Mitgliederkreis (close Corporation) sowie von der Körperschaft mit überwiegend personalem Substrat bis hin zur Körper­ schaft mit eher kapitalistischem Charakter. Die zuletzt genannte Alternative findet ihren Niederschlag in der weitverbreiteten charitable Corporation, die die Funktion der gemeinnützigen oder wohltätigen Stiftung in Deutschland wahrnimmt. Die Stiftung15 gibt es in den USA als eigene Rechtsform nicht. Sie kommt dort als charitable trust oder charitable Corporation sowie als Kombination aus beiden vor. Die Praxis bedient sich vorzugsweise der Cor­ poration, die dem trust überlegen ist. Die relativen Vorzüge bestehen in der freieren Stellung des board of directors, der Möglichkeit einer Satzungsände­ rung, der Rechtsfähigkeit, der beschränkten Haftung sowie vor allem in ei­ ner weitgehenden Freistellung von der Stiftungsaufsicht. Gerade der letztge­ nannte Vorteil ist rechtspolitisch nicht unbedenklich. Auch im deutschen Recht gibt es Bestrebungen, Körperschaften - vor allem die GmbH - als Stiftungsersatzorganisationen zu verwenden16. Dies geschieht in der Absicht, der staatlichen Stiftungsaufsicht zu entgehen. Im amerikanischen Recht wird die so entstehende Lücke auf zwei Wegen geschlossen. Die charitable Corpo­ ration, die eine nonprofit Corporation ist, büßt ihre privilegierte steuerliche Behandlung ein, wenn sie Teile ihres Gesellschaftsvermögens oder Gewinns einem shareholder zu seinem persönlichen Nutzen zuwendet, zur politischen Propaganda einsetzt, Versuche unternimmt, die Gesetzgebung zu beeinflus­ sen oder einen Kandidaten im Wahlkampf um ein öffentliches Amt zu unter­ stützen17. Der andere Weg ist die typologische Verfeinerung des Rechts der Corporation durch das Trustrecht. Für die rechtliche Ordnung der charitable 15 Sie existiert als trust oder als foundation, vgl. Westebbe (wie FN 4), S. 49. Die foundation ist allerdings keine eigenständige Rechtsform, siehe Riehmer, Körperschaften als Stiftungsorganisationen, 1993, S. 165 f. 16 Hierzu jetzt eingehend Riehmer (vorige FN), S. 61 ff. 17 26 U.S.C. § 501(a) sowie (c)(3).

Corporation gelten keine rechtsformbezogenen Sonderregeln, sondern das Recht der Corporation, das durch die Trustgrundsätze überlagert wird. Der Stiftungszweck und die besondere Zweckbindung des gestifteten Vermögens entscheiden über die Anwendbarkeit der strengeren Trustregeln. Dem chari­ table trust ist die Struktur der fiduziarischen Vermögensbindung entlehnt. Liegt ein gemeinnütziger Zweck (charitable purpose) vor, so gelten sämt­ liche Bestandteile des Gesellschaftsvermögens einer charitable Corporation als mit einem charitable trust belegt und werden von der Corporation in trust gehalten18. Die Widmung zu einem gemeinnützigen Zweck nehmen Gerichte nur bei einer ausdrücklichen statutarischen Zweckwidmungsbestimmung an19. Dieser Auffassung folgt die Mehrheit der Jurisdiktionen20. Die einschneidende Rechtsfolge, die sich an eine Qualifizierung als cha­ ritable Corporation knüpft, liegt in der Unterstellung dieser Körperschaften unter ein Sonderregime. Es herrscht eine dauerhafte Vermögensbindung zu­ gunsten des gemeinnützigen Zwecks. Die Zweckbindung kommt zum Tra­ gen, wenn die Satzung mit dem Ziel geändert werden soll, das Vermögen anders einzusetzen. Die Mitglieder des board of directors einer charitable Corporation unterliegen intensiveren Treuebindungen. Die Verwaltung einer charitable Corporation verfügt über einen nur geringen Ermessensspielraum (business judgment) bei ihren Investitions- und Verwendungsentscheidungen hinsichtlich des zweckgebundenen Vermögens. Endlich heben sich die Trust­ regeln vom allgemeinen Korporationsrecht darin ab, daß grundlegende Ver­ änderungen in der Gesellschaftsstruktur, die Auflösung oder der Einsatz des Stiftungsvermögens zu einem anderen Zwecke nur unter Beachtung der doctrine of cy pres erlaubt sind, also Änderungen und die ergänzende Ausle­ gung des Stiftungsgeschäfts nur im Lichte der ursprünglichen Zwecksetzung vorzunehmen sind, so wie es dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Stifters am nächsten kommen würde. Über die Einhaltung der Zweck­ bindung wachen die begünstigten gemeinnützigen Einrichtungen sowie der Attorney General in seiner Eigenschaft als oberste Aufsichtsbehörde für Stiftungen21.

2. Ein ebenso markantes Beispiel für die Typenoffenheit der Corporation liefert die close Corporation, die in Deutschland der personalistischen Kapi­ talgesellschaft entspricht und in Form der GmbH oder der GmbH & Co. KG 18 Lynch v. Spilman, 431 P.2d 636 (Cal. 1967). 19 Pacific Home v. Los Angeles County, 264 P.2d 539 (Cal. 1953). 20 Siehe nur Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 2. Aufl. 1984, S. 330 f.; Riehmer (wie FN 15), S. 173 f. je mit Nachweisen. 21 Zur Wirkungsweise der doctrine of cy pres vgl. nur In re Estate of Gatlin, 94 Cal.Rptr. 295 (1971).

auftritt22. Hinter dem Begriff close Corporation verbergen sich im amerika­ nischen Gesellschaftsrecht verschiedene Dinge. Zum einen ist damit allge­ mein ein besonderer Typus der Corporation gemeint, auf den mutatis mutandis die allgemeinen Regeln Anwendung finden. In einem spezielleren Sinne versteht man in einem Teil der US-Bundesstaaten unter einer statutory close Corporation eine solche mit einem modifizierten rechtlichen Status, der durch einen Gründungssonderakt oder durch das Gebrauchmachen von einer da­ hinlautenden Option erworben werden kann23. Vom Gesellschaftsrecht zu scheiden — wiewohl auf ihm aufbauend — ist die steuerrechtliche Behand­ lung der close Corporation durch den Internal Revenue Code24. Die steuer­ liche Vorzugsstellung ist der eigentliche Anreiz für die Wahl der close Cor­ poration als Unternehmensform. Die Sonderbehandlung besteht darin, daß keine Doppelbesteuerung von Einkommen der Gesellschaft und Dividenden­ einkünften der Gesellschafter stattfindet, sondern wie bei der partnership Gewinn und Verlust der Gesellschaft proportional zur jeweiligen Beteili­ gungsquote auf die Gesellschafter umgelegt werden. Steuerrechtliche und ge­ sellschaftsrechtliche Qualifizierung als close Corporation bedingen einander nicht notwendig. Die close Corporation als gesellschaftsrechtliches Phänomen ist nicht durch festumrissene Begriffsmerkmale definiert25. Im allgemeinen26 werden 22 Auch das deutsche Aktienrecht gestattet, daß sich Klein- oder Familiengesellschaften in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft organisieren (§ 157 Abs. 4 AktG a.F. und §§ 267, 288 HGB n.F.). In der Schweiz wird die personalistische Kapitalgesellschaft als AG und seltener als GmbH gegründet. Die GmbH war in der Schweiz als Rechtsform schlecht beleumundet und spielte dort bislang keine nennenswerte Rolle. Näher zur personalistischen AG in der Schweiz FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bem 1996, § 62 RdNr. 2 ff. (S. 955 ff.) sowie aus der Rechtsprechung des Schweizerischen Bun­ desgerichts zur Sonderbehandlung der Klein-AG mit Rücksicht auf ihre typologischen Be­ sonderheiten BGE 67 II 162; 91 II 298. 23 Der für das Gesellschaftsrecht überaus bedeutsame Bundesstaat Delaware verfügt über ein eigenes close Corporation Statute, vgl. 8 Del.Code §§341 ff. 24 Daher bezeichnet das amerikanische Steuerrecht die close Corporation durchgehend als subchapter S-corporation nach ihrer systematischen Einordnung im Internal Revenue Code, 26 U.S.C. § 1361. 25 Der gesellschaftsrechtliche Sonderstatus als close Corporation (z.B. 8 Del.Code §§341 ff.) kann nur erreicht werden, wenn über die Anteilsrechte Zertifikate ausgegeben und in einem Anteilsbuch erfaßt sind, die Gesellschaft nicht mehr als 30 Gesellschafter hat, und die Anteile in ihrer Übertragbarkeit vinkuliert sind und nicht an einer Wertpapierbörse gehandelt werden. Schließlich verlangt § 342, daß die Gesellschafter von einer entsprechen­ den Option Gebrauch machen. Der steuerrechtliche Sonderstatus als close Corporation (26 U.S.C. § 1362) ist wie folgt um­ schrieben: Die Gesellschaft darf nicht mehr als 35 Mitglieder haben, sie ist in den USA an­ sässig, nicht konzemverbunden, nur natürliche und ortsansässige Personen sind Gesell­ schafter, und es ist nur eine Aktiengattung ausgegeben. 26 Ausführlich dazu O'Neal/Thompson, Close Corporations, 3. Aufl. 1986 ff., §§ 1.02, 1.07; Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht - Close Corporation, 1993, S. 18 ff.

folgende Merkmale als determinierende Faktoren der close Corporation ge­ nannt: Eine geringe Anzahl von Gesellschaftern, die zumeist miteinander verwandt, verschwägert oder freundschaftlich verbunden sind, die Ge­ schäftsanteile sind nicht börsennotiert und mit Übertragbarkeitsvorbehalten versehen, das Gesellschaftsverhältnis wird in der (unausgesprochenen) Er­ wartung eingegangen, einen Teilhabeanspruch an der Mitwirkung in den unternehmensführenden Gremien zu haben. Das Management der close Cor­ poration geschieht weniger formal als bei der public Corporation. Bei der close Corporation bilden ownership und control noch eine natürliche Einheit. Ein strukturgebendes Charakteristikum der close Corporation liegt in den gesteigerten Treuebindungen (fiduciary duties), denen die Gesellschafter im Verhältnis zueinander sowie zur Gesellschaft unterliegen. Nach überkomme­ ner Auffassung ist die Mitgliedschaft in der Corporation ein property right, und der shareholder darf über sein Verhalten in gesellschaftlichen Angele­ genheiten — insbesondere bei der Ausübung seines Stimmrechts — autonom entscheiden27. Dies nahm man zumindest für die public Corporation an. Zu­ lässig sind Stimmbindungsvereinbarungen mit dem Ziel einer Koordinierung des Abstimmungsverhaltens. Entscheidungen der Mehrheit sind nicht allein mit der Begründung angreifbar, daß sie eine Verletzung der Treupflicht ge­ genüber der Minderheit darstellen, solange nicht ein Verstoß gegen sonstiges Recht oder gegen die Satzung hinzutritt. Insbesondere bei Wahlen und Ab­ stimmungen in der Gesellschafterversammlung sind die shareholder in ihrem Abstimmungsgebaren frei. Sie dürfen sich selbst durch eigennützige Motive bei der Abstimmung leiten lassen und machen sich nicht schadensersatz­ pflichtig. Vorschriften nach dem Vorbild der §§ 117, 243 AktG fehlen in den Corporation Statutes. Die prinzipielle Freiheit der Stimmrechtsausübung besteht solange der Gesellschafter keine Kontrollposition innehat, also Mehr­ heitsgesellschafter ist oder über ein Vetorecht verfügt. Dahinter steht ein elementarer Grundsatz des amerikanischen Rechts. Die equity verlangt, daß derjenige, der Macht ausüben und auf die Interessen anderer einwirken kann, diese Position treuhänderisch hält. Jeder Zuwachs an Macht bewirkt eine Abnahme der Freiheit zu willkürlichem Handeln. Dieses Denken macht sich bei der close Corporation dadurch bemerkbar, daß die Gesellschafter hier grundsätzlich nicht frei in ihrem Abstimmungs­ verhalten sind. Bei der close Corporation fehlt die Mischung von Insidern und Outsidern im board of directors, die einen wirksamen Kontrollmecha­ nismus bedeutet. Wegen der weitgehenden Identität von Gesellschaftern und Verwaltung fallen ownership und control zusammen. Dem Umstand der en­ geren persönlichen und wirtschaftlichen Verbundenheit der Gesellschafter 27 HENN/ALEXANDER,

Corporations, 3. Aufl. 1983, S. 653 ff. mit Fallmaterial.

sowie dem Umstand, daß es keinen funktionierenden Markt für die Gesell­ schaftsanteile gibt, ist durch andere Vorkehrungen Rechnung zu tragen. Die gesteigerte Treupflicht soll verhindern, daß sich die Mehrheit die Gesell­ schaft zur Beute macht. Die Treupflicht des Gesellschafters der close Corpo­ ration fließt in der Vertikalen zur Gesellschaft und in der Horizontalen zu den Mitgesellschaftern28. Neben der Treupflicht hat die Auflösungsklage bei der close Corporation besondere Bedeutung. Der fehlende Anteilsmarkt ist durch ein Austrittsrecht mit Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft (appraisal remedy) ersetzt. Das Prinzip der fiduciary duties ist von zentraler Bedeutung. Wiewohl es zunächst auf das Gesellschaftsinnenverhältnis bezogen ist, läßt sich doch nicht leugnen, daß ihm eine große ordnungspolitische Gestaltungskraft zu­ kommt. Der Schutz der Corporation und der Minderheit gegen eine unkon­ trollierte Machtausübung ist immer auch Schutz der privatrechtlichen Insti­ tutionen und des Rechtsverkehrs, hier speziell in Gestalt der Gesellschafts­ gläubiger. Jeder Gesellschafter ist durch die Konstruktion der fiduciary du­ ties instand gesetzt, Überschreitungen der fiduziarisch gebundenen Befug­ nisse zu bekämpfen und die Verletzer in ihre Schranken zu weisen. Das pro­ bate Mittel hierfür ist die derivative suit. Das Gelingen der als close Corpo­ ration organisierten Unternehmen, die in ihrem soziologischen Erschei­ nungsbild echte Mitunternehmergemeinschaften sind, hängt wesentlich vom Vertrauen, der Loyalität und der Verläßlichkeit der Gesellschafter ab. Es ist kein Zufall, daß das Konzept der fiduciary duties bei der Corporation aus dem Recht der partnership hervorgegangen ist, dessen Wurzeln wiederum bis ins Trustrecht zurückreichen29. Bei der close Corporation sind die fiduciary duties ein tragender Baustein im System des Minderheitenschutzes. Die Minderheit in der close Corpora­ tion ist im Hinblick auf ihre anfällige Stellung besonders schutzbedürftig, da der Mehrheit eine Fülle von Möglichkeiten zu Gebote steht, die Rechte der Minderheitsgesellschafter zu verkürzen. Die einschlägigen Techniken werden im amerikanischen Recht unter der Rubrik oppressive conduct30 zusammen­ gefaßt. Bei rein formaler Anwendung des Mehrheitsprinzips könnte die Ge­ sellschaftermehrheit dem board of directors nur mit eigenen Gewährsmän­ nern besetzen und die Minderheit letztlich von der Mitverwaltung ihres In­ 28 Donahue v. Rodd Electrotype Co. of New England, Inc., 328 N.E.2d 505 (Mass. 1975) bestätigt in Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N.E.2d 657 (Mass. 1976) sowie Smith v. Atlantic Properties, Inc., 422 N.E.2d 798 (Mass.App. 1981). 29 Dies belegt die Bezugnahme in Donahue (wie FN 28) auf die Grundsatzentscheidung des New York Court of Appeals in Meinhard v. Salmon, 164 N.E. 545 (1928). 30 Umfassend O'Neal/Thompson, Oppression of Minority Shareholders, Deerfield 1985 ff. - Als (Negativ-) Beispiel aus dem deutschen Recht OLG Stuttgart DB 1994, 205.

vestments in der Gesellschaft ausschließen. Überdies kann sich die Mehrheit auf Kosten der Gesellschaft und der Minderheit gesellschaftsfremde Sonder­ vorteile verschaffen, indem sie sich überhöhte Gehälter gewährt oder der Gesellschaft Gegenstände aus dem Privatvermögen zu übersetzten Preisen überläßt und so den verteilungsfähigen Gewinn abschöpft. Ohne Schutzmaß­ nahmen zugunsten der Minderheit ist diese praktisch hilflos, weil die Mehr­ heit einen entscheidenden Vorteil auf ihrer Seite weiß: Alle Entscheidungen der Verwaltung, wie beispielsweise die Nichtausschüttung einer Dividende, genießen durch die business judgment rule zunächst einmal Immunität gegen eine gerichtliche Nachprüfung, sofern ein Kläger keine greifbaren Umstände darzulegen vermag, die einer Maßnahme den Anschein der ordnungsgemä­ ßen Geschäftsführung nehmen31. Auch in der close Corporation halten die Gerichte am Grundsatz der bu­ siness judgment rule fest, wonach Geschäftsführungsentscheidungen des board nicht zu korrigieren sind, solange sie nur auf irgendeiner rational nachvollziehbaren unternehmerischen Erwägung beruhen32. Diese Handha­ bung der business judgment rule bewirkt eine empfindliche Verschiebung in der Machtbalance zwischen Mehrheit und Minderheit. Die Entscheidung der Verwaltung ist de facto gleichbedeutend mit der Entscheidung der Mehrheit, und diese erlangt auf dem Umweg über die business judgment rule eine Frei­ stellung gegenüber den Bindungen an die Satzung und gegenüber dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Geht die Minderheit gegen solche Entschei­ dungen an, kann sie sich auf keinen Ermessensspielraum berufen. Ganz ab­ gesehen von den Komplikationen, die daraus resultieren, daß die Mehrheit der Minderheit vom Einblick in die inneren Angelegenheiten der Gesell­ schaft ausschließen kann. Zur Wiederherstellung einer wenigstens ungefäh­ ren Waffengleichheit unterliegt die Mehrheit zum einen strengen Treubin­ dungen. Zum anderen ist die business judgment rule bei der close Corpora­ tion anders zu handhaben. Die Mehrheit muß sich eine intensivere Überprü­ fung (strict scrutiny) ihrer Entscheidungen gefallen lassen. Maßgeblich ist ein legitimer unternehmerischer Zweck für eine getroffene Maßnahme33 und nicht bloß, daß für diese rational nachvollziehbare Erwägungen sprechen. Der Unterschied liegt darin, daß ein Gericht bei Geltung der strict scrutiny den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis überprüft.

31 O’Neal/Thompson (vorige FN), § 3:03. 32 Matter of Reading Co., 711 F.2d 509, 517 (3d Cir. 1983): "any rational business purpose". 33 Zu diesem "legitimate business purpose"-Test siehe Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N.E.2d 657 (Mass. 1976).

Die close Corporation hebt sich durch die Definition der Pflichtenbin­ dungen und die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen an die Verwaltung von den anderen Formen der Corporation ab. Organverantwortlichkeit und -be­ fugnisse bilden konstituierende Ordnungselemente dieser Gesellschaftsform. Der Standard, dem die Verwaltung in Ausübung ihres Amtes bei der Corpo­ ration im allgemeinen unterliegt, ist derjenige von "good faith and inherent faimess”. Bei der close Corporation bestehen die Anforderungen in ”utmost good faith and loyalty"34. Der einzelne Gesellschafter hat ein subjektives Recht auf Teilhabe und Gleichbehandlung, das vor allem bei Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur oder in den Mehrheitsverhältnissen zum Tragen kommt. Zumindest nach der Rechtsprechung der minderheitenfreundlicheren Jurisdiktionen darf ein Mitglied der Mehrheitsgruppe die Verwaltung nicht veranlassen, seine Anteile zu einem überhöhten Preis durch die Gesellschaft zurückkaufen zu lassen, wenn nicht die gleiche Gelegenheit den übrigen Ge­ sellschaftern geboten wird34 35 36. Ferner ist untersagt, daß sich ein Gesell­ schafter hinter dem Rücken der übrigen weitere Anteile zum Zwecke des Aufbaus einer Mehrheitsbeteiligung verschafft37 oder daß ein Gesellschafter ohne erkennbaren Grund aus der Unternehmensführung entfernt wird, wenn die Gesellschaft keine Dividenden zahlt und alle Gesellschafter übereinge­ kommen sind, daß eine Verzinsung ihres Investments in Abhängigkeit von einer gleichzeitig zu erbringenden Dienstleistung im Unternehmen erreicht 34 In Donahue v. Rodd Electrotype (wie FN 28) bezieht sich das Gericht ausdrücklich auf den strengen Maßstab der fiduciary duties in Meinhard v. Salmon, 164 N.E. 545 (N.Y. 1928). 35 So geschehen in Donahue v. Rodd Electrotype (wie FN 28). Wenn sich der Mehr­ heitsgesellschafter von der Gesellschaft auf eigenes Betreiben zu einem Preis auszahlen läßt, der über dem gemeinen Anteilswert liegt, so ist den übrigen Gesellschaftern dieser Preis ebenfalls zu gewähren. In der close Corporation kommt hierbei dem gänzlichen Fehlen eines Anteilsmarktes oder dessen Enge entscheidende Bedeutung zu. Die Übernahme der Anteile durch die Gesellschaft schafft einen Markt wenigstens im beschränkten Kreis möglicher Subjekte, an dem die Minderheit ebenfalls Teilhabe beanspruchen kann. Wollte man hier anders entscheiden, gelangte man zu dem Resultat, daß die Minderheit mit ihrem Investment in einer Gesellschaft verbliebe, in der sie nun zwar zum allein tonangebenden Faktor wird, jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den Preis für das Ausscheiden der Mehrheits­ gruppe zu zahlen hätte, den diese nicht auszuhandeln brauchte, sondern einfach diktieren kann. 36 Jones v. H.F. Ahmanson & Co., 460 P.2d 464 (Cal. 1969) für die Teilhabe der Min­ derheit an einer sog. Kontrollerwerbsprämie. 37 So in Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N.E.2d 657 (Mass. 1976), wo das Gericht den in Donahue (wie FN 28) gesetzten Standard weiter konkretisieren konnte. Danach wird dem Mehrheitsgesellschafter ein gewisser Manövrierspielraum zugestanden in Verfolgung seiner persönlichen Interessen, und dieser wird in Beziehung gesetzt und abge­ wogen gegen die besonderen Treubindungen, denen er unterliegt. Der Test ist danach, ob einer von der Mehrheitsgruppe veranlaßten Maßnahme ein legitimer unternehmerischer Grund zur Seite steht. Eine Entscheidung der Mehrheit ist mithin nicht automatisch als Er­ messensentscheidung in der Ebene der Geschäftsführung gegen eine gerichtliche Kontrolle immun.

werden soll. Damit sind die rechtlichen Grundlagen der close Corporation in den Staaten skizziert, in denen die Gerichte und die Gesetzgebung ein offe­ nes Ohr für die Anliegen der Minderheit bewiesen haben38. Man hat er­ kannt, daß die Funktion des Minderheitenschutzes und der Minderheiten­ rechte sich nicht in der Begrenzung der Mehrheitsherrschaft gegenüber den Minderheitsgesellschaftem erschöpft, sondern daß die Aufgabe lautet, die Mehrheit und die Verwaltung zu hindern, ihre Befugnisse zum Schaden der Corporation einzusetzen.

IV. Gemeinschaftliche Grundlagen des Rechts der Personenzusammenschlüsse Die große Spannbreite der Corporation als Organisationsform hat auch im amerikanischen Recht einen Allgemeinen Teil des Rechts der privaten Perso­ nenzusammenschlüsse hervorgebracht. Dessen Spurenelemente finden sich bei der Corporation und bei der partnership wieder. Hierzu zählen etwa das fiduciary principle und die derivative suit als das Mittel zu seiner verfahrens­ rechtlichen Umsetzung. Sie liefern Beispiele dafür, daß zwischen Corporation und partnership ein gemeinsamer Nenner jenseits der diversen typologischen Ausformungen dieser Gesellschaftsformen existiert. Ein erster Beleg ist die Figur des trust und die aus ihm entwickelte fidu­ ciary relationship zwischen trustee und beneficiary. Sie gelangte in ihrer heutigen Ausprägung über das joint venture, einer Unterform der partner­ ship, in das Recht der close Corporation und von dort in das Recht der Corpo­ ration überhaupt39. Das fiduciary principle zählt zum unverzichtbaren In­ ventar des amerikanischen Gesellschaftsrechts. In Deutschland bereitet den Gerichten die Übernahme dieser Lehre große Schwierigkeiten40. Für das amerikanische Gesellschaftsrecht erfüllt der trust zwei wesentliche Funk­ tionen41. Verbandsrechtlich legt er mittels der fiduciary relations die Ver­ haltenspflichten der Verwaltung gegenüber der Gesellschaft und den Gesell­ schaftern fest. Mehrheitsgesellschafter und einflußreiche Gesellschafter sind in dieses Konzept eingebunden. Verwaltungsmitglieder als trustees schulden 38 Deutlich reserviert gegenüber der minderheitenfreundlichen Rechtsprechung aus Mas­ sachusetts und Kalifornien Zidell v. Zidell, Inc., 560 P.2d 1091 (Or. 1977) und Masinter v. WEBCO Co., 262 S.E.2d 433 (W.Va. 1980). 39 Siehe die Erstreckung von Meinhard v. Salmon, 164 N.E. 545 (N.Y. 1928) durch Donahue (wie FN 28) auf die close Corporation. 40 Siehe ansatzweise bereits RGZ 132, 149 (163); aus dem Schrifttum Mestmäcker BB 1961, 945 ff. 41 Zum folgenden Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktio­ näre, 1958, S. 127 ff.

der Gesellschaft und den Gesellschaftern ihre ungeteilte Loyalität. Die Folge ist ein striktes Bereicherungsverbot im Amte. Der trustee darf kein Gesell­ schaftsvermögen an sich bringen, in eigener Sache Geschäfte mit der Gesell­ schaft tätigen oder die der Gesellschaft gebührenden Erwerbschancen (corporate opportunities) für eigene Rechnung nutzen. Sachenrechtlich voll­ zieht der trust die Bindung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschaft. Bestandteile des Gesellschaftsvermögens, dessen Surrogate sowie Derivate, über welche diesen Grundsätzen zuwider verfugt wurde, haben die Gerichte der equity mit einem constructive trust belegt. Die äquivalente Konstruktion des deutschen Rechts ist die dingliche Surrogation. Das Gesagte gilt für die Corporation wie für die partnership. Die Vertragsfreiheit ist eine weitere verbindende Klammer zwischen Cor­ poration und partnership. Sie umfaßt die Freiheit der Assoziierung wie die Freiheit zur inneren Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses. Die Grün­ der einer partnership sind freier bei der Vertragsgestaltung als die Gründer der Corporation. Das partnership agreement kann die persönliche Haftung der Partner nicht abbedingen. Genauso wenig dispositiv sind die fiduciary duties und die Klagerechte der Gesellschafter, z.B. die derivative suit oder die action for an accounting. Umstritten ist das Ausmaß, in dem die Shareholders vom gesetzlichen Leitbild der Corporation abweichen dürfen. Früher war unter den Gerichten streitig, ob für die close Corporation wirk­ sam bestimmt werden darf, daß sie ohne Beachtung der körperschaftlichen Formalitäten wie eine partnership zu fuhren ist. Zunächst hatten die Gerichte vertragliche Abweichungen vom Gesetz nicht zugelassen42, diese Haltung später jedoch revidiert43. Als besonders problematisch galten Abreden, die der Minderheit ein Vetorecht einräumten. Die Gerichte waren um die Handlungsfähigkeit der Gesellschaften besorgt. Der Gedanke, daß ein Veto­ recht die Minderheit wirksam gegen Machtmißbräuche durch die Mehrheit schützt, trat in den Hintergrund. Für die Beurteilung solcher Abweichungen fehlen dem amerikanischen Recht gesetzliche Maßstäbe nach dem Vorbild eines § 23 Abs. 5 AktG. Die Gerichte haben daher auf die public policy 42 Jackson v. Hooper, 75 A. 568 (N.J. 1910); ablehnend auch noch McQuade v. Stone­ ham, 189 N.E.2d 234 (N.Y. 1934). Aus dem deutschen Recht tendenziell ebenso früher RGZ 101, 55 = JW 1921, 461 mit Anm. Pinner. 43 Clark v. Dodge, 199 N.E. 641 (N.Y. 1936); Sher v. Sandler, 90 N.E.2d 536 (Mass. 1950); Zion v. Kurtz, 405 N.E. 2d 681 (N.Y. 1980). Der jüngeren Grundtendenz in der Rechtsprechung folgend bestimmt §8.01(b) R.M.B.C.A., daß der board of directors die Geschäfte führt oder überwacht vorbehaltlich solcher Beschränkungen, die sich aus den articles of incorporation ergeben. Eine Corporation mit bis zu 50 Gesellschaftern braucht keinen board of directors zu haben oder kann dessen Befugnisse beschränken, sofern die articles of incorporation festlegen, wer einige oder alle Funktionen eines board wahrnehmen soll, § 8.01(c) R.M.B.C.A.

hinter den Bestimmungen der Corporation Statutes zurückgegriffen und an de­ ren Maßgaben die Frage beurteilt, ob die Gesellschafter vom gesetzlichen Leitbild der Corporation - sei es durch Stimmbindungsvertrag, sei es durch eine abweichende Fassung der statutarischen Grundlagen - abweichen dür­ fen. Die Abweichung vom Gesetz ist einer abwägenden Inhaltskontrolle zu unterziehen, wobei der Gestaltungsspielraum bei der close Corporation natur­ gemäß weiter ist, weil die Minderheit hier einen erhöhten Schutzbedarf vor­ zuweisen hat. Eine Abweichung ist zulässig, wenn sie die Rechte der Min­ derheit nicht verletzt, keine Interessen der Gesellschaftsgläubiger verkürzt und nicht dem eindeutigen Wortlaut eines im öffentlichen Interesse bestehen­ den Verbotsgesetzes widerspricht44. Die vorstehenden Überlegungen belegen exemplarisch, daß es im ameri­ kanischen Gesellschaftsrecht ebenfalls einen Allgemeinen Teil von generell anwendbaren Grundsätzen gibt, die rechtsformübergreifend gelten, wenn­ gleich die Einkleidung einer Sachfrage anders als im deutschen Recht er­ scheinen mag. Typendehnungen und -Vermischungen bleiben statthaft, doch bewirken Vertragsfreiheit und Organisationsautonomie keine Loslösung von jenem Allgemeinen Teil des Verbandsrechts.

V. Kodifikation und Vereinheitlichung Das Gesellschaftsrecht zählt zu den kodifizierten Rechtsmaterien in den USA. Die Gesetzgebungszuständigkeit liegt bei den Einzelstaaten. Dies be­ dingt z.T. erhebliche Unterschiede in den Corporation Statutes. Die Gründer sind frei in der Wahl des Inkorporierungsstaates. Es ist zulässig, die Gesell­ schaft in einem Staat zu gründen, ohne daß dort die Verwaltung geführt oder die geschäftlichen Aktivitäten entfaltet werden müssen. Spitzenreiter unter den Staaten ist Delaware, dessen General Corporation Law (8 Del.Code) wegen seiner Liberalität hoch geschätzt ist. Nach dem interlokalen Privat­ recht der USA entscheidet bei inkorporierten Unternehmen das Recht desje­ nigen Ortes, an dem seine Gründung stattgefunden hat. Diese Gründungs­ oder Inkorporationstheorie45 gilt ohne Rücksicht auf den Sitz der Hauptver­ 44 Galler v. Galler, 203 N.E.2d 577 (111. 1964). Eine Zusammenfassung und Analyse dieser Rechtsprechung findet sich bei Clark, Corporate Law, 1986, S. 781 ff. Noch grund­ sätzlicher zur ganzen Fragestellung anhand des Projekts des American Law Institute über die corporate governance Ribstein, The Mandatory Nature of the ALI Code, 61 Geo.Wash.L.Rev. 984 (1991). 45 American Law Institute (Hrsg.), Restatement 2d, Conflict of Laws, §§301 und 302 (1971). Diese Bestimmungen normieren Voraussetzungen und Grenzen der Inkorporationstheorie. Nach ihr gilt das Recht des Gründungsortes für alle genuin gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen wie z.B. die Ausgabe der Aktien, Ausschüttung von Dividenden und Haftung der Verwaltungsmitglieder. Sofern die betreffenden Ansprüche

waltung oder die Belegenheit der wichtigsten Produktionsstätten. An jener Kollisionsregel halten die Gerichte solange fest, bis ein Verstoß gegen den ordre public oder elementare Wertvorstellungen des Forumstaates zutage tritt46. Die Bundesstaaten treten um die Inkorporierung neuer Gesellschaften in Wettbewerb. Hierzu bedienen sie sich der Deregulierung ihrer Corporation Statutes sowie einer moderaten Besteuerung der Unternehmensgewinne. Die Kehrseite dieses race to the bottom bekommen die Kleinanleger zu spüren, da sich die Deregulierung häufig in einer Verringerung des Anlegerschutzes und in der Aufweichung der Verhaltenspflichten der Verwaltung nieder­ schlägt47. Das Auseinanderdriften der einzelstaatlichen Gesellschaftsrechte hat auf der anderen Seite den Ruf nach Rechts Vereinheitlichung laut werden lassen. Anders als in Europa ist die Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts in Amerika nicht durch eine Pflicht zur Umsetzung von Richtlinien in Gang gekommen, aber wie in Europa sind in den USA die Kapitalmärkte Motor der Vereinheitlichungsbewegung. Es existieren unterschiedliche Wege für die Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts. Da sind zum einen die Arbei­ ten von renommierten nicht staatlichen Institutionen, die Mustergesetze erar­ beitet haben, die anschließend in einigen Bundesstaaten übernommen wur­ den. Die American Bar Association brachte 1950 den Model Business Cor­ poration Act (M.B.C.A.) heraus, der seit 1984 in einer überarbeiteten Fas­ sung als Revised Model Business Corporation Act (R.M.B.C.A.), mit aber­ maliger Revision 1991, vorliegt. Weiterhin verdient ein Projekt des Ameri­ can Law Institute zur corporate governance Beachtung, das bis heute zehn Entwürfe (tentative drafts) hervorgebracht hat48. Diese Arbeiten haben zwar als solche keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung, sie stehen jedoch bei den Gerichten und Gesetzgebungskörperschaften in großem Ansehen. oder Rechte jedoch aus Vertrag oder Delikt begründet sind, gilt das Gesellschaftsstatut nicht, § 301 Restatement 2d Conflicts. 46 So die Durchbrechung der Inkorporierungsregel in White v. Howard, 46 N.Y. 144 (1871) sowie Western Air Lines, Inc. v. Sobieski, 12 Cal.Rptr. 719 (1961). Die letztge­ nannte Entscheidung, in der eine ursprünglich im minderheitenfreundlichen Kalifornien ge­ gründete Gesellschaft in eine im managementfreundlichen Delaware ansässige umgewandelt wurde, macht deutlich, daß es bei dieser Sonderanknüpfung des Gesellschaftsstatuts nicht um eine abstrakt-technische Frage des interlokalen Kollisionsrechts geht, sondern um die praktische Umsetzung von Minderheiten- und Anlegerschutz. Zu den Diskrepanzen im Stan­ dard der fiduciary duties, die sich zwischen Delaware und dem durch die Kapitalmarkt­ gesetzgebung implizierten Verhaltensanforderungen ergeben, vgl. Cary, Federalism and Corporate Law: Reflections upon Delaware, 83 Yale L.J. 683 (1974). 47 Zum Phänomen des race to the bottom Merkt, US-amerikanisches Gesellschafts­ recht, 1991, S. 54 ff. mit Nachweisen. 48 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analyses and Recommendations, 1994. Zum Gang der Beratungen vgl. die Aufsatzserie in 61 Geo.Wash.L.Rev. 871 ff. (1993).

Die Arbeitstechnik folgt der bewährten Restatement-Methode. Uniform Acts gibt es für die partnership und für die close Corporation. Die zweite Säule der Vereinheitlichung des Gesellschaftsrecht ist das Ka­ pitalmarkt- und Börsenrecht (securities regulation). Die securities regulation nimmt unmittelbaren Einfluß auf das Gesellschaftsrecht, weil ihr die ur­ sprüngliche Ausgabe von Anteilsrechten und Schuldverschreibungen, deren nachfolgender Umlauf über eine Börse sowie die Ausübung des Stimmrechts an Publikumsgesellschaften durch Bevollmächtigte (proxies) unterliegen, so­ fern die relevanten Schwellenwerte erreicht sind49. Es beeinflußt darüber hinaus das allgemeine Zivilrecht, weil Rule 10b-5 eine besondere An­ spruchsgrundlage für getäuschte Käufer oder Verkäufer einer security bereit­ stellt. Dieses seit Erlaß der Securities Acts 1933 und 1934 das Gesellschafts­ recht überlagernde Kapitalmarktrecht bezeichnet man oft mißverständlich als federal Corporation law. Ein federal Corporation law im technischen Sinne existiert jedoch nicht, weil die Gesetzgebungszuständigkeiten bei den Einzelstaaten liegt. Das Ka­ pitalmarkt- und Börsenrecht ist dagegen Bundesrecht; die Gesetzgebungs­ kompetenz des Bundes folgt aus der commerce clause der Verfassung. Für Klagen, die eine Anspruchsgrundlage aus dem Recht der securities regulation zum Gegenstand haben, sind die Bundesgerichte kraft besonderer Rechts­ wegzuweisung ausschließlich zuständig ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes50. Konkurriert eine Anspruchsgrundlage des einzelstaat­ lichen Gesellschaftsrechts mit einer solchen aus den Securities Acts, so dür­ fen beide Ansprüche im Verfahren vor den federal courts abgeurteilt werden ungeachtet der an sich bestehenden Rechtswegverschiedenheit der Ansprü­ che51. Andernfalls sind die federal courts nur zuständig, wenn Wohnsitzver­ schiedenheit der Parteien (diversity of citizenship) gegeben ist52. Die Bun­ desgerichte sind ebenso wie die Gesetzgebung an die bundesstaatliche Ord­ nung gebunden. Sie dürfen nach der Erie-Doktrin kein federal common law 49 § 12(g) Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 781(g) und Rule 12g-l, 17 C.F.R. § 240.12g-l. Im übrigen siehe FN 5. 50 § 27 Sec.Exch.Act 1934, 15 U.S.C. § 78aa in Verbindung 28 U.S.C. § 1331. 51 Sog. supplemental jurisdiction, siehe 28 U.S.C. § 1367. Die Bestimmung kodifiziert die Figur der pendent jurisdiction. Danach steht es im Ermessen des federal court, eine Kla­ geverbindung von nach Bundes- und nach Einzelstaatsrecht gegebenen Anspruchsgrundlagen in einem Verfahren zuzulassen und abzuurteilen, sofern alle Ansprüche dieselben Parteien betreffen, die prozeßordnungsgemäß an dem Verfahren beteiligt worden sind, wenn die ver­ bundenen Ansprüche bei natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Klagegrund bil­ den (“common nucleus of operative fact”) und vorausgesetzt, daß das angebotene Beweis­ material sämtliche Ansprüche zu begründen geeignet ist, Hum v. Oursler, 289 U.S. 238, 53 S.Ct. 586 (1933); United Mine Workers of America v. Gibbs, 383 U.S. 715, 86 S.Ct. 1130 (1966). 52 28 U.S.C. § 1332.

kreieren, sondern haben das Recht des Forumstaates anzuwenden53. Es han­ delt sich um ein Gebot des Verfassungsrechts zum Schutze der Gesetzge­ bungskompetenzen. Dieses Ergebnis hat der Supreme Court erneut bestätigt, als die Instanzgerichte den Versuch unternahmen, die Klagerechte der Anle­ ger - insbesondere die derivative suit - durch ein vom anwendbaren Ein­ zelstaatsrecht abweichendes federal common law zurückzudrängen54. Eine Lücke im Börsen- und Wertpapierrecht des Bundes ist durch Rückgriff auf die Grundsätze des einzelstaatlichen Gesellschaftsrechts zu schließen, wenn sie die corporate governance betrifft. Niemals darf eine Rechtsnorm des Ein­ zelstaatsrechts beiseite geschoben werden, indem man sie kurzerhand durch einen Rechtssatz des federal common law ersetzt. In der Sache hat die Entscheidung Kamen v. Kemper55 klargestellt, daß die Corporation als ein Geschöpf der einzelstaatlichen Gesetzgebung dieser unterworfen bleibt. Das gilt vor allem in bezug auf die Verteilung der Or­ ganzuständigkeiten und die Klagerechte der Gesellschafter. Für die deriva­ tive suit bleibt es dabei, daß der Kläger seine Klageabsicht der Gesellschaft anzuzeigen hat, damit diese darüber befinden kann, ob sie ihr Prozeßfüh­ rungsrecht wahrnehmen will (demand on the board). Dieses Erfordernis er­ öffnet der Verwaltung zahlreiche Möglichkeiten, eine derivative suit abzu­ blocken56. Das gesellschaftsinteme Vorverfahren kann jedoch entfallen, so daß eine sofortige Klage zulässig ist. Ob dem so ist, beantwortet das mate­ rielle Gesellschaftsrecht des Inkorporierungsstaates und nicht das vor den Bundesgerichten geltende Prozeßrecht (Rule 23.1 F.R.Civ.P.) oder ein fede­ ral Corporation law. Kamen v. Kemper ist eine Entscheidung zum Gesell­ schafts- und zum Verfassungsrecht mit eminent wirtschaftspolitischem Hin­ tergrund. Das konträre Ergebnis der Vorinstanz57, die der Surpreme Court mit Recht korrigiert hat, wollte aus Rule 23.1 F.R.Civ.P ableiten, daß das gesellschaftsinterne Vorverfahren stets erforderlich ist. Dies errichtet der de­ rivative suit überflüssige Hürden. Was auf den ersten Blick wie ein dogma­ tischer Streit erscheinen mag, ist in Wahrheit eine Auseinandersetzung rivali­ sierender wirtschaftspolitischer Ansätze. Es geht um handfeste Macht- und Zweckmäßigkeitsfragen bei der Verwaltung der Corporation. Sollte man de­ ren Entscheidung - wie die Chicago School annimmt - alleine den Kräften 53 ErieRailroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64, 58 S.Ct. 817 (1938). 54 Kamen v. Kemper Financial Services, Inc., 500 U.S. 90, 111 S.Ct. 1711 (1991) in einer einstimmigen Entscheidung. 55 500 U.S. 90, 111 S.Ct. 1711 (1991) anhand einer Entscheidung, die die Stellung der Verwaltung zu den Anlegern in einem Investmentfonds betraf. 56 Zum demand on the board als Voraussetzung der derivative suit eingehend unten § 7. 57 Die Entscheidungsbegründung stammt aus der Feder von Easterbrook, 908 F.2d 1338 (7th Cir. 1990).

des Marktes überlassen oder braucht man als Korrektiv die Gesellschafter­ rechte? Die Vertreter der Chicago School wollen die Gesellschafterrechte einschränken und das business judgment der Verwaltung stärker gewichten, weil Richter als schlechte Kaufleute gelten und weil der Kapitalmarkt die Anlegerrechte besser wahrt. Dieser Auffassung hat sich der Supreme Court in Kamen v. Kemper jedoch nicht angeschlossen und den Status quo der deri­ vative suit mit Nachdruck bestätigt. Ein entscheidender Beitrag zur Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts liegt in den Rechtsbehelfen, die das Börsen- und Kapitalmarktrecht den Ak­ tionären gebracht hat. Bei strenger Wortlautbetrachtung erscheinen diese wie Programmsätze oder Ermächtigungsgrundlagen für die Securities and Exchange Commission. Die Gerichte haben sie jedoch präzisiert und zu echten Anspruchsgrundlagen zum Schutze des Investors ausgeformt58. Das geschah namentlich auf drei Gebieten: (1) Schutz gegen Manipulationen und Täuschungen im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf einer security nach § 10 Sec.Exch.Act 1934 und Rule 10b-559, (2) Schutz gegen falsche Darstellung von Zielen, Hintergründen und Absichten im Zusammenhang mit Aufforderungen oder Vorschlägen an Gesellschafter, wie diese anläßlich von Hauptversammlungen von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen sollen nach § 14 Sec.Exch.Act 1934 und Rule 14a-9 (proxy regulation) und (3) Verbot von Falschdarstellungen oder Vorenthaltung wesentlicher Informa­ tionen anläßlich eines Unternehmenskaufs nach Rule 14e-3. Rule 10b-5 kommt als Anspruchsgrundlage bei weitem die größte Bedeutung zu, weil Rule 14a-9 und Rule 14e-3 überhaupt nur anwendbar sind, wenn die Gesell­ schaft eine reporting Company i.S.v. § 12 Sec.Exch.Act ist. Für betrüge­ rische Manipulationen, für die nach Rule 14a-9 oder Rule 14e-3 Schadens­ 58 Kardon v. National Gypsum Co.y 69 F. Supp. 512 (E.D.Pa. 1946); 73 F.Supp. 798 (E.D.Pa. 1947); 83 F.Supp. 613 (E.D.Pa. 1947). Das Gericht macht sich eine sehr pragma­ tische Argumentation zu eigen (vgl. 69 F.Supp. 514): Rule 10b-5 sei zwar als Programmsatz bzw. als Ermächtigung zugunsten der S.E.C. formuliert, aber die Ergänzung als privat­ rechtliche Anspruchsgrundlage mit Schadensersatz oder Rücktritt sei zur Verwirklung des gesetzgeberischen Telos derart elementar und selbstverständlich, daß ein gegenteiliges Er­ gebnis den positiven Ausschluß dieser privaten Rechtsbehelfe im Gesetz erfordert hätte, da § 10(b) Sec.Exch.Act und Rule 10b-5 erkennbar nicht hinter dem Rechtszustand Zurückblei­ ben wollten, wie er nach common law bestand. Die endgültige höchstrichterliche Absiche­ rung hat diese Auffassung erst 1971 in Superintendent of Insurance v. Bankers Life & Casualty Co.y 404 U.S. 6, 92 S.Ct. 165 erfahren. 59 Die Mitgliedschaft in einer Corporation oder partnership ist eine "security" im Sinne der Securities Acts, auch wenn der Erwerber eine beherrschende Stellung erwirbt oder aktiv im Management vertreten ist. Dieser Grundsatz entspricht der heute herrschenden Praxis nach Aufgabe der sog. sale of business-Doktrin, vgl. Goodwin v. Elkins & Co., 730 F.2d 99 (3d Cir. 1984) für die Mitgliedschaft in einer partnership; Ruefenacht v. O'Halloran, 737 F.2d 320 (3d Cir. 1984), aff’d 471 U.S. 701, 105 S.Ct. 2308 (1985); Landreth Timber Co. v. Landreth, 471 U.S. 681, 105 S.Ct. 2297 (1985) für einen 100%igen Erwerb der Anteile einer Corporation.

ersatz verlangt werden kann oder ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag be­ steht, welche jedoch keine reporting Companies betreffen, bleibt der Rück­ griff auf Rule 10b-5 möglich. Rule 10b-5 erfaßt namentlich Betrugsfälle hin­ sichtlich der Anteile einer nicht-börsennotierten Corporation oder partner­ ship. Die Ausstrahlung des so verstandenen federal Corporation law60 auf das allgemeine Zivil- und Gesellschaftsrecht ist beträchtlich. Die unter dem Securities and Exchange Act von 1934 erlassenen Rules und Regulations sind ihrer Natur nach Rechtsverordnungen der S.E.C., sie besitzen jedoch die Autorität von Gesetzen. Ihre Verletzung zieht strafrechtliche, administrative und zivilrechtliche Sanktionen nach sich. Begründet ist die vorteilhafte Zu­ ständigkeit der Bundesgerichte, doch darf für zivilrechtliche Klagen seit ei­ ner Kehrtwendung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Zuständig­ keit eines Schiedsgerichts vereinbart werden61. Die Zweispurigkeit in der ge­ richtlichen Zuständigkeit und im anwendbaren Recht birgt Chancen ebenso wie Risiken für die weitere Entwicklung des amerikanischen Gesellschafts­ rechts. In prozessualer Hinsicht waren Mißbrauchstendenzen bei der Zustän­ digkeitsbegründung der Bundesgerichte zu beobachten. In vielen Jurisdik­ tionen erfordert die Erhebung einer derivative suit die Stellung einer Sicher­ heit durch den Kläger, Rule 23.1 F.R.Civ.P. verzichtet hierauf. Folglich versucht man nach Möglichkeit, die Klage beim Bundesgericht zu erheben. Die Befugnis zur objektiven Klagenhäufung von bundesrechtlichen An­ spruchsgrundlagen mit sonstigen, die an sich nur vor den einzelstaatlichen Gerichten einklagbar sind, besteht sogar dann noch, wenn der bundesrecht­ liche Anspruch abweisungsreif ist62. Im Bereich des materiellen Rechts ergab sich aus dem Nebeneinander von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht das Problem, inwiefern die gesell­ schaftsrechtlichen Verhaltensmaßstäbe durch das Kapitalmarktrecht modifi­ zierbar sind. Dies war vor allem für die Haftung nach Rule 10b-563 zu ent­ scheiden. Dazu bedurfte es in erster Linie einer verbindlichen Festlegung des Haftungsmaßstabes. Die Schlüssigkeit von Klagen aus Rule 10b-5 verlangt, daß der Kläger dem Beklagten vorsätzliches oder absichtliches Handeln 60 Zum Ganzen Fleischer, "Federal Corporation Law": An Assessment, 78 Harv.L. Rev. 1146(1965). 61 Trotz der exklusiven Zuweisung von Ansprüchen, die auf den Securities and Exchange Act 1934 gegründet sind (§ 27 Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 78aa), kann für solche Ansprüche seit einer Änderung der Rechsprechung nunmehr grundsätzlich die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts wirksam vereinbart werden, vgl. Dean Witter Reynolds, Inc. v. Byrd, 470 U.S. 213, 105 S.Ct. 1238 (1985); Jarvis v. Dean Witter Reynolds, Inc., 614 F.Supp. 1146 (D.C.Vt. 1985). 62 Siehe oben FN 51. 63 17 C.F.R. §240.10b-5.

(scienter) nachweist, also eine Gesinnung, die darauf gerichtet ist, zu betrü­ gen, zu täuschen oder die wesentlichen Umstände im Zusammenhänge mit dem Kauf oder Verkauf einer security zu verschleiern. Fahrlässigkeit ist selbst in Form der groben Fahrlässigkeit nicht genügend64. Eine Haftung nach Rule 10b-5 verlangt stets, daß die Schädigung des Klägers auf einer Täuschungshandlung des Beklagten beruht. Nach dem Sinn und Zweck der Securities Acts soll aus diesem rechtlichen Grunde nicht haften, wer alle re­ levanten Fakten offenbart hat. Die gesellschaftsrechtliche Angemessenheit und Anfechtbarkeit einer Maßnahme bemißt sich unabhängig davon nach dem Recht des Gründungsstaates65. Rule 10b-5 hat nicht die Aufgabe, die allein durch das einzelstaatliche Gesellschaftsrecht definierten Verhaltens­ pflichten der Verwaltung oder des Mehrheitsgesellschafters in Bundesrecht zu überfuhren und dort neu zu definieren. Festzuhalten bleibt, daß das amerikanische Gesellschaftsrecht unter dem Einfluß zweier voneinander unabhängiger Rechtsquellen steht, die verschie­ denen Rechtssetzungszuständigkeiten unterliegen. Jede muß die andere re­ spektieren, keine darf in den Regelungsbereich der anderen übergreifen, ihn ausdehnen oder einschränken wollen. Insbesondere darf das Kapitalmarkt­ recht des Bundes nicht zum Vehikel für eine Umschreibung des einzelstaat­ lichen Gesellschaftsrechts werden. Sämtliche dieser Fragen finden sich bei den Klage- und Kontrollrechten der Gesellschafter in zugespitzter Form wie­ der und sind nachfolgend in diesem Zusammenhang zu vertiefen.

64 Emst & Emst v. Hochfelder, 425 U.S. 185, 96 S.Ct. 1375 (1976) hat diesen Ver­ schuldensmaßstab für eine Haftung nach Rule 10b-5 aus § 10(b) Sec.Exch.Act 1934, 15 U.S.C. § 78j hergeleitet, der die Rechtsgrundlage für den Erlaß von Rule 10b-5 abgibt. Die dort gewählten Formulierungen "to use or employ any manipulative or deceptive device" beinhalten ein zielgerichtetes Handeln, dem auf der Ebene des Verschuldens Absicht und alle Formen des Vorsatzes entsprechen. Folgerichtig verlangt die Rechtsprechung, daß die­ ser Maßstab in allen Verfahren nach Rule 10b-5 gilt, unabhängig von der jeweiligen Partei­ stellung, Aaron v. Securities and Exchange Commission, 446 U.S. 680, 100 S.Ct. 1945 (1980). 65 Sante Fe Industries, Inc. v. Green, 430 U.S. 462, 97 S.Ct. 1292 (1977). Diese Ent­ scheidung macht das Phänomen des forum shopping besonders anschaulich. Der Fall bot für den Kläger nach dem anwendbaren Gesellschaftsrecht von Delaware keine Handhabe, die von ihm bekämpfte Fusion mit gesellschaftsrechtlichen Rechtsbehelfen abzuwehren. Das Recht des Staates Delaware verlangt für eine "short form merger", also eine Verschmelzung, bei der die aufnehmende Gesellschaft bereits mehr als 90 % der Aktien der zu verschmel­ zenden besitzt, keinen sachlich-unternehmerischen Rechtfertigungsgrund und gewährt dem infolge der Fusion zwangsweise ausscheidenden Gesellschafter lediglich ein Abfindungsrecht (appraisal remedy, 8 Del.Code § 262) ähnlich den §§ 304 ff. AktG.

§ 7 Die Einzelklagebefugnis des Mitglieds der Corporation (shareholder's derivative action) Die derivative suit ist der bei weitem wichtigste Rechtsbehelf des Shareholders. Seine Bedeutung und Durchschlagskraft liegt in der Multi­ funktionalität. Die derivative suit kann auf eine lange Tradition zurück­ blicken1. Ihr historischer Werdegang ist noch immer aufschlußreich für die Beantwortung vieler Gegenwartsfragen dieses Rechtsinstituts.

I. Grundlagen und Herkunft Die Einzelklage hat heute in vielen Bundesstaaten eine gesetzliche Grundlage im Verfahrensrecht (Rule 23.1 F.R.Civ.P) oder im materiellen Gesellschaftsrecht. Jene Grundlagen haben den bestehenden Rechtszustand aber bloß bestätigt. Nach common law standen die Rechte der Corporation allein dieser zu, ihre Wahrnehmung hatte ausschließlich durch die Verwal­ tung zu erfolgen. Es war den equity courts vorbehalten, Ausnahmen von be­ sagtem Grundsatz zu formulieren. Der Rechtsbildungsprozeß ist gerade für die Entwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts lehrreich, da er sich nicht durch gesetzgeberische Intervention, sondern durch Richterrecht vollzogen hat.

1. Historische Entwicklung Die derivative suit gehört zu den stilprägenden Institutionen des anglo­ amerikanischen Rechtskreises. Im weiteren Gang der Untersuchung wird bedingt durch den Rahmen der Aufgabenstellung - das amerikanische Ge­ sellschaftsrecht im Vordergrund stehen. Eine Behandlung der derivative suit bliebe indes unvollkommen, wenn man nicht mit der gebotenen Kürze einen Seitenblick auf das englische Recht als dem Mutterrecht wirft.

a) Englisches Recht

Das Verhältnis von Mitglied und Corporation ist dadurch gekennzeichnet, daß das Mitglied mit Blick auf die Leitung der Gesellschaft keine unmittelbar eigenen Rechte und Befugnisse hat, sofern solche nicht ausdrücklich im Ge­ setz niedergelegt sind. Die Ursache hierfür liegt darin, daß das Mitglied durch seinen Beitritt die Dispositionsbefugnis über sein Investment aufgibt 1

Eingehend Fuchs, Aktionär und Kontrolle, 1981, S. 25 ff.

und dem board of directors überträgt. Die Einlage wird an die Gesellschaft geleistet und geht in deren Eigentum über, so daß sie hinfort der Verfü­ gungsmacht der Gesellschaftssorgane untersteht. Korporativ bleibt der Ge­ sellschafter im Organ der Mitgliederversammlung (shareholders’ meeting) organisiert, die durch ihr mehrheitliches Votum die Zusammensetzung des board of directors bestimmt. Das einzelne Mitglied ist im anglo-amerikanischen Korporationenrecht wie in Deutschland (vgl. § 118 AktG) in der Anteilseignerversammlung repräsentiert und kann von hier auf den Prozeß der Willensbildung in der Corporation Einfluß nehmen. Im übrigen gebietet das System der funktionalen Trennung der korporativen Funktionen, daß die Corporation durch ihren board of directors vertreten wird2, der die Geschäfte entweder selbst führt oder die Verwaltung durch die von ihm eingesetzten officers überwacht. Die Vertretung der Gesellschaft umfaßt namentlich die gerichtliche und die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft. Daher kann ein Gesellschafter in dieser Eigenschaft kein Kla­ gerecht auf Leistung an die Gesellschaft im eigenen Namen ohne eine da­ hinlautende Ermächtigung anstelle des verfassungsmäßig berufenen Vertre­ tungsorgans beanspruchen. So war die Rechtslage nach dem common law3. Diese Vertretungsordnung beruht auf zwei Prämissen: In der Corporation herrscht eine Zuordnung von Vermögen an die Gesellschaft als rechtlicher Vergemeinschaftung aller Gesellschafter. Hand in Hand damit geht eine Vergemeinschaftung in der Willensbildung. Über die zum Gesellschaftsver­ mögen gehörigen Gegenstände entscheidet nicht mehr der Wille des einzel­ nen Gesellschafters. Die Geschäftsführung sowie die Geltendmachung von Ansprüchen ist in die Hände eines zentralisierten Managements gelegt. Un­ terbleibt sie und kommt es über die Zweckmäßigkeit der Nichtgeltendma­ chung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Verwaltung und Anteils­ eignern, so ist der von der Korporationsverfassung gewiesene Weg die Aus­ wechslung der Verwaltung per Mehrheitsentscheid. Das vorrangige Ausge­ hen vom Mehrheitsprinzip wird nicht nur von der Korporationsverfassung, sondern darüber hinaus durch das GesellschaftsVerhältnis bestimmt. Die Ge­ sellschaftermehrheit ist häufig befugt, einem Anspruch, den ein Einzelgesell­ schafter geltend machen will, dadurch den Boden zu entziehen, daß die ihm 2 Section 282 et seq. Companies Act 1985; 8 Del.Code § 141; § 701 N.Y.B.C.L. 3 Foss v. Harbottle (1843) 2 Hare 461, 67 E.R. 183. Zu dieser Grundsatzentscheidung vgl. die eingehende Darstellung bei Boyle/Birds, Company Law, 2. Aufl. Bristol 1987, Chap. 21 (S. 631 ff.) m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung. Zur historischen Entwick­ lung der derivative suit auch die Darstellung von WiethÖLTER, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, 1961, S. 200 ff. In Foss v. Harbottle erfolgte die Klageabweisung, weil der Gesellschafter-Kläger seine Klageabsicht nicht vor der Klageerhebung der Gesellschaft angezeigt hatte, so daß diese keine Gelegenheit erhielt, über ihr Klagerecht zu entscheiden.

zugrunde liegende Maßnahme ratifiziert wird4. Dieses Ratifizierungsrecht bleibt allein den Shareholders vorbehalten. Andere Interessengruppen, die von der Entscheidung ebenfalls berührt werden - wie etwa die Gesell­ schaftsgläubiger - sind an ihr unbeteiligt5. Die große Reserve der Gerichte gegenüber einer auch nur ansatzweisen Infragestellung der ausschließlichen Handlungsbefugnis der Verwaltung oder gegenüber einer Durchbrechung des Mehrheitsprinzips dreht sich im Kem um die Befürchtung, daß eine Öffnung nicht nur einen, sondern mehrere Gesellschafter womöglich mit inhaltlich divergierenden Klagen auf den Plan rufen mag, so daß sich letztlich ein Ge­ richt in die Rolle gedrängt sieht, eine unternehmerische Entscheidung zu fällen. b) Amerikanisches Recht Ganz ähnlich, wenngleich zeitlich versetzt, verlief die Anerkennung des Einzelklagerechts in den USA6. Die Prinzipien des common law verwehrten es dem Gesellschafter ursprünglich, die Verwaltung der Corporation auf Re­ chenschaftslegung oder Schadensersatzleistung an die Gesellschaft in An­ spruch zu nehmen. Diese Haftungsimmunität hat der Verwaltung Freiräume geschaffen, die zu extensiven Mißbräuchen Anlaß gaben. Die Konsequenz lag in der Schaffung von Gegengewichten durch die Gerichte der equity. Die Lösung besteht in einer Durchbrechung der Zuständigkeitsordnung der Cor­ poration. In der Retrospektive hat sich diese Entwicklung als schlechterdings unverzichtbar für die Leistungsfähigkeit der Corporation als unternehmens­ tragende Organisationsform erwiesen. Alle Gegenstände des Gesellschafts­ vermögens gebühren als owner in law der Corporation mit ihrer Verwaltung als Inhaber der formalen Eigentümermacht. Owner in equity sind hingegen die Gesellschafter. Eine Klage des Gesellschafters aus dem Recht der Corpo­ ration bewirkt eine partielle Wiederherstellung der Kongruenz beider Eigen­ tümerstellungen7. Nur die Zulassung der derivative suit sichert eine wirk­ 4 Siehe Bamford v. Bamford [1969] 2 W.L.R. 1107 (C.A.); hierzu Boyle/Birds (vorige FN), Chap. 21.6 (S. 639). 5 So der englische Fall Edwards v. Halliwell [1950] 2 All E.R. 1064, 1066 (C.A.). Im anglo-amerikanischen Rechtskreis gibt es keine Arbeitnehmermitbestimmung (co-determination). 6 Am Anfang der Entwicklung stand Dodge v. Woolsey, 18 Howard 331, 1 U.S. 284 (1855). Die historische Entwicklung des Instituts der derivative suit in den USA wird gut nachgezeichnet in Ross v. Bernhard, 396 U.S. 531, 90 S.Ct. 733 (1970). Zu einer verglei­ chenden Darstellung der Rechtsentwicklung in Großbritannien und in den USA Prunty, The Shareholders' Derivative Suit: Notes on its Derivation, 32 N.Y.U.L.Rev. 980 (1957); Pflüger, Neue Wege der Verwaltungskontrolle im Aktienrecht, 1969, S. 18 ff., 28 ff. 7 Hierzu sehr grundsätzlich aus rechtsvergleichender und -historischer Perspektive Jahr, Gedächtnisschrift für Kunkel, 1984, S. 69 (74 ff.).

same Kontrolle der Verwaltung in der Corporation, deren Maßstab die geset­ zes- und statutenkonforme Leitung ist. Ohne diese Entsprechung von objek­ tiv verfassungsrechtlichen Ordnungselementen und ihre Durchsetzung durch subjektive Rechte der Gesellschafter wäre die Ausbildung dieser Pflichten und der sie bewehrenden Sanktionen nutzlos gewesen. In den USA wie in England ist das Gesellschaftsrecht dem unmittelbaren Einfluß der Kapitalmarktgesetzgebung ausgesetzt. Der Gesellschafter der Publikumsgesellschaft ist Teilnehmer am Kapitalmarkt. § 16(b) Sec.Exch. Act 1934 verbietet Verwaltungsmitgliedern oder Gesellschaftern mit mehr als 10%igem Anteilsbesitz in der amerikanischen Publikumsgesellschaft von ihrem Wissen durch einen Handel in den Anteilen der Gesellschaft Gebrauch zu machen, wenn nicht zwischen An- und Verkauf mehr als sechs Monate liegen. Die Herausgabepflicht nach § 16(b) ist ein Teilausschnitt der Insider­ regeln (sog. short swing profits). Die Herausgabepflicht besteht gegenüber der Gesellschaft, weil ihr Wissen geschützt wird und weil dieses Wissen al­ len Gesellschaftern und dem Kapitalmarkt gebührt8. Der Erlösherausgabean­ spruch der Gesellschaft aus § 16(b) kann zur Durchsetzung der beschriebe­ nen Verhaltenspflicht von jedem Gesellschafter im Wege einer derivative suit für die Gesellschaft eingeklagt werden. c) Vergleichende Bewertung

Schon das in Foss v. Harbottle anerkannte Vertretungsmonopol der Ver­ waltung kannte jedoch Ausnahmen. Die Vertretungszuständigkeit findet dort ihre Grenze, wo es um Akte geht, die jenseits des der Corporation gezogenen Betätigungsrahmens liegen, also ultra vires9 sind, die gegen staatliche Ge­ setze verstoßen, die Minderheitsgesellschafter absichtlich und kompensa­ tionslos benachteiligen (fraud upon the minority) oder die darauf abzielen, die Minderheit aus der Gesellschaft zu verdrängen (oppressive conduct). Wenn der Gesellschafter befugtermaßen in Einzelklage für die Gesellschaft vorgeht, so schwingt er sich partiell zu ihrem Vertreter auf. Für jene Durch­ brechung der verfassungsmäßigen Vertretungszuständigkeit müssen rechtfer­

8 Statt vieler nur Hazen, The Law of Securities Regulation, 1985, § 12.3 (S. 414 ff.) mit umfänglichen Nachweisen. 9 Als ultra vires gelten Akte, die außerhalb des Rahmens erlaubter Betätigung der Cor­ poration liegen, so wie sie durch die Gesetze des Inkorporierungsstaates oder das certificate of incorporation umschrieben sind. Die ultra vires Doktrin in ihrem strengen Sinne (= ab­ solute und unheilbare Nichtigkeit) war aufzugeben, als man vom Konzessionsprinzip zu ei­ nem System der freien Körperschaftsbildung überging. Diese Lehre gilt in den USA nur noch in einer sehr abgeschwächten Form. Insbesondere ist sie den schutzwürdigen Belangen Dritter und des gutgläubigen Rechtsverkehrs nachzuordnen, vgl. nur § 203 N.Y.B.C.L.; 8 Del.Code § 124.

tigende Gründe vorliegen. Andernfalls bewendet es bei der körperschaft­ lichen Formenstrenge. Das als Ausnahme zum Grundsatz in Foss v. Harbottle anerkannte Recht zugunsten des Einzelaktionärs, welches im common law einer Rechtsgrund­ lage entbehrte, war in equity zu verfolgen. Heute ist die verfahrensrechtliche Bedeutung der Unterscheidung einer Rechtsverfolgung at law bzw. in equity zwar insoweit überholt als die damit historisch verbundene Rechtswegspal­ tung überwunden ist10, im amerikanischen Recht berührt die alte Dichotomie immer noch das verfassungsmäßige Grundrecht der Prozeßparteien auf einen jury trial. Ansprüche, die ihre Grundlage in der equity haben, verleihen kein Recht zum jury trial11. Die Legalordnung der Corporation spiegelt auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis die Wechselwirkungen zwischen objektiver Verbands Verfassung und den korrelierenden subjektiven Mitgliederrechten wider. Insbesondere erweist sie, wie die subjektiven Rechte die Organbefugnisse begrenzen. Beide Komponenten fügen sich zu einem System der checks and balances: Das Korporationenrecht wäre unvollkommen, würde es nur abstrakt die Frage der Vertretung im Auge haben. Das System verlangt umgekehrt Me­ chanismen zur Einhaltung dieser Grenzen. Ohne Einzelklagebefugnis stünde die Macht der Verwaltung in einem kontrollfreien Raum. Eine ausschließ­ liche Aktionszuständigkeit der Verwaltung bedeutet eine Rechtsschutzex­ klave, die es nicht geben darf, um die Pflichtenbindung der Verwaltung nicht illusorisch zu machen. Die Statthaftigkeit der derivative suit hat die hohe Ausprägung der Verhaltensstandards bei der Corporation und speziell die Verteidigung der mitgliedschaftlichen Position des Gesellschafters gegenüber der Verwaltung bewirkt. Die derivative suit hat die Verwaltung zu treuhänderischer Verantwortlichkeit und ungeteilter, interessenkollisions­ freier Amtsführung angehalten. Sie hat damit einen heilsamen Einfluß auf eine selektive Personalpolitik der Gesellschaft ausgeübt. Der Stellenwert des Rechtsbehelfs läßt sich nicht alleine dadurch ermitteln, daß man fragt, in welcher Größenordnung das Klagerecht zu einer Vermehrung des Gesell­ schaftsvermögens beitragen kann. Einzubeziehen ist ebenso, daß sie es zu verhindern vermochte, daß die Verwaltung und die Gesellschaftermehrheit

10 In Großbritannien erfolgte die Abschaffung der Zweiteilung der Gerichtsbarkeit für Klagen at law und in equity durch den Supreme Court of Judicature Act, 36 & 37 Viet., c. 66 (1873). In den USA vollzog sich derselbe Prozeß bundesweit erst durch den Erlaß der Federal Rules of Civil Procedure im Jahre 1938. 11 In Ross v. Bernhard, 396 U.S. 531, 90 S.Ct. 733 (1970) deutet das Gericht jedoch an, daß gewisse Situationen einen jury trial für die derivative suit rechtfertigen können.

gesellschaftsfremde Sondervorteile zu Lasten des Gesellschaftsvermögens erlangen konnten12. Zusammenfassend zeigt die Diskussion um die Einpassung der derivative suit in die Zuständigkeitsordnung der Corporation deren Leistungsfähigkeit und Grenzen als separates Rechtssubjekt. Im deutschen Recht ist sedes materiae das Vertretungsrecht. Das organschaftliche Vertretungsprinzip beruht auf der Erkenntnis, daß der Vertretene selbst nie handeln kann, weil die juri­ stische Person erst durch ihre Organe Handlungsfähigkeit gewinnt. Kontra­ hiert der Vertreter mit sich, indem er einen Anspruch der Körperschaft ge­ gen sich selbst nicht verfolgt oder blockiert, was de facto auf einen Erlaß­ vertrag hinausläuft, so entfällt seine Vertretungsmacht wegen der immanen­ ten Interessenkollision13. Verhindert eine Interessenkollision die ordnungs­ gemäße Vertretung der Gesellschaft, dann ist über diese neu zu entscheiden, soweit die Verhinderung reicht. Im amerikanischen Recht beantwortet sich diese Frage für die Gesellschaften nach dem Recht des Trust. Der trustee hat seine Aufgaben gegenüber dem Trustvermögen sowie gegenüber den beneficiaries in ungeteilter Loyalität zu erfüllen. Verläßt der trustee den Rahmen erlaubter Tätigkeiten, so entsteht für den beneficiary ein aus dem Schatten des trustee heraustretendes Klagerecht im Interesse des trust corpus14.

2. Gegenstand der Einzelklage Eine Gesellschafterklage kann ein eigenes Recht des Gesellschafters oder ein Recht der Gesellschaft zum Gegenstand haben. Die exakte Einordnung hängt vom Zuweisungsgehalt des Anspruchs ab, den es mit der Klage durch­ zusetzen gilt. Handelt es sich um einen Anspruch, der dem Gesellschafter selbst zusteht, so ist die direct suit statthaft, gebührt er hingegen der Gesell­ schaft, so ist die derivative suit die richtige Klageart. Die Unterscheidung vollzieht sich vom materiellen Recht her. Die Einordnung ist allerdings oft schwierig und bisweilen willkürlich, weil es keine durchgängig trennscharfe Abgrenzungsformel gibt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht entscheidet sich durch diese Abgrenzung, welche Sachurteilsvoraussetzungen zu erfüllen sind. Gehört der streitige Anspruch der Gesellschaft, so gebührt ihr ferner die Befugnis, ihn geltend zu machen und damit in den Genuß des Erlöses der 12 Eine mustergültige Herausarbeitung des hinter der derivative suit stehenden Kontroll­ zwecks findet sich in Brendle v. Smith, 46 F.Supp. 522, 525 (S.D.N.Y. 1942). 13 Das deutsche Recht thematisiert diesen Konflikt, der sich für alle Vertretungsverhält­ nisse stellt, in § 181 BGB. § 181 ist kein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB, sondern macht das Vertretergeschäft lediglich schwebend unwirksam nach §§ 177-179, vgl. MünchKomm­ Schramm, BGB, 3. Aufl. 1993, § 181 RdNr. 37 f. Das belegt schon die systematische Stellung der Vorschrift im Recht der Vertretung ohne Vertretungsmacht. 14 Kronstein RabelsZ 21 (1956), 456 (502 ff.).

Prozeßführung zu kommen. Das Prozeßführungsrecht ist ein Ausschnitt der komplexeren subjektiven Berechtigung. Damit einher gehen zwei wichtige gesellschaftsrechtliche Funktionen15: Zum einen soll die Multiplizierung von Prozessen vermieden werden, die nur den Beklagten und die Rechtspflege ungebührlich belasten würden. Zum anderen ist der Erlös zunächst durch die Gesellschaft zu vereinnahmen, um von hier aus zur weiteren Verteilung zu gelangen. Die Vereinnahmung über das Gesellschaftsvermögen bezweckt, daß auch und vorrangig die Gesellschaftsgläubiger an einer Vermehrung des Vermögens der Gesellschaft teilhaben, da sie ohnedies in der konkursrecht­ lichen Verteilungshierarchie über den Gesellschaftern rangieren. Die Abgrenzung zwischen Individual- und Sozialanspruch schlägt sich prozessual in verschiedenem Klageanträgen nieder. Geht es um die Einkla­ gung eines eigenen Anspruchs mit der direct suit, muß der Kläger kein Auf­ trags- oder VertretungsVerhältnis offenlegen. Er klagt im eigenen Namen an sich oder bei der direct dass action im eigenen Namen sowie im Namen aller übrigen Gesellschafter derselben Gesellschaft, die sich in der gleichen Lage befinden16 auf Leistung an sich selbst mit nachfolgender Verteilung an die anderen Klassenmitglieder oder sogleich auf anteilige Leistung an alle Ge­ sellschafter als Klassenmitglieder. Hiervon hebt sich der Klageantrag bei der derivative suit schon rein äußerlich ab. Hier klagt der Kläger gegen die Ge­ sellschaft und den materiell Beklagten, also gegen den Schuldner der Gesell­ schaft, die nach amerikanischem Zivilprozeßrecht notwendige Streitgenossen sind, im Namen der Gesellschaft und auf Leistung an diese17. Auf Aktivseite kann ein einzelner Gesellschafter stehen oder eine Gruppe von Gesellschaf­ tern als Klägerklasse18. Parteienhäufung auf Aktivseite ist zulässig und in solchen Staaten an der Tagesordnung, die für die derivative suit ein be­ stimmtes Mindestanteilsbesitzquorum als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage verlangen.

15 Hierzu Watson v. Button, 235 F.2d 235, 237 (9th Cir. 1956). 16 Vgl. etwa Eisenberg v. Flying Tiger Line, Inc., 451 F.2d 267 (2d Cir. 1971): "On behalf of himself and all other stockholders of the Corporation similarly situated"; Green v. Wolf Corp., 406 F.2d 291 (2d Cir. 1968) für eine direct dass action. 17 So etwa die Formulierung in § 626(a) N.Y.B.C.L.:"... action ... brought in the right of a ... Corporation to procure a judgment in its favor...". 18 Die derivative suit kann auch von einer Gruppe von Klägern erhoben werden, die dann eine Streitgenossenschaft auf Aktivseite bilden.

Als Individualanspruch, der mit der direct suit verfolgt werden kann, sind heute anerkannt: das Recht auf Ausschüttung einer erklärten Dividende19, das Austrittsrecht mit Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft (appraisal remedy) infolge strukturverändernder Maßnahmen durch die Verwaltung oder durch die Gesellschaftermehrheit20, das Recht auf Einsichtnahme in die Geschäftsbücher der Gesellschaft21 sowie die Durchsetzung der Pflicht der Corporation, ihre Aktien bei einem öffentlichen Verkaufsangebot über den Kapitalmarkt (sog. public offering) nach § 5 See.Act 193322 registrieren zu lassen23 oder endlich das Recht, die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grunde zu verlangen24. In diesen Beispielsfällen stehen Rechte oder Rechtsausschnitte in Rede, die sich auf das persönliche Recht des Mitglieds beziehen. Bei der Qualifizierung von Ansprüchen als persön­ lich oder gesellschaftsbezogen darf der fragliche Anspruch allerdings nicht für sich allein genommen werden. Vielmehr muß er jeweils unter dem Blickwinkel einer Situation betrachtet werden, aus der heraus der Anspruch zu verwirklichen ist. So ist die Ausschüttung einer im Einklang mit der ge­ setzlichen FinanzVerfassung der Corporation erklärten Dividende ein mit der direct suit verfolgbarer Individualanspruch. Wird andererseits eine Divi­ dende verteilt, die das gesetzlich gebundene Gesellschaftsvermögen (stated Capital) antastet, so berührt dies die Rechte der Gesellschaft auf ihr betriebs­ notwendiges Vermögen — und damit ebenso virulente Interessen der Gesell­ schaftsgläubiger -, so daß diese Rechte vom Gesellschafter für die Gesell­ schaft nur mit Hilfe der derivative suit gewahrt werden können25. Die Test­ frage für die Abgrenzung von Individual- und Sozialansprüchen betrifft da­ her die Art des Rechts, seinen Inhaber, die Eigenschaft seiner Ausübung, seine Schutzrichtung und den Zweck der Rechtsausübung. 19 Knapp v. Bankers Securities Corp., 230 F.2d 717, 721 (3d Cir. 1956); dezidiert an­ derer Ansicht noch Gordon v. Elliman, 119 N.E.2d 331 (N.Y. 1954). Das Ergebnis dieser Entscheidung wurde in New York später per Gesetz geändert. Zur Unterscheidung direct suit - derivative suit umfassende Nachweise bei Merkt, US-amerikanisches Gesellschafts­ recht, 1991, S. 474 ff. 20 8 Del.Code § 262. 21 Dazu noch eingehend unten § 14 sowie HENN/ALEXANDER, Corporations, 3. Aufl. 1983, § 199 (S. 536 ff.). 22 15 U.S.C. §77(e). 23 Dies folgt daraus, daß an der Registrierung die Untemehmenspublizität gegenüber dem Gesellschafter hängt, in diesem Sinne etwa Greater Iowa Corp. v. McLendon, 378 F.2d 783 (8th Cir. 1967). 24 Fontheim v. Walker, 141 N.Y.S.2d 62 (1955); Leibert v. Clapp, 196 N.E.2d 540 (N.Y. 1963). 25 Campbell v. Clark, 324 P.2d 51 (Cal. App. 1958): die finanzverfassungswidrige Aus­ schüttung einer Dividende geschieht zu Lasten des Gesellschaftsvermögens, dessen alleiniger Berechtigter vor der Liquidation die Corporation ist.

Typische Szenarien der derivative suit sind alle Formen der Beeinträchti­ gung des Gesellschaftsvermögens, etwa in Form von Verschleuderungen von Vermögensbestandteilen (waste of corporate assets), Mißbrauch von Chancen der Gesellschaft (abuse of corporate opportunities) oder Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens durch schuldhaft unrichtige Geschäftsführung. Der Ersatzanspruch steht hierbei der Gesellschaft zu. Die derivative suit ist aber auch statthaft, wenn ein Gesellschafter für den Verkauf seiner Anteile eine Kontrollprämie oder einen Paketzuschlag erhält26 und diese für sich alleine vereinnahmen will. Mit Hilfe der derivative suit wird eine vom Erwerber gezahlte Kontrollprämie zugunsten der Gesellschaft abgeschöpft, weil die Kontrolle über die Gesellschaft aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung ein Aktivum der Gesellschaft ist und allen Gesellschaftern zusteht. Insgesamt läßt sich festhalten, daß der Gesellschafter den Schaden, den er an seiner Mitgliedschaft erleidet infolge einer Schädigung der Gesellschaft, regelmäßig nicht im Wege der direct suit verfolgen kann. Diesen Schaden vergemeinschaftet das Recht vielmehr dadurch, daß es ihn der Corporation zurechnet und damit grundsätzlich auch dieser das Prozeßführungsrecht ver­ leiht. Dahinter verbirgt sich eine prozeßökonomische Erwägung, die gleich­ zeitig die Interessen des potentiellen Beklagten mitverfolgt: Er sieht sich so nicht einer u.U. astronomischen Zahl von Einzelklagen über viele Teilbe­ träge, sondern nur einer Partei, nämlich der Corporation mit einer aggre­ gierten Schadensersatzsumme, gegenüber. Die Gesellschaft ist Rechtsinhaber und hat im Normalfall die Parteirolle inne. Sie zieht den Erlös zum Gesell­ schaftsvermögen und gibt diesen dann in einem ordnungsgemäßen Gewinn­ verwendungsverfahren an ihre Gesellschafter weiter. Derselbe Gedanke fin­ det sich im deutschen Recht in § 117 Abs. 1 AktG wieder. Der Sinn der Unterscheidung besteht neben der erwähnten Prozeßökonomie in der Sam­ melbeckenfunktion des Gesellschaftsvermögens: Geht der Erlös durch das Gesellschaftsvermögen, so partizipieren hieran die Gesellschaftsgläubiger ebenfalls. Das ist immer dann gerechtfertigt, wenn die einer derivative suit zugrundeliegende Klage sich gegen eine Handlung wendet, die auch die Po­ sition der Gesellschaftsgläubiger beeinträchtigt hat. Verläßliches Indiz für die Statthaftigkeit der derivative suit ist, daß sich der Anspruch im weiteren 26 Die Rechtsprechung, wonach eine an den Mehrheitsgesellschafter gezahlte Kontroll­ prämie von diesem an die Gesellschaft herauszugeben ist, ist allerdings nicht unumstritten. Die Idee geht zurück auf die berühmte Abhandlung von Berle/Means, The Modem Corpo­ ration and Private Property, New York 1933, S. 233 ff. (244). In der Rechtsprechung sind diesem Ansatz gefolgt Perlman v. Feldmann, 219 F.2d 173 (2d Cir. 1955) und noch deut­ licher Jones v. H. F. Ahmanson & Co., 460 P.2d 464 (Cal. 1969). Dagegen etwa Manne, Mergers and the Market for Corporate Control, 73 J.Pol.Econ. 110, 116 (1965).

Sinne auf das Gesellschaftsvermögen bezieht27. Die Durchleitung durch das Gesellschaftsvermögen stellt zugleich sicher, daß die dem Körperschaftsteu­ errecht eigene Doppelbesteuerung bei der Gesellschaft und erneut bei den Gesellschaftern durchgehalten wird.

3. Derivative suit und dass action

Die Abgrenzung zwischen direct suit und derivative suit wird häufig da­ durch kompliziert, daß Direktansprüche von Gesellschaftern mit der dass action zu verfolgen sind und daß die dass action große Ähnlichkeiten zur de­ rivative suit aufweist. Hervorstechendes Merkmal der dass action ist, daß eine große Personengruppe rechtlich durch ihr gemeinsames Interesse an ei­ nem allen gemeinsamen Streitkomplex verbunden ist, mag auch der indivi­ duelle Anteil des einzelnen nur gering sein. Bei der typischen dass action des amerikanischen Zivilprozesses tritt für die gesamte Klasse nur einer oder mehrere Repräsentanten auf, ohne daß die übrigen Klassenmitglieder eben­ falls als Prozeßparteien namhaft gemacht würden. Die Klasse kann als Ge­ schädigter auf Aktiv- oder als Schädiger auf Passivseite stehen. Der klas­ sische Fall ist der Aktivprozeß der Klasse, die sich dadurch definiert, daß ihre Mitglieder in der gleichen Weise geschädigt wurden, so daß jeden die­ selbe Beschwer trifft. Alle haben den gleichen Anspruch, der aus demselben Lebenssachverhalt resultiert. Der prozessuale Grundgedanke und die rechts­ politische Rechtfertigung hinter der dass action besteht darin, daß eine Be­ teiligung aller Betroffenen am Verfahren unpraktikabel wäre und den Ablauf des Prozeßbetriebs stören müßte28»29. Vor Gericht steht ein Repräsentant gewissermaßen als Organ der Klasse, der diese adäquat und integer, d.h. frei von Interessenkonflikten, vertreten muß. Bei der dass action tritt eine Verschiebung in den Verfahrensmaximen ein im Vergleich zu den Klagen aus dem ungeteilten eigenen Recht des Klä­ gers. Das setzt sich bei der derivative suit fort: die Organstellung gegenüber dem Streitvermögen und dessen letztendlichen Inhabern strahlt auf das Pro­ zeßrechtsverhältnis aus. So wenig wie der Repräsentant nach materiellem

27 Zur Abgrenzung von direct suit und derivative suit Glenn, The Stockholder's Suit Corporate and Individual Grievances, 33 Yale L.J. 580 (1923-24). 28 Rechtsvergleichend zur dass action KOCH, Prozeßführung im öffentlichen Interesse, 1983, S. 21 ff. Schlurmann, Die Class action im Recht der USA, Diss. Köln 1978, S. 5 ff.; Gottwald ZZP 91 (1978), 1 (22 ff.). 29 Zu verwandten Erscheinungsformen im deutschen Recht noch sogleich unten im Text. Zu den Möglichkeiten eines gemeinsamen Vorgehens geschädigter Kapitalanleger Wunderlich DB 1993, 2269.

Recht in seinem Handeln frei ist, ist er es nach dem Verfahrensrecht30. Der Repräsentant der Klasse, der als Partei auftritt, verliert die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis bzw. Parteiherrschaft, die etwa bei der Klagerücknahme oder beim Prozeßvergleich auf das Gericht übergeht oder nur unter seiner Aufsicht erfolgen darf, Rule 23(e) F.R.Civ.P. Weitgehend anders als im deutschen Recht bleibt der Repräsentant als Beteiligter am Prozeßrechtsver­ hältnis denselben treuhänderischen Pflichten unterworfen. Wie der trustee bei bestimmten Verwaltungsmaßnahmen in Ansehung des Trustvermögens unter der Aufsicht des Surrogate court steht, bedarf der Repräsentant bei der class action der Billigung gewisser Prozeßhandlungen durch das Prozeßge­ richt. Rule 23(b) F.R.Civ.P. unterscheidet drei Arten der class action31: Zur er­ sten Gruppe gehören die Fälle, wo eine separate Geltendmachung der Ein­ zelansprüche aller Klassenmitglieder die Gefahr divergierender Entschei­ dungen heraufbeschwören oder die Interessen der nichtklagenden Klassen­ mitglieder beeinträchtigen würde, Rule 23(b)(l); in die zweite Gruppe ge­ hört der Fall, wo der Beklagte eine Handlung oder Unterlassung begangen hat mit Bezug auf die Klasse, die diese berechtigt, eine Feststellung oder vorläufigen Rechtsschutz zu verlangen, Rule 23(b)(2)32. Die wichtigste Fall­ gruppe ist die Generalklausel in Rule 23(b)(3), wo Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Natur zur Entscheidung anstehen und sich die Verfahrensform der class action aus prozeßwirtschaftlichen Gründen gegenüber allen alternativen Arten der individuellen Rechtsdurchsetzung als überlegen erweist33. Prozessuale Konsequenz der rechtlichen Aggregation und Vergemein­ schaftung der Ansprüche ist die einheitliche Rechtskraftwirkung und -er­ Streckung. Sämtliche Klassenmitglieder werden durch das Urteil gebunden, ob sie obsiegen oder nicht. Keines der gebundenen Klassenmitglieder könnte 30 Verfügungsbefugnis und Parteiherrschaft sind demnach eng verzahnt, vgl. 3B Moore’S Federal Practice, Stand: März 1987, 1 23.80[4] (S. 23-485). 31 Hierzu die Darstellung von Schlurmann, Die Class action im Recht der USA, Diss. Köln 1978, S. 5 ff. Zu neueren Entwicklungen im deutschen Recht Wunderlich DB 1993, 2269. 32 Der Hauptanwendungsbereich für die class action liegt in den USA bei der Verlet­ zung von Bürgerrechten nach den Civil Rights Acts. 33 Das Gericht hat zu Beginn des Verfahrens zu entscheiden, ob die Verfahrensart der class action statthaft ist und muß im Laufe des Verfahrens von Amts wegen prüfen, ob die Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Dafür gibt es kein starres Prüfungschema, weil die class action ein Geschöpf der equity-Rechtsprechung ist. Bei der Zulassung einer class action berücksichtigt das Gericht typischerweise das Interesse an individueller Kontrolle, die Effi­ zienz einer Rechtsverfolgung in einem anderen Verfahren sowie die Prozeßökonomie der Rechtsverfolgung in einem Verbundverfahren, umfassend 3B Moore's Federal Practice, Stand: März 1987, 1 23.45[3] (S. 23-311).

nach Urteilsrechtskraft seinen eigenen Anspruch noch einmal allein verfolgen oder selbst eine class action erheben. Eine Ausnahme hiervon existiert lediglich für die dritte Kategorie der class action in Rule 23(b)(3) F.R.Civ.P. Für diesen Typ der class action, die eine common question of law or of fact zum Gegenstand hat, ist jedem Mitglied der Klasse nach Rule 23(c)(2) Nachricht über die besondere Verfahrensform der class action zu geben, weil hier jedes Mitglied wählen kann, ob es Klassenmitglied sein will oder nicht. Die class action darf nicht zu einer Zwangsinkorporierung für die Zwecke der Rechtsdurchsetzung führen. Die Option, nicht Mitglied der Klasse zu werden, hat vor allem zwei wichtige Implikationen. Macht das Mitglied von ihr Gebrauch, so bewahrt es seine eigene Prozeßführungs­ befugnis und ist nachher nicht an die Rechtskraft eines Urteils für oder gegen die Klasse gebunden. Dabei sind die drei oben beschriebenen Fälle der class action auseinanderzuhalten; denn nach Rule 23(c)(2) F.R.Civ.P. ist die Anzeige nur bei der common question-class action nach Rule 23(b)(3) F.R.Civ.P. zwingend erforderlich, nicht hingegen beim Typ (b)(l) oder nach (b)(2). In den letztgenannten Fallgruppen steht die Unterrichtung der nichtklagenden Klassenmitglieder aber im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts34. Eine funktionale Bewertung der class action zeigt, daß ihr eine wichtige Lückenfüllungsfunktion zukommt. Sie steht zwischen Delikts- und Straf­ recht. Deliktisches Verhalten begründet zivilrechtliche Schadensersatz- bzw. Unterlassungsansprüche und kann zu strafrechtlichen Sanktionen führen. In beiden Rechtsgebieten geht es um die präventive Verhaltenssteuerung35. Diese Verhaltenssteuerung besitzt jedoch einen Eigenwert unabhängig von der Schadenshöhe des Einzelfalles, so daß aus der Sicht der Gesamtrechts­ ordnung hier der Akzent zu setzen ist. Für den Bereich des Zivilrechts be­ steht die Gefahr, daß ein privater Kläger bei nur geringer Schadenshöhe den Vorfall auf sich beruhen läßt und den Schädiger nicht zur Verantwortung zieht. Aus demselben Grunde mag schließlich ein staatliches Strafverfol­ 34 Eisen v. Carlisle & Jacquelin, 417 U.S. 156, 94 S.Ct. 2140 (1974); Oppenheimer Fund v. Sanders, 437 U.S. 340, 98 S.Ct. 2380 (1978). Beide Fälle betrafen securities fraud class actions. Das Gericht legt hierbei das Benachrichtigungserfordemis in Rule 23(c)(2) F.R.Civ.P. bewußt großzügiger aus. Im Widerstreit von zwei konfligierenden Rechtsgütem, nämlich der Gewährleistung rechtlichen Gehörs aller Klassenmitglieder und der Haftbarmachung des Schädigers im Interesse der Reinhaltung des Kapitalmarktes, entscheidet sich das Gericht für das Letztere. 35 Zu Einsatzbereich und Leistungsfähigkeit der class action kontrastiert mit dem tradi­ tionellen System der individuellen Rechtsdurchsetzung im Bereich von unerlaubten Hand­ lungen, die eine Vielzahl von Geschädigten betreffen, siehe Rosenberg, Class Actions for Mass Torts: Doing Individual Justice by Collective Means, 62 Ind.L.J. 561 (1987). Zum Diskussionsstand im deutschen Recht Marotzke, Von der schutzgesetzlichen Unterlas­ sungsklage zur Verbandsklage, 1992, speziell S. 10 ff.

gungsorgan bei Anwendung des Opportunitätsprinzips nicht einschreiten we­ gen Geringfügigkeit der Sache oder geringer Schuld des Täters. Diese Lücke schließt die class action, indem sie die Einzelschäden zusammenfaßt und den Schädiger in einem Verbundverfahren mit dem Gesamtschaden zur Verant­ wortung zieht. Es wird so ein im Widerspruch zur Rechtsordnung geschaffe­ ner Zuweisungsgehalt berichtigt, weil die class action einen rechtswidrig er­ zielten Gewinn beim Schädiger abschöpft. Sie ermöglicht eine Verfolgung der Rechte am Eingriffserwerb. Der Repräsentant der Klasse tritt wie ein private attomey general auf. Die class action schaut in das Vermögen des rechtswidrig Bereicherten unbeschadet einer u.U. nur marginalen Entreicherung des einzelnen Klassenmitglieds, weil es gilt, dem Eingreifer seinen Vorteil zu nehmen. Ist dies einmal gewährleistet, wird ein potentieller Ein­ greifer abgeschreckt, weil die drohende Abschöpfung der Vorteile alle öko­ nomischen Anreize zum Eingriff beseitigt. Diese Zusammenhänge werden insbesondere im wirtschaftlich erheblichen Teil des Privatrechts sichtbar. In den USA liegt ein Hauptanwendungsfeld der class action im Recht der securities regulation, weil sie in besonderem Maße geeignet ist, die der Ka­ pitalmarktgesetzgebung zugrundeliegenden Anliegen zu verwirklichen36: Das Verbot, im Effektenhandel mit betrügerischen Techniken Vorteile zum Nachteil des Kapitalmarktes, seiner Teilnehmer oder des Emittenten zu er­ langen und damit letztlich den Ruf der Institution Kapitalmarkt zu schädigen. Selbst geringe Einbußen beim einzelnen Investor, die noch unterhalb der Schwelle liegen, die erreicht sein müßte, um den erforderlichen Anreiz für eine Individualklage zu schaffen, gleicht die class action aus. Ferner zerstört sie die Illusion, mit der Beute unbehelligt davonzukommen. Eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren der class action stellt das Prozeßkostensystem des amerikanischen Zivilprozesses dar. Nach der traditionellen American Rule gibt es keine Prozeßkostenerstattung durch die unterlegene Partei wie in § 91 ZPO; vielmehr trägt grundsätzlich auch die obsiegende Partei ihre Kosten selbst, wenn nicht vertraglich, gesetzlich oder aufgrund von Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall Kostenerstattung zuge­ sprochen werden kann. In der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle erhält der Anwalt, der die Klasse vertritt, als Honorar einen Prozentsatz der Ur­ teilssumme, die zugunsten der Klasse zugesprochen worden ist. Diese Ko­ stenerstattung führt dazu, daß der Anwalt die Initiative ergreift und einzelne Klassenmitglieder ausfindig macht und zur Klageerhebung ermuntert. Die Abmilderung des Prozeßkostenrisikos bewirkt in der Sache eine angemessene 36 Zu den Besonderheiten der class action mit einer Anspruchsgrundlage aus dem Recht der securities regulation ausführlich 3B Moore’S Federal Practice, Stand: März 1987, 1 23.46 sub 2 (S. 23-373).

Allokation der zur Rechtsdurchsetzung erforderlichen Transaktionskosten, die nicht allein dem Repräsentanten der Klasse drohen dürfen. Dies zeigt, daß bei der class action auch die Risiken der Rechtsverfolgung vergemein­ schaftet sind. Die RisikoVergemeinschaftung ist der notwendige Preis dafür, daß die class action ihre Aufgabe überhaupt erfüllen kann. Die der class action eigene Kosten- und Risikozuordnung beseitigt noch eine weitere Barriere, die gegen eine Rechtsdurchsetzung errichtet werden könnte. Bei einer Vielzahl von Geschädigten, die zur Durchsetzung ihrer Rechte letztlich auf dasselbe Tatsachenmaterial angewiesen sind, ist es der Rechtsverfolgung und damit der Ahndung der Schädigung abträglich, wenn ein Pionierkläger die ganzen Kosten dieser Informationsbeschaffung zu tra­ gen hätte und diese in aller Regel viel höher sind als die Kompensation sei­ nes persönlichen Schadens, aber andererseits verschwindend gering sein mö­ gen gegenüber dem Gesamtschaden. Die Frage der Tragung dieser Kosten verursacht zusätzliche Trägheitsmomente, weil in einem System, das alleine die Individualklage zuläßt, sich zumeist kein erster Geschädigter finden wird, der diese Ermittlungskosten oder nur das Risiko ihrer Verauslagung auf sich zu nehmen bereit ist. Dies kann den Schädiger oder die übrigen Ge­ schädigten begünstigen; denn auch gegenüber den übrigen Geschädigten in der gleichen Lage wäre es unbillig, wenn sie nach einem erfolgreichen Mu­ sterprozeß sehr einfach ihre Ansprüche liquidieren könnten, ohne sich vorher angemessen an den Kosten der Informationsbeschaffung, die ihnen unmittel­ bar zugute kommen, zu beteiligen. Noch kaum untersucht ist die Rechtsnatur der "Klasse” bei der class ac­ tion. Die dogmatische Erfassung der Klasse macht gerade Verwandtschaft und Unterschiede zwischen der class action und der derivative suit deutlich. Die Klasse, deren Rechte mit der class action gewahrt werden sollen, weist als verbindende Klammer die Betroffenheit ihrer Mitglieder auf. Alle Mit­ glieder sind vom gleichen Lebenssachverhalt betroffen, der eine "common question" nach Rule 23(b)(3) F.R.Civ.P. ist. Das amerikanische Recht er­ fordert jenseits der common question keine weitere rechtliche Vergemein­ schaftung der Klassenmitglieder. Die Klasse ist einer ad hoc-Gesellschaft vergleichbar. Gemeinsamer Zweck ist die Durchsetzung der Rechte der Klassenmitglieder. Die Organisationsregeln für dieses Gebilde sind dem Ver­ fahrens-, dem Gesellschafts- und dem Trustrecht zu entlehnen. Dies gilt na­ mentlich für den Repräsentanten als Geschäftsführungsorgan der Klasse so­ wie die Auskehrung des Nettoerlöses an die Mitglieder. Das deutsche Recht kennt die class action nicht als Institut des allgemei­ nen Prozeßrechts. Dennoch finden sich auch im deutschen Recht Erschei­ nungsformen, die der class action nahekommen. Hierbei tritt ein Handelnder

nach außen als Prozeßpartei auf und macht Rechte und Interessen einer Viel­ zahl von Betroffenen geltend. Dies kann sowohl auf der Aktivseite (etwa §§124 Abs. 1 HGB, 13 Abs. 1 GmbHG)37 wie auf der Passivseite (etwa §§ 246 Abs. 2 Satz 1 AktG, 61 Abs. 2 Satz 2 GmbHG)38 der Fall sein. Für das deutsche Recht ist typisch, daß die Gruppe der Interessenträger außer­ halb des Prozeßrechts vergemeinschaftet ist. Diese Vergemeinschaftung be­ züglich der Rechtsinhaberschaft oder des Prozeßführungsrechts vollzieht sich im deutschen Recht regelmäßig vom materiellen Recht her und beruht auf gesetzlicher Anordnung wie bei §§ 13 Abs. 2 AGBG, 13 UWG oder auf ei­ nem vertraglichen Vergemeinschaftungsakt. Die gemeinschaftlich Betroffe­ 37 Das deutsche Recht erlaubt nur vereinzelt eine Durchsetzung von Rechten der Gesell­ schaft durch die Gesellschaftsgläubiger außerhalb des Konkursverfahrens, vgl. §§ 93 Abs. 5, 117 Abs. 5, 62 Abs. 2 AktG. Bei der GmbH, bei der man für ein entsprechendes Institut im Hinblick auf deren hohe Konkursanfälligkeit ebenfalls mit guten Gründen eintreten könnte, fehlen solche Bestimmungen und auch die Literatur tritt nicht für eine analoge Anwendung ein. In den USA sind vor allem die Instanzgerichte sehr zurückhaltend mit der Zubilligung einer Klagebefugnis an die Gesellschaftsgläubiger, vgl. Dorfman v. Chemical Bank, 56 F.R.D. 363 (S.D.N.Y. 1972); Brooks v. Weiser, 57 F.R.D. 491 (S.D.N.Y. 1972); Dodge v. First Wisconsin Trust Co., 394 F.Supp. 1124 (E.D. Wise. 1975). 38 Rule 23.2 F.R.Civ.P. zeigt, daß Rule 23.1 für die Personalgesellschaften des ameri­ kanischen Rechts (partnership und limited partnership) ebenfalls gilt. Die Voraussetzungen sind allerdings enger als bei der Corporation, vgl. Hauer v. Bankers Trust New York Corp., 65 F.R.D. 1 (E.D.Wise. 1974): "limited exceptions"; Coast v. Hunt Oil Co., 195 F.2d 870 (5th Cir. 1952); Klebanow v. New York Produce Exchange, 344 F.2d 294 (2d Cir. 1965): gravierende Zustände; bloße Meinungsverschiedenheiten der Gesellschafter untereinander reichen nicht aus. Zur derivative suit bei der partnership noch eingehend unten § 10. Die derivative suit bei Corporation und partnership führt zu einer allgemeineren Fragestel­ lung hin, nämlich ob dieses Institut immer dann zum Einsatz kommen kann, wenn das zur Verwaltung eines Zweckvermögens berufene Organ seine Aufgaben nicht zum besten dieses Vermögens und seiner Begünstigten wahrnimmt. Diese Frage stellt sich beispielsweise ebenso im amerikanischen Konkursrecht, wenn der Konkursverwalter (trustee in bankruptey) von seinen Rechten aus 11 U.S.C. §§ 547, 548, deren Aufgabe es ist, die Konkursmasse zu vermehren, keinen Gebrauch macht. Die zur derivative suit des Gesellschaftsrechts analoge Rechtsfrage im Konkursrecht lautet: Kann der Gemeinschuldner für den trustee dessen An­ fechtungsrechte (avoiding powers) ausüben? Dazu 4 Collier on Bankruptey, 15. Aufl. 1984, 547.52[5]. Nach 11 U.S.C. §§ 547, 548 kann der Gemeinschuldner die Klage an sich nicht erheben, weil es sich um konkurstypische Amtsbefugnisse des Konkursverwalters handelt. Das schließt jedoch umgekehrt nicht aus, daß der Gemeinschuldner diese Klage für den Konkursverwalter als Prozeßstandschafter der Konkursmasse erheben darf. Dieser Ge­ danke wird besonders im Reorganisationskonkurs nach Chapter 11 deutlich, wo der Gemein­ schuldner trotz Konkurseröffnung in aller Regel verfügungsbefugt bleibt (debtor in posses­ sion), aber zugleich über die avoiding powers des Konkursverwalters verfügt, 11 U.S.C. § 1107. Die Konkursgerichte sind equity courts und können diese Grundsätze erweiternd auslegen, wenn dies zu einer billigen Entscheidung des Einzelfalles nötig ist. Handlungsbe­ darf in dieser Richtung liegt etwa vor, wenn der trustee in bankruptey mit dem Begünstigten an einer anfechtbaren Rechtshandlung des Gemeinschuldners konspiriert, ein Verfahren ge­ gen den trustee auf Amtsenthebung zu spät käme oder das Anfechtungsrecht zu verfristen droht. Die Ausdehnung bezweckt also den Schutz der Konkursmasse und ermöglicht eine Fristwahrung für die Konkursanfechtung. Das Konkursrecht bestätigt damit, daß es sich hierbei um eine allgemeine Frage des Trust­ rechts handelt, das dem beneficiary subsidiäre Handlungsbefugnisse für den trust corpus verleiht, wenn der trustee seine Amtspflichten nicht gehörig erfüllen will.

nen können zum Zwecke der Durchsetzung ihrer Ansprüche eine rechts­ fähige Vereinigungsform — z.B. einen eingetragenen Verein — ins Leben rufen und in sie ihre Ansprüche einbringen, oder man einigt sich auf einen Treuhänder, der alle Einzelansprüche aus abgetretenem Recht einklagt. Frei­ lich bleiben hierbei die Beschränkungen des Rechtsberatungsgesetzes aus dem Jahre 1935 zu beachten. Das US-Recht verlangt keine materiellrechtliche Vergemeinschaftung als Zulässigkeitsvoraussetzung einer class action. Für diese Entscheidung ist maßgeblich, daß eine eigenständige organisatorische Verfestigung der Klasse mit hinderlichen Transaktionskosten verbunden wäre, die die Mitglieder von der kollektiven Wahrnehmung ihrer Rechte abhalten könnte und sich kon­ traproduktiv zum rechtspolitischen Anliegen des Instituts verhielte. Organi­ sationsformalitäten sollen soweit als möglich vermieden werden. Die zum Schutze der Klassenmitglieder notwendigen Normen sind demnach im ame­ rikanischen Recht nicht primär dem Organisationsrecht zu entnehmen, son­ dern finden sich im Verfahrensrecht. Die Schlüsselvorschrift ist Rule 23(c)(2) F.R.Civ.P., wonach das potentielle Klassenmitglied durch Gestal­ tungserklärung seinen Nichtbeitritt zur Klasse bewirken kann. Dadurch bleibt der einzelne Inhaber seines Anspruchs und erfährt durch ein Urteil gegen die Klasse keine Präjudizierung, weil der Repräsentant der Klasse für ihn kein Handlungsmandat gewinnt, Rule 23(c)(2)(C). Bei der derivative suit ist der Übergang zum vergemeinschafteten Recht eines von den Mitgliedern verselbständigten Rechtsträgers organisatorisch bereits vollzogen. Das Verfahrensrecht macht sich die gesellschaftsrechtlich vorhandenen Einrichtungen zunutze. Der Rechtsträger ist auf eine die Pro­ zeßführung und Erlösauskehr überdauernde Existenz angelegt. Das zu ver­ folgende Recht ist der Corporation privativ zugewiesen. Während bei der class action das Rechtsverfolgungsproblem in der Organisierung der vielen Einzelbetroffenen besteht, ist bei der derivative suit die Durchsetzung der Rechte der Corporation durch ein in Interessenkonflikte verstricktes Vertre­ tungsorgan gestört. Die außerordentliche Einzelklagebefugnis des sharehol­ der in der Corporation mildert die Härten, die die der Corporation eigentüm­ liche privative Vergemeinschaftung in sich trägt, ohne sich dabei mit den Prämissen, auf denen diese beruht, in Widerspruch zu setzen. 4. Derivative suit und materielles Recht

Sowohl die deutsche wie die amerikanische Literatur vermitteln, was die Begriffsbildung anlangt, den Eindruck, daß das Einzelklagerecht ein Institut des Prozeßrechts ist. Dies ist jedoch bei näherem Zusehen nicht der Fall. Materiell ist die derivative suit nur ein Ausschnitt einer auf den Gesellschaf­

ter partiell übergegangenen Geschäftsführungsbefugnis, die in der Klage ihre typische, nicht jedoch einzige Ausprägung findet. Die derivative suit bezweckt zunächst die Bindung der Verwaltung an ihre korporationsverfas­ sungsrechtlichen Pflichten. Darüber hinaus leistet sie den bilanziellen Schutz des Gesellschaftsvermögens. Dem dient jede Vermehrung von Aktiven bzw. Verminderung von Passiven. Die Vermehrung von Bestandteilen des Aktiv­ vermögens geschieht in der Regel durch die Einziehung von zum Gesell­ schaftsvermögen gehörenden Forderungen. Das Gesellschaftsvermögen wird aber in gleicher Weise erhalten, indem ein unberechtigter Abfluß von Akti­ ven verhindert wird. Die Befugnis zur derivative suit legt den Akzent auf die aktive Beitreibung von Forderungen, die zum Gesellschaftsvermögen gehö­ ren. Der Gesellschafter nimmt dabei die aktive Parteistellung ein. Ebenso dienlich kann es dem Ziel der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens sein, wenn der Gesellschafter zur Verteidigung von Rechten der Gesellschaft im allgemeinen zugelassen wird, etwa indem er auch peremptorische Gestal­ tungsrechte für die Gesellschaft geltend machen kann, wie etwa die Erhe­ bung der Einrede der Verjährung hinsichtlich einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung oder die Erklärung der Aufrechnung mit einer der Ge­ sellschaft zustehenden Forderung gegen ihren Gläubiger. Die Aufrechnungssituation macht die subsidiäre Handlungsbefugnis be­ sonders augenscheinlich. Hier wäre der Gesellschafter befugt, die Gegenfor­ derung der Gesellschaft einzuklagen und titulieren zu lassen. Dieses Recht wird von seinem Einzelklagerecht unstreitig umfaßt. Liegen die Vorausset­ zungen für eine Geltendmachung vor, so könnte der Gesellschafter für die Gesellschaft gegen deren Gläubiger klagen. Die Geltendmachung der Forde­ rung oder sonstiger Gegenrechte der Gesellschaft muß sogar erfolgen, damit diese Gegenrechte nicht endgültig durch die Urteilsrechtskraft abgeschnitten werden. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, warum der Gesellschafter nicht sogleich das Gegenrecht der Gesellschaft in dem gegen sie gerichteten Prozeß geltend machen darf. Das Beispiel der Aufrechnung, die hier ihren Charakter als verkümmerte Widerklage39 offenbart, zeigt, daß bei der derivative suit materiellrechtliches Fundament und prozessuale Umsetzung nicht deckungsgleich sind. Nur vor­ dergründig geht es um Fragen des Prozeßrechts. In Wahrheit und viel grund­ sätzlicher steht hierbei die Reichweite der Vertretungszuständigkeit in der Gesellschaft in Rede und zwar unabhängig davon, ob es für die Gesellschaft auf der Aktivseite um die Beitreibung einer Forderung oder verteidigungs­ weise um die Ausübung eines Gestaltungsrechts geht. Liegen die Vorausset­ 39 Das wird im deutschen Recht deutlich bei einer Zusammenschau von § 322 Abs. 2 mit § 767 Abs. 2 ZPO.

zungen einer Notgeschäftsführung vor, so erlangt der Gesellschafter partiell Vertretungsmacht für die Gesellschaft und gewinnt eine singuläre Organ­ stellung in dem Umfange, in welchem dies zur Rechtsbewahrung für die Corporation notwendig ist. Die Befugnis, ein Recht der Corporation wahrzu­ nehmen, schließt seine klageweise Geltendmachung ein, erschöpft sich darin indes nicht. Die derivative suit verwirklicht mithin ein außerordentliches Vertretungskonzept. Das erfordert im folgenden eine vertiefte Auseinander­ setzung mit dem Verhältnis der Stellung der Verwaltung zu den Rechten der Gesellschafter40.

II. Die Zulässigkeit der derivative suit Wie das deutsche unterscheidet das amerikanische Recht zwischen Zuläs­ sigkeit und Begründetheit der Klage. Ist die Klage unzulässig, so wird sie aus prozessualen Gründen abgewiesen, ohne daß das Gericht ihre Begründet­ heit (success on the merits) prüft. Von dieser Unterscheidung hängen sämt­ liche mit der Urteilsrechtskraft zusammenhängenden Fragen ab.

1. Die Klagebefugnis in gegenständlicher Hinsicht

Die derivative suit ist statthaft, wenn der Kläger einen Anspruch einer Corporation oder einer nichtinkorporierten Personenverbindung geltend macht. Zu den Letztgenannten zählen die partnership sowie die limited part­ nership, bei denen der Kläger durch den Gesellschaftsvertrag von der Ver­ tretung ausgeschlossen ist41. Die Überlegenheit der Behandlung durch das US-Recht zeigt sich in diesem rechtsformübergreifenden, unternehmensbe­ zogenen Ansatz, der nicht nach der Rechtsfähigkeit oder nach der Existenz einer körperschaftlichen Verfassung fragt, sondern sich ganz auf die Kon­ trolle ordnungsgemäßer Geschäftsführung konzentriert. Macht der Gesell­ schafter einen Anspruch für die Organisation geltend, der er angehört, so be­ stimmt sich das Verfahren einer derivative suit vor den Bundesgerichten nach Rule 23.1. F.R.Civ.P. Die Jurisdiktionen besitzen ähnliche Bestimmungen in ihren Gesellschaftsgesetzen42. Der Umstand, daß die derivative suit ohne Rücksicht auf die Rechtsform zur Verfügung steht, bestätigt, daß es sich materiell um ein Strukturproblem der Vertretungszuständigkeit handelt. 40 Ausführlich unten §11. 41 Zu den Wechselwirkungen zwischen Verbandsordnung und Statthaftigkeit der deriva­ tive suit im Recht der partnership unten § 10. 42 In New York zum Beispiel §§ 626,627 N.Y.B.C.L. sowie §§ 115-a, 115-b N.Y.P.L.

2. Die Klagebefugnis in persönlicher Hinsicht Die Klagebefugnis gründet sich abstrakt formuliert auf das Interesse, Schaden von der Corporation fernzuhalten. Dieses Interesse besitzen die Shareholders, die Gläubiger und die Verwaltungsmitglieder. Es besteht für die unabhängige wie für die konzemverbundene Gesellschaft.

a) Mitglieder Tauglicher Kläger einer Shareholders' derivative suit ist jedes Mitglied der Corporation oder einer nichtinkorporierten Personenvereinigung, das am haftenden Gesellschaftskapital beteiligt ist. Die Beteiligung kann ein Stimm­ recht in den Angelegenheiten der Gesellschaft gewähren (voting stock) oder in stimmrechtslosen Vorzugsaktien (preferred nonvoting stock) bestehen. Entscheidend ist, daß die Beteiligung bereits bei Klageerhebung bestanden hat43 und daß diese Beteiligung erworben wurde, bevor der Anspruch, den es mit der Klage durchzusetzen gilt, entstanden ist44. Mit diesem contemporaneous ownership-Erfordemis soll die Gefahr eingedämmt werden, daß sich interessierte Personen — zumeist Rechtsanwälte — in Gesellschaften einkaufen, um dort deren vermeintliche Ansprüche gewerbsmäßig einzu­ klagen. Die Geschäftsanteile müssen allerdings nicht auf den Namen des Gesell­ schafter-Klägers im Aktienbuch der Gesellschaft registriert sein. Die Rechtsprechung hat das Eigentumserfordernis sehr großzügig ausgelegt, um der derivative suit einen möglichst großen Aktionsradius zu verschaffen. Als Eigentümer gelten solche mit aktuellem Titel und solche mit Anwartschaften. Equitable ownership reicht im Regelfälle bereits, so daß für folgende Perso­ nen die Klagebefugnis zu bejahen ist: der Verpfänder von Aktien, der Treu­ geber, der Vermächtnisnehmer, das Mitglied einer Erben- oder Bruchteils­ gemeinschaft oder der Inhaber eines hinreichend gesicherten Anspruchs auf Übereignung.

b) Double derivative suits Um der besonderen Lage der konzemverbundenen Corporation Rechnung zu tragen, hat die Rechtsprechung die Klagebefugnis nicht bei der primär von einer pflichtwidrigen Maßnahme betroffenen Gesellschaft enden lassen. 43 De Haas v. Empire Petroleum Co., 435 F.2d 1223 (lOth Cir. 1970); Vista Fund v. Garis, 277 N.W.2d 19 (Minn. 1979) 44 Sog. contemporaneous share ownership-Rule, vgl. Schilling v. Belcher, 582 F.2d 995 (5th Cir. 1978); Tryfaros v. Icarian Development Co., 518 F.2d 1258 (7th Cir. 1975), cert.den. 423 U.S. 1091 (1976).

Das Rechtsinstitut der double derivative suit45 steht dafür, daß in Konzern­ beziehungen der Gesellschafter der Muttergesellschaft im Durchgriffswege die Rechte der Tochtergesellschaft geltend zu machen befugt ist, ohne Rück­ sicht auf eigenen Anteilsbesitz in der Tochter. Die Konzernmutter ist Gesell­ schafterin bei der Tochter und könnte so im Wege der einfachen, einstufigen derivative suit deren Rechte verfolgen. Die Konstruktion der double deriva­ tive suit verlängert dies um eine Stufe im Konzernverbund, wenn sowohl das Management der Tochter- wie das der Muttergesellschaft es verabsäumen, die Rechte der Tochter wahrzunehmen46. Das Klagerecht des Gesellschafters in der Obergesellschaft für die Untergesellschaft ist hierbei zweifach abge­ leitet, nämlich von der Mitgliedschaft der Mutter in der Tochter und von der des Kläger-Gesellschafters selbst in der Muttergesellschaft. Die double derivative suit faßt rechtlich selbständige Gesellschaften für ihren eng definierten Anwendungsbereich zu einer Unternehmenseinheit zu­ sammen. Sie ist unternehmensbezogen. Die rechtspolitische Rechtfertigung folgt aus dem Umstand, daß letztlich in der Tochtergesellschaft nur das Investment des Gesellschafters in der Muttergesellschaft arbeitet und daß die rechtliche Grenzziehung zwischen diesen formal selbständigen Vermögens­ massen aus seiner Sicht eher zufällig ist. Der typische Anwendungsfall der double derivative suit ist die Schädigung der Tochtergesellschaft oder auch nur die Verkürzung ihrer Interessen, wobei der Schädiger oder Verursacher dieser Schmälerung derart mit der für die Ahndung zuständigen Verwaltung verbunden ist, daß die Beitreibung der Ansprüche dieser Gesellschaft unter­ bleibt. Dies erfüllt im Verhältnis Verwaltung - Gesellschaft den Tatbestand des breach of fiduciary duties. Wenn oben gesagt wurde, daß die double derivative suit ihren typischen Anwendungsbereich bei den verbundenen Unternehmen hat, dann ist damit nicht behauptet, daß sie hierauf beschränkt wäre. Die Rechtsprechung, die die double derivative suit hervorgebracht hat, ist allerdings zu konzembezo­ genen Sachverhalten ergangen. Es fehlt für die geschachtelte Einzelklagebe­ fugnis des Aktionärs die Konzemverbundenheit oder Mutter-Tochter-Bezie­ hung als Tatbestandsmerkmal im Sinne einer prozessualen Statthaftigkeitsvoraussetzung47. Ferner hat die Mehrheit der Gerichte eine Festlegung ver­ 45 Zur double derivative suit Painter, Double Derivative Suits and the Remedies with Regard to Damaged Subsidiaries, 36 Ind.L.J. 143 (1961); Note, Suits by a Shareholder in a Parent Corporation to Redress Injuries to the Subsidiary, 64 Harv.L.R. 1313 (1951). Rechtsvergleichend mit Bezügen zur deutschen Konzemklage BÜHRING-UHLE/NELLE AG 1989, 41 ff. 46 Zur double derivative suit bei der close Corporation siehe die aufschlußreiche Ent­ scheidung Brown v. Tenney, 532 N.E.2d 230 (111. 1988). 47 Es lassen sich jedoch Tendenzen finden, die double oder multiple derivative suit auf eine weniger komplizierte Grundlage zu stellen, vgl. General Rubber v. Benedict, 109 N.E.

mieden, wie hoch die Beteiligung der Gesellschaft, aus der heraus der Ge­ sellschafter-Kläger operiert, an der anderen Gesellschaft sein muß48. Rich­ tiger Auffassung zufolge muß keine Mehrheitsbeteiligung bestehen. Es ist daher irreführend, wenn man die double derivative suit des amerikanischen Rechts vorschnell als reine Konzemklage bezeichnet hat. Zutreffender ist ihr Verständnis als umfassendes Mittel der Fürsorge für das Gesellschaftsver­ mögen und als Instrument zur Kontrolle der Verwaltung. Diese Funktionen sollen bis in entlegene Unternehmensteile wirken und nicht durch Schachtel­ beteiligungen gegenstandslos werden. Mit Recht tritt man deshalb dafür ein, daß der Gesellschafter flankierend zur subsidiären Klagebefugnis mit einem ebenfalls nicht formal an Rechtsformgrenzen stehenbleibenden Einsichtsrecht zu versehen ist49. Aus dem funktionalen Verständnis der double derivative suit folgt ohne weiteres die Zulässigkeit einer triple und multiple derivative suit bei Gesellschaften mit höherem Verschachtelungsgrad 50. Auch wenn sich die Anforderungen an solche Klagen erhöhen, bleibt doch das Klageziel stets das gleiche. c) Die Klagebefugnis der Gesellschaftsgläubiger Aus der Bezogenheit der Klagebefugnis auf die Verbandsinnensphäre fol­ gert man, daß nur Personen mit mitgliedschaftlichem Status als Kläger zu­ gelassen sind. Dies sind die equity holders in Abgrenzung zu den Inhabern von debt instruments. Die equity holders leisten einen Beitrag zum haftenden Kapital durch die Zeichnung von Stamm- oder Vorzugsaktien. Die Inhaber des stimmberechtigten Kapitals wählen in der Shareholders’ meeting den 96 (N.Y. 1915) bzw. in Konzemsachverhalten auch mit der einfachen derivative suit zu ar­ beiten. In dem umstrittenen Fall General Rubber v. Benedict hatte eine New Jersey Corpora­ tion eine ebenfalls in New Jersey inkorporierte, aber in Brasilien tätige Tochtergesellschaft. Ein Direktor der Muttergesellschaft verschob zusammen mit dem Generaldirektor der brasi­ lianischen Tochter Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft in Brasilien. Das Gericht hielt eine direct suit der Muttergesellschaft gegen ihren Direktor für statthaft, obwohl die Verun­ treuungen in Brasilien das Vermögen der Mutter nicht unmittelbar geschmälert hatte. Jedoch vermindert jede Schädigung der Tochter notwendig den Wert der Beteiligung der Mutter an ihrer Tochter. Das Gericht kreierte so - sicher nicht zuletzt, um schwierigen Verfahrensfra­ gen in der internationalen Rechtsdurchsetzung aus dem Wege zu gehen - eine Separat­ pflicht: Die Verwaltung der Holdinggesellschaft unterliegt konzemweiten fiduciary duties gegenüber der Holding selbst und gegenüber allen Konzerngliedern. So können die betroffe­ nen Gesellschaften den Schädiger als Gesamtgläubiger in Anspruch nehmen. 48 Einige Untergerichte fordern eine "working control", vgl. Breswick v. Harrison-Rye Realty Corp., 114 N.Y.S.2d 25 (1952). Andere Gerichte halten eine Minderheitsbeteiligung für genügend, so United States Lines v. United States Lines Co., 96 F.2d 148 (2d Cir. 1938) sowie Kauftnan v. Wolfson, 132 F. Supp. 733 (S.D.N.Y. 1955). 49 Dazu unten § 14. 50 Zu den triple and multiple derivative suits siehe das Fallmaterial bei Painter (wie FN 45), S. 155 (dort speziell in FN 31).

board of directors. Es läßt sich nicht leugnen, daß es den Gläubigem nicht gleichgültig sein kann, ob bei der Gesellschaft eine Vermögens Vermehrung eintritt. Es entspricht indessen der überkommenen Meinung, daß ein Gläubi­ ger der Gesellschaft — in dieser Eigenschaft - keine Klagebefugnis aus dem Recht der Gesellschaft besitzt51, wiewohl unter den Gerichten vereinzelt eine Lockerung der starren Unterscheidung equity holder - debt holder auszu­ machen ist52. Das einzige Zugeständnis an die Situation der Gesellschafts­ gläubiger besteht in der Aufwertung ihrer Ansprüche außerhalb des Gesell­ schaftsrechts. Nicht die ohnehin mit höheren Verfahrenshürden belastete derivative suit soll ihnen offenstehen, sondern eine Vertrags- oder Delikts­ klage aus eigenem Recht gegen die Verwaltungsmitglieder, die durch ihre Pflichtvergessenheit gegenüber der Gesellschaft zugleich die Befriedi­ gungschancen der Gläubiger beeinträchtigt haben. Es liegt auf der Hand, daß dieser Weg komplizierte Verteilungs- und Vorrangfragen aufwirft, die dem deutschen Recht ebenfalls geläufig sind. In jedem Fall sind für die Beurteilung der Notwendigkeiten einer creditors’ derivative suit die Möglichkeiten des Konkurs- und Zwangsvoll­ streckungsrechts zu beachten, weil sie ebenfalls thematisch einschlägig sind für den Schutz der Gläubiger sowie der ihnen haftenden Vermögensmasse. Im Insolvenzfalle ist es die vornehmliche Aufgabe des Konkursverwalters, die Konkursmasse dadurch zu vergrößern, daß ihr die zu Unrecht entzogenen Mittel wieder zugeführt werden. Dies geschieht durch Anfechtungsklagen wegen verbotswidrig erfolgter Zahlungen innerhalb der neunzigtägigen Ka­ renzfrist bis zur Konkurseröffnung (11 U.S.C. § 547) oder wegen Verfü­ gungen zu Lasten der Konkursmasse, welche die Rechtsstellung der Gläubi­ ger absichtlich schädigen (11 U.S.C. § 548). Auf die solvente Gesellschaft finden diese Schutzmechanismen keine Anwendung53. Bei ihr ist die Position des Gesellschaftsgläubigers nicht so anfällig wie die des Gesellschafters. 51 Gegen eine creditors’ derivative suit haben sich ausgesprochen: Dorfman v. Chemical Bank, 56 F.R.D. 363 (S.D.N.Y. 1972); Brooks v. Weiser, 57 F.R.D. 491 (S.D.N.Y. 1972); Dodge v. First Wisconsin Trust Co., 394 F.Supp. 1124 (E.D.Wisc. 1975). 52 Großzügiger zur creditors' derivative suit Hoff v. Sprayregan, 52 F.R.D. 243 (S.D.N.Y. 1971) für die Inhaber von Wandelschuldverschreibungen; Devereux v. Berger, 284 A.2d 605 (Md. 1971) betreffend einen gesicherten Gläubiger mit Option zum Aktiener­ werb. 53 Zum ganzen Fragenkreis NOTE, Corporations - Liability of Directors to Creditors for Negligent Management, 34 Mich.L.Rev. 521 (1936). Dort wird die Notwendigkeit einer creditors' derivative suit im Grundsatz geleugnet, weil die Rechte der Gläubiger in ausrei­ chendem Maße durch den Konkursverwalter oder durch einen receiver gewahrt sind. Aller­ dings ist dabei übersehen, daß ein schnelles Eingreifen geboten sein kann, etwa um die Ver­ jährung eines Anspruchs zu unterbrechen oder wichtige Beweise zu sichern. Siehe ferner Note, Creditors' Derivative Suits on Behalf of Solvent Corporations, 88 Yale L.J. 1299 (1979).

Gesellschafts- und Konkursrecht bauen zusammen eine Befriedigungsund Vorranghierarchie zugunsten der Gläubiger auf. Die Gesellschafter ran­ gieren im Verteilungsverfahren innerhalb wie außerhalb der Liquidation hinter den Gläubigem, weil die Gläubiger den unternehmerischen Erfolg noch weniger steuern können als die Gesellschafter. Am Konkurs der Gesell­ schaft nehmen die Gesellschafter mit ihrer Einlageforderung nicht teil. Die risikotragende Stellung der Gesellschafter akzentuiert das amerikanische Recht durch die "deep rock “-Doktrin54. Nach dieser Lehre haben die Kon­ kursgerichte als equity courts über die im Konkursrecht vorhandenen Instru­ mente hinaus die Möglichkeit, Forderungen von maßgeblich beteiligten Ge­ sellschaftern oder debt Instrument holders gegenüber den Forderungen der übrigen ungesicherten Gläubiger für nachrangig zu erklären aus Gründen der Billigkeit oder der Verteilungsgerechtigkeit. Diese equitable Subordination bewirkt ähnlich wie die insolvenzrechtliche Behandlung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nach §§ 32a, 32b GmbHG eine Umqualifizierung von an sich zur Konkursteilnahme berechtigten Forderungen in Haftkapital. Zum Gesellschaftsvermögen gehörende Forderungen müssen zum Schutze der Gläubiger bisweilen gegen rechtswidrige Verfügungen von Seiten der Gesellschaft geschützt werden. Das Konkursrecht schützt vor Abflüssen aus der Masse durch besondere Anfechtungsrechte. Ein typischer Verfügungstat­ bestand des Gesellschaftsrechts ist der Verzicht auf Ersatzleistungen gegen Mitglieder der Verwaltung oder gegen Gesellschafter. Ein solcher Beschluß ist den Gläubigern gegenüber unwirksam und bindet sie in der Verfolgung ihrer Rechte nicht55. Das Recht der Corporation ist so flexibel, daß es eine vertragliche Absi­ cherung der Gesellschaftsgläubiger zuläßt. Allerdings muß ein Gläubiger die hierfür nötige Verhandlungsposition gegenüber der Gesellschaft besitzen. Nach den allgemeinen Möglichkeiten der Kreditsicherungspraxis mag sich der Gläubiger dingliche Sicherheiten an zum Gesellschaftsvermögen zählen­ den Gegenständen bestellen lassen. Die Korporationsgesetze der Jurisdik­ tionen erlauben daneben Abreden, wonach Gläubiger ein Vetorecht gegen Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter haben56.

54 Hierzu Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307, 59 S.Ct. 543 (1939). Allgemeiner zur equitable Subordination durch die Konkursgerichte Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 60 S.Ct. 238 (1939). Die "deep rock"-Doktrin wurde inzwischen in 11 U.S.C. § 510(c)(l) kodifiziert. 55 McCandless v. Furlaud, 296 U.S. 140, 56 S.Ct. 41 (1935). 56 Nachweise bei HENN/ALEXANDER, Corporations, 3. Aufl. St. Paul 1983, § 322 (S. 900 f.).

Eine Zusammenschau dieser Vorkehrungen zum Schutze der Gläubiger wirft die Frage auf, ob daneben überhaupt noch Raum für eine gesellschafts­ rechtliche Klagebefugnis zugunsten der Gläubiger verbleibt. In Deutschland existiert neben den organisations- und konkursrechtlichen Statusrechten der Gläubiger noch ein ergänzendes Beitreibungsrecht, das im Konkursfalle al­ lerdings in die Zuständigkeit des Konkursverwalters übergeht. Es sind dies die Klagerechte zugunsten der Gesellschaftsgläubiger nach den §§62 Abs 2, 93 Abs. 5, 117 Abs. 5 AktG. Es fragt sich, ob die Klagebefugnis letztlich davon abhängen soll, daß der als Kläger Auftretende ein equitable interest in der Corporation haben muß und welche rechtliche Qualität dieses Interesse aufzuweisen hat. Das Konzept ist unabhängig von der Berechtigung des Klä­ gers mit Bezug auf die Gesellschaft. Die Klagebefugnis und ihr Umfang dür­ fen daher nicht als rein verfahrensrechtliche Kategorien verstanden werden: An sie schließen sich zum einen die individuelle Rechtsschutzgewährung ge­ genüber dem Kläger im Interesse der Wahrung seiner persönlichen Rechte an der Gesellschaft, gleichzeitig jedoch die Kontrolldichte der Aufsicht über die Corporation an. Bei der Frage nach einer Klagebefugnis der Gläubiger aus dem Recht der Corporation gewinnt die zeitliche Dimension zentrale Bedeutung. Die recht­ zeitige Geltendmachung einer Forderung berührt die Verjährung und die Beweisbarkeit des Anspruchs, die mit fortschreitender Zeit erfahrungsgemäß abnimmt. Daher mag es wichtig sein, ein Verfahren wenigstens in Gang zu bringen, ehe ein bestellter Konkursverwalter oder receiver sein Amt antritt. Dies gewinnt namentlich Relevanz bei Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code. Die Verwaltung wird zumeist nicht ausgewech­ selt, und die Gesellschaft bleibt als debtor in possession (11 U.S.C. § 1107) verfügungsbefugt, sofern kein Konkursverwalter bestellt ist. Hier ist eine ge­ sellschaftsrechtliche Ergänzungslösung in Gestalt der creditors’ derivative suit angebracht, damit ein Gläubiger in der Lage ist, eine Ersatzforderung der Gesellschaft zur Masse zu ziehen. Daneben muß die creditors’ derivative suit in Beziehung zur tatsächlich vorhandenen Gesellschaftsstruktur gesetzt werden. Bei der gewöhnlichen Pu­ blikumsgesellschaft hat derjenige Gläubiger, der auf eine zusätzliche Absi­ cherung in Form eines Klagerechts Wert legt, die Möglichkeit, sich über die Börse Anteilsbesitz zu verschaffen, um sich gegebenenfalls der Shareholders' derivative suit bedienen zu können. Bei vinkulierten Geschäftsanteilen ist seine Position wiederum anders zu beurteilen. Sie hängt davon ab, daß sich ein Gesellschafter zur Klage entschließt. Der Konflikt verschärft sich noch weiter bei der close Corporation mit wenigen, allesamt zur Geschäftsführung

zählenden Gesellschaftern bis hin zur Ein-Mann-Gesellschaft57, wo eine Shareholders’ derivative suit nicht zu erwarten ist und als Institution prak­ tisch ausfällt57 58. Bei diesem Gesellschaftstypus sind die Interessengegensätze gleichsam institutionalisiert und wenden sich zwangsläufig gegen die Gesell­ schaftsgläubiger. Aus dem Kreis der Gesellschafter ist keine unabhängige Kontrolle der Verwaltung oder der Beschlußmacht der Mehrheit zu erwarten. Daher präsentiert sich die Klagebefugnis der Gläubiger hier in einem ande­ ren Lichte. Bei der close Corporation und erst recht bei der Ein-Mann-Gesellschaft ist das System der checks and balances außer Kraft gesetzt. Mit der Aufhebung der Trennung von ownership und control ist ein grundlegendes Ordnungselement in der Corporation beseitigt. In dem Maße, in dem durch einen atypischen Zuschnitt des Gesellschaftsverhältnisses vom gesetzlichen Leitbild abgewichen wird, ist eine Übernahme der Aufsichtsfunktionen durch andere Instanzen zu prüfen59.

d) Die Klagebefugnis der Verwaltungsmitglieder

Vereinzelt räumen die Corporation Statutes der Einzelstaaten den Mitglie­ dern der Verwaltung (directors, officers) eine Klagebefugnis analog zu der der Gesellschafter ein. New York beispielsweise ist diesen Weg gegangen in § 720 (b) N.Y.B.C.L. mit einer speziellen corporate misconduct action60. Die misconduct action hat eine gespaltene Rechtsnatur. Sie ist zum Teil deri­ vative suit im oben gekennzeichneten Sinne, zum Teil auch nicht. Der deri­ vative Charakter der Klage ergibt sich daraus, daß der verfolgte Anspruch der Corporation zusteht und die Leistung an sie zu bewirken ist. Klagepartei auf Aktivseite sind die klagebefugten Verwaltungsmitglieder, nicht die Ge-

57 In New York kann eine natürliche Person, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, eine Corporation gründen, § 401 N.Y.B.C.L. In Delaware darf auch eine Corporation oder eine partnership allein eine Corporation errichten, 8 Del.Code § 101(a). Dasselbe gilt in Kalifor­ nien, Cal.Corp.Code § 200(a). 58 Zulässig wäre eine Vereinbarung, wonach ein Gesellschaftsgläubiger, der nicht zugleich Gesellschafter ist, sich vertraglich die Einzelklagebefugnis ausbedingt, vgl. Note, Creditors’ Derivative Suits on Behalf of Solvent Corporations, 88 Yale L.J. 1299, 1307 (1979). Eine solche Vereinbarung wäre als Erteilung einer Prozeßführungsermächtigung auszulegen. 59 Folgerichtig hat in New York ein Gläubiger mit titulierter Forderung (judgment creditor) ein beschränktes Einzelklagerecht, vgl. § 720(b) N.Y.B.C.L. 60 Bei der misconduct action nach §§ 720, 719(a) N.Y.B.C.L. handelt es sich um eine besondere Form der derivative suit, bei der der Gesellschafter-Kläger beispielsweise keine Sicherheitsleistung nach § 627 erbringen muß, weil § 720(b) den § 627 nicht erwähnt. In § 720(b) stecken zwei Regelungsbereiche: zum einen die Ausdehnung der Klagebefugnis auf Verwaltungsmitglieder (directors, officers), zum anderen Erleichterungen der Klagebefug­ nis.

Seilschaft61. In New York können mit der Klage nach § 720(b) N.Y.B.C.L. von den Verwaltungsmitgliedern nur die in §§ 719 und 720 aufgeführten An­ sprüche aus Amtspflichtverletzung geltend gemacht werden, während für die Shareholders’ derivative suit nach §§ 626, 627 N.Y.B.C.L. keine derartige Beschränkung nach dem Anspruchsinhalt besteht. Die misconduct action nimmt eine eigentümliche Zwitterstellung ein. Es wird über eine Forderung der Gesellschaft verfügt, und diese Verfügung ge­ schieht durch Mitglieder des verfassungsmäßig berufenen Organs. Allerdings handelt dieses Organ hier nicht mehr als Kollegialorgan. Im Normalfalle kann die Rechtsverfolgung nur durch den gesamten board of directors erfol­ gen. § 720(b) N.Y.B.C.L. durchbricht das Kollegialprinzip (§ 708 N.Y.B.C.L.) und macht das Einzelmitglied in seinen Handlungsbefugnissen von der Mehrheit der Mitglieder unabhängig. Die Durchbrechung des Kolle­ gialprinzips liegt im Interesse der Gesellschaft. Zudem befreit sie das über­ stimmte Einzelmitglied davor, mit in die Solidarhaftung zu geraten, weil Boardmitglieder grundsätzlich gesamtschuldnerisch haften, wenn eine Amts­ pflichtsverletzung bei Ausführung eines Boardbeschlusses begangen wird, § 719(a)62. § 720(b) N.Y.B.C.L. erlaubt so dem Einzelmitglied, der pflichtwidrig handelnden Mehrheit im board in den Arm zu fallen63. Da § 720(b) das Mehrheitsprinzip im board als Kollegialorgan überwindet, ist eine förmliche Klagebeantragung (demand) bei der Gesellschaft nicht erfor­ derlich. Der nichtderivative Wesenszug der misconduct action äußert sich darin, daß, wenn die Klage erst einmal von einer nach § 720(b) N.Y.B.C.L. pro­ zeßführungsbefugten Person wirksam erhoben ist, die Tatsache, daß diese nachher ihr Amt in der Gesellschaft einbüßt, den Verfahrensfortgang unbe­ rührt läßt. Die wirksame Klageerhebung durch ein Mitglied der Verwaltung erfordert nur, daß es bei Beginn des Verfahrens ordnungsgemäß bestellt 61 Tenney v. Rosenthal, 160 N.E.2d 463 (N.Y. 1959); Rapoport v. Schneider, 278 N.E.2d 642 (N.Y. 1972). 62 Das dissentierende Boardmitglied kann sich allerdings durch Widerspruch gegen eine Geschäftsführungsmaßnahme von seiner Haftung befreien, § 719(b) N.Y.B.C.L. 63 Dazu aus dem allgemeinen Trustrecht (Testamentsvollstreckung und Nachlaß Verwal­ tung) den anschaulichen Fall Matter of Estate of Rothko, 372 N.E.2d 291 (N.Y. 1977): Handeln mehrere trustees gemeinschaftlich im Interesse desselben Zweckvermögens, so be­ zieht die Pflicht zu ordnungsgemäßer Vermögenssorge regelmäßig die Verpflichtung ein, die Tätigkeiten jedes einzelnen Mitverwalters zu überwachen. Alle trustees stehen füreinander in einer solidarischen Verantwortlichkeit, um diese Überwachung untereinander zu gewährlei­ sten. Dieses Modell des allgemeinen Trustrechts setzt sich in das Recht der Corporation fort. Hier wird ebenfalls eine gemeinsame Verantwortlichkeit aller Direktoren füreinander angenom­ men, gleich ob sie inside oder outside directors sind, vgl. Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del. 1985).

war64. Bei einer misconduct action durch einen Gesellschafter bewirkt der Verlust der Gesellschafterstellung, etwa durch Verkauf aller Aktien, aller­ dings den Verlust der Klagebefugnis65. 66 67 Die die Amtsstellung überdauernde Klagebefugnis bestätigt das hinter dem Rechtsbehelf hervorscheinende Aufsichtsmodell. Das einzelne Ver­ waltungsmitglied ist durch Treubindungen der Gesellschaft verpflichtet. Inhalt dieser Pflicht ist es, Schaden von der Gesellschaft fernzuhalten. Dazu mag es nötig werden, Klage für die Gesellschaft zu erheben. Mit diesem Auftrag wäre es unvereinbar, wenn die übrigen Verwaltungsmitglieder die Klage durch Nichterneuerung der Bestellung oder Abberufung des klagenden Direktors zu Fall bringen könnten. Der Kläger soll daher noch solange zur Prozeßführung zugelassen werden, bis eine neue unparteiische Verwaltung ihr Amt angetreten hat und für eine gehörige Prozeßvertretung sorgt. Die Entfernung eines Klägers aus der Verwaltung pendente lite zieht daher zwar gesellschaftsrechtlich eine Beendigung der Vertretungsmacht für die Cor­ poration nach sich, beläßt ihm jedoch prozeßrechtlich die Stellung eines guardian ad litem66,67. 3. Die Parteien der derivative suit

Sowohl im Verfahren vor den federal courts wie vor den state courts hat bei der Shareholders’ derivative suit der Gesellschafter-Kläger die Aktivpar­ teirolle inne. Er und nicht die Corporation tritt als Kläger auf. Auf der Pas­ sivseite stehen als Beklagte die Gesellschaft und derjenige, gegen den sich der der Gesellschaft gehörende Anspruch richtet. Die Gesellschaft ist auf Beklagtenseite notwendige Partei des Rechtsstreits68. Damit ist das Streitver­

64 Tenney v. Rosenthal, 160 N.E.2d 463 (N.Y. 1959). 65 § 720(b) suspendiert lediglich das Sicherheitsleistungserfordemis in § 627, beläßt es jedoch im übrigen bei den allgemeinen Voraussetzungen der Shareholders' derivative suit nach § 626 N.Y.B.C.L. 66 Bei der corporate misconduct action nach § 720(b) N.Y.B.C.L. ist die Corporation nicht notwendige Partei auf der Passivseite, streitig vgl. Green v. Compton, 83 N.Y.S. 588 (1903) einerseits, sowie Miller v. Barloyv, 79 N.Y.S. 964 (App.Div. 1903) andererseits. Die nach § 720(b) klagebefugten Verwaltungsmitglieder können direkt im eigenen Namen klagen oder im Namen der Gesellschaft. Zum ganzen Problemkreis auch Goldman/Kwestel, Director's Statutory Action in New York, 36 N.Y.U.L.Rev. 199 (1961), mit einer verglei­ chenden Gegenüberstellung der Vorteile einer Klage nach § 720 und einer Shareholders' de­ rivative suit nach § 626 N.Y.B.C.L. 67 Tenney v. Rosenthal (wie FN 64), S. 466 ff. arbeitet das Aufsichtskonzept muster­ gültig heraus: Das Ergebnis wird mit "policy reasons" legitimiert. Mit dem öffentlichen Interesse ist es schließlich vereinbar, daß selbst ein ausgeschiedener Direktor noch klagebe­ fugt ist und damit ein Wächteramt für die Corporation (''stewardship Obligation") ausübt. 68 Die Corporation ist bei der Shareholders' derivative suit ein "indispensable nominal party defendant", Dean v. Kellogg, 292 N.W. 704 (Mich. 1940); Koster v. Lumbermens

hältnis aber nur von der formellen Parteirollenverteilung her bestimmt. Es deckt sich nicht mit der materiellen Rechtsinhaberschaft. Ohne Rücksicht auf das Prozeßrechtsverhältnis ist Gläubiger des Anspruchs die Corporation und Schuldner die übrigen mit ihr in Streitgenossenschaft verbundenen Beklag­ ten. Der klagende Gesellschafter hat zu diesem Anspruch nach materiellem Recht gar keine unmittelbare Beziehung. Er ist lediglich Prozeßstandschafter. Er hat die Parteirolle mit besonderen fiduziarischen Verpflichtungen übernommen und ist daher nicht unumschränkter Herr über den Streitgegen­ stand. Die Inkongruenz von formeller und materieller Parteirolle wird deutlich, wenn man die prozessuale Rollenverteilung auf die Anspruchsstruktur bzw. auf die vermögensmäßige Zuweisung projiziert. Bei konsequenter Durchfüh­ rung vom materiellen Recht her müßte die Gesellschaft Klägerin und ihre Streitgenossen beklagte Parteien sein. Der für sie auftretende Kläger wäre nur ihr Vertreter. Die Verteilung der Parteirollen ist dabei nicht nur von theoretischem Interesse, was sich zeigt, wenn während des Rechtsstreits die Verwaltung wechselt und eine neue Verwaltung bereit ist, den Prozeß nun­ mehr für die Gesellschaft aufzunehmen69. Die allgemein gebräuchliche Par­ teirollenverteilung muß hier mit einem Wechsel der Corporation von der Pas­ siv- auf die Aktivseite operieren, bei konsequent materiellrechtlicher Durch­ führung läge kein Wechsel in der Parteistellung, sondern nur ein solcher in der Vertretung vor. So unverständlich die Passivparteirolle der Corporation auf den ersten Blick erscheinen mag, so aufschlußreich ist sie für das konzeptionelle Ver­ ständnis der derivative suit. Bei näherer Analyse des Prozeßrechtsverhältnis­ ses ergibt sich, daß es bei der derivative suit in Wahrheit um die justizförm­ liche Klärung zweier Rechtsfragen geht, die eigentlich in zwei Prozeßrechts­ beziehungen zu behandeln wären. Auf den beiden Streitebenen stehen ver­ schiedene Personen. Dabei geht es zunächst um die Frage im Verhältnis von klagendem Gesellschafter und Gesellschaft, ob der Anspruch bei ordnungs­ gemäßer Geschäftsführung nicht durch die Verwaltung geltend zu machen wäre. Die Stellung der Corporation als Beklagte erfährt so gesehen eine ge­ wisse Rechtfertigung aus dem Umstand, daß dem Mitglied eine ordnungs­ gemäße Geschäftsführung geschuldet wird, die mit der Klage erzwingbar ist. Gegenstand einer gedanklich nachgeordneten Stufe ist - wenn feststeht, daß Mut. Casualty Co., 330 U.S. 518, 67 S.Ct. 828 (1947); Smith v. Sperling, 354 U.S. 91, 77 S.Ct. 1112 (1957). 69 Daraus folgt, daß die Corporation, wenn für sie eine derivative suit erhoben worden ist, jederzeit das Recht hat, dieses Verfahren wieder an sich zu ziehen und damit die Klage­ befugnis des Gesellschafters zum Erlöschen zu bringen, vgl. General Investment v. Warriner, 19 N.Y.S.2d 566 (1940).

nur eine Geltendmachung des Anspruchs einer ordnungsgemäßen Geschäfts­ führung entspricht — die zweite Rechtsbeziehung, nämlich der Anspruch der Corporation gegen ihren Schuldner. Diese beiden Prozeßrechtsverhältnisse sind bei der derivative suit aus Gründen der Prozeßökonomie zu einem ver­ schmolzen70. Dennoch sind beide Stufen zu trennen, was insbesondere bei der Bestimmung der Urteilsrechtskraft erhebliche Auswirkungen zeitigen wird. Der Streit auf dieser ersten Stufe ist ein Innenrechtsstreit um die Er­ teilung der Genehmigung zur Prozeßführung bzw. eine Erteilung entspre­ chender Vertretungsmacht. Bei ihm geht es im Kem um die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung (business judgment) der Verwaltung hinsicht­ lich der Nichtgeltendmachung eines Rechts der Gesellschaft. Erreicht der Gesellschafter die zweite Stufe, d.h. tritt das Gericht in die Prüfung und Be­ weisaufnahme des Anspruchs der Corporation gegen den materiell Beklagten ein, so liegt darin inzident eine Verwerfung der die Prozeßführung ableh­ nenden Ermessensentscheidung der Verwaltung. Der Grund für die Beteiligung der Corporation am Rechtsstreit ist einmal darin zu suchen, daß es um ein Recht der Gesellschaft geht; sie darf daher nicht von der Verfügung darüber ausgeschlossen werden. Die Prozeßführung ist eine Äußerungsform der Verfügung über das Recht. An die Parteistellung knüpfen sich indessen noch weitere Fragen. Die Parteistellung der Gesell­ schaft garantiert, daß ihr rechtliches Gehör zu gewähren ist. Dies ist bedeut­ sam für die bei der derivative suit inzident mitzubehandelnde Überprüfung der Ermessensentscheidung, das fragliche Recht nicht zu verfolgen. Hierfür muß prozessual sichergestellt sein, daß die Ermessenserwägungen in das Verfahren eingebracht worden sind. Außerdem verlangt der Schutz des ma­ teriell Beklagten, daß die derivative suit über seine Leistungsverpflichtung gegenüber der Gesellschaft endgültig entscheidet. Gefragt ist also ein lei­ stungsfähiges, multilaterales Rechtskraftkonzept. Dazu ist es erforderlich, daß die Corporation in die Urteilsrechtskraft eingebunden wird71. Kommt es zur Abweisung der Klage, weil keine Leistungspflicht des materiell Beklag­ ten gegenüber der Gesellschaft besteht, so bindet dies die Gesellschaft und folglich jede künftige Verwaltung, die über die Geltendmachung des An­ spruchs anders denken mag, oder andere Gesellschafter, die erneut wegen desselben prozessualen Anspruchs in derivative suit vorgehen wollen. Ein den Anspruch der Gesellschaft abweisendes, rechtskräftiges Urteil schützt den obsiegenden Beklagten durch eine prozeßhindernde Einrede gegen er­ 70 Swanson v. Traer, 354 U.S. 114, 77 S.Ct. 1116 (1957) und seither in ständiger Rechtsprechung. Näher Pflüger, Neue Wege der Verwaltungskontrolle im Aktienrecht, 1969, S. 33 ff. 71 Davenport v. Dows, 85 U.S. 626 (1873).

neute Inanspruchnahme. Daneben verwirklicht dieses Verbundverfahren mit konzertierter Rechtskraftwirkung ein Höchstmaß an Prozeßwirtschaftlichkeit, indem ein Verfahren den gesamten Streitsachverhalt abdeckt.

4. Anforderungen an den Gesellschafter-Kläger

Im Gegensatz zur Einzelklagebefugnis der Verwaltungsmitglieder72 hängt bei der Shareholders’ derivative suit die Klagebefugnis vom ownership inte­ rest des Klägers in der Gesellschaft ab. Dabei handelt es sich um eine quali­ fizierte Zulässigkeitsvoraussetzung. Ihr ist nur Genüge getan, wenn der Klä­ ger Gesellschafter war, als sich die Handlung oder Unterlassung, die der Klage zugrunde liegt, ereignet hat und die Gesellschafterstellung auch noch bei Erlaß des Urteils besteht73. Dieses sog. contemporaneous share owner­ ship-Erfordemis bezweckt, daß nur Personen mit einem hinreichend fun­ dierten persönlich-finanziellen Interesse zugelassen werden und daß die deri­ vative suit nicht zum Einfallstor für Berufsopponenten wird. Ähnlich wie in §§ 90 Abs. 1 BVerfGG, 42 Abs. 2 VwGO und verwandten Bestimmungen des deutschen Rechts sollen nur Personen, die in eigenen subjektiven Rech­ ten verletzt sind, klagebefugt sein und gewerbsmäßige Opponenten, die sich später in die Gesellschaft eingekauft haben, als Kläger ausgeschlossen blei­ ben. Zur Erhöhung der Kontrolldichte und zur Verbesserung des Rechts­ schutzes sind einige Staaten von der strengen Version der contemporaneous share ownership-Regel abgerückt74 oder haben wenigstens Modifikationen angebracht. Ein Beispiel dafür ist die rechtliche Streckung des schädigenden Akts. Nach der großzügigeren Auffassung ist die Klage des Gesellschafters schon zulässig, wenn er zwar noch nicht Mitglied war, als sich die fragliche Handlung selbst ereignet hat, ihre Beschwer jedoch für ihn und die Gesell­ schaft im Moment seines Anteilserwerbs sowie zum Zeitpunkt der Klageer­ hebung fortwirkt75. Das contemporaneous share ownership-Erfordemis verlangt allerdings nicht, daß der als Kläger auftretende Gesellschafter während der gesamten 72 Siehe § 720(b) N.Y.B.C.L. 73 Zum contemporaneous ownership- Erfordernis Hawes v. Oakland, 104 U.S. 450 (1881); Harbrecht, The Contemporaneous Ownership Rule in Shareholders’ Derivative Suits, 25 U.C.L.A.L.Rev. 1041 (1977). 74 Pennsylvania beispielsweise verlangt grundsätzlich die contemporaneous share ownership, erlaubt jedoch zusätzlich die derivative suit, wenn das Gericht im Einzelfall nach seinem Ermessen davon überzeugt ist, aufgrund einer Glaubhaftmachung durch den Gesell­ schafter-Kläger, daß die Klage für die Gesellschaft gute Erfolgsaussichten bietet und eine Nichtzulassung der Klage zu grob unbilligen Ergebnissen führen würde, Pennsylvania Con­ solidated Statutes § 1782(b). 75 Zu dieser continuing wrong-Doktrin vgl. etwa Cal.Corp.Code § 800(b)(l).

Betrachtungsperiode vom Zeitpunkt der Nachteilszufügung bis zum Erlaß des Urteils selbst Anteilsinhaber gewesen sein muß. Vielmehr genügt es, wenn die Aktien auf gesetzlichem Wege76 und ohne Manipulationsverdacht auf ihn übergegangen sind. Gemeint sind damit die Fälle der Rechtsnachfolge. Bei der Rechtsnachfolge wird die Lage so betrachtet, als ob der Nachfolger im­ mer schon Rechtsinhaber war. Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger wer­ den als eine Person behandelt. Der Übergang wirkt praktisch zurück. Keine Anerkennungsprobleme wirft die Rechtsnachfolge von Todes wegen auf, weil der Tod als objektiv ungewisses Ereignis Manipulationen ausschließt. Einer kritischen Überprüfung unterziehen die Gerichte allerdings die Rechts­ nachfolge unter Lebenden, weil hier die Gefahr nicht von der Hand zu wei­ sen ist, daß die Übertragung gerade erfolgt, um damit die Klagebefugnis zu begründen77. Eine kollusiv arrangierte Klagebefugnis im Wege willkürlicher Anteilsübertragung führt zur Abweisung der Klage als unzulässig78. Wie bei der dass action verlangt Rule 23.1 Satz 3 F.R.Civ.P. für die de­ rivative suit, daß der als Kläger auftretende Gesellschafter in der Lage ist, die Interessen der übrigen Gesellschafter angemessen zu vertreten. Das Merkmal ist typisch für die individual dass action. Dieses Tatbestands­ merkmal stellt bei näherem Zusehen einen Systembruch dar: Der Kläger soll die übrigen Gesellschafter adäquat repräsentieren, obwohl die derivative suit ihn zum Prozeßstandschafter für die Corporation macht. Damit wird von ihm etwas verlangt, was das fiduziarische Element seiner Position gerade verbie­ tet, nämlich Diener zweier Herren zu sein79. Durch die Einzelklagebefugnis gewinnt der Gesellschafter eine quasi-vertretungsrechtliche Stellung zur Ge76 "By Operation of law", Rule 23.1 Satz 1 F.R.Civ.P. 77 So besonders deutlich Bangor Punta Operations v. Bangor & Aroostook Railroad Co., 417 U.S. 703, 94 S.Ct. 2578 (1974), wo das Gericht das contemporaneous share ownership-Erfordemis zu formalistisch handhabt. Danach kann, wenn ein gewillkürter Wechsel in der Position des Mehrheitsgesellschafters erfolgt, der neue Gesellschafter keine derivative suit erheben, weil er zur Zeit der Vorkommnisse noch nicht Gesellschafter war. Dann soll er nach Auffassung des Gerichts auch nicht vermöge seiner Weisungsbefugnis die Gesellschaft veranlassen können, die Klage zu erheben. Weil der Gesellschafter nicht taug­ lich ist, eine derivative suit zu erheben, soll die Gesellschaft ebenfalls gehindert sein. Dieser Entscheidung kann nicht gefolgt werden, weil sie die Interessen der Gesellschaft - und ih­ rer Gläubiger - aus übertrieben formalen Erwägungen zurücksetzt. Richtig dagegen der fle­ xiblere Ansatz in Watson v. Button, 235 F.2d 235 (9th Cir. 1956), wonach ausnahmsweise selbst ein früherer Gesellschafter klagebefugt ist, wenn es andernfalls nicht mehr möglich wäre, den Schädiger zur Verantwortung zu ziehen und dieses Ergebnis zu groben Unbillig­ keiten führt. 78 Unverdächtig ist es, wenn der Wechsel in der Gesellschafterstellung auf gesetzlicher oder testamentarischer Erbfolge beruht, vgl. Phillips v. Bradford, 62 F.R.D. 681 (S.D.N.Y. 1974). 79 Daß die Interessen der Gesellschaft nicht deckungsgleich sind mit denen ihrer Gesell­ schafter wird gerade durch den Umstand belegt, daß auch die Gesellschaftsgläubiger schutz­ würdige Interessen am Gesellschaftsvermögen haben.

Seilschaft mit allen Vor- und Nachteilen. Der Vertretene ist die Gesellschaft und nicht die Gesellschafter. Der Gesellschafter ist vorrangig der Gesell­ schaft und ihren Interessen verpflichtet. Er darf mit der Klage - wie im Zu­ sammenhang mit der entgeltlichen Ablösung von Klagerechten noch zu zei­ gen ist80 - keine gesellschaftsfremden Sondervorteile zu Lasten der Gesell­ schaft oder der Gesellschafter verfolgen81. Der klagende Gesellschafter muß clean hands haben. Deshalb scheitern rechtsmißbräuchliche Klagen, die nicht die Bekämpfung eines der Corporation zugefugten Nachteils, sondern nur die persönliche Bereicherung des Klägers bezwecken (sog. extortionate suits).

5. Das gesellschafisinterne Vorverfahren Aus dem Umstand, daß mit der derivative suit ein zum Gesellschaftsver­ mögen gehörendes Recht durchgesetzt wird, folgt, daß dem Rechtsinhaber in erster Linie selbst Gelegenheit zu geben ist, über die Frage der Prozeßfuhrung zu befinden. Dafür kann, je nach der Art des durchzusetzenden Rechts, die Verwaltung allein - wie im Regelfälle - oder im Einvernehmen mit der Anteilseignerversammlung zuständig sein. Daher besteht eine weitere Zuläs­ sigkeitsvoraussetzung der derivative suit darin, daß der Gesellschafter vor Klageerhebung hinreichende Anstrengungen unternommen hat, die Entschei­ dungsträger von der Notwendigkeit der Klageerhebung zu überzeugen. Diese Voraussetzung besteht nach Bundesrecht (Rule 23.1 F.R.Civ.P.) wie nach dem Recht der Bundesstaaten.

a) Demand on the board Ein Antrag an den board, die Klage für die Gesellschaft zu erheben, ist die regelmäßige Form des gesellschaftsintemen Vorverfahrens. Der board of directors ist das verfassungsmäßig berufene Vertretungsorgan der Gesell­ schaft82. Seine Vertretungsmacht umfaßt die gerichtliche und außergericht­ liche Vertretung der Gesellschaft. Das Antragserfordemis ist notwendige Vorkehrung zum Schutze des Leitungsermessens der Verwaltung (business judgment)83. Das erfolglos durchgeführte Vorverfahren ist vom Gesell­

80 Hierzu nur Clarke v. Greenberg, 71 N.E.2d 443 (N.Y. 1947). Näher unten § 9. 81 Bei der derivative suit geht es nicht quantitativ darum, von wieviel Anteilsbesitz die Klage unterstützt wird. Vielmehr schaut das Gericht darauf, daß der Kläger mit der Klage keine eigensüchtigen Interessen verfolgt, weil ihn dies als geeigneten Repräsentanten im Sinne von Rule 23.1 F.R.Civ.P. disqualifizieren würde, Nolen v. Shaw-Walker Company, 449 F.2d 506 (6th Cir. 1971). 82 Vgl. § 701 N.Y.B.C.L.; 8 Del.Code § 141; Cal.Corp.Code § 300. 83 Zur business judgment rule noch näher unten §11.

schafter zu beweisen84. Notwendig ist eine Glaubhaftmachung, daß die Ver­ waltung aufgefordert wurde, die Klage zu erheben. Im Falle der Ablehnung durch den board sind die Ermessensgründe anzugeben. Wenn kein förm­ liches Vorverfahren durchgeführt worden ist, sind die Gründe hierfür in gleicher Form vorzutragen85. Wenn der Gesellschafter einen Antrag auf Erhebung der Klage gestellt hat, so sind je nach dessen Bescheidung folgende Situationen zu unterschei­ den:

(1) Wenn der board oder ein von ihm mit der Beurteilung der Erfolgsaus­ sichten eingesetzter Ausschuß86 es ablehnt, eine Klage für die Gesellschaft zu erheben, so kann diese Entscheidung dem Gesellschafter das Klagerecht endgültig nehmen. Die Befugnis, für die Gesellschaft in derivative suit vor­ zugehen, endet, wenn die Verwaltung eine rechtmäßige Ermessensentschei­ dung getroffen hat. Dies erfordert ein sorgfältiges und gutgläubiges Ge­ brauchmachen vom Leitungsermessen, also gründliche Erforschung des SachVerhalts, die Einbeziehung sachdienlicher Ermessenserwägungen und die Beachtung der Grenzen der Ermächtigung zur Ermessensausübung. Gegen eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung spricht indiziell, wenn sich die Klage gegen die Verwaltung selbst richtet oder wenn eine besondere Interessenverknüpfung zwischen einzelnen Verwaltungsmitgliedern und dem materiell Beklagten besteht87. Die Ermessensentscheidung der Verwaltung, keine Klage zu erheben, ist im Grundsatz nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Der gerichtliche Prüfungsumfang wird in den Jurisdiktionen jedoch unter­ schiedlich gehandhabt. Im allgemeinen ist der Prüfungsmaßstab, ob die Mit­ glieder des board bei ihrer Entscheidung die angemessene Sorgfalt beachtet und ihr Ermessen nicht mißbraucht haben88. Die Gründe für diese Behand­ lung liegen in der Verfassung der Corporation. Der board und keine andere Instanz ist vorgreiflich zur Beurteilung dieser Fragen berufen. Er hat die Entscheidung zu verantworten. Die Berücksichtigung des business judgment der Verwaltung ist notwendiges Zugeständnis an das Prinzip der inneren 84 Ash v. International Business Machines, 353 F.2d 491 (3d Cir. 1965), cert.den. 384 U.S. 927 (1966). 85 Henn/Alexander, Corporations, 3. Aufl. 1983, § 364 (S. 1068) mit Nachweisen dort in FN 7. 86 Zu diesen litigation committees sogleich unten im Text. 87 Ash v. International Business Machines, 353 F.2d 491 (3d Cir. 1965), cert.den. 384 U.S. 927 (1966). 88 Cramer v. General Tel. & Electronic Corp., 582 F.2d 259 (3d Cir. 1978), cert.den. 439 U.S. 1129 (1979).

Autonomie der Corporation. Die derivative suit ist nur ein Instrument zum Schutze der Gesellschaft. Aus ihr folgt noch nicht automatisch, daß jeder dei Gesellschaft zustehende Anspruch automatisch durchgesetzt werden muß. Umgekehrt ist zu bedenken, daß auch die Nichtdurchsetzung eines An­ spruchs für die Gesellschaft vorteilhaft sein kann. Dem Anspruch mögen Gegenrechte entgegenstehen, oder er läßt sich nicht verläßlich beweisen. Ein Anspruch kann sich zwar als durchsetzbar erweisen, umgekehrt mag im Ein­ zelfall der Verzicht auf den Rechtsstandpunkt für die Gesellschaft günstiger sein. Solche jenseits rein rechtlicher Erwägungen anzusiedelnde Kulanzent­ scheidungen der Verwaltung erfordern eine eingehende Prüfung: Der einma­ lige Verzicht auf eine Forderung ist unter Umständen besser als der Verlust einer lukrativen Geschäftsbeziehung infolge eines Prozesses. Oder die Nichtahndung eines einmaligen, nicht so schwerwiegenden Fehltritts eines geläuterten Verwaltungsmitglieds mag vorteilhafter sein als der Verlust eines befähigten Managers. Daraus folgt für die Bestimmung des gerichtlichen Prüfungsumfanges: Die Grenzziehung ist von der Beschaffenheit des Anspruches abhängig zu machen. Richtet dieser sich gegen Verwaltungsmitglieder oder ihnen nahe­ stehende Personen, so sind sehr strenge Anforderungen an eine ermessens­ fehlerfreie Entscheidung zu stellen89. Eingedenk des offensichtlichen Interes­ senkonflikts sind einige Gerichte dazu übergegangen, die Ermessensentschei­ dung voll zu überprüfen oder gar durch ihr eigenes Ermessen zu substituie­ ren90. Ist der Anspruch dagegen nicht mit einer derartigen Interessenver­ quickung behaftet, die die Verwaltung praktisch zum Richter in eigener Sache macht, so respektieren die Gerichte weitgehend das business judgment der Verwaltung. Hier bewendet es — mit den oben erwähnten Einschrän­ kungen — beim Ermessen der Verwaltung, dem prozessual durch eine einge­ schränkte gerichtliche Prüfungsbefugnis Rechnung zu tragen ist.

(2) Anders liegen die Dinge, wenn sich die Verwaltung nach reiflicher Prüfung entscheidet, die Klage für die Gesellschaft doch zu erheben. Nach herrschender Auffassung entfällt dadurch die Einzelklagebefugnis des Gesell­ schafters, weil dann kein Raum mehr für ein Tätigwerden anderer Instanzen verbleibt91. Diese Ansicht ist sehr bedenklich, weil sie ein erhebliches Re­ servoir von Mißbrauchsmöglichkeiten eröffnet. Der Schlüssel zur Lösung 89 In diesem Sinne Zapata Corp. v. Maldonado, 430 A.2d 779 (Del. 1981). 90 So in Delaware nach dem Fall Zapata Corp. v. Maldonado (vorige FN) mit einer summarischen Begründetheitsprüfung ("mini trial on the merits”) durch das Gericht im Rahmen der Zulässigkeitsstation der Klage. 91 Henn/Alexander, Corporations, 3. Aufl. 1983, § 365 (S. 70).

des Sachproblems liegt im Verständnis des Tatbestandsmerkmals "failure to enforce a right” in Rule 23.1 Satz 1 F.R.Civ.P. Die genannte Ansicht be­ greift die Weigerung der Verwaltung, die Klage selbst zu erheben, rein for­ mal und fängt damit nur den einfachsten Fall der schlichten Weigerung ein. Dies ist jedoch nicht die einzige Äußerungsform einer Weigerung. Zu den­ ken ist daneben an die bewußt schlechte Prozeßführung durch Nichtantritt entscheidungserheblicher Beweise, absichtliche Säumnis oder Nichtgeltend­ machung von Einreden sowie der Verzicht auf aussichtsreiche Rechtsmittel, wenn alles dies in der Absicht erfolgt, den Prozeß zu verlieren, um auf diese Weise die Forderung faktisch nicht beizutreiben. Die Überlegung verdeut­ licht, daß eine Auslegung der Weigerung nur vom Prozeßrecht her das eigentliche Schutzbedürfnis der Gesellschaft nicht zu befriedigen vermag. Die Klagebefugnis bei der derivative suit bezweckt viel eher eine aktive Vermögenssorge für das Gesellschaftsvermögen. Sie entsteht, wenn sich die Verwaltung nicht oder nicht in gehöriger Form um die Rechte der Gesell­ schaft kümmert. Die Verwaltung kann das Ersatzprozeßführungsrecht des Gesellschafters nicht dadurch zum Erlöschen bringen, daß sie sich nur zum Schein auf die Prozeßführung einläßt. Wie oben erwähnt bezieht sich das Er­ satzvertretungsrecht auf Aktivprozesse der Gesellschaft sowie auf die Gel­ tendmachung von Verteidigungsrechten zugunsten der Gesellschaft in gegen sie gerichteten Prozessen92. Prozessual ist der Gefahr einer nur vorgeblichen Prozeßführung der Ver­ waltung durch eine Ergänzungslösung Rechnung zu tragen. Jeder Gesell­ schafter, der im übrigen die Voraussetzung zur Erhebung einer derivative suit erfüllt, sollte die Stellung eines besonderen Prozeßbeobachters einneh­ men dürfen und bereitstehen, die aktive Prozeßführung zu übernehmen, so­ fern die Verwaltung ihre Rolle nicht ausfüllt. Das Gericht sollte die Befugnis haben, einen unabhängigen guardian ad litem zu bestellen. Das Aufgreifrecht des Gesellschafters analog Rule 23.1 F.R.Civ.P. greift Platz, wenn sich die Verwaltung zwar verbal bereit erklärt, für die Gesellschaft zu handeln, in Wahrheit jedoch den Prozeßerfolg nicht will oder ihn im Gegenteil hinter­ treibt.

92 Die Idee der Zulassung einer aktiven derivative suit (=Geltendmachung von Ansprü­ chen der Gesellschaft) schließt spiegelbildlich die Möglichkeit einer passiven derivative suit (=Geltendmachung von Verteidigungsrechten der Gesellschaft durch einen Gesellschafter, wenn die Gesellschaft von dritter Seite verklagt ist) ein. Dies wird beiläufig angedeutet in Malcom v. Stondall Land & Investment, 284 P.2d 258 (Mont. 1955).

b) Demand on the Shareholders Ob neben dem Antrag an die Verwaltung auch ein Antrag an die Mitge­ sellschafter nötig ist, um den Gesellschafter zur Klageerhebung zu legitimie­ ren, hängt davon ab, ob mit der derivative suit eine Maßnahme beanstandet werden soll, die die Anteilseignerversammlung rechtmäßigerweise ratifizie­ ren könnte. Diese weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist aus prozeßökono­ mischen Gründen zu begreifen, weil ein Ratifizierungsbeschluß der Klage den Boden entzieht, etwa indem die Gesellschaft wirksam auf den durchsetz­ baren Anspruch verzichtet93. Davon abgesehen ist die Einholung des Votums der Gesellschafter sinnvoll, weil es eine Art Stimmungsbarometer ist. Die Anteilseignerversammlung kann eine korrupte Verwaltung auswechseln oder auch nur durch eine Entschließung deutlich machen, daß eine Klageerhebung gewünscht ist94. Ob eine Unterrichtung der Gesellschafter nötig ist, entscheidet sich nach dem einschlägigen Gesellschaftsrecht95. Verlangt das anwendbare Recht einen Antrag an die Gesellschafterversammlung, so ist er unverzichtbare Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage. Ist dies nicht gegeben, so berührt der Antrag allenfalls ihre Begründetheit. Es kann aber, selbst wenn die In­ formation der Hauptversammlung keine absolute Zulässigkeitsbedingung ist, für den Gesellschafter in jedem Falle ratsam sein, die Hauptversammlung zu unterrichten und sich ein Bild über die Stimmungslage dort zu machen, um nicht von einem Ratifizierungsbeschluß nach Klageerhebung überrascht zu werden. Die Ratifizierung darf dabei keineswegs nur im Verhältnis zwischen Ge­ sellschaftern und Gesellschaft gesehen werden. Stets ist zu bedenken, daß eine Ratifizierung ebenso die Rechte Dritter berührt. Infolgedessen sind Ein­ schränkungen anzubringen, die es verbieten, daß eine Konvaleszenz zu La­ sten Drittbeteiligter erfolgen kann. Akte, die außerhalb des Unternehmens­ gegenständes liegen oder schlicht ultra vires96 sind oder gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen, können nicht einmal durch ein einstimmiges Votum 93 Zum ganzen Komplex anschaulich LEAVELL, Shareholders as Judges of Alleged Wrongs by Directors, 35 Tul.L.Rev. 331 (1961). 94 Bell v. Arnold, 487 P.2d 545 (Colo. 1971): Der demand on the Shareholders soll diese einmal über die Vorgänge informieren und ihnen sodann die Gelegenheit bieten, die pflichtvergessene Verwaltung auszuwechseln oder die beanstandete Maßnahme zu ratifizie­ ren. Die Unterrichtung der Gesellschafter kann ferner bewirken, daß sich einzelne entschlie­ ßen, sich der Klage anzuschließen. 95 Rule 23.1 F.R.Civ.P. verlangt die Beantragung der Klageerhebung bei den Gesell­ schaftern "if necessary". § 626 N.Y.B.C.L. und Cal.Corp.Code § 800(b)(2) erfordern hin­ gegen keinen demand on the Shareholders als gleichwertige Zulässigkeitsvoraussetzung. 96 Ultra vires-Akte sind im amerikanischen Gesellschaftsrecht generell nicht konvales­ zierbar; zum Ganzen Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, RdNr. 255 ff.

der Anteilseignerversammlung mit anspruchsbeseitigender Wirkung gebilligt werden97. Noch immer umstritten ist die Frage, ob die Mehrheit der Gesellschafter vorsätzlich der Gesellschaft durch die Verwaltung zugefugte Schädigungen mit der Maßgabe ratifizieren kann, daß der Ersatzanspruch der Gesellschaft ersatzlos entfällt. Dies ist ohne Vorbehalte zu verneinen98. Die Kernfrage lautet hierbei, ob eine Mehrheit die Befugnis hat, die Verwaltung der Gesell­ schaft von Ersatzanspüchen zu Lasten des Gesellschaftsvermögens freizu­ stellen. Diese Freistellung macht nicht nur die Gesellschaft und mit ihr ihre Gläubiger ärmer, sondern verändert im Grunde die Stellung der Verwaltung zur Gesellschaft. Eine Lockerung der Sanktionen bedingt notwendig eine Lockerung dieser Pflichten. Auf diese Frage, die zentral für die corporate govemance ist, muß eine sehr differenzierte Antwort gegeben werden. Rele­ vant für sie ist sicherlich das Verhältnis von Ersatzschuldner zur entlastenden Mehrheit der Gesellschafter. Existieren insofern personelle oder interessen­ bedingte Verflechtungen, so sind Gesellschafter, auf die das zutrifft, von der Abstimmung von vornherein ausgeschlossen. Eine wirksame Entlastung er­ fordert nach amerikanischem Recht, daß das ratifizierende Organ über den vorgefallenen Tatbestand vollständig informiert ist (full and adequate disclosure). Die Entlastung kann nur auf der Basis einer informierten Ent­ scheidung geschehen. Die Anerkennung der Ratifizierungsbefugnis ist ferner davon abhängig, daß eine Möglichkeit besteht, den Ratifizierungsbeschluß selbst der gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen; denn funktional verfügt die Mehrheit durch die Entlastung ebenso über ein Recht der Gesellschaft wie der board of directors, wenn er eine Klageerhebung für sie ablehnt. Wie im deutschen Recht muß ein shareholder die Befugnis haben, den Ratifizie­ rungsbeschluß anzufechten99 und damit die Einzelklagebefugnis wieder auf­ leben zu lassen. Der Zweck dieses Rechtsschutzes besteht in der Überprü­ fung des Entlastungsbeschlusses auf Ermessensfehler sowie auf seine Verein­ barkeit mit Gesetz und Satzung. Liegt als Ergebnis dieser Prüfung ein wirk­ samerer Anspruchsverzicht vor, so ist dieser auf das Innenverhältnis zu be­ grenzen. Er darf keine Bindungswirkung zu Lasten der Gesellschaftsgläu­ biger entfalten. Diese bleiben weiterhin befugt, einen Anspruch, der der Ge­ sellschaft zugestanden hat, zu realisieren, falls sie anders keine Befriedigung erlangen. 97 Rogers v. American Can Co., 305 F.2d 297 (3d Cir. 1962). 98 Gegen eine Ratifizierungsmöglichkeit Continental Securities v. Belmont, 99 N.E. 138 (N.Y. 1912); Mayer v. Adams, 141 A.2d 458 (Del. 1958); anders Claman v. Robertson, 128 N.E.2d 429 (Ohio 1955). 99 Zur Anfechtung von Beschlüssen der Anteilseignerversammlung nach amerika­ nischem Recht noch näher unten § 12.

Die Wechselwirkung von Ersatzanspruchsverzicht und Pflichtbindung der Verwaltung offenbart, daß die Disposition über diese Ansprüche nicht im freien Ermessen der Mehrheit stehen kann. Hiervon sind Rechtsgüter betrof­ fen, die der Disposition der Mehrheit schlechthin entzogen sind. Dem wäre es abträglich, wenn man die Bildung eines Kartells der Verwaltung mit ei­ nem Teil der Gesellschafter zum Nachteil der Gesellschaft zuließe, wonach die Gesellschaftermehrheit einerseits die Verwaltung entlastet und damit von allen Sanktionen freistellt, andererseits aber selbst durch eine solche Stimm­ abgabe nicht in Haftung geraten kann und der Gesellschaft keinen Ersatz für den aufgegebenen Anspruch leisten muß. Die Notwendigkeit einer Beschluß­ anfechtung erweist sich an dieser Stelle als unabweisbar. Die Möglichkeit der Beschlußanfechtung gewährleistet die Bindung der Stimmabgabe an das Gesellschaftsinteressse. Entlastungs- und Verzichtsbeschlüsse sind besonders anfällig gegen Interessenkollisionen. Bei der public Corporation ist die Mehr­ zahl der Aktionäre auf der Hauptversammlung nicht anwesend. Sofern sie sich vertreten lassen, geschieht dies in aller Regel durch Stimmrechtsvoll­ macht (proxy) zugunsten der Verwaltung, zumeist ohne dabei besondere von den Vorschlägen des proxy Statement abweichende Weisungen für die Ab­ stimmung zu erteilen. Vor diesem Hintergrund läßt sich kaum erwarten, daß die Verwaltung gegen ihre Entlastung votieren wird, ebenso wie es unwahr­ scheinlich ist, daß die Verwaltung namens der Gesellschaft Ansprüche gegen sich selbst gerichtlich verfolgt. Nicht wesentlich anders liegen die Dinge bei der close Corporation. Auch hier besteht die ernsthafte Gefahr, daß die Ab­ stimmung nicht vom Gesellschaftswohl bestimmt, sondern von anderen Faktoren beeinflußt ist, namentlich von der Begünstigung naher Verwandter. In bestimmten Fällen ist der demand on the Shareholders nicht erforder­ lich. Dies gilt vor allem, wenn sich die streitgegenständlichen Vorfälle nicht durch Billigung der Gesellschafter beilegen lassen. Die Rechtsprechung ver­ mittelt insofern einen uneinheitlichen Eindruck100: Zumeist bewirkt die feh­ lende Ratifizierbarkeit die Entbehrlichkeit einer Befassung der Gesellschaf­ ter. Andere Gerichte beharren stets auf einem demand on the Shareholders und belassen ihnen zum Teil sogar das Recht, eine Klageerhebung verbind­ lich abzulehnen, wenn sie das Verhalten, das die Schädigung der Gesell­ schaft verursacht hat, nicht ratifizieren können101. Richtig ist demgegenüber, daß das Votum der Gesellschafter einer gerichtlichen Überprüfung vorzube­

100Zum folgenden den Überblick bei Merkt (wie FN 96), RdNr. 870 mit Nachweisen.

101 Spätestens im Lichte der neuesten Rechtsprechung des Supreme Court erscheint diese Auffassung nicht mehr haltbar, vgl. Kamen v. Kemper Financial Services, Inc., 500 U.S. 90, 111 S.Ct. 1711 (1991).

halten und erst in diesem Rahmen endgültig über das Bestehen der Klagebe­ fugnis zu entscheiden ist. Zusammenfassend ergibt sich: Neben dem Antrag auf Klageerhebung an den board of directors einen zusätzlichen Antrag an die Anteilseignerver­ sammlung als Zulässigkeitsvoraussetzung zu verlangen, bedeutet eine erheb­ liche Erschwerung der Einzelklagebefugnis. In der zeitlichen Verzögerung, die dieser Antrag an die Gesellschaft bedeutet, liegt eine Entwertung des Rechts. Die Verwaltung beruft die Anteilseignerversammlung ein, bestimmt deren Tagesordnung und kann sich zunächst weigern, die Prozeßführung überhaupt zum Verhandlungsgegenstand zu machen. Bei der Publikums­ gesellschaft ist eine Antragstellung an die Gesellschafter mit erheblichen Ko­ sten für den klagewilligen Gesellschafter verbunden102, die er zunächst ein­ mal selbst zu verauslagen hat. Mit guten Argumenten wird daher vereinzelt dafür plädiert, bei der Publikumsgesellschaft auf die Antragstellung an die Gesellschafter insgesamt zu verzichten, weil die hierdurch aufgerichteten Hürden prohibitiv wirken103. c) Entbehrliches Vorverfahren Ebenso wie das Ermessen der Verwaltung bei der Entscheidung über eine Unterlassung der Klageerhebung eingeschränkt sein kann, ist es denkbar, daß ein solches Ermessen gar nicht mehr existiert. Dann ist nur noch eine Ent­ scheidung rechtmäßig, nämlich die derivative suit zuzulassen. Das Vorver­ fahren ist hier entbehrlich, weil es reine Formsache bliebe. Das Vorverfah­ ren wird für entbehrlich gehalten, wenn die gesamte Verwaltung oder eine Mehrheit von ihr in die Vorgänge, die die Grundlage der Klage bilden, ver­ wickelt ist, wenn sie mit den Schädigern der Corporation kollaboriert haben oder allgemein, wenn die Verwaltung bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt den Schaden nicht von der Corporation abzuwenden wußte104. Diese Fallgruppen der Verzichtbarkeit (futility) des Antragsverfahrens werden von den Gerichten zum Schutze des Ermessenspielraumes der Ver­ waltung eng ausgelegt. Die Befangenheit der Verwaltung oder ihre Verhin­ 102 Der Antragsteller muß die Anforderungen von Rule 14a-8 (Gegenvorschläge von Ge­ sellschaftern), 17 C.F.R. § 240.14a-8 erfüllen; bemüht er sich außerdem um die Unterstüt­ zung eines Entschließungsantrags (sog. proxy solicitation), sind die proxy rules zu beachten. 103Zur Frage, ob ein demand on the Shareholders in der Publikumsgesellschaft entbehr­ lich sein kann, sind die Instanzgerichte durchaus geteilter Auffassung, vgl. Levitt v. John­ son, 334 F.2d 815 (Ist Cir. 1964), cert.den. 379 U.S. 961 (1965): mehr als 48.000 Gesell­ schafter mit großer Fluktuation im Aktionärskreis. Hier hielt das Gericht die Durchführung eines förmlichen Antragsverfahrens für entbehrlich, weil die Verwaltung obendrein in die klageveranlassenden Vorfälle verstrickt war. 104Barr v. Wackman, 329 N.E.2d 180 (N.Y. 1975).

derung an einer pflichtgemäßen Entscheidung müssen evident sein. Entbehr­ lichkeit des Antrags ist nach Ansicht einiger Gerichte nicht bereits gegeben, wenn die Verwaltung die Umstände, aus denen der Anspruch der Corporation resultiert, ursprünglich gebilligt oder aktiv herbeigeführt hatte. Dieser Tatbe­ stand macht für sich genommen die Verwaltung noch nicht befangen für eine spätere Entscheidung über eine Klageerhebung infolge gewandelter Verhält­ nisse105. Die geschilderte Auffassung ist nicht unbedenklich und mutet lebensfremd an. In der Sache läuft sie darauf hinaus, daß die Verwaltung ihre eigene Ent­ scheidung in Frage stellen und einen Fehler im Management zugeben muß. Dies ist aber realistischerweise nicht zu erwarten, weil die Verwaltung durch ein solches Eingeständnis Gefahr läuft, ausgewechselt zu werden oder sich Schadensersatzansprüchen auszusetzen. Hat die Verwaltung ex ante eine Maßnahme getroffen, so liegt darin ex post schon eine Präjudizierung ihres Ermessens, die Richtigkeit dieser Entscheidung zu verteidigen und sie nicht durch eine Klageerhebung für die Corporation im nachhinein in Zweifel zu ziehen. In solchen Fällen sollte man daher zwar an einem demand on the board festhalten, die Entscheidung der Verwaltung über die Ablehnung der Klage jedoch einer eingehenden inhaltlichen Überprüfung unterziehen. Selbst wenn die Verwaltung in die klagebegründenden Vorfälle verwickelt ist, wird das vorherige Antragserfordemis nicht automatisch obsolet mit der Folge, daß das Prozeßführungsrecht unmittelbar auf die Gesellschafter übergeht. Die ganze Bandbreite des Meinungsspektrums hinsichtlich der Entbehr­ lichkeit des Vorverfahrens bei Klagen gegen die Mitglieder der Verwaltung offenbart ein Blick in nur zwei Jurisdiktionen106: In Delaware ist ein demand on the board erst entbehrlich, wenn Mitglieder des board in die streitgegen­ ständlichen Vorgänge verwickelt sind und der zur Klage entschlossene Ak­ tionär darzulegen vermag, daß greifbare Zweifel an der Überparteilichkeit und Unabhängigkeit des board bestehen und seine Entscheidung nicht mehr von der business judgment rule gedeckt ist. Diese Anforderungen sind nicht zu unterschätzen, da sich die nötigen Beweismittel regelmäßig im Einflußbe­ reich der Verwaltung befinden, die alles daran setzt, Herrin des Verfahrens zu bleiben. Die Rechtsprechung in Delaware trägt diesem Umstand nicht durch Beweiserleichterungen Rechnung. - In New York andererseits genügt die Behauptung des Klägers, daß die Mehrheit des board an der Schädigung der Gesellschaft beteiligt ist und ihre Amtspflichten verletzt hat. Die erfor­ 105In re Kauftnan Mutual Fund Actions, 479 F.2d 257 (Ist Cir. 1973). 106Zum folgenden eingehend DEMOTT, Shareholder Derivative Actions, Stand: August 1992, §5:04; Merkt, (wie FN 96), RdNr. 851 ff. je mit umfassenden Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung.

derlichen Beweise können im Wege der pretrial discovery von der Corpora­ tion herausverlangt werden. Dieser Linie folgt die Mehrheit der Jurisdik­ tionen. Die Verwaltung hat stets ein virulentes Interesse daran, das Prozeßfüh­ rungsrecht der Gesellschaft nicht aus der Hand zu geben. Um die Herrschaft über die Prozeßeinleitung zu retten, wird die Entscheidung hierüber einem besonderen Ausschuß des board für Prozeßführungsfragen (litigation Com­ mittee) übertragen. Dies hat die grundsätzliche Billigung der Gerichte gefun­ den. Die bloße Kompetenz Verlagerung, die ja immer noch unter der Kon­ trolle des board stattfindet, ist indessen nicht geeignet, den bestehenden In­ teressenkonflikt zu lösen. Die Kernfrage lautet vielmehr, wie das litigation committee besetzt ist sowie wann und von wem es eingesetzt wurde. 6. Stellung und Entscheidungsbefugnisse eines special litigation committee a) Die eigentliche Entscheidung über die Einleitung eines Rechtsstreits wird bei den großen Gesellschaften heute üblicherweise einem besonderen Prozeßführungsausschuß anvertraut. Er wird auf Boardebene gebildet. Der Ausschuß unterbreitet dem board einen Entscheidungsvorschlag, oder er ent­ scheidet selbst mit Wirkung für die Corporation und anstelle des board, so daß dessen Verstrickung in den Sachverhalt das Entscheidungsermessen des litigation committee auf den ersten Blick nicht zu beeinträchtigen scheint. Litigation committees dienen dem Zweck, die Zahl entbehrlicher Antragsverfahren zu minimieren und den verfassungsmäßig berufenen Organen der Gesellschaft die Entscheidung über das Prozeßführungsrecht zu erhalten107. Daher gewinnt seine Zusammensetzung und Stellung zum board eine große Bedeutung. Das litigation committee darf nicht dazu mißbraucht wer­ den, die Entscheidung zwar formal nicht vom board, in der Sache aber letzt­ lich doch von ihm treffen zu lassen. Deshalb sind zwei Forderungen aufzu­ stellen: Das litigation committee muß unabhängig sein, und die Auswahl sei­ ner Mitglieder darf nicht in den Händen belasteter Personen liegen. Aufgabe des litigation committee ist es, Funktionen, die normalerweise in den klassischen Zuständigkeitsbereich des board of directors fallen, ersatz­ weise wahrzunehmen. Für die Bestellung dieses Gremiums ist daher zu for107 Zum Ganzen eingehend Clark, Corporate Law, 1986, S. 645 ff.; DEMOTT (vorige FN), § 5:04; Elfin, An Evaluation of a New Trend in Corporate Law: Dismissal of Deri­ vative Suits by Minority Board Committees, 20 Am.Bus.L.J. 179 (1982); Coffee/Schwartz, The Survival of the Derivative Suit: An Evaluation and a Proposal for Legislative Reform, 81 Columb.L.Rev. 261 (1981).

dem, daß diese so geschieht wie die des board selbst. Grundsätzlich ist für die Berufung der Boardmitglieder die Anteilseignerversammlung zustän­ dig108. Ausnahmsweise darf der board selbst Mitglieder kooptieren oder in Ausschüsse entsenden, wenn das certificate of incorporation oder die by-laws dem board dieses Recht übertragen109. Dieselben Regeln sind auf die Be­ stellung eines litigation committee anzuwenden. Eine Mitwirkung der Gesell­ schafter wird allerdings nicht für zwingend erforderlich gehalten. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Unabhängigkeit des litigation committee bedarf einer stärkeren Absicherung, um seiner Aufgabe wirklich gerecht werden zu können. Deswegen ist die normale Zuständigkeitsverteilung in der Corporation hier nicht ohne weiteres zu übernehmen. Hat die Verwaltung, die in die Vorgänge verstrickt war, schon einmal die Prozeßführung abge­ lehnt und sich damit festgelegt, so kann der Entscheidung nicht dadurch zu­ sätzliches Gewicht verliehen werden, daß ein vom board eingesetzter Aus­ schuß dessen Entscheidung nochmals bestätigt. Diese Gefahr ist aber nicht auszuschließen, solange die Verwaltung auf die Besetzung und auf die Arbeit des litigation committee Einfluß nehmen darf. Die zu fordernde Unabhängigkeit der litigation committees hat mehrere Aspekte: der wichtigste betrifft die personelle Auswahl. Disqualifiziert sind in die Vorgänge verwickelte Personen, die etwa in einem Arbeitsverhältnis mit der Corporation stehen. Es darf kein Gruppen- oder Fraktionsdenken ent­ stehen, wonach die Ausschußmitglieder sich denjenigen verpflichtet fühlen, denen sie ihre Nominierung zu verdanken haben. Die Mitglieder oder wenig­ stens eine Mehrheit von ihnen muß über eine juristische Vorbildung verfügen oder sich rechtlichen Beistands versichern. Wesentlich ist außerdem das zeitliche Moment bei der Konstituierung des Ausschusses. Ist der Ausschuß vor dem Vorfall der klagebegründenden Ereignisse eingesetzt worden, so begegnet dies geringeren Bedenken, selbst wenn das durch die später in die Vorgänge verstrickte Verwaltung geschehen ist, als wenn die Einsetzung erst anschließend erfolgt. Vorher ist der Handlungsspielraum der

108 Vakanzen können jedoch vom board selbst aufgefüllt werden, wenn ihm dieses Recht im certificate of incorporation oder in einer von den Gesellschaftern angenommenen by-law Bestimmung übertragen ist. Zur Auswahl der Ausschußmitglieder Block/Prussin, Termi­ nation of Derivative Suits Against Directors on Business Judgment Grounds: From Zapata to Aronson, 39 Bus.Lawyer 1503, 1516 ff. (1984). 109Zum Beispiel Cal.Corp.Code § 305(a) und (b); §§ 703, 705(b) N.Y.B.C.L. Haben die Aktionäre einen Direktor aus wichtigem Grund abberufen, so darf die hierdurch entstan­ dene Lücke nur von den Gesellschaftern selbst ausgefüllt werden. Für eine beherrschende Stellung der Aktionäre hinsichtlich des Prozeßführungsrechts der Gesellschaft auch Elfin (wie FN 107), S. 191 ff. Daraus ist zu folgern, daß die Gesellschaf­ ter auch über die Zusammensetzung des litigation committee entscheiden dürfen.

Verwaltung in aller Regel größer als nach Entstehung des Anspruchs der Gesellschaft. Nimmt man alle diese Erfordernisse zusammen, so wird augenfällig, daß ein litigation committee wie ein staatliches Gericht zu bilden ist. Seine Mit­ glieder sind einem objektiven Untersuchungsauftrag verpflichtet und haben Anspruch auf persönliche und sachliche Unabhängigkeit. Das Gremium ist nach dem Prinzip des gesetzlichen Richters zu konstituieren, d.h., daß seine Zusammensetzung feststehen muß, noch ehe sich die zu untersuchenden Vor­ fälle ereignet haben. Nur mit diesen Einschränkungen kann eine für die Cor­ poration und für potentielle Kläger verbindliche Vorabentscheidung eines li­ tigation committee über das Prozeßführungsrecht der Gesellschaft anerkannt werden. Litigation committees haben mit Bezug auf ihre Rechtsnatur und Arbeitsweise gewisse Gemeinsamkeiten mit den Schiedsgerichten: Sie sollen unter Ausschluß des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten eine für alle Beteiligten verbindliche Entscheidung treffen, die selbst unternehmerische Ermessensfragen einschließt110. Die Parallele zur Schiedsgerichtsbarkeit ver­ anschaulicht, daß schon an die Einrichtung des Gremiums besondere Anfor­ derungen für die Verbindlichkeit seiner Entscheidung zu stellen sind. Insgesamt ergibt sich: Der board of directors setzt das litigation commit­ tee ein und befindet anschließend über dessen Empfehlungen hinsichtlich ei­ nes demand. Ist ein Gericht an die Entscheidung gebunden und muß es sie als von der business judgment rule gedeckt honorieren? Aufgeworfen ist da­ mit die Frage nach der Letztverbindlichkeit einer Entscheidung des board über das Gebrauchmachen vom Klagerecht der Gesellschaft, die unter dem Vorzeichen zu beantworten ist, daß sich mit dem Klagerecht untrennbar die Aufsicht über die Gesellschaft und ihre Organe verknüpft. Dieser letzte Ge­ sichtspunkt wird - sofern überhaupt erkannt - von der Rechtsprechung in den Einzelstaaten unterschiedlich gewichtet. b) Die amerikanischen Gerichte sind sich des den litigation committees immanenten Interessenkonflikts bewußt. Sie praktizieren die zum Schutze der Gesellschaft notwendigen Vorkehrungen jedoch nicht schon auf der Stufe der Einrichtung dieser Ausschüsse durch Überprüfung der oben skizzierten Minimalanforderungen, sondern beziehen diesen Schutz auf die Überprüfung des Inhalts der Entscheidung. Auch einem unter "verdächtigen” Bedingungen eingesetzten litigation committee wird die Befähigung nicht a limine abge­ sprochen, eine sachlich angemessene Entscheidung zu treffen. Hinsichtlich 110Grundsätzlicher zur Problematik der Lösung untemehmenspolitischer Streitfragen durch ein Schiedsgericht Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 331 ff. mit Nachweisen.

der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen des litigation committee haben sich in den USA bis heute im wesentlichen zwei Linien herausgebil­ det, die die Grundströmungen des amerikanischen Korporationenrechts re­ präsentieren. New York zollt der gefundenen Entscheidung der litigation committees übergroßen Respekt, während das ansonsten eher verwaltungs­ freundlich gesinnte Delaware das Votum des Ausschusses nicht nur auf Er­ messensfehler prüft, sondern in den Inhalt der Entscheidung hineinleuchtet. (1) In New York gilt die nach dem leading case benannte Auerbach-Regel111. Danach untersuchen die Gerichte bei einer derivative suit, die ein Ge­ sellschafter trotz Ablehnung der Klageerhebung angestrengt hat, ob das liti­ gation committee unabhängig und unbefangen war, also ob es weitgehend personenverschieden ist von dem materiell Beklagten des Rechtsstreites. Seine Entscheidung muß "in good faith" und in einem ordnungsgemäßen Verfahren getroffen worden sein. Ein ordnungsgemäßes Erkenntnisverfahren setzt voraus, daß alle entscheidungserheblichen Tatsachen ermittelt und be­ rücksichtigt worden sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so gewährt die Rechtsprechung einer Entscheidung des litigation committee denselben Er­ messensschutz wie jeder anderen Entscheidung des board of directors. Diese Voraussetzungen sind von der Corporation darzutun und zu beweisen. Greift die business judgment rule Platz, so kann die Entscheidung des Ausschusses gegen eine Klageerhebung nicht mehr auf ihre inhaltliche Richtigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden. Insbesondere kann in New York ein Ge­ richt nicht sein Ermessen über die Angemessenheit der Verfolgung des An­ spruchs der Corporation an die Stelle des Ausschusses setzen. Der klagewillige Gesellschafter kann die Ermessensentscheidung nur sehr eingeschränkt anfechten, indem er dartut und beweist, daß die Entscheidung das Ergebnis betrügerischer Manipulationen ist, auf eine bewußte Schädi­ gung der Gesellschaft angelegt ist, die Minderheitsgesellschafter benachtei­ ligen soll oder daß das litigation committee seine Treupflicht verletzt hat. Für den Gesellschafter, der den Spruch des litigation committee angreifen will, bedeutet dies eine hohe Hürde. Das Beweisproblem ist in erster Linie ein Informationsbeschaffungsproblem . Mit Recht hat man diesem Ansatz entgegengehalten, daß der Interessen­ konflikt nicht genügend Beachtung findet. Die Rechtsprechung in New York scheint zu einseitig auf das ordnungsgemäße Verfahren im litigation com­

111 Auerbach v. Bennett, 393 N.E.2d 994 (N.Y. 1979).; ebenso Lewis v. Anderson, 615 F.2d 778 (9th Cir. 1979) zum kalifornischen Recht. Zur Genese der Rechtsprechung im Vergleich der Bundesstaaten, siehe Block/Prussin, (wie FN 108).

mittee abzustellen und versucht, aus ihm eine Legitimation der Entscheidung in der Sache selbst abzuleiten. (2) Delaware folgt der nach seinem Pionierfall benannten ZapataRegel112. Danach prüfen die Gerichte wie in New York, ob das litigation committee unabhängig gearbeitet hat, ob der Entscheidungssachverhalt vollständig ermittelt worden ist sowie, ob die allgemeinen Ermessensgrenzen beachtet sind. Das besondere der Zapata-Forme\ besteht darin, daß zu diesen drei noch ein viertes Prüfungskriterium hinzutritt: Gerichte, die dieser Ansicht folgen, untersuchen losgelöst und ohne Bindung an das business judgment des litigation committee, ob es billig erscheint, die derivative suit zuzulassen. Dieses vierte Kriterium, durch das sich die gerichtliche Prüfung von einer bloßen Ermessensprüfung abhebt, wird mit dem immanenten Interessenkonflikt, mit dem jede Entscheidung eines litigation committee behaftet ist, begründet. Es wird als Erfahrungstatsache betrachtet, daß die Mitglieder eines litigation committee sehr wahrscheinlich mit denjenigen sympathisieren, die sie in ihr Amt berufen haben, egal ob die bestellten Boardmitglieder an den Vorkommnissen beteiligt sind oder nicht. Aus einem (falsch verstandenen) Korpsgeist resultiert eine strukturelle Voreinge­ nommenheit (structural bias). In Delaware ist außerdem die Beweislast anders verteilt. Es existiert dort keine Vermutung für das bestehende Ermessen des litigation committee, die der Gesellschafter durch eigene Beweisantritte entkräften muß, sondern die Gesellschaft ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß die Voraus­ setzungen für das Eingreifen der business judgment rule gegeben sind. Da­ durch wird das Informationsbeschaffungsrisiko des Gesellschafters beseitigt. Delaware gelangt damit zu einer fast vollinhaltlichen Überprüfung der Aus­ schußentscheidung. Diese bezieht sich zunächst auf die Befugnis des Gesell­ schafters, in derivative suit für die Corporation vorzugehen. Dabei untersucht das Gericht jedoch inzident und summarisch die Erfolgsaussichten des durchzusetzenden Anspruchs (mini trial on the merits). Von der Begrün­ detheit der Klage wird demnach auf ihre Zulässigkeit geschlossen. Ein be­ gründeter Anspruch sei auch geltend zu machen. ^Zapata Corp. v. Maldonado, 430 A.2d 779 (Del. 1981). Zu dieser Grundsatzent­ scheidung Hansen, The Business Judgment Rule and Maldonado - Another Perspective, 6 Corp.L.Rev. 131 (1983); Cox, Searching for the Corporation’s Voice in Derivative Suit Litigation: A Critique of Zapata and the ALI Project, 1982 Duke L.J. 959 (972 ff.). Im gleichen Sinne für das Recht von Connecticut Joy v. North, 692 F.2d 880 (2d Cir. 1982), cert.den. 460 U.S. 1051 (1983). Der Supreme Court von Delaware hat die Zapata-Rule später dahin modifiziert, daß die ei­ genständige gerichtliche Prüfung nur stattfindet, wenn das Vorverfahren entbehrlich ist (demand excused), Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (Del. 1984).

(3) Einige Bundesstaaten sind in dieser für die corporate governance über­ aus bedeutsamen Frage eigene Wege gegangen. Bemerkenswert ist, daß die Gerichte aus Staaten mit nicht gerade minderheitenfreundlichen Gesetzen die Zapata-Formei noch ausgedehnt haben, also einen die derivative suit begün­ stigenden Standpunkt beziehen. Ein oberstes Gericht hat mit Recht ausge­ sprochen, daß Verwaltungsmitglieder, die selbst Beklagte sind, ihre Ent­ scheidungsbefugnisse gar nicht an ein litigation committee deligieren kön­ nen, mit der Maßgabe, daß das committee verbindlich über die Behandlung des demand entscheiden darf. Überhaupt verlangt diese Entscheidung für die Einrichtung eines special litigation committee eine statutarische Grundlage. Außerdem deutet diese Entscheidung an, daß das Problem der Befangenheit dadurch lösbar sei, daß das Gericht die Ausschußmitglieder bestelle113. Ein anderes oberstes Gericht sprach sich für eine eigenständige Bewertung der Empfehlung des litigation committee aus. Dies soll unabhängig davon gelten, ob ein demand notwendig ist oder nicht114.

(4) Eine Bewertung der vorerwähnten Entscheidungen muß weiter ausgrei­ fen: Es geht letztlich um den ordnungspolitischen Gehalt der derivative suit für die corporate governance und das Verhältnis von Verfahrensrecht zum materiellen Recht. Die Konflikte, die die Diskussion um die special litigation committees deutlich macht, rühren daher, daß es die Gerichte in der Vergan­ genheit versäumt haben, bereits bei der Errichtung des committee auf seine Unabhängigkeit zu dringen. Dies macht es nachfolgend nötig, diese Kon­ trolle anhand einer inhaltlichen Überprüfung seiner Entscheidung nachzuho­ len. Keine der angebotenen Lösungen darf dabei übersehen, daß mit dem Zuschnitt der gerichtlichen Kontrolldichte über die Wirksamkeit der deriva­ tive suit selbst entschieden wird. Ein litigation committee ist kein Schiedsge­ richt, das über die Erfolgsaussichten der Klage unter Ausschluß des Rechts­ weges endgültig befinden darf. Das gesellschaftsinteme Vorverfahren (demand) bereitet eine gerichtliche Entscheidung vor, ersetzt sie aber nicht. Das Vorverfahren behält nach dieser Auslegung seine Existenzberechtigung als ein Forum, auf dem ein Streit vergleichsweise beizulegen ist oder sich der Kläger über die Chancen einer Klage schlüssig werden kann. Ansonsten bleibt den Gerichten die Entscheidung über diejenigen Materien vorbehalten, für die sie auch sonst im Gesellschaftsrecht zuständig sind. Dies ist die Ent­ scheidung von Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit der Leitung von Ge­ sellschaften, mit der Wahrnehmung von Kompetenzen oder Gesellschafter­ ^Miller v. Register and Tribune Syndicate, Inc., 336 N.W.2d 709 (Iowa 1983). 114Alford v. Shaw, 358 S.E.2d 328 (N.C. 1987). Hierzu Cox, Heroes in the Law Alford v. Shaw, 66 N.C.L.Rev. 565 (1988).

rechten auftreten. In diesem Umfang kann kein Konflikt mit dem Selbstver­ waltungsrecht der Corporation auftreten. Eine Rückbesinnung auf die Funktion des demand ist für die Ermittlung der Befugnisse eines special litigation committee ebenfalls hilfreich. Der de­ mand soll der Gesellschaft die Chance erhalten, von ihrem Prozeßführungs­ recht Gebrauch zu machen. Es ist nicht Sinn des Vorverfahrens, daß sich die Verwaltung der durch die derivative suit bewirkten Kontrolle endgültig und ersatzlos entledigen darf115. Weder für die Gesellschafter noch für die Ver­ waltung gibt es einen rechtlich anzuerkennenden Ermessensspielraum, der ihnen gestattet, über ihre Verpflichtung zu gesetzes- und statutenkonformer Leitung der Gesellschaft zu disponieren.

7. Das System der Kostentragung Die Effizienz der derivative suit hängt wesentlich von der Regelung der Kostentragung ab. Die Aufrichtung zu hoher Barrieren in Form eines hohen Kostenrisikos würde für diesen Rechtsbehelf prohibitiv wirken. Im amerika­ nischen Zivilprozeßrecht gilt nicht wie in Deutschland116 , daß die unter­ legene Partei der obsiegenden alle zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten einschließlich aller Gerichts- und Anwaltsgebühren zu erstatten hat und obendrein für die eigenen Auslagen aufkommen muß. Nach der American Rule trägt grundsätzlich jede Partei unabhängig vom Prozeßausgang ihre ge­ richtlichen und außergerichtlichen Kosten selbst117. * Die Garantiehaftung 115 In ihrem Ausmaß zutreffend erkannt wird die Gefahr, die derivative suit durch special litigation committees gegenstandslos zu machen von Cox, Heroes in the Law: Alford v. Shaw, 66 N.C.L.Rev. 565 (1988) sowie CHITTUR, Ventriloquism for Corporate Directors: Special Litigation Committees in Derivative Suits, 9 Corp.L.Rev. 99 (1986). 116Vgl. § 91 ZPO. Da für verbandsrechtliche Streitigkeiten asymmetrische Risikostruk­ turen herrschen und besondere Anreize für eine Klageerhebung zu bieten sind, mildert die Streitwertherabsetzung nach § 247 AktG das Kostenrisiko. 1 Ausführliche Darstellung der American Rule in 22 AmJur 2d, Damages, §§ 611 ff. (1988). Es existieren jedoch zahlreiche Ausnahmen. Eine Kostenerstattung erfolgt, wenn sie nach Gesetz oder Vertrag vorgesehen ist. Des weiteren darf die obsiegende Partei Erstattung beanspruchen, wenn der Gegner die Prozeßführung in bösem Glauben, zur Schikane oder aus erpresserischen Motiven veranlaßt hat. Speziell für die derivative suit kommt die weitere Ausnahme zum Tragen, wonach die Entlastung des Klägers statthaft ist, wenn seine Prozeß­ führung einer überschaubaren Gruppe zugute kommt oder er als private attomey general ge­ handelt hat, vgl. Incarcerated Men of Allen County Jail v. Fair, 507 F.2d 281, 284 (6th Cir. 1974). Im deutschen Recht findet sich eine dem amerikanischen Kostentragungsmodell der Ameri­ can Rule ähnliche Kostentragungsregelung für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren erster Instanz (§§ 12, 12a ArbGG). Danach trägt jede Partei ihre Kosten selbst ohne Rücksicht auf den Prozeßausgang. Diese Regelung ist vornehmlich zum Schutze des Arbeitnehmers ge­ dacht, der nicht durch die Furcht von der Erhebung der Kündigungsschutzklage abgehalten werden soll, daß er möglicherweise die Kosten des obsiegenden Arbeitgebers zu tragen hätte.

nach § 91 ZPO bürdet dagegen jeder potentiellen Prozeßpartei bereits vor­ prozessual die Obliegenheit auf, sorgfältig zu prüfen, ob es zum Prozeß kommen und ob eine Inanspruchnahme der finanziellen und zeitlichen Res­ sourcen des Gegners und des Justizapparates erfolgen soll. Die American Rule enthebt den Kläger dieser Prüfung. Anders als das deutsche Recht hin­ sichtlich der Tragung der Prozeßkosten differenziert das amerikanische Recht nach der Art der entstandenen Kosten. Wer die Verfahrenskosten zu zahlen hat, muß nicht notwendig für die Anwaltsgebühren oder die sonstigen Auslagen aufkommen.

a) Gerade die derivative suit erfordert im Hinblick auf ihre Doppelnatur eine Durchbrechung der American Rule, deren Rechtfertigung erkennbar aus dem klassischen Zivilprozeß abgeleitet ist, in dem eindeutig die Durchset­ zung subjektiver Individualrechte der Parteien im Vordergrund steht. An­ dernfalls würden die eventuellen Früchte der Prozeßführung stets an die Ge­ sellschaft fallen, während der klagende shareholder seine Anwaltskosten aus­ nahmslos selbst tragen müßte118. Um Kostentragung und Nutznießerschaft zur Deckung zu bringen, haben die Gerichte daher entschieden: Dringt die derivative suit durch, so hat das Gericht die Pflicht, die Erstattungsfähigkeit der Gerichts- und Anwaltskosten des Klägers von Amts wegen zu prüfen und die Gesellschaft oder die materiell Beklagten in die Tragung dieser Kosten zu verurteilen119. Ihm verbleibt jedoch ein Ermessensspielraum. Anstelle von statischen Merkmalen wie des Verfahrensausganges in der Sache (§ 91 ZPO) oder der KlageVeranlassung (§93 ZPO) gewichten amerikanische Gerichte die Billigkeit der Kostenentscheidung stärker und ziehen bewußt deren Be­ deutung als Anreiz für eine Klageerhebung ins Kalkül120. Das Gericht ist nach beiden Seiten frei. Erhebt ein Gesellschafter die Klage mit dem offen­ sichtlichen Ziel, der Gesellschaft einen Vermögensschaden zuzufügen oder sie zu erpressen, indem er sich das Klagerecht nur abkaufen lassen will, so kann ihn das Gericht mit den gesamten Kosten des Rechtsstreits belasten unter Einschluß der gegnerischen Anwaltskosten121. Dieser flexible Ansatz 118Sehr anschaulich hierzu Clark, Corporate Law, 1986, S. 659 f. und aus größerem Zusammenhang Macey/Miller, The Plaintiffs’ Attorney's Role in Class Action and Derivative Litigation: Economic Analysis and Recommendations for Reform, 58 U.Chi.L.Rev. 1 (1991). ^Tänzer v. Huffines, 315 F.Supp. 1140 (D.Del. 1970); McDonnell Douglas Corp. v. Palley, 310 A.2d 635 (Del. 1973). 120Diesem flexibleren Ansatz folgt auch das Schweizer Recht. Art. 706a OR zufolge verteilt der Richter die Kosten bei Abweisung der aktienrechtlichen Beschlußanfechtungs­ klage nach seinem Ermessen zwischen der AG und dem Kläger. ^F.D.Rich Co., Inc., v. U.S.Industrial Lumber Co., Inc., 417 U.S. 116 (129), 94 S.Ct. 2157 (1974); Road^ay Express v. Piper, 447 U.S. 752, 100 S.Ct. 2455 (1980).

gestattet, eine angemessene Kostentragung für einen unterlegenen Gesell­ schafter-Kläger nach equity-Prinzipien herbeizufuhren. Strengt ein Gesell­ schafter-Kläger eine Klage für die Corporation auf Schadensersatz wegen schlechter Geschäftsführung gegen deren Verwaltung an und dringt er nicht durch, so kann sich die Klage dennoch als im Gesellschaftsinteresse liegend erweisen, wenn die Verwaltung ausgewechselt wird oder wenigstens eine Straffung des Managements stattfindet122. Für die Anwaltskosten macht die derivative suit ebenfalls wichtige Ausnahmen von der American Rule. Das Gericht kann die Erstattung solcher Kosten anordnen, die notwendig und an­ gemessen waren. Maßgebend ist nicht, daß die der Corporation zugespro­ chene Urteilssumme bedeutsam ist oder die Kosten auch nur aufwiegt. Ent­ scheidend ist viel eher die objektive Verbesserung der Lage der Gesellschaft als letztendlicher Nutznießerin der Prozeßführung123.

b) Der Risikoanteil des Klägers im Falle versagter Kostenerstattung be­ steht in der Tragung seiner eigenen Gerichts- und Anwaltskosten. Diese Schwelle wird noch weiter abgesenkt durch die Zulässigkeit von Erfolgs­ honoraren (contingent fee arrangements). Die Vereinbarung eines Erfolgs­ honorars ist in Zivilprozessen die gebräuchliche Form der Entlohnung des klägerischen Anwalts, sofern eine Geldforderung einzuklagen ist. Der An­ walt des Klägers erhält bei der geldlich bezifferbaren Klage einen prozen­ tualen Anteil der Urteilssumme. Erfolgshonorare sind statthaft bis zu maxi­ mal einem Drittel des zugesprochenen Betrages124. Erfolgshonorare bieten mNeese v. Richer, 428 N.E.2d 36 (Ind. 1981). 123Grundlegend Mills v. Elektric Auto-Lite Co., 396 U.S. 375, 90 S.Ct. 616 (1970); Alyeska Pipeline Service Co. v. Wildemess Society, 421 U.S. 240, 95 S.Ct. 1612 (1975); Shlensky v. Dorsey, 574 F.2d 131 (3d Cir. 1978). In Mills wird die Tendenz der Kosten­ verlagerung weg vom Kläger besonders deutlich. Das dort gebilligte private Klagerecht des geschädigten Gesellschafters war entscheidend von der Bestrebung getragen, den von der Kapitalmarktgesetzgebung geschützten Investor als natürlichen Interessenträger neben der S.E.C. als Aufsichtsinstanz über die Reinhaltung des Kapitalmarktes zu etablieren, weil eine staatliche Behörde im Rahmen des für sie geltenden Opportunitätsprinzips unter Umständen Sachverhalte nicht aufgreifen wird, die ein Geschädigter sehr wohl gerichtlich klären lassen will. Eine Wahrnehmung dieser Rechte durch die S.E.C. wäre aber für den getäuschten An­ leger ebenfalls kostenneutral. Deshalb soll die Kostenbürde, wenn der Investor die Verfol­ gung des Schädigers selbst in die Hand nimmt, alternativ nicht unverhältnismäßig höher sein. 124Bis zu welcher prozentualen Höhe Erfolgshonorare zulässig sind, läßt sich nicht for­ melhaft beantworten. Hierzu gibt es keine für alle Einzelstaaten verbindlichen Richtwerte, jedoch wird ein Honorar bis zu einem Drittel der Urteilssumme für zulässig gehalten, vgl. Code of Professional Responsibility der American Bar Association, Disciplinary Rule 2106(B). Die so entstandene Rechtsunsicherheit sollte in den siebziger Jahren dadurch beho­ ben werden, daß in einigen Bundesstaaten Gebührentabellen von den lokalen Anwalts ver­ einen herausgegeben und für verbindlich erklärt wurden. Die Rechtsprechung hat diese Ver­ suche allerdings konsequent verworfen, weil man in ihnen ein wettbewerbswidriges price fixing nach 15 U.S.C. § 1 erblickte, vgl. Goldfarb v. Virginia State Bar, 421 U.S. 773, 95

den Vorteil eines Interesseneinklanges von Anwalt und Mandant. Schon vor­ prozessual muß der Anwalt sehr sorgfältig prüfen, ob ein Prozeß realistische Erfolgssaussichten bietet, weil er im Unterliegensfalle keinerlei Honoraran­ sprüche hat. Dies liegt gleichzeitig im Interesse der Rechtspflege. Das Kostenverteilungsmodell des § 91 ZPO enthebt den deutschen Anwalt in weitem Umfang der Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage, weil der An­ walt seine Gebührenforderung jedenfalls liquidieren kann und zwar notfalls bei der eigenen Partei. Zu prüfen bleibt indes, ob der Mandant nicht mit ei­ nem Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung des Vertrages auf­ rechnen darf. Eine Erfolgshonorarvereinbarung bietet sich an, wenn es um die Einkla­ gung einer Geldsumme geht. Dringt die Klage durch und leistet der Be­ klagte, so bildet sich ein Sondervermögen (common fund), das an die Ge­ sellschaft herauszugeben ist. Hier liegt es besonders nahe, die Kosten für die Gewinnung des Vermögensvorteils für die Gesellschaft und ihre Aktionäre zu dessen Lasten zu bestreiten125. Da die derivative suit jedoch nicht allein bei Klagen mit solchem Inhalt statthaft ist, sondern ebenso Unterlassungoder Vornahmeansprüche zum Gegenstand haben kann, erbringt eine erfolg­ reiche Prozeßführung nicht stets einen common fund. Gleichwohl schließt dies einen Auslagenersatz an den Kläger nicht aus, solange seine Prozeßfüh­ rung der Gesellschaft einen "substantial benefit" einbringt. Diese Fallgruppe ist wertungsoffen genug, um im Ergebnis eine flexible Kostentragung nach Billigkeitsgesichtspunkten zu eröffnen. Überhaupt erscheint eine einzelfall­ bezogene Entscheidung insoweit einer schematischen Formel nach dem Vor­ bild von § 91 ZPO vorzugswürdig. Im amerikanischen Recht setzt eine Er­ stattung von Anwaltsgebühren eine gerichtliche Angemessenheitsprüfung voraus. Dabei orientieren sich die Gerichte an der Höhe der eingeklagten Summe. Im übrigen achten sie u.a. auf den konkreten Vorteil aus der Pro­ zeßführung für die Gesellschaft, den Arbeitsaufwand und die Sachkunde des Prozeßbevollmächtigten sowie die Schwierigkeit des Falles126. Die vielschichtige Problematik des Erfolgshonorars mit seinen prozes­ sualen und gesellschaftspolitischen Implikationen ist hier nicht im einzelnen auszubreiten. In diesem Zusammenhang interessiert die Risikotragung hin­ sichtlich der Kosten für die Rechts Verfolgung, die nicht dazu führen darf, S.Ct. 2004 (1975); Arizona v. Maricopa County Medical Soc., 457 U.S. 332, 102 S.Ct. 2466 (1982). 125Näher hierzu Clark (wie FN 107), S. 660 f.; Überblick bei Merkt (wie FN 96), RdNr. 908 ff. Eine rechtsvergleichende Bewertung der Erfolgshonorarvereinbarung liefert Buxbaum, Die private Klage als Mittel zur Durchsetzung wirtschaftspolitischer Rechtsnor­ men, 1972, S. 17 ff. 126Siehe nur Newmark v. RKO General, Inc., 332 F.Supp. 161 (S.D.N.Y. 1971).

daß die Rechtsdurchsetzung unmöglich gemacht wird. Die Kostentragung ist auf das Aufsichtsmodell zu beziehen. Wenn die Rechtsverfolgung im Inte­ resse einer größeren Personengruppe liegt, muß auch eine Vergemeinschaf­ tung der hierfür aufzuwendenden Kosten erfolgen127. Soweit die derivative suit die Beitreibung von Zahlungsanspiüchen zum Gegenstand hat und ein Erfolgshonorar vereinbart wird, ist das Risiko des Gesellschafter-Klägers ge­ ring. Anders verhält es sich, wenn die derivative suit andere als Zahlungsan­ sprüche zum Gegenstand hat, etwa wenn sich der Streit um eine bestimmte Geschäftsführungsmaßnahme dreht, deren Vornahme oder Unterlassung be­ gehrt wird128. Dann scheidet eine Erfolgshonorarvereinbarung aus. Der Ge­ sellschafter-Kläger muß sich auf die zweite Variante einlassen, nämlich eine Stundenhonorarvereinbarung, und die Aufwendungen hierfür sind von ihm vorzuschießen. So klägerbegünstigend sich die Verteilung der Kostenlast bei der deriva­ tive suit einerseits auswirkt, so unbefriedigend kann sie für die Gesellschaft andererseits sein. Die Corporation ist selbst beklagte Partei und anwaltlich vertreten. Ihre in dieser Eigenschaft entstehenden Kosten können nicht auf Erfolgshonorarbasis abgegolten werden. Ihr Anwalt ist nach seinem Zeitauf­ wand zu entlohnen. Selbst wenn die derivative suit nicht durchdringt und die Gesellschaft in diesem Sinne obsiegt, sind ihre Kosten nur dann auf den Klä­ ger abwälzbar, wenn das Gericht dies besonders ausspricht. Diese Position macht die Gesellschaft besonders anfällig gegen Erpressungsstrategien. Da für die Gesellschaft die Erhebung einer derivative suit in jedem Falle mit Kosten verbunden ist, kann es für sie, auch wenn der Anspruch gegen den Dritten erfolglos ist, billiger sein, den klagewilligen Gesellschafter durch eine Abstandszahlung ruhigzustellen oder einen Vergleich zu akzeptieren, der sie vor einer langwierigen Prozeßführung bewahrt. Denn eine Prozeß­ führung verschlingt Ressourcen der Gesellschaft in Gestalt von Geldmitteln und Arbeitszeit von Mitarbeitern. Noch schlimmer mag die Gesellschaft eine Rufschädigung treffen. Die Verteilung der Kostenlast bei der derivative suit erleichtert dem Klä­ ger den Entschluß zur Verfahrenseinhaltung. Andererseits ist nicht zu über­ sehen, daß sich die Gesellschaft Erpressungsversuchen ausgesetzt sehen kann, wenn die Hemmschwelle für Klagen zu niedrig ist. In rechtsverglei­ chender Perspektive erscheinen die Entwicklungen in Deutschland und in den USA gegenläufig. Das amerikanische Recht begegnet einem Mißbrauch der derivative suit in einigen Jurisdiktionen mit der gesetzlichen Verpflichtung des Klägers, der Gesellschaft Sicherheit zu leisten. Daneben 127Zur Bewältigung dieser Problematik im deutschen Recht unten § 17 IV 4. 128So beispielsweise im Falle von Shlensky v. Wrigley, 237 N.E.2d 776 (111. 1968).

gibt es keine eigenständige Mißbrauchsschranke bei der Prüfung der Klage, weil die Dispositionsbefugnis der Parteien hinsichtlich des Streitgegenstandes unter der Aufsicht des Gerichts steht. Im deutschen Recht gab es für die Anfechtungsklage bis 1965 einen Anspruch der beklagten Gesellschaft auf Stellung einer Sicherheit für ihre Unkosten aus der Prozeßführung und sonstige Schäden, die der Gesellschaft aus Anlaß der Prozeßführung erwachsen konnten129. Dafür hat die Rechtsprechung nachfolgend die Figur der rechtsmißbräuchlichen Anfechtungsklage anerkannt130. Ein markanter Unterschied beider Rechtsordnungen liegt darin, daß die Anfechtungsklage bei gewissen eintragungspflichtigen Hauptversammlungsbeschlüssen eine Suspensivwirkung nach sich ziehen kann, was bei der derivative suit im allgemeinen ausscheidet, wenn nicht der Kläger zusätzlich eine einstweilige Verfügung erwirkt. Die weiteren Überlegungen werden erweisen, welches der vorzugswürdige Weg ist und wie sich diese Disziplinierungsmaßnahmen mit der Kontrollfunktion der Gesellschafterrechte vertragen.

8. Sicherheitsleistung für die Kosten der Gegenseite (security for expenses)

a) Um Mißbräuche bei der derivative suit einzudämmen, haben die Juris­ diktionen seit den dreißiger Jahren Bestimmungen in ihre Corporation Statutes aufgenommen, wonach die Klage nur zulässig ist, wenn der Kläger bei Ge­ richt eine Sicherheit für die Gerichts- und Anwaltskosten der Gesellschaft hinterlegt131. *Das * Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft erklärt sich daraus, daß sie sich in einem Dilemma befindet. Scheitert die derivative suit und war sie gegen die Verwaltungsmitglieder gerichtet, so schuldet die Corporation ihren Angestellten die Freistellung von den Kosten der Prozeßführung, weil diese ihre Kosten nach der American Rule nicht gegenüber dem unterlegenen Kläger liquidieren können. Das Sicherheitsleistungserfordernis hängt von der Größe des Anteilsbesitzes des Klägers ab. Übersteigt er einen bestimmten Prozentsatz oder erreicht die Beteiligung den gesetzlich fixierten Wert, ist 129Vgl. zu § 199 Abs. 4 Satz 1 AktG 1937 SCHLEGELBERGER/QUASSOWSKI, Komm.z.AktG, 3. Aufl. 1939, § 199 RdNr. 6, die hinsichtlich der Ersatzansprüche der Ge­ sellschaft auf die §§ 824, 826 BGB verweisen. Zur Abschaffung des Erfordernisses einer Si­ cherheitsleistung Kropff, Aktiengesetz - Textausgabe mit Materialien, 1965, Begründung zu § 246 (S. 333). 130BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler". Eingehender zum Ganzen unten § 21. 131 Nach § 627 N.Y.B.C.L. sind die anfallenden Anwaltskosten bei der Berechnung der Sicherheitsleistung mit einzubeziehen. Cal.Corp.Code § 800 (d) und (e) wählt einen sehr flexiblen Ansatz für die Handhabung des Sicherheitsleistungserfordemisses. Bemerkens­ werterweise kennt das managementfreundliche Delaware dieses Erfordernis nicht. Auch das Verfahren vor den Bundesgerichten (vgl. Rule 23.1 F.R.Civ.P.) verlangt keine security for expenses.

der Kläger von der Sicherheitsleistung befreit. Alternativ kann er versuchen, soviele Mitgesellschafter als Streitgenossen zu gewinnen, daß das gesetzliche Quorum von allen Streitgenossen erreicht wird. Die Pflicht zur Sicherheitsleistung als Zulässigkeitsvoraussetzung hat man früher aus verfassungsrechtlichen Gründen in Zweifel gezogen132. Verfas­ sungsrechtlich kann diese Regelung zweifelhaft sein, weil nicht alle Gesell­ schafter gleich behandelt werden und das Differenzierungskriterium insoweit willkürlich ist, als ein Aktionär mit qualifiziertem Aktienbesitz ebenso miß­ bräuchlich handeln kann wie derjenige mit Splitterbesitz. Umgekehrt nimmt das Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft nicht ab, wenn der Anteilsbesitz des Klägers größer ist, sondern im Gegenteil könnte ein vermögender Aktio­ när mit größerem Besitz bei einer Erpressung der Gesellschaft noch höher pokern. Die Rechtsprechung hat dennoch entschieden, daß das Mindestanteilsbesitzerfordemis mit der amerikanischen Verfassung vereinbar ist. Es verstößt weder gegen den Gleichheitssatz, noch verletzt es die Garantie des ungehinderten Zuganges zu den Gerichten. Gleichwohl hat das Gericht recht kritische Untertöne anklingen lassen. Die Regelung sei zwar noch vom legislativen Ermessen der Staaten gedeckt, jedoch erscheine sie nicht als der Weisheit letzter Schluß - ein überdeutlicher Wink an den Gesetzgeber, die Anforderungen nicht zu Überspannen133. Die nachfolgende security for expenses-Gesetzgebung hat den Fingerzeig verstanden und die Gerichte zu einer verhältnismäßigen Anordnung der Sicherheitsleistung verpflichtet. b) New York hat die älteste security for expenses-Gesetzgebung. § 627 N.Y.B.C.L. trifft folgende Regelungen: Verfügt der Kläger über weniger als 5% Aktienbesitz oder übersteigt sein Besitz nicht den Marktwert von 50.000 Dollar, so muß er auf Antrag der Corporation eine Sicherheit leisten, wenn das Gericht es anordnet. Diese Regelung steht mit dem New Yorker Verfas­ sungsrecht in Einklang134. Sie wird mit der Überlegung begründet, daß die Gesellschaft gegen Gesellschafter-Kläger mit geringem Aktienbesitz in be­ sonderem Maße schutzbedürftig ist, da solche Kläger noch relativ billig aus­ kaufbar sind135. Die Gesellschaft kann Sicherheit verlangen für sich selbst ^Cohen v. Beneficial Industrial Loan Corp., 337 U.S. 541, 69 S.Ct. 1221 (1949) zur Vereinbarkeit der security for expenses-Regelung in New Jersey mit der Bundesverfassung. Sie entspricht im übrigen der Rechtslage in New York, vgl. § 627 N.Y.B.C.L. ^Cohen v. Beneficial Industrial Loan Corp., 337 U.S. 551, 69 S.Ct. 1228 (1949). ^Lapchak v. Baker, 80 N.E.2d 751 (N.Y. 1948). 135 Mit prononcierter Kritik an der Regelung in New York Hornstein, The Death Knell of Stockholders’ Derivative Suits in New York, 32 Calif.L.Rev. 123 (1944); Note, Secu­ rity for Expenses Legislation - Summary, Analysis and Critique, 52 Columb.L.Rev. 267, 276 (1952).

und die übrigen Beklagten, zumal wenn diese ihre Verwaltungsmitglieder sind und sie ihnen Auslagenersatz für die Prozeßkosten zu gewähren hätte. Nur die Gesellschaft, nicht die übrigen Beklagten können Sicherheit verlan­ gen. Insbesondere können die übrigen Beklagten von der Corporation nicht fordern, für sie die Stellung einer Sicherheit zu beantragen136. Die Leistung der Sicherheit ist Voraussetzung der gerichtlichen Verfol­ gung des Anspruchs durch den Kläger. Sie ist Sachurteilsvoraussetzung. So­ weit es um Fragen des Kollisionsrechts geht, ist die Sicherheitsleistung im Bereich des materiellen Gesellschaftsrechts (lex causae) anzusiedeln. § 627 N.Y.B.C.L. gilt, wenn New Yorker Recht Gesellschaftsstatut ist ohne Rück­ sicht darauf, ob der Rechtsstreit vor einem New Yorker Gericht zu verhan­ deln ist. Die security for expenses ist also nicht Bestandteil der lex fori137. Ist die Stellung einer Sicherheit angeordnet, so tritt das Gericht erst in die Sachprüfung ein, nachdem der Kläger geleistet hat. Andernfalls erfolgt die Abweisung der Klage, die aber die Entscheidung über den materiellen An­ spruch nicht präjudiziert. Eine erneute Klage bliebe daher zulässig. In denjenigen Staaten, die zur Bekämpfung von rechtsmißbräuchlichen Klagen eine security for expenses eingeführt haben, achten die Gerichte bei der Bemessung der Sicherheit darauf, daß keine unüberwindlichen Barrieren aufgerichtet werden. Das Prozeßgericht hat die Zuständigkeit für die Be­ stimmung der Höhe und der Art der Sicherheit138. Die Sicherheit steht außerdem unter der fortwährenden Angemessenheitskontrolle des Gerichts, womit veränderten Umständen Rechnung getragen wird. Verliert die ge­ stellte Sicherheit an Wert, so ist zusätzliche Sicherheit zu leisten. Umgekehrt kann das Gericht einen Teil der Sicherheit freigeben. Hat der Gesellschafter der Gesellschaft seine Aktien zur Sicherheit verpfändet, so bewirkt dies keine Verfügungsbeschränkung. Er dürfte gleichwohl alle Aktien bis auf eine veräußern und der Corporation auf andere Art Sicherheit leisten. Verlieren die verpfändeten Aktien während des Prozesses an Wert, so muß allerdings keine zusätzliche Sicherheit gestellt werden139.

c) Das zum Teil erhebliche Gefälle bei den security for expenses Statutes der Einzelstaaten hat verständlicherweise bewirkt, daß der Kläger seine Klage dort anhängig zu machen versucht, wo er möglichst keine Sicherheit leisten muß. Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, daß viele gesell­ 136 Sorin v. Shahmoon Industries, Inc., 220 N.Y.S.2d 760, 786 (1961).

137Fielding v. Allen, 181 F.2d 163 (2d Cir. 1950), cert.den. 340 U.S. 817 (1950). ^Chambliss v. Coca-Cola Bottling Co., 414 F.2d 256 (6th Cir. 1969). In New York liegt die Mindestsicherheit zwischen 10.000 und 30.000 Dollar. 139Amdur v. Meyer, 233 N.Y.S.2d 15 (1962), aff'd 237 N.Y.S.2d 352 (App.Div. 1963), aff’d 196 N.E.2d 63 (N.Y. 1963).

schaftsrechtliche Streitigkeiten, trotz der Anwendbarkeit einzelstaatlichen Rechts, vor den federal courts ausgetragen wurden. Prozeßstrategisch ver­ sucht man, die Zuständigkeit der Bundesgerichte notfalls selbst künstlich zu begründen (sog. forum shopping); denn im Verfahren vor den federal courts muß der Kläger bei der derivative suit keine Sicherheit leisten. Es muß je­ doch sorgfältig unterschieden werden, wodurch der Rechtsweg zu den Bun­ desgerichten eröffnet ist140. Bei einer Zuständigkeitsbegründung aufgrund federal question steht sich der Kläger besser als wenn sich die Rechtswegzu­ ständigkeit auf eine Wohnsitzverschiedenheit der Parteien gründet. Gerade die Zuständigkeit der Bundesgerichte durch federal question ist gemeinsam mit der Figur der pendent jurisdiction141 zu einem erlaubten Instrument des forum shopping geworden. Ein komplexerer Streitgegenstand kann danach insgesamt von einem Bundesgericht abgeurteilt werden, wenn er nur eine dem Bundesrecht zugehörige Anspruchsgrundlage zum Gegenstand hat. Häu­ fig konkurrieren mit zum Gesellschaftsrecht der Einzelstaaten gehörigen An­ sprüchen solche aus dem Kartellrecht oder dem Recht der securities regula­ tion, die zum Bundesrecht zählen. Das Privileg der pendent jurisdiction er­ laubt, daß der Kläger seine nach Einzelstaatsrecht zu beurteilenden An­ spruchsgrundlagen mit den nach Bundesrecht bestehenden kombinieren kann. Weist der Streitgegenstand einen Berührungspunkt mit dem Bundesrecht auf, so muß der Kläger keine Sicherheit leisten, selbst wenn für den gesellschafts­ rechtlichen Anspruch, der in derivative suit verfolgt wird, das einzelstaat­ liche Recht eine Sicherheitsleistung verlangt. Bundesrecht geht hier vor Lan­ desrecht142. Ist die Zuständigkeit der federal courts hingegen auf Wohnsitz­ verschiedenheit gestützt, so verbleibt es nach der Erie-Doktrin auch vor den Bundesgerichten bei der vom einzelstaatlichen Gesellschaftsrecht angeordne­ ten Sicherheitsleistung nach den allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsät­ zen143: Die Sicherheitsleistung ist Bestandteil des zu verfolgenden An­ spruchs, der selbst bei einer Geltendmachung vor den federal courts seinen Charakter als einzelstaatliches Recht beibehält144.

III. Die rechtspolitische Bewertung der derivative action Obwohl die shareholder's derivative action zum gesicherten Bestand des amerikanischen Gesellschaftsrechts zählt, darf nicht verschwiegen werden, 140Vgl. 28 U.S.C. §§ 1331, 1332.

141 Hierzu jetzt 28 U.S.C. 1367. ^Fielding v. Allen, 181 F.2d 163 (2d Cir. 1950), cert.den. 340 U.S. 817 (1950). 143Cohen v. Beneficial IndustrialLoan Corp., 337 U.S. 541, 69 S.Ct. 1221 (1949). 144Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64, 58 S.Ct. 817 (1938).

daß sie den Gegenstand beständiger Kritik bildet. Dennoch ist die Rechtspre­ chung nicht schwankend geworden und hat allen Versuchen, das Klagerecht durch verfahrensmäßige Beschränkungen auszuhöhlen, widerstanden145. Diskussionsverlauf und Argumentation ähneln der Auseinandersetzung um die rechtsmißbräuchlichen Anfechtungsklagen im deutschen Aktienrecht. Die Skepsis gegenüber der derivative suit war im amerikanischen Recht bei den­ jenigen groß, die die außerrechtlichen Kontrollmechanismen - etwa den Kapitalmarkt oder den Markt für Managementserviceleistungen - gegenüber den subjektiven Rechten der Mitglieder stärker gewichten wollen. Die Kritik an der derivative suit setzt bei den Eigentümerbefugnissen und bei der Be­ stimmungsmacht in der Corporation an, deren verbandsrechtliche Quintessenz das Mehrheitsprinzip ist. Die Skeptiker argumentieren wie folgt: Die Majo­ rität muß die letzte Bestimmungsgewalt haben, denn sie handelt im Einklang mit dem Verbandswohl, was der Minderheit ebenfalls zugute kommt, da die Mehrheit kein Interesse haben kann, das Investment der Minderheit schlech­ ter zu verwalten als das eigene. Das Entscheidungsvorrecht der Mehrheit darf nicht auf verfahrensrechtlichem Wege durch die derivative suit, die typischerweise Minderheitenrechtsbehelf aus dem Recht der Gesellschaft ist, preisgegeben werden. Im übrigen beseitigt die derivative suit die Vorzüge des zentralisierten Managements, das als Erfolgsrezept der Corporation gilt. Diese Argumentation ist aus dem deutschen Aktienrecht hinlänglich be­ kannt - vor allem aus dem Recht der verbundenen Unternehmen. Sie basiert wesentlich auf der Annahme gleichgerichteter Interessen der Aktionäre, die allenfalls auf die unverbundene AG zutreffen mag. Die deutsche Rechtspre­ chung hat sich offen dazu bekannt, dem herrschenden Unternehmen bzw. dem Konzemaktionär eine besondere Entscheidungsprärogative einzuräu­ men146. Vergessen werden darüber jene frühkapitalistischen Machtmißbräu­ che in der Publikumskorporation, die gerade auf eine unreflektierte Verab­ solutierung des Mehrheitsprinzips zurückzuführen waren147. Die gegen die derivative suit vorgetragene Kritik148 basiert zum Teil schon auf falschen

145Vgl. Kamen v. Kemper Financial Services, Inc., 500 U.S. 90, 111 S.Ct. 1711 (1991). 146BVerfGE 14, 263 (283) - "Feldmühle". 147 Für das deutsche Recht siehe die besonders zugespitze Formulierung des Mehrheits­ prinzips durch RGZ 68, 235 (245/6) - "Hibernia” mit Anm. Bondi DJZ 1908, 1006. Die amerikanischen Obergerichte sind - soweit ersichtlich - nie so weit gegangen. 148Für viele aus der ökonomischen Rechtsschule Anderson, Conflicts of Interest: Effi­ ciency, Fairness and Corporate Structure, 25 U.C.L.A.L.Rev. 738 (1978); Fischel/Bradley, The Role of Liability Rules and the Derivative Suit in Corporate Law: A Theoretical and Empirical Analysis, 71 Cornell L.Rev. 261 (1986).

Prämissen149. Man sagt, daß es ausreiche, die Verwaltung durch ein Votum der Aktionäre auszuwechseln. Indes bleibt die Abwahl der Mehrheit Vorbe­ halten. Die Mißstände, die die derivative suit bekämpfen soll, lassen sich nur wirksam abstellen, wenn die nötigen Instrumente von der Mehrheitsherr­ schaft unabhängig sind und wenn die amtierende Verwaltung keinen ent­ scheidenden Einfluß auf die Beendigung einer Klage zu nehmen vermag. Die derivative suit ist weder nach ihrer Herkunft noch nach ihrer Funktion ein reiner Minderheitenrechtsbehelf. In vielen Bundesstaaten besitzen neben den klagebefugten Gesellschaftern die Gesellschaftsgläubiger oder (ehemalige oder amtierende) Verwaltungsmitglieder die Klagebefugnis150. Bereits im Ansatz verfehlt erscheint eine Evaluation der derivative suit nach ökono­ mischen Effizienzkriterien, weil die Klage der Verwaltung in den Arm falle und Ressourcen der Gesellschaft außerhalb des operativen Geschäftsbetriebs binde. Aufgabe der derivative suit ist nicht die Wohlfahrtsmehrung der Ge­ sellschaft bzw. der Mehrheit oder die Steigerung der Effizienz des Manage­ ments. Vielmehr ist ihr Anliegen die Erzwingung der Verwaltung der Corpo­ ration im Einklang mit Gesetz und Satzung. Der shareholder hat vermöge seiner Mitgliedschaft in der Corporation einen subjektiven Anspruch darauf, daß die Verwaltung ordnungsgemäß und mit Sorgfalt geführt wird, d.h. sich insbesondere nicht außerhalb ihrer gesetzlichen und statutarischen Befugnisse (ultra vires) bewegt oder sich gegen die Interessen der Corporation richtet151. Diese Aussage deckt sich mit dem vom Reichsoberhandelsgericht aufgestell­ ten Grundsatz, wonach jeder Aktionär kraft seiner Mitgliedschaft und um der Gesellschaft willen ein Recht darauf hat, daß sich die Verbandsgewalt nur nach Maßgabe des Gesetzes und der Satzung zu betätigen habe152. Nach amerikanischem Verständnis richtet sich der besagte Anspruch in erster Linie gegen den board of directors und überdies gegen die Aktionärsmehrheit, so­ fern diese tatsächlich Verwaltungsbefugnisse in der Corporation wahrnimmt. In Verfolgung dieses Anspruchs hat der Gesellschafter eine quasi-organ­ schaftliche Stellung inne. Der Beurteilungsmaßstab ist ein rechtlicher und kein ökonomischer. Die von den Kritikern der derivative suit in den Vorder­ grund gerückten Punkte wie das opportunistische Verhalten des Klägers beim 149 Zurückgegriffen wird dabei noch immer auf den bekannten WooD-Report aus dem Jahre 1944. Aktuelleres Tatsachenmaterial findet sich bei Garth/Nagel/Plager, Empirical Research and the Shareholder Derivative Suit: Toward a Better-Informed Debate, 48/3 Law & Contemp. Probs. 137, 144 ff. (1985). 150So etwa in New York nach §§ 720, 721 N.Y.B.C.L. 151Dodge v. Woolsey, 1 U.S. 284, 291 ff. (18 Howard 331), 15 L.Ed. 401 (1855); SCHMEY, Aktie und Aktionär im Recht der Vereinigten Staaten, 1930, S. 431 ff. (434/5). 152Vgl. ROHG 20.10.1877, ROHGE 23, 273 (275); 9.9.1879, ROHGE 25, 307 (310); für die Schweiz siehe Bundesgericht 19.10.1894, BGE 20, 940 (947).

Auskauf seines Klagerechts oder das Profitstreben des klägerischen Anwalts sprechen nicht entscheidend gegen die Existenzberechtigung der derivative suit oder für eine Begrenzung der Klagebefugnis. Ohne die derivative suit bleiben die durch das fiduciary principle fein gesponnenen Verhaltenspflich­ ten in der Corporation letztlich wertlos. Allfälligen Mißbräuchen des Klage­ rechts ist durch geeignete, das Verfahren betreffende Kautelen zu begegnen. Im übrigen lehrt die Erfahrung, daß die derivative suit schon präventiv durch ihre bloße Existenz wirkt. Wer mit den Befürwortern der derivative suit153 die Schlagkraft des Rechtsbehelfs erhalten oder erhöhen will, muß Barrieren abzubauen bereit sein. Damit ist die Regelung der security for expenses auf den Prüfstand zu stellen und zwar nach Art und Inhalt. Denn es existiert kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen der Anteilsbesitzhöhe und einer Mißbrauchsab­ sicht. Unbefriedigend ist ferner die Einflußnahme der litigation committees auf die Prozeßführung, namentlich ihr Entscheidungsrecht, die derivative suit zu beenden, sofern eine Rechtsverfolgung ex ante als zwecklos er­ scheint. Diese auf den ersten Blick rein prozedurale Fragestellung mündet in den größeren Kontext der Harmonisierung von Gesellschafterrechten mit dem business judgment der Verwaltung ein. Eine Standortbestimmung ist um so dringlicher, je stärker man die derivative suit als ein Instrument der public interest litigation oder zur Erzwingung der corporate social responsibility dienstbar machen will. Die Potentiale hierfür trägt der Rechtsbehelf jeden­ falls in sich.

153Siehe nur Buxbaum, Conflict-of-Interests Statutes and the Need for a Demand on Di­ rectors in Derivative Actions, 68 Calif.L.Rev. 1122 (1980); Dent, The Power of Directors to Terminate Shareholder Litigation: The Death of the Derivative Suit?, 75 Nw.U. L.Rev. 96 (1980); prinzipiell aufgeschlossen gegenüber dem Konzept einer privaten Rechtsdurchset­ zung auch American Law Institute, Principals of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Band 2, 1994, S. 4 ff.

§ 8 Die Begründetheit der derivative suit Die derivative suit ist begründet, wenn der zu realisierende Anspruch ge­ gen den Schuldner der Corporation - also den materiell Beklagten — besteht und die Gesellschaftsorgane bei pflichtgemäßer Amtsführung diesen An­ spruch der Gesellschaft hätten geltend machen müssen. In dieser Formel scheint wiederum die Grundkonzeption der derivative suit durch: Gesellschaftsintem geht es um die Klageerzwingung und im Außenverhältnis zum Beklagten handelt es sich um ein Instrument zur Verwirklichung von subjek­ tiven Rechten der Gesellschaft. Prozeßrechtlich liegt ein Verbundverfahren vor, das diese beiden Streitebenen zusammenfaßt. Das ergehende Urteil ent­ hält eine Aussage darüber, ob der Anspruch geltend zu machen war und ob der Beklagte leistungspflichtig ist1. Der zu verfolgende Anspruch bzw. das zu realisierende Recht der Gesell­ schaft muß diese nicht wirtschaftlich reicher machen. Im Gegenteil ist die derivative suit nicht etwa abzuweisen, wenn die Gesellschaft z.B. fremde Regierungsstellen bestochen hat, um einen lukrativen Auftrag zu bekom­ men2. Auch im amerikanischen Recht ist die Verwaltung an Recht und Ge­ setz gebunden. Selbst wenn die Handlung der Gesellschaft bilanzielle Vor­ teile bringt, kann sie bekämpft werden. Diese zivilrechtliche Einordnung ist unabhängig davon, daß das Steuerrecht solche umsatzfördemden Beste­ chungsgelder als "nützliche Betriebsausgaben" anerkannt und für absetzbar erklärt. Bei Verletzungen der Antitrust-Gesetze vertreten die Gerichte ein­ hellig, daß jeder Gesellschafter mit der derivative suit gegen solche Verstöße vorgehen darf, selbst wenn eine wettbewerbsbeschränkende Abrede für die Gesellschaft Vorteile hätte. Einem Vorteil stehen nämlich gravierende Nachteile in Form von Schädigungen des Image oder Verhängung empfind­ licher Kriminalsanktionen gegenüber. Dies zeigt, wie nah bei der derivative 1 Einen gedrängten Überblick über den Anwendungsbereich der derivative suit gibt Fuchs, Aktionär und Kontrolle, 1981, S. 94 ff. 2 Dezidiert anderer Ansicht Gall v. Exxon Corp., 418 F.Supp. 508 (S.D.N.Y. 1976); Rosengarten v. Intern. Tel. & Tel. Corp., 466 F.Supp. 817 (S.D.N.Y. 1979). Richtig dage­ gen zum Kontrast RGZ 40, 33 (35): "Aber was Statuten- und gesetzwidrig ist, wird dadurch nicht zulässig, daß es nützlich und sittlich oder sozial geboten ist." Zum Ganzen mit ein­ gehenden Nachweisen Clark, Corporate Law, Boston/Toronto 1986, S. 130 ff. unter Hin­ weis auf den Foreign Corrupt Practices Act von 1977 (15 U.S.C. §§ 78m(b)(2)-78m(b)(3), 78dd-l, 78dd-2, 78ff, der allerdings noch zu grobmaschig ist, um die derivative suit insge­ samt verdrängen zu können. Das Ergebnis von Gall v. Exxon ist überdies sehr kurzsichtig: weil Korruption und organi­ siertes Verbrechen international operieren, müssen sie ebenso bekämpft werden. Wenn ame­ rikanische Gerichte die Bestechung italienischer Regierungsstellen sanktioslos lassen, wer­ den sich italienische Gerichte im umgekehrten Fall wohl genauso verhalten. Die Folge wird sein, daß sich am Ende kein Land mehr wirksam der Korruption erwehren kann.

suit die Rechtsdurchsetzung im privaten und im öffentlichen Interesse beiein­ ander liegen.

I. Gestaltungsrechte, Einwendungen und Verteidigungsrechte Das der derivative suit eigene gestufte Prozeßrechtsverhältnis darf dem neben der Gesellschaft Beklagten nicht zum Nachteil gereichen. Dieser steht sich im Verhältnis zur Gesellschaft und zum Gesellschafter-Kläger grund­ sätzlich so, als ob der Anspruch nur durch die Gesellschaft erhoben worden wäre3. Auf gedanklich erster Stufe ist die Shareholders’ derivative suit ein Verbandsinnenstreitverfahren hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit einer Geschäftsfuhrungsmaßnahme in Gestalt der Nichtgeltendmachung einer Forde­ rung. Dies darf den materiell Beklagten in seiner rechtlichen Verteidigung jedoch nicht schlechter stellen als bei Prozeßführung durch die Gesellschaft selbst4. Tatsächlich erfährt der Gesellschaftsschuldner, wenn der Anspruch gegen ihn in derivative suit verfolgt wird, sogar eine Besserstellung. Zu denjenigen Verteidigungsmitteln, die ihm gegen den eingeklagten Anspruch selbst zustehen, findet er ferner mit Argumenten Gehör, die die verbandsin­ nenrechtliche Komponente der Einzelklage betreffen. In der derivative suit kann der materiell Beklagte alle Verteidigungsrechte vorbringen, die ihm selbst gegen den Anspruch zustehen sowie diejenigen, die die ebenfalls be­ klagte Gesellschaft vorzubringen vermag. Insbesondere darf sich der Be­ klagte damit verteidigen, daß der Klage des Gesellschafters prozeßhindernde Einwendungen seitens der Gesellschaft entgegenstehen. So kann der Beklagte mit Erfolg einwenden, daß der Gesellschafterkläger keinen demand on the board unternommen oder keine Prozeßkostensicherheit geleistet hat5. Der Beklagte kann diese Einwendungen erheben, wiewohl sie eigentlich die Rechtssphäre der Corporation betreffen, weil er mit dieser in Streitgenossen­ schaft auf der Passivseite verbunden ist. Grundsätzlich ist jeder Streitgenosse befugt, die Verteidigungsmittel vorzubringen, die zum Prozeßerfolg der ge­ samten Streitgenossenschaft führen.

3 Liman v. Midland Bank Ltd., 309 F.Supp. 163 (S.D.N.Y. 1970). 4 Dies zeigt sich deutlich beim Rechtskraftkonzept der derivative suit. Hierzu unten § 9

II. Eingehend zu den statthaften Verteidigungsmitteln des materiell Beklagten 12B Flet­ Cyclopedia of the Law of Private Corporations, §§ 5859-5889 (1993). Die Frage, ob der Beklagte die Verteidigungsrechte der Corporation einredeweise geltend machen kann, gewinnt praktische Bedeutung, wenn die Gesellschaft während des gesamten Verfahrens säumig ist.

5

cher,

Dem beklagten Schuldner der Corporation stehen daneben sämtliche mate­ riellrechtlichen Verteidigungsrechte zur Verfügung, mit denen er den gegen ihn erhobenen Anspruch abwehren kann. Hierzu zählt etwa der Einwand, daß der behauptete vertragliche Anspruch der Corporation nicht zusteht, weil der Vertrag nicht formgültig zustande gekommen, oder der Einwand, daß der Anspruch verjährt ist6. Im übrigen kann der Beklagte vorbringen, daß der Anspruch aus gesellschaftsintemen Gründen entweder nicht besteht oder vom Kläger nicht geltend gemacht werden darf. Dies gilt insbesondere für Schadensersatzforderungen, wenn die Anteilseignerversammlung wirksam auf den Anspruch verzichtet oder die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung gebilligt hat. Schließlich findet der Beklagte mit dem Einwand Gehör, daß der Anspruch in concreto nicht geltend gemacht werden kann, weil die Verwaltung oder ein litigation committee die Prozeßführung in Ausübung ihres business judgment rechtsfehlerfrei abgelehnt haben. Der Be­ klagte kann ferner mit einem ihm zustehenden Anspruch gegen die Corpora­ tion die Aufrechnung (setoff) erklären und die Klageforderung so ganz oder teilweise zum Erlöschen bringen. Die dafür nötige Gegenseitigkeit der For­ derungen ist gewahrt. Denn obwohl die Corporation und der in der Hauptsa­ che Beklagte im prozeßrechtlichen Sinne eine Streitgenossenschaft bilden, ist gegen den Beklagten doch eine Forderung der Gesellschaft gerichtet. Dies begründet die erforderliche Gegenseitigkeit der Forderungen. Für die Pro­ zeßaufrechnung im Rahmen einer derivative suit zählt nur das materiell­ rechtliche Gegenseitigkeitsverhältnis. Kein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht indes für Ansprüche der Corporation, mit der sie gegenüber dem Kläger auf­ rechnen will. Das Gesagte gilt entsprechend für eine Widerklage (counterclaim). Beide müssen einen hinreichend konnexen Bezug zum streit­ gegenständlichen Recht der Corporation aufweisen7. Die Diskrepanz in der Rollenverteilung bei der derivative suit nach mate­ riellem und Verfahrensrecht zwingt zu einer sorgfältigen Prüfung, wer be­ 6 Der mit der derivative suit zu verfolgende Anspruch unterliegt der Verjährung nach den allgemeinen Regeln. Die Verjährung ist im amerikanischen Recht ein Institut des Zivil­ prozeßrechts, nicht des materiellen Rechts. Die Verjährung (Statute of limitation) ist eine affirmative defense, d.h., sie wird wie nach § 222 BGB vom Gericht nicht von Amts wegen, sondern nur auf entsprechenden Vortrag durch die Parteien beachtet. Die Verjährung ist nicht einheitlich für die derivative suit als solche zu bestimmen, sondern immer gesondert für jeden Anspruch. In New York sind in diesem Zusammenhang CPLR § 213 Nr. 7 und 8 zu berücksichtigen. Für die unter Nr. 7 subsumierbaren Ansprüche - diese sind teilweise identisch mit den Ansprüchen, die die Klagen nach §§ 626, 720(b) N.Y.B.C.L. zum Gegen­ stand haben - beträgt die Verjährungsfrist sechs Jahre. Waren die Schädigung und die Ent­ stehung des Anspruchs nicht erkennbar, so hängt der Lauf der Verjährung von der Ent­ deckung ab, CPLR § 213 Nr. 8. 7 Zu Aufrechnung und Widerklage siehe 9 Fletcher, Cyclopedia of the Law of Pri­ vate Corporations, §§ 4291-4296 (1991).

fugt ist, welche Art von Einwendungen geltend zu machen sind. Neben der Klagebefugnis ist eine sorgsame Prüfung der Einredebefugnis vorzuneh­ men8. Die Gesellschaft befindet sich aus prozessualen Gründen als unver­ zichtbare Partei auf der Passivseite. Tatsächlich ist sie ein zur Klageerhebung gezwungener Kläger, repräsentiert durch den shareholder. Dies hat Auswir­ kungen auf ihre Einredebefugnis. In einer derivative suit gegen ein Mitglied ihrer Verwaltung wegen Schadensersatz kann die Corporation nicht mit dem Einwand gehört werden, daß dieser Anspruch in Wahrheit verjährt sei9. In­ soweit spricht der Gesellschafterkläger für die Gesellschaft. Die Verjäh­ rungseinrede muß vom beklagten Verwaltungsmitglied in den Prozeß einge­ führt werden10, oder er muß sich eine von der Corporation vorgebrachte Ein­ rede in dieser Richtung wenigstens hilfweise zu eigen machen. Für die Ein­ redebefugnis ist daher stets zu prüfen, für wen ein bestimmtes Gegenrecht Schutzwirkung entfalten soll. Für den Beklagten sind dies grundsätzlich alle Einwendungen gegen die Zulässigkeit sowie gegen die Begründetheit der Klage. Obwohl das demand on the board-Erfordemis innergesellschaftlich den Zweck zu erfüllen hat, das Leitungsermessen der Verwaltung aufrecht zu erhalten, kann der materiell Beklagte Fehler im vom Kläger durch­ zuführenden Vorverfahren rügen, weil dieses Vorverfahren Prozeßvor­ aussetzung ist und der Beklagte selbstverständlich sowohl die fehlende Zulässigkeit wie die fehlende Begründetheit der Klage rügen darf11. Bei den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Vorverfahrens oder der Prozeßkosten­ sicherheit ist zu beachten, daß diese zwar innerverbandlichen Erfordernissen Rechnung tragen, vom Prozeßrecht jedoch zu echten Verfahrens Voraus­ setzungen erhoben sind. Da die derivative suit aus der equity jurisprudence hervorgegangen ist, finden bei ihr alle Einwendungen Beachtung, die in equity-Verfahren über­ haupt statthaft sind12. Die durchaus herrschende Ansicht vertritt so den Standpunkt, daß der materiell Beklagte dem gegen ihn gerichteten Anspruch 8 Dazu eingehend Note, Defenses in Shareholders’ Derivative Suits — Who May Raise Them, 66 Harv.L.Rev. 342 (1952). 9 Zweifelnd Godley v. Crandall & Godley Co., 168 N.Y.S. 251 (App.Div. 1917), aff’d 126 N.E. 908 (N.Y. 1920). Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Gesellschaft teilweise auch die materielle Beklagte ist. Dann kann sie peremptorische Verteidigungsrechte vorbringen, die zur Abweisung der Klage geeignet sind. 10 Die Einrede der Verjährung muß im amerikanischen Zivilprozeß vom Beklagten be­ reits in einem sehr frühen Verfahrensstadium vorgebracht werden, vgl. New York CPLR § 321 l(a) Nr. 5. Geschieht dies nicht, so geht die Einrede mit Wirkung für diese und alle folgenden Instanzen verloren. 11 HENN/ALEXANDER, Corporations, 3. Aufl. 1983, § 370 (S. 1085) mit Nachweisen; Note (wie FN 8), S. 346/347. 12 Diese equitable defenses sind laches (Verfristung), equitable estoppel (Verwirkung), unclean hands und in pari delicto.

der Gesellschaft mit Erfolg entgegenhalten kann, daß der Gesellschafter-Klä­ ger in die der Klage zugrundeliegenden Vorfälle verwickelt war oder sie ge­ billigt hat und in diesem Sinne "unclean hands" hat. Das Stigma solcher Vorkommnisse ist indes nicht rein persönlicher Natur. Es erfaßt vielmehr die Aktien des Betroffenen (tainted stock), so daß selbst ein gutgläubiger Erwer­ ber oder Rechtsnachfolger bei Maßgeblichkeit dieser Auffassung für eine de­ rivative suit disqualifiziert ist. Zu unterscheiden ist zwischen einer personenund einer anspruchsbezogenen Herkunft solcher Einwendungen. Der skizzierten Ansicht ist in dieser Allgemeinheit daher nicht zu folgen. Wenn der Kläger im Verhältnis zur Corporation unclean hands hat oder sich in pari delicto befindet, so mag ihn dies von einer persönlichen Rechtsver­ folgung zu seinen Gunsten ausschließen, etwa derart, daß er bei der Vertei­ lung der Urteilssumme unter die Gesellschafter unberücksichtigt bleibt. Trotz möglicher unclean hands im Verhältnis zur Gesellschaft ist nicht zu übersehen, daß der Gesellschafter bei der derivative suit eine dienende und fremdnützige Funktion übernimmt. Wäre andererseits der board of directors in die Vorfälle verstrickt und würde er die Corporation vertreten, so hätte dies auch keinen Einfluß auf die Rechtsdurchsetzung der Corporation gegenüber ihrem Schuldner13. Der Gesellschafter hat aber bei der derivative suit trotz der eigentümlichen Parteirollenverteilung keine grundsätzlich von der Stellung des board in gewöhnlichen Aktivprozessen der Corporation verschiedene Position. Über dem eher vordergründigen Einwand der unclean hands des Gesellschafters sollte daher die besondere Kontroll- und Schutzfunktion der derivative suit nicht außer Blick geraten. Aus der Sicht der Sorge für das Gesellschaftsvermögen und damit auch für die Gesellschaftsgläubiger ist ein verstrickter oder befangener Vertreter immer noch besser als überhaupt keiner. Die angesprochene Situation gehört daher zu denen, wo dem Beklagten die Einrede der unclean hands des Gesellschafter-Klägers zu versagen ist; denn es dient gerade nicht der Verwirklichung von equity, den Schädiger nicht zur Rechenschaft zu ziehen, weil der Vertreter des Geschädigten an der Schädigung beteiligt ist.

II. Verurteilung und Einziehungsbefugnis Die derivative suit verfolgt einen der Gesellschaft zustehenden Anspruch. Daraus folgt, daß sie und nicht der Kläger der Nutznießer des diesen An­ spruch titulierenden Urteils ist.

13 Richtig daher Kullgren v. Navy Gas & Supply Co., 149 P.2d 653 (Colo. 1944). Die Entscheidung ist allerdings nicht in allen Staaten als Präjudiz anerkannt.

1. Allgemeine Kennzeichnung der Berechtigungsstruktur

Die durch eine erfolgreiche derivative suit zugesprochene Urteilssumme gehört gleich dem zugrundeliegenden Anspruch zum gebundenen Gesell­ schaftsvermögen. Der Gesellschafter-Kläger ist hieran nur über seine Mit­ gliedschaft in der Corporation beteiligt. Er kann daher nicht den seiner ide­ ellen Beteiligung entsprechenden Anteil der Leistung des Schuldners verlan­ gen oder gleich einbehalten. Diese Zuordnung des Prozeßerlöses (recovery) zum Gesellschaftsvermögen ist keine Formalität, sondern hat in der Korpo­ rationsverfassung wurzelnde Ursachen14. Es geht namentlich um den Schutz des Gesellschaftsvermögens. Es bindet die der Gesellschaft gebührenden Rechte, Ansprüche und Erwerbschancen (corporate opportunities) an diese. Am Gesellschaftsvermögen haben verschiedene Personengruppen mit zum Teil entgegengesetzten Interessen eine Mitberechtigung. Deshalb ist es im Normalfall sachgerecht, die recovery bei der derivative suit durch das Ge­ sellschaftsvermögen laufen zu lassen und damit die jeweiligen Berechti­ gungen der genannten Personengruppen mit Bezug auf das Gesellschaftsver­ mögen auf den Urteilserlös zu erstrecken. Eine Abrechnung über das Ver­ mögen der Corporation als Streitvermögen15 gewährleistet den angemessenen Ausgleich dieser kollidierenden Berechtigungen. Die Gesellschaftsgläubiger sind vor den Gesellschaftern zu befriedigen. Jede Mehrung des Gesell­ schaftsvermögens macht ebenso die Gesellschaftsgläubiger reicher16. Schließlich ist diese Entscheidung im Zusammenhang mit dem Steuerrecht zu sehen. Eine direkte Auskehrung der Urteilssumme pro rata an die Gesell­ schafter ist einem förmlichen Gewinnverwendungsverfahren vorzubehalten. Das deutsche wie das amerikanische Steuerrecht verlangen bei der Erzielung von Körperschaftseinkommen nach einer Doppelbesteuerung auf Gesell­ schafts- und auf Gesellschafterebene17. Die Doppelbesteuerung setzt eben­

14 "Any recovery inures to the Corporation", Keenan v. Eshleman, 2 A.2d 904 (Del. 1938). 15 Mit "Streitvermögen" ist der Inhaber derjenigen Vermögensmasse gemeint, den die Rechtskraft des Urteils bindet, gegen den sich die Zwangsvollstreckung richtet und der für die Tragung der Prozeßkosten aufzukommen hat, vgl. Jahr, Gedächtnisschrift für Kunkel, 1982, S. 76 mit FN 27. 16 Diesen Zusammenhang betont mit Recht Liken v. Shaffer, 64 F.Supp. 432, 441 (N.D.Iowa 1946). 17 Bei dieser Doppelbesteuerung ist allerdings genau auf die Art der Urteilsleistung zu achten. Nicht jede zugesprochene Urteilssumme ist für die Gesellschaft steuerpflichtiges Einkommen im Sinne von 26 U.S.C. § 61 trotz der weiten Fassung dieser Bestimmung. Von der Einkommensbesteuerung ausgenommen ist etwa eine Schadensersatzforderung wegen ih­ rer kompensatorischen Funktion, vgl. auch 26 U.S.C. § 104. Ein die Einkommensteuer auslösender Tatbestand wäre jedoch die Beitreibung einer Forderung, die der Gesellschaft aus einem Umsatzgeschäft mit einem Dritten zusteht.

falls den Durchgang eines Einkommenspostens durch das Gesellschaftsver­ mögen voraus. Eine vorrangige Vereinnahmung der recovery durch die Gesellschaft ent­ spricht schließlich der gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeitsordnung in der Corporation. Ihre verfassungsmäßig bestellten Vertreter sind befugt, über den Urteilserlös genau wie über jeden anderen Bestandteil des Gesellschaftsver­ mögens zu verfügen. Hierauf ist grundsätzlich ohne Einfluß, daß es die Verwaltung vorher unter Verkennung ihrer Pflichten versäumt hatte, die Forderung der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Mit der Verein­ nahmung des Erlöses durch die Corporation wird die normale Zuständig­ keitsordnung wieder hergestellt, insbesondere das Leitungsrecht der Ver­ waltung. Zugleich zeigt dieses Beispiel besonders anschaulich die hand­ lungsmachtbegrenzende Wirkung des Organisationsstatuts der Corporation. Mit der Befugnis, für die Gesellschaft in derivative suit vorzugehen, erlangt der Gesellschafter-Kläger ein in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht eng begrenztes Notgeschäftsführungsrecht 18, das strikt durch den Auftrag des Gesellschafters begrenzt ist. Er ist fremdnütziger Amtswalter. Kann der Ge­ sellschafter demnach grundsätzlich nicht mehr über die Erlösverwendung entscheiden, so schließt seine Klagebefugnis andererseits mit ein, für die Ge­ sellschaft aus einer titulierten Forderung die Zwangsvollstreckung zu betrei­ ben durch Erteilung eines Vollstreckungsauftrags an das zuständige Voll­ streckungsorgan. Die dem Gesellschafter-Kläger durch die derivative suit an die Hand gegebene Klagebefugnis erstreckt sich also auf das Erkenntnis- wie auf das Vollstreckungsverfahren. Dies folgt wiederum aus dem funktionalen Verständnis der Rolle des Gesellschafters bei der derivative suit. Der Auf­ trag des Gesellschafters als Ersatzvertreter ist dahin umschrieben, die Gesell­ schaft in den Genuß ihres Rechtes zu bringen. Dies geschieht tatsächlich durch die Erzwingung der Leistung des Gesellschaftsschuldners. Dazu ist aber das Erkenntnisverfahren nur die Vorstufe. Die Befugnis des Gesell­ schafters ist daher ihrer Natur nach nicht bloß ein erkenntnisverfahrensbezo­ genes Klagerecht. Sie schließt zusätzlich die auf Durchführung der Zwangs­ vollstreckung gerichtete vollständige Beitreibungsbefugnis ein. 2. Arten der recovery

Das der derivative suit stattgebende Urteil muß keineswegs immer auf die Zahlung einer Geldsumme an die Gesellschaft lauten19. Vielmehr sind als 18 Vgl. Bell v. Arnold, 487 P.2d 545 (Colo. 1971); zur theoretischen Fundierung der derivative suit näher 13 Fletcher, Cyclopedia of the Law of Private Corporations, § 5941.10 (1991). 19 Ausführlich Fletcher (vorige FN), §§ 6029-6042.

weitere Urteilsinhalte denkbar: die Verpflichtung zur Übertragung eines Rechtes an die Gesellschaft, die Vornahme oder Unterlassung einer Hand­ lung sowie die Verurteilung zur Herausgabe bestimmter Gegenstände. Die Übertragung eines Rechtes ist geschuldet, wenn sich die Klage gegen die Anmaßung einer der Gesellschaft zustehenden Geschäftschance richtet oder wenn der Handelnde ein Geschäft für eigene Rechnung mit Gesellschafts­ mitteln durchgeführt hat. In diese Fallgruppe gehört ebenfalls die nicht un­ umstrittene Rechtsprechung zur Abführung eines Paketaufschlages oder einer Kontrollprämie an die Gesellschaft. Der Verpflichtete schuldet die Heraus­ gabe des Erlangten20, daneben gegebenfalls Schadensersatz. Eine Verurtei­ lung auf Vornahme oder auf Unterlassung einer Handlung richtet sich typi­ scherweise gegen Verwaltungsmitglieder und zielt auf eine Beeinflussung oder Korrektur von Ermessensentscheidungen. Das Urteil lautet hier auf Vornahme oder Unterlassung21. In der Praxis bieten Klagen mit diesem Rechtsschutzziel die geringsten Erfolgsaussichten, weil Gerichte solchen Klagen traditionell mit Zurückhaltung begegnen, um das business judgment der Verwaltung zu respektieren22. Keine Aussichten haben Klagen, mit denen per Gerichtsbescheid Streitigkeiten um unternehmerische Richtungs­ entscheidungen ausgetragen werden oder eine bestimmte Geschäftspolitik für verbindlich erklärt werden sollen23. Der am häufigsten anzutreffende Inhalt des stattgebenden Urteils ist die Verpflichtung eines Verwaltungsmitglieds oder eines tonangebenden Gesellschafters zur Leistung von Schadensersatz an die Gesellschaft wegen Verletzung ihrer Amts- oder Treupflichten gegen­ über der Gesellschaft. Diese Fallgruppe beschränkt sich jedoch nicht auf Schadensersatz. Ebenso begegnet man Sachverhalten, wo der Gesellschafter einen Schuldner der Gesellschaft im Wege der derivative suit auf Erfüllung an die Gesellschaft in Anspruch nimmt, also im Außenverhältnis Ansprüche 20 Komplizierter liegen die Dinge, wenn mit der derivative suit eine corporate opportunity zum Gesellschaftsvermögen gezogen werden soll. Mit der Klagebefugnis wird festge­ stellt, daß eine bestimmte Geschäftschance der Gesellschaft gebührt, also zu ihrem gebun­ denen Gesellschaftsvermögen zählt. Davon zu unterscheiden ist allerdings die weitere Frage, ob diese Geschäftschance überhaupt von der Gesellschaft wahrzunehmen ist. Hierbei ist zu beachten, daß die Wahrnehmung der corporate opportunity die Gesellschaft zum Berechtig­ ten und Verpflichteten macht, während der Usurpator zum Beauftragten wird und vollen Er­ satz seiner notwendigen Aufwendungen in Verfolgung und Entwicklung der Erwerbschance verlangen darf. Über diesen Aspekt wird mit der Zubilligung der Klagebefugnis aber noch nicht automatisch entschieden. Hierzu bedarf es einer gesonderten Entscheidung im Rahmen des Leitungsermessens der Verwaltung. Dazu noch näher unter § 11. 21 Etwa die Kassierung von Übernahmeabwehrmaßnahmen der Verwaltung (sog. poison pills), um sich im Amt zu halten. Hierzu noch unten § 11 III. 22 So bei der Verurteilung zur Erklärung und Ausschüttung einer höheren Dividende Dodge v. Ford Motor Co., 170 N.W. 668, 3 A.L.R. 413 (Mich. 1919) mit Anm. 3 A.L.R. 443. 23 Siehe den Schulfall Shlensky v. Wrigley, 237 N.E.2d 776 (111. 1968).

für die Corporation verfolgt, weil dem Rechtsbehelf eine aktionenrechtliche Verengung auf bestimmte Anspruchsinhalte fremd ist.

3. Statthaftigkeit einer direkten Leistung an die Gesellschafter (individual pro rata recovery)

Wenn oben ausgeführt wurde, daß die Korporationsverfassung gebietet, daß die Früchte der Prozeßführung zunächst grundsätzlich durch das Gesell­ schaftsvermögen zu vereinnahmen sind, so kennt dieser Grundsatz doch Ausnahmen. Die Rechtsprechung hat eng umgrenzte Ausnahmebereiche vom Prinzip der vorrangigen Vereinnahmungsbefugnis der Gesellschaft definiert. Hier ist der Kläger bei der derivative suit berechtigt, zur Leistung unmittel­ bar an sich und die Mitgesellschafter pro rata ihrer jeweiligen Beteiligungs­ höhe aus dem Recht der Corporation zu klagen. Neben den Bedenken mit Blick auf die Verbandsorganisation und die Wahrung ihrer Kompetenzord­ nung kann diese individual recovery zu erheblichen Durchfuhrungsproblemen führen, wenn die Urteilssumme unter eine Vielzahl weitverstreuter Pu­ blikumsaktionäre zu verteilen ist. Die Kosten hierfür sind erheblich, und es mag den Schuldner der Gesellschaft nicht einmal eine Pflicht treffen, sie zu tragen. Aus allen diesen Gründen ist eine direkte pro rata-Leistung des Schuldners nur in drei Fallgruppen zulässig, die keine erweiternde Interpre­ tation vertragen24: (1) Die Gesellschaft befindet sich in der Gewalt derjeni­ gen Personen, die durch ihr Verhalten einen hauptursächlichen Beitrag für die der Klage zugrundeliegenden Vorkommnisse geleistet haben, so daß eine ErlösVereinnahmung durch die Gesellschaft mit sehr großer Wahrscheinlich­ keit der gesetzestreuen Minderheit nicht zugute kommen kann, weil die Mehrheit eine entsprechende Dividendenausschüttung zu verhindern suchen wird. (2) Die Gesellschaft befindet sich bereits im Stadium der Liquidation, und die Gesellschaftsverbindlichkeiten sind insoweit beglichen, daß ohnehin nur noch das Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter auszukehren ist. Hier käme es einem sinnlosen Formalismus gleich, wollte man zunächst noch auf eine Auszahlung an die Gesellschaft in Liquidation bestehen, um die Urteilssumme dann noch von hier aus unter die Gesellschafter zu vertei­ len25. Keiner der Gründe, die sonst den Durchlauf durch das Gesellschafts­ vermögen rechtfertigen - insbesondere der Gläubigerschutz -, besitzt hier noch Gültigkeit. (3) Die recovery durch die Gesellschaft würde zur Begün­ stigung von Personen führen, die nach Sinn und Zweck der derivative suit als equitable remedy keinen Anteil am Urteilserlös haben sollten. Bei dieser 24 Note, Individual Pro Rata Recovery in Harv.L.Rev. 1314 (1956). 25 Bailey v. Jacobs, 189 A. 320 (Pa. 1937).

Stockholders’ Derivative Suits, 69

Fallgruppe steht der Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit im Vorder­ grund. Die geschilderten Fallgruppen (1) und (3) lassen sich ohne weiteres aus der rechtlichen Natur der derivative suit als Produkt der equity-Rechtsprechung erklären. Die derivative suit will das Unrecht klagbar stellen, das Ge­ sellschafter, Verwaltungsmitglieder oder beliebige Dritte der Gesellschaft zugefugt haben, wobei die Schädiger nicht durch die organisationsverfas­ sungsrechtlich bedingte Zuständigkeitsverteilung in der Gesellschaft begün­ stigt werden sollen. Der Umstand, daß das an sich zuständige Vertretungsor­ gan die Geltendmachung unterläßt oder sonstige Trägheitsmomente ein Tätigwerden verhindern, darf den Gesellschaftsschuldner nicht begünstigen. Die individuelle pro rata Leistung an die unbeteiligten Gesellschafter be­ wirkt, daß die an der Schädigung der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter nicht vom Ausgang des Rechtsstreits profitieren26. Von der recovery sollen alle diejenigen ausgeschlossen bleiben, die es nach den Grundsätzen der Bil­ ligkeit nicht verdienen, in den Genuß des Prozeßerlöses zu gelangen. Dies sind insbesondere solche Personen, die während oder nach dem Prozeß die Aktienmehrheit erworben haben. Sie bleiben bei der Verteilung des Urteils­ erlöses unberücksichtigt, weil ihre Beteiligung hieran zu einem unberechtig­ ten windfall profit führt27. Für die individual recovery wird stets gefordert, daß durch sie die Interes­ sen der Gesellschaftsgläubiger nicht beeinträchtigt werden dürfen. Es soll sogar statthaft sein, daß jeder zum Direktempfang seines Urteilsanteils be­ fugte Gesellschafter den Schuldner einzeln und nacheinander in Anspruch nehmen kann. Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen, weil das die Interessen des Schuldners und der Rechtspflege nicht ausreichend wahrt. Die Heranziehung des Schuldners im Wege der derivative suit darf nicht in eine Schikane ausarten. Im Interesse des Schuldners und der Organe der Rechts­ 26 Brov^n v. DeJong, 47 N.E. 863 (111. 1897); Di Tomasso v. Loverro, 293 N.Y.S. 912 (1937), aff'd 12 N.E.2d 601 (N.Y. 1937). 27 Dafür steht bis heute die berühmte Entscheidung Perlman v. Feldmann, 219 F.2d 173, 50 A.L.R.2d 1134 (2d Cir. 1955). Das Ergebnis ist aus vielen Gründen umstritten, insbesondere weil es an einem unerklär­ baren Widerspruch leidet: Die Entscheidung kommt zu dem Ergebnis, daß ein von der Mehrheitsgruppe erzielter Paketzuschlag bei der Veräußerung ihrer Anteile der Gesellschaft insgesamt gebührt. Kontrolle über die Gesellschaft als vermögenswertes Gut gehört danach allen Aktionären. Andererseits gestattet es das Gericht aber, daß die derivative suit von Minderheitsgesellschaftern gegen die ehemaligen Mehrheitsgesellschafter gerichtet wird mit dem Ziel der direkten Zahlung an die Kläger anstatt an die Gesellschaft, der das Recht eigentlich zusteht. Der offensichtliche Zweck der Konstruktion war es, auszuschließen, daß die neue Mehrheitsgruppe ebenfalls von einer Leistung an die Corporation profitiert, indem sie eine ungerechtfertigte Teilreduzierung des vereinbarten Kaufpreises auf diesem Umwege erreicht. Vom Standpunkt dieses durchaus nachvollziehbaren Anliegens wäre es jedoch kon­ sequenter gewesen, eine direct suit zuzulassen.

pflege gilt es zu vermeiden, daß aus einer großen Gruppe von einzeleinzie­ hungsbefugten Gesellschaftern jeder für sich oder mehrere nacheinander den Schuldner auf einen Teilbetrag in Anspruch nehmen. Das prozeßrechtliche Institut des collateral estoppel28 stellt sicher, daß, wenn die haftungsbegrün­ denden Verhältnisse erst einmal dem Grunde und der Höhe nach gegenüber einem Gesellschafter festgestellt sind, dieses Erkenntnis verfahren Musterpro­ zeßcharakter in bezug auf nachfolgende Verfahren - die zwar nicht zwi­ schen den gleichen Parteien geführt werden, jedoch denselben Lebenssach­ verhalt betreffen und dasselbe Rechtsschutzziel verfolgen - besitzt und eine allseits wirkende, rechtskraftähnliche Verfestigung erlangt. Dem Schuldner ist eine erneute Inanspruchnahme lästig und mit Kosten verbunden; sie wi­ derspricht den Anforderungen an eine prozeßökonomische Verfahrensdurch­ führung, die es ausschließt, die Rechtspflege erneut und ohne zwingenden Grund mit derselben Streitsache zu befassen. Aus dieser Erkenntnis sind Konsequenzen für die Zulässigkeit und die Durchführung der individual pro rata recovery zu ziehen. Die Folgerung lautet, daß die Berechtigten ihre Rechtsdurchsetzung, wann immer möglich, koordinieren müssen. In den Fäl­ len zulässiger Einzeleinziehung müssen sich die Gesellschafter so organisie­ ren, daß der schonendste Zugriff auf die Ressourcen des Schuldners sowie des staatlichen Justizapparates gewährleistet ist. Die prozeßwirtschaftlichste Lösung liegt im dass action-Verfahren, das damit einmal mehr seine Ver­ wandtschaft zur Shareholders’ derivative suit unter Beweis stellt. Ein Gesell­ schafter, der sich sonst der derivative suit mit Einziehungsrecht der Gesell­ schaft bedienen würde, vertritt die Klasse der partizipationsbefugten Gesell­ schafter unter ausnahmsweiser Geltendmachung des gesamten Anspruchs29. 28 Collateral estoppel verbietet es aus Gründen der Prozeß Wirtschaftlichkeit, daß, wenn über eine Rechtsfrage einmal rechtskräftig entschieden ist, dieselbe erneut Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen denselben Parteien sein darf (sog. issue preclusion). Die Bindung die­ ser Präklusionswirkung an die Beteiligung derselben Prozeßparteien bzw. ihrer Rechtsnach­ folger wird jedoch allmählich aufgegeben seit der Grundsatzentscheidung Bernhard v. Bank of America, 122 P.2d 892 (Cal. 1942) betreffend die verwandte res iudicata-Einrede. Sind nicht dieselben Parteien am Folgeprozeß beteiligt, verlangt man für ein Durchgreifen des collateral estoppel, daß der präklusionsbedrohten Partei im Vorprozeß alle verfahrensrecht­ lichen Mittel zur Durchsetzung ihres Standpunkts zu Gebote standen. Insbesondere darf die Präklusion nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs oder zu einer Verkürzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf einen jury trial führen, vgl. Parklane Hosiery Co., Inc. v. Shore, 439 U.S. 322, 99 S.Ct. 645 (1979). Diese Entscheidung markiert den neuen Trend, dem sich allmählich auch die Gerichte der Einzelstaaten anschließen. 29 Das amerikanische Zivilprozeßrecht kommt dieser Forderung mit einem anderen Rechtskraftkonzept entgegen. Wenn sich der Kläger entschließt, nur einen Teil seiner Forde­ rung einzuklagen, obwohl ihm die Forderung einschließlich aller Anspruchsgrundlagen, auf die sie sich stützen läßt, in vollem Umfang und in voller Höhe bekannt ist, gilt, daß er des nicht eingeklagten Teiles im Wege der Rechtskraftpräklusion verlustig gehen kann, sofern er keinen wichtigen Grund für eine Teilklage nicht darzulegen vermag. Der Gesichtspunkt der Kostenersparnis ist nicht anerkannt, weil das System der Kostentragung wegen der American Rule anders ist, vgl. Rush v. City of Maple Heights, 147 N.E.2d 599 (Ohio 1958), cert.den.

Der Leistungspflichtige wird so nur einmal belangt, ohne daß die Frage der gesellschaftsinternen Einziehung und Verteilung des Erlöses mit ihm auszu­ tragen ist.

III. Begründetheit der Klage in besonderen Zusammen­ hängen - Das Beispiel der corporate opportunity-Doktrin Die derivative suit kommt namentlich bei Schadensersatzforderungen der Gesellschaft gegen die Verwaltung wegen pflichtwidriger Schädigung der Corporation zum Einsatz. Anders als im deutschen Recht (vgl. § 147 AktG) ist sie indes nicht auf die Realisierung von Ersatzleistungen in Geld be­ schränkt. Mindestens ebenso wichtig sind die Herausgabepflichten oder die Erzwingung der Vornahme oder der Unterlassung von Geschäftsfuhrungshandlungen. Dies wird im Vergleich zum deutschen Recht deutlich, das inso­ fern eine große Lücke aufweist: § 88 Abs. 2 AktG enthält als Sanktion gegen Verletzungen des Wettbewerbsverbots die Ersatzpflicht, aber auch ein Ein­ trittsrecht der Gesellschaft. Wählt die Gesellschaft den Schadensersatz, steht als besondere Form der Realisierung das Verfahren nach § 147 AktG zur Verfügung. Was aber gilt bei Wahl des Eintrittsrechts (vgl. § 113 HGB), für das bei den Personalgesellschaften eine actio pro socio statthaft ist? Ein kur­ zer Seitenblick auf die Lehre von der corporate opportunity mag den Weg zu einer angemessenen Lösung sowie zum richtigen Verständnis des Verhältnis­ ses der Ersatzansprüche zu den sonstigen Rechtsbehelfen der Gesellschaft weisen. 1. Grundlagen

Der wichtigste praktische Einsatzbereich der Shareholders’ derivative suit besteht neben der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Verwaltung in der Herausgabe einer ohne Genehmigung ausgenutzten Ge­ schäftschance der Gesellschaft. Eine corporate opportunity wird allgemein 358 U.S. 814 (1958) unter ausdrücklicher Abweichung von der früheren Mehrheitsmeinung in Vasu v. Kohlers, Inc., 61 N.E.2d 707, 166 A.L.R. 855 (Ohio 1945). Zum Ganzen auch Cleary, Res Iudicata Reexamined, 57 Yale L.J. 339, 342 ff. (1948). Die Entscheidung macht deutlich, daß der Kläger nicht befugt ist, nach freiem Belieben über einen einheit­ lichen Streitgegenstand zu disponieren. Zu berücksichtigen sind vielmehr die Interessen des Prozeßgegners sowie der Rechtspflege. Das deutsche Zivilprozeßrecht entscheidet hier anders. Nach dem deutschen Verständnis des Streitgegenstandes sind Teilklagen, gerade auch zur Begrenzung des Kostenrisikos grund­ sätzlich zulässig. Für die amerikanische Auffassung lassen sich immerhin Gründe der Waf­ fengleichheit zwischen den Parteien anführen: Der Kläger ist in seiner Prozeßstrategie relativ freier, während der Beklagte seine Verteidigungsrechte insgesamt vorbringen muß, um ihrer nicht verlustig zu gehen.

dahin definiert, daß die Wahrnehmung oder Verfügung über eine Erwerbs­ chance, die der Gesellschaft zusteht und von ihr ausgeübt werden könnte, nicht von jemandem ausgeübt werden darf, der ihr in einer besonderen treu­ händerischen Beziehung verbunden ist30. Diese Lehre ist die besondere Aus­ prägung des Treuhandmodells, wonach der durch fiduciary duties an die Ge­ sellschaft Gebundene ihr seine ungeteilte Loyalität schuldet. Die Doktrin der corporate opportunity erfaßt damit Fallgruppen, die im deutschen Recht zwar in anderen Regelungszusammenhängen behandelt sind, jedoch denselben Interessenkonflikt zum Gegenstand haben. Dies ist zum einen das Verbot der Mehrfachvertretung bzw. des Selbstkontrahierens (§181 BGB), welches ein Gebrauchmachen von der Vertretungsmacht zum Nachteile eines Vertretenen in der Schwebe hält oder die Konkurrenzverbote in §§ 88 AktG, 112 HGB, welche einen Loyalitätszwiespalt schon im Vorfeld einer konfliktträchtigen Situation eliminieren wollen. Entsprechende Bestim­ mungen finden sich im amerikanischen Recht der agency. Vorbehaltlich ab­ weichender Vereinbarungen oder einer eigenen Ermächtigung ist der Ver­ treter nicht befugt, mit dem Vertretenen auf einem Gebiet in Wettbewerb zu treten, für das dem Vertreter Vertretungsmacht erteilt ist31. Bereits ein Tä­ tigwerden für eigene Rechnung ist ihm verboten, erst recht die Anmaßung der Früchte des Ausführungsgeschäfts. Die Bestimmungen des Rechts der agency sind hier ebenfalls anwendbar, weil die Verwaltung organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft ist. Das Stellvertretungsrecht gehört in Deutsch­ land wie in den USA zum Allgemeinen Teil des Verbandsrechts, so daß bei Regelungsdefiziten im Gesellschaftsrecht auf diesen allgemeinen Normenbe­ stand bei allen Gesellschaftsformen zurückzugreifen ist32.

30 Schreiber v. Bryan, 396 A.2d 512 (Del.Ch. 1978); Zidell v. Zidell, Inc., 560 P.2d 1091 (Or. 1977). Rechtssatzförmig ließe sich die corporate opportunity-Doktrin etwa wie folgt formulieren: Wo dem Amtswalter oder Mehrheitsgesellschafter einer Corporation eine geschäftliche Mög­ lichkeit angetragen wird, die die Gesellschaft nach ihren finanziellen Möglichkeiten auszu­ nutzen vermag und die ihrer Natur nach dem Unternehmensgegenstand unterfällt und der Gesellschaft praktische Vorteile bietet oder wenn es sich um eine Gelegenheit handelt, an der die Gesellschaft bereits ein aktuelles oder mutmaßliches Interesse hat, dann ist es dem Amtswalter oder Mehrheitsgesellschafter verwehrt, sein Eigeninteresse in Widerstreit mit dem der Gesellschaft zu bringen, indem er diese Gelegenheit für eigene Rechnung wahr­ nimmt, Equity Corp. v. Milton, 221 A.2d 494, 497 (Del. 1966). 31 § 393 Restatement of the law of Agency, 2d (1958). 32 Deutliche Spurenelemente eines solchen Allgemeinen Teils des Rechts der privaten Personenzusammenschlüsse lassen sich auch im amerikanischen Recht nachweisen. Die Ent­ wicklungslinien können von der partnership zur Corporation und umgekehrt verfolgt werden. Stützpfeiler des Rechts der partnership ist die Stellvertretung (agency) einerseits und das Trustprinzip andererseits, siehe grundlegend Meinhard v. Salmon, 164 N.E. 545 (N.Y. 1928). Die dort für die partnership entwickelten Grundsätze sind später von den fortschritt­ licheren Gerichten auf die close Corporation übertragen worden, sofern diese die regeltypi-

Hinter der Figur der corporate opportunity des amerikanischen Rechts verbirgt sich mehr als nur der Schutz von Geschäftschancen der Gesellschaft oder ein Regulativ zur Bindung der Kompetenzen der Verwaltung an das Ge­ sellschaftswohl. In Rede steht vielmehr der Schutz des Gesellschaftsvermö­ gens als finanzielles Fundament aller am Gesellschaftsverhältnis teilhabenden Interessen. Die Lehre von der corporate opportunity hat eine ähnliche Funk­ tion wie die Kapitalschutzbestimmungen der §§30 ff. GmbHG, §§58 ff. AktG des deutschen Rechts, für die es im US-Recht keine unmittelbare Ent­ sprechung gibt, weil die meisten Bundesstaaten kein Mindestkapitalerforder­ nis kennen und auf spezielle Gläubigerschutzbestimmungen bei der Herab­ setzung des stated Capital33 verzichten. Die Lehre von der corporate oppor­ tunity macht deutlich, daß im amerikanischen Recht der Begriff des Gesell­ schaftsvermögens weiter gefaßt ist als im deutschen. Nach amerikanischem Verständnis umfaßt das Gesellschaftsvermögen sicher die aktuellen Rechte der Gesellschaft, aber darüber hinaus greifbare Erwerbs- und Geschäftschan­ cen, aus denen ihr zukünftig Rechte erwachsen können34. Über diese poten­ tiellen Rechte soll gleich der Gewinnverwendung nur in einem von Interes­ senkollisionen freien Gewinnverwendungsverfahren befunden werden. Die Einordnung der corporate opportunity-Doktrin als Instrument zum Schutz des Gesellschaftsvermögens wird durch den Umstand bestätigt, daß die rechtswidrige Aneignung einer Geschäftschance durch Verwaltungsmit­ sehen Merkmale einer partnership aufweist, vgl. Donahue v. Rodd Electrotype Co. of New England, Inc., 328 N.E.2d 505 (Mass. 1975). 33 Das stated Capital ist üblicherweise definiert als die Summe der Beträge (1) aller aus­ gegebenen Nennbetragsaktien, (2) der Ausgabebeträge aller umlaufenden Aktien ohne Nennbetrag abzüglich desjenigen Teils, der in der gesetzlich zugelassenen Weise einem an­ deren Kapitalkonto gutgeschrieben werden darf und (3) der Beträge, die in (1) oder (2) nicht enthalten sind, dem stated capital-Konto jedoch in sonstiger Weise zugeschrieben werden, vgl. etwa §§ 102(a)(12), 506 N.Y.B.C.L. Es handelt sich um einen schillernden Begriff mit schwankender Bedeutung, je nachdem, ob es eine gesetzliche Mindestnennkapitalziffer gibt, ob Nennbetragsaktien (par value shares) oder ob Aktien ohne Nennbetrag (no par value shares) ausgegeben werden dürfen. Wichtig ist, daß grundsätzlich keine Ausschüttungen an die Aktionäre zu Lasten des stated Capital erfolgen dürfen. Weitere Einzelheiten bei Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, RdNr. 372 ff. 34 In Deutschland wird die Problematik des Schutzes von Geschäftschancen nicht in einen systematischen Zusammenhang mit der Sicherung des Gesellschaftsvermögens nach den §§ 30 ff. GmbHG, 58 ff. AktG gestellt, vgl. nur SCHIESL GmbHRdsch. 1988, 53 und Kübler, Festschrift für Werner, 1984, S. 437 ff. Im deutschen Recht existieren für die Be­ wältigung dieser Problematik vorerst zwei Lösungsansätze: zum einen das gesellschafts­ rechtliche Wettbewerbsverbot nach §§ 88 AktG, 112 HGB, zum anderen die Zuordnung zur Ebene des Anstellungsverhältnisses mit der Folge einer Herausgabeverpflichtung gemäß § 670 BGB, die aber die Besonderheit der Bindung an das Gesellschaftsvermögen nicht hin­ reichend hervorhebt.

glieder oder einzelne Gesellschafter35 bei der Gesellschaft das Anfallen eines Gewinnes von vornherein ausschließt, obwohl ein solcher im Falle einer Ausnutzung der Chance durch die Gesellschaft bei dieser hätte eintreten kön­ nen36. Damit werden der Gesellschaft Mittel vorenthalten und ebenso ihren Gläubigem. Die Einbeziehung der Gesellschaftsgläubiger in die Beurteilung der Problematik der corporate opportunity veranschaulicht die Parallele zu den §§ 30 ff. GmbHG, 56 ff. AktG. In der Vorenthaltung einer corporate opportunity liegt eine vorweggenommene Gewinnverwendung bzw. eine verdeckte Gewinnausschüttung, derart, daß die Verwaltung oder der Mehr­ heitsgesellschafter kurzerhand und vorbei an den eigentlich zuständigen Ent­ scheidungsinstanzen darüber befindet, wer berechtigt sein soll, Nutzen aus der Geschäftschance zu ziehen. Diese Einordnung der corporate opportunity bestätigt weiterhin die These von der Einheit von objektiv-rechtlichen Ord­ nungsprinzipien und den damit korrelierenden subjektiven Rechten der Ge­ sellschafter, die sich nicht auseinanderdividieren lassen, ohne das Gesamtge­ füge der Korporationsverfassung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nach ihrem objektiv-rechtlichen Aussagegehalt weist die Lehre von der corporate opportunity die Erwerbschance der Gesellschaft zu und behandelt sie als von Anfang an als zum Gesellschaftsvermögen gehörend. Gleichzeitig gibt sie dem Gesellschafter das subjektive Recht, mit der derivative suit eine Verlet­ zung des Zuweisungsgehalts der Chance zu korrigieren. Auf der Rechtsfolgeseite interessiert die Frage, wie die Gesellschaft die ihr vorenthaltene Chance an sich ziehen kann. Wenn eine corporate opportu­ nity von unberechtigter Seite usurpiert worden ist, so ist diese Chance mit einem constructive trust belegt, der die Gesellschaft in die Rolle eines beneficiary und den rechtswidrig handelnden Usurpator in die Rolle eines trustee zwingt. Auf ein Verschulden bei der Unterschlagungshandlung im Sinne ei­ nes subjektiv vorwerfbaren Verhaltens kommt es nicht an. Die Rechtsfigur des Trust ordnet die Erwerbschance unter Einschluß aller Surrogate und De­ rivate dem gebundenen Vermögen der Gesellschaft zu. Der Anspruch ist 35 Die besondere Form der corporate opportunity, die der Mehrheitsgesellschafter häu­ fig für sich usurpiert, ist die Kontrollprämie oder der Paketzuschlag auf eine Mehrheits­ beteiligung, die in einer Minderheit von Jurisdiktionen der Gesellschaft und allen Gesell­ schaftern vermögensmäßig zugeordnet wird, vgl. Jones v. H.F. Ahmanson & Co., 460 P.2d 464 (Cal. 1969). 36 Sehr deutlich in diese Richtung Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 156 ff. Die Richtigkeit der Feststellung, daß sich die Zurückweisung einer corpo­ rate opportunity als verschleierte Gewinnverwendungsentscheidung darstellt, findet in einer einfachen Hilfsüberlegung ihre Bestätigung: Die Gesellschaft hätte die Chance für sich selbst ausnutzen können, etwa derart, daß sie sie von einer Tochtergesellschaft gegen einen Pacht­ zins wahrnehmen läßt. Dann wäre der Muttergesellschaft ein Gewinn in Form des Pachtzin­ ses zugeflossen, ohne daß die Verpächterin gleichzeitig mit dem vollen unternehmerischen Risiko belastet wäre.

nicht auf einen Schaden in Höhe des hypothetischen, entgangenen Gewinns beschränkt, sondern er umfaßt den gesamten vom objektiv pflichtwidrig Handelnden realisierten Gewinn37. Insbesondere kann sich der auf Heraus­ gabe in Anspruch Genommene nicht damit verteidigen, daß eine bestimmte Quote ihm gebühre, weil erst seine Geschäftstüchtigkeit die Chance der Ge­ sellschaft zu ihrer vollen Blüte habe reifen lassen38. Noch überhaupt nicht durchdacht ist die umgekehrte Situation der corpo­ rate opportunity, wo der Gesellschaft ursprünglich eine vermeintlich profi­ table Chance entzogen wurde, die sich nachher jedoch als Verlustgeschäft entpuppt. Hier ist nicht von Interesse, wie die Gesellschaft die Chance an sich ziehen kann, sondern wie sie davor zu schützen ist, daß der Usurpator das Geschäft als für die Rechnung der Gesellschaft getätigt ausgibt und sich von dieser Aufwendungsersatz gewähren läßt zum Ausgleich für die eigenen Verluste. Das Schutzbedürfnis der Gesellschaft ist hier noch relativ größer, weil sich die Verwaltung in einer zweifachen Pflichtenkollision befindet. Zuerst hatte die Verwaltung die Chance der Gesellschaft veruntreut und für eigene Rechnung genutzt und nun, nachdem sich das dieser Chance inne­ wohnende Risiko zum Nachteil des Unternehmers realisiert hat, soll es auf die Gesellschaft abgewälzt werden, indem sich der Eingreifer seine Aufwen­ dungen ersetzen läßt. Ein solches Verhalten wäre mit der fiduziarischen Stellung der Verwaltung zur Gesellschaft unvereinbar. Aus der Verun­ treuung einer Geschäftschance erwächst der Corporation ein Gestaltungsrecht ähnlich wie im deutschen Recht nach §§ 88 AktG, 113 HGB. Danach darf die Gesellschaft bei günstigem Ausgang das Geschäft an sich ziehen und im gegenteiligen Falle beim Usurpator belassen, ohne ihm Ersatz zu schulden. Sie kann mithin sein opportunistisches Verhalten mit gleicher Münze heimzahlen. 37 Lutherland v. Dahlen, 53 A.2d 143, 147 (Pa. 1947). 38 Die Herausgabepflicht betrifft also das Erlangte schlechthin. Die Diskussion weist eine strukturelle Parallele zur Behandlung der Herausgabe des aus unberechtigter Verfügung Erlangten im deutschen Recht nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB auf, zum Ganzen STAUDINGER/W. Lorenz, Komm. z. BGB, 12. Aufl. 1978, § 816 RdNr. 23 ff. mit eingehenden Nachweisen. Für § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB steht die überwiegende Meinung ebenfalls auf dem Standpunkt, daß grundsätzlich alles herauszugeben ist, und ein Abschlag wegen besonderer Geschäftstüchtigkeit des Verfügenden a priori unstatthaft ist, weil das Recht bzw. der an seine Stelle tretende Erlös dem Rechtsinhaber als Gläubiger des Anspruchs aus §816 Abs. 1 Satz 1 BGB gebührt. Die Verfügungsbefugnis über diesen Zuweisungsgehalt erfaßt ebenfalls das Entwicklungspotential eines Rechts in den geschickteren Händen des unberechtigt Verfügenden. Hierin liegt gleichzeitig eine besondere Risikoverteilung zu Lasten des Eingreifers: Wer in eine fremde Berechtigungssphäre eindringt, darf nach § 816 nicht erwarten, sich besser zu stehen, als er stünde, falls er seine Gewinnteilhabe von Anfang an auf eine wirksame vertragliche Grundlage gestellt hätte. Er kann gegenüber der Inanspruchnahme aus § 816 Abs. 1 Satz 1 allenfalls den Ersatz seiner notwendigen Aufwendungen in Ansatz bringen, arg. §§818 Abs. 3, 994 ff. BGB.

Die oben beschriebene Rechtsfolge der corporate opportunity-Doktrin, wonach das Erlangte herauszugeben und die Geschäftschance als für Rech­ nung der Gesellschaft erfolgt anzusehen ist, beinhaltet bereits eine Risikotra­ gungsregel zulasten derjenigen, die unter Verletzung ihrer Pflichten sich sol­ che Chancen angeeignet haben. Den Nachteil dieser Überleitung einer sich im nachhinein als unrentabel erweisenden Geschäftschance hätten die Min­ derheitsgesellschafter sowie noch stärker die an der Überleitungsentschei­ dung überhaupt nicht beteiligten Gesellschaftsgläubiger zu tragen. Sie gehö­ ren daher in die Zielgruppe der zu entwickelnden Schutzmechanismen. Mit Bezug auf die Minderheitsgesellschafter ist die nachträgliche Übertragung einer corporate opportunity auf die Gesellschaft nur wirksam, wenn ihr eine Ratifizierungsentscheidung zugrundeliegt, die von einer unbefangenen Mehr­ heit getragen wird. Die übrigen Gesellschafter, die in die Vorenthaltung der Erwerbsmöglichkeit verwickelt waren, sind von der Abstimmung ausge­ schlossen39, ebenso wie sie nicht wirksam auf Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen sich selbst verzichten können. Eine Billigung der Überleitung durch unbefangene Entscheidungsträger40 schafft aber erst eine Legitimation dieser Maßnahme im Innenverhältnis und speziell gegenüber den Gesellschaftern. Sie enthält noch keine automatische Gewähr für die Fairness in bezug auf die Gesellschaftsgläubiger. Aus ihrer Sicht stellt sich die Übertragung einer verlustbringenden Geschäftschance als potentieller Kapitalabfluß aus dem Gesellschaftsvermögen dar, weil eine Verminderung des Gesellschaftsvermögens erfolgt41. Umgekehrt bewirkt die Vorenthaltung einer Erwerbschance, daß keine Vermehrung des Gesell­ schaftsvermögens eintreten kann. Die Gesellschaftsgläubiger haben zwar ein Interesse an einer Kontrolle solcher Entscheidungen, in der Regel aber selbst keine rechtliche Handhabe, die Schmälerung des Gesellschaftsvermögens zu verhindern, ebensowenig wie sie im umgekehrten Fall der Veruntreuung ei­ 39 Die Corporation mag die Chance ausschlagen, dieser Akt unterliegt im Streitfälle je­ doch einer strengen gerichtlichen Kontrolle als sog. self-dealing transaction, vgl. nur Johnston v. Greene, 121 A.2d 919 (Del. 1956). Stets ist erforderlich, daß das genehmigende Gesellschaftsorgan über sämtliche Tatsachen vollständig unterrichtet ist. Zur Genehmigung durch die Aktionäre Gottlieb v. McKee, 107 A.2d 240 (Del.Ch. 1954). Zur corporate opportunity-Doktrin HENN/ALEXANDER, Corporations, 3. Aufl. 1983, § 237 (S. 632 ff.). 40 Aus der Rechtsprechung siehe nur Abbott Redmont Thinlite Corp. v. Redmont, 475 F.2d 85 (2d Cir. 1973); Northwestern Terra Cotta Corp. v. Wilson, 219 N.E.2d 860 (111.App. 1966); Gaynor v. Buckley, 203 F.Supp. 620 (D.Or. 1962), aff’d 318 F.2d 432 (9th Cir. 1963); Wilshire Oil Co. of Texas v. Riffe, 381 F.2d 646 (lOth Cir. 1967), cert.den. 389 U.S. 822 (1967). 41 Selbst eine einstimmige Entscheidung der Gesellschafter, eine corporate opportunity einem Mitglied der Verwaltung zu überlassen, heilt die Anmaßung der Chance nicht, wenn die Belange der Gläubiger nachteilig berührt sind, vgl. Canion v. Texas Cycle Supply, Inc., 537 S.W.2d 510 (Tex.App. 1976); Brown v. Presbyterian Ministers Fund, 484 F.2d 998 (3d Cir. 1973).

ner profitablen corporate opportunity deren Überlassung an die Gesellschaft nicht erzwingen können. Das Interesse der Gläubiger liegt in ihrer Befriedi­ gung. Die Frage der Ausnutzung von der Gesellschaft gebührenden Ge­ schäftschancen berührt sie mittelbar nur insoweit, als diese Entscheidung ihre Befriedigungsaussichten nicht nachhaltig beeinträchtigen darf. An den Auswirkungen der Entscheidung haben sie ein rechtlich geschütztes Interesse, nicht an der Entscheidung selbst.

2. Der Tatbestand der corporate opportunity

Für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt eine corporate opportunity gegeben ist, sind zwei Gesichtspunkte entscheidungserheblich. Zuerst ist der Zuweisungsgehalt einer bestimmten Erwerbschance zu definieren. Selbst wenn eine Geschäftschance danach der Gesellschaft zugewiesen ist, handelt ein fiduciary, der sie eigenmächtig für eigene Rechnung ausnutzt, nicht rechtswidrig, wenn die Gesellschaft diese Chance rechtswirksam ausgeschla­ gen hat. Diese Fragen sind sehr häufig Gegenstand einer derivative suit. a) Geschäftschance der Gesellschaft

Die Qualifizierung einer Gelegenheit als Geschäftschance der Gesellschaft folgt im amerikanischen Recht keinem einheitlichen Schema42. 43 Maßgeblich ist das Recht des Inkorporierungsstaates der Gesellschaft, die die corporate opportunity für sich beansprucht. Unter den amerikanischen Gerichten sind heute zwei Formeln gebräuchlich, um die Zuordnung einer geschäftlichen Gelegenheit vorzunehmen. Dies ist zum einen der klassische tangible expectancy-Test43, der heute immer noch in einer Vielzahl von Jurisdik­ tionen praktiziert wird, unter ihnen New York44, sowie andererseits der mo­ dernere, in Delaware entwickelte line of business-Maßstab45. Beide Formeln unterscheiden sich grundlegend im Umfang der Treubindungen, denen die Verwaltungsmitglieder oder Mehrheitsgesellschafter bei ihren Entschei­ dungen in den Angelegenheiten der Gesellschaft unterliegen. 42 Eine gute Zusammenstellung der gebräuchlichen Prüfungsschemata findet sich in 18B AmJur 2d, Corporations, §§ 1779-1787 (1985); Merkt, US-amerikanisches Gesellschafts­ recht, 1991, RdNr. 729 ff. 43 Lincoln Stores v. Grant, 34 N.E.2d 704 (Mass. 1941); Burg v. Hom, 380 F.2d 897 (2d Cir. 1967). 44 Burg v. Horn, 380 F.2d 897 (2d Cir. 1967) in Anwendung des Rechts von New York. 45 Hervorgegangen ist der line of business-Test aus der Grundsatzentscheidung Guth v. Loft, 5 A.2d 503 (Del. 1939). In Miller v. Miller, 222 N.W.2d 71 (Minn. 1974) wird mitt­ lerweile die Tendenz sichtbar, den objektiven line of business-Maßstab mit eher subjektiv gefärbten Momenten der Fairness zu verbinden.

Verlangt man für eine corporate opportunity, daß die Gesellschaft in dem Moment, in welchem die Entscheidung über ihre Ausnutzung getroffen wird, bereits ein existierendes und rechtlich geschütztes Interesse an ihr haben muß, so verlangt man in der Sache, daß die Berechtigung der Gesellschaft bereits eine anwartschaftsähnliche Verfestigung erfahren haben muß. Es ist fraglich, ob dieses Bestimmungsverfahren mit seinen geringeren Anforde­ rungen dem strengen Maßstab der fiduciary duties gerecht werden kann. Denn in dieser Formel ist bereits eine Hintertür eingebaut, durch die die Verwaltung ihren Bindungen entgehen oder sie doch wenigstens mit einigem Geschick manipulieren könnte. Der Bestimmungsmodus setzt eine Prämie auf eine vorausschauende Planung zum Nachteil der Gesellschaft. Bei Maß­ geblichkeit des tangible expectancy-Kriteriums liegt es letztlich in den Hän­ den der Verwaltung zu entscheiden, ob eine sich bietende Chance zu einer corporate opportunity heranreift oder nicht. Dieses Ergebnis verhielte sich aber diametral zum Konzept der fiduciary duties. Eine tangible expectancy im Sinne der gebräuchlichen Formel ist gegeben, wenn entweder ein Eigen­ tumsrecht vorliegt, an dem die Gesellschaft bereits ein existierendes recht­ liches Interesse hat oder wenn sie im Besitz einer Erwartung ist, die sich auf ein existierendes Recht gründet. Entscheidend ist jeweils, daß diese Formel das relevante Zuordnungskriterium dem Einfluß der Verwaltung aussetzt. Denn die Corporation - handelnd durch ihre Verwaltung — muß sich auf die Erwartung zubewegen, um die geforderte Anwartschaft überhaupt begründen zu können. Den Vorzug verdient deshalb der erheblich strengere Beurteilungsmaß­ stab, der darauf abhebt, ob die Chance sich im Zuge des Geschäftszweiges bzw. des Unternehmensgegenstandes der Gesellschaft befindet (line of business) und ob es unter den gegebenen Umständen fair und billig ist, eine von der Gesellschaft verschiedene Person, die zu ihr in einer fiduziarischen Beziehung steht, von der Gelegenheit profitieren zu lassen46. Je höher die Affinität ist, die die fragliche Geschäftschance zum Unternehmensgegenstand aufweist, desto stärker streitet eine Vermutung dafür, daß es sich um eine corporate opportunity handelt, wenn sie dem Geschäftszweig, in dem die Gesellschaft tätig ist, bei lebensnaher Betrachtung eng genug verbunden ist. Zur Konkretisierung dieser generalklauselartigen Formel hat die Rechtspre­ chung einen Katalog von relevanten Faktoren entwickelt, der die Vermutung bekräftigen oder widerlegen helfen soll. Die nachfolgenden Kriterien sind für die Entscheidung von Bedeutung: Die Gesellschaft hat ein legitimes Interesse an der Ausnutzung der Gelegen­ heit für eigene Rechnung, weil dies lebensnotwendig, erforderlich oder nur 46 Guth v. Loft, 5 A.2d 503 (Del. 1939).

wünschenswert ist für ihre geschäftlichen Bedürfnisse. Die Gelegenheit ge­ hört zum Geschäftszweig der Gesellschaft, oder sie kann in diesem Bereich mit einiger Leichtigkeit expandieren, ohne daß die Ausnutzung ultra vires wäre. Ein Faktor von ausschlaggebendem Gewicht ist schließlich das finan­ zielle Leistungsvermögen der Gesellschaft. Besitzt sie die wirtschaftlichen Mittel zur Ausnutzung der Chance, so wird vermutet, daß es sich um eine corporate opportunity handelt47. Von hohem indiziellem Wert ist die perso­ nelle und sachliche Ausstattung der Corporation. Verfugt sie über den zur Wahrnehmung der Chance nötigen Maschinenpark oder das Know-how und ist ein entsprechend geschultes Personal vorhanden, so entscheidet die Rechtsprechung in aller Regel für eine corporate opportunity. Ferner wird auf die Begleitumstände der Vertragsanbahnung oder der Verhandlungen ab­ gestellt und geprüft, ob die Gelegenheit dem Verwaltungsmitglied in seiner Eigenschaft als Amtswalter der Gesellschaft oder als Privatperson angetragen wurde. Zur corporate opportunity wird eine Chance, auf deren Entdeckung oder Realisierung bereits Ressourcen der Gesellschaft verwendet worden sind. Ist die Gesellschaft ohnehin mit einem Teil des Risikos belastet, dann soll sie andererseits den Nutzen aus der Verwertung der Chance ziehen dür­ fen. Zu diesem Kanon der Entscheidungsfaktoren tritt heute ein anderes, eher rechtspolitisch gefärbtes Kriterium hinzu. Die Lehre von der corporate op­ portunity bezweckt nicht bloß den Schutz des Gesellschaftsvermögens unter Einschluß der unternehmensspezifischen Erwerbschancen und eine interes­ senkollisionsfreie Amtsführung der Amtswalter. Gleichzeitig will die Lehre erreichen, daß der Gesellschaft kein Schaden dadurch entsteht, daß ihr Wett­ bewerber aus den eigenen Reihen gegenübertreten, die die aufgrund der Amtsstellung erworbenen Insiderkenntnisse ihren außergesellschaftlichen In­ 47 Die Solvenz der Gesellschaft als maßgeblicher Gradmesser bedarf allerdings gewisser Einschränkungen. Auch hier besteht die Gefahr, daß die Verwaltung, die die Erwerbschance der Gesellschaft schützen soll, die Corporation in eine Lage manövriert, die die Ausnutzung der Chance erschwert. Die Verwaltung trifft die Pflicht, die Ausnutzung der Chance aktiv zu fördern, indem sie schon beizeiten für ein tragbares Finanzierungskonzept sorgt, das die Ausbeutung der corporate opportunity durch die Gesellschaft ermöglicht, dazu die Regel in Irving Trust v. Deutsch, 73 F.2d 121 (2d Cir. 1934), cert.den. 294 U.S. 708 (1935), die al­ lerdings nicht von allen Jurisdiktionen befolgt wird. In Irving Trust war die finanzielle Mi­ sere der Gesellschaft gerade darauf zurückzuführen, daß es die Verwaltung verabsäumt hatte, Außenstände der Gesellschaft einzuziehen. Tendenziell noch strenger ist die Beurteilung solcher Sachverhalte bei der close Corporation: Hier müssen die Gesellschafter als Ergebnis ihrer besonderen Treupflicht u.U. sogar Zu­ zahlungen in das Gesellschaftsvermögen leisten, um die Wahrnehmung der Chance durch die Gesellschaft zu ermöglichen. Bei der close Corporation müssen sich die Gesellschafter nicht nur um ein Finanzierungskonzept bemühen, sondern die Finanzierung selbst bewerkstel­ ligen. Ein so weit gesteigertes Treumoment existiert für die Verwaltung in der public Corpo­ ration nicht.

teressen dienstbar machen. Die in der corporate opportunity-Doktrin ange­ legte besondere Treupflicht ist - wie im deutschen Recht in §§ 112 HGB, 88 AktG - zu einem Wettbewerbsverbot des fiduciary im Verhältnis zu sei­ nem Treugeber auszubauen. Diese Regeln gelten, wenn das Verwaltungsmit­ glied eine maßgebliche Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen er­ wirbt und ihm diese Beteiligung als Plattform für eine eigenständige unter­ nehmerische Betätigung dienen soll. Die Grundlage für ein Konkurrenzver­ bot des Verwaltungsmitglieds oder des Mehrheitsaktionärs ist die corporate opportunity-Doktrin, soweit das Konkurrenzgeschäft im Geschäftszweig der Corporation tätig ist, andernfalls hindert die Treupflicht das Verwaltungsmit­ glied an einem Tätigwerden in dem Konkurrenzunternehmen48. b) Ausschlagung einer corporate opportunity

Selbst wenn nach dem zuvor Gesagten vom Vorliegen einer corporate opportunity auszugehen ist, ist eine eigennützige Ausnutzung der Erwerbs­ chance nicht rechtswidrig und mit der Sanktion der Erlösauskehr an die Ge­ sellschaft verbunden, sofern die Gesellschaft die Geschäftschance wirksam ausschlägt. Die corporate opportunity-Doktrin gibt der Gesellschaft ein Ent­ scheidungsrecht mit dem Inhalt des ersten Zugriffs auf die Chance. Schlägt sie sie ordnungsgemäß aus, so ist die Gelegenheit nicht länger eine corporate opportunity49. Entschließen sich die Gesellschaftsorgane zur Ausschlagung, so fällt die Gelegenheit nicht einem Verwaltungsmitglied oder einem be­ stimmten Gesellschafter in den Schoß. Die Verwaltung verbleibt vielmehr in ihrer treuhänderischen Bindung zur Gesellschaft und zu den Gesellschaftern. Läßt die Gesellschaft eine Möglichkeit ungenutzt, so muß für jeden Gesell­ schafter freier Zugang zum Verteilungswettbewerb um die Wahrnehmung der Chance gewährleistet sein. Nach Ausschlagung durch die Gesellschaft hat kein Beteiligter ein Vorrecht an ihr. An die Entscheidung der Gesellschaft, eine corporate opportunity zurück­ zuweisen, sind strenge Anforderungen zu stellen. Zentrale Voraussetzung für 48 Lincoln Stores v. Grant, 34 N.E.2d 704 (Mass. 1941); Duane Jones Co. v. Burke, 117 N.E.2d 237 (N.Y. 1954); Zidell v. Zidell, Inc., 590 P.2d 1091 (Or. 1977). Obwohl dem amerikanischen Recht ein generelles und ausdrückliches Wettbewerbsverbot der Ver­ waltung etwa nach dem Vorbild des § 88 AktG fehlt, hat sich doch aus dem allgemeinen Konzept der Treuhand eine analoge Rechtsüberzeugung bilden können. Danach gilt: Board­ mitglieder der public Corporation mit echter Managementfunktion und Dienstvertrag mit der Gesellschaft auf Vollzeitbasis dürfen nicht ohne besondere Erlaubnis in Wettbewerb zu ihrer Gesellschaft treten. Sog. outside-Direktoren unterliegen dem Wettbewerbsverbot in abge­ schwächter Form, dazu Brudney/Clark, A New Look at Corporate Opportunities, 94 Harv.L.Rev. 997, 1022 ff. (1981); Begert, The Corporate Opportunity Doctrine and Outside Business Interests, 56 U.Chi.L.Rev. 827 (1989) jeweils mit Nachweisen. 49 Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung, vgl. Fliegler v. Lawrence, 361 A.2d 218 (Del. 1976).

eine wirksame Zurückweisung ist die volle Offenlegung gegenüber der Ge­ sellschaft, d.h. gegenüber den entscheidungszuständigen Gesellschaftsorga­ nen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, so daß genug Zeit für eine abge­ wogene Entscheidung bleibt. Nicht nur die Chance als solche ist der Gesell­ schaft nachzuweisen, sondern sämtliche wesentlichen Begleitumstände, die zu einer sachgerechten Einschätzung notwendig sind, insbesondere das Aus­ maß des finanziellen Aufwands ihrer Wahrnehmung. Für die Entscheidung ist in erster Linie der board of directors zuständig. An der Abstimmung nehmen unbefangene Mitglieder teil, die keinerlei persönliches Interesse an einer Ausschlagung der Gelegenheit haben. Kommt kein Quorum unbefan­ gener Direktoren zusammen, kann ein unabhängig gebildeter und arbeitender Ausschuß des board entscheiden. Existiert auch ein solcher nicht, ist die Ge­ sellschafterversammlung zuständig. An ihre Entscheidung sind dieselben Rechtmäßigkeitsanforderungen zu stellen wie an eine Entscheidung durch den board oder durch einen besonderen Ausschuß50.

3. Besonderheiten für die close Corporation?

Für die close Corporation wurde bisweilen ein modifiziertes Konzept der corporate opportunity vertreten vor allem dort, wo die Verwaltungsmitglie­ der, die gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter sind, noch an anderen Konkur­ renzunternehmen beteiligt sind und solche Beteiligungen schon länger beste­ hen. Zugespitzt lautet die Rechtsfrage, ob das Verwaltungsmitglied einer close Corporation bei Ausnutzung einer bestimmten Chance wesentlich ande­ ren Verhaltensanforderungen unterliegt, wenn es den Nachweis erbringt, schon bei der Übernahme seines Amtes an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt gewesen zu sein51. Es geht also um zwei sorgsam zu trennende Problemkreise, nämlich die Anwendung der Lehre von der corporate oppor­ tunity bei der close Corporation sowie der einzelfalladäquate Zuschnitt der Treubindungen für die Beurteilung der Zuweisung oder Aufteilung solcher Chancen.

50 Zum Ganzen Johnston v. Greene, 121 A.2d 919 (Del. 1956). Befangen und von der Abstimmung über die Ausschlagung der corporate opportunity ausgeschlossen ist, wer vor­ her schon versucht hat, der Gesellschaft die Gelegenheit zu unterschlagen. 51 Zu einem derartigen Fall Burg v. Horn, 380 F.2d 897 (2d Cir. 1967); hierzu Note, 43 N.Y.U.L.Rev. 187 (1968).

Grundsätzlich gilt die corporate opportunity-Doktrin bei der close Corpo­ ration ohne Abstriche52, weil die Grundgedanken, auf denen sie aufbaut, unverzichtbarer Bestandteil der KorporationsVerfassung und des Trusts ist. Er gehört zum Allgemeinen Teil des Rechts der Personenzusammenschlüsse und ist damit unabhängig von einer typendifferenzierenden Betrachtung der Corporation. Bei der Publikumsgesellschaft ist von der Verfügung über Chancen der Gesellschaft naturgemäß ein größerer Personenkreis betroffen. Die Interessenlage im übrigen ist jedoch gleich. Es ist aufgezeigt worden, daß die Figur der corporate opportunity ein wichtiger Baustein im System der Finanzverfassung der Corporation mit Blick auf die Gesellschaftsgläubi­ ger ist. Bei der close Corporation ist die Kapitalsicherung aber noch dring­ licher, weil sie einerseits nicht von den umfassenden Publizitätsvorschriften flankiert und weil bei ihr andererseits die der public Corporation eigene Trennung von ownership und control aufgehoben ist. 52 Zu diesem differenzierenden Ansatz Brudney/Clark, A New Look at Corporate Opportunities, 94 Harv.L.Rev. 997, 1001 ff. (1981). Die Differenzierung geht in zwei Richtungen: Zum einen wird zwischen der public und der close Corporation unterschieden, zum anderen ist bei den fiduciary duties eine Aufteilung vorgenommen in einen katego­ rischen und einen selektiven Ansatz. Der kategorische Ansatz, der für die public Corporation gelten soll, in welcher der einzelne Gesellschafter wegen seines Splitterbesitzes das Management nicht effektiv überwachen kann, ist dem klassischen Recht des Trusts entlehnt und erlegt dem trustee die Pflicht auf, das Trustvermögen strikt von seinem Privatvermögen zu trennen, egal ob dies dem beneficiary nachteilig ist oder nicht. Für die close Corporation, deren Verwaltung einer direkten Aufsicht durch die Shareholders untersteht, befürwortet die genannte Auffassung einen selektiven Ansatz. Er besagt, daß die eigennützige Ausnutzung einer Chance der Gesell­ schaft rechtmäßig ist, wenn sie dem trustee nützt, ohne dem beneficiary zu schaden oder gar für beide von Nutzen ist. Dieser Differenzierungsversuch vermag nicht zu überzeugen, da schon seine Prämissen fragwürdig erscheinen: Bei der close Corporation kann von echter Überwachung des Mana­ gements durch die Gesellschafter keine Rede sein, weil hier eine Teilidentität von Manage­ ment und Gesellschaftern besteht. Bei der public Corporation ist zwar der Einfluß des einzel­ nen Gesellschafters bei der Auswahl des Managements gering, nicht aber bei dessen Über­ wachung, was gerade aus dem Einzelklagerecht jedes Gesellschafters erhellt. Bei ihrem Überwachungsmodell der public Corporation lassen Brudney/Clark den Kapitalmarkt als Regulativ vollkommen außer acht. Er muß aber mindestens ebenso effizient erscheinen wie die Überwachung des Managements durch die Gesellschafter in der close Corporation. Ein Haupteinwand gegen dieses Konzept besteht endlich darin, daß die Reichweite der fiduciary duties unterschätzt wird. Sie erfaßt nicht nur die Verwaltung in ihrem Verhalten gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern. Die Verwaltung ist daneben trustee gegenüber den Gesellschaftsgläubigem. Unter Berücksichtigung dieser Umstände könnte man allenfalls in Erwägung ziehen, bei der close Corporation die strengeren Maßstäbe anzulegen. Im Ergebnis muß es daher dabei bewenden, daß der hohe Maßstab der fiduciary duties über­ haupt nicht aufgeweicht werden darf. Der selektive Ansatz verkennt, daß das Konzept der fiduciary duties einschließlich seiner Sonderausprägung in Gestalt der corporate opportunityDoktrin die Gesellschaft nicht nur vor Schädigungen bewahrt, sondern ihr volles Entwick­ lungspotential erhalten will, indem die Gewinnerwartungen am Schutz des Gesellschaftsver­ mögens teilnehmen. Für den trustee folgt daraus, daß er nicht bloß zur Verwaltung des Ge­ sellschaftsvermögens berufen ist und den Status quo zu wahren hat, sondern den künftigen Nutzen der Gesellschaft aktiv mehren muß.

Das für die close Corporation reichhaltig verfügbare Fallmaterial belegt, daß das Gros der Mißbräuche bei der close Corporation aus der Gleichschal­ tung von Management und Gesellschafterwille resultiert. Für die Finanzver­ fassung der Gesellschaft ergibt sich daraus die Gefahr einer informellen Transformation von Gesellschafts- in Privatvermögen53 außerhalb des gesell­ schaftsrechtlich vorgeschriebenen Verteilungsverfahrens. Daraus folgt eine empfindliche Beeinträchtigung der Stellung der Gesellschaftsgläubiger und des Fiskus, die unter der Rubrik der verdeckten Gewinnausschüttungen hin­ länglich bekannt ist. Mit diesem Befund ist eine laxere Handhabung der cor­ porate opportunities im Recht der close Corporation kaum vereinbar. Neben den finanzverfassungsrechtlichen Bedenken tritt gerade bei der close Corpo­ ration ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Die Stellung der Minderheit, die ihre Beteiligung nicht ohne weiteres über die Börse liquidieren kann, ver­ langt bei der close Corporation besondere Aufmerksamkeit. Sie muß im Falle einer rechtswirksamen Ausschlagung der Chance durch die Gesellschaft Ge­ legenheit haben, an ihrer Auswertung mitbeteiligt zu werden. Für die Stel­ lung des Verwaltungsmitglieds, das bei der close Corporation zumeist über erheblichen Anteilsbesitz verfügt, folgt daraus, daß es Bindungen sowohl der Gesellschaft als auch den Gesellschaftern gegenüber unterliegt54. Der bei der close Corporation häufige Fall, daß ein Verwaltungsmitglied oder ein Gesellschafter schon vor Gründung an einem Konkurrenzunterneh­ men beteiligt war, zwingt daher zu einer gewissen Modifizierung des Rah­ mens der fiduciary duties. In der Gründungsphase ist den Beteiligten ein ge­ wisser Freiraum für die vertragliche Lösung der Zuordnung dieser Chancen zuzugestehen55. Die Möglichkeit der Mehrfachzuordnung von Ge­ schäftschancen ist durch starre und abstrakte Organisationsregeln ex ante nicht befriedigend zu leisten56. Normalerweise gilt für Verwaltungsmitglie­ der, daß sie vermöge ihrer Treupflicht zur Gesellschaft mit ihr nicht in Wettbewerb treten dürfen. Die Corporation hat Anspruch auf Freiheit von Wettbewerb durch Personen, die ihr fiduziarisch verbunden sind57. Nimmt jedoch an einer Gesellschaftsgründung eine Person teil, die mit Wissen der übrigen Gründer an Konkurrenzunternehmen beteiligt ist, und wird sie in 53 Sehr anschaulich hierzu Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 349 ff. 54 In die gleiche Richtung Note, 43 N.Y.U.L.Rev. 187, 189 (1968). 55 Brudney/Clark (wie FN 52). Aus der Rechtsprechung Galler v. Galler, 203 N.E.2d 577, 585 (111. 1965). 56 So im Falle Burg v. Horn, 380 F.2d 897 (2d Cir. 1967). Diese Entscheidung hat einen konzemrechtlichen Kem, auf den das Gericht allerdings nicht eingegangen ist. Zur konzemrechtlichen Dimension der corporate opportunity sogleich unten 4. 57 Foley v. d'Agostino, 248 N.Y.S.2d 121, 129 (App.Div. 1964).

dem neuen Unternehmen mit Managementaufgaben betraut, so liegt darin eine zumindest stillschweigende Genehmigung der anderen Tätigkeit. Ein striktes Konkurrenzverbot besteht dann nicht. Damit ist aber nur die Tätig­ keit außerhalb der Gesellschaft autorisiert. Dem Direktor ist nicht freie Hand gegeben, wem er eine Geschäftschance zuschanzt. 4. Corporate opportunities in Konzernverbindungen

Eine besondere Bedeutung kommt der corporate opportunity-Doktrin mit ihrer ganzen Bandbreite (Vermögensbindung, Wettbewerbsverbot und Schutz von Geschäftschancen) bei den verbundenen Unternehmen zu. Das amerika­ nische Gesellschaftsrecht kennt kein eigenständig kodifiziertes Konzernrecht nach dem Vorbild der §§ 291 ff. AktG. Vielmehr bewältigt es die auftreten­ den Probleme mit den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Instrumenten, vor allem mit einem auf die Situation konzernmäßiger Unternehmenszusammen­ fassung zugeschnittenen Maßstab der Treupflichten zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft58. In konzernrechtlichen Zusammenhängen ist die Kon­ fliktlage der corporate opportunity vorprogrammiert, da die Konzernierung das abhängige Unternehmen seiner Selbständigkeit beraubt und als autono­ men Wettbewerber des herrschenden Unternehmens neutralisiert. Dies bringt es im Innenverhältnis von abhängigem und herrschendem Unternehmen mit sich, daß die Entscheidung, ob und gegebenenfalls von wem eine corporate opportunity der Tochtergesellschaft wahrzunehmen ist, gar nicht mehr von dieser gefällt wird. Eine interessante und lukrative Chance kann die Mutter­ gesellschaft kraft ihres Weisungsrechts gleich an sich ziehen und dort zum Vorteil ihrer Mitglieder ausbeuten, während die Gesellschafter der Tochter­ gesellschaft leer ausgehen. Umgekehrt darf eine weniger sichere Chance nach der Entscheidung der Mutter vom Tochterunternehmen wahrgenommen werden, bleibt damit im Gesamtunternehmensverbund, ist jedoch mit Blick auf die Gefahr ihrer Unrentabilität vom herrschenden Unternehmen abge­ schirmt. Die Konzernbildung eröffnet die Möglichkeit einer Haftungsseg­ mentierung59. Ähnliches gilt, wenn bei der close Corporation ein Verwaltungsmitglied bereits vor Gründung der Gesellschaft, um deren Chancen es geht, ein an­ deres Unternehmen in derselben Branche besaß. Die Rechtsfrage lautet hier, 58 Zum Entwicklungsstand des amerikanischen Konzemrechts Ebke, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 279 (285 ff.); Vagts, in: Druey (Hrsg.), Das St. Galler Konzemrechtsgespräch, 1988, S. 31 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 98 ff. 59 Anschaulich hierzu Walkovszky v. Carlton, 223 N.E.2d 6 (N.Y. 1966).

ob ein fiduciary sich seiner Pflichten durch den Einwand entledigen oder seine Bindungen auch nur lockern darf, daß er zum Vorteil des einen benefi­ ciary handeln und dabei den anderen benachteiligen mußte, weil beide Pflichten direkt kollidieren. Gelingt bei diesen Pflichtenkollisionen keine vertragliche Auflösung oder Vorrangbestimmung zwischen den kollidieren­ den Bindungen, etwa durch eine Prioritätendefinition oder eine quotale Zu­ ordnung von Geschäftschancen, so steht die amerikanische Rechtsprechung für Konzemsachverhalte auf dem Standpunkt, daß die Bindung gegenüber einer Corporation keinen Rechtfertigungsgrund für eine Schädigung oder eine Zurücksetzung der Interessen einer anderen abgibt60. Nicht gerecht wird man der zu bewältigenden Aufgabe durch die Annahme, daß sich die wider­ streitenden Loyalitätspflichten im Konzern zwischen Mutter- und Tochterge­ sellschaft aufheben und daraus der Verwaltung ein eigener Ermessens­ freiraum erwächst, wonach sie entscheiden kann, wessen Belange sie bevor­ zugt oder zurücksetzt61. Für die rechtliche Stellung der Verwaltung gilt vielmehr, daß es grund­ sätzlich bei den Regeln bewendet, die für die konzemunverbundene Corpora­ tion gelten. Bei der vermögensrechtlichen Zuordnung einer Erwerbschance im Konzern ist nicht auf den subjektiven Maßstab abzuheben, ob das Ver­ waltungsmitglied in bösem Glauben oder in der Absicht der Schädigung der Gesellschaft gehandelt hat. Entscheidend sind vielmehr zunächst die objek­ tiven Kriterien62. Den spezifischen Gefahren einer Konzernierung kann man mit unterschiedlichen Instrumenten begegnen. Denkbar ist ein vertraglicher Interessen- und Nachteilsausgleich zur Legitimierung der Konzemeinbezie­ hung und Fundierung der Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens nach Art eines Organschaftsvertrages63. Der vertragliche Ansatz bietet die größten Vorteile, weil er ex ante Rechtssicherheit herstellt. 60 Singer v. Carlisle, 26 N.Y.S.2d 172 (Spr.Ct. 1940), aff’d 26 N.Y.S.2d 320 (App.Div. 1941). Sehr grundsätzlich zu dieser Entscheidung Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 173. 61 In diese Richtung aber Johnston v. Greene, 121 A.2d 919 (Del. 1956). 62 Anderer Ansicht insoweit die berühmte Entscheidung Blaustein v. Pan American Petroleum, 56 N.E.2d 705 (N.Y. 1944) mit Anm. 58 Harv.L.Rev. 125 (1945). Näher zum Ganzen Mestmäcker (wie FN 60), S. 173 ff. auch mit einer Analyse der Urteile der Vorinstanzen. 63 Dies geschah in Blaustein v. Pan American Petroleum, 56 N.E.2d 705 (N.Y. 1944) in Form eines "definitive agreement", vgl. dessen Wiedergabe in 21 N.Y.S.2d 651, 671 ff. Die Minderheitsaktionäre hatten darin ihre Interessen nach zwei Seiten abgesichert: Ihre MitverwaltungsrechtG wurden gewahrt, indem sie sich ein Entsendungsrecht in den board of directors vorbehielten (Nr. 3 des Vertrages); ihre Vermögensrechte, um die es entscheidend ging, wurden dadurch abgesichert, daß ein vollintegriertes Unternehmen der petroche­ mischen Industrie entstehen sollte durch die konzemmäßige Zusammenfassung von ehedem selbständigen Gesellschaften von der Förderung, der Aufbereitung, über den Transport bis zum Absatz durch ein untemehmenseigenes Tankstellennetz. Das besondere der Konstruk-

Ist die Einbeziehung des abhängigen Unternehmens erst einmal erfolgt oder hat das herrschende Unternehmen die Chance an sich gezogen, so ist es ex post nicht mehr möglich, die Berechtigungsanteile auch nur annähernd zu rekonstruieren. Schwieriger gestalten sich die Dinge, wenn die Konzemein­ beziehung ohne vertragliche Fundierung erfolgt oder wenn der entsprechende Interessenkonflikt nicht vertraglich geregelt wird64. Die Lösung muß so aus­ sehen, daß die Verwaltung einem Schädigungsverbot gegenüber dem abhän­ gigen Unternehmen unterliegt, sofern die Schädigung nicht vollwertig komtion lag darin, daß die Beteiligten den gesamten Konzern, wiewohl aus rechtlich eigenstän­ digen Gliedern bestehend, als ein Unternehmen behandelt wissen sollten mit ex ante fixier­ ten Beteiligungsquoten der Mitglieder am konzemweit zu erwirtschaftenden Gewinn. Die Konzernierung sollte intern für die Zwecke der Rechnungslegung unter den Gesellschaftern aufgehoben sein. Auch wenn die Minderheitsgesellschafter in Blaustein ihre Klage nicht ausdrücklich auf die getroffene Abrede gestützt haben, so hat diese doch das gesamte Koope­ rationsverhältnis geprägt und war für das Verhalten der Verwaltung determinierend. Durch die Abrede kommt zum Ausdruck, was letztlich auch das zentrale Anliegen der corporate opportunity-Doktrin ist: Der Gewinn aus der Ausbeutung einer Geschäftschance soll nicht selektiv an bestimmten Personen vorbeigelenkt werden. Vielmehr ist eine Vergemeinschaf­ tung der Geschäftschance anzustreben. Die Entscheidung über die Erwerbschancen des ab­ hängigen Unternehmens war aber vom herrschenden Unternehmen und seiner Mehrheits­ gruppe mit Vorbedacht in die Konzemorganisation eingebaut worden. Dem abhängigen Unternehmen wurde es systematisch verwehrt, sich eine eigene Akquisitionsabteilung zuzu­ legen - entgegen dem Organschaftsvertrag. Statt dessen beanspruchte das herrschende Un­ ternehmen die Akquisition und Verteilung neuer Chancen. Hierdurch wurde das abhängige Unternehmen a limine seiner eigenen Geschäftschancen beraubt, weil diese schon gar nicht mehr als seine individualisierbar waren, was eindeutig gegen das definitive agreement ver­ stieß. Des weiteren mußte das abhängige Unternehmen in Ermangelung einer eigenen Ein­ kaufsorganisation beim herrschenden Unternehmen zu diktierten Preisen einkaufen. Darin lag eine weitere Gewinnverlagerung in Gestalt einer sog. Konzemumlage, vgl. hierzu die ergänzenden Sachverhaltsinformationen in 58 Harv.L. Rev. 131 ff. Aus diesen zwei Abweichungen der vereinbarten von der verwirklichten Konzemverfassung ergaben sich die Klagegründe der Minderheit, nämlich Auskehrung der corporate opportu­ nity und Schadensersatz wegen Verletzung der Treupflicht der Verwaltung des herrschenden Unternehmens gegenüber dem abhängigen Unternehmen. Der New York Court of Appeals hat die Klage letztinstanzlich abgewiesen in Verkennung des Umstandes, daß beide Ansprü­ che unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen haben. Der Schadensersatzanspruch ver­ langt Verschulden, das nicht nachweisbar war. Die Herausgabepflicht für die rechtswidrige Usurpation einer corporate opportunity verzichtet aber gerade auf jedes persönliche Vorwerfbarkeitskriterium. 64 So im Falle Burg v. Hom, 380 F.2d 897 (2d Cir. 1967), wo die Verwaltungsmitglie­ der der später gegründeten Corporation sich diese bei der Betreibung ihrer früher gegründe­ ten eigenen Unternehmen dienstbar gemacht haben. Hier kann das Verwaltungsmitglied die Pflichtverletzung gegenüber einer Corporation nicht unter Hinweis darauf rechtfertigen, daß er einer anderen gegenüber eine inhaltsgleiche Verpflichtung eingegangen ist. Aus dem Um­ stand, daß die Gründer der Darand Corporation in Burg v. Horn gewußt haben, daß das be­ klagte Verwaltungsmitglied noch eigene Konkurrenzunternehmen besaß, folgte lediglich die Aufhebung des allgemeinen Konkurrenzverbotes, beinhaltete jedoch weitergehend keine An­ eignungsgestattung hinsichtlich beliebiger Gesellschaftschancen. Aus dem Gesagten folgt erst recht, daß ein Verwaltungsmitglied die Corporation nicht partiell zur Betriebsabteilung seiner übrigen Unternehmen degradieren darf. Sich ergebende Chancen sind vom Verwal­ tungsmitglied mit der Corporation zu teilen. Wo eine Teilung durch die Natur der Sache aus­ geschlossen ist, ist eine quotenmäßige Auseinandersetzung in Geld zu suchen.

pensiert ist. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt vor der Schädigung bzw. Kon­ zernierung. Soweit die Auswertung von Chancen in Rede steht, die im Ge­ schäftszweig verbundener Unternehmen liegen, ist der Konflikt dadurch ab­ zustellen, daß ein interlocking director eine Gelegenheit für den Unterneh­ mens verbünd insgesamt wahrnimmt. Dies wahrt den fiduciary Standard in bezug auf alle Gesellschaften. Die gerechteste und praktikabelste Lösung liegt demnach in einer Aufteilung der corporate opportunity bezogen auf die kapitalquotenmäßige Beteiligung. Dies schließt aus, daß profitable Chancen anders zugeordnet werden als unprofitable65. Die Verzahnung von Aktionärsrechten und Verfahrensordnung erfährt in diesem Zusammenhang wiederum eine eindrucksvolle Bestätigung. Die vom amerikanischen Gesellschaftsrecht ausgeprägten Rechtsbehelfe des share­ holder zielen exakt auf diesen Tatbestand. Mit der double derivative suit kann der Gesellschafter die Rechte und Ansprüche einer konzemverbundenen Corporation durchsetzen, weil jede Schädigung dieser Gesellschaft zugleich seine persönliche Rechtsstellung tangiert66. Das gilt für Schadensersatzan­ sprüche gegen die Verwaltung wie für die Korrektur von Vermögensver­ schiebungen.

IV. Besonderheiten der Kostenerstattung bei der begründeten derivative suit mit Bezug auf die Verwaltung Die Verwaltung besitzt die Verfügungsgewalt über das Gesellschaftsver­ mögen. Das ermöglicht es ihr, die eigenen Kosten der Prozeßführung kurzerhand aus der Gesellschaftskasse zu bezahlen. Die Legitimationsgrund­ lage leitet man aus der Vermutung ab, daß die Führung eines Rechtsstreits mit der Verwaltungstätigkeit zusammentrifft und stets im Interesse der Ge­ sellschaft liegt.

1. Grundlagen

Dringt der Kläger mit der derivative suit durch, so hat er zwar nach der klassischen American Rule keinen verfahrensrechtlichen Kostenerstattungs­ 65 Vgl. Brudney/Clark (wie FN 52), S. 1045 ff. Eine Teilungslösung ist im Falle Young v. Columbia Oil Co., 158 S.E. 678, 685 (W.Va. 1931) demonstriert. Sie geschieht zugunsten von Gesellschaftern, denen gegenüber keine Offenlegung der Doppelbindung der Verwaltung stattgefunden hat. Entscheidend für die Bestimmung der Partizipationsquote ist der Anteilsbesitz, der auf das Gesamtunternehmen hochzurechnen ist. Zu den Zusammen­ hängen zwischen corporate opportunity-Lehre und personellen Verflechtungen (interlocking directorates) im Konzern Ebke ZGR 1990, 50 (103 ff.). 66 Zur double derivative suit bereits oben § 7 II 2 b.

anspruch nach Zivilprozeßrecht, wohl aber gewährt ihm das Gesellschafts­ recht einen solchen67. War die Klage gegen Verwaltungsmitglieder gerichtet auf Leistung von Schadensersatz wegen schlechter Geschäftsführung oder wegen Herausgabe einer corporate opportunity, so fragt sich, ob sie die Kosten ihrer Verteidigung auf die Gesellschaft abwälzen darf. Diese Proble­ matik gehört zu den umstrittensten Fragen im amerikanischen Gesellschafts­ recht. Ihre Bedeutung liegt vordergründig in der Verteilung von Verfahrens­ kosten, tatsächlich steht hierbei indes bedeutend mehr zur Diskussion: Es geht um Aufwendungen im Zusammenhang mit der Geschäftsführung und sogar in gewissem Sinne um die Tragung des Unternehmensrisikos. Das er­ hellt aus der Rechtstatsache, daß in dem Maße, in dem die Gerichte Haf­ tungsumfang und Verschuldensmaßstab erweitert haben68, die Kautelarpraxis dazu übergegangen ist, in die corporate by-laws oder in die Anstellungsver­ träge Klauseln aufzunehmen, wonach die unterlegenen Verwaltungsmitglie­ der, obwohl sie der Gesellschaft Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Amtspflichten schulden, aus dem Gesellschaftsvermögen Entschädigung für die notwendigen Kosten ihrer Rechtsverfolgung beanspruchen dürfen. Diese Praxis haben viele Jurisdiktionen inzwischen dadurch sanktioniert, daß sie entsprechende Bestimmungen in ihre Corporation Statutes aufgenommen69 und damit der alten Streitfrage, ob solche Indemnifizierungsabreden im Gesellschafts- oder Anstellungsvertrag überhaupt wirksam sind, den Boden entzogen haben. Danach zeichnet sich heute im wesentlichen die Tendenz ab, daß Freistellungs- und Erstattungsansprüche den unterlegenen Verwaltungsmitglie­ dern zugebilligt werden, sofern sie nach Treu und Glauben davon ausgehen durften, daß ihre rechtliche Verteidigung im Interesse der Gesellschaft liegt. In der Sache bedeutet dies eine Koppelung der Entschädigungsfähigkeit an den Sorgfaltsmaßstab, dem die Verwaltung unterliegt. Die Entscheidung im einen oder anderen Sinne bewegt sich auf einem schmalen Grat. Sie hat unmittelbar ordnungspolitische Auswirkungen: Auf der einen Seite soll das Risiko der Belastung mit diesen Kosten den Mitglie­ dern der Verwaltung nicht abgenommen werden, weil diese Kosten und die 67 Ausführliche Nachweise bei HENN/ALEXANDER, Corporations, 3. Aufl. 1983, § 377 (S. 1108 f., FN 6 und 7). Zu den Grundlagen schon oben §7117. 68 Besonders nach der richtungweisenden Entscheidung Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del. 1985). Die gesetzgeberische Reaktion bestand in der Einfügung von 8 Del.Code § 102(b)(7), mit welchem die Legislative das Management vor überraschenden Haftungskla­ gen schützen wollte. Einzelklagen mit anderem Inhalt - etwa Vornahme- oder Unterlas­ sungsklagen - bleiben hiervon unberührt. 69 Zum Beispiel in New York § 721 N.Y.B.C.L. Eine gute Synopse der Rechtslage in den übrigen Jurisdiktionen liefern HENN/ALEXANDER, Corporations, 3. Aufl. 1983, § 380 (S. 1121 ff.).

potentielle Haftung die Verwaltung zu der vom Gesetz verlangten sorgfäl­ tigen Amtsführung anhält. Könnte diese Kostenlast ohne weiteres auf die Ge­ sellschaft abgewälzt werden, so wäre der Anreiz zu gesetzeskonformem Ver­ halten geringer. Damit bestätigt sich, daß über die Kostenerstattung nicht allein aus der Perspektive der Rechtsbeziehung zwischen dem Verwaltungs­ mitglied und der Corporation zu entscheiden ist. Die Bestimmung der Ver­ haltens- und Sorgfaltspflichten ist im Lichte des öffentlichen Interesses zu treffen. Vertragliche Vereinbarungen müssen insbesondere vor dem ordre public Bestand haben. Für eine Indemnifizierungsabrede können auf der anderen Seite ebenfalls im öffentlichen Interesse liegende Gründe sprechen. Die Kostenerstattung durch die Gesellschaft sichert das gesetzlich verankerte Leitungsermessen der Verwaltung. Dies muß es der Verwaltung erlauben, gegen sie gerichtete An­ sprüche, die von Gesellschaftern im Namen der Gesellschaft wegen angeb­ lich falscher Geschäftsführung erhoben werden, abzuwehren und der Ver­ waltung Unabhängigkeit in ihrer Amtsführung zu geben. Eine andere Ent­ scheidung schüfe einen gefährlichen Nährboden für erpresserische Klagen. Die Verwaltung wäre in Versuchung geführt, sich vorprozessual über solche Ansprüche womöglich auf Kosten der Gesellschaft zu vergleichen, um eine Prozeßführung um jeden Preis zu vermeiden. So gesehen werden die Mit­ glieder der Verwaltung auch im Interesse der Gesellschaft tätig, wenn sie sich gegen solche Ansprüche zu verteidigen haben. Ihr unternehmerischer Entscheidungsspielraum muß erhalten bleiben und darf nicht durch eine falsche Entscheidung der Kostentragung konterkariert werden. Zu bedenken ist ferner die Auswirkung der Entscheidung auf die Bereitschaft von qualifi­ ziertem Personal, überhaupt eine Managementfunktion zu übernehmen. Zusammenfassend ergibt sich daraus: Erstattung von notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung ist statthaft, wenn das Verwaltungsmitglied die Prozeßführung nach Treu und Glauben für im Interesse der Gesellschaft erforderlich halten durfte, nicht hingegen bei groben Pflichtverstößen oder bei Veruntreuung einer corporate opportunity. Hat sich die Verwaltung einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung schuldig gemacht, so steht ihr kein Kostenersatz aus Gesellschaftsmitteln zu. Überdies erscheint erwägenswert, daß die verurteilten Beklagten - und nicht die Corporation dem obsiegenden Gesellschafter-Kläger Kostenersatz schulden nach dem Vorbild der Veranlasserhaftung in § 91 ZPO, da die Kosten der Rechtsver­ folgung Bestandteil des verursachten Gesamtschadens sind.

2. Die Indemnifizierungsregelung in New York In New York ist die Indemnifizierung von directors und officers so gere­ gelt, daß es einen Kernbestand von Fallgruppen gibt, in denen eine Freistel­ lung von Rechts wegen (mandatory indemnification, § 723 N.Y.B.C.L.) ohne Rücksicht auf den Inhalt der Satzung oder des Anstellungsvertrages existiert. Eine obligatorische Kostenerstattung findet statt, wenn das Ver­ waltungsmitglied obsiegt, weil die Klage unzulässig oder unbegründet ist. Daneben gewähren die meisten Jurisdiktionen eine Ermächtigung zur Schaf­ fung weiterer Fallgruppen erlaubter Freistellungen (permissive indemnifica­ tion) durch die Satzung, sofern dies die Grundsätze der public policy70 nicht verletzt. Die Satzung kann eine erweiterte Kostenfreistellung einführen für directors und officers sowie ihr Verfahren näher regeln. Doch hat das Ver­ waltungsmitglied keinen Rechtsanspruch auf Einfügung einer entsprechenden Satzungsklausel71. Voraussetzung des Anspruchs ist stets, daß das Verwal­ tungsmitglied in gutem Glauben und nach seiner Vorstellung zum Besten der Gesellschaft gehandelt hat, wofür es beweispflichtig ist. Wegen des ordre public-Charakters der gesetzlichen Indemnifizierungsbestimmungen kann die gesellschaftsvertragliche Regelung nicht von ihnen ab­ weichen, gleich ob dies im certificate of incorporation oder in den by-laws geschehen soll. Unberührt von der gesetzlichen Regelung der §§721 ff. N.Y.B.C.L. bleiben lediglich die Freistellungsansprüche von Angestellten ohne Managementfunktionen nach dem Arbeitsrecht. Ersatzfähig sind vernünftige Aufwendungen unter Einschluß der Rechtsanwaltskosten, die der Verwaltung in Verfolgung oder Verteidigung ihrer Rechte im Ge­ richtsverfahren oder außerprozessual entstehen, es sei denn, daß eine schuld­ hafte Pflichtverletzung festgestellt wird. Grundsätzlich vom Ersatz ausge­ nommen sind Zahlungen eines Verwaltungsmitglieds an einen Kläger als Entgelt für die Klagerücknahme, sofern diese Zahlung nicht vom Gericht ge­ billigt ist, oder eine Abfindung, die einem potentiellen Kläger dafür geboten wird, daß er keine Klage erhebt. Die Feststellung eines Freistellungstatbestands sowie die Festsetzung der Höhe der Ersatzleistung obliegt dem board of directors. Allerdings muß ein beschlußfähiges Quorum aus Personen vorhanden sein, die nicht in die kla­ 70 Zum Beispiel verlangt § 11(0 See.Act 1933, 15 U.S.C. § 77k(f), daß jeder Haft­ pflichtige, der ein falsches registration Statement unterzeichnet hat, zum Gesamtschuldaus­ gleich beiträgt. Dies schließt eine indemnification, durch die die individuelle Beitragsquote ausgeschlossen bzw. abbedungen würde, aus. Über § 1 l(f) hinaus gilt der Ausschluß der in­ demnification für alle übrigen Ansprüche, die neben dieser Haftungsgrundlage in An­ spruchskonkurrenz stehen, zum Ganzen eingehender Scott, Resurrecting Indemnification: Contribution Clauses in Underwriting Agreements, 61 N.Y.U.L.Rev. 223 (1986). 71 Tomash v. Midwest Technical Development Co., 160 N.W.2d 273 (Minn. 1968).

geveranlassenden Vorfälle verwickelt waren. Bildet sich kein Quorum, so kann ausnahmsweise auch ein befangener board eine wirksame Feststellung treffen, wenn ein unabhängiger Rechtsberater nach Prüfung der Sach- und Rechtslage in einer schriftlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis gelangt, daß das Verhalten des Antragstellers die Freistellung rechtfertigt oder wenn die Anteilseignerversammlung sein Verhalten als mit dem geforderten Ver­ haltensmaßstab in Einklang befindet (§ 723 N.Y.B.C.L.). 3. D & O Insurance Die Schwierigkeit der Einordnung, ob ein Tatbestand gesellschaftsrecht­ lich zulässiger Kostenerstattung gegeben ist, hat, noch bevor die Einzelstaa­ ten indemnification Statutes erlassen hatten, zu Versuchen geführt, die Kostentragung nach außerhalb der Gesellschaft zu verlagern. Eine externalisierte Kostentragung ist in Form einer kombinierten Rechtsschutz- und Haft­ pflichtversicherung möglich. Diese directors’ and officers’ liability (kurz: D & O) Insurance wird inzwischen auf dem amerikanischen und zunehmend auf dem europäischen Versicherungsmarkt angeboten72’73, allerdings gegen beträchtliche Prämien. Die Versicherbarkeit der Risiken schwankt von Bun­ desstaat zu Bundesstaat. Übereinstimmung herrscht darin, daß die Versicher­ barkeit des Kostenrisikos im Ergebnis nicht zur Ersatzfähigkeit von Kosten führen darf, die im Falle einer Indemnifizierung durch die Gesellschaft nicht ersatzfähig wären74, weil der gesellschaftsexterne Kostenersatz unter dem Vorbehalt seiner Verträglichkeit mit dem ordre public steht. Für eine Gleich72 In New York gilt § 726 N.Y.B.C.L.; anders in Delaware 8 Del.Code § 145(g): Delaware begünstigt auch ausgeschiedene Direktoren. Es handelt sich um eine unmittelbare gesetzgeberische Reaktion auf die Entscheidung Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del. 1985). In Delaware sind das Haftungs- und das Rechtsschutzrisiko versicherbar, selbst wenn dafür die Corporation keine Kostenfreistellung zu gewähren bräuchte. In New York erwächst der Versicherung dagegen ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Verwaltungs­ mitglied oder gegenüber der Corporation, wenn diese selbst keine Kostenerstattung zu leisten bräuchte; zum Recht von Delaware Heffernan v. Pacific Dunlop GNB Corp., 965 F.2d 369 (7th Cir. 1992). Aus dem Schrifttum VEASEY/FINKELSTEIN/BIGLER, Delaware Supports Directors with a Three-Legged Stool of Limited Liability, Indemnification, and Insurance, 42 Bus.Lawyer 399 (1987); Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, RdNr. 547; rechtsver­ gleichend Diezi, Versicherbarkeit der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit, Zürich 1982, S. 50 ff. 73 Zur Rechtslage in Deutschland U.H. SCHNEIDER/IHLAS DB 1994, 1123 mit Nach­ weisen; zum Risikoausschluß für unternehmerische Tätigkeiten in Leitungsorganen BGH VersR 1990, 191. 74 Einen deutlichen Hinweis auf die skeptische Einstellung gegenüber Haftungsfreistel­ lungsvereinbarungen enthält See.Act-Rule 461(c), 17 C.F.R. § 230.46l(c), wonach die S.E.C. das beschleunigte Wirksamwerden (acceleration) eines registration Statement verhin­ dern kann, wenn den Beteiligten Haftungserleichterungen oder -freistellung in Aussicht ge­ stellt werden.

Stellung von Versicherbarkeit und Indemnifizierung durch die Gesellschaft spricht: Aus der Sicht des Verwaltungsmitglieds soll der Druck der Haftung und der Kosten für die eigene Rechts Verteidigung spürbar bleiben. Dies ist aber nur zu erreichen, wenn diese Kosten von ihm zu bestreiten sind. Liegt dagegen ein Fall zulässiger Indemnifzierung vor, so ist es im Inte­ resse der Verwaltungsmitglieder und der Gesellschaft, daß eine D & O insurance besteht, so daß im Streitfälle das Gesellschaftsvermögen verschont bleibt. Versicherbar sind die Haftung des Verwaltungsmitglieds (Haftpflicht­ versicherung) und die Kosten für die Rechtsverteidigung (Rechtsschutz­ versicherung). Versicherungsnehmer kann die Gesellschaft sein, so daß die Versicherungsleistung an sie auszubezahlen ist, sobald sie ihr angestelltes Verwaltungsmitglied von Kosten freigestellt hat. Oder die Gesellschaft kann die Versicherung unmittelbar zugunsten ihrer Verwaltungsmitglieder ab­ schließen. Im Schadensfälle können die Verwaltungsmitglieder gleich die Ausbezahlung der Versicherungssumme an sich fordern. Üblicherweise wird der Abschluß eines Versicherungsvertrages im Anstellungsvertrag vereinbart. Fraglich ist die Zahlung der Versicherungsprämie. Wird die Alternative ge­ wählt, wonach die Versicherung unmittelbar zugunsten der Verwaltungsmit­ glieder abzuschließen ist, so ist die Wirksamkeit nur anerkannt, wenn für die Verwaltungsmitglieder wenigstens ein marginaler Eigenbeteiligungsbeitrag verbleibt. Man verlangt, daß das Verwaltungsmitglied mindestens 10% der Prämie aus eigener Tasche bezahlt und im Schadensfälle eine Selbstbeteili­ gung hinzunehmen hat. Trotz Versicherung soll die Leistungspflicht also spürbar bleiben, um die Erinnerung an die Amtspflichten stets wachzuhalten. Der Versicherer darf im Falle der Versicherung der Verwaltungsmitglie­ der diesen diejenigen Einwendungen entgegenhalten, die der Corporation selbst zustünden, würde sie auf Indemnifizierung von ihrem Verwaltungs­ mitglied in Anspruch genommen. Diese bedeutsame Einschränkung folgt aus den genannten Gründen des öffentlichen Interesses, § 726(e) N.Y.B.C.L.: Das Risiko der Verwaltungsmitglieder soll eben nur partiell versicherbar sein. Die Versicherung darf keinen Freibrief ausstellen. Wenn das Verwal­ tungsmitglied aktiv in die der Klage zugrundeliegenden Vorgänge verstrickt war oder persönlichen Nutzen aus seiner Amtspflichtsverletzung gezogen hat, ist der Versicherer nur zum Ersatz der Kosten für die rechtliche Vertei­ digung verpflichtet, nicht jedoch für eine Freistellung von der Haftung für Schadensersatz oder Herausgabe des rechtswidrig Erlangten. Nicht ersatzfä­ hig ist aus den genannten Gründen die Ersatzhaftung wegen rechtswidrig von Mitgliedern der Verwaltung erzielter short swing profits nach § 16(b) Sec.Exch.Act 193475. Schließt die Gesellschaft eine D & O insurance ab, so 75 15 U.S.C. § 78p(b).

löst dies schließlich eine besondere Publizitätspflicht aus: In einem separaten Bericht an ihre Aktionäre muß die Gesellschaft in New York nach § 726(d) N.Y.B.C.L. Rechenschaft ablegen über die wesentlichen Bestimmungen des Versicherungsvertrages, einschließlich der Versicherungsprämie, den begün­ stigten Personenkreis, jeden Schadensfall sowie die erfolgten Leistungen des Versicherers76.

76 Ein Mustervertrag findet sich bei HENN/ALEXANDER, S. 1291 ff.

Corporations, 3. Aufl. 1983,

§ 9 Der besondere Verfahrensrahmen der derivative suit Die Shareholders’ derivative suit weist einige prozessuale Besonderheiten auf, durch die sie sich vom herkömmlichen kontradiktorischen Zweiparteien­ zivilverfahren abhebt. Diese resultieren aus der Eigenart der Stellung des Klägers sowie aus der der Gesellschaft zugewiesenen Parteirolle. Diese wie­ derum sind durch das Rechtsschutzziel der derivative suit bedingt: Das Ein­ zelklagerecht des Gesellschafters dient einmal der Gewährung von Indivi­ dualrechtsschutz, d.h. der Abwehr von Beeinträchtigungen seiner mitgliedschaftlichen Stellung. Gleichzeitig ermöglicht die derivative suit die Durchsetzung einer gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung der Gesell­ schaft. Insoweit trägt das Verfahren objektivrechtliche Züge, da nicht nur zwischen den Parteien des Prozeßrechtsverhältnisses, sondern auch unter al­ len übrigen Beteiligten des Gesellschaftsverhältnisses eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung zu klären ist. Daraus folgt, daß auf Verfahren mit ei­ nem eher statusklärenden Charakter die allgemeinen Verfahrensmaximen des herkömmlichen Zweiparteienzivilprozesses nicht unbesehen übertragbar sind. Einer Neuorientierung bedarf insbesondere die Bestimmung der Urteils­ rechtskraft, und ihr noch vorgelagert die Herrschaft der Parteien über den Streitgegenstand. Mit dem zulässigen Maß der Einwirkung auf den Streit­ gegenstand einher geht die Frage, ob es weiterhin im Belieben der Parteien stehen kann, ihren Streit alternativ vor einem Schiedsgericht auszutragen. Die Antwort auf alle diese Fragen steht im Zeichen des Doppelcharakters der derivative suit als Instrument zur Wahrung privater Vermögensinteressen und der privatrechtlichen Legalitätsaufsicht über die Corporation. Diese zweite Komponente erweitert das Verfahren um Gesichtspunkte, die nicht zur beliebigen Disposition der Prozeßparteien stehen und einen konkreten Niederschlag im Verfahren finden müssen.

I. Streitgegenstand und Parteiherrschaft Bei der Shareholders' derivative suit ist die Dispositionsbefugnis der Par­ teien über den Streitgegenstand erheblich enger als in gewöhnlichen Zivil­ prozessen, in denen es allein um die Durchsetzung von subjektiven Rechten der Parteien geht. War es ursprünglich noch so, daß bei der derivative suit

der Gesellschafter-Kläger der alleinige Herr des Verfahrens war1, so ist heute die Mehrheit der Bundesstaaten hiervon aus gutem Grund abgerückt2. Die besonderen Verfahrensmaximen der derivative suit bestehen darin, daß der Prozeß nicht mit verfahrensbeendender Wirkung unterbrochen, durch Vergleich abgeschlossen oder die Klage zurückgenommen werden kann, es sei denn, daß das Prozeßgericht dies genehmigt3. Dem Gericht ist damit die Aufgabe einer umfassenden Streitentscheidung zugewiesen. In jedem Sta­ dium des Verfahrens hat es die Parteihandlungen sorgfältig daraufhin zu prü­ fen, ob sie auch die Interessen der übrigen Betroffenen wahren, die zwar Beteiligte des Gesellschafts-, nicht aber des Prozeßrechtsverhältnisses sind. Die gerichtliche Prüfung garantiert damit mittelbar die Legalitätskontrolle. Dieses Bemühen, der Billigkeit durch Rechtssätze des materiellen Rechts wie durch ein entsprechendes Verfahren zum Durchbruch zu verhelfen, ist ein stilprägendes Merkmal der equity-Rechtsprechung. Die Überwachung der Parteihandlungen durch das Gericht bedeutet je­ doch andererseits keinen Übergang zum Amtsverfahren mit Inquisitions­ maxime, in dem die Parteien allenfalls noch für die Ingangsetzung des Ver­ fahrens verantwortlich wären. Der alleinigen Bestimmung der Parteien ent­ zogen ist die Entscheidung über die Klagerücknahme sowie eine gerichtliche oder außergerichtliche vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits. Im Vor­ dergrund dieser rechtspolitischen Entscheidung steht aber nicht so sehr die gerichtliche Kontrolle der Parteihandlungen, als vielmehr der Schutz des prozessualen Anspruchs, der ausschließlich der Gesellschaft zusteht. Dies verbietet alle Einwirkungen, die sich materiellrechtlich als Vertrag zu Lasten Dritter darstellen. Vor diesem Hintergrund reicht die gesetzliche Regelung der gerichtlichen Genehmigung bestimmter Prozeßhandlungen nicht aus, das gesteckte Ziel wirksam zu erreichen. Indem die Regelung an reine Prozeß­ handlungen anknüpft, lädt sie die Beteiligten unwillkürlich zu außerprozes­ sualen Umgehungen ein. Das Umgehungspotential wird leicht sichtbar, wenn man sich vor Augen führt, daß der Prozeßerfolg durch eine bewußt schlechte Prozeßführung ebenso hintertrieben werden kann wie durch eine Klagerück­ nahme oder einen unsachgemäßen Vergleich. Gegen derartige Manipula­ 1 Die ältere Rechtsprechung hatte den Kläger tatsächlich noch als unumschränkten Herm des Streitgegenstandes der derivative suit behandelt, vgl. In re Klein*s Outlet, 48 F.Supp. 416 (S.D.N.Y. 1942). Ausdruck dieser älteren Ansicht, wonach der Kläger in sei­ ner Dispositionsbefugnis nicht beschränkt war, ist bis heute die Auffassung in einer Minder­ zahl von Jurisdiktionen, wonach sich der Kläger über seinen individuellen Schaden verglei­ chen darf, näher 13 Fletcher, Cyclopedia of The Law of Private Corporations, §§ 6019 ff. (1991). 2 Diese Auffassung entspricht heute der herrschenden Ansicht, umfassende Nachweise bei 13 Fletcher (wie FN 1), § 6020. 3 Siehe nur Rule 23.1 F.R.Civ.P.; § 626(d) N.Y.B.C.L.

tionen bietet das Prozeßrecht dem Gericht keine Handhabe. Die einge­ schränkte Herrschaft der Parteien über den Verfahrensablauf bewirkt keine Verfahrensdurchführung durch eine staatliche Instanz, wenn sie ihre Aufgabe nicht gehörig erfüllen. Die derivative suit bleibt mit diesen aus der Natur der Sache erklärbaren Maßgaben dem Zivilverfahrensrecht zugeordnet. Fällt nach Klageerhebung eine notwendige Prozeß Voraussetzung weg, so ist die Klage, selbst wenn sie begründet wäre, abzuweisen4. Trotz der Notwendig­ keit einer gerichtlichen Bestätigung (court approval) eines Vergleichs oder einer Klagerücknahme verbleiben den Parteien vielfältige Möglichkeiten, sich einer unliebsam gewordenen Klage zu entledigen. Insbesondere ist an die Veräußerung der Aktien des Klägers zu erinnern. Kommt es dazu, ent­ fällt das Erfordernis der contemporaneous stock ownership. Der Kläger steht der Corporation solchenfalls wie ein Fremder gegenüber und verliert die Ein­ zelklagebefugnis (standing)5. Die Überlegung verdeutlicht, wie kurzsichtig es ist, nur auf die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten einer Einwirkung auf den Klageanspruch abzustellen6. Die Veräußerung der Anteile geschieht häu­ fig im Einvernehmen mit der beklagten Corporation - an diese selbst oder an einen Dritten - und erfüllt zumindest bei wirtschaftlicher Betrachtungs­ weise den Tatbestand einer Klagerücknahme. Gleichwohl behandelt das Ge­ setz die Anteilsveräußerung nicht als genehmigungsbedürftige Parteihand­ lung, obwohl in ihr eine besonders intensive Einwirkung auf die Durchset­ zung des prozessualen Anspruchs liegt7. Der rechtspolitische Hintergrund für die Einbeziehung des Gerichts in die Prüfung von Parteihandlungen, die auf einen vorzeitigen Verfahrensabbruch ohne Sachurteil abzielen, erklärt sich aus dem der derivative suit immanen­ ten Mißbrauchspotential. Immer wieder ist es vorgekommen, daß der Kläger 4 Dies gilt etwa für das Erfordernis der contemporaneous stock ownership. 5 Independent Investor Protective League v. Time, Inc., 406 N.E.2d 486, rearg.den. 410N.E.2d760 (N.Y. 1980). 6 In Deutschland ist die gebräuchlichste Form der vergleichsweisen Beendigung der aktienrechtlichen Beschlußanfechtungsklage der Verkauf der Aktien des Klägers an die Ge­ sellschaft. Nach der neueren Rechtsprechung wirft dies die Frage nach einem Rechtsmiß­ brauch des Anfechtungsrechts auf, vgl. BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler". Ansonsten wird die Verzichts- und Vergleichsbefugnis in Deutschland kaum problematisiert; ansatzweise Robert Fischer Anm. zu BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937. Eingehend zum ganzen Problemfeld unten § 21. 7 Die Umgehung des court approval nach § 626(d) N.Y.B.C.L. oder Rule 23.1 F.R.Civ.P. wäre durch ein Verfügungsverbot wie in §§ 135, 136 BGB abzustellen. Dieses hätte wenigstens eine Aktie zu erfassen, so daß der Kläger contemporaneous shareholder bleibt. Die Verhängung eines Verfügungsverbots erscheint gerechtfertigt, weil sich der Klä­ ger wissentlich und willentlich in seine Rolle begeben hat. Alternativ wäre in Erwägung zu ziehen, der S.E.C. als Vertreterin des öffentlichen Interesses eine Klagebefugnis wenigstens in dem Sinne einzuräumen, daß sie eine begonnene und erfolgversprechende Klage aufneh­ men und zu Ende führen darf.

diesen Rechtsbehelf nicht zur Wahrung der Rechte der Corporation einsetzt, sondern das Klagerecht kommerzialisiert und zweckentfremdet, indem er sich von dritter Seite oder von der Corporation auskaufen läßt. Diese sog. strike suit8 bedeutet eine Perversion des in der Klage liegenden Gerechtig­ keitsanliegens. Die in diesem Sinne mißbräuchliche derivative suit hat das ganze Rechtsinstitut in Verruf gebracht und Wasser auf die Mühlen ihrer Gegner geleitet. Die gerichtliche Aufsicht, der der Kläger permanent unter­ steht, ist die notwendige Kehrseite seiner Rechtsstellung: er nimmt die Posi­ tion eines trustee ein, und so wie dieser im allgemeinen unter der Aufsicht des Surrogate's court steht, unterliegt der Gesellschafter-Kläger der Aufsicht des Prozeßgerichts. In seiner Amtsführung unterwirft ihn das Recht densel­ ben Bindungen, denen andernfalls ein verfassungsmäßig berufener Vertreter unterliegen würde. Auch wenn die Corporation den Anspruch durch Ableh­ nung der Klageerhebung von sich gewiesen hat, scheidet dieser — anders als bei einer wirksam ausgeschlagenen corporate opportunity9 - nicht aus dem Gesellschaftsvermögen aus, sondern ist für diese nach wie vor in trust zu verwalten. Damit wäre es unvereinbar, wenn ihn der Kläger infolge eines Sinneswandels seinen privaten Interessen dienstbar machen dürfte. Die Bindung des Anspruchs ist allumfassend und reicht über das prozes­ suale Streitverhältnis hinaus. Das äußert sich vor allem bei der rechtlichen Behandlung jedweder Art von Abfindungszahlungen an den Kläger als Gegenleistung für ein bestimmtes prozessuales Verhalten. Sämtliche Surro­ gate oder Quasi-Surrogate gebühren stets der Gesellschaft, nicht dem Gesell­ schafter10 ganz gleich, ob das Gericht eine Prozeßhandlung genehmigt hat oder nicht. Der Kläger soll a priori keinen Anreiz haben, Profit aus seiner gemeinnützigen Amtsstellung zu schlagen oder seinen Auftrag zu verraten. Die Abfindungszahlung an den Kläger gegen Preisgabe seines Klagerechts ist an die Gesellschaft herauszugeben. Ein geheimer Vergleich (secret Settle­ ment), d.h., ein ohne Billigung des Gerichts geschlossener Vertrag über die Rücknahme der Klage, ist unwirksam und beendet das Verfahren nicht11. Insbesondere vermag ein solcher Vergleich andere Verfahrensbeteiligte nicht

8 Sehr instruktiv zum funktionalen Zusammenhang zwischen der Abwehr rechtsmiß­ bräuchlicher Klagen (strike suits) und dem court approval Amdur v. Lizars, 372 F.2d 103 (4th Cir. 1967) für das Recht von Maryland, das insoweit der Rechtslage in New York und in anderen Staaten entspricht. 9 Dazu schon oben § 8 III. 10 Grundlegend Clarke v. Greenberg, 71 N.E.2d 443, 169 A.L.R. 944 (N.Y. 1947). Dazu Note, 33 Va.L.Rev. 512 (1947). 11 Nur ein gerichtlich bestätigter Vergleich hat verfahrensbeendigende Wirkung. Secret Settlements sind dagegen nach Prozeßrecht und nach matriellem Recht nichtig, Whitten v. Dabney, 154 P. 312, 316 (Cal. 1915).

zu präjudizieren12’13. Das rechtstechnische Mittel zur Bindung der Gegenlei­ stung für eine Prozeßhandlung des Klägers an die Gesellschaft ist im anglo­ amerikanischen Recht der constructive trust14, mit dem die Rechtsprechung jede Zuwendung an den Kläger belegt. Die Abfindungsleistung erfährt damit eine der corporate opportunity und der Kontrollprämie ähnliche Einstufung hinsichtlich der Fixierung ihres Zuweisungsgehalts15. Nach den einschlägigen Bestimmungen im Gesellschafts- oder Verfah­ rensrecht vieler Einzelstaaten ist nach Eintritt der Rechtshängigkeit eine Kla­ gerücknahme nur noch mit Einwilligung des Gerichts möglich. Ebenso be­ darf ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleich über den Anspruch der Corporation einer Bestätigung durch das Gericht (court approval)16. Da­ mit werden zwei Rechtsinstitute des Prozeßrechts gleichbehandelt, die jedoch bei näherem Zusehen ganz erhebliche Unterschiede aufweisen. Gemeinsam ist beiden ihre verfahrensbeendende Wirkung, doch unterscheiden sich die sekundären Rechtsfolgen beträchtlich. Die Klagerücknahme (voluntary dis­ missal) beendet zwar das anhängige Verfahren, d.h. sie beseitigt die Rechts­ 12 Unklar bleibt die Behandlung derjenigen Fälle, in denen der Kläger seine Aktien ver­ kauft. Soweit ersichtlich hat noch kein Gericht entschieden, den gesamten Kaufpreis zugun­ sten der Gesellschaften für verfallen zu erklären unter Berufung auf die in Clarke v. Green­ berg, 71 N.E.2d 443 (N.Y. 1947) ausgesprochenen Grundsätze. Der Auskauf des Klägers durch Übernahme seiner Aktien eröffnet die Möglichkeit, das Bestechungsgeld unter dem Deckmantel der Kaufpreiszahlung zu gewähren, so daß es beschlagnahmesicher erscheint. Die Lösung sollte einstweilen so aussehen, daß die Differenz zwischen Börsenkurs oder ge­ meinem Anteilswert und gezahltem Preis je Aktie vom Gesellschafter-Kläger in trust für die Corporation gehalten wird und in der Folge an die Gesellschaft abzuführen ist. Dies wäre eine Kombination der Rechtsprechung zur Kontrollprämie mit Clarke v. Greenberg. 13 Zur Behandlung des Klägers im Verfahren der derivative suit als fiduciary der Gesell­ schaft eingehend 13 Fletcher, Cyclopedia of The law of Private Corporations, §§ 6020 ff. (1991) mit umfassenden Nachweisen aus der Rechtsprechung. Der court approval ist zu ver­ sagen, wenn die repräsentative Prozeßführung nicht ordnungsgemäß erfolgt, vgl. Lewis v. Hirsch, Fed.See.L.Rep. (CCH) [1994-95 Transfer Binder] 1 98,382 (Del.Ch. 1994). 14 Zur Figur des constructive oder resulting trust Kötz, Trust und Treuhand, 1963, S. 76 ff. 15 Im deutschen Recht gibt es keine unmittelbare Parallele zum constructive trust. Es existiert keine dogmatische Kategorie zur gesonderten Erfassung der rechtlich verselbstän­ digten Vermögensmasse. Eine funktional vergleichbare Rolle kommt der dinglichen Surrogation (etwa § 2041 BGB) oder der cessio legis und in schwächerer Form - weil der Gläu­ biger auf die mit dem vollen Insolvenzrisiko belastete Mitwirkung des Herausgabeschuldners (Abgabe der Abtretungserklärung) angewiesen bleibt - der obligatorischen Surrogation (§§ 816, 281 BGB) sowie ferner dem beneficium cedendarum actionum (§ 255 BGB) zu. Die deutsche Rechtsprechung bindet die für eine ausgekaufte Anfechtungsklage empfangene Leistung über § 62 AktG an die Gesellschaft. Dazu noch näher unten § 21 IV 2. 16 Siehe nur § 626(d) N.Y.B.C.L. oder Rule 23.1 F.R.Civ.P. Zum Teil ist der court approval Bestandteil der Korporationsgesetzgebung (§ 626 N.Y.B.C.L.), zum Teil ist er im Verfahrensrecht enthalten (Rule 23.1 Delaware Chancery Court Rules). Unabhängig von der kodifikatorischen Behandlung scheint unter den Gerichten Einigkeit zu herrschen, daß die gerichtliche Bestätigung zum materiellen Gesellschaftsrecht gehört und nicht zum Verfah­ rensrecht. Maßgebend ist daher das Gesellschaftsstatut und nicht die lex fori.

hängigkeit, hindert aber einen anderen klagewilligen Gesellschafter prozes­ sual nicht, erneut eine Klage zu erheben. Die Shareholders’ derivative suit kennt keine von Amts wegen zu berücksichtigende Klagepräklusionsfrist nach dem Vorbild von.§ 246 Abs. 1 AktG. Eine erneute Klage bleibt inner­ halb der Verjährungsfrist des durchzusetzenden Anspruchs möglich. Die Klagerücknahme ist prozessual dadurch gekennzeichnet, daß die zurückge­ nommene Klage als nie erhoben gilt und der Kläger für die Kosten ohne Er­ stattungsanspruch haftet17. Eine erneute Klageerhebung mit demselben Kla­ gegrund bleibt sowohl für den früheren als auch für andere Kläger möglich. Hierin unterscheidet sich die Klagerücknahme vom Prozeßvergleich grund­ legend. Der wirksame Prozeß vergleich verfügt grundsätzlich endgültig über den prozessualen Anspruch der Gesellschaft als Substrat der derivative suit18. Geht es bei der Überwachung der Klagerücknahme darum, Zahlungen an den Kläger zu kanalisieren, so hat die gerichtliche Bestätigung eines Ver­ gleichs andererseits damit zu tun, die endgültige Einwirkung auf den An­ spruch im Interesse der Gesellschaft und der nichtverfahrensbeteiligten Ge­ sellschafter einer Fairnesskontrolle zu unterwerfen. Darüber hinaus ist zu verhindern, daß die in der derivative suit liegende Legalitätsaufsicht nicht zu leicht abgeschüttelt werden darf. Die nicht am Verfahren beteiligten Gesell­ schafter sind an den Vergleich, der eine derivative suit beenden soll, gebun­ den, wenn ihnen das Vergleichsangebot entweder förmlich zugestellt wird oder wenn sie in sonstiger Weise angemessen unterrichtet werden, die Ver­ tretung der Gesellschafter als Klasse den Grundregeln einer adäquaten Re­ präsentation entspricht und ihren Belangen gerecht werden kann19. Durch den letztgenannten Gesichtspunkt wird der mehrfache Repräsenta­ tionscharakter der derivative suit unterstrichen, der den besonderen Verfah­ rensrahmen dieses Klagetypus’ erklärt. Sie ist Klage aus dem abgeleiteten Recht der Gesellschaft, was dem Kläger besondere Bindungen gegenüber dieser auferlegt. Sie ist weiterhin Repräsentionsklage für die Klasse aller Ge­

17 Zur Klagerücknahme FRIEDENTHAL/KANE/MILLER, Civil Procedure, 2. Aufl. 1993, §9.5 (S. 451 ff.); Davis v. McLaughlin, 326 F.2d 881 (9th Cir. 1964), cert.den. 379 U.S. 833 (1964) mit Nachweisen. Die Klage ist rücknehmbar bis zu den in Rule 41(a) und (b) F.R.Civ.P. näher bezeichneten prozessualen Ereignissen, jedoch muß der Kläger grund­ sätzlich die Prozeßkosten tragen, Cone v. West Virginia Pulp & Paper Co., 330 U.S. 212, 67 S.Ct. 752, 755 (1947). Die Klage kann erneut erhoben werden, wenn die Rücknahme "without prejudice” erfolgt ist. Für den Fall der erneut erhobenen Klage mit identischem Streitgegenstand setzt das Gericht die Verhandlung im neuen Prozeß solange aus, bis der Kläger die Kosten des ersten Prozesses vollständig bezahlt hat, Rule 41(e) F.R.Civ.P. 18 Zum Ganzen 19 AmJur 2d, Corporations, § 2474 (1986); Smith v. Alleghany Corp., 394 F.2d 381 (2d Cir. 1968), cert.den. 393 U.S. 939 (1968). 19 Geller v. Tabas, 462 A.2d 1078 (Del. 1983). Diese Merkmale unterstreichen die Af­ finität der derivative suit zur dass action, siehe oben § 7 I 3.

sellschafter20. Daher ist für ihr rechtliches Gehör im Verfahren besondere Vorsorge zu treffen20 21, etwa indem ihnen Gelegenheit geboten wird, sich dem Verfahren als streitgenössische Nebenintervenienten anzuschließen, wenn der Vergleichsvorschlag unzureichend ist. Interventionsbefugt ist jeder Gesell­ schafter, der berechtigt wäre, die Klage eigenständig zu erheben, also insbe­ sondere das contemporaneous share ownership-Erfordnis erfüllt22. Insgesamt läßt sich festhalten, daß die Zustimmungsvorbehalte in § 626(d) N.Y.B.C.L. oder Rule 23.1 F.R.Civ.P. eine im Grundsatz verhältnismäßige Reaktion auf die vorhandenen Mißbrauchsmöglichkeiten darstellen. Die Ein­ schränkung der Parteiherrschaft über den Verfahrensablauf ist aber nur eine denkbare Antwort, die den Umstand würdigt, daß der klassische, auf dem kontradiktorischen Streitmodell basierende Zivilprozeß nicht die in jeder Hinsicht ideale Paßform für die prozessuale Durchsetzung des Anspruchs ist. Die derivative suit ist der Paradefall einer repräsentativen Rechtsdurchset­ zung bei der Corporation. Die überschießende Rechtsmacht, die dem Aktio­ när durch diesen Rechtsbehelf zufällt, ist fiduziarisch zu begrenzen, und diese Bindung verlangt nach prozessualen Flankierungen. Alle verfahrens­ rechtlichen Abhilfemaßnahmen müssen aber unvollkommen bleiben, soweit sie nur an eine Klagerücknahme oder an einen Vergleich im technischen Sinne anknüpfen. Es ist vielmehr erforderlich, das Augenmerk auf die Sub­ stanz von Handlungen, die auf den Streitgegenstand einwirken, zu lenken. Unterlassene Beweisantritte, Nichtvorbringen von Angriffs- oder Verteidi­ gungsmitteln, Säumnis oder Nichtgebrauchmachen von Rechtsmitteln können in der Sache wie die Rücknahme oder das Nichtbetreiben einer erhobenen Klage wirken, ohne daß das Gericht hiergegen ein Recht zum Einschreiten hätte. Damit erhebt sich die Frage, ob für die derivative suit nicht überhaupt ein Amtsverfahren zu fordern ist, um eine umfassende Überwachung des Vertreters jenseits aller Prozeßhandlungen zu erreichen. Das reine Amtsver­ fahren durch eine neutrale gesellschaftsexteme Instanz, für die bei der Rechtsverfolgung keine eigenen Interessen auf dem Spiel stehen, würde an­ dererseits der Schwierigkeit begegnen, die Trägheitskräfte, die man in jeder Bürokratie vorfindet, wirksam bekämpfen zu müssen. Das Gesetz macht sich die Antriebskräfte des eigenen Interesses des Klägers bewußt zunutze. Dann 20 Daß die derivative suit ebenso Repräsentativklage zugunsten der Gesellschaftsgläubi­ ger ist, wird in den USA regelmäßig vernachlässigt. Vereinfachend kann man sagen, daß alles, was dem Wohl der Gesellschaft dient, auch für die Gesellschaftsgläubiger von Vorteil ist. 21 Chickering v. Giles, 270 A.2d 373 (Del.Ch. 1970) unter Bezugnahme auf Rule 23.1 der Delaware Court of Chancery Rules, die in groben Zügen die in Rule 23.1 F.R.Civ.P. getroffene Regelung übernimmt. 22 Vgl. Rule 24 F.R.Civ.P. für das Verfahren vor den Bundesgerichten.

sollte es andererseits auch möglich sein, dieses Eigeninteresse so im Zaume zu halten, daß es den Kontrollauftrag nicht gefährdet. Die Position des Klä­ gers ist treffend umschrieben in Anlehnung an die Stellung eines Vormunds oder Pflegers, der für eine nicht handlungsfähige Person23 auftritt24. Er un­ tersteht der fortwährenden Aufsicht des Gerichts. Die Schwierigkeiten einer genauen Grenzziehung zwischen einem Verfah­ ren mit limitierter Parteiherrschaft unter Aufsicht des Gerichts und einem echtem Amtsverfahren kehren bei der Bestimmung von Umfang und Inhalt der gerichtlichen Zustimmung zu einer Klagerücknahme oder zu einem Ver­ gleich unversehens wieder. Das Prozeßgericht, bei dem die Shareholders’ de­ rivative suit anhängig ist, darf seine Zustimmung nach pflichtgemäßer Er­ messensprüfung nur erteilen, sofern die Prozeßhandlung die Interessen aller Beteiligten abgewogen und angemessen berücksichtigt und über den Ver­ dacht der Manipulation oder des arglistigen Zusammenwirkens zu Lasten ei­ nes Dritten erhaben ist25. Das Gericht hat insbesondere die mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Klage gegen den Vergleichsvorschlag abzuwägen. Da­ bei prüft es die Tragfähigkeit des Beweismaterials und den voraussichtlichen Kostenaufwand eines Verfahrens mit einer vollen Beweisaufnahme26. Genügt der Vergleich in einem Punkt den Fairnessanforderungen nicht oder leidet er an einem sonstigen Mangel, so muß das Gericht auf eine Nachbesserung dringen oder die Bestätigung versagen. Hierbei findet keineswegs nur eine kursorische Prüfung statt, sondern eine volle Sachprüfung, wobei das ge­ samte Vergleichspaket auf dem Prüfstand steht. Die Entscheidung des Ge­ richts besteht in der Billigung oder Verwerfung des Vergleichsvorschlags; dagegen kann das Gericht nicht von sich aus einen Vergleich diktieren oder die Parteien zu Ergänzungen zwingen27. Der Richtungsstreit zwischen Amts- und Parteiverfahren gewinnt schließ­ lich praktische Relevanz für die gerichtliche Entscheidung über die Zustim­ mung. Hier stehen sich zwei Strömungen gegenüber hinsichtlich der Reich­ weite der gerichtlichen Prüfungsbefugnis28. Die Kontroverse weist eine ge­ 23 Cohen v. Beneflcial IndustrialLoan Corp., 337 U.S. 541, 69 S.Ct. 1221 (1949). 24 13 Fletcher, Cyclopedia of The Law of Private Corporations, § 6020 (1991) mit weiterer Literatur. 25 Cohen v. Young, 127 F.2d 721 (6th Cir. 1942); noch ausführlicher 26 A.L.R.Fed. 465 ff. (1976). 26 Einzelheiten bei 19 AmJur 2d, Corporations, §§ 2452, 2453 (1986) mit Nachweisen. 27 Levenson v. American Laser Corp., 438 So.2d 179 (Fla.Spr.Ct. 1983). 28 Sehr umstritten ist, inwieweit das Gericht von sich aus befugt ist, weitere Nachfor­ schungen hinsichtlich des Umfeldes des Vergleiches sowie der Vergleichs Verhandlungen an­ zustellen, sehr illustrativ hierzu Webster Eisenlohr v. Kalodner, 145 F.2d 316 (3rd Cir. 1944), cert.den 325 U.S. 867 (1944) mit abweichender Meinung von Richter Biggs (145 F.2d 320), wo der Widerstreit der rivalisierenden Prozeßmaximen bei der Handhabung des

wisse Parallele auf zu der Streitfrage der gerichtlichen Überprüfung von Ent­ scheidungen der special litigation committees vor der Klageerhebung29. Nach der ganz überwiegenden Auffassung ist der gerichtliche Billigungs­ vorbehalt auf eine Überprüfung des Ermessens der vertragsschließenden Parteien beschränkt. Das Gericht darf darüber hinaus keine eigenen Ermessenserwägungen anstellen. Haben die vergleichswilligen Parteien sich auf eine faire und angemessene Streitbeilegung verständigt, so hat das Gericht nach der Mehrheitsmeinung den Vergleich zu bestätigen. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung30. Die Gegenposition wird namentlich von den Gerichten in Delaware praktiziert. Danach ist das Gericht nicht an die Ermessenserwägungen der Parteien gebunden und darf seine eigene Entscheidung an die Stelle des Urteils der Parteien setzen. Es prüft nicht nur die Rechtmäßigkeit sondern bezieht die Zweckmäßigkeit des Vergleichs­ inhalts angesichts der Prozeßsituation und der Obsiegenschancen mit ein31. Die richtige Entscheidung der Streitfrage wird durch die Einsicht vermittelt, daß der gerichtlichen Zustimmungsentscheidung ein gesondertes Verfahren im Rahmen der derivative suit vorausgeht. Die meisten Jurisdiktionen statten das Gericht hierbei mit einem eigenen Ermessensspielraum aus, wobei der Zustimmungserfordernisses voll zum Ausbruch gekommen ist. In diesem Falle hatte das Ge­ richt für seine Zustimmungsentscheidung über den Vergleich angeordnet, daß ein gericht­ licher Prüfer (master of the court) bestellt wurde, der den Auftrag hatte, zu untersuchen, ob sich die Verwaltung der beklagten Corporation bei der Unterbreitung ihres Vergleichsange­ botes eines Verstoßes gegen Rule 10b-5 schuldig gemacht hatte. Die Aktionäre, die die Shareholders’ derivative suit in Gang gebracht hatten, hatten zwischenzeitlich und vor An­ ordnung dieser Prüfung den Vergleich akzeptiert und ihre Aktien verkauft. Trotzdem sollte das Verfahren gegen die Gesellschaft fortgesetzt werden. Die Mehrheitsmeinung in Webster Eisenlohr v. Kalodner hat die Sonderprüfungsverfügung der Vorinstanz aufgehoben, weil das Ausgangsverfahren keinen Kläger mehr habe und nicht mehr kontradiktorisch sei. Es liege daher kein konkretes Streitverhältnis vor; vielmehr habe sich das Erstgericht inquisito­ rische und administrative Befugnisse angemaßt, die in den Aufgabenbereich der S.E.C. fie­ len. Dem hält die abweichende Ansicht von Richter Biggs entgegen, daß die angeordnete Nachforschung von der Aufklärungspflicht des Gerichts grundsätzlich gedeckt sei, weil die Erteilung der Zustimmung zum Vergleich tatsächlich den Charakter eines echten Amts ver­ fahrens im Rahmen der derivative suit als kontradiktorischer Verfahrensart trage. Es handelt sich also in Wahrheit um zwei Verfahren. Das Inzidentverfahren muß deshalb nicht densel­ ben Prozeßmaximen folgen wie die derivative suit des Ausgangsverfahrens. Die Einräumung dieser Anordnungsinitiative erscheint vom Telos der Rule 23.1 F.R.Civ.P. und § 626(d) N.Y.B.C.L. gedeckt; sie bezweckt den Schutz der beneficiaries. Das für die Erteilung der Zustimmung zuständige Gericht kann seinem Prüfungsauftrag daher nur gerecht werden, wenn ihm ein eigenständiges Informationsrecht zugestanden wird, welches über das von den Parteien unterbreitete Tatsachenmaterial hinausreicht. Diesem Prüfungsauftrag kann des­ wegen nicht der Boden entzogen werden, indem die Parteien den Rechtsstreit übereinstim­ mend für erledigt erklären. 29 Siehe oben § 7 II 6. 30 Trainor v. Berner, 334 F.Supp. 1143 (S.D.N.Y. 1971). 31 Neponsit Investment Co. v. Abramson, 405 A.2d 97 (Del. 1979). Nach dem in Delawäre geltenden Recht hat das Gericht das business judgment der Verwaltung inhaltlich nach­ zuvollziehen, vgl. Zapata Corp. v. Maldonado, 430 A.2d 779 (Del. 1981).

direkte Einfluß der Parteien zurückgedrängt ist32. In der gerichtlichen Bestätigung eines Vergleichs oder einer Klagerücknahme liegt keine streitige Sachentscheidung; sie ist vielmehr eine rechtsfürsorgliche Maßnahme zum Schutze der nichtstreitbeteiligten Parteien33, vergleichbar etwa den nichtstreitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit des deutschen Rechts.

II. Die Urteilsrechtskraft Das Endurteil in einem derivative suit-Verfahren, welches kein reines Prozeßurteil ist und über die Begründetheit der Klage entscheidet, bindet hinsichtlich seiner Rechtskraft sämtliche Gesellschafter - unter Einschluß der nicht am Prozeßrechtsverhältnis beteiligten -, die Corporation und alle Mitglieder ihrer Verwaltung, sofern der Kläger ein geeigneter Repräsentant von Gesellschaft und Mitgesellschaftern war und den übrigen Gesellschaftern rechtliches Gehör nach den Bestimmungen der einschlägigen Prozeßordnung gewährt wurde. Die rechtskräftige Entscheidung hindert die gebundenen Parteien daran, eine erneute Klage mit identischem Streitgegenstand34 zu er­ heben35. Komplizierter liegen die Dinge im Falle der Abweisung der derivative suit. Hier ist in Erinnerung zu rufen, daß die derivative suit tatsächlich nicht ein Verfahren, sondern ein gestuftes Verbundverfahren darstellt, bei dem unterschiedliche Prozeßrechtsverhältnisse, die gedanklich strikt zu trennen sind, aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit zu einem Verfahren zusam­ mengefugt sind. Die erste Komponente, in die das komplexe Prozeßrechts­ verhältnis der derivative suit zu zerlegen ist, betrifft die Verfolgung eines 32 In diesem Sinne etwa Florida Statutes § 607.07401(4). 33 Wied v. Valhi, Inc., 466 A.2d 9 (Del. 1983), cert.den. 465 U.S. 1026 (1984). 34 Das US-Zivilprozeßrecht trennt nicht durchgängig zwischen materiellem und prozes­ sualem Anspruch. Eine gesondert ausgeprägte Kategorie des Streitgegenstandes existiert nicht. Stattdessen wird mit dem Einheitsbegriff cause of action operiert, der sich in erster Linie auf den materiellen Anspruch des Klägers bezieht, vgl. 46 AmJur 2d, Judgments, §§ 396 ff. (1969); zur Doppelbedeutung des Begriffs "cause of action" siehe auch FRIEDENTHAL/KANE/MILLER (wie FN 17), § 14.4 (S. 622 ff.) m.w.N. Ein Urteil hinsichtlich einer Anspruchsgrundlage kann nur in Rechtskraft (res iudicata) er­ wachsen, d.h. also ein erneutes gerichtliches Erkenntnisverfahren mit diesem Anspruch nicht mehr zum Verfahrensgegenstand haben, sofern das Gericht über die Begründetheit des An­ spruchs entschieden hat (judgment on the merits). Leidet die Klage an einem Zulässigkeits­ mangel und wird sie deshalb abgewiesen, so findet keine Anspruchspräklusion (claim preclusion) statt, und der Anspruch kann nach Behebung des Verfahrensmangels abermals zur Verhandlung gebracht werden. 35 Stella v. Kaiser, 218 F.2d 64 (2d Cir. 1954), cert.den. 350 U.S. 835 (1955) für ein Parallelverfahren.

Anspruchs des Gesellschafter-Klägers gegen die Gesellschaft auf Durchset­ zung ihres Anspruchs bzw. auf Erteilung einer dahinlautenden Ermächtigung an den Kläger36. Die zweite Komponente hat die Rechtsverfolgung der Ge­ sellschaft, vertreten durch den klagebefugten Gesellschafer, gegen den Schuldner der Gesellschaft zum Gegenstand. Ein ergehendes Urteil muß stets sorgfältig auf die Ebenen dieser unterschiedlichen Streitebenen bezogen wer­ den, da einer Klageabweisung sich auf der einen oder auf der anderen Ebene abspielen und je nachdem ganz unterschiedliche Rechtswirkungen haben kann37. Wird die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger zwar keine Klagebefugnis (standing) hat oder eine sonstige unverzichtbare Prozeßvor­ aussetzung fehlt, so erreicht das Gericht die Begründetheit der Klage über­ haupt nicht. Die Entscheidung erwächst dann nicht in Rechtskraft hinsicht­ lich des mit der derivative suit zu verfolgenden Anspruchs und tangiert auch dessen weitere Durchsetzbarkeit nicht. Insbesondere kann die Corporation ih­ ren Anspruch bis zum Auslaufen der Verjährung38 selbst noch verfolgen — etwa wenn eine andere Verwaltung ins Amt gewählt wird - oder ein anderer Gesellschafter die Klage aus dem Recht der Corporation erneut anstrengt. Selbst der unterlegene Kläger des ersten Prozesses behält seine Klagebefug­ nis und kann den Anspruch abermals verfolgen, sofern das Verfahrenshin­ demis des Vorprozesses wirksam ausgeräumt ist. Gelangt das Gericht zu einem Urteil über eine zulässige Klage auf erster Stufe und weist es diese aber auf der zweiten Stufe als unbegründet ab, so liegt darin mit der Rechtskraft dieses Urteils eine verbindliche Aberkennung des Anspruchs der Gesellschaft für und gegen sie mit Wirkung gegenüber dem Kläger und dem Dritten. Hierin liegt das eigentliche Charakteristikum der Wirkungen der Urteilsrechtskraft bei der derivative suit. Sie hat eine all­ 36 Diese erste Komponente wird sehr deutlich sichtbar bei dem demand on the board-Erfordemis, welches eine unabdingbare Zulässigkeitsvoraussetzung der derivative suit ist. Die­ ses Vorverfahren klärt zunächst einmal, ob die Klagebefugnis für eine derivative suit be­ steht, vgl. dazu eingehend bereits oben § 7 II 5. Diese erste Stufe der derivative suit ist noch ein reiner Verbandsinnenstreit, der nur die Frage zum Gegenstand hat, ob ein Recht der Ge­ sellschaft überhaupt geltend zu machen ist. 37 Erschöpfende Nachweise zum Umfang der Rechtskraft bei 13 Fletcher, Cyclopedia of The Law of Private Corporations, § 6043 (1991). 38 Die Mehrzahl der Jurisdiktionen wendet bezüglich der Verjährung die Fristen für den mit der derivative suit zu verfolgenden sachlichen Anspruch an, wobei für den Lauf der Frist auf das tatsächliche Entstehen des Anspruchs abgestellt wird, es sei denn, daß dieser Anspruch seine Grundlage in der equity findet, die Klage auf Betrug gestützt ist oder die be­ klagten Schädiger der Gesellschaft ihre Machenschaften mutwillig verschleiert haben. Dann zählt die Entdeckung bzw. Entdeckbarkeit. Nur wenige Staaten haben hiervon abweichend eine besondere verfahrensbezogene Verjährungsfrist für die derivative suit eingeführt wie z.B. New York in CPLR § 231 Nr. 7. Näher zum Verjährungskomplex 13 Fletcher, Cy­ clopedia of the Law of Private Corporations, §§6177 ff. (1991).

seitige Befriedungsfunktion: ne bis in idem. Die der derivative suit eigen­ tümliche Verteilung der Parteirollen darf insbesondere aus der Sicht des materiel Beklagten für ihn keine Nachteile gegenüber der Situation bringen, wo die Gesellschaft selbst ihren Anspruch verfolgt hätte und damit die Situation eines normalen Zweiparteienverfahrens gegeben wäre. Zwar ist der materiel Beklagte in aller Regel ein Mitglied der Verwaltung, wenn es um die Gel­ tendmachung von Schadensersatzpflichten der Gesellschaft oder etwa um die Herausgabe einer corporate opportunity geht; ebenso sind jedoch Fälle denk­ bar, wo der Beklagte eine außerhalb der Gesellschaft stehende Person ist39. Eine Ausnahme von der präklusiven Wirkung des klageabweisenden Ur­ teils gilt allerdings für den Sonderfall, wo der Kläger mit der derivative suit zugleich die Durchsetzung eines ihm persönlich zustehenden Anspruchs ge­ gen denselben Beklagten verknüpft. Direct und derivative action treten dann in Idealkonkurrenz40. Wird die derivative suit hier als unbegründet (on the merits) abgewiesen und der mit ihr verfolgte Anspruch der Gesellschaft verneint, so ist nach der Rechtskraftkonzeption der derivative suit nur ent­ schieden, daß der Gesellschaft kein Anspruch gegen den Beklagten zusteht. Daraus folgt aber andererseits nicht zwangsläufig, daß eine die derivative suit abweisende Entscheidung dem Kläger die Berechtigung abspricht, einen ihm persönlich gegen den Beklagten zustehenden Anspruch aus demselben Lebenssachverhalt zu verfolgen, wenn dieser persönliche Anspruch (direct claim) nicht zugleich zum Streitgegenstand der derivative suit gehörte und nur als Folge einer objektiven Klagenhäufung zur Verhandlung kam41. Ob­ wohl aus demselben Lebenssachverhalt stammend, sind direct und derivative claim verschiedene Ansprüche mit Bezug auf den Streitgegenstand der je­ weiligen Prozesse, weil die Aktivlegitimation verschiedenen Rechtssubjekten gebührt42.

39 Man denke etwa an den Fall, daß mit der Klage ein Anspruch gegen einen Kunden der Gesellschaft auf Bezahlung des Kaufpreises aus einem Umsatzgeschäft mit der Gesell­ schaft geltend zu machen ist, den die Verwaltung pflichtwidrigerweise durchzusetzen unter­ läßt. 40 Vgl. Liken v. Shaffer, 64 F.Supp. 432, 447 (N.D.Iowa 1946) für eine representative suit mit einem gerichtlich bestellten Verwalter (receiver) wegen Amtspflichtsverletzungen. 41 Zu beachten sind hier die Implikationen der Entscheidung Rush v. City of Maple Heights, 147 N.E.2d 599 (Ohio 1958), cert.den 358 U.S. 814 (1958): Die Entscheidung steht bis heute dafür, daß die Prozeßparteien keine willkürliche Aufspaltung des einer Klage zugrundeliegenden Lebenssachverhalts vornehmen dürfen. Wenn der Kläger einen Anspruch für die Gesellschaft in derivative suit geltend macht und ihm daneben noch aus demselben Lebenssachverhalt ein direkter Anspruch gegen den Beklagten zusteht, so sollte er diese An­ sprüche tunlichst zu einem Prozeß verbinden, weil andernfalls die Gefahr besteht, daß der zurückgehaltene Anspruch der Präklusion zum Opfer fällt. 42 Die Unterschiedlichkeit beider Anspruchsgruppen kommt schon rein äußerlich da­ durch zum Ausdruck, daß für persönliche Ansprüche kein demand on the board erforderlich

III. Entscheidung durch ein Schiedsgericht Im Gesellschaftsrecht besteht seit jeher der Wunsch, sich zur Behebung von Interessengegensätzen alternativer Formen einer Streitbeilegung zu be­ dienen. Dies geschieht vornehmlich durch die Einrichtung eines Schiedsge­ richts. Gerade die Frage nach der Schiedsfähigkeit der derivative suit er­ weist, daß es neben den soeben dargestellten Formen der Klagerücknahme und des Prozeßvergleichs noch andere Techniken der Einwirkung auf den Anspruch der Corporation gibt, die sinnvollerweise in den court approval einzubeziehen sind.

1. Staatliche Gerichtsbarkeit versus Schiedsgerichtsbarkeit

Die derivative suit ist nicht zuletzt aus Gründen der public policy ein wichtiger Baustein in der Statik der corporate govemance. Weder das certificate of incorporation noch eine Bestimmung in den by laws können wirksam anordnen, daß die Klage überhaupt nicht oder unter engeren Vorausset­ zungen erhoben werden darf. Solche Regelungen wären schlechterdings nichtig, weil sich die Parteien an den gesetzlich fixierten Rahmen der Klage halten müssen43. Es bleibt die Frage, wieweit die Grenzen dieser Vorgaben im Einzelfall reichen, um die Funktionsfähigkeit der derivative suit zu be­ wahren. Ist es dazu wirklich erforderlich, daß nur ein staatliches Gericht über den Anspruch der Gesellschaft urteilen darf? Wiederum geht es hierbei im Kem um das Problem des erlaubten Maßes einer Einwirkung auf den An­ spruch der Gesellschaft. Während bei der Klagerücknahme und beim Ver­ gleich die Überwachung von spezifisch prozessualen Verfügungen über die­ sen Anspruch zu untersuchen war, berührt die Schiedsfähigkeit die noch im Vorfeld eines Prozesses relevante Frage der Disponibilität des prozessualen Anspruchs. Für die Schiedsfähigkeit würde sprechen, daß, obwohl die deri­ vative suit wichtige öffentliche Funktionen erfüllt, mit ihr gleichzeitig An­ sprüche zu verfolgen sind, die den ureigenen Wirkungskreis körperschaft­ licher Selbstverwaltung betreffen, der sogar von Verfassungs wegen gegen eine staatliche Einmischung abgeschirmt ist44. Damit wäre es schwerlich

ist und auch der Kläger keine Sicherheitsleistung an die Gesellschaft als Sachurteilsvoraus­ setzung erbringen muß. 43 Vgl. Galasso v. Pioneer Home Improvement Corp., 383 N.Y.S.2d 376 (App.Div. 1976); Campbell v. Hudson & Manhattan R. Co., 102 N.Y.S.2d 878 (App.Div. 1951), aff'd 100 N.E.2d 183 (N.Y. 1951). 44 Auch im amerikanischen Recht genießt die Gründungs- und Niederlassungsfreiheit von Personenvereinigungen eine verfassungsrechtliche Absicherung, vgl. Art. X §§ 1 und 4 der Verfassung von New York sowie Art. IX §§ 1-3 der Verfassung von Delaware.

vereinbar, ein umfassendes staatliches Monopol der Justizgewährung statuie­ ren zu wollen. Für die Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen werden gewichtige Be­ dürfnisse der Praxis vorgebracht. Vor allem bietet eine schiedsrichterliche Entscheidung in aller Regel den Vorzug einer sehr raschen Urteilsfindung, ein Vorteil, der sich nicht in Geld aufwiegen läßt. Die schiedsrichterliche Entscheidung ist zumeist kostengünstiger als das Verfahren vor dem staat­ lichen Gericht. In international gelagerten Entscheidungszusammenhängen eliminiert eine schiedsrichterliche Entscheidung Probleme der internationalen Zuständigkeit eines staatlichen Gerichtshofes und mildert die Probleme um die Ermittlung des anwendbaren Sachrechts, weil man einen Gutachter über diese Frage sogleich zum Schiedsrichter bestellen könnte. Davon abgesehen erlaubt der Einfluß der Parteien der Schiedsabrede, die Richterbank gezielt mit Fachleuten zu besetzen, da in komplexeren gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten die betriebswirtschaftliche Sachkunde wichtiger sein mag als die juristische. Der erstrebenswerteste Vorteil einer schiedsrichterlichen Streitbeilegung liegt oft in der Wahrung absoluter Vertraulichkeit der Ver­ hältnisse des Streitfalles. In den USA werden die Entscheidungen der staat­ lichen Gerichte mit den vollen Namen der Parteien und Beteiligten veröf­ fentlicht45. Die derivative suit ist so für die Gesellschaft mit einer oftmals negativen Publizität verbunden, weil ihr Name in ein schlechtes Licht gera­ ten kann. Es kommt zur Offenlegung der inneren Verhältnisse in einem sen­ siblen Bereich. Die schiedsrichterliche Entscheidung eröffnet hingegen die Möglichkeit einer Streitentscheidung unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Hinter diesen Vorteilen schimmern aber zugleich die Nachteile einer Ent­ scheidung durch ein Schiedsgericht hervor. Als Instrument der Legalitätsauf­ sicht sollte sich das Verfahren andererseits gerade unter den kritischen Au­ gen der Öffentlichkeit abspielen. Soweit der institutioneile Auftrag der deri­ vative suit in Rede steht, ist der klagende Gesellschafter Baustein im System eines breiter angelegten Aufsichtskonzepts. Das zieht der Vertragsfreiheit der Gesellschafter Grenzen, die in der Natur der Sache liegen. So gesehen kolli­ diert die Schiedsfähigkeit mit dem im öffentlichen Interesse liegenden Kon­ trollauftrag, der sich auf die Leitung der Corporation und auf die Kontrolle wirtschaftlicher Macht im allgemeinen bezieht. Das Kontrollsystem verlangt nach transparenten Entscheidungsprozessen. Dies geschieht grundsätzlich in öffentlichen Verhandlungen mit Zugangsrecht eines interessierten Publikums sowie der Fachpresse. Gegebenenfalls kommt es zur Veröffentlichung der 45 Im deutschen Recht verbietet das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abge­ leitete Grundrecht auf informationeile Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1 - Volkszählungs­ gesetz 1983) eine direkte Nennung der Prozeßparteien in veröffentlichten Gerichtsentschei­ dungen, vgl. BVerwG NJW 1988, 1746; näher Hirte NJW 1988, 1698.

Entscheidung. Das amerikanische Recht verlangt von den Parteien, die den staatlichen Justizapparat in Anspruch nehmen, die Aufdeckung ihrer persön­ lichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzunehmen. Die Reaktion der öf­ fentlichen Meinung wird für die public Corporation vor allem am Kapital­ markt spürbar. Der Kapitalmarkt hat ein legitimes und rechtlich zu schützen­ des Interesse an der Verbreitung solcher Informationen, die für die Mei­ nungsbildung des anlagesuchenden Publikums erheblich sind. Es ist aufge­ zeigt worden, daß gerade auch die Mechanismen des Kapitalmarktes, des Marktes für corporate control sowie des Stellenmarktes für Manager neben den Rechten der Gesellschafter einen entscheidenden Beitrag zur Erzwingung einer rechtmäßigen und effizienten Verwaltung der Corporation leisten. Diese Mechanismen müssen aber versagen, wenn das Informationsmaterial gar nicht erst auf den Markt gelangt. Aus rechtspolitischer Sicht spricht ein wei­ terer Gesichtspunkt für weitestgehende Verfahrensöffentlichkeit. Nur die Veröffentlichung einer gerichtlichen Entscheidung und ihre Verarbeitung in Rechtsprechung und Literatur kann eine Fortentwicklung der Rechtsdogma­ tik garantieren und - wenn nötig - dem Gesetzgeber Gelegenheit zu Kor­ rekturen bieten.

2. Die Herbeiführung der Bindung der Parteien an die Schiedsabrede

Ein weiterer Einwand gegen die Schiedsfähigkeit der derivative suit ergibt sich aus ihrer Aufgabe zur Wahrung der vermögensmäßigen Belange der Ge­ sellschafter. Dieser Aspekt bildet die eigentliche Triebfeder dafür, daß es ein Gesellschafter überhaupt unternimmt, Rechte für die Gesellschaft geltend zu machen. Hieran zeigt sich einmal mehr, daß sich bei den Mitverwaltungs­ rechten des Aktionärs die öffentliche und die privatrechtliche Wirkkompo­ nente nicht sinnvoll trennen lassen. Soweit es um den Schutz des Investments des Klägers in der Corporation geht, erscheint die Schiedsfähigkeit unter ei­ nem anderen Blickwinkel zweifelhaft. Es muß sichergestellt sein, daß der shareholder wirksam an die Schiedsabrede gebunden ist. Sodann ist zu prü­ fen, welche Anforderungen an diese Bindungen zu stellen sind. Die Schiedsabrede will dem Gesellschafter den verfassungsrechtlich garantierten Zugang zu den staatlichen Gerichten verlegen. Dafür bedarf es einer ausrei­ chenden Legitimationsgrundlage. Gesellschaftsrechtliche Schiedsgerichte werden üblicherweise im certificate of incorporation oder in den by laws eingesetzt. Der shareholder unterwirft sich nicht nur der Satzungsgewalt, sondern muß zusätzlich und ex ante eine Beschränkung seines Rechtsschutz­ anspruches hinnehmen, der ihm die Bekämpfung von Übergriffen der Ver­ bandsgewalt gestattet. Die schiedsrichtliche Entscheidungstätigkeit - das lehrt die verwandte Problematik der Kartellschiedsgerichtsbarkeit - ist nur

vollwertig und mit dem Zweck der derivative suit kompatibel, sofern eine Gewähr dafür besteht, daß das Verfahren nicht zur Potenzierung der Ver­ bandsgewalt mißbraucht werden kann. In seiner Grundtendenz ist das amerikanische Schiedsrecht erheblich schiedsfreundlicher. Es ist vor allem weniger streng hinsichtlich der Voraus­ setzungen für die Einsetzung eines Schiedsgerichts. Zwar besteht das Erfor­ dernis einer schriftlichen Schiedsvereinbarung, doch muß diese Klausel anders als nach § 1027 Abs. 1 Satz 1 ZPO — nicht räumlich getrennt vom Hauptvertrag in einer gesonderten Urkunde niedergelegt sein46. Weniger re­ striktiv ist das amerikanische Recht schließlich bei der Einbeziehbarkeit ex­ terner Arbitrageklauseln, zwischen Dritten geltenden Schiedsabreden sowie bei der Anerkennung satzungsmäßiger Schiedsklauseln47. Die schiedsfreund­ liche Einstellung der amerikanischen Gesetzgebung erklärt sich neben der Achtung der Vertragsfreiheit aus der unausgesprochenen Erwägung, daß die Schiedsgerichtsbarkeit die staatliche Gerichtsbarkeit entlastet. Es erschiene bedenklich, die satzungsmäßig den Gesellschaftern ok­ troyierten Schiedsklauseln mit dem formalen Argument zuzulassen, daß sich der Aktionär eben mit seinem Beitritt zur Gesellschaft dieser Entscheidungs­ zuständigkeit mit unterworfen habe. Entscheidend ist stets der die Bindung begründende Tatbestand. Bei ihm ist sorgfältig zu differenzieren, wie dies in Deutschland für das Prozeßrecht und das materielle Recht geschieht48. Es ist maßgeblich darauf abzuheben, ob der Gesellschafter an der Formulierung der Abrede beteiligt war oder nicht. Im ersteren Falle ist er Vertragsgesell­ schafter, in der Alternative ist er Satzungsgesellschaftei49. Diese Unterschei­ dung ist wichtig für die Ermittlung der Rationalität der Gebundenheit des 46 Vgl. 9 U.S.C. § 2. 47 Umfassend Domke, Commercial Arbitration, §§ 7:01, 7:02 (1984 ff.) mit Nachwei­ sen. In 9 U.S.C. § 2 wird zwar das Formerfordernis, nicht aber die Schiedsfähigkeit behan­ delt. Für die Schiedsfähigkeit kennt das amerikanische Recht anders als § 1025 ZPO nicht die Vergleichsbefugnis oder überhaupt die Disponibilität des Anspruchs für die Parteien als Kriterium. Die Schiedsfähigkeit existiert nicht als abstrakter Entscheidungsparameter, son­ dern wird von Fall zu Fall definiert. Für die derivative suit ist charakteristisch, daß die Par­ teien keine schrankenlose Herrschaft über den durchzusetzenden Anspruch haben, vgl. Rule 23.1 F.R.Civ.P. oder § 626(d) N.Y.B.C.L. Hängen aber direkte Einwirkungen der Parteien auf den Anspruch von einer Genehmigung des Gerichts ab, so wäre es nur konsequent zu fordern, daß das staatliche Gericht eine Schiedsabrede, die die Streitigkeit ja ebenso wie die Klagerücknahme oder der Vergleich seiner Gerichtsbarkeit entziehen will, genehmigen muß. 48 Sehr illustrativ zum Stand der Diskussion in Deutschland hinsichtlich der Bindung an die Schiedsabrede durch Aushandeln (§ 1025 ZPO) oder Oktroi (§ 1048 ZPO), KORNMEIER, Vergleichsbefugnis und Schiedsfähigkeit, 1982, S. 138 ff. Zum deutschen Recht eingehend unten § 22 II und III. 49 Zur Unterscheidung zwischen Satzungs- und Vertragsgesellschaftern Reuter, Privat­ rechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 403 ff. sowie ders. AG 1979, 321 (322 ff.).

Gesellschafters an die Schiedsabrede. Ist der Gesellschafter über eine echte Vereinbarung an die Schiedsabrede gebunden, so begründet dies eine stär­ kere Vermutung der Fairness und inhaltlichen Ausgewogenheit, weil jeder Beteiligte seine Präferenzen zur Verhandlung stellen konnte. Bei der sat­ zungsmäßig vorformulierten Schiedsklausel befinden sich die Rechtsnachfol­ ger der Signatare hingegen in keiner Verhandlungsposition mehr. Obwohl die Unterscheidung zwischen Satzungs- und Vertragsgesellschaf­ ter in der amerikanischen Rechtsprechung und Doktrin nicht als solche be­ kannt ist, liegt Fallmaterial vor, welches in die gewiesene Richtung deutet und die Richtigkeit dieser Unterscheidung untermauert. In der typischen Si­ tuation des Satzungsgesellschafters befindet sich das Mitglied einer public Corporation mit hoher Anteilsfungibilität. Die Prozeß- und Korporationsge­ setzgebung erklärt Streitigkeiten in der public Corporation nicht ausdrücklich für schiedsunfähig. Für die der derivative suit verwandte Verfahrensart der dass action ist jedoch entschieden worden, daß die Schiedsabrede eine dass action nur erfaßt, soweit sie sich auf dieses Verfahren bezieht50. Andernfalls würden die übrigen Klassenmitglieder um ihr Recht zum Zugang zu den staatlichen Gerichten gebracht. Es macht einen rechtserheblichen Unter­ schied, ob der Kläger in persönlicher oder repräsentativer Eigenschaft auftritt und je nachdem variieren auch die Anforderungen an die Bindungen an eine Schiedsabrede. Die Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht behandelt vornehmlich Fälle, in denen mit Hilfe eines Schiedsgerichts ein Stimmbin­ dungsvertrag zwischen Aktionären durchzusetzen ist51. Sehr stark ist der Wunsch nach einer schiedsrichterlichen Streitbeilegung im Recht der close Corporation ausgeprägt. Hier findet die Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht durchweg die Billigung der staatlichen Gerichte. Die Diskrepanz zwischen Satzungs- und Vertragsgesellschafter ist weniger groß, und die Notwendigkeit, durch eine Reservierung der Streitbeilegung zugunsten der staatlichen Gerichte für solche Streitigkeiten eine Kontrolle über die Einfügung der Corporation in die Rechts- und Wirtschaftsordnung auszuüben, nimmt ab, weil die wirtschaftliche Potenz der close Corporation gegenüber der public Corporation geringer ist. Zu beachten bleibt, daß im amerikanischen Recht weitaus mehr Gestal­ tungsmöglichkeiten in der Schiedsgerichtsbarkeit stecken als nur eine justiz­ 50 Gammaro v. Thorp Consumer Discount Co., 828 F.Supp. 673 (D.Minn. 1993). 51 Ringling v. Ringling, 53 A.2d 441 (Del. 1947). Die Schiedsabrede wirkte hier ledig­ lich inter partes und wollte sich keinen weitergehenden Gültigkeitsanspruch gegenüber Dritten anmaßen. Die Bindung aller Gesellschafter an die Schiedsabrede läßt sich rechtstech­ nisch dadurch erreichen, daß die Aktienurkunden mit einem Aufdruck versehen werden, der auf die Existenz der Schiedsvereinbarung hinweist, so daß die Mitgliedschaft nicht gutgläu­ big lastenfrei von dieser Beschränkung erworben werden kann, vgl. UCC § 8-204.

ähnliche Streitentscheidung. Der klassische Anwendungsfall für die Schieds­ gerichtsbarkeit war die Überwindung eines innergesellschaftlichen Pattzu­ standes (deadlock) durch einen Schiedsspruch52. *Es geht dabei wohlgemerkt nicht um die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung oder Maß­ nahme, sondern um deren Herbeiführung, wenn das an sich zuständige Ge­ sellschaftsorgan nicht mehr handlungsfähig ist. Insoweit müßte sich ein staatliches Gericht ohnehin für unzuständig erklären. Aus den Schranken staatlicher Justizgewährung erklärt sich das praktische Bedürfnis für die Ein­ richtung von Schiedsgerichten. Ein staatliches Gericht könnte ein konkretes, ihm zur Entscheidung unterbreitetes Streitverhältnis nur nach rechtlichen Kriterien beurteilen und dürfte nur in ganz engen Grenzen ein Zweckmäßig­ keitsurteil abgeben. Dies trifft speziell im Gesellschaftsrecht zu. Hier gilt die business judgment rule53, deren Hauptaufgabe darin besteht, das Manage­ ment gegen eine gerichtliche ex post-Beurteilung seiner Leitungsentschei­ dungen abzuschirmen. Verfahrens- und Gesellschaftsrecht gehen hier Hand in Hand. Fragen der Geschäftsführung sind, soweit es um reine Zweckmä­ ßigkeitserwägungen geht, nicht justitiabel. Die Zulassung einer schiedsrich­ terlichen Entscheidung in der Ebene der corporate governance ist gesell­ schaftsrechtlich nicht unproblematisch, weil sie zur Verlagerung von Kom­ petenzen auf Instanzen führt, die in der gesetzlich fixierten Korporationsver­ fassung nicht vorgesehen und in die gesellschaftsrechtliche Organverant­ wortlichkeit nicht eingebunden sind. Die Führung der Corporation hat in den Händen des board of directors zu liegen, der zur Erfüllung der Aufgaben seiner Amtsstellung vom Gesetz mit der hierzu erforderlichen Machtfülle ausgestattet ist, ebenso wie er umgekehrt in ein korrespondierendes System von sanktionsbewehrten Pflichten eingebettet ist. Diese Bindungen, die zwar nicht formal auf die bloße Mitgliedschaft im board geknüpft sind, sondern funktional jeden treffen, der materiell die Leitungsbefugnisse eines Verwal­ tungsmitgliedes wahrnimmt, kollidieren mit der Aufgabe des Schiedsrichter­ amtes, das nach einer gewissen Unabhängigkeit verlangt. Ältere Gerichtsent­ scheidungen hatten deshalb noch eine Vereinbarkeit der widerstreitenden An­ forderungen, die die rechtlich zu trennenden Ämter als Schiedsrichter und Manager mit sich bringen, geleugnet, und die Schiedsfähigkeit von Streitig­ keiten, die erst die Herbeiführung von Maßnahmen der Geschäftsführung zum Gegenstand haben, verneint54. 52 Dieser Standpunkt hat sich in der Rechtsprechung durchgesetzt, vgl. Bosworth v. Ehrenreich, 823 F.Supp. 1175 (D.N.J. 1993); zur Entwicklung Immenga, Die personali­ stische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 328 ff. 55 Zur business judgment rule unten §11. 54 Erst die Entscheidung Application of Burkin, 147 N.Y.S.2d 1 (App.Div. 1955) mar­ kiert den Wendepunkt. Sie brachte das Abrücken vom Erfordernis der "justiciability”.

Dieser Standpunkt ist heute weitgehend aufgegeben, weil sowohl das Recht der Schiedsgerichtsbarkeit wie das Gesellschaftsrecht einen Wandel er­ fahren haben. Neuere Kodifikationen zum Recht der Schiedsgerichtsbarkeit verlangen als Voraussetzung einer wirksamen Schiedsklausel nicht mehr die Justitiabilität der Streitsache in dem Sinne, daß ein staatliches Gericht zur Entscheidung befugt sein müßte55. Im Recht der close Corporation ist inzwi­ schen anerkannt, daß Geschäftsführungsentscheidungen von anderen Organen als dem board getroffen werden können. Die Gesellschafter dürfen in der ganz überwiegenden Anzahl der Jurisdiktionen Geschäftsführungs­ kompetenzen an sich ziehen oder an die von ihnen geschaffenen Gremien delegieren56. Reicht die Organisationsfreiheit aber soweit, dann ist anderer­ seits kein durchgreifender Grund dafür erfindlich, warum nicht eine besondere gesellschaftsinteme Schiedsstelle eingerichtet werden dürfte, der im Falle eines Entscheidungspatts ein letztverbindliches Entscheidungsrecht vorbehalten ist. Die Gesellschafter bleiben frei, die Schiedsstelle bei Bedarf wieder zu beseitigen. Überdies kam der Rechtsprechung diese Entwicklung nicht ungelegen, weil sie darauf bedacht war, daß die Gesellschafter ihre inneren Angelegenheiten so ordnen, daß ein Entscheidungsgleichstand in allen Organen und eine Handlungsunfähigkeit der Corporation vermieden wird, so daß sich auch eine gerichtliche Auflösung der Corporation erübrigt57. Noch nicht abschließend geklärt ist die Problematik des Zusammentref­ fens der fiduziarischen Pflichtenbindung des Managers mit der Unabhängig­ 55 So etwa § 7501 New York CPLR oder 9 U.S.C. § 2, die auf "justiciability" als Schiedsvoraussetzung verzichten. In New York ist schon mit der Entscheidung Siegel v. Ribate, 249 N.Y.S.2d 903 (1964) das Justitiabilitätserfordemis aufgegeben worden. Nun­ mehr ist unstreitig, daß ein Schiedsgericht für die Entscheidung einer strittigen Geschäfts­ führungsmaßnahme einsetzbar ist. 56 Der Wandel in der Rechtsprechung läßt sich besonders deutlich anhand des Rechts von New York nachzeichnen. Ursprünglich verfuhr die Rechtsprechung dort nach der tradi­ tionellen common law-Regel, wonach weder das certificate of incorporation noch die by laws der corporate govemance einen vom gesetzlichen Normalstatut abweichenden Zuschnitt geben durften. Insbesondere war es untersagt, Befugnisse, die in den Zuständigkeitsbereich des board of directors fallen, also Entscheidungen in der Ebene der Geschäftsführung, auf die Gesellschafter oder auf andere Gesellschaftsorgane zu übertragen, McQuade v. Stone­ ham, 189 N.E. 234 (N.Y. 1934). Nur zwei Jahre später modifizierte dasselbe Gericht die alte Regel, indem es "leichte" Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild zuließ, Clark v. Dodge, 199 N.E. 641 (N.Y. 1936). Heute hat sich in der ganz überwiegenden Anzahl der Jurisdiktionen die Regel aus der grundlegenden Entscheidung Galler v. Galler, 203 N.E.2d 577 (111. 1965) durchge­ setzt, wonach solche Abweichungen zulässig sind, wenn sie nicht zwingenden Gesetzesbe­ stimmungen widersprechen, die im Interesse der public policy oder zum Schutze Dritter er­ lassen sind. 57 Exemplarisch zur Entwicklung anhand der statutarischen Vetorechte für Minderheits­ aktionäre in der close Corporation Clark, Corporate Law, 1986, S. 775 ff.; grundlegend für den heutigen Standpunkt der Rechtsprechung Galler v. Galler, 203 N.E.2d 577 (111. 1965)

keit eines Schiedsrichters. Mit Recht wird dieser Konflikt nicht für derart gravierend gehalten, daß aus ihm zwingend die Schiedsunfähigkeit folgen müßte. Die Alternative der Auflösung der gesamten Gesellschaft bei einer Stagnation im Willensbildungsprozeß der Gesellschaftsorgane würde den In­ teressen der Beteiligten im Ergebnis weniger gerecht, und sie kann auch nicht im öffentlichen Interesse liegen58. Der Konflikt zwischen richterlicher Unabhängigkeit und gesellschaftsrechtlicher Pflichtenbindung wird durch das Gesellschaftsrecht selbst entschärft: Wenn ein Schiedsrichter Fragen der Ge­ schäftsführung zu lösen hat, stehen ihm selbstverständlich auch die Privi­ legien der Position eines Managers zur Seite. Es gilt insbesondere die business judgment rule, die den Manager nicht zum Versicherer des unter­ nehmerischen Risikos macht. Insgesamt ist die derivative suit danach schiedsfähig, wenn die Bindung aller Beteiligten an die Schiedsklausel gege­ ben ist, die Klausel ausdrücklich eine derivative suit umfaßt und sich das Verfahren vor dem Schiedsgericht an das Verfahren vor einem staatlichen Gericht anlehnt59. Dieses Ergebnis folgt implicite aus der Anerkennung der special litigation committees60, denen ebenfalls gestattet ist, die Entschei­ dung über eine derivative suit der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen. 3. Einflüsse aus verwandten Rechtsgebieten

Im amerikanischen Recht der Schiedsgerichtsbarkeit fehlt bei der Ermitt­ lung der Schiedsfähigkeit die dem deutschen Recht eigene Vergleichsbe­ trachtung, ob die Parteien befugt sind, sich über den Streitgegenstand zu vergleichen, bzw. über den zugrundeliegenden Anspruch zu verfügen. Dafür tritt die Kategorie der Verträglichkeit einer schiedsrichterlichen Entscheidung mit den Belangen der public policy in den Vordergrund. Das amerikanische Recht leistet die Unterscheidung nicht mit einem konkreten auf das Streit­ verhältnis bezogenen Maßstab, sondern zieht sich auf wertungsoffenere rechtspolitische Erwägungen zurück. Dies gilt exemplarisch für die Ent­ wicklung und den Wandel der Schiedsfähigkeit auf den Gebieten des Wett­ bewerbs- und des Kapitalmarktrechts. In einer über Jahrzehnte gefestigten Spruchpraxis hatte die Rechtsprechung der amerikanischen Gerichte auf dem Felde des Wettbewerbsrechts entschieden, daß solche Streitigkeiten, gleich ob straf-, Verwaltungs- oder zivilrechtlicher Natur, nicht schiedsfähig seien, 58 Application of Vogel, 268 N.Y.S.2d 237, 242 (App.Div. 1966), aff'd 224 N.E.2d 738 (N.Y. 1967). 59 Zur verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Prozederes bei den Gesellschafterklagen vor Schiedsgerichten unten § 22 IV und V. Die dort zum deutschen Recht getroffenen Aus­ sagen lassen sich auf das amerikanische Recht sinngemäß übertragen. 60 Dazu bereits oben § 7 II 6.

weil das öffentliche Interesse gebiete, daß die Beurteilung solcher Sachver­ halte den staatlichen Gerichten vorbehalten bleibe61. Die Wende vollzog sich vom internationalen Parkett her. Der früher eiserne Grundsatz des amerika­ nischen Rechts wird aus Gründen der Besorgnis um die Entwicklung der ei­ genen Handelsbeziehungen umgestoßen. Der ordre public, der früher stets einer schiedsrichterlichen Entscheidung entgegengestanden hatte, wird nun­ mehr aus übergeordneten handelspolitischen Wertungsgesichtspunkten neu definiert62. Speziell der völkerrechtliche Grundsatz der comitas, die Respek­ tierung internationaler Schiedsgerichte sowie die Pflege der zwischenstaat­ lichen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen verlangen nach der Anerken­ nung der Schiedsfähigkeit, selbst wenn die unnachgiebige Durchsetzung amerikanischer Wettbewerbsvorschriften auf dem Spiel steht. Sachverhalte mit Auslandsberührung, in denen amerikanisches Wettbewerbsrecht Rele­ vanz gewinnt, werden damit einem Sonderrecht unterstellt. Eine ganz ähnliche Wandlung hat sich auf dem Gebiet der Securities Re­ gulation vollzogen, wo die Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten, in denen ein übervorteilter Investor sein Recht gesucht hat, ebenfalls stets verneint wurde63. Diese Entwicklung läßt das Gesellschaftsrecht insoweit nicht unbe­ rührt und wirkt hier möglicherweise präjudizierend, weil die Schutznormen des Börsen- und Anlegerschutzrechts nicht nur die Gesamtheit des Publikums auf dem Kapitalmarkt zu schützen bestimmt sind, sondern von den Gerichten obendrein zu flankierenden Verhaltensstandards im Bereich der corporate govemance ausgebaut worden sind. Damit rücken diese Bestimmungen in unmittelbare Nähe zu den Sorgfalts- und Verhaltensmaßstäben des Gesell­ schaftsrechts, die mit der derivative suit zu realisieren sind. Der geschädigte Aktionär und Investor kann damit auf zwei Gruppen von Anspruchsgrund­ lagen zurückgreifen. Einzelstaatliche Ansprüche nach Gesellschaftsrecht tre­ 61 Einmütige Rechtsprechung, vgl. nur Applied Digital Techn. v. Continental Cas.y 576 F.2d 116 (7th Cir. 1978); Reisfeld & Son Import Co. v. S.A. Etecoy 530 F.2d 679 (5th Cir. 1976); Sharp Electronics v. Branded Products, 604 F.Supp. 239 (S.D.N.Y 1984); Hunt v. Mobil Oil Corp., 444 F. Supp. 68 (S.D.N.Y 1977). Typisch für den neueren Trend unter den Gerichten auf dem Gebiet der Streitigkeiten innerhalb der Corporation: Lane v. AbelBey, 407 N.E.2d 1337 (N.Y. 1980). Das Gericht legt eine inhaltlich nicht näher konkreti­ sierte Schiedsklausel ("all disputes arising in connection with this agreement...") so aus, daß sie auch Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern erfaßt. Die Schiedsabrede deckt selbst Ansprüche, die aus fiduciary duties abgeleitet werden und die etwa mittels derivative suit verfolgt werden können. Dabei hindern Belange des öffentlichen Interesses die Entscheidung durch ein Schiedsgericht nicht mehr grundsätzlich. 62 Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, 473 U.S. 614, 105 S.Ct. 3346, 3355 (1985); zum Ganzen ausführlicher Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, 1967, S. 212 ff., 321 ff.; Schlosser, Festschrift für Fasching, Wien 1988, S. 405 (415 f.) sowie unten § 22. 63 Zur Genese Hazen, The Law of Securities Regulation, Band 2, 2. Aufl. 1990, § 14.4 (S. 244 ff.).

ten in Anspruchskonkurrenz neben die nach Bundesrecht bestehenden kapi­ talmarktrechtlichen Ansprüche. Für die Anspruchsgrundlagen nach den §§11, 12 Securities Act 193364 hatte die Rechtsprechung den Standpunkt bezogen, daß sie nicht schiedsfähig seien, weil der Act in seinem § 1465 alle Vereinbarungen für nichtig erklärt, die den Anleger zum Verzicht auf diese Schutzbestimmungen oder die zu ihrer Umsetzung ergangenen Rules und Regulations der S.E.C. bewegen wollen. Dazu zählte man insbesondere den ungehinderten Zugang zu den staatlichen Gerichten66. Obwohl das für die Interpretation des Securities Act von 1933 ausgesprochen wurde, ist dasselbe später für nach dem Securities Exchange Act 1934 zu beurteilende An­ spruchsgrundlagen übernommen worden, da seine Anlegerschutznormen ebenfalls nicht vertragsdispositiv sind und eine Garantie des freien Zugangs zu den ausschließlich zuständigen Bundesgerichten enthalten67. Die Tendenz, die Schiedsfähigkeit auf diesem Gebiet zu begrenzen, ver­ lief gegen den allgemeinen Trend in § 2 Federal Arbitration Act68, die Zu­ lassung von Schiedsgerichten weitestmöglich zu begünstigen. Dies ist im Zu­ sammenhang mit der Vertragsfreiheit zu sehen, nach der die Parteien auch frei sein sollen, einen Disput außergerichtlich beizulegen. Um 9 U.S.C. § 2 mit den restriktiveren Vorschriften der Kapitalmarktgesetzgebung in Ein­ klang zu bringen, mußten die Gerichte einen neuen Weg einschlagen: Streit­ gegenstände, die Anspruchsgrundlagen nach den Securities Acts zum Thema haben, werden in Einzelansprüche zerlegt. Nur die ausschließlich nach den Securities Acts bestehenden Ansprüche unterfallen nunmehr dem Schieds­ verbot und bleiben dem Entscheidungsmonopol der staatlichen Gerichte Vor­ behalten; hinsichtlich der übrigen muß das staatliche Gericht die prozeßhin­ demde Einrede des SchiedsVertrages durchgreifen lassen69, und dies selbst dann, wenn es damit zu einer Aufspaltung eines bei natürlicher Betrachtung einheitlichen Lebenssachverhaltes kommt, der in der Folge von zwei Ge­ richten beurteilt wird mit der möglichen Gefahr divergierender Entschei­ dungen.

64 15 U.S.C. §§ 77k, 771. 65 15 U.S.C. § 77n. 66 Wilko v. Swan, 346 U.S. 427, 74 S.Ct. 182 (1953). 67 §§ 27, 29(a) Sec.Exch.Act 1934 , 15 U.S.C. §§ 78aa, 78cc(a). Der in Wilko aufge­ stellte Grundsatz der fehlenden Schiedsfähigkeit wird in Shearson/American Express, Inc. v. McMahon, 482 U.S. 220, 107 S.Ct. 2332 (1987) weitgehend zurückgedrängt und in Rodri­ guez De Quijas v. Shearson/American Express, Inc., 490 U.S. 477, 109 S.Ct. 1917 (1989) ausdrücklich aufgegeben (overruled). 68 9 U.S.C. § 2. 69 Dean Witter Reynolds v. Byrd, 470 U.S. 213, 105 S.Ct. 1238 (1986); Jarvis v. Dean Witter Reynolds, 614 F. Supp. 1146 (D.Vt. 1985).

Eine flexiblere Beurteilung hat die Rechtsprechung dem Schiedsverbot von Streitigkeiten nach den Securities Acts zuteil werden lassen, sofern sich die Parteien der Schiedsabrede auf der Ebene der Gleichordnung gegenüber­ treten70. Dies folgt aus dem Schutzzweck des Stipulationsverbots und dem ihm immanenten Gerechtigkeitsgedanken. Wenn das Gesetz verbietet, daß das gesetzliche Arsenal an anlegerschützenden Bestimmungen nicht ex ante zum Nachteil des Investors geschmälert werden darf, so beruht dies ganz wesentlich auf der Erwägung, daß zwischen ihm und dem Veräußerer ein Gefälle bezüglich der Marktmacht auf dem Markt für Effekten besteht, das den Verhandlungsspielraum des Investors als Letztabnehmer einschränkt. Wo dies im Einzelfall und nach gehöriger Prüfung tatsächlich nicht zutrifft — etwa unter professionellen Effektenhändlern — erscheint eine teleologische Reduktion des SchiedsVerbots daher möglich71. Wie im Kartellrecht mit internationalem Bezug ist das Verbot der schieds­ richterlichen Entscheidung im Recht der Securities Regulation für Sachver­ halte mit Auslandsbezug aufgegeben. Auch hier scheidet die Rechtsprechung die nationalen von den international gelagerten Sachverhalten72. Wiederum dienen übergeordnete handelspolitische und völkerrechtliche Erwägungen als Rechtfertigungsgründe. Die Schiedsgerichtsbarkeit wird gefördert, um die einer geordneten Vertragsabwicklung abträgliche Unsicherheit darüber zu beseitigen, welches Recht vor welchem Forum letztlich zur Anwendung kommen soll. Entgegen dem Stipulationsverbot73 können die Parteien das anwendbare Recht und das ihnen genehme Gericht bestimmen. Bei Zugrun­ delegung dieser Rechtsprechung läßt sich bereits jetzt die vorsichtige Pro­ gnose wagen, daß die für Auslandssachverhalte großzügigere Haltung 70 Donald v. American Limited Energy Corp., 746 F.2d 666 (lOth Cir. 1984) für eine Schiedsabrede zwischen Mitgliedern der Standesvereinigung der Börsenmakler. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, festzuhalten, daß sich die an die Schiedsabrede gebun­ denen Personen auf einer Stufe relativer Gleichordnung begegnen. Die danach bestehende Schiedsfähigkeit erfährt allerdings zwei Ausnahmen: Zum einen darf die Schiedsabrede nicht arglistig erschlichen worden sein und zum anderen darf das Verfahren keinen Anlagebetrug im großen Stil zum Gegenstand haben. 71 Kritik muß der soeben behandelten Rechtsprechung (FN 66-70) insoweit begegnen, als die Reduktion bzw. die Aufgabe des Schiedsverbots ganz aus dem individualrechtlichen Blickwinkel der Kapitalmarktgesetzgebung in ihrer Funktion als Anlegerschutzrecht be­ trachtet wird. Darüber gerät regelmäßig die zweite Säule dieser Bestimmungen außer Sicht, welche die Anlegerschutznormen als ordnungspolitische Vorgaben für das Funktionieren des Kapitalmarktes betrachtet. Diese kapitalmarktordnende Seite ist der Disposition der einzel­ nen Marktteilnehmer als Parteien einer Schiedsabrede sicher entzogen. Zu diesem Aspekt sogleich unten im Text. 72 Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S. 506, 94 S.Ct. 2449 (1974) mit Besprechung Howaldt/Howe RIW 1973, 135 sowie Kohler RIW 1976, 507 unter Aufzeigung der be­ sonderen Vorteile des Schiedsverfahrens. 73 § 14 See.Act 1933, 15 U.S.C. § 77n sowie § 29(a) Sec.Exch.Act 1934, 15 U.S.C. § 78cc(a).

gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit auf Dauer nicht ohne Auswirkungen auf Inlandssachverhalte bleiben kann, weil beides im Angesicht einer zu­ nehmenden Internationalisierung der Kapitalmärkte nicht mehr trennscharf zu unterscheiden sein wird. Überdies erscheint fraglich, ob das Merkmal der Auslandsberührung auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts und namentlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung als maßgebendes Differen­ zierungskriterium Bestand haben kann. Einstweilen bleibt offen, wie die Ge­ richte die diametralen Strömungen versöhnen wollen, zumal das Merkmal der Provenienz der Streitsache wenig ergiebig ist und die Gefahr der Mani­ pulation eröffnet, wenn an sich rein nationale Sachverhalte durch künstliche Zwischenschaltung ausländischer Abwicklungsagenten zu schiedsfähigen in­ ternationalen gemacht würden. Hinsichtlich der Schiedsfähigkeit von innergesellschaftlichen Streitsachen unter Einschluß der Shareholders’ derivative suit hatte die Rechtsprechung früher wie im Kartell- und im Kapitalmarktrecht den Standpunkt bezogen, daß solche Klagen aus Gründen der public policy einer schiedsrichterlichen Entscheidungszuständigkeit entzogen sind74. Die Gründe dieser entgegenste­ henden public policy finden sich allerdings nirgends näher erläutert. Ein weiteres Bedenken gilt der Qualität der Bindung an die Schiedsabrede. Die ablehnenden Entscheidungen aus der älteren Judikatur lassen lediglich durch­ blicken, daß die Gerichte Unbehagen darüber empfanden, daß Gesellschafter ohne förmlichen Beitritt zur Schiedsvereinbarung an diese gebunden sein sollen. Der gebundene Gesellschafter muß mithin Vertragsgesellschafter sein, weil die Vertrags- wie die Satzungsfreiheit nicht zu Lasten Dritter ge­ hen dürfen. Dies gilt ebenso für die Gesellschaft selbst, für die aus einer Ge­ bundenheit ihrer Gesellschafter noch keine eigene Bindung an eine Schieds­ klausel folgt75. Eine höchstrichterliche Entscheidung aus New York vollzieht eine vorsichtige Hinwendung in Richtung auf die Zulässigkeit einer schieds­ 74 Application of Diamond, 80 N.Y.S.2d 465 (Spr.Ct. 1948), aff’d 79 N.Y.S.2d 924 (App.Div. 1948). 75 Die fehlende Bindung der Corporation an die Schiedsklausel ist eine Einrede (affirmative defense), die als solche vom Vertreter der Gesellschaft (nicht von jedem belie­ bigen Gesellschafter oder vom Beklagten) in den Prozeß einzufuhren ist. Sie wird nicht von Amts wegen beachtet, Lane v. Abel-Bey, 407 N.E.2d 1337 (N.Y. 1980).

richterlichen Entscheidung76. Die nachfolgende Rechtsprechung hat das be­ stätigt77. Danach sind direkte Ansprüche des Gesellschafters gegen die Ge­ sellschaft sowie aus dem Recht der Gesellschaft abgeleitete Ansprüche, die der Gesellschafter für sie geltend macht, schiedsfähig. Im entschiedenen Fall78 waren alle Gesellschafter Signatare der Schiedsabrede, die Gesell­ schaftsanteile waren vinkuliert und sämtliche Gesellschafter sind in den unternehmensführenden Gremien tätig. Die Gesellschafter sind daher Ver­ tragsgesellschafter. Ihr Gesellschaftsverhältnis weist die Typusmerkmale der close Corporation auf, worauf das Gericht in seiner ratio decidendi allerdings nicht besonders abhebt. Dieser Umstand ist aber von ausschlaggebender Be­ deutung, weil praktisch nur bei der close Corporation mit vinkulierten An­ teilsrechten die Bindung neu eintretender Gesellschafter an die Schiedsver­ einbarung sicherzustellen ist79. Insgesamt ist damit heute von der Schiedsfähigkeit der derivative suit aus­ zugehen. Zu verlangen ist jedoch, daß alle Beteiligten vertraglich an die Schiedsvereinbarung gebunden sind, die ihnen den Rechtsweg zu den or­ dentlichen Gerichten nimmt. Richtet sich die Klage gegen eine außenste­ hende Person, so kann ein Schiedsgericht nur entscheiden, wenn die Bindung dieser Person an die Schiedsabrede gesondert herbeigeführt wird. Für das schiedsgerichtliche Verfahren selbst sind besondere Verfahrensstandards zu fordern, die denjenigen, die oben für die Arbeit von unabhängigen litigation committees formuliert worden sind80, entsprechen. Insgesamt läßt sich die Frage der Schiedsfähigkeit damit heute flexibler und schiedsfreundlicher be­

76 Lane v. Abel-Bey, 407 N.E.2d 1337 (N.Y. 1980). Eine Grundsatzfrage, die aus der Sicht des deutschen Juristen hier unbehandelt bleibt, ist die nur beschränkte Dispositionsbe­ fugnis der Parteien über den Streitgegenstand der derivative suit. Hieran knüpft sich die Frage, ob nicht dem staatlichen Gericht ein selbständiges Prüfungsrecht z.B. bei der Voll­ streckbarkeitserklärung des Schiedsspruches einzuräumen ist. Das Gericht sollte wenigstens prüfen dürfen, ob die Schiedsklausel billig und ob der Schiedsspruch frei von groben Rechtsverletzungen förmlicher und sachlicher Art ist. Zu diesem Prozeß der Verfeinerung des traditionellen Schiedsverfahrensrechts im Bereich der public interest litigation eingehend unten § 22. 77 GAF Corp. v. Werner, 485 N.E.2d 977 (N.Y. 1985), cert.den. 475 U.S. 1083 (1986); Maresca v. LaCertosa, 569 N.Y.S.2d 111 (App.Div. 1991). 78 Lane v. Abel-Bey, 407 N.E.2d 1337 (N.Y. 1980). 79 Bei der public Corporation müßte die Schiedsklausel im certificate of incorporation oder in den by laws enthalten sein. Außerdem wäre jedem shareholder, soweit er nicht be­ reits Gründungsmitglied war, ein Optionsrecht vorzubehalten, wonach er wählen dürfte, ob er den Streit vor dem Schiedsgericht oder vor dem ordentlichen Gericht verhandeln lassen will. Zu dieser Konstruktion, die in Deutschland in § 91 GWB ihr Vorbild findet, ausführ­ licher unten § 22. 80 Hierzu oben § 7 II 6.

urteilen, weil Sicherungsmechanismen existieren, die eine Überprüfung und Beseitigung des Schiedsspruches gestatten81.

IV. Mißbrauch des Klagerechts und verfahrensrechtliche Lösungen Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß der derivative suit — wie jedem Klagerecht — ein gewisses Mißbrauchspotential innewohnt. Die Ur­ sache liegt nicht zuletzt darin, daß dem Gesetz keine Vorgabe über den zweckgemäßen Gebrauch des Rechtsbehelfs zu entnehmen ist. Es erlaubt dem Gesellschafter, für die Gesellschaft Ansprüche durchzusetzen, sofern das einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung entspricht. Man hat sich mit der Vorgabe einzelner Verfahrensvoraussetzungen begnügt. Von Mißbrauch zu sprechen und daraus Folgerungen für die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zu ziehen, ist verfrüht, solange nicht positiv definiert ist, welchem legalen Zweck die derivative suit dienen soll. So betrachtet hinterlassen die gesetz­ lichen Bestimmungen aller Staaten im materiellen Gesellschaftsrecht ein Vakuum. Das Recht, für die Corporation ein ihr zustehendes Recht geltend zu ma­ chen, trägt einen Doppelcharakter. Es ist dem Gesellschafter als außeror­ dentlicher Rechtsbehelf zur Ausübung eingeräumt, weil er als wirtschaft­ licher Eigentümer der Corporation der letztendliche Interessenträger ist. Eine aktive Sorge um das Vermögen der Gesellschaft ist der Verfolgung seiner Vermögensinteressen zunächst gleichgerichtet. Der Rechtsbehelf als solcher ist jedoch primär auf die Legalitätskontrolle der Gesellschaft bezogen. Der klagende shareholder hält eine überschießende Rechtsmacht in Händen. Des­ halb muß die Mißbrauchsfrage hier schon im Ansatz anders gestellt werden als bei der Realisierung subjektiver, eigennütziger Rechte des Klägers, bei der keine Diskrepanz zwischen der Rechtsinhaberschaft und der Prozeßfüh­ rungsbefugnis auftritt. Bei der eigennützigen Prozeßführung mit dem Ziel der Verwirklichung eigener Rechte ist für den Mißbrauch der Klage das Verhältnis vom Kläger zum Beklagtem bestimmend. Bei der fremdnützigen Prozeßführung liegen die Dinge anders, weil neue Bewertungsfaktoren hin­ zutreten. Außerdem ist das eigene Prozeßführungsrecht durch konkurrie­ rende Rechte der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre überlagert. Bei die­ 81 Der Schiedsspruch bedarf einer gerichtlichen Bestätigung. Die unterlegene Partei hat unabhängig hiervon das Recht, den Spruch aufheben zu lassen, was freilich keine revision au fond eröffnet, vgl. 9 U.S.C. §§ 10 ff. Neben der Inhaltskontrolle des Entscheidungsergeb­ nisses existiert im amerikanischen Recht eine administrative Regulierung des Schiedswesens für Ansprüche aus dem Gebiet der regulierten Industrien. Im Bereich des Kapitalmarktrechts sind Schiedsverträge nur bindend, soweit die Vorgaben der S.E.C. eingehalten werden.

ser Fallgruppe ist ein Mißbrauch denkbar durch Schädigung der Interessen des Klagegegners, der Corporation oder ihrer Gläubiger. Die Mißbrauchs­ strukturen dieser Fallgruppe sind mithin äußerst komplex. Deshalb folgt dar­ aus, daß ein Mißbrauch gegenüber einem der Beteiligten festzustellen ist, noch nicht, daß die Prozeßführung insgesamt diese Bezeichnung verdient82. 83 Trotz eines Fehlgebrauchs in bezug auf einen Interessenträger kann eine Klage ihr ordnungspolitisches Ziel ansonsten erreichen. Die in der Vergangenheit völlig undifferenziert geführte Mißbrauchsdis­ kussion um die derivative suit sollte zu einem Rundumschlag gegen die Rechte der Shareholders dienen. Diese Versuche wurden von denjenigen lan­ ciert, die ein Interesse an der Beschneidung dieser Rechte haben müssen, um so die Kontrolle ihrer Amtsführung abzuschütteln. Zu trennen sind die ge­ sellschaftsrechtlichen von den außergesellschaftsrechtlichen Ursachen solcher Mißbräuche. In den USA hat der bekannte Wood-Report83 durch mehrseitig deutbare Statistiken versucht, den Rechtsmißbrauch bei der derivative suit als 82 In diese (falsche) Richtung tendiert die deutsche Rechtsprechung seit BGHZ 107, 296 — "Kochs Adler". Tatsächlich gilt es, für die Bewältigung dieser rechtsmißbräuchlichen Klagen ein differenzierteres Rechtsfolgensystem zu entwickeln, eingehend unten § 21 IV. 83 Wood, Survey and Report regarding Stockholders’ Derivative Suits, New York, 1944. Hier werden etwa 1400 derivative suit-Verfahren aus den Jahren 1936 bis 1942 aus den New Yorker Gerichtsbezirken statistisch näher aufbereitet und in public und close corporations getrennt (S. 32). Der Report zeichnete dafür verantwortlich, daß unmittelbar nach seinem Erscheinen der Gesetzgeber das Korporationsgesetz des Staates New York umfäng­ lich und in einem Eilverfahren ohne die sonst übliche Anhörung der beteiligten Interessen­ gruppen novellierte. Es kam zur Einfügung des Sicherheitsleistungserfordemisses (heute § 627 N.Y.B.C.L.) sowie des Mindestanteilsbesitzerfordemisses (heute § 626 N.Y.B.C.L.). Für die close Corporation gelangte der Bericht zu dem Ergebnis, daß lediglich 5% aller Kla­ gen erfolgreich waren, 28% sich durch Vergleich erledigten, 15% zurückgenommen wur­ den, 18% mit Klageabweisung endeten und schließlich 34% bei Erstellung des Berichts noch anhängig waren. - Bei der public Corporation waren 2% aller Klagen erfolgreich, 16% en­ deten mit Vergleich (6% davon durch gerichtlich bestätigten Vergleich, 10% ohne Bestäti­ gung), 27% der Klagen wurden zurückgenommen, 37% wurden abgewiesen sowie 17% wa­ ren bei Erstellung des Berichts noch anhängig und nicht entschieden. Dieses Zahlenmaterial ist auf den ersten Blick beeindruckend, erweist sich jedoch bei näherem Zusehen als wenig aussagekräftig, weil die so präsentierte Statistik verschiedene rechtliche Kategorien willkür­ lich vermengt: Einem bei oberflächlicher Betrachtung verschwindend geringen Prozentsatz an erfolgreich abgeschlossenen Verfahren, die mit der Zubilligung einer recovery endeten, werden Verfahren gegenübergestellt, die zur ersten Kategorie ohne jeden Bezug sind. Ver­ gleich, Klagerücknahme und z.T. auch eine Klageabweisung sind prozessuale Erscheinungs­ formen ohne unmittelbaren materiellrechtlichen Aussagegehalt. Bekanntlich kann selbst eine vollauf berechtigte Klage wegen verfahrensrechtlicher Defekte abgewiesen werden. Ver­ gleich und Klagerücknahme beenden das Verfahren zwar ohne Endurteil, doch besagt das nicht, daß dem Klagebegehren in der Sache kein Erfolg beschieden war. Selbst die Klageab­ weisung besitzt nur begrenzten Aussagewert hinsichtlich der einzig entscheidenden Frage, ob die Klage unbegründet war. Für die Frage, ob eine Klage rechtsmißbräuchlich ist, bietet eine nach Verfahrensbeendigungsarten aufschlüsselnde Statistik keine aussagekräftige Orien­ tierung. Zu weiteren Punkten einer Fundamentalkritik des WOOD-Reports vgl. Hornstein, The Death Knell of Stockholders’ Derivative Suits in New York, 32 Calif.L.Rev. 123 (1944); House, Stockholders’ Suits and the Coudert-Mitchell Laws, 20 N.Y.U.L.Rev. 377 (1945).

stets zu besorgende Gefahr empirisch zu untermauern. Die Stoßrichtung geht gegen die Zwecktauglichkeit der derivative suit und gegen die Gesellschaf­ terrechte überhaupt. Der Grundtenor des Wood-Reports war, daß der Auf­ wand, den die derivative suit veranlaßt, generell in keinem "vernünftigen’' Verhältnis zu ihrem rechtlichen Ertrag steht. Mit diesem auf den ersten Blick einleuchtenden Argument wollte man noch im Vorfeld einer Ausweitung der Gesellschafterrechte Stimmung er­ zeugen. Die Stoßrichtung geht in den USA gegen die derivative suit und in Deutschland mit fast identischer Argumentation gegen die Beschlußanfech­ tung. Im Zentrum der Kontroverse steht denn auch nicht der gelegentlich zweckwidrige Einsatz des einen oder des anderen Rechts, sondern das wirt­ schaftsverfassungsrechtliche Konzept der Verwaltungskontrolle durch die Aktionärsrechte. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Aufwand und Er­ trag wird von den Gegnern der derivative suit unter zwei Blickwinkeln ge­ stellt: Verursachen die Gesellschafterrechte nicht dem staatlichen Justizappa­ rat unvertretbar hohe Kosten insoweit, als die derivative suit ein hochkom­ plexes Verfahren ist und eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich machen kann? Bindet ein Recht des Gesellschafters auf Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft nicht unnötig Kräfte der Gesellschaft, die bes­ ser darauf verwandt würden, eine betriebswirtschaftliche Effizienzsteigerung und Gewinnmaximierung im Unternehmen herbeizuführen? Gerade die letzte Frage sieht die Gesellschafterrechte als bloßen Transaktionskostenfaktor, die Reibungsverluste auf Kosten ökonomischer Effizienz- und Wohlfahrtsmeh­ rung verursachen. Die ganze Argumentation verfängt nicht, weil sie inkommensurable Größen zur Aufrechnung stellt. Die Aktionärsrechte sowie die ihnen entspre­ chenden prozessualen Klagebefugnisse sind fester Bestandteil der corporate govemance. Das System steht nicht zur Disposition von abstrakten Wirt­ schaftlichkeitsrechnungen, sondern bildet den äußeren Rahmen, in dessen Grenzen betriebswirtschaftliche Effizienz zu verwirklichen ist. Der unbe­ streitbare Erfolg der Corporation als vielseitig verwendbarer Paßform für die Organisation großer wie kleiner Unternehmungen hat bewiesen, daß die vermeintlichen Fesseln der Korporationsverfassung der Erreichung von wirt­ schaftlicher Effizienz nicht im Wege stehen. Wer sich im Ordnungsrahmen des Gesellschaftsrechts zu bewegen bereit ist, wird die gefürchteten Kosten nicht erleiden, die durch Wahrnehmung von Gesellschafterrechten andern­ falls zwangsläufig entstehen müssen und sollen. Das Kostenverursachungsar­ gument erweist sich mithin als Trugschluß: nicht derjenige Gesellschafter, der in Wahrnehmung der ihm gewährten Rechte dafür sorgt, daß sich der Gesellschaftswille und die Verwaltung der Gesellschaft nur in den ihnen

durch Gesetz und Statut gezogenen Schranken betätigen, bindet personelle und finanzielle Ressourcen der Gesellschaft, die ökonomisch sinnvoller zum Einsatz gebracht werden könnten, sondern im Gegenteil tun dies diejenigen, die für ein gesetzwidriges Verhalten der Corporation verantwortlich sind. Die dem Justizapparat erwachsenden Kosten stehen der Problematik der Steue­ rung der corporate govemance durch Gesellschafterrechte letztlich indiffe­ rent gegenüber. Der staatliche Justizapparat ist eine dem rechtssuchenden Bürger angebotene Dienstleistung, die vor dem Hintergrund des staatlichen Gewaltmonopols zu sehen ist. Die Justiz erwirtschaftet durch ihr Gebühren­ aufkommen keine Kostendeckung, und sie soll dies nach ihrem Selbstver­ ständnis auch nicht. Die endgültige Streitbefriedung ist für ein rechtsstaatlich verfaßtes Gemeinwesen ein höheres Gut als die restlose Kostendeckung. Für Streitigkeiten in der Ebene der corporate govemance geht es um nicht weni­ ger als die Einfügung der Corporation in die staatliche Ordnung. Demgegemüber fallen wirtschaftliche Effizienzerwägungen nicht erheblich ins Gewicht. Sie sind normativ betrachtet von nachgeordneter Bedeutung84. 85 Der Wood-Report85 sieht eine wesentliche Quelle des Mißbrauchs der de­ rivative suit im System der Entlohnung der Anwälte und insbesondere in der Vereinbarung von Erfolgshonoraren (contingent fee arrangements) sowie darin, daß die Gesellschafter-Kläger in den meisten Fällen nur über einen Splitterbesitz verfügen und mithin kein wirkliches finanzielles Interesse an der derivative suit haben. Oftmals sucht sich der Anwalt aus eigenem An­ trieb einen Aktionär, um für diesen das Verfahren zu betreiben. Geht es um das anwaltliche Gebühreninteresse als Ursache eines Mißbrauchs der deriva­ tive suit, so ist die gesetzgeberische Antwort, die auf den Wood-Report er­ folgt ist, nämlich die Einführung eines Minimalanteilsbesitzes und die er­ satzweise Leistung einer Sicherheit für die präsumtiven Kosten der Gegen­ partei, unangemessen ausgefallen, da es sich um eine Ursache mit außerge­ sellschaftsrechtlicher Wurzel handelt86. Folgerichtig hätten gesetzgeberische Gegenmaßnahmen hier erwartet werden dürfen, nämlich durch eine Modifi­ zierung des anwaltlichen Gebührenrechts, da es sich nicht um eine singuläre Erscheinung bei der derivative suit handelte, sondern ähnliche Symptome 84 Deutlich in die gewiesene Richtung auch die Entgegnung von Hornstein (vorige FN), S. 132. 85 WooD-Report (wie FN 83), S. 112 ff. 86 Richtiger erscheint demgegenüber der Ansatz von Hornstein (wie FN 83), S. 135, der zu einer vom Verschulden bzw. vom Prozeßausgang abhängigen Kostentragung überge­ hen wollte. Die seinerzeitige gesetzgeberische Reaktion in § 61-b des alten General Corpo­ ration Law von New York (heute § 627 N.Y.B.C.L.) hat an dem alten Mißstand bis heute wenig geändert, aber die derivative suit als Waffe gegen ein Mißmanagement nach dem Ur­ teil vieler Kenner stumpfer gemacht, indem sie unnötige Hürden gegen begründete wie ge­ gen unbegründete Klagen gleichermaßen aufrichtet.

auch bei anderen Formen der repräsentativen Prozeßführung auftraten. Ähn­ liche Verwerfungen waren bei der dass action zu beobachten, ohne daß in dieser Weise reagiert wurde. Dies legt einmal mehr den Verdacht nahe, daß nicht jene Auswüchse gezielt bekämpft werden sollten, sondern daß man ein überragend wichtiges Rechtsinstitut zurückdrängen wollte. Das zweite Produkt der Reform, die der WooD-Report in New York nach sich zog, nämlich das Mindestanteilsbesitzerfordemis, ist noch unverständ­ licher. Die derivative suit führt eine strittige Rechtsfrage einer endgültigen gerichtlichen Klärung zu. Hierfür ist die Höhe des Anteilsbesitzes des Klä­ gers ohne Belang, weil die Entscheidung qualitativer und nicht quantitativer Natur ist. Es existiert keine Vermutung oder nur ein Indiz dafür, daß sich die Erfolgsquote proportional zur Beteiligungshöhe verhält. Im Gegenteil sind es fast ausschließlich die Kleinaktionäre, die als Kläger für die Corpora­ tion auftreten, weil den Aktionären mit größeren Paketen andere Mittel der Einflußnahme auf die Verwaltung zur Verfügung stehen. Konkret bedeutet dies, daß solche Aktionäre sich mit gesellschaftsfremden Sondervorteilen ruhigstellen lassen. Das berechtigte Anliegen, welches das Mindestanteilser­ fordernis sicherstellen will, wird bereits auf anderem Wege gewährleistet. Verhindert werden soll, daß sich eine Gilde von Berufsopponenten bildet, die sich gerade noch so rechtzeitig Aktienbesitz an einer Gesellschaft ver­ schafft, um sich die Klagebefugnis zu eröffnen. Dieser Perversion der deri­ vative suit wird bereits durch die contemporaneous share ownership-Regel entgegengewirkt. Sie verlangt einen ununterbrochenen Anteilsbesitz, der während des gesamten Betrachtungszeitraumes zwischen dem Ereignis der klageveranlassenden Vorfälle und dem Erlaß der gerichtlichen Entscheidung bestanden haben muß87. Der WooD-Report ist ein typisches Beispiel dafür, daß es in den USA nicht an Versuchen gefehlt hat, die aus den Gesellschafterrechten fließende Klagebefugnis als mißbrauchsanfällig auszugeben. Bei der Bewertung solcher Versuche sollte man nie aus den Augen verlieren, daß es ein begreifliches Anliegen der Kontrollierten ist, die Aufsicht ihrer Kontrolleure abzuschütteln oder zu lockern. Hinter der Etikettierung von Klagen als "rechtsmiß­ bräuchlich" verbirgt sich oftmals der Versuch, zusätzliche und unkal­ kulierbare Statthaftigkeitsschranken für die Shareholders’ derivative suit zu statuieren. Damit werden Einfallstore für die Etablierung restriktiver Tat­ bestandsmerkmale geschaffen und die Hemmschwelle für potentielle Kläger heraufgesetzt. Die Rechtsprechung hat diese Tendenzen mit Vorbedacht nicht nachvollzogen, sondern im Gegenteil die durch das Prozeßrecht bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsbehelfs stets kläger87 Zum Erfordernis der contemporaneous share ownership bereits oben § 7 II 1.

freundlich interpretiert. Nicht der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte oder die systematische Stellung, sondern einzig die Teleologie der derivative suit hat bei der Auslegung die Oberhand behalten. In einer programmatischen Grundsatzentscheidung88, die das Verhältnis der prozeßrechtlichen zu den materiellrechtlichen Bestandteilen der derivative suit festgelegt hat, entschied der Supreme Court 1966, daß es die Aufgabe des Instituts der derivative suit als Produkt der equity-Rechtsprechung ist, die Gerechtigkeit im Prozeß der corporate govemance zu verwirklichen und daß dem Prozeßrecht dabei eine dienende Rolle zufällt. Es verbietet sich danach, daß durch eine engherzige Praktizierung der Zulässigkeitsvoraussetzungen die Klage schon in der Prozeßstation als unzulässig abgewiesen wird und so der sachliche Gehalt des Klagebegehrens gar nicht mehr zur gerichtlichen Untersuchung gelangt89. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage sind daher im Lichte ihrer Zweckbestimmung auszulegen, und eine eventuell erforderliche

88 Grundlegend Surowitz v. Hilton Hotels Corp., 383 U.S. 363, 86 S.Ct. 845 (1966). 89 Surowitz v. Hilton Hotels Corp., 383 U.S. 363, 86 S.Ct. 845 (1966) zur Auslegung von Rule 23.1 F.R.Civ.P., wonach eine derivative suit vom Gesellschafter-Kläger eine be­ sondere Bestätigung unter Eid (verification) verlangt. Die Streitfrage war, ob diese Bestäti­ gung außerdem erfordert, daß der Kläger die Klage und ihren Inhalt versteht und aus der Laiensphäre intellektuell nachvollziehen kann. Das Gericht hat dies im Ergebnis verneint, weil eine solche Auslegung nicht zum Zweck des Klagerechts passen würde. Das Zulässigkeitserfordemis der verification ist also rein formal zu deuten: Es beinhaltet, daß der Kläger mit der Erhebung der Klage einverstanden ist und daß dies gegenüber dem Gericht besonders zu dokumentieren ist. Der Hilton-YA\ ist bis heute überaus lehrreich, weil er belegt, wieviel prozeßpsychologische Dynamik in der Etikettierung einer Klage als "rechtsmißbräuchlich" steckt. Die beklagten Verwaltungsmitglieder, die ihre Gesellschaft ganz offensichtlich schwer geschädigt hatten, konnten sich immerhin über zwei Instanzen mit dem Argument behaupten, die Klage sei rechtsmißbräuchlich, so daß die eigentliche Sachfrage des Rechtsstreits gar nicht zur Erörterung kam. Der Supreme Court hat dies klar erkannt und zutreffend entschieden, daß die verification wirksam sei, weil mit der Klage erkennbar keine zweckfremden Absichten verfolgt würden. An dieser Entscheidungspassage merkt man deutlich, daß sich das Gericht an der Auslegung des verification-Erfordemisses nicht lange aufhalten wollte, um zielstrebig zum Kem der Sache vorzudringen. Streng genommen hat der eine Punkt (= kein Mißbrauch des Klagerechts) nichts mit dem anderen (= Wirksamkeit der verification) zu tun. Eine Definition der wirksamen verification unterbleibt. Dennoch ist das Grundanliegen der Entscheidung zu begrüßen, mit dem Prozeßrecht und materielles Recht in das richtige Verhältnis zueinander gebracht sind: Die Auslegung von Verfahrenskautelen muß in einer Weise erfolgen, die auf die Rechte, die jenes Verfahren durchzusetzen bestimmt ist, Bedacht nimmt; das materielle Recht rangiert über dem insoweit wertneutralen Verfahrensrecht. Dieses Ergebnis hatten die Vorinstanzen mit ihrer Auslegung auf den Kopf gestellt. Wenn man entscheidet, daß solche derivative suits, bei denen der Gesellschafter-Kläger die Klage nicht inhaltlich versteht, rechtsmißbräuchlich sind, und sie bereits in der Prozeßsta­ tion abweist, so fügt man damit in der Sache dem materiellen Recht ein neues Tatbestands­ element hinzu. Zu den sonstigen Zulässigkeitserfordernissen gesellt sich unter der Hand das Erfordernis einer juristischen oder sonstigen Vorbildung des Klägers. Wollte man dem fol­ gen, so könnte sich nur noch der erfahrene und informierte Investor auf die Anlegerschutz­ vorschriften berufen, nicht aber der aus Unwissenheit übervorteilte, der gerade der natür­ liche Schutzadressat dieser Bestimmungen ist.

Ergänzung um weitere ungeschriebene Tatbestandsmerkmale darf nur mit Zurückhaltung erfolgen. Insgesamt verdeutlichen diese Überlegungen, daß die Tatsache gelegent­ licher Mißbräuche bei der derivative suit keineswegs die Folgerung trägt, dem Rechtsinstitut als solchem seine Existenzberechtigung abzusprechen oder es mit unverhältnismäßigen Erschwerungen zu versehen. Korrekturen gegen mißbräuchliche Klagen sind direkt an des Übels Wurzel anzubringen. Bei allen Einschränkungen ist der übergeordnete Sachzusammenhang, in dem sämtliche Gesellschafterrechte stehen, zu beachten. Daher ist es problema­ tisch, mit abstrakten Kostenrechnungen gegen die Aktionärsrechte zu argu­ mentieren. Die Gesellschafterrechte dulden unter dem Blickwinkel der be­ triebswirtschaftlichen Effizienz keinen Abbau, und solche Erwägungen dür­ fen sich auch ihrem zweckentsprechenden Ausbau nicht in den Weg stellen. Auf dem Spiel steht mehr als nur die Position des Gesellschafters im System der corporate govemance. Viel weiter geht es um die Stellung der Cor­ poration auf dem Kapitalmarkt und in der Gesamtrechtsordnung. Dieser übergeordnete Zusammenhang sieht die Gesellschafterrechte als Garanten der Selbstkontrolle der Corporation. Sie sichern die Einhaltung der Korporations­ verfassung nach innen sowie die Einfügung der Corporation in die Staatsund Wirtschaftsordnung nach außen. Daß sich die vorstehenden Überlegungen zur derivative suit durchgängig auf die Corporation bezogen, hing mit dem hier überreichlich vorhandenen Fallmaterial zusammen. Nicht gesagt ist damit, daß sich der Einsatzbereich des Rechtsbehelfs auf die Corporation beschränkt. Es bleibt zu untersuchen, wie sich die derivative suit bei den anderen gesellschaftsrechtlichen Organi­ sationen — insbesondere bei der partnership — ausnimmt und wie die dort gegebenen Bedingungen den Verfahrensrahmen beeinflussen. Es wird sich erweisen, daß die derivative suit und andere Gesellschafterrechte in ihrer Funktion und Anlage nicht rechtsformbezogen sind, sondern jenseits der Rechtsformgrenzen wirken.

§ 10 Die derivative suit im Recht der partnership Im amerikanischen Recht ist die Corporation heute zwar die wichtigste, aber nicht die einzige Organisationsform, die es einer Mehrzahl von Perso­ nen gestattet, ein Unternehmen zu betreiben. Daneben kann man auf die partnership zurückgreifen, die mit den Personalgesellschaften des deutschen Rechts vergleichbar ist. Allerdings ist dem amerikanischen Recht die dem deutschen eigene Unterteilung der Personengesellschaften fremd. In den USA fehlt die Abschichtung danach, ob die partnership ein vollkaufmän­ nisches Handelsgewerbe im Sinne der §§ 1 bis 3 HGB betreibt1. Eine part­ nership darf vielmehr zu jedem erlaubten Zweck errichtet werden. Das Recht der partnership hat eine dem Uniform Commercial Code par­ allele Entwicklung durchlaufen. Es handelt sich um einzelstaatliches Recht, das aber wie bei der Corporation durch das Bundesrecht der Securities Regu­ lation überlagert wird. Ursprünglich war das Recht der partnership im common law gewachsen, doch differierte die Rechtsanwendung in den Jurisdik­ tionen so beträchtlich, daß dies die Entwicklung der Handelsbeziehungen auf Dauer belastete. Angestoßen wurde die Rechts Vereinheitlichung durch die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws. Diese legte 1914 den Uniform Partnership Act (U.P.A.)2 und 1916 den Uniform Limi­ ted Partnership Act (U.L.P.A.)3 vor, der 1976 und 1985 in modernisierten Fassungen erschien4. Fast sämtliche Einzelstaaten übernahmen diese Modell­ gesetze in der Folgezeit5.

I. Typus und Strukturen der partnership Das amerikanische Gesellschaftsrecht kennt zwei Grundformen der part­ nership, und zwar die der offenen Handelsgesellschaft ähnliche general part­ 1 Vgl. BROMBERG/RIBSTEIN, Partnership (Loseblatt 1988 ff.), § 2.06 (S. 2:42 ff.). Nicht verwendbar ist die partnership in vielen Bundesstaaten im Bereich bestimmter regulated Industries wie etwa im Bank- oder Versicherungsgewerbe. 2 Textabdruck mit Anmerkungen in 6 Uniform Laws Annotated (1969), S. 9 ff. Nur der Staat Louisiana hat den U.P.A. bis heute nicht transformiert. 3 Textabdruck und Anmerkungen in 6 Uniform Laws Annotated (1969), S. 561 ff. Louisiana hat auch den Uniform Limited Partnership Act nicht übernommen. Zur Rechtslage in Louisiana vgl. Whalen v. Carter, 954 F.2d 1087, 1093 (5th Cir. 1992) mit Nachweisen speziell zur derivative suit bei der partnership in commendam als der in Louisiana aner­ kannten Form der limited partnership. 4 Revised Uniform Limited Partnership Act (R.U.L.P.A.), Textabdruck u.a. bei Bromberg/Ribstein, Partnership (Loseblatt 1988 ff.) Band I App. D (S. D:1 ff.). 5 Etwa Cal.Coip.Code §§ 15001 ff.; 6 Del.Code §§ 1501 ff.; 17-101 ff.; New York Partnership Law.

nership sowie die der Kommanditgesellschaft vergleichbare limited partner­ ship. Die partnership bildet mit dem einzelkaufmännischen Unternehmen (sole proprietorship) die Urzelle für komplexere unternehmerische Organisa­ tionsformen. Viele Unternehmungen beginnen als partnership ehe sie inkor­ poriert werden und schließlich an den Kapitalmarkt herantreten. Der limited partnership steht der Zugang zum Kapitalmarkt offen. Der Anteil an einer limited partnership ist eine security i.S.v. § 2 Abs. 1 Securities Act 19336. Dies bringt dem Investor den besonderen Schutz der Kapitalmarktgesetzge­ bung ein, die zur Mobilisierung von Risikokapital unverzichtbar ist. Die Gründe für die Renaissance der partnership in den letzten Jahren wur­ zeln nicht zuletzt in ihrer günstigen steuerlichen Behandlung. Bei der limited partnership läßt sich der Vorteil der beschränkten Anlegerhaftung erzielen, ohne den bei der Corporation zwangsläufigen Nachteil der Doppelbesteue­ rung von Unternehmensgewinnen in Kauf nehmen zu müssen. Steuerliche Gewinne und Verluste werden bei der partnership den Gesellschaftern individuell zugerechnet, nicht der Gesellschaft. So lassen sich abschrei­ bungsbedingte Verluste aus dem Betriebsvermögen gegen das steuerpflichtige Privateinkommen im übrigen steuerlich in Ansatz bringen. Anders als im deutschen Steuerrecht ist die limited partnership mit einer Corporation als persönlich haftendem Gesellschafter, einer hohen Zahl von limited partners sowie anderen spezifisch körperschaftlichen Merkmalen aber wesentlich schneller der Gefahr ausgesetzt, in eine Körperschaft umqualifiziert zu wer­ den mit den daraus folgenden fiskalischen Konsequenzen. Das amerikanische Recht bewertet hier die Form nicht höher als die Substanz. Die dogmatische Erschließung der partnership profitiert von einem Trans­ fer elementarer Grundsätze aus dem Recht der Corporation7. Grundlegend

6 15 U.S.C. § 77(b)(l). Die Stellung als limited partner ist in aller Regel eine security, die als general partner dagegen nicht. Entscheidend ist die Natur des Interesses. Ausgehend von der Grundsatzentscheidung S.E.C. v. W.J. Howey Co., 328 U.S. 293, 66 S.Ct. 1100 (1946) ist eine security anzunehmen, wenn der Investor aufgrund eines gemeinsam verabre­ deten Planes eine Einlage an einen anderen in der Erwartung der Gewinnerzielung leistet, die von dem Leistungsempfänger zu erwirtschaften ist. Die Eigenschaft der Mitgliedschaft in einer partnership hängt damit von der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Gesell­ schafterstellung ab. Der Anteil eines typischen limited partner ist danach eine security, weil er seine Einlage dem Management durch die geschäftsführenden Gesellschafter unterstellt. Bei der general partnership kann die Mitgliedschaft eines von der Geschäftsführung ausgeschlossenen partner ebenfalls eine security sein, zum Ganzen eingehend Hazen, The Law of Securities Regulation, 2. Aufl. 1990, § 1.5 (S. 39 ff.). 7 Der Austausch zwischen partnership und Corporation ist wechselseitig. Die partner­ ship hat von der Corporation die derivative suit empfangen, die in Art. 10 des R.U.L.P.A. 1976 Eingang gefunden hat. Umgekehrt hat die partnership im Recht der Corporation ganz wesentlich den Maßstab der fiduciary duties ausgeprägt, vgl. nur Jones v. H.F. Ahmanson & Company, 460 P.2d 464 (Cal. 1969) sowie Donahue v. Rodd Electrotype Co. of New Eng­ land, Inc., 328 N.E.2d 505 (Mass. 1975). Eindrucksvoll zu den gemeinsamen Wurzeln von

wirken das Recht des Trust und der Agency (§ 4 Abs. 3 U.P.A.). Daneben bildet sich allmählich eine Art Allgemeiner Teil aus Rechtsprinzipien, die für die general und für die limited partnership Gültigkeit besitzen. Für die Stel­ lung der partnership im System der Unternehmensträger ist interessant, daß das amerikanische Recht die partnership primär als Vertragsverhältnis zwi­ schen ihren Mitgliedern begreift und nicht so sehr als neben diesen beste­ hende Organisation. Prägendes Merkmal der partnership ist, daß die Gesell­ schafter gegenseitige Stellvertreter (mutual agents) sind. Das Recht der part­ nership wird systematisch zumeist im Zusammenhang mit dem Recht der Agency dargestellt, weshalb der Akzent stärker auf der Innenbeziehung Prin­ cipal - agent liegt8. Dieses Vorverständnis vernachlässigt die partnership als Organisations Verhältnis, das sich von der Aggregation der principal-agentBeziehungen durchaus abhebt. Bis heute herrscht keine Einigkeit über die Rechtssubjektivität der partner­ ship9. Nach herrschender Praxis, die sich noch aus dem common law über­ liefert hat, ist die partnership keine unabhängige rechtliche Einheit mit eige­ ner Rechtspersönlichkeit, sondern nicht mehr als eine Aggregation ihrer Mitglieder. Nur wenige Jurisdiktionen behandeln sie als Gebilde mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Modellkodifikationen nehmen nicht eindeutig Stellung, es überwiegen jedoch die Anzeichen, die den Schluß auf eine Ein­ ordnung der partnership als eigenes Rechtssubjekt zulassen10. Die Gesetzge­ bung der Bundesstaaten behandelt die partnership dagegen nur sektoral als eigenständiges Rechtssubjekt. Anerkannt ist, daß die Gesellschaft als solche Eigentum erwerben und übertragen kann (§§ 8 Abs. 3, 10 Abs. 1 U.P.A.). Die Definition der Stellung der partnership im Prozeßverkehr, vor allem ihre Parteifähigkeit, ist den lokalen Prozeßordnungen vorbehalten11. Corporation und partnership im Recht des Trust Lichtyger v. Franchard Corporation, 223 N.E.2d 869, 873 f. (N.Y. 1966). 8 Die systematischen Darstellungen der partnership entwickeln die Dogmatik dieses Rechtsgebiets vom Recht der Stellvertretung (agency) aus. Damit rückt die vertragliche Ver­ bindung der Gesellschafter ganz in den Vordergrund, die aber das Phänomen der partnership alleine nicht einfangen kann. Zur älteren Auffassung der partnership als contractual Status L.C. Jones Trucking Co. v. Superior Oil Co., 234 P.2d 802 (Wyo. 1951); im gegenteiligen Sinne stellvertretend für das modernere Konzept der partnership In re Finkelstein 's Estate, 245 N.Y.S.2d 225 (1963): danach besitzt der Partner keine dinglichen Rechte am Gesell­ schaftsvermögen. Sein einziges property right besteht in seinem Gesellschaftsanteil (partnership interest). 9 Ausführlich Bromberg/Ribstein, Partnership (Loseblatt 1988 ff.), §1.03 (S. 1:19 ff.). 10 Obwohl der Uniform Partnership Act von 1914 eine Entscheidung des alten Streits zwischen der entity theory und der aggregate theory vermeidet, ordnet § 9 an, daß die Ge­ sellschafter Vertreter der Gesellschaft und nicht ihrer Mitgesellschafter sind. 11 Nach dem Recht von New York ist die partnership parteifähig, § 1025 CPLR; die Klagezustellung (service of process) an einen Partner bewirkt die Klagezustellung an die Ge­

1. Die general partnership Die general partnership ist die Grundform der Personengesellschaft. Wie bei der OHG haftet den Gesellschaftsgläubigem das Gesellschaftsvermögen und jeder Gesellschafter persönlich. Die Wirksamkeit der Gründung erfor­ dert keine behördliche Erlaubnis und vollzieht sich ohne Formalitäten. Es genügt der Abschluß des GesellschaftsVertrages (partnership agreement), der auch schlüssig erfolgen kann etwa durch schlichte Aufnahme der verabrede­ ten Tätigkeiten. Die Einhaltung der Schriftform wird notwendig, wenn die Gesellschaft für länger als ein Jahr bestehen soll oder wenn ein Gesellschaf­ ter Grundbesitz in die Gesellschaft einbringt12. Die einzelstaatliche Gesetz­ gebung gesteht den Gründern weitgehende Vertragsfreiheit zu. Dementspre­ chend offen sind die gesetzlichen Definitionen, die die partnership als Verei­ nigung von zwei oder mehr Personen beschreiben, die sich zusammenschlie­ ßen, um als gemeinschaftlich Berechtigte ein Geschäft in der Absicht der Gewinnerzielung zu betreiben13. Die Vertrags- und Organisationshoheit der Gesellschafter äußert sich in der Befugnis, von den üblichen Regeln über die Teilhabe an Gewinn und Verlust abzuweichen oder die Geschäftsführungs­ aufgaben in der Gesellschaft besonders festzulegen. Die Frage nach der Statthaftigkeit der derivative suit bei der partnership verbindet sich mit der Verteilung der Verwaltungsaufgaben, da die derivative suit ein Rechtsbehelf gegen die Ausübung von Exekutiv­ befugnissen ist. Die dem deutschen Recht eigene Unterscheidung zwischen Vertretungsmacht und Geschäftsführungbefugnis entfällt im amerikanischen Recht, wo Vertretungsmacht und Auftrag zusammenfallen. Nach dem Leit­ bild der partnership wirken sämtliche Mitglieder gleichberechtigt an der Verwaltung der Gesellschaft mit. Hierzu sind die Partner berechtigt und ver­ pflichtet, doch darf der Gesellschaftsvertrag die Verwaltung anders ordnen14. In der typisch verfaßten partnership gibt es keine Trennung von Beschlußfas­ sung, Beschlußausführung und Überwachung des Managements. Alle Partner sind Unternehmer und haben einen Beschäftigungsanspruch im Unterneh­ men. Die Beschlußfassung geschieht nach Kopfteilen und nicht nach Kapital­ sellschaft insgesamt, § 310 CPLR. Damit ist der partnership Rechtsfähigkeit verliehen und das Vertretungsprinzip des § 9 U.P.A. auf den Prozeßbetrieb ausgedehnt. 12 Näher zur Frage, wann der Gesellschaftsvertrag dem Statute of Frauds genügen muß, Bromberg/Ribstein, Partnership (Loseblatt 1988 ff.), § 2.13 (c), S. 2:124 ff. 13 § 6 U.P.A. und entsprechend etwa § 10 N.Y.P.L. oder § 15006 Cal.Corp.Code defi­ nieren die partnership als eine Verbindung von wenigstens zwei Personen, die sich zusam­ menschließen, um ein Geschäft als gemeinschaftlich Berechtigte in der Absicht der Ge­ winnerzielung zu betreiben. 14 Vgl. § 18(e) U.P.A.; §40(5) N.Y.P.L.; § 15018(e) Cal.Corp.Code. Wird ein Part­ ner gegen seinen Willen vom Management ausgeschlossen, so ist dies ein wichtiger Grund für die Auflösung der Gesellschaft.

anteilen. Doch ist dies dispositives Recht. Die Managementaufgaben dürfen nach Aufgabenbereichen verteilt werden und einzelne Gesellschafter können durch das partnership agreement sogar völlig von der Geschäftsführung ausgeschlossen sein. Zur Wirksamkeit gegenüber Dritten ist eine Kundgabe nach außen erforderlich, da sich andernfalls ein gutgläubiger Vertragspartner die Beschränkung der Vertretungsmacht nicht entgegenhalten lassen muß15. Der nichtgeschäftsführende Partner ist im übrigen Gesellschafter mit sämt­ lichen Rechten und Pflichten, insbesondere haftet er gleich den übrigen für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten16. Die Anfälligkeit der Position eines nichtgeschäftsführenden Gesellschaf­ ters verlangt nach Schutzmechanismen. Zwischen den Mitgliedern der part­ nership existieren fiduciary duties, die der Gesellschaftsvertrag nicht wirk­ sam abbedingen kann. Die geschäftsführenden Gesellschafter sind Trustees und unterliegen besonderen Treubindungen17. Für die Vornahme ungewöhn­ licher Geschäfte außerhalb des üblichen Geschäftsbetriebs ist die Zustim­ mung sämtlicher Gesellschafter erforderlich. Wird das Einstimmigkeitserfordemis für wichtige Geschäfte unterlaufen, so muß den gesellschaftstreuen Gesellschaftern ein wirksames Korrektiv zustehen, auch wenn sie gesell­ schaftsvertraglich von der Geschäftsführung ausgenommen sind. Gleiches gilt, wenn die Mehrheit eine Maßnahme treffen oder verhindern will, die nach dem Gesellschaftsvertrag verboten bzw. geboten ist. Der Maßstab der fiduciary duties in der partnership gehört zu den heraus­ ragenden Merkmalen dieser Gesellschaftsform. Es handelt sich um eine Treupflicht von hohem Niveau, die von Austauschbeziehungen zwischen un­ verbundenen Parteien, die miteinander zu Marktkonditionen (at arm’s length) kontrahieren, zu trennen sind18. Die Gesellschafter haben einander nach Treu und Glauben und in Fairness zu begegnen. Kem der fiduzia­ rischen Pflichten ist, daß das persönliche Vorteilsstreben dem Fortkommen der Gesellschaft unterzuordnen ist. Anschaulich wird das Prinzip bei der Be­ handlung der Geschäftschancen der Gesellschaft. Die Erwerbschancen stehen 15 Vgl. § 9(4) U.P.A.; Wilke v. Simon, 193 N.W. 666 (S.D. 1923). 16 Der inaktive general partner ist Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten, vgl. Warner v. Modano, 164 N.E.2d 904 (Mass. 1960). Die Haftung entspricht derjenigen eines undisclosed principal. 17 Statt vieler Clement v. Clement, 260 A.2d 728 (Pa. 1970); Conrad v. Judson, 465 S.W.2d 819, 828 (Tex. 1971). Typisch auch Morgan v. Arnold, 441 S.W.2d 897, 905 (Tex. 1969), wo das Gericht einem von einem Mitgesellschafter Betrogenen Schadensersatz in exemplarischer Höhe zusprach. 18 Grundlegend Meinhard v. Salmon, 164 N.E. 545 (N.Y. 1928). Bereits vorher Latta v. Kilbourn, 150 U.S. 524, 14 S.Ct. 201 (1893). Sowie Clement v. Clement, 260 A.2d 728 (Pa. 1970); Conrad v. Judson, 465 S.W.2d 819 (Tex. 1971); Douglas v. Neill, 545 S.W.2d 903 (Tex. 1977).

der Gesellschaft zu und jeder Gesellschafter, der sie eigenmächtig an sich bringt, hat sie einschließlich ihrer Produkte und Derivate an die Gesellschaft herauszugeben. Bis dahin hält er sie in Trust für die Gesellschaft, und die derivative suit ist das probate Mittel, um die Gesellschaft in ihre Rechte ein­ zusetzen, sofern dies nicht freiwillig geschieht. Ein wichtiger Ausschnitt der fiduziarischen Verpflichtung ist das Wettbe­ werbsverbot, dem jeder Partner untersteht19. Das Konkurrenzverbot ist um­ fassender als die Pflicht, keine Geschäftschancen der Gesellschaft zu usur­ pieren, da es nicht erfolgs-, sondern tätigkeitsbezogen wirkt. Durch Ab­ schluß des GesellschaftsVertrages sagen die Gesellschafter implizit zu, ihre Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Daher darf kein Ge­ sellschafter ohne die Zustimmung der übrigen einen Konkurrenzbetrieb er­ öffnen, sich an ihm beteiligen oder für ihn tätig werden. War ein Partner schon vor Gründung der Gesellschaft an einem Konkurrenzgeschäft beteiligt, entscheidet der Kenntnisstand der anderen Gesellschafter. Ansonsten steht es jedem Gesellschafter frei, sich an Unternehmen, die nicht mit der partner­ ship in Wettbewerb treten, zu beteiligen, um seine Ersparnisse gewinnbrin­ gend investieren zu können. Soweit der Gesellschaftsvertrag darüber hinaus Wettbewerbsverbote ausspricht, sind diese an der Wettbewerbsfreiheit zu messen und in jedem Falle darauf zu untersuchen, ob sie in zeitlicher, räum­ licher und gegenständlicher Hinsicht erforderlich sind, um die partnership zu schützen20. 2. Die limited partnership Die limited partnership ist eine durch gesetzliche Ermächtigung geschaf­ fene Personengesellschaft mit beschränkter Haftung der limited partners, die dem common law fremd war. Die limited partnership hat zwei notwendige Gesellschafterklassen, nämlich den unbeschränkt haftenden general partner und den nur auf seine Einlage beschränkt haftenden limited partner. Partner kann jede natürliche oder juristische Person sein. Es ist zulässig, daß eine Person an derselben Gesellschaft zugleich als general und als limited partner beteiligt ist21. An drei Stellen tritt der Unterschied zur general partnership deutlich hervor: bei der general partnership kann der Name jedes general partner in die Firma aufgenommen werden, bei der limited partnership darf nur der Name von persönlich haftenden Gesellschaftern Bestandteil der

19 § 189 20 21

Allgemein hierzu REUSCHLEIN/GREGORY, Agency and Partnership, 2. Aufl. 1990, (S. 281); 59A AmJur 2d, Partnership, §§ 463 ff. (1987). Areeda/Turner, Antitrust Law III, § 703(b) (S. 111 ff.). § 12 U.P.A.; § 101 N.Y.P.L.

Firma sein22. Bei der general partnership kommen als Beiträge Bareinlagen, Sacheinlagen oder Dienstleistungen in Betracht, bei der limited partnership scheiden Dienstleistungen hingegen aus23. Der Tod oder das Ausscheiden ei­ nes Gesellschafters fuhrt bei der general partnership zur Auflösung, bei der limited partnership hat das Ausscheiden eines limited partner keinen Einfluß auf den Fortbestand der Gesellschaft24. Von der deutschen Kommanditge­ sellschaft unterscheidet sich die limited partnership darin, daß sie kein Han­ delsgewerbe i.S.d. §§ 1 bis 3 HGB betreiben und kein formalisiertes Grün­ dungsverfahren durchlaufen muß. Ähnlich wie bei der Gründung einer Cor­ poration bedarf es der Beantragung und Ausstellung eines certificate of limi­ ted partnership. Das certificate hat stets zu enthalten: Name der Gesellschaft, ihren Geschäftsbetrieb, den Gesellschaftssitz, Name und Anschrift sämtlicher Gesellschafter, die als general oder limited partner auszu weisen sind, die Dauer der Gesellschaft sowie die Höhe der Beteiligung jedes Gesellschaf­ ters25. Der Registrierungsbehörde steht nur ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen zu. Sie trifft keine Konzessionsentscheidung nach Ermessen. Im Außenverhältnis gelangt die limited partnership zur Entstehung, sobald die Gründungsbedingungen sachlich erfüllt sind (substantial compliance) und das certificate of limited partnership bei der Registrierungsbehörde beantragt ist26. Scheitert die wirksame Gründung einer limited partnership wegen Nicht­ befolgung der Gründungsformalitäten, liegt im Innenverhältnis gleichwohl eine solche vor, im Außenverhältnis haftet der limited partner allerdings in Ermangelung einer wirksamen Haftungsbeschränkung persönlich27. Nach 22 Cal.Corp.Code § 15505; N.Y.P.L. § 94. Erscheint ein limited partner gleichwohl in der Firma, haftet er wie ein general partner, es sei denn, daß dem Gläubiger die wahren Rechtsverhältnisse bekannt sind. 23 Cal.Corp.Code § 15504; N.Y.P.L. § 93. 24 Zum Beispiel N.Y.P.L. §§ 109, 110. 25 § 2 U.L.P.A. (1916) sowie § 201 R.U.L.P.A. (1976). Die neuere Gesetzgebung ten­ diert demgegenüber zu einer Verringerung des Publizitätsgehalts des certificate of limited partnership. Danach hat das certificate weniger notwendige Bestandteile. Die nicht mehr ins certificate aufzunehmenden Gesellschaftsmerkmale werden zu Bestandteilen des partnership agreement, sie dürfen jedoch freiwillig zum Inhalt des certificate gemacht werden, vgl. § 201 R.U.L.P.A. (1985), Textabdruck mit offizieller Kommentierung u.a. bei Brom­ berg/Ribstein, Partnership (Loseblatt 1988 ff.), App. D, S. D:18. Certificate of limited partnership und partnership agreement verhalten sich wie certificate of incorporation und bylaws bei der Corporation. 26 Hoefer v. Hall, 411 P.2d 230, 232 (N.M. 1966); Direct Mail Specialist, Inc. v. Brown, 673 F.Supp. 1540, 1542 (D.Mont. 1987). 27 Hoefer v. Hall, 411 P.2d 230, 233 (N.M. 1966); Homestake Mining Co. v. MidContinent Exploration Co., 282 F.2d 787 (lOth Cir. 1960); DwinelVs Central Neon v. Cosmopolitan Chinook Hotel, 587 P.2d 191, 194 (Wash.Ct.App. 1978); Ritzau v. Warm Springs West, 589 F.2d 1370 (9th Cir. 1979). Aus der älteren Rechtsprechung schon sehr deutlich Abendroth v. Van Dolsen, 131 U.S. 66, 73 (1889).

anderer, früher vorherrschender Auffassung konnte dann überhaupt nur eine general partnership entstehen, mit der Folge, daß alle Partner den Status ei­ nes general partner haben, da sie ohnehin persönlich haften28. Die nachtei­ ligen Konsequenzen für den limited partner mildert die Gesetzgebung da­ durch, daß sie keine strikte Befolgung der Gründungsvoraussetzungen im wörtlichen Sinne verlangt. Außerdem bleibt ein gutgläubiger limited partner von der persönlichen Haftung verschont, sofern er die Gesellschafterstellung unverzüglich nach Entdeckung des Gründungsmangels aufgibt und keine Gewinnanteile oder Sachleistungen von der Gesellschaft bezieht (§ 100 N.Y.P.L., Cal.Corp.Code § 15511). Hinzu kommt, daß - ähnlich wie nach dem Rechtsgedanken von § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB - ein Gesellschafts­ gläubiger nicht nachträglich von Umständen profitieren soll, die für seine ur­ sprüngliche Kreditgewährung an die Gesellschaft nicht ursächlich gewesen sein können. Mit Bezug auf die Geschäftsführung beginnt bei der limited partnership die Unterscheidung zwischen ownership und control Gestalt anzunehmen29. Der Gleichlauf von Herrschaft und Haftung ist strikter durchgeführt als bei der Kommanditgesellschaft. Dem general partner steht zwingend die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis als Kehrseite seiner unbeschränk­ ten persönlichen Haftung für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten zu. Das partnership agreement kann hiervon nicht abweichen. Ein limited partner, der seine gesetzlichen Befugnisse überschreitet und an der Kontrolle der Ge­ sellschaft teilnimmt, haftet wie ein general partner. Freigestellt von dieser Haftung ist ein limited partner, der seine Gesellschafterrechte ausübt, etwa eine derivative suit erhebt oder an ihr beteiligt ist und sich dadurch in die Geschäftsführung einmischt30. Im amerikanischen Recht bleibt so kein Raum für die Errichtung einer atypischen limited partnership, bei der die limited partners das Sagen haben31. Die Haftungssanktion dient als zivilrechtliche 28 REUSCHLEIN/GREGORY, Agency and Partnership, 2. Aufl. 1990, § 262 (S. 432 ff.) mit Nachweisen. 29 Hecker, Limited Partners' Derivative Suits Under the Revised Uniform Limited Partnership Act, 33 Vand.L.Rev. 343, 345 f. (1980). 30 § 96 Satz 2 N.Y.P.L. stellt die Erhebung einer derivative suit oder die Beteiligung hieran von der Haftung frei, indem diese Tätigkeiten zu Nichtgeschäftsführungsakten erklärt werden. Die Klarstellung war notwendig, nachdem einzelne Gerichte §7 U.L.P.A. (1916) streng dem Wortlaut nach auslegten und den klagenden limited partner wegen Einmischung in die Geschäftsführung als general partner haften ließen, vgl. Executive Hotel Associates v. Elm Hotel Corp.y 245 N.Y.S.2d 929 (1964); Riviera Congress Associates v. Yassky, 268 N.Y.S.2d 854 (1966). Nach richtiger Auffassung schlüpft der Kläger durch die Prozeßfüh­ rung also in keine andere Rolle. 31 Ganz anders ist die Rechtslage bei der atypischen Kommanditgesellschaft in Deutschland, vgl. BGHZ 45, 204 (206 ff.) - "Rektorfall", näher KARSTEN SCHMIDT, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 53 IV 3 d (S. 1550) sowie Schlegelberger/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1986, § 164 RdNr. 27 ff. Eine Haftung des geschäfts­

Abschreckung gegen jegliche Veränderung der gesetzlichen Rollenvertei­ lung. Die Überlegungen zum Gleichlauf von Herrschaft und Haftung stehen auf dem Prüfstand, wenn in der limited partnership eine Corporation einziger ge­ neral partner ist und sich die Verwaltung der Corporation ausschließlich aus limited partners zusammensetzt. Diese bei Grundstücksentwicklungsgesell­ schaften häufig anzutreffende Gestaltung bedeutet bei wirtschaftlicher Be­ trachtung, daß der limited partner die partnership über die Corporation be­ herrschen kann. Dies tut er jedoch nach der Mehrheitsmeinung der Gerichte in seiner Eigenschaft als Verwaltungsmitglied der Corporation als general partner, so daß es bei der Haftungsbeschränkung bleibt32. Die bundesstaat­ liche Gesetzgebung tendiert, dem Vorbild der Modellkodifikationen folgend, dahin, diese Variante der limited partnership zuzulassen33. Die Haftungsbe­ schränkung geht erst verloren, wenn der einzige limited partner zugleich ein­ ziger Gesellschafter der als general partner fungierenden Corporation und obendrein noch deren einziges Verwaltungsmitglied ist. Hier lassen die Ge­ richte den Nachweis nicht zu, daß der Gesellschafter in Ausübung seiner Kontrollrechte als limited partner gehandelt hat34.

II. Gesellschafterrechte und Business judgment Wie bei der Corporation verlangt die derivative suit im Recht der partner­ ship ebenfalls nach sorgfältiger Einpassung in die Verbandsordnung, da der Kläger hier wie dort in einen ihm fremden Kompetenzbereich übergreift. führenden und die KG beherrschenden Kommanditisten wird im deutschen Recht wohl des­ halb nicht befürwortet, weil dieser Haftung eine eindeutige gesetzliche Grundlage fehlt. 32 Gegen eine Haftung des limited partner als Verwaltungsmitglied der Corporation noch vor Neufassung des § 303(b)(1) R.U.L.P.A. Western Camps, Inc. v. Riverway Ranch Enterprises, 138 Cal.Rptr. 918 (1977); Frigidaire Sales Corp. v. Union Properties, Inc., 562 P.2d 244 (Wash. 1977). Anderer Auffassung Delaney v. Fidelity Lease Limited, 526 S.W.2d 543 (Tex. 1975). 33 § 3O3(b)(l) R.U.L.P.A. (1985). 34 Gonzales v. Chalpin, 565 N.E.2d 1253 (N.Y. 1990), rearg.den. 572 N.E.2d 54. Das Entscheidungsergebnis ist - ohne daß das Gericht dies offen anspricht - von sozialpoli­ tischen Erwägungen beeinflußt, die in New York eine traditionsgemäß große Rolle einneh­ men. Die Arbeitnehmer sollen nicht der öffentlichen Sozialfürsorge anheim fallen. Für eine Corporation, deren Anteile nicht regelmäßig gehandelt werden, ordnet § 630 N.Y.B.C.L. an, daß die zehn größten Anteilseigner für Lohnforderungen persönlich haften. Der Beklagte hätte als alleiniger Gesellschafter einer Corporation persönlich gehaftet. Vielleicht ist man in casu deshalb auf die limited partnership ausgewichen. § 630 läßt sich nicht dadurch umge­ hen, daß eine Corporation (bzw. der sie beherrschende Gesellschafter) das Unternehmen durch eine limited partnership betreiben läßt, deren general partner sie ist. Der Fall leistet in diesem Sinne einen wichtigen Beitrag zum rechtsformübergreifenden Gesellschaftsrecht: in § 630 geht es nicht allein um die Haftung der Gesellschafter, sondern um das Privileg der Haftungsbeschränkung überhaupt.

Eine Prozeßführung betreffend die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens unterliegt der Entscheidungsgewalt der geschäftsführenden Gesellschafter. Sie bestimmen in pflichtgemäßer Ausübung ihres Geschäftsleiterermessens (business judgment). Ihr Ermessensspielraum resultiert aus der Stellung als geschäftsführender Gesellschafter. Die persönlich haftenden Gesellschafter der limited partnership sind geborene Geschäftsführer. Das business judgment des managing partner ist von anderer Qualität als das der Verwaltungsmitglieder bei der Corporation. Die Corporation kennt keine zwingende Selbstorganschaft. Das Verwaltungsmitglied haftet nicht für die Schulden der Corporation, ganz gleich ob es über eigenen Anteilsbesitz verfügt oder nicht. Die managing partners haften persönlich als Folge des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung. Aus dem Umstand der persönlichen Haftung folgt indes nicht, daß sie freie Hand bei der Geschäftsführung haben und sich jede Einmischung von dritter Seite verbitten dürfen. Genau wie das pflichtvergessene Verwaltungsmitglied der Corporation kann der managing partner gegenüber der partnership wegen schuldhaft pflichtwidriger Ge­ schäftsführung in Haftung geraten. Die Rechtsprechung hat das Ermessen (discretion) des managing partner zum Teil aus dem Gesellschaftsvertrag gewonnen35. In der älteren Judikatur hatte man es noch ganz abgelehnt36. Argumentiert wurde mit den sehr stren­ gen fiduziarischen Pflichten der geschäftsführenden Gesellschafter, die ei­ nem business judgment keinen Raum ließen. Ferner vertrage sich der strikte Haftungsmaßstab nicht mit den Vorteilen der business judgment rule für den Handelnden37. Der Schutz der business judgment rule bedeutet wie im Recht der Corporation, daß die verfassungsmäßig berufenen Geschäftsführer der Gesellschaft nicht für Fehler haften, die ihnen bei der gewissenhaften Aus­ übung ihres Fachurteils als Geschäftsleiter unterlaufen, und nicht ausgleichs­ pflichtig sind für Verluste, die der Gesellschaft aus Anlaß der Erfüllung ihrer Pflichten in gutem Glauben entstehen, sofern sie hierbei die Sorgfalt ange­ 35 So etwa in Weckstein v. Breitbart, 488 N.Y.S.2d 665, 668 (1985). 36 United Brokers1 Co. v. Dose, 22 P.2d 204 (Or. 1933) verweigerte einem Partner einen Ersatzanspruch zu Lasten des Gesellschaftsvermögens. Nach der Entscheidung Hurter v. Larrabee, 112 N.E. 613 (Mass. 1916) ist kein Partner für "honest mistakes" haftbar. Verluste, die aus Einschätzungsfehlern (errors of judgment) resultieren, sind von der Gesell­ schaft und von allen Gesellschaftern zu tragen, sofern sie nicht an "fraud", "bad faith" oder "reckless disregard" der gesellschaftlichen Pflichten heranreichen. Dies sind die Formeln, mit denen bei der Corporation die business judgment rule gekennzeichnet ist. Beide Ent­ scheidungen ergingen vor der Transformation der Modellkodifikationen zur partnership in den jeweiligen Staaten. Prononciert für die Geltung der business judgment rule im Recht der partnership Wyler v. Feuer, 149 Cal.Rptr. 626, 633 (1978). 37 Zum ganzen Fragenkreis Note, The Permissible Conduct of a Partner in Carrying on the Firm Business: 29 Columb.L.Rev. 66 (1929) mit vielen Nachweisen aus der älteren Li­ teratur und Rechtsprechung.

wandt haben, die ein durchschnittlich sorgfältiger Geschäftsleiter in ver­ gleichbarer Lage angewandt hätte38. Der geschäftsführende Gesellschafter muß sich, um diesen Schutz zu genießen, im Rahmen seiner Vertretungs­ macht bewegen. Neben dem Geschäftsleiterermessen besitzt auch die Gesell­ schaftermehrheit ein business judgment bei der Festlegung der Geschäfts­ politik. Strukturwandelnde Eingriffe in die Grundlagen der Gesellschaft oder die Vornahme von ultra vires-Akten verlangen einen einstimmigen Gesell­ schafterbeschluß. Selbst wenn man mit einigen Gerichten fordert, daß sich die Partner un­ tereinander mit einem Höchstmaß an Fairness (utmost highest faimess) zu begegnen haben, darf dies nicht heißen, daß der managing partner zum Ga­ ranten des unternehmerischen Erfolges wird. Ein strenger Standard fidu­ ziarischer Pflichten und ein kaufmännischer Ermessensspielraum für die ge­ schäftsführenden Gesellschafter schließen sich daher nicht aus. Im Gegenteil bedingen die Leitung und das Funktionieren der Gesellschaft die Anerken­ nung eines business judgment, um die Entscheidungsfreude und die Hand­ lungsfähigkeit zu gewährleisten. Denn der Ermessensspielraum bewahrt den Handelnden einerseits vor einer Haftung auf Schadensersatz und besagt ande­ rerseits, daß eine Entscheidung des verfassungsmäßig bestellten Organs nicht durch das Urteil einer anderen Instanz ersetzt werden darf. Wäre das Argu­ ment zutreffend, wonach mit zunehmender Dichte der fiduciary duties das Geschäftsführerermessen entsprechend abnimmt, so müßte bei der close Cor­ poration, die tatsächlich eine inkorporierte partnership ist, im gleichen Sinne entschieden werden, was mit Recht nicht geschieht. Bei beiden Formen der partnership haben die geschäftsführenden Gesell­ schafter gesetzlich umschriebene Befugnisse, die der Gesellschaftsvertrag modifizieren darf. Über die Definition der Handlungspflichten läßt sich der Sorgfaltsmaßstab steuern, was auf das Geschäftsführerermessen zurückwirkt. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesellschaftsvertrages reichen jedoch nicht soweit, daß auf diesem Wege das business judgment überhaupt beseitigt wird. Andernfalls würde der geschäftsführende Gesellschafter zum Versiche­ rer des unternehmerischen Erfolges. Dieses Risiko ist von der Gesellschaft und allen Gesellschaftern zu tragen, denen auf der anderen Seite die Ge­ schäftschancen und der mit ihnen erzielte Gewinn zustehen. Der Sorgfalts­

38 Zur business judgment rule bei der Corporation statt vieler Kamin v. American Express Co., 383 N.Y.S.2d 807, 819 ff. (1976) und neuerdings American Law Institute, Principles of Corporate Govemance: Analysis and Recommendations, Band 1, 1994, § 4.01(c) mit Erläuterungen S. 172 ff.

maßstab für die partnership ist der einer gewöhnlich sorgfältigen Person39, und durch die im partnership agreement getroffene Rollenverteilung zeigen die Gesellschafter, wen sie für hinreichend qualifiziert halten. Die Anwendung der business judgment rule bedeutet zwar, daß die Ent­ scheidung der Verwaltung nur einer beschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dies heißt jedoch nicht, daß der managing partner auf diesem Wege stets letztverbindlich über das Prozeßführungsrecht der Gesellschaft befindet und eine derivative suit scheitert, wenn die Geschäftsführung eine Klage für nicht opportun oder überflüssig erklärt. Der Interessenkonflikt ist manifest, wenn die geschäftsführenden Gesellschafter in die Vorgänge ver­ strickt sind, die Anlaß zur Klage bieten. Wie bei der Corporation ist die Ent­ scheidung des managing partner, das Klagerecht nicht zu verfolgen, gericht­ lich überprüfbar. Noch nicht eingebürgert hat sich bei der partnership die Institution eines litigation committee, das quasi als Gesellschaftsorgan über einen Antrag (demand) auf Klageerhebung entscheiden soll. In Anlehnung an die Behandlung solcher Ausschüsse bei der Corporation gilt: ist das litigation committee nicht unabhängig hinsichtlich seiner Mitglieder und seiner Be­ stellung, so untersteht sein Urteil der vollen gerichtlichen Überprüfung. Aber selbst wenn ein im Sinne der Rechtsprechung zur Corporation unabhän­ giges litigation committee amtiert, ist seine Ermessensentscheidung nicht ge­ gen jedwede gerichtliche Prüfung immun, sondern findet wenigstens eine summarische Schlüssigkeitsprüfung der erhobenen Ansprüche statt. Denn bei einem unabhängigen Ausschuß ist die Manipulationsgefahr nie ganz auszu­ schließen, daß man Personen auswählt, die später eine "genehme" Entschei­ dung fällen40. 39 Wyler v. Feuer, 149 Cal.Rptr. 626 (1978). Es handelt sich um einen klassischen Fall für die Anwendung der business judgment rule: der managing partner einer Kinofilme pro­ duzierenden Gesellschaft ist nicht haftbar, wenn der Film beim Publikum durchfallt. 40 So die Rechtsprechung in Delaware, vgl. Zapata Corp. v. Maldonado, 430 A.2d 779 (Del. 1981), wo die Gerichte das business judgment eines unabhängigen litigation commit­ tee, wenn gewisse prozedurale Anforderungen gewahrt sind, nicht weiter hinterfragen. Die übrigen Bundesstaaten folgen im wesentlichen dem Modell von Delaware oder New York. Diese durchaus heikle Rechtsfrage ist indessen im Fluß: in Delaware wurde die Zapata-Rule mittlerweile dahingehend modifiziert, daß die eigenständige Ermessensprüfung des Gerichts nur noch stattfindet, sofern die derivative suit ohne Antrag (sog. demand excused) zulässig ist. Im anderen Falle (sog. demand necessary) ist die business judgment rule anzuwenden, so Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (Del. 1984). Die Schwierigkeit dieser Differenzierung be­ steht in der Feststellung der relevanten Kriterien dafür, ob die Beantragung der derivative suit beim Management erforderlich oder entbehrlich ist. Davon abgesehen bleibt, solange die amtierende Verwaltung die Zusammensetzung des litigation committee bestimmen oder beeinflussen kann, die Gefahr der Befangenheit (structural bias). Es ist wahrlich kein Zufall, daß immer dort, wo die Entscheidung einem unabhängigen litigation committee übertragen war, dieses zum Ergebnis der Unzweckmäßigkeit einer Klageerhebung kam. Ob das litiga­ tion committee wirklich unabhängig entschieden hat, kann oft nur im Spiegel der Begrün­ dung und des Ergebnisses seiner Entscheidung beurteilt werden. Aus diesem Grunde nimmt Alford v. Shaw, 358 S.E.2d 323, 328 (N.C. 1987) stets - also nicht bloß beim demand ex-

III. Die Zulässigkeit der derivative suit Unter rechtsvergleichendem Blickwinkel ist es interessant zu beoachten, daß sich die der derivative suit funktionsverwandte actio pro socio des deut­ schen Rechts von den Personalgesellschaften kommend allmählich auf das Körperschaftsrecht zubewegt. In den USA verläuft die Entwicklung umge­ kehrt. Gegen die Zulässigkeit der derivative suit im Recht der partnership wurde eingewandt, daß diese keine rechtsfähige Einheit sei. Während die de­ rivative suit bei der Corporation in equity gewachsen ist, lehnten es die Ge­ richte bei der limited partnership lange Zeit ab, dieses Institut zu überneh­ men, weil ihm in den Modellgesetzen und in den einzelstaatlichen Gesetzen eine Grundlage fehle. Präzedenzfälle gab es ebenfalls nicht. Die Rechtslage bei der general partnership ist bis heute unverändert. Für die limited partner­ ship traf der U.L.P.A. von 1916 zwar keine Regelung, doch beließen es ein­ zelne Gerichte aus Gründen der Billigkeit nicht bei diesem Zustand41. Das so gewachsene Richterrecht42 hat wenig später Eingang in die einzelstaatliche Gesetzgebung gefunden43. Der R.U.L.P.A. übernahm die derivative suit als wichtige Neuerung44. Die Anerkennung der derivative suit wirft die Frage nach ihrer Verein­ barkeit mit den sonstigen Gesellschafterrechten auf. Nach Gesetzesrecht, das die ursprünglich in equity entwickelten Grundsätze kodifiziert hat, steht je­ dem Gesellschafter die Rechnungslegungsklage (action for accounting)45 und die Auflösungsklage46 zu Gebote. In Betracht kommt ferner die nicht spezi­ fisch gesellschaftsrechtliche Bestellung eines receiver. Zwischen diesen cused - eine materiellrechtliche Prüfung der mit der derivative suit zu verfolgenden An­ sprüche vor, ohne sich mit einer Ermessensüberprüfung der Entscheidung des litigation committee zu begnügen. Diese Behandlung kommt der Wertigkeit der derivative suit im Sy­ stem der corporate govemance am nächsten. Ausführlicher dazu bereits oben § 7 II. 41 So grundlegend zum Recht von New York Klebanow v. New York Produce Exchange, 344 F.2d 294, 299 (2d Cir. 1965); Riviera Congress Associates v. Yassky, 223 N.E.2d 876, 879 (N.Y. 1966). Schon vorher existierte in Delaware eine gesetzliche Grund­ lage für die derivative suit bei der partnership, vgl. 6 Del.Code §§ 1732, 1733 (1953). 42 Ist das Gesetzesrecht, welches das bis dahin bestehende common law kodifiziert hat, unvollständig oder erweist es sich später als überholt, so haben die Gerichte die "general rules of law and equity" anzuwenden, um ein billiges Ergebnis zu erzielen, Griffith v. Commissioner of Internal Revenue, 308 U.S. 355, 358 (1939). Die Kodifikation will der Rechts­ entwicklung nicht ihre Dynamik nehmen und intendiert insbesondere keine Rechtsfortbil­ dungssperre. 43 N.Y.P.L. § 115-a bis § 115-c (1968). 44 Art. 10 R.U.L.P.A. §§ 1001-1004, übernommen in 6 Del.Code §§ 17-1001 bis 17­ 1004. 45 U.P.A. §§ 21, 22; N.Y.P.L. §§ 43, 44. 46 U.P.A. §32; N.Y.P.L. §63.

Rechtsbehelfen untereinander und zur derivative suit besteht indessen kein Stufen- oder Ausschließlichkeitsverhältnis. Insbesondere ist die derivative suit nicht subsidiär, weil jeder Rechtsbehelf auf eine andere rechtliche und tatsächliche Situation zugeschnitten ist und der Verwirklichung eines anderen Rechtsschutzziels dient. Die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft ist keine in die Vergangenheit zeigende Möglichkeit zur Bekämpfung von Unregel­ mäßigkeiten im Bereich der Geschäftsführung. Sind solche vorgefallen und dadurch die Gesellschaft geschädigt, so ist die Auflösung unangebracht, weil sie die gesamte Gesellschaft beseitigt, ohne den pflichtvergessenen Ge­ schäftsführer zur Rechenschaft zu ziehen. Die Klage auf Rechnungslegung ist zu schwerfällig und ebenfalls nicht auf die Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Verschiebung von Gesellschaftsvermögen zum Nachteil der Gesellschaft gerichtet. Sie knüpft an das Vorhandensein einer fiduziarischen Beziehung zwischen den Parteien an und versagt mithin, wenn ein Anspruch der Gesellschaft gegen einen Dritten zu verfolgen ist47. Ein weiterer Nachteil der Rechnungslegungsklage ist, daß dem obsiegenden Kläger kein Entschä­ digungsanspruch gegen die Gesellschaft für seine Anwaltsgebühren zusteht. Auch die gerichtliche Bestellung eines receiver reicht nicht an die Flexibilität der derivative suit heran48. Dieser Rechtsbehelf unterscheidet sich wesentlich von den Abberufungsklagen aus §§ 117, 127 HGB oder von einer Notvor­ standsbestellung nach § 29 BGB. Einem receiver stehen umfassende Ent­ scheidungsbefugnisse zu, die er anstelle des bisherigen Managements mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft wahrnimmt. Beispielsweise kann er Klagen gegen das Management wegen schlechter Geschäftsführung erheben oder gegen Dritte zur Realisierung ausstehender Gesellschaftsforderungen vorgehen. Der entschiedene Nachteil besteht in der Überreichweite des Rechtsbehelfs. Die gerichtliche Ernennung eines receiver verstellt den Ge­ sellschaftern die Möglichkeit einer Neuordnung der Vertretungsverhältnisse ihrer Gesellschaft. Die receivership bedeutet einen schweren Eingriff in die Selbstverwaltungsdomäne der Gesellschafter. Der receiver ist Funktionär des Gerichts und steht unter seiner Aufsicht. Die kontinuierliche Fortführung der Gesellschaft soll unter der receivership nicht leiden. Erforderlich sind daher umfängliche Sachkenntnisse mit Bezug auf die Gesellschaft, ihr Unterneh­ men sowie die Marktbedingungen, die sich nicht aus dem Stand erwerben lassen. Nur unter diesen Voraussetzungen würde die Klientel der Gesell­ schaft einen receiver als Verhandlungspartner akzeptieren. Diese Überle­ 47 Hecker (wie FN 29), S. 350; Note, Procedures and Remedies in Limited Partners' Suits for Breach of the General Partner's Fiduciary Duty, 90 Harv.L.Rev. 763, 777 ff. (1977). 48 Dazu Note (wie FN 47), S. 785 ff.

gungen zeigen, daß die derivative suit im Vergleich zur receivership die schonendere und ebenso wirkungsvolle Alternative ist. Die Flexibilität, die die derivative suit auszeichnet, rührt aus ihrer fehlen­ den aktionenrechtlichen Verengung. Gegenstand einer Klage aus dem Recht der Gesellschaft kann sein: Schadensersatz- oder Herausgabeansprüche we­ gen Usurpation einer Geschäftschance gegen (geschäftsführende) Gesell­ schafter, Erzwingung oder Verhinderung gewisser Geschäftsführungsmaß­ nahmen oder Verfolgung von Ansprüchen gegen Drittschuldner der Gesell­ schaft49. Die dem Klagerecht zugrundeliegende Befugnis erstreckt sich nicht allein auf die klageweise Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft. Sie verleiht dem Kläger vielmehr eine partielle Geschäftsführungsbefugnis, so daß er aus abgeleitetem Recht der Gesellschaft deren Gestaltungs- und sonstige Rechte durchsetzen darf50. Das Handeln eines Gesellschafters für die Gesellschaft im Wege der deri­ vative suit impliziert, daß die Gesellschaft als vermögensmäßig von ihren Mitgliedern zu trennendes Rechtsgebilde anerkannt ist. Nach common law konnte ein general partner nicht im Namen und aus dem Recht der partner­ ship als solcher klagen, um eine ihr zustehende Forderung einzutreiben. Vielmehr war Klage im Namen sämtlicher Partner zu erheben. Die hierfür notwendige Prozeßführungsbefugnis leitete der Kläger daraus ab, daß nach common law die Partner wechselseitige Stellvertreter waren. Für Verfahren vor den Bundesgerichten stellt Rule 17(b) Satz 3(1) F.R.Civ.P. klar, daß eine partnership unter ihrer Firma klagen und verklagt werden kann, selbst wenn sie diese Möglichkeit nach dem Recht des Staates ihrer Gründung nicht besitzt. Rule 23.1 bezieht die nichtinkorporierten Unternehmensträgerformen wie die partnership ausdrücklich in die derivative suit ein. Vor den einzel­ 49 Stark v. Utica Screw Products, Inc., 425 N.Y.S.2d 750, 753 (1980): ein Mitgesell­ schafter kann den klagenden Gesellschafter nicht daran hindern, Gesellschaftsforderungen einzutreiben. Es ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage, daß die partnership bereits aufgelöst ist. Wie bei der Corporation ist die derivative suit im Innen- wie im Außenverhältnis einsetzbar. Demnach ist keine Unterscheidung zu treffen zwischen einer insider derivative suit gegen die Verwaltung oder gegen einen Mehrheitsgesellschafter und einer Outsider derivative suit gegen Dritte, vgl. Allright Missouri, Inc. v. Billeter, 829 F.2d 631, 637 (8th Cir. 1987). Gerade im Außenverhältnis ist die derivative suit unverzichtbar, weil sonst der Manipulation Tür und Tor offen stünde. Andernfalls würde die Vermögensverschiebung zu Lasten des Ge­ sellschaftsvermögens so gestaltet, daß der Vorteil einem Dritten zufließt und hier nicht er­ reichbar wäre. 50 Zu weit geht M.D. Building Material v. 910 Construction Venture, 579 N.E.2d 1059 (111. 1991), wo das Gericht unter Hinweis auf § 1001 R.U.L.P.A. einem limited partner er­ laubt, derivativ für die partnership durchzusetzen, daß eine bestimmte Streitigkeit zwischen der Gesellschaft und einem Dritten, für die eine Schiedsabrede bestand, vom Schiedsgericht entschieden wird. Wenn die general partners für die Gesellschaft eine Schiedsabrede schlie­ ßen dürfen, dann dürfen sie diese im Zweifel auch wieder aufheben. Diese Entscheidung ist in der Regel nicht ermessensfehlerhaft.

staatlichen Gerichten kommt es hingegen auf das Recht des Gründungsstaates der Gesellschaft beziehungsweise auf das lokale Prozeßrecht an. Fehlt die Parteifähigkeit hiernach, kann nicht im Namen der partnership geklagt wer­ den51. Die Festlegung der Parteirolle ist von immenser Bedeutung für die Rechtskraft der Entscheidung und für den Schutz der anderen Partei, die vor mehrfacher Inanspruchnahme verschont bleiben will52.

1. Bei der limited partnership beruht die Befugnis zur Erhebung einer de­ rivative suit für den limited partner heute in den meisten Jurisdiktionen auf einer gesetzlichen Erlaubnis53. Davon abgesehen ist die derivative suit be­ reits lange als Institut der equity anerkannt, so daß ein Gericht eines Staates, in dem die gesetzliche Grundlage fehlt, das Klagerecht aus seiner equitable power zu schöpfen hat. Die überwiegende Zahl der Bundesstaaten bekennt sich hierzu54. Mit Ausnahme der besonderen fiduziarischen Pflichten, denen der Kläger bei der derivative suit unterliegt, erfährt seine gesellschaftsrecht­ liche Stellung keine Veränderung. Insbesondere mischt sich der Kläger durch den Akt der Klageerhebung nicht in unzulässiger Weise in die Geschäftsfüh­ rung ein mit der Folge, gleich einem general partner persönlich zu haften55. Die gegenteilige Auffassung ist mit Recht aufgegeben, da sie den ordnungs­ politischen Auftrag der derivative suit konterkarieren würde. Es sind Anreize dafür zu schaffen, daß sich die Gesellschafter der Belange der Gesellschaft annehmen. Sofern man überhaupt von einer Einmischung sprechen kann, ist diese gerechtfertigt. Die Gegenauffassung verschafft den Gesellschaftsgläu­ bigem einen ungerechtfertigten Vorteil, weil sie aufgrund von Umständen nachträglich in den Genuß einer breiteren Haftungsgrundlage kommen, auf die sie bei ihrer Kreditgewährung an die Gesellschaft gar nicht rechnen durften. Schließlich bliebe im unklaren, für welche Gesellschaftsverbindlich­ keiten und ab wann der Kläger persönlich haften soll.

51 Dies ist zum Teil noch die Rechtslage in denjenigen Staaten, die dem traditionellen Konzept der partnership anhängen, vgl. Marx v. Lenske, 500 P.2d 715 (Or. 1972); Marvil Properties v. Fripp Island Development Corp., 258 S.E.2d 106 (S.C. 1979). 52 Spiritas v. Robinowitz, 544 S.W.2d 710, 715 (Tex. 1976). 53 Zur historischen Entwicklung der derivative suit bei der limited partnership vgl. Reuschlein, Limited Partner Derivative Suits, 9 St. Mary's L.J. 443, 446 ff. (1978). 54 In diesem Sinne etwa Allright Missouri, Inc. v. Billeter, 829 F.2d 631, 636 ff. (8th Cir. 1987). 55 So früher Executive Hotel Associates v. Elm Hotel Corp., 245 N.Y.S.2d 929 (1964); Bedolla v. Logan & Fraser, 125 Cal.Rptr. 59, 66 (1975); billigend wohl auch Millard v. Newmark & Company, 266 N.Y.S.2d 254, 259-61 (1966). In New York wurde diesen Ent­ scheidungen durch § 96 Satz 2 N.Y.P.L. 1968 der Boden entzogen. Zum Ganzen Hecker (wie FN 29), S. 353 ff.

Die Rechtsstellung des limited partner weist die typischen Merkmale der Trennung von ownership und control auf. Die derivative suit überbrückt diese Lücke. Vergleichbar ist die Situation, in der sich ein beneficiary mit Bezug auf den trust corpus befindet56. Ebenfalls vergleichbar ist die Lage des gewöhnlichen Aktionärs der Corporation57. Für die limited partnership hat die derivative suit namentlich als Rechtsmittel gegen exzessive Manage­ mentvergütungen zu Lasten des Gesellschaftsvermögens Bedeutung.

2. Für die general partnership existiert keine gesetzliche Ermächtigung. Ist deshalb dort eine derivative suit unzulässig oder überflüssig? Auszugehen ist wiederum vom normtypischen Verfassungsaufbau der partnership, wobei die gebräuchlichen Variationen des gesetzlichen Rahmens in Rechnung zu stellen sind. Grundsätzlich darf bei der gewöhnlichen general partnership je­ der Partner Rechte der Gesellschaft realisieren, insbesondere zum Gesell­ schaftsvermögen gehörende Forderungen geltend machen, ohne daß ein an­ derer dies verhindern könnte58. Fraglich wird dies erst, wenn im partnership agreement ein Partner zum Manager ernannt wird und andere sich mit dem Status des passiven Teilhabers begnügen59. Gesellschaftsrechtlich bewirkt dies mehr als eine interne Verteilung der Verwaltungsaufgaben. In einer sol­ chen Regelung liegt der Beginn zur Trennung von ownership und control, die nicht ohne Folgen bleiben darf, weil sie den Charakter dieses Gesell­ schaftstyps grundlegend wandelt. Bei dem managing partner nehmen die fi­ duziarischen Bindungen als Kehrseite seiner herausgehobenen Stellung er­ heblich zu60. Bei rein formaler Betrachtung gelten die zur limited partnership angestellten Überlegungen nicht, weil sich der nichtgeschäftsführende gene­ ral partner auf keine Haftungsbeschränkung berufen kann. Ein wertender Vergleich mit der Stellung des limited partner muß jedoch ergeben, daß für einen passiven Gesellschafter in der general partnership die Klagebefugnis noch dringlicher zu fordern ist. Der nichtgeschäftsführende Gesellschafter in der general partnership hat ebensowenig wie der limited partner ein Recht auf Eingriff in die Geschäftsführung, muß aber für sämtliche Gesellschafts­ verbindlichkeiten persönlich einstehen. Der Gleichlauf von Herrschaft und Haftung ist auch bei den amerikanischen Personengesellschaften ein tragen­ 56 Riviera Congress Associates v. Yassky, 223 N.E.2d 876, 879 (N.Y. 1966); Philipps v. Kula 200, WickRealty, Inc., 629 P.2d 119 (Hawaii 1981). 57 Klebanow v. New York Produce Exchange, 344 F.2d 294, 297 (2d Cir. 1965); Kobernick v. Shaw, 139 Cal.Rptr. 188 (1977). 58 Stark v. Utica Screw Products, Inc., 425 N.Y.S.2d 750 (1980). 59 68 C.J.S. Partnership § 141 (1950); 59A AmJur 2d, Partnership, §§ 40, 636 (1987). 60 Application of Lester, 386 N.Y.S.2d 509, 513 (1976); Saballus v. Timke, 460 N.E.2d 755, 760 (111. 1983).

des wirtschaftsverfassungsrechtliches Prinzip, und dies nach beiden Rich­ tungen. Dem Gesellschaftsvertrag verbleibt die Freiheit, einen Gesellschafter zum rein passiven Investor zu machen, dann ist ein Korrektiv aber unerläß­ lich. Im deutschen Handelsrecht bot dieselbe Ausgangslage den Anlaß für die Anerkennung der actio pro socio bei der OHG, mit der sich nichtge­ schäftsführende Gesellschafter einen Restbestand an außerordentlichen Kon­ trollrechten sichern. Für das amerikanische Recht gelten diese Erwägungen ebenso, zumal dort keine klageweise Neuordnung der Geschäftsführungszu­ ständigkeiten nach dem Vorbild der §§ 117, 127 HGB bekannt ist. Dasselbe gilt schließlich, wenn die Verwaltungsaufgaben spartenmäßig verteilt sind und z.B. ein Gesellschafter exklusiv für die Prozeßführung zuständig sein soll. Im Recht der general partnership sind die Voraussetzungen für die deri­ vative suit wohl noch enger61. Früher beschränkten die Gerichte sie prak­ tisch auf Extremfälle, weil sie das business judgment der geschäftsführenden Gesellschafter nicht hinterfragen wollten. Der Handlungspflichtige mußte verhindert, seine Untätigkeit widerrechtlich oder treuwidrig, Ausdruck eines Betruges, schlechter Geschäftsführung oder manifest unkluger Ausübung seines Geschäftsleiterermessens sein. Bloße Meinungsverschiedenheiten über die Geschäftsführung oder die Geschäftspolitik reichen nicht. Die Klagebe­ fugnis wird eröffnet, sobald die Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, ihre Angelegenheiten durch ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter wahmehmen zu lassen, weil sie vom potentiellen Klagegegner bereits unterwandert ist62.

IV. Ablauf und Ergebnis der derivative suit Die Kodifizierung der derivative suit im Recht der partnership lehnt sich an die insgesamt bewährte Regelung für die Corporation an63. Die ersten Ge­ setze verabschiedeten Delaware und New York. Sie beschäftigen sich mit der limited partnership, doch lassen sie sich analog auf die general partnership anwenden. Sofern in einzelnen Jurisdiktionen die gesetzlichen Grundlagen für eine derivative suit fehlen, sind sie durch die Gerichte in 61 Vgl. Coast v. Hunt Oil Co., 195 F.2d 870 (5th Cir. 1952) zum Recht von Louisiana; Hauer v. Bankers Trust New York Corporation, 65 F.R.D. 1, 3 (E.D.Wis. 1974). 62 Klebanow v. New York Produce Exchange, 344 F.2d 294, 299 (2d Cir. 1965). 63 Vgl. etwa für New York §§ 626, 627 N.Y.B.C.L. einerseits, §§ 115-a bis 115-c N.Y.P.L. andererseits.

equity zu kreieren64. Dem Recht des Trust kommt hierbei Leitbildfunktion zu: der trustee darf das Trustvermögen kraft seiner starken Stellung zwar verwalten. Wenn er oder ein Dritter den Trust jedoch schädigt, dann stehen ersatzweise dem beneficiary die Klagerechte zu. Die Klagebefugnis des beneficiary entsteht, wenn der trustee selbst Gegner einer Klage wäre oder wenn er ein Vorgehen für den Trust pflichtwidrigerweise ablehnt65. 1. Die derivative suit ist nur statthaft für die Durchsetzung von Ansprü­ chen der Gesellschaft, die ein Gesellschafter anstelle der geschäftsführungs­ befugten Gesellschafter geltend machen will. Von diesen Ansprüchen sind diejenigen Forderungen abzugrenzen, die dem Gesellschafter individuell zu­ stehen und mittels einer gewöhnlichen Klage des Gesellschafters aus eigenem Recht (direct suit) oder im Wege einer dass action zu verfolgen sind. Für die notwendige Abgrenzung ist auf die bei der Corporation gebräuchlichen Formeln zurückzugreifen66. Ist die Gesellschaft durch eine pflichtwidrige Handlung ihres managing partner geschädigt, so steht der Ersatzanspruch der Gesellschaft und nicht den anderen Gesellschaftern zu. Richtig ist zwar, daß eine Treupflicht zwischen allen Gesellschaftern besteht, deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichtet. Richtig ist ferner, daß jede Schädigung der Gesellschaft reflexweise die Gesellschafter in Gestalt einer Wertminderung ihrer Beteiligung trifft. Dennoch steht die Beziehung zur Gesellschaft und zum Gesellschaftsvermögen im Vordergrund. Wird der entstandene Schaden im Gesellschaftsvermögen ausgeglichen, dann ist die Wertminderung an den Gesellschaftsanteilen der Gesellschafter ebenfalls ausgeglichen. Aus ab­ wicklungstechnischen Gründen ist es einfacher, die Gesellschaft mit dem Schädiger abrechnen und die Ersatzleistung in das Gesellschaftsvermögen fließen zu lassen. Dies erspart dem Schädiger weitere Auseinandersetzungen mit den Gesellschaftern. Das Gesellschaftsvermögen als Nutznießer einer Wiedergutmachung trägt schließlich den Belangen der Gläubiger Rechnung, die von einer Verminderung des Gesellschaftsvermögens ebenso berührt sind.

64 Klebanow v. New York Produce Exchange, 344 F.2d 294 (2d Cir. 1965); Millard v. Newmark & Company, 266 N.Y.S.2d 254 (1966); Hecker (wie FN 29), S. 349 ff. 65 Restatement, 2d (1959), Law of Trusts, § 282(2); diese Grundsätze wurden auf die partnership übertragen in Klebanow v. New York Produce Exchange, 344 F.2d 294, 297 (2d Cir. 1965). Ein Vergleich der Stellung des limited partner mit den Strukturen beim Trust und der Corporation zieht Reuschlein (wie FN 53), S. 449 ff. 66 Alpert v. Haimes, 315 N.Y.S.2d 332, 335 (1970). Eingehend hierzu schon oben § 7 I.

1. Der für die Gesellschaft im Wege der derivative suit auftretende Ge­ sellschafter muß die Klagebefugnis (standing) besitzen. Sie ist eine Kombi­ nation aus verschiedenen Elementen. a) Die derivative suit ist nur zulässig, wenn der Kläger Mitglied in der Ge­ sellschaft ist. Außerdem muß er diese Stellung bereits zu dem Zeitpunkt in­ negehabt haben, als sich die streitgegenständlichen Vorfälle ereignet haben. Kommt es zwischen diesen Zeitpunkten zu einem Gesellschafterwechsel, so ist entscheidend, daß der Übergang der Gesellschafterstellung von Gesetzes wegen oder nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages geschehen ist, § 1002 R.U.L.P.A. (1976)67. Dieses Erfordernis einer contemporaneous membership soll einen manipulationsfreien Übergang auf den neuen Inhaber ge­ währleisten68. Niemand soll sich in die Klägerrolle einkaufen. Eröffnet ist die Klagebefugnis unter diesem Blickwinkel im Falle der Rechtsnachfolge von Todes wegen, wobei es heute keinen Unterschied mehr macht, ob die Erbfolge auf gesetzlicher oder testamentarischer Anordnung beruht. Bei ei­ ner Rechtsnachfolge unter Lebenden ist andererseits zu prüfen, ob die Über­ tragung vorgenommen wurde, um die Klagebefugnis bei einer bestimmten Person entstehen zu lassen. Nicht nur ein limited partner ist zur Klageerhebung befugt. Dasselbe Recht steht einem an der Geschäftsführung unbeteiligten Gesellschafter der general partnership zu. Das gleiche gilt für den general partner einer limited partnership, der von den übrigen Gesellschaftern überstimmt wurde, wenn die Ablehnung der Rechts Verfolgung für die Gesellschaft rechtswidrig ist. Das business judgment der general partners ist hier nicht letztverbindlich. Auch bei der partnership ist eine double derivative suit anzuerkennen, mit der der Kläger Rechte realisieren darf, die der Gesellschaft, der er angehört, zwar nicht direkt zustehen, an denen sie aber ein Interesse hat. Die partner­ ship kann in einen Konzern einbezogen und insbesondere von einem anderen Unternehmen abhängig sein. Die Ausübung wichtiger Kontrollrechte für die abhängige Gesellschaft durch außenstehende Gesellschafter verspricht dann mehr Erfolg als durch die geschäftsführenden Gesellschafter, die ihrerseits vom herrschenden Unternehmen bestellt oder mit diesem identisch sind. Als unverzichtbar hat sich die double derivative suit erwiesen, wenn die limited partnership alleiniger Aktionär einer Corporation ist und diese geschädigt wurde. Im Hinblick auf die geschachtelte Beteiligung schlägt eine Schädi­ gung der Corporation auf die Verhältnisse der partnership durch. Mit guten 67 Die Tendenz geht dahin, die Klagebefugnis nicht zuletzt im Interesse des Schutzes der Gesellschaft großzügig zu definieren. N.Y.P.L. § 115-a(l) erklärt auch den zusätzlich auf­ genommenen (additional limited partner, § 97) oder den ersatzweise eingerückten (substituted limited partner, § 108[2]) limited partner für klagebefugt. 68 Zum Ganzen eingehend Hecker (wie FN 29), S. 365 ff.

Gründen räumt die Rechtsprechung jedem limited partner die Befugnis ein, abgeleitet aus dem Recht der partnership deren Rechte für die Corporation wahrzunehmen69. Entsprechend ist für die Klagebefugnis des Unterbeteilig­ ten an einem Gesellschaftsanteil zu verfahren. b) Die Klagebefugnis hängt überdies davon ab, daß der Kläger an die ge­ schäftsführenden Gesellschafter ohne Erfolg den Antrag (demand) gerichtet hat, daß diese für die Gesellschaft tätig werden. Dieses aus dem Recht der Corporation bekannte Vorverfahren unterstreicht die Subsidiarität der deriva­ tive suit. Stets und vorrangig ist nach einer Konfliktlösung ohne Durchbre­ chung der gesellschaftlichen Kompetenzordnung zu suchen. § 1003 R.U.L.P.A. erfordert konsequent, daß die Klageschrift substantiiert aus­ führt, welche Anstrengungen der Kläger unternommen hat, um den general partner zur Klageerhebung zu bewegen oder aus welchen Gründen dies nicht geschehen ist. Das Vorverfahren mag überhaupt entbehrlich sein, wenn sich die Gesellschaft in vertretungslosem Zustand befindet, Gefahr in Verzug ist, z.B. wegen Auslaufens der Verjährung, wenn die Klagegegner die Gesell­ schaft bereits unter ihre Kontrolle gebracht haben oder wenn die geschäfts­ führenden Gesellschafter definitiv entschlossen sind, nicht zu klagen. Je nach Lage der Dinge kann neben dem Antrag an die geschäftsführen­ den Gesellschafter ein Antrag an die übrigen Gesellschafter treten. Darüber entscheidet der zu verfolgende Anspruch. Es befindet zunächst die Verwal­ tung über die Ausübung des Prozeßführungsrechts. Die Gesellschafter kön­ nen jedoch einer Klage die Grundlage nehmen, indem sie auf den materiellen Anspruch einwirken. Ratifizieren die Gesellschafter die Anmaßung einer Ge­ schäftschance, so entfällt der Anspruch auf Rückübertragung derselben an die Gesellschaft. Bei der partnership muß das nicht notwendig in einer Ge­ sellschafterversammlung geschehen, die darüber einen förmlichen Beschluß faßt. Schlüssiges Handeln genügt. Die Ratifizierung ist abgelehnt, wenn die Mehrheit zu erkennen gibt, daß sie das Vorgehen des Klägers billigt, ihn als Streithelfer unterstützt oder zu Maßnahmen greift, die in dieselbe Richtung zielen70. Für eine Ratifizierung genügt nicht stets die einfache Mehrheit. Ei­ nem ultra vires-Akt kann nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertra­ ges zur Legalität verhülfen werden. Bei der limited partnership erfordert dies eine Änderung des certificate of limited partnership, also ein recht formali­ siertes Verfahren. Die Genehmigung der Vergeudung von Gesellschaftsver­ mögen oder der persönlichen Bereichung eines Gesellschafters setzt Ein­ stimmigkeit voraus71. Zur Teilnahme an der Abstimmung sind nur solche 69 Silver v. Chase Manhattan Bank, 355 N.Y.S.2d 387 (App.Div. 1974). 70 Vgl. Allright Missouri, Inc. v. Billeter, 829 F.2d 631, 639 (8th Cir. 1987). 71 Philipps v. Kula 200, WickRealty, Inc., 629 P.2d 119, 123 (Hawaii 1981)

Gesellschafter zugelassen, die in keiner Weise in die fraglichen Vorfälle ver­ strickt sind und keinen Nutzen aus ihnen ziehen.

3. Die partnership ist bei der derivative suit die eigentliche Interessenträ­ gerin (real party in interest). Der Kläger hat den Fremdbezug seines Auftre­ tens offenzulegen und jedweden Vorteil an die Gesellschaft herauszugeben72. Als wahre Interessenträgerin ist die Gesellschaft am Prozeßrechtsverhältnis auf der Passivseite beteiligt73. Die Parteirollenverteilung entspricht den aus­ zutragenden Streitpunkten: mit der Gesellschaft streitet der Kläger um die inzidente Feststellung, daß sein Vorgehen einer ordnungsgemäßen Geschäfts­ führung entspricht. Auf gedanklich nachgeordneter Stufe erfolgt sodann die eigentliche Auseinandersetzung um die Berechtigung des materiellen An­ spruchs. 4. Nach dem Vorbild der Corporation verlangen einige Jurisdiktionen eine Sicherheitsleistung (security for expenses) zugunsten der Gesellschaft. Siche­ rungsfähig sind die prozeßnotwendigen Auslagen unter Einschluß des An­ waltshonorars. Dem R.U.L.P.A. ist diese Voraussetzung fremd. Sie ist analog zur gleichen Einrichtung bei der Corporation zu bewerten: einerseits schützt sie die Gesellschaft vor strike suits und will ihre Kostendeckung si­ chern, andererseits kann sie einen Gesellschafter mit geringem Anteilsbesitz von der Klageerhebung abschrecken. In Kalifornien steht die Festsetzung der Sicherheitsleistung im Ermessen des Gerichts74. 50.000 $ ist die absolute Obergrenze für einen Kläger oder mehrere zusammengenommen. Die Par­ teien haben einen Rechtsanspruch auf Herauf- bzw. Herabsetzung der Si­ cherheit je nach Prozeß verlauf, jedoch niemals über 50.000 $ hinaus. In New York75 ist die Sicherheitsleistung in ihrer Höhe unbegrenzt. Ihre Fest­ setzung liegt im Ermessen des Gerichts, das sie während der Dauer des Ver­ fahrens an die Kostenentwicklung anpassen kann. Nach New Yorker Recht entfällt die Kostensicherheit, wenn die Einlage des Klägers 5% oder mehr der Leistungen aller limited partners ins Gesellschaftsvermögen erreicht oder er hierzu 50.000 $ oder mehr beigetragen hat.

5. Als eine Art Sonderbeauftragter der Gesellschaft ist der Kläger in sei­ nen auf das Verfahren bezogenen Handlungen nicht frei. Um ein opportuni­ 72 So etwa Larsen v. First Interstate Bank, 786 P.2d 1176, 1181 (Mont. 1990). 73 Buckley v. Control Data Corp., 923 F.2d 96, 98 (8th Cir. 1991). Dies gilt jedenfalls für das Verfahren vor den Bundesgerichten, wo die Gesellschaft im Hinblick auf Rule 17(b) Satz 3(1) F.R.Civ.P. parteifähig ist. 74 Cal.Corp.Code § 15702(c). 75 § 115-b N.Y.P.L. Die Vorschrift ist § 627 N.Y.B.C.L. nachgebildet.

stisches Verhalten auszuschließen, stehen die Prozeßhandlungen der Parteien ab Einleitung des Verfahrens unter der Aufsicht des Gerichts. Zudem prüfen die Gerichte, ob der Kläger die Interessen der Gesellschaft angemessen ver­ tritt76. Nicht alle Jurisdiktionen kennen eine gerichtliche Aufsicht über den Streitgegenstand. New York praktiziert sie, Delaware oder Kalifornien ver­ zichten darauf. Die Divergenz unter den Staaten steht in enger Verbindung mit der Kostentragung: die Freiheit des Klägers beim Abschluß von Verglei­ chen wird als billiger Risikoausgleich dafür empfunden, daß er im Unterlie­ gensfalle die Kosten zu tragen hat und keinen Rückgriff gegen die Gesell­ schaft nehmen kann77. Dies ist jedoch ein unsachgemäßer Kompromiß, der die derivative suit denaturiert, weil der Anspruch der Gesellschaft nicht zur Kriegsbeute des Klägers werden darf. Die Prozeßführung bei der derivative suit ist fremdnützig. Die gerichtliche Aufsicht ist unverzichtbar und nicht ohne weiteres durch ein freies Spiel der Kräfte zu ersetzen. Wegen der evi­ denten Mißbrauchsgefahr behalten sich die Gerichte eine allgemeine Fair­ nesskontrolle selbst in denjenigen Bundesstaaten vor, deren Gesetze diese Möglichkeit an sich nicht vorsehen78. Ihr Anliegen ist der Schutz der Gesell­ schaft, der Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger sowie des Dritt­ schuldners, der später nicht noch einmal aus demselben Anlaß belangt wer­ den möchte. Der Drittschuldner ist in seinem Vertrauen schutzwürdig, mit befreiender Wirkung zu leisten. Die gerichtliche Aufsicht besteht in einer rechtsverbindlichen Bestätigung des Vergleichs oder der Klagerücknahme (court approval) oder der Information der nicht streitbeteiligten Gesellschaf­ ter (notice), § 115-a(4) N.Y.P.L. Anders als nach § 246 Abs. 4 AktG ge­ schieht die Unterrichtung unter der Verantwortung des Gerichts, das ihre Modalitäten festlegt, die Kosten der Unterrichtung einer Seite auferlegen kann und diese Kosten für erstattungsfähig erklären darf. Die nicht am Ver­ fahren beteiligten Gesellschafter können sich in der Folge zu den Ver­ gleichsbedingungen äußern, ehe das Gericht endgültig über die Bestätigung des Vergleichs befindet.

6. Der obsiegende Kläger untersteht einer Herausgabepflicht hinsichtlich sämtlicher Leistungen und Vorteile, die er für die Gesellschaft zugesprochen bekommt. Nach der modernen Gesetzgebung zur partnership muß der Kläger die Früchte seines Handelns der Gesellschaft überlassen, sei es, daß sie

76 Allright Missouri, Inc. v. Billeter, 829 F.2d 631, 639 (8th Cir. 1987) 77 Hecker (wie FN 29), S. 381 mit Nachweisen. 78 Hecker (wie FN 29), S. 381.

durch streitiges Urteil, sei es, daß sie vergleichsweise erlangt sind79. Nichts anderes gilt nach dem Trustrecht, das für diese Regelung bereits Grund ge­ legt hat: was der trustee für den Trust entgegennimmt, hält er ebenfalls in Trust80. Der Grundsatz kennt jedoch Ausnahmen: nicht immer ist eine Rück­ führung des aus der Prozeßführung oder aus dem Vergleich Erlangten in das Gesellschaftsvermögen angebracht. In Einzelfällen mag es angehen, eine di­ rekte Leistung an die Gesellschafter zuzulassen. Dies ist gegeben, wenn die Rechte der Gesellschaftsgläubiger keine Verkürzung erfahren und wenn sich die Gesellschaft in der Gewalt derjenigen Personen befindet, gegen die sich die Klage richtet81. Da die Herausgabepflicht dem Kläger keinen persönlichen Vorteil ver­ heißt, darf er andererseits wenigstens vollen Aufwendungsersatz beanspru­ chen. Ersatzfähig sind die notwendigen Auslagen der Prozeßführung und der Rechts Verfolgung einschließlich des Anwaltshonorars. Der Aufwendungser­ satz geschieht nach dem Trustfundprinzip. Das infolge eines Urteilsspruchs oder eines Abfindungsvergleichs Erlangte bildet eine besondere Vermögens­ masse. Die erstattungsfähigen Auslagen des Klägers unter Einschluß eines angemessenen Anwaltshonorars sind ein Passivposten dieser Vermögens­ masse. Was eine angemessene Anwaltsvergütung ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wichtigster Faktor ist die Höhe des Erlangten, daneben kommt es auf den zeitlichen Aufwand, das benötigte Fachwissen und die Erfahrung des Anwalts an82. Eine strikte Durchführung des Trust­ fundprinzips müßte bewirken, daß die Kostenerstattung von einer geldlichen Vermehrung des Gesellschaftsvermögens abhängig gemacht wird. Zu beden­ ken ist demgegenüber, daß der bestellte Geschäftsführer von der Gesellschaft selbst dann Kostenersatz verlangen kann, wenn seine Prozeßführung erfolg­ los bleibt. Eine streng erfolgsfixierte Betrachtung bezogen auf einen real verteilungsfähigen Erlös ist nicht angebracht. Die Klage kann auf eine Fest­ stellung lauten, ein Tun oder ein Unterlassen erzwingen wollen oder die Unwirksamkeitserklärung einer durchgeführten Maßnahme, zum Beispiel Rückgängigmachung einer Fusion, begehren, so daß mit der Stattgabe keine Geldzahlungspflicht verbunden ist. Entscheidend ist, was der Kläger mit der derivative suit für die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter erreicht 79 R.U.L.P.A. § 1004 (1976); vgl. vorher bereits 6 Del.Code § 1732(d)( 1953); N.Y.P.L. § 115-a(4)(1968). 80 Speziell für eine Auskaufprämie Clarke v. Greenberg, 71 N.E.2d 443 (N.Y. 1947). 81 Perlman v. Feldman, 219 F.2d 173 (2d Cir. 1955), cert.den. 349 U.S. 952 (1955), wo ausnahmsweise eine direkte Auskehrung der Ersatzleistung an die Gesellschafter zugelas­ sen wurde. 82 Angoff v. Goldfine, 270 F.2d 185 (Ist Cir. 1959); Newman v. Stein, 58 F.R.D. 540, 542 (S.D.N.Y. 1973); Mash v. Goldfeld Corp., 60 F.R.D. 595 (S.D.N.Y. 1973).

hat. Der Kläger verschafft der Gesellschaft einen Vorteil, den sie ohne ihn nicht hätte. Deshalb ist es nur billig, sie an den Kosten der Vorteilserzielung angemessen zu beteiligen83. Nach der Grundregel des amerikanischen Zivil­ prozeßrechts sind Anwaltsgebühren nicht erstattungsfähig. Gesetzgebung und Gerichte haben Ausnahmen zur sog. American Rule definiert84. Eine Ko­ stenerstattung ist in Erwägung zu ziehen, wenn der Kläger zwar mit seiner Klage scheitert, dabei aber eine für das Gesellschaftsverhältnis wichtige Streitfrage geklärt wird. Die Frucht der Prozeßführung ist hier die zukünf­ tige Rechtssicherheit, die wertvoller sein kann als eine in Geld meßbare Vermehrung des Gesellschaftsvermögens. Die Gerichte sind zum Teil noch weiter gegangen. Für einen Aufwendungsersatzanspruch verlangt man nicht einmal, daß die Klage erhoben ist. Gelingt es dem Kläger durch die bloße Inaussichtstellung der Klage gegenüber den geschäftsführenden Gesellschaf­ tern, den Drittschuldner zur Zahlung zu bewegen oder den Mißstand zu be­ seitigen, so kann der Kläger hierfür die Erstattung seiner notwendigen Aus­ lagen einschließlich des Anwaltshonorars beanspruchen85. Die derivative suit erfüllt damit ihre Aufgabe als fleet in being.

83 Grundlegend Mills v. Electric Auto-Lite Company, 396 U.S. 375, 392 ff., 90 S.Ct. 616 (1970) und aus neuerer Zeit Virginia Bankshares, Inc. v. Sandberg, 501 U.S. 1083, 111 S.Ct. 2749 (1991). Zum Recht der Corporation oben § 7 II 7. 84 Mills v. Electric Auto-Lite Company, 396 U.S. 375, 392, 90 S.Ct. 616 (1970) unter­ streicht, daß die Gerichte hierzu unter Ausschöpfung ihrer equitable powers sogar gehalten sind. 85 Dottenheim v. Emerson Electric MfG Co., 77 F.Supp. 306 (E.D.N.Y. 1947) zum Recht der Corporation. Für die entsprechende Anwendung dieser Dottenheim-R\i\e auf die partnership mit Recht Hecker (wie FN 29), S. 379.

§ 11 Verbandsordnung, Mitgliederrechte und Leitungsermessen der Verwaltung Auf den ersten Blick mag es den Anschein haben, daß die Aktionärs­ rechte, vor allem diejenigen, die auf die Wahrnehmung von Mitverwaltungs­ befugnissen gerichtet sind, in einen unauflöslichen Konflikt geraten mit den von der Korporationsverfassung berufenen Vertretungsorganen der Gesell­ schaft. In der Shareholders’ derivative suit tritt dieser Grundkonflikt beson­ ders augenfällig hervor. Mit ihr will ein in aller Regel nicht zur Mehrheits­ gruppe gehöriges oder der Verwaltung fernstehendes Mitglied ein Recht der Gesellschaft realisieren, was die Verwaltung zuvor rechtswidrigerweise zu tun versäumt hat1. Es kommt zur Konkurrenz um das Prozeßführungsrecht der Corporation. Die an sich vertretungsbefugte Verwaltung hat es abgelehnt, eine Geschäftsführungsmaßnahme zu treffen, ein Außenstehender will dies ersatzweise erzwingen. Der Konflikt besteht in der letztverbindlichen Aus­ wahl unter den Entscheidungsaltemativen, die nur auf der Grundlage eines Rechtmäßigkeiturtcüs getroffen werden darf. Sowohl das Ergreifen der Maß­ nahme, d.h. die Durchsetzung des Anspruchs, wie ihre Ablehnung stellen Akte der Geschäftsführung dar, für die die Verwaltung von der Korpora­ tionsverfassung mit einem Ermessensspielraum ausgestattet ist. Die Nicht­ geltendmachung eines Rechts der Gesellschaft partizipiert ebenfalls an die­ sem Ermessensschutz (business judgment), weil auch sie pflichtgemäß sein und im richtig verstandenen Interesse der Corporation liegen kann2.

I. Wesen der business judgment rule Die Befugnis der Verwaltung, Leitungsentscheidungen für die Corporation zu treffen, wird mit der Berufung ins Amt verliehen. Wiederum orientiert sich das amerikanische Recht der Corporation an der zivilistischen Basisfigur 1 Dazu bereits ausführlich oben § 7. 2 Der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft hat eine Bewertung vorauszu­ gehen, welche die reine prozessuale Abschätzung von Erfolgsaussichten einer Klage bei weitem übersteigt. Gefragt ist eine gründliche und vorausschauende Abwägung der Verwal­ tung. So kann es etwa betriebswirtschaftlich durchaus klüger sein, einem Lieferanten gegen­ über selbst einen begründeten Anspruch ausnahmsweise nicht durchzusetzen, um damit der Gesellschaft die Geschäftsbeziehung auf Dauer zu erhalten. Oder der board of directors kommt zu dem Ergebnis, einen Schadensersatzanspruch gegen ein pflichtvergessenes Ver­ waltungsmitglied wegen eines einmaligen Fehl verhaltens nicht zu erheben, um einen anson­ sten befähigten Mitarbeiter für die Gesellschaft zu halten. Darin läge keine Pflichtverlet­ zung. Die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen kann mithin für die Gesellschaft vorteil­ hafter sein als das sture Beharren auf einer formalen Rechtsposition.

des trust. Durch den Bestellungsakt als Verwaltungsmitglied vertrauen die Gesellschafter einem gewählten Direktorium die Leitung der Geschicke ihrer Gesellschaft an. In die so Bestellten wird das Vertrauen gesetzt, daß sie die erforderliche Sachkunde besitzen. In großen Gesellschaften ist es üblich, daß nicht die Direktoren selbst die Geschäfte fuhren, sondern diese Aufgabe in die Hände nachgeordneter Manager (officers) legen, die ihrerseits vom board of directors zu bestellen sind und unter seiner laufenden Überwachung ste­ hen3. Die officers erlangen hierdurch die gleiche Leitungsmacht. Ein Aus­ schnitt der Leitungsbefugnis ist, daß das Verwaltungsmitglied mit einer be­ sonderen Einschätzungsprärogative ausgestattet wird. Bei der Beurteilung vor allem von Vorgängen im Bereich der kaufmännischen Geschäftsführung kommt es vorrangig auf das Urteil der Verwaltungsträger an. Leitungsmacht und Leitungsermessen bestehen solange wie die Bestellung selbst andauert. Die Einschätzungsprärogative vollendet das Prinzip des zentralistischen Ma­ nagements: Die Verwaltung leitet die Gesellschaft und führt ihre Geschäfte, während die Gesellschafter als solche keinen Einfluß auf die Tagespolitik nehmen4. Die business judgment rule schirmt die Verwaltung gegen Einmi­ schungen in die Unternehmensführung von Seiten der Shareholders ab. Sie ist ein Baustein im System der Trennung der korporativen Gewalten. Die business judgment rule des amerikanischen Korporationenrechts ruht auf drei Säulen, die einander bedingen. Sie sind in unterschiedlichen Rechts­ gebieten beheimatet. Die einschlägigen Gerichtsentscheidungen in den USA behandeln zumeist nur einen Aspekt der business judgment rule, ohne das Institut dabei insgesamt zu erfassen. Ihren Ausgangspunkt nahm die Lehre bei der Frage der Begrenzung der Haftung der Verwaltungsmitglieder für Schädigungen der Gesellschaft5. Dem folgte auf verfahrensrechtlichem Ge­ biete eine besondere Verteilung der Beweislast6 sowie die Anerkennung der beschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit von Leitungsentscheidungen der Verwaltung7.

3 8 Del.Code § 141; § 701 N.Y.B.C.L.; § 300 Cal.Corp.Code. 4 Vorbehalten bleibt das Mitwirkungsrecht der Gesellschafter im Bereich der sog. Grundlagengeschäfte. Dazu noch näher sogleich unten im Text. Zu diesen Grundlagenge­ schäften (organic changes) vgl. CARY/EISENBERG, Corporations, 5. Aufl. 1980, S. 144 ff. sowie?. Aufl. 1995, S. 1130 ff. 5 Die business judgment rule in ihrer Funktion als Modifizierung des allgemeinen Haftungsmaßstabs beleuchtet Cramer v. General Tel. & Electrics Corp., 582 F.2d 259, 274 (3d Cir. 1978). 6 Die business judgment rule als ein Instrument zur Regelung der Beweislastverteilung behandeln Bodell v. General Gas & Electric Corp., 132 A. 442 (Del.Ch. 1926) sowie Warshaw v. Calhoun, 213 A.2d 539 (Del.Ch. 1965). 7 Zur business judgment rule als Schranke gerichtlicher Überprüfung von Entschei­ dungen des unternehmerischen Leitungsermessens vgl. Shlensky v. Wrigley, 237 N.E.2d 776

1. Der haftungsrechtliche Aussagegehalt

Soweit die Frage der Haftung der Verwaltung für Geschäftsführungsmaß­ nahmen in Rede steht, besagt die business judgment rule, daß das Manage­ ment von einer Verantwortlichkeit freigestellt ist, soweit es eine informierte Entscheidung getroffen hat, die nicht gegen geltendes Recht verstößt8, in gutem Glauben und vom Standpunkt eines ordentlichen Geschäftsleiters in der gleichen Situation nachvollziehbar ist und keine Verstrickung in Interes­ senkonflikte erkennen läßt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so unterlie­ gen die Verwaltungsmitglieder keiner Schadensersatzhaftung für solche Schäden, die entstanden sind infolge eines abweichenden und unvorhersehba­ ren Geschehensablaufes. Entscheidend ist an dieser Regel zum einen die zeitliche Fixierung des relevanten Betrachtungszeitpunktes. Es zählt stets nur die ex ante-Betrachtung, die nicht durch die überlegene Erkenntnis eines ex post-Beobachters ersetzt werden darf9. Erfüllt eine Leitungsentscheidung im unternehmerischen Bereich ex ante die oben definierten Voraussetzungen für das Platzgreifen der business judgment rule, so kann dies aus der Retrospek­ tive der Verwaltung nicht mehr zum Nachteil gereichen. Der resultierende Haftungsmaßstab hat im Gegensatz zum deutschen Recht (§93 AktG, § 43 GmbHG) einen stark subjektiven Einschlag10. Die business judgment (111.App. 1968); zur Funktionsweise näher Note, The Nonratification Rule and the Demand Requirement: The Case for Limited Judicial Review, 63 Columb.L.Rev. 1086 (1963). 8 Grundsätzlich ist ein das Gesetz verletzendes Verhalten der Verwaltung (illegality) nicht mehr von der business judgment rule gedeckt und nimmt der Verwaltung den durch sie verliehenen Schutz. Eine gewisse Ausnahme hiervon gilt jedoch, wenn das gesetzwidrige Verhalten darin besteht, ausländische Regierungsstellen mit Mitteln der Gesellschaft zu be­ stechen, um so eine für die Gesellschaft günstige Entscheidung herbeizuführen. ”Illegality" bezieht sich demnach offenbar nur auf den nationalen ordre public. Der Heimatstaat sieht den extraterritorialen Gesetzesverstoß zwar nicht gern, billigt aber die damit einhergehende Begünstigung einer amerikanischen Gesellschaft. Die amerikanischen Gerichte ziehen das business judgment der Verwaltung nicht in Zweifel, was zur Folge hat, daß die Gesell­ schafter mit einer derivative action nicht durchsetzen können, daß die aus der Gesellschafts­ kasse genommenen Bestechungsgelder wieder zu erstatten sind, vgl. Gall v. Exxon Corp., 418 F.Supp. 508 (S.D.N.Y. 1976); Rosengarten v. Intern. Tel. & Tel. Corp., 466 F.Supp. 817 (S.D.N.Y. 1979). Diese Entscheidungen spiegeln die in den USA weitverbreitete Auf­ fassung wieder, wonach die Shareholders’ derivative suit kein Instrument der Rechtsaufsicht über die Corporation ist, zur Kritik dieser Entscheidungen oben § 8 FN 1 mit dem zugehöri­ gem Text. 9 Vgl. Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del. 1985). Zu dieser Grundsatzentschei­ dung näher Kirk, The Trans Union Case: Is it Business Judgment Rule as Usual?, 24 Am.Bus.L.J. 467 (1986). 10 Die stärkere Berücksichtigung subjektiver Momente bei der Bestimmung des Haf­ tungsmaßstabs unterscheidet das anglo-amerikanische Recht von den kontinentaleuro­ päischen Rechtssystemen. In Großbritannien steht der führende Fall In re City Equitable Fire Insurance, Ltd., [1925] Ch. 407 (C.A.) bis heute für eine Konkretisierung des Sorg­ faltsstandards unter Rückgriff auf die tatsächlich vorhandenen persönlichen Fähigkeiten des Amtsinhabers. Das englische Recht differenziert dabei ähnlich dem amerikanischen Recht zwischen inside und outside directors. Dasjenige Verwaltungsmitglied, welches seine Funk­

rule begreift den allgemeinen Haftungsmaßstab für die Vertreter der Corpo­ ration dahingehend, daß ein Einstehenmüssen für leichte Fahrlässigkeit ent­ fällt. Denn für solche Schäden ist die Arbeit als Verwaltungsmitglied anfällig und geneigt11. Die Modifizierung des allgemeinen Haftungsmaßstabs der negligence12 geschieht, damit das Unternehmensrisiko der Corporation sowie den letztlich hinter ihr stehenden Aktionären zugewiesen bleibt13. Die Verteilung dieses Risikos geht Hand in Hand mit seiner Beherrschbarkeit. Die Gesellschafter haben es in der Hand, sich hinreichend vorgebildete und sorgfältige Direkto­ ren auszusuchen und ihnen die Führung der Geschäfte anzuvertrauen. Leicht fahrlässige Fehlentscheidungen der Verwaltung bleiben sanktionslos, solange sie in gutem Glauben und auf der Basis einer rational nachvollziehbaren un­ ternehmerischen Entscheidung getroffen worden sind. Die Formulierung des Haftungsmaßstabes muß dem Grunddilemma, in dem sich die Verwaltungsmitglieder befinden, Rechnung tragen. Es ist da­ durch gekennzeichnet, daß die Verwaltung vermöge ihrer Stellung berech­ tigt, aber auch verpflichtet ist, Abwägungs- und Prognoseentscheidungen zu treffen und umzusetzen. Dabei kann sich eine getroffene Entscheidung im nachhinein als unklug herausstellen. Die geforderte Sorgfalt verlangt von dem Handelnden, bei der Ausführung einer Maßnahme eventuell auftretende Risiken tunlichst zu versichern. Das Unternehmensrisiko selbst ist allerdings weder nach amerikanischem noch nach deutschem Recht versicherbar. Diese versicherungsrechtlich fehlende Rückversicherbarkeit des Unternehmensrisition aufgrund eines Vollzeitarbeitsvertrages mit der Gesellschaft wahrnimmt, sieht sich ge­ steigerten Sorgfaltsanforderungen ausgesetzt im Vergleich zu einem Direktor im Nebenamt und auf ehrenamtlicher Basis. Nur bei einer bevorstehenden Insolvenz werden generell an das Verhalten objektive Verhaltensmaßstäbe angelegt. 11 Im deutschen Verbandsrecht bilden sich in jüngerer Zeit ebenfalls differenzierende Ansätze heraus, die nunmehr der Berücksichtigung subjektiver Momente bei der Feststellung der Haftbarkeit von Organmitgliedern etwas mehr Raum geben - vorläufig allerdings nur für Vereine mit idealer Zwecksetzung bei Tätigkeiten auf ehrenamtlicher Basis, BGHZ 89, 153 (157 ff.) - "Pfadfinder”. Konstruktiv geschieht dies in Anlehnung an die arbeitsrecht­ liche Doktrin von der gefahrgeneigten Arbeit, vgl. BAGE - GrSen. - 5, 1 (7 ff.) sowie BAGE 7, 118 und seither in ständiger Rechtsprechung. Eine neue, richtungweisende Ent­ scheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 78, 56 = NJW 1995, 210) verzichtet inzwischen sogar ersatzlos auf das Merkmal der Gefahrgeneigtheit für den inner­ betrieblichen Schadensausgleich. Im Verbandsrecht empfängt die Haftungsminderung ihre Rechtfertigung freilich nicht so sehr aus der Erwägung einer angemessenen Verteilung des Betriebsrisikos. Vielmehr geht es hier darum, nicht die sozial überaus erwünschten ehren­ amtlichen Tätigkeiten durch u.U. existenzbedrohende Haftungsfolgen, die zudem kaum ver­ sicherbar sind, zu unterbinden. 12 Eingehende Nachweise hierzu bei 3A Fletcher, Cyclopedia of the Law of Private Corporations, § 1039 speziell FN 14 (1986). 13 C aplin, Outside Directors and Their Responsibilities: A Program for the Exercise of Due Care , 1 J.Corp.L. 57, 59 (1975).

kos darf nicht dazu fuhren, das Management durch einen entsprechend rigide gefaßten Haftungs- und Verschuldensstandard ersatzweise zum Versicherer zu machen. Der relevante Sorgfaltsmaßstab für Verwaltungsmitglieder der Corporation ist derjenige der reasonable care. Dies entspricht - nicht zufällig - dem Standard für trustees und agents14. Der Test besagt, daß diejenige Sorgfalt anzuwenden ist, die eine gewöhnlich vernünftige Person in einer vergleich­ baren Stellung und unter ähnlich gelagerten Umständen obwalten lassen müßte15. Hinsichtlich der haftungsbegründenden und -ausfüllenden Elemente betonen die Gerichte allerdings seit jeher, daß die Konkretisierung des Haf­ tungsmaßstabes fallweise erfolgen muß und daß es sich bei ihr um eine in dem Zuständigkeitsbereich der jury fallende Tatfrage handelt16. In der Sache bedeutet dies, daß die haftungsauslösende Fahrlässigkeit über das Maß der leichten Fahrlässigkeit (slight negligence) hinausreichen muß. Das Verhalten muß in die Nähe von grober Fahrlässigkeit (gross negligence) reichen, weil die gewöhnliche Fahrlässigkeit noch zur ordinary care zählt. In Großbritannien haben sich die Gerichte zu der Auffassung bekannt, daß Ma­ nager nur haften, sofern ihr Verhalten grob fahrlässig ist17. In den USA ist dem eine Minderheit unter den Jurisdiktionen gefolgt18. Immerhin spricht für diese Auffassung ein gewisser Gewinn an Rechtssicherheit, weil die unter­ halb der Schwelle der groben Fahrlässigkeit entstehende Grauzone beseitigt wird, ohne daß die präventiv verhaltenssteuemde Wirkung der Haftung preisgegeben und die Verwaltung zu erhöhter Sorglosigkeit ermuntert würde. Die exakte Fassung des Haftungs- und Sorgfaltsmaßstabes der Verwaltung der Corporation ist damit insgesamt mit dem Bestellungsakt in Beziehung zu bringen. Die Bestellung geht auf eine Auswahlentscheidung der Gesellschaf­ ter zurück. Die Bestellung eines Kandidaten bringt schlüssig zum Ausdruck, daß die von ihm praktizierte Sorgfalt sich mit dem Erwartungshorizont der Gesellschaftermehrheit deckt. Insoweit läßt sich eine Art Haftungsverzicht implizieren für Handlungen, die mit der gewöhnlichen Sorgfalt verrichtet werden. Im Einzelfall kann noch darüber hinaus eine weitere Modifizierung des Haftungsmaßstabs angebracht sein. Dies hängt ab von der Art der Tätig­ keit oder vom Gesellschaftstypus. In Körperschaften, deren Zweck nicht auf die Erzielung eines Gewinnes gerichtet ist (not-for-profit corporations), ist 14 (N.Y. 15 16 17 18

Fletcher (wie FN 12), § 1029; Pollitz v. Wabash R. Co., 100 N.E. 721, 723 ff. 1912). So etwa §717 N.Y.B.C.L. Briggs v. Spaulding, 141 U.S. 132 (151), 11 S. Ct. 924 (1891). In re Brazilian Rubber Plantations and Estates, Ltd., [1910], 1 Ch. 425 (436). Vgl. Fletcher (wie FN 12), § 1034 mit Nachweisen dort FN 2.

die Verwaltung häufig ehrenamtlich tätig oder versieht ihr Amt gegen Entrichtung einer marginalen Aufwandsentschädigung19. Das Recht steht diesen Tätigkeiten im gesellschaftlichen und karitativen Bereich grundsätz­ lich positiv gegenüber. Die für solche Engagements geschaffenen Anreize würden weitgehend zunichte gemacht, wenn der Handelnde nicht nur einen Teil seiner Freizeit aufopfert, sondern obendrein noch ein unkalkulierbares Haftungsrisiko eingeht. Das zeigt, daß die Konkretisierung des Haftungs­ maßstabs eng verbunden ist mit der Tragung des unternehmerischen Risikos in der Corporation. Dieses Risiko liegt nicht bei der Verwaltung. Sie ist nicht sein Versicherer. Viel eher trifft das unternehmerische Wagnis die Gesell­ schaft und ihre Gesellschafter. Die Risikoverteilung ist durch die Korpora­ tionsverfassung vorgegeben. Die Verwaltung wird vom Gesetz mit einem weitgefaßten Handlungsfreiraum ausgestattet, der sie unabhängig machen und ihre Entscheidungsfreudigkeit wecken soll. Dieses Konzept darf nicht durch drakonische Haftungssanktionen konterkariert werden. Die Korpora­ tionsverfassung macht das Management zum fiduziarischen Verwalter frem­ den Vermögens und nicht zum Unternehmer für eigene Rechnung20. 2. Beweisrechtliche Implikationen Ein zweiter Aspekt der business judgment-Doktrin betrifft die Verteilung der Beweislast. Insoweit nimmt sie eine im System des allgemeinen Haf­ tungsrechts eigentümliche Beweislastumkehr vor. Es wird eine — widerleg­ bare - Vermutung begründet, daß ein verfassungsmäßig berufener Ent­ scheidungsträger der Corporation so gehandelt hat, daß sich seine Amts­ handlung zunächst in einem "sicheren Hafen" befindet und daß die Voraus­ setzungen für die Schutzwirkung der business judgment rule vorliegen. Prima facie streitet die Vermutung für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung und spricht dagegen, daß sie ultra vires sind, eine schuldhafte Verschwen­ dung von Gesellschaftsvermögen bedeutet, illegal ist oder einen Bruch fidu­ ziarischer Pflichten darstellt21. Ebenso wie der auf die Situation der Ver­ waltung zugeschnittene Haftungsmaßstab gibt die beweislastverteilende Wir­ 19 Zum amerikanischen Recht umfassend Fletcher (wie FN 12), § 1031. 20 Dies läßt sich deutlich ablesen an der Lehre von der corporate opportunity; zu ihr be­ reits oben § 8 III. 21 Prince v. Bensinger, 244 A.2d 89 (Del.Ch. 1968); Gropper v. North Central Texas Oil Company, 114 A.2d 231 (Del.Ch. 1955). § 4.01(d) des ALI-Projekts zur corporate govemance geht sogar soweit, daß der Kläger im Falle einer Schadensersatzklage beweisen soll, daß die Verletzung der duty of care die rechtliche Ursache für den Schaden der Corpo­ ration war, vgl. American Law Institute, Principles of Corporate Govemance: Analysis and Recommendations, St. Paul/Minnesota 1994, Erläuterungen Band 1, S. 187; siehe außerdem § 7.18.

kung der business judgment rule der Verwaltung einen Schutzschild. Durch ihn kann die Verwaltung einmal Schadensersatzforderungen oder eine son­ stige gerichtliche Überprüfung ihrer Amtsführung abwehren. Diese Wirkung des Instituts offenbart zugleich seine Kehrseite. Die Widerlegung der Recht­ mäßigkeitsvermutung geht der Erlangung von Rechtsschutz vor. Für den rechtsschutzsuchenden Gesellschafter richtet die business judgment rule eine hohe Hürde auf sowohl für Klagen aus eigenem, wie für abgeleitete Klagen aus dem Recht der Gesellschaft. Jüngere Gerichtsentscheidungen aus einigen Bundesstaaten, die den Schutz des Geschäftsleiterermessens im Zusammen­ hang mit Übernahmeauseinandersetzungen und Übernahmeabwehrmaßnah­ men noch ausgedehnt haben22, haben einen bedeutsamen Eingriff in die wohlerwogene Statik der corporate govemance vorgenommen. Nur wenn es gelingt, Anzeichen dafür darzutun, daß eine Handlung der Geschäftsführung jenseits des Unternehmensgegenstandes oder des Gesell­ schaftszwecks liegt, eine schuldhafte Verschwendung von Gesellschaftsver­ mögen bedeutet, illegal ist oder einen breach of trust begründet, ist die Ver­ mutung widerlegt. Die Anforderungen dürfen nicht unterschätzt werden. Zu berücksichtigen ist, daß sich die nötigen Indizien in der Regel nur demjeni­ gen erschließen, der selbst über Einblick in die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft verfügt. Die Verwaltung wird diesen Einblick nur zögernd ge­ währen. Eingedenk dieser Zusammenhänge haben die Gerichte die der bu­ siness judgment rule immanente Verteilung der prozessualen Darlegungs­ lasten so abgemildert, daß einem Kläger in bestimmten Situationen Beweis­ erleichterungen zuteil werden. Das sieht so aus, daß, wenn Umstände vom Kläger dargetan sind, die einen Akt der Geschäftsführung aus dem “sicheren Hafen" der business judgment rule herausnehmen — etwa breach of trust in Gestalt einer Selbstbereicherung der Verwaltung — eine abermalige Umkehr der Beweislast stattfindet. Ist ein solcher Umstand dargetan, so fällt die Be­ weislast auf die Verwaltung zurück, und sie muß nunmehr beweisen, daß dieser Umstand, der ihr den Schutz der business judgment rule nimmt, nicht gegeben ist. Dies gilt namentlich für die Fallgruppen des Interessenkonflikts oder der Widerrechtlichkeit. Wird eine Maßnahme wegen eines Interessen­ konflikts der Verwaltung angegriffen, so kann diese den Schutz der business judgment rule wiedererlangen, wenn sie dartut, daß die Maßnahme trotzdem im besten Interesse der Gesellschaft lag. War die Maßnahme allerdings wi­ derrechtlich, so nützt selbst ihre Vorteilhaftigkeit für die Gesellschaft nichts. Im übrigen wäre die Vermutung widerlegt, falls dargetan ist, daß die Ver­

22 Dazu sogleich unten II.

waltung entweder gegen ihre Treupflicht (duty of loyalty) oder gegen ihre Sorgfaltspflicht (duty of care) verstoßen hat23. 3. Wirkung der business judgment rule als Schranke gerichtlicher Kognition Der dritte Pfeiler der business judgment-Doktrin bezieht sich auf die be­ schränkte gerichtliche Nachprüfung von Leitungsentscheidungen der Ver­ waltung. Dieser Teil der Regel besagt, daß ein Gericht nur in eng umgrenz­ tem Maße befugt ist, unternehmerische Ermessensentscheidungen zu über­ prüfen oder gar sein Urteil oder seine Zweckmäßigkeitserwägungen im nachhinein an die Stelle der verfassungsmäßig berufenen Entscheidungs­ träger der Corporation zu setzen. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Geschäftsführungsakten erfolgt typischerweise als Vorfrage in Schadens­ ersatzprozessen gegen die Mitglieder der Verwaltung. Sie findet weiterhin statt bei Klagen auf Unterlassung oder auf Erzwingung von Maßnahmen der Geschäftsführung. Diese Begrenzung der Justitiabilität findet zunächst ihre Ursache in der schon angesprochenen Risikotragung in der Corporation. Ex ante- und ex post-Betrachtung sind strikt zu trennen. Der Entscheidungsträ­ ger ist in seinem Einschätzungsvermögen naturgemäß auf die ex ante-Beur­ teilung beschränkt. Ein Gericht wäre demgegenüber in der unvergleichlich besseren Lage, eine ex ante-Entscheidung retrospektiv erneut zu beurteilen. Diese Auswechslung der Beurteilungsperspektive ist nicht zulässig und ein Hauptanliegen der business judgment rule. Die Begrenzung der gerichtlichen Justitiabilität wurzelt daneben im Grundsatz freier Körperschaftsbildung sowie in der Garantie der Selbstver­ waltung von Personenvereinigungen. Daraus folgt eine Pflicht des Gerichts zur zurückhaltenden Beurteilung von Vorgängen, die der körperschaftlichen Selbstverwaltungsautonomie unterfallen. In den USA erfolgt die Körper­ schaftsbildung ebenfalls auf der Grundlage eines Systems der Normativbe­ dingungen. Das certificate of incorporation ist heute in erster Linie ein Ver­ trag unter den Gründern. Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß der Staat an der Körperschaftsbildung durch die Erteilung eines certificate of incorpora­ tion sowie Registrierung der Vereinigung, ohne die keine rechtsgültige Kör­ perschaftsbildung möglich ist, teilnimmt. Allerdings hat der Staat heute keine Ermessensentscheidungen mehr hinsichtlich der Frage eines öffent23 So Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 367 ff. (Del. 1993) für das Ver­ halten des board of directors bei einer Fusion. Ist die Vermutung widerlegt, weil ein Verstoß gegen die duty of care oder gegen die duty of loyalty vorliegt, so kann sich die Verwaltung nur enthaften, indem sie beweist, daß ihr Handeln insgesamt fair und angemessen war. Die Rechtsprechung betont, daß die Sorgfalts- und die Treukomponente gleichwertige Bestandteile der business judgment rule sind.

liehen Bedürfnisses an der Entstehung neuer Körperschaften. Der für die Körperschaftsentstehung konstitutive staatliche Registrierungsakt wird mit Recht dahin verstanden, daß mit ihm das Selbstverwaltungsprivileg nach Maßgabe der staatlichen Korporationsgesetze einhergeht24. Die Aufsicht über die Personenvereinigungen wird damit ebenfalls delegiert an die die Selbstverwaltung wahrnehmenden Gesellschaftsorgane. Zurück bleibt bei den staatlichen Gerichten ein begrenzter Überprüfungsumfang. Gänzlich unbe­ rührt läßt die Selbstverwaltungsautonomie schließlich die Kapitalmarktauf­ sicht durch die SEC25. Ein weiterer Grund für die große Zurückhaltung der Gerichte gegenüber einer inhaltlichen Überprüfung von unternehmerischen Leitungsentschei­ dungen der Verwaltung erklärt sich aus dem Mehrheitsprinzip, das den Wil­ lensbildungsprozeß bei der Corporation kennzeichnet. In Prozessen um die Rechtmäßigkeit solcher Entscheidungen richtet sich der Angriff des Klägers gegen den board of directors. Tatsächlich führt die Verwaltung aber in der Regel nur eine Maßnahme aus, die dem Mehrheitswillen entspricht. Der Kem der Auseinandersetzung dreht sich mithin um den Inhalt und die Her­ beiführung einer Entscheidung. Die Wahrnehmung dieser Funktion ist einem Gericht gerade verwehrt. Das Gericht trifft selbst keine kaufmännische Er­ messensentscheidung, sondern hat allenfalls über die Rechtmäßigkeit von Geschäftsführungsakten zu urteilen. Die in der business judgment rule liegende Beschränkung der gericht­ lichen Kontrolldichte wird von den amerikanischen Gerichten unterschiedlich gehandhabt. Es gibt Gerichte, die, wenn sie den Tatbestand einer Handlung in Interessenkollision feststellen, die schützende Wirkung der Regel insge­ samt entfallen lassen. Die Konsequenz ist eine vollinhaltliche Überprüfung. Ein Gericht ist sogar soweit gegangen, sein Zweckmäßigkeitsurteil an die Stelle der vom Management getroffenen Entscheidung zu setzen26. Dieser Ansatz ist mit Recht vereinzelt geblieben, und er muß durchgreifenden Be­ 24 Das certificate of incorporation wird heute als Rechtsquelle mit Doppelnatur verstan­ den. Ihm liegt einerseits ein Vertrag der Gründer untereinander zugrunde, andererseits ver­ körpert es die Konzessionsentscheidung bei der Körperschaftsbildung, bei welcher die Staa­ ten heute keine Ermessens- oder Bedürfnisprüfung mehr vornehmen, sondern auf die Über­ prüfung der Normativbedingungen beschränkt sind. Der Staat gewährt dabei der Körper­ schaft und ihren Mitgliedern das Recht, ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich zu ord­ nen. Den Inkorporierungsakt begleitet die Selbstkontrolle als immanente Pflicht, vgl. Coffee, Beyond the Shut-Eyed Sentry: Toward a Theoretical View of Corporate Misconduct and an Effective Legal Response, 63 Va.L.Rev. 1099, 1239 (1977). 25 Zum ganzen Zusammenhang Coffee (vorige FN). 26 So geschehen in Zapata Corp v. Maldonado, 430 A.2d 779 (Del. 1981). Das Ent­ scheidungsergebnis erfährt jedoch eine Rechtfertigung daraus, daß es in casu um die auf die business judgment rule gestützte Entscheidung eines special litigation committee ging, eine derivative suit nicht weiter zu verfolgen.

denken begegnen, weil er fundamentale Prinzipien des Rechts der Corpora­ tion und der körperschaftlichen Selbstverwaltung mißachtet. Die gerichtliche Überprüfung von Geschäftsführungsakten des Manage­ ments ist vergleichbar mit der von Ermessensentscheidungen einer Verwal­ tungsbehörde im Staats- und Verwaltungsrecht. Auch in den USA wird diese Parallele gesehen27. Verwaltungsbehörden sind ähnlich dem board of direc­ tors einer Corporation28 mit der Befugnis ausgestattet, Sachverhalte ihres Zu­ ständigkeitsbereichs bei Einhaltung der rechtlichen Grenzen ihres Ermessens letztverbindlich zu entscheiden. Die Wurzel dieses Grundsatzes liegt für das öffentliche Recht in dem elementaren rechtsstaatlichen Grundsatz der Ge­ waltenteilung. Bei der Corporation basiert er auf der Garantie der Selbstver­ waltung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkenskreises. Das Prinzip der richterlichen Selbstbeschränkung (judicial self-restraint) verbietet es, daß die Entscheidungszuständigkeit im Verfahren einem anderen Entscheidungs­ träger überantwortet wird. Das Gericht ist darauf beschränkt, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu untersuchen und bei festgestellter RechtsWidrigkeit aufzuheben. Richterlicher Überprüfung unzugänglich ist die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme. Kommt es zur Aufhebung wegen eines Ermessensfehlers — etwa wenn ein shareholder auf Unterlassung klagt —, so bleibt die Funktionstrennung weiterhin bestehen. Zur erneuten Entscheidung ist wiederum nur die Verwaltungsbehörde bzw. das Management der Corpo­ ration befugt. Allerdings muß bei der Neuentscheidung die Rechtsauffassung des Gerichts Beachtung finden. Ein möglicher Erfolg eines Klägers gegen eine unternehmerische Ermessensentscheidung vor Gericht bleibt damit ein nur halber Erfolg, weil der Entscheidungsträger das Ergebnis seiner ur­ sprünglichen Entscheidung erneut und mit rechtlich unangreifbaren Ermes­ senserwägungen wiederholen kann. Die von der business judgment rule intendierte beschränkte Justitiabilität bevorzugt es also, die Entscheidung bei ihrem ursprünglichen Entscheidungsträger zu belassen, da nur er in einer entsprechenden Pflichtenbindung zur Gesellschaft steht. Nur ganz aus­ nahmsweise kann das Gericht selbst und abschließend entscheiden, wenn es sich herausstellt, daß nur noch eine Entscheidung rechtmäßig ist, das Ermes­ sen des eigentlichen Entscheidungsträgers mithin auf Null geschrumpft ist.

27 S.E.C. v. Chenery Corp., 318 U.S. 80, 63 S.Ct. 454 (1943); COFFEE (wie FN 24), S. 1239. 28 8 Del.Code § 141; § 701 N.Y.B.C.L.

4. Auswirkungen der business judgment rule auf Schadensersatz-, Vornahme- oder Unterlassungsklagen

Die business judgment rule vollzieht verfahrensrechtlich die Teilung der Gewalten in der Corporation zwischen Gesellschaftern und Verwaltung, Mehrheit und Minderheit sowie zwischen dem staatlichem Kontrollbedürfnis über Verbände und deren Selbstverwaltungsanspruch. Haftungsbeschrän­ kende und kognitionsbegrenzende Wirkung des Instituts bilden eine Einheit. Stets geht es um die Abschirmung von Akten der Geschäftsführung gegen eine Überprüfung bzw. ihre Ersetzung. Die Überprüfung kann sich äußern in Schadensersatzprozessen gegen Verwaltungsmitglieder, für die die Bewer­ tung solcher Maßnahmen präjudiziell ist, oder in Prozessen, die eine Maß­ nahme selbst zum Gegenstand haben, indem sie diese verhindern oder an ih­ rer Stelle eine andere herbeiführen wollen. Im Mittelpunkt des Interesses ha­ ben in der Vergangenheit die Schadensersatzansprüche gegen Verwaltungs­ mitglieder gestanden, die etwa von den Gesellschaftern als derivative suit zu führen sind. Diese sind zwar äußerlich auf die Überprüfung von Schadensersatzpflich­ ten bezogen, doch muß dabei eine Maßnahme inzident untersucht werden, weil sich die Schadensersatzsanktion untrennbar mit der Handlung verbindet. Die business judgment rule und der von ihr gewährte Schutz für das Lei­ tungsermessen griffe indes zu kurz, wenn sie nur hinsichtlich von Schadens­ ersatzansprüchen gegen die Verwaltung zur Anwendung käme. Eine Ein­ mischung in den Bereich des Leitungsermessens kann ebensosehr stattfinden durch die ungerechtfertigte Auferlegung einer Haftungssanktion wie durch eine direkte Erzwingung einer Handlung bzw. deren Unterlassung durch einstweilige Verfügung. Die Haftungssanktion wirkt genauso verhaltenssteuemd und disziplinierend wie die gerichtliche Anordnung einer Maßnahme. Im Zuge der großen Takeover-Welle, mit deren Aufarbeitung die ameri­ kanische Justiz beschäftigt ist, hat sich bei der business judgment rule eine gewisse Akzentverschiebung ergeben. Die Anzahl derjenigen Verfahren, in denen um die Vornahme oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungs­ akte gerungen wird29, hat inzwischen gegenüber den reinen Haftungsfällen beträchtlich zugenommen, weil man erkannt hat, daß in der Verhinderung des Schadens die wirksamere Form der Rechtsschutzgewährung liegt. Bei komplexen Umgestaltungen der gewachsenen Strukturen einer Gesellschaft 29 Zum Beispiel wenn es um die Ergreifung von Übernahmeabwehrvorkehrungen (takeover defensive measures) oder deren Verhinderung geht. Zur Auslegung der business judgment rule in diesem besonderen Sachzusammenhang noch sogleich näher unten II. Einen guten Überblick über diesen Problemkreis geben stellvertretend für ein ausufemdes Schrift­ tum Wander/LeCoque, Boardroom Jitters: Corporate Control Transactions and Today's Business Judgment Rule, 42 Bus.Lawyer 29 (1986).

schafft der Eingriff vielfach Fakten, die eine später eventuell festgestellte Pflicht zur Leistung von Schadensersatz nicht angemessen wiedergutmachen kann. Dies sowie der Umstand, daß das dem Vollstreckungszugriff unterlie­ gende Vermögen der Verwaltungsmitglieder häufig unzureichend ist, um eine entstandene Ersatzpflicht zu decken, macht die Schadensverhinderung bedeutsamer als eine Schadenskompensation. Auf diesem Hintergrund wird das Bestreben von Gesellschaftern verständlich, Geschäftsführungsmaßnah­ men der Verwaltung in den Arm zu fallen, um eine Entscheidung im Inte­ resse der Gesellschaft noch rechtzeitig zu beeinflussen30. Mit der Klage kann der Gesellschafter einen direkten Vorteil zu seinem persönlichen Gunsten an­ streben — etwa Erklärung und Ausschüttung einer Dividende31 — oder rein fremdnützig für die Gesellschaft handeln zur Herbeiführung einer "besseren" Sachentscheidung. In diesen Vornahmeklagen, die auf die Herbeiführung oder Unterlassung einer bestimmten Handlung zielen, wird die business judgment rule von den Gerichten traditionell rigide angewandt, um keinen Anreiz dafür zu schaffen, daß die Leitung von Unternehmen vom board of directors auf das Gericht übergeht. Mit Recht scheuen Gerichte die Über­ nahme dieser Verantwortung, zumal ihnen die dafür notwendige Sachkunde abgeht. Selbst wenn es ohne weiteres auf der Hand liegt, daß die Maß­ nahme, die ein Gesellschafter mit Wirkung für die Gesellschaft durch seine Klage verwirklicht sehen will, den Nutzen der Gesellschaft ohne zusätzlichen Aufwand mehrt, sind Gerichte grundsätzlich nicht bereit, das vorausset­ zungsgemäß ausgeübte business judgment der Mehrheitsgruppe oder der Verwaltung in Frage zu stellen32. Der relevante Kontrollmaßstab ist derje­ nige der Rechtmäßigkeit und nicht der Zweckmäßigkeit. Verwehrt ist es dem Gericht insbesondere, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit oder ökonomische Effizienz zu hinterfragen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn sich aufdrängt, daß die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit bewußt verfehlt worden ist, um die Gesellschaft zu schädigen oder weil die Verwaltung in 30 Der Schulfall für eine derivative suit, mit der eine bestimmte Geschäftsführungsmaß­ nähme durchgesetzt werden soll, ist noch immer Shlensky v. Wrigley, 237 N.E.2d 776 (Ill.App. 1968). 31 Dodge v. Ford Motor Co., 170 N.W. 668, 3 A.L.R. 413 (Mich. 1919). 32 In Shlensky v. Wrigley, 237 N.E.2d 776 (Ill.App. 1968) erhob ein shareholder eine derivative action gegen seinen Baseballclub, betrieben in der Rechtsform einer Corporation, und dessen Vorstand, weil dieser sich beharrlich weigerte, das Sportstadion mit einer Flut­ lichtanlage ausrüsten zu lassen. Diese Maßnahme hätte es dem Club gestattet, dessen Mann­ schaft in der ersten amerikanischen Baseballiga spielt, Spiele auch am Abend auszutragen und so mehr Zuschauer nach Ende der Arbeitszeit anzuziehen. Verwaltung und Mitglieder­ mehrheit schlossen sich diesem gewinnträchtigen Vorschlag nicht an. Nach ihrer Meinung ist Baseball ein traditioneller Tagessport. Außerdem würde die Veranstaltung von Baseball­ spielen zur Nachtzeit für die angrenzenden Wohngebiete eine unzumutbare Belastung be­ deuten.

einen Interessenkonflikt verstrickt war. Anderenfalls ist eine Leitungsent­ scheidung gerichtlicherseits selbst dann nicht korrigierbar, wenn sie wirt­ schaftlich unklug ist. Hier bleibt letztlich nur der durch die Korporationsver­ fassung vorgezeichnete Weg der Auswechslung der Verwaltung durch die Mehrheit der Mitglieder. Die relativ kleine Zahl von Fällen, in denen ein shareholder mit seinem Versuch, eine gerichtliche Kurskorrektur der Unternehmenspolitik zu er­ zwingen, Erfolg hatte, ist dadurch gekennzeichnet, daß sich die Verwaltung selbst außerhalb des satzungsmäßig festgeschriebenen Unternehmensgegen­ Standes oder Gesellschaftszweckes stellte oder die Rechtsform der Corpora­ tion zweckentfremden wollte. Verfugt beispielsweise eine auf die Absicht der Gewinnerzielung gerichtete Gesellschaft über üppige Rücklagen, die das gesetzlich oder statutarisch vorgeschriebene Mindestmaß an Reserven über­ trifft, und weigert sie sich beharrlich, eine vertretbare Dividende auszu­ schütten, weil ihr board of directors der Ansicht ist, daß die Corporation nicht dazu da sei, Dividende an Aktionäre auszuschütten, sondern die Mittel besser darauf zu verwenden habe, das Unternehmen auszudehnen, neue Ar­ beitsplätze zu schaffen, in soziale Einrichtungen für die Arbeiterschaft zu in­ vestieren und neue Produkte zu niedrigeren Preisen auf den Markt zu brin­ gen, so ist diese Geschäftsführungsentscheidung ermessensfehlerhaft, weil sie sich mit den Grundprinzipien des Rechts der private Corporation in Wi­ derspruch setzt. Eine Corporation wird im Gegenteil gegründet und betrie­ ben, um Gewinne zu erwirtschaften und an ihre Aktionäre zu verteilen33, weil ohne diesen Anreiz die Corporation ihrer Funktion als Instrument zur Aufbringung von Risikokapital beraubt würde. Eine immanente Schranke des rechtlich geschützten Ermessensspielraumes ist es daher, daß sich die Ge­ schäftsführung nicht in Widerspruch zum Wesen der Corporation sowie zu ihrer Bestimmung in der Wirtschaftsordnung stellen darf. Verläßt die Ver­ waltung diesen Rahmen, hat ihre Entscheidung keinen Bestand. Die Ent-

33 So geschehen in Dodge v. Ford Motor Co., 170 N.W. 668, 3 A.L.R. 413 (Mich. 1919). Die genau umgekehrte Situation behandelt Kamin v. American Express Company, 383 N.Y.S.2d 807 (Spr.Ct. 1976) mit einer klassischen Formulierung der business judgment rule. Hier wollten Minderheitsgesellschafter die Ausschüttung einer Dividende verhindern, weil die Nichtausschüttung der Gesellschaft einen erheblichen steuerlichen Vorteil gebracht hätte in Gestalt eines Teilbetriebsverlustes, der gegen den steuerpflichtigen Geschäftsgewinn steuermindernd hätte in Ansatz gebracht werden dürfen. Die Verwaltung konterte dieses Ar­ gument unter Hinweis auf die negativen Auswirkungen eines Verlustausweises für den Bör­ senkurs der Gesellschaft. Das Gericht sah keinen Anlaß, die Entscheidung der Verwaltung aufzuheben. Kamin v. American Express beleuchtet sehr schön die volle Tragweite der bu­ siness judgment rule durch die hier zur Prüfung gestellten Klageanträge: (1) Verhinderung der Maßnahme als solcher (Vornahmefall bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit), (2) hilfsweise Verurteilung zum Schadensersatz.

Scheidung kann verhindert werden oder die Entscheidungsträger schulden Schadensersatz.

II. Leitungsermessen der Verwaltung für Handlungen im sog. Grundlagenbereich Es bleibt festzuhalten, daß sich die business judgment-Doktrin in ihrem gegenständlichen Anwendungsbereich mit der gesetzlich umschriebenen Vertretungsmacht der Verwaltung deckt. Liegt eine Entscheidung oder Maß­ nahme außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Managements, so besteht auch keine Leitungsbefugnis. Entscheidungsbefugnisse in solchen Bereichen sind anderen Organen zugewiesen. Unmittelbare praktische Bedeutung ge­ winnt dieser Zusammenhang bei den diversen Formen von Akquisitionen und Übernahmen, vor allem wenn die Verwaltung Adressatin eines Über­ nahmeangebots ist. Die Schlüsselfrage lautet hier, ob die gewöhnliche Ver­ tretungsmacht der Verwaltung ausreicht, um eine eigenständige Rolle im Prozeß um die Entscheidung eines möglichen Eigentümerwechsels beanspru­ chen zu dürfen. Diese Frage ist nach Gesellschaftsrecht wie nach den tragen­ den Prinzipien des Trustrechts eindeutig zu verneinen34. Die große Mehrheit der Jurisdiktionen nimmt insoweit allerdings einen anderen Standpunkt ein und gesteht der Verwaltung einen sehr weitreichenden Entscheidungsspiel­ raum zu. Nach allgemeinem Korporationenrecht ist das Management für Ge­ schäfte dieses Typs nur zuständig, wenn ihm von den Gesellschaftern eine besondere Vertretungsmacht erteilt wird, weil es sich bei allen Geschäften, die die Herbeiführung eines Inhaberwechsels hinsichtlich der Gesellschaft oder von Teilen des von ihr betriebenen Unternehmens zum Gegenstand ha­ ben, um Grundlagengeschäfte handelt35. Diese Grundlagengeschäfte sind der gewöhnlichen Vertretungsmacht der Verwaltung entzogen. Das gleiche gilt 34 Deshalb bedürfen alle Transaktionen, die auf einen Wechsel in der Eigentümerstel­ lung gerichtet sind, der Zustimmung der Gesellschafter. Zu beachten bleibt für die Vertei­ lung der Entscheidungszuständigkeiten allerdings das gestufte Entscheidungsverfahren, wo­ nach eine Fusion oder wesentliche Vermögensübertragungen eine Entschließung des board of directors voraussetzen, die von den Gesellschaftern gebilligt werden muß. Dieses Zwei­ stufenverfahren gibt der Verwaltung eine sehr mächtige Stellung. Die erste Stufe ist wich­ tiger als die zweite. Die Gesellschafter haben keine Möglichkeit, eine Maßnahme gegen den Willen der Verwaltung herbeizuführen. Es bleibt ihnen zwar unbenommen, die Verwaltung auszuwechseln, jedoch wird dieses umständliche und zeitaufwendige Verfahren zu spät kommen. 35 Die amerikanische Rechtsterminologie ist schwankend. Zum Teil spricht man von "extraordinary matters", so etwa Henn/Alexander, Corporations, 3. Aufl. 1983, §§ 215, 340, zum Teil von "organic changes", so insbesondere Cary/Eisenberg, Corporations, 5. Aufl. 1980, S. 144 ff., 1444 ff., oder von "fundamental changes", vgl. Jennings/Buxbäum, Corporations, 5. Aufl. 1979, S. 1009 ff.

für alle Maßnahmen, mit denen die amtierende Verwaltung eine Übernahme ab wehren oder erschweren will, um sich in ihrem Amt zu behaupten. Denn die Auswechslung der amtierenden Verwaltung - auch im Wege eines proxy fight oder einer tender offer — gehört zu den unentziehbaren Rechten der Aktionäre36. Die an sich fehlende Zuständigkeit der Verwaltung oder wenigstens ihre Neutralitätspflicht in allen Fragen des Eigentümerwechsels hat die Gerichte nicht dazu bewogen, die business judgment rule enger zu fassen. Ganz im Gegenteil gesteht man den Verwaltungen übernahmebedrohter Gesellschaften weitere Entscheidungsfreiräume zu37. Die business judgment rule bedarf ei­ ner Einschränkung, weil sich die Verwaltung bei der Entscheidung oder Vorbereitung eines Eigentümerwechsels in einem erheblichen Interessenkon­ flikt befindet. Als Repräsentant der von den bisherigen Eigentümern domi­ nierten Corporation, zu der die Loyalitätsbindungen stärker sind als zu einem prospektiven Erwerber, müßte die Verwaltung darauf achten, gleich einem Auktionator den bestmöglichen Preis auszuhandeln. Diese Verpflichtung wird häufig von der Erwägung überlagert, unter mehreren Bietern demjeni­ gen den Zuschlag zu erteilen, der die Verwaltung in ihren Ämtern beläßt. Der tiefgreifende Zielkonflikt wird offenkundig, wenn der Bieter mit dem höchsten Gebot nicht managementfreundlich gesonnen ist38. Die Anwendung der business judgment rule auf Sachzusammenhänge, in denen die Kontrolle über die Corporation in Rede steht, muß weiterhin Be­ denken begegnen, weil die teleologischen Grundlagen ihres Eingreifens in­ soweit nicht existieren. Eine Entscheidung über die corporate control ist kein Geschäft der gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft, auf die sich die Vertretungsmacht des board of directors bezieht. Es ist erwähnt worden, daß die Anwendung der business judgment rule bei der laufenden Verwaltung im Hinblick darauf erfolgt, daß Mehrheitsentscheidungen auf Managementebene umzusetzen sind. Das Leitungsermessen gewährleistet in diesem Sinne nicht nur die reibungslose Amtsführung der Verwaltung, sondern die Voll­ streckung des Mehrheitswillens. Übernahmeangebote sind hiermit nicht ver­ gleichbar. Im Falle einer tender offer hat jeder Gesellschafter die persönliche Entscheidung zu treffen, ob er verkaufen will oder nicht. Sie ist keine Maß­ nahme der laufenden Verwaltung der Gesellschaft. Sie ist korporationsver­

36 Siehe Auer v. Dressel, 118 N.E.2d 590 (N.Y. 1954) für die Abberufung aus wichti­ gem Grund. 37 Vgl. nur Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140 (Del. 1989). 38 Wegen dieses Dilemmas wird im Schrifttum jetzt vereinzelt für eine Reduzierung der business judgment rule plädiert, vgl. Pelto, False Halo: The Business Judgment Rule in Corporate Control Contests, 66 Tex.L.Rev. 843 (1988).

fassungsrechtlich nicht dem Zuständigkeitsbereich der Verwaltung zuzuord­ nen39. Dispositionen über die corporate control sind durch die Korporationsver­ fassung den Gesellschaftern zugewiesen, nicht dagegen der Gesellschaft selbst. Damit scheidet eine genuine Vertretungszuständigkeit der Verwaltung aus. Ein Übernahmeinteressent ist aller Erfahrung nach selbst bereits Gesell­ schafter mit einem Anteilsbesitz, der zur Erreichung der Kontrollbesitz­ schwelle aufgestockt werden soll. Dazu ist es erforderlich, den übrigen Ge­ sellschaftern ein Kaufangebot zu unterbreiten. In dieser Situation ist es dem Management nicht gestattet, dem Prozeß ungehinderter Willensbildung unter den Aktionären Steine in den Weg zu legen durch das Installieren von Ab­ wehrmaßnahmen in der Satzung, die die Gesellschaft gegen einen Überneh­ mer abschotten sollen. Jede amtierende Verwaltung muß sich der Kontrolle durch den Markt für Beteiligungen stellen. An der Fortbeschäftigung guter Manager hat auch der neue Eigentümer ein Interesse. Zuwenig beachtet wird in diesem Zusammenhang, daß das Recht der Corporation den Verwaltungen bei Übernahmeauseinandersetzungen oder konkurrierenden Stimmrechts­ sammlungen (sog. proxy fights) im Gegensatz zu Fusionen40 oder Verfü­ gungen über das im wesentlichen ganze Gesellschaftsvermögen41 keinerlei Initiativ- oder Mitwirkungsrechte zugesteht42. Vielmehr sind die Verwal­ tungen hier zu strikt neutraler Amtsführung verpflichtet. Aus Anlaß einer bevorstehenden Übernahme suchen Gesellschafter um gerichtlichen Rechtsschutz nach, der im Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen Übernahmeabwehrmaßnahmen (sog. shark repellents) der Verwaltung besteht. Hier führt die Verwaltung nicht den Willen der Mitgliedermehrheit aus, sondern handelt primär im eigenen Interesse, nämlich zur Erhaltung ih­ rer angestammten Positionen. Die business judgment rule kann in diesen Fallkonstellationen nicht mehr die ihr von den Gerichten ursprünglich zuge­ dachte Aufgabe erfüllen. Im Gegenteil führt sie im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, daß die Gerichte ökonomische Zweckmäßigkeitserwägungen an sich 39 Im gleichen Sinne Pelto (wie FN 38), S. 854 ff. sowie grundlegend zur innerkorpo­ rativen Kompetenzverteilung bereits Buxbaum, The Internal Division of Powers in Corpo­ rate Govemance, 73 Calif.L.Rev. 1671 (1985). 40 Etwa § 903(a) N.Y.B.C.L.; oder § 1101 i.V.m. § 1201 Cal.Corp.Code. 41 § 909(a)(l) N.Y.B.C.L. ist ähnlich dem deutschen § 179a (früher § 361) AktG. 42 Eine Fusion (merger) und die Veräußerung des im wesentlichen gesamten Gesell­ schaftsvermögens begünstigen wegen des beschriebenen Zwei-Stufen-Verfahrens (oben FN 34 sowie unten im Text nach FN 46) die Mehrheitsgruppe, weil zu erwarten steht, daß der board of directors von seinem Initiativrecht im Einvernehmen mit der Mehrheitsgruppe Ge­ brauch macht. Beim proxy fight oder bei der tender offer, hat dagegen jeder Gesellschafter das alleinige Entscheidungsrecht, ob und wem er eine Stimmrechtsvollmacht erteilen oder seine Aktien verkaufen will. Bei den Grundlagengeschäften existieren demnach durchaus unterschiedliche Grade der Beteiligung der Gesellschafter.

ziehen, indem sie — oftmals ohne sich dessen vollends bewußt zu sein - in den Prozeß der Preisbildung um die corporate control entscheidend eingrei­ fen. Die amerikanischen Gerichte sind bezüglich der Anwendbarkeit der business judgment rule in Takeover-Streitigkeiten geteilt. Die ganz herr­ schende Meinung unter ihnen lehnt es ab, die Regel in differenzierter Form anzu wenden und übernimmt unreflektiert den allgemeinen Grundsatz, wo­ nach Boardentscheidungen nur einer eingeschränkten Überprüfung zugäng­ lich sind. Die beschränkte Justitiabilität bleibt bestehen, selbst wenn offen­ sichtlich ist, daß es der Verwaltung um die Erhaltung ihrer Stellung geht und der Gesellschaft oder den Gesellschaftern durch diese Haltung nicht gedient wird43. Die einzige Möglichkeit für einen Gesellschafter, gegen das business judgment anzukommen, ist der selten gelingende Nachweis, daß die Ent­ scheidung dem einzigen Zweck gedient hat, sich selbst auf Kosten der Ge­ sellschaft zu begünstigen durch die Verhinderung eines Eigentümerwech­ sels44. Die entscheidende und der Diskussion um die business judgment rule

43 Panter v. Marshall Field & Co., 646 F.2d 271 (7th Cir. 1981), cert.den. 454 U.S. 1092 (1981); Gearhart Industries, Inc. v. Smith International, Inc., 741 F.2d 707, 723 ff. (5th Cir. 1984); Treadw^ay Companies, Inc. v. Care Corp., 638 F.2d 357 (2d Cir. 1980); GAF Corp. v. Union Carbide Corp., 624 F.Supp. 1016 (S.D.N.Y 1985). 44 Besonders anschaulich findet sich diese Fehlentwicklung in der Entscheidung Johnson v. Trueblood, 629 F.2d 287 (3d Cir. 1980), cert.den. 450 U.S. 999 (1981) dokumentiert. Dort hatte es die amtierende Verwaltung, die im wesentlichen aus Gewährsmännern der Ge­ sellschafter-Mehrheit bestand, abgelehnt, ein zur Abwendung der Untemehmensinsolvenz dringend erforderliches Darlehen von der Gesellschafter-Minderheit anzunehmen, das zu sehr günstigen Bedingungen angeboten wurde, die Mehrheit jedoch zu Zugeständnissen gegenüber der Minderheit gezwungen hätte. Die Gesellschaft mußte wenig später zur Ab­ wendung des Konkurses eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen durchführen, bei der das Bezugsrecht der Altaktionäre ausgeschlossen war. Die neuen Anteile wurden einem "verwaltungsfreundlichen" Bieter zugeteilt, obwohl die Minderheit bereit war, einen um 25% höheren Preis zu zahlen. Wäre die Minderheit zum Zuge gekommen, hätte sie die Kontrolle übernommen. Das Gericht billigt beide Entscheidungen der mit der Gesellschafter­ Mehrheit zum Teil personenidentischen Verwaltung als noch von der business judgment rule gedeckt, weil nicht ausreichend dargetan sei, daß es das einzige Motiv der Verwaltung ge­ wesen sei, sich durch die Entscheidung im Amt zu halten. Darauf kam es aber unter diesen Umständen gar nicht entscheidend an: In seiner Eigenschaft als Gesellschafter darf jeder da­ für sorgen, daß er nicht in die Minderheit gerät. Ein Verwaltungsmitglied muß sich von sol­ chen Überlegungen freimachen. Es muß für die Gesellschaft die jeweils günstigsten Ab­ schlüsse tätigen unter Hintanstellung des eigenen Vorteils. Dies gilt noch um so mehr im Falle heraufziehender Insolvenz, die die Handlungsfreiräume der Verwaltung zusätzlich ein­ schränkt. Das Gericht überdehnt die business judgment rule hier, indem es ganz außer An­ satz läßt, daß eine wirkungsvolle Insolvenzprophylaxe durch Erzielung höchstmöglicher Ausgabekurse auch im öffentlichen Interesse liegt. Der Gesellschaft und ihren Gläubigern wird von Seiten der Verwaltung die Chance vorenthalten, einen zusätzlichen Zufluß an drin­ gend benötigten Mitteln verbuchen zu können. Dies ist ohne weiteres eine Pflichtverletzung der Verwaltung.

überhaupt sachlogisch noch vorgelagerte Frage nach der exakten Kompe­ tenzabgrenzung zwischen Verwaltung und Gesellschaftern wird zumeist nicht gestellt45. Im Streit um die business judgment rule geht gelegentlich die viel grund­ sätzlichere Frage unter, ob die Verwaltung unter Berufung auf ihr business judgment den Gesellschaftern ihre Chance nehmen darf, die eigene Gesell­ schaft zu verkaufen. Die Gesellschafter sind die wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft. Sie dürfen das Letztverfügungsrecht über sie beanspruchen. Dennoch verläuft die Entwicklung dahin, daß die Zuständigkeiten der Ver­ waltung von den Gerichten extensiv ausgelegt werden und das Entschei­ dungsreservat der Gesellschafter im gleichen Maße abnimmt. Das von der Korporationsverfassung gewollte Zusammenspiel von Verwaltung und Ge­ sellschaftern mit klar abgegrenzten Kompetenzen gerät aus dem Gleichge­ wicht, wenn die Befugnisse eines Beteiligten zu Lasten eines anderen ver­ schoben werden46. Für einige sogenannte Grundlagenentscheidungen, nämlich Verschmel­ zungen sowie Verfügungen über das im wesentlichen ganze Gesellschafts­ vermögen, sieht das amerikanische Gesellschaftsrecht ein abgestuftes Umset­ zungsverfahren vor. Danach erstellt die Verwaltung zunächst einen Plan, der vom board of directors beschlossen werden muß und anschließend den Ge­ sellschaftern zur Ratifizierung zuzuleiten ist. Die Anteilseignerversammlung kann die Resolution des board of directors entweder billigen oder verwerfen. Dem board of directors obliegt das Initiativrecht, er handelt den nötigen Vertrag mit dem anderen Vertragsteil aus und bestimmt über die zeitlichen Abläufe. Die Verbindlichkeit einer Abrede mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft sowie die Gesellschafter wird jedoch durch das Tätigwerden der Verwaltung alleine noch nicht herbeigeführt. Dazu bedarf es in einem zwei­ ten Verfahrensabschnitt der Billigung des ausgehandelten Vertragswerks durch die Gesellschafter (shareholder approval). Dieses gestufte Verfahren ähnelt in seinen Grundzügen dem Prozeß des Abschlusses eines völkerrecht­ lichen Vertrages durch die beteiligten Regierungen und dessen innerstaatliche Verbindlichkeit durch ratifizierenden Parlamentsbeschluß 47. In jenem Ver­ Für die Zulässigkeit eines Bezugsrechtsausschlusses im Zuge einer Unternehmenssanierung nach deutschem Recht (Sanierungsprivileg), siehe LG Heidelberg ZIP 1988, 1257. In der Berufungsinstanz haben sich die Parteien verglichen, vgl. ZIP 1989, 1064. 45 Dazu sehr grundsätzlich BUXBAUM, The Internal Division of Powers in Corporate Governance, 73 Calif.L.Rev. 1671 (1985). 46 Allgemeiner zu dieser innergesellschaftlichen Gewaltenteilung BUXBAUM (wie FN 45), S. 1695 ff. 47 Als Beispielsfall aus dem Völkervertragsrecht für die Synchronisation von Abschlußund Ratifizierungskompetenz siehe BVerfGE 36, 1 - innerdeutscher Grundlagenvertrag 1972.

fahrensablauf drückt sich die Abgrenzung und Verschränkung der korpora­ tiven Gewalten aus. Er bezweckt die Bewahrung des Letztentscheidungs­ rechts der Gesellschafter hinsichtlich der Grundlagenkompetenzen. So ist die Rechtslage nach den Korporationsgesetzen in praktisch allen Jurisdiktionen. Die Verwaltung vertritt demnach bei Fusionen wie bei den meisten Grund­ lagengeschäften die Gesellschaft und die Gesellschafter im Außenverhältnis, während das Ratifizierungsrecht, welches die Verschmelzung erst wirksam werden läßt, zwingend bei den Gesellschaftern verbleibt. Im Innenverhältnis wie im Außenverhältnis gegenüber Drittbeteiligten kann eine von der Ver­ waltung ausgehandelte Fusion oder Übertragung von wesentlichen Teilen des Gesellschaftsvermögens erst wirksam werden, wenn die Gesellschafter zuge­ stimmt haben. Vorher ist der Dritte in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit einer nur von der Verwaltung gegebenen Zusage grundsätzlich nicht schutz­ würdig. Dies gilt sowohl für sein Erfüllungs- wie für sein Vertrauensinte­ resse. Verrückt man diese Prinzipien dadurch, daß man der Verwaltung weiter­ reichende Befugnisse gewährt, so bewirkt dies, daß die Gesellschafter am Ende ihre eigene Gesellschaft nicht mehr verkaufen können. Dies lehrt eine bundesgerichtliche Entscheidung zum Gesellschaftsrecht des Staates Kalifor­ nien aus dem Jahre 198448. Dort hatte der board of directors einer corpora­ 48 Jeyvel Companies v. PayLessDrug Stores Northwest, 741 F.2d 1555 (9th Cir. 1984). § 1105 Cal.Corp.Code räumt dem board of directors die Befugnis ein, einen Fusionsplan nach eigenem Ermessen zu jedem Zeitpunkt vor Wirksamwerden der Fusion aufzugeben un­ beschadet eventueller vertraglicher Ansprüche Dritter, ohne daß hierfür eine Zustimmung der Aktionäre nötig wäre. In Jewel v. Pay Less sind die Grundsätze aus drei Rechtsgebieten zusammenzuführen und aufeinander abzustimmen, nämlich Gesellschafts-, Vertrags- und Stellvertretungsrecht (agency). Obwohl das amerikanische Recht - anders als das deutsche - nicht streng zwi­ schen Innen- und Außenverhältnis trennt und die Vollmacht nicht als abstraktes Rechtsge­ schäft neben einem gleichzeitig bestehenden Auftragsverhältnis zwischen Vertreter und Ver­ tretenem begreift, gelangt das amerikanische Stellvertretungsrecht zu gleichen Ergebnissen, weil die Interessenlage der Beteiligten trotz unterschiedlicher dogmatischer Konzepte gleich ist. § 1105 Cal.Corp.Code bestätigt dies und bringt die eingeschränkte Vertretungsmacht des board of directors zum Ausdruck. Insbesondere verbietet § 1105, daß die Verwaltung ein Stillhalteabkommen mit einem ersten Bieter schließt und sich damit ihres Preisgaberechtes begibt. Will der board noch vor der Zustimmung der Gesellschafter vollendete Tatsachen schaffen, etwa dadurch, daß er ein Stillhalteabkommen schließt, so nimmt er gegenüber dem Dritten mehr Rechtsmacht in Anspruch, als ihm für diese Art von Geschäften dem Vertrete­ nen gegenüber zusteht. Er handelt damit als Vertreter ohne Vertretungsmacht (unauthorized agent) und bindet den Prinzipal nicht, Restatement of Agency 2d, §§ 164, 166 (1958). Dem Prinzipal bleibt jedoch unbenommen, einen vollmachtslosen Akt zu ratifizieren und ihm da­ durch volle Rechtsgültigkeit zu verschaffen. Dies deckt sich mit der Rechtslage nach Gesell­ schaftsrecht. Ohne eine Genehmigung der Gesellschafter ist die Gesellschaft nicht gebunden, und es haftet allein der Vertreter. Allerdings bleibt zu beachten, daß in diesen Fällen der Grundlagengeschäfte der Verwaltung der Vertreter in aller Regel nicht selbst haften wird, weil der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kennt oder den Umständen nach hätte erkennen können.

tion mit einer anderen einen Fusionsvertrag geschlossen ohne Zustimmung der zu verschmelzenden Gesellschaft. Der Fusionsvertrag sah vor, daß die Verwaltung der Zielgesellschaft alle ihr möglichen Anstrengungen unter­ nimmt, damit diese Fusion vollzogen wird. Anschließend wurde der Ver­ waltung der Zielgesellschaft ein alternatives Fusionsangebot zu erheblich besseren Konditionen von einer anderen Gesellschaft unterbreitet, die an der Zielgesellschaft bereits über erheblichen eigenen Anteilsbesitz verfügte. Die­ ses zweite Angebot nahm die Verwaltung ebenfalls an. Bestandteil des zweiten Fusionsabkommens war die ausdrückliche Verpflichtung der Zielge­ sellschaft, von dem Fusionsvorhaben mit der ersten Gesellschaft abzulassen. Gestützt auf § 1105 Cal.Corp.Code gab die Verwaltung der Zielgesellschaft ihre Verschmelzungspläne mit dem ersten Bewerber auf. Die Anteilseigner der Zielgesellschaft billigten schließlich die Verschmelzung mit dem zweiten Bieter. Der geprellte erste Bieter verlangt vom zweiten nach durchgeführter Fusion Schadensersatz wegen deliktischer Verletzung vertraglicher Rechte durch Verleitung zum Vertragsbruch49. Die entscheidungserhebliche Schlüsselfrage des Falles ist, wann der Fu­ sionsvertrag bei Zugrundelegung dieses gestuften Entscheidungsmechanismus perfekt wird und welche Verpflichtungsmacht die Verwaltung vorher, insbe­ sondere vor Billigung der Gesellschafter, besitzt. Vertragsrecht und Gesell­ schaftsrecht sind auseinanderzuhalten, wiewohl sie sich hier teilweise über­ schneiden. Der Begründungsansatz der genannten Gerichtsentscheidung nimmt eine Gewichtung der Abmachungen der Verwaltung der ZielgesellAus der einzelstaatlichen Rechtsprechung siehe zum Recht von Delaware Great Western United v. Great Western Producers, 588 P.2d 380 (Colo.App. 1978), aff'd 613 P.2d 873 (Colo. 1980); Belden Corp. v. Internorth, Inc., 413 N.E.2d 98 (111.App. 1980); ConAgra, Inc. v. Cargill, Inc., 382 N.W.2d 576 (Neb. 1986) zum Recht von Delaware; zum Recht von New York und Delaware Texaco, Inc. v. Pennzoil Co., 729 S.W.2d 768 (Tex.App. 1987), hearing durch den Texas Supreme Court abgelehnt, cert.dis. nach Rule 53 der Supreme Court Rules, 485 U.S. 994 (1988); SCEcorp v. Superior Court (Tucson Elec.), 4 Cal.Rptr.2d 372 (Cal.App. 1992). Die weitere Entwicklung dieser Materie ist einstweilen noch nicht absehbar. 49 Die in der Rechtsprechung zu beobachtende schleichende Kompetenzverlagerung auf den board of directors wird inzwischen auch von der Gesetzgebung im Zuge der Verab­ schiedung von Takeoverabwehrgesetzen nachvollzogen, vgl. § 912 N.Y.B.C.L., 8 Del.Code § 203. Diese bewirken eine erhebliche Beeinträchtigung des Preisgestaltungsprozesses und nehmen die Gesellschaft praktisch vom Übernahmemarkt. Einem "interested shareholder’’ mit Beteiligungsbesitz über 15% wird für eine beträchtliche Zeitspanne (New York: 5 Jahre; Delaware: 3 Jahre) verboten, mit der Zielgesellschaft eine Fusion zu vereinbaren. Dies mag gerechtfertigt sein soweit es darum geht, volkswirtschaftlich schädlich empfundene, unter­ nehmenszerschlagende Übernahmen abzuwehren. Dazu paßt freilich nicht, daß sich die Ge­ sellschaft durch Änderungen des Gesellschaftsvertrages von der Geltung dieser Abstinenz­ regel ausnehmen kann. Die zusätzliche Verstärkung der Position der Verwaltung ist schließ­ lich darin zu sehen, daß sie nach 8 Del.Code § 203(b)(2) ohne Befragung der Aktionäre einen Bieter durch Beschluß von den gesetzlichen Beschränkungen freistellen kann. Einzel­ heiten zu dieser Gesetzgebung bei VEASEY/FINKELSTEIN/SHAUGHNESSY, The Delaware Takeover Law: Some Issues, Strategies and Comparisons, 43 Bus.Lawyer 865 (1988).

schäft mit dem ersten Bieter vor, ohne dabei ausreichend zu würdigen, daß die gesellschaftsrechtliche Stellung der Verwaltung vorgreiflich ist und zwar insbesondere für die Evaluierung der erlangten Rechtsposition des ersten Bieters aus der Verschmelzungsvereinbarung. Das Preisgaberecht nach § 1105 Cal.Corp.Code ist Ausdruck dieser Ver­ zahnung zweier unterschiedlicher Entscheidungsebenen im Innen- und Außenverhältnis. Die Bestimmung sichert das Entscheidungsrecht der Gesell­ schafter, welches von keiner Seite präjudiziert werden darf. Dagegen be­ zweckt die Bestimmung keinerlei Kompetenzerweiterung zugunsten der Verwaltung50. § 1105 setzt die Verwaltung instand, flexibel auf veränderte Umstände oder auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage zu reagieren. Der board of directors ist Aushandlungsbeauftragter und Auktionator der Gesell­ schafter. An ihnen ist es, die Gesellschaft endgültig zum Verkauf freizu­ geben. Ohne ihr Votum wird die Grundlagenentscheidung nicht perfekt, d.h es existiert weder ein Erfüllungsinteresse, das der andere Vertragsteil durch specific performance durchsetzen könnte, noch ein kompensatorisches Inte­ resse auf Schadensersatz wegen frustrierten Vertrauens. Die Auferlegung ei­ ner Schadensersatzsanktion hat empfindlichen Einfluß auf die freie Entschei­ dung der Gesellschafter. Droht eine Schadensersatzhaftung, so ist eine unge­ hinderte Entscheidung der Gesellschafter nicht mehr vorhanden, weil der eine Billigung der Maßnahme dominierende Grund nicht mehr die Vorteilhaftigkeit dieser Maßnahme, sondern die Abwendung der Schadensersatzver­ pflichtung sein mag. Im Ergebnis wird damit keine Entscheidung getroffen, die einseitig zu Lasten des Drittbeteiligten geht. Denn er weiß um die begrenzte Handlungs­ macht des board of directors oder muß von ihr nach der Gesetzeslage aus­ gehen. Ein Gutglaubensschutz existiert insoweit nicht. Der Drittbeteiligte kann seine Lage verbessern, indem er auf eine vorherige Zustimmung der Gesellschafter besteht, was die Verpflichtungsmacht der Verwaltung vervoll­ kommnet. Anders gewendet ist der FusionsVereinbarung bis zur Erteilung der Zustimmung der Anteilseignerversammlung eine die volle Wirksamkeit aufschiebende Bedingung zu implizieren51. 50 Zutreffend BUXBAUM (wie FN 45), S. 1700 ff. zur Gesetzgebungsgeschichte von § 1105 Cal.Corp.Code. 51 Sinn der Regelung ist es also, die vollständige Entscheidungssouveränität der Gesell­ schafter zu erhalten. Die Verwaltung darf keine Schritte unternehmen, die die Wahlfreiheit der Gesellschafter präjudizieren. In der Praxis wird hiergegen allerdings vielfach verstoßen mit Billigung der Gerichte. Gebräuchlich sind sog. penalty clauses, Konventionalstrafever­ sprechen oder Strafschadensersatz, die im merger agreement ausbedungen sind und fällig werden, wenn die Gesellschafter die vorgeschlagene Maßnahme ablehnen, vgl. BUXBAUM (wie FN 45), S. 1706. Auch diese Maßnahmen im Vorfeld der eigentlichen Entscheidung bedeuten bereits eine erhebliche Verschiebung im Systemgefüge der Entscheidungszustän­

III. Anwendung der business judgment rule auf Übernahmeund Übernahmeabwehrmaßnahmen insbesondere Nachdem geklärt ist, welche Kompetenzen die Verwaltung bei Grund­ lagenentscheidungen sowie insbesondere im Zusammenhang mit Fusionen oder dem Verkauf der gesamten Gesellschaft besitzt und unter welchen wei­ teren Umständen die Vertretungsmacht der Verwaltung hierfür entstehen kann, läßt sich die Frage nach der Anwendung der business judgment rule auf solche Transaktionen beantworten. Die business judgment rule erweist sich hier zwar nicht als schlechthin unanwendbar, wohl aber gelten Ein­ schränkungen, weil sich die Verwaltung nicht in dem ihr von der Korpora­ tionsverfassung zugewiesenen genuinen Wirkenskreis befindet, soweit sie über die Kontrolle über die eigene Gesellschaft disponieren will. Wo die Verwaltung außerhalb des ihr vom Gesellschaftsrecht gegebenen Aufgaben­ kreises handelt - also nicht mehr die alltäglichen Geschäfte oder Ange­ legenheiten der Gesellschaft, sondern die der Gesellschafter besorgt —, kommt ihr die schützende Wirkung der Lehre vom Leitungsermessen nicht mehr ohne weiteres zugute. Insbesondere streitet nicht die Vermutung der Rechtmäßigkeit automatisch für eine von der Verwaltung veranlaßte Maß­ nahme. Die Gerichte gehen vielmehr dazu über, unabhängig zu überprüfen, ob eine Maßnahme im Grundlagenbereich im Interesse der Gesellschaft und des Unternehmens liegt. Hierfür tragen die handelnden Verwaltungsmitglie­ der die Darlegungslast, da ihnen der gesamte Apparat der Gesellschaft zur Seite steht und sie daher über ein umfassendes Herrschaftswissen verfügen. Bei diesen Angelegenheiten im Grundlagenbereich ist die business judgment rule dahingehend abzuwandeln, daß es nicht den Gesellschaftern, die eine Geschäftsführungshandlung der Verwaltung angreifen oder für die Gesell­ schaft Schadensersatz begehren, obliegt, aufzuzeigen, daß der fragliche Akt von keiner unternehmerischen Absicht getragen wird52. Die Verteilung der Beweislast ist vielmehr wie folgt zu bestimmen: Für die Maßnahme muß ein nachvollziehbarer unternehmerischer Rechtfertigungsgrund (proper business purpose) indiziert sein, und das Gericht muß diesen von Amts wegen prüfen. Die Verwaltung verliert den Schutz der business judgment rule, wenn von Seiten eines Gesellschafters dargetan werden kann, daß die Verwaltung eine bestimmte Maßnahme auch aus dem Grunde veranlaßt hat, sich im eigenen Amte zu halten und deshalb ein den Aktionären vorteilhaftes Übernahmean­ digkeiten. Richtiger Auffassung zufolge sind sie nur zulässig, wenn die Gesellschafter auch hierzu vorab ihre Zustimmung gegeben haben. 52 In dieser Richtung die Sondervoten von Richter Cudahy in Panter v. Marshall Field & Co., 646 F.2d 271, 299 sowie Richter ROSENN in Johnson v. Trueblood, 629 F.2d 287, 295.

gebot abwehrt oder ein unvorteilhaftes zuläßt. Der Verwaltung verbleibt es darzulegen, daß das Bestreben, sich im eigenen Amte zu halten, nicht ihr einziges oder ihr Hauptmotiv war und daß die vorgenommene Handlung al­ len Beteiligten gegenüber das Gebot der Fairness wahrt53. Stärker noch als die beweisrechtliche Bewandtnis der Lehre vom Ge­ schäftsleiterermessen kommt ihre justitiabilitätsbeschränkende Wirkung in Takeoverauseinandersetzungen zum Tragen. Diese Kognitionsschranke ver­ wehrt es den Gerichten, Maßnahmen der Verwaltung auf ihre wirtschaftliche Zweckmäßigkeit zu überprüfen, es sei denn, daß besondere Umstände das rechtfertigen. Diese Teilaussage der business judgment rule wenden die Ge­ richte auf die Geschäfte der Verwaltung im Grundlagenbereich ebenso an wie auf solche im gesetzlichen Aufgabenbereich. Dennoch zeichnet sich hier inzwischen ein Umdenken ab. In jüngerer Zeit beginnen einige Gerichte ausgehend ausgerechnet vom sonst eher managementfreundlichen Staat Delaware -, Maßnahmen der Verwaltung auf dem der Mitwirkung der Ge­ sellschafter vorbehaltenen Gebiet der Grundlagengeschäfte stärker zu durch­ leuchten. Diese Überprüfung reicht bis zur juristisch-ökonomischen Hinterfragung einer getroffenen Entscheidung54. Ein Akt hält der gerichtlichen Überprüfung nur stand, wenn auszuschließen ist, daß die Erhaltung der eige­ nen Position das einzige oder dominierende Motiv für die Ergreifung dieser Maßnahme war und wenn für sie noch andere nachvollziehbare Gründe spre­ chen. Insbesondere in Delaware als dem unangefochten führenden Inkorpo­ rierungsstaat legen die Gerichte heute andere Maßstäbe in Übernahmefällen an wegen des immanenten Interessenkonfliktes, in dem sich die Verwaltung befindet. Die Gerichte haben dort den der business judgment rule eigenen Mechanismus mitsamt seinem Regel-Ausnahme-Verhältnis verkehrt: Die Verwaltungsmitglieder genießen nicht mehr automatisch das Privileg, son­ dern müssen es sich erst verdienen55. Entwickelt wurde dieser neue Test für die Situation der Übernahmen aller Art, er ist jedoch nach seiner Wirkungs­ weise und Funktion nicht auf diese beschränkt. Der Akzent liegt viel eher auf dem besonderen Interessenkonflikt, in welchem sich die Verwaltung be­ findet.

53 So geschehen in Norlin Corp. v. Rooney, Pace Inc., 744 F.2d 255 (2d Cir. 1984). Die Position der Verwaltung in Norlin war auch deshalb fatal, weil das Übernahmeabwehr­ System binnen einer Woche installiert wurde. Das Gericht schlußfolgerte daraus, daß die Verwaltung blind vor Eile war und keine abgewogene Entscheidung mehr über eine derart lebenswichtige Frage treffen konnte. 54 Moran v. Household International, Inc., 490 A.2d 1059 (Del.Ch. 1985), aff’d 500 A.2d 1346 (Del. 1985); Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140 (Del. 1989). 55 Unocal Corp v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985).

Die erwähnten Einschränkungen der business judgment rule hängen un­ mittelbar zusammen mit der Stellung der Verwaltung. Wenn Geschäfte die­ ser Art dem board of directors nur sehr eingeschränkt zugewiesen sind, so gilt dies für seinen Ermessensspielraum in gleicher Weise. Die Begrenzung des Leitungsermessens der Verwaltung zielt ab auf die Verhinderung einer Potenzierung ihres Einflusses. Der business judgment rule war nie die Funk­ tion zugedacht, der Verwaltung einen Entscheidungsspielraum darüber zu eröffnen, wer Eigentümer der Gesellschaft werden soll oder Kontrolle über sie erlangen darf. Ebensowenig soll die Verwaltung die Gesellschaft gegen Übernahmen gänzlich abschließen dürfen. Das verbietet sich zum einen nach der vom Gesetz definierten Stellung der Verwaltung, zum anderen aus viel grundsätzlicheren ordnungspolitischen Erwägungen, die hinter den gesetz­ lichen Bestimmungen stehen. Eine Übernahme mit einer sich eventuell an­ schließenden Auswechslung der Verwaltung stellt eine der wichtigsten For­ men der Kontrolle der Verwaltung durch den Kaptitalmarkt dar, indem ein Aufkäufer die bisher durch das amtierende Management schlecht verwalteten Ressourcen der Gesellschaft einem effizienteren Einsatz zuführt. Diese Mechanismen darf das Management nicht außer Kraft setzen, indem es die Gesellschaft gegen Übernahmen abschließt. Trotzdem räumt die Rechtsprechung in den USA dem board of directors sehr weitreichende Befugnisse ein, wenn es darum geht, die Gesellschaft gegen unwillkommene Bieter abzuschotten. So kann der board eine lock-up Option56 erteilen oder einen poison pill plan57 ins Werk setzen, um die Ge­ sellschaft für einen potentiellen Bieter finanziell weniger attraktiv zu ma­ chen. Die Verwaltung bringt sich hierdurch selbst in die Lage eines Auktio­ nators. Konsequent verlangen die Gerichte dann, daß die Verwaltung sol­ chenfalls den bestmöglichen Preis für die Shareholders erzielen muß, ande­

56 "Lock-up Option" meint ein besonderes Recht, das von der Verwaltung einer über­ nahmebedrohten Gesellschaft einem "freundlichen" Bieter eingeräumt wird und bedingt auf den Eintritt eines auslösenden Ereignisses in Kraft tritt. Auslösendes Ereignis (triggering event) ist zumeist der Erfolg eines unwillkommenen Bieters. Der Inhalt des Rechtes besteht darin, daß sein Inhaber ein großes Aktienpaket von der Gesellschaft übernehmen oder wich­ tige Vermögensbestandteile (sog. crown jewels) zu einem Vorzugspreis erwerben darf. Da­ durch erhält der "freundliche" Bieter einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung, näher Wander/LeCoque, Boardroom Jitters: Corporate Control Transactions and Today's Bu­ siness Judgment Rule, 42 Bus.Lawyer 29, 51 (1986), Note, Lock-Up Options: Toward a State Law Standard, 96 Harv.L.Rev. 1068 (1983). 57 Dazu sogleich unten im Text; eingehend zu den gängigen Techniken Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, RdNr. 1131 ff.

renfalls hat ihre Entscheidung vor der business judgment rule keinen Be­ stand58. Die poison pill ist eine besondere Abwehrmaßnahme der Verwaltung ei­ ner übernahmebedrohten Corporation, die sich die Eigenarten von Vorzugs­ aktien, die das amerikanische Gesellschaftsrecht zuläßt, zunutzte macht59. Die poison pill kommt speziell gegen die gefürchteten zweietappigen Über­ nahmeangebote (sog. two-tiered tender offers) zum Einsatz, bei denen der Aufkäufer in der ersten Phase der Übernahme ein über dem aktuellen Bör­ senkurs liegendes Angebot an die Gesellschafter der Zielgesellschaft (target) abgibt, welches er solange aufrechterhält, bis er über die Mehrheit der Stimmen in der Hauptversammlung verfügt. Ist dieses Ziel erreicht, so be­ ginnt die zweite Phase, in der der Übernehmer für die noch ausstehenden Aktien nur erheblich weniger zu zahlen bereit und nur noch an der Erlan­ gung der qualifizierten Stimmehrheit interessiert ist, um sich die Gesellschaft schließlich durch Fusion ganz einzu verleiben (sog. front-end loaded twotiered tender offer). Die Technik zwingt die Aktionäre praktisch dazu, ihre Aktien schon möglichst früh, und dann häufig überhastet, anzubieten, um ihre Aktien noch zu einem hohen Kurs loszuschlagen. In dieser Situation schaffen die Merk­ male von Vorzugsaktien, die die Verwaltung auszugeben befugt ist60, näm­ lich ihr Umwandlungs- und ihr Rückkaufeffekt, für die Gesellschafter der übernahmebedrohten Gesellschaft eine gewisse Abhilfe. Dieser Rückkaufef­ fekt, der bedingt auf den Fall der Ausführung der tender offer eintritt, er­ laubt den Gesellschaftern, die neuerworbenen Vorzugsaktien zu einem sehr hohen Preis an die Zielgesellschaft der tender offer zurückzuverkaufen, diese dadurch bis zur Grenze der Kapitalschutzbestimmungen finanziell auszu­ plündern und damit für einen unwillkommenen Bieter unattraktiv zu machen. Der Umwandlungseffekt der Vorzugsaktien ist auf denselben Umstand be­ dingt und bewirkt, daß die Vorzugsaktionäre ihre Aktien in voll stimmbe­ rechtigte Aktien eintauschen können, so daß der Erwerber in der Anteils­ eignerversammlung keine sichere Mehrheit erlangen kann. Im einzelnen weisen die in der Praxis gebräuchlichen poison pill-Schemata fünf Grundmerkmale auf: (1) Die an die Gesellschafter der Zielgesell­ schaft ausgegebenen Vorzugsaktien beinhalten das Optionsrecht, an der übernehmenden Gesellschaft nach einer Fusion stimmberechtigte Stammak­ 58 Sog. Revlon-Mode, benannt nach dem leading case Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, 506 A.2d 173 (Del. 1986); dazu näher Frank/Moreland RIW 1989, 761 (766 ff.) m.w.N. 59 Zum folgenden Note, Protecting Shareholders Against Partial and Two-Tiered Takeovers: The "Poison Pill" Preferred, 97 Harv.L.Rev. 1964 (1984). 60 Vgl. etwa 8 Del.Code § 15l(a); §§ 501, 502 N.Y.B.C.L.

tien zu erwerben (sog. flip over). Der Effekt liegt darin, daß sich in der Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft anschließend ganz neue Mehrheitsverhältnisse einstellen können. (2) Die Vorzugsaktionäre der Ziel­ gesellschaft erhalten eine Option, ihre Vorzugsaktien in Stammaktien der ei­ genen Gesellschaft umwandeln zu können (sog. flip in). Die Konsequenz be­ steht darin, daß sich bei der Zielgesellschaft für die Abstimmung über das Fusionsvorhaben andere Mehrheitsverhältnisse ergeben und daß der Über­ nehmer mehr Mittel einsetzen muß, um die stimmberechtigten Stammaktio­ näre auszukaufen. (3) Schließlich erhalten die Aktionäre das Recht, Anleihen oder Wandelschuldverschreibungen der Zielgesellschaft zu erheblich besse­ ren Konditionen zu beziehen (sog. back-end Provision). Der Gesellschaft werden dadurch erhebliche Mittel entzogen, so daß das Interesse eines po­ tentiellen Aufkäufers abnehmen wird. (4) Die Aktionäre der Zielgesellschaft bekommen ein Bezugsrecht auf voll stimmberechtigte Aktien an der über­ nehmenden Gesellschaft für den Fall, daß es zur Verschmelzung beider Ge­ sellschaften kommt kombiniert mit einem Anrecht auf Rückkauf ihrer Vor­ zugsaktien gegen die Zielgesellschaft, wenn die Fusion nicht stattfindet (sog. convertible preferred stock clause). Dies neutralisiert die Gestaltungsmög­ lichkeiten eines unwillkommenen Übernehmers hinsichtlich der Frage, ob er die Fusion durchfuhren will oder nicht. (5) Die Vorzugsaktien werden mit kumulierten Stimmrechten zugunsten der Altgesellschafter ausgestattet (sog. super-majority voting). Für den Übernehmer wird hierdurch die Gestaltung der Mehrheitsverhältnisse in seiner eigenen Hauptversammlung unkalkulier­ bar61. Poison pills und lock-up options bewirken also eine nachhaltige Abschot­ tung der Gesellschaft gegen unerwünschte Übernahmen. Sie haben jedoch noch zwei andere Wirkungen, die angesichts der überaus großen Technizität dieser Vorgänge nicht unbeachtet bleiben dürfen. Einmal setzen sie die marktmäßigen Kontrollmechanismen außer Kraft, die der Kapitalmarkt über die Corporation sowie ihre Verwaltung auszuüben vermag. Takeoverab­ wehrmaßnahmen nehmen die Gesellschaft praktisch aus dem Markt und eli­ minieren dieses wichtige Kontrollinstrument. Ferner schließen solche Ab­ wehrmaßnahmen den Bieter gegenüber den Gesellschaftern ab, die so nicht mehr über ihre Aktien ungehindert verfügen können. Dies ist Grund genug, über Sinn und Zulässigkeit von Übernahmeabwehrmitteln als Marktbarrieren neu nachzudenken, jedenfalls aber die Teilhabe der Gesellschafter an ihrer wirksamen Einführung von Grund auf zu überprüfen. 61 Zu den finanzierungstechnischen Einzelheiten, vgl. Dawson/Pence/Stone, Poison Pill Defensive Measures, 42 Bus.Lawyer 423 (1987); Clemens, Poison Debt: The New Takeover Defense, 42 Bus.Lawyer 747 (1987).

Obwohl die Entwicklung der Materie im Fluß ist, darf man festhalten: der board of directors hat keine originäre organschaftliche Vertretungsmacht im Grundlagenbereich. Hierzu zählt u.a. der Verkauf der Gesellschaft sowie alle Maßnahmen, die auf die Herbeiführung eines Kontrollwechsels gerichtet sind, diesen ausschließen oder erschweren. Denn das sind keine Geschäfte der Gesellschaft oder der laufenden Verwaltung. Der board hat im Einver­ nehmen mit den Gesellschaftern eine Ausführungszuständigkeit für Grund­ lagengeschäfte, jedoch keine eigene Entscheidungskompetenz. Deshalb ist die business judgment rule für diese Geschäfte anders zu fassen. Übernah­ meangebote sind von den Gesellschaftern zu bewerten. Der board darf diese Entscheidung nicht präjudizieren, indem er beispielsweise ein höheres Ange­ bot eines unwillkommenen Bieters den Gesellschaftern erst gar nicht zur Ent­ scheidung unterbreitet, weil er ernsthaft und aufrichtig davon überzeugt ist, daß das niedrigere Angebot des bevorzugten Bewerbers für die Corporation und ihre Shareholders bei langfristiger Betrachtung günstiger ist. Nach einem aufsehenerregenden Urteil aus Delaware62 darf der board of directors seine langfristigen Unternehmensstrategien mit Hilfe der business judgment rule durchsetzen, und das selbst gegen den erklärten Widerstand der Aktionäre, die lieber durch den Verkauf ihrer Aktien zu einem höheren Kurs Kasse ma­ chen möchten. Entscheidungen dieser Art sind Prognoseentscheidungen. Sie sind von demjenigen zu treffen, der mit seinem Investment in der Gesell­ schaft letztendlich von ihnen betroffen ist.

IV. Effektivität der Rechtsschutzgewährung Bei den Takeoverauseinandersetzungen, den hiergegen möglichen Ab­ wehrmitteln oder überhaupt Maßnahmen der Verwaltung im Grundlagenbe­ reich besteht die begehrte und effektive Form des Rechtsschutzes nicht vor­ rangig im Zuspruch von Schadensersatz wegen pflichtwidriger Geschäftsfüh­ rung durch die Verwaltung. Vielmehr steht hier die Verhinderung einer Maßnahme oder die Ergreifung einer anderen im Mittelpunkt des Interesses, weil ein Schadensersatzanspruch eine zumeist nur unvollkommene Kompen­ sation bedeuten würde. Die Ausführung eines die Gesellschaft schädigenden Planes schafft Fakten, die die Entfernung von Verwaltungsmitgliedern aus dem Amt oder die Verhängung einer Schadensersatzsanktion nicht mehr aus­ 62 Siehe Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140 (Del. 1989). Demgegenüber betont die Entscheidung Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345 (Del. 1993) jetzt wieder stärker die Schranken der business judgment rule. Obwohl beide Urteile aus der Feder desselben Richters stammen und obwohl sich beide Fälle thematisch durchaus berühren, wird Time in Cede nur ganz beiläufig erwähnt. Dies mag man als Beleg dafür werten, daß die rechtliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.

gleichen kann, verglichen mit dem Zustand, der bestünde, wenn die schädi­ gende Maßnahme verhindert worden wäre. Notwendig ist daher die Mög­ lichkeit eines direkten Eingriffs in eine Geschäftsführungshandlung 63. Dieser außerordentliche Rechtsbehelf ist auch unter der Geltung der business judg­ ment rule gerechtfertigt, wenn die Verwaltung Maßnahmen treffen will, die außerhalb ihres gesetzlichen oder statutarischen Zuständigkeitsbereichs liegen oder nur unter Mitwirkung der Gesellschafter statthaft sind. Schadensersatz­ haftung der Verwaltung im einen Fall und Eingriff in eine unternehmensbe­ zogene Führungsentscheidung durch Anrufung eines Gerichts im anderen haben nur mittelbar miteinander zu tun, weshalb es erlaubt ist, die Lehre vom unternehmerischen Ermessensspielraum des Geschäftsleiters unter­ schiedlich anzuwenden, je nachdem, welche Rechtsfolge verwirklicht und welches Klageziel verfolgt werden soll. Gesellschafterklagen, die Takeover(abwehr)maßnahmen des board of directors bekämpfen, werden in aller Regel im einstweiligen Verfügungsver­ fahren durchgeführt. Ihr Ziel ist es, daß die Gesellschaft - genauer gesagt die corporate control - wieder auf den Kapitalmarkt gelangt und daß der Prozeß der Preisbildung hinsichtlich der Anteilsrechte im Interesse aller Gesellschafter dort wieder stattfinden kann. Die Einmischung in die Geschäftsführung der Verwaltung erfährt ihre Rechtfertigung aus dem Um­ stand der wenigstens konkurrierenden Zuständigkeit von Verwaltung und Gesellschaftern. Hinzu tritt die stets präsente Gefahr, daß das amtierende Management einen Bieter bevorzugt, der es in gleicher Funktion beläßt oder ihm mit einem “golden parachute"64 den Verlust des bisherigen Amtes ver­ süßt. Der Sache nach bedeutet dies die Gewährung gesellschaftsfremder Sondervorteile. Die Zunahme der gerichtlichen Kontrolldichte ist angezeigt, weil der unternehmensbezogene Rechtfertigungsgrund, den die Verwaltung zur Verteidigung ihrer Vorgehensweise vorbringen wird, vielfach nur der Ummäntelung der Absicht einer eigenen Begünstigung dient65. Verfolgt der Gesellschafter hingegen mit seiner Klage die Inanspruchnahme der Verwal­ tung auf Schadensersatz, weil ein Bieter eine ungerechtfertigt bevorzugte Behandlung erfahren hat und die Verwaltung für die Gesellschafter nicht den besten Preis realisiert, so mögen diese Umstände zu einer Ausgleichspflicht 63 Shlensky v. Wrigley, 237 N.E.2d 776 (111.App. 1968). 64 Darunter versteht man (vertragliche) Zuwendungen an Verwaltungsmitglieder zumeist in Form von Gehalts-, Weiterbeschäftigungs- oder Versorgungszusagen, um das Verhalten der Empfänger in Übernahmeauseinandersetzungen zu beeinflussen. Zu Einzelheiten und Verbreitung siehe nur Wander/LeCoque (wie FN 56), S. 58/59. Aus der Rechtsprechung hierzu Ministar Acquiring Corp. v. AMFInc., 621 F.Supp. 1252 (S.D.N.Y. 1985). 65 Aus der frühen Rechtsprechung siehe Cheff v. Mathes, 199 A.2d 548 (Del. 1964); Condec Corp. v. Lunkenheimer Co., 230 A.2d 769 (Del.Ch. 1967).

der Verwaltung fuhren. In der Rechtsprechung der amerikanischen Gerichte schwingt allerdings bei Haftungsprozessen mehr oder weniger unausge­ sprochen eine sozialpolitische Erwägung mit, die stark zu gewichten ist und die ebenfalls mit für den den Verschuldensmaßstab modifizierenden Teil der business judgment rule verantwortlich zeichnet. Die Verwaltung soll danach nur in Extremfällen mit einer unter Umständen existenzgefährdenden Haf­ tung überzogen werden66. Denn eine persönliche Haftung auf Schadensersatz wirkt eher als privatrechtliche Strafe für die betroffenen Mitglieder der Ver­ waltung denn als echte Kompensation eines zugefügten Schadens, weil das Vermögen der Verwaltungsmitglieder zur adäquaten Schadensdeckung in der Mehrzahl der Fälle ohnehin nicht ausreichen wird. Es läßt sich demnach der allgemeingültige Rechtssatz formulieren, daß derjenige, der Ersatz für die Verletzung eines Rechtsguts fordern könnte, grundsätzlich schon die Vor­ nahme der Verletzungshandlung ab wehren darf67. Dies gilt unbeschadet der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung und der Leitungsgewalt der Verwaltung.

66 Zu dieser Differenzierung Hinsey, Business Judgment and the American Law Institute’s Corporate Governance Project: the Rule, the Doctrine, and the Reality, 52 Geo.Wash.L.Rev. 609, 611 ff. (1984) sowie Pelto (wie FN 38), S. 856 ff. Pelto lehnt die Anwendung der business judgment rule in Fällen, wo Gesellschafter im Wege der einstwei­ ligen Verfügung in eine Übernahmeauseinandersetzung eingreifen, ganz ab. Statt der be­ schränkten Justitiabilität, wie sie die herkömmliche Praktizierung der business judgment rule durch die Gerichte vorsieht, schlägt Pelto (S. 866) vor, dem Gericht eine unbeschränkte Überprüfungsbefugnis zuzugestehen, die sich im Interesse aller Gesellschafter auf vier Prü­ fungskriterien beziehen soll: (1) die wirtschaftliche Effizienz der zu übernehmenden Gesell­ schaft unter ihrer amtierenden Verwaltung, (2) den angebotenen Übernahmepreis, (3) Art und Modalitäten der Offerte sowie (4) ergriffene Abwehrmaßnahmen der Verwaltung und ihre Verhältnismäßigkeit im Lichte der drohenden Gefahr. Pelto ist zuzugeben, daß dieser Kriterienkatalog zu einer stärkeren Verrechtlichung bzw. Vereinheitlichung beiträgt, andererseits ist jedoch nicht zu verkennen, daß auch bei seiner Berücksichtigung noch ein erheblicher Bewertungsspielraum für das Gericht verbleibt, der besser vom eigentlichen Interessenträger, nämlich den Gesellschaftern, ausgefüllt werden sollte. Dies bedeutet, daß Abwehrmaßnahmen sowie Akte, durch die sich die Verwaltung die Verfügung über das Unternehmen selbst anmaßt, von Seiten der Gesellschafter mit der­ jenigen Mehrheit gebilligt werden müssen, die nach Gesellschaftsrecht für eine Fusion oder für eine Vermögensübernahme des wesentlichen Teiles des Gesellschaftsvermögens notwen­ dig wäre. Diese Beteiligung der Aktionäre steht in Einklang mit den Bestimmungen des Ka­ pitalmarktrechts in § 13(d) Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 78m(d), wonach jeder Übernah­ meinteressent, der mehr als 5% der Stamm- oder Vorzugsaktien einer nach § 12 dieses Ge­ setzes publizitätspflichtigen Gesellschaft erworben hat, verpflichtet ist, darüber öffentlich Rechenschaft abzulegen. Reserviert gegenüber der vorgeschlagenen Differenzierung auch Revlon, Inc. v. Mac­ Andrews & Forbes Holdings, 506 A.2d 173, 180 in FN 10 (Del. 1986). 67 Für das deutsche Recht ergibt sich dies aus einer Zusammenschau der §§ 249 Satz 1 und 1004 BGB. Der in § 904 BGB behandelte Sonderfall unterstreicht nur die Richtigkeit des Grundsatzes.

V. Beziehung der Leitungsmacht der Verwaltung zu den Rechten der Gesellschafter Gesellschafterrechte und Leitungsanspruch der Verwaltung sind historisch aus verschiedenen Zweigen des anglo-amerikanischen Rechtssystems hervor­ gegangen. At law bestand das Leitungsrecht der Verwaltung vergleichbar dem eines trustee. Der Schutz der business judgment rule trägt dem Umstand Rechnung, daß der Verwaltung das Gesellschaftsvermögen anvertraut ist. Die Gesellschafterrechte, insbesondere diejenigen, welche auf eine aktive Mitverwaltung der Corporation gerichtet sind, sind sukzessive durch die equity-Rechtsprechung ausgeprägt und fortentwickelt worden. At law liegt die Berechtigung zur Führung der Geschäfte in den Händen der Verwaltung, überlagert jedoch durch das equitable interest der Shareholders an der Corpo­ ration. Die moderne Korporationsgesetzgebung hat die Koexistenz beider Be­ rechtigungen festgeschrieben. Die heute längst überwundene Dichotomie von Befugnissen und Rechtsbehelfen at law und in equity hat ihre Bedeutung in­ soweit bewahrt, als sie für die Einordnung und Abgrenzung der jeweiligen Berechtigungen noch immer konkrete Orientierungshilfen bietet. Es verbietet sich insbesondere, das Leitungsrecht der Verwaltung hinsichtlich des Gesell­ schaftsvermögens im Sinne einer umfassenden, die Mitbestimmung der Ge­ sellschafter verdrängenden Aktionszuständigkeit über die Vermögensberech­ tigungen der Gesellschafter zu begreifen68. Die close Corporation mit der ihr eigenen weniger strikt durchgeführten Trennung der Eigentümer- von der Managementebene läßt den Konflikt ri­ valisierender Befugnisse um die Verwaltung der Corporation am deutlichsten hervortreten. Sie offenbart, daß der auf den ersten Blick bestehende Gegen­ satz von Aktionszuständigkeit der Verwaltung und Vermögensberechtigung aller Gesellschafter sich auf das Mehrheitsprinzip zurückfuhren läßt. Diese bei der close Corporation fehlende Trennung enthüllt, daß das Management vielfach Entscheidungen der Mehrheitsgruppe umsetzt, die zuvor die Gesell­ schaftermehrheit unter Ausnutzung der ihr korporationsrechtlich zustehenden Befugnisse beschlossen hat. Auseinandersetzungen um die voraussetzungs­ gemäße Ausübung des business judgment der Verwaltung sind so betrachtet letztlich Streitigkeiten um die Verbindlichkeit einer Mehrheitsentscheidung. Gesellschafterrechte, soweit sie Mitverwaltungsrechte sind und in die Ge­ schäftsführung eingreifen, und Leitungsanspruch der Verwaltung koexistie­ ren auf der Grundlage der Verbandsordnung. Beide sind Bestandteile dieser 68 Sehr grundsätzlich hierzu in Auseinandersetzung mit dem anglo-amerikanischen Rechtsdenken Jahr, Gedächtnisschrift für Kunkel, 1984, S. 69 (73 ff., speziell in FN 21). Für das deutsche Recht noch näher unten § 19 E.

Ordnung und in ihr angelegt. Daher muß auch nicht das eine zurücktreten, damit das andere zu seiner vollen Entfaltung gelangen kann, weil die gegen­ seitige Verschränkung gewollt ist. Gesellschafterrechte haben heute ebenso ihren festen Platz in der Korporationsverfassung wie das Leitungsrecht der Verwaltung. Auf dem Boden der Korporationsverfassung und des Gesell­ schaftsvertrages mit seiner Zweckfixierung treffen sich beide: Hier ist zu ermitteln, was rechtens ist und im Rahmen der Rechtsordnung Verwirk­ lichung verdient. Leitungsmacht der Verwaltung und Teilhaberechte der Mitglieder sind durch die Verbandsordnung dergestalt miteinander verzahnt, daß das Leitungsrecht immer zugleich eine Verpflichtung zu gesetzes- und statutenkonformer Führung der Gesellschaft enthält und die Mitglieder einen durchsetzbaren Anspruch auf Einhaltung dieser Bindungen haben69. In dieser Formel für die Amtsführung der Verwaltung steckt eine spiegelbildliche Aussage über die Reichweite der Gesellschafterrechte. Diese stehen nicht ge­ gen das Leitungsermessen der Verwaltung oder gegen die Verbandsordnung, sondern sind ihnen gleichgerichtet. Gesellschafterrechte sind der Einräumung innerverbandlicher Selbstverwaltung durch den Staat vorauszudenken, weil die Aufsicht, auf die der Staat mit der Freigabe der Körperschaftsbildung und durch die Gewährung von Autonomie verzichtet hat, nicht ersatzlos wegfallen darf, sondern in andere Hände übergeht. In diesem Sinne schaffen die Mitgliederrechte überhaupt die Voraussetzung für die innere Vereini­ gungsfreiheit. Die Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte ist für das amerika­ nische Recht in erster Linie für die derivative suit behandelt, also mit einem Akzent auf den Exekutivbefugnissen. Ausgehend von der Konzeption des Rechtsschutzes im deutschen Körperschaftsrecht wirft das die Frage nach der Notwendigkeit einer Einbeziehung der Beschlußmacht der Mitgliederver­ sammlung in dieses System auf. Tatsächlich muß Rechtsschutz gegen Be­ schlüsse ebenfalls eröffnet sein, weil diese bereits eine selbständige Be­ schwer enthalten können. Die Einbeziehung der Beschlußgewalt verlegt den Rechtsschutz vor, weil sie eine gerichtliche Klärung vor dem Ausführungsakt herbeiführt. Die Überprüfung eines Beschlusses befindet über präjudizielle Rechtsfragen auf einer früheren Planungsstufe und erhöht die Rechtssicher­ heit. Wie beim Rechtsschutz gegen die ausführenden Akte der Verwaltung in Gestalt der derivative suit ist bei der Überprüfung von Beschlüssen die Stel­ lung dieses Rechtsbehelfs in der Verbandsordnung und seine Beziehung zum Ermessen der Mehrheit zu ermitteln. Diesen Fragen ist im folgenden nach­ zugehen. 69 In diesem Sinne bereits ROHGE 23, 273 (275 ff.) sowie 25, 307 (310 ff.); vgl. oben §§ 4 II und 5.

§ 12 Rechtsschutz gegen Gesellschafterbeschlüsse Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Rechtsschutzmöglichkeiten ge­ gen rechtswidrige Beschlüsse im Recht der Corporation erhellt unterschied­ liche Ansätze im Denken beider Rechtsordnungen. Die Möglichkeiten zur Bekämpfung fehlerhafter Beschlüsse sind nicht exklusiv einem Verfahren zu­ gewiesen, sondern finden in der equity einen variablen Rahmen. Anders als bei den §§241 ff. AktG verengt sich der Angriffsgegenstand nicht gerade nur auf die Beschlüsse der Anteilseignerversammlung. Mit Ausnahme der Anfechtung von Wahlen einschließlich der Beschwerde gegen Verfahrens­ fehler beim Abstimmungs- oder Wahlvorgang oder der gerichtlichen Anord­ nung einer neuen Wahl unterwerfen die Jurisdiktionen diese Rechtsmaterie überhaupt keinem Sonderregime. Der equitable power der Gerichte bleibt es so im Streitfälle überlassen, mit welchen Mitteln und Entscheidungsinhalten sie die Ausübung von korporativer Gewalt, und damit auch die Bildung des Gesellschaftswillens durch Beschlüsse der Gesellschafter, an Gesetz und Sat­ zung bindet. Dieser Ansatz ist bemerkenswert, weil er Raum dafür läßt, Rechtsschutz gegen die Beschlüsse anderer Gesellschaftsorgane - unter Einbeziehung des board of directors - zu gewähren. Es wird nicht der irreführende Eindruck erzeugt, daß wegen der scheinbaren Exklusivität des Angriffsgegenstandes die übrigen Organe einer qualitativ anderen Bindung unterliegen, weil ihre Akte - vorgeblich - nicht in gleicher Weise angreifbar sind1. Das amerika­ nische Recht beläßt es jedem Gesellschafter, Beschlüsse anderer Organe als der Mitgliederversammlung anzugreifen2. Dem Aufkommen eines Kontroll­ vakuums im Vorfeld der derivative suit ist dadurch vorgebeugt.

1 Zum ganzen Problemkreis für das deutsche Recht BGHZ 122, 342; Landrock, Der Innenrechtsstreit in der Aktiengesellschaft, Diss. Mainz 1993; noch eingehender hierzu un­ ten § 18 1 und II. 2 An dieser Stelle mag der Hinweis auf diejenigen Fälle genügen, in denen die Gerichte Gesellschaften zur Ausschüttung einer höheren als der beschlossenen Dividende verurteilt haben, vgl. nur Dodge v. Ford Motor Co., 170 N.W. 668, 3 A.L.R. 413 (Mich. 1919). Da korporationsrechtlich der Auszahlung einer Dividende ein dahingehender Boardbeschluß vorangehen muß, liegt in der Verurteilung der Gesellschaft eine schlüssige Ersetzung dieses und eine Aufhebung des anderen Beschlusses. Es handelt sich mithin um eine Kombination von kassatorischem und gestaltendem Rechtsschutz gegen einen Beschluß. In der Aufhebung eines Beschlusses des board of directors liegt jedenfalls kein stärkerer Eingriff in das Selbst­ verwaltungsrecht der Corporation als in seiner Ersetzung durch ein Gericht. Zur (isolierten) Anfechtbarkeit von Beschlüssen des board of directors unten § 13.

I. Grundlagen Schon bei oberflächlicher Betrachtung des amerikanischen Rechts fällt im Kontrast zum deutschen Aktienrecht auf, daß hinsichtlich der Rechtsschutz­ möglichkeiten eine Ungleichheit in den Instrumenten besteht, die den Mit­ gliedern zu Gebote stehen. Im deutschen Recht ist der wichtigste, direkte Rechtsbehelf, dessen sich der Einzelaktionär bedienen kann, um auf eine ge­ setzeskonforme Verwaltung der Gesellschaft zu dringen, die Anfechtungs­ klage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung. Sonstige direkte Rechtsbe­ helfe gegen Geschäftsführungsakte stehen dem Aktionär nach dem geschrie­ benen Recht nicht zu3’4. Die Entwicklungsgeschichte des Rechts der privaten Korporationen in den USA belegt, daß man die derivative suit von Anbeginn als einen Rechtsbehelf mit doppelter Fundierung gesehen hat5. Ihr Verständ­ nis als Individualrechtsbehelf des shareholder zur Wahrung eigener Belange verträgt sich zwanglos mit einem Verständnis als Ordnungsmittel zur Durch­ setzung des fiduciary principle. Für das amerikanische Recht fragt sich aller­ dings, ob die derivative suit alleine ausreicht, den Gesamtbedarf nach Rechtsschutz abzudecken. Mit Ausnahme einiger Jurisdiktionen6, die in ih­ ren Korporationsgesetzen verselbständigte Rechtsbehelfe eingeführt haben, kennt das amerikanische Gesellschafts- und Prozeßrecht keine Sonderverfah­ ren für die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen nach dem Vorbild der §§241 ff. AktG. Die Mehrzahl der Bundesstaaten hält am über­ kommenen System der prerogative writs in Gestalt von mandamus und quo warranto fest7. 1. Allgemeine Kennzeichnung

Es ist ein stilprägendes Merkmal des anglo-amerikanischen Rechtskreises, daß die subjektiven Rechte und Ansprüche, die vor den courts of equity An­ 3 Ein auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen begrenztes Erzwingungsverfahren sieht § 147 AktG vor. Die Bestimmung kann hinsichtlich ihrer Effizienz nicht mit der Shareholders' derivative suit des amerikanischen Rechts verglichen werden. Vor allem nimmt das 10%ige Quorum der Bestimmung ihre Durchschlagskraft. Die an den Prozeßaus­ gang gekoppelte Ersatzpflicht begründet eine prohibitive Anreizstruktur, sich für die Gesell­ schaft zu engagieren. Es ist daher kaum verwunderlich, daß zu § 147 AktG kein signifikan­ tes Fallmaterial existiert. Zum Ganzen eingehender unten § 19 E II. 4 In die Richtung der derivative suit des amerikanischen Rechts tendieren §§ 309 Abs. 4, 317 Abs. 4 AktG, die jedoch nach ihrer systematischen Stellung auf Konzemsachverhalte beschränkt sind. Zu ihrer Verallgemeinerbarkeit noch näher § 19 E. 5 Zur Genesis der Shareholders' derivative suit bereits oben § 7 I. 6 So etwa in New York § 619 N.Y.B.C.L., in Delaware 8 Del.Code § 225 oder in Kalifornien § 709 Cal.Corp.Code. 7 Siehe unten II.

erkennung finden, nicht nur zwischen den Parteien wirken und nicht nur ih­ nen mit Bezug auf die Rechtslage nach dem common law ein Mehr an Ge­ rechtigkeit geben wollen. Vielmehr reichert die equity-Rechtsprechung das bestehende objektive Recht in einem Prozeß der Rechtsfortbildung um neue Rechtssätze an. Diese werden zu rechtlichem Allgemeingut in dem Sinne, daß sie hinfort von allen Teilnehmern am Rechtsverkehr und von der Rechtsprechung zu beachten sind8. Unter der Geltung dieses Systems nimmt rechtsprechende Tätigkeit sowohl die Gestalt von Streitentscheidung im Ein­ zelfall wie von echter Rechtsetzung durch Präjudizienbildung an9. Mit die­ sem Selbstverständnis wird equity zum Einfallstor einer richterlichen Rechts­ fortbildung mit Bezug auf den unbefriedigenden Aussagegehalt des common law, wenn dieses dem Kläger keinen hinreichenden Schutz seiner Interessen angedeihen läßt oder für künftige Fälle nicht mehr tragbar erscheinen mag. Der entschiedene Streitfall besitzt ohne Rücksicht auf die prozessualen Gren­ zen der Urteilsrechtskraft Ausstrahlungswirkung auf die Gesamtrechtsord­ nung. Das amerikanische Recht kennt einen bindenden Handlungsauftrag an den Richter, in den durch die Verfassung sowie in den durch das einfache Recht gezogenen Grenzen rechtsfortbildend tätig zu werden10. Bei der Kreation ei­ nes neuen Rechtsbehelfs oder einer Anspruchsgrundlage hat das erkennende Gericht einen Ermessensspielraum sowohl hinsichtlich seines Einschreitens 8 Zum Anwendungsbereich und zu den Einsatzmöglichkeiten der equity-Prinzipien, vgl. 27 AmJur 2d, Equity, §§ 77, 102 ff. (1966); ZWEIGERT/KÖTZ, Einführung in die Rechts Vergleichung, 3. Aufl. 1996, § 18 II (S. 253 ff.) je mit Nachweisen. 9 Für die fast universelle Geltung dieses Prinzips finden sich auch in den Rechtsord­ nungen mit kodifiziertem Recht Belege. Ein instruktives Beispiel aus dem deutschen Recht liefert das vielbeachtete Wertstellungsurteil des Bundesgerichtshofs vom 17.1.1989, BGHZ 106, 259. Der Sache nach ging es um einen Betrag von 0,43 DM. Das Interesse der Allge­ meinheit reicht indes weit darüber hinaus. Es berührt mit der rechtsverbindlichen Festlegung der Wertstellungspraxis der Kreditinstitute eine wichtige vertragliche Statusklärung. Das Urteil besitzt außerdem eine immense volkswirtschaftliche Bedeutung. Solche Verfahren aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Wettbewerbsrechts haben Musterprozeßcharakter. Das Verfahren ähnelt dem Normenkontrollstreit des Verfassungs­ prozeßrechts. Der AGB-Verwender will alle Verträge auf der Basis gleicher Konditionen standardisieren, das Gericht hat diese Quasi-Normsetzung zu überprüfen, weil der einzelne Verbraucher keine ausreichende Verhandlungsmacht zur Abwehr rechtswidriger Vertrags­ klauseln besitzt. Die Inhaltskontrolle von AGB erreicht so jenseits der individuellen Rechts­ schutzgewährung die Reinhaltung des Rechtsverkehrs vor rechtswidrigen Klauseln. Statusprozesse dieser Art mit entsprechend weit gefaßtem Streitgegenstand wickelt das ame­ rikanische Zivilprozeßrecht mit Hilfe der dass action ab, siehe Rule 23 F.R.Civ.P. Die Idee ist wie bei der Normenkontrolle im AGB-Recht, daß individuelle Streuschäden, für die ein einzelner nicht die Last einer Prozeßführung auf sich nimmt, die sich aber in ihrer volks­ wirtschaftlichen Aggregation zu erheblichen Positionen aufaddieren, ebenfalls liquidiert werden. 10 Fenn v. Holme, 21 Howard (3 U.S.) 481 (1858). Einen gesetzlichen Auftrag an den Richter, rechtsfortbildend tätig zu werden, kennen etwa die Schweiz (Art. 1 Abs. 2 ZGB) sowie die Türkei (Art. 1 Abs. 1 ZGB).

in equity überhaupt, wie bei der näheren Ausgestaltung. Die Schranken lie­ gen in der Verfassung, in der abgeschlossenen Regelung durch einfach­ gesetzliche Normen sowie in den Präjudizien der übergeordneten Gerichte11. Die Entscheidungsgewalt der equity courts reicht streitgegenständlich ge­ nauso weit wie ihre Rechtssetzungsgewalt: Gebunden sind die Gerichte an das ihnen unterbreitete Rechtsschutzbegehren. Verwehrt ist es ihnen, einen Rechtsstreit zum Anlaß zu nehmen, ein ganzes Bündel neuer nichtstreitbezo­ gener Rechtssätze zu schaffen, die nur anläßlich dieses Falles gebildet wer­ den, ohne zur Untermauerung des Entscheidungsergebnisses in casu notwen­ dig zu sein12. Der Entscheidungsspielraum der courts of equity nimmt zu, wenn sich zum individuellen Rechtsschutzanspruch des Klägers ein besonderes öffent­ liches Interesse an einer Fortentwicklung des geltenden Rechts hinzuge­ sellt13. Das öffentliche Interesse fällt dann stärker ins Gewicht und erlaubt eine Zurücksetzung von privaten Belangen. Umgekehrt bleiben private Be­ lange im Zusammentreffen mit öffentlichen erheblich und rechtfertigen die Gewährung von equitable relief, wenn dadurch kein öffentlicher Belang un­ gebührlich zurückgesetzt werden müßte. Für die Konzeption des Rechtsschutzes gegen Verbandsbeschlüsse ergibt sich daraus: Abgesehen vom Verfahren der Geltendmachung von Fehlern bei Wahlen existieren keine besonderen gesetzlichen Bestimmungen über die An­ fechtung oder Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafter im amerika­ nischen Recht. Dies begrenzt die Jurisdiktionsgewalt der Gerichte indes nicht, sondern beläßt ihnen die Befugnis, fehlerhafte Beschlüsse im Interesse des persönlich beschwerten Gesellschafters wie im öffentlichen Interesse für unwirksam zu erklären. Das Interesse der Allgemeinheit besteht darin, sicherzustellen, daß sich der Wille der Corporation nur im Rahmen von Ge­ setz und Satzung betätigt. Für diese Kassationsbefugnis der Gerichte bedarf es nach amerikanischem Rechtsverständnis nicht zwingend einer gesetzlichen Grundlage, um die Einmischung in den Bereich garantierter Eigenverwaltung zu gestatten. Denn dem Selbstverwaltungsprivileg ist die Pflicht zu gesetzesund statutenkonformer Verwaltung immanent.

11 Rees v. City of Watertown, 19 Wallace (86 U.S.) 107 (1873). 12 Aus dem reichhaltigen Schrifttum zur Präjudizienwirkung von obiter dicta siehe statt vieler Lücke, The Common Law: Judicial Impartiality and Judge-made Law, 98 L.Q.Rev. 29, 54 ff. (1982). 13 United States v. First National Bank, 379 U.S. 378, 85 S.Ct. 528 (1965).

2. Vergleich der Rechtsbehelfe Im direkten Vergleich des deutschen mit dem amerikanischen Körper­ schaftsrecht fällt auf, daß im deutschen Recht die Anfechtung von Hauptver­ sammlungsbeschlüssen der vom Gesetz herausgehobene Rechtsbehelf ist, während in den USA die Shareholders’ derivative suit im Zentrum des Inte­ resses bei den auf die Mitverwaltung gerichteten Gesellschafterrechten steht. Dieser Befund impliziert die Frage, ob eine Rechtsordnung, die ein lücken­ loses innerverbandliches Rechtsschutzsystem schaffen will, sich dafür ent­ scheiden könnte, entweder nur die Beschlußanfechtung oder allein die abge­ leitete Gesellschafterklage zur Realisierung von Ansprüchen der Gesellschaft zuzulassen. Diese Frage ist - wie die Darstellung der Rechtslage im deut­ schen Recht ergeben wird14 - eindeutig zu verneinen, weil beide Instru­ mente funktional nicht vertauschbar sind, sondern jeweils eigene Bereiche im Rahmen der Korporationsverfassung abdecken und gegen die Akte verschie­ dener Organe gerichtet sind. Beschlußanfechtung und Einzelklage sind Bau­ steine eines Korporationsverfassungsstreitverfahrens, das effektiven Rechts­ schutz gegen alle Maßnahmen korporativer Gewalt bietet. Gesellschafterbeschlüsse, welche durch die Anfechtungsklage angreifbar sind, sowie Geschäftsführungsmaßnahmen, die man mit der Einzelklage ei­ ner gerichtlichen Kontrolle unterziehen kann, sind systematisch streng zu scheiden. Häufig liegen Gesellschafterbeschlüsse einer Geschäftsführungs­ handlung zugrunde. Das Tätigwerden der Verwaltung setzt dann einen Ge­ sellschafterbeschluß als bindende Handlungsanweisung um15. Die streitige Maßnahme läßt sich dadurch angreifen, daß man eine ihrer Komponenten zum Wegfall bringt, d.h. also entweder die Geschäftsführungsmaßnahme der Verwaltung erfolgreich angreift oder bereits einen Schritt vorher den Gesell­ schafterbeschluß beseitigt und dadurch der Verwaltung die Grundlage ihres Tätigwerdens entzieht. Im amerikanischen Recht der corporations liegt der Akzent auf dem erstgenannten Ansatz, ohne daß die zweite Alternative damit versperrt wäre. In Deutschland herrscht umgekehrt bei den Kapitalkörper­ schaften16 die zweite Alternative vor, während man in den letzten Jahren be­ 14 Dazu unten § 19. 15 Anders als im deutschen Recht (§§76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG) können die Shareholders einer amerikanischen Corporation dem board of directors - selbst in der public Corporation - Weisungen erteilen, zumindest wenn dies im certificate of incorporation vor­ gesehen ist. In manchen Staaten ist das Geschäftsführungsrecht des board auch durch die bylaws beschränkbar, für New York siehe Ripley v. Storer, 139 N.Y.S.2d 786 (1955), aff'd 142 N.Y.S.2d 269 (App.Div. 1955), aus anderen Gründen geändert 132 N.E.2d 87 (N.Y. 1956); Staklinsky v. Pyramid Electric Company, 180 N.Y.S.2d 20, 25 (App.Div. 1958), aff'd 160 N.E.2d 78 (N.Y. 1959). 16 Insgesamt zeigt sich eine inverse Situation für die Verbreitung von Beschlußanfech­ tung und Einzelklage im deutschen Recht. Bei den Personalgesellschaften ist die subsidiäre

hutsam begonnen hat, eine noch gegenständlich beschränkte abgeleitete Ge­ sellschafterklage gegen Geschäftsführungsmaßnahmen zuzulassen17. Die praktische Notwendigkeit beider Rechtsschutzformen erhellt aus der Überle­ gung, daß es Geschäftsführungsakte gibt, die sich nicht auf einen Gesell­ schafterbeschluß zurückfuhren lassen und die in einer Rechtsordnung sank­ tionslos bleiben müßten, die Rechtsschutz ausschließlich gegen Beschlüsse bereitstellt18. Umgekehrt existieren Beschlüsse von Gesellschaftern oder von anderen Gesellschaftsorganen19, welche gar keines weiteren Vollzugsaktes von Seiten der Verwaltung mehr bedürfen20 und deshalb Rechtsschutzlücken in einem System verursachen müßten, welches eine Geschäftsführungshand­ lung zum alleinigen Bezugspunkt eines Rechtsbehelfs macht. Sieht man die Entscheidung der Anteilseignerversammlung und ihre Ausführung durch die Verwaltung als gestreckten Entscheidungsprozeß, so setzt das deutsche Recht auf der ersten Stufe (= Angreifen des Beschlusses) an. Flankierende Vor­ kehrungen gewährleisten, daß der Beschluß keine irreversiblen Tatsachen schaffen oder sonst faktisch durchgesetzt werden darf21. Sowohl die Anfechtung von Beschlüssen der Anteilseignerversammlung wie ein gerichtliches Eingreifen in die Geschäftsführung im Wege der deri­ vative suit sind von der Korporationsverfassung gedeckt. In beiden Rechts­ ordnungen lassen sich diese Rechtsbehelfe auf den Grundsatz zurückführen, daß die Verbandsgewalt nur auf der Grundlage von Gesetz und Satzung aus­ geübt werden darf. Ob sich die Verbandsgewalt in einem Beschluß der Gene­ ralversammlung oder in einer Maßnahme der Verwaltung äußert, ist gleich­ Einzelklage in Gestalt der actio pro socio seit jeher auch ohne gesetzliche Grundlage aner­ kannt. Dagegen wird im Hinblick auf das Einstimmigkeitsprinzip das Bedürfnis für eine Be­ schlußanfechtung von der herrschenden Meinung bezweifelt. Bei den Kapitalgesellschaften ist die Beschlußanfechtung andererseits der Standardrechtsbehelf. Ein weitergehendes Ein­ zelklagerecht gegen Geschäftsführungsakte bildet sich bei den Kapitalgesellschaften in Deutschland erst ganz allmählich heraus. Vorerst ist die Einzelklagebefugnis in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf Kompetenzübertritte der Verwaltung begrenzt. Ein­ gehend unten § 19. 17 BGHZ 83, 122 - "Holzmüller"; dazu etwa GROSFELD/BRONDICS JZ 1982, 589; zu­ vor bereits GROBFELD, Aktiengesellschaft, Untemehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 224 ff. Zum Ganzen unten § 19 E. 18 Dies war der eigentliche Hintergrund der "Holzmüller"-Entscheidung in BGHZ 83, 122. Die §§ 241 ff. AktG laufen leer, wenn die Verwaltung die Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung kurzerhand übergeht. 19 Zum Beispiel die Ausschüsse des board oder ein Beirat. 20 Zu denken wäre vor allem an einen Entlastungs- oder an einen Ratifizierungsbe­ schluß. 21 Daß im deutschen Recht die Beschlußanfechtung alleine den Bedarf an Rechtsschutz noch nicht erschöpft, zeigt sich an den Ergänzungen, die neben den §§ 241 ff. AktG von der Rechtsprechung anzuerkennen waren. So hält LG Heilbronn AG 1971, 372 eine einstweilige Verfügung gegen die Eintragung eines Hauptversammlungsbeschlusses mit guten Gründen für statthaft.

gültig. Regelmäßig wird diese Gewalt von den Verwaltungsorganen aus­ geübt, aber auch der Aktionärsbeschluß ist eine Ausdrucksform für die Betä­ tigung des Verbandswillens. Der Mitwirkungsanspruch des Gesellschafters an der Willensbildung der Korporation folgt aus seiner Mitgliedschaft. Seine Mitberechtigung sowie sein Klagerecht hinsichtlich der Überprüfung eines Verbandsbeschlusses sind aus der dualen Konstruktion der Corporation ab­ leitbar: Es handelt sich um ein Vertragsverhältnis zwischen der Corporation und dem ihr die Rechtsfähigkeit verleihenden Staat in der Vertikalen sowie um einen Vertrag zwischen den Gesellschaftern untereinander in der Hori­ zontalen22. Diese vertragliche Verbundenheit der Gesellschafter unterein­ ander impliziert, daß sie die Fassung gültiger sowie die Beseitigung rechts­ widriger Beschlüsse voneinander verlangen können. Die Mehrheit kann die Minderheit grundsätzlich nur binden und ihren Willen zum Willen des Ver­ bandes erheben, wenn dieser Wille auf der Grundlage von Gesetz und Sat­ zung formell wie materiell einwandfrei zustande gekommen ist. Kein Gesell­ schafter muß sich die Fassung von Beschlüssen gefallen lassen, die diesen Rahmen verlassen oder ultra vires sind. Heute herrscht zwar Einigkeit dar­ über, daß die klassische ultra vires-Lehre überwunden ist23. Sie besitzt aller­ dings noch eine gewisse Bedeutung für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander. Insoweit darf jedes Mitglied eine Betätigung des korporativen Willens außerhalb des statutarisch definierten Zwecks und Unternehmens­ gegenstandes ab wehren24. 22 Die berühmte Entscheidung Trustees of Dartmouth College v. Woodward, 4 Wheaton (U.S.) 518, 627 ff. (1819) ist noch immer richtungweisend für das konzeptionelle Verständ­ nis der Corporation, obwohl sie noch zur Zeit der Geltung des Konzessionssystems ergangen ist. Die Corporation beruht danach auf einem Netzwerk von Vertragsbeziehungen zwischen dem Inkorporierungsstaat und der Gesellschaft, zwischen Staat und Aktionären sowie zwi­ schen den Gesellschaftern und der Gesellschaft. Die staatliche Gesetzgebung darf nach Art. 1 § 10 der Bundesverfassung in bestehende Verträge nicht eingreifen, sofern diese Be­ fugnis nicht vorbehalten war. Zum Ganzen O’Neal, Molding the Corporate Form to Particular Business Situations: Optional Charter Clauses, 10 Vand.L.Rev. 1, 20 ff. (1956). Davon abgesehen liegt die unverminderte Bedeutung der Entscheidung in der Festschreibung der Garantie der körperschaftlichen Selbstverwaltung, vor allem in dem Recht, über die sat­ zungsmäßigen Grundlagen einer Corporation alleine und ohne staatliche Einmischung zu ent­ scheiden. Aus neuerer Zeit im gleichen Sinne State v. Alaska Airlines, Inc., 413 P.2d 352 (Wash. 1966). 23 Die ultra vires-Lehre hat im modernen Gesellschaftsrecht entschieden an Bedeutung verloren. Sie beschränkt sich heute auf das Innenverhältnis, erlaubt dagegen nicht mehr, die Wirksamkeit eines Rechtsaktes im Außenverhältnis und gegenüber gutgläubigen Teilneh­ mern am Rechtsverkehr in Zweifel zu ziehen. Die Praxis entschärft das Problem obendrein durch Satzungsbestimmungen, die den Körperschaftszweck umfassend definieren (sog. all purpose clauses), so daß die Handlungsmacht der Verwaltung im Außenverhältnis unbe­ schränkt ist, zur begrenzten Wirkung des ultra vires-Einwands vgl. § 203 N.Y.B.C.L., 8 Del.Code § 124, Cal.Corp.Code § 208. 24 Hierzu für das deutsche Recht die immer noch mustergültige Formulierung des Prin­ zips durch ROHGE 23, 273 (274 ff) sowie 25, 307 (311 ff.).

Für eine Anfechtung von Beschlüssen der Anteilseignerversammlung so­ wie sonstiger Gesellschaftsorgane besteht ein unabweisbares praktisches Be­ dürfnis. Im Verhältnis zur Einzelklage von Mitgliedern gegen Geschäftsfüh­ rungsakte stellt die Anfechtung im Hinblick auf den ermächtigenden Cha­ rakter solcher Beschlüsse eine Form des vorbeugenden Rechtsschutzes dar. Das Rechtsschutzziel soll bereits auf einer möglichst frühen Stufe erreicht werden noch vor Beginn einer Vollzugshandlung durch die Verwaltung. Die besondere Bedeutung der Beschlußanfechtung im amerikanischen Korpora­ tionenrecht erschließt sich ohne weiteres, wenn man sich das Zusammenspiel von (beschränkter) Handlungsfähigkeit des board of directors und das Ratifi­ zierungsrecht der Gesellschafterversammlung im Grundlagenbereich ver­ gegenwärtigt25. Hier haben die Korporationsgesetze die Verwaltung mit ei­ ner starken Stellung versehen. Strukturwandelnde Maßnahmen wie Fusion oder Veräußerung des im wesentlichen ganzen Gesellschaftsvermögens wer­ den zunächst vom board of directors paraphiert, jedoch erst durch ratifizie­ renden Beschluß der Gesellschafter rechts wirksam. Für ihre Vorbereitung und die Vertragsanbahnung mit dem anderen Teil ist nach den Gesetzen der Einzelstaaten keine anfängliche Befragung der Gesellschafter vorgesehen. Vielmehr liegt die volle Initiative bei der Verwaltung. Sie entscheidet über das Wie, die Gesellschafter über das Ob26. Diese theoretisch klare Trennung verliert indessen ihre Schärfe bei einem Blick auf die Unternehmenswirklichkeit27. Danach sind nicht alle Gesellschafter in der gleichen Situation. Wohl haben formal betrachtet alle im Organ Shareholders’ meeting zusam­ mengefaßten Gesellschafter den ihnen unterbreiteten Vorschlag des board zu billigen oder zu verwerfen, doch geht dem regelmäßig eine Verhaltensab­ stimmung zwischen der Mehrheitsgruppe und der Verwaltung voraus, so daß sich der zur Abstimmung gelangende Vorschlag des board von vornherein der Unterstützung durch die Mehrheit sicher sein darf. Die beschriebene Ab­ folge des Entscheidungsprozesses verdeutlicht das Bedürfnis für eine An­ fechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses. Wird die von der Verwaltung 25 Dazu bereits oben § 11 II und III im Zusammenhang mit der Entscheidung Jeyvel Companies v. Pay Less Drug Stores Northwest, 741 F.2d 1555 (9th Cir. 1984). Im übrigen siehe noch unten § 13 I. 26 Dies trifft in New York weiterhin zu auf Änderungen des certificate of incorporation (§ 803 N.Y.B.C.L.) oder bei der Verschmelzung von Gesellschaften (§ 903 N.Y.B.C.L.). 27 Die Erfahrung mit den penalty clauses, d.h. ein von der Verwaltung beim Aushan­ deln eines Verschmelzungsvertrages dem anderen Vertragsteil gegenüber bindend gegebenes Strafversprechen, welches Platz greift, wenn die Gesellschafter den Verschmelzungsvertrag (merger agreement) nicht ratifizieren, lehrt, daß die Verwaltung der amerikanischen Corpo­ ration das Votum der Gesellschafter faktisch schon sehr weitgehend präjudizieren kann. Dies belegt, wie theoretisch die genannte Unterscheidung im Einzelfall sein mag. Näher zur Ver­ teilung der sog. Grundlagenkompetenzen BUXBAUM, The Internal Division of Powers in Corporate Governance, 73 Calif.L.Rev. 1671 (1985).

vorgeschlagene Maßnahme von der Mehrheit ratifiziert, so wird sie durch die Erfüllung dieses zweiten Kriteriums endgültig wirksam. Ist dieser Ab­ schnitt des Gesamtverfahrens fehlerhaft, so genügt ein gerichtliches Vor­ gehen gegen spätere Ausführungsakte im Wege der derivative suit alleine nicht. Schon der Beginn der Ausführung kann bei komplexen Fusionsvorha­ ben unumkehrbare Fakten schaffen, weil er Investitionen bedingt, die alle späteren Handlungen, vor allem eine Entflechtung, wirtschaftlich ausschlie­ ßen. Zum anderen mag die Ausführung den widersprechenden Gesellschafter praktisch rechtsschutzlos stellen, wenn er in ihrem Gefolge seine Aktio­ närsstellung einbüßt und mit ihr die Klagebefugnis (standing) für eine deri­ vative suit mit ihren besonderen Anteilsbesitzerfordemissen28. Die rechtliche Aufsicht über den Verband und die gesetzmäßige Bildung seines Willens erklärt den Bedarf für eine Anfechtung von Beschlüssen der Anteilseigner nur zum Teil. Für die Wahrnehmung dieses Rechts ist es von zentraler Bedeutung, daß der Kläger seine mitgliedschaftlich-finanziellen In­ teressen in der Gesellschaft sowie seine Stimmkraft durch eine Klage wahren kann. Die Anfechtungsklage dient überdies dem Zweck, die unverfälschten Stimmengewichte zu erhalten. Der Nicht-Mehrheitsgesellschafter kann sich bei jeder Abstimmung entweder bei der Mehrheit oder der Minderheit wie­ derfinden. Der Minderheitsgesellschafter hat ebenfalls die Chance mit seiner Stimme den Ausschlag zur Mehrheitsbildung zu geben, wenn andere Gesell­ schafter von der Teilnahme an der Abstimmung ausgeschlossen sind, weil sie die Teilnahme an der Abstimmung in eine Interessenkollision brächte. Dem amerikanischen Gesellschaftsrecht sind Stimmverbote nach dem Vorbild der §§47 Abs. 4 GmbHG, 136 AktG mit festumschriebenen Disqualifikations­ tatbeständen fremd. Nach amerikanischem Recht ist insbesondere der Mehr­ heitsaktionär von der Mitwirkung an der Abstimmung ausgeschlossen, wenn er ein persönliches Interesse an ihrem Ausgang hat29. Das Stimm verbot will 28 Zum contemporaneous share ownership-Erfordernis bereits oben § 7 II 2. 29 Aus der Rechtsprechung siehe nur Hyams v. Calumet & Hecla Mining Co., 221 F. 529 (6th Cir. 1915); Southern Pac. Co. v. Bogert, 250 U.S. 483, 39 S.Ct. 533 (1919); Kavanaugh v. Kavanaugh Knitting Co., 123 N.E. 148 (N.Y. 1919); Lebold v. Inland Steel Co., 125 F.2d 369 (7th Cir. 1941), cert.den. 316 U.S. 675 (1942); aus dem Schrifttum Lattin, Equitable Limitations on Statutory or Charter Powers Given to Majority Stockholders, 30 Mich.L.Rev. 645 (1932); Sneed, Stockholder Votes Motivated by Adverse Inte­ rest: The Attack and the Defense, 58 Mich.L.Rev. 961 (1960); Sneed, The Stockholder May Vote as He Pleases: Theory and Fact, 22 U.Pitt.L.Rev. 23 (1960). Kritisch gegenüber den tatbestandlich enger gefaßten Stimmverboten des deutschen Rechts MESTMÄCKER, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 265 ff. Das deutsche Recht kennt keine generalklauselartige Disqualifizierung von der Teilnahme an einer Abstimmung wegen Interessenkollision, sondern formuliert u.a. in § 136 Abs. 1 AktG oder § 47 Abs. 4 GmbHG typisierte Ausschlußgründe, etwa wegen Entlastung, Befreiung von einer Verbindlichkeit oder Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Betroffenen. Ein Vergleich der Rechtslage zwischen Aktiengesellschaft und GmbH erhellt, daß die wich­

die ordnungsgemäße Bildung des Willens der Körperschaft sicherstellen. Dazu rechnet ferner, daß nicht durch eine Abstimmung - etwa ein Verzicht auf Ersatzansprüche der Gesellschaft - die Verantwortlichkeit der Verwal­ tung beseitigt wird. Im Kem bezweckt das Stimm verbot die Verhinderung einer Verfolgung gesellschaftsfremder Sondervorteile zu Lasten des Gesell­ schaftsvermögens, sei es, daß die Mehrheit sich begünstigt, sei es, daß die Mehrheit die Verwaltung zu bereitwillig aus deren Verantwortung gegenüber der Gesellschaft entläßt. Stimmverbote bedürfen besonderer Sanktionen, da die Gefahr besteht, daß die Mehrheit auf ihrem vermeintlichen Recht auf Teilnahme an der Abstimmung beharrt und das Verbot ignoriert. Dann be­ steht ein rechtliches Bedürfnis nach rascher Klärung der Beschlußlage30.

3. Rechtsstellung des Gesellschafters Im Zusammenhang mit der Behandlung der Shareholders’ derivative suit ist bereits aufgezeigt worden31, daß das amerikanische Recht trotz der pro­ zeßrechtlichen Prägung des Begriffs die Rechtsstellung des Gesellschafter­ Klägers vom Ausgangspunkt einer materiellrechtlichen Anspruchsposition begreift32. Sofern diese Gesellschafterrechte keinen eindeutigen Individual­ bezug aufweisen, sondern weitergehend Belange der Gemeinschaft aller Ge­ sellschafter berühren, erhebt sich die Frage, ob das verfolgte Recht dem Ge­ sellschafter selbst, der Gemeinschaft der Gesellschafter, oder der Gesell­ schaft zusteht. An diese Unterscheidung zwischen direct suit und derivative suit knüpfen sich bedeutsame Weichenstellungen für die Durchsetzung von Rechten im Verfahren an. Bei der direct suit des Aktionärs muß dieser kein gesellschaftsinternes Vorverfahren durchlaufen und nicht versuchen, die zu­ ständigen Gesellschaftsorgane dafür zu gewinnen, ihrerseits doch noch Klage für die Gesellschaft zu erheben. Wichtiger noch ist, daß der Kläger bei der direct suit über keinen Mindestanteilsbesitz verfugen oder andernfalls eine erhebliche Sicherheitsleistung für Prozeß- und Anwaltskosten der Gegenseite tigste Fallgruppe, nämlich die Vornahme eines Rechtsgeschäfts, heute nicht mehr Bestandteil von § 136 AktG ist, vgl. hierzu Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1974, § 136 RdNr. 12. Dieses Abstimmungsverbot will ei­ ner schrankenlosen Selbstbedienung Vorschub leisten. Sie ist daher bei allen Gesellschafts­ formen unverzichtbar. 30 An einem Ausführungsakt der Geschäftsführung fehlt es, wenn der Gesellschafter­ beschluß in einer Entlastung der Verwaltung oder in einem Anspruchsverzicht besteht. Für diese selbstexekutierenden Gesellschafterbeschlüsse ist daher ein förmlicher Ausspruch über ihre Nichtigkeit bzw. ihre Aufhebung unerläßlich. 31 Siehe oben §7. 32 Der Aktionär handelt als eine Art Notgeschäftsführer. Sein Recht zum Tätigwerden für die Gesellschaft erschöpft sich nicht in einer Anrufung der Gerichte. Diese Befugnis ist als fundamental right nicht entziehbar.

stellen muß. Diese Unterschiede klingen in der Rechtsprechung stets unter­ schwellig an, wenn es darum geht, einen Anspruch des Gesellschafters als eigenen oder abgeleiteten zu qualifizieren. Die relativ seltenen Fälle aus der amerikanischen Rechtsprechung, die sich mit der isolierten Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen be­ fassen, haben solche Klagen als direkte Klagen des Gesellschafters aus ei­ genem Recht eingestuft33. Als entscheidend wurde nicht der gesamtgesell­ schaftliche Aspekt des Interesses der Körperschaft an gesetzes- und statuten­ gemäßer Betätigung des Willens ihrer Mitglieder angesehen, der den Willen der Körperschaft bildet, was eher zu einem Verständnis der abgeleiteten Kla­ gebefugnis fuhrt. Vielmehr wird das persönliche Interesse jedes Gesell­ schafters in den Vordergrund gerückt. Wenn der rechtliche Mangel des Ge­ sellschafterbeschlusses darin liegt, daß sich ein persönlich interessierter Ge­ sellschafter in rechtswidriger Weise an der Abstimmung beteiligt hat, wird nicht die dadurch drohende Gefahr einer Schädigung der Corporation und de­ ren Unterlassungsanspruch hiergegen als maßgebender Gesichtspunkt ange­ sehen. Stattdessen liegt der Akzent auf dem Schutz der abstimmungsbefugten Gesellschafter gegen eine Verwässerung ihrer Stimmgewichte beim Mit­ stimmen eines disqualifizierten Gesellschafters. Stellt man auf diesen Ver­ wässerungsschutz ab, so muß man die Beschlußanfechtungsklage als direct suit ansehen. Dieses Verständnis deckt sich mit ihrer Behandlung im deut­ schen Recht34. Es begünstigt den rechtsschutzsuchenden Gesellschafter, in­ dem es keine Hürden aufbaut, die den Zugang zum Gericht unverhältnis­ mäßig erschweren.

4. Der besondere Bedarffür eine Beschlußanfechtungsklage

Das kollektivrechtliche Gegenstück zum Interesse des einzelnen Aktionärs an einer Erhaltung des eigenen Stimmgewichts in der Anteilseignerver­ sammlung ist das Verbandsinteresse an einer formell und materiell einwand­ freien Willensbildung. Beide Gesichtspunkte ergänzen sich. Materiellrecht­ lich muß eine Überprüfung von Gesellschafterbeschlüssen daraufhin erfol­ gen, daß mit der Stimmabgabe keine Vorteile für bestimmte Gesellschafter zu Lasten der Gesellschaft angestrebt werden. Das deutsche Aktienrecht stellt den Gesellschafter, der sich bei seinem Abstimmungsverhalten von ei­ gensüchtigen Motiven leiten läßt, von Schadensersatzansprüchen ausdrück­ lich frei, sogar wenn er dabei auf die Leitung der Gesellschaft in rechtswid­ 33 Reifsnyder v. Pittsburgh Outdoor Advertising Co., 173 A.2d 319, 322 (Pa. 1961) spricht unter Berufung auf Webster Eisenlohr v. Kalodner, 145 F.2d 316 (3d Cir. 1944) vom selbstverständlichen Recht des Aktionärs, einen Beschluß anzufechten. 34 Dazu eingehend in § 17.

riger Form Einfluß nimmt35. Fällt aber die Schadensersatzsanktion schon aus, die hier zur Schadensverhütung und zur Verhaltenssteuerung gedacht ist, so muß ein schadensstiftender Beschluß als rechtswidriger Akt wenig­ stens zu beseitigen sein36. Das Bedürfnis für eine Beschlußanfechtung ist unabhängig vom Gesell­ schaftstypus, insbesondere ist es unabhängig von der Differenzierung nach einer personalistischen oder kapitalistischen Gesellschaftsstruktur. Das deut­ sche Recht behandelt zwar die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen kodifikatorisch nur im Recht der Aktiengesellschaft bzw. der eingetragenen Genossenschaft37, also bei Körperschaftsformen mit einem kapitalistischpublikumsbezogenem Aufbau. Jedoch herrscht heute im Recht der Körper­ schaften kein Streit mehr darüber, daß die Beschlußanfechtung eine über die §§51 GenG, 241 ff. AktG hinausreichende allgemeinverbandsrechtliche Fundierung besitzt, die die zweckentsprechende Anwendung bei anderen Körperschaftsformen gestattet38. Da im amerikanischen Recht die equity Grundlage vieler Gesellschafterrechte und -klagen ist, steht wiederum, wie bei der Beschlußanfechtung in der Corporation, außer Zweifel, daß die Ge­ richte auch im Recht der partnership und anderer Personenzusammenschlüsse einen rechtswidrigen Beschluß der Mitglieder aufheben können39. 35 Das Haftungsprivileg des § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG 1965 greift selbst dann Platz, wenn die Stimmabgabe die Gesellschaft schädigt. Das Gesetz meint, mit der Anfechtung ei­ nes Beschlusses nach § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG genug zum Schutze der Gesellschaft getan zu haben, zur Kritik vgl. nur MESTMÄCKER, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 269 ff.; C.E. Fischer AcP 154 (1955), 181 (238/39). Die Aktien­ rechtsreform von 1937 brachte in diesem Punkt (vgl. § 101 Abs. 7 AktG 1937) zusammen mit der Streichung des Abstimmungsverbots bezüglich der Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem Aktionär (vgl. § 114 Abs. 5 AktG 1937 im Kontrast zu § 252 Abs. 3 Satz 2 HGB a.F.) eine beträchtliche Erweiterung des Freiraumes für selbstbegünstigendes Aktionärsver­ halten zu Lasten der Gesellschaft. Die Beschränkung auf die Beschlußanfechtung ist rechts­ politisch verfehlt, weil mit ihr automatisch eine Eingrenzung des Kreises der zur Geltend­ machung dieser Sankion Befugten verbunden ist (vgl. § 245 AktG 1965), zu denen etwa der Konkursverwalter oder die Gesellschaftsgläubiger als solche nicht zählen. Zum Ganzen noch eingehend unten § 17 IV 2. Das Freistellungsprivileg in § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG 1965 bezieht sich nur auf die Scha­ densersatzhaftung. Unberührt hiervon bleiben andere verbandsrechtliche Sanktionen wie etwa ein Ausschluß aus der Gesellschaft wegen eines schwerwiegenden und beharrlichen Stimmrechtsmißbrauchs, dazu M. Becker ZGR 1986, 383 (400 ff.). 36 Der Zusammenhang zwischen Schadensersatzpflicht und Anfechtung ist bei der Dar­ stellung der Anfechtungsklage nach deutschem Recht zu behandeln, dazu unten § 17 IV 1 b. 37 §§51, 52 GenG. 38 Für die Geltung der §§ 241 ff. AktG als allgemeine Basis eines rechtsformübergrei­ fenden Beschlußmängelrechts siehe nur Karsten Schmidt, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217 ff.; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 79 ff., 115 ff. Im übrigen siehe unten § 18 III. 39 Für die Beschlüsse der Versammlung der limited partners gilt das für die Corporation Gesagte entsprechend: Alle Gesellschafter der limited partnership stehen zueinander in einer intensiven Treubeziehung. Faßt die Versammlung einen rechtswidrigen Beschluß, so verletzt

a) Grundsätzlich ist die Statthaftigkeit der Beschlußanfechtung von keiner typologischen Differenzierung der Verbände abhängig. Dennoch besitzt die Realstruktur einer Gesellschaft einen gewissen Einfluß auf den Bedarf für den Rechtsbehelf. Dies gilt etwa für die close Corporation. Sie belegt die Notwendigkeit für die Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterver­ sammlung nach zwei Richtungen. Die geringe Anzahl der Gesellschafter, die zumeist alle aktiv an der Geschäftsführung beteiligt sind, eröffnen die durch ein überreichliches Fallmaterial belegbare Gefahr, daß sich die Gesellschaf­ ter die Gesellschaft zur Beute machen. Zwischen den Gesellschaftern in die­ ser Eigenschaft sowie in ihrer Funktion als Mitglieder der Verwaltung be­ steht eine enge Arbeitsteilung, zu der sich nicht selten enge persönliche Bin­ dungen hinzugesellen, so daß vielfach nicht mehr deutlich genug geschieden wird zwischen der Mehrung des Wohlergehens der Gesellschaft und dem persönlichen Wohlergehen der Gesellschafter. Eine Stimmabgabe erfolgt dann häufig nicht im Interesse der Gesellschaft, also danach, ob es eigentlich im Gesellschaftsinteresse läge, einen Ersatzanspruch zu verfolgen oder eine Handlung nicht zu ratifizieren, sondern um einen Mitgesellschafter zu be­ günstigen oder andere Gesellschafter zu schädigen. In einem derartigen ge­ sellschaftsrechtlichen Umfeld steht jeder Beschluß in dem Verdacht, von sachfremden Motiven beeinflußt zu sein40. Das amerikanische Recht folgt traditionell dem Grundsatz, daß jeder shareholder auf der Generalversammlung das Stimmrecht nach seinem Er­ messen ausüben darf und dabei nicht als trustee für die Corporation oder an­ dere Gesellschafter handelt41. Er darf bei der Abstimmung seinen eigenen Interessen den Vorrang vor dem Gesellschaftsinteresse geben, und es ist so­ gar unschädlich, wenn der Abstimmende sein Verhalten bewußt nach den Wünschen einer "interested person” - also dem herrschenden Unternehmen eines Konzerns oder dem unmittelbar Begünstigten einer Abstimmung richtet. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Aktionär zugleich Mitglied dieser zumindest Nebenpflichten (implied covenants) des partnership agreement. Die ord­ nungsgemäße Abstimmung koinzidiert mit der Erfüllung des Gesellschaftsvertrages. Außer­ dem verletzt die Mehrheit ihre Treupflicht gegenüber der Minderheit, wenn sie rechtswid­ rige Beschlüsse faßt. Dem ist zunächst mit dem allgemeinen Sanktionsinstrumentarium zu begegnen. Unter Rückgriff auf seine equitable powers darf ein Gericht ferner den Beschluß für unwirksam erklären und einstweilige Anordnungen treffen. Diese Klage ist keine deriva­ tive suit im technischen Sinne, und ein klagender limited partner gerät nicht in persönliche Haftung wegen Anmaßung der Geschäftsführungsfunktionen des general partner, zu diesem Gesichtspunkt zuvor § 10. 40 Leavell, The Shareholders as Judges of Alleged Wrongs by Directors, 35 Tul.L.Rev. 331, 351 (1961). 41 Zum folgenden ausführlich 5 Fletcher, Cyclopedia of the Law of Private Corporations, § 2031 (1987) sowie 12B, §§ 5810-5811.40 (1993) mit umfassenden Nachweisen. Zur Ausübung der Stimmrechte sei besonders verwiesen auf Hills, Managing Corporate Meetings, New York 1976, S. 303 ff., 497 ff.

der Verwaltung ist, die Versammlung über ein Geschäft mit ihm zu befinden hat und seine Stimme den Ausschlag gibt. In keinem Falle beeinflußt die Be­ fangenheit oder das Sonderinteresse die Wirksamkeit der Stimmabgabe. An­ deren Bindungen unterliegt lediglich der Mehrheitsaktionär, der der Corpora­ tion nicht sein Sonderinteresse aufzwingen darf. Der Mehrheitsgesellschafter steht zur Gesellschaft in einer fiduziarischen Rechtsbeziehung. Eine weitere Ausnahme erfährt der Grundsatz für die close Corporation, wo die Treu­ pflichten insgesamt intensiver sind. Bei der close Corporation besitzt die Frage des Zuschnitts des Kreises der anfechtungsbefugten Personen besondere Bedeutung. In extremen Fällen der Begünstigung sämtlicher Gesellschafter auf Kosten der Gesellschaft fehlt es an einem Berechtigten aus der Mitte der Gesellschafter. Im deutschen GmbH-Recht wird der Geschäftsführung von der ganz herrschenden Mei­ nung das Recht abgesprochen, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung anfechten zu können42. Das Interesse der Geschäftsführung hieran ergibt sich bereits daraus, daß sie vielfältigen öffentlich-rechtlichen Pflichten unterwor­ fen ist. Die Geschäftsführer haben die gesetzmäßige Verwaltung der GmbH zu verantworten. Sie haften der GmbH auf Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Amtspflichten, sofern sie einen rechtswidrigen Beschluß ausführen, selbst wenn kein Gesellschafter Anfechtungsklage erhoben hat. Will man das Anfechtungsrecht in der close Corporation auf den Gesell­ schafterkreis begrenzen, so bedeutet das zwangsläufig, daß dieses wichtige Aufsichtsinstrument bei der Ein-Mann-Gesellschaft praktisch brachliegt. Die eingliedrige Corporation bietet die gesamte Problematik der close Corporation in einer zugespitzten Form dar43. Bei der one-man Corporation besteht die Aufgabe des Gesellschaftsorganisationsrechts nicht mehr im Schutz der Min­ derheit, sondern im Schutz der Gesellschaft und ihrer Gläubiger. Nach Lage 42 In der GmbH wird die Geschäftsführung im Gegensatz zu § 245 Nr. 4 und 5 AktG nicht für anfechtungsbefugt gehalten, wenn der Geschäftsführer nicht gleichzeitig Gesell­ schafter ist, vgl. nur BGHZ 76, 154 (159) m.w.N. Zur Kritik unten § 17 IV 2 b (3). 43 Die one-man Corporation ist nach amerikanischem Recht zulässig. Die berühmte eng­ lische Entscheidung Salomon v. Salomon & Co. [1897] A.C. 22 (H.L.) war für den anglo­ amerikanischen Rechtskreis insgesamt prägend. Viele Jurisdiktionen erlauben inzwischen wie in Deutschland seit der GmbH-Noveile von 1980 (vgl. § 1 GmbHG n.F.) - sogar die originäre Ein-Mann-Gründung, etwa 8 Del.Code § 101(a). Seit der Jahrhundertwende ist in den USA ein Prozeß der Bereinigung des Gründungsrechts von überflüssigen Formerforder­ nissen zu beobachten, siehe People v. Ford, 128 N.E. 479 (111. 1920). Der eindeutige Schwerpunkt bei der Behandlung der one-man Company liegt in den USA auf den Haftungsfragen, vor allem beim Durchgriff (piercing the corporate veil) bei gegebener Insolvenz. Die Aktivierung der mitgliedschaftlichen Rechte als Mittel der Insolvenzprophy­ laxe wird darüber zumeist vernachlässigt. Aus dem Schrifttum etwa Fuller, The Incorpo­ rated Individual: A Study of the One-Man Company, 51 Harv.L.Rev. 1373 (1938); Silk, One Man Corporations - Scope and Limitations, 100 U.Pa.L.Rev. 853 (1952); CATALDO, Limited Liability With One-Man Companies and Subsidiary Corporations, 18 Law & Contemp.Probs. 473 (1953).

der Dinge muß diese Aufgabe in der Einpersonengesellschaft von gesell­ schaftsextemen Instanzen übernommen werden, insbesondere von den Ge­ sellschaftsgläubigem oder vom Konkursverwalter44. b) Bei der public Corporation kann das zentralistisch strukturierte Mana­ gement relativ unabhängig von einzelnen Gesellschaftergruppen agieren. In der Publikumsgesellschaft sind Abstimmungen nicht so sehr dem Verdacht ausgesetzt, daß bei einer Stimmabgabe das Motiv der persönlichen Begünsti­ gung überwiegt. Freilich läßt sich dies bei einer Publikumsgesellschaft ebenso wenig ausschließen, in der der maximale Streubesitz der Aktien unter 50% liegt und sich ein stabiler Kontrollblock in den Händen einer homoge­ nen Aktionärsgruppe oder eines Konzemaktionärs befindet. Im übrigen ver­ schiebt sich die Erklärung für den Bedarf nach einer Beschlußanfechtung bei der Massengesellschaft gegenüber der close Corporation45. In der public Cor­ poration sind die Anteilsrechte voll umlauffähig. Die ordnungsgemäße Wil­ lensbildung und die Ausübung des Stimmrechts in der Anteilseignerver­ sammlung setzen voraus, daß die Mitglieder ihre Stimme wohl informiert abgeben. Dazu ist es nötig, daß die für die zur Abstimmung gelangenden Punkte erforderlichen Informationen rechtzeitig zur Kenntnis sämtlicher Ak­ tionäre gelangen. Sowohl in den USA wie in der Bundesrepublik ist die Präsenz der Aktio­ näre in den Hauptversammlungen generell nicht hoch. Aktionäre mit gerin­ gem Aktienbesitz lassen sich — wenn überhaupt - durch Bevollmächtigte vertreten. In Deutschland darf diese Vertretung wegen der im Vergleich zu den USA fehlenden Spartentrennung im Bankengewerbe46 von den Kredit­ instituten oder von AktionärsVereinigungen wahrgenommen werden. In den USA ist es üblich, daß sich die Verwaltung von den Aktionären Stimm­ rechtsvollmachten (sog. proxies47) erteilen läßt und sodann das Stimmrecht 44 Für die derivative suit ist gezeigt worden (vgl. § 7 II 2 c), daß hilfsweise auch die Gläubiger Rechte für die Corporation durchsetzen dürfen (sog. creditors' derivative action). Mit Bezug auf die Angreifbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen ist ebenso zu entscheiden, sofern ein Beschluß die Rechtsstellung der Gläubiger tangiert. 45 Zum entsprechenden Befund bei der public Corporation Leavell (wie FN 40), S. 352. 46 Näher Baums, Verbindungen von Banken und Unternehmen im amerikanischen Wirtschaftsrecht, 1992, S. 11 ff. 47 Zur Arbeitsweise des amerikanischen proxy-Systems statt vieler Clark, Corporate Law, 1986, § 9.2 (S. 366 ff.); Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, RdNr. 633 ff. Der um eine Stimmrechtsvollmacht angegangene Gesellschafter kann zwar eine Weisung (dafür/dagegen/enthalten) erteilen, nach der abzustimmen ist, und es können eigenständige Vorschläge oder Gegenvorschläge durch andere Aktionäre gemacht werden, die die Ver­ waltung dann in die Informationsunterlagen für alle Aktionäre aufzunehmen hat. Für die Be­ urteilung dieses Systems sind zwei allgemeine Beobachtungen bedeutsam: (1) In aller Regel folgen die Aktionäre den Abstimmungsempfehlungen der Verwaltung, die zumindest unter­ schwellig als im besten Interesse der Gesellschaft und aller Aktionäre liegend ausgegeben

auf der Generalversammlung ausübt. Der virulente Interessenkonflikt wird nur teilweise dadurch abgemildert, daß die Verwaltung die Hintergründe der Tagesordnungspunkte in einem proxy Statement offenlegen muß48. Das proxy Statement ist der S.E.C. vorzulegen wie ein Emissionsprospekt. Sie überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen. Dennoch wird die Verwaltung allein durch die Möglichkeit der eigenen Gestaltung des proxy Statement, der Tagesordnung und der Unterbreitung von Vorschlägen für die Abstimmung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten in die Lage versetzt, eine gewisse Weichenstellung in die ihr genehme Richtung vorzunehmen. Die Verwaltung bleibt trotz ihrer Pflicht zur Offenlegung aller abstimmungs­ erheblichen Umstände in der Lage, über die eigene Entlastung zu entschei­ den, die eine spätere Belangung wegen Amtspflichtverletzung empfindlich erschweren kann. Sowohl das deutsche Depotstimmrecht wie das proxy voting der Verwal­ tung in der amerikanischen Corporation bewirken — gegen den Geist der Korporationsverfassung -, daß die Verwaltung vom direkten Einfluß der so vertretenen Aktionäre unabhängiger wird. Im ersten Fall findet eine Kon­ trollsubstitution zugunsten der Banken statt, die ihren Einfluß allerdings zu ganz anderen Zwecken als dem der Kontrolle der Verwaltung gebrauchen können. Beim zweiten Modell ist der Interessenkonflikt noch größer. Ob­ wohl viel gescholten, ist ein Repräsentationssystem von Aktionären doch un­ verzichtbar, um dem Gesellschaftsorgan Hauptversammlung seine Hand­ lungsfähigkeit zu bewahren. Die zwangsläufigen Unzuträglichkeiten beider Modelle oder jeder Variante sind kompensierbar, indem man die Kontroll­ rechte der Gesellschafter erhöht. Die public Corporation ist nicht frei von Konflikten im Zusammenhang mit der Willensbildung. Sie verlagern sich lediglich. Bei der Publikums­ gesellschaft besteht die drohende Interessenkollision nicht zwischen den Stimmrechtsinhabern selbst. Vielmehr sind dort Vorkehrungen zu treffen, damit nicht der Inhaber von Stimmrechtsvollmachten sich ungerechtfertigte Eigenvorteile verschafft. Der erforderliche Rechtsschutz ist durch eine Er­ weiterung der Anfechtungsgründe zu gewährleisten. Ein Hauptversamm­ werden, genau wie in Deutschland das Gros der Aktionäre den Vorschlägen der Depotver­ walter folgt. (2) Eigene Aktionärsvorschläge sind nur in engen Grenzen zulässig, vgl. See.Exch.Act-Rule 14a-8, 17 C.F.R. §240.14a-8. Bei delikaten Gegenvorschlägen blockiert die Verwaltung zumeist die Aufnahme in die proxy materials der Gesellschaft. Der so abgewiesene Gesellschafter kann anschließend Rechtsschutz bei der S.E.C. suchen und deren Entscheidung rechtlich überprüfen lassen, so im berühmten Fall Medical Committee for Human Rights v. S.E.C., 432 F.2d 659 (D.C.Cir. 1970); zu dieser Entscheidung und den Reaktionen auf sie siehe Cary/Eisenberg, Corporations, 5. Aufl. 1980, S. 334 ff. Das bedenkliche Fazit bleibt, daß allein der Umstand einer dilatorischen Behandlung durch die Verwaltung das Begehren der Aktionäre gegenstandslos machen kann. 48 Vgl. § 14 See.Exch.Act, 15 U.S.C. § 78n sowie Regulations 14A und 14C.

lungsbeschluß ist nicht nur angreifbar, wenn er in formeller oder materieller Hinsicht Fehler aufweist. Die bedeutsame Erweiterung der Palette der Rechtsschutzmöglichkeiten liegt in den USA für die publizitätspflichtigen Publikumsgesellschaften darin, daß, sofern die Erteilung eines proxy durch Nichtoffenlegung entscheidungserheblicher Umstände erschlichen wurde und das Abstimmungsergebnis auf arglistiger Täuschung beruht, der Beschluß vernichtbar ist. Der Rechtsschutz wird vorverlagert, indem eine Täuschung in der Informationsvermittlung selbst ein Anfechtungsgrund ist, sofern sich nicht ausschließen läßt, daß die Täuschung für den Ausgang der Abstim­ mung ursächlich war49. Die zentrale Bestimmung für die publizitätspflichtige Corporation ist § 14(a) See.Exch. Act 193450 sowie die in Ausführung hierzu ergangene Rule 14a-9. Danach ist es jedermann im Zusammenhang mit dem öffentlichen Ersuchen um die Erteilung von Stimmrechtsvollmachten verbo­ ten, falsche Tatsachen vorzuspiegeln oder erhebliche Tatsachen zu unter­ drücken51. Noch weiter reichende Ansprüche bieten sich den getäuschten Aktionären bei Fusionen, wenn die Angaben über auch nur eine der betei­ ligten Gesellschaften in dem allen Aktionären der zu verschmelzenden Ge­ sellschaften auszuhändigenden joint proxy Statement unrichtig oder unvoll­ ständig sind52. Ebenso wie Rule 10b-553 ist Rule 14a-9 als reiner Programmsatz formu­ liert und nicht als unmittelbar operativer Rechtssatz. Es war der Rechtspre­ chung vorbehalten, die tatbestandliche Konkretisierung vorzunehmen, etwa die Definition der subjektiven Voraussetzungen für eine Schadensersatzhaf­ tung, die Klärung der Anspruchsinhaberschaft sowie der Durchsetzungs­

49 Zum relevanten Test für rechtserhebliche Täuschungen TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 96 S.Ct. 2126 (1976). 50 § 14 Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 78n. 51 17 C.F.R. § 240.14a-9. 52 Das sog. joint proxy Statement, welches an sämtliche Gesellschafter aller beteiligten Gesellschaften, die der periodischen Publizitätspflicht nach dem Securities Exchange Act unterliegen, zu verteilen ist, wenn eine Fusion oder eine ähnliche Maßnahme zur Abstim­ mung steht, hat eine dreifache Bedeutung, sofern die Transaktion unter See.Act-Rule 145 (17 C.F.R. § 230.145) fallt: Finden sich in ihm Täuschungen, d.h. Vorspiegelung falscher oder Weglassen wesentlicher Tatsachen, so gewinnt diese Rechtsnatur besondere Relevanz. Es ist proxy Statement sowie registration Statement und prospectus im Sinne von § 5 See.Act., 15 U.S.C. § 77e. Entsprechend erweitert sich die Palette der Ansprüche und Rechte, die einem getäuschten Gesellschafter zu Gebote stehen. Er hat die Ansprüche nach § 1 l(a) See.Act (=falsche Angaben in einem registration Statement), aus § 12 See.Act (=unrichtiger prospectus), Rule 14a-9 ( = falsches proxy Statement) und Rule 10b-5 (=general antifraud Provision), siehe SEC-Release No. 33-5316 vom 6.10.1972 (37 F.R. 23631). 53 17 C.F.R. §240.10b-5.

Zuständigkeit bzw. der Klagebefugnis (standing to sue)54. Obwohl Rule 14a9 ganz nach dem Muster von Rule 10b-5 eher als Programmsatz formuliert ist, dessen Durchsetzung in erster Linie in den Händen der S.E.C. liegt, ent­ hält die Bestimmung doch mehr als eine administrative Eingriffsermächti­ gung. Die Bestimmung erlaubt ebenso eine Rechtsdurchsetzung durch Pri­ vate und insbesondere durch die geschädigten Anleger55. Aus dem Rechts­ satz, daß es bei einer reporting Company nach § 12 Sec.Exch.Act 56 verboten ist, Stimmrechtsvollmachten von den Aktionären anzufordern, wenn das obligatorisch mitzuliefernde Informationsmaterial über die Ausübung des Stimmrechts sowie über die Abstimmungsvorschläge falsche, irreführende oder unvollständige Angaben bezüglich abstimmungserheblicher Punkte ent­ hält, dem § 14 in Verbindung mit Rule 14a-9 Ausdruck verleihen, ergeben sich drei Rechtsfolgen: die Schadensersatzpflicht, die Rückgängigmachung der beschlossenen Maßnahme (rescission) sowie die Aufhebung eines Be­ schlusses der Anteilseignerversammlung57. Die letztere folgt daraus, daß die Stimmrechtsvollmachten, die aufgrund unzureichender Offenlegung der rele­ vanten Tatsachen erteilt wurden, unwirksam sind und zu keiner Willensbil­ dung taugen. 54 Klagebefugt ist die Gesellschaft (vertreten durch ihre Verwaltung oder einen Gesell­ schafter, der als Kläger einer derivative suit auftritt) oder jeder Gesellschafter, Bound Brook Water Company v. Jaffe, 284 F.Supp. 702 (D.N.J. 1968). 55 J.I. Case Comp. v. Borak, 377 U.S. 426, 84 S.Ct. 1555 (1964). Die Gerichte werden hier ausdrücklich dazu aufgerufen, diejenigen Rechtsbehelfe zu kreieren bzw. Maßnahmen zu verhängen, die notwendig sind, um die Absichten des Gesetzgebers zu implementieren. 56 Sofern die Gesellschaft nicht unter § 12 Sec.Exch.Act fallt und Rule 14a-9 nicht an­ wendbar ist, verbleibt es bei einer Auffangzuständigkeit von Rule 10b-5. Allerdings steht sich ein potentieller Kläger mit Rule 10b-5 als Anspruchsgrundlage im Vergleich zu Rule 14a-9 bei einem fehlerhaften proxy Statement schlechter, weil Rule 10b-5 als Anspruchs­ grundlage transaktionsbezogen ist (purchase/sale of any security). Bei Abstimmungen ist Rule 10b-5 daher nur einschlägig, wenn sich die Abstimmung auf eine Fusion oder die Ver­ äußerung wesentlicher Untemehmensteile bezieht, die für den Abstimmenden gleichzeitig mit einem Umsatzgeschäft in securities verbunden ist. Rule 14a-9 ist in seiner Rechtsschutz­ dichte intensiver, weil die Bestimmung auf dieses Transaktionserfordernis verzichtet. 57 Sowohl die S.E.C. wie ein privater Kläger können auf der Grundlage von § 14a Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 78n(a) eine Klage erheben mit dem Ziel, einen Generalver­ sammlungsbeschluß aufheben zu lassen, der auf durch Täuschung erlangten Stimmrechts­ vollmachten beruht, Mack v. Mishkin, 172 F.Supp. 885 (S.D.N.Y. 1959). Selbst wenn sich eine Gesellschaft in den Händen einer homogenen Mehrheitsgruppe befindet, die mit ihrem Stimmengewicht die eigenen Beschlüsse gegen die Minderheit durchsetzen kann, muß das eine Stimmrechtssammlung begleitende Informationsmaterial (proxy Statement) akkurat sein. Eine Täuschung zum Zwecke der Erlangung von Stimmrechtsvollmachten ist per se rechts­ widrig, selbst wenn es sich auf die Willensbildung arithmetisch nicht auszuwirken vermag. Zu beachten bleibt, daß das Informationsmaterial insoweit Eigengewicht hat, als es auch die Öffentlichkeit über die Lage der Gesellschaft unterrichten soll. Im übrigen können die Stimmen der Minderheit dann ins Gewicht fallen, wenn der Mehrheitsgesellschafter wegen einer Interessenkollision von der Abstimmung ausgeschlossen ist, Laurenzano v. Einbender, 264 F.Supp. 356 (E.D.N.Y. 1966).

Bei Ausfüllung der in Rule 14a-9 enthaltenen Ermächtigung haben die Gerichte dem getäuschten Aktionär in erster Linie Schadensersatz gegen den Täuschenden zugesprochen. Gegen diese Haftung kann der Schuldner nicht wie im deutschen Recht (§ 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG) einwenden, lediglich in Ausübung seines Stimmrechts gehandelt zu haben. Die Gerichte gewähren neben dem Schadensersatz insbesondere einstweiligen Rechtschutz gegen diejenige Maßnahme, die in Vollziehung des Beschlusses umzusetzen wäre, oder ordnen deren vollständige Rückgängigmachung an58. Der Angriffspunkt der Klage ist damit ein doppelter: Der Generalversammlungsbeschluß ist für sich genommen angreifbar. Ferner ist der Ausführungsakt durch eine einst­ weilige Anordnung verhinderbar bzw. bei schon erfolgter Vollziehung rück­ abzuwickeln. Im deutschen Recht ist die letztgenannte Rechtsfolge wenig­ stens umstritten59. Hinter § 14(a) Sec.Exch.Act und Rule 14a-9 steht der Gedanke, daß die Verfügung über das Stimmrecht und die in ihm steckende Gestaltungsmacht mit Bezug auf die Corporation ebenso bedeutsam ist für die Erhaltung der Wertkonstanz der Mitgliedschaft wie eine Verfügung über diese selbst durch eine Veräußerung. Das erstere ist der Schutzzweck von Rule 14a-9, das letztere der von Rule 10b-5. Der Verfügungscharakter von Abstimmungen der Gesellschafterversammlung tritt offen zutage, wenn es um die Billigung eines Fusionsplanes der Verwaltung geht, der im Falle sei­ ner Annahme den Gesellschaftern ihre Anteilsrechte nimmt. Daraus erklärt sich im amerikanischen Recht der Securities Regulation die Parallelität der Publizitätspflichten, denen diejenigen unterworfen sind, die Aktien auf den Kapitalmarkt bringen, ebenso wie diejenigen, die von Aktionären Stimm­ rechtsvollmachten für Aktien einfordem. Insgesamt bewirken § 14(a) Sec.Exch.Act sowie Rule 14a-9 eine begrü­ ßenswerte und notwendige Erweiterung des Rechtsschutzes. Die Eigenart der Willensbildung und -äußerung in der Anteilseignerversammlung von Publi­ kumsgesellschaften lehrt, daß es dort überhaupt nicht mehr auf den rein 58 In Mills v. Electric Auto-Lite Company, 396 U.S. 375, 90 S.Ct. 616 (1970) wird klargestellt, welche Rechtsfolgen in Frage kommen: Vernichtung eines Vertrages nach § 29(b) Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 78cc(b) für die Vergangenheit oder eine Unterlassungs­ verfügung. Legalisiert die Abstimmung eine Fusion, so kommt auch deren Rückabwicklung (Entflechtung) in Frage, sofern dies von den wirtschaftlichen Konsequenzen her tragbar ist (balancing the hardships), so bereits grundlegend J.I. Case Comp. v. Borak, 377 U.S. 426, 84 S.Ct. 1555 (1964). Ein Beschluß, der auf durch Täuschung erlangten Stimmrechtsvoll­ machten beruht, kann vom Gericht auf der Grundlage von Rule 14a-9 aufgehoben und eine neue Abstimmung angeordnet werden, Gladwin v. Medfield Corp., 540 F.2d 1266 (5th Cir. 1976). Zu den Anforderungen an die Kausalität Virginia Bankshares, Inc. v. Sandberg, 501 U.S. 1083, 111 S.Ct. 2749 (1991): die Täuschung eines Aktionärs, dessen Stimmen für das Erreichen einer benötigten Mehrheit nicht erforderlich sind, ist danach irrelevant. 59 Zur Folgenbeseitigung nach durchgreifender Anfechtung siehe etwa HÜFFER, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z. AktG, 1984, § 248 RdNr. 19 f. sowie unten § 17 IV 4 c.

technischen Vorgang der Abstimmung ankommt. Es ist einerlei, ob der Rechtsinhaber selbst abstimmt oder sich hierzu eines Vertreters bedient. Ent­ scheidend ist viel eher, den Zeitpunkt ins Visier zu nehmen, wo der Aktionär seine Entscheidung trifft, ob und wenn ja wem und mit welchen Weisungen er Stimmrechtsvollmacht erteilt. Der Abstimmungsvorgang ist bei der Publi­ kumsgesellschaft gestreckt, und dies gilt für das proxy voting wie für das Depotstimmrechtssystem. Nur folgerichtig ist es deshalb, den Informations­ vorgang derart in das Rechtsschutzsystem einzubeziehen, daß Beschlüsse auch der Anfechtung unterliegen, wenn die Aktionäre über die Grundlagen der Stimmrechtsausübung getäuscht wurden. Bei der public Corporation fin­ det eine Stimmrechtsakkumulation in den Händen oder im Lager solcher Personen statt, die ein Interesse daran haben, das Abstimmungsergebnis durch ihre Informationspolitik in eine bestimmte Richtung zu lenken. Dies ist umso bedenklicher, als dadurch Personen den Prozeß der Willensbildung in der Gesellschaft bestimmen, die selbst u.U. wegen mit dem Gesell­ schaftswohl kollidierender Eigeninteressen von einer Abstimmung ausge­ schlossen sind. Aus dieser Überlegung erhellen die Funktionen der Be­ schlußanfechtung: sie ist das Instrument zur Aufrechterhaltung einer integren Willensbildung der Corporation. Ferner verhütet sie a limine, daß sich je­ mand ein Mandat für die Gesellschaft durch rechtswidrig erlangte proxies er­ schleicht.

II. Sonderregime für Wahlen Nur für Wahlen unterstellen die Korporationsgesetze vieler Einzelstaaten die Beschlußanfechtung besonderen gesetzlichen Regeln60. Historisch sind diese Wahlanfechtungsverfahren aus den schwerfälligen Klagen des common law hervorgegangen. Die Verfahren des mandamus sowie des quo warranto sind alte Klageformen der equity. Der Rechtsbehelf des mandamus gestattet dem Gericht die Anordnung einer bestimmten Maßnahme gegenüber der Corporation oder ihrer Verwaltung, z.B. die Anberaumung einer Gesell­ schafterversammlung oder ihre Verschiebung wegen Einberufungsmängeln. Quo warranto andererseits war ein Sonderverfahren der equity jurisprudence, um zu überprüfen, ob eine Person rechtswirksam gewählt worden ist und ihr Amt zu Recht bekleidet61. Beide Gesichtspunkte treffen im Wahlprüfungs­ 60 Delaware 8 Del.Code § 225(b); New York §619 N.Y.B.C.L.; Kalifornien §709 Cal. Corp. Code. 61 Zu mandamus und quo warranto, vgl. 48 A.L.R.2d 615, § 3[a]. Noch heute gelten diese alten Verfahren in solchen Bundesstaaten, die keine gesetzlichen Grundlagen wie die in der vorigen FN exemplarisch aufgeführten Jurisdiktionen geschaffen haben.

verfahren zusammen. Die Möglichkeit der Überprüfung der Wahl eines Be­ werbers ist aus der allgemeinen Fragestellung der Beschlußanfechtung her­ ausgehoben, weil mit der Wahl eines Bewerbers seine Organstellung entsteht oder wenigstens der Rechtsschein ihres Bestehens erzeugt wird. Sie erlaubt es dem Inhaber, mit Wirkung für und gegen die Corporation zu handeln, ins­ besondere die Corporation zu verpflichten, es sei denn, daß der Vertragspart­ ner keinen Schutz verdient, weil er den Fehler im Bestellungsakt kannte oder kennen mußte. Aus der Beseitigung dieses Schwebezustandes im Interesse der Rechtssicherheit erklärt sich der Stellenwert dieses Rechtsbehelfs sowie das besondere Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers.

1. Einzelstaatliche Regelungen Die Verfahren nach §619 N.Y.B.C.L., 8 Del.Code §225, §709 Cal.Corp.Code vereinigen sowohl Elemente des mandamus wie des quo war­ ranto. Das Gericht besitzt eine kombinierte Anordnungs- und Überprüfungs­ befugnis. Die gesetzliche Regelung und Zusammenfassung in einem Verfah­ ren enthebt den Antragsteller der nicht einfachen Prüfung, ob in seinem Fall mandamus oder quo warranto die statthafte Verfahrensart ist62. Obgleich diese spezialgesetzlichen Verfahren nur für die Überprüfung von Wahlen er­ Mandamus ist im Vergleich zum deutschen Recht ein Verfahren der freiwilligen Gerichts­ barkeit. Es dient nicht der Entscheidung über Ansprüche der Beteiligten untereinander. Das Verfahren ist von alters her als Instrument verstanden worden - was die entwicklungs­ geschichtliche Parallele zu den §§ 241 ff. AktG sehr deutlich macht um die Corporation in ihrem gesetzlichen und statutarischen Handlungsrahmen zu halten und dabei staatliche Aufsicht über die Corporation stattfinden zu lassen, in diese Richtung Soreno Hotel Co. v. State, 144 So. 339 (Fla. 1932). Antragsbefugt sind Private, die in eigenen Rechten verletzt sind, oder die Staatsanwaltschaft. Das Gericht hat im mandamus-Verfahren eine weite Anordnungsbefugnis. Es kann die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung verfügen, sowie deren Verschiebung oder die Durchführung einer neuen Wahl wegen Unregelmäßig­ keiten in der vorangegangenen anordnen. Ferner kann das Gericht verfügen, daß ein ge­ wählter Kandidat seines Amtes für verlustig erklärt wird, vgl. zum letzteren speziell 5A Fletcher, Cyclopedia of the Law of Private Corporations, §§ 2374, 2375 (1987). Quo warranto baut wie das mandamus-Verfahren auf der Überlegung auf, daß der Staat einerseits der Corporation die Rechtsfähigkeit verleiht, sich dabei aber das Recht vorbehält, zu prüfen, ob die korporative Gewalt aufgrund von Gesetz und Satzung ausgeübt ist, und mit welcher Berechtigung dies geschieht. Das gleiche gilt für die Handlungen derjenigen, die für die Corporation handeln. Gegenstand eines quo warranto kann es sein, ob ein Mit­ glied der Verwaltung ordnungsgemäß durch Wahl bestellt worden ist und sein Amt zu Recht ausübt, vgl. 5A Fletcher, §§ 2324 ff. Beide Verfahren lassen sich trotz denkbarer Überschneidungen dahingehend abgrenzen, daß ein mandamus statthaft ist, um die äußere Form einer Abstimmung oder Wahl zu überprüfen oder eine solche überhaupt erst anzuordnen, während das quo warranto ihre materiell-inhalt­ liche Ordnungsmäßigkeit zum Gegenstand hat. 62 In solchen Bundesstaaten, die keine Bestimmungen über die Wahlanfechtung bzw. prüfung in ihre Korporationsgesetze aufgenommen haben, muß sich ein Anfechtungskläger nach wie vor des mandamus oder des quo warranto bedienen, und er hat insbesondere die nicht immer einfache Wahl zu treffen, welches der Verfahren statthaft ist. Im unstatthaften Verfahren ist die Klage ohne Sachprüfung abzuweisen.

öffnet sind, ist die Möglichkeit eines allgemeinen Rechtsschutzes gegen die Beschlüsse der Generalversammlung durch sie andererseits nicht versperrt63. Nach § 619 N.Y.B.C.L. soll das erstinstanzliche (Prozeß-)Gericht am Sitz der Gesellschaft auf einer schnell anzuberaumenden Sondersitzung in ei­ nem Eilverfahren das Vorbringen der Parteien anhören und daraufhin die Wahl bestätigen, eine erneute Wahl anordnen oder andere Verfügungen tref­ fen, so wie dies die Billigkeit im Einzelfall erfordern mag. Es handelt sich um eine typische Umschreibung der equitable powers eines Gerichts. Diesem Vorbild folgen die Korporationsgesetze in vielen Bundesstaaten mit gering­ fügigen Variationen. Während in Delaware64 jeder Gesellschafter die An­ tragsbefugnis besitzt ohne Rücksicht auf eine persönliche und unmittelbare Beschwer durch die angefochtene Wahl, verlangt New York im Einklang mit den meisten anderen Staaten für die Antragsbefugnis seit einer Novelle aus dem Jahre 1961, daß der antragstellende Gesellschafter durch die Wahl un­ mittelbar beschwert ist. Der Antragsteller muß in der Regel durch das Ak­ tionärs Verzeichnis als Gesellschafter legitimiert sowie bei der Wahl anwesend und unterlegen gewesen sein. In New York besitzt nur ein Gesellschafter das Antragsrecht, nicht dagegen ein abgewähltes oder nicht gewähltes Mitglied des board of directors. Sonstige Mitglieder der Ver­ waltung besitzen kein Anfechtungsrecht, es sei denn, sie besitzen selbst Anteile an der Gesellschaft, oder es gelingt ihnen, einen Aktionär für die Stellung des Antrags zu gewinnen. New York behandelt das Anfechtungs­ recht damit als exklusives Individualrecht des Gesellschafters, obwohl die zu klärende Sachfrage einen nicht zu leugnenden Bezug zu den Interessen der Corporation und ihrer Vertretungsorgane aufweist65. Überlegener erscheint daher die in Delaware verwirklichte Lösung, die die Antragsbefugnis jedem

63 Zu einem allgemeinen Beschlußanfechtungsverfahren wie in 8 Del.Code § 225(a) so­ gleich unten im Text III. 64 8 Del.Code § 225. 65 § 619 N.Y.B.C.L. mußte eine einschneidende Veränderung hinnehmen. Die früher geltende Fassung gewährte jedem in eigenen Rechten verletzten Mitglied ("any aggrieved member”) die Antragsbefugnis. Dies ist ein eindeutig weiteres Konzept. Während das frü­ here Recht von der Rechtsprechung so ausgelegt wurde, daß unter "aggrieved member" jeder betroffene Beteiligte zu verstehen war, ist das Antragsrecht nunmehr den Gesellschaftern mit finanzieller Beteiligung am Gesellschaftsvermögen vorbehalten. Abgestellt wird also auf eine Mitgliedschaft aufgrund Kapitaleinlage. Es ist daher fraglich, ob unter der Geltung des jetzigen Rechts (Wandel-)Anleihegläubiger der Corporation noch antragsbefugt wären, so etwa Wyatt v. Armstrong, 59 N.Y.S.2d 502 (Spr.Ct. 1945), ob die Gesellschaft selbst, vertreten durch ein Mitglied ihrer Verwaltung, den Antrag stellen kann, so zum alten Recht In re Election of Directors of Hammond Light & Power Co., Inc., 228 N. Y.S. 70 (Spr.Ct. 1928), oder ob gar ein bei der Wahl unterlegener Kandidat ohne eigenen Anteilsbesitz das Verfahren in Gang bringen könnte, so zum früheren Recht In re Workmen's Benefit Fund of United States, 38 N.Y.S.2d 429 (App.Div. 1942).

Gesellschafter und jedem Boardmitglied einräumt. Dies paßt besser zum statusbestimmenden Charakter des Verfahrens. Bemerkenswert für das Wahlanfechtungsverfahren ist, daß sich die Recht­ sprechung von Anbeginn an dem Versuch verschlossen hat, der Motivation des Antragstellers Bedeutung für die Begründetheit des Antrages zuzumes­ sen66. Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich, ob der Gewählte aus ei­ ner ordnungsgemäß abgehaltenen Wahl hervorgegangen ist und die Wählbar­ keitsvoraussetzungen besitzt. Konsequent wird es als gleichgültig angesehen, ob es dem Antragsteller in Wahrheit nur darauf ankommt, einen Konkurren­ ten wegen persönlicher Animositäten aus dem Felde zu schlagen. 2. Veifahrensbeteiligte und rechtliches Gehör Wie bei der Shareholders’ derivative suit ist die Gesellschaft im Wahlan­ fechtungsverfahren eine notwendige Partei auf der beklagten Seite67. Formal hängt dies damit zusammen, daß die Wahl ein Gesamtakt der Corporation ist. Jede Konstruktion, die die Gesellschaft nicht in die Rechtskraft eines Urteils einbezieht, bleibt solange unvollkommen, als eine spätere Verwaltung die Wirkungen des Urteils gegen sich in Frage stellen darf. Die Verwaltung selbst und sonstige Gesellschafter, welche dem Antragsteller nicht als Streit­ helfer beitreten, oder nicht gewählte Kandidaten sind keine Verfahrensbetei­ ligten. Jedoch verlangen die einschlägigen Gesetze der Einzelstaaten mit Recht eine Benachrichtigung über die Einleitung und den Ablauf des Verfah­ rens, um diesen Personen im Hinblick auf ihre unbestreitbare Betroffenheit rechtliches Gehör zu gewähren, so daß die Erstreckung der Rechtskraft auf sie vertretbar ist. Parallelen zur derivative suit weist das Wahlprüfungsverfahren schließlich mit Bezug auf die Einwirkungsmöglichkeiten der Parteien auf den Verfah­ rensgegenstand auf. Ist das Verfahren einmal in Gang gesetzt, so endet die unumschränkte Herrschaft der Beteiligten über dessen Fortgang oder Ab­ bruch, weil in dieser Entscheidung ein ebenso großes Mißbrauchspotential steckt wie bei der derivative suit und bei der dass action. Die Gerichte ver­ langen für eine wirksame, d.h. verfahrensbeendigende, Klagerücknahme oder eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens, eine inhaltliche Über­ prüfung der Gründe durch das Prozeßgericht sowie eine Benachrichtigung der übrigen Beteiligten. Dies sind diejenigen Personen die anstelle des An­ tragstellers die Antragsbefugnis gehabt hätten68. Sie stehen sich wie die 66 In re Northern Dispensaryy 56 N.Y.S. 784 (Spr.Ct. 1899). 67 Christ v. Lake Erie Distributors Inc.y 273 N.Y.S.2d 878, 886 (Spr.Ct. 1966). 68 So namentlich Borer v. Assoc. General Utilities, 111 A.2d 707 (Del.Ch. 1955) unter Berufung auf die Bestimmungen über die dass action. Das Gericht versäumt es allerdings

Klassenmitglieder bei der dass action. Die Regelung bezweckt die Verhinde­ rung geheimer Vergleiche, in denen sich ein Antragsteller für eine Beendi­ gung des Verfahrens eine Abstandszahlung versprechen läßt und die Interes­ sen der Gesellschaft verrät. Diese zutreffende Behandlung der Frage der Parteiherrschaft über den Verfahrensgegenstand enthält einen nützlichen Hinweis auf die Rechtsnatur des Antragsrechts überhaupt. Mit der Anwen­ dung der Verfahrensmaximen der dass action bzw. der derivative suit ist implizit die Einordnungsentscheidung getroffen, daß es sich bei dem An­ fechtungsrecht nicht um ein reines Individualrecht des Gesellschafters han­ deln kann. Stimmiger erscheint die Deutung, daß dieses Recht, wiewohl von jedem Gesellschafter ausübbar, seinen Ursprung letztlich in der Gemein­ schaft aller Gesellschafter findet. Die Vergemeinschaftung trägt der Erkennt­ nis Rechnung, daß in dem Verfahren ein Punkt von grundsätzlicher Bedeu­ tung für die Gesellschaft geklärt wird und daß der Gesellschafter nur den Anstoß für diese Prüfung gibt. 3. Zuständigkeit, schiedsrichterliche Entscheidung und Fristen Das Bild der Ähnlichkeiten, welches das gesetzliche Wahlprüfungsverfah­ ren mit den Bestimmungen über die Anfechtung von Hauptversammlungs­ beschlüssen des deutschen Rechts aufweist, rundet sich ab mit der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts sowie den Klagefristen. Örtlich zuständig ist das staatliche Gericht69, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat. Diese Entscheidung ist aus Gründen der Verfahrenskonzentration und zur Vermeidung divergierender Entscheidungen notwendig. Ohne ausdrück­ lichen Gerichtsstand dieser Art könnten verschiedene Gerichte mit der Klä­ rung derselben Streitfrage befaßt werden, und es müßte sich die Gesellschaft möglicherweise vor verschiedenen Gerichten verteidigen. Die Nähe von Ge­ richtsort und Verwaltungssitz der Gesellschaft, wo in aller Regel die Gene­ ralversammlungen abzuhalten sind, trägt ferner dazu bei, daß sich das Ver­ fahren mit der gebotenen Zügigkeit durchführen läßt70. darzulegen, worin die Parallele des Verfahrens nach 8 Del.Code § 225 mit der dass action besteht. Das Gericht begründet die Anwendung der Sonderbestimmungen über die Klage­ rücknahme bzw. den Prozeßvergleich lediglich damit, daß, obwohl die Voraussetzungen ei­ ner dass action unstreitig nicht erfüllt seien, das Verfahren nach § 225 dieselbe Miß­ brauchsanfälligkeit aufweise. Zur Kritik dieses Begründungsansatzes alsbald unten im Text. 69 Zur ausschließlichen Zuständigkeit der Bundesgerichte auch für die nach einzelstaat­ lichem Recht zu beurteilenden Ansprüche noch sogleich unten 5. 70 New York beispielsweise hat das Wahlprüfungsverfahren als Eilverfahren ausgestal­ tet: ”... the court ... at a special term ... shall forthwith hear ...", § 619 N.Y.B.C.L. Es ist ein früher Gerichtstermin abzuhalten, in dem über die behaupteten Mängel der Wahl be­ schleunigt entschieden wird. Wahlprüfungssachen genießen in New York von Gesetzes we­ gen eine Terminierungspräferenz (trial preference).

Für den Antrag besteht eine Frist — in der Länge von Staat zu Staat vari­ ierend — ähnlich wie nach § 246 Abs. 1 AktG71. Nach Verstreichen dieser Frist, ist der Anspruch, der dem Verfahren zugrundeliegt, verjährt. Der Be­ schlußmangel muß der antragsbefugten Partei jedoch zur Kenntnis gelangt sein, was etwa für die Wahrung der Frist nach § 246 Abs. 1 AktG unerheb­ lich ist. Ebenso wie das deutsche Recht unterscheidet das amerikanische zwi­ schen Wahlmängeln, die die Anfechtbarkeit begründen (voidable election) und solchen, die die Wahl nichtig (void election) oder schlechterdings zur Nicht-Wahl machen. Nur bei der ersten Fallgruppe muß das Wahlanfech­ tungsverfahren in den beschriebenen zeitlichen Grenzen angestrengt werden, um die Aufhebung der Wahl zu erreichen. Absolute Nichtigkeitsgründe oder gar die Feststellung einer Nicht-Wahl sind auch außerhalb des normalen Wahlanfechtungsprozesses und unabhängig von den hierfür geltenden Fristen möglich. Auch schon vor Ablauf der Verjährung kommt ein Ausschluß des Anfechtungsrechts nach den Grundsätzen der Verwirkung (laches) in Be­ tracht, wenn der Antragsteller gegenüber der Corporation als Antragsgegne­ rin ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus welchem geschlossen werden darf, daß er von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen will72. Eine Verwirkung (estoppel) kann schließlich durchgreifen, wenn ein Gesellschaf­ ter nicht direkt auf der Generalversammlung offenkundige Einberufungs­ mängel beanstandet73, obwohl ihm eine Rüge den Umständen nach möglich 71 In New York beträgt die Anfechtungsfrist vier Monate. Die Rechtsprechung wendet die viermonatige Verjährungsfrist von § 217 CPLR auf § 619 N.Y.B.C.L. an, vgl. Christ v. Lake Erie Distributors Inc., 273 N.Y.S.2d 878 (Spr.Ct. 1966). Daran ist zweierlei bemer­ kenswert: Zunächst bestätigt der Umstand, daß es sich um eine materiellrechtliche Verjäh­ rungsfrist und nicht um eine prozessuale Ausschlußfrist handelt, die rechtliche Natur des Anfechtungsrechts als Anspruch. Sein Inhalt besteht in der subjektiven Berechtigung des In­ habers auf ordnungsgemäße Amtswalterbestellung durch Wahlen bzw. der Entfernung sol­ cher Personen, die ihr Amt nicht ordnungsgemäß innehaben. Verjährungsfristen wie § 217 CPLR sind als Einreden geltend zu machen, anderenfalls geht das Gegenrecht verloren. Das amerikanische Zivilprozeßrecht sieht formalere Grenzen für die Geltendmachung der Einrede vor als das deutsche. Um sich die Einrede als Verteidi­ gungsrecht zu erhalten, muß der Beklagte entweder schon in seiner ersten Einlassung auf die Klage (pre-answer motion) die Klageabweisung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Verjährungseinrede beantragen - siehe Rule 3211(a)(5) CPLR - oder der Kläger muß in der Klagebeantwortung das Verteidigungsrecht (affirmative defense) vortragen, § 3018(b) CPLR. Die Verjährungseinrede nach § 217 CPLR für Rechte oder Ansprüche, die im Ver­ fahren nach § 619 N.Y.B.C.L. verfolgt werden können, geht für den Fall verloren, daß sie nicht prozeßordnungsgemäß vorgebracht werden, Winter v. Board of Assessors of County of Nassau, 311 N.Y.S.2d 684 (Spr.Ct. 1969). Im Vergleich zu § 246 Abs. 1 AktG, der eine strikte Ausschlußfrist statuiert, vermeidet die Lösung über eine flexiblere Verjährungsfrist unbillige Härten gegenüber bestimmten Antragstellern. Bei Minderjährigen etwa beginnt der Lauf der Verjährung nicht bevor die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eingetreten ist, vgl. § 208 CPLR. 72 Carter v. Muscat, 251 N.Y.S.2d 378 (App.Div. 1964). 73 Ein zwingendes Oppositionserfordernis statuiert § 245 Nr. 1 AktG. Zur Kritik hieran unten § 17 IV 2 a.

und zumutbar war74. Dieses Erfordernis will für schnelle Rechtsklarheit sor­ gen und verhindern, daß sich ein Antragsteller Anfechtungsgründe gewis­ sermaßen auf Vorrat zulegt. Wahlanfechtungsstreitigkeiten nach §619 N.Y.B.C.L. galten in New York nach älterer Rechtsprechung als nicht schiedsfähig75. Ob die Gerichte in Zukunft ebenso judizieren werden unter dem Eindruck einer insgesamt aufgeschlosseneren Haltung des Supreme Court gegenüber der Schiedsfähig­ keit von Klagen über Ansprüche aus dem Gebiet der Securities Regulation, darf zumindest bezweifelt werden76. Für beide Verfahrenstypen darf im glei­ chen Sinne entschieden werden, da die Problemstellung in beiden Rechtsge­ bieten ähnlich ist. Von Einfluß ist sicher die Entwicklung der Schiedsfähig­ keit der derivative suit77, die im Grunde bereits eine Aussage über die Schiedsfähigkeit der Gesellschafterklagen im allgemeinen beinhaltet. Die Bejahung der Schiedsfähigkeit wirft Fragen auf hinsichtlich der Bindung der vom streitigen Sachverhalt Betroffenen, die möglicherweise keine Ver­ tragsparteien der Schiedsabrede sind. Die noch grundsätzlichere Bedeutung liegt in der Erstreckbarkeit der Wirkungen der Schiedsabrede, die immerhin die Entscheidungszuständigkeit eines staatlichen Gerichts versperrt, auf Dritte und der Gewährleistung ihres rechtlichen Gehörs im Schiedsverfahren. Solche Verträge mit potentiell drittbelastenden Wirkungen sind mit großer Zurückhaltung zu sehen. In der neueren Rechtsprechung des Supreme Court liegt insofern eine Aufweichung des Vertragserfordernisses, als hier formu­ larmäßig bedungene Schiedsabreden sehr weitgehend zugelassen sind. Wie bei der Erstreckung von Schiedsklauseln auf Dritte fehlt hierbei für eine ge­ bundene Person die Chance, ihre Gebundenheit von einem wirklichen Aus­ handeln abhängig zu machen78. 4. Gerichtlicher Prüfungsumfang und taugliche Anfechtungsgründe

Der Prüfungsumfang und die Gestaltungsbefugnis des Gerichts im Wahl­ anfechtungsverfahren sind sehr weitreichend. Die Bandbreite möglicher Ent­ 74 Chiulli v. Cross Westchester Development Corp., 515 N.Y.S.2d 546 (App.Div. 1987): Das Klagerecht wird verwirkt, wenn der Gesellschafter eine - wie er von Anfang an wußte - am falschen Ort einberufene Aktionärsversammlung besucht, ohne diesen Einberu­ fungsmangel unverzüglich zu rügen. Das gleiche gilt, sofern der Aktionär ohne ordnungs­ gemäße Ladung auf der Hauptversammlung erscheint und den Mangel nicht unverzüglich beanstandet. 75 So In re Scuderi, 39 N.Y.S.2d 422 (App.Div. 1943), app.den. 41 N.Y.S.2d 179 (N. Y. 1943) allerdings ohne nähere Begründung für diesen Standpunkt. 76 Shearson/American Express, Inc. v. McMahon, 482 U.S. 220, 107 S.Ct. 2332 (1987) zu § 14 See.Act 1933, 15 U.S.C. § 77n. 77 Siehe oben § 9 III. 78 Zur Lösung dieses Dilemmas durch Gewährung eines Optionsrechts unten § 22 III.

Scheidungsinhalte, die das Gericht nach eigenem Dafürhalten bestimmen darf, reicht von der Aufhebung der Wahl bis zur Anordnung einer neuen Wahl unter Einschluß von Auflagen, die der Gesellschaft aufgeben, wie eine Wiederholungswahl auszuführen ist. Ein gerichtliches Einschreiten steht im­ mer unter dem Vorbehalt, daß ein Fehler für das Abstimmungsergebnis ur­ sächlich war. Hierunter fallen namentlich die Auszählungsfehler etwa infolge eines Mitzählens ungültiger Stimmen, speziell die Wertung der Stimmen vom Stimmrecht ausgeschlossener Aktionäre. Die Anfechtungsgründe können in formellen oder materiellen Beschluß­ mängeln bestehen. Zwischen beiden Formen ist zu trennen, weil, je nachdem zu welcher Kategorie ein Fehler zählt, unterschiedliche Konvaleszenzmög­ lichkeiten existieren. Mängel in der Form sind in aller Regel eher heilbar79. Bei den Beschlußmängeln sind solche Verstöße relevant, die gegen das Ge­ setz, gegen Bestimmungen im certificate of incorporation oder in den bylaws oder gegen sonstige Vereinbarungen, etwa einen Stimmbindungsver­ trag80, verstoßen. Die Gerichte erklären Wahlen für ungültig, wenn darin eine betrügerische Schädigung der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter liegt81. Schließlich ist die Wahl anfechtbar, wenn eine höhere Anzahl von Direktoren gewählt wird, als laut certificate of incorporation erlaubt82. Im Wahlanfechtungsverfahren ist das Gericht bei seiner Entscheidung nicht an die Anträge der Verfahrensbeteiligten gebunden. Die Wahlanfech­ tung ist ein objektives Verfahren, und ihr Streitgegenstand untersteht nicht der Parteiwillkür. Was gilt, wenn die Anfechtung durchdringt und das Ge­ richt zu dem Resultat gelangt, daß nicht der gewählte, wohl aber ein anderer Kandidat die erforderliche Stimmenzahl erhalten hat? Muß sich das Gericht nach dem Grundsatz der Selbstbeschränkung damit begnügen, die vom Ver­ sammlungsleiter festgestellte Wahl für ungültig zu erklären, oder kann es den tatsächlich siegreichen Kandidaten für gewählt erklären? Diese alte Streitfrage berührt die Kompetenzabgrenzung zwischen Gericht und Gesell­ schaft. Lautete die Antwort, daß das Gericht nur die Unwirksamkeit der 79 Dazu bereits oben FN 74. 80 Davido^ v. Donow, 216 N.Y.S.2d 257 (Spr.Ct. 1961). 81 Kalmanash v. Smith, 51 N.E.2d 681 (N.Y. 1943). 82 In re Multifade Corporation of America, 97 N.Y.S.2d 609 (Spr.Ct. 1950): Wenn nach der Satzung eine festgelegte Höchstzahl von Direktoren zu wählen ist, kann die Anteilseignerversammlung nicht eine größere Zahl wählen, weil sonst zusätzliche Personen mit Vertretungsmacht für die Gesellschaft ausgestattet und die Gewichte im board of direc­ tors verschoben würden. Geschieht dies gleichwohl, so hebt das Gericht die Wahl aller Kan­ didaten auf und nicht nur die der überzählig Gewählten, weil dem Gericht nicht eine Selek­ tionsentscheidung darüber zukommt, wem das überzählige Mandat abzuerkennen ist. Dar­ über haben die Gesellschafter zu entscheiden. Diese Entscheidung bestätigt die Funktion der Anfechtung als Abwehrmittel gegen faktische Satzungsdurchbrechungen.

Wahl des Unterlegenen oder Nichtgewählten feststellen kann, so behielte die Corporation das Recht, an seiner Statt einen anderen Kandidaten zu wählen, obwohl sich vielleicht schon im ersten Wahlgang ein anderer Bewerber tatsächlich durchgesetzt hat. Die ältere Rechtsprechung83 hat entschieden, daß das Gericht im quo warranto-Verfahren nur befugt ist, die Ordnungsge­ mäßheit der Wahl des streitgegenständlichen Kandidaten zu prüfen. An die Gesellschaft fiele dann im Falle der Ungültigerklärung der Wahl das Recht zurück, einen neuen Funktionsträger zu wählen. Die Korporationsgesetze vieler Jurisdiktionen haben diesen Standpunkt mittlerweile aufgegeben84. In den Mittelpunkt des Wahlprüfungsverfahrens ist die statusrechtliche Klärung getreten. Der Funktionswandel, den der Rechtsbehelf durch die Kodifizie­ rung erfahren hat, konnte nicht ohne Auswirkungen auf den Streitgegenstand der Wahlanfechtung bleiben. Das Verfahren trägt heute nicht nur kassato­ rische Züge, sondern ist um konstruktive Elemente erweitert, um die Hand­ lungsfähigkeit der Corporation zu sichern und um dem Willen der Aktionäre zum Durchbruch zu verhelfen. 5. Rechtsweg für bestimmte Anfechtungsklagen

Die im vorangegangenen getroffene Feststellung über die gerichtliche Zu­ ständigkeit von Wahlanfechtungsverfahren bedarf der Ergänzung mit Bezug auf bestimmte Anfechtungsgründe. Normalerweise ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz unterhält. Bei unter­ schiedlichem Wohnsitz von Antragsteller und Gesellschaft existiert keine Ge­ richtszuständigkeit der federal courts auf der Grundlage einer diversity of citizenship (28 U.S.C. § 1332), da der in den einzelstaatlichen Korpora­ tionsgesetzen angeordnete Gerichtsstand (z.B. in §619 N.Y.B.C.L.) vor­ geht. Rechtswegüberschneidungen können sich allerdings ergeben, wenn die Wahlanfechtung darauf gegründet ist, daß eine Stimmrechtssammlung (proxy solicitation) unter Verstoß gegen die einschlägigen Publizitätsvorschriften des Securities Exchange Act stattgefunden hat. Liegt ein Verstoß - etwa in Form von unrichtigen Darstellungen über entscheidungswesentliche Um­ stände - gegen einzelstaatliches Recht vor, so bleibt ein Wahlanfechtungs­ 83 Schmidt v. Mitchell, 41 S.W. 929 (Ky. 1897). 84 Zum Beispiel erlaubt § 619 N.Y.B.C.L. dem Gericht im Wahlprüfungsverfahren ausdrücklich neben der Bestätigung der angefochtenen oder der Anordnung einer neuen Wahl die Ergreifung solcher sonstigen Maßnahmen, die im Interesse der Gerechtigkeit nötig sind. Deutlicher noch bestimmt 8 Del.Code § 225, daß zu den zulässigen Entscheidungsinhalten des Court of Chancery der Feststellungsanspruch einer Person gehört, ein Amt bekleiden zu dürfen. Dies entspricht der positiven Beschlußfeststellungsklage des deutschen Rechts, die lange umstritten war, siehe nur BGHZ 76, 191 (197 ff.) mit Nachweisen.

verfahren vor dem örtlich zuständigen einzelstaatlichen Gericht statthaft. Liegt andererseits ein Verstoß gegen die federal proxy rules nach dem Secu­ rities Exchange Act vor, weil die Gesellschaft nach dessen § 1285 dem Sy­ stem der fortlaufenden Publizität unterliegt (reporting Company) und stehen einem durch Täuschung zur Stimmabgabe verleiteten Gesellschafter Rechte aus Rule 14a-9 oder Rule 10b-5 zu, so ist für eine Klage gemäß § 27 Sec.Exch.Act86 die ausschließliche Zuständigkeit der Bundesgerichte eröff­ net87. Der durch das Bundesrecht angeordnete ausschließliche Gerichtsstand setzt sich gegenüber einem nach einzelstaatlichem Recht begründeten Ge­ richtsstand durch88. Ist danach auch nur einer unter mehreren Klagegründen auf die Verlet­ zung der federal proxy rules gestützt, so ist für die Aburteilung dieses Teiles des Streitgegenstandes ausschließlich ein federal court zuständig. Für die üb­ rigen Teile bleiben die staatlichen Gerichte an sich entscheidungsbefugt. Je­ doch muß der Kläger eine solche Aufspaltung des Streitgegenstandes nicht vornehmen. Er darf sich der Vorzugswürdigen Prozeßführung vor den Bun­ desgerichten bedienen89. Die Rechtsfigur der pendent jurisdiction90 erlaubt es, vor dem Bundesgericht ausnahmsweise die nach einzelstaatlichem Recht zu beurteilenden Fragen zur Verhandlung zu bringen, nicht aber kann umge­ kehrt vor dem einzelstaatlichen Gericht eine Entscheidung über bundesrecht­ liche Fragen erfolgen, weil der ausschließliche Gerichtsstand zugunsten der Bundesgerichte dem staatlichen Gericht insoweit keine Jurisdiktionsgewalt beläßt. Ist auch nur ein Teil des Streitgegenstandes auf eine Frage der bun­ desrechtlichen Kapitalmarktgesetzgebung bezogen, so ist der Kläger gut be­ raten, vor einem Bundesgericht zu klagen. Keinen Abbruch tut die Konkur­ renz der Rechtswege zwischen Bundes- und Einzelstaatsgerichten dem mög­ lichen Urteilsinhalt. Rechtsfolge ist jedesmal die Aufhebung eines fehlerhaf­ ten Beschlusses91. Aus der Sicht des Klägers bringt die durch den föderativ verfaßten Staatsaufbau der USA bedingte Zweispurigkeit des Rechtsweges kein Gefälle in der Effizienz des begehrten Rechtsschutzes mit sich. 85 15 U.S.C. § 781(g). 86 15 U.S.C. § 78aa. 87 Investment Associates, Inc. v. Standard Power & Light Corp., 48 A.2d 501 (Del.Ch. 1946), aff’d 51 A.2d 572 (Del. 1947). 88 Der ausschließliche Gerichtsstand für Wahlanfechtungs- und -prüfungssachen nach einzelstaatlichem Recht (etwa §619 N.Y.B.C.L.) wird von ausschließlichen Gerichtsstands­ anordnungen des Bundesrechts verdrängt, wenn eine ausschließliche Zuständigkeit der Bun­ desgerichte (etwa nach § 27 Sec.Exch.Act) gegeben ist. Diese Verdrängung von Landesrecht durch Bundesrecht folgt aus der supremacy clause der Bundesverfassung, Art. VI § 2. 89 Zu den Vorzügen einer Prozeßführung vor den Bundesgerichten bereits oben § 6. 90 Zur Figur der pendent jurisdiction siehe § 6 V. 91 Edelman v. Salomon, 559 F.Supp. 1178 (D.Del. 1983).

III. Die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen im allgemeinen Als Ergebnis einer Umschau unter den Korporationsgesetzen der Einzel­ staaten läßt sich festhalten, daß aus der Gesamtheit aller Gesellschafterbe­ schlüsse diejenigen herausgehoben sind, die Wahlen zum Gegenstand ha­ ben92. Eine Ausnahme hiervon macht der Staat Delaware mit einer Ergän­ zung zu seinem General Corporation Law aus dem Jahre 1985. Dessen § 225(b)93 sieht nunmehr vor, daß eine gerichtliche Überprüfung jedweder Beschlüsse der Gesellschafter zulässig ist. Allerdings billigt das Gesetz die Antragsberechtigung nur Gesellschaftern zu, nicht auch Verwaltungsmitglie­ dem ohne eigenen Anteilsbesitz. Rechtspolitisch erscheint diese begrenzte Antragsbefugnis als nicht gelungen, weil die Verwaltung vermöge ihrer Amtsstellung ein ebenso begründetes Interesse an der Ordnungsmäßigkeit von Gesellschafterbeschlüssen hat, wie jeder Gesellschafter. Für die Gesell­ schafter ergibt sich das Interesse an einer Anfechtung aus ihrem in der Ge­ sellschaft gebundenen Investment. Das Interesse der Verwaltungsmitglieder an einer Anfechtung von Beschlüssen der Anteilseignerversammlung ist nicht minder groß, weil sie solche Beschlüsse einerseits ausfuhren müssen, ande­ rerseits aber durch die Ausführung rechtswidriger Beschlüsse der Gesell­ schaft gegenüber in Haftung geraten mögen. Als Ausfluß des fiduciary principle ist die Verwaltung verpflichtet, die Gesellschaft vor Schäden in Voll­ ziehung rechtswidriger Beschlüsse zu bewahren94. Die Shareholders und der board of directors sind gleichermaßen dafür verantwortlich, daß sich der Wille der Corporation nur im gesetzlich und statutarisch fixierten Handlungs­ rahmen betätigt. Der Prozeßbetrieb ist für den Gesellschafter-Kläger dadurch erleichtert, daß es für eine wirksame Klageerhebung gegen die Gesellschaft als Antrags­ gegnerin ausreicht, daß die Klage an ihren lokalen gesetzlichen Zustellungs­ bevollmächtigten (registered agent95) zugestellt wird. Andere Beteiligte etwa diejenigen Gesellschafter, die den fraglichen Beschluß gefaßt haben sind nicht zu verklagen. Jedoch steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, den Antrag anderen Beteiligten, deren Interessen durch das An­ 92 Im deutschen Recht gelten für die Anfechtung der Wahlen von Aufsichtsratsmitglie­ dern ebenfalls besondere Bestimmungen, vgl. §§ 250-252 AktG. Systematische Stellung und Inhalt dieser Normen deuten an, daß es sich um Modifikationen des allgemeinen Beschluß­ anfechtungsrechts handelt. 93 8 Del.Code § 225(b). 94 Auf dieser Erwägung basiert das Anfechtungsrecht der Verwaltung nach § 245 Nr. 4 •c! 5 AktG; dazu noch eingehend unten § 17 IV 2. •5 Vgl 8 Del.Code §§ 131 ff.

fechtungsverfahren berührt werden, zugänglich zu machen und ihnen so Ge­ legenheit zu einem förmlichen Beitritt zum Rechtsstreit zu bieten. Diese Problematik ist auch im deutschen Recht hinlänglich bekannt96. Die Gesell­ schaft ist zwar Antragsgegnerin, doch ist sie nur in formeller und nicht in materieller Hinsicht Partei des Verfahrens, weil sie den angefochtenen Be­ schluß nicht gefaßt hat, sondern dieser ihr nur zuzurechnen ist. Die Benach­ richtigung durch das Gericht verfolgt erkennbar den Zweck, der Gesell­ schafter-Mehrheit, die den Beschluß gefaßt hat, durch Zubilligung recht­ lichen Gehörs die Möglichkeit zu eröffnen, "ihren" Beschluß vor der Aufhe­ bung durch das Gericht zu bewahren und ihre Argumente vorzubringen. Delaware hat damit wieder einmal Schrittmacherdienste geleistet bei der Fortentwicklung des amerikanischen Korporationenrechts auf einem ganz zentralen Sektor. Hierbei geht es um mehr als die Verbesserung des indivi­ duellen Rechtsschutzes der Gesellschafter. Die rechtsdogmatische Bedeutung von 8 Del.Code § 225(b) liegt in der Verbreiterung des mit der derivative suit gelegten Fundaments des verbandsintemen Rechtsschutzes sowie in sei­ nem Ausbau zu einem Verbandsinnenstreitverfahren für die privatrechtlichen Korporationen. Lückenlos ist das Korporationsverfassungsstreitverfahren damit jedoch noch nicht. Als weiterer unverzichtbarer Baustein muß hinzu­ treten, daß auch die Beschlüsse des board of directors als Gesellschaftsorgan einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen und ebenso wie sonstige Beschlüsse aufhebbar sind97.

IV.

Fazit und Ausblick

Eine Zusammenschau der Rechtsbehelfe von Gesellschaftern, die auf eine Einhaltung des gesetzlichen und statutarischen Handlungsrahmens der Aus­ übung korporativer Gewalt gerichtet sind, bedarf sowohl der Gewährung von Rechtsschutz gegen Ausführungsentscheidungen der Verwaltung wie gegen Konzeptionsbeschlüsse der Anteilseignerversammlung. Für das erste steht die derivative suit, für das letztere die Beschlußanfechtung zur Verfügung. In einem wirklich effizienten Rechtsschutzmodell müssen wenigstens beide Platz finden. Flankierend ist dieses System durch einen Rechtsbehelf gegen die Beschlüsse und Maßnahmen der Verwaltungsorgane zu ergänzen98. Aus 96 Siehe § 246 Abs. 2 Satz 1 AktG. Zu den Konsequenzen BVerfGE 60, 7. 97 Nachfolgend unten § 13. 98 Zum deutschen Recht siehe BGHZ 106, 54 - "Adam Opel" mit Anm. T. Raiser AG 1989, 185; BGHZ 122, 342; OLG Celle DB 1989, 2422 - "Pelikan"; aufgeschlossener demgegenüber die Vorinstanz LG Hannover ZIP 1989, 1320 mit Anm. Finken EWiR 1989, 941. Daß es sich bei diesen Entscheidungen um Auseinandersetzungen zwischen Arbeitneh­ mervertretern und Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat handelte, die auch mitbestim­

rechtsvergleichender Perspektive ist festzustellen, daß das amerikanische Recht den Akzent eindeutig auf die Einzelklagebefugnis des Gesellschafters legt, während das deutsche Recht seinen Schwerpunkt einstweilen noch bei der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen setzt. Gerade die rechtsvergleichende Perspektive arbeitet heraus, daß es sich um Rechtsinsti­ tute mit komplementären Funktionen handelt. Zwischen beiden Einrich­ tungen herrscht keine funktionale Äquivalenz. Die Anfechtung von Beschlüs­ sen der Mitgliederversammlung oder des board of directors ist ein aliud im Vergleich zur Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft durch die deri­ vative suit. Die Anfechtung von Beschlüssen der Anteilseigner durch einen Gesellschafter wirkt in der Horizontalen, weil sich der Kläger gegen einen Rechtsakt seiner Mitgesellschafter auf der Stufe der Gleichordnung wendet; die abgeleitete Gesellschafterklage wirkt demgegenüber in der Vertikalen ge­ gen Entscheidungen der Verwaltung von hoher Hand, die alle Aktionäre be­ treffen. Ebenso verschieden wie die Angriffsobjekte beider Rechtsbehelfe sind ihre jeweiligen Streitgegenstände. Der Beschluß der Mitgliederver­ sammlung als Gegenstand der Anfechtungsklage ist weder ein intern wirken­ der Geschäftsführungsakt noch ein nach außen wirkender Vertretungsakt, sondern betrifft die Willensbildung, an der die Verwaltung nur mittelbaren Anteil hat". Die Verwaltung führt die Beschlüsse der Gesellschafter ledig­ lich aus. Hier berühren sich Beschlußanfechtung und Einzelklage des Gesell­ schafters für die Gesellschaft, weil es möglich ist, Rechtsschutz gegen den Beschluß direkt oder gegen die Umsetzungshandlung zu gewähren. Die rechtsvergleichende Gegenüberstellung von deutschem und amerika­ nischem Gesellschaftsrecht mit ihren unterschiedlichen Schwerpunktbil­ dungen zeigt, daß eine ausgewogene Verbandsverfassung nicht ohne beide Rechtsbehelfe auskommen kann. Rechtsschutz gegen Generalversammlungs­ beschlüsse neben der abgeleiteten Aktionärsklage ist notwendig, weil dieser Rechtsbehelf wichtige Fragen im Vorfeld einer derivative suit klärt und in diesem Sinne den Charakter vorbeugenden Rechtsschutzes trägt. Viele deri­ vative suits berühren die Vorfrage, ob die Anteilseignerversammlung eine Handlung der Verwaltung, die die Grundlage der Klage bildet, wirksam rati­ fizieren oder ob sie einen Ersatzanspruch der Gesellschaft dadurch zum Erlö­ schen bringen kann, daß sie der Verwaltung Entlastung erteilt99 100. Daneben mungsrechtliche Implikationen haben, spricht nicht grundsätzlich gegen die Anerkennung einer Anfechtung von Beschlüssen des Aufsichtsrates. Hierüber unten § 18 II. 99 Die Verwaltung kann den Ablauf und das Ergebnis der Hauptversammlung insoweit beeinflussen, als sie die Versammlung einberuft und ihre Tagesordnung bestimmt. In den USA verstärkt sich diese Stellung obendrein dadurch, daß die Verwaltung die proxy machinery unter ihrer Kontrolle hat. 100Nicht ratifizierbar sind solche Akte, die sich der Gesellschaft gegenüber als fraud darstellen, grundlegend Continental Securities Co. v. Belmont, 99 N.E. 138, 142 (N.Y.

hat die Anfechtung die Bedeutung, die Einhaltung von Stimmverboten und die Reinhaltung der Willensbildung der Corporation zu gewährleisten. Nur so wird ein Ausschluß vom Stimmrecht tatsächlich durchsetzbar und verhindert, daß sich ein am Mitstimmen gehinderter Gesellschafter über das Stimmver­ bot hinwegsetzt. Evident wird die Notwendigkeit einer gerichtlichen Be­ schlußkontrolle unabhängig von einer Einzelklagebefugnis des Gesellschaf­ ters, wenn ein Angreifen des Ausführungsaktes der Verwaltung zu spät käme, weil sie - wie bei einer Fusion - schon irreversible Fakten geschaf­ fen hat, oder gar, weil überhaupt keine angreifbare Ausführungshandlung mehr erforderlich ist. Beschlußanfechtung und Einzelklagerecht gehören da­ her zum unabdingbaren Instrumentarium für eine Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte. Die Anfechtung ist aber nicht nur den General­ versammlungsbeschlüssen vorbehalten, sondern auf die Beschlüsse und Handlungen des board of directors zu erstrecken, die das Leben der Corpora­ tion noch wesentlich nachhaltiger bestimmen.

1912) mit Nachweisen. Nicht ratifizierbar sind ferner: gesetzwidrige Handlungen, Zweckentfremdung von Gesellschaftseigentum ohne gleichwertige Gegenleistung, Nutzung von zum Gesellschaftsvermögen zählenden Gegenständen zum persönlichen Gebrauch sowie eine vorsätzliche oder absichtliche Schädigung der Gesellschaft. Ein Verzichts-, Entlastungs­ oder Ratifizierungsbeschluß ist anfechtbar (voidable) mit der Folge, daß der (Ersatz-) Anspruch der Corporation bestehen bleibt.

§ 13 Rechtsschutz gegenüber Handlungen des board of directors Nicht nur die Beschlüsse der Anteilseignerversammlung können gericht­ lich überprüft und aufgehoben werden. Das gleiche ist für die Beschlüsse und sonstigen Maßnahmen des board of directors anzunehmen, damit das Rechtsschutzsystem in der Corporation lückenlos und der Anspruch auf ge­ setzes- und statutenkonforme Verwaltung allseitig durchsetzbar ist.

L Notwendigkeit eines isolierten Rechtsschutzes gegenüber Handlungen des board Der Handlungsbedarf für eine isolierte Angreifbarkeit von Maßnahmen des board of directors erklärt sich verfahrensrechtlich daraus, daß die deri­ vative suit alleine nicht jede denkbare Beschwer beseitigen kann. Zum ande­ ren folgt die Notwendigkeit hierzu aus der eigenartigen Stellung des board im Verfassungsaufbau der Corporation. Im amerikanischen Recht vollzieht sich eine noch schwerwiegendere Verschiebung im Gefüge der Organkom­ petenzen als nach deutschem Recht. Dies betrifft vor allem den Grundlagen­ bereich. Die Anteilseigner sind zwar als die wirtschaftlichen Eigentümer der Corporation anerkannt, was ihren Anspruch auf Entscheidungsteilhabe be­ gründet. In der Unternehmenspraxis haben sich die Gewichte jedoch ent­ scheidend verschoben. Dies verlangt nach Korrekturen. Die einzelstaatliche Gesetzgebung erlaubt dem board of directors, die Geschäfte der Corporation nach seinen Weisungen zu führen1. Im Bereich der Grundlagenentschei­ dungen besitzt der board eine paraphierende Zuständigkeit, die den Fortgang eines einmal eingeschlagenen Weges weitgehend strukturieren kann. Bei Vorliegen eines Grundlagengeschäfts wird der Beschluß des board zwar erst mit Hinzutreten der Billigung durch die Gesellschafter vollkommen. Die den Gesellschaftern vorbehaltene Entscheidung ist ihrer Natur nach aber ein Al­ les oder Nichts. Ein Modifizierungsrecht haben die Gesellschafter nicht, ins­ besondere können sie die Verwaltung nicht zu Neu- oder Nachverhandlungen zwingen oder auf die inhaltliche Ausgestaltung eines Fusionsvertrages Ein­ fluß nehmen. Daraus erhellt die überragende Stellung des board, die ihn in wichtigen Bereichen von seiner Abhängigkeit von den Anteilseignern frei­ stellt2. 1 N.Y.B.C.L. § 701; 8 Del.Code § 141(a); Cal.Corp.Code § 300(a). 2 Grundsätzlicher zu diesem Spannungsverhältnis Buxbaum, The Internal Division of Powers in Corporate Governance, 73 Calif.L.Rev. 1671 ff. (1985), der den Anspruch der

1. Anschaulich wird das bei der Fusion von Gesellschaften, welche die den Grundlagenentscheidungen typische Doppelstruktur aufweist3. Eine vom board ausgehandelte Verschmelzung wird wirksam, wenn ihr die Gesell­ schafter zustimmen. Für die Fusion nimmt die Rechtsprechung den Stand­ punkt ein, daß der board trotz des Zustimmungsvorbehalts die Gesellschaft wirksam binden kann4. Verweigern die Gesellschafter später die Billigung des Verschmelzungsvertrages, so ist das Fusionsvorhaben gesellschaftsrecht­ lich zwar gescheitert, mag die Gesellschaft aber wegen Vertragsbruches schadensersatzpflichtig machen, je nachdem, ob der board die Wirksamkeit des Vertrages unter die Bedingung der Ratifizierung durch die Gesellschafter gestellt hat. Ist dies nicht geschehen, so soll die Vertretungsmacht der Ver­ waltung so weit reichen, daß sie mit einem von ihr ausgewählten Interessen­ ten abschließen darf und sich wirksam verpflichten kann, keine Verhand­ lungen mit konkurrierenden Bietern aufzunehmen und dies alles ohne Betei­ ligung der Gesellschafter5. Die hierdurch aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich nicht einfach in ihre Vertrags- und gesellschaftsrechtlichen Bestandteile zerlegen. Die Verschmelzung (merger) ist im amerikanischen Gesellschafts­ recht das wichtigste Instrument zur Herbeiführung der Übernahme einer Ge­ sellschaft durch eine andere. Die Bewirkung eines Inhaberwechsels ist die sensibelste Form eines Grundlagengeschäfts, die nach einer eindeutigen Ab­ grenzung der Verwaltungskompetenzen gegen die Rechte der Gesellschafter verlangt. Diese Abgrenzung muß im Einklang mit den ordnungspolitischen Anliegen der Korporationsgesetzgebung stehen. Eine so weit definierte ZuGesellschafter auf Mitwirkung im Grundlagenbereich als echtes property right ansieht und die Zurücksetzung des Mitentscheidungsrechts mit Recht als schweren Einbruch in die cor­ porate governance wertet. Nach deutschem Recht besitzen die Aktionäre die alleinige Satzungskompetenz. Die nach dem Aktiengesetz zulässigen Kompetenzübertragungen sind abschließend, vgl. LG Frankfurt am Main WM 1990, 237. Satzungsändernde Entscheidungen der Hauptversammlung unter­ liegen dem Anfechtungsrecht. Das gleiche gilt ohne Abstriche für die übertragene Zustän­ digkeit nach § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG. 3 Weitere Beispiele für diese Doppelstruktur sind die Änderung des certificate of incorporation (N.Y.B.C.L. § 803) oder die Verfügung über das Gesellschaftsvermögen im gan­ zen (N.Y.B.C.L. § 909). 4 Dazu die wichtige Entscheidung Je^el Companies v. Pay Less Drug Stores Northwest, 741 F.2d 1555 (9th Cir. 1984) in Anwendung kalifornischen Rechts. Sehr kri­ tisch zu dieser Entscheidung Buxbaum (wie FN 2), S. 1697 ff. Das Gesellschaftsrecht des Staates Kalifornien ist traditionsgemäß eher gesellschafterfreundlich eingestellt. Obwohl die Entscheidung bei den Bundesgerichten Anklang gefunden hat, darf sie in ihrer Autorität als Rechtsquelle zum kalifornischen Recht nicht überschätzt werden, da der Fall im Wege der diversity Jurisdiction (28 U.S.C. § 1332) in die Kompetenz der Bundesgerichtsbarkeit ge­ langt ist. Die Entscheidung besitzt daher nicht die Autorität eines Spruches des obersten Ge­ richtshofes von Kalifornien. 5 Jewel Companies v. Pay Less Drug Stores Northwest, 741 F.2d 1555, 1561 ff. (9th Cir. 1984). Der Fall liegt auf der Schnittstelle von Vertrags- und Gesellschaftsrecht.

ständigkeit des board of directors entläßt die Verwaltung aus ihren Bin­ dungen gegenüber den Gesellschaftern und bringt die Gesellschafter in Ab­ hängigkeit zur Verwaltung6. Es muß ausgeschlossen sein, daß der board seine Schlüsselstellung benutzt, sich durch Zuweisung der Gesellschaft an einen Bieter im Amt zu verschanzen oder sich ungesetzliche Sondervorteile als Gegenleistung für seine Entscheidung von dritter Seite zuwenden zu las­ sen7. Im Ergebnis darf es keinen Unterschied machen, ob der board einen Ver­ schmelzungsvertrag bedingt abgeschlossen hat. Selbst wenn ein Abschluß ohne Vorbehalt der ausstehenden Ratifizierung durch die Gesellschafter er­ folgt, ist der Partner in seinem Vertrauen auf die Durchführung der Fusion nicht unbedingt schutzwürdig, da die Rechtslage hinsichtlich der Vertre­ tungsmacht des board und des Zustimmungserfordernisses als allgemein be­ kannt vorauszusetzen ist. Insgesamt belegt diese Rechtsprechung exemplarisch den Bedarf nach ei­ nem sehr früh eingreifenden Rechtsschutz für die Gesellschafter, um der Verwaltung noch rechtzeitig in den Arm zu fallen. Denn eine faktische Bin­ dungswirkung tritt bereits mit Verabschiedung des Verschmelzungsvertrages durch den board ein. Hier ist daher anzusetzen, damit der board nicht voll­ endete Tatsachen schaffen kann und das Partizipationsrecht der Gesellschaf­ ter de facto gegenstandslos macht. Eine gerichtliche Interventionsmöglichkeit auf einer möglichst frühen Stufe steht schließlich mit der business judgment rule im Einklang und ermöglicht den Gesellschaftern den Einbau eines Rati­ fizierungsvorbehalts in die laufenden Verhandlungen mit dem Partner einer Fusion.

2. Eine isolierte Angreifbarkeit von Entscheidungen des board ist ferner erforderlich, um den formal einwandfreien Ablauf von Boardsitzungen zu gewährleisten. Hierbei geht es etwa um Fragen der korrekten Einberufung einer Sitzung, der Ankündigung der Tagesordnung, sowie der Beschlußfä­ 6 Zudem kann der board noch vor Ratifizierung durch die Gesellschafter seine Zusagen durch Vertragsstrafeversprechen absichem. Für die Wirksamkeit solcher penalty clauses ist die Billigung der Gesellschafter nicht erforderlich. Die Verwirkung der Vertragsstrafe läßt sich von der Gesellschaft abwenden, indem die Anteilseignerversammlung das ihr vorge­ setzte Konzept vorbehaltlos ratifiziert. - Eine weitere Stärkung der Rechtsstellung des board liegt in seinem Recht, einen noch nicht bindenden Verschmelzungsvertrag fallen zu lassen (sog. abandonment power, Cal.Corp.Code § 1105). Die Preisgabe steht ebenfalls im Ermessen des board und bedarf keiner Billigung durch die Gesellschafter. 7 Dies sind die sog. golden parachutes, mit denen sich ein Bieter die amtierende Ver­ waltung geneigt macht. In der Sache handelt es sich um eine Bestechung, die darauf abzielt, daß sich die Verwaltung von ihren Bindungen an die bisherigen Eigentümer löst. Zu den golden parachutes Johnsen, Golden Parachutes and the Business Judgment Rule: Toward a Proper Standard of Review, 94 Yale L.J. 909 (1985) mit reichhaltigen Nachweisen.

higkeit. An den Beschlüssen des board dürfen keine Direktoren mit persön­ lichem Interesse an den Beschlußmaterien mitwirken. Nehmen disqualifi­ zierte Direktoren gleichwohl teil, sind der Beschluß des board wie der Aus­ führungsakt anfechtbar (voidable)8. Eine isolierte Anfechtung ermöglicht die Überprüfung des inneren Organisationsrechts; denn der board ist ein Kolle­ gialorgan, das in der Regel aus wenigstens drei Direktoren besteht9. Dieser Rechtsschutz verhilft auch der materiellen Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des board of directors zum Durchbruch auf wichtigen Feldern wie den Ge­ schäften der Verwaltung mit der eigenen Gesellschaft10 oder der Gewährung von Darlehen aus Gesellschaftsmitteln an die Verwaltungsmitglieder11. Ver­ schiebungen von Gesellschaftsvermögen haben zu unterbleiben, wenn die Rückführung nicht sichergestellt ist. Die Anfechtbarkeit von Boardbeschlüs­ sen kommt ferner zum Tragen, wenn Exekutivaufgaben vom board an Aus­ schüsse delegiert werden sollen12. Nachprüfbar ist die Delegationsentschei­ dung als solche und die Erledigung der verlagerten Aufgaben durch den Aus­ schuß.

3. Auch abgesehen von Fusionen und Übernahmen verfugt der board of directors über eine beträchtliche Machtfülle. Die Gesetzgebung gesteht den Gesellschaftern mehr Flexibilität beim Zuschnitt der Boardkompetenzen zu. Es gibt keine Satzungsstrenge wie nach § 23 Abs. 5 AktG, § 1 Abs. 3 UmwG. Ferner eröffnet die business judgment rule der Verwaltung weite Gestaltungsfreiräume. Im Vergleich zum Vorstand der deutschen Aktienge­ sellschaft ist der board der Corporation mächtiger. Im Grundlagenbereich, der an sich der Letztbestimmung der Gesellschafter reserviert ist, kann der board of directors die Entscheidung der Gesellschafter präjudizieren. Wich­ tige Befugnisse dürfen daher nicht im kontrollfreien Raum wahrgenommen werden. Ähnlich wie nach §§ 202, 203 AktG darf der board dadurch in die Kapitalstruktur der Gesellschaft eingreifen, daß er das autorisierte Kapital ausnutzt13. Dies bedeutet nicht nur eine Finanzierungsmaßnahme, sondern kann zudem die bisherigen MehrheitsVerhältnisse verschieben, so daß die Verwaltung künftig von einer anderen Mehrheit abhängt. Die Gesellschafter haben ein legitimes Interesse, die Ausgabe der jungen Aktien verhindern zu 8 Siehe Weiss Medical Complex Ltd. v. Kim, 408 N.E.2d 959 (111. 1980). 9 In New York § 702(a) N.Y.B.C.L. Diese Bestimmung ist zwingendes Recht, vgl. Rye Psychiatrie Hosp. v. Schoenholtz, 488 N.E.2d 63 (N.Y. 1985). 10 N.Y.B.C.L. § 713; 18B AmJur 2d, Corporations, §§ 1740, 1741 (1985). 11 N.Y.B.C.L. § 714; 18B AmJur 2d, Corporations, § 1742 (1985). 12 Zum Beispiel § 712 N.Y.B.C.L. 13 HENN/ALEXANDER, Corporations, 3. Aufl. 1983, § 123 (S. 282 ff.) sowie § 158 (S. 397 ff.) mit Nachweisen.

können. Nicht minder weittragend ist die Befugnis des board of directors, eine im board eintretende Vakanz selbst zu füllen. Das amerikanische Recht erlaubt eine dem deutschen Aktienrecht fremde Selbstergänzung der Ver­ waltung im Wege der Kooptation, die sich tendenziell noch gefährlicher auswirken kann als die Ausnutzung des genehmigten Kapitals. Beim autori­ sierten Kapital ist der Handlungsspielraum der Verwaltung durch die Nenn­ kapitalziffer (stated Capital) begrenzt. Neue Aktien können nur ausgegeben bzw. zurückgekaufte Aktien wieder in Umlauf gebracht werden bis zur Er­ reichung der in der Satzung festgeschriebenen Obergrenze. In vielen Juris­ diktionen sind die Aktionäre durch ein gesetzliches Bezugsrecht gegen die Verwässerung ihrer Beteiligung geschützt. Eine Erhöhung des gebundenen Kapitals bedarf einer Änderung des certificate of incorporation und damit der Mitwirkung der Anteilseigner. Ganz anders liegen die Dinge bei einer Selbstergänzung des board. Nach der einzelstaatlichen Korporationsgesetzgebung sind freiwerdende Boardsitze durch Wahl der Gesellschafter zu besetzen14. Diese Befugnis können die Ge­ sellschafter allerdings im certificate of incorporation oder in den by-laws dem board of directors übertragen15. Sodann darf dieser nach seiner Wahl eine Vakanz füllen und bei seiner Entscheidung insbesondere verwaltungs­ treue Kandidaten bevorzugen. Regelmäßig entstehen Vakanzen im board durch Tod, Abberufung oder Amtsniederlegung. Eine Vakanz im Rechts­ sinne liegt weiterhin vor, wenn sich die Anzahl der Boardmandate erhöht. Dies erfolgt durch Änderung des certificate of incorporation oder durch Be­ schluß des board, wenn auch diese Befugnis an ihn delegiert ist. Je nach Sat­ zungsgestaltung darf der board also neue Direktorenstellen schaffen und mit eigenen Gewährsmännern besetzen, ohne daß die Anteilseigner nochmals mitwirken müssen. Für Maßnahmen des board, die die Rechte der Gesell­ schafter so nachhaltig tangieren, ist eine gerichtliche Kontrolle zu fordern. Die Befugnisse, die der board of directors insoweit wahrnimmt, stammen nicht aus seinem genuinen Wirkenskreis, sondern gehören zum Reservat der Anteilseignerkompetenzen. Die Delegation solcher Kompetenzen geschieht mit streng treuhänderischen Maßgaben. Dies muß es ausschließen, daß sol­ che Befugnisse im Widerspruch zu allen treuhänderischen Bindungen aus­ geübt werden können. Die zu großzügige Interpretation der Boardkompeten­ zen durch die Rechtsprechung führt zu einer Rechtsschutzlücke im Grund­ lagenbereich, die es zu schließen gilt.

14 Henn/Alexander (wie FN 13), § 205 (S. 555 ff.). 15 Vgl. 8 Del.Code § 142(e); Cal.Corp.Code § 305; N.Y.B.C.L. § 705

II. Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen Die derivative suit alleine vermag den aufgezeigten Bedarf nach Rechts­ schutz nicht zu befriedigen, obwohl er in ihr schon teilweise sichtbar ist. Jede derivative suit ist im Verhältnis Kläger - Verwaltung eine Art Untätig­ keitsklage, da es die verfassungsmäßige Aufgabe des board wäre, für die Re­ alisierung der Rechte der Gesellschaft zu sorgen. In der derivative suit drückt sich bereits eine inzidente Anfechtung des Boardbeschlusses aus, nicht für die Gesellschaft tätig zu werden. Sehr anschaulich wird das in der De­ batte um die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung von special litiga­ tion committees (oben § 7 II 6). Der board schuldet der Corporation eine korrekte Amtsführung. Diesen Anspruch darf jeder shareholder mit der deri­ vative suit durchsetzen. Der board schuldet daneben auch den Aktionären eine ordnungsgemäße Verwaltung, vor allem dort, wo er in erster Linie als ihr Sondervertreter und nicht als Vertreter der Corporation handelt. Dies ist aber gerade im Bereich der Grundlagengeschäfte der Fall. Es gibt kein besonderes Verfahren für die Anfechtung von Maßnahmen des board of directors. Ein Organstreitverfahren ist dem amerikanischen Recht fremd. Im deutschen Recht ist die Anfechtungsklage nach den §§241 ff. AktG von vornherein auf Hauptversammlungsbeschlüsse begrenzt, und es ist fraglich, ob seine Ausdehnung auf die Beschlüsse anderer Gesellschafts­ organe statthaft ist16. Der derivative suit fehlt diese aktionenrechtliche Ver­ engung auf Beschlüsse der Mitgliederversammlung. Die Klage wird aus dem Recht der Gesellschaft erhoben, um eine Entscheidung zu ihren Gunsten her­ beizuführen. Typischerweise werden so die Ansprüche oder die sonstigen subjektiven Rechte der Gesellschaft verwirklicht. Hierin liegt ebenfalls eine gewisse gegenständliche Beschränkung, die sich hinderlich auswirkt, wenn eine Forderung oder ein subjektives Recht der Corporation (noch) nicht ent­ standen ist17. Auch in diesem Bereich muß es möglich sein, die Gesetzesund Statutenbindung der Verwaltung durchzusetzen. Für die Anfechtung von Beschlüssen, die Wahlen zum board of directors zum Gegenstand haben, sehen einige Staaten, unter ihnen New York18 und Delaware19, ein besonderes Verfahren vor. Es ist nicht nur eröffnet, wenn 16 Jüngst wieder zweifelnd Kindl AG 1993, 153. Hierzu noch eingehend unten § 18. 17 Regelmäßig handelt es sich um besondere Organisationsakte wie beispielsweise ein Reorganisations- oder Konkursantrag, vgl. In re A-K Enterprises, Inc., 111 B.R. 149 (N.D.Ohio 1990). 18 § 619 N.Y.B.C.L. Dieses Wahlanfechtungsverfahren ist in seinem Anwendungsbe­ reich ein exklusiver Rechtsbehelf, vgl. Chiulli v. Reiter, 515 N.Y.S.2d 547 (App.Div. 1987). 19 8 Del.Code § 225.

die Anteilseignerversammlung Direktoren wählt. Sofern der board sich selbst ergänzt oder einen officer ernennt, ist eine Wahlanfechtung ebenfalls statt­ haft20. Der Rechtsschutz schon auf dieser frühen Stufe ist wichtig, weil die Wahl in ein Amt den Gewählten mit Vertretungsmacht für die Corporation ausstattet. Jurisdiktionen, die keine spezielle Wahlanfechtung kennen, ge­ währen den gleichen Rechtsschutz im mandamus- oder im quo warranto-Ver­ fahren. Beschlüsse des board of directors können nichtig (void) oder vernichtbar (voidable) sein. Die Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit folgt keiner einheitlichen Formel, insbesondere gibt es keine expliziten Nichtigkeitstatbestände wie in § 241 AktG. Die Nichtigkeit bildet die schwerste Stufe der Unwirksamkeit, auf die sich jedermann ohne weiteres berufen darf. Nichtigkeitsgründe werden als solche im Gesetz bezeichnet oder sind andernfalls anzunehmen, wenn die Unwirksamkeit einer Maß­ nahme ihr gleichsam auf der Stirn geschrieben steht und niemand mehr ern­ sten Zweifel daran haben muß. Vernichtbarkeit bedeutet eine spezielle Form der Geltendmachung der Unwirksamkeit. Hierzu sind eigene Schritte zu er­ greifen. Es handelt sich um diejenigen Mängel, die z.B. durch Ratifikation heilbar sind oder durch Verfristung (laches) präkludiert werden. Ist eine Handlung oder ein Beschluß des board of directors nichtig oder vernichtbar, so trifft das Ausführungsgeschäft dieselbe Rechtsfolge21. Der Kläger hat demnach zwei Möglichkeiten: Er kann zuwarten, bis die Voraussetzungen für eine derivative suit erfüllt sind und sodann aus dem Recht der Gesellschaft vorgehen. Der Beschluß des board wäre hier inziden­ ter zu prüfen. Alternativ mag der Gesellschafter den Boardbeschluß anfech­ ten, etwa durch Feststellungsklage (declaratory relief) auf Unwirksamkeit. Vermeidet der Gesellschafter die derivative suit, so kommen deren Erschwe­ rungen für ihn nicht zum Tragen. Der Kläger braucht keine Sicherheit für die präsumtiven Prozeßkosten der Gesellschaft zu stellen. Außerdem muß er keinen förmlichen demand unternehmen, da eine Maßnahme des board, der über einen demand zu befinden hätte, Verfahrensgegenstand ist. Gleichwohl erscheint dem Kläger eine formlose Mitteilung seiner Klageabsicht an die Gesellschaft zumutbar, um den board instand zu setzen, seinen Beschluß auf­ zuheben oder einstweilen auszusetzen. Wiewohl es sich bei einer isolierten Anfechtungsklage gegen Boardbeschlüsse nicht um eine typische derivative suit handelt, trägt die Prozeßführung doch einen repräsentativen Charakter, da der Verfahrensgegenstand die Gesellschaft und alle übrigen Anteilseigner 20 Grossman v. Liberty Leasing Co., Inc., 295 A.2d 749, 752 (Del.Ch. 1972) mit Nachweisen. 21 Zinger v. Gattis, 382 So.2d 379, 380 (Fla.App. 1980).

gleichermaßen betrifft. Die Disposition über den Streitgegenstand sollte da­ her nicht in das freie Belieben des Klägers gestellt sein. Ein (außer-) gerichtlicher Vergleich oder eine Klagerücknahme bedürfen der Bestätigung durch das Gericht22, da die Gefahr von gesellschaftsfremden Zuwendungen an den Kläger Zug um Zug gegen ein Fallenlassen seines Antrages besteht. Zur Klageerhebung ist jeder Gesellschafter sowie jedes Verwaltungsmit­ glied befugt. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß eine isolierte Anfech­ tung von Boardresolutionen noch im Vorfeld einer derivative suit erfolgt, weil sie das Entstehen eines Schadens der Gesellschaft a limine verhindern soll. Deshalb liegt es nahe, die Klagebefugnis parallel zur derivative suit zu konstruieren23.

22 Borer v. Associated General Utilities Company, 111 A.2d 707 (Del.Ch. 1955) für ein Wahlanfechtungsverfahren gemäß 8 Del.Code § 225. Das Gericht hebt hervor, daß die Ver­ fahrensregeln der derivative suit und der dass action nicht schlechthin auf die Wahlanfech­ tung übertragbar sind. Aus ordnungspolitischen Gründen wendet es jedoch die Bestim­ mungen über die Klagerücknahme und Vergleiche entsprechend an, weil auch die Wahlan­ fechtung gegen gewisse Mißbräuche anfällig ist. 23 Für die misconduct action New Yorker Rechts (§ 720 N.Y.B.C.L.), die der deriva­ tive suit ähnlich ist, sind die Mitglieder der Verwaltung aus eigenem Recht nach § 720(b) zur Klage befugt.

§ 14 Die Informationsrechte der Gesellschafter Die wirksame Wahrnehmung der bisher vorgestellten Gesellschafterrechte setzt voraus, daß der Berechtigte von der verliehenen Befugnis auf einer in­ formierten Grundlage Gebrauch macht. Diese Rechte tragen Mitverwal­ tungscharakter hinsichtlich der Angelegenheiten der Corporation oder der partnership. Das schließt es aus, daß solche Rechtsbehelfe auf bloßen Ver­ dacht hin ausgeübt werden. Die angemessene Information der Gesellschafter exemplifiziert wiederum den rechtlichen Wechselbezug zwischen den Mit­ gliederrechten und der Verbandsordnung. Einmal dient das Informa­ tionsrecht im Gesellschaftsrecht dem Gesellschafter zur Bewahrung seines Eigentums bzw. seiner mitgliedschaftlichen Position. Zum anderen kann der Gesellschafter seine Aufgabe als Funktionär im Dienste der Legalitätsauf­ sicht über die Corporation sowie bei deren Willensbildung in der Mitgliederversammlung nur sinnvoll erfüllen, wenn er über die Angelegen­ heiten der Gesellschaft hinreichend informiert ist1. Mit Recht ist daher ver­ einzelt behauptet worden, daß dieses Informationsrecht um der Gesellschaft willen besteht2. Generell läßt sich für das deutsche wie für das amerikanische Recht fest­ stellen, daß die Gesellschaften eine zurückhaltende Informationspolitik be­ treiben und mit der Herausgabe von Informationen sparsam umgehen. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Zunächst geht es der Verwaltung darum, ihr Herrschaftswissen mit niemandem teilen zu müssen, um so die eigene Stel­ lung nicht zu gefährden. Dieses Motiv der Auskunftsverweigerung ist per se nicht legitim. Auf der anderen Seite bleibt jedoch zu beachten, daß das Wis­ sen der Gesellschaft Bestandteil ihres gebundenen Vermögens ist. Bewahrung dieses Wissens durch eine möglichst sparsame Informations­ politik gehört damit zum Schutz des Gesellschaftsvermögens. Geschäftliche Geheimnisse und aus ihnen folgende Erwerbschancen (corporate opportunities) lassen sich so in der Gesellschaft halten und gemäß ihrem Zuweisungsgehalt für die Gesellschaft nutzen. Für alle Gesellschafter wird eine einheitliche Informationsbasis durch die periodischen Publizitäts­

1 Zur Gewährleistung der Freiheit der Informationsbeschaffung, vgl. BVerfGE 27, 71 (81 ff.) - "Leipziger Volkszeitung" für das deutsche sowie Richmond Newspapers, Inc. v. Virginia, 448 U.S. 555, 100 S.Ct. 2814 (1980) für das amerikanische Recht. Korporations­ verfassung und Staatsverfassung sind - und dies erlaubt eine parallele Bewertung - auf eine Mitwirkung von unten angelegt. - Noch immer lesenswert Löw, Der Informations­ anspruch des Aktionärs im amerikanischen Recht, Basel/Stuttgart 1973. 2 In diesem Sinne für das deutsche Recht V.GODIN/WILHELMI, Komm.z.AktG, 4. Aufl. 1971, § 131 Anm. 1.

pflichten geschaffen, denen die Publikumsgesellschaften unterliegen3. Eine darüber hinausgehende Informationsgewährung an einen Gesellschafter ändert die Gleichbehandlung aller Gesellschafter4 und verschafft dem Bevorzugten einen Wissensvorsprung, den dieser zum insider trading ausnutzen könnte. In den Händen der Verwaltung ist die Information, die sich der Gesell­ schafter verschaffen will, in besonderer Form gegen einen gleichheitssatz­ widrigen Gebrauch gebunden. § 16(b) Sec.Exch.Act 19345 verpflichtet ein Mitglied der Verwaltung, solche Erlöse an die Gesellschaft abzuführen, die aus Umsatzgeschäften in Aktien ihrer eigenen Gesellschaft herrühren, es sei denn, daß das Verwaltungsmitglied länger als sechs Monate im Besitz dieser Aktien war. Die Vorschrift will verhindern, daß sich ein durch besondere Treupflichten mit der Gesellschaft verbundenes Mitglied der Verwaltung durch sein in amtlicher Funktion erlangtes Wissen auf Kosten anderer berei­ chert. Hier fließen gesellschaftsrechtliche und kapitalmarktregulierende Er­ wägungen über den fairen Umgang mit dem Wissen der Gesellschaft zu­ sammen: Das Wissen gebührt allen Gesellschaftern und, sofern die Gesell­ schaft als potentieller Nachfrager auf dem Kapitalmarkt in Erscheinung tritt, muß dem Anlagepublikum die Information ebenfalls zugänglich sein. § 16(b) Sec.Exch.Act 1934 fällt rechtssystematisch unter die Verbotsnormen gegen insider trading6. Sie streben eine Vergemeinschaftung dieses Wissens durch zivil- und strafrechtliche Sanktionen an. Die Verhinderung einer Zweckent­ fremdung des Wissens der Gesellschaft rechtfertigt gewisse Zugangsschran­ ken gegenüber Gesellschaftern7.

3 § 12 Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 781. 4 Die Gleichbehandlung aller Gesellschafter in ihrem Unterrichtungsbedürfnis stellt das deutsche Recht dadurch her, daß, sobald einem Aktionär über die gesetzlichen Anforde­ rungen hinaus Einsicht oder Auskunft gegeben ist, dieselbe Information auch allen übrigen zusteht, vgl. § 131 Abs. 4 AktG. 5 15 U.S.C. § 78p(b). 6 Siehe M. Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 868 ff.; zur ökonomischen Analyse des insider trading Lahmann, Insiderhandel, 1993. 7 Gesellschafter unterliegen ebenfalls den Bindungen von § 16(b) Sec.Exch.Act 1934, 15 U.S.C. § 78p(b), sofern es sich bei der Gesellschaft um eine reporting Company nach §12, 15 U.S.C. §781, handelt und dieser Gesellschafter über einen 10% übersteigenden Anteilsbesitz verfügt. Die Anbindung der Haftung an den Umstand einer starren prozen­ tualen Beteiligungshöhe erscheint nicht gelungen. Obwohl ein insider, der von seinem Wis­ sen im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf von Anteilen widerrechtlichen Gebrauch macht, unabhängig von seiner Beteiligungsquote von Rule 10b-5, 17 C.F.R. § 240.10b-5, erfaßt wird, ist der Tatbestand der verbotenen short swing profits erst lückenlos, wenn die Regelung daran anschließt, daß dem einen Gesellschafter Informationsmöglichkeiten offen­ standen, die sich anderen nicht boten. Die gesetzliche Regelung bindet Gesellschafter mit ei­ ner 10% übersteigenden Beteiligung stärker, weil sie auf der Vermutung aufbaut, daß solche Gesellschafter automatisch einen Wissensvorsprung gegenüber anderen haben.

Zum Kreis der Auskunftsberechtigten gehören die Verwaltung und die Gesellschafter. Die Grundlagen des jeweiligen Informationsanspruchs sind jedoch verschieden. Der Anspruch der Verwaltung auf Information erklärt sich aus ihrer Amtsstellung. Sie schuldet die Besorgung der Geschäfte der Gesellschaft. Hierzu muß der Prinzipal nach allgemeinen agency-Grundsätzen seinem Beauftragten die nötigen Arbeitswerkzeuge zugänglich machen8. Die Rechtfertigung des Informationsanspruchs des Gesellschafters ist davon verschieden. Das Mitglied interessiert, ob die Leitung der Gesellschaft effi­ zient ist. Sind Unregelmäßigkeit vorgefallen, so können die pflichtvergesse­ nen Verwaltungsmitglieder im Wege der derivative suit belangt werden. Eine andere wirksame Waffe zur präventiven Effizienzsteigerung ist das Mittel der Stimmrechtssammlung (proxy solicitation) zur Auswechslung einer unfä­ higen Verwaltung9. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht wird für den Gesell­ schafter endlich bedeutsam, wenn er über seine Beteiligung verfügen und aus der Gesellschaft austreten will. Gibt es keine Marktmechanismen, die die wertbildenden Faktoren transparent machen, so muß sich der Gesellschafter hierüber aus den Bilanzen der Gesellschaft unterrichten. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht des Gesellschafters ist also doppelt begründbar: eigennützig hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Interessen an der Gesellschaft, fremd­ nützig soweit es Mitverwaltungsbefugnissen vorgelagert ist, die der Gesell­ schafter auch im Interesse der Gesellschaft ausübt. Beide Teilbereiche erfor­ dern keine strenge Grenzziehung, sondern tragen das Informationsrecht ganz unabhängig voneinander.

I. Ökonomische Bezüge Die Gesellschaft ist gegenüber verschiedenen Adressaten informations­ pflichtig: zum einen gegenüber ihren Gesellschaftern auf gesellschaftsrecht­ licher Grundlage. Andererseits gegenüber einer interessierten Öffentlichkeit, die an der Lagebeurteilung der Gesellschaft ein legitimes Interesse hat. Dies sind die Gläubiger sowie potentielle Investoren in den von der Gesellschaft emittierten Wertpapieren. Der Befriedigung dieses Bedürfnisses dient die Publizität. In der Publizität ist die betriebliche Rechnungslegung enthalten. Von dieser wiederum hängt das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters ab. Unternehmenspublizität der Gesellschaft gegenüber dem Kapitalmarkt sowie Auskunfts- und Einsichtsrecht des einzelnen Gesellschafters lassen sich aus ökonomischer Sicht als Durchbrechung des Wissensmonopols der Verwal­ 8 9

Restatement of the Law of Agency 2d, §§ 433, 435 (1958) Zu den proxy fights noch näher unten VII. 1.

tung werten, da dieser Wissensvorsprung ungerechtfertigte negative externe Effekte hervorbringen kann. Das Herrschaftswissen der Verwaltung droht sich zum Nachteil der Gläubiger sowie der Inhaber oder Erwerber von An­ teilsrechten auszuwirken. Gläubiger, die ihre Kreditvergabeentscheidung auf unvollständiger Tatsachengrundlage treffen, laufen Gefahr, ein zu geringes Entgelt für die Nutzung ihres Kapitals oder unzureichende Sicherheiten zu verlangen. Im Falle einer Veräußerung setzt sich der ungenügend informierte Partner dem Risiko aus, als Veräußerer einen zu geringen Erlös zu erzielen oder als Erwerber einen übersetzten Kaufpreis zu bezahlen. Jedesmal geht es darum, daß die Lage der Gesellschaft nicht besser (overstatement), aber auch nicht schlechter (Understatement) ausgewiesen wird als sie tatsächlich ist10. Andernfalls wechseln Anteilsrechte börsennotierter Gesellschaften zu unan­ gemessenen Preisen ihren Besitzer oder werden Nutzungsrechte hinsichtlich von Fremdkapital gegen eine nicht marktgerechte Nutzungsentschädigung gewährt. Nichts davon grundsätzlich Verschiedenes gilt für Gesellschafter in nicht­ börsennotierten oder in nichtbörsenfähigen Gesellschaften. Bei diesen Gesell­ schaften, die nach dem Gesetz nicht zu wiederkehrender Publizität ver­ pflichtet sind, ist es üblich und nach dem Veräußerungsvertrag regelmäßig geschuldet, daß eine Abschichtungsbilanz erstellt wird11. Auseinanderset­ zungsbilanz wie publizierter Jahresabschluß schaffen eine Grundlage dafür, daß der Handel in Mitgliedschaftsrechten angemessene Preise hervorbringt. Unternehmenspublizität und das gesellschaftsrechtliche Informationsrecht verfolgen damit ein doppeltes Ziel: Einmal ermöglichen sie dem Gesell­ schafter die Kontrolle der Verwaltung, insoweit als sie ihm die für die Aus­ übung seiner Gesellschafterrechte unerläßliche Tatsachengrundlage an die Hand geben. Die Publizität sorgt zusätzlich für eine faire Anteilsbewertung als Voraussetzung für die Verkehrsfähigkeit vermögenswerter Mit­ gliedschaften. Die Publizität ermöglicht so überhaupt erst die Umlauffähig­ keit von Unternehmensanteilen auf dem Kapitalmarkt. Die durch Publizität sowie die Gewährung von Auskunfts- und Einsichtsrechten verursachten Transaktionskosten sind der unerläßliche Preis für das Entstehen eines funk­ tionsfähigen Kapitalmarktes. Zum Tatbestand der Unternehmenspublizität und des Einsichtsrechts sind stets die zivilrechtlichen Sanktionen, die sich an unrichtige oder unvollstän­ 10 Noch immer sehr lesenswert Stützel, Aktienrechtsreform und Konzentration, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, hrsg. von Arndt, Band 2 (1960), S. 907 ff. (946 f., 950 f., 954 ff.). 11 Zu dieser Entsprechung von Bilanzpublizität und Informationsrecht des Gesellschaf­ ters zum Zwecke der Erstellung einer Abschichtungsbilanz sehr anschaulich Stützel (vorige FN), S. 954 ff.

dige Darstellungen anschließen, hinzuzudenken. Die Leistungsfähigkeit des Informationsrechts wird wesentlich durch diese Sanktionen determiniert. In Frage kommen einmal die Rückgängigmachung des Kaufvertrages oder die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen arglistiger Täuschung. Für das deutsche Recht springt dabei im Vergleich zum amerikanischen Recht ins Auge, daß es bis jetzt keine eigenständige Anspruchsgrundlage des Ge­ täuschten gibt, die die Liquidation des durch die Täuschung verursachten Vermögensschadens selbständig normiert12. Das deutsche Recht operiert in­ soweit noch immer mit Strafsanktionen (§§ 399, 400 AktG), die als Schutz­ gesetze über § 823 Abs. 2 BGB zur Grundlage der zivilrechtlichen Ansprü­ che werden13. Die §§45, 46 BörsG statuieren zwar eine spezielle Börsen­ prospekthaftung, die jedoch in vielen Punkten antiquiert ist14. Das in seinem Ausgangspunkt deliktische Anspruchssystem hat folgende Schwachstellen: Die Schutzgesetzqualität im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB muß für jeden Einzelfall nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm neu festgestellt wer­ den, und der Kläger muß Ursächlichkeit der falschen Information für seine Anlageentscheidung sowie ein Verschulden des Beklagten hierfür beweisen. Genauso war die Situation des getäuschten Anlegers in den USA vor 193315, für den die günstigeren Ansprüche aus kaufrechtlicher Gewährleistung eben­ falls verschlossen waren, weil sie eine direkte kaufrechtliche Vertragsbezie­ hung (privity of contract) zwischen Gesellschaft und Anleger voraussetzt. Der Anleger war damit praktisch rechtsschutzlos gestellt, weil eine Delikts­ klage aus arglistiger Täuschung (fraudulent deception) in Absatzketten, wie sie für den Wertpapierhandel üblich sind, kaum Aussicht bietet, da dem Klä­ ger der Nachweis für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen obliegt. Das Problem war erst befriedigend zu lösen, als die Publizitätsvor12 Im deutschen Recht geschieht dies durch die Bestimmungen der kaufrechtlichen Ge­ währleistung (§§459 ff. BGB), die Haftung aus culpa in contrahendo oder durch die An­ fechtung wegen arglistiger Täuschung (§123 BGB). Im amerikanischen Recht gewähren die securities laws dem getäuschten Anleger in erster Linie Schadensersatzansprüche auf sein Er­ füllungsinteresse, belassen ihm daneben jedoch das Recht, vom Vertrag zurückzutreten (rescission) und den geleisteten Kaufpreis zurückzuverlangen, vgl. § 16 See. Act 1933, 15 U.S.C. § 77p. 13 BGHZ 105, 121 (124 ff.) - "Kerkerbachbahn” als besonders dreister Emissions­ schwindelfall. Zahlreiche Neuemissionen aus der jüngeren Vergangenheit mit den hierbei sichtbar gewordenen Unzuträglichkeiten der aktuellen Gesetzeslage widerlegen die These von Stützel (wie FN 10) rechtstatsächlich, daß es keine sog. overstatement-Fälle mehr ge­ ben soll wegen der stetig zunehmenden Perfektion, mit der die aktienrechtliche Publizität in Deutschland seit der Aktienrechtsnovelle von 1931 verfeinert wurde. 14 Siehe nur Baumbach/Hopt, Komm.z.HGB, 29. Aufl. 1995, § 45 BörsG RdNr. 1. 15 Der Schulfall für die Unzulänglichkeit des früheren Rechts ist noch immer Ultramares Corp. v. Touche, 174 N.E. 441, 449 (N.Y. 1931); eine gute Dokumentation der Entwicklung findet sich bei Loss, Fundamentals of Securities Regulation, 2. Aufl. 1988, S. 901 ff.

Schriften durch ein entsprechendes Haftungssystem flankiert wurden, wie dies durch den Erlaß von § 11 Securities Act im Jahre 1933 schließlich ge­ schah. Die Bestimmung sieht eine verschuldensunabhängige Haftung vor für erhebliche Fehldarstellungen in der Registrierungsurkunde (registration Sta­ tement), die die wesentlichen Informationen über das öffentliche Angebot zum Verkauf von Effekten zu enthalten hat16. § 11 See.Act 1933 verlangt keine vertraglichen Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem und unterwirft die gesamte Verwaltung der emittierenden Gesellschaft der Ver­ antwortlichkeit. Den Kläger trifft keine Beweislast dafür, daß sein Schaden adäquat kausal durch die Falschdarstellung verursacht worden ist. Vielmehr obliegt den in Anspruch Genommenen, sich zu entlasten, was nur in engen Grenzen möglich ist. Die amerikanische Rechtsentwicklung belegt so die Wechselwirkungen zwischen Publizitätspflicht und operativen Haftungssank­ tionen.

II. Die Rechtsquellen des Informationsrechts Von der Gestaltung der Satzung (certificate of incorporation oder by laws) der betroffenen Gesellschaft abgesehen, kann das Recht auf Einsicht auf Bundes- oder auf einzelstaatlichem Recht beruhen. In Frage kommt kodifi­ ziertes Recht oder der Rückgriff auf die fortgeltenden Grundsätze des common law. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht des Gesellschafters ist ein schö­ nes Anschauungsbeispiel für die Koexistenz von statutory and common law, weil die Gerichte einiger Jurisdiktionen auf das common law zurückgegriffen haben, wenn sie die gesetzliche Regelung als unzuträglich empfunden haben. Methodisch wie verfassungsrechtlich ist dieser Ansatz keineswegs unproble­ matisch, weil die Kodifikation das common law gerade inkorporieren wollte17. In den Rechtsordnungen mit kodifiziertem Recht ist dieses Phäno­ men bekannt als Ergänzung und Fortentwicklung des geschriebenen Rechts durch richterliche Rechtsfortbildung.

16 Zur Funktionsweise der Haftung nach § 11 See.Act, 15 U.S.C. § 77k Escott v. BarChris Construction Corp., 283 F.Supp. 643 (S.D.N.Y. 1968). Ist die unrichtige Darstellung in einem Verkaufsprospekt enthalten oder läßt dieser eine publizitätspflichtige Tatsache weg, so ist § 12(2) See.Act, 15. U.S.C. § 771(2) die richtige Anspruchsgrundlage. Ist die unrich­ tige Darstellung sowohl im registration Statement wie im Prospekt enthalten oder wird sie in beiden verschwiegen, so kann die Klage in Anspruchskonkurrenz auf § 11 wie auf § 12(2) See.Act gestützt werden. Daneben könnte der getäuschte Investor Schadensersatz aus Rule 10b-5, 17 C.F.R. § 240.10b-5 beanspruchen. 17 Zur Koexistenz von common law und statutory law 15A C.J.S., Common Law, § 12 (1967) mit zahlreichen Nachweisen.

1. Das common law gewährte dem Gesellschafter ein begrenztes Recht auf Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft. Dieses Recht war davon abhängig, daß der Gesellschafter für sein Einsichtnahmebegehren einen angemessenen Grund (proper purpose) anfuhren konnte, d.h. einen Grund, der sich gerade auf seine Stellung als Gesellschafter in dieser Gesell­ schaft bezieht. Wichtige Gründe waren das Recht des Gesellschafters, mit anderen Gesellschaftern in Kontakt zu treten durch Zugang zum Aktienbuch der Gesellschaft und zum Zwecke der Bewertung der Anteile im Falle des Ausscheidens durch Einsicht in die Bücher und Bilanzen. Von einem solchen Begründungszwang gänzlich ausgenommen sind die Verwaltungsmitglieder. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines tauglichen Grundes sowie dafür, daß das Recht in gutem Glauben ausgeübt wird, trägt der Ge­ sellschafter18. Das Einsichtsrecht ist gegebenenfalls in einem mandamus­ Verfahren durchzusetzen19. Das common law versah dieses Recht mit der Schranke, daß Einsicht nur in einem vernünftigen zeitlichen und örtlichen Rahmen genommen werden konnte.

2. Die allmähliche Kodifizierung der Korporationsgesetze in den Einzel­ staaten hat das Einsichtsrecht des Gesellschafters nicht ausgespart. Es ist heute in den meisten Staaten Bestandteil der Gesellschaftsgesetze. Dies wirft die Frage auf nach dem Konkurrenzverhältnis von Gesetzesrecht und com­ mon law. Heute herrscht Einigkeit, daß das Einsichtsrecht nach common law unabhängig vom kodifizierten Recht fortbesteht und daß die neuen Gesetze das bisherige Recht verstärken bzw. ergänzen, nicht dagegen ersetzen soll­ ten20. Allerdings besteht ein zum Teil erhebliches Gefälle hinsichtlich des Umfanges des Einsichtsrechts. Darin spiegelt sich aber nur die allgemeine Tendenz wider, den Gesellschaftern einerseits mehr Rechte zuzugestehen oder umgekehrt die Verwaltung mit einer stärkeren Position auszustatten. 3. Schließlich enthält das Bundesrecht Grundlagen für das Einsichtsrecht des Gesellschafters. Gesellschaften, die der periodischen Publizität nach § 12 18 Albee v. Lamson & Hubbard Corp., 69 N.E.2d 811 (Mass. 1946). 19 Eine gute Zusammenstellung tauglicher Einsichtsgründe findet sich bei Shipley, 15 A.L.R.2d 11. 20 G. S.& M. Company v. Dixon, 138 S.E.2d 662 (Ga. 1964); Schwartzman v. Schwartzman Packing Co., 659 P.2d 888 (N.M. 1983). Nur wenn es dem einzelstaatlichen Gesetzgeber erkennbar eindeutig darum ging, den durch das common law hergestellten Rechtszustand durch eine Kodifikation zu verändern oder das common law zu derogieren, gilt alleine das Gesetzesrecht, sonst beide nebeneinander. Bei einer Kodifikation wird nicht automatisch vermutet, daß sie vollständig an die Stelle des common law treten soll, Tucson Gas & Electric Co. v. SchautZy 428 P.2d 686 (Ariz. 1967); Crane Co. v. Anaconda Com­ pany, 346 N.E.2d 507 (N.Y. 1976).

Sec.Exch.Act 1934 unterfallen, müssen Einblick in ihre Aktionärsliste ge­ währen. Rule 14a-721 verlangt von publizitätspflichtigen Gesellschaften, sol­ che Gesellschafter, denen es um eine Liste aller Gesellschafter geht, aktiv zu unterstützen. Dies kann auf zwei Arten geschehen: Einmal durch Aushändi­ gung einer Gesellschafterliste oder dadurch, daß sich die Gesellschaft bereit erklärt, für den interessierten Gesellschafter den Kontakt zu den übrigen Ge­ sellschaftern herzustellen durch Versendung bestimmter Mitteilungen. Aller­ dings kann die Gesellschaft hierfür Ersatz ihrer notwendigen Portoauslagen beanspruchen. Beide Alternativen sind statthaft, und es liegt auf der Hand, daß die zweite für den Gesellschafter weniger vorteilhaft ist. Um demjenigen Gesellschafter, der mittels des Einsichtsrechts gegen die amtierende Ver­ waltung opponieren will, sie etwa durch eine Stimmrechtssammlung zu er­ setzen beabsichtigt, das erlaubte Maß an Steinen in den Weg zu legen, ent­ scheidet sich die Verwaltung in aller Regel dafür, für den Gesellschafter Mitteilungen an die übrigen Gesellschafter gegen anteiligen Kostenersatz zu versenden. Auf diesem Wege kann der Gesellschafter andere Gesellschafter etwa auffordern, seinen Antrag auf Herausgabe einer vollständigen Gesell­ schafterliste nach dem einzelstaatlichen Recht zu unterstützen, wozu vielfach ein Mindestquorum erreicht sein muß. Oder es werden Mitgesellschafter er­ sucht, sich einer derivative suit anzuschließen, so daß ein Anteilsquorum er­ reicht wird, welches die Kläger von der Verpflichtung zur Gestellung einer Prozeßkostensicherheit freistellt21 22. Das Bundesrecht reguliert die Kon­ taktaufnahme eines Gesellschafters mit anderen dahingehend, daß er ein proxy Statement bei der S.E.C. vorlegen muß, wenn er mit mehr als zehn anderen Gesellschaftern23 einer publizitätspflichtigen Gesellschaft zur ge­ meinsamen Koordinierung ihrer Gesellschafterrechte in Verbindung treten will24. Sein Kommunikationsvorhaben wird also nicht anders behandelt wie eine proxy solicitation der Verwaltung selbst25. Im proxy Statement des Ge­ sellschafters ist genau darzulegen, welcher Zweck mit der Einsichtnahme in die Schriften der Gesellschaft verfolgt wird. Unterbleibt dies, so kann die 21 17 C.F.R. §240.14a-7. 22 Vgl. in New York § 627 N.Y.B.C.L. 23 Zur 10-Personengrenze siehe Rule 14a-2(b)(l), 17 C.F.R. § 240.14a-2(b)(l). 24 Studebaker Corp. v. Gittlin, 360 F.2d 692 (2d Cir. 1966). 25 Bei dem Begriff "proxy solicitation" sind die Gerichte und die S.E.C. mittlerweile von einem rein technischen Veständnis im Sinne von Rule 14a-l(e) und (k), 17 C.F.R. § 240.14a-l(e) und (k) abgerückt und haben sich einer eher funktionalen Betrachtung zuge­ wandt. Erfaßt werden soll damit jede Form der Kommunikation - nicht notwendig nur eine solche, die in die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht (proxy) einmündet -, die darauf angelegt ist, daß der handelnde Gesellschafter auf andere Gesellschafter zu dem Zwecke einwirkt, daß diese ihn in der Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber der Gesellschaft unterstützen.

Gesellschaft, vertreten durch ihre Verwaltung, oder ein Gesellschafter gegen die rechtswidrige Stimmrechtssammlung eine einstweilige Verfügung erwir­ ken und die Durchsetzung des Einsichtsrechts blockieren26.

III. Voraussetzungen der Rechtsausübung Obwohl die Ausgestaltung des Einsichtsrechts in den Einzelstaaten vari­ iert, geht der generelle Trend doch dahin, das Recht an einen wichtigen Ein­ sichtsgrund zu binden. Weiterhin fordern viele Jurisdiktionen, inspiriert vom Model Business Corporation Act27, daß der die Einsicht begehrende Gesell­ schafter eine Mindestanteilsbesitzschwelle erreicht und zusätzlich eine Min­ destbesitzzeit vorweisen kann28. In einigen Staaten ist die Gewährung des Einsichtsrechts in besonderer Weise sanktionsbewehrt: Verweigert ein Ver­ waltungsmitglied die beantragte Einsicht, ohne daß ihm dabei ein Rechtferti­ gungsgrund zur Seite steht, so kann ihm auf Antrag des Gesellschafters ein besonderes Zwangsgeld mit Strafcharakter auferlegt werden29. Die prak­ tische Bedeutung solcher Zwangsgeldanordnungen ist gering, ihre Zwecktauglichkeit überaus fragwürdig. Sie bringen die Verwaltung in einen unzumutbaren Konflikt. Einerseits soll über das Einsichtsersuchen wohlab­ gewogen entschieden werden, andererseits soll dies rasch geschehen. Im üb­ rigen ist nicht geklärt, ob das mit einem Strafgeld belegte Verwaltungsmit­ glied von der Gesellschaft Entschädigung verlangen kann. Heute ist die alte Streitfrage ausgetragen, ob das Einsichtsrecht satzungs­ fest ist. Es handelt sich um ein derart fundamentales Recht in bezug auf die Gesellschafterstellung wie mit Bezug auf die Korporationsverfassung, daß es nicht zur beliebigen Disposition der Satzungsgestaltung stehen darf. Das cer­ tificate of incorporation oder die by laws dürfen dieses Recht nicht beschrän­ ken - etwa einen höheren als den nach dem Gesetz erforderlichen Anteils­ besitz oder eine längere Besitzzeit fordern -, wohl aber dürfen sie diese An­ forderungen absenken30. Erlaubt sind Satzungsbestimmungen, die das Ver­ 26 Studebaker Corp. v. Gittlin, 360 F.2d 692, 695 (2d Cir. 1966): obwohl die Gesell­ schaft verpflichtet ist, die Einsicht zu gewähren, darf sie eine rechtswidrige proxy solicita­ tion, die der Durchsetzung des Einsichtsrechts dienen soll, abwehren. Jedem potentiell Be­ troffenen wird die Klagebefugnis zugestanden, also sogar der Gesellschaft und ihrer Ver­ waltung. 27 So noch §52M.B.C.A.; § 16.02 R.M.B.C.A. verzichtet auf diese Voraussetzungen nunmehr. 28 § 624 N.Y.B.C.L.: 6 Monate Besitzzeit sowie 5%iger Mindestbesitz an irgendeiner ausgegebenen Aktiengattung. 29 So insbesondere Cal.Corp.Code §§ 1600 ff. 30 Vgl. State ex rel. Cochran v. Penn-Beaver Oil Co., 143 A. 257 (Del. 1926). Diese Entscheidung ist bis heute beachtenswert, weil die Korporationsgesetzgebung von Delaware

fahren näher regeln oder das Einsichtsrecht überhaupt erweitern. Unzulässig wäre dagegen der Versuch, in den Gesellschaftsstatuten bestimmen zu wol­ len, daß die Entscheidung über die Zulassung des Einsichtsantrages im Er­ messen des board of directors steht31.

1. Einsichtsberechtigung Den Mitgliedern der Verwaltung steht die Einsichtnahmebefugnis ohne weiteres zu32. Die Anteilseigner müssen dagegen ein gesondertes Bewilli­ gungsverfahren durchlaufen, ehe sie Einsicht nehmen können. Anteilseigner (equity holders) sind zunächst die Inhaber von stimmberechtigten Stammsowie von stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Das Einsichtsrecht fließt aus der Mitgliedschaft. Fraglich war das Einsichtsrecht in der Vergangenheit in den Fällen, wo eine Gruppe von Gesellschaftern ihre Anteile zu einem voting trust gepoolt hatte und danach keine direkten Anteile an der Gesellschaft mehr hielt. Als Ergebnis eines solchen voting trust erhalten die Poolaktio­ näre lediglich Zertifikate, die ihre Zugehörigkeit zum voting trust bekunden. Nach common law hatten die Inhaber von Poolzertifikaten keinen Einsicht­ anspruch33. Dieses Ergebnis ist inzwischen in den Gesetzen vieler Einzel­ staaten geändert worden. Die Inhaber von voting trust certificates sind heute nach der Konstruktion der beneficial ownership als Aktionäre der Gesell­ schaft zu betrachten34. Die Gläubiger der Gesellschaft haben als solche keinen Anspruch auf Ein­ sicht in die Bücher und sonstigen Geschäftsaufzeichnungen der Gesellschaft. Ihrem legitimen Informationsbefürfnis wird durch die zu veröffentlichenden der Satzung gerade gestattete, das Einsichtsrecht der Gesellschafter einzuschränken. Das Ge­ richt hat diese Ermächtigung jedoch dahin reduziert, daß das Einsichtsrecht nicht in seinem Kernbestand angetastet werden darf. Erlaubt sind satzungsmäßige Konkretisierungen allen­ falls hinsichtlich des Zeitpunktes und des Verfahrens. 31 Klotz v. Pan-American Match Co., 108 N.E. 764 (Mass. 1915). 32 Beim Einsichtsrecht der Verwaltungsmitglieder muß unterschieden werden: die aktiv an der Verwaltung beteiligten Mitglieder des board of directors sind im Besitz der Bücher, die von ihnen selbst oder unter ihrer Anleitung geführt werden. Für sie stellt sich die Frage nach einem Einsichtsrecht nicht. Wichtig ist die Sicherstellung des Zugangsrechts der nicht im aktiven Management tätigen Boardmitglieder (outside directors), die nicht auf diejenigen Informationen beschränkt bleiben dürfen, die ihnen vorgesetzt werden. Hierfür ist ein unab­ hängiges Informationsrecht unerläßlich, Einzelheiten bei Eisenberg, Legal Models of Management Structure in the Modem Corporation: Officers, Directors, and Accountants, 63 Calif.L.Rev. 375, 402 ff. (1975). 33 5A Fletcher, Cyclopedia of the Law of Private Corporations, § 2230.1 (1987) mit Nachweisen. 34 Für ein Einsichtsrecht der Inhaber von voting trust certificates § 624(b) N.Y.B.C.L.; Cal.Corp.Code § 1600(c); sowie § 16.02(f) R.M.B.C.A. Anders dagegen 8 Del.Code § 220, jedoch ist es der Satzung erlaubt, das Einsichtsrecht auf diesen Personenkreis auszu­ dehnen, § 221.

Jahresabschlüsse nachgekommen. Nur ausnahmesweise besitzen die Gesell­ schaftsgläubiger ein beschränktes Einsichtsrecht. Ein wichtiges Beispiel dafür findet sich in New York, welches in der close Corporation die zehn größten Shareholders für die Lohnansprüche der Arbeitnehmer und Angestellten persönlich im Durchgriffswege haften läßt, sofern diese von der Corporation keine Befriedigung erhalten können, § 630 N.Y.B.C.L. Zur Sicherung dieses Anspruchs kann jeder Gläubiger von Arbeitslohn, wenn er von der Gesellschaft selbst keine Zahlung erlangen konnte, gemäß § 624(b) N.Y.B.C.L. in die Gesellschafterliste Einblick nehmen, um so seinen An­ spruch gegen einen zahlungskräftigen Schuldner zu verfolgen. Die aus­ nahmsweise Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes, wonach das Ein­ sichtsrecht akzessorisch zu einer mitgliedschaftlichen Beziehung ist, erklärt sich aus dem besonderen sozialpolitischen Anliegen von § 630 N.Y.B.C.L. Jeder Einsichtsberechtigte darf von sich aus Hilfspersonen mit beson­ derem Sachverstand zuziehen, vor allem solche, die von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Die Gesellschaft hat kein Recht, ihr mißliebige Personen als Gehilfen eines zur Einsichtnahme befugten Gesell­ schafters zurückzuweisen35.

2. Einsichtsgründe, Einsichtsantrag und Entscheidung der Gesellschaft

Gesellschafter, die Einsicht nehmen oder sich aus den Büchern und Do­ kumenten der Gesellschaft selbst Abschriften fertigen wollen, bedürfen sowohl nach common law wie nach kodifiziertem Recht der Einzelstaaten ei­ nes tauglichen Einsichtnahmegrundes, und sie müssen einen Antrag stellen. Die Anforderungen an den Grund stehen in Abhängigkeit zum Gegenstand der Einsichtnahme. Mitglieder der Verwaltung unterliegen diesen Einschrän­ kungen nicht36. Eine Synopse der einzelstaatlichen Bestimmungen zeigt, daß sich im wesentlichen zwei Modelle gegenüberstehen. In Delaware (8 Del.Code § 220) kann jeder im Aktienbuch eingetragene Gesellschafter (stockholder of record) auf schriftlichen Antrag und unter Glaubhaftmachung seines Einsichtsgrundes die Geschäftsunterlagen der Ge­ sellschaft sowie deren Aktienbuch einsehen37. Geht es darum, die Ge­ 35 Zum Ganzen 5A Fletcher (wie FN 33), § 2233. 36 Für die mit Managementaufgaben betrauten inside directors folgt das Einsichtsrecht aus ihrer Amtsstellung. Outside directors haben ein in vielen Bundesstaaten gesetzlich ver­ ankertes Recht auf Einsichtnahme, wenn sich das Bedürfnis zur Einsichtnahme hinreichend eng mit den an sie gestellten Aufgaben verbindet, 8 Del.Code § 220(d). 37 Andere Personen als Gesellschafter haben kein gesetzliches Einsichtsrecht. Wohl aber können etwa die Gesellschaftsgläubiger den einsichtsbefugten Gesellschaftern durch das cer­ tificate of incorporation gleichgestellt werden, 8 Del.Code § 221.

schäftsbücher einzusehen, so muß der Antragsteller seinen Einsichtsgrund darlegen und dartun, daß er die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen er­ füllt. Soll hingegen lediglich Einsicht in die Gesellschafterliste genommen werden, so ist glaubhaft zu machen, daß der Antrag voraussetzungsgemäß gestellt ist. Bezüglich des Einsichtsgrundes muß nicht der Antragsteller be­ weisen, daß ihm ein solcher zur Seite steht. Vielmehr hat die Gesellschaft zu beweisen, daß kein billigenswerter Grund zur Einsichtnahme in die Gesell­ schafterliste gegeben ist38. In New York (§ 624 N.Y.B.C.L.) folgt das gesetzliche Einsichtsrecht an­ deren Regeln. Der Antrag auf Einsichtnahme muß von einem oder mehreren Aktionären gestellt werden, die über 5 % oder mehr der Aktien einer beliebi­ gen Gattung verfügen. Ferner müssen die Petenten mindestens sechs Monate Gesellschafter gewesen sein, und es muß eine Zeitspanne von fünf Werk­ tagen liegen zwischen dem Tag der Antragstellung und dem Tag der tatsäch­ lichen Einsichtnahme. Nach § 624(b) darf der Gesellschafter nur die Nieder­ schriften über die Verhandlungen der Gesellschafterversammlung oder die Gesellschafterliste einsehen und sich Abschriften anfertigen. Weiterhin kann er nach § 624(e) eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung von der Gesellschaft fordern. Der Antragsteller hat dagegen - was vielfach übersehen wird — kein gesetzliches Recht auf Einsicht in die Geschäftsbü­ cher39, aus denen er die einzelnen Posten der Bilanz rekonstruieren könnte. Für die Beweislast gilt, daß nicht der Gesellschafter einen wichtigen Ein­ sichtsgrund darlegen muß, sondern umgekehrt die Gesellschaft darzutun hat, daß dem Gesellschafter kein wichtiger Grund zur Seite steht. Es genügt, wenn der Antragsteller nur einen billigenswerten Grund neben anderen hat, die vielleicht jeder für sich genommen nicht ausreichen würden. Die Ein­ sichtnahme in die Gesellschafterliste, um mit anderen Gesellschaftern in 38 8 Del.Code § 220(c). 39 Diese Auffassung ergibt sich zwanglos aus dem Wortlaut sowie dem systematischen Aufbau von § 624 N.Y.B.C.L. In § 624(a) verpflichtet das Gesetz die Gesellschaft, Ge­ schäftsbücher und Kontenverzeichnisse zu führen sowie eine Gesellschafterliste anzulegen. Das Einsichtsrecht selbst wird aber in § 624(b) und (e) auf Protokolle der Verhandlungen der Gesellschafter, die Gesellschafterliste, die Jahresbilanz sowie die Gewinn- und Verlust­ rechnung beschränkt. Die gleiche Struktur weist § 624(d) hinsichtlich der gerichtlichen Durchsetzung auf. Es fallt also auf, daß das Gesetz einen Unterschied macht, zwischen dem, was die Gesellschaft führen muß und dem, worin sie Einsicht zu gewähren hat. Diese Be­ schränkung des Einsichtsrechts wird schließlich in § 1315 N.Y.B.C.L. deutlich. Das Gesetz ist damit enger als das Einsichtsrecht des Gesellschafters nach common law. Deshalb kann der shareholder, der auch in die übrigen Geschäftsbücher Einsicht nehmen will, auf sein Einsichtsrecht nach common law zurückgreifen, dem diese Beschränkung auf die Gesellschafterliste unbekannt war. Der Gesellschafter erhält demnach Einsicht, aller­ dings nicht auf der Grundlage des engeren § 624, sondern nach fortgeltendem common law, das der Gesetzgeber nicht derogieren wollte und welches die Gerichte heute in § 624 hin­ einlesen, siehe Bondi v. Business Education Forum, Inc., 384 N.Y.S.2d 291 (App.Div. 1976); O'Brien v. O'Brien, 427 N.Y.S.2d 286 (App.Div. 1980).

Kontakt treten zu können und so auf dem Wege einer Stimmrechtssammlung das amtierende Management abzuwählen (proxy contest), ist als tauglicher Einsichtsgrund anerkannt. Als die Einsicht rechtfertigende Gründe erkennt die Rechtsprechung heute folgende Fallgruppen an: Der shareholder will herausfinden, ob die Ver­ waltung der Corporation des Mißmanagements schuldig ist40. Dem Gesell­ schafter geht es um die Beschaffung von Informationen zur Vorbereitung von Klagen im eigenen Namen oder aus dem abgeleiteten Recht der Gesell­ schaft41. Der Gesellschafter will aus der Gesellschaft austreten und einen Abfindungsanspruch gegen diese geltend machen42. Die Gesellschaft ist — angeblich - nicht in der Lage, eine Dividende zu zahlen wegen hoher lau­ fender Betriebsverluste, und ein Gesellschafter will dies überprüfen, um die Verwaltung gegebenenfalls zur Ausschüttung einer Dividende zu zwingen43. Der Gesellschafter bemüht sich um Informationen, um zu einer abgewoge­ nen Stimmabgabe auf der nächsten Hauptversammlung imstande zu sein44. Das Einsichtsrecht ist vom Gesellschafter bei der Verwaltung in der Regel schriftlich zu beantragen. Auf besonderes Verlangen der Gesellschaft sind dabei die Einsichtsgründe glaubhaft zu machen. Nach lokalem Recht kann hierfür sogar eine eidesstattliche Versicherung erforderlich sein. Insgesamt hat das Verfahren große Ähnlichkeit mit dem Antragsverfahren (demand on the board) bei der derivative suit45. Im Streitfälle ist nicht die Gesellschaft zur Beurteilung der Frage berufen, ob ein hinreichender Einsichtsgrund vorliegt. Ein Gesellschafter, mit dem die Gesellschaft im Wettbewerb steht, ist nicht von vornherein vom Ein­ sichtsrecht ausgenommen46. Von der Einsichtnahme ausgeschlossen sind al­ lerdings die Kundenkartei sowie solche Unterlagen, die spezifische Ge­ schäftsgeheimnisse beinhalten. Verallgemeinernd läßt sich sagen, daß das Einsichtsrecht nicht außergesellschaftlichen Interessen dienstbar gemacht werden darf und stets nach Treu und Glauben auszuüben ist. Ausfluß dieses Prinzips ist es, daß einige Jurisdiktionen denjenigen vom Einsichtsrecht dis­ qualifizieren, der innerhalb von fünf Jahren eine Gesellschafterliste verkauft, zum Verkauf angeboten oder hieran mitgewirkt hat. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Antragsteller die Gesellschafterliste der Gesellschaft 40 41 42 43 44 45 46

Guthrie v. Harkness, 199 U.S. 148, 26 S.Ct. 4 (1905). Rochester v. Indiana County Gas Co., 92 A. 717 (Pa. 1914). Davis v. Cambria Title, Savings & Trust Co., 155 A. 108 (Pa. 1931). Briskin v. Briskin Manufacturing Co., 286 N.E.2d 571 (111. 1972). George v. International Breweries, Inc., 134 N.W.2d 381 (Mich. 1965) Dazu bereits oben § 7 II 5. Hansen v. Marblette Corp., 24 N.Y.S.2d 200 (Spr.Ct. 1940).

verkauft hat, in deren Unterlagen er jetzt Einblick nehmen will, oder die ei­ ner anderen47. Dieser Disqualifikationstatbestand erscheint rechtspolitisch verfehlt. Des­ halb verschwindet er mehr und mehr aus den Korporationsgesetzen, da diese Sanktion nicht zwecktauglich ist. Sie vergleicht inkommensurable Katego­ rien, weil individualrechtliche und aufsichtsrechtliche Bestandteile des In­ formationsrechts nicht hinreichend getrennt werden. Wer das Einsichtsrecht institutionell mißbraucht, indem er die Liste verbotswidrig verkauft hat, mag persönlich mit einem Bußgeld belegbar sein. Er verwirkt jedoch nicht das Recht, die Einsicht um der Gesellschaft willen zu nehmen und ihre Interes­ sen damit zu wahren. Eine absolute Disqualifizierung des Gesellschafters würde in unverhältnismäßiger Weise auf die Gesellschaft selbst zurückschla­ gen, weil sie ihre Verwaltung kontrollfrei stellen könnte. Die Verwaltung könnte einen shareholder dadurch disqualifizieren, daß sie ihn in Verkaufs­ verhandlungen verwickelt. Wie bei der derivative suit läßt sich für das Einsichtsrecht beobachten, daß ein zweckentfremdeter Gebrauch vorkommt. So wird das Einsichtsrecht eingesetzt, um die Gesellschaft zu veranlassen, dem antragstellenden Gesell­ schafter seine Anteile zu einem übersetzten Preis abzukaufen. Mit dem Ver­ lust der Mitgliedschaft entfällt die Grundlage des Einsichtsbegehrens. Erfolgt ein solcher Auskauf durch die Gesellschaft, so ist der den Marktwert der Anteile übersteigende Teil des Kaufpreises zu behandeln wie der Abkauf des Klagerechts bei der derivative suit48. Läßt der Antragsteller durchblicken, daß er durchaus geneigt ist, seine Anteile zu verkaufen, so berührt dies in aller Regel das Einsichtsrecht nicht, wenn er ansonsten einen tauglichen Ein­ sichtnahmegrund dartun kann. Die Mehrzahl der Gerichte hat sich bislang zu Recht der Anerkennung der rechtsmißbräuchlichen Ausübung des Einsichts­ rechts verschlossen49. Bei der close Corporation ist das Einsichtsrecht großzügiger zu handhaben als bei der Publikumsgesellschaft. Die Korporationsgesetze sehen eine solche 47 So in New York (§ 624(c) N.Y.B.C.L.) nach dem Vorbild von § 52 M.B.C.A. Da­ nach kann die Gesellschaft die Gewährung des Einsichtsrechts davon abhängig machen, daß der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vorlegt, in der er versichert, nicht am Verkauf einer Gesellschafterliste beteiligt gewesen zu sein. 48 Clarke v. Greenberg, 71 N.E.2d443 (N.Y. 1947). 49 So namentlich die Gerichte in Delaware, vgl. Skouras v. Admiralty Enterprises, Inc., 386 A.2d 674, 680 (Del.Ch. 1978). In Delaware gilt die Regel, daß Einsicht genommen werden darf, wenn nur ein einziger tauglicher Einsichtsgrund - neben eventuell untaug­ lichen - besteht, sog. proper purpose-Test. In New York dagegen wäre ein Gesellschafter, der durch sein Einsichtsbegehren lediglich Druck auf die Gesellschaft ausüben will, um von dieser ausgekauft zu werden, von der Einsichtnahme disqualifiziert, weil in New York nicht zählt, daß ein tauglicher Grund vorhanden ist, solange daneben auch nur ein untauglicher Grund vorliegt (sog. improper purpose-Test).

Differenzierung nicht ausdrücklich vor, stehen ihr aber nicht im Wege. Ent­ scheidend für die close Corporation ist die Erwägung, daß hier die perio­ dische Publizität entfällt, § 12 Sec.Exch.Act 1934. Ihr Jahresabschluß muß nicht von unabhängigen Buchprüfern geprüft und bestätigt werden. Das hier­ durch bedingte Informationsdefizit ist also auf anderem Wege auszugleichen. In der close Corporation ist die Versorgung aller Gesellschafter mit Informa­ tionen zudem ein echtes Gleichbehandlungsproblem. Die Gesellschafter-Ma­ nager haben vermöge ihrer Amtsstellung Zugang zu allen Informationsquel­ len und sind auf kein förmlich durchzusetzendes Einsichtsrecht angewiesen. Deshalb sollen sich die übrigen Gesellschafter, wenn sie keine eigenen Ver­ waltungsaufgaben erfüllen, nicht schlechter stehen50. 3. Gegenstand des Informationsrechts Gegenstand des Einsichtsrecht nach den Korporationsgesetzen der Einzel­ staaten ist die Einsichtnahme selbst sowie die Anfertigung von Abschriften. Im Vergleich zu § 131 AktG, der nur ein Auskunfts- jedoch kein Einsichts­ recht gewährt, fällt auf, daß die gesetzlichen Bestimmungen kein ebenso er­ zwingbares Auskunftsrecht gegen die Verwaltung in der Hauptversammlung einräumen51. Das gesetzliche Informationsrecht des Mitglieds in der Corpo­ ration richtet sich auf materialisierte Vorgänge, die aktenkundig gemacht worden sind. Die ganze Rechtsposition hängt mithin davon ab, daß die Ver­ waltung einen Vorgang ordnungsgemäß dokumentiert hat und bei den Akten beläßt52. Hier liegt der Schlüssel zu einer möglichen Aushöhlung dieses Rechts. Das Gesetz begegnet dieser Gefahr der fehlenden Dokumentation, indem die Gesellschaft angehalten wird, vollständige Bücher und Konten am Sitz der Gesellschaft zu führen53, 54 damit das Einsichtsrecht nicht ins Leere geht. Die Pflicht der Gesellschaft, Bücher zu führen, wird von der Rechtsprechung allerdings in dem Sinne ausgelegt, daß nur der Staat, nicht aber ein Gesellschafter befugt sein soll, die Buchführungspflicht gerichtlich zu erwingen54. Dieses Verständnis bedeutet insoweit einen Stilbruch, als das 50 O’Neal, Molding the Corporate Form to Particular Business Situations: Optional Charter Clauses, 10 Vand.L.Rev. 1, 40 (1956). Aus der Rechtsprechung Bankers Trust Co. v. Rosenhirsch Co., 190 N.Y.S.2d 957 (Spr.Ct. 1959); Galler v. Galler, 203 N.E.2d 577 (111. 1965). 51 Zur inneren Verbindung zwischen Auskunfts- und Einsichtsrecht eingehend § 20 II. 52 Bei der GmbH hat der Gesellschafter dagegen ein Recht auf Auskunftserteilung und Einsichtnahme in die Geschäftsbücher, § 51a GmbHG; dazu noch näher unten § 20, speziell III.5. 53 § 624(a) N.Y.B.C.L. 54 Billingham v. Gleason Mfg. Co., 91 N.Y.S. 1046 (App.Div. 1905), aff’d 78 N.E. 1099 (N.Y. 1906).

amerikanische Recht dadurch gekennzeichnet ist, daß es den Endbe­ günstigten einer Norm stets in ihr Durchsetzungssystem einbezieht und sich so sein natürliches Interesse am Vollzug dieser Norm zunutze macht.

IV. Gerichtliche Erzwingung Der statthafte Rechtsbehelf für eine verfahrensrechtliche Durchsetzung des Einsichtsrechts ist die Beschwerde (mandamus) gegen die Weigerung der Gesellschaft55. Das mandamus-Verfahren gilt für Gesellschafter und Ver­ waltungsmitglieder, denen die Einsichtnahme verwehrt wurde, gleicher­ maßen. Die Verwaltungsmitglieder müssen freilich keinen Einsichtsgrund darlegen. In Eilfällen kommt eine einstweilige Verfügung auf Gestattung der Einsicht in Betracht, etwa wenn dem Gesellschafter daran gelegen ist, daß eine Versammlung oder Abstimmung solange nicht abgehalten wird, bis er Einsicht nehmen konnte56. Das gesellschaftsrechtliche Einsichtsrecht des Aktionärs besteht unabhängig neben der Befugnis des Prozeßgerichts, in ei­ nem anderweitig anhängigen Zivilverfahren die Vorlage der Bücher der Ge­ sellschaft anzuordnen (sog. pre-trial discovery)57. Zuständig für die Ent­ scheidung über den Antrag kann ein einzelstaatliches oder ein Bundesgericht sein58. Ein Bundesgericht hat das nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen zu ermittelnde Gesellschaftsstatut, also grundsätzlich das Recht des Inkorporie­ rungsstaates der Gesellschaft, anzuwenden59. In aller Regel ist das Einsichtsrecht im Verfahren vor den Gerichten des Sitzstaates durchzusetzen, weil viele Gesellschaftsgesetze hierfür ausschließ­ liche Gerichtsstände vorschreiben60. Das mandamus-Verfahren ist seiner 55 Bank of Helfin v. Miles, 318 So.2d 697 (Ala. 1975); vgl. jedoch andererseits Stan­ dard Factor & Finance Co. v. Fincher, 144 S.E.2d 554 (Ga. 1965). 56 Steinberg v. American Bantam Car Co., 76 F.Supp. 426 (W.D.Pa. 1948); Susque­ hanna Corp. v. General Refractories Co., 356 F.2d 985 (3d Cir. 1966). 57 Das gesellschaftsrechtliche Einsichtsrecht läßt etwaige prozessuale Vorlagepflichten unberührt, vgl. § 624(f) N.Y.B.C.L. 58 Etwa bei Wohnsitzverschiedenheit der Parteien gemäß 28 U.S.C. § 1332 (diversity of citizenship). 59 Stern v. South Chester Tube Co., 390 U.S. 606, 88 S.Ct. 1332 (1968): vor den Bun­ desgerichten ist das mandamus-Verfahren zwar nicht statthaft wegen Rule 81(b) F.R.Civ.P.; dennoch sind die Bundesgerichte gehalten, einen funktionsäquivalenten Rechtsbehelf in An­ lehnung an das Recht des Inkorporierungsstaates unter Ausschöpfung ihrer equitable power zu kreieren. 60 Vgl. etwa 8 Del.Code § 220(c). Dabei handelt es sich um einen ausschließlichen Ge­ richtsstand, wenn das Einsichtsbegehren auf einzelstaatliches Gesellschaftsrecht gestützt wird. Davon zu unterscheiden ist der ausschließliche Gerichtsstand der Bundesgerichte nach § 27 Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 78aa, wenn sich das Einsichtsrecht auf Rule 14a-7 gründet. Die Rechtsgrundlage determiniert also die gerichtliche Zuständigkeit.

Rechtsnatur nach ein kontradiktorisches und weist der Corporation die Rechte als Antragsgegner zu, obwohl ihre Verwaltung die Einsichtnahme abgelehnt hat. Die Verwaltung ist zwar im physischen Besitz der Akten der Gesell­ schaft. Dieser Besitz wie die ablehnende Entscheidung der Verwaltung wird der Corporation jedoch zugerechnet61. Eine rechtskräftige Entscheidung, die die Gesellschaft zur Einsichtsgewährung verpflichtet, bindet die Verwaltung gleichermaßen. Als Sachurteilsvoraussetzung verlangt das Einsichtserzwingungsverfahren eine förmliche Beantragung der Einsicht, die von der Gesellschaft abgelehnt worden ist. Wie beim demand on the board kann dieser Antrag verzichtbar sein, wenn sich die Gesellschaft absolut unkooperativ zeigt oder den Antrag ignoriert62. Ein erheblicher Unterschied zur derivative suit besteht darin, daß die Verwaltung nicht unter Berufung auf ihr rechtfehlerfrei ausgeübtes Er­ messen den Fortgang des Einsichtserzwingungsverfahrens zu stoppen ver­ mag63. Gibt die Verwaltung dem Einsichtnahmeantrag des Gesellschafters nicht statt, so bedeutet dies keine endgültige Entscheidung. Im Einsichtser­ zwingungsprozeß überprüft das Gericht nicht die Entscheidung der Verwal­ tung auf Ermessensfehler, sondern vollumfanglich die Berechtigung des Ein­ sichtnahmebegehrens. Der Unterschied zur Behandlung der derivative suit folgt aus dem Umstand, daß bei dieser der Gesellschafter-Kläger ein Recht der Gesellschaft verfolgt, über das regelmäßig und vorrangig die Verwaltung zu befinden berufen ist, während bei der Einsichtserzwingung ein von der Korporationsverfassung dem Gesellschafter zugewiesenes eigenes Recht durchzusetzen ist. Das Gericht untersucht deshalb alle Voraussetzungen — insbesondere den Einsichtsgrund - eigenständig und befindet so über die Berechtigung des Antrages. Wird dem Antrag entsprochen, so muß die Gesellschaft ihre Bücher dem Antragsteller gegenüber offenlegen. Das Gericht ist aber nicht auf diesen Ausspruch beschränkt, sondern kann daneben von Amts wegen weitere Maßnahmen anordnen. Häufig geschieht es, daß besondere Inspektoren oder vereidigte Buchprüfer bestellt werden, die der Einsicht beiwohnen und dem Gericht hierüber Bericht erstatten64. Das Einsichtsrecht läßt sich auf diese Weise mit einer Sonderprüfung verbinden. Das Gericht darf bei seiner Ent­ scheidung über den Klageantrag hinausgehen und kann von sich aus flankie­ rende Anordnungen bezüglich Ort, Zeit und Umfang der Einsichtnahme tref­ 61 State ex rel. Brumley v. Jessup & Moore Paper Co., 77 A. 16 (Del. 1910); anderer Ansicht noch Johnson v. Langdon, 67 P. 1050 (Cal. 1902); State ex rel. Eliot & Co. v. Lake Torpedo Boat Co., 98 A. 580 (Conn. 1916). 62 Dazu näher 18A AmJur 2d, Corporations, § 409 (1985) mit Nachweisen. 63 Dazu für die derivative suit bereits oben § 7 II 5. 64 Einzelheiten bei 18A AmJur 2d, Corporations, § 415 (1985) mit Nachweisen.

fen. Insgesamt belegt das veröffentlichte Fallmaterial zur gerichtlichen Er­ zwingung des Einsichtsrechts, daß sich jede Entscheidung auf einem schma­ len Grat bewegt. Stets sind die Interessen der Gesellschaft an einer Geheim­ haltung gegen das Gesellschafterinteresse an Unterrichtung über die Angele­ genheiten der Gesellschaft zur Wahrnehmung seiner Rechte in der Gesell­ schaft abzuwiegen. Die Erfolgsquote im Einsichtserzwingungsverfahren ist statistisch hoch. Andererseits klingt in vielen Entscheidungen die Besorgnis an, daß das Einsichtsrecht nicht als Einfallstor der Industriespionage dienen darf, indem zu bereitwillig Zugang zu geschäftsspezifischen Geheimnissen gegeben wird65.

V. Die Rechtslage bei der partnership insbesondere Wie bei der Corporation verlangt das auf die partnership anwendbare Recht, daß am Ort des Gesellschaftssitzes Bücher geführt und aufbewahrt werden. Jeder Partner darf die Geschäftsunterlagen zu jeder Zeit einsehen und sich Abschriften hiervon fertigen. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob ein Partner geschäftsführungs- und vertretungsbefugt ist oder nach dem Ge­ sellschaftsvertrag (partnership agreement) keine derartigen Aufgaben wahr­ nimmt66. Der Gesellschaftsvertrag mag ausfüllende Bestimmungen enthalten, die etwa die Modalitäten der Einsicht ausfuhren, darf das Ein­ sichtsrecht jedoch nicht in seinem Kembestand antasten. Im Vergleich zur Rechtslage bei der Corporation ist das Recht der partnership insgesamt einsichtsfreundlicher: es fehlt hier die Differenzierung nach dem Einsicht­ nahmeobjekt, also danach, ob der Gesellschafter das Verzeichnis der übrigen Partner oder sonstige Unterlagen einsehen will. Ein Antrag auf Einsicht­ nahme (demand) bei dem geschäftsführenden Gesellschafter sowie die Einhaltung einer Frist zwischen Antrag und nachfolgender Einsichtnahme fehlen. Ebensowenig bedarf es der Namhaftmachung eines Einsichtsgrundes. Bei der partnership ist das Mitglied nicht auf die Einsicht von Unterlagen der Gesellschaft beschränkt. Daneben hat es den in den Korporationsgesetzen nicht ausdrücklich enthaltenen Offenlegungs- und Auskunftsanspruch gegen die Mitgesellschafter67. Vor allem Gesellschafter, die Managementfunk­ tionen in der partnership wahrnehmen, haben über alle Vorgänge mit wesentlichem Bezug zum Gesellschaftsvermögen Bericht zu erstatten. Diese Verpflichtung erstreckt sich insbesondere auf Transaktionen zwischen Ge­ 65 Klotz v. Pan-American Match Co., 108 N.E. 764 (Mass. 1915); In re H. Verby Co., 330 N.Y.S.2d 92 (App.Div. 1972). 66 § 41 N.Y.P.L.; § 15019 Cal.U.P.A.; § 19 U.P.A. 67 § 42 N.Y.P.L.; § 15020 Cal.U.P.A.; § 19 U.P.A.

sellschaftem und der partnership. Kommt ein Geschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zustande, so ist über die empfangene Gegenleistung ge­ naue Rechenschaft abzulegen68. Dasselbe gilt für Verträge unter Gesell­ schaftern, die die Übertragung von Anteilsrechten zum Gegenstand haben. Wechseln Anteile innerhalb der Gesellschaft den Besitzer, so muß jeder Teil den anderen über wesentliche Umstände informieren, die nicht bereits aus den Büchern ersichtlich sind. Insoweit existiert eine positive Rechtspflicht zur Offenlegung. Die genannten Pflichten steigern sich noch für solche Partner, die eine herausgehobene Stellung in der Verwaltung der Gesellschaft (managing Part­ ner) innehaben gegenüber den nichtgeschäftsführenden Gesellschaftern (passive partner). Der durch eine Tätigkeit im Unternehmen bedingte Wis­ sensvorsprung soll nicht zu eigennützigen Zwecken mißbraucht werden dür­ fen69. Die beschriebenen Pflichten in der partnership werden als Ausdruck der fiduciary duties, wie sie unter Partnern herrschen, verstanden. Sie gelten in Rechtsprechung und Doktrin nicht nur für den Trust im engeren Sinne, sondern mit den typusnotwendigen Anpassungen ebenso im Recht der part­ nership70. Dazu zählt vor allem die persönliche Haftung der Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Wenn die Vertretungsmacht der geschäftsführenden Gesellschafter so weit reicht, seine von der Vertretung ausgeschlossenen Mitgesellschafter mit deren gesamtem Vermögen ver­ pflichten zu können71, so rechtfertigt dies andererseits die volle Offenheit der Partner untereinander in allen das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Angelegenheiten. Das umfassende Informationsrecht der Gesellschafter korreliert mit einer Pflicht, über alle Gewinne und Chancen der Gesellschaft, die dieser zuge­ wiesen sind, Rechnung zu legen und sie an die Gesellschaft abzuführen72. Dies entspricht der Lehre von der corporate opportunity im Recht der Corpo­ ration. Hierin kommt eine verbindende verbandsrechtliche Klammer beider Rechtsformen zum Vorschein. Gemeinsam sind die Rechtsfolgen zur Reali­ sierung der durch das Trustrecht bewirkten Vermögenszuordnung an den beneficiary. Derjenige Partner, der sich eine Gelegenheit der partnership zur Verwertung für eigene Rechnung angemaßt hat, hält alle erlangten Vorteile in trust für die partnership und seine Mitgesellschafter. Analog zum Recht 68 Auld v. Estridge, 382 N.Y.S.2d 897 (Spr.Ct. 1976); Silfen v. Simon, 215 N.Y.S.2d 571 (Spr.Ct. 1961). 69 Application of Lester, 386 N.Y.S.2d 509 (Spr.Ct. 1976). 70 Noch immer grundlegend Meinhard v. Salmon, 164 N.E. 545 (N.Y. 1928) für den sehr hohen Treupflichtstandard im Recht der partnership. Vgl. heute etwa § 43 N.Y.P.L. 71 §26 N.Y.P.L.; § 15 U.P.A. 72 §43(1) N.Y.P.L.; §21 U.P.A.

der Corporation darf jeder Partner wenigstens hilfsweise für die partnership als Wahrer ihrer Rechte auftreten. Das Instrument hierzu ist die derivative suit73. Neben dem trust ist in den USA das Recht der Stellvertretung (agency) tragende Säule des Personengesellschaftsrechts. Die partner emp­ fangen aus dem Gesellschaftsvertrag die Befugnis, die Arbeitsgemeinschaft aller partner zu vertreten und damit jeden der Beteiligten potentiell zu ver­ pflichten74. Nach dem Recht der agency steht es dem Prinzipal gleich dem beneficiary des trust zu, sich jederzeit bei seinem Handlungsbevollmächtig­ ten über den Stand der Geschäftsbesorgung sowie die überlassenen Ver­ mögensgegenstände zu erkundigen75. Nichts wesentlich Verschiedenes gilt für die der deutschen Kommandit­ gesellschaft ähnliche limited partnership. Sie kennt zwei Gruppen von Ge­ sellschaftern mit verschiedenen gesellschaftlichen Rechten und Pflichten. Obwohl der limited partner nach Leistung seiner Einlage und Ausweis seiner Stellung als limited partner nicht mehr persönlich für die Gesellschaftsver­ bindlichkeiten haftet, hat er dieselben Informationsrechte wie jeder unbe­ schränkt haftende general partner76. Bei der limited partnership haben die Gesellschafter einen Anspruch auf Führung von Handelsbüchem durch die Gesellschaft, und sie können diese am Gesellschaftssitz zu jeder Zeit ein­ sehen und sich beliebige Abschriften von ihnen fertigen77. Ferner kann jeder limited partner wahrheitsgemäße und vollständige Unterrichtung über alle die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten sowie vollständige Rech­ nungslegung verlangen78. Ein Vergleich von Corporation und partnership bezüglich der Auskunftsund Einsichtsrechte der Gesellschafter belegt, daß die einschlägigen Organi­ sationsgesetze für jede Gesellschaftsform gesonderte Regelungen geschaffen haben, die rechtsformbezogen gefaßt sind und nicht auf die konkrete Ver­ bandsverfassung abheben. Das besondere Unterrichtungsbedürfnis des Ge­ sellschafters im Einzelfall wird dadurch nicht optimal befriedigt. Hinzu tritt die Frage der teleologischen Normanwendung, wenn Gesellschaftstypus und Rechtsform auseinanderfallen. Gerade die Behandlung des Einsichtsrechts 73 Zur Bedeutung der derivative suit im Recht der general sowie der limited partnership siehe oben § 10. 74 Siehe etwa § 26 N.Y.P.L.; § 15 U.P.A. 75 Restatement of the Law of Agency 2d, § 381 (1958). 76 Zur früher streitigen Frage der Haftung eines limited partner, der für die limited partnership eine derivative suit erhebt, vgl. bereits § 10 III. 77 So § 99(l)(a) N.Y.P.L. unter Verweis auf § 41. § 99(l)(a) besagt dabei, anders als §41 N.Y.P.L. und § 624 N.Y.B.C.L., daß der limited partner selbst ein durchsetzbares Recht auf Führung von Geschäftsbüchern hat. 78 § 99(l)(b) N.Y.P.L. Aus der Rechtsprechung Millard v. Neumark & Co.y 266 N.Y.S.2d 254 (App.Div. 1966).

bei der Corporation macht das Gefälle zwischen diesen Regelungen deutlich. Während das Mitglied der publizitätspflichtigen public Corporation auf veröf­ fentlichte Lageberichte, proxy materials und sein individuelles Einsichtsrecht nach Gesellschaftsrecht zurückgreifen kann, hat der Gesellschafter der close Corporation nur sein gesellschaftsrechtliches Einsichtsrecht. Dies fordert eine Antwort auf die Frage nach der inneren Rechtfertigung der Ungleichbe­ handlung des Anlagegesellschafters in der closed Corporation im Vergleich zum limited partner heraus. Tatsächlich unterscheiden sich beide kaum, je­ doch hat der limited partner weiterreichende Einsichtsrechte bei sonst gleich­ gelagertem Informationsbedürfnis79. Der Befund legt es nahe, Umfang und Voraussetzungen eines Einsichts- und Auskunftsrechts nicht allein in strikter Abhängigkeit von der Rechtsform zu bestimmen.

VI. Das Informationsrecht in konzernverbundenen Gesellschaften Den gesetzlichen Bestimmungen ist zu entnehmen, daß das Einsichtsrecht bis zur Grenze des Verbandes reicht, dem der Antragssteller angehört. Das Einsichtsrecht ist damit mitgliedschaftsbezogen. Dieses Konzept paßt auf die selbständige Gesellschaft. Die Regelung ist aber nicht mehr sachgerecht, wenn die Gesellschaft konzemverbunden oder von einer anderen abhängig ist. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß sich alle Probleme der selbständigen Gesellschaft bei der konzemverbundenen in einer zugespitzten Form stellen. Die größten Beeinträchtigungen für das Vermögen einer Ge­ sellschaft und die mitgliedschaftliche Position ihrer Mitglieder droht in Kon­ zernverbindungen. Daraus hat man mit Recht die Konsequenz gezogen, die Rechte der Gesellschafter ebenfalls konzemweit wirken zu lassen und nicht schematisch entweder auf die abhängige oder auf die herrschende Gesell­ schaft zu begrenzen, weil die Auswirkungen von Konzemherrschaft ebenfalls nicht an diesen Grenzen haltmachen. Die konzemrechtliche Variante der de­ rivative suit sieht daher so aus, daß der Gesellschafter einer konzemverbun­ denen Corporation (parent) einen Anspruch oder die Rechte der Tochter­ 79 O’Neal (wie FN 50), S. 40/41 zieht daraus den Schluß, daß das Einsichtsrecht des Gesellschafters der close Corporation unbegrenzt, frei von allen zeitlichen Schranken und sowohl für die werbende wie für eine Gesellschaft in Abwicklung bestehen soll. Daneben wird für die close Corporation ein Anspruch gegen die Verwaltung befürwortet, über alle Angelegenheiten der Gesellschaft Auskunft zu geben. Das entspricht den Rechten des limited partner nach § 99(l)(a) und (b) N.Y.P.L. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob die Beseitigung dieses Gefälles nur durch eine entsprechende Satzungsgestaltung erreichbar ist. Richtiger wäre es wohl, dieses erweiterte Informationsrecht des Gesellschafters in der close Corporation im Gesetz selbst zu verankern.

gesellschaft (subsidiary) im Wege der double derivative suit geltend zu ma­ chen befugt ist80. In der entgegengesetzten Richtung darf der Gesellschafter der Tochtergesellschaft einen Anspruch gegen die Muttergesellschaft wegen schädigender Einflußnahme auf die Tochter im Wege der einfachen deriva­ tive suit verfolgen, immer vorausgesetzt, die Verwaltung der abhängigen Gesellschaft unterläßt die Geltendmachung pflichtwidrigerweise. Die das Einsichtsrecht regelnden Gesetze basieren durchgängig auf der Erwägung, daß dieses Recht in der Mitgliedschaft seine Grundlage wie seine Grenzen findet. Nicht erfaßt wird die Situation, wo sich wichtige Entschei­ dungsprozesse gerade außerhalb der Gesellschaft abspielen, wie das für die konzemverbundene Gesellschaft typisch ist. Ein streng legalistisches Ver­ ständnis der Mitgliedschaft in einer Konzemgliedgesellschaft wird dem ge­ setzlichen Telos des Einsichtsrechts nicht gerecht81. Konzemverbindungen eröffnen der Verwaltung Wege, das Substrat der Mitgliedschaft des Gesell­ schafters auszuhöhlen, indem die Unternehmung so organisiert wird, daß beispielsweise verteilungsfähige Gewinne in einer anderen Untemehmenseinheit anfallen oder dort wichtige Entscheidungen mit Wirkung für alle Konzemgesellschaften getroffen werden. Die Verwaltung könnte sich bei Zugrundelegung eines strikt auf Verbandsgrenzen abstellenden Gesetzesver­ ständnisses kontrollfrei stellen, etwa indem sie bestimmte Transaktionen in 100%ige Tochtergesellschaften oder in solche Gesellschaften auslagert, an denen sie selbst ausschließlich beteiligt ist82. Das würde der Idee der Mit­ gliedschaftsrechte mit dem ihnen immanenten Auftrag zur Selbstkontrolle der Corporation sowie der Errichtung einer Rechtmäßigkeitsaufsicht über die Gesellschaft und ihre Verwaltung zuwiderlaufen. Gerade im konzemrecht­ lichen Zusammenhang wird deutlich, daß der Verwaltung der Corporation nicht alleine die Leitung der Gesellschaft als Unternehmensträger obliegt, sondern gleichzeitig die Führung des Unternehmens. In der selbständigen Gesellschaft mag dies noch deckungsgleich sein, in verschachtelten Konzer­ nen dagegen nicht mehr. In der konzemverbundenen Gesellschaft ist das Einsichtsrecht anders zu definieren, um seinen Auftrag im Verbund mit an­ deren Gesellschafterrechten erfüllen zu können. Es ist hier grundsätzlich 'unternehmensbezogen zu begreifen. Das Einsichtsrecht reicht so weit, daß 80 Brown v. Tenney, 532 N.E.2d 230 (111. 1988) für die double derivative suit. Dazu schon oben § 7 II 2 b. 81 Dieses stärker materiell geprägte Mitgliedschaftsverständnis hat sich im deutschen Konzemrecht durchgesetzt. Die Konzernierung ist oft die Vorstufe zur Fusion, die zu einer Mitgliedschaft in einer neuen Unternehmenseinheit führt. Daher hat der Gesellschafter der in Abhängigkeit geratenen Gesellschaft im Vertragskonzem ein Recht zum Umsteigen in die Konzemobergesellschaft (§ 305 Abs. 2 AktG). In der Folge kann er hier sein Informations­ recht wahrnehmen; zum deutschen Recht unten § 20 II 5. 82 Der Schulfall hierzu aus dem deutschen Recht ist BGHZ 83, 122 - “Holzmüller".

die eigentliche unternehmerische Tätigkeit der Verwaltung von ihm erfaßt wird, auch wenn sie im Namen und für Rechnung eines anderen Konzem­ teils vorgenommen wird. Aus der Sicht des Gesellschafters arbeitet sein In­ vestment letztlich im Unternehmen, so daß sich sein Informationsinteresse auf die Angelegenheiten des Unternehmens erstreckt ohne Rücksicht darauf, wer im organisationsrechtlichen Sinne Träger dieses Unternehmensteiles ist. Die konzemweite Anerkennung der Prozeßführungrechte in Gestalt der double derivative suit impliziert eine eben solche der Informationsrechte. Gestattet die double derivative suit dem Gesellschafter der Konzemoberge­ sellschaft, deren Rechte an der Untergesellschaft zu verfolgen, so ist dieser Konstruktion ein Unterrichtungsrecht über die klagebegründenden Umstände hinzuzudenken. Dieses fortgesetzte Unterrichtungsrecht ist eine im Klage­ recht enthaltene Annexbefugnis, ohne welche das Prozeßführungsrecht zur leeren Hülse verkäme. In Anlehnung an die Struktur der derivative suit läßt sich dieses erstreckte Einsichtsrecht als aus dem Recht der Muttergesellschaft abgeleitet verstehen. Es ist notwendig, um die Beteiligung der Obergesell­ schaft an ihrer Tochter sachgerecht zu verwalten, und dies sowohl im Inte­ resse der Obergesellschaft selbst wie im Interesse des Gesellschafters, weil sein Investment in der Obergesellschaft nicht unberührt bleibt von der wert­ mäßigen Entwicklung des Investments der Obergesellschaft in ihrer Tochter. Die amerikanischen Gerichte haben anerkannt, daß das Einsichtsrecht hin­ sichtlich der Bücher der Gesellschaft das Recht mitumfaßt, die Bücher einer Tochtergesellschaft einzusehen, ohne Rücksicht darauf, ob sich das Ein­ sichtsrecht auf das common law83 oder auf einzelstaatliches Gesetzesrecht84 gründet. Ausdrücklich wird die Form nicht über die Sache gestellt und die rechtliche Fiktion der gruppenverbundenen Corporation nicht als rechtlich isoliert zu beurteilende Einheit betrachtet, vielmehr der Konzern zu diesem Zwecke als eine Unternehmens- und Beteiligungseinheit aufgefaßt85. Ver­ langt wird für diese Einheitsbetrachtung, daß es sich um eine 100%ige oder in absolutem Beherrschungsbesitz stehende Tochtergesellschaft handelt mit einer Personalunion in den Führungspositionen von Mutter- und Tochter­ gesellschaft86. Entscheidend für dieses Ergebnis ist, nicht durch eine Flucht 83 Leeds v. Fried & Sons, 117 N.Y.S.2d 400 (Spr.Ct. 1952), aus anderen Gründen auf­ gehoben 119 N.Y.S.2d 265 (App.Div. 1953); Bailey v. Boxboard Products Co., 170 A. 127 (Pa. 1934). 84 Williams v. Freeport Sulphur Co., 40 S.W.2d 817 (Tex. 1931) dazu Landis, What Corporate Documents are Subject to Shareholder’s Right to Inspection, 88 A.L.R.3d 663, §§ 22, 23 (1978). 85 Lisle v. Shipp, 273 P. 1103 (Cal. 1929); State ex rel. Rogers v. Sherman Oil Co., 117 A. 122 (Del. 1922); Martin v. D.B. Martin Co., 88 A. 612, 102 A. 373 (Del.Ch. 1913). 86 Bailey v. Boxboard Products Co., 170 A. 127 (Pa. 1934).

in die Konzernorganisation wichtige Informations- und Kontrollrechte außer Kraft zu setzen, indem Transaktionen an einer Stelle abgewickelt werden, wo Gesellschafter sie mit ihren Klagerechten nicht mehr erreichen87. Wenn es dem Gesellschafter der konzemzugehörigen Gesellschaft damit im Grundsatz gestattet ist, sein Einsichtsrecht auch in der Tochter aus­ zuüben, ohne an dieser eigene Anteile haben zu müssen, so interessiert wei­ terhin, ob diese Aussage umkehrbar ist und sich zu einer allseitigen Ein­ sichtsbefugnis im Konzern ausbauen ließe. Kann der Gesellschafter der Tochtergesellschaft die Bücher und Schriften der Konzemobergesellschaft einsehen? Für das Einzelprozeßführungsrecht ist diese Frage wiederum zu bejahen. Wenn die Obergesellschaft eine Organgesellschaft in haftungsbe­ gründender Weise schädigt, so steht dieser ein Schadensersatzanspruch zu, den hilfsweise jeder ihrer Aktionäre in (einfacher) derivative suit durchsetzen kann88. Um dieses Recht sachgemäß wahrnehmen zu können, hat der Aktio­ när ein legitimes Informationsbedürfnis, ob der Muttergesellschaft ein dem Schaden der Tochter stoffgleicher Vermögensvorteil zugeflossen ist, wenn die Mutter eine nachteilige Weisung erteilt oder eine rechtlich der Tochter zuzuordnende Geschäftschance (corporate opportunity) kurzerhand an sich gezogen hat. Für dieses Einsichtsrecht des Gesellschafters in der Unterge­ sellschaft ist nach einem anderen rechtlichen Fundament zu suchen. Die mit­ gliedschaftliche Grundlage ist generell nicht ausreichend, weil es eher der zufälligen und in hohem Maße manipulierbaren Gestaltung des Einzelfalles überlassen bliebe, ob die Tochter oder der einsichtnehmende Gesellschafter an der Obergesellschaft über eigenen Anteilsbesitz verfügt. Um diese Zufäl­ ligkeiten zu überwinden, muß ein breiterer Ansatz gewählt werden. Er liegt in der organschaftlichen Verbundenheit der den Konzern bildenden Gesell­ schaften zueinander. Das abhängige Unternehmen ist der Leitung des herr­ schenden unterstellt. Diesem Leitungsrecht entspricht eine Obhuts- und Für­ sorgepflicht des herrschenden Unternehmens, deren Einhaltung durch korres­ pondierende Rechte sicherzustellen ist, die nach einem konzernweiten In­ formationsrecht verlangen. 87 Die Rechtsprechung stellt entscheidend darauf ab, daß es nicht zu einer Kontrollab­ schottung kommen darf, indem eine Tochtergesellschaft als bloßes alter ego der Mutter­ gesellschaft eingesetzt wird, vgl. Skouras v. Admiralty Enterprises, Inc., 386 A.2d 674, 681 (Del.Ch. 1978) mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung, die nicht als eindeutig und sachgerecht gelten kann. In Delaware nehmen die Gerichte nicht den grundsätzlichen Konzemkonflikt zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen, sondern prüfen, ob es der Einzel­ fall gebietet, die Fiktion der getrennten Rechtssubjektivität von Mutter- und Tochtergesell­ schaft beiseite zu schieben, weil die Tochter als alter ego der Mutter in Erscheinung tritt. Dieser Ansatz ist insofern zirkelschlüssig, weil vielfach erst die Einsichtnahme Aufschluß darüber zu erbringen vermag, ob dieser Tatbestand überhaupt gegeben ist. 88 Dazu näher oben § 7 II 2 b.

VII. Informationsrecht und InformationsVerwertung Die reichhaltige Kasuistik, die sich um das Einsichtsrecht entwickelt hat, befaßt sich vornehmlich mit dem wichtigen Einsichtsgrund. Der Einsichts­ grund ist dabei der Schlüssel zur Durchsetzbarkeit des Einsichtsbegehrens. Im Grunde genommen geht es bei den meisten Einsichtserzwingungsverfah­ ren um die Stellung der Verwaltung in der Corporation hinsichtlich ihres aus der Amtsstellung erlangten Wissens. 1. Proxy contests und take overs

Die Auswechslung der Verwaltung ist das wichtigste Instrument, das die Gesellschafter bei der Bestellung der Verwaltung zurückbehalten, um das Management disziplinieren zu können. Die Position der Verwaltung gerät zum einen in Gefahr, wenn ein Bieter den Aktionären ein Angebot zur Übernahme ihrer Aktien unterbreitet (take over), zum anderen durch eine Stimmrechtssammlung oder durch rivalisierende Stimmrechtssammlungen zum Zwecke der Wahl einer anders zusammengesetzten Verwaltung (proxy contest). Eine Koordinierung im Verhalten der Gesellschafter untereinander ist nur denkbar, wenn die Möglichkeit der Kontaktaufnahme besteht. Diese Kontaktaufnahme ließe sich zwar auch ohne ein Einsichtsrecht durch kost­ spielige Zeitungsinserate in der Wirtschaftspresse bewerkstelligen. Verhei­ ßungsvoller ist es demgegenüber, wenn die Gesellschafter direkt angeschrie­ ben werden. Dazu benötigt ein Angreifer die akkurate Gesellschafterliste, die die Verwaltung gern, aus dem naheliegenden Grund ihrer Selbstbehauptung im Amt, wie ein Staatsgeheimnis hütet. Die Rechtsprechung hat hierzu ein­ deutig Position bezogen und die Einsicht in das Aktionärsverzeichnis sowohl zu Beginn eines proxy fight wie einer tender offer für zulässig und vom Zweck des Einsichtsrechts gedeckt erklärt89. Kaum minder wichtig als die Informationsbeschaffung durch ein nicht übermäßig streng reglementiertes Einsichtsrecht ist die nachfolgende Infor­ mationsverwertung. Eine denkbare Verwertungsform, nämlich der proxy fight, sieht die Verwaltung erneut im Vorteil wegen der besonderen Kosten­ tragungsformel, die die Rechtsprechung für rivalisierende Stimmrechts­ sammlungen aufgestellt hat. Die Hürden der Informationsgewinnung setzen sich also in den Vorgang der Informationsverwertung fort. Die Ersetzung der amtierenden Verwaltung ist einmal selbstverständliches Recht der Gesell­ schafter, einen ihnen genehmen Verwalter des in die Gesellschaft eingelegten Kapitals zu berufen. Zum anderen hat dieser Rechtsbehelf Bedeutung für das 89 Vgl. nur Application of Lopez, 420 N.Y.S.2d 225 (App.Div. 1979).

Unternehmen und das wirtschaftliche Arbeiten knapper Ressourcen in ihm. Sofern es um die Selbsterhaltung der Verwaltung in ihrem Amt geht, ist das amtierende Management in einer besseren Position als diejenigen, die seine Ablösung herbeifuhren wollen. Die Verwaltung der amerikanischen Corpora­ tion hat die proxy machinery im Rücken, die für die Verwaltung arbeitet und auf Kosten der Gesellschaft, also letztlich durch alle Gesellschafter, finan­ ziert wird90. Ein Außenstehender hat diesen entscheidenden Platzvorteil nicht. Er muß sich zunächst den Zugang zum Aktienbuch erkämpfen, um an­ schließend auf seine Kosten mit den übrigen Aktionären Kontakt aufzuneh­ men91. Nach der erwähnten Kostentragungsformel der Rechtsprechung für 90 Im proxy voting des amerikanischen Korporationenrechts liegt die eigentliche Gefahr eines Überganges von einer auf mitgliedschaftlicher Partizipation beruhenden Korporations­ verfassung zur Aktienstiftung bzw. -anstalt. In aller Regel werden die Stimmrechtsvoll­ machten für eine bevorstehende Hauptversammlung von der Verwaltung der Corporation eingefordert. Bereits darin liegt eine wichtige Weichenstellung für den Prozeß der Willens­ bildung der Aktionäre. Die Willensbildung vollzieht sich so nicht mehr von unten nach oben. Zwar können die Aktionäre ihre Stimmrechtsvollmachten an die Verwaltung mit bin­ denden Weisungen versehen, doch belegt die Statistik eindeutig, daß die Gesellschafter zu­ meist den Verwaltungsvorschlägen folgen. Hierzu mit ausführlichen rechtstatsächlichen Nachweisen MestmäCKER, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 60 ff. Das proxy-System bedarf zweier grundlegender institutioneller Ergänzungen, um mit den Grundprinzipien der Korporationsverfassung vereinbar zu bleiben: Die Verwaltung muß, ebenso wie jeder andere, der um Stimmrechtsvollmachten für seine Ziele wirbt, volle Trans­ parenz darüber herstellen, wie von den eingeforderten Stimmrechtsvollmachten Gebrauch gemacht werden soll und aus welchem Grunde das geschieht. Zum anderen muß voller Wettbewerb gewährleistet sein, d.h. jeder muß die Chance haben, sich der proxy machinery zu bedienen und eine Mehrheit für seine Vorschläge zu gewinnen. Diese Chancengleichheit im Wettbewerb widerstreitender Ansichten darf daher nicht durch eine ungleiche Wahl­ kampfkostenerstattung konterkariert werden. 91 Im Interesse des Offenlegungsgrundsatzes und zur Sicherstellung, daß die Gesell­ schafter tatsächlich eine Entscheidung auf informierter Basis treffen können, also den Hin­ tergrund des Kampfes um die Kontrolle über die Gesellschaft verstehen, muß jeder, der von den Gesellschaftern Stimmrechtsvollmachten einfordert, die seinem Begehren zugrundelie­ genden Fakten offenlegen. Dies gilt also für die Anforderung von Stimmrechtsvollmachten (proxies) durch Mitglieder der Verwaltung wie für Opponenten außerhalb der Verwaltung. Für solche Kämpfe um die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht ist speziell Rule 14a-l 1, 17 C.F.R. §240.14a-11 einschlägig. Danach sind in einem der S.E.C. zur Überprüfung vorzulegenden proxy Statement rechtzeitig bevor der eigentliche proxy fight beginnen darf u.a. Angaben zu machen über die Identität dessen, der die Stimmrechtsvollmachten anfor­ dert, seine Interessen und Verbindungen zur Gesellschaft, den Betrag seiner Beteiligung, der Zeitpunkt des Erwerbs dieser Beteiligung sowie ihre Finanzierung, finanzielle Zuwendungen von dritter Seite für die Stimmrechtssammlung, die Beteiligung an früheren proxy contests sowie die Absichten, die mit der Stimmrechtssammlung verfolgt werden, vgl. Schedule 14 B, 17 C.F.R. § 240.14a-102. Der Schlüsselbegriff in Rule 14a-l 1 ist der des "participant". Als Teilnehmer an einem proxy fight muß im proxy Statement ausgewiesen werden - egal auf welcher Seite er stehen mag - die Gesellschaft, ihre gegenwärtigen und zur Wahl vorgeschlagenen Verwaltungs­ mitglieder sowie jede Person oder Gruppe ohne Rücksicht auf die Rechtsform und ihre Or­ ganisation, die zur Erteilung von Stimmrechtsvollmachten auffordert, die Kampagne veran­ staltet oder zu ihrer Finanzierung beiträgt.

proxy contests kann eine Opponentengruppe (insurgents) nicht einmal dann aus der Gesellschaftskasse Aufwendungsersatz beanspruchen, wenn sie mit ihrem Vorschlag auf der nachfolgenden Gesellschafterversammlung durch­ gedrungen ist92. Die Rechtsprechung erlaubt dem amtierenden Management, sich aus der Gesellschaftskasse die verauslagten Aufwendungen für einen proxy fight er­ setzen zu lassen, egal wie die Auseinandersetzung endet, sofern diese vernünftig sind, d.h. verhältnismäßig zum verfolgten Zweck, und sofern sich der Streit um Fragen der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung (policy question) dreht anstatt allein dem persönlichen Interesse der Verwaltung (personal question), sich in ihrem Amt zu behaupten, zu dienen. Erstattungsfähigkeit der Kosten auf Seiten des Managements setzt weiter voraus, daß der Kampf im guten Glauben darauf geführt worden ist, daß er dem Gesellschaftsinteresse nützt. Obsiegt die Verwaltung, so stellt sich die Frage der Kostentragung auf ihrer Seite nicht; unterliegt sie, so ist nicht anders zu entscheiden, weil ihre Kosten direkt aus der Gesellschaftskasse bestritten worden sind und die neu ins Amt gewählte Verwaltung die abgelöste in der Regel nicht auf Rückzahlung der erstatteten Aufwendungen in Anspruch nehmen kann93. Ganz anders ist die Lage der Opposition. Sie startet, ohne den finanziellen und personellen Apparat der Gesellschaft im Rücken zu haben. Verliert sie schließlich, so gibt es keinen Rechtsanspruch auf Aufwendungsersatz. Allerdings darf sich die Gesellschaft großzügig zeigen und Ersatz gewähren, wenn die Hauptversammlung der Meinung ist, daß die Auseinandersetzung der Gesellschaft einen Vorteil gebracht hat und die Gesellschafter eine Kostenerstattung mehrheitlich billigen. Gewinnt die oppositionelle Gruppe den proxy fight, so ist Kostenerstattung zu erlangen, sofern er die Geschäftspolitik betraf und die Aufwendungen verhältnismäßig sind. Im Unterschied zur Kostenerstattung der Verwaltung setzt eine Indemnifizierung auf Seiten der nicht zur Verwaltung zählenden Opponenten 92 Der noch immer maßgebende Fall ist Rosenfeld v. Fairchild Engine and Airplane Corp.y 128 N.E.2d 291 (N.Y. 1955) mit weiterführenden Schrifttumshinweisen bei Cary/Eisenberg, Corporations, 5. Aufl. 1980, S. 363. 93 In Rosenfeld (wie FN 92) hat sich eine knappe Mehrheit des geteilten Gerichts zu dieser Auffassung bekannt, wobei ein Richter der Mehrheit in seiner abweichenden Begrün­ dung die Ansicht geäußert hat, daß Aufwendungen, die nicht dem doppelten Standard von Unternehmensbezogenenheit und Verhältnismäßigkeit entsprechen, ultra vires-Akte sind und daher nur durch die Zustimmung aller Gesellschafter ratifizierbar sind. Diese Verabsolutie­ rung geht zu weit. Einmal unterliegt die Verwendung von zum Gesellschaftsvermögen zäh­ lenden Mitteln, sofern diese nicht in Verschwendung ausartet, der Entscheidung der einfa­ chen Mehrheit der Gesellschafter. Zum anderen bleibt zu bedenken, daß Aufwendungen die­ ser Art mit der Unterrichtung aller Gesellschafter über die Verhältnisse der Gesellschaft im Zusammenhang stehen und der Willensbildung insgesamt dienen. Als solche sind sie not­ wendige Organisationsaufwendungen der Gesellschaft und sollten daher prinzipiell ohne Ab­ stufungen aus dem Gesellschaftsvermögen bestritten werden.

zusätzlich eine Billigung der Ersatzleistung durch die Hauptversammlung voraus94. Diese Behandlung ist bedenklich, weil sie von vornherein nicht geeignet ist, eine Waffengleichheit zwischen beiden Seiten herzustellen. Das gewählte Kostenerstattungsprinzip wirkt sich auf die Wahrnehmung wichtiger Gesell­ schafterrechte geradezu prohibitiv aus. Nur finanzkräftige Opponenten haben eine Chance, einen proxy fight durchzustehen. Umgekehrt liegt darin eine Versuchung für das amtierende Management (incumbents), sich durch die Gewährung gesellschaftsfremder Sondervorteile mit einer aufkommenden Opposition zu arrangieren. Die restriktive Erstattung von proxy fight-Auf­ wendungen von Außenseiteropponenten wird u.a. mit dem Schutz des Ver­ mögens der Corporation erklärt. Indessen erschöpft dies das Problem nicht. In ihrem Ausgangspunkt erhebt die Rechtsprechung die Gesellschaftsbezogenheit von Aufwendungen zur ihrem obersten Prüfungskriterium. Sie ist zu bejahen, wenn sich die amtierende Verwaltung gravierender Pflichtverstöße schuldig gemacht und die Gesellschaft in ersatzbegründender Weise geschä­ digt hat. Dies ist jedenfalls ein legitimer Auswechslungsgrund95 und trägt eine derivative suit. Proxy fights haben neben der derivative suit eine wich­ tige Kontrollfunktion. Beide Instrumente wirken verschieden. Die derivative suit kompensiert, soweit mit ihr Ansprüche der Gesellschaft beizutreiben sind, Minderungen des Gesellschaftsvermögens. Der proxy fight verwirklicht das Bestimmungsrecht der Aktionäre: eine erfolgreiche Stimmrechtssamm­ lung mit anschließender Auswechslung der Verwaltung verhilft gleich einem konstruktiven Mißtrauensvotum einem Meinungsumschwung unter den Ge­ sellschaftern zum Durchbruch. Ein Gericht könnte keine Mitglieder des board of directors abberufen. Die derivative suit erreicht ihr Ziel durch Ein­ schaltung des Gerichts als einer gesellschaftsextemen Instanz, während der proxy fight die geborenen Interessenträger zum Richter über die Unterneh­ menspolitik beruft. Die derivative suit verwehrt es einem Gericht aus korpo­ rationsverfassungsrechtlichen Erwägungen, unternehmerische Entschei94 Die Minderheitsmeinung von drei Richtern in Rosenfeld (wie FN 92) will der Kostenabwälzung auf die Gesellschaft engere Grenzen ziehen. Nur die im Interesse der In­ formation der Gesellschafter notwendigen Kosten sollen erstattungsfähig sein, und an den Antragsteller werden noch erheblich höhere Beweisanforderungen gestellt. Fazit: die Mehr­ heitsmeinung in Rosenfeld begünstigt das amtierende Management und setzt die Heraus­ forderer dem hohen Risiko aus, auf den eigenen Kosten sitzenzubleiben. Nach der Minder­ heitsmeinung wird der Handlungsspielraum der Verwaltung erheblich eingeengt, die Heraus­ forderer jedoch von jeglicher Kostenerstattung ausgeschlossen. 95 Das Recht zur Abberufung von Verwaltungsmitgliedern aus wichtigem Grund kann vom certificate of incorporation oder den by-laws nicht eingeschränkt werden. Es ist ein der Korporationsverfassung immanentes Recht der Gesellschafter, um sie nicht schutzlos der Willkür der Verwaltung auszuliefern, so Auer v. Dressel, 118 N.E.2d 590, 593 (N.Y. 1954).

düngen an sich zu ziehen. Das business judgment bleibt dem verfassungsmä­ ßig legitimierten und gebundenen Entscheidungsträger vorbehalten und fuhrt zu einer verminderten gerichtlichen Kontrolldichte. Die Gesellschafter un­ terliegen solchen Beschränkung bei ihren Entscheidungen nicht. Wenn proxy fight und derivative suit aber partiell gleichgerichtete Ziele verfolgen, so darf man eine Regelung der Kostentragung erwarten, die keine Wertungs­ widersprüche auftreten läßt. Wenn betont wird, daß der proxy fight grund­ sätzlich eine gesellschaftlich nützliche Funktion hat, sofern er um eine die Corporation betreffende Frage ausgetragen wird, so muß der Kostenersatz für die Kontrahenten von einem gemeinsamen Ausgangspunkt beginnen und darf nicht gerade den Herausforderer mit einem disproportionalen Kostenrisiko belasten. Selbst ein im Ergebnis erfolgloser proxy fight kann für die Gesell­ schaft von Vorteil sein, so daß die Kostenerstattung nicht schematisch an einen formalen Erfolgsbegriff geknüpft werden sollte. Insgesamt zeigt sich anhand der Kostentragung für proxy fights paradig­ matisch der Gleichlauf von Informationsbeschaffung und Informationsver­ wertung. Ohne eine Ermöglichung der Verwertung bleibt die Beschaffung Stückwerk. Der Verwertungsvorgang, d.h. die Ausnutzung der Information, ist abhängig von einem abgewogenen Kostentragungskonzept bei den proxy fights. Über die Erstattungsfähigkeit sollte in erster Linie der Grund für den Beginn einer Stimmrechtssammlung entscheiden. Eine unterlegene Opposi­ tion darf nicht stets von der Kostenerstattung ausgenommen sein. Die ekla­ tante Asymmetrie zwischen der Kostenerstattung der Verwaltung sowie der opponierenden Gruppe ist zu beseitigen. Insbesondere sollte ein Votum der Anteilseigner als Voraussetzung einer Erstattung entweder für beide Seiten oder für keine Seite gefordert werden.

2. Bedeutung des Informationsrechts für den Austritt und für die Anteilsbewertung In der close Corporation kann der shareholder auf keinen funktionierenden Anteilsmarkt, auf dem alle preisbildenden Faktoren bekannt sind, zurück­ greifen, um sein Austrittsrecht zu realisieren. Diese besondere Situation hat im Recht der partnership zu der konsequenten gesetzgeberischen Reaktion der Ausdehnung des Einsichtsrechts sowie zur Verringerung der Rechtsaus­ übungsvoraussetzungen geführt. Im Zusammenhang mit der Anteilswerter­ mittlung dient das Einsichtsrecht dem Gesellschafter zur Erstellung einer Ab­ schichtungsbilanz. Bei Publikumsgesellschaften in der Rechtsform einer li­ mited partnership oder einer Corporation mit vinkulierten Gesellschafts­ anteilen ist das Einsichtsrecht für die Gesellschafter zur Konzertierung ihres Vorgehens wichtig.

In vielen nichtbörsennotierten corporations in den USA ist die Übertra­ gung der Aktien an die Zustimmung des board of directors gebunden. Da­ durch sollen Fluktuationen im Gesellschafterkreis kanalisiert werden, was legitim ist, wenn es sich um eine Gesellschaft mit personalem Zuschnitt han­ delt, Gesellschafter Dienste im Unternehmen zu leisten haben oder die Er­ füllung von Nebenleistungspflichten bedungen ist. Die Vinkulierung der Anteile verleiht der Verwaltung eine besondere Machtfülle in bezug auf die corporate control und kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Erhaltung der Wertkonstanz der Mitgliedschaft haben. Eine Gesellschaft mit unüber­ schaubarem Mitgliederkreis bietet durch das Zusammentreffen von Anteils­ vinkulierung und beschränkten Einsichtsrechten der Gesellschafter einem außenstehenden Bieter, der planmäßig mit dem Management zusammen­ arbeitet, die Möglichkeit, die Gesellschafter zum Verkauf ihrer Anteile nöti­ gen zu können96. Das Angebot an die Gesellschafter wird so aussehen, daß jedem ein Kaufangebot unterbreitet wird, welches an zwei Bedingungen ge­ knüpft ist: es muß innerhalb einer kurzen Frist angenommen werden, und es ist nur gültig, falls so viele Gesellschafter annehmen, daß der Käufer in den Besitz einer qualifizierten Mehrheit gelangt. Die Anlegerschutzbestim­ mungen des Williams Act97, die eine solche Übervorteilung des Adressaten einer tender offer ausschließen, gelten nicht für Gesellschaften, die nicht der periodischen Publizität gemäß § 12 Sec.Exch.Act 98 unterliegen. Infolge der Unanwendbarkeit des Williams Act kommen die Gesellschafter nicht in den Genuß seiner Offenlegungsbestimmungen. Der Käufer kann den Preis prak­ tisch alleine bestimmen durch die rigide Befristung der Annahmefähigkeit seiner Offerte99. Der Annahmedruck ist hoch, weil kein Gesellschafter Ge­ fahr laufen will, sich in einer Minderheitsposition wiederzufinden, in der ihm nachher nur noch der Mehrheitsgesellschafter zu einem noch schlechte­ ren Preis seine Anteile abkaufen wird. Die Erzwingung einer Einsichtnahme nach allgemeinem Gesellschaftsrecht in die Gesellschafterliste zur Kon­

96 Die nachfolgenden Überlegungen beziehen sich auf einen Übernahmefall aus der Praxis, der schließlich eine vergleichsweise Erledigung gefunden hat, jedoch das Grundpro­ blem besonders veranschaulicht. 97 §§ 13(d)-(e), 14(d)-(f) Sec.Exch.Act, eingefügt 1968, 15 U.S.C. §§ 78m(d)-(e), 78n(d)-(f). 98 Die Schutzbestimmungen über tender offers zugunsten der Gesellschafter der Zielge­ sellschaft gelten nur, sofern diese eine sog. reporting Company ist, § 13(d)( 1) Sec.Exch.Act, 15 U.S.C. § 78m(d)(l). "Reporting Company” kann ohne Rücksicht auf die Rechtsform eine Corporation oder eine limited partnership sein, wenn die gesetzlichen Schwellenwerte er­ reicht sind. 99 Insbesondere gelangen sie nicht in den Genuß von Rule 14d-5, C.F.R. § 240.14d-5, die Rule 14a-7, 17 C.F.R. §240.14a-7 nachgebildet ist und dem gleichen Bedürfnis ent­ spricht.

taktaufnahme und Verhaltenskoordinierung mit den übrigen Gesellschaftern kommt hier zu spät, weil dann die Offerte bereits erloschen ist100.

100Wenn die Sonderregeln für tender offers nicht gelten, bleibt dem Gesellschafter nur der Rückgriff auf Rule 10b-5, 17 C.F.R. §240.10b-5, als der allgemeinen Schutzbestim­ mung gegen betrügerische Manipulationen im Verkehr mit Anteilsrechten und Wertpapieren. Jedoch fallt der Unterschied zu den anlegerfreundlicheren Bestimmungen des Williams Act sofort ins Auge: Sind diese anwendbar, so muß derjenige, der ein öffentliches Übernah­ meangebot macht, von sich aus offenbaren. Durch die Publizität werden wie bei einer Auk­ tion Gegenangebote herausgefordert. Gilt dagegen lediglich Rule 10b-5, so riskiert der Bie­ ter mit einem bloßen Angebot, sofern dieses nicht mit täuschenden Angaben versehen ist, keine Haftung.

3. Teil Deutsches Recht Die Behandlung der Gesellschafterrechte in den USA konnte sich im we­ sentlichen auf die wichtigste Rechtsform konzentrieren, nämlich die Corpo­ ration, und bei ihr auf die derivative suit. Sie ist der bedeutendste Rechtsbe­ helf des Aktionärs und das wichtigste privatrechtliche Instrument der Lega­ litätsaufsicht. Die Entwicklung der Mitgliederrechte in der Corporation hat zweifelsohne auf die anderen Verbandsformen abgefärbt. Im deutschen Verbandsrecht ist die gesetzliche wie die tatsächliche Aus­ gangslage anders. Sie ist für das Verständnis der Mitgliederrechte und für den weiteren Gang der Untersuchung erheblich: Das deutsche Recht kennt nicht nur mehr Organisationsformen, sondern besitzt für jede ein eigenes Organisationsgesetz. Die Rechtsentwicklung hat gezeigt, daß diese Organi­ sationsgesetze bei weitem nicht alle anwendbaren und notwendigen Rechts­ sätze enthalten. Die praktische Rechtsanwendung mag es daher mit sich bringen, zusätzlich auf einen vom Gesetzgeber bei der jeweiligen Kodifika­ tion vorausgesetzten Verbandstypus abzustellen. Diese Betrachtung kann über die Geltungsreichweite bestimmter Normen wie ganzer Rechtsinstitute entscheiden.

§ 15 Typus und Rechtsform im Verbandsrecht Im deutschen Recht der Personenzusammenschlüsse herrscht das Prinzip des numerus clausus der verfügbaren Rechtsformen1. Der Grundsatz bezieht sich indes nur auf die rechtlichen Möglichkeiten zur Organisation von Ver­ bänden. Tatsächlich liegt im Numerus clausus nur eine Begrenzung der Ge­ sellschaftsformen dergestalt, daß andere als die durch das Gesetz definierten Verbandsformen zur Organisation von Personenzusammenschlüssen nicht existieren. Die Anerkennung einer Organisationsform hängt grundsätzlich von ihrer Zulassung durch den Gesetzgeber ab. Der über die Anzahl und Auswahl der verfügbaren Verbandsformen definierte numerus clausus sichert indessen nur eine theoretische Abschließung des Verbandsrechts gegen das Auftreten beliebiger Mutationen. Praktisch ist seine begrenzende Wirkung schon an einigen Stellen des Verbandsrechts2 durchbrochen3. Der wesent­ liche Grund hierfür liegt in der Vertrags- und Organisationsautonomie, die trotz der verbandsrechtlichen Formenstrenge bestehen bleibt (§§25, 305 BGB, 109 RGB)4. Sie ermöglicht Typendehnungen und -Vermischungen, die 1 Zum numerus clausus der Gesellschaftsformen Karsten Schmidt, Gesellschafts­ recht, 3. Aufl. 1997, § 5 II 1 (S. 102 f.). 2 Ein sehr ähnlicher Befund ist für den numerus clausus der zugelassenen dinglichen Rechte festzustellen, vgl. Baur/Stürner, Lehrbuch des Sachenrechts, 16. Aufl. 1992, § 49 II (S. 488 f.). Die Typendehnung hat im Sachenrecht die vom BGB nicht gewollten besitzlosen Pfandrechte, etwa das Anwartschaftsrecht oder die Sicherungsübereignung, eingeführt. Das deutsche Zivilrecht hat sich eindeutig gegen publizitätslose Pfandrechte entschieden, weil die §§ 1205, 1206 BGB das Übergabesurrogat des § 930 BGB nicht gelten lassen. Das Pfandrecht des BGB ist als Faustpfand konzipiert (arg. § 1253 Abs. 1). Bei den Grundpfandrechten bedeutet die Anerkennung der Sicherungsgrundschuld, wie sie heute in der Kreditsicherungspraxis gebräuchlich ist, die Zulassung einer nichtakzessorischen Hypothek. 3 Siehe nur die Mischformen der AG & Co KG oder der GmbH & Co KG. Ein wei­ teres anschauliches Beispiel liefert die in Form einer Körperschaft verfaßte Stiftung. Sie ist der Rechtsform nach GmbH oder Idealverein - bei typologischer Betrachtung jedoch Stif­ tung, für die die Sonderregeln des Stiftungsrechts zu beachten sind. Das Ausweichen von der rechtsfähigen Stiftung auf eine stiftungsähnlich strukturierte GmbH oder auf einen Ver­ ein wird von der Kautelarpraxis ganz unverhohlen damit begründet, daß die andernfalls platzgreifende staatliche Stiftungsaufsicht "zu lästig” ist, hierzu Riehmer, Körperschaften als Stiftungsorganisation, 1993, S. 62 ff. Das Ausweichen in die nichtaufsichts­ unterworfenen Rechtsformen belegt, wie das Auseinanderfallen von Typus und Rechtsform zu einer flagranten Gesetzesumgehung benutzt werden kann. Dieser Gestaltungsmißbrauch wäre allenfalls noch hinnehmbar, wenn die staatliche Stiftungsaufsicht statt an die Rechtsform an den Typus geknüpft würde. Stiftungsrecht würde danach ohne Rücksicht auf die Rechtsform gelten, falls die eindeutigen Typusmerkmale einer Stiftung vorliegen. 4 Zum Ausgleich von Vertragsfreiheit, Typenzwang und numerus clausus der gesetz­ lich zugelassenen Verbandsformen sei nur verwiesen auf Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970 oder H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetz­ lichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970 sowie WÜST, Festschrift für Duden, 1977, S. 749 ff.

bis an die Grenze der Neuschöpfung von Gesellschaftsformen durch die Kautelarjurisprudenz heranreichen. Abgesehen von der Aktiengesellschaft (§23 Abs. 5 AktG) und der eingetragenen Genossenschaft (§18 Satz 2 GenG) läßt das Gesellschaftsrecht den Gründern - von sektoralen Ausnah­ men abgesehen5 - weitgehend freie Hand bei der Ordnung ihrer inneren Angelegenheiten. Die Garantie der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) sichert dies verfassungsrechtlich ab. Eine bedeutsame kollektivarbeitsrecht­ liche Einschränkung der Satzungsautonomie brachte die Erweiterung der Ar­ beitnehmermitbestimmung, die die Zusammensetzung und Beschickung der mitbestimmten Unternehmensgremien bei den mitbestimmungspflichtigen Gesellschaften einem zwingenden Verfahren unterwirft (§§ 30-33 MitbestG). Die von der Rechtsordnung bereitgestellten Organisationsformen und die Formenstrenge vermochten nicht zu verhindern, daß eine Auffächerung statt­ finden konnte. Zwar bleibt die Zahl der Rechtsformen bei oberflächlicher Betrachtung unverändert, doch bewirken die unter der Hand vorgenommenen Variationen der Legaltypen eine Etablierung neuer Vereinigungsformen. Diese Feststellung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Frage der Rechts­ anwendung, wenn Typusvariationen und -dehnungen zur Entstehung von Gebilden fuhren, die nach ihrer Rechtsform zwar nicht aus dem Rahmen der bekannten Zusammenschlußformen fallen, deren Rechtsfragen sich jedoch nicht mehr nach dem einschlägigen Organisationsgesetz beantworten lassen. Die klassischen Beispiele für dieses Phänomen sind die Publikums-KG sowie die GmbH & Co. KG6.

I. Vom Typus hinter den Verbandsformen Eine Rechtsanwendung, die ausschließlich auf das äußerliche Merkmal der Rechtsform blickt und nach diesem Kriterium entscheidet, läuft Gefahr, ihre Aufgabe zu verfehlen. Dies hängt damit zusammen, daß die sehr unvoll­ ständige gesetzliche Definition der Gesellschaftsformen deren Wesen nur un­ vollkommen erfaßt. Es muß deshalb ein weiterer Entscheidungsparameter hinzutreten, auf dem die jeweiligen Organisationsgesetze unausgesprochen aufbauen. Dies ist der Typus der Verbandsformen. Der Typus ist Korrelat zu einer nur morphologischen Erfassung der Verbände durch die abstrakten und ambivalenten Merkmale der Rechtsform. Die Einteilung der Verbände ist also nach einem dualen Schema vorzunehmen: Auszugehen ist von der Siehe nur §§ 40 BGB, 133 Abs. 3 HGB, 25 GmbHG. Die Anerkennung der GmbH & Co. KG geht zurück auf RGZ 105, 101; dazu Zielinski, Grundtypvermischungen und Handelsgesellschaftsrecht, 1925, S. 16 ff.; Wüst ZHR 152 (1988), 215 ff. 5 6

Rechtsform. Das gefundene Ergebnis bedarf sodann einer Überprüfung an­ hand von typologischen Qualifikationskriterien. Der hinter jeder Rechtsform stehende und zu ihr in eine Beziehung zu bringende Typus ist wiederum vom Begriff der Gesellschaft oder der Kör­ perschaft zu scheiden7. Der Typus ist in einem sehr weiten Sinne zu verste­ hen. Erst die Aggregation von Typus und Rechtsform ergibt ein vollständi­ ges Abbild des Rechtsverhältnisses. Die Typenkonkretisierung findet sich nicht bereits in der gesetzlichen Definition der Gesellschaften. § 1 GmbHG enthält beispielsweise keine Beschreibung des Wesens der GmbH, sondern gestattet die Verwendung dieser Gesellschaftsform zu jedem gesetzlich zuläs­ sigen Zweck8. Entsprechend breit ist das typologische Spektrum von Körper­ schaften, die sich in der Rechtsform der GmbH organisieren können.

1. Beispielhaft für die Typenoffenheit vieler Normen des Verbandsrechts ist § 705 BGB. § 705 BGB ist mehr als die bloße Grundnorm der Personen­ gesellschaften. Vielmehr ist hier das Grundmerkmal aller auf vertraglicher Grundlage denkbarer Personenzusammenschlüsse zur Verwirklichung ge­ meinschaftlich zu verfolgender Interessen niedergelegt. Die Abgabe zentri­ petaler, d.h. auf die Verfolgung eines gemeinschaftlichen Zwecks gerichteter Willenserklärungen ist für das Entstehen sämtlicher Personenzusammen­ schlüsse ohne Ansehen ihrer Rechtsform erforderlich9. Erst die auf § 705 folgenden Bestimmungen geben näheren Aufschluß über den gesetzlichen Normaltyp der BGB-Gesellschaft, insbesondere die §§ 709, 717, 723 BGB. Die Existenz der Vertragsfreiheit bringt es mit sich, daß Legaltyp und Real­ typ voneinander abweichen können. Die Personalgesellschaften dürfen un­ ternehmenstragend sein. Sie mögen reine Innengesellschaften bleiben oder im Außenverhältnis in Vollzug gesetzt werden. Je nachdem ist der Bestand der anwendbaren Sachnormen zu variieren. Für die unternehmenstragende BGB-Gesellschaft sind die §§ 705-740 allein oftmals unzureichend. Sie sind 7 Dazu etwa H. P. Westermann (wie FN 4), S. 12 ff. mit Nachweisen sowie noch allgemeiner aus methodologischer Perspektive Larenz, Methodenlehre der Rechtswissen­ schaft, 6. Aufl. 1991, S. 437 ff., 461 ff. 8 Über die Zwecklimitierung des § 1 GmbHG hinaus ist eine weitere Begrenzung nach dem Gegenstand des Unternehmens (§3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) zu beachten. Nicht zulässig wäre nach (noch) geltender Rechtsauffassung der Betrieb einer Apotheke in der Rechtsform der GmbH. Das hing zusammen mit der traditionellen Abschließung des Gesellschaftsrechts gegenüber freiberuflichen Tätigkeiten, die jetzt durch das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz aufgebrochen ist. 9 Die Definition des Gesellschaftsvertrages durch § 705 BGB hat nicht nur Gültigkeit für die GbR, sondern kennzeichnet Personenzusammenschlüsse zu gemeinschaftlicher Zweckverfolgung in jeder Organisationsform. § 705 BGB ist deshalb ohne weiteres in die §§ 21 BGB, 1 GmbHG, 1 GenG, 1 AktG usw. hineinzulesen. Die Bestimmung zählt zu den Grundbausteinen eines Allgemeinen Teils des Verbandsrechts.

um Normen des OHG-Rechts als dem typusnäheren Sachrecht anzu­ reichem10. 2. Der unausgesprochen hinter den gesetzlichen Organisationsformen zur gemeinschaftlichen Zweckverfolgung stehende Typus ist nicht starr. OHG und KG besitzen zwar nach ihrem gesetzlichen Leitbild einen personalis­ tischen Zuschnitt. Das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod oder Kündigung löst die Gesellschaft grundsätzlich auf (§ 131 Nr. 4 und 6 HGB)11. Die Kautelarpraxis bedingt diese Rechtsfolge regelmäßig ab und schafft damit den Übergang zu einer eher körperschaftlichen Struktur bei den Personalgesellschaften. Noch weitergehend billigt eine gefestigte Rechtspre­ chung, daß eine Personengesellschaft in Gestalt der weitverbreiteten Publi­ kums-KG zur kapitalmarkttauglichen Gesellschaftsform erhoben wird, ob­ wohl das Organisationsrecht der Kommanditgesellschaft der dafür nötigen Vorkehrungen entbehrt12. Insbesondere fehlt eine standardisierte Organisa­ tionsverfassung, die den Anleger der schwierigen Aufgabe einer Einschät­ zung der Risiken des Gesellschaftsverhältnisses enthebt. Die fehlenden orga­ nisationsrechtlichen Grundlagen sind ersetzt durch ein Haftungsrecht, insbe­ sondere eine Prospekthaftung. In dieser Haftungsordnung ist kein Raum für den subjektiv gefärbten Haftungsmaßstab des § 708 BGB, der allenfalls noch zur personalistischen Personalgesellschaft paßt. Der maßgebliche Sorgfalts­ maßstab für die Verwaltungsmitglieder einer Publikumsgesellschaft ist den §§ 116, 93 AktG zu entnehmen, da für ein Abstellen auf die in eigenen An­ gelegenheiten praktizierte Sorgfalt in einer dem Publikum offenen Gesell­ schaft kein Raum bleibt13. 10 Auf dieser Erwägung beruht die Anwendung von § 142 HGB auf die unternehmens­ tragende GbR durch BGHZ 32, 307 (314 ff.). Diese Entscheidung ist bis heute ein klas­ sisches Beispiel für die Öffnung einer formalen Handelsrechtsdogmatik gegenüber typolo­ gischen Wertungsgesichtspunkten. Sie erteilt außerdem den im Handelsrecht traditionell starken Bestrebungen eine Abfuhr, die die handelsgesellschaftsrechtlichen Institute den übri­ gen Verbänden ohne zwingende Gründe vorenthalten wollen. Zu diesem Phänomen noch näher unten FN 80. 11 Bei der Kommanditgesellschaft hat der Tod eines Kommanditisten die Auflösung der KG nicht zur Folge, § 177 HGB. Die Kommanditgesellschaft ist "kapitalistischer” als die OHG. Jedoch ist es dem Gesellschaftsvertrag gestattet, die Regel des § 177 HGB umzukeh­ ren, so daß der Tod eines Kommanditisten doch zur Auflösung führt, etwa wenn die Kom­ manditgesellschaft atypischerweise so ausgestaltet war, daß die wesentlichen Management­ funktionen nach dem Gesellschaftsvertrag vom Kommanditisten auszuüben waren, was von BGHZ 45, 204 gebilligt wurde. Zur Abdingbarkeit von § 177 HGB siehe Heymann/Horn, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 177 RdNr. 3. 12 Zum Ganzen SCHLEGELBERGER/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1986, § 161 RdNr. 128 ff. 13 Zu Telos und Reduktionen von § 708 BGB vgl. RGZ 143, 212 (215); BGHZ 46, 313; 75, 321 (327).

3. Auch diejenigen Verbände, die unter dem Regime einer reglementier­ ten Satzungsautonomie leben, bleiben typusoffen. Limitierte Satzungsauto­ nomie bedeutet keine Unterbindung jeglicher Variation des vom Gesetz still­ schweigend vorausgesetzten Verbandstypus. Die zentrale Norm für die Akti­ engesellschaft ist § 23 Abs. 5 AktG. Abweichungen vom Gesetz sind danach statthaft, wenn sie ausdrücklich zugelassen sind. Die Satzung ergänzende Be­ stimmungen sind zulässig, es sei denn, daß das Gesetz eine abschließende Regelung enthält. Wie ein Vergleich mit § 18 Satz 2 GenG zeigt, steht das Gesetz Ergänzungen weniger argwöhnisch gegenüber als Abweichungen14. Trotz dieser Erschwerungen, die im Hinblick auf die Sozialverfassung der Aktiengesellschaft sowie wegen ihrer Kapitalmarktfähigkeit getroffen sind, ist die Rechtsform der AG nicht ausschließlich der ein Großunternehmen be­ treibenden Publikumsgesellschaft vorbehalten. Den Gründern bleibt es aus­ drücklich überlassen, ihre Gesellschaft personalistisch zu verfassen, etwa durch Vinkulierung der Aktien (§ 68 Abs. 2 AktG) oder durch die Wahl der Selbstorganschaft. Daneben darf eine AG genossenschaftlich strukturiert sein, indem Nebenleistungspflichten satzungsmäßig bedungen sind (§ 55 AktG). Endlich kann man die Rechtsform der Aktiengesellschaft wählen für Gesellschaften, die nicht auf das Betreiben eines Unternehmens oder eines Handelsgewerbes gerichtet sind oder keine erwerbswirtschaftliche Zielset­ zung aufweisen. 4. Besonders deutlich lassen sich die möglichen Divergenzen zwischen Typus und Rechtsform bei der GmbH erkennen. Die Rechtsform der GmbH gibt keinen verläßlichen Aufschluß über die konkrete Beschaffenheit des Ge­ sellschaftsverhältnisses. Hinter einer GmbH können so verschiedene Gebilde stehen wie ein bloßer GmbH-Mantel15, ein einzelkaufmännisches Untemeh14 Fraglich ist bei § 23 Abs. 5 AktG die Behandlung der Fälle des schlichten Schweigens des Gesetzes. § 23 Abs. 5 zerfällt in ein Abweichungsverbot mit Erlaubnisvor­ behalt (Satz 1) und in eine Ergänzungserlaubnis mit Verbots vorbehalt (Satz 2). Abwei­ chungen vom Aktiengesetz sind strikter reglementiert als Ergänzungen. Eine nach § 23 Abs. 5 Satz 1 unzulässige Abweichung liegt allenfalls dann vor, wenn die gesetzliche Regelung derart umfassend ist, daß sie nur noch den Schluß darauf zuläßt, daß sich die getroffene Regelung als abschließend versteht. Ansonsten bedeutet ein Schweigen des Gesetzes, daß gar keine Regelung vorliegt und daß die Satzung eine nach § 23 Abs. 5 Satz 2 zu beurteilende Ergänzung vornehmen will; zum Ganzen näher Luther, Die genossenschaftliche Aktienge­ sellschaft, 1978, S. 10 ff. m.w.N. Bei der Ermittlung des Verbotsvorbehalts für Ergänzungen bleibt zu beachten, daß die Sat­ zungsautonomie Verfassungsrang besitzt (Art. 9 Abs. 1 GG). Ein Schweigen des Gesetzes darf nicht automatisch im Sinne einer abschließenden Regelung gewertet werden. Dies würde das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis ("es sei denn, daß”) umkehren. Schweigt das Gesetz, so liegt im Zweifel überhaupt keine Regelung und keine Beschränkung der Er­ gänzungsbefugnis vor: in dubio pro statuto. 15 Hierzu nur B. Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, 1989, passim.

men mit beschränkter Haftung in Gestalt der Ein-Mann-GmbH16 oder eine Gesellschaft als Trägerin eines voll ausgebildeten, am Markt werbenden Unternehmens. Die Rechtsform GmbH alleine kann nicht als Entscheidungs­ kriterium für das anwendbare Sachrecht dienen. Zusätzlich ist auf die Real­ struktur16 17 sowie auf den Gesellschaftszweck und den Unternehmensgegen­ stand zurückzugreifen. Dem eigentlichen Prozeß der Rechtsanwendung hat eine typologisch-funktionale Qualifikationsentscheidung vorauszugehen, da das GmbH-Gesetz typusoffen konzipiert ist. Für eine personalistische GmbH mag der vorhandene Normenbestand um Bestimmungen aus dem OHG-Recht zu ergänzen sein, für eine kapitalistische GmbH mag das Aktienrecht am be­ sten zur Lückenfüllung taugen, sofern der Gesellschaftsvertrag keine Rege­ lungen trifft. Für die GmbH existiert insoweit eine rechtliche Typusbegrenzung, als ihr der ungehinderte Zugang zum öffentlichen Kapitalmarkt versperrt ist. Sie ist für die Beschaffung von Eigenkapital auf einen überschaubaren Personen­ kreis angewiesen. Nach § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG bedarf sowohl ein Ver­ trag, der die Verpflichtung zur Übertragung eines GmbH-Anteils zum Gegenstand hat wie die Abtretung selbst, der notariellen Form. Das Former­ fordernis entzieht GmbH-Anteile so dem schnellen Anteilstransfer über eine Börse18. Die Schwerfälligkeit der Übertragung läßt sich nicht durch eine ef­ fektenmäßige Verbriefung des Anteils erreichen dergestalt, daß die Übergabe des Papiers Übertragungswirkung mit Bezug auf das verbriefte Recht hätte19. Eine weitere Hürde für die Kapitalmarktfähigkeit der GmbH liegt in der subsidiären und anteiligen Ausfallhaftung aller Gesellschafter für die Säum­ 16 In seinen §§35 Abs. 4, 48 Abs. 3 nimmt das GmbH-Gesetz eine rudimentäre Ab­ schichtung des Typus der Ein-Mann-GmbH vor. 17 Zur Lehre von der Realstruktur im Verbandsrecht Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 II 3 a (S. 432 ff.); ferner Lutter AcP 180 (1980), 84 (105 ff.) jeweils anhand der gesellschaftsrechtlichen Loyalitätspflichten. 18 Die Formerfordemisse in § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG sind zwingendes Recht. Den­ noch sind Umgehungsmöglichkeiten aus anderen Rechtsgebieten bekannt, etwa die Kon­ struktion, bei der der GmbH-Anteil von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gehalten wird, deren ausschließlicher Zweck in der Innehabung dieses Anteils besteht. Die Übertra­ gung der Anteile an der GbR, die mittelbar auf die Beteiligungsverhältnisse an der GmbH durchschlägt, unterliegt nicht dem Formzwang. Zu einer ähnlichen Problematik im Grund­ stücksrecht Karsten Schmidt AcP 182 (1982), 481 (488 ff.). 19 Lutter/Hommelhoff, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995 § 14 RdNr. 28. Dennoch sind dem älteren Schrifttum Hinweise zu entnehmen, daß es etwa bis zum Aus­ bruch des Ersten Weltkriegs einen zum Teil regen Handel mit GmbH-Anteilen gegeben hat, vgl. Fränkel, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1915, S. 156 ff. Er wurde da­ durch ermöglicht, daß ein Anteil von einer Depotbank treuhänderisch gehalten wurde. Die Anteilsübertragung wurde sodann dadurch bewerkstelligt, daß intern ein Wechsel in der Treugeberstellung eintritt und die Bank den Erwerber als neuen Treugeber anerkennt. Dieses Verfahren ist später aus der Mode geraten, weil die Gesetzesumgehung evident ist.

nis eines Einlageschuldners nach § 24 GmbHG20. Sie durchbricht das Prin­ zip der beschränkten Haftung der GmbH-Gesellschafter in dem für den Ka­ pitalmarkt relevanten Bereich der Kapitalerhöhung dadurch, daß sie diejeni­ gen Gesellschafter, selbst wenn sie keine neuen Einlagen zeichnen wollen oder dürfen, mit einem nicht übersehbaren Risiko belastet. Die Haftungsbe­ schränkung der Mitglieder ist aber eine Grundvoraussetzung für die Umlauf­ fähigkeit von Anteilsrechten. Die Rationalität der Investitionsentscheidung wäre bei Kapitalerhöhungen nicht mehr gewährleistet, wenn jeder Teilneh­ mer damit rechnen müßte, für die Uneinbringlichkeit gezeichneter Anteile von anderen Teilnehmern gegebenenfalls persönlich einstehen zu müssen21. In der Sache liefe dies auf eine unbeschränkte, persönliche Nachschußpflicht hinaus, die praktisch einer Preisgabe des Privilegs der beschränkten Haftung gleichkäme22. Verstärkt werden die vorgenannten Barrieren gegen eine Verwendung der Rechtsform der GmbH für eine echte Publikumsgesellschaft durch die Mög­ lichkeit der Auflösungsklage nach § 61 GmbHG. Der Kapitalmarkt will nicht mit der Ungewißheit leben, daß in einem gerichtlichen Verfahren darüber entschieden wird, ob die Gesellschaft fortbestehen soll oder nicht. Nicht von ungefähr fehlt eine § 61 GmbHG vergleichbare Vorschrift bei der Aktienge­ sellschaft. Bei der Publikums-KG, auf die § 133 HGB an sich Anwendung findet, ist ebenfalls kein Fallmaterial zur Auflösungsklage zu finden. Die GmbH-rechtliche Auflösungsklage ist einerseits notwendiges Korrektiv zur

20 Die subsidiäre Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG trifft alle Gesellschafter sowohl in der Gründungsphase wie bei allen späteren Kapitalerhöhungen; zu Einzelheiten siehe Mel­ ber, Die Kaduzierung in der GmbH, 1993 sowie die nachfolgende FN. 21 Die Haftung nach § 24 GmbHG wird von der ganz h.M. auch auf die Beitreibung der Einlagen anläßlich einer Kapitalerhöhung angewandt, so OLG Karlsruhe OLG-Rspr. 14 (1907), 365; OLG Köln OLG-Rspr. 37 (1918), 5: der Schutz einer überstimmten Minderheit soll nur nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages erfolgen; OLG Dresden OLG-Rspr. 40 (1920) 196; RGZ 93, 251 (253); 132, 392 (394). Diese Auffassung kann zu unbilligen Härten führen, wenn Gesellschafter einerseits einer Kapitalerhöhung nicht zugestimmt haben oder gar vom Bezugsrecht ausgeschlossen werden und andererseits für die Ausfälle bei den neuen Einlagen haftbar sind. Die Lösung des Konflikts besteht in einer teleologischen Re­ duktion von § 24 GmbHG für die Fälle der Kapitalerhöhung oder wenigstens in der Zubilli­ gung eines außerordentlichen Austrittsrechts für diejenigen Gesellschafter, die der Kapi­ talerhöhung widersprechen oder vom Bezugsrecht ausgeschlossen sind, näheres bei M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 117 ff. 22 Der Zusammenhang von beschränkter Haftung der Kapitalgeber und kapitalmarkt­ gerechter Umlauffähigkeit der Geschäftsanteile findet sich grundlegend dargestellt bei Heckscher, Der Merkantilismus I, 1932, S. 327 ff. am Beispiel der Niederländisch-Ost­ indischen Kompanie. Der entscheidende Anreiz zur Bereitstellung von Risikokapital besteht darin, daß die Höhe der Beteiligung zugleich das Verlustrisiko begrenzt.

Anteilsvinkulierung, andererseits mildert sie die Härten, die die Enge des Beteiligungsmarktes mit sich bringen kann23.

II. Leistungsfähigkeit des Typusdenkens für das Gesellschaftsrecht Dem Verbandstypus im hier verstandenen Sinne kommt im Gesellschafts­ recht eine oftmals verkannte Schlüsselstellung bei der Rechtsanwendung zu24. Das durch Anknüpfung an die Rechtsform berufene Organisationsrecht schafft einen Rahmen, der gegebenenfalls einer weiteren Konkretisierung durch typusadäquate Rechtsnormen bedarf. Wie die Form nicht über die Sa­ che, so darf die Rechtsform nicht über den Organisationstypus triumphieren. Zwischen Typus und Rechtsform besteht keine Gegensatzbeziehung. Eine sy­ stemkonforme Rechtsanwendung setzt voraus, daß beide in Einklang stehen. Das Abstellen auf den Typus als Qualifikationsmerkmal im Gesellschafts­ recht ist allerdings nicht unumstritten25. Die heute wohl herrschende Mei­ nung will der Typuslehre im Verbandsrecht keinen eigenständigen Platz ein­ räumen26. Bei aller Kritik, die die gesellschaftsrechtliche Typenlehre erfah­ ren hat, ist sorgsam zu beachten, was mit einer typologischen Betrachtungs­ weise gewonnen werden soll. Typik im hier verwandten Sinne will nicht die Vertragsfreiheit im Verbandsrecht abschaffen, das dispositive zu zwingen­ dem Gesetzesrecht erheben oder die Wahlfreiheit unter den zugelassenen Or­ ganisationsformen einschränken. Ein derartiges Typusverständnis müßte mit 23 Vollzieht sich das Ausscheiden aus der GmbH dadurch, daß der Austretende seinen Anteil überträgt, so kommt als Erwerber praktisch nur ein anderer Gesellschafter oder der Geschäftsführer in Betracht, weil Außenstehenden die Bewertungskriterien fehlen. Zum Zusammenhang zwischen Auflösung der Gesellschaft, Übertragung der Anteile und Austrittsrecht im GmbH-Recht, M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 23 ff. Die dort S. 36 ff. zur rechtstatsächlichen Bedeutung der Auflösungsklage nach § 61 GmbHG getroffenen Feststellungen sind trotz der Entscheidung BGH NJW 1985, 1901 ohne Abstri­ che aufrecht zu erhalten. Jene Entscheidung betraf einen extrem gelagerten Sachverhalt, bei dem das Gericht an der Auflösung schlechterdings nicht vorübergehen konnte. 24 Dazu Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971, S. 171 ff. 25 Für eine "Typologie” als immanente Schranke der Vertragsfreiheit und als Sperre ge­ gen eine beliebige Grundtypenvermischung O. Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalge­ sellschaften, 1963, S. 48; H. Lehmann, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1959, S. 333; Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, 1954, S. 39 ff.; Müller-Erzbach AcP 154 (1955), 299 (342 ff.). Gegen die Typuslehre als Instrument zur Begrenzung der Vertragsfreiheit im Gesellschafts­ recht Koller, Grundfragen einer Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg/Schweiz 1967, S. 134 ff.; H.-J. Mertens NJW 1966, 1049 (1050 ff.); W. Ott, Die Problematik einer Typologie im Gesellschaftsrecht, Bem 1972; Sack DB 1974, 369; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesell­ schaften, 1970, S. 123 ff. 26 Siehe etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 1 IV 1 b (S. 72 ff.).

Blick auf Art. 9 Abs. 1 GG in der Tat durchgreifenden Bedenken begegnen. Nur bei Gefährdung gewichtiger Gemeinschaftsgüter und -interessen ist eine Vorrangstellung der staatlichen Ordnung des Verbandswesens vor ihrer pri­ vatrechtlichten Gestaltung anzuerkennen. Die Regulierungsdichte ist nach der Maxime in dubio pro statuto11 als Ausfluß des Verhältnismäßig­ keitsgebots zu beurteilen. Für staatliche Eingriffe muß ein besonderes Bedürfnis nachgewiesen sein. Dieser kardinale Grundsatz darf nicht durch eine Typuslehre verwischt oder unter der Hand in sein Gegenteil verkehrt werden. Alle Versuche, den Rechtsformen einen einheitlichen und zwingenden Typus unterzuschieben, der die vertragliche Organisationsfrei­ heit beseitigt, entbehren der gesetzlichen Grundlage und sind verfassungs­ widrig. Die hier befürwortete typologische Qualifikation ist ein davon ver­ schiedenes heuristisches Prinzip zur Ermittlung der anwendbaren Rechts­ regeln. Mit diesem Vorverständnis hat eine Typuslehre eine legitime Daseinsberechtigung und läßt sich aus der modernen Gesellschaftsrechts­ doktrin nicht hinwegdenken. In diesem Sinne wird sie bereits an vielen Stel­ len unausgesprochen praktiziert. Es geht darum, das normative Soll mit dem sozialen Ist in Übereinstimmung zu bringen und den methodischen Ansatz dafür offen zu legen. Diejenigen Rechtsnormen, die für die Entscheidung gesellschaftsrecht­ licher Sachverhalte einschlägig sind, müssen nicht unbedingt nur einem Ty­ pus oder einer Rechtsform zuzuordnen sein. Tatsächlich sind sie vielfach multifunktional gebräuchlich, ungeachtet ihrer Einordnung in ein Organisa­ tionsgesetz. Dies beginnt schon bei § 705 BGB als der Definitionsnorm für den Gesellschaftsvertrag schlechthin. Ein weiteres Anschauungsbeispiel lie­ fert der zwangsweise Ausschluß von Gesellschaftern nach §§ 737 BGB, 140 HGB, der von der Rechtsprechung zu Recht nicht auf die Rechtsform der Personalgesellschaft oder auf den Typus der personalistischen Personenver­ einigung beschränkt worden ist27 28. Viel eher zählt der Ausschluß von untrag­ baren Mitgliedern zu jenen rechtsformübergreifenden Problemstellungen im Verbandsrecht29. Er ist für personalistische wie für körperschaftliche, für 27 Hierzu schon oben FN 14. 28 Zum Ausschluß aus der GmbH aus wichtigem Grund grundlegend BGHZ 9, 157. Zu Recht wird hier gar nicht auf die Rechtsform von Verbänden oder die Art der Zusammen­ arbeit unter den Gesellschaftern abgehoben, sondern das Ausschließungsrecht als elementar gemeinschaftsrechtliche Notwendigkeit begriffen und auf jenen allgemeinen Grundsatz von der Lösbarkeit von Dauerschuldverhältnissen zurückgeführt, vgl. Grunewald, Der Aus­ schluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 1 ff. Die §§ 737 BGB, 140 HGB, 68 GenG enthalten mithin keine abschließende Regelung des Ausschlusses aus Personenvereini­ gungen, M. Becker ZGR 1986, 383 (387 ff.). 29 Ja sogar für Gemeinschaften, denen nach traditionellem Verständnis kein Gesell­ schaftsverhältnis im Sinne von § 705 BGB zugrunde liegt, ist die Möglichkeit zum Aus­ schluß untragbar gewordener Mitglieder anerkannt. Ausfluß dieses Gedankens ist etwa § 18

private wie für dem Publikum zugewandte Verbände statthaft, freilich im Einzelfall unter verschiedenen Voraussetzungen. Dasselbe gilt für das Fortführungsrecht gemäß § 142 HGB, das einen Sonderfall des Ausschlusses aus der Gesellschaft regelt. Die Bestimmung ist bei einer reinen Wortlautbetrachtung auf das Recht der offenen Handelsge­ sellschaft bzw. auf die Kommanditgesellschaft (§161 Abs. 2 HGB) be­ schränkt. Mit Recht haben Judikatur und Doktrin am Gesetzesbuchstaben nicht halt gemacht und den grundsätzlicheren unternehmensrechtlichen Kern30, der dieser Bestimmung immanent ist, freigelegt. Keinerlei Rechts­ formspezifika von OHG oder KG mit allen ihren denkbaren Typusausprä­ gungen gebieten die Beschränkung der Übernahmemöglichkeit auf diese Ge­ sellschaftsformen. Ferner ist es für den Schutz des Unternehmens unerheb­ lich, ob gerade ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe im Sinne der §§1-3 HGB betrieben wird. Deshalb darf § 142 HGB auf die Gesellschaft bürger­ lichen Rechts entsprechende Anwendung finden31. Rückt man bei § 142 HGB den unternehmensbezogenen Aussagegehalt in den Vordergrund, dann muß der Rechtsgedanke der Bestimmung ebenso bei körperschaftlich ver­ faßten Verbänden anwendbar sein32. Zwar können die Kapitalkörperschaften als Ein-Mann-Gesellschaften im Gegensatz zu den Personalgesellschaften fortbestehen. Hier kommt indes ein weiterer rechtlicher Aspekt von § 142 HGB zum Tragen: Der Ausschluß sämtlicher Gesellschafter und die Fortfüh­ rung der Gesellschaft durch nur einen verbleibenden Gesellschafter stellt an den wichtigen Ausschließungsgrund besonders hohe Anforderungen33. Die Beispiele für die Bedeutung des Verbandstypus sind Legion. Sie bele­ gen allesamt die konkrete Relevanz des Typus für die Bestimmung des an­ Abs. 1 WEG, wo das Gesetz nicht vom Ausschluß aus der Wohnungseigentümergemein­ schaft, sondern von einem Anspruch der übrigen Gemeinschaftsmitglieder auf Veräußerung des Wohnungseigentums spricht. Der Sache nach bedeutet diese Konstruktion einen Aus­ schluß aus der Gemeinschaft, in der eine Mitgliedschaft ohne Wohnungseigentum nicht denkbar ist. 30 Dieser untemehmensrechtliche Kem von § 142 HGB zeigt sich in den Korrekturen, die diese Vorschrift erfahren hat. Ratio legis von § 142 ist die ungeschmälerte Erhaltung des Unternehmens ohne Rücksicht auf seinen Träger. Im Dienste dieses Gedankens steht der liquidationslose Übergang des Unternehmens von einer Gesellschaft auf einen einzelkauf­ männischen Inhaber. Der Erfüllung der so gestellten Aufgabe kann der enge Wortlaut von § 142 HGB nicht gerecht werden. Die Vorschrift war daher zum einen auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts auszudehnen (siehe nächste FN); zum anderen ist ihre Anwendung nicht auf die zweigliedrige Gesellschaft beschränkt, so daß das Übernahmerecht auch Platz greift, wenn aus einer mehrgliedrigen Gesellschaft alle Gesellschafter bis auf den fortführenden ausgeschlossen werden, dazu Ulmer, in: Großkomm. z. HGB, 3. Aufl. 1973, § 142 Anm. 9 mit Nachweisen. 31 BGHZ 32, 307 (314 ff,); Canter NJW 1965, 1553 ff.; Sandrock JR 1968, 323 ff. 32 BGHZ 80, 346 (351/52) für die GmbH. 33 Lindacher BB 1974, 1610 = GesRZ 1975, 9.

wendbaren Rechts. Wie im Kollisionsrecht erhebt sich dabei die Frage nach dem maßgeblichen Anknüpfungskriterium. Ist insoweit die Rechtsform oder der Verbandstypus stärker zu gewichten? Richtigerweise sollte man auf die Natur des anzuwendenden Rechtssatzes abstellen. Die Normen des Ver­ bandsrechts lassen sich wenigstens in organisations- und transaktionsbezo­ gene Rechtssätze unterteilen. Bei den organisationsbezogenen Normen ent­ scheidet in der Regel die Rechtsform. Die Gründung einer AG zum Beispiel vollzieht sich unter dem Regime des Aktiengesetzes. Dies gebieten die Rechtssicherheit und die Freiheit der Körperschaftsbildung, die nur nach der Beobachtung der gesetzlichen Normativbedingungen verlangt. Bei den trans­ aktionsbezogenen Rechtssätzen spielt die Verbandsform dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Zu nennen ist der Ausschluß des Bezugsrechts bei Ka­ pitalerhöhungen. Das Gesetz regelt ihn zwar in §§ 186, 203 AktG. Für die GmbH34 und die Publikums-KG ist jedoch in gleicher Weise zu entscheiden. Das gleiche gilt für die Fusion von Verbänden, die früher am ausführlichsten in den §§ 339 ff. AktG normiert war, gleichwohl jedoch schon nach altem Recht Bestandteil des Allgemeinen Verbandsrechts war und deshalb etwa für Vereine zur Anwendung gelangte35. Weiterhin gilt das für die Behandlung von kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen36, die ohnehin auf der Schnitt­ stelle von Gesellschafts- und Insolvenzrecht stehen. Transaktionsbezogen sind endlich viele Normen des Konzemrechts. Die §§ 15 ff., 291 ff. AktG sind schon nach der Terminologie nicht rechtsformakzessorisch, sondern sprechen mit Vorbedacht von "herrschenden” und "abhängigen Unter­ nehmen" .

III. Zum Einfluß von Typus und Rechtsform auf die steuerliche Behandlung der Verbände Noch stärker als im Zivilrecht dominiert das rechtsformakzessorische Denken bei der steuerlichen Behandlung der Verbände. Es führt häufig zu einem Zielkonflikt zwischen Rechtssicherheit und Steuergerechtigkeit. Be­ steuerung ist Eingriffsverwaltung, und so besteht eine rechtsstaatliche Not­ wendigkeit für eindeutig gefaßte Ermächtigungsgrundlagen, die für Rechts­ sicherheit sorgen37. Für unternehmerische Planung und Tätigkeit muß die 34 Siehe hierzu die weise Entscheidung OGH 16.12.1980 SZ 53/172 = GmbHRdsch. 1984, 235 mit Anm. NOWOTNY. 35 Siehe unten FN 71 und 80. 36 Eingehend Karsten Schmidt ZHR 147 (1983), 165 ff. 37 Rechtssicherheit verlangt nach hinreichend bestimmten, verständlichen und prakti­ kablen Steuertatbeständen. Rechtssicherheit und Steuergerechtigkeit sind Bestandteile des

Steuerlastquote im vorhinein anhand fixer Kriterien ermittelbar sein. Sie ist ein kalkulationsbedürftiger Produktionsfaktor, der für das kaufmännische Gelingen mitentscheidend ist. Demgegenüber steht das vom Verfassungs­ recht erhobene Postulat der Steuergerechtigkeit38. Mit ihr ist es nicht verein­ bar, Sachverhalte rein formal und nicht nach ihrem wirtschaftlich-substan­ tiellen Wesen zu begreifen. Es erscheint indes nicht ausgeschlossen, Rechts­ sicherheit und Steuergerechtigkeit miteinander zu versöhnen. Die steuerrechtliche Behandlung der Verbände ist bei äußerlicher Be­ trachtung stimmig. Sie baut zunächst auf der zivilrechtlichen Einteilung und Behandlung der Verbände auf mit ihrer Unterscheidung in Personalgesell­ schaften und Körperschaften39. Bei den Personalgesellschaften erfolgt die einkommensteuerrechtliche Erfassung gewerblicher Einkünfte grundsätzlich nach dem Mituntemehmerprinzip40. In der Regel sind die Mitglieder einer Personengesellschaft nach dem gesetzlichen Leitbild Mitunternehmer. Jedoch ist diese formale Qualifikation des Rechtsverhältnisses nicht stets entschei­ dend41. Nach der Rechtsprechung kann selbst ein Nicht-Gesellschafter Mit­ Unternehmer sein, wenn ihm Entscheidungsbefugnisse im Umfange eines geschäftsführungs- oder vertretungsbefugten Gesellschafters eingeräumt sind42. Die steuerrechtliche Mitunternehmerschaft ist gekennzeichnet durch das Ri­ siko und die Initiative eines Mitunternehmers. Komplementäre sowie aktive Gesellschafter der OHG sind ohne weiteres Mitunternehmer. Ebenso Kom­ manditisten — unter Einschluß von Publikumskommanditisten — und von Mitverwaltungsämtern ausgeschlossene OHG-Gesellschafter, wenn ihnen der Gesellschaftsvertrag einen Restbestand derjenigen Kontrollrechte belassen hat, die handelsrechtlich das Leitbild dieser Rechtsstellungen prägen. Analog zur überkommenen zivilistischen Lehre, die die Personengesell­ schaft nicht als vollwertiges Rechtssubjekt, d.h. als eigenständige und von

Rechtsstaatlichkeitsgebots. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - vgl. BVerfGE 9, 3 (13); 17, 1 (23); 21, 12 (26 ff.) - hat es unbeanstandet gelassen, daß im Konfliktfalle vielfach zugunsten der Rechtssicherheit entschieden wird, weil gerade in einer formalen Typisierung der steuerlichen Anknüpfung ein förderlicher Beitrag zur Steuer­ gerechtigkeit liegen soll. 38 Näher zum Gleichheitssatz im Steuerrecht v.Mangold/Klein/Starck, Komm.z. GG, 3. Aufl. 1985, Art. 3 Abs. 1 RdNr. 85 ff. 39 Umfassend hierzu Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre II/l, 5. Aufl. 1990, S. 35 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht, 15. Aufl. 1996, § 16 (S. 652 ff.). 40 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1987. 41 Vgl. BFH - GrSen. - BFHE 141, 405 (438 ff.) = JZ 1985, 186 mit Anm. Walz; Jurkat GmbHRdsch. 1985, 62 ff., 86 ff.; kritisch auch Kirchhof, Verhandlungen des 57. D.J.T. in Mainz 1988, F 82 ff. 42 Etwa die Stellung des herrschenden Unternehmens aus einem Beherrschungsvertrag.

ihren Mitgliedern verschiedene Rechtsperson aufgefaßt hat43, behandelt das Steuerrecht die Personalgesellschaft nicht als separates Steuerrechtssubjekt44. Wie im Zivilrecht zeigt diese traditionelle Auffassung inzwischen jedoch gewisse Aufweichungstendenzen. So hält die Rechtsprechung jetzt beispiels­ weise die Zustellung des Steuerbescheides an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts für genügend45. Bei den Personalgesellschaften sind Steuerschuldner nur deren Gesellschafter. Die Gewinne bzw. Verluste der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft werden für die Zwecke der Einkommensteuer an­ teilig den Gesellschaftern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugerechnet. Die Gesellschaft als solche ist nicht Steuerschuldner und haftet nicht mit ihrem Vermögen. Ganz anders verhält es sich bei den Körperschaften. Sie sind rechtlich verselbständigt gegenüber ihren Mitgliedern und entsprechend selb­ ständige Rechtssubjekte im Sinne des Steuerrechts. Die Körperschaften un­ terliegen der Körperschaftsteuer hinsichtlich des erzielten Gewinnes, die Mitglieder beziehen Einkünfte aus Kapitalvermögen, sofern sie Ausschüt­ tungen von der Körperschaft empfangen haben. Seit der Körperschaftsteuer­ reform von 1977 ist der Effekt der Doppelbesteuerung durch die Körper­ schaftsteueranrechnung auf die individuelle Einkommensteuer der Mitglieder allerdings abgemildert (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Grundtypenvermischungen bei den Personenzusammenschlüssen bleiben steuerrechtlich zunächst unbeachtlich. Eine kapitalistische Personalgesell­ schaft, in der die Gesellschafter etwa überhaupt keine Geschäftsführungsauf­ gaben wahrnehmen und wo keine eigentliche arbeitsteilige Mitunternehmer­ schaft zwischen den Gesellschaftern besteht, wird fiskalisch in ihrer Katego­ rie gleichwohl als Mituntemehmergemeinschaft behandelt. Atypische Ausge­ staltungen des GesellschaftsVerhältnisses führen nicht dazu, daß eine körper­ schaftlich strukturierte Personalgesellschaft steuerrechtlich in das Lager der Körperschaften überwechselt46. Umgekehrt bewirkt im deutschen Recht47

43 Eine gute Nachzeichnung des gesamten Streitstandes findet sich bei Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 58 I 3 (S. 1696 ff.) sowie § 58 IV 2 (S. 1716 ff.). 44 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, wenn sie Grundeigentum erwirbt, Schuldne­ rin der Grunderwerbsteuer und Adressatin des Steuerbescheides. Insoweit überwindet die Finanzrechtsprechung die überkommene Gesamthandslehre. Ein Rechtsmittel gegen einen gegen die GbR gerichteten Steuerbescheid muß jedoch von sämtlichen Gesellschaftern ge­ meinschaftlich ergriffen werden. Insoweit lebt die Gesamthandslehre also noch fort, BFHE 148, 331 (333 ff.). 45 Die GbR ist im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne rechtsfähig. Der Steuerbescheid kann wirksam an sie zugestellt werden: BFHE 149, 12 = NJW 1987, 1720 in Auseinander­ setzung mit dem Status der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach Zivil- und Steuerrecht. 46 Bei den Personalgesellschaften lassen sich Geschäftsführung und Vertretung derart ordnen, daß — trotz formaler Geltung des Eigenorganschaftserfordernisses, vgl. A. Hueck, Das Recht der Offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, S. 119, 277, 281; BGHZ 33, 105 - Nichtgesellschaftem de facto die Stellung eines Gesellschaftsorgans eingeräumt wird.

die Herstellung einer vollen Mitunternehmerschaft47 48 bei den Körperschaften keine Änderung ihres steuerrechtlichen Status oder der Besteuerung der Ge­ sellschafter, auch wenn diese ohne Ausnahme in den gesellschaftsleitenden Gremien und in dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen unter­ nehmerisch mitarbeiten. Diese Behandlung erscheint willkürlich und mit dem Verfassungsgebot der Steuergerechtigkeit schwerlich vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht verlangt im Gegenteil, daß die besonderen Gege­ benheiten bei personalistischen Gesellschaften m.b.H. mit beherrschendem Einfluß ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer angemessen berücksichtigt wer­ den49. Dies zwingt zur Vornahme von Abstufungen unter den Körperschaf­ ten. Hinter der insgesamt sehr formalistischen Dichotomie Gesellschaft-Kör­ perschaft als Unternehmensträger und dem sich anschließenden Katalog der körperschaftsteuerpflichtigen Personenzusammenschlüsse in § 1 Abs. 1 KStG schimmert - unausgesprochen - ein ganz anderes Abgrenzungskriterium hervor. Mit Ausnahme der Kommanditgesellschaft zeichnen sich die nach § 1 Abs. 1 KStG 1984 der Körperschaftsteuer unterworfenen Personenver­ einigungen dadurch aus, daß ihre Mitglieder von der persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Körperschaft freigestellt sind. Wiewohl sich historisch nachweisen läßt, daß das Institut der Haftungsbeschränkung nicht kongruent mit der Institution der juristischen Person ist, hält sich die gegen­ teilige Vorstellung im Verbandsrecht noch immer hartnäckig. Die der Kör­ perschaftsteuer eigene Wirkung der Doppelbesteuerung scheint gewisser­ maßen eine Prämie für die Haftungsbefreiung der Mitglieder zu sein. Die relativ ungünstigere fiskalische Behandlung der Körperschaften mit Haf­ tungsbeschränkung zugunsten ihrer Mitglieder ist der Preis für die negativen Spätestens die großzügige Haltung gegenüber der Anerkennung konzemabhängiger Perso­ nengesellschaften mit weitgefaßten Befugnissen des herrschenden Unternehmens aus einem Unternehmensvertrag (BGH NJW 1982, 1817 - "Holiday Inn") deutet auf ein allmähliches Abrücken vom strengen Selbstorganschaftsdogma. 47 Ein Besteuerungswahl recht, welches in Grenzen die Behandlung einer Corporation als partnership erlaubt, existiert seit langem im amerikanischen Steuerrecht bei den sog. Subchapter S Corporations, vgl. 26 U.S.C. §§ 1371 ff. Hierzu rechtspolitisch näher Manning, The Service Corporation - Who Is Taxable on Its Income: Reconciling Assignment of Income Principles, Section 482, Section 351, 37 Univ. Miami L.Rev. 657 (1983); Katz, Service Agrees to Follow the Test of Partnership Recognition as Stated in Larson, 51 J.Tax. 12 (1979). Die close Corporation wird begünstigt, weil ein öffentliches Interesse an Unternehmensgründungen besteht. Das Besteuerungswahlrecht will die close Corporation fiskalisch "schonen" und ihr Gelegenheit zur Rücklagenbildung verschaffen, so daß sie zur kapitalmarktfähigen Publikumsgesellschaft heranreifen kann. Die fiskalische Zurückhaltung in der Gründungsphase von Unternehmen amortisiert sich für den Staat durch eine künftig um so stärkere Steuerkraft. 48 Zur Mitunternehmerschaft Groh BB 1982, 1229; BFH - GrSen. - BFHE 141, 405 (440). 49 BVerfGE 22, 156 (160 ff.) m.w.N. aus der Rechtsprechung des Gerichts.

externen Effekte, die die Haftungsbeschränkung hervorbringen kann50. Wenn dies zutrifft, so befinden sich Zivil- und Steuerrecht mit ihren Wer­ tungen nicht in vollkommenem Gleichklang: Die Haftungsbeschränkung der Mitglieder wird von der Zivilrechtsordnung als Anreiz für die Unterneh­ mung potentiell riskanter, aber wirtschaftlich oder sozial erwünschter Akti­ vitäten bereitgestellt. Das Steuerrecht andererseits knüpft an die Entfaltung derselben Aktivitäten im organisatorischen Gewand der Körperschaft nega­ tive fiskalische Folgen, welche die Akteure von der Wahl der Form einer Körperschaft abhalten mögen. Eine eingehendere Umschau unter den Verbänden mit beschränkter Haf­ tung der Mitglieder und die jeweilige steuerliche Behandlung ergibt, daß das dargestellte Prinzip nicht durchgängig befolgt ist. Eine Ausnahme nach der einen Seite macht die KGaA, nach der anderen Seite die KG. Die KGaA ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Körperschaft, bei der die persönlich haftenden Gesellschafter neben der Gesellschaft für deren Verbindlichkeiten einzuste­ hen haben51. Die KG fällt nicht unter § 1 Abs. 1 KStG, obgleich dort die Kommanditisten den Gesellschaftsgläubigem grundsätzlich nur beschränkt nach Maßgabe ihrer in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme haften, ähnlich den Mitgliedern einer Körperschaft. Für sie gibt es trotz des Privi­ legs der beschränkten Haftung keine Doppelbesteuerung. Spätestens die GmbH & Co. KG gerät zum Prüfstein für die Stimmigkeit des gesamten Systems. Ursprünglich hatte die Finanzrechtsprechung sich der zivilrechtlichen Anerkennung dieses Gebildes nicht gebeugt und die Kon­ struktion der GmbH & Co. KG steuerrechtlich unter den Tatbestand des Mißbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (heute § 42 AO 1977) sub­ sumiert52. Davon ist man - vorläufig - wieder abgerückt53, obwohl das Bundesverfassungsgericht 54 wie die Rechtsprechung des BGH55 die Körperschaftlichkeit der GmbH & Co. KG eingedenk der generellen Haftungsbe­ schränkung aller am Gesellschaftsverhältnis beteiligten natürlichen Personen unverrückbar festgestellt haben. Das Steuerrecht legt im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung großen Wert auf die parallele Bewertung von

50 Zum Problemkreis der Haftungsbeschränkung und der durch sie möglicherweise ver­ ursachten negativen externen Effekte M. Lehmann ZGR 1986, 345 mit Replik G.H. Roth ZGR 1986, 371 und Duplik M. Lehmann ZGR 1986, 382. 51 § 278 Abs. 1 AktG i.V.m. §§ 161, 128 ff. HGB. 52 RFHE 10, 65 = Bank-Archiv 22 (1922/23), 26. 53 BFH - GrSen. - BFHE 141, 405 = JZ 1985, 186 mit Anm. Walz. 54 BVerfGE 24, 174 (182). 55 BGH NJW 1973, 1604.

Vorgängen nach Zivil- und Steuerrecht56. Nur wenn handfeste Gründe exi­ stieren, soll das Steuerrecht von seiner prinzipiellen Zivilrechtsakzessorietät abweichen. Eben dies geschieht durch die derzeitige Behandlung der Publi­ kums-KG bzw. der GmbH & Co. KG als lediglich noch formalrechtliche Mitunternehmerschaften. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte belegt über­ deutlich, daß sich eine Hinwendung zur normativen Behandlung dieser Ver­ bände als Körperschaften längst vollzogen hat56 57. Daß die Kommanditgesellschaft in § 1 Abs. 1 KStG keine Erwähnung findet, wäre allein noch kein zwingendes Argument gegen ihre Unterwerfung unter die Körperschaftsteuer, weil der Katalog des § 1 keine Enumeration enthält. In ständiger Rechtsprechung werden die Vor­ Gesellschaften der in § 1 Abs. 1 KStG aufgelisteten rechtsfähigen Körper­ schaften als körperschaftsteuerpflichtige Subjekte behandelt58. Im übrigen stellt die Rechtsprechung der Finanzgerichte bei der steuerrechtlichen Be­ wältigung der Unterscheidung zwischen Gesellschaft und Körperschaft etwa bei der Frage, wie eine ausländische Gesellschaft im Inland zu qualifi­ zieren ist - darauf ab, ob sie ein Leben nach dem Vorbild der rechtsfähigen Verbände führt59. Daraus folgt: Bei konsequentem Durchhalten der zivilrechtlichen Be­ handlung von Personenvereinigungen bedarf es keiner weiteren Korrekturen, um zu einer typengerechten Besteuerung zu gelangen. Die aufgezeigten Verwerfungen im Steuerrecht rühren letztendlich daher, daß die sonst als Prämisse ausgegebene Formel von der Zivilrechtsakzessorietät durchbrochen wird. Außerdem ist sehr zweifelhaft, ob die Abgrenzung Gesellschaft-Kör­ perschaft durch das Mitunternehmerschaftskriterium im Steuerrecht eine be­ friedigende Entsprechung findet. Die Ein-Mann-GmbH als rechtliche Ausge­

56 Zum Gleichlauf der Bewertung von Vorgängen nach Zivil- und Steuerrecht Tipke/Lang, Steuerrecht, 15. Aufl. 1996, § 1 2.2.1 (S. 6 ff.); Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, 1983, S. 178 ff. 57 Eine systematische Zusammenstellung der Rechtsprechung findet sich bei Krieger, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 307 (312-321) sowie bei WÜST ZHR 152 (1988), 215. 58 Statt vieler Streck, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 1991, § 1 Anm. 8 ff. mit Nachweisen. 59 BFHE 93, 1 = BStBl. 1968 II 695 für ein liechtensteinisches Treuhandunternehmen.

burt des einzelkaufmännischen Unternehmens mit beschränkter Haftung60 gibt diesem Zweifel weitere Nahrung. Wie im modernen Gesellschafts- und Verbandsrecht wird auch im Abga­ benrecht heute eine Hinwendung zu einer rechtsformübergreifenden Unter­ nehmensbesteuerung diskutiert61. Sie führt zu einer typengerechteren Be­ steuerung von Unternehmen und Gesellschaften. Rechtlicher Anknüpfungs­ punkt für die Körperschaftsteuer wäre die für die als AG verfaßte Groß­ Unternehmung typische Trennung von ownership und control. Ist die Organi­ sationsstruktur dergestalt, daß die Anteilseigner ihre Gesellschaft weder lei­ ten, noch das Management in nennenswertem Umfang überwachen, sondern sich ganz auf die Position von Anlagegesellschaftern zurückziehen, so ist der Träger des wirtschaftlich-unternehmerischen Geschehens in der Tat nur die Gesellschaft. Bei dieser Fallgruppe konzentriert das dem Prinzip der wirt­ schaftlichen Leistungsfähigkeit verpflichtete Steuerrecht seinen Blick mit Recht auf die Gesellschaft. Die Leistungsfähigkeit entspringt bei der Kapital­ gesellschaft aus der Kapitalausstattung und aus ihrer Stellung im Wett­ bewerb. Aus dem Verbandsrecht ist hinlänglich bekannt, daß Körperschaften durchaus dem Typus der echten Mituntemehmergemeinschaft entsprechen können, so daß das körperschaftsteuerliche Konzept mit seiner Schärfe nicht mehr paßt. Die gesellschaftsrechtliche Organisation trifft die Weichenstel­ lung darüber, wer das Einkommen der Unternehmung erwirtschaftet. Diese Konzeptionsentscheidung liegt in den Händen der Gesellschafter, so daß sie mittelbar durch die Rechtsformwahl auch die steuerrechtliche Behandlung beeinflussen können. Von dieser Erkenntnis ist es nur noch ein kleiner Schritt, den Gesellschaftern ein begrenztes Recht zur direkten Entscheidung über die Unternehmensbesteuerung einzuräumen62. 60 Steuerrechtlich wird die Ein-Mann-GmbH durchgehend als Körperschaft behandelt, BFHE 69, 286 = BStBl. 1959 III 369. Zivilrechtlich vollzog das Reichsgericht bereits im Jahre 1888 die prinzipielle Anerkennung der juristischen Personen mit nur einem Mitglied in RGZ 23, 202 (203) für eine bergrechtliche Gewerkschaft, indem es den Gründungsakt, der zwei oder mehr Personen erfordert, von der Fortexistenz mit weniger als zwei Personen unterschied. Daß damit in der wirtschaftlichen Konsequenz der Grundstein für die Anerken­ nung eines einzelkaufmännischen Unternehmens mit beschränkter Haftung in der Form einer juristischen Person gelegt wurde, ist erst später in voller Schärfe erkannt worden. Zur methodenehrlicheren Befriedigung des Bedarfs nach einem einzelkaufmännischen Unterneh­ men mit beschränkter Haftung bereits Pisko GrünhutsZ 37 (1910), 699 ff. mit einem ein­ gehend begründeten Gesetzgebungsvorschlag. 61 Aus dem Schrifttum Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, 1980, S. 251 ff.; Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, 1983, S. 325 ff. 62 Dieser Gedanke war bereits früher in die körperschaftsteuerrechtliche Diskussion ein­ geführt worden von Enno Becker, Verhandlungen des 33. D.J.T. in Heidelberg 1924, S. 433 (461 ff.). Er wird aufgegriffen und fortentwickelt von Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, 1980, S. 373 ff.

Ein solches Besteuerungswahlrecht der Gesellschafter bedeutet keine uferlose Manipulation am geltenden Steuerrecht. Das bisher praktizierte Sy­ stem mit seiner formalen Anknüpfung an die Rechtsformen führt jenes Wahl­ recht durch die Hintertür über den Umweg einer entsprechenden Dehnung und Verformung der gesetzlichen Verbandstypen ein. Dafür muß das deut­ sche Recht den hohen Preis beträchtlicher Verzerrungen seines Verbandsund Gesellschaftsrechts zahlen, die im Steuerrecht ihren Ursprung haben. Ein direktes Wahlrecht erscheint demgegenüber methodenehrlicher. Die Rechtsvergleichung zu den USA belegt, daß dort insoweit die Bewahrung der systematischen Reinheit des Verbandsrechts geglückt ist: Man kann dort bei der close Corporation gegen die Besteuerung der Corporation optieren und stattdessen eine direkte mitunternehmerische Gewinn- und Verlustzuweisung an die Gesellschafter wählen63. Die Kommanditgesellschaft mit einer juris­ tischen Person in der Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters als hypertrophes Gebilde des deutschen Rechts spielt deshalb in den USA keine nennenswerte Rolle.

IV. Der Allgemeine Teil des Rechts der Personenzusammenschlüsse (Rechtsformübergreifendes Gesellschaftsrecht) Trotz einer typologischen Prägung vieler Normen des Verbandsrechts existieren jenseits von Typus und Rechtsform Kategorien, die einen übergreifenden Zugriff auf verbandsrechtliche Fragestellungen an denjenigen Stellen erlauben, wo es nicht gerade auf die in einer Rechtsform begründeten Besonderheiten ankommt. Dieser rechtsformübergreifende Ansatz ermöglicht es bei gleichgelagerten Interessen, etwa von Mitgliedern und Gläubigern, zu wertungsmäßig gleichen Lösungen zu gelangen und Unterschiede zwischen den Verbandsformen dort zu vernachlässigen, wo sie nicht erheblich ins Ge­ wicht fallen. Das Konzept eines Gesellschaftsrechts, das sein Regelwerk al­ lein an die Rechtsformen anknüpft, hat sich zunehmend von den Grundlagen abgelöst, auf denen dieses Konzept historisch gewachsen ist mit seiner über­ kommenen Einteilung in Kapital- und Personalgesellschaften, Körperschaften und Sozietäten oder Verbände mit ideeller gegenüber solchen mit erwerbs­ wirtschaftlicher Zwecksetzung. Eine eindrucksvolle Bestätigung findet dieser Befund im Prozeß der europäischen Gesellschaftsrechtsangleichung. Dessen Ergebnisse müssen, um überhaupt in die nationalen Rechtsordnungen trans­ formierbar zu sein, nach anderen Anknüpfungskriterien suchen, weil die Ge63 Im einzelnen 26 U.S.C. §§ 1371 ff.

seilschaftsrechte der übrigen Mitgliedstaaten andere Strukturen und Tradi­ tionen haben. Beispielhaft ist auf die Vereinheitlichung der Publizität und Rechnungslegung zu verweisen. Die Richtigkeit dieser Analyse hat sich zu­ vor bereits für die amerikanische Rechtsentwicklung erwiesen. Die Existenz eines Allgemeinen Teils der privatrechtlichen Personenver­ einigungen64 erschließt sich aus der inneren Systematik der verschiedenen Organisationsgesetze. In ihm heben sich die möglichen Gegensätze von Ty­ pus und Rechtsform gleichsam auf. Der Allgemeine Teil ist ein dem deut­ schen Recht typisches Kodifikationsprinzip65. Im Recht der Personalgesell­ schaften ordnen die §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB die subsidiäre Anwen­ dung der Vorschriften über die BGB-Gesellschaft an. Diese Verweisung ist in Richtung auf den Allgemeinen Teil aller Personenzusammenschlüsse zu verstehen. Für OHG und KG gilt über §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB hin­ aus etwa die Handlungszurechnung der Organwalter auf den Verband nach § 31 BGB66. Bei den Körperschaften fehlen solche Verweisungsnormen fast durchgängig mit Ausnahme der Kommanditgesellschaft auf Aktien in § 278 Abs. 2 und 3 AktG. Dennoch ist der Rückgriff auf den Allgemeinen Teil, in dem sich sowohl Aussagen aus dem Recht der Körperschaften wie aus dem Recht der Gesellschaften wiederfinden, nicht zweifelhaft67. Der Allgemeine Teil des Verbandsrechts ist das Forum, auf dem sich die Bildung von Insti­ tutionen und Rechtssätzen vollziehen kann, die von hier in alle Verbands­ formen hineinstrahlen. Das Bemühen um die Institutionenbildung ist bis jetzt in den Einzelberei­ chen des Verbandsrechts noch unterschiedlich entwickelt. Weit gediehen ist sie im Recht der Personengesellschaften68 und bei der GmbH, nicht zuletzt durch die Impulse aus dem Konzemrecht. Das Konzemrecht der GmbH ist ein beredtes Beispiel für die Institutionenbildung anhand allgemeiner gesell­

64 Vorüberlegungen hierzu finden sich bei Erlinghagen, Festschrift für Reinhardt, 1972, S. 211 (218 ff.); im gleichen Sinne für eine Begrenzung der Rechtsformsystematik Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 3 II (S. 51 ff.). 65 Zum Allgemeinen Teil als Kodifikationstechnik Zitelmann GrünhutsZ 33 (1906), 1 ff.; speziell für das Verbandsrecht Drobnig/Becker/Remien, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991, S. 16 ff. - Skeptisch gegenüber der Auffassung, daß die §§ 21 ff. BGB Grundbausteine eines Allgemeinen Teils des Körperschafts- und des Ver­ bandsrechts sind, Staudinger/Coing, Komm.z.BGB, 12. Aufl. 1979, Einl. 2 zu §§ 21-89 sowie Vorbem. 58 zu §§ 21-54. 66 Ständige Rechtsprechung seit RGZ 91, 72 (75 ff.). 67 Siehe Art. 2 Abs. 1 EGHGB, dazu sehr instruktiv KG OLG-Rspr. 4 (1902), 256. 68 Stimpel, in: Pehle/Stimpel (Hrsg.), Richterliche Rechtsfortbildung, 1969, S. 15 ff.; Seidl ZGR 1988, 296; Wank ZGR 1988, 314.

schaftsrechtlicher Prinzipien69. Aktiengesellschaft, Genossenschaft sowie der Idealverein als Urform der rechtsfähigen Körperschaft werden erst neuer­ dings in diesen Prozeß einbezogen70. Die Ausbildung rechtsformneutraler Institutionen auf der Basis verbindender rechtlicher Strukturen ist primär keine Aufgabe, die nur in richterlicher Rechtsfortbildung zu leisten wäre. Denn es handelt sich nicht um eine Erweiterung des positiven Normenbe­ standes, die die Frage aufwerfen würde, wer zu dieser Rechtssetzung beru­ fen ist. Bei der Konstituierung jenes Allgemeinen Teils geht es um die systematische Ordnung des vorhandenen Bestandes an Normen. Dazu müs­ sen den vorhandenen Rechtssätzen keine neuen rechtspolitischen Wertungen oder Inhalte untergeschoben werden. Mit einem Allgemeinen Teil lassen sich unzeitgemäße oder planwidrige Gesetzeslücken in den Organisationsgesetzen der Einzelrechtsformen schließen71. Ein Allgemeiner Teil des Verbands­ rechts führt zu einem Denken in Institutionen und blickt über die Grenzen der Rechtsformen hinaus. Das Fundament für eine institutionenorientierte Perspektive ist in Deutschland bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts ge­ legt worden und später erneut aus Anlaß der Reformen des Aktien-, Genos­ senschafts- und GmbH-Rechts72. Jede dieser Reformen wollte konkret auf­ 69 Zum Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze neben dem kodifizierten Konzem­ recht in Deutschland M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419 (441 ff.). 70 Im Vereinsrecht beispielsweise geht es um die Herausarbeitung von Regeln zum Schutze des Vereinsvermögens nach dem Vorbild der §§ 30 ff. GmbHG, 56 ff., 71 ff. AktG, zum Ganzen Soergel/Hadding, Komm.z.BGB, 12. Aufl. 1987, § 38 RdNr. 16, 18 ff. Denn in dem Maße, in dem sich das Vereinsrecht dafür öffnet, Leistungen an die Mit­ glieder zu Lasten des Vereinsvermögens zu gewähren oder im großen Stil am Rechtsverkehr teilnehmen, muß ein gebundenes Vermöger geschaffen werden, damit die konkurrierenden Ansprüche von Vereinsgläubigem und Mitgliedern geordnet werden. 71 Ein sehr anschauliches und überaus praktisches Beispiel hierfür lieferte die Beschrän­ kung des Fusionsprivilegs auf die Kapitalgesellschaften des Handelsrechts, die die (nichtrechtsfähigen) Idealvereine rechtswidrigerweise auf den umständlichen Weg einer Auflösung mit Neugründung verweisen wollte, dazu eingehend Drobnig/Becker/Remien, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991, S. 13 ff.; zustimmend Rieble JZ 1991, 658; dagegen aber MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 41 RdNr. 9 f. und öfter. Die Streitfrage ist mittlerweile durch die §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 99 ff. UmwG im rich­ tigen Sinne entschieden. 72 Die Einfügung der §§ 32a, 32b GmbHG beispielsweise löste eine intensive Diskus­ sion um die Behandlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen bei der Aktiengesell­ schaft aus. Es ist zwar richtig, daß sich die Rechtsfrage bei der GmbH im Hinblick auf deren bekannt hohe Konkursanfalligkeit in besonderem Maße stellt. Dennoch verbirgt sich hinter den kapitalersetzenden Gesellschafterkrediten eine rechtspolitische Problemstellung, die der Gesetzgeber - in Ermangelung eines kodifizierten Allgemeinen Teils, wo sie an sich anzusprechen wäre - schließlich dort geregelt hat, wo die Frage typischerweise Relevanz gewinnt. Mit Recht werden kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen aber auch bei der AG zu haftendem Eigenkapital umqualifiziert, allerdings macht die Rechtsprechung diese Rechtsfolge im Aktienrecht davon abhängig, daß der Kreditgeber über erheblichen Aktienbesitz verfügt und unternehmerischen Einfluß auf die Unternehmensführung ausübt, BGHZ 90, 381 (384 ff.) - "BuM/WestLB". Diese Einschränkung ist jedoch nicht

getretenen Mißständen begegnen, hat darüber aber - oftmals unbewußt den Allgemeinen Teil des Verbandsrechts fortgeschrieben73. Der Prozeß der Institutionenbildung betrifft gerade die Individual- und Klagerechte der Ge­ sellschafter, die sich für eine Querschnittsbetrachtung unter methodischen Gesichtspunkten hervorragend eignen. Zentrale Einrichtungen des Verbandsrechts, die man in seinem Besonde­ ren Teil kodifiziert hat, sind aus dem Allgemeinen Teil hervorgegangen: Das Auskunfts- und Einsichtsrecht der Mitglieder74, der Ausschluß von Mitglie­ dern aus Verbänden75, der Austritt aus der Gesellschaft mit Abfindungsan­ spruch gegen diese bei fehlendem Kapitalmarkt für eine Veräußerung der Mitgliedschaft über die Börse76, die Geltendmachung von Beschlußmängeln der Mitgliederversammlung77 oder schließlich die Gesellschafterklage bzw. die Einzelklagebefugnis von Mitgliedern gerichtet auf die Geltendmachung von Ansprüchen oder Rechten der Gesellschaft78. In der jüngeren Ver­ gangenheit ließ sich das Phänomen am Beispiel innerdeutscher Verbands­ zusammenschlüsse (Vereine, Parteien und Gewerkschaften) im Zuge der Wiedervereinigung beobachten. Obgleich die Organisationsgesetze dieser Verbände eine Verschmelzung mit Gesamtrechtsnachfolge nicht vorsahen,

gerechtfertigt. Warum für die Aktiengesellschaft anders verfahren werden soll als bei der GmbH bleibt unerfindlich. Richtiger hatte schon das Reichsgericht (RGZ 156, 23 sowie JW 1939, 355/56 m.w.N.) die Umwidmung von Fremdmitteln in haftendes Eigenkapital damit in Zusammenhang gebracht, daß ein Gesellschafter sich nicht in die Gläubigerposition fortstehlen darf und die Figur der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen als Mißbrauch der Form der Kapitalgesellschaft behandelt, ohne Rücksicht darauf, ob der Gesellschafter eine beherrschende Stellung innehat. 73 § 112 AktG 1937 hatte das Auskunftsrecht des Aktionärs erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und jedem Aktionär in der Hauptversammlung einen Anspruch auf Aus­ kunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft gegeben. Nach allgemeinem Vereinsrecht ist der Vorstand wie ein Beauftragter zur Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung ver­ pflichtet, § 27 Abs. 3 i.V.m. 666 BGB. § 112 AktG 1937 hat diesem vormals satzungsdis­ positiven Recht zu zwingendem Charakter verholfen. 74 Karsten Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 21 ff.; Grunewald ZIP 1989, 962. 75 Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, passim; M. Becker ZGR 1986, 383. 76 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 390 ff.; M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 71 ff. 77 Karsten Schmidt, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217 (221 ff.); Noack, Fehler­ hafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 1 ff. 78 Hierzu etwa Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, allerdings ohne die Einbeziehung der eingetragenen Genossenschaft, der Aktiengesellschaft oder des eingetragenen Vereins in das gemeinsame verbandsrechtliche Fundament.

haben zahlreiche Vereinigungen, ungeachtet eines konträren Fallrechts79, den Weg über die aktienrechtlichen Verschmelzungsregeln gesucht80. Daß diese Institutionenbildung gerade bei den Rechten der Gesellschafter soweit vorangeschritten ist, ist kein Zufall. Das trifft besonders auf diejeni­ gen Gesellschafterrechte zu, deren Mitverwaltungs- und Kontrollcharakter überwiegt. Diese Rechte weisen eine spiegelbildliche Entsprechung zur Stellung der geschäftsführungsbefugten Organe insoweit auf, als es der Sinn der Rechte ist, auf die Einhaltung der verbandsverfassungsmäßigen Grenzen der Ausübung der Leitungsmacht zu dringen. Das Vorverständnis der Gesell­ schafterrechte begreift diese durchgängig dualistisch, nämlich gerichtet auf die Wahrung der subjektiven vermögensrechtlichen Interessen in der Gesell­ schaft und davon nicht trennbar im Sinne einer aktiven Überwachung der Kompetenzausübung der Verwaltung und Betätigung des Mehrheitswillens in den durch Gesetz und Statut gezogenen Grenzen81. Dieses zweite Element 79 Gegen eine Verschmelzung von Vereinen nach aktienrechtlichem Vorbild noch RGZ 133, 102, 106 ff. (Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit); ferner OLG Hamburg OLGRspr. 22 (1911), 113; OLG Hamburg MDR 1972, 236; BAG AP Nr. 3 zu § 97 ArbGG 1953; wohl auch KG NJW 1969, 752. 80 Früher §§ 339 ff. AktG; eingehend Drobnig/Becker/Remien, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991; speziell für Gewerkschaften Rieble ArbuR 1990, 365. Gegen die liquidationslose Verschmelzung von Idealvereinen läßt sich nicht einwenden, daß es hierfür an der "wirtschaftlichen Richtigkeitsgewähr" fehle, so namentlich MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 41 RdNr. 9; DERS. DZWiR 1993, 404 sowie DZWiR 1994, 265. Dieses Kriterium ist ein Paradebeispiel für eine unzulässige und verfassungswidrige typolo­ gische Differenzierung im Verbandsrecht. In einem anderem Kontext hatte sich die Zivil­ rechtsprechung gegen eine "wirtschaftliche Richtigkeitsgewähr" ausgesprochen, die nur be­ wirkt, daß handelsrechtliche Institutionen dem allgemeinen Rechtsverkehr vorenthalten wer­ den, vgl. BGHZ 32, 307, (314 ff.). Die kapitalgesellschaftsrechtlichen Fusionsbestim­ mungen setzen nicht voraus, daß die beteiligten Gesellschaften tatsächlich ein Handelsge­ werbe betreiben, mit der Absicht einer Gewinnerzielung arbeiten oder - im Sinne der Sicherung ihrer Gläubiger - "reich" genug sind, sich eine Fusion leisten zu können. Ein Blick auf die Insolvenzstatistik widerlegt den Schluß, daß nur die am Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Rechtssubjekte hinreichend leistungsfähig sind, um die Gläubigerschutzkau­ telen, die selbstverständlich für die Verschmelzung von Vereinen entsprechend gelten, zu er­ füllen. Wäre diese Leistungsfähigkeit Tatbestandsvoraussetzung für die Fusionstauglichkeit, dürfte es keine Sanierungsfusionen geben. Selbst wenn die Gegenansicht zuträfe und die Gläubigersicherung im Vereinsrecht unvollkommen wäre, spräche dies nicht zwingend ge­ gen die Statthaftigkeit von Verschmelzungen, sondern allenfalls für eine Verstärkung des Gläubigerschutzes auf der Rechtsfolgenseit^. Denkbar wäre ein zwingendes Vetorecht der unbefriedigten Gläubiger beider Vereine, eine persönliche Ausfallhaftung der Mitglieder oder eine getrennte Verwaltung der zu verschmelzenden Vermögensmassen für eine Karenz­ zeit (vgl. § 306 HGB a.F.). Daß der Gesetzgeber die zuletzt genannte Sicherung 1937 abge­ schafft hat, darf man als deutlichen Hinweis darauf werten, daß der Gläubigerschutz nicht übertrieben werden muß. 81 Dieses duale Verständnis der Gesellschafterrechte in den privatrechtlichen Personen­ verbänden trägt jedoch weit über die Rechte mit Kontrollcharakter hinaus. Die Vermögens­ rechte der Gesellschafter - etwa das Gewinnbezugsrecht - stehen ebenfalls im Dienste die­ ses Konzepts. So ist das Gewinnbezugsrecht einer unkontrollierten Thesaurierungspolitik der Verwaltung zum Schutze der Minderheitsaktionäre entgegengesetzt. Es ist zudem Volkswirt­

der Mitgliederrechte war immer Gegenstand der Kritik. Seine Entwicklungs­ fähigkeit ist zumeist unterdrückt worden82. Bestandteil des Allgemeinen Teils des Verbandsrechts mit rechtsform­ übergreifendem Geltungsanspruch ist das Konzept der Mitgliederrechte als Instrument zur Kontrolle von Leitungsmacht. Dieser Ansatz ist besonders in den Publikumsgesellschaften in Zweifel gezogen worden, in den Personal­ gesellschaften existieren jedoch ähnliche Tendenzen83. Die Ausschließung von Mitgliedern greift in deren subjektive Rechte ein. Sie nimmt dem Ver­ band aber auch potentielle Aufsichtsträger. So gesehen stehen die Mitglieder­ rechte in einem Spannungsfeld der Konflikte zwischen Subjekt und Verband sowie zwischen Mehrheit und Minderheit. Auf diesen Konflikt, der für das Verständnis der Mitgliederrechte bestimmend ist, ist vor Eintritt in die Dar­ stellung der einzelnen Gesellschafterrechte nach deutschem Recht kurz ein­ zugehen.

schaftlich ein bedeutsames Gegengewicht zu einer übermäßigen Kapitalkonzentration, grundlegend und durchweg überzeugend Stützel, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 20/11 n.F., hrsg. von Arndt, 1960, S. 907 (913 ff.). 82 In der Tendenz kritisch gegenüber der Verwendbarkeit des Aktionärs als Wahrer der Rechtsordnung H.-J. Mertens AG 1990, 49. Die Frage nach einer Kontrolle der Kontrol­ leure beantwortet sich aus dem System der Mitgliederrechte heraus: Der Aktionär nimmt keine ausschließlich eigenen Rechte wahr, sondern handelt in quasi-organschaftlicher Funk­ tion. Deshalb unterliegt er andererseits den Bindungen, die sein Amt mit sich bringt. 83 Siehe BGHZ 105, 213. Dazu unten § 16 II 1 b.

§ 16 Das Verhältnis von Subjekt und Verband im deutschen Gesellschaftsrecht Der gegenwärtige Stand der Gesellschaftsrechtsdogmatik in Deutschland erlaubt bei aller Vorsicht die Feststellung, daß eine behutsame Ausweitung der Gesellschafterrechte über ihren positiven Normenbestand stattfindet1. Die Grundlage für diese Bestrebungen bildet die allgemeine Verbandsrechts­ lehre. Dies ist indessen keine Erscheinung, die singulär nur die Gesellschaf­ terrechte betrifft oder die sich mit rechtlichen Kategorien allein erklärt. Wie der nachfolgende historische Abriß noch zeigen wird, darf die angesprochene Frage, die die Basis für die Machtverteilung zwischen Aktionären und Ver­ waltung darstellt, nicht losgelöst vom Kapitalmarkt sowie von sonstigen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Faktoren gesehen werden. Über mehr als hundert Jahre deutscher Aktienrechtsgeschichte läßt sich beobachten, daß Zeiten mit großem Kapitalbedarf ein eher anlegerfreundliches Klima erzeugt haben2. 3Ansonsten war die Bereitschaft, den Aktionär als Partner der Ver­ waltung zu akzeptieren, spürbar geringer. Mag sich die Nomenklatur im Laufe der Jahre auch gewandelt haben, die dahinterstehenden Interessenkon­ flikte sind in ihren Grundstrukturen stets dieselben geblieben. Ein System, das den Gesellschafterrechten wichtige Funktionen zuweist, muß andererseits darauf Bedacht nehmen, daß die Basis dieser Rechte, näm­ lich die Mitgliedschaft in den Verbänden, eine Bestandssicherung erhält. Dies gilt vor allem in bezug auf solche Gruppen, gegen die sich die Rechte im Konfliktfalle richten können, nämlich gegen die Verwaltung oder gegen die Majorität. Eine Möglichkeit zur Ausschaltung der Gesellschafterrechte ist deren direkte Zurückdrängung3 oder die Entziehung der Mitgliedschaft durch einen zielgerichteten Entziehungsakt. Daneben ist vor allem aus den USA 1 Siehe nur BGHZ 83, 122 - "Holzmüller". Die Entscheidung gewährt jedem Aktio­ när ein direktes Klagerecht gegen die Gesellschaft in Form der Feststellungsklage auf Nich­ tigkeitserklärung oder auf Unterlassung einer gesetzes- oder statutenwidrigen Maßnahme. Das Urteil gibt selbst zu verstehen, daß sein Grundgedanke noch ausbaufähig ist, vgl. unten § 19. 2 Dies schlägt sich heute in einer gewandelten Einstellung zum Anleger nieder, dessen Kapital für das Wachstum der Unternehmungen aus eigenen Mitteln gebraucht wird. Aktio­ närs- bzw. Kapitalanlegermessen halten hierzulande Einzug, und es wird sogar dafür plä­ diert, den Aktionär als "Partner" der Verwaltung zu akzeptieren, so Graf Lambsdorff, Das Wertpapier 1990, 1131. Das Modewort der "Investor relations" kursiert auch in Deutschland (vgl. Das Wertpapier 1990, 1042 ff.). Diese an sich begrüßenswerten Bestre­ bungen werden nur von Dauer sein, wenn es gelingt, sie auch normativ umzusetzen. Ande­ renfalls vergehen sie wieder in dem Maße, in dem der Anleger selbst an Bedeutung verliert. 3 Dies äußert sich beispielhaft in der anhaltenden Diskussion über den rechtsmiß­ bräuchlichen Einsatz der Gesellschafterrechte, siehe die Dokumentation bei Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärs verhalten, 1990. Näheres unten § 21.

eine Vielfalt indirekter Verdrängungsstrategien (sog. squeeze-outs4) bekannt. Eine noch subtilere Form der Verkürzung von Gesellschafterrechten liegt in der Anerkennung von nicht justitiablen Handlungsfreiräumen zugunsten der Verwaltung.

L Das Problem 1. Der Weg der Zurücksetzung von Gesellschafterrechten durch die An­ erkennung kontrollfreier Handlungsräume ist in den USA besonders stark ausgeprägt5. Das amerikanische Korporationenrecht gewährt der Verwaltung eine sehr starke Stellung. Zudem hat die Rechtsprechung, die ursprünglich mit der Shareholders’ derivative suit ein Gegengewicht gegen die Verwal­ tungsmacht gesetzt hatte, die Position des board of directors im Grundlagen­ bereich praeter legem verstärkt und so die Machtbalance in der Corporation verschoben6. 7Der Schlüssel zum Verständnis dieser Zusammenhänge liegt in der business judgment rule7. Sie schirmt das Handeln der Verwaltungs­ organe gegen eine gerichtliche Überprüfung ab. Einschneidend sind die Folgewirkungen einer extensiv interpretierten business judgment rule für die derivative suit, was durch die stark rückläufigen Erfolgsquoten dieser Klagen dokumentiert ist8. Selbst wenn die Mitglieder der Geschäftsleitung in die der Klage zugrundeliegenden Vorgänge verstrickt sind, kann das Prozeßfüh­ rungsrecht des Gesellschafters durch Einschaltung eines litigation committee zu Fall gebracht werden, und dessen Entscheidung ist nach der Mehrheits­ meinung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar9.

2. In Deutschland hatte erst das Aktiengesetz von 1937 der Hauptver­ sammlung ihre Stellung als oberstes Organ der Aktiengesellschaft mit Wei­ sungsbefugnissen gegenüber dem Vorstand definitiv genommen10. Das frü4 Eine wahre Fundgrube an Anschauungsmaterial und gebräuchlichen Verdrängungs­ strategien liefert das Werk von O'Neal/Thompson, Oppression of Minority Shareholders, Loseblatt 1985 ff. 5 Eingehend bereits oben §11. 6 Vgl. nur die denkwürdige Entscheidung Jewel Companies v. Pay Less Drug Stores Northwest, 741 F.2d 1555 (9th Cir. 1984) und dazu Buxbaum, The Internal Division of Powers in Corporate Governance, 73 Calif.L.Rev. 1671, 1698-1709 (1985). 7 Zur Entwicklung der business judgment rule in den USA ausführlich oben §11. 8 Siehe Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, RdNr. 919 ff. mit um­ fassenden Nachweisen. 9 Hierzu bereits oben § 7 II 6. 10 Einen guten Überblick über die Aktienrechtsreformen geben Schubert/ Hommel­ hoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1984) sowie dies., Die Aktienrechtsre­ form am Ende der Weimarer Republik (1987).

here Modell der corporate governance, das sein Vorbild im Idealvereinsrecht findet11 und von dort etwa auf die GmbH ausstrahlt12, wurde für die zumeist als Aktiengesellschaft verfaßten Großunternehmungen mit ihrem Bedarf nach einem zentralisierten Management als ungeeignet empfunden. An der "Entthronung” der Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan, die nicht vor­ schnell gleichgesetzt werden darf mit einer Entrechtung der Aktionäre13, hat das Aktiengesetz von 1965 festgehalten. Es ist jedoch unübersehbar, daß das Pendel in jüngerer Zeit wieder langsam in die andere Richtung schwingt. Die Rechtsprechung unternimmt es, gerade für diejenigen Gesellschafts­ formen, in denen der Einfluß der Anteilseigner in ihrer Gesamtheit stark eingeschränkt ist, Klagerechte des einzelnen anzuerkennen, deren Vorausset­ zungen und Tragweite freilich noch der Präzisierung bedürfen14. Einstweilen sind diese Rechte erst zum Schutze der mitgliedschaftlichen Stellung des Ge­ sellschafters dienstbar gemacht, während ihr Potential für die Gesellschaft selbst noch nicht getestet ist.

II. Entwicklungsgeschichte Der Prozeß der Zurückdrängung der Gesellschafterrechte fand im deut­ schen Aktiengesetz von 1937 seinen vorläufigen Abschluß. Seine Ursachen reichen jedoch weiter zurück. Einerseits erfuhren die mitgliedschaftlichen Rechte eine neue Definition. Zum anderen sind die Verwaltungskompetenzen auf Kosten der Aktionärszuständigkeiten ausgeweitet worden. 1. Stellenwert der Mitgliedschaft Die Neuorientierung der Stellung der Aktionäre durch Rechtsprechung und Schrifttum begann mit der sehr einseitigen Betrachtung der Mit­ 11 Vgl. die Verweisung in § 27 Abs. 3 auf § 665 BGB. Freilich darf die Satzung, wie aus § 40 BGB folgt, dem Verein eine andere Organisationsstruktur geben, insbesondere dem Vorstand die starke Stellung des Vorstands einer Aktiengesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG einräumen. Zu den Grenzen der Satzungsgestaltung aus einem ungeschriebenen Wesensver­ träglichkeitsvorbehalt, der aus der Verbands Verfassung zu gewinnen ist, näher M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419 (422 ff. speziell FN 20). 12 Siehe § 37 Abs. 1 GmbHG. 12 Im Gegenteil hat das Aktiengesetz von 1965 die Rechtsstellung des Einzelaktionärs fühlbar verbessert durch Normierung neuer Schutzrechte (etwa §§ 304, 305 AktG) sowie durch die Herabsetzung vieler Mindestanteilsbesitzschwellen gegenüber dem alten Aktienge­ setz. 14 Für die AG: BGHZ 83, 122 - "Holzmüller"; für die GmbH: BGHZ 65, 15 "ITT”; für die KG: RGZ 158, 302. Für die eingetragene Genossenschaft und den Idealver­ ein fehlt es bisher an einer expliziten Stellungnahme.

gliedschaft als Eigentumsposition. Das Reichsoberhandelsgericht hatte ent­ schieden, daß der Aktionär prinzipiell davon ausgeschlossen ist, Rechte der Gesellschaft - etwa Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltung wegen pflichtwidriger Geschäftsführung — zu erheben, da er nicht Herr des Gesell­ schaftsvermögens sei und deswegen keine Handlungsmacht für die Gesell­ schaft besitze15. Die Rechtsliteratur hat dazu als weitere Begründungshilfe beigetragen, daß der Anteil des Aktionärs an der AG als "reiner” Ver­ mögensgenossenschaft bloß eigentumsrechtlicher Natur ist16. 17 In dieser Cha­ rakterisierung steckt eine entscheidende Verkürzung des mitgliedschaftlich­ partizipatorischen Substrats des Beteiligungsrechts. Nicht einmal eine resi­ duale Handlungsbefugnis verbleibt dem Mitglied danach. Immerhin werden aber für andere Vermögensgenossenschaften, nämlich die eingetragene Ge­ nossenschaft und die ausgangs des 19. Jahrhunderts neu geschaffene GmbH, Abschichtungen in Betracht gezogen, die sich aus den strukturellen Beson­ derheiten dieser Verbandsform ergeben. Die Aktiengesellschaft erlebt eine bis heute fortwirkende Fixierung der Mitverwaltungsrechte in Art. 224 Abs. 1 ADHGB in der Fassung vom 11.6. 187017, wonach die Rechte, welche den Aktionären in den Angelegenheiten der Gesellschaft zustehen, von der Ge­ samtheit der Aktionäre in der Generalversammlung auszuüben sind. Noch eindeutiger bestimmte § 103 Abs. 2 AktG 193718, daß die Hauptversamm­ lung über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden kann, wenn der Vor­ stand es verlangt. Der dem einzelnen Aktionär um seiner selbst willen zuste­ hende Anteil an der Aktiengesellschaft als Vermögensgemeinschaft wurde als der zentrale Bestandteil des gesamten Mitgliedschaftsverhältnisses ange­ sehen19. Der im Interesse des Ganzen gewährte Anteil am Gemeinleben der 15 Nach der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts konnte der Aktionär grund­ sätzlich keine Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder der Verwaltung geltend ma­ chen, weil es als entscheidend angesehen wurde, daß er zu ihnen in keiner vertraglichen Be­ ziehung steht. Das Gericht hielt fest, daß das einzelne Aufsichtsratsmitglied für Amts­ pflichtsverletzungen der Gesellschaft haftet, jedoch nicht den Aktionären gegenüber. Folg­ lich kann nur die AG Schadensersatzansprüche geltend machen und für sie ausnahmsweise der einzelne Aktionär, wenn Arglist gegen ihn begangen wurde, eine gesetzliche Ermächti­ gung zur Geltendmachung besteht oder das Klagerecht auf den Aktionär übertragen wurde, vgl. ROHGE 19, 178 (180 ff.) bestätigt durch ROHGE 22, 239. Bis heute bleibt an diesen Entscheidungen beachtenswert, daß die Möglichkeit einer Prozeßstandschaft des Aktionärs für die Gesellschaft konkret erwogen wird. 16 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Band I 1868, S. 1008 ff.; DERS., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 240 ff. aus dem neueren Schrifttum etwa Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, 1966, passim. 17 Entspricht § 250 HGB a.F. bzw. § 102 Abs. 1 AktG 1937 bzw. § 118 Abs. 1 AktG 1965. Zu einem systemgerechten Verständnis der Bestimmung näher unten § 19 E. 18 Nunmehr § 119 Abs. 2 AktG 1965. 19 Dieses Vermögensrecht wurde im 19. Jahrhundert auf dem Boden der sogenannten Sonderrechtstheorien als dem Verbandswillen schlechthin entzogen betrachtet. Erst die Akti­ enrechtsreform von 1884 verwandelte viele Sonderrechte in Minderheitenrechte und berei­

Gesellschaft wurde dagegen nur als ein unselbständiger Annex dieses Ver­ mögensrechts begriffen20. In ganz ähnlichen Wendungen kehren diese noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Betrachtungen in über hundert Jahren deutscher Aktienrechtsgeschichte stets wieder. Es geht hierbei letztendlich um Fragen der Machtverteilung in der Aktiengesellschaft. Zu diesem Zweck - nicht aus abstrakt dogmatischen Erwägungen - wird die Gesellschafter­ stellung aufgespalten und wichtige Befugnisse im Wege der Definition bei­ seite geschoben. Tatsächlich kann man jedoch nicht aus den Einzelbestand­ teilen, sondern nur aus dem Gesamtbild aussagekräftige Maßstäbe ent­ wickeln. Die vorbeschriebene Diskussion ist besonders intensiv für die Aktien­ gesellschaft geführt worden. Das angesprochene Problem beschränkt sich in­ dessen nicht auf die AG. Bei den übrigen Personenzusammenschlüssen exi­ stiert die Spannungsbeziehung zwischen Subjekt und Verband ebenfalls, wenngleich sie dort andere Äußerungsformen hat. Die Einbeziehung aller Personenverbände kann deshalb viel zum Verständnis der Gesamtproble­ matik beitragen. a) Bei der GmbH äußert sich eine gebräuchliche Form des Zugriffs auf die Mitgliedschaft darin, daß die Rechtsprechung dem Gesellschaftsvertrag einen sehr weiten Gestaltungsspielraum für die Einziehung des Geschäftsan­ teils beim Tode eines Gesellschafters einräumt21. Diese Einziehung darf so­ gar unentgeltlich erfolgen, um das Unternehmen vor existenzvernichtenden Kapitalabflüssen zu bewahren22. Zudem soll die personalistische GmbH ge­ gen das unkontrollierte Eindringen neuer Gesellschafter im Erbgange ab­ schließbar sein. Es geht demnach um zwei sorgsam zu scheidende Rechtsfra­ gen: einmal die Kontrolle des Gesellschafterkreises und zum anderen die Er­ haltung der Wertkonstanz der Mitgliedschaft zugunsten der Rechtsnachfolger und Gläubiger des Ausscheidenden. Untemehmensrechtliche Erwägungen sollen eine Rechtfertigung der Begünstigung der fortführenden Gesellschafter abgeben. Ein wirklicher Interessenausgleich fehlt ohne die Einbeziehung der Belange von Gläubigem und Rechtsnachfolgern. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit solcher Gestaltungen mit Blick auf die Garantie von Ei­ gentum und Erbrecht (Art. 14 GG) ist noch nicht untersucht. Letztlich steht tete so den Weg für die tatsächliche Geltung des Mehrheitsprinzips, das für eine effektive Leitung der AG und ihre flexible Angleichung an ein verändertes wirtschaftliches Umfeld unerläßlich ist. 20 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 240. 21 BGH LM Nr. 7 zu § 34 GmbHG = MDR 1977, 473 gestattet eine entschädigungs­ lose Einziehung zum Zwecke der Verhinderung eines Eindringens familienfremder Erben. Zum Ganzen Keppler ZGR 1978, 542 sowie Habersack ZIP 1990, 625. 22 Hachenburg/Ulmer, Komm.z.GmbHG, 7. Auflage 1977, Anh. § 34 RdNr. 40.

die grundrechtliche Zulässigkeit privatrechtlicher Enteignungen auf dem Prüfstand, die am Maßstab der Eigentumsgarantie zu messen sind. Eigen­ tumspositionen dürfen insbesondere nicht entschädigungslos entzogen wer­ den. Einen privatrechtlichen Hinweis auf die Zulässigkeit und die Grenzen der (entschädigungslosen) Einziehung von Geschäftsanteilen beim Tod oder Konkurs23 eines Gesellschafters gibt § 15 Abs. 1 und 5 GmbHG. Durch § 15 Abs. 1 GmbHG sind Geschäftsanteile veräußerlich (Fall 1) und vererb­ lich (Fall 2) gestellt. § 15 Abs. 5 modifiziert lediglich die Übertragbarkeit des Anteils, also die erste Alternative von § 15 Abs. 1 GmbHG. Für Ein­ schränkungen der Vererblichkeit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Will man den Entzug der Mitgliedschaft auf § 34 Abs. 1 GmbHG stützen, so sind die Grenzen der Satzungsautonomie genau zu beachten. § 15 Abs. 5 ge­ stattet dem Gesellschaftsvertrag die Disposition darüber, wer Gesellschafter werden kann. Die Anordnung einer entschädigungslosen Einziehung maßt sich zudem an, zu bestimmen, was mit dem in der Mitgliedschaft gebun­ denen Vermögen geschehen soll. Insoweit kann die Satzungsautonomie nicht weiter reichen als die Bestimmungsmacht des Erblasser-Gesellschafters nach Erbrecht (§§2303 ff. BGB) und Vollstreckungsrecht (§§30 ff. KO, 3 AnfG)24. b) Bei den Personengesellschaften verhält sich die Rechtsprechung über­ aus großzügig gegenüber der Hinauskündigung von Gesellschaftern. Die ar­ gumentative Handhabe liefert die aus anderem Zusammenhang25 bekannte Klassifizierung der Gesellschafter in unternehmerisch aktive Gesellschafter im Gegensatz zu den passiven Anlagegesellschaftem26. Solche Klassifizie­ rungen sind nicht geeignet, die kardinalen Wertentscheidungen des Gesell­ schaftsrechts umzustoßen. Die Ausschließung von Gesellschaftern regeln die §§ 140, 142 HGB dahingehend, daß die Mitgliedschaft nur aus wichtigem Grund entziehbar ist. Der Ausschließungsgrund bleibt durch das Erfordernis eines Gestaltungsurteils justitiabel. Taugliche Ausschlußgründe sind aus dem Unternehmens- und Gesellschaftsinteresse herzuleiten. Ferner darf der Ent­ zug nur gegen eine Abfindung erfolgen, und er muß in einem justizförm­ lichen Verfahren ausgesprochen werden. Diese Voraussetzungen zählen zum ordre public des Personalgesellschaftsrechts und bilden eine immanente 23 Hinsichtlich der Einziehung des Geschäftsanteils beim Konkurs des GmbH-Gesellschafters vollzieht die Rechtsprechung inzwischen einen Schwenk zugunsten der Interessen der Gesellschaft und zuungunsten der Gesellschaftsgläubiger, vgl. BGHZ 65, 22 gegenüber der strengeren Vorgängerrechtsprechung in BGHZ 32, 151 sowie in RGZ 142, 373. 24 Weiterführend zu diesem Gesichtspunkt Keppler ZGR 1978, 542 (558 ff.) und aus neuerer Zeit BGHZ 112, 103. 25 Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben siehe sogleich unten III. 26 BGHZ 105, 213.

Schranke der Vertragsfreiheit. Diese Maßstäbe gelten für alle Eingriffe in die Mitgliedschaft ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung. Konsequent ver­ wirft die Rechtsprechung Vertragsklauseln, die auf ein Ausschließungsrecht ohne wichtigen Grund hinauslaufen27. Gebilligt wird andererseits ein an ein “festes Tatbestandsmerkmal" anknüpfendes Kündigungsrecht28. Die Gleich­ heit beider Gestaltungsmittel in ihrem Ergebnis, nämlich unfreiwilliger Ver­ lust der Mitgliedschaft, wird darüber nicht hinreichend gewürdigt. Die Ein­ führung einer neuen Terminologie ersetzt nicht die rechtliche Legitimation. Die sachliche Gleichheit des Eingriffs in die Mitgliedschaft gebietet es viel­ mehr, Ausschließungsgrund, Kündigungsgrund und "festes Tatbestands­ merkmal" im Lichte von § 140 HGB zu beurteilen. Nicht ausreichend ist es, wenn der Ausschluß nur im persönlichen Interesse der verbleibenden Gesell­ schafter liegt, um eine profitable Gesellschaft ohne lästig gewordene Min­ derheitsgesellschafter fortzusetzen29. In BGHZ 105, 213 ist der Tod eines Gesellschafters, der dazu berechtigen soll, andere Gesellschafter aus der Ge­ sellschaft hinauszukündigen, kein im Unternehmensinteresse liegender Grund für den Entzug der Mitgliedschaft nach § 140 HGB. Der Tod eines Gesell­ schafters ist nicht einmal ein "festes Tatbestandsmerkmal", mit dem sich in jedem Fall verhindern ließe, daß der Ausschließungsberechtigte von seiner Befugnis in willkürlicher Weise Gebrauch macht30. 27 BGHZ 68, 212 (215); 81, 263 (266); KESSELMEIER, Ausschließungs- und Nachfolge­ regelung in der GmbH-Satzung, 1989, S. 82 ff.; MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 737 RdNr. 15 ff. 28 BGHZ 105, 213 für die Personalgesellschaft; BGHZ 112, 103 für die GmbH. 29 Mit Recht problembewußter verfährt die Rechtsprechung inzwischen bei der Abfin­ dung des ausscheidenden Gesellschafters als Folge des Entzugs der Mitgliedschaft. Sie wird einer strengen Inhaltskontrolle am Maßstab des § 138 BGB unterzogen, vgl. BGH NJW 1989, 2685 = DB 1989, 1400. Wenn der Gesellschafter schon aus Gründen des Untemehmensinteresses weichen muß, soll ihm wenigstens seine Vermögensberechtigung am Gesell­ schaftsverhältnis in Gestalt einer Abfindung in möglichst ungeschmälerter Höhe erhalten bleiben zum Zwecke der Reinvestition. 30 In BGHZ 105, 213 (betreffend eine Kommanditgesellschaft) erhält der in der Gesell­ schaft unternehmerisch aktive Gesellschafter das Recht, seine als Anlage-Kommanditistinnen beteiligten Schwestern beim Tode des Vaters, der der Firmengründer war, aus der Gesell­ schaft hinauszukündigen, was vom Gericht im Ergebnis gebilligt wird, da der Tod des Vaters ein "festes Tatbestandsmerkmal" war, so daß die Hinauskündigung der Schwestern nicht willkürlich ist. Zwar haben die Anlage-Kommanditistinnen diese Änderung des ur­ sprünglichen Gesellschaftsvertrages mit ausgehandelt; dennoch stellt sich die Frage nach der Rationalität dieser Vertragsgestaltung, die ganz einseitig zu Lasten der Schwestern geht. Der kündigungsberechtigte Bruder, der ebenfalls nur Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war, war mit keinem größeren persönlichen Risiko als seine Schwe­ stern beteiligt. Der BGH (S. 216) beanstandet lediglich die Kündigungsfrist, die er auf eine "angemessene" Länge verkürzt. An der Entscheidung stört vor allem die Imparität der rechtlichen Befugnisse, die eine gra­ vierende Ungleichverteilung der wirtschaftlichen Risiken in der Gesellschaft bewirkt. Ein Beteiligter hat ein Kündigungsrecht, die davon Bedrohten jedoch kein Austrittsrecht. Gehen die Geschäfte schlecht, so kann der Bruder billig mit dem Geld bzw. den Erbteilen seiner

c) Eine Sanktionierung des Entscheidungsvorrechts der sog. Unterneh­ mer-Gesellschafter und der Verwaltung gegenüber den übrigen Aktionären ist im deutschen Recht nicht nur ein Ergebnis der Gesetzesauslegung. Mit der Entscheidung werden weitreichende Weichenstellungen mit volkswirt­ schaftlicher Tragweite getroffen. Die Rechtsprechung vermittelt nicht immer die erforderliche Einsicht in diese Zusammenhänge31. In die Auslegung der Bestimmungen über die Umwandlung auf den Mehrheitsaktionär müssen diese Erwägungen aber einfließen. Am deutlichsten wird das für die auf dem Kapitalmarkt präsente Großunternehmung. Die bereitwillige Billigung einer Verdrängung der Minderheit durch die Mehrheit bewirkt eine starke Ver­ mögenskonzentration zu Lasten der Kleinaktionäre und in ihrem weiteren Gefolge eine wettbewerbspolitisch unerwünschte Untemehmenskonzentration32. Einen Beitrag, mit dem das Gesellschaftsrecht der Untemehmenskonzentration entgegentreten kann, besteht in dem entschiedeneren Schutz der Rechte des einzelnen vor allem gegen den Entzug der Mitgliedschaft oder gegen eine schrankenlose Gewinnthesaurierung. Soweit die volkswirtschaft­ lichen Auswirkungen der Vermögenskonzentration angesprochen sind, wäre es verfehlt, von einem alleinigen Bestimmungsrecht des Unternehmer- oder Konzemgesellschafters auszugehen. Vielmehr belegen die wettbewerbsrecht­ liche Marktmachtaufsicht sowie die Fusionskontrolle nach den §§23 ff. GWB, daß diese Gesellschafter in ihren Entscheidungen nicht frei von Bin­ dungen sind. Obendrein füllt das Anlegerschutz- und Kapitalmarktrecht ver­ mehrt diejenigen Lücken, die das Gesellschaftsrecht hat entstehen lassen33.

Schwestern wirtschaften, weil nur ihm das besondere Gestaltungsrecht auf Beendigung der Mitgliedschaft zusteht. Gehen die Geschäfte andererseits gut, so darf er sich der Schwestern kurzerhand entledigen. In die Irre führt schließlich die Fixierung des Gerichts auf den Tod eines Gesellschafters als "festes Tatbestandsmerkmal’’. Entscheidungsmaßstab ist allein § 140 HGB, der den Entzug der Mitgliedschaft nur aus im Gesellschaftsinteresse liegenden wichtigen Gründen zuläßt. In BGHZ 105, 213 wäre daher zu prüfen gewesen, was sich ge­ sellschaftsrechtlich durch den Tod des Vaters geändert hat. Dazu muß ein Begründungs­ zusammenhang hergestellt werden zwischen diesem Umstand und der Notwendigkeit des zwangsweisen Ausscheidens der Schwestern. 31 BVerfGE 14, 263 - "Feldmühle”. 32 Noch immer sehr anschaulich hierzu Stützel, in: Die Konzentration in der Wirt­ schäft, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 20 II (n.F.), hrsg. von Arndt, 1960, S. 907 (973 ff., 977 ff. m.w.N.). Den Minderheiten- und Kontrollrechten wurde mithin eine konzentrationshemmende Wirkung zugesprochen und dies noch vor dem Inkrafttreten der Fusionskontrollvorschriften der §§23 ff. GWB von 1974. Das läßt auch heute noch der Überlegung Raum, ob nicht angesichts der engen Verzahnung der Fusionskontrolltat­ bestände mit dem Konzemrecht die §§23 ff. GWB für den Konzemeingangsschutz instmmentalisierbar sind, etwa in Form privater Klagerechte oder der Anerkennung eines An­ spruchs auf Einschreiten der Kartellbehörde. 33 Zum inneren Zusammenhang zwischen Kapitalmarktordnung, Anlegerschutz und Ge­ sellschaftsrecht, vgl. Kübler, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 1994, § 31 (S. 368 ff.).

2. Kompetenzverschiebungen zugunsten der Verwaltung Das Vakuum, welches die Zurücknahme der Gesellschafterbefugnisse hinterlassen hat, ist durch eine proportionale Zunahme der Verwaltungskom­ petenzen ausgefüllt worden. Das Gesellschaftsorgan Hauptversammlung hat an Einfluß verloren, mit ihm jedoch nicht alle Gesellschafter gleichermaßen. In erster Linie betroffen waren die Klein- und Anlageaktionäre, während der faktische Einfluß der Großaktionäre unangetastet blieb. Für die Aufwertung der Stellung der Verwaltung, die durch § 70 AktG 193734 endgültig festge­ schrieben wurde, ist der Boden bereits während des Ersten Weltkrieges be­ reitet worden. Unter dem Eindruck der Verhältnisse der totalen Kriegswirt­ schaft hatte ein Perspektivenwechsel stattgefunden35. Die gesellschaftsrecht­ lichen Beurteilungsmaßstäbe und die Pflichtbindung der Verwaltung gegen­ über der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern traten zugunsten ei­ ner unternehmensrechtlichen Betrachtungsweise in den Hintergrund. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg holte die gesellschaftsrechtliche Fundierung der Stellung der Verwaltungsorgane nach, wobei wiederum ein äußeres Ereignis den Anstoß gab. Das hochinflationäre Umfeld brachte eine neue Zauberfor­ mel hervor, die seither immer wieder in anderem Gewände aufgetaucht ist36: der Schutz der Gesellschaft vor äußerer Überfremdung. Sie wurde dadurch möglich, daß Investoren aus Ländern mit harter Währung zu günstigen Prei­ sen mehrheitsbildende Aktienpakete aufkaufen konnten. Das probate Mittel gegen das Schreckgespenst der Überfremdung bestand in der Kreation immer 34 Heute § 76 Abs. 1 AktG 1965. 35 Sehr anschaulich hierzu noch immer Rathenau, Vom Aktienwesen, 1917, S. 8 ff., der diesen Prinzipienwandel in der Betrachtung der Aktiengesellschaft als "Substitution des Grundes" beschreibt. 36 Schutz vor Überfremdung und Abwehr eines feindlichen Übernahmeversuchs ("hostile takeover") sind heute wieder aktuelle Themen des Aktienrechts. Der Überfrem­ dungsschutz gilt nach verbreiteter Auffassung als Rechtfertigungsgrund für den Erwerb ei­ gener Aktien nach §§ 71 ff. AktG. Die früher gebräuchlichen Schutz-, Vorrats- oder Ver­ waltungsaktien sind heute nicht mehr zulässig. Mehrstimmrechtsaktien stehen unter einem staatlichen Genehmigungsvorbehalt, § 12 Abs. 2 AktG. Deswegen bedient sich die Unter­ nehmenspraxis des Instruments des Höchststimmrechts (§ 134 Abs. 1 Satz 2 AktG), mit dem das Stimmgewicht großer Paketinhaber beschränkt wird. Höchststimmrechtsklauseln haben sich jedoch für die Abwehr feindlicher Übernahmen als kontraproduktiv herausgestellt, weil sie eine Übernahme oder eine Überfremdung nicht ab­ stellen und obendrein die Kleinaktionäre schädigen. Nach Verankerung einer Höchststimm­ rechtsklausel in der Satzung nimmt die Börse in aller Regel einen beträchtlichen Kursab­ schlag vor, weil der Börsenkurs seiner Übernahmephantasie beraubt ist. Dies macht es für einen Übernehmer billiger, Aktien aufzukaufen. Hat eine Übernehmergruppe genügend Ak­ tien, so kann die Stimmrechtsbeschränkung leicht beseitigt werden (vgl. § 134 Abs. 1 Satz 6 AktG), wie einige aufsehenerregende Übernahmefälle bewiesen haben. Hieraus lassen sich mehrere Folgerungen ziehen: zum einen die Abschaffung der Stimmrechtsbeschränkung überhaupt oder ihre Anbindung an die strengen Maßstäbe des § 12 Abs. 2 AktG. Denn stets geht es um dasselbe korporationsverfassungsrechtliche Kardinalproblem, dem das Recht ein­ heitlich begegnen muß.

vielfältigerer Aktiengattungen. Diese Schutz-, Vorrats- oder Mehrstimm­ rechtsaktien fanden die fast einschränkungslose Billigung durch die Rechtsprechung37. Die Abschottung der übernahmebedrohten Gesellschaften wurde großzügig sanktioniert, ohne daß das Reichsgericht in vollem Umfang durchschaut hätte, daß die Abschließung den Verwaltungen als überaus will­ kommener Vorwand nützlich war, sich im eigenen Amte unabsetzbar einzu­ richten. Eine Abwägung zwischen gesellschaftsrechtlich gebotenem Schutz der Gesellschaft und erlaubtem Maß an Selbstbegünstigung unterbleibt. Be­ zugspunkte der gerichtlichen Überprüfung im aktienrechtlichen Anfech­ tungsverfahren waren die aus dem Idealvereinsrecht überkommenen Maß­ stäbe, allen voran das Verbot sittenwidriger Schädigung aus §§ 138, 826 BGB38. Der Rekurs auf die privatrechtlichen Generalklauseln reicht nicht aus, um die Besonderheiten der Rechtsstellung der Verwaltung in den Kapi­ talgesellschaften wirksam in den Griff zu bekommen39. Hintergrund der rechtlichen Stärkung der Verwaltung war das gewandelte politische und wirtschaftliche Umfeld. Die sogenannten Gründerjahre des ausgehenden 19. Jahrhunderts erlebten die Aktiengesellschaft noch als Vehi­ kel zur Organisation von Familien- und Kleinunternehmungen, wobei die unternehmerisch tätigen Initiatoren in den Genuß der beschränkten Haftung gelangen wollten40. Schon damals wurde das klassische Modell der Aktien­ gesellschaft mit weisungsunterworfenem Vorstand für Großunternehmungen als rechtlich antiquiert und ökonomisch ineffizient empfunden. Daraus er­ wuchs die Forderung nach einer Unternehmensführung, die relativ frei vom Einfluß der Anteilseigner agieren kann. Die Kontinuität im Management als Voraussetzung für das Funktionieren der Unternehmung wurde als im öffentlichen Interesse liegend ausgegeben. Diese Argumentation bildet den Unterbau der bekannten Lehre vom Unternehmen an sich41. Hinter ihr verbirgt sich die Ablösung des Unter­ 37 Eine sehr gründliche Zusammenstellung und Systematisierung der älteren Rechtspre­ chung des Reichsgerichts findet sich bei A. Hueck, in: Die Reichsgerichtspraxis im deut­ schen Rechtsleben, Band IV, 1929, S. 167 (171 ff.). 38 RGZ 108, 322 (327); 113, 188 (196); 119, 248 (258). 39 Näher zur Bedeutung der privatrechtlichen Generalklauseln und zur Notwendigkeit ihrer funktionalen Differenzierung im Gesellschafts- und Konzemrecht M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Ver­ gleich, 1991, S. 419 (424 ff.). 40 Die Gesellschaftsform der GmbH, in der sich die Flexibilität einer Personalgesell­ schaft mit den Vorteilen der Haftungsbeschränkung und der körperschaftlichen Organisa­ tionsverfassung vereinigt, stand erst ab 1892 zur Verfügung. 41 Hierzu aus dem älteren Schrifttum HAUBMANN, Vom Aktienwesen und vom Aktien­ recht, 1928, S. 27 ff.; Netter, Das Unternehmen an sich, 1934. Eine scharfe Abrechnung mit der Figur des Unternehmens an sich findet sich bei C.E. Fischer AcP 154 (1955), 85 (101 ff.). Neuerdings zum Ganzen Riechers, Das "Unternehmen an sich", 1996.

nehmens vom bestimmenden Einfluß der Anteilseigner. Obwohl sich die Lehre nie ganz durchsetzen konnte, hat sie deutlich wahrnehmbare Spuren hinterlassen. Zum einen bringt sie die Einflußnahmemöglichkeiten der Ge­ sellschafter als Kapitalgeber auf die Unternehmensführung in einen durch nichts belegbaren Gegensatz zur betriebswirtschaftlichen Effizienz der Unternehmensführung. Zum anderen hat die Ansicht vom Unternehmen an sich zu einer bis heute fortwirkenden Klassifizierung der Gesellschafter ge­ führt: Man unterteilt in Groß- bzw. Unternehmeraktionäre und Anlage- bzw. Kleinaktionäre und will aus dieser Statusbetrachtung wichtige Rechtsfolgen herleiten42. So wird dem Unternehmergesellschafter zugestanden, daß er mit der Gesellschaft und ihrem Unternehmen tiefere Bindungen eingegangen ist. Er ist am langfristigen Gedeihen der Unternehmung interessiert, während der Anlageaktionär dem Unternehmen nur eine möglichst hohe Dividende ent­ ziehen und seine Aktien bei passender Gelegenheit zu guten Kursen losschla­ gen will. Bei dieser Simplifizierung bleibt zumeist unerwähnt, daß sich der Unternehmergesellschafter vermöge seiner Stellung mit ganz anderen, nicht monetären und vielfach nicht transparenten Vorteilen auf Kosten des Unter­ nehmens und außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Gewinnverwendung versorgen kann. Es wird ferner übersehen, daß der Unternehmeraktionär ne­ ben seinem Mehrheitspaket als festem Standbein sich über die Börse beliebig mit weiteren Aktien als Spielbein eindecken kann, um diesen Teil seines Portfolios zu Spekulationszwecken gleich einem gewöhnlichen Anlageaktio­ när einzusetzen. Umgekehrt ist es nicht stets auszuschließen, daß ein sog. Kleinaktionär bei entsprechender Fügung der Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung in die Rolle eines Mehrheitsbeschaffers hineinwächst und von den Vorteilen eines Unternehmeraktionärs profitiert. Diese beliebigen Beispiele mögen ausreichen, um aufzuzeigen, wie nachhaltig die Vorsicht vor übereilten normativen Folgerungen zu sein hat. Mit Vorbedacht enthält sich deshalb das Gesetz einer Einteilung der Gesellschafter. Die weitere Verschiebung der Gewichte in der Aktiengesellschaft zum Vorteil des Managements spiegelt sich in der Diskussion über den Rechts­ mißbrauch bestimmter Gesellschafterrechte wider43. Die von der Rechtspre­ chung neuerdings eingeführte Schranke des individuellen Mißbrauchs bei der Ausübung des Anfechtungsrechts soll zur Klageabweisung führen, selbst wenn die Begründetheit der Klage im Hinblick auf den angefochtenen Be­ schluß evident ist. Dies sind - unausgesprochene - Folgewirkungen der Doktrin des Unternehmens an sich, wobei die Rechtmäßigkeit der Führung 42 Zur Einteilung der Gesellschafter in Unternehmer- und Anlagegesellschafter Haub (wie FN 41), S. 20 ff. 43 Dazu eingehend unten § 21.

MANN

der Gesellschaft der abstrakten wirtschaftlichen Effizienz der Unternehmens­ führung nachgeordnet wird. Das Wohl des Unternehmens als solches bietet keine rechtlichen Orientierungshilfen. Nicht alles, was der Verwaltung dient und ihren Aktionsradius nicht stört, muß auf lange Sicht betrachtet auch für das Unternehmen von Vorteil sein. Die Kontrolle der Verwaltung und das Dringen auf ihre Bindung an Gesetz und Satzung sind rechtspolitisch unver­ zichtbar, weil es in einem Rechtsstaat unzulässig ist, die Verwalter fremden Guts ohne Aufsicht gewähren zu lassen. Die weittragende Aktionszuständig­ keit der Verwaltung verlangt nach einer Überwachung von Seiten der letzt­ endlich vermögensberechtigten Gesellschafter. In der Rechtsprechung ist diese Erkenntnis geradezu pervertiert worden44: Unter dem Eindruck der Fi­ gur des Unternehmens an sich haben die Gerichte nicht die Verwaltung als Treuhänder für die Gesellschaft angesehen und deren Kompetenzen strenge­ ren Bindungen unterworfen, sondern die Rechte der Gesellschafter "als Glie­ der der Gemeinschaft”45, aus der sie die Lehre vom Unternehmen an sich gerade verbannen wollte, einengender ausgelegt46. Obwohl ursprünglich im Aktienrecht etabliert, ist die Figur vom Unter­ nehmen an sich keine Besonderheit der Aktiengesellschaft. Sie hat bei den anderen Gesellschaftsformen ebenfalls Wirkung gezeigt; denn sie setzt beim Unternehmen an, nicht bei seinem Träger. Bei der GmbH offenbart sich die Verabsolutierung des Unternehmens etwa im - vermeintlichen - Recht der Mehrheit der Gesellschafter, die Gesellschaft aufzulösen und das Unterneh­ men aus der Liquidationsmasse zu erwerben47, wobei die Rechtsprechung 44 BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler" sowie BGH ZIP 1989, 1388 - "DAT/Altana". Diese Rechtsprechung verletzt keine Grundrechte der Anfechtungskläger, vgL BVerfG ZIP 1990, 228. 45 RGZ 146, 385 (395 ff.) sowie 146, 71 (76 ff.). 46 Eine andere Äußerung der Lehre vom Unternehmen an sich liegt in der Erscheinung, wichtige Gesellschafterrechte an einen strikten Subsidiaritätsvorbehalt (ultima ratio) zu knüpfen. Praktisch verkümmern diese Rechte dann zu stumpfen Waffen, vgl. H.P. Westermann NJW 1977, 2185; M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 44 ff. Dies belegen die Beispiele derjenigen Rechtsbehelfe, die das Unternehmen von seinem rechtlichen Träger trennen und damit die Kontrolle der etablierten Verwaltung bzw. Eigen­ tümer beenden. Die zu den Auflösungsklagen der §§ 133 HGB, 61 GmbHG ergangene Rechtsprechung erlaubt den Gebrauch dieser Rechte nur im äußersten Falle. Die Erhaltung des Unternehmens wird gleichgesetzt mit der Bewahrung des gegenwärtigen Unternehmens­ trägers. Dies führt zu einer Zementierung der gegebenen Mehrheits- und HerrschaftsVerhält­ nisse in einer Gesellschaft. Übersehen wird dabei, daß gerade die Auflösung des Rechts­ trägers Gesellschaft nicht zwangsläufig zum Untergang des Unternehmens führt wie etwa die Auflösung durch Konkurseröffnung und die Fortführung durch den Konkursverwalter zei­ gen. Die Liquidierung des Untemehmensträgers Gesellschaft ist nicht gleichzusetzen mit der Liquidation des Unternehmens. Im Gegenteil mag gerade in der Auflösung des Untemeh­ mensträgers Gesellschaft eine Chance für den Fortbestand des Unternehmens liegen. 47 BGHZ 76, 352; strenger inzwischen BGHZ 103, 184 - "Linotype" dazu Lutter ZHR 153 (1989), 446.

hier den Auflösungsbeschluß keiner besonderen sachlich-inhaltlichen Ange­ messenheitskontrolle unterwirft. Auch bei den Personalgesellschaften ist die Lehre vom Unternehmen an sich präsent48. Die der Verwaltung bei den Ka­ pitalgesellschaften entsprechenden geschäftsführungs- bzw. vertretungsbe­ fugten Gesellschafter nehmen im Vergleich zu den übrigen Gesellschaftern einen Sonderstatus ein. Im Recht der Personengesellschaften erlaubt die Fi­ gur des “Gesellschafters minderen Rechts”49 nach verbreiteter Auffassung einen erleichterten Zugriff auf die Mitgliedschaft dieses Gesellschafters. Obendrein wird die Abfindung des Gesellschafters auf der Basis des Buch­ wertes seiner Beteiligung befürwortet50. In der Tat sind viele Aktionäre Kuponschneider, die am Schicksal ihrer Gesellschaft keinen besonderen An­ teil nehmen. Doch darf man die Bedeutung der Gesellschaftsrechte insgesamt nicht von der Warte dieses häufig gebrauchten Klischeebildes aus bestimmen. Insbesondere bleibt zu bedenken, daß die Verhältnisse durch die modernen Kapitalmärkte einen tiefgreifenden Wandel erfahren haben und mit den institutionellen Anlegern51 heute eine ganz neue und mächtige Aktionärsgattung in den Vordergrund tritt, die von den Aktionärsrechten in sachgemäßer Form Gebrauch zu machen weiß.

III. Verfassungsrechtliche Vorgaben Subjekt und Verband, Mehrheit und Minderheit, Konzerninteresse und Gesellschaftsinteresse52 oder Rechte der Gesellschafter und Kompetenzen der Verwaltung - dies sind nicht ausschließlich Topoi des zivilen Verbands­ rechts. Diese Fragen weisen ebenso einen verfassungsrechtlichen Bezug auf53. Unter Rückgriff auf das Verfassungsrecht ist sogar der Versuch unter­ nommen worden, Interpretationsvorgaben für das einfache Recht zu ent­ wickeln, die in der Verbandsordnung keine Entsprechung finden oder dieser bei Lichte besehen sogar widersprechen. Die Mitgliedschaft in den privat­ rechtlichen Personenvereinigungen genießt als subjektives Recht den Schutz 48 Dazu die oben in FN 30 bereits angesprochene Entscheidung BGHZ 105, 213 mit kritischer Besprechung durch Behr ZGR 1990, 370 ff. 49 Zu dieser Figur Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 137, 179 ff. 50 Nunmehr ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 68, 212 m.w.N.; dagegen auch Flume (wie FN49), S. 138. 51 Hierzu Buxbaum, Festschrift für Steindorff, 1990, S. 7 ff. 52 Besonders instruktiv zum Verhältnis Gesellschaftsinteresse - Konzeminteresse LG Braunschweig KartellRdsch. 29 (1931), 771 (776 ff.) bestätigt durch OLG Braunschweig KartellRdsch. 29 (1931), 779 für eine bergrechtliche Gewerkschaft. Zu diesen Entschei­ dungen HAUSMANN Bank-Archiv 31 (1931/32), 467 (468 ff.). 53 BVerfGE 4, 7 (26); 14, 263 (273) - "Feldmühle"; 50, 290 (354 ff.) - Mitbestim­ mungsurteil.

der Eigentumsgarantie. Dies erschöpft ihren Grundrechtsschutz indessen nicht. Neben und verstärkend zu Art. 14 GG tritt die Garantie der Vereini­ gungsfreiheit aus Art. 9 GG. Das Prinzip der Spezialität der grundgesetz­ lichen Freiheitsgarantien, wonach jedes Grundrecht einen Freiheitsbereich thematisch abdeckt, steht einem Schutze der Mitgliedschaft nach den Artt. 14 und 9 GG nicht entgegen, weil sie ein Bündel mehrerer Rechtsausschnitte ist. Dennoch verengt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den grundrechtlichen Schutz der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft einseitig auf die Gewährleistung des Eigentums, indem sie erklärt, daß der Eigentumsgarantie bei der AG gegenüber der Vereinigungs- oder der Berufsfreiheit der Vorrang gebühre, weil der einzelne Aktionär gar keine Mitverwaltungsrechte wahrnehme und keinen mitgliedschaftlichen Pflichten unterliege54. Für den Aktionär stünden vielmehr nur noch die vermögensrechtlichen Ausschnitte der Mitgliedschaft auf dem Spiel. Diesem einflußlosen Klein- bzw. Anlageaktionär wird der unternehmenstragende Groß- bzw. Unternehmeraktionär gegenübergestellt, dessen relativ größere Betätigungsrechte vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet werden55. Das Verfassungsgericht schließt sich der vorgefertigten Klassifizierung des Zivilrechts also an und spitzt sie ganz einseitig auf eine Grundrechtskollision zwischen Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die Kemaussage besteht darin, daß der Unternehmergesellschafter von Verfassungs wegen in seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit in Gesellschaft und Konzern im Vergleich mit anderen Gesellschaftergruppen eine privilegierte Stellung beanspruchen darf, da nur er den erforderlichen umfassenden Überblick über Planung und Leitung besitzt, der den anderen, nur an Kursgewinnen und Dividendenrendite interessierten Anlageaktionären abgeht56.

54 BVerfGE 4, 7 (26) und seither in ständiger Rechtsprechung. 55 BVerfGE 14, 263 - "Feldmühle". Der Gesetzgeber hat es in der Folgezeit nicht bei diesem Ergebnis belassen, sondern die Akzente aus verfassungsrechtlichen Gründen bewußt anders gesetzt. Einmal enthält das Aktiengesetz 1965 in seinen §§ 304, 305 ein Austrittsund Abfindungsrecht für die außenstehenden Aktionäre und kein Ausschließungsrecht für die Mehrheit. Zum anderen hatte schon das Umwandlungsgesetz 1969 das Zustimmungserfordemis für eine Mehrheitsumwandlung auf mehr als 9/10 spürbar heraufgesetzt; § 120 UmwG 1994 schließlich hat die Mehrheitsumwandlung gänzlich beseitigt. Sehr kritisch gegenüber der "Feldmühle "-Doktrin MESTMÄCKER, in: L. Raiser/Sauermann/E. Schneider (Hrsg.), Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 33 n.F.), 1964, S. 103 (106 ff.); ders. JuS 1963, 417. 56 BVerfGE 14, 263 (282/83) sanktionierte den Ausschluß der Minderheitsaktionäre zum Zwecke der Konzembildung. Das Entscheidungsergebnis wurde später auf die der Um­ wandlung vorgelagerten Eingliederung ausgedehnt, BGH AG 1974, 320 - "Wintershall". Zur Relevanz dieser "Feldmühle" - Doktrin für die Legitimierung der Konzembildung, siehe

Diese Rechtsprechung beruht auf einer unerlaubten Abbreviatur der Mit­ gliedschaft als Rechtsverhältnis. Auszugehen ist zunächst von der Erkennt­ nis, daß der Aktionär Eigentümer seiner Aktie mithin Inhaber eines subjek­ tiven Vermögenswerten Rechts im Sinne von Art. 14 GG ist. Die Aktie als solche vermittelt aber weitergehend den Schlüssel der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft, aus der spezifisch gesellschaftsrechtliche Befugnisse er­ wachsen, die keine Gleichsetzung mit den normalen Rechten eines Eigen­ tümers gestatten. Diese mitgliedschaftliche Komponente ist verfassungs­ rechtlich in Art. 9 Abs. 1 GG enthalten und darf bei der Erfassung der Mit­ gliedschaft im ganzen nicht ausgeblendet bleiben57. Die Mitgliedschaft in Kapitalgesellschaften vereinigt Vermögens- und Mitverwaltungsrechte, ohne Abstufungen zwischen diesen beiden Berechti­ gungsausschnitten vorzunehmen. Verfassungsrechtlich folgt daraus eine Ku­ mulation der Gewährleistungen der Artt. 14 und 9 Abs. 1 GG. Die Vereini­ gungsfreiheit ist nach ihrem modernen Selbstverständnis mehr als die Be­ wahrung der Vereins- und Satzungsautonomie gegen staatsdirigistische Ein­ griffe. Nachdem dieses Anliegen infolge einer gewandelten Einstellung des Staates gegenüber dem privaten Verbandswesen weitgehend seine Erledigung gefunden hat, ist die Schutzwirkung der Vereinigungsfreiheit für den einzel­ nen in der Verbandsinnensphäre auszubauen und das Schutzsystem zugunsten des Einzelmitglieds gegen eine unkontrollierte Entfaltung der Verbandsge­ walt auch unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel zu sehen. Verbands­ innenrechtlich umschließt die Vereinigungsfreiheit eine actio negatoria gegen einen ungerechtfertigten Entzug oder Schmälerungen der Mitgliedschaft. Namentlich nimmt Art. 9 GG das partizipatorische Element der Mitwir­ kungsbefugnis in den Angelegenheiten der Gemeinschaft nach Maßgabe von Gesetz und Satzung in sich auf. Die Kontrollrechte des einzelnen im Ver­ M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419 (437 ff.). 57 Die Ausblendung der mitgliedschaftlichen Komponente der Aktie bei der Ermittlung ihres verfassungsrechtlichen Schutzes steht in auffälligem Gegensatz zu ihrem zivilrecht­ lichen Berechtigungsprofil. Anders als der Inhaber eines Investmentzertifikats hat der Aktio­ när Vermögens- und Mitverwaltungsrechte. Gerade die Mitverwaltungsrechte bedürfen der Absicherung, weil an ihnen das von der Korporationsverfassung intendierte Aufsichtssystem über die Gesellschaft aufgehängt ist. Die den jeweiligen Befugnisausschnitten der Mit­ gliedschaft entsprechenden Grundrechtsgarantien sind zu kumulieren; sie sind nicht altemativexklusiv, so mit Recht Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Komm.z.GG, Stand: August 1979, Art. 9 RdNr. 93 und 111c. Nicht gefolgt werden kann allerdings der Auffassung, daß bei der Anwendbarkeit von Art. 9 GG im Einzelfall nach Gesellschaftstypen oder -formen zu differenzieren sei und daß Art. 14 GG bei der AG dominiere, während Art. 9 bei den Personalgesellschaften maßgeblich sei, so aber Scholz. Die Verläßlichkeit des Unterteilungskriteriums nach einer personalistischen oder nach einer kapitalistischen Verbandsstruktur ist bereits nach Gesellschaftsrecht fraglich. Ein schematisches Abstellen auf die Rechtsform wäre noch willkürlicher. Der Wortlaut und die Systematik der Artt. 9 und 14 GG gebieten diese Differenzierung jedenfalls nicht.

band stehen im direkten Bezug zur Verbandsordnung und zum Unterneh­ men58. Ihre Entwicklungsgeschichte belegt, daß sie vom Gesetz bewußt als Schutzschild des einzelnen Mitglieds wie des Verbandes gegen eine schran­ kenlose Mehrheits- oder Verwaltungsherrschaft, die sich den Verband zur Beute der eigenen Interessen machen will, konzipiert wurden59. Der einzelne Gesellschafter nimmt daher ebenso gesellschaftsbezogene Aufgaben wahr wie ein unternehmensführender Gesellschafter; selbst wenn er Rechte gar nicht aktiv zum Einsatz bringt, wirkt schon deren bloße Existenz. Gestattet man demgegenüber einer Gesellschaftergruppe oder der Verwaltung, eine Minderheit ohne Vorliegen wichtiger Gründe aus der Gesellschaft herauszu­ drängen, so liegt hierin ein willkürlicher Entzug des going concern-Wertes der gemeinsam aufgebauten Gesellschaft. Mit Bezug auf das Unternehmen ist von Belang, daß die Diziplinierung oder Eliminierung einer Minderheit einen schwerwiegenden Eingriff in die Statik der unternehmensrechtlichen Aufsichtsmechanismen bewirkt60. Der zuletzt betonte, jeder Mitgliedschaft immanente Aspekt muß daher einen Niederschlag im Grundrechtsschutz finden und darf nicht im Wege der Definition vernachlässigt werden. Wenn es tatsächlich einen anerkannten Rechtssatz des Verbands- und Verfassungsrechts geben sollte, wonach ein Unternehmer- oder Konzemgesellschafter ein Bestimmungsvorrecht hat, welches ihm sogar das Sagen über den Verbleib anderer Gesellschafter in der Gesellschaft sichert, so wäre dieses Ausschließungsrecht mindestens davon abhängig zu machen, daß eine Minderheit den Aktionsradius des Konzem­ aktionärs stört. Wenigstens muß das Verfassungsrecht, wenn es einerseits schon solche Freiräume schafft, andererseits die Schranken einer privat­ rechtlichen Enteignung konkretisieren. Zusammengefaßt läßt sich das ordnungspolitische Prinzip, auf dem die Gesellschafterrechte beruhen, auf die Kurzformel bringen, daß die Selbstauf­ sicht an die Stelle von staatlicher Kontrolle tritt. Der sich von dieser Auf­ gabe zurückziehende Staat muß allerdings die Rahmenbedingungen dafür 58 Dies wird im Ansatz richtig erkannt von RGZ 119, 248 (254) für die Personengesell­ schaft. In die gleiche Richtung Schilling ZGR 1979, 419 (426). Die neuere Rechtspre­ chung geht sogar soweit, die Gesellschafterkontrollrechte als Pflichten aus dem Gesell­ schaftsvertrag zu begreifen: BGHZ 81, 263 (268 ff.); 105, 213 (219). Dieser Gesichtspunkt bedarf auch einer verfassungsrechtlichen Würdigung. 59 Die Betonung dieser Doppelfunktion der Gesellschafter- und Minderheitenrechte hat bereits Rodolf Fischer, in: Ehrenberg (Hrsg.), Handbuch des gesamten Handelsrechts, III/l 1916, S. 196 ff. mit Recht hervorgehoben. Sehr deutlich jetzt auch Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 53 ff. 60 Zu nennen sind aus dem Recht der Körperschaften die §§ 241, 243 AktG bzw. §§ 117, 127, 140, 142 HGB für die handelsrechtlichen Personengesellschaften. §§ 117, 127 HGB wollen einerseits das Investment des Gesellschafters in der Gesellschaft schützen, zum anderen aber das Unternehmen vor unfähigen Managern bewahren.

schaffen, daß die interne Aufsicht wirksam funktioniert. Dafür sind die Mit­ gliederrechte und ihre statusmäßige Absicherung unverzichtbar61. Es besteht damit Anlaß genug, den Rechten der Gesellschafter in der Verbandsverfas­ sung wieder ein größeres Gewicht zu geben. Die Figur des Unternehmens an sich ist gescheitert und erscheint verbandsverfassungsrechtlich überaus frag­ würdig. Wenn in der Vergangenheit für den gegenläufigen Prozeß der Ver­ schiebung der Kompetenzen zum Vorteil des Managements vorgebracht wurde, daß die Hauptversammlung als Organ versagt habe, so ist dadurch mitnichten bewiesen, daß das einzelne Mitglied noch weniger geeignet wäre, punktuell Funktionen im Interesse der Gesellschaft wahrzunehmen. Die Er­ fahrungen des amerikanischen Korporationenrechts weisen vielmehr in die entgegengesetzte Richtung. Hiermit soll nicht das Rad der Aktienrechtsge­ schichte zurückgedreht werden und den Aktionären wieder direkte Ge­ schäftsführungsbefugnisse übertragen oder der Hauptversammlung der AG nach dem Vorbild des GmbH-Rechts ein Weisungsrecht gegeben werden. Keinesfalls darf eine Substitution der Trägerschaft der unternehmerischen Initiative stattfinden. Erlaubt und erforderlich ist jedoch eine Rückbesinnung auf die Grundlagenzuständigkeiten der Gesellschafter, die es gebieten, Rechte zu formulieren, mit denen man Kompetenzübergriffen wirksam be­ gegnen kann62. Die Verbandsverfassung enthält ausbaufähige Ansätze dafür, daß die Mitglieder befugt sind, die gesetzes- und statutenkonforme Verwal­ tung ihrer Gesellschaft durchzusetzen. Wenn die von der Verbandsverfas­ sung berufenen Organe nicht in der Lage sind, eine Rechts- oder Statuten­ widrigkeit zu beseitigen, darf dies wenigstens ersatzweise ein Gesellschafter unternehmen. Was aus der Sicht des handelnden Gesellschafters als Bewah­ rung seines Investments erscheinen mag, leistet gleichzeitig der Gesellschaft und der Rechtsordnung einen Dienst. Die den Verbänden verliehene Selbstverwaltung impliziert, daß eine Rechtswidrigkeit zunächst dort korri­ giert wird, wo sie eingetreten ist. Dies gibt den weiteren Gang der Darstellung vor. Zunächst sind Wesen und Funktionsweise des Aufsichtsrechts am Beispiel der Beschlußanfechtung nach den §§241 ff. AktG zu behandeln. Sie war der historische Ausgangs­ punkt der Klagerechte in der Körperschaft, wurde allerdings bei der Kodifi­ zierung auf die Angreifbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen be­ 61 Die Schaffung effizienter Minderheitenrechte folgt überdies aus der Vereinigungs­ freiheit des Art. 9 Abs. 1 GG in seinem gewandelten Verständnis, vgl. Säcker, Probleme der Repräsentation von Großvereinen, 1986, S. 81 speziell FN 337; BVerfGE 50, 290 (353 ff., 354) - Mitbestimmungsurteil. 62 In diese Richtung zielte die spürbare Ausweitung der Hauptversammlungskompeten ­ zen etwa bei der Ausgliederung wesentlicher Betriebsteile, der Abspaltung oder der Be­ triebsaufspaltung in der Diskussion um die Bereinigung des Umwandlungsrechts, vgl. die diversen Stellungnahmen in ZGR 1990, 392-611.

schränkt. Das legt die Überprüfung nahe, ob die Beschränkung tatsächlich gewollt war und ob sie bejahendenfalls rechtspolitisch noch immer ange­ bracht ist. In den §§241 ff. AktG liegt überdies der Schlüssel zum richtigen Verständnis der Rechtsnatur der Mitgliederrechte und ihrer Einfügung in die Verbandsverfassung. Sind sie ausschließlich subjektive Rechte der Mitglieder oder organschaftliche Rechte oder beides? Die Antwort ist von großer Trag­ weite: in verfahrensrechtlicher, rechtsdogmatischer und rechtspolitischer Hinsicht.

§ 17 Die Geltendmachung von Beschlußmängeln Die Verbandsordnung trifft Vorsorge, daß alle Verbandsgewalt nur auf der Grundlage von Gesetz und Satzung wirksam ausgeübt werden darf. Dies bindet alle Organe und Beteiligten bei jedweder Form der Ausübung von Verbandsgewalt, sei es Stimmrechtsmacht, sei es Verwaltungsmacht. Ver­ stöße sind entsprechend sanktionsbewehrt. In Betracht kommen namentlich eine Schadensersatz- oder Ersatzpflicht sowie die Unwirksamkeit von Hand­ lungen oder Beschlüssen. Für die Beschlüsse der Anteilseignerversammlung ist dies erstmals zu einer Zeit anerkannt worden, als die Hauptversammlung noch das oberste Gesellschaftsorgan der AG war und als es noch keine ge­ setzliche Grundlage für die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen gab1. Die genannten Umstände bleiben bis heute über die historische Her­ ausbildung des Instituts der Anfechtungsklage hinaus bedeutsam für die Übertragung des Anfechtungsmodells auf andere Verbände, die keine ge­ setzliche Regelung nach dem Vorbild der §§ 241 ff. AktG kennen. Die Ent­ wicklung der aktienrechtlichen Anfechtungsklage verspricht ferner Erkennt­ nisgewinne für die Behandlung von Mängeln der Beschlüsse anderer Gesell­ schaftsorgane, die mittlerweile in die ehedem einflußreiche Stellung der Hauptversammlung eingerückt sind2. Die Verbindung besteht im Anspruch jedes Gesellschafters, d.h. einem subjektiven Recht, die Einhaltung der durch das Gesetz sowie durch die Verbandsordnung gezogenen Grenzen verlangen und Übergriffe abwehren zu können. Der so gewonnene Verhal­ tensmaßstab ist standardbildend für alle Gesellschaftsorgane in sämtlichen Gesellschaftsformen3. Die folgenden Überlegungen kreisen um den Beschluß als Instrument der Willensbildung in Kollegialorganen. Bei den §§ 241 ff. AktG ist ein Be­ schluß der Hauptversammlung exklusiver Angriffsgegenstand des Rechtsbe­ helfs. Beschlüsse sind, ungeachtet des Streites um ihre exakte rechtliche Natur, dem Bereich rechtsgeschäftlichen Handelns zuzuordnen. Die heute herrschende Meinung qualifiziert sie als Rechtsgeschäft sui generis4. Der Be­ schluß als solcher ist weder einseitiges Rechtsgeschäft noch Vertrag. Er ist 1 Grundlegend ROHGE 23, 273; 25, 307. 2 Dazu ausführlich unten § 18. 3 Solche Überlegungen münden in die Zusammenführung dieser Verfahren zu einem privatrechtlichen Verbandsverfassungsstreitverfahren. Dazu eingehender unten § 18 II. 4 Zur Rechtsnatur des Beschlusses siehe nur die grundlegenden Untersuchungen von Bartholomeyczik ZHR 105 (1938), 293 ff.; Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 15 ff.

ein körperschaftlicher Gesamtwillensbildungsakt 5. Jeder Beschlußfassung liegt ein Entschließungsantrag zugrunde, den die Mitglieder des zur Willens­ bildung berufenen Verbandsorgans durch Zustimmung annehmen. Bei Gel­ tung des Mehrheitsprinzips genügt hierzu grundsätzlich die Stimmenmehr­ heit. Die Annahme des Antrags braucht aber anders als im Vertragsrecht (vgl. § 146 BGB) nicht dem Antragenden gegenüber angenommen zu wer­ den. Vom Beschluß als Ergebnis der Willensbildung scharf zu scheiden ist die Stimmabgabe jedes Mitglieds. Sie ist Willenserklärung mit der Folge, daß die für Willenserklärungen geltenden Regeln zur Anwendung gelangen6. Die Auseinandersetzung um die rechtliche Klassifizierung von Beschlüs­ sen, die hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden kann, spiegelt ein methodisch interessantes Phänomen wider. Der Blick auf die Rechtsfolgen­ seite bestimmte die tatbestandsmäßige Erfassung des Beschlusses. Weil die allgemeinen Rechtsfolgen für fehlerhafte Rechtsgeschäfte auf fehlerhafte Be­ schlüsse nicht nahtlos passen, wurde zum Teil bereits der Tatbestand eines Rechtsgeschäfts in Abrede gestellt7. Daß dies keinesfalls zwingend ist, zeigt sich gerade im Verbandsrecht. Die Figur der fehlerhaften Gesellschaft steht für diese Rechtsfolgenanpassung an die Erfordernisse der sozialen Wirklich­ keit. Um nichts anderes geht es bei den Beschlußmängeln. Die Nichtigkeitsund Unwirksamkeitsbestimmungen des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Rechts sind primär auf den Leistungsaustausch zugeschnitten. Für Organisa­ tionsverhältnisse passen sie dagegen nur bedingt. Insbesondere die Nichtig­ keitsfiktion mit der Folge einer ex tunc-Rückabwicklung müßte zu lebens­ fremden Ergebnissen führen. Die Eigenarten des Beschlusses als rechtsgeschäftlicher Akt kommen erst zum Vorschein, wenn man sich seine organisationsbezogene Wirkung deut­ lich macht8. Der Beschluß eines Verbandsorgans bildet den Willen des Ver­ bandes im Rahmen der Kompetenz dieses Organs. Er ist bei Geltung des Majoritätsprinzips auch für die nicht zustimmenden Mitglieder verbindlich, genauso, als ob sie zugestimmt hätten. Der Verband absorbiert gewisser­ 5 MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 32 RdNr. 13 ff.; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 15 I (S. 440 ff). 6 BGHZ 14, 264 (267 ff.) betreffend eine GmbH. 7 So RGZ 122, 367 (369) zu § 125 BGB; a.A. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 15. Aufl. 1960, § 146 IV (S. 912); v.Tuhr, Der Allge­ meine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II/l, 1914, § 53 IV (S. 232 ff.). 8 Der Beitritt zu einem Verband ist Rechtsgeschäft. Es finden die §§104 ff. BGB An­ wendung, jedoch mit Modifikationen auf der Rechtsfolgenseite mit Bezug auf die Willens­ mängel. Dasselbe gilt im Arbeitsrecht für das Zustandekommen des Arbeitsvertrages. Ist eine der Willenserklärungen fehlerhaft, so kommt eine rückwirkende Abwicklung der Ver­ tragsbeziehung nicht in Betracht. Es ist eine Besonderheit dieser Eingliederungsverhältnisse auf fehlerhafter Vertragsgrundlage, daß solche Umstände nur ex nunc beachtlich sind.

maßen den Willen des beschlußfassenden Organs9. Zur Verbindlichkeit des so gebildeten Willens gegenüber den überstimmten Mitgliedern oder den Or­ ganen, die den Beschluß auszufuhren haben, muß er - ähnlich einem Ver­ trag — frei von Mängeln inhaltlicher und formeller Art sein. Nur unter der Bedingung einer ordnungsgemäßen Verwaltung vermag die Mehrheit die Minderheit zu binden10. Damit ist ein Rechtssatz formuliert, der bei allen Personenvereinigungen gilt unter Einschluß der Erbengemeinschaft11 sowie der Gemeinschaft nach Bruchteilen12. Für alle diese Gemeinschaftsverhältnisse geht es um eine ge­ meinsame Fragestellung, mögen auch die Folgen fehlerhafter Beschlüsse in den Verbänden unterschiedlich geltend zu machen sein.

I. Die Beschlußmängel und ihre Folgen Ein Beschluß ist fehlerhaft, wenn er unter formellen oder inhaltlichen Mängeln leidet. Die denkbaren Mängel entziehen sich einer abschließenden Aufzählung13. Aus dem Bereich der formellen Mängel sind zu nennen: Ein­ berufungsmängel der Versammlung, nichtordnungsgemäße Ankündigung von Tagesordnungspunkten oder Beschlußanträgen, Nichtzulassung eines Mit­ glieds zur Versammlung, Mitstimmen einer von der Teilnahme an der Ab­ stimmung ausgeschlossenen Person, Beschränkungen der Redezeit oder Ver­ letzung der Auskunftspflicht durch den Vorstand (§ 243 Abs. 4 AktG). Zu den inhaltlichen Beschlußmängeln zählen: Verkürzung von Aktionärsrechten, etwa Ausschluß des Bezugsrechts oder zwangsweise Einziehung, Verletzung des gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots, Verfolgung verbands­ fremder Sondervorteile durch Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten zum Schaden der Gesellschaft und ferner der inhaltliche Sittenver­ stoß. Je nach der Rechtsform variieren die Konsequenzen dieser Verstöße. 9 Zum Prinzip der Zurechnung eines Beschlusses O. Gierke, Deutsches Privatrecht I, 1936 (unveränderter Neudruck der 1. Aufl. von 1895), § 65 I (S. 496 ff.); Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 49 ff. 10 OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 1256 für eine schlichte Bruchteilsgemeinschaft. 11 Der genannte Grundsatz wäre ebenfalls für die Erbengemeinschaft als Gesamthands­ gemeinschaft zu beachten, siehe § 2038 BGB. Näher Lange/Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl. 1989, § 45 II (S. 875 ff.). 12 Vgl. MünchKomm-KARSTEN Schmidt, BGB, 2. Aufl. 1986, §§ 744/45 RdNr. 23; STAUDINGER/HUBER, Komm.z.BGB, 12. Aufl. 1981, § 745 RdNr. 11 ff. 13 Eingehende Systematisierung und Behandlung bei A. HUECK, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S. 83 ff.; H. Horrwitz, Das Recht der Generalversammlungen der Aktiengesellschaften und Kom­ manditgesellschaften auf Aktien, 1913, S. 125 ff.

Bei allen Beschlüssen ist für die Erfassung von Unwirksamkeitsfolgen und für die Bestimmung des Unwirksamkeitsgrades eine fundamentale Unter­ scheidung zu treffen. Herkömmlicherweise teilt man Beschlüsse ein in Nichtbeschlüsse, nichtige Beschlüsse, unwirksame Beschlüsse sowie anfecht­ bare Beschlüsse14. Diese vier Kategorien sind gebräuchlich, wenngleich selbst im Aktienrecht mit seinem am stärksten differenzierten Beschlußmän­ gelsystem vom Gesetz so nicht ausgebildet. Dieselbe Einteilung ist bekannt aus dem Verwaltungsrecht für die Einteilung fehlerhafter Verwaltungsakte 15. Bei Verwaltungsakten wie bei Verbandsbeschlüssen kommt der Einordnung in eine der Gruppen elementare Bedeutung hinsichtlich der Form einer Gel­ tendmachung der Unwirksamkeit zu16. — Nicht- oder Scheinbeschlüsse sind ipso iure bei allen Verbänden nich­ tig, ohne daß für die Geltung dieser Rechtsfolge ein förmliches Rechtsmittel bemüht werden muß. Jeder Beteiligte kann sich einrede­ weise darauf berufen. Dieselbe Rechtsfolge darf aber auch zum Gegen­ stand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Das Rechts­ schutzbedürfnis ist zu bejahen, da bereits die behauptete Existenz eines Beschlusses potentiell rechtliche Wirkungen zu erzeugen vermag17. Ein Nichtbeschluß ist anzunehmen, wenn ihm seine Unwirksamkeit gewis­ sermaßen auf der Stirn geschrieben steht und ein außenstehender Beob­ achter vernünftigerweise nicht mit seiner Gültigkeit rechnet. Nicht­ oder Scheinbeschlüsse lassen sich keinem zur Beschlußfassung berufe­ nen Willensbildungsorgan zurechnen, weil sie erkennbar nicht ernst gemeint sind18. Ein Beispiel wäre die KarnevalsVeranstaltung, die sich aus Jux als Hauptversammlung einer AG geriert und die Ausschüttung 14 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 15 II 1 (S. 446 ff.); Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 45 RdNr. 37 ff. mit Nach­ weisen. 15 Dieselbe Systematik liegt ferner der Einteilung der Eheschließungsmängel zugrunde, vgl. DÖLLE, Familienrecht I, 1964, § 21 I (S. 254 ff.). 16 Die Parallelen zwischen der aktienrechtlichen und der verwaltungsrechtlichen Nich­ tigkeitsklage behandelt jetzt Karsten Schmidt JZ 1988, 729 ff. 17 Im Verwaltungsprozeßrecht liefern § 43 VwGO und § 44 Abs. 5 VwVfG wichtige Entscheidungshilfen, welches die statthafte Klageart ist. An der falschen Klageart darf die Verwirklichung des Rechtsschutzbegehrens letztlich nicht scheitern. Das Gericht hat das Klagebegehren auszudeuten und gegebenenfalls auf die Stellung sachdienlicher Anträge hin­ zuwirken (§ 139 Abs. 1 ZPO). Für (vermeintlich) nichtige Hauptversammlungsbeschlüsse gilt analog zum Verwaltungsprozeßrecht: Die Einordnung eines Beschlußmangels als Nich­ tigkeits- oder Anfechtungsgrund ist nicht immer verläßlich zu leisten. Der Kläger darf daher jedenfalls die ohnehin rechtsschutzintensivere Anfechtungsklage wählen, so für den Ver­ waltungsprozeß Eyermann/Fröhler, Komm.z.VwGO, 9. Aufl. 1988, § 43 RdNr. 19 ff. Für den aktienrechtlichen Beschlußmängelstreit kann nichts anderes gelten. 18 Der Schulfall aus dem Verwaltungsrecht ist die Geschichte des Hauptmanns von Köpenick.

einer Dividende an sich beschließt19. Die Rechtsbehelfe gegen Nicht­ beschlüsse sind dieselben wie diejenigen gegen nichtige Beschlüsse20.



Nichtige Beschlüsse vermitteln zwar den äußeren Anschein der Gültig­ keit. Dennoch stellt das Gesetz in § 241 AktG einen enumerativen Ka­ talog von Nichtigkeitsgründen auf21. Unwirksamkeitsgründe, die vom Gesetz nicht als Nichtigkeitsgründe gekennzeichnet sind, bewirken keine Nichtigkeit. Nichtige Beschüsse können jedoch unter Umständen geheilt werden, § 242 AktG.



Unwirksame Beschlüsse sind eine Unterkategorie der nichtigen Be­ schlüsse22. Bei ihnen ist der Beschluß als solcher mangelfrei zustande gekommen, seine vollständige Gültigkeit erfordert jedoch das Hinzu­ treten eines weiteren Wirksamkeitselementes23. In der Regel besteht es in der Zustimmung eines besonders Berechtigten zu dem Beschluß. Solange dieses Element fehlt, ist der Beschluß schwebend unwirksam. Tritt es ein, wird der Beschluß ex nunc gültig. Fällt es aus, so ist der Beschluß von Anfang an und endgültig unwirksam.



Der anfechtbare Beschluß ist bei den Kapitalgesellschaften die Sonder­ ausprägung eines fehlerhaften Beschlusses. Er ist schwebend wirksam bis seine Unwirksamkeit in einem Anfechtungsverfahren ausge­ sprochen ist. Sodann ist er nichtig, § 241 Nr. 5 AktG. Wird der Mangel nicht in diesem Verfahren geltend gemacht, ist der Beschluß gültig und das Anfechtungsrecht präkludiert.

19 Der Fall, wo der Versammlungsleiter auf einer ordnungsgemäß einberufenen Ver­ sammlung ein Beschlußergebnis verkündet, das nach richtiger Zählung der Stimmen nicht zustande gekommen ist, ist nicht zu dieser Kategorie zu rechnen, siehe Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 15 II 1 (S. 447); BGHZ 71, 191 (197 ff.); RG BauersZ 18 (1911), 198. Hier darf kein Nicht-Beschluß angenommen werden, weil der äußere Schein eines gültigen Beschlusses erzeugt ist. Viel eher geht es darum, dem richtigen Beschlußin­ halt zum Durchbruch zu verhelfen. Der Fall des unrichtig verkündeten Beschlußinhalts be­ leuchtet die Grenzen der Vergleichbarkeit von Verwaltungsprozeß und aktienrechtlichem Be­ schlußmängelprozeß: Während im Verwaltungsprozeß mit der Verpflichtungsklage ein ent­ sprechender Rechtsbehelf existiert, fehlt ein solcher bei der AG. 20 Vgl. für die sog. Nichtverwaltungsakte Erichsen/Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1985, § 15 II 2 (S. 222 ff.) zum privaten Verbandsrecht BGHZ 11, 231 (235 ff.). 21 Des weiteren die Sondertatbestände der §§ 250, 253, 256 AktG. 22 Hierzu etwa RGZ 148, 175 (187); BGHZ 48, 141 (143). Zu Unrecht will Baums ZHR 142 (1978), 582 ff. diese Fallgruppe überhaupt eliminieren. Gegen ihn überzeugend Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 241 RdNr. 18. 23 Als Beispiele seien genannt: Einführung von Mehrstimmrechtsaktien, die der behörd­ lichen Genehmigung bedarf, § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG; Eingriff in ein Sonderrecht, § 35 BGB; strukturverändernde Eingriffe in das Gesellschaftsverhältnis; weitere Beispiele bei Hüffer (wie FN 22), RdNr. 19.

Neben der Einordnung der Unwirksamkeitsgründe spielt es für eine Quer­ schnittsbetrachtung des Beschlußmängelrechts in den Personenverbänden eine Rolle, ab wann eine Willensentschließung der Mitglieder einen Beschluß im Rechtssinne darstellt. Bei den Personalgesellschaften kann dies schon ab Verabschiedung einer Resolution angenommen werden24. 25 Bei der Aktiengesellschaft genügt das nicht. Hier muß der Beschluß der Haupt­ versammlung vom Versammlungsleiter verkündet und notariell beurkundet sein, § 130 Abs. 1 und 2 AktG. Das Beschlußergebnis gilt zunächst in der so dokumentierten Form. Bei anderen Körperschaften ist ebenfalls eine Ver­ kündung durch den Versammlungsleiter nötig, in der Regel muß jedoch keine notarielle Beurkundung stattfinden25. Generell herrscht im Verbandsrecht der Grundsatz, daß mangelhafte Be­ schlüsse von Anfang an unwirksam sind und daß derjenige, der sich hierauf berufen will, keine rechtlichen Schritte in Form eines Gestaltungs- oder Ge­ staltungsklagerechts ergreifen muß. Bei den Kapitalgesellschaften erfährt die­ ser Grundsatz eine Durchbrechung. Die ipso iure eintretende Unwirksamkeit weicht einem Anfechtungszwang. Erst nach einem erfolgreichen Verfahren ist diese Rechtsfolge mit Verbindlichkeit herbeigeführt. Wenn gefordert wird, das aktienrechtliche Beschlußanfechtungsmuster als Institut des allge­ meinen Verbandsrechts auf alle Verbände auszudehnen26, so ist genau zu prüfen, welche Interessen und Wertungen dafür ausschlaggebend sind. Das Aktienrecht mißt dem Schutz des Rechtsverkehrs eine alles überragende Rolle bei. Dieser Verkehrsschutz fordert allerdings seinen Preis. Er geht auf Kosten der zurückgesetzten Kontrollrechte der Gesellschafter. Dies zeigt sich etwa in der nicht verlängerbaren Anfechtungsfrist (§ 246 Abs. 1 AktG), in­ nerhalb derer sämtliche Anfechtungsgründe vorzutragen sind, in der speziell den Aktionär benachteiligenden Begrenzung der Anfechtungsbefugnis (§ 245 Nr. 1 AktG) und in der dem Aktionär aufgebürdeten Klagelast, die er ein­ schließlich eines nicht unerheblichen Prozeßkostenrisikos zu tragen hat. Diese gravierenden Erschwerungen sind nur z.T. mit dem erhöhten Bedarf an Rechtssicherheit in den Publikumsverbänden zu rechtfertigen27. Auf der anderen Seite darf man nicht übersehen, daß jede Restriktion des Anfech­ tungsrechts die Hauptversammlungsmehrheit und die Verwaltung begünstigt. 24 Zur Rechtslage bei der eingetragenen Genossenschaft, der GmbH und dem Verein Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 15 II 1 (S. 446 ff.) mit Nach­ weisen. 25 Ausnahme: Der den Gesellschaftsvertrag abändernde Beschluß bei der GmbH, vgl. § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. 26 Dazu unten § 18. 27 Kritisch mit Recht Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 152/53; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 103 ff.; HO ff.

Die Frage nach der Ausdehnbarkeit der aktienrechtlichen Beschlußmängelbe­ stimmungen wirft bei näherem Hinsehen die Frage auf, welche ihrer Rege­ lungselemente übertragbar sind und welche nicht. Nicht die Verbandsform allein entscheidet hierbei, sondern vor allem der Verbandstypus. Besonders augenfällig ist diese selektive Übernahme von Einzelbausteinen des aktien­ rechtlichen Beschlußanfechtungsverfahrens im Recht der GmbH geworden, für die, obwohl wie die AG Körperschaft, ein modifiziertes Beschlußmängel­ recht gilt28. Ein weiteres Bewährungsfeld ist die juristische Person & Co. KG, bei der Personengeseilschafts- und Körperschaftsrecht in eigentümlicher Weise aufeinandertreffen. Im Aktienrecht hat sich im Laufe der Zeit das komplexeste Verfahren zur Rüge von Beschlußmängeln der Hauptversammlung herausgebildet. Eine kritische Reflexion darüber, welche Restriktionen und Formalisierungen zur Erreichung der angestrebten Ziele einerseits noch verhältnismäßig und ande­ rerseits mit der Aufgabenstellung der Anfechtungsklage noch kompatibel sind, ist mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Die Rechtsverglei­ chung mit den USA29 erweist stellvertretend für viele andere Rechtsord­ nungen, die kein Verfahren nach dem Muster der §§241 ff. AktG kennen30, daß sich Rechtssicherheit auch anders gewinnen läßt. Nicht in jedem Falle dürfen die Rechtssicherheit und der Verkehrsschutz den Vorrang gegenüber der fehlerfreien Betätigung des Verbandswillens beanspruchen. Der ord­ nungspolitische Zweck des Instituts der Anfechtungs- und Beschlußmängel­ klage ist in Beziehung zu den ihr immanenten Beschränkungen zu bringen. Die Bedeutung der Klage ist nicht deckungsgleich mit dem Schutz der Mit­ glieder oder der Minderheit31. Darüber hinaus ist sie ein elementarer Bau­ stein im System der verbandlichen Eigenaufsicht.

28 Zur Geltendmachung von Beschlußmängeln im GmbH-Recht Zöllner/Noack ZGR 1989, 525. 29 Siehe oben § 12. 30 Im wesentlichen kennen nur die vom deutschen Recht stark beeinflußten Länder Östeneich in §§ 195 ff. öAktG 1965 und §§41 ff. öGmbHG sowie die Schweiz in Artt. 706, 706a OR vergleichbare Bestimmungen. 31 Es nimmt daher kaum wunder, daß die Zahl der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen im Aktienrecht seit Jahren rückläufig ist, Zusammenstellung von Fallmaterial bei Wiede­ mann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 2 b (S. 467 FN 41); Materialzusammenstellung bei GÖssel/Hehl ZHR 142 (1978), 19 (40 ff.). Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet die neuere Rechtsprechung zu den rechtsmißbräuchlichen Nichtigkeits- und Anfechtungskla­ gen, die den Gesellschafter-Kläger von vornherein mit einer Querulantenvermutung belegt, dazu noch eingehender unten § 21.

II. Gesellschaftsinterne Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen Gegen fehlerhafte Beschlüsse steht den Mitgliedern und in der Regel auch der Verwaltung der Rechtsweg offen. Dieser mag zu den ordentlichen Ge­ richten oder zu einem durch die Satzung begründeten Schiedsgericht füh­ ren32. Darin erschöpfen sich jedoch die denkbaren Abhilfemöglichkeiten nicht. Es besteht auch bei der AG kein Zwang, einen Beschluß durch ge­ richtlichen Ausspruch zu beseitigen. Die gesetzliche Garantie der inneren Selbstverwaltung der Verbände erfordert es geradezu, einen Rechtsverstoß zuallererst dort abzustellen, wo er seinen Ursprung hatte. Die natürliche Rangfolge hätte so betrachtet zu lauten, daß die Anrufung einer externen In­ stanz die vorherige Erschöpfung der verbandsintemen Möglichkeiten voraus­ setzt. Genauso ist die Rechtslage im allgemeinen Verwaltungsrecht. Hier ist die erfolglose Durchführung eines verwaltungsinternen Vorverfahrens gemäß §§ 68 ff. VwGO (Widerspruch) echte Prozeßvoraussetzung für eine Klage, die auf die Verurteilung zum Erlaß oder auf die Aufhebung eines Verwal­ tungsaktes gerichtet ist33. Die Mitgliederversammlung hat die Kompetenz, Beschlüsse zu fassen. Dies schließt es ein, Beschlüsse zu ändern oder aufzuheben. Dem Mitglied, das sich auf einen Beschlußmangel beruft, darf in aller Regel angesonnen werden, sich zunächst an dasjenige Organ zu wenden, das den beanstandeten Beschluß in die Welt gesetzt hat. Am besten geschieht dies noch im Rahmen derjenigen Versammlung, die den fraglichen Beschluß gefaßt hat. Neben rechtlichen sprechen praktische Erwägungen für dieses Erfordernis: Gerade bei Massenverbänden ist eine Einberufung der Mitgliederversammlung zeit­ aufwendig und kostspielig. Im geschriebenen Recht trägt § 245 Nr. 1 AktG dieser Einsicht bereits teilweise Rechnung. Das Widerspruchsrecht gilt zunächst für alle Aktienge­ sellschaften. Im Aktienrecht besteht so eine Rügeobliegenheit für bestimmte Anfechtungsgründe. Unterbleibt der Widerspruch des Aktionärs auf der Hauptversammlung, so tritt für ihn RechtsVerlust ein34. Diese Rechtsfolge paßt jedoch nur zu denjenigen Beschlußmängeln, die durch Nichterhebung 32 Die Schiedsfähigkeit aktienrechtlicher Beschlußmängelklagen ist nach wie vor strei­ tig, hierzu näher unten § 22 II 2. 33 Für ein solches Widerspruchsverfahren im Verbandsrecht insbesondere Noack (wie FN 27), S. 71 ff. vor dem Ausgangspunkt eines alternativen Beschlußmängelmodells und zwar der Unterteilung in eine interne und eine externe Nichtigkeitsfolge von Beschlußmän­ geln; zustimmend Krohn ZHR 153 (1989), 710 ff.; ablehnend Voormann KTS 1989, 475. 34 Zur sehr zweifelhaften Verfassungsmäßigkeit von § 245 Nr. 1 AktG sogleich unten im Text.

einer Klage heilbar sind35. Die Rügeobliegenheit ist so, wie § 245 Nr. 1 AktG sie statuiert, nicht zweckmäßig handhabbar. Sie muß als eine gesetz­ geberische Fehlleistung gewertet werden, da das Widerspruchserfordernis nur den Aktionären und nicht auch den Verwaltungsmitgliedern auferlegt worden ist. Gerade die Verwaltung trifft eine echte Amtspflicht, rechtswid­ rigen Beschlüssen entgegenzutreten, weil sie diese auszuführen hat. Bei anderen als Aktiengesellschaften gilt § 245 Nr. 1 AktG nicht36. Den­ noch ist damit nicht gesagt, daß der Gesellschafter oder die Verwaltung sich Anfechtungsgründe nach Belieben aufsparen darf, um sie bei Bedarf für die eigenen Zwecke dienstbar zu machen. Das Prinzip bleibt vielmehr gleich: Wer einen Fehler erkennt, muß ihn mit der ihm zumutbaren Schnelligkeit rügen, damit er möglichst umgehend beseitigt werden kann. Die Rügeoblie­ genheit ist Ausdruck der persönlichen Mitwirkungspflicht am Zustandekom­ men korrekter Beschlüsse. Jeder Aktionär und jeder sonstige Versamm­ lungsteilnehmer, der der Gesellschaft in gesellschaftsrechtlicher Weise ver­ bunden ist (vgl. § 118 Abs. 2 AktG), hat daran nach Kräften mitzuwirken. Auch ohne eine Bestimmung wie in § 245 Nr. 1 AktG folgt dies aus der ge­ sellschaftlichen Treupflicht.

III. Die Nichtigkeit von Beschlüssen und ihre Geltendmachung Im Aktienrecht mit seinem am weitesten ausdifferenzierten Beschlußmän­ gelsystem tritt Nichtigkeit nur ausnahmsweise ein. § 241 AktG stellt unter Einschluß seines Eingangssatzes einen Enumerationskatalog auf. Er grenzt die Beschlußmängelarten voneinander ab und vermittelt Rechtssicherheit mit Bezug auf den Rechtsschutz. Die Abschichtung der anfechtbaren von allen anderen Beschlußmängeln hat weichenstellende Wirkung für die Klageart und für die Klagefrist. Im einzelnen kann die Nichtigkeitsfolge geltend ge­

35 Mit guten Gründen für eine enge Auslegung von § 245 Nr. 1 AktG Noack AG 1989, 78 ff.; überhaupt gegen das Oppositionserfordemis bereits W. Horrwitz ZBH 1933, 86 (90 f.) mit dem einleuchtenden Hinweis, daß der Widerspruch kein geeignetes Mittel ist, um die Aktionäre zum vermehrten Besuch der Hauptversammlung anzuhalten und daß er ferner den elementaren Grundsatz, wonach eine Mehrheit die Minderheit nicht jenseits von Gesetz und Satzung binden kann, nicht aufhebe. 36 Für die eingetragene Genossenschaft besteht in § 51 Abs. 2 Satz 1 GenG eine ähn­ liche Regelung wie in § 245 Nr. 1 AktG. Jedoch tritt die Literatur mit guten Gründen für eine einschränkende Auslegung ein. Ein Widerspruch wird nur gefordert, wenn der Be­ schlußmangel erkennbar ist, überzeugend Klaus Müller, Komm.z.GenG, 1980, §51 RdNr. 78. Im GmbH-Recht ist auf das Widerspruchserfordernis gänzlich zu verzichten, Baumbach/Hueck/ZöLLNER, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, Anh. § 47 RdNr. 72.

macht werden durch Nichtigkeitsklage, durch Einrede oder durch Antrag auf Löschung eines nichtigen Beschlusses im Handelsregister. 1. Nichtigkeitsgründe Die Nichtigkeitsgründe sind durch das Gesetz als solche gekennzeichnet. Der Satzung ist es daher verwehrt, den Kanon dieser Gründe zu erweitern oder zu verkürzen37. Im allgemeinen führt nur ein besonders schwerwiegen­ der Gesetzes- oder Satzungsverstoß zur Sanktion der Nichtigkeit eines Be­ schlusses. Dies gilt namentlich für Beschlüsse, die unabdingbare gesetzliche Bestimmungen verletzen, mit denen sich der Schutz Dritter verbindet. Hier kommt die Abgrenzung der nichtigen von den bloß anfechtbaren Beschlüssen zum Tragen. Beschlußmängel, die die Interessen Dritter tangieren, sind nichtig, weil ein Außenstehender, sofern er sich nicht noch rechtzeitig eine Aktie besorgen kann, kein Anfechtungsrecht hätte. Durch die automatisch eintretende Nichtigkeit wird das fehlende Anfechtungsrecht kompensiert. Aus dem Katalog des § 241 AktG verdienen zwei Fallgruppen, in denen der Beschlußgegenstand mit der Rechts- oder Verbandsordnung unvereinbar ist, eine besondere Vertiefung. a) Nichtig sind nach § 241 Nr. 3 Fall 1 AktG solche Beschlüsse, die ge­ gen das Wesen der Aktiengesellschaft verstoßen. Entsprechendes gilt für die GmbH38 sowie für die eingetragene Genossenschaft39. Gemeint ist der ordre public des gesamten Aktienrechts mit seinen grundsätzlich zwingenden Nor­ men. Das Wesen der AG ist im Aktiengesetz an keiner Stelle erschöpfend behandelt40. Dieses Wesen, auf das § 241 Nr. 3 AktG Bezug nimmt, deckt sich nicht mit der - unvollständigen - Definitionsnorm der Aktiengesell­ schaft in § 1 AktG. Gefordert ist eine korporationsverfassungsrechtliche Ge­ samtbetrachtung der Gesellschaft unter Einschluß ihrer Finanz-, Haftungsund sonstigen Organisationsstruktur. Für die Auslegung der ersten Alterna­ tive von § 241 Nr. 3 ist eine Zusammenschau mit der zweiten Alternative hilfreich. Die Aufzählungen sind nicht nur beispielhaft41. Nr. 3 Fall 1 schreibt die Bindung der Beschlußmacht an die Verbandsordnung fest. Was nicht wirksam zum Satzungsbestandteil werden kann und an der registerge­ 37 Hüffer (wie FN 22), RdNr. 4 f. 38 Rowedder/Koppensteiner, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 47 RdNr. 85; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Komm.z.GmbHG, 1987, § 47 RdNr. 71. 39 Meyer/Meulenbergh/Beuthien, Komm.z.GenG, 12. Aufl. 1983, § 51 RdNr. 7. 40 Zum Wesen des Wesens als Kryptoargument anschaulich Scheuerle AcP 163 (1964), 429 ff. 41 Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 241 RdNr. 97 hält die erste Alter­ native überhaupt für unbedeutend.

richtlichen Prüfung scheitern würde, darf ebensowenig auf dem Umweg ei­ nes Gesellschafterbeschlusses Verbindlichkeit erlangen. Solchen faktischen Satzungsänderungen außerhalb der Satzung will die Nichtigkeitsfolge einen Riegel vorschieben. Während die zweite Alternative von Nr. 3 mit der Ein­ beziehung der Gläubiger- und Drittinteressen das Außenverhältnis betrifft, geht es bei der ersten Alternative um das Innenverhältnis, namentlich die Stellung der Aktionäre und die Kompetenzen der übrigen Gesellschaftsor­ gane. Ein korporationsverfassungswidriger Eingriff in das Wesen der AG läge etwa in einem Beschluß, der allen Aktionären die Pflicht auferlegt, für die Gesellschafts Verbindlichkeiten entsprechend § 128 HGB zu haften oder sich zur Verbreiterung der Kreditgrundlage für die Gesellschaft zu verbür­ gen. Die Nichtigkeit eines Beschlusses mit diesem Inhalt ergibt sich aus § 241 Nr. 3 Fall 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG42. Nicht zum Wesenskem der Aktiengesellschaft gehört der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Aktionäre43. Neben der Wahrung der schutzwürdigen Rechte und Interessen der Ge­ sellschaftsgläubiger und der Aktionäre bezweckt Nr. 3 die Bewahrung der Organisationsstruktur. Mit ihr verbindet sich das reibungslose Funktionieren der Aktiengesellschaft, das im öffentlichen Interesse liegt. Die Hauptver­ sammlung etwa kann nicht die Kompetenz beanspruchen, über die Zusam­ mensetzung des Vorstands ohne Einschaltung des Aufsichtsrats zu beschlie­ ßen44. Ferner kann sie dem Vorstand nicht ungebeten Weisungen in Angele­ genheiten der Geschäftsführung erteilen45, weil dies einer einschneidenden Verschiebung im Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft jenseits des Ge­ setzes gleichkäme. Diese sicherlich krassen Beispiele verdeutlichen die sy­ stematische Verbindungslinie zwischen § 241 Nr. 3 und § 23 Abs. 5 AktG. Die durch § 23 Abs. 5 AktG limitierte Satzungsautonomie erfährt ihre not­ wendige Fortentwicklung durch die Begrenzung der Stimmrechtsmacht in § 241 Nr. 3. Die - vorgebliche - Schwierigkeit einer abschließlichen Um­ schreibung des Wesens der Aktiengesellschaft darf nicht dahin führen, diese erste Alternative als gegenstandslos bzw. als unselbständigen Unterfall der zweiten Alternative begreifen zu wollen46. Dagegen spricht bereits die re­ 42 Der Beschluß wäre also nichtig, obwohl er keine Vorschriften verletzt, die im Inte­ resse der Gesellschaftsgläubiger liegen. 43 RGZ 118, 67 (72). Dieses Ergebnis ist heute klargestellt durch § 53a AktG. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots ist nach nunmehr geltendem Recht eine Verletzung des Gesetzes i.S.v. § 243 Abs. 1 AktG und deshalb mit der Beschlußanfechtung bewehrt. 44 Siehe § 84 AktG. 45 Vgl. §§ 119 Abs. 2, 111 Abs. 4 Satz 3 AktG. 46 Die wohl herrschende Meinung will die erste Alternative in der zweiten aufgehen las­ sen und mißt ihr keinen eigenständigen Regelungsgehalt bei, so insbesondere Zöllner (wie FN 41). Richtiger demgegenüber etwa Gebler ZGR 1980, 427 (444); Huber, Festschrift

daktionelle Fassung der Norm, die das Wesen der AG an die erste Stelle ge­ setzt hat und ihr die weiteren Prüfungsmaßstäbe nachordnet. Diese Reihen­ folge darf wertungsmäßig nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden. Für ein ganz neues Anwendungsfeld von § 241 Nr. 3 AktG hat das Mit­ bestimmungsgesetz von 1976 gesorgt. Das MitbestG trifft allerdings keine Aussage darüber, wie ein mitbestimmungsinkompatibler Beschluß zu behan­ deln ist. Auch § 241 AktG ist anläßlich des Inkrafttretens des MitbestG nicht geändert worden. Dennoch ist nach der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Intention des Mitbestimmungsrechts davon auszugehen, daß Beschlüsse, die die zwingenden Normen des MitbestG verletzen, nach § 241 Nr. 3 Fall 3 AktG nichtig sind, weil sie gleichzeitig das öffentliche Interesse verletzen. Maßgebend für diese Einordnung ist letztlich die rechtspolitische Erwägung, daß die Personengruppe, deren unternehmensverfassungsrechtliches Mitwir­ kungsrecht durch das MitbestG abzusichern ist, ein stark eingeschränktes Anfechtungsrecht nach § 245 Nr. 5 AktG hat und daher auf anderem Wege gegen eine rechtswidrige Ausübung der Beschlußmacht der Hauptversamm­ lung zu schützen ist47. Insbesondere sind Hauptversammlungsbeschlüsse, die den §§ 27-29, 31, 32 MitbestG zuwiderlaufen nach zutreffender Ansicht ge­ mäß § 241 Nr. 3 AktG nichtig48. Das aus gesamtgesellschaftlichen Erwä­ gungen geschaffene Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat beruht auf einem sorgsam austarierten System, welches weder die Satzung noch die Hauptversammlung antasten darf. §§25 Abs. 1, 30 MitbestG sind die mitbestimmungsrechtliche Flankierung des Gestaltungsprinzips der limi­ tierten Satzungsautonomie. b) Beschlüsse, die ihrem Inhalt nach gegen die guten Sitten verstoßen, sind gemäß § 241 Nr. 4 AktG ebenfalls nichtig. Der Akzent liegt auf dem reinen Aussagegehalt des Beschlusses. Er muß für sich genommen und nicht nach seinem Zweck, Beweggrund oder der Art und Weise seines Zustande­ kommens gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden ver­ für Coing II (1982), S. 167 (184 ff.). Für eine restriktive Interpretation von § 241 Nr. 3 Fall 1 Hüffer (wie FN 22), RdNr. 40 ff. unter Hinweis auf die Abgrenzungsfunktionen des § 241 gegenüber den Anfechtungsgründen. Die Abschließlichkeit von § 241 ist jedoch nur eine relative, weil die dort gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe wie "Wesen der Akti­ engesellschaft" oder "öffentliches Interesse" dem Normanwender Raum gibt, Verstöße als Nichtigkeitsgründe zu qualifizieren. Dies hatte namentlich Bedeutung für die nicht gesetzlich geregelte Rechtsfolgenbestimmung der Verstöße gegen §§ 25 ff. MitbestG, vgl. BGHZ 83, 106 - Siemens. Zur Konkretisierung des Wesens der Aktiengesellschaft Jabornegg, in: Beiträge zum Zivil- und Handelsrecht - Festschrift für Ostheim, Wien 1990, S. 383 ff.; Henn, Handbuch des Aktienrechts, 4. Aufl. 1990, S. 6 ff. 47 Auf diesen Zusammenhang weist Hüffer (wie FN 22), Anh. § 241 RdNr. 1 mit Recht hin. 48 BGHZ 83, 106; 83, 151; Raiser, Komm.z.MitbestG, 2. Aufl. 1984, § 33 RdNr. 31; K.-P. Martens ZGR 1983, 237 (244 f.).

stoßen49. Nur bei inhaltlicher Sittenwidrigkeit des Beschlusses tritt die Nich­ tigkeit nach Nr. 4 ein, andernfalls ist der Beschluß bloß anfechtbar50. § 241 Nr. 4 AktG trägt damit die Abschichtung des nichtigen vom anfechtbaren Hauptversammlungsbeschluß in sich. Der mißbräuchliche Einsatz der Stimmrechtsmehrheit löst gegenüber der majorisierten Minderheit nicht die Rechtsfolge von Nr. 4 aus. Dafür ist vielmehr der Tatbestand des § 243 Abs. 2 AktG geschaffen worden. Die Minderheit muß von sich aus gestaltend ak­ tiv werden, um das Beschlußergebnis zu korrigieren. Der Maßstab der Sittenwidrigkeit erweist sich bei näherer Betrachtung für das Verbandsrecht als von sehr relativem Wert. Die Sittenwidrigkeit als Gültigkeitsschranke ist seit altersher Bestandteil des Beschlußmängelrechts und hat diverse Reformen des Aktienrechts überlebt. Dennoch hat die Norm stetig an Bedeutung verloren. Wichtig bleibt sie allenfalls als wertungsoffene Eingriffsschranke im Hinblick auf die enggefaßte Anfechtungsbefugnis, so­ fern der Beschluß Personen berührt, die nicht zur Anfechtung zugelassen sind51. Gegenüber nichtanfechtungsbefugten Personen mag die Sittenwidrig­ keit eines Beschlusses daher anders zu bestimmen sein52. Der Standard der guten Sitten ist im System des Verbandsrechts nicht un­ problematisch, weil ihm der spezifisch verbandsrechtliche Bezug fehlt. Die Verbandsordnung hält eigene Beurteilungskriterien bereit, die den außerver­ bandsrechtlichen grundsätzlich vorgehen. § 138 BGB dient der Begrenzung privatautonomer Gestaltungsmacht so­ wie der Wahrung der personalen Würde natürlicher Personen. Wichtige Teildisziplinen des wirtschaftlich relevanten Privatrechts, die ursprünglich mit den allgemeinen Generalklauseln und § 138 BGB bewältigt wurden, ha­ ben sich im Laufe ihrer Entwicklung von diesen Generalklauseln emanzi­ piert. Verwiesen sei beispielhaft auf die Ausprägung des Kartell- sowie des Wettbewerbsrechts. Den zunehmend komplexeren Anforderungen, die an diese Rechtsgebiete herangetragen wurden, konnte § 138 BGB nicht gerecht werden, weil insofern wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundlagenentschei­ dungen des Gesetzgebers gefragt sind. Die funktionale Differenzierung der Rechtsordnung53 ist auch bei § 241 Nr. 4 AktG zu beachten. Mit der Ver­ bandsordnung setzt der Normgeber seine Wertungsvorgaben und derogiert 49 RGZ 131, 141 (145). 50 RGZ 131, 141 (145); 146, 385 (388 ff.); 166, 129 (132). 51 Angedeutet in RGZ 161, 129 (144/45); deutlicher in BGHZ 15, 382 (386 ff.). 52 BGHZ 15, 382 (386 ff.) dazu A. HUECK JZ 1955, 209; HÜFFER (wie FN 22), § 241 RdNr. 56. 53 Hierzu speziell mit Blick auf § 138 BGB M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419 (428 f.) mit Nachweisen.

eine auf allgemeine Moralvorstellungen gegründete Entscheidung des Rich­ ters im Einzelfall. Für sie bleibt kein Raum. Nicht vom Sittengesetz, sondern allein vom Verbandsrecht ist eine Ant­ wort auf die Frage zu erwarten, ob zum Beispiel eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß gegenüber der Minderheit zulässig ist54. Die ältere Rechtsprechung wollte diese Rechtsfrage noch unter Rückgriff auf den Maß­ stab der Sittenwidrigkeit entscheiden55. Erst das Abstellen auf das Unter­ nehmensinteresse hat das Sittengesetz als Prüfungsmaßstab abgelöst.

2. Die Geltendmachung der Nichtigkeit Der nichtige Beschluß entfaltet die intendierten Rechtswirkungen von An­ fang an nicht. Anders als das nichtige Rechtsgeschäft ist er jedoch unter en­ gen Voraussetzungen heilbar56. Nichtige Beschlüsse lassen sich nicht ent­ sprechend § 140 BGB umdeuten, weil die Nichtigkeit die Gesellschafter ge­ rade instand setzen soll, ihren Willen von neuem und in einwandfreier Weise zu bilden. Ein Abstellen auf das hypothetisch Gewollte scheidet aus. Die Nichtigkeit eines Beschlusses läßt sich in drei Formen geltend machen. Am einfachsten geschieht dies durch Einrede, § 249 Abs. 1 Satz 2 AktG. Da­ neben ist eine eigene Nichtigkeitsklage (§ 249 AktG) statthaft. Schließlich kommt die Beseitigung eines eingetragenen Beschlusses im registergericht­ lichen Verfahren in Betracht. a) Die Nichtigkeitsklage gemäß § 249 AktG ist nach herrschender An­ sicht, die den Gesetzeswortlaut auf ihrer Seite hat, eine besondere Feststel­ lungsklage57. Dringt die Klage durch, so wirkt das Urteil, das die Nichtig­ keit feststellt, nicht wie ein gewöhnliches Feststellungsurteil nach § 256 Abs. 1 ZPO zwischen den Prozeßparteien, sondern für und wider jedermann (§§ 249 Abs. 1 Satz 1, 248 AktG). Die Nichtigkeitsklage ist also in diesem 54 RGZ 122, 159 für die Kapitalerhöhung einer GmbH, die die Minderheitsgesellschaf­ ter von 18 auf 1,8% herabdrückt, was in casu für deren Auflösungsrecht (§ 61 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) und andere wichtige Minderheitenrechte bedeutsam war. Prüfungsmaßstab ist hier nicht die Sittenwidrigkeit des Vorgehens der Mehrheit oder die Beurteilung nach den "maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnissen". Vielmehr ist die Stellung der Verwaltung bei Kapitalerhöhungen durch das Verbandsrecht hinreichend thematisiert, dazu näher M. Becker (wie FN 53), S. 424 ff. Der Beschluß war daher nicht nichtig, sondern nur anfecht­ bar. 55 Dazu unten IV.l.b. 56 Vgl. im einzelnen § 242 AktG. Die Heilbarkeit bestimmter Nichtigkeitsgründe hebt § 241 AktG von § 138 BGB ab, wo das ganze Rechtsgeschäft neu und ohne den Sittenver­ stoß vorzunehmen ist, also erst wirksam werden kann, wenn der die Sittenwidrigkeit begründende Tatbestand abgestellt ist. 57 Abweichend Karsten Schmidt JZ 1988, 729 ff. sowie ders. JZ 1977, 769 ff., der die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage nicht als Feststellungs- sondern als Gestaltungsklage begreift.

Punkt um echte Gestaltungselemente angereichert. Eine im Vordringen be­ findliche Auffassung58 faßt die Nichtigkeitsklage deshalb als Gestaltungs­ klage mit kassatorischer Urteilswirkung auf. Dieser Auffassung ist aus rechtsdogmatischen wie prozessualen Gründen zu folgen. Zwingende gesetz­ liche Bestimmungen stehen ihr nicht entgegen. § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG bedeutet keineswegs, daß das aktienrechtliche Nichtigkeitsurteil als Feststel­ lungsurteil tenoriert sein muß. Auch beim nichtigen Hauptversammlungsbe­ schluß bleibt für eine gestaltende Urteilswirkung Raum, weil der nichtige Beschluß kein absolutes Nullum ist wie etwa eine nichtige Willenserklärung oder ein nichtiger Verwaltungsakt. Das Aktiengesetz ist vielmehr in § 242 eigene Wege gegangen, indem es die Möglichkeit einer Heilung nichtiger Beschlüsse vorsieht. Hieraus erklärt sich zugleich das Rechtsschutzbedürfnis der Nichtigkeitsklage: Zwar entfaltet ein nichtiger Beschluß keine Wir­ kungen; dennoch ist es möglich, die Nichtigkeit durch Eintragung des Be­ schlusses in das Handelsregister zu überspielen. Nur bei Vorliegen der in § 242 Abs. 2 und 3 in Bezug genommenen Nichtigkeitsgründe bleibt eine Beseitigung des eingetragenen Beschlusses im registergerichtlichen Ver­ fahren nach § 144 Abs. 2 FGG statthaft (§ 242 Abs. 2 Satz 3 AktG). Dies zeigt, daß das Nichtigkeitsurteil insoweit kassatorisch wirkt, als es dem nichtigen Beschluß seine Konvaleszenzbasis endgültig entzieht59. Der formale Hinweis auf den Wortlaut von § 249 Abs. 1 Satz 1 oder darauf, daß die Nichtigkeit materiellrechtlich von selbst eintritt und es dazu keiner Gestaltung mehr bedarf60, vermag daran nichts zu ändern61. Der Charakter 58 Hierzu im Detail NOACK, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 88 ff. Die prozessualen Konsequenzen sind weitreichend mit Bezug auf die Erfor­ derlichkeit eines Feststellungsinteresses, der RechtskraftWirkung oder der Klageänderung. Der Übergang von einem Nichtigkeits- zu einem Anfechtungsantrag und umgekehrt stellt keine Klageänderung i.S.d. §§ 263, 264 ZPO dar. 59 Die Nichtigkeitsklage entzieht dem nichtigen Beschluß die Konvaleszenzbasis hin­ sichtlich einer Eintragung im Handelsregister. Die Eintragung des Beschlusses im Handels­ register ist nach § 242 AktG Grundlage der Heilung. Ist Nichtigkeitsklage erhoben, so darf der Registerrichter nicht eintragen. Die Nichtigkeit als solche ist bereits Eintragungshinder­ nis, Hüffer (wie FN 22), RdNr. 80; ders., in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1982, § 8 RdNr. 53 ff., 63 ff. Dann muß dies erst recht im Falle der Klageerhebung oder bei Vorlie­ gen eines Nichtigkeitsurteils gelten. Für den konvaleszenzbedrohten Aktionär empfiehlt sich also die Erhebung der Nichtigkeitsklage und ein (vorsorglicher) Aussetzungsantrag an das Registergericht gemäß § 127 FGG. 60 Statt vieler HÜFFER (wie FN 22), § 249 RdNr. 7. 61 Ein Wortlautvergleich zwischen § 241 Nr. 5 und § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG darf nicht überstrapaziert werden. Es bleibt stets zu berücksichtigen, daß die §§241 ff. AktG 1965 in ihrem Kem auf Vorläuferkodifikationen zurückgehen, in die die im heutigen Zivilprozeß­ recht gebräuchliche Trichotomie der Klagearten noch keinen Eingang finden konnte. Daher verbietet es sich, allein aus dem Wortlaut von § 249 Abs. 1 Satz 1 die Nichtigkeitsklage als Feststellungsklage charakterisieren zu wollen. Nach § 241 Nr. 5 wird auch auf die Anfech­ tungsklage hin ein Beschluß für nichtig erklärt und die Anfechtungsklage ist unzweifelhaft Gestaltungsklage. Im Verwaltungsprozeß ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt aufzuheben.

der Nichtigkeitsklage als Gestaltungsklage wird durch ihre Anlehnung an den Verfahrensrahmen der Anfechtungsklage unterstrichen. Danach besteht ein exklusiver Kreis klagebefugter Personen (§ 245 AktG); die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten (§ 246 Abs. 2) mit dem Antrag, den Beschluß für nichtig zu erklären. Für die Zulässigkeit der Klage muß kein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) oder ein besonderes Rechtsschutz­ bedürfnis dargetan sein. Beides folgt aus der Heilungsmöglichkeit in § 242 AktG. Das Verständnis der Nichtigkeitsklage als Gestaltungsklage62 hat wichtige Fernwirkungen auf den Rechtsschutz. Wie im Verwaltungsrecht bei der An­ fechtung eines Verwaltungsaktes läßt sich nicht unter allen Umständen die verläßliche Vorhersage treffen, ob einem Beschluß ein zur Anfechtbarkeit oder zur Nichtigkeit führender Mangel anhaftet. Die Klagefrist in § 246 Abs. 1 AktG zwingt den Kläger aus prozeßstrategischen Erwägungen, alle Gründe binnen eines Monats geltend zu machen63. Daraus, daß ein Mangel zunächst nicht eindeutig als Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund einzuord­ nen ist, dürfen dem Kläger keine Rechtsnachteile entstehen. Er erhält sich seine Rechte jedenfalls, wenn er rechtzeitig den kassatorischen Beschluß­ mängelprozeß in Gang bringt. In einer zunächst als Anfechtungsklage be­ zeichneten Klage dürfen daher auch Nichtigkeitsgründe vorgetragen werden; in der Nichtigkeitsklage vice versa Anfechtungsgründe, sofern nur die Klage den engeren Anforderungen an die Anfechtungsklage genügt64. Diese kas­ satorische Beschlußmängelklage ist mit Bezug auf ihre Funktion genauso einzuordnen wie der vergleichbare Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte. Im Verwaltungsstreitverfahren darf sich der Adressat eines belastenden, fehler­ haften Verwaltungsaktes gegen diesen ebenfalls mit der kassatorischen An­ fechtungsklage zur Wehr setzen, selbst wenn dieser nichtig ist. Insbesondere folgt aus § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht, daß für nichtige Verwaltungsakte stets nur die Feststellungsklage statthaft ist. Vielmehr sind bei nichtigen Verwaltungsakten die Anfechtungs- und die Feststellungsklage zulässig65. Ebenso ist für die aktienrechtliche Beschlußmängelklage zu entscheiden. In Dies zeigt, daß die §§241 Nr. 5, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG bestenfalls Anregungen für die Abfassung des Urteilstenors enthalten. 62 Zutreffend Karsten Schmidt JZ 1988, 729 ff., allerdings ohne Berücksichtigung der Heilungsmöglichkeit in § 242 AktG, zu der es im Verwaltungsprozeß keine Entspre­ chung gibt. 63 Dazu unten IV.3.b. 64 Eingehend Karsten Schmidt (oben FN 62). 65 Eyermann/Fröhler, Komm.z.VwGO, 9. Aufl. 1988, § 43 RdNr. 21. Darüber hin­ aus kann der Adressat eines nichtigen Verwaltungsaktes gemäß § 44 Abs. 5 VwVfG Ver­ pflichtungsklage auf verbindliche Feststellung der Nichtigkeit durch die Erlaßbehörde er­ heben.

der Konsequenz ist ein Übergehen von der einen zur anderen Klageart mög­ lich, ohne daß die Voraussetzungen einer Klageänderung gegeben sein müs­ sen, solange die Klage gegen denselben Beschluß gerichtet bleibt, weil dann Klageantrag und Lebenssachverhalt nach dem zweigliedrigen Streitgegen­ standskonzept keine Änderung erfahren. b) Eine weitere Möglichkeit der endgültigen Vernichtung nichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse eröffnet das Registerrecht. Bei Beschlüssen, die in das Handelsregister einzutragen sind, hat der Registerrichter ein Prü­ fungsrecht und eine Prüfungspflicht, die sich auf die formalen und die mate­ riellen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Beschlusses beziehen66. Das Han­ delsregister ist vor Falscheintragungen zu bewahren. Nichtige Beschlüsse dürfen daher nicht eingetragen werden ohne Rücksicht auf den Nichtigkeits­ grund. Wegen der nachteiligen Wirkung einer unrichtigen Eintragung ist einstweiliger Rechtsschutz durch das Prozeßgericht statthaft. Möglich ist eine einstweilige Verfügung gegen die Eintragungsanmeldung zum Handelsregi­ ster der Gesellschaft oder gegen die Eintragung selbst67. Nach § 144 Abs. 2 FGG kann das Registergericht schließlich einen nichtigen Beschluß auf eine entsprechende Anregung hin oder von Amts wegen löschen, sofern dieser durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint. Durch diese Ab­ schichtung der Nichtigkeitsgründe stellt das Gesetz klar, daß nicht jeder Be­ schluß, der an einem der in § 241 AktG bezeichneten Mängel leidet, defini­ tiv nichtig ist68. Ist die Nichtigkeitsklage erhoben, so kann und sollte der Kläger anregen, daß das Eintragungsverfahren nach § 127 FGG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Prozeßgerichts ausgesetzt wird69. Der Re­ gisterrichter hat bei seiner Entscheidung im Rahmen von § 127 FGG ein sehr weitgehendes Ermessen, für dessen Ausübung sich in der Praxis gewisse Richtlinien herausgebildet haben. Nur bei offensichtlich rechtsmißbräuch­ lichen oder offenbar unbegründeten Klagen wird der Registerrichter die Ein­ tragung trotz des schwebenden Verfahrens vornehmen70.

66 Heute herrschende Meinung, vgl. Hüffer (wie FN 22), RdNr. 80 m.w.N. Dagegen Baums, Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen, 1981, S. 17 ff. 67 LG Düsseldorf BB 1960, 226; OLG Düsseldorf DB 1960, 520; LG Heilbronn AG 1971, 372. 68 Baums (wie FN 66), S. 110 ff. 69 Dazu Baums (wie FN 66) in kritischer Auseinandersetzung mit § 127 FGG. 70 BGHZ 112, 9 = ZIP 1990, 985 - "Hypothekenbanken”.

3. Konsequenzen der Nichtigkeit Der nichtige Beschluß ist von Anfang an unwirksam. Er darf von der Verwaltung nicht ausgeführt und auch nicht zur Eintragung ins Handelsregi­ ster angemeldet werden. Umfaßt ein Beschluß mehrere Beschlußgegen­ stände, die sich zu einem komplexeren Beschluß zusammenfugen, so ist mit Hilfe von § 139 BGB zu entscheiden, ob Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtig­ keit führt oder ob sich ein fehlerfreier Teil noch sinnvollerweise aufrechter­ halten läßt71.

IV. Die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Die Kategorie der anfechtbaren Beschlüsse bildet nach dem Selbstver­ ständnis des Gesetzes die Auffangfallgruppe gegenüber den Nichtbeschlüs­ sen, den nichtigen Beschlüssen sowie den unwirksamen Beschlüssen. Die nur anfechtbaren Beschlüsse sind dadurch gekennzeichnet, daß das Verstrei­ chenlassen der Anfechtungsfrist sie absolut bestandskräftig macht. Die nicht gerügten Anfechtungsgründe werden endgültig präkludiert72. Der Beschluß ist sodann vollauf eintragungsfähig und kann nicht gelöscht werden. Bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist ist der Beschluß schwebend wirksam. Bleibt die Klage erfolglos oder wird sie nach Fristende zurückgenommen, so ist der Beschluß trotz eines eventuellen Mangels endgültig wirksam. Dringt die Klage durch, ist der Beschluß nichtig (§ 241 Nr. 5 AktG).

1. Anfechtungsgründe a) Allgemeines Die Beschlußanfechtung muß sich auf einen tauglichen Anfechtungsgrund stützen, den der Anfechtungskläger innerhalb der Anfechtungsfrist selbst vorzutragen hat73. Vorhandene Anfechtungsgründe werden also in einem laufenden Verfahren nicht von Amts wegen berücksichtigt. Die Grundnorm der Anfechtbarkeit ist § 243 Abs. 1 AktG. Danach kann sich die Anfechtung 71 Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 241 RdNr. 62 ff.; für die GmbH in: Baumbach/Hueck, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, Anh. §47 RdNr. 39 und

ders.,

40. 72 Eine neue Kategorie eröffnet BGHZ 101, 113 = JZ 1987, 1081 mit Anm. Karsten Schmidt. 73 Es handelt sich um das eher seltene Phänomen einer Begründungspflicht für die wirk­ same Ausübung eines Gestaltungs(-klage-)rechts; zum Verhältnis von Gestaltungsrecht und Gestaltungsgrund M. Becker AcP 188 (1988), 24 ff.

eines Beschlusses der Hauptversammlung auf eine Verletzung des Gesetzes oder der Satzung stützen. In § 243 Abs. 1 AktG hat sich deutlich sichtbar das Fundament erhalten, welches die Rechtsprechung ursprünglich zum Aus­ gangspunkt für die Ausübung jedweder Herrschaftsbefugnisse in der Aktien­ gesellschaft gewählt hatte, nämlich die Bindung an das Gesetz sowie an die Satzung74. Allerdings nicht jede denkbare Verletzung von Gesetz oder Satzung setzt den Beschluß der Anfechtung aus. Vielmehr ist ein zusätzliches Tatbe­ standsmerkmal zu beachten75. Es muß ein rechtserheblicher Verstoß vorlie­ gen, der nicht nur formale Ordnungsvorschriften betrifft76. Nicht jede Ver­ letzung von Gesetz oder Satzung kann zur Kassierung des Beschlusses füh­ ren, weil die Anfechtungsklage kein Mittel ist, das Mehrheitsvotum als be­ stimmenden Faktor der Willensbildung in der AG außer Kraft zu setzen. Wie bei den Nichtigkeitsgründen können die Anfechtungsgründe die Ebene des Verfahrens oder den inhaltlichen Bereich betreffen. Typische Verfahrens­ mängel sind Fehler bei der Vorbereitung der Beschlußfassung, Fehler in der Versammlungsleitung und beim Abstimmungverfahren, die Verletzung von Informations- und Teilnahmerechten sowie Fehler bei der Beschlußfeststel­ lung77. Der Verfahrensfehler muß erheblich sein. Hierfür stellt die herr­ schende Meinung auf seine Kausalität für das Beschlußergebnis ab78; rich­ tiger erscheint es demgegenüber, nach seiner konkreten Relevanz zu fra­ gen79. Dies schneidet etwa in Gesellschaften mit einer etablierten Mehrheits­ gruppe den Einwand ab, daß ein inhaltsgleicher Beschluß auf jeden Fall herbeigeführt worden wäre. Die nach § 243 Abs. 1 AktG beachtlichen inhaltlichen Fehler haben sich heute stark ausdifferenziert. Hierzu zählen: Mißbrauch der Mehrheitsmacht, 74 ROHGE 23, 273; 25, 307. Gegen ein Recht jedes Aktionärs auf gesetzes- und statu­ tengemäße Verwaltung Zöllner ZGR 1988, 392 (421). 75 Im Verwaltungsrecht ist diese Rechtsfolgenbeschränkung hinsichtlich der Geltend­ machung von Verfahrens- und Formfehlern in § 45 VwVfG (Heilung) sowie § 46 VwVfG geregelt. Nach § 46 kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb bean­ sprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. 76 Heute herrschende Meinung vgl. für die Aktiengesellschaft Karsten Schmidt, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1995, § 243 RdNr. 11; für die GmbH Hachenburg/ SCHILLING/ZUTT, Komm.z.GmbHG, 7. Aufl. 1979, Anh. § 47 RdNr. 93 je mit Nach­ weisen. 77 SCHOLZ/KARSTEN Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 45 RdNr. 94 ff. für die Beschlußanfechtung bei der GmbH. 78 So namentlich die ständige Rechtsprechung, vgl. den Überblick bei Hüffer (wie FN 22), § 243 RdNr. 25. 79 Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 243 RdNr. 81 ff.; Karsten Schmidt (wie FN 77), § 45 RdNr. 100.

Ungleichbehandlung der Mitglieder, unberechtigter Ausschluß vom Bezugs­ recht, Abhängigkeitsbegründung über die Gesellschaft durch Konzeminte­ gration80, Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treupflicht81 oder Ver­ weigerung der Auskunftserteilung (§ 243 Abs. 4 AktG)82. Von § 243 Abs. 1 AktG aufgefangen werden diejenigen Mängel, die nicht schon durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen (§ 241 Nr. 4 AktG). Die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB war ursprünglich einmal die Generalklausel, aus der heraus sich alle Anfechtungstatbestände entwickelt haben. Die fortschreitende Differenzierung der Verhaltensanforderungen in den Verbänden hat zu einer Lösung von den Generalklauseln des allgemei­ nen Privatrechts geführt. Es geht hierbei namentlich um das zentrale Pro­ blem der Ausübung und Kontrolle der Mehrheitsmacht. Heute darf es als ge­ sicherte Erkenntnis gelten, daß das bloß formal einwandfreie Zustandekom­ men eines Mehrheitsbeschlusses die Minderheit nicht bindet und den Willen der Gesellschaft nicht zu bilden vermag83. Hinzutreten muß nach heutigem Verständnis eine sachlich-inhaltliche Rechtfertigung der Mehrheitsentschei­ dung aus den Gegebenheiten des Gesellschafts- und Untemehmensinteresses84. Dieses Erfordernis der sachlichen Legitimation ist einerseits eine im Vergleich zu § 138 BGB85 niedrigere Schwelle, andererseits stellt sie die un­ umgängliche Orientierung an der Verbandsordnung her. Die Kontrolle der Mehrheitsmacht ist jedoch nicht der ausschließliche Gegenpol zum Schutz der Minderheit. Kontrolle der Mehrheitsmacht ge­ schieht regelmäßig ebenso zum Schutz der Gesellschaft und des Unterneh­ mens unter Einschluß aller hieran rechtlich Interessierten. Die Rechtsord­ nung denkt hier zu Recht weiter als nur an die unterlegene Minderheit. Diese wird nicht alleine um ihrer selbst willen geschützt, sondern als Teil der Ge­ sellschaft. Die Gesellschafterrechte und die Schutzbestimmungen zugunsten 80 Zur Einteilung der inhaltlichen Beschlußmängel Karsten Schmidt (wie FN 77), § 45 RdNr. 104 ff.; HÜFFER (wie FN 22), § 243 RdNr. 38 ff. 81 Zöllner (wie FN 79), § 243 RdNr. 189 ff. Aus der jüngeren Rechtsprechung BGHZ 103, 184 - "Linotype". 82 Vgl. § 243 Abs. 4 AktG. Diesem Aspekt soll im Zusammenhang mit der Behandlung der Informationsrechte der Gesellschafter nachgegangen werden, dazu unten § 20 II. 83 Den Mehrheit-ist-Mehrheit-Standpunkt bezog noch die frühe Rechtsprechung des Reichsgerichts vor allem in seiner berühmten Hibernia-Entscheidung RGZ 68, 235 (246) mit kritischer Anm. Bondi DJZ 1908, 1006. Diese Entscheidung ist bis heute ein hervorragen­ des Beispiel dafür, wie mit den Mitteln des Gesellschafts- bzw. des Privatrechts versucht worden ist, Industriepolitik (in casu: Sicherung der Energieversorgung) zu betreiben. 84 So jetzt die Rechtsprechung seit BGHZ 71, 40 - "Kali4-Salz". Dazu insbesondere Timm ZGR 1987, 403 ff. 85 Für eine Rückbesinnung auf § 138 als Beurteilungsmaßstab etwa Hönn JZ 1983, 677 (682 ff.) für das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen neben §§9-11 AGBG. Zur Auslegung von § 138 BGB Sack NJW 1985, 761.

anderer Beteiligter formen ein System sich ergänzender Wertaussagen. Die Aktivierung dieser Schutzinstrumente geschieht allerdings nicht aus sich her­ aus, so daß es eines zusätzlichen Vollstreckungsmechanismus bedarf86. Der Maßstab der Sittenwidrigkeit hat hierfür bereits seit den dreißiger Jahren mit Recht an Bedeutung verloren87. Die Ablösung des Beurteilungskriteriums der Sittenwidrigkeit hat die sonstigen Rechtsfolgen und Sanktionen sittenwid­ rigen Abstimmungsgebarens jedoch unberührt gelassen. Insbesondere bleibt die Sittenwidrigkeit als haftungsbegründender Tatbestand weiterhin relevant. Insoweit gilt nichts vom allgemeinen Zivilrecht verschiedenes. Das sitten­ widrige Rechtsgeschäft ist zwar nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, bereits verwirklichte Schäden sind nach § 826 BGB liquidierbar. Ebenso liegen die Dinge im Verbandsrecht. Wer durch seine Stimmabgabe die Gesellschaft oder seine Mitgesellschafter in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich schädigt, ist aus § 826 BGB zum Schadensersatz ver­ pflichtet. Diese Haftpflicht wird nicht durch § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG auf­ gehoben88.

b) Die Sondervorteilsanfechtung nach § 243 Abs. 2 AktG insbesondere Die Summe aller tauglichen und unter § 243 Abs. 1 AktG subsumierbaren Anfechtungsgründe entzieht sich einer abschließenden Einteilung. Unter ih­ nen hebt sich eine Fallgruppe jedoch besonders heraus, die vom Gesetz kon­ sequent gesondert behandelt wird. Die Anfechtung wegen Verfolgung von Sondervorteilen nach § 243 Abs. 2 ist z.T. eigenen Regeln unterstellt89. In dieser Bestimmung sind nach dem Willen des Gesetzgebers die ehemals unter der Rubrik des sittenwidrigen Mehrheitsmißbrauchs sowie der sittenwidrigen Vergewaltigung der Minderheit zusammengefaßten Fälle aufgegangen, so daß sie nunmehr die eigentliche Generalklausel der (aktienrechtlichen) Beschlußanfechtung bildet90. Durch das Tatbestandsmerkmal "Sondervorteil" führt das Gesetz einen neuen Systembegriff ein, der der verbandsrechtlichen Konkretisierung be­ 86 Dieser Zusammenhang wird deutlich in BGHZ 15, 382 (386 ff.) herausgearbeitet. 87 MESTMÄCKER, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 344 ff. Eine gründliche Systematisierung der älteren Rechtsprechung des Reichsgerichts findet sich bei A. Hueck, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Band IV, 1929, S. 167(171 ff.). 88 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrecht­ lichen Personenverbänden, 1963, S. 426 ff. 89 Siehe nur § 245 Nr. 3 AktG, die Kompensation für den Ausschluß der Anfechtung in § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG oder die Ausschlußbestimmungen in §§ 304 Abs. 3 Satz 2 AktG, 32 UmwG, die jedoch eine Anfechtung nach § 243 Abs. 1 unberührt lassen. 90 Vgl. BAUMBACH/HUECK, Komm.z. AktG, 13. Aufl. 1968, § 243 RdNr. 11.

darf. Zwei Elemente sind bei der tatbestandsmäßigen Erfassung von § 243 Abs. 2 entscheidend. Der Beschluß muß jemandem einen besonderen Vorteil gewähren. In dieser Formulierung steckt zuerst eine Verletzung des Gleich­ heitssatzes, da der Vorteil nicht allen Gesellschaftern gleichermaßen zufließt. Dies geschieht zu Lasten der zurückgesetzten Gesellschafter aber auch zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger. Der Sondervorteil durchläuft nicht den verfassungsmäßig vorgegebenen Entscheidungsprozeß über die Gewinnver­ wendung91. Die Leistungsgewährung muß gewissermaßen unter Verstoß ge­ gen den korporationsverfassungsrechtlichen Zuweisungsgehalt eines Ver­ mögenswertes, einer Geschäftschance oder eines sonstigen Vorteils wegen erfolgen. § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG 1965 hat gegenüber § 197 Abs. 2 AktG 1937 eine textliche Änderung erfahren, die auch inhaltliche Folgen mit sich bringt92. Unzutreffend ist die Auffassung, wonach der Inhalt von § 243 Abs. 2 bereits in Abs. 1 enthalten ist und Abs. 2 daher keine zusätzliche Be­ deutung hat93. Dies erhellt aus einer Fülle von Erwägungen. Die besondere Erwähnung rechtfertigt sich schon daraus, daß die Erstrebung eines Sonder­ vorteils noch nicht automatisch gleichbedeutend ist mit einer Verletzung des Gesetzes oder der Satzung. Das Verbot des Strebens nach Sondervorteilen ist durch § 243 Abs. 2 zur zwingenden Schranke der Stimmrechtsmacht er­ hoben. Der Sondertatbestand bedeutet schließlich eine Neuverteilung der Beweislast94. Praktisch bedeutsam ist die Verschärfung des Anfechtungs­ rechts mit Blick auf § 245 Nr. 3 AktG, der den Anfechtungskläger vom Oppositionserfordemis in der Hauptversammlung befreit, weil sich Mängel dieser Art erst nach einer eingehenderen Prüfung zeigen. Die Kompensa­ tionsmöglichkeit in § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG war im alten Recht ohne Vor­ gängerin. Die Anfechtung kann danach durch Kompensation beseitigt wer­ den, was - im Hinblick auf die rechtspolitische Fragwürdigkeit der Be­ stimmung95 — strikt zu begrenzen ist und keineswegs auf dem Grundtat­ bestand in § 243 Abs. 1 durchschlagen darf. 91 Seit 1965 verzichtet das Aktienrecht auf das Merkmal "gesellschaftsfremd" für die Sondervorteilsanfechtung. Es ist durchaus umstritten, ob sich dadurch etwas an der früheren Rechtslage geändert hat; näher dazu unten FN 104. 92 Anderer Ansicht Kropff, Aktiengesetz 1965 - Textausgabe mit Materialien, 1965, S. 329. 93 So offenbar Hüffer (wie FN 22), § 243 RdNr. 67. 94 Nach früherem Recht (§ 197 Abs. 2 AktG 1937) konnte die Sondervorteilsanfechtung nur durchdringen, wenn die innere Tatseite zu bejahen war, d.h. Vorsatz bezüglich des Er­ werbs des Sondervorteils und bezüglich des Schadens. Darauf verzichtet § 243 Abs. 2 AktG 1965 bewußt und erleichtert die Anfechtung damit, zutreffend Hüffer (wie FN 22), § 243 RdNr. 83 und 84. 95 § 243 Abs. 2 S. 2 AktG befreit den Beschluß von der Anfechtung wegen Sondervor­ teilsverfolgung, wenn er den übrigen Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt. Die Schädigung der Gesellschaft oder ihrer Gläubiger wird nicht behan­

Der Tatbestand des § 243 Abs. 2 AktG soll klarstellen, daß der jeder Mehrheitsentscheidung immanente Egoismus noch keine Anfechtbarkeit be­ gründet. Die Norm ist Bestandteil des Vermögensbindungssystems in der Aktiengesellschaft. Sie kommt zum Tragen, wenn Gesellschafter, namentlich der Mehrheitsgesellschafter, Umsatzgeschäfte mit der Gesellschaft tätigen wollen und dabei ihre Mehrheitsposition gezielt zum Einsatz bringen, um etwaige konkurrierende Bieter auszustechen, indem die Gesellschaft veran­ laßt wird, nur auf das Gebot des Mehrheitsgesellschafters einzutreten. Darf etwa der Mehrheitsgesellschafter, der ein Konkurrenzunternehmen betreibt, die Gesellschaft durch seine Stimmenmacht veranlassen, ihm den Betrieb der Gesellschaft zu verpachten?96 Oder verfolgt er hiermit Sondervorteile im Sinne des Gesetzes? Diese Fragestellung weist eine elementar korporations­ verfassungsrechtliche Orientierung auf. Nach früherem Recht (§ 252 Abs. 3 Satz 2 RGB a.F.) besaß ein Aktionär kein Stimmrecht, wenn die Beschluß­ fassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber diesem Gesellschaf­ ter betraf. Dasselbe gilt bis heute für die GmbH (§47 Abs. 4 GmbHG). §114 AktG 1937 hatte dieses angeblich in der Praxis schwierig zu hand­ habende Abstimmungsverbot abgeschafft. An seine Stelle ist die flexiblere Schranke des § 243 Abs. 2 AktG getreten. § 243 Abs. 2 AktG läßt sich sachgerecht in das System der Anfechtungstatbestände nur einordnen, wenn man die Vorschrift in Beziehung zu dem Verbot der Einflußnahme nach §117 AktG bringt. Schon die Entstehungsgeschichte beider Vorschriften, die 1937 gemeinsam Eingang ins Aktienrecht fanden, belegt ihre enge Verzahnung97. Nach § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG entfällt die Schadensersatz­ pflicht, wenn die schädigende Einflußnahme auf der Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung beruht. Hiervon unberüht bleibt eine Haftung für die Schädigung der Gesellschaft, die nach anderen Anspruchsgrundlagen zu liquidieren ist98. Das Anfechtungsrecht bezweckt gerade einen Ausgleich für diese rechtspolitisch überaus fragwürdige

delt. Der Gesellschaft muß keine Sicherheit geleistet werden. Die Bestimmung ist rechts­ politisch verfehlt, weil die Anfechtung insgesamt ausgeschlossen wird, also die Verwaltung ebenfalls nicht einschreiten kann, obwohl sie Schaden von der Gesellschaft abzuwenden hat, mit Recht kritisch Hüffer (wie FN 22), § 243 RdNr. 92 ff. 96 Hierzu die viel beachtete Entscheidung OLG Frankfurt am Main DB 1973, 660 = BB 1973, 863 mit ablehnender Anm. Rasch; ferner K.-P. Martens AG 1974, 9 (11 f.); zu­ stimmend Abrell BB 1974, 1463 (1467); Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 243 RdNr. 208. 97 SCHLEGELBERGER/QUASSOWSKI, Komm.z.AktG, 3. Aufl. 1939, § 197 Anm. 5. 98 Dies folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut "diese Vorschriften gelten nicht". Vgl. im übrigen FN 88 oben.

Enthaftung. Die Einflußnahme soll abwehrbar sein, noch ehe sie sich tatsächlich zu einem Schaden auswachsen kann". Die Anfechtung wegen Vorteilserstrebung kann nicht alleine von der Warte der unverbundenen Gesellschaft beurteilt werden. Im Lichte des Kon­ zemrechts erweist sich der wahre Wert der Norm99 100. § 101 AktG 1937 als Vorgängerin war Bestandteil des damals noch rudimentär kodifizierten Kon­ zemrechts, das die Gesellschaft in ihrem Bestreben unterstützt, selbständig zu bleiben. Die durch § 70 Abs. 1 AktG 1937 gesetzlich sanktionierte starke Stellung des Vorstands sollte die Gewähr dafür bieten, daß die Verwaltung die Gesellschaft zum Wohle ihrer Gesellschafter führt und nicht fremden Interessen ausliefert. Konzembeziehungen sind umgekehrt dadurch gekenn­ zeichnet, daß die Verpflichtung aller Gesellschafter auf den gemeinsam defi­ nierten Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand in den Hintergrund tritt. Der Konzemaktionär hat eine zusätzliche, außerhalb der Gesellschaft liegende Interessenbindung, die ihn besonders dafür anfällig macht, nach ge­ sellschaftsfremden Sondervorteilen zum Schaden der Gesellschaft zu streben, um diese für sich oder für ein anderes von ihm betriebenes Unternehmen zu verbuchen. Im Tatbestand des § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG ist mithin der Grundkonflikt des Konzemrechts fixiert. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine vertragliche oder um eine faktische Konzembeziehung han­ delt. (1) Bei der Begründung einer Organschaftsbeziehung in Form eines Gewinnabführungs- oder eines Beherrschungsvertrages, also im wichtigen Be­ reich des Konzemeingangsschutzes, ist die Sondervorteilsanfechtung aufge­ hoben, § 304 Abs. 3 Satz 2 AktG. Für die Angemessenheit des Ausgleichs soll das Spruchstellenverfahren nach § 306 AktG sorgen. Der Ausschluß der Anfechtung nach § 243 Abs. 2 ist damit auf die Phase des Vertragsschlusses beschränkt. Der Unternehmensvertrag liefert keine Rechtfertigung für die Schädigung der abhängigen Gesellschaft durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung. Beschlüssen, mit denen das herrschende Unterneh­ men Sondervorteile verfolgt, kann die Anfechtbarkeit nur durch eine Kom­ pensation nach § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG im Beschluß selbst genommen werden, nicht durch einen vorformulierten Ausgleich im Untemehmensvertrag.

99 Schadensprävention und Verhaltenssteuerung sind im Gesellschafts- und Konzem­ recht vielfach wichtiger und wertvoller als der beste Schadensersatzanspruch, vgl. M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im inter­ nationalen Vergleich, 1991, S. 419 (456 ff.). 100Hierzu ausführlich Reiners, Das Anfechtungsrecht nach § 243 Abs. 2 AktG und seine Bedeutung im Vertrags- und faktischen Konzern, Diss. Heidelberg 1987.

(2) Im (qualifizierten) faktischen Konzern^ kommt der Sondervorteils­ anfechtung eine besonders wichtige Stellung zu. Die Bestimmung hat im faktischen Konzern die Funktion, dafür Sorge zu tragen, daß das Interesse einer Mehrheit oder des Konzernaktionärs (sog. Konzeminteresse) nicht ein­ seitig auf Kosten des Gesamtinteresses durchgesetzt wird. Im faktischen Konzern existiert kein Weisungsrecht. Maßt sich die Mehrheit oder der Kon­ zernaktionär ein solches gleichwohl an, so ist — neben anderen Sanktionen — Ausgleich nach § 311 AktG zu leisten. Zusätzlich ist stets an die Haftung nach § 117 Abs. 1 AktG zu denken, die weder durch die §§311 ff. AktG als leges speciales noch durch § 117 Abs. 7 beseitigt wird101 102. Ähnlich verhält es sich mit § 243 Abs. 2 als Mittel der Schadens Verhütung. Die Vorschrift bleibt im qualifizierten faktischen Konzern ohne Abstriche anwendbar103. Wenn schon ein Beherrschungsvertrag gemäß § 117 Abs. 7 Nr. 2 AktG lediglich die allgemeine Haftung wegen Einflußnahme ausschließt, die Son­ dervorteilsanfechtung aber in vollem Umfange bestehen läßt, so darf sich der Rechtszustand im qualifizierten faktischen Konzern keinesfalls unterhalb die­ ses Standards bewegen. Die Präventionswirkung von § 243 Abs. 2 ist unver­ zichtbar zum Schutze der Gesellschaft. Bezweckt ist die Fixierung der Füh­ rung des Unternehmens sowie der Verfolgung des Gesellschaftszwecks auf die eigene Gesellschaft, deren Ressourcen einem anderen Unternehmen grundsätzlich nicht ausgeliefert werden dürfen104. Mit § 243 Abs. 2 und § 117 AktG 1965 hat sich eine bedeutsame Abkehr von der früheren Rechtslage vollzogen. Das neue Aktiengesetz hat mit einem Federstrich die Privilegierung des Konzeminteresses gegenüber dem indivi­ duellen Gesellschaftsinteresse jeder Konzemgliedgesellschaft beseitigt. Unter der Geltung des Aktiengesetzes von 1937 waren sowohl das Einflußnahmeverbot (§ 101 Abs. 3) wie die Verfolgung gesellschaftsfremder Sondervor­ 101 Zur Zulässigkeit des (qualifizierten) faktischen Konzerns Gebler, Festgabe für Otto Kunze, 1969, S. 159 (164 ff.); ders., Festschrift für Harry Westermann, 1974, S. 145 (155); Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1975, §311 RdNr. 10 ff.; Decher DB 1990, 2005 ff.; MESTMÄCKER, Festgabe für Kronstein, 1967, S. 129 (142 ff.); Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, 5. Aufl. 1993, § 19 VI (S. 376); BÄLZ, Festschrift für Ludwig Raiser, 1974, S. 287 (300 ff.). 102So zutreffend H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 117 RdNr. 35. 103GEBLER, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1975, § 292 RdNr. 98; Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1975, §311 RdNr. 103 ff.; Hüffer (wie FN 22), § 243 RdNr. 106; Reiners (wie FN 100), S. 198 ff. 104In diesem Zusammenhang gewinnt die Wortlautgenese des Sondertatbestandes (vgl. oben FN 91) Bedeutung. Gegenüber § 197 Abs. 2 AktG 1937 verzichtet § 243 Abs. 2 AktG 1965 auf das Tatbestandsmerkmal "gesellschaftsfremd". In der Sache ist die Anfechtung da­ durch erweitert worden, vgl. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechts­ macht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 295 mit FN 25. Nach gelten­ dem Recht eröffnet grundsätzlich jeder Sondervorteil die Anfechtung, mag er auch das Ge­ sellschaftsinteresse fördern oder keine gesetz- oder statutenwidrige Maßnahme bedeuten.

teile (§ 197 Abs. 2 Satz 2) außer Kraft gesetzt, wenn der Gebrauch des Stimmrechts dazu verwandt wurde, einen Vorteil zu erlangen, der schutz­ würdigen Belangen der Gesellschaft dient. Unter dem schillernden Begriff der "schutzwürdigen Belange" wurde früher insbesondere das Konzeminte­ resse gefaßt105. Die zwangsläufige Konsequenz war, daß man aus diesen Be­ stimmungen folgerte, daß das Konzerninteresse die Hintanstellung der Be­ lange eines einzelnen Konzernunternehmens rechtfertigt. Dieser Auslegung ist durch die beschriebene Gesetzesnovelle inzwischen der Boden entzogen. Gleichwohl wirkt sie für die Festlegung des Verhältnisses der Anfechtungszu den Schadensersatzbestimmungen bis heute fort. (3) Ein nicht minder wichtiger Anwendungsfall der Sondervorteilsanfech­ tung bildet heute der Ausschluß des Bezugsrechts bei der Kapitalerhöhung. Er weist eine enge Verwandtschaftsbeziehung zum Anstreben von Sonder­ vorteilen in konzemrechtlichen Zusammenhängen auf, weil der Bezugs­ rechtsausschluß das klassische Mittel zur Erlangung oder Verfestigung einer Kontrollposition ist, von der aus sich gesellschaftsfremde Sondervorteile überhaupt erst wirksam verfolgen lassen. Der Bezugsrechtsausschluß kann in diesem Kontext nur in seinen Bezügen zu den Gesellschafterrechten behan­ delt werden. Ein fehlerhafter Ausschluß vom Bezugsrecht eröffnet den Aktionären drei Anfechtungsgründe, nämlich die Anfechtung nach § 243 Abs. 1 wegen Verletzung des Gesetzes, d.h. § 186 oder § 53a, sodann die Vorteilsanfechtung nach § 243 Abs. 2 und schließlich die speziell auf Be­ zugsrechtsstreitigkeiten gemünzte Anfechtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 we­ gen des unangemessenen Ausgabebetrages für die jungen Aktien. § 255 Abs. 1 beweist, daß § 243 insgesamt anwendbar ist. Die Rechtsprechung mahnt zu einer genauen Abgrenzung zwischen § 243 Abs. 1 und 2, ohne jedoch selbst einen zureichenden thematischen Anwendungsbereich zu definieren106. § 243 Abs. 1 hat den Verstoß gegen die innere Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft zum Gegenstand sowie die Orientierung der Maßnahme am Ge-

105 Nachweise zu dem sehr umfangreichen und kontroversen Schrifttum bei Zöllner (wie FN 104), S. 79 mit FN 4 sowie S. 86 ff. Im Kem geht es um den Widerstreit von Kon­ zern- und Gesellschaftsinteresse und dessen sachgerechtem Ausgleich. Die Rechtsprechung aus der Zeit vor Erlaß des Aktiengesetzes 1937 hatte keine Ausgleichslösung angestrebt, sondern der abhängigen Gesellschaft aufgegeben, sich widerspruchslos in ihr Schicksal zu fügen, da sie ja auch alle Vorteile der Konzemeinbeziehung genieße, symptomatisch LG Braunschweig KartellRdsch. 1931, 771 bestätigt durch OLG Braunschweig KartellRdsch. 1931, 779. Dieser Denkansatz hat die Reform von 1937 maßgeblich beeinflußt, vgl. Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (AktG) vom 30.1.1937 mit amtlicher Begründung, 1937, S. 85 ff.; SCHLEGELBERGER/QUASSOWSKI (wie FN 97), § 101 Anm. 10. 106BGHZ 71, 40 (49) - "Kali+Salz", ausführlicherer Urteilsabdruck in NJW 1978, 1316 (1318).

seilschaftsinteresse, § 243 Abs. 2 adressiert daneben die Verschiebung im Gewicht der Beteiligungs- und Vermögensrechte. Im Vergleich zum früheren Recht hat der Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre eine stärkere Verrechtlichung erfahren. Mit § 53a AktG wurde der Gleichheitssatz 1978 aus Anlaß der Transformation der zweiten gesell­ schaftsrechtlichen Richtlinie107 ins Gesetz übernommen. Dies hat für die Beurteilung der mit dem Bezugsrecht und seinem Ausschluß zusammenhän­ genden Fragen ebensolche Bedeutung wie der gleichzeitig novellierte § 186. Indes erschöpft sich § 186 in einer formalen Regelung des Bezugsrechts. Ebensowenig wie beim genehmigten Kapital nach § 203 Abs. 2 AktG finden sich in § 186 Aussagen, wann ein Bezugsrechtsausschluß gesellschaftsrecht­ lich zulässig ist. Die Lücken des Gesetzes sind von der Rechtsprechung aus­ zufüllen unter Berücksichtigung der Vorgaben durch die Verbandsordnung und in Abwägung der widerstreitenden Interessen. Den Ausgangspunkt der neuen und in ihrer Tendenz zutreffenden Rechtsprechung108 bildet die Er­ kenntnis, daß ein Bezugsrechtsausschluß wie überhaupt alle Maßnahmen, die schwerwiegend und nachhaltig in die Rechte der Aktionäre eingreifen, nicht nur dem dafür vorgeschriebenen Verfahren entsprechen müssen, sondern mindestens ebenso inhaltlichen Anforderungen zu genügen haben109. Nach der nunmehr gültigen Testformel muß ein wirksamer Bezugsrechtsausschluß für die Gesellschaft erforderlich und gemessen an den zurückgesetzten Inter­ essen der Aktionäre angemessen sein. Der Bezugspunkt ist anders gewendet ein rechtfertigender Grund, der im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegt und gegen die Belange der ausgeschlossenen Aktionäre abzuwiegen ist110. Der Umstand, daß der Ausschluß des Bezugsrechts als solcher statthaft ist, rechtfertigt so nicht länger die Schlußfolgerung, daß dieses Instrument bei 107Die Einfügung von § 53a AktG beruhte auf der Transformation der zweiten gesell­ schaftsrechtlichen EG-Richtlinie. Hierzu HACHENBURG/BEHRENS, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1989, Einl. RdNr. 210 ff. 108 Die frühe Rechtsprechung des BGH ließ bereits die Abkehr von der Judikatur des Reichsgerichts erkennen, BGHZ 21, 354 (357 ff.) - Minimax I. Dazu MESTMÄCKER JZ 1957, 180 ff. 109BGHZ 71, 40 (43 ff.) - "Kali+Salz". BGHZ 83, 319 dehnte die neue Lehre folge­ richtig auf das genehmigte Kapital aus. 110Der Grundstein dieser Lehre vom Gesellschaftsinteresse als ausschlaggebendem Ent­ scheidungsfaktor ist soweit ersichtlich von H. Horrwitz JW 1923, 917 gelegt worden. Ih­ ren eigentlichen Siegeszug hatte sie jedoch - ausgebaut und verfeinert - erst in den fünf­ ziger Jahren antreten können, vgl. MESTMÄCKER JZ 1957, 180 (182); ders. BB 1961, 945 (950); ZÖLLNER (wie FN 105), S. 350 ff.; WIEDEMANN, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1994, § 186 RdNr. 14, 139 ff.; K.-P. Martens, Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 437 ff.; im Überblick jetzt SCHOCKENHOFF, Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung beim Bezugsrechtsausschluß, 1988, S. 8 ff. Bei diesem Sinneswandel mag auch die Verände­ rung des verfassungsrechtlichen Umfeldes mit ihrer gewandelten Einstellung gegenüber dem Gebrauch der Staatsgewalt und dem Minderheitenschutz eine Rolle gespielt haben.

jeder Kapitalerhöhung zur freien Verfügung der Verwaltung steht111. Die geforderte materielle Orientierung der Entscheidung reicht indes noch weiter als die spärlichen Ansätze in §§ 243 Abs. 2, 255 Abs. 2 AktG. Der Ausschluß des Bezugsrechts unterliegt einer doppelten Bindung der Entscheidungsbefugnisse112. Das Gesellschaftsinteresse stellt den Einklang mit den Grundsätzen der Verbandsordnung her. Die Maßnahme muß sowohl der Verbandsordnung gegenüber wie mit Bezug auf die Belange der Gesell­ schafter verhältnismäßig sein. Sie muß als solche geeignet und es dürfen keine weniger einschneidenden Mittel vorhanden sein, die das gleiche Ziel ebenso effizient zu erreichen helfen113»114. Das Gesellschaftsinteresse ist vom Eigeninteresse eines von einem Ausschluß des Bezugsrechts profitieren­ den Gesellschafters oder der Verwaltung zu trennen. Häufig dient das Ge­ sellschaftsinteresse der Ummäntelung eines reinen Eigeninteresses. Wer Mittel der Gesellschaft verwendet, um sich oder einem Dritten einen von der gegenwärtigen oder künftigen Kapitalmehrheit der Aktionäre unabhängigen Einfluß auf die Gesellschaft zu verschaffen, verfolgt Sondervorteile. Der Be­ schluß ist der Anfechtung ausgesetzt, und die Verwaltung verletzt ihre Amtspflichten gegenüber den Aktionären115. Mit § 243 Abs. 2 wird die An­ fechtung nach Abs. 1 konkurrieren, weil ein nicht rechtmäßiger Bezugs­ 111So aber die früher herrschende Meinung, vgl. RGZ 68, 235 (244) - "Hibernia"; 105, 373 (375); 107, 67 (70); 118, 67 (71); 119, 248 (254); SCHLEGELBERGER/ Quassowski (wie FN 97), § 153 Anm. 11. 112 Hierzu eingehend Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzembildung, 1986, S. 129 ff.; Schockenhoff, Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung beim Bezugs­ rechtsausschluß, 1988, S. 29 ff. 113 Die verbandsrechtliche Formulierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgte durch Zöllner (wie FN 104), S. 351 ff.; sie geschah anhand des Bezugsrechtsausschlusses. 114 Damit rückt der Umfang der gerichtlichen Prüfungsbefugnis ins Zentrum der Über­ legungen. Im Rahmen von § 243 Abs. 1 und Abs. 2 AktG darf das Gericht den angefochte­ nen Hauptversammlungsbeschluß nur auf seine Rechtmäßigkeit, also seine Vereinbarkeit mit Gesetz und Satzung, überprüfen. Die wirtschaftlich-unternehmerische Zweckmäßigkeit ent­ zieht sich grundsätzlich einer gerichtlichen Überprüfung. Die Mehrheit genießt einen Ermes­ sensspielraum im Rahmen des kaufmännisch Vernünftigen und Nachvollziehbaren. Ist der Beschluß oder eine Maßnahme für das Unternehmen nicht notwendig, so mag dies als Indiz für die Sachfremdheit zu werten sein, BGH WM 1970, 1165. Diese Rechtsprechung hat durch BGHZ 71, 40 eine Ausweitung erfahren. Eine zu knapp bemessene Kontrolldichte bzw. ein zu großzügig geschnittener Ermessensspielraum schneidet die Verhältnismäßig­ keitsprüfung ab. In § 186 Abs. 1 AktG ist ein Grundrecht der Aktionäre enthalten, das die Mehrheit nicht ohne weiteres durch Berufung auf ihren kaufmännischen Ermessensfreiraum aushöhlen kann. Wer in dieses Recht eingreifen will, muß sich eine inhaltliche Kontrolle gefallen lassen. Das Gesellschaftsinteresse ist dabei nicht nach subjektiven Kriterien von der Warte der Verwaltung, sondern nach objektiven Kriterien zu bewerten, zu dieser Streitfrage Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzembildung, 1986, S. 21 ff.; Schockenhoff (wie FN 110), S. 21 ff. Der BGH (BGHZ 71, 40 [50]) neigt wohl eher der subjektiven Bestim­ mung zu, ebenso Schockenhoff, S. 26 ff. 115Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 146 ff.

rechtsausschluß stets auch die Zuständigkeitsordnung in der Aktiengesell­ schaft verletzt. Eine maßgebliche Abgrenzungsfunktion bei der Erfassung des Tatbe­ standsmerkmals Sondervorteil kommt im Zusammenhang von Kapitalerhö­ hungen dem Finanzierungsbedüifnis der Gesellschaft zu. Das Gesetz behan­ delt alle Typen der Kapitalerhöhung unter der Rubrik Maßnahmen der Kapi­ talbeschaffung. Die Zufuhr neuer Mittel in Form von haftendem Eigenkapi­ tal ist die gesellschaftsrechtliche Legitimation der Kapitalerhöhung gegen Einlagen, mit der ein Eingriff in die bisherige Kapitalisierungsstruktur der Gesellschaft einhergeht. Kein Gesellschafter ist gezwungen, einer Kapitaler­ höhung zuzustimmen oder neue Einlagen zu zeichnen116. Die Kapitalerhö­ hung gegen Einlagen hat zwei zu scheidende Komponenten: Einerseits ist sie Instrument zur Verbreiterung der Kapitalbasis, auf der anderen Seite Mittel zur Veränderung der Stimmengewichte in der Hauptversammlung. Der letzt­ genannte Gesichtspunkt beinhaltet den eigentlichen Zündstoff, der immer wieder den Anlaß zu gerichtlichen Auseinandersetzungen bietet. Die Kapi­ talerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß ist rechtswidrig und anfechtbar, wenn sie von der amtierenden Verwaltung ins Werk gesetzt wird, um sich kapitallose Stimmrechte in der eigenen Hauptversammlung zu verschaffen, indem die neuen Anteile von ihr selbst oder von einer "verwaltungstreuen" Aktionärsgruppe bezogen werden. Diese Gestaltung wurde in der Ver­ gangenheit gezielt als Substitution für die inzwischen verbotenen Schutzak­ tien gewählt, durch die die Verwaltung die Gesellschaft vor einer Überfrem­ dung bewahren wollte. Existiert bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechts­ ausschluß kein wirkliches Finanzierungsbedürfnis der Gesellschaft117, so be­ gründet dies eine widerlegliche Vermutung, daß die beschließende Mehrheit Sondervorteile verfolgt. Das Finanzierungsbedürfnis erlaubt so eine Objekti­ vierung des Tatbestandsmerkmals des Strebens nach Sondervorteilen, die im Interesse der Rechtssicherheit für die Anwendung von § 243 Abs. 2 zu for­ dern ist118. Der Finanzierungsbedarf der Gesellschaft kann in Bar- sowie in Sachmit­ teln bestehen. Sind bestimmte Sachmittel gefragt, z.B. ein für die Produk­ 116Vgl. die interessante Entscheidung der Cour d'Appel de Paris, Rev.soc. 1990, 613 mit Anm. Boizard. Instruktiv auch BGHZ 98, 276. Für eine begrenzte Zustimmungspflicht Scheel BB 1985, 2012. Die Treupflicht von Minderheitsaktionären mit Sperrminorität bei der Stimmabgabe betont BGHZ 129, 136 - "Girmes". 117 Der Begriff des Bezugsrechtsausschlusses ist weit zu fassen; er umfaßt insbesondere die Fälle wirtschaftlicher Manipulationen. So darf die Mehrheit nicht bewußt den Umstand fehlender Liquidität auf Seiten der Minderheit ausnutzen, um das Kapital zu erhöhen und die jungen Aktien selbst zu beziehen. Zu diesem verdeckten Bezugsrechtsausschluß SCHOLZ/PRIESTER, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 55 RdNr. 67. 118Zutreffend Hirte (wie FN 114), S. 21 ff.

tion notwendiges Patent, ein Betriebsgrundstück in besonderer Lage oder know-how für ein Fertigungsverfahren, so mag ein Bezugsrechtsaus­ schluß nach den oben ausgeführten Grundsätzen eher gerechtfertigt sein und nicht der Sondervorteilsanfechtung unterfallen, als wenn Kapital oder sonstige vertretbare Gegenstände benötigt werden. Geht es darum, einen In­ vestor zu gewinnen, der über diese betriebsnotwendigen Mittel verfügt, sie jedoch nur gegen Einräumung einer entsprechenden Beteiligung am Grund­ kapital zur Verfügung stellen will, so liegt, wenn die jungen Aktien als Gegenleistung ausschließlich ihm zugewandt werden, in der Regel keine Verfolgung von Sondervorteilen vor. Genau zu prüfen bleibt jedoch der an­ gemessene Ausgabebetrag, dessen fehlerhafte Festsetzung zur Anfecht­ barkeit nach § 255 Abs. 2 AktG berechtigen mag119. Die Unvertretbarkeit einer Sacheinlage bildet kein Hindernis gegen ihre marktmäßige Bewertung, zu der die Verwaltung verpflichtet ist. Es hat vor § 243 Abs. 2 AktG keinen Bestand, wenn, ohne daß ein Kapi­ talzuführungsbedürfnis objektiv meßbar ist, die Gesellschafter-Mehrheit über einen Bezugsrechtsausschluß die Gesellschaft lediglich gegen einen Wettbe­ werber abschließen will, der mit dem erklärten Ziel auftritt, die Gesellschaft zu beherrschen, um sie als Konkurrentin im Interesse seines eigenen Er­ werbsgeschäfts zu liquidieren. Dies wäre ein instrumentaler Mißbrauch des Instituts der Kapitalerhöhung. Zum anderen ist diese Rechtsfrage durch die §§22 ff. GWB thematisiert und einem ganz anderen Rechtsdurchsetzungs­ system anvertraut. Jede andere Entscheidung verwischt die funktionalen Grenzen zwischen dem Gesellschaftsrecht als Untemehmensorganisationsrecht und dem Wettbewerbsrecht als Marktmachtaufsichtsrecht120. Seit der Reform von 1965 erweitert § 255 Abs. 2 AktG die Anfechtung dahingehend, daß die Modalitäten eines Kapitalerhöhungsbeschlusses mit Ausschluß des Bezugsrechts zur gerichtlichen Nachprüfung gestellt werden können. Das Gesetz bezweckt einen Verwässerungsschutz, um weitere Schädigungen aus­ zuschließen. Der vom Aktienbezug ausgeschlossene Aktionär kann seine Beteiligungsquote nicht halten. Sie sinkt relativ herab, was ihn an der Aus­ übung wichtiger Kontrollrechte, für die nach dem Gesetz ein Mindestanteils­

119Übereinstimmend Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 III 2 b (S. 448). 120Diese Fragestellung gipfelte in den Minimax-Entscheidungen des Bundesgerichtshofs,

vgl. BGHZ 21, 354; 33, 175. Das Gericht verneint in der zweiten Entscheidung die Verfol­ gung gesellschaftsfremder Sondervorteile, wenn die Verwaltung die Gesellschaft gegen einen Konkurrenten abschirmt. Unter Zuhilfenahme des gesellschaftsrechtlichen Instruments des Bezugsrechtsausschlusses, zustimmend G. Hueck, Festschrift für Nipperdey zum 70. Geburtstag, Band I, 1965, S. 427 (440); K.-P. Martens, Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 437 (451 ff.); ablehnend dagegen Mestmäcker BB 1961, 945 ff.

besitz erforderlich ist, hindern mag121. Werden obendrein die neuen Aktien unter ihrem inneren Wert ausgegeben, so verliert die Beteiligung der Altak­ tionäre zusätzlich an Wert. Die Bedeutung von § 255 Abs. 2 AktG besteht im Vergleich zu § 243 Abs. 2 darin, daß der Anfechtungskläger den subjek­ tiven Tatbestand der Vorteilsanstrebung nicht dartun muß122. Die Anfech­ tung greift durch, wenn der im Beschluß festgelegte Ausgabekurs unange­ messen niedrig ist. Die Angemessenheit des Ausgabekurses begrenzt das Leitungsermessen der Verwaltung. Der Emissionskurs ist am inneren Wert des Unternehmens auszurichten. Goodwill und Reserven sind miteinzurech­ nen. Eine schematische Zugrundelegung des Börsenkurses scheidet aus, weil dieser nur das jederzeit liquide Abfindungsguthaben des Aktionärs anzeigt, welches aber noch keine verläßlichen Rückschlüsse auf den tatsächlichen Anteilswert zuläßt. Jenseits des inneren Anteilswerts ist der Vorstand bei der Festsetzung des Emissionkurses frei; jedoch ist darauf zu achten, daß die jungen Aktien am Kapitalmarkt plazierbar sind. Die Konkretisierung des Gesetzesrechts bezüglich des Bezugsrechtsaus­ schlusses ist bisher durchweg am Beispiel der Aktiengesellschaft entwickelt worden. Dennoch handelt es sich nicht um eine Fragestellung, die gerade mit der Publikumsgesellschaft verbunden ist. Bei ihr werden lediglich die dahinterstehenden Interessenkonflikte eher ausgetragen. Nicht prinzipiell verschieden ist die Rechts- und Interessenlage bei der GmbH. Anders als § 186 AktG gibt § 55 GmbHG keinen verläßlichen Aufschluß darüber, ob die bisherigen Gesellschafter ein gesetzliches Bezugsrecht haben und ob die­ ses im Beschluß über eine Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden kann123. § 55 GmbHG, der im Kem noch immer in der Fassung des ursprünglichen GmbH-Gesetzes von 1892 gilt, beantwortet nur die ohnehin unproblema­ tische Frage, daß zur Übernahme einer Stammeinlage von der Gesellschaft die bisherigen Gesellschafter oder andere Personen zugelassen werden dür­ fen. Keine Aussage trifft die Bestimmung darüber, welche innergesellschaft­ lichen Willensbildungsprozesse dieser Entscheidung vorgelagert sind und welche Kompetenzen die mitwirkenden Gesellschaftsorgane dabei haben. Daß Dritte zur Übernahme einer Stammeinlage zugelassen werden können, deutet an, daß es kein ausschließliches Bezugsrecht der Alt-Gesellschafter gibt. Gesellschafter, die selbst keine neuen Einlagen zeichnen wollen, müs­ 121 Etwa Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung auf Verlangen einer Minderheit nach § 121 Abs. 1 AktG, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 Abs. 1 oder die Bestellung von Sonderprüfern gemäß § 142 Abs. 2 AktG. 122HÜFFER (wie FN 22), § 255 RdNr. 2. 123Zum ganzen Fragenkreis SCHOLZ/PRIESTER (wie FN 117), § 55 RdNr. 52 ff. sowie unter dem Blickwinkel der Treubindungen M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 262 ff.

sen dies nicht tun (arg. § 707 BGB). Der Finanzierungsbedarf der Gesell­ schaft soll dann von dritter Seite befriedigt werden. Das GmbHG verbietet den Ausschluß des Bezugsrechts nicht. Bei der GmbH fallen aber rechts­ formspezifische Besonderheiten ins Gewicht, die so bei der Aktiengesell­ schaft nicht existieren. Dazu gehört, daß das Kapitalaufbringungssystem an­ läßlich der Gründung nach ständiger Rechtsprechung124 für die Durchfüh­ rung der Kapitalerhöhung entsprechend gelten soll. Für den vom Bezugs­ recht ausgeschlossenen GmbH-Gesellschafter potenziert dies die genannten Gefahren. Neben dem Verlust seines beteiligungsmäßigen Status quo und ne­ ben einem Verwässerungsrisiko läuft er Gefahr, für die Aufbringung von Fehlbeträgen der an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Gesellschafter nach § 24 GmbHG haftbar zu werden, obwohl er u.U. weder der Kapitalerhöhung noch dem Bezugsrechtsausschluß zugestimmt hatte. Bei der Aktiengesell­ schaft gibt es diese Haftung im Stadium der Kapitalerhöhung überhaupt nicht und in der Gründungsphase nur in erheblich abgeschwächter Form, nämlich bei Kenntnis der Leistungsunfähigkeit (§46 Abs. 4 AktG). Bei der GmbH kommt hinzu, daß dort in der Regel intensivere Treuebin­ dungen der Gesellschafter untereinander bestehen und daß das ausschlag­ gebende Motiv für die Beteiligung an der Gesellschaft nicht allein das Su­ chen einer rentablen Kapitalanlage, sondern mindestens ebenso die Mitarbeit im Unternehmen ist. Diese Rahmenbedingungen zeichnen die rechtliche Be­ wertung des Bezugsrechtsausschlusses im GmbH-Recht vor. Bei der Abwä­ gung der widerstreitenden Interessen und zur Ermittlung der konkreten Ver­ hältnismäßigkeit sind strengere Anforderungen an die Zulässigkeit eines Be­ zugsrechtsausschlusses zu stellen. Die aktienrechtlichen Prinzipien der Justitiabilität gelten erst recht, da sie einer elementaren ordnungspolitischen Vorstellung Ausdruck verleihen. Der Hinweis auf die subsidiäre Ausfallhaf­ tung gemäß § 24 GmbHG verlangt nach einer Beachtung der gesetzlichen Wertungsentscheidungen hinter dieser Rechtsform: Schwerwiegende Ein­ griffe in die Mitgliedschaft müssen vorher absehbar sein125, und eine unkal­ kulierbare Leistungsvermehrung bedarf der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter126. Es sprechen daher gute Argumente dafür, für einen Aus­ schluß des Bezugsrechts im GmbH-Recht nicht erst de lege ferenda eine sta­ tutarische Grundlage zu fordern und nicht aus einer überalterten Gesetzes­ bestimmung, in die modernes gesellschafts- und verfassungsrechtliches Denken noch keinen Eingang finden konnte, ableiten zu wollen, daß ein Be­ 124 Zur Haftung nach § 24 GmbHG bei Kapitalerhöhungen LG Mönchengladbach GmbHRdsch. 1986, 312 = EWiR 1986, 161. 125Arg. § 34 Abs. 1 GmbHG. 126Arg. §§ 53 Abs. 3, 27 GmbHG.

zugsrecht nur bei gesellschaftsvertraglicher Einräumung existiert und die Verwaltung sowie die Gesellschaftermehrheit bei der Zulassung der Ein­ lagenzeichner nur den allgemeinen Bindungen unterliegen127. Es bedeutet einen grundlegenden Irrtum, das geltende GmbH-Gesetz mit dem geltenden GmbH-Recht gleichzusetzen. Vorläufig darf für den Schnittpunkt von Bezugsrechtsauschluß und der Anfechtung wegen der Verfolgung von Sondervorteilen festgehalten werden: Ein ausgeschlossenes Bezugsrecht aller Aktionäre mit alleinigem Bezugsrecht eines Gesellschafters oder eines Dritten ist in hohem Maße für ein Streben nach Sondervorteilen anfällig. Das ökonomische Kardinalprinzip, daß die Knappheit eines Gutes seinen Preis bestimmt und daß der Preis den Markt räumt, wird durch das Bezugsrechtssystem außer Kraft gesetzt. Die jungen Aktien werden nicht zu marktmäßigen Bedingungen versteigert und nicht der höchstmögliche Erlös erzielt. Die zutreffende Ausrichtung der zu treffenden Entscheidungen am Gesellschaftsinteresse würde es nahelegen, die Priorität darauf zu richten, daß die Gesellschaft einen möglichst hohen Preis für die neuen Anteile am Kapitalmarkt erzielt. Die bisherigen Gesellschafter wären ausreichend dadurch geschützt, daß ihnen ein Vorkaufsrecht zusteht, also gemäß § 504 BGB das Gestaltungsrecht, in einen bestehenden Vertrag zu den ausgehandelten Konditionen einzutreten. Das Bezugsrechtssystem geht darüber hinaus, indem es den Gesellschaftern ein echtes Vorrecht zugesteht: Die Verwaltung muß die jungen Aktien überhaupt nicht zum Marktpreis aus­ geben, sondern kann einen niedrigeren Ausgabebetrag festsetzen, solange sie nur nicht das Verbot der Aktienausgabe unter dem Nennbetrag (§ 9 Abs. 1 AktG) verletzt. Den Gesellschaftsgläubigem kommt unmittelbar nur die er­ höhte Nennkapitalziffer als Ausschüttungssperre zugute. Solange alle Gesell­ schafter, die dies wünschen, proportional zu ihrem bisherigen Anteilsbesitz zur Zeichnung zugelassen sind, werden sie gleich behandelt, ganz gleich ob sie für die jungen Aktien zu viel oder zu wenig bezahlen. Durch das Bezugs­ rechtssystem zwingt das Gesetz - in den Grenzen von § 9 Abs. 1 AktG so127In der Tendenz gegen ein gesetzliches Bezugsrecht bei der GmbH noch RGZ 122, 159 (163 ff.) mit einem besonders krassen Mißverhältnis von Finanzierungsinteresse und Eigenbegünstigung. Gegen ein gesetzliches Bezugsrecht der GmbH-Gesellschafter noch heute Meyer-Landrüt, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Komm.z.GmbHG, 1987, § 55 RdNr. 14 und 19. - Für ein Bezugsrecht dagegen OLG Stuttgart JR 1955, 463; Scholz/Priester (wie FN 117), § 55 RdNr. 41; Baumbach/Hueck/Zöllner, Komm.z. GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 55 RdNr. 13; Rowedder/Zimmermann, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 55 RdNr. 30 ff.; Lutter AcP 180 (1980), 84 (123); im Ergebnis wohl auch Hachenburg/Ulmer, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 55 RdNr. 39 ff. - Zur Rechts­ lage in Östeneich, wo § 52 Abs. 3 öGmbHG jedem Gesellschafter mangels einer anderwei­ tigen Festsetzung im Gesellschaftsvertrag oder im Kapitalerhöhungsbeschluß ein proportio­ nales, auf vier Wochen begrenztes Vorrecht zur Übernahme einer neuen Stammeinlage ge­ währt, OGH 16.12.1980 SZ 53/172 = GmbHRdsch. 1984, 235 mit Anm. Nowotny.

wie im Rahmen der Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln — die Ver­ waltung nicht zu einer Optimierung der Kapitalbeschaffung, d.h. zur Erzie­ lung des höchstmöglichen Preises am Markt. Das Szenario verändert sich beim Ausschluß des Bezugsrechts, weil sich hier die Vorrechtslösung noch potenzierend auswirkt. Dies rechtfertigt einen doppelten Begründungszwang. Der Ausschluß muß als solcher statthaft (§ 243 AktG) und er muß angemes­ sen sein (§ 255). 2. Anfechtungsbefugnis

§ 245 AktG verlangt für das Anfechtungsverfahren eine besondere An­ fechtungsbefugnis. Das Anfechtungsverfahren ist im Zivilrechtsweg auszu­ tragen. Dem Zivilprozeß ist das Erfordernis einer allgemeinen Klagebefugnis fremd. Dort ist jeder Kläger, der ein eigenes Recht im eigenen Namen ein­ klagt, automatisch zur Klage befugt. Die Sachlegitimation ist keine Frage der Zulässigkeit einer Klage, sondern ihrer Begründetheit128. Eine Klagebe­ fugnis als echte Sachurteilsvoraussetzung gibt es im öffentlichen Recht etwa in §§ 90 Abs. 1 BVerfGG, § 42 Abs. 2 VwGO. Die Klagebefugnis im Ver­ waltungsprozeß reicht so weit, daß der Kläger substantiiert vorbringen muß, durch den angegriffenen Hoheitsakt in einem eigenen subjektiv öffentlichen Recht verletzt zu sein. Das Erfordernis der Klagebefugnis will einer Popularklage entgegenwir­ ken. § 245 AktG begrenzt den Kreis der Anfechtungsbefugten auf die Aktio­ näre bzw. die Organe der AG. Zur Anfechtung befugt ist zunächst der Ak­ tionär unabhängig von der Höhe und von der Dauer seiner Beteiligung. An­ ders als die Minderheitenrechte in §§ 122 Abs. 1, 147 Abs. 1, 258 Abs. 2 AktG berechtigt schon der Besitz von nur einer Aktie - gleich welcher Gattung - zur Anfechtung. Des weiteren sind der Vorstand und unter den Voraussetzungen von § 245 Nr. 5 jedes Mitglied des Vorstands sowie des Aufsichtsrates zur Anfechtung berechtigt. Wiewohl das Anfechtungsrecht des Aktionärs und das der Verwaltung in einer Norm zusammengefaßt ist, kann die Grundlage für die Ausübung des Rechts nicht die gleiche sein. Für den Aktionär ist Basis der Anfechtung seine mitgliedschaftliche Beziehung zur Aktiengesellschaft, für die Verwaltungsmitglieder bzw. die Organe, denen sie angehören, ist es aus der organschaftlichen Beziehung abzuleiten. Fehlt die Anfechtungsbefugnis nach § 245 AktG, so ist die Klage als unbegründet abzuweisen129.

128Siehe nur MünchKommZPO-G. Lüke, 1992, RdNr. 8 vor § 253. 129Im Gegensatz hierzu ist im Verwaltungsprozeß eine Klage bei fehlender Klagebefug

nis (§ 42 Abs. 2 VwGO) als unzulässig abzuweisen.

a) Für die Aktionäre ist die Beschlußanfechtung stark eingeschränkt. Dar­ aus mag man die restriktive Grundeinstellung des Gesetzgebers gegenüber der Beschlußanfechtung ablesen. Die Anfechtungsbefugnis des Aktionärs ist gegründet auf sein verbandsrechtliches Grundrecht, die gesetzes- und statu­ tenkonforme Verwaltung der Gesellschaft zu verlangen. Die Beteiligungs­ höhe ist irrelevant, weil ein gesetzes- und statutenkonformes Abstimmungs­ gebaren der Hauptversammlung einen Wert an sich darstellt130. Die Beein­ trächtigung der Mitgliedschaft durch einen rechtswidrigen Beschluß löst nach der Vorstellung des Gesetzes die Anfechtung aus. Daneben muß der Kläger nicht dartun, in irgendwelchen Rechten verletzt zu sein131. Von den in § 245 Nr. 2 und 3 AktG behandelten Anfechtungsgründen abgesehen ist die An­ fechtungsbefugnis für den Aktionär nur eröffnet, wenn er in der beschlie­ ßenden Hauptversammlung erscheint und gegen den anzugreifenden Be­ schluß Widerspruch zur Niederschrift erklärt, § 245 Nr. 1 AktG. Die Berechtigung dieser Erfordernisse ist näher zu prüfen, zumal sich jene Einschränkungen bei der Anfechtungsbefugnis der Organmitglieder nicht wiederfinden. Das Erfordernis des Erscheinens in der Hauptversamm­ lung wird damit gerechtfertigt, daß der Aktionär durch seine persönliche Anwesenheit bzw. Vertretung zum Ausdruck bringt, an den Geschicken der Gesellschaft Anteil zu nehmen132. Den gewerblichen Opponenten auf Hauptversammlungen soll ihr Handwerk erschwert werden. Die Präsenzob­ liegenheit schafft die Voraussetzung für die Widerspruchsobliegenheit nach § 245 Nr. 1 AktG133. Nur wenn beides eingehalten ist, bleibt das Anfech­ tungsrecht erhalten. Ein wirksamer Widerspruch zur notariellen Niederschrift stellt nicht zu unterschätzende Anforderungen an den Aktionär. Zunächst errichtet die Widerspruchspflicht eine gewisse psychologische Barriere, weil sich der Ak­ tionär als Opponent öffentlich offenbaren muß und in eine Konfrontations­ stellung zur Hauptversammlungsmehrheit gerät. Der Widerspruch verlangt, daß der Wille, den Beschluß nicht verbindlich werden zu lassen, hinreichend deutlich artikuliert wird134. Der Gebrauch bestimmter Fachausdrücke ist dazu nicht erforderlich, ebensowenig eine Begründung des Widerspruchs, 130Zu den Bestrebungen, das Anfechtungsrecht weiter einzuschränken - etwa durch Einführung einer Mindestanteilsbesitzhöhe - und ihrer Bewertung sogleich unten im Text. 131 Vgl. zutreffend BGHZ 70, 118 - “Mannesmann". Danach ist es unschädlich, daß der Kläger die Einführung einer 5%igen Höchststimmrechtsbeschränkung anficht, obwohl er hiervon in seinem persönlichen Stimmengewicht nicht betroffen werden kann. 132 Nachweise zur ratio legis anhand der Entstehungsgeschichte der Norm bei SCHUBERT/HOMMELHOFF (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1984, S. 467. 133 Ausführlich zum Widerspruch des Aktionärs in der Hauptversammlung Noack AG 1989, 78. 134Zutreffend Hüffer (wie FN 22), § 245 RdNr. 33 ff.

wohl aber muß deutlich zum Ausdruck gebracht sein, gegen welchen Be­ schluß sich der Widerspruch richten soll. Ein Widerspruch gegen sämtliche auf der Versammlung gefaßten Beschlüsse wird für zulässig gehalten135. Der Widerspruch ist während der Hauptversammlung, also nach Eröffnung und vor ihrer Schließung, gegenüber dem Versammlungsleiter zu erklären. Das muß nicht unbedingt während der Behandlung des betreffenden Tagesord­ nungspunktes geschehen. Dieser kurze Überblick mag ausreichen, um aufzu­ zeigen, daß ein unerfahrener Laie leicht zu überfordern ist. Die gravierende Erschwerung des Anfechtungsrechts, die eine so hoch gesteckte Obliegenheit mit sich bringt, ist rechtspolitisch nur akzeptabel, wenn dem Widerspruch gemessen am Stellenwert der Anfechtungsklage überhaupt eine wichtige Funktion zufällt. Ähnlich wie im Verwaltungsstreitverfahren (§ 68 ff. VwGO) bietet der Widerspruch nach § 245 AktG die Möglichkeit, zunächst eine verbandsinteme Abhilfe zu versuchen, ehe sich externe Instanzen mit der Sache be­ fassen müssen. Im Unterschied zum verwaltungsrechtlichen Widerspruch er­ öffnet der Widerspruch zur Niederschrift allerdings kein eigenständiges Vor­ verfahren. Das Widerspruchserfordernis ist im Zusammenhang mit dem Selbstverwaltungsprinzip zu sehen. Fehler jedweder Art sollen dort verhütet oder beseitigt werden, wo sie ihren Ursprung nehmen. Das Aktiengesetz be­ hält der Hauptversammlung das Recht vor, einen anfechtbaren Beschluß zu bestätigen (§ 244 Satz 1). Ebenso kann sie einen fehlerhaften Beschluß auf­ heben und durch einen neuen noch in derselben Versammlung ersetzen136. Die Beseitigung eines fehlerhaften Beschlusses ist nicht ausschließlich einem Gericht vorbehalten. Nach richtigem Verständnis ersetzt dieses nur die eigentlich vom Gesellschaftsorgan Hauptversammlung herbeizuführende Aufhebung eines fehlerhaften Beschlusses. Nur derjenige Aktionär, der Widerspruch in der von § 245 Nr. 1 ver­ langten Form erhebt, erhält sich das Recht zur Anfechtung. Für die übrigen ist die Anfechtung verwirkt. Keinen Aktionär trifft eine Widerspruchspflicht, selbst wenn er für den fehlerhaften Beschluß gestimmt hat und noch während der andauernden Versammlung zu besserer Einsicht gelangt. Fassung und Aufbau von § 245 AktG provozieren die Rückfrage, ob nicht auch die Ver­ waltung widerspruchsbelastet ist. Die Antwort des Gesetzes erscheint eindie ständige Rechtsprechung seit RGZ 30, 50 (52); 36, 24 (26). noch versammelten Aktionäre könnten einen fehlerhaften Beschluß sehr wohl aufheben bzw. ändern. Auszugehen ist von § 124 Abs. 4 AktG, wonach nur über einen ord­ nungsgemäß bekannt gemachten Antrag wirksam Beschlüsse gefaßt werden dürfen. Ist dies der Fall und wird ein fehlerhafter Beschluß gefaßt, verbraucht dies die Bekanntmachung nicht, so daß man nach Beschlußfassung und Beschlußergebnisverkündung durch den Ver­ sammlungsleiter erneut in diesen Tagesordnungspunkt eintreten kann. 135So

136Die

fach: Die Anfechtung nach § 245 Nr. 4 und 5 ist von keinem Widerspruchserfordemis abhängig gemacht. Dennoch ist die Rechtslage mit Bezug auf die Verwaltung eine andere. Die Verwaltung trifft vermöge ihrer Amtsstellung eine Rechtspflicht, rechtswidrigen Beschlüssen entgegenzutreten und Scha­ den von der Gesellschaft abzuwenden. Nach § 83 Abs. 2 AktG ist der Vor­ stand verpflichtet, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zustän­ digkeit beschlossenen Maßnahmen auszufuhren. Diese Vorschrift ist dahin auszulegen, daß nur die rechtmäßigen Beschlüsse auszufuhren sind. Der Verwaltung ist ebenso wie einem Aktionär zuzumuten, einem rechtswidrigen Beschluß noch in der Hauptversammlung zu widersprechen. Dies erklärt sich bereits zwanglos aus dem ohnehin beträchtlichen Informationsgefälle zwi­ schen Gesellschafter und Verwaltung. Die geschäftsführenden Organe sind gemäß §§ 121 Abs. 2, 49 Abs. 1 GmbHG Herr über die Tagesordnung; ein Mitglied der Verwaltung ist in aller Regel Versammlungsleiter. Hieraus er­ geben sich große Einschätzungs- und Gestaltungsvorsprünge, die der Ver­ waltung einen Widerspruch ohne weiteres erlauben. Kein zulässiges Gegen­ argument ist, daß die Verwaltung hierdurch in Gegnerschaft zur Hauptver­ sammlungsmehrheit geriete. Die aufgezeigte Diskrepanz hat unmittelbare Auswirkungen auf die Hand­ habung von § 245 Nr. 1 AktG. Nach hier vertretener Auffassung bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung, wenn das Oppositionserfordemis nur für Aktionäre gelten soll. Maßstabs­ norm des Verfassungsrechts ist Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Willkürverbots. Der Aktionär wird, ohne daß hierfür sach­ liche Differenzierungsgesichtspunkte erkennbar sind, vom Gesetz schlechter gestellt. Seine mitgliedschaftlichen Rechte erleiden eine nicht gerechtfertigte Verkürzung. Wichtiger noch ist, daß das Anfechtungsrecht in seiner institu­ tioneilen Kontrollfunktion entwertet wird, da der Aktionär in Verfolgung seines Rechts Funktionär in den Diensten der Rechtsordnung ist137. Die Vorbereitung, die eine Opposition nach Nr. 1 vom Anfechtungskläger ver­ langt, geht für ihn zumeist zu Lasten der eigenen Freizeit, während die Be­ fassung mit den Angelegenheiten der Gesellschaft für die Verwaltung selbst­ verständliche Amtspflicht ist. Sie kann sich dabei obendrein auf den ge­ samten Mitarbeiterstab der Gesellschaft stützen. Eine weitere Ungleich­ behandlung liegt endlich darin, daß den anfechtenden Aktionär eine Präsenz­ pflicht auf der Hauptversammlung trifft, die Verwaltung dagegen nicht138. * 137 Die ganz überwiegende Zahl von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen wird von Ak­ tionären erhoben. Für Verwaltungsmitglieder gilt es als verpönt (und unklug), die eigene Gesellschaft zu verklagen. 138Nach § 118 Abs. 2 AktG sollen die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat an der Hauptversammlung teilnehmen.

Die Verwaltung hat wesentlich länger Zeit, um sich eine Strategie für die Anfechtungsklage zurechtzulegen, wenn sie von diesem Rechtsbehelf Ge­ brauch machen will. Vom Aktionär wird auf der anderen Seite ein sofort entschlossenes Handeln verlangt. Eine verfassungskonforme Auslegung139 von § 245 Nr. 1 AktG erscheint nach dem Gesagten nicht möglich, da schon die Vorgängervorschriften140 bewußt darauf abzielten, durch eine Erschwe­ rung der Aktionärsanfechtung Mißbräuchen des Anfechtungsrechts in Form erpresserischer Klagen einen Riegel vorzuschieben. Der Gesetzgeber von 1965 hat diese restriktive Tendenz erkennbar beibehalten141. Bis zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit von § 245 Nr. 1 AktG in ei­ nem Vorlage verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ist das Wider spruchserfordemis restriktiv, also im Ergebnis anfechtungsfreundlich zu interpretieren. Dies gilt vor allem, wenn der Anfechtungsgrund während der Hauptver­ sammlung noch gar nicht sichtbar wird142. Das trifft bei weitem nicht nur auf die nach § 243 Abs. 2 anfechtbaren Beschlüsse zu, weil auch andere Mängel sich häufig nicht auf den ersten Blick erschließen und sich durch eine geschickte Gestaltung der Tagesordnung oder der Versammlungsleitung leicht verdecken lassen. In § 245 Nr. 3 AktG steckt aber der Schlüssel für die richtige Entscheidung des Sachproblems: Die Sondervorteilsanfechtung nach § 243 Abs. 2 ist das Lehrbuchbeispiel für einen latenten Anfechtungs­ grund, jedoch nicht der einzige Fall. Deshalb ist zu fordern, daß § 245 Nr. 3 auf alle Anfechtungsgründe anzuwenden ist, die ex ante für den Durch­ schnittsaktionär nicht als solche identifizierbar sind143. Das bedeutet keinen Wertungswiderspruch zu Nr. 1, weil diese Bestimmung nur eine Umschrei­ bung des allgemeinen Verwirkungsgedankens ist. Eine auf den Gesetzes­ wortlaut gegründete Auslegung muß der teleologischen Normanwendung weichen. Die derzeitige Gesetzeslage zwingt den wachsamen und vorsich­ tigen Aktionär, vorsorglich stets Widerspruch zu erheben. Denn vielfach ist im vorhinein noch nicht auszumachen, ob ein Anfechtungsgrund unter § 243 139Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm hat absoluten Vorrang vor der ge­ richtlichen Kassation, ständige Verfassungsrechtsprechung seit BVerfGE 2, 266 (282 ff.). Die verfassungskonforme Auslegung scheidet allerdings aus, wenn der erklärte und eindeu­ tige Sinn der Regelung in der verfassungswidrigen Anordnung besteht, siehe nur BVerfGE 8, 28 (32 ff.). 140Nachweise hierzu bei Noack AG 1989, 78 (79). 141 Das Gesagte gilt entsprechend für die eingetragene Genossenschaft, vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 GenG. Noch weiterreichende Beschränkungen der Anfechtungsbefugnis befürworten Heuer WM 1989, 1401 (1408) sowie H. P. Westermann ZHR 156 (1992), 203 (221 ff.). 142Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 245 RdNr. 42 f., 57; Hüffer (wie FN 22), § 245 RdNr. 32; NOACK AG 1989, 78 (87). 143W. Horrwitz (ZBH 1933, 86 [90 f.]), einer der namhaftesten Kenner der Materie, wollte das Oppositionserfordemis ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen sehen.

Abs. 2 subsumiert werden kann und somit § 245 Nr. 3 Platz greift. Nur durch den Widerspruch geht der Aktionär sicher, sich für eine eventuelle Anfechtung die zusätzliche Überlegungsfrist nach § 246 Abs. 1 zu bewahren. Daraus mag eine empfindliche Beeinträchtigung des Ablaufs der Hauptsversammlung resultieren, wenn eine Vielzahl von Aktionären aus dem genannten Grund rein vorsorglich Opposition anmeldet, um sich das Anfechtungsrecht zu sichern. Ohne Einfluß auf die Anfechtungsbefugnis der Aktionäre ist ihre innere Einstellung gegenüber einer erhobenen Anfechtungsklage oder das Motiv, welches mit der Anfechtung verfolgt wird. Bereits die Rechtsprechung des Reichsgerichts war zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, daß der Umstand, daß der Aktionär zunächst für den Beschluß gestimmt hat, ihn nachher nicht an der Erhebung der Anfechtungsklage hindert. Ebensowenig schadet es, wenn der Gesellschafter gegen den Beschluß Widerspruch zu Protokoll er­ klärt mit dem ausdrücklichen Zusatz, er sei zwar im Grunde für den Be­ schluß, erhebe jedoch trotzdem Widerspruch, um einen rechtlich streitigen Punkt einer höchstrichtlichen Klärung zuzuführen144. Der Aktionär erfüllt in Wahrnehmung seiner Gesellschafterrechte die Funktion eines privatrecht­ lichen Aktienamtes, dem die Kontrolle rechtmäßiger Verwaltung der Gesell­ schaft obliegt. Es trifft nicht zu, daß, wenn der Kläger erklärt, er sei in Wahrheit mit dem Beschluß einverstanden, nach bürgerlichem Recht eine Nichtigkeit des Widerspruchs gemäß § 116 Satz 2 BGB wegen geheimen Vorbehalts eintritt. Der Widerspruch ist rechtsgeschäftsähnliche Hand­ lung145, auf die die Bestimmungen über Willenserklärungen an sich Anwen­ dung finden. Dennoch liegt keine Nichtigkeit nach § 116 Satz 2 BGB vor, weil die Erklärung, die Beseitigung des Beschlusses gar nicht unbedingt an­ zustreben, eine unbeachtliche protestatio facto contraria ist. Das Faktum der Erhebung des Widerspruchs fällt rechtlich stärker ins Gewicht als die Zu­ satzerklärung. Im übrigen ist zu bedenken, daß im Bereich der Anfechtungsklage eine Dienstbarmachung des Privatrechts für nicht rein privatrechtliche Aufgaben erfolgt. Das Verhalten der Akteure darf deshalb nicht allein anhand privat­ 144Zutreffend RGZ 77, 255 (257 ff.). Die Vorinstanz wollte die Klage ohne Prüfung des Anfechtungsgrundes abweisen. In diese (falsche) Richtung geht nun wieder LG Frankfurt am Main WM 1990, 1745. Danach soll ein außenstehender Aktionär, der sich kurz vor der Hauptversammlung durch kurzfristigen Aktienerwerb zum Hüter einer gesetzmäßigen Ver­ waltung der Gesellschaft aufschwingt, keine Klagebefugnis besitzen. 145 Im Falle von RGZ 77, 255 liegt ein wirksamer Widerspruch im Sinne der allgemei­ nen Rechtsgeschäftslehre vor. Der Widerspruch ist eine sog. geschäftsähnliche Handlung, bei der die Rechtsfolge ( = Eröffnung des Anfechtungsrechts) unabhängig davon eintritt, ob sie als solche gewollt ist, Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, § 26 (S. 511 ff.).

rechtlicher Beurteilungsmaßstäbe gemessen werden. Die Aufsicht über Ver­ bände liegt im öffentlichen Interesse. In dem Umfange, in dem mit den Mitteln des Privatrechts solche nicht ausschließlich privatrechtlichen Auf­ gaben erfüllt werden, kann es nicht mehr entscheidend auf die innere Ein­ stellung der Beteiligten ankommen. Das Anfechtungsrecht im privatrecht­ lichen Gewände sieht den Kläger als Funktionär der Gesamtrechtsordnung, dessen Auftrag sich nicht im Schutz seiner persönlichen Belange erschöpft. Der historisch bewährten Konstruktion der privatrechtlich organisierten Legalitätskontrolle wird man nur gerecht, sofern man ihre Voraussetzungen im Lichte des ordnungspolitischen Stellenwertes dieser Institution begreift und sie nicht einfach in ihre rechtsgeschäftlichen Bestandteile zerlegt, um aus diesen sodann singuläre Rückschlüsse auf ihre rechtliche Bewandtnis zu zie­ hen146. Diese Perspektive wirft bereits ein Schlaglicht auf die richtige Erfas­ sung des Phänomens der rechtsmißbräuchlichen Anfechtungsklagen, auf das an anderer Stelle zurückzukommen ist147. b) (1) Die Anfechtungsbefugnis der Verwaltung besteht neben derjenigen der Aktionäre. Sie ist nicht mitgliedschaftlich, sondern organschaftlich fundiert. Die Verwaltung ist nach hier vertretener Auffassung verpflichtet, rechtswid­ rigen Beschlüssen entgegenzutreten durch Opposition in der Hauptversamm­ lung sowie durch Klageerhebung; denn die Verwaltung trifft eine Pflicht, die Gesellschaft vor Schaden zu bewahren148. Dies wird außerhalb von § 245 146So steht in RGZ 77, 255 die mit dem Widerspruch verbundene Erklärung, mit dem Beschluß zwar einverstanden zu sein, aber dennoch die aufgeworfene Rechtsfrage einer grundsätzlichen höchstrichterlichen Klärung zuzuführen, in keinem inneren Gegensatz zu dem Widerspruch. Der Widerspruch verlangt nicht, daß der Widersprechende gegen den Be­ schluß gestimmt hat. Auf die innere Einstellung zum Beschluß kommt es nicht an. 147 Dazu eingehend unten § 21. 148Nach überwiegender Auffassung steht das Anfechtungsrecht im pflichtgemäßen Er­ messen der Verwaltung, Hüffer (wie FN 22), § 245 RdNr. 10; H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1989, § 93 RdNr. 31. Einigkeit herrscht darüber, daß die Verwal­ tung ihre Enthaftung nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht dadurch herbeiführen kann, daß sie die Anfechtung unterläßt, so zutreffend Gebler JW 1937, 497 (501). Für eine Pflicht der Verwaltung zur Anfechtung Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 270. RGZ 83, 319 (323) hatte mißverständlich formuliert, daß die Verwaltung von ihrem An­ fechtungsrecht nur aus im Gesellschaftsinteresse liegenden Gründen Gebrauch machen dürfe. Die Frage war, ob der Vorstand einer Aktiengesellschaft, dem statutarisch ein Anteil von der den Aktionären zustehenden Dividende als Tantieme zugesichert ist, einen Gewinnver­ wendungsbeschluß der Hauptversammlung anfechten darf, der den gesamten Jahresgewinn in Rücklage nimmt, so daß die Tantiemenzahlung ausfällt. Darf der Vorstand mit der Anfechtung seinen Anspruch zu realisieren suchen? Für § 245 Nr. 4 und 5 AktG gilt ebenso wie für die Aktionärsanfechtung, daß es auf den Beweggrund nicht ankommt. Die Anfechtungsbefugnis fragt nicht nach dem Motiv. Einziger Bezugspunkt für die Anfechtung nach § 243 Abs. 1 ist die Verletzung von Gesetz oder Satzung. Wenn die Satzung aber einen Tantiemenanspruch begründet, ist die Hauptversammlung in ihrer Entschließungsfreiheit eingeengt, immer vorausgesetzt, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft und die zwingenden Kapitalschutzbestimmungen lassen eine Ausschüttung zu. Die Anfechtungs-

AktG sichtbar. Die Frage hängt auf das engste mit der gesellschaftsrecht­ lichen Stellung der Verwaltung sowie ihren Pflichtbindungen zusammen. Der größere Zusammenhang läßt sich anhand von § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG aufzeigen, der die Möglichkeit eines gesellschaftsschädigenden Zusammen­ spiels zwischen Gesellschaftern und Verwaltung gestattet. Die haftungs­ rechtliche Privilegierung der Stimmrechtsausübung nach § 117 Abs. 7 Nr. 1 kann für eine Haftungsfreistellung der Verwaltung nutzbar gemacht werden. Gemäß § 119 Abs. 2 AktG kann die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. Hieran mag der Vorstand namentlich ein Interesse haben, um sich von einer Haftung nach § 93 AktG freizuzeichnen. Nach § 93 Abs. 4 Satz 1 tritt eine Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft nicht ein, wenn die Handlung auf einem "gesetzmäßigen" Beschluß der Hauptversammlung beruht. Die rechts­ politisch heftig umstrittene Konsequenz ist, daß für die Beschlußfassung einerseits die Aktionäre nach § 117 Abs. 7 Nr. 1 nicht haften und anderer­ seits die Verwaltung nach § 93 Abs. 4 Satz 1 von der Haftung freigestellt ist149. Unter der Geltung des früheren Aktiengesetzes war dieser Konflikt zusätzlich verschärft, da neben der Haftung auch die Beschlußanfechtung entfiel, sofern die fragliche Maßnahme zugleich "schutzwürdigen Belangen" der Gesellschaft diente150. Immerhin hat das deutsche Aktiengesetz von 1965 diese Unzuträglichkeit beseitigt. Die Voraussetzungen dieser Enthaftung bedürfen der Präzisierung. Zu fordern ist zunächst eine strikte Trennung von beschließenden Aktionären und beschlußausführendem Vorstand. Vorstandsmitglieder können nicht zu­ erst als Aktionäre einen Beschluß der Hauptversammlung herbeiführen, für den sie nach § 117 Abs. 7 Nr. 1 in ihrer Eigenschaft als Aktionäre nicht haften, und der sie später bei erfolgter Ausführung außerdem nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG als Mitglieder der Verwaltung enthaftet. Diese Trennung ist mit Hilfe einer entsprechenden Anwendung von § 136 Abs. 1 AktG zu lei­ sten. Für die Anwendung von § 136 AktG darf es keinen Unterschied machen, daß die Befreiung von einer Verbindlichkeit erst auf dem Umweg über § 93 Abs. 4 Satz 1 eintritt. Die Interessenkollision, in der sich die Verwaltung befindet, bleibt unverkennbar. Für den Nichteintritt der Ersatz­ befugnis der Verwaltung beruht historisch auf der Überlegung, die Gesellschaft vor fehler­ haften Beschlüssen zu bewahren. Daß der Kläger - sei er Aktionär oder Verwaltungsmit­ glied - sich von der Beseitigung des Beschlusses zugleich eine persönliche Wohlfahrtsmeh­ rung verspricht, disqualifiziert ihn nicht. 149Kritisch zu diesem Enthaftungskartell Mestmäcker (vorige FN), S. 269 ff. 150 Vgl. §§ 197 Abs. 2 Satz 2, 101 Abs. 3 AktG 1937. In Österreich gelten diese Regeln unverändert fort, vgl. §§195 Abs. 2 Satz 2, 100 Abs. 3 öAktG. Österreich hatte 1938 das deutsche Aktiengesetz von 1937 übernommen und nach einer Novellierung im Jahre 1965 im wesentlichen unverändert beibehalten.

pflicht gegenüber der Gesellschaft ist es von zentraler Bedeutung, daß die Handlung des Vorstands auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptver­ sammlung beruht. Hierfür scheiden die nichtigen und die Nicht-Beschlüsse aus. Umstritten ist, ob die schwebend wirksamen anfechtbaren Beschlüsse gesetzmäßige Beschlüsse sind151. Die Frage wird häufig vermengt mit der Heilung anfechtbarer Beschlüsse durch den Ablauf der Klagefrist nach § 246 Abs. 1 AktG, obwohl diese Bestimmung eine ganz andere Funktion erfüllt. Gesetzmäßiger Beschluß i.S.v. § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG ist ein unwandel­ barer und ex ante festliegender Rechtsbegriff. Gesetzmäßig ist nur ein Be­ schluß, der von vornherein makellos ist, also in formeller und materieller Beziehung mit Gesetz und Statuten in Einklang steht152. Der anfechtbare Be­ schluß wird, wenn nicht binnen Frist Klage erhoben ist, aus Gründen des Verkehrsschutzes bestandskräftig, jedoch nicht gesetzmäßig. Sein Mangel haftet ihm nach wie vor an. § 246 Abs. 1 begrenzt lediglich die Rechtsfolgen anfechtbarer Beschlüsse im Interesse der Rechtssicherheit. Mit einer Enthaf­ tung des Vorstands nach § 93 Abs. 4 Satz 1 hat dies nichts zu tun. § 93 Abs. 4 Satz 1 hat unmittelbare Rückwirkungen auf die Anfechtungsbefugnis der Verwaltung und die institutionelle Bedeutung der gesamten Anfechtungs­ klage. Die Vorschrift bildet keine Ausnahme, sondern einen Fremdkörper im System der Organverantwortlichkeit. Indem sie die Haftung des Vorstands aufweicht, entwertet sie die Anfechtungsmöglichkeit nach § 245 Nr. 4 und 5. Der eherne Grundsatz ist, daß der Vorstand rechtswidrige Beschlüsse nicht ausführen darf. Die Enthaftung darf die Verwaltung nicht gleichgültig machen. Vielmehr stellt sie § 245 AktG in eine Reihe mit allen Aktionären, wenn es darum geht, auf die Rechtmäßigkeit der Selbstverwaltung der Ge­ sellschaft zu dringen. (2) Der Aufsichtsrat als Gesamtorgan ist nicht zur Anfechtung befugt. Unter der Voraussetzung, daß sich einzelne seiner Mitglieder durch die Aus­ führung des Beschlusses einer strafbaren Handlung oder einer Ordnungswid­ rigkeit schuldig machen würden, sind sie nach § 245 Nr. 5 zur Anfechtung befugt. Das gleiche gilt, falls sie ersatzpflichtig würden. Entsprechend der hier für Vorstandsmitglieder vertretenen Aufassung trifft Aufsichtsratsmit­ 151 Anfechtbare Beschlüsse sind nicht ‘'gesetzmäßig” i.S.v. §93 Abs. 4 Satz 1 AktG, und sie werden es selbst dann nicht, wenn die Unangreifbarkeit des Beschlusses eingetreten ist (§ 246 Abs. 1 AktG), differenzierend insofern H.-J. Mertens (wie FN 148), § 93 RdNr. 119 mit Nachweisen. 152Mestmäcker (wie FN 148), S. 69 f. sowie bereits Gebler JW 1937, 497 (501). Das Gesetz spricht mit Vorbedacht von einem "gesetzmäßigen” und nicht von einem "wirksamen” Hauptversammlungsbeschluß. Gesetzmäßig ist das Gegenteil von gesetzwidrig. Schon im Sprachgebrauch des alten Aktiengesetzes war unstreitig, daß anfechtbare Haupt­ versammlungsbeschlüsse in die Rubrik der gesetzwidrigen Beschlüsse fallen, vgl. Klausing (wie FN 105), amtliche Begründung zu § 84, S. 72.

glieder ebenfalls eine Anfechtungspflicht153. § 111 Abs. 1 AktG trägt dem Aufsichtsrat auf, die Geschäftsführung zu überwachen. Dies schließt es ein, ein Auge auf die Rechtmäßigkeit der gesamten Gesellschaft zu haben ein­ schließlich der Beschlußtätigkeit der Hauptversammlung. Bezüglich der Haftung des Aufsichtsrats für Verletzungen seiner Sorgfaltspflichten verweist §116 AktG pauschal auf § 93, obwohl Vorstand und Aufsichtsrat grundver­ schiedene Aufgaben haben. § 93 bedarf daher, soweit § 116 auf ihn Bezug nimmt, einer stärkeren Differenzierung 154. Keinesfalls kann es angehen, daß, wenn der Vorstand die Voraussetzungen für die eigene Enthaftung ge­ schaffen hat, der Aufsichtsrat automatisch mit enthaftet ist. Wie bei der An­ fechtung durch den Vorstand muß es darum gehen, Anreize dafür zu schaf­ fen, daß von der Anfechtungsbefugnis auch Gebrauch gemacht wird. (3) Im Recht der GmbH bestätigt sich vor einem ganz konträren norma­ tiven Hintergrund die These, daß die Beschlußanfechtung in einen größeren ordnungspolitischen Zusammenhang gehört. Anders als im Aktien- und Ge­ nossenschaftsrecht soll die Geschäftsführung der GmbH nicht befugt sein, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung anzufechten155. Wiewohl sich das Beschlußanfechtungsrecht bei der GmbH ansonsten eng am aktienrecht­ lichen Vorbild orientiert, werden § 245 Nr. 4 und 5 AktG nicht über­ nommen156. Die unterschiedliche Behandlung wäre einleuchtend, wenn sie 153 BAUMBACH/HUECK, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, § 245 RdNr. 6 am Ende. Zur Anfechtungsbefugnis der Aufsichtsratsmitglieder näher Karsten Schmidt, Festschrift für Semler, 1993, S. 329 ff. 154Für eine differenzierte Beurteilung der Haftung des Vorstands mit Blick auf die Haf­ tung des Aufsichtsrats auch Zempelin AcP 155 (1956), 209 (226 ff.) noch zum Aktien­ gesetz 1937. Er weist mit Recht darauf hin, daß es ein Manko darstellt, daß zwar der Vor­ stand, nicht aber auch der Aufsichtsrat die Hauptversammlung befragen kann. Wie insoweit die Bezugnahme in § 116 auf § 93 AktG auszulegen ist, ist bis heute nicht geklärt. 155Gegen ein Anfechtungsrecht der Verwaltung im GmbH-Recht etwa A. Hueck, Fest­ schrift für Molitor, 1962, S. 401 (424); Hachenburg/Schilling/Zutt, Komm.z.GmbHG, 7. Aufl. 1979, Anh. § 47 RdNr. 127; differenzierend nunmehr Hachenburg/Raiser, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1990, Anh. § 47 RdNr. 163 ff.; Meyer-Landrut, in: MeyerLandrut/Miller/Niehus, Komm.z.GmbHG, 1987, § 47 RdNr. 82. Für ein Anfechtungsrecht des GmbH-Geschäftsführers Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 45 RdNr. 134; Baumbach/Hueck/Zöllner, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, Anh. § 47 RdNr. 75. Das von der Gegenansicht angeführte Argument, der GmbH-Geschäftsführer sei weisungsunterworfen und daher kein tauglicher Kläger, verfängt nicht, weil unter der Geltung des § 271 Abs. 4 HGB a.F. auch der Vorstand der Aktiengesellschaft noch wei­ sungsunterworfen war. Das Anfechtungsrecht verfolgt gerade den Zweck, die Grenzen der Weisungsbefugnis auf die Einhaltung von Gesetz und Satzung zu fixieren. 156Aus der Rechtsprechung RGZ 49, 141; BGHZ 76, 154 (159). Gegen ein Anfech­ tungsrecht des Geschäftsführers auch Immenga GmbHRdsch. 1973, 5 (7 ff.), der die GmbH-rechtliche Beschlußanfechtung vor allem als Abwehrklage gegen rechtswidrige Wei­ sungsbeschlüsse auffaßt. Folgerichtig müßte man jedoch zur Anfechtung entsprechend § 245 Nr. 4 AktG gelangen und dem Geschäftsführer im Hinblick auf seine jederzeitige Abberufbarkeit (§ 38 Abs. 1 GmbHG) einen besonderen Repressalienschutz zumindest ab Klageer­ hebung gewähren; näher hierzu unten im Text nach FN 160.

aus der Verfassungsstruktur der GmbH eine Rechtfertigung erführe. Bei näherem Zusehen ergibt sich indessen, daß das Bedürfnis für eine Anfech­ tung durch die Geschäftsführung noch unabweisbarer ist als bei den übrigen Körperschaften. Das gesetzliche Normalstatut der GmbH, das den Gesell­ schaftern sehr weitreichende Abänderungen erlaubt, macht diese Gesell­ schaftsform in besonderem Maße anfällig für Mißbräuche der Mehrheits­ macht. Der Geschäftsführer der GmbH ist nicht zuletzt im Interesse der Gesellschaftsgläubiger gehalten, seinen Teil zur Verhinderung solcher Miß­ bräuche beizutragen. Der GmbH fehlt die in der Aktiengesellschaft vollzogene Trennung von ownership und control. Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Wil­ lensbildungsorgan in der GmbH. Sie darf der Geschäftsführung Weisungen erteilen, denen die Geschäftsführung Folge leisten muß, es sei denn, daß diese gesetz-, sittenwidrig oder zu unbestimmt sind157. Das Weisungsrecht erstreckt sich in der mitbestimmungsfreien GmbH auf den gesamten Betrieb der Gesellschaft. Die weitgehend unregulierte Verfassungsordnung der GmbH und das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung darf nicht als Freibrief mißverstanden werden, wonach die Gesellschafter beliebig nach Sondervorteilen zum Nachteil der Gesellschaft streben dürfen. Die im Ver­ bandsrecht allgemein anerkannten Pflichtbindungen gelten für die GmbH gleichermaßen. Im Unterschied zur Aktiengesellschaft (§ 76 AktG) und zur eingetragenen Genossenschaft (§ 27 Abs. 1 GenG) leitet die Geschäftsfüh­ rung der GmbH die Gesellschaft nicht unter eigener Verantwortung158. Andererseits ist die ordnungsgemäße Erfüllung der den Geschäftsführern ob­ liegenden Pflichten ebenso haftungsbewehrt wie bei der AG, vgl. § 43 GmbHG. Die Geschäftsführung darf nicht in die Zwickmühle geraten, einer­ seits weisungsunterworfen zu sein und andererseits in Haftung zu geraten. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG enthält in Anlehnung an § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG die Klarstellung, daß die Haftpflicht für Schäden, die in Befolgung ei­ nes Gesellschafterbeschlusses eingetreten sind, insoweit nicht ausgeschlossen ist, als der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger notwendig ist. Die Geschäftsführung darf nicht zum Prügelknaben der Gesellschafter wer­ den, und die Gesellschafter dürfen sich nicht, wenn sie die Leitung der Ge­ schicke der Gesellschaft an sich ziehen wollen, hinter der Geschäftsführung verstecken. Deshalb muß für die GmbH im Erstrechtschluß eine Anfech­

157Vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG. 158Jedoch steht es dem Gesellschaftsvertrag der GmbH frei, der Geschäftsführung die in § 76 Abs. 1 AktG beschriebene Rechtsstellung einzuräumen oder sogar die gesamte AGVerfassung zu übernehmen.

tungsbefugnis für die Geschäftsführung verlangt werden159. Das Anfech­ tungsrecht der Verwaltung ist das notwendige Gegengewicht zum Weisungs­ recht der Gesellschafterversammlung. Wie bei der Aktiengesellschaft ist der Geschäftsführer der GmbH gehalten, Schaden von der Gesellschaft abzu­ wenden. Die Anfechtungsbefugnis entsprechend § 245 Nr. 4 AktG verdichtet sich zu einer Anfechtungspflicht, wenn die Geltendmachung der Anfechtung im Interesse der Gesellschaft liegt. Die Gehorsamspflicht gegenüber Wei­ sungen der Gesellschafterversammlung darf nicht davon ablenken, daß der Geschäftsführung die Einhaltung von Verhaltenspflichten, die im öffent­ lichen Interesse bestehen, obliegt160. Die rechtliche Stellung des Geschäftsführers unterscheidet sich in einem weiteren markanten Punkt von derjenigen des Vorstands einer Aktiengesell­ schaft. Das Weisungsrecht nach § 37 Abs. 1 GmbHG geht Hand in Hand mit dem Grundsatz der jederzeitigen Widerruflichkeit der Bestellung zum Ge­ schäftsführer, § 38 Abs. 1 GmbHG. Dies erfordert es, die Anfechtungs­ befugnis, die Weisungen entgegentritt und die Geschäftsführung in Opposi­ tion zur Mehrheit der Gesellschafter bringen kann, um einen Repressalien­ schutz zu ergänzen. Die Bestellung zum Vorstandsmitglied einer Aktien­ gesellschaft kann nach § 84 Abs. 3 AktG nur aus wichtigem Grund wider­ rufen werden. Es liegt auf der Hand, daß die Anfechtung eines Hauptver­ sammlungsbeschlusses durch ein Vorstandsmitglied grundsätzlich kein wich­ tiger Abberufungsgrund sein kann. Daraus erhellt, daß das Zusammentreffen von Gehorsamspflicht, Weisungsrecht und Anfechtbarkeit einer Synchroni­ sation bedarf. Der Geschäftsführer, der anficht, darf nicht postwendend nach § 38 Abs. 1 GmbHG abberufen werden mit der Konsequenz, daß der Klage der Boden entzogen ist. Die strikte Abhängigkeit der Geschäftsführung von den Gesellschaftern muß insoweit gelockert werden. Zwei Lösungen erschei­ nen diskutabel: besonderer Abberufungsschutz, derart, daß eine Abberufung nach Klageerhebung nur noch aus wichtigem Grund nach § 38 Abs. 2 GmbHG möglich ist, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag dies so nicht be­ stimmt. In der Alternative verbliebe es bei der jederzeitigen Widerrufbarkeit der Bestellung nach § 38 Abs. 1 GmbHG, jedoch behält der Geschäftsführer seine Anfechtungsbefugnis unbeschadet der Beendigung seiner Organstellung im übrigen161. Die letztgenannte Variante bietet den Vorzug, die An­ fechtung zu ermöglichen, ohne daß man den Gesellschaftsvertrag umschrei­ 159 Wenigstens für ein eingeschränktes Anfechtungsrecht treten BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER, Komm. z. GmbHG, 16. Aufl. 1996, Anh. §47 RdNr. 75 sowie SCHOLZ/KARSTEN Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 45 RdNr. 134 ein. 160Zum Beispiel §§ 49 Abs. 3, 64 GmbHG. 161 Zur Rechtslage im Aktienrecht HÜFFER (wie FN 22), § 245 RdNr. 67 sowie ZÖLLNER, in: Kölner Komm.z. AktG, 1970/85, § 245 RdNr. 74.

ben müßte. Die Anfechtung ist also von der Organstellung im engeren Sinne abzukoppeln. Der pendente lite abberufene Geschäftsführer bleibt klagebe­ fugt. Dies leitet zu der später zu behandelnden Frage über, wie eine An­ fechtungsklage ohne instanzabschließende Entscheidung beendet werden kann und welche Möglichkeiten der Verfügung über ihren Streitgegenstand existieren162. Wie bei der Aktiengesellschaft interessiert für die GmbH, ob der Auf­ sichtsrat oder einzelne seiner Mitglieder entsprechend § 245 Nr. 5 AktG zur Anfechtung befugt sind. Im Aktienrecht ist der Aufsichtsrat als Kollegialor­ gan nicht anfechtungsberechtigt. Bei der GmbH gibt es grundsätzlich nur einen fakultativen Aufsichtsrat. Für ihn verweist § 52 Abs. 1 GmbHG durchgängig auf das Aktienrecht. Wenn der Gesellschaftsvertrag der GmbH einen Aufsichtsrat einrichtet, so darf man davon ausgehen, daß die Gründer sich an das Verfassungsmodell der Aktiengesellschaft anlehnen wollen und § 245 Nr. 5 AktG ebenfalls gilt. Für die Mitglieder eines fakultativen GmbH-Aufsichtsrats gilt im Hinblick auf die Haftung nichts anderes als bei der AG. Ist bei einer mitbestimmungspflichtigen GmbH ein obligatorischer Aufsichtsrat zu bilden, so ist nicht mehr das Gesellschaftsrecht alleine maß­ gebend. Neben ihm kommt das MitbestG 1976 zum Tragen, welches das GmbH-Gesetz überlagert bzw. verdrängt. § 30 MitbestG schränkt die Sat­ zungsautonomie in den mitbestimmungsrelevanten Regelungsbereichen ein. Das MitbestG 1976 legt hinsichtlich der Unternehmens- und Unternehmens­ trägerorganisation mitbestimmungspflichtiger Unternehmen durchgängig aktienrechtliche Maßstäbe an. Der Aufsichtsrat ist danach für alle Mitglieder unbeschadet ihrer Herkunft von der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite ein Organ der Unternehmensverfassung. Gesellschafterbeschlüsse, die die ge­ setzlich zwingend vorgeschriebene Unternehmensverfassung antasten wollen, müssen von den Aufsichtsratsmitgliedern - sei es in der Form der Anfechtungs-, sei es in der Form der Nichtigkeitsklage - zur gerichtlichen Nach­ prüfung gebracht werden dürfen163. * (4) In besonders zugespitzter Form präsentiert sich das Ineinandergreifen von Verbandsordnung und Gesellschafterrechten, Verwaltungskompetenzen, Haftung und Schadensverhütung bei der eingliedrigen Körperschaft und spe­ ziell bei der Ein-Mann-GmbH^^. Gesellschafter, die der mehrheitsbildenden 162 Dazu unten 4. 163Im Ergebnis wird dies auch von denjenigen anerkannt, die sich ansonsten gegen ein Anfechtungsrecht der Geschäftsführung oder der Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats aussprechen, Nachweise bei BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER (wie FN 159), Anh. § 47 RdNr. 76. 164Zur Ein-Mann-GmbH Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 1 I 1 (S. 6 ff.) auch mit rechtsvergleichenden Hinweisen.

Gruppe femstehen, existieren hier nicht, um Rechtsbehelfe zum Vorteil der Gesellschaft ergreifen zu können. Häufig ist der Gesellschafter zugleich Ge­ schäftsführer. Diese früher heftig angefeindete Konstruktion165, die mit vielen Mißbräuchen der Gesellschaftsform GmbH in Verbindung gebracht wird, ist de lege lata unbestreitbar zulässig und durch die originäre Ein­ Mann-Gründung in § 1 GmbHG n.F. sogar aufgewertet worden. Die Gesell­ schafterrechte als Schutzrechte zugunsten des Unternehmens166 sind bei der Ein-Mann-GmbH weitgehend gegenstandslos, weil der Gesellschafter sie nicht gegen sich selbst zur Anwendung bringt. Der erhöhte Bedarf an einer Mißbrauchsaufsicht ist nicht zu leugnen angesichts der aufgegebenen Tren­ nung in den Organzuständigkeiten, die auf dem Gedanken der checks and balances aufbaut. Die jahrzehntealte Diskussion im GmbH-Recht über die Anwendbarkeit von § 181 BGB und seine teleologischen Schranken hat ihre Wurzeln in dieser Problematik167. Da es kein Aktienamt und keine Auf­ sichtsbehörde gibt, ist die Anfechtungsbefugnis in andere Hände zu legen, sofern man Beschlüsse, die Dritte benachteiligen, nicht automatisch nichtig sein läßt. Die Gesellschaftsgläubiger etwa haben ein natürliches Interesse an der Einhaltung der ihrem Schutz dienenden Bestimmungen. c) Von § 245 AktG wird die Reichweite der Anfechtungsbefugnis offen gelassen. Gibt es eine konzernweite Anfechtung analog zur double derivative suit168 des amerikanischen Korporationenrechts? Zu prüfen ist also, ob § 245 AktG es zuläßt, daß Aktionäre der Tochtergesellschaft sie belastende Beschlüsse der Hauptversammlung der Muttergesellschaft anfechten bzw. ob umgekehrt Aktionäre der Muttergesellschaft Beschlüsse der Hauptversamm­ lung der Tochtergesellschaft angreifen dürfen169. Bei den Publikumsgesellschäften ist diese brisante Frage insoweit entschärft, als sich ein zur An­ fechtung entschlossener Aktionär rechtzeitig Aktien über die Börse kaufen kann. Bei vinkulierten Anteilen versagt dies. Gegen diese konzernweite An­ 165Hierzu etwa die Nachweise bei Schubert (Hrsg.), Entwurf des Reichsjustizministe­ riums zu einem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, 1985, S. 78 ff.; vgl. ferner Lammel, Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte (Wien) 1989, 148 ff. 166Zu diesem Gesichtspunkt andeutungsweise bereits RGZ 119, 248 (254). 167§ 35 Abs. 4 GmbHG erklärt § 181 BGB seit der GmbH-Reform von 1980 ausdrück­ lich für anwendbar. Die zwölfte gesellschaftsrechtliche EG-Richtlinie betreffend Gesell­ schaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter verlangt u.a., daß die von § 35 Abs. 4 GmbHG erfaßten Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschafter und der von ihm vertretenen Gesellschaft in einer besonderen Niederschrift festgehalten werden. Dem Interes­ senkonflikt soll also durch erhöhte Transparenz begegnet werden, vgl. DB 1990, 35 sowie DB 1991, 1059. 168Dazu oben § 7 II. 169Die Reichweite der Anfechtungsbefugnis in verbundenen Gesellschaften ist noch nicht hinreichend geklärt, siehe aber Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 243 RdNr. 298 ff.

fechtungsbefugnis mag man einwenden, daß die einzelnen Konzemgesell­ schaften rechtlich selbständige Einheiten sind. Das Aktiengesetz führt die rechtliche Trennung nicht strikt durch. Soweit es die Interessenlage erfor­ dert, tritt die rechtliche Trennung der Konzemgesellschaften zugunsten einer ganzheitlichen Betrachtung der Unternehmensgruppe zurück. § 309 Abs. 4 AktG verleiht diesem Denken Ausdruck. Ein Ersatzanspruch der abhängigen Gesellschaft kann hilfsweise von jedem Aktionär geltend gemacht wer­ den170. In dieser Bestimmung steckt ein verallgemeinerungsfähiger Kem. Mit Recht wird unter Berufung auf das Telos der Einzelgeltendmachung die Forderung nach einem konzemweiten Auskunftsrecht erhoben171. Auf diesem Fundament ist eine konzemweite Anfechtung begründbar. Über § 245 AktG hinaus ist für sie zu fordern, daß der Anfechtungskläger die Betroffenheit seines mitgliedschaftlichen Status bzw. die Betroffenheit der Gesellschaft, der er angehört, dartut. Wenn § 309 Abs. 4 Satz 1 AktG von ”Ersatzanspruch’’ spricht, meint dies nicht allein den Ausgleich für be­ reits eingetretene Schmälerungen der Vermögenssubstanz der abhängigen Gesellschaft. Gemeint ist damit ebenfalls eine allgemeine actio negatoria für solche Beschlüsse, die sich als exzessive oder ungesetzliche Inanspruch­ nähme konzemmäßiger Leitungsmacht erweisen. In anderem Zusammenhang hat die Rechtsprechung bereits Sympathie mit diesem Ansatz bezeugt172. Der Handlungsbedarf für einen konzemweiten Ausbau des Rechtsschutz­ systems zeigt sich bei den Ausgliederungsfällen, etwa wenn der Vorstand den wertvollsten Teil des Betriebsvermögens auf eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, die eigens zu diesem Zweck errichtet ist, überträgt. Die Aktionäre der Muttergesellschaft sind der Gefahr einer Aushöhlung ihrer Rechte ausgesetzt, wenn die Verwaltung das Unternehmen von der Tochter aus leitet, dort die Gewinne thesauriert und durch Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft neue Teilhaber aufnimmt, indem sie über das Bezugs­ recht entscheidet. Für diese Lage ist mit guten Gründen der Rechtssatz auf­ gestellt worden, daß die Gesellschafter der Obergesellschaft verlangen kön­ nen, daß der Vorstand bei Eingriffen in die Kapital- und Beteiligungsstruktur der Tochtergesellschaft die Zustimmung der Hauptversammlung der Oberge­ sellschaft mit derjenigen Mehrheit einzuholen hat, die für eine entsprechende Maßnahme in der Obergesellschaft selbst erforderlich wäre173. Zusätzlich ist den Aktionären der Muttergesellschaft ein anteiliges Bezugsrecht für Kapi170 Dazu unten § 19 J VIII. 171OLG Hamm AG 1987, 20; OLG Düsseldorf AG 1988, 53. 172BGHZ 83, 122 (142 ff.) - "Holzmüller" sowie BGH AG 1990, 458. 173Dafür namentlich ein Teil des Schrifttums: Lutter, Festschrift Harry Westermann, 1974, S. 347 (364 ff.); Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzemspitze, 1980, S. 165 ff.; dieser Auffassung folgend BGHZ 83, 122 (138) - ''Holzmüller”.

talerhöhungen bei der Tochter einzuräumen. Unterläßt die Verwaltung die Beteiligung der eigenen Hauptversammlung, so hat jeder übergangene Ak­ tionär ein Klagerecht in Form der Feststellungsklage gegen die Gesellschaft. Diese Feststellungsklage verhindert jedoch keine Maßnahme. Sie hat zunächst nur einen appellierenden Impetus, als das Urteil aufzeigt, was eine rechtmäßige Verwaltungsmaßnahme durch den Vorstand darstellt. Ein skru­ pelloser Vorstand vermag sich über ein Feststellungsurteil hinwegzusetzen. Vor allem ist für diese Entscheidung die Sperrwirkung gegenüber dem Han­ delsregister nicht gewährleistet. Der Ausweitung der Anfechtungsbefugnis ist ein wirtschaftliches Verständnis der Mitgliedschaft zugrundezulegen. Wenn das im wesentlichen ganze Gesellschaftsvermögen in einer Tochtergesell­ schaft arbeitet und die Verwaltung nach dort ihr eigentliches Entscheidungs­ zentrum verlegt, so müssen — ungeachtet der rechtlichen Selbständigkeit des neuen Unternehmensträgers - nach dort die Gesellschafterrechte mitwan­ dern, weil solchenfalls hier der Kontrollbedarf anfällt, den diese Rechte be­ friedigen. Verlagert die Verwaltung das Substrat des Vermögensinvestments, so folgen ihr die Vermögens- und Verwaltungsrechte der Gesellschafter, die die Verwaltung nicht durch einen organisatorischen Federstrich aushebeln darf.

3. Die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG a) Nach §§ 246 Abs. 1 AktG, 51 Abs. 1 Satz 2 GenG ist die Anfech­ tungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlußfassung zu erheben. Es handelt sich um eine eigenartige Ausschlußfrist: Sie bewirkt eine Präklusion aller bestehenden Anfechtungsgründe, gleich ob diese bekannt oder unbe­ kannt sind. Eine verfristete Klage wird als unbegründet durch Sachurteil ab­ gewiesen174. Ebenso wie die Anfechtungsbefugnis nach § 245 AktG hat die Klagefrist Auswirkungen auf die Sachlegitimation des Klägers. Der Aus­ nahmecharakter der Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG besteht darin, daß ihr Ablauf nach ganz herrschender Meinung nicht gehemmt oder unterbrochen werden kann175. Ist sie - selbst schuldlos - versäumt, so findet keine Wie­ dereinsetzung in den vorigen Stand statt, da die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage nicht zu den in § 233 ZPO genannten prozessualen Fristen zählt. Bei parallel gebauten Verfahren wie der verwaltungsrechtlichen An­ fechtungsklage (§§74, 60 VwGO) oder der arbeitsrechtlichen Kündigungs­

174Zöllner (wie FN 169), § 246 RdNr. 6 und 7. 175 Gegen dieses Ergebnis aber OLG Frankfurt am Main NJW 1966, 838 mit Anm. G. Lüke.

schutzklage176 existieren ähnliche Fristen, die jedoch nicht absolut unüber­ windbar sind. Das aktienrechtliche Anfechtungsverfahren kennt dagegen keine Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unver­ schuldet verspäteter Klageerhebung. Für eine Berücksichtigung der Gründe, aus denen die rechtzeitige Anfechtung unterblieben ist, bleibt nach Lage des Gesetzes kein Raum. § 246 Abs. 1 AktG versieht den Verkehrsschutz mit absolutem Vorrang selbst gegenüber dem Postulat der gesetzes- und statuten­ gerechten Ausübung der Beschlußgewalt der Hauptversammlung. Verfah­ rensrechtlich rangiert die Rechtssicherheit über der Rechtmäßigkeit. Die Rigidität der Anfechtungsfrist ist ohnegleichen. Dabei ist die Aus­ gangslage nicht prinzipiell verschieden von der Rechtslage im Verwaltungs­ prozeß, wo es aus diesen Gründen ebenfalls eine Klagefrist gibt, die jedoch durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem institutioneilen Zweck der Anfechtungsklage in Einklang gebracht ist. Die Staatsverwaltung hat ein Interesse, daß unangreifbare Verwaltungsakte bestandskräftig bleiben und vollstreckt werden. Die Exekutive ist gleichzeitig gehalten, ihr Handeln an Recht und Gesetz auszurichten (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Durchführung ei­ nes Verwaltungsakts ist also kein Selbstzweck, sondern bleibt der Beachtung höherrangigen Rechts verpflichtet. Wird ein anfechtbarer, fehlerhafter Ver­ waltungsakt ausgeführt, so bedeutet dies einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG, weil der Eintritt der Unanfechtbarkeit den Verwaltungsakt nicht recht­ mäßig macht. Der Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bringt ebenso wie die ursprünglich mögliche Klage die objektiv-rechtliche und die subjektiv-rechtliche Ebene zur Deckung: Der Adressat eines Verwaltungs­ aktes will von sich eine Beschwer abwenden und ficht die Maßnahme zur Überprüfung ihrer Vereinbarkeit mit Recht und Gesetz gerichtlich an. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist bleibt die Verwaltung insofern Herrin des Ver­ fahrens, als sie es durch Neubescheidung wieder eröffnen kann. Damit ob­ liegt ihr die Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Rechtmäßigkeit im Einzelfall. Über § 51 VwVfG bleibt der betroffene Bürger an diesem Ent­ scheidungsprozeß beteiligt. Die Rechtslage im Gesellschaftsrecht weist hierzu durchaus strukturelle Parallelen auf177. Nach Ablauf der Frist können die anfechtungsbefugten Personen den Beschluß nicht mehr im Klageweg beseitigen. Nur die Haupt­ 176Ist die Frist für die Erhebung der arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG verstrichen, so kommt die Zulassung einer verspäteten Klage nach § 5 KSchG in Betracht. § 6 KSchG erlaubt dem Arbeitnehmer eine erleichterte Einführung seiner son­ stigen Verteidigungsmittel in den Kündigungsschutzprozeß. 177Andeutungsweise für die Parallele zu § 51 VwVfG, wenn ein Festhalten an der Unan­ fechtbarkeit nicht hinnehmbar ist, SCHOLZ/KARSTEN Schmidt, Komm.z.GmbHG, 6. Aufl. 1978, § 47 RdNr. 26 am Ende.

Versammlung vermag ihn noch aufzuheben. Wie die Verwaltungsbehörde beim bestandskräftigen Verwaltungsakt bleibt sie Herrin des Verfahrens. Und wie die Verwaltungsbehörde ist sie an Recht und Satzung gebunden. Wie im Verwaltungsrecht dient die Anfechtungsklage der Korrektur einer Rechtswidrigkeit. Mit diesem ordnungspolitischen Anliegen ist die Rigidität der Frist in § 246 Abs. 1 AktG nicht vereinbar. Wenn es schon keine Wie­ dereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO178 gibt, so kann der Aktionär in entsprechender Heranziehung des § 51 VwVfG immanenten Rechtsgedankens verlangen, daß sich die Hauptversammlung erneut mit der Angelegenheit befaßt, so daß der fehlerhafte Beschluß beseitigt wird. Denn die Fortgeltung eines fehlerhaften Beschlusses wäre wie im Verwaltungsrecht ein Pyrrhussieg des Präklusionsprinzips auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit. Verbandsrechtliche Legitimationsgrundlage für diese entsprechende Heran­ ziehung ist das Recht auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung. § 246 Abs. 1 AktG ist einem solchen Anspruch nicht entgegengesetzt, da diese Be­ stimmung nur die gerichtliche Kassation des Beschlusses hindert. Sie erlaubt indessen nicht den Schluß, daß der fehlerhafte Beschluß eine dauerhafte Exi­ stenzberechtigung hat179» 180 180. b) (1) Für die Wahrung der Frist genügt jedenfalls die Einreichung der Klageschrift bei Gericht, § 270 Abs. 3 ZPO. Selbst die Einreichung bei ei­ nem unzuständigen Gericht wahrt die Frist nach herrschender und zutreffen­ der Auffassung181. Aus der Sicht der Gesellschaft ist ausschlaggebend, daß sie weiß, daß die Klageerhebung bevorsteht und daß mit dem Bestehenblei­ ben des Beschlusses nicht gerechnet werden kann. Ist Widerspruch nach § 245 Nr. 1 erhoben, muß sich die Gesellschaft auf eine Anfechtung binnen Frist einrichten. Wegen des im Zivilprozeß geltenden Amtsbetriebes bei der Klagezustellung (§ 270 Abs. 1 ZPO) kann der Kläger keinen direkten Ein­ 178Eine Durchbrechung der starren Frist von § 246 Abs. 1 AktG ist auf verschiedenen Wegen versucht worden: OLG Frankfurt am Main NJW 1966, 838 will mit einer Analogie zu § 203 Abs. 2 BGB helfen. G. LÜKE NJW 1966, 838 schlägt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend § 233 ZPO vor. Zöllner (wie FN 169), § 246 RdNr. 18 ff. tritt dafür ein, erst später bekanntwerdende Anfechtungsgründe noch außerhalb der An­ fechtungsfrist zu berücksichtigen. 179Zur Bestandskraftdurchbrechung mit Hilfe von § 826 BGB im GmbH-Recht und ihrer Übertragbarkeit auf andere Verbandsformen sogleich unten im Text nach FN 206. 180Nicht nur die zeitliche Rigidität von § 246 Abs. 1 AktG ist bedenklich, sondern auch ihre gegenständliche Ausdehnung. Das Gesetz differenziert nicht danach, welche Fehler in Rede stehen und ob auf die Einhaltung einer verletzten Norm überhaupt wirksam verzichtet werden kann, wie es dies an anderer Stelle etwa in §§ 295 Abs. 2 ZPO, 23 Abs. 4 WEG tut. 181 BGHZ 34, 230 (234 f.) für die Verfehlung der örtlichen Zuständigkeit sowie BGHZ 35, 374 ff. für die Verfehlung der sachlichen Zuständigkeit. Zustimmend Zöllner (wie FN 169), § 246 RdNr. 59; HÜFFER (wie FN 22), § 246 RdNr. 37. Anderer Auffassung unter Hinweis auf die rechtliche Natur der Klagefrist in § 246 Abs. 1 AktG Henn AG 1989, 230; Heuer AG 1989, 234.

fluß auf die Zustellung der Klage nehmen. Dies kann aber nicht bedeuten, daß sich zu Lasten des Klägers die ohnehin knapp bemessene Monatsfrist noch weiter verkürzt182. Der Gesellschaft mag die Klage im Hinblick auf § 270 ZPO sehr wohl erst nach mehr als vier Wochen zugestellt werden. Für den Kläger bedeutet die Frist wertvolle Zeit bei der Festlegung seiner Pro­ zeßstrategie, und es ist allgemein anerkannt, daß derjenige, gegen den eine Frist läuft, diese voll ausschöpfen darf. Ruft der Kläger für die Anfechtung ein von der Satzung eingerichtetes Schiedsgericht an, so soll dies die Frist nach ganz herrschender Meinung nicht wahren183. Die Einhaltung der Anfechtungsfrist ist weiter dadurch kompliziert, daß der Kläger die Klage rechtzeitig erheben und begründen muß. Die ordnungs­ gemäße Begründung verlangt, daß der Kläger sämtliche Anfechtungsgründe in den Prozeß einzuführen hat. Anfechtungsgründe, die nicht innerhalb der Klagefrist vorgetragen sind, können nicht mehr vorgebracht bzw. nachge­ schoben werden, weil dies — so die herrschende Meinung — einer neuen Anfechtung außerhalb der Anfechtungsfrist gleichkäme184. Ohne Einfluß ist es auf dieses Ergebnis, daß einzelne Gründe dem Kläger möglicherweise erst später bekannt werden185. Ebenso unerheblich ist es, ob sich die beklagte Gesellschaft rügelos zur Hauptsache einläßt oder der verfristeten Geltend­ machung sogar ausdrücklich zustimmt186. Die Begründung der Klage erfor­ dert keine umfassende rechtliche Subsumtion im Sinne einer rechtlichen Be­ wertung der Anfechtungsgründe. Eine Begründung von Gestaltungsrechten gibt es nach allgemeinem bürgerlichen Recht grundsätzlich nicht187. Dabei bewendet es auch hier. Vorzutragen sind die den Lebenssachverhalt konsti­ tuierenden Gründe in ihrem wesentlichen Tatsachenkern, ohne daß sie als Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund zu bezeichnen oder vom Kläger selbst nach § 243 Abs. 1 oder Abs. 2 AktG einzuordnen sind. (2) Das Nachschieben von Anfechtungsgründen außerhalb der Anfech­ tungsfrist ist erheblich erschwert. An anderer Stelle nimmt die Rechtsord­ nung keinen Anstoß an einem Nachschieben von Gründen, solange der Ver­ trauensschutz des Gegners und die prozessuale Waffengleichheit keine 182 In der Schweiz beträgt die Frist für die Anfechtung von Generalversammlungs­ beschlüssen der Aktiengesellschaft zwei Monate, Art. 706a Abs. 1 OR. Wird die Klage nicht innerhalb der Frist erhoben, so erlischt das Anfechtungsrecht. 183 Explizit gegen die Schiedsfähigkeit aktienrechtlicher Anfechtungs- und Nichtigkeits­ klagen BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937 mit Anm. Robert Fischer = MDR 1951, 674. Zur Kritik noch näher unten § 22 II. 184Zum Nachschieben von Anfechtungsgründen HÜFFER (wie FN 22), § 246 RdNr. 40 ff. 185BGHZ 32, 318 (322 ff.). 186RG JW 1936, 2311 (2312) für die eingetragene Genossenschaft. 187 Dazu allgemeiner M. Becker AcP 188 (1988), 24 ff.

Schmälerung erleiden188. Das Nachschieben von Gründen ist im allgemeinen eine Frage des Schutzes des schwächeren Partners einer Verbindung mit subordinationsrechtlichem Einschlag. Dies zeigt sich im Verwaltungsrecht beim Nachschieben von Ermessenserwägungen durch die Behörde oder im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozeß, wenn der Arbeitgeber dem Be­ triebsrat oder dem Arbeitnehmer nicht alle Kündigungsgründe offenbart hat. Im aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren verlaufen die Fronten genau um­ gekehrt. Hier kommt die Beschränkung gegen den Kläger als den schwäche­ ren Teil zum Tragen. Der Einblick in die innere Organisation der Gesell­ schaft ist dem Aktionär als Kläger zumeist verwehrt. Der Kläger ist nur von der prozessualen Warte her betrachtet in der Angreiferrolle. In Wahrheit ist die Gesellschaft in der Angreiferposition, weil ihr der Akt der Hauptver­ sammlung zuzurechnen ist. Daher ist für einen Vertrauensschutz auf Seiten der Gesellschaft kein Bedürfnis ersichtlich. § 246 Abs. 1 AktG und die die Durchführung der Anfechtungsklage betreffenden Normen ändern den all­ gemeinen Verfahrensrahmen nicht. Unberührt bleiben mithin die Bestim­ mungen über die Klageänderung nach §§ 263, 264 ZPO. Mit ihnen ist eine Beschränkung des Nachschiebens von Anfechtungsgründen auf die einmona­ tige Klagefrist nicht vereinbar. § 246 Abs. 1 AktG verlangt nur die Erhe­ bung der Klage binnen Frist. Es entspricht allgemeinem Verständnis, daß zwischen der Erhebung einer Klage oder dem Einlegen eines Rechtsmittels und der Begründung zu unterscheiden ist189. Angesichts dessen darf man, wenn das Anfechtungsrecht hiermit brechen wollte, erwarten, daß in § 246 Abs. 1 ein Hinweis angebracht wird, daß die Erhebung auch die Begründung der Klage binnen Frist einschließt. Ablesbar ist hieran der abermalige Ver­ such der Erschwerung der Anfechtung, die nicht vom Gesetz gefordert ist, sondern auf einer restriktiven Gesetzesauslegung beruht, die dem zu Eingang aufgezeigten institutioneilen Stellenwert des Klagerechts entgegengesetzt ist. Richtiger Ansicht zufolge genügt es, wenn die Klage binnen Frist erhoben wird. Spätere Ergänzungen oder Berichtigungen des Tatsachenvortrages bleiben statthaft, zumal wenn sich erst im Laufe des Prozesses die tatsäch­ lichen Konturen der Fehlerhaftigkeit des Beschlusses abzeichnen190. Streit­ gegenstand des Verfahrens ist global der Bestand des Beschlusses und nicht 188Zur ähnlichen Rechtslage im Verwaltungsrecht Badura, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1986, § 41 IV (S. 391 ff.). Ein Nach­ schieben ist grundsätzlich nur bei gebundenen Entscheidungen zulässig, wobei die Gründe zum Erlaßzeitpunkt bereits vorgelegen haben müssen. Voraussetzung ist stets, daß der Ver­ waltungsakt nicht inhaltlich geändert und daß der Betroffene nicht in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt wird, vgl. BVerwGE 1, 12 (13); 1, 311 (313); 8, 46 (54); 10, 37 (44). 189Vgl. nur §§ 519 Abs. 2, 554 Abs. 2 ZPO. 190Überzeugend Zöllner (wie FN 169), § 246 RdNr. 18 ff.; Wiedemann, Gesell­ schaftsrecht I, 1980, § 8 IV 2 b (S. 467).

punktuell die Überprüfung seiner Fehlerquellen191. Entscheidet man anders, so sieht sich der Kläger gezwungen, aufs Geratewohl alle denkbaren Gründe vorzubringen, was einem prozeßökonomischen Verfahrensablauf Steine statt Brot beschert. (3) Die Klagefrist wird endlich durch die Einreichung eines Antrags auf Prozeßkostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) gewahrt, zumindest, wenn mit dem Ge­ such die Klage erhoben wird192. Die Gegenansicht, die das Gesetz auf ihrer Seite wähnt, wird weder dem gesellschaftsrechtlichen Stellenwert der An­ fechtungsklage gerecht, noch vermag sie die soziale Bedeutung der Prozeß­ kostenhilfe angemessen zu gewichten. § 246 Abs. 1 AktG trifft keine Be­ stimmung, wonach die Einreichung eines Prozeßkostenhilfegesuchs der Kla­ geerhebung gleichsteht oder den Lauf der Frist aufhält. Die Frage ist daher nach den allgemeinen Grundsätzen und insbesondere nach dem Sinn der Pro­ zeßkostenhilfe zu beantworten. Ihr Grundgedanke ist es, daß die wirtschaft­ liche Leistungsunfähigkeit die Rechtsverfolgung in einem rechts- und sozial­ staatlich verfaßten Gemeinwesen nicht hindern darf. Der wirtschaftlich Schwächere darf nicht durch unüberwindbare Kostenbarrieren um seinen An­ spruch auf rechtliches Gehör gebracht werden. Dies zeigt, daß das Kosten­ hilferecht eine verfassungsrechtliche Untermauerung besitzt. Der hilfs­ bedürftigen Partei darf mit Blick auf die sozialpolitische Zwecksetzung der Kostenhilfe nicht angesonnen werden, zuerst die Klage zur Fristwahrung an­ zubringen und sich erst danach um ihre Finanzierung zu bemühen. Der so­ ziale Zweck des Kostenhilfeverfahrens würde hierdurch nachhaltig unter­ graben. Die nichtbedürftige Partei darf den Antragsteller nicht mit dem Knüppel der Kostenlast von seiner Rechtsverfolgung abhalten. Die ganze Problematik offenbart einen konzeptionellen Mangel des Gesetzes, der von der Novellierung des Prozeßkostenhilferechts 1980 nicht abgestellt wurde. Die Antragstellung im Kostenhilfeverfahren hat auf den Ablauf von Verjährungs- und Ausschlußfristen keinen direkten Einfluß. In § 209 Abs. 2 BGB wird das Prozeßkostenhilfegesuch den dort genannten Klagesurrogaten nicht

191 Hierzu P. Arens, Streitgegenstand und Rechtskraft im aktienrechtlichen Anfech­ tungsverfahren, 1960, S. 46 ff. mit einer Parallelbetrachtung zur verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage (S. 80 ff.) sowie zur arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage (S. 68 ff.). 192 Zutreffend OLG Frankfurt am Main NJW 1966, 838 mit im Ergebnis zustimmender Anm. G. Lüke; Hüffer (wie FN 22), § 246 RdNr. 39; v.Godin/Wilhelmi, Komm.z.AktG, 4. Aufl. 1971, § 246 Anm. 2; anderer Ansicht jedoch BAUMBACH/HUECK, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, § 246 RdNr. 3; Boesebeck AG 1966, 303; Schilling, in: Großkomm.z.AktG, 3. Aufl. 1972, § 246 Anm. 3; für eine teleologische und verfassungs­ konforme Fortbildung von § 246 Abs. 1 jetzt Karsten Schmidt, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1995, § 246 RdNr. 21.

gleichgestellt193, so daß eine Unterbrechung der Verjährung (vgl. § 217 BGB) nicht in Betracht kommt194. Auch eine Unterbrechung gemäß § 210 BGB scheidet aus, weil die Prüfung bzw. Entscheidung über ein Kosten­ hilfegesuch keine Vorentscheidung im Sinne dieser Vorschrift ist195. Zu prü­ fen bleibt jedoch, ob das allgemeine Verjährungsrecht nicht erlaubt, dem Kostenhilfegesuch die RechtsWirkungen der Hemmung (§ 205 BGB) beizu­ legen, d.h. daß mit Einreichung des Antrages die Frist für die Klage in der Hauptsache angehalten ist. Mit Blick auf § 246 Abs. 1 AktG bleibt zu klä­ ren, ob der Anfechtungsklage ein Anspruch im Sinne von § 194 Abs. 1 BGB zugrunde liegt. Dies beantwortet sich aus der historischen Entwicklung des Anfechtungsrechts: Den Ausgangspunkt seiner Anerkennung bildete die bis heute gültige Erkenntnis des ROHG, daß der Aktionär um seiner Mit­ gliedschaft und der Gesellschaft willen einen Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Behandlung aller Angelegenheiten der Gesellschaft hat. Für das Zusammentreffen der sehr kurzen Ausschlußfrist des § 246 Abs. 1 AktG mit einem Kostenhilfegesuch zur Durchführung des kostenaufwendigen Anfechtungsverfahrens hatte eine ältere oberlandesgerichtliche Entschei­ dung196 den Standpunkt eingenommen, daß, wenn der Anfechtungskläger die einmonatige Frist für die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlus­ ses wegen verspäteter Entscheidung über einen von ihm rechtzeitig gestellten Prozeßkostenhilfeantrag versäumt, es die verfassungskonforme Auslegung der Fristvorschrift zwingend gebietet, § 203 Abs. 2 BGB anzuwenden. Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit muß bei einer so extrem kurz bemessenen Frist zurücktreten, weil andernfalls der bedürftigen Partei der Rechtsschutz verweigert würde. Die Bedürftigkeit steigert sich im Zusammentreffen mit

193Die Einreichung eines Prozeßhilfegesuchs ist nach allgemeinem bürgerlichem Recht kein Grund zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB vgl. MünchKommv.Feldmann, BGB, 3. Aufl. 1993, § 209 RdNr. 22. Jedoch wird auf diesen Sonderfall § 203 Abs. 2 BGB entsprechend angewandt. 194 Für den Verwaltungsprozeß EYERMANN/FRÖHLER, Komm.z.VwGO, 9. Aufl. 1988, § 166 RdNr. 3. Die Verfasssungsorientierung dieser Fragestellung wird nicht angesprochen und auch die Beziehung zum institutionellen Auftrag des Verwaltungsrechtsschutzes nicht hergestellt. Im Verwaltungsprozeß ist das Problem dadurch entschärft, daß es die Möglich­ keit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§60 VwGO) gibt. Nach hier vertretener Auffassung ist die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ein Grund zur Wiedereinsetzung be­ züglich der Versäumung der Frist für die Klage in der Hauptsache. 195Es erscheint sehr wohl diskutabel, ob nicht die Verfassungsgarantien des rechtlichen Gehörs, des Sozial- und des Rechtsstaates eine verfassungskonforme Auslegung eröffnen oder nicht sogar gebieten. 196OLG Frankfurt am Main NJW 1966, 838 mit Anm. G. LÜKE; gänzlich ablehnend gegenüber solchen Erwägungen Boesebeck AG 1966, 303.

einer derart kurzen Frist zu einer Verhinderung an der rechtzeitigen Kla­ geerhebung infolge höherer Gewalt nach § 203 Abs. 2 BGB197. Geht man vom Vertrauensschutz bzw. von der Rechtssicherheit aus, auf die § 246 Abs. 1 entscheidend abstellt, so gilt: Schon mit Einreichung des Prozeßkostenhilfegesuchs ist für die Gesellschaft offenkundig, daß mit einer Auseinandersetzung um den Hauptversammlungsbeschluß zu rechnen ist. Das Kostenhilfeverfahren ist seiner Rechtsnatur nach bereits kontradiktorisch wie das nachfolgende Prozeßverfahren in der Hauptsache. Die Unterstüt­ zungsbedürftigkeit des Antragstellers ist ebenso zu prüfen wie die Erfolgs­ aussichten der von ihm angestrebten RechtsVerfolgung (§114 ZPO). Abge­ sehen von der Bedürftigkeitsprüfung sind die Zulässigkeit und die Begrün­ detheit des Klagebegehrens selbst einer summarischen Prüfung zu unterzie­ hen. Zuständig hierfür ist das Prozeßgericht, das anschließend über die Klage zu entscheiden hätte. Entscheidungsgrundlage ist das Streitverhältnis unter Einschluß seiner Beweismittel (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Vor der Bewilligung der Kostenhilfe ist dem Antragsgegner, also dem Beklagten des Rechtsstreits, Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Das Gericht führt in der Regel einen mündlichen Erörterungstermin durch, in welchem der Rechts­ streit bereits vergleichsweise beigelegt werden kann. Nach allgemeiner Er­ fahrung wird der Antragsgegner im Kostenhilfeverfahren versuchen, das Ge­ such dadurch zu Fall zu bringen, daß er die Erfolgsaussicht in der Haupt­ sache in Abrede stellt; die Bedürftigkeit des Antragstellers wird er mit Nichtwissen bestreiten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Alles das zeigt, daß im Kosten­ hilfeverfahren oftmals schon die Hauptsache selbst verhandelt wird und so­ gar der Rechtsstreit in der Hauptsache seine Erledigung finden kann198. Im Ergebnis läßt sich festhalten, daß die rechtzeitige Einreichung eines Kostenhilfegesuchs die Anfechtungsfrist wahrt. Das Bewilligungsverfahren bedeutet schon eine Vorwegnahme der Hauptsache in wesentlichen Punkten. Hinzu tritt eine Pflicht zu verfassungskonformer Auslegung der Frist, die 197Für eine streng prozessuale Lösung des Fristenproblems (nämlich Analogie zu §§ 233 ff. ZPO) G. Lüke NJW 1966, 838. Dieser Vorschlag hat sich inzwischen in ganz ähnlichem Zusammenhang Bahn gebrochen. Wird die Frist zur Anfechtung von Beschlüssen der Woh­ nungseigentümerversammlung nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG, die in ihrer Rechtsnatur gleich der Frist in § 246 Abs. 1 AktG zu beurteilen ist, versäumt, so gewährt eine inzwischen gefe­ stigte Praxis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend § 22 Abs. 2 FGG, vgl. BGHZ 54, 65 (70); OLG Hamm OLGZ 1985, 147 (149 ff.); BayObLGZ 1989, 13 (14 ff.). 198 Die Bedeutung der Entscheidung im Prozeßkostenhilfeverfahren für den Hauptsache­ prozeß darf nicht unterschätzt werden. Gibt das Gericht dem Antrag statt, so fällt damit inzident eine Vorentscheidung über den präsumtiven Ausgang des Hauptverfahrens. In dem bekannten Fall LG Frankenthal/Ludwigshafen AG 1957, 211 kaufte die beklagte Gesell­ schaft dem Antragsteller kurz nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe seine Aktien ab. Auch in OLG Karlsruhe ZIP 1990, 719 bestätigte sich, daß das Prozeßkostenhilfeverfahren die Entscheidung über die Anfechtung de facto vorwegnimmt.

den Zweck der Prozeßkostenhilfe nicht gefährden darf. Die Frist darf nicht zu sozialen Härten führen, die die Kostenhilfe gerade vermeiden will. Ferner ist zu bedenken, daß der Kläger nicht alleine eigene Belange mit der Klage verfolgt. Die Institution der Prozeßkostenhilfe will die bedürftige Partei vor unüberlegten Schritten bewahren. Der Kläger soll nicht in Vorlage für die Kosten treten müssen und in den Genuß der Beiordnung eines Prozeßbevoll­ mächtigten nach § 121 ZPO gelangen199. c) Besonderheiten gelten für die Klagefrist im GmbH-Recht. Dort werden die viel beklagten Härten, die die starren Klagefristen bei der AG oder der eingetragenen Genossenschaft hervorrufen, vermieden, weil die einmonatige Anfechtungsfrist für die GmbH nicht gilt200. Andererseits bedeutet dies nicht, daß die Klage im GmbH-Recht unbefristet zulässig ist oder die zeit­ liche Begrenzung allein mit Hilfe der Verwirkung zu leisten wäre. Für die GmbH gilt nach ständiger Rechtsprechung eine Frist für die Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, die den Umständen nach ange­ messen sein muß201. Bei der Ermittlung dessen, was im Einzelfall noch als angemessen gelten kann, ist die gesetzliche Frist in § 246 Abs. 1 AktG kein Orientierungspunkt. Maßgeblich sind viel eher die besonderen strukturellen Gegebenheiten bei der GmbH202. Danach besteht bei der GmbH - jeden­ falls in ihrer personalistischen Ausprägung - ein geringeres Bedürfnis an Vertrauensschutz und Rechtssicherheit, weil die Breitenwirkung von Be­ schlußanfechtungsstreitigkeiten fehlt. Die GmbH tritt nicht in nennenswer­ tem Umfang an den Kapitalmarkt für Eigenkapital heran. Die Flexibilität ei­ ner nicht festumrissenen Klagefrist mag zusammen mit den persönlichen Be­ ziehungen der Gesellschafter untereinander eine Chance eröffnen, die güt­ liche Einigung durch Aufhebung oder Abwandlung des Beschlusses herbei­ zuführen und die Gesellschafter nicht von vornherein auf den Klageweg fest­ zulegen. Diese Überlegungen verdienen über alle Rechtsformgrenzen hinweg auch für den Typus der kleinen AG Aufmerksamkeit. Die genannten Überlegungen begrenzen die Möglichkeiten, die Länge der Anfechtungsfrist im Gesellschaftsvertrag festzulegen. Bei der AG und bei der eingetragenen Genossenschaft ist es wegen des Grundsatzes der Sat­ 199Der Hinweis auf § 247 AktG verfängt in diesem Zusammenhang nicht. Streitwerther­ absetzung nach § 247 und Prozeßkostenhilfeverfahren sind verschiedenen Ebenen zuzuord­ nen. § 247 AktG ist eine Modifizierung der Grundregel des § 3 ZPO. Die strukturelle Ver­ schiedenheit beider Verfahren folgt ferner daraus, daß die Streitwertherabsetzung von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unberührt bleibt. 200BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, Anh. § 47 RdNr. 78 ff. mit Nachweisen. 201 Nachweise bei Zöllner (wie FN 200); Immenga GmbHRdsch. 1973, 5 ff. sowie BGHZ 104, 66 (70 ff.). 202BGHZ 104, 66 (71).

zungsstrenge nicht zulässig, die gesetzliche Frist vertraglich zu verändern. Bei der GmbH besteht diese Möglichkeit. Das Bedürfnis hierfür folgt aus dem Umstand, daß die "den Umständen nach angemessene" Frist trotz ihrer Flexibilität einen Nährboden der Rechtsunsicherheit bilden kann203. Be­ grenzt sind die Spielräume einer statutarischen Festlegung der Frist vor al­ lem nach unten. Der Gesellschaftsvertrag kann keine Bestimmung treffen, wonach die Anfechtungsfrist weniger als einen Monat betragen soll204. Nach oben ist der Spielraum zulässiger Satzungsgestaltung größer, doch muß hier ebenfalls beachtet werden, daß ein Mangel mit der zumutbaren Beschleuni­ gung geltend zu machen ist205. Eine andere bedeutsame Modifikation im GmbH-Recht betrifft die Be­ handlung verfristeter Klagen. Hat der Kläger die den Umständen nach als angemessen zu erachtende Frist verstreichen lassen, so tritt im GmbH-Recht grundsätzlich dieselbe Wirkung ein wie bei der Aktiengesellschaft. Die Be­ sonderheit ist, daß bei der GmbH selbst bestandskräftige Beschlüsse nicht unter allen Umständen für die künftigen Rechtsbeziehungen zwischen Gesell­ schaft und Gesellschafter bestimmend sind, sofern die Berufung auf die ein­ getretene Unanfechtbarkeit rechtsmißbräuchlich erscheint206. Wie bei rechtskräftigen Urteilen oder Vollstreckungstiteln, die nicht mehr mit den ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar sind, kann auch im GmbH-Recht die Bestandskraft eines unanfechtbar gewordenen Beschlusses ausnahmsweise durchbrochen werden. Dies gilt namentlich für solche Beschlüsse, die darauf gerichtet sind, den Gesellschafter aus der Gesellschaft zu entfernen, also der Ausschließungs- oder Einziehungsbeschluß. Hier wiegt der Schutz des Ge­ sellschafters - für den immerhin ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen (Artt. 9, 14 GG) auf dem Spiele steht - schwerer als die formale Rechtsposition der Gesellschaft, zumal wenn der Entzug des Mitgliedschafts­ rechts nicht auf einem justizförmlichen Erkenntnisverfahren beruht, sondern der Rechts Verlust nur als Ergebnis schlichten Nichtstuns des Betroffenen eintritt. Die präklusive Wirkung der Fristversäumung darf das rechtswidrige Verhalten der beschließenden Gesellschaft nicht heilen. Eine Rechtsfolge des Prozeßrechts darf nicht dazu genutzt werden, elementare Wertentschei203Zur Konkretisierung der "angemessenen Frist" Zöllner (wie FN 200), RdNr. 79 ff. 204BGHZ 104, 66; zu dieser Entscheidung Raiser, Festschrift für Heinsius, 1991, S. 645 ff. - Die Einmonatsfrist ist die äußerste untere Grenze einer gesellschaftsvertrag­ lichen Festlegung der Anfechtungsfrist. 205 Zur Dauer der Anfechtungsfrist bei der GmbH jetzt BGH WM 1989, 63 (66): Ein Zuwarten von mehr als sechs Monaten kann die Anfechtungsfrist nicht wahren, vgl. LUTTER/HOMMELHOFF, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, Anh. § 47 RdNr. 59. Im BGHZ 104, 66 hatte das Gericht eine Festlegung noch vermieden. 206BGHZ 101, 113 (120 ff.) = JZ 1987, 1081 mit Anm. Karsten Schmidt zu einem extrem gelagerten Fall der Verdrängung eines Gesellschafters aus der Gesellschaft.

düngen des Gesellschaftsrechts - nämlich Entzug der Mitgliedschaft nur aus wichtigem Grund (arg. § 140 HGB) - zu überspielen. Dem materiellen Recht gebührt angesichts der Orientierungslosigkeit des Prozeßrechts für diese Fragen der Vorrang. Eine diesem Ergebnis entgegenstehende Be­ standskraft muß mit Hilfe von § 826 BGB überwunden werden, so daß eine Wiederherstellung der Deckungsgleichheit von materieller und prozeduraler Gerechtigkeit eintritt207. Liegen die Voraussetzungen der rechtsmißbräuchlichen Berufung auf die Bestandskraft eines Gesellschafterbeschlusses vor, so kann der Beschluß derjenigen Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, nicht entgegen­ gehalten werden. Grundlage ist die aus dem Verfahrensrecht bekannte und in Anlehnung an § 826 BGB entwickelte Figur der Durchbrechung der mate­ riellen Urteilsrechtskraft, wenn eine Partei dadurch Schaden nimmt, daß die andere gegen sie arglistig durch Irreführung des Gerichts ein rechtskräftiges unrichtiges Urteil erschlichen hat. Dasselbe gilt für unrichtige Voll­ streckungsbescheide208, denen die Richtigkeitsgewähr eines förmlichen Er­ kenntnisverfahrens abgeht. Für gestaltende Urteile und Rechtsakte reicht es regelmäßig nicht aus, ihnen nur ihre Rechts- oder Bestandskraft abzuspre­ chen. Gestaltungsakte bergen zumeist schon ein Vollzugsmoment in sich, d.h. eine Veränderung der bisherigen Rechtslage. Genau darum geht es bei dem Einziehungs- oder Ausschließungsbeschluß, der in formelle Bestands­ kraft erwachsen ist209. Der Umstand der rechtswidrigen Herbeiführung eines solchen Beschlusses läßt die Mitgliedschaft nicht wieder aufleben, obwohl es der Gesellschaft andererseits verwehrt ist, den Gesellschafter als ausge­ 207 Auf anderem methodischem Weg zum selben Ergebnis gelangt Zöllner (wie FN 200), RdNr. 79 a.E., indem er die Verfristung nicht mit Hilfe von § 826 BGB überwindet, sondern das fraudulöse Verhalten in das Angemessenheitsurteil einfließen läßt. 208Genau dasselbe Phänomen des Zusammenspielens von materiellem Recht und Verfah­ rensrecht ist zu beobachten bei der Durchbrechung der Rechtskraft von Vollstreckungs­ bescheiden zur Eintreibung sittenwidriger Ratenkredite. Die Rechtsprechung hilft hier eben­ falls mit § 826 BGB, vgl. BGHZ 101, 380; BGH NJW 1987, 3259; BGHZ 103, 44; umfas­ sende monographische Behandlung durch PRÜTTING/WETH, Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln, 2. Aufl. 1994, S. 63 ff. § 826 BGB wird dienstbar gemacht, um einen eigentlich im Verfahrensrecht beheimateten Mangel zu beheben, nämlich die Abschaffung der Schlüssigkeitsprüfung im Mahnverfahren durch die Vereinfachungsnovelle 1977. OLG Karlsruhe Rpfleger 1987, 422 kehrt daher mit guten Gründen zu einer beschränkten Schlüs­ sigkeitsprüfung im Rahmen von §§ 691, 699 ZPO zurück. Den Rechtspfleger trifft zwar keine Prüfungspflicht beim Erlaß des Vollstreckungsbescheides, wohl aber hat er ein Prü­ fungsrecht. Inhalt seiner Ermessensentscheidung ist, evident unberechtigten Forderungen nicht zu einer Titulierung zu verhelfen. Der Schuldnerschutz darf also nicht - wie es die Vereinfachungsnovelle getan hat - auf dem Altar der Verfahrensbeschleunigung geopfert werden. Bezüglich der gegen das novellierte Mahnverfahrensrecht vorgebrachten verfas­ sungsrechtlichen Bedenken verweist BVerfGE 84, 160 auf die Zivilrechtsprechung (BGHZ 101, 380). 209So im Falle von BGHZ 101, 113.

schlossen zu behandeln und seine Gesellschafterrechte zu ignorieren. Zur Be­ reinigung dieser eigenartig duplizitären Rechtslage wird zum Teil vorge­ schlagen, daß trotz der abgelaufenen Frist eine Anfechtungsklage nötig ist, um den Beschluß aus der Welt zu schaffen210. Die gerichtliche Kassation ist jedoch nicht die einzige Form der Beseiti­ gung eines Beschlusses. Richtig ist zwar, daß der nicht nichtige Beschluß regelmäßig durch Anfechtung zu beseitigen ist. Die andere Alternative ist die Aufhebung des alten durch einen neuen Beschluß211. Der benachteiligte Ge­ sellschafter hat einen dem materiellen Recht zugehörigen Anspruch auf Be­ seitigung des fehlerhaften und ihn benachteiligenden Beschlusses. Dieser An­ spruch ist nicht von der Anfechtungsfrist abhängig. Er läßt sich ohne Brüche in das geltende System integrieren, jedenfalls solange die Rückgängig­ machung keine schutzwürdigen Belange Dritter berührt und die beschlossene Maßnahme noch nicht ausgeführt ist. Das GmbH-Recht hat das Beschluß­ mängelrecht hiermit insgesamt um einen wichtigen Denkanstoß bereichert. Wenn das Klagerecht infolge nicht rechtzeitiger Klageerhebung verfristet ist, muß daraus nicht zwingend folgen, daß andere Möglichkeiten zur Beseiti­ gung des Beschlusses ebenfalls abgeschnitten sind und die Zementierung ei­ nes rechtswidrigen Zustandes eintritt. Die Rechtssicherheit gebietet dies — wenn überhaupt - nur, sofern tatsächlich schutzwürdige Belange existieren oder sich ein schutzwürdiges Vertrauen bilden konnte. Für solche Über­ legungen ist unter diesen Umständen bei der AG und bei der eingetragenen Genossenschaft ebenfalls Raum. Der Klagefrist war nie die Bedeutung zuge­ dacht, die Gesetzes- oder Satzungsbindung der Gesellschaftsorgane durch bloßen Fristablauf aufzuheben.

4. Der Anfechtungsrechtsstreit im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten

Das Aktiengesetz stellt für die Anfechtungsklage einen eigenen Verfah­ rensrahmen bereit. Er weist interessante und nicht zufällige Parallelen zur verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage auf212. * Bürger wie Aktionär 210So insbesondere Karsten Schmidt JZ 1987, 1083 (1085). 211 Dem Aufhebungsbeschluß als actus contrarius und streiterledigendem Ereignis kommt bei der Anfechtungsklage als sog. unechter Gestaltungsklage zentrale Bedeutung zu, vgl. M. Becker ZZP 97 (1984), 314 (322 ff.). 212 An zahlreichen Bestimmungen läßt sich die parallele Strukturierung von aktienrecht­ licher und verwaltungsgerichtlicher Anfechtungsklage ablesen, so daß es als ausgeschlossen erscheinen muß, daß es sich um einen Zufall handelt. Beide Verfahren erfordern die Fest­ stellung einer besonderen Klagebefugnis (§ 245 AktG - § 42 Abs. 2 VwGO); beide Verfah­ ren sind auf die Beteiligung Dritter angelegt und lassen diese zu (§ 65 VwGO — § 246 Abs. 4 AktG bzw. BVerfGE 60, 7); das kassierende Urteil wirkt rechtsgestaltend; beide Verfah­ ren kennen eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 244 Satz 2 AktG - § 113 Abs. 1 Satz 4

wehren sich mit der Anfechtungsklage dagegen, daß im einen Fall ein rechtswidriger Verwaltungsakt, im anderen Fall ein rechtswidriger Haupt­ versammlungsbeschluß Bestandskraft erlangt und so für die künftigen Rechtsbeziehungen aller am Gesellschaftsverhältnis Beteiligten bestimmend wird213. Die bloße Einrede der Anfechtbarkeit reicht in aller Regel nicht aus214. Die Anfechtungsklage ist eine sog. unechte Gestaltungsklage 215, weil die gerichtliche Aufhebung des Beschlusses durch ein dem materiellen Recht zu­ zuordnendes Rechtsgeschäft, nämlich einen Aufhebungs- oder Änderungsbe­ schluß als actus contrarius, ersetzbar ist, und dies den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Die gerichtliche Aufhebung ist hinreichende, nicht aber notwendige Bedingung für die Beseitigung des fraglichen Beschlusses. Ange­ sprochen ist das Verhältnis von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht, das für die aktienrechtliche Anfechtungsklage Grundfragen des Gesellschafts­ rechts überhaupt aufwirft. Die Dispositionsbefugnis der Parteien hinsichtlich des der Klage zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses, die Fragen der Aus­ kaufbarkeit opponierender Gesellschafter, der Schiedsfähigkeit der Klage216 oder der Reichweite der Urteilsrechtskraft finden hier ihren Ursprung. a) Die Rechtsnatur der Anfechtungsklage

Die Anfechtungs- und die Nichtigkeitsklage sind Gestaltungsklagen. Rechtsschutzziel der Gestaltungsklage ist die Veränderung eines Rechtsver­ hältnisses durch richterlichen Konstitutivakt. Das Gestaltungsurteil217 trifft nicht nur eine Feststellung oder verurteilt zur Vornahme einer Handlung, die im Falle ihrer Nichtvornahme mit zwangsvollstreckungsrechtlichen Mitteln sanktioniert ist. Beim Gestaltungsurteil liegt der Akzent auf der unmittelbar rechtsändemden Urteilswirkung. Es trägt seine Vollstreckung in sich. Die Konstruktion des Gestaltungsurteils überdeckt zuweilen, daß ein kontradikto­ risches Verfahren vorliegt, bei dem sich die Parteien auf der Ebene der VwGO); in beiden Verfahren kommt man dem Kläger mit einem ermäßigten Streitwert ent­ gegen, um keine prohibitiven Kostenbarrieren zu errichten (§ 247 AktG - § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG). 213Zur prozessualen Verwandtschaft von aktienrechtlicher und verwaltungsgerichtlicher Anfechtungsklage bereits G. Lüke JZ 1960, 203 (204 ff.); DERS. NJW 1966, 838 (839). 214Eine gewisse Ausnahme bildet die erwähnte Entscheidung BGHZ 101, 113 zur Arg­ listeinrede aus § 826 BGB. Zur Rechtslage im GmbH-Recht Raiser, Festschrift für Heinsius, 1991, S. 645 ff. 215 Dazu bereits oben FN 211. 216Zur Schiedsfähigkeit von Beschlußmängelklagen unten § 22. 217Zu den drei Klagearten des Zivilprozesses MünchKommZPO-G. LÜKE, 1992, RdNr. 19 ff. vor § 253; ders. JuS 1969, 301 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeß­ recht, 15. Aufl. 1993, § 91 (S. 507 ff.).

Gleichordnung gegenübertreten. Eine Umschau im deutschen Recht ergibt, daß die Konstruktion durchaus gegen andere austauschbar ist218. Entschei­ dendes Kennzeichen aller Gestaltungsklagen ist, daß, obwohl durch sie mit­ unter Rechtsschutzziele zu verfolgen sind, die auch im öffentlichen Interesse liegen mögen und die in Verfolgung eines besonderen Kontrollauftrages wahrzunehmen sind219, letzten Endes ein dem materiellen Privatrecht ange­ höriges Gestaltungsrecht des Klägers verwirklicht wird220. Es handelt sich nicht - wie man gelegentlich für die Ehescheidungsklage als sog. echte Gestaltungsklage behauptet221 - um die Durchsetzung eines Anspruchs auf Justizgewähr gegen den Staat, für den bereits die Eröffnung des Zivilrechtsweges zweifelhaft sein könnte. An der Zuordnung dieser Klagen wie des mit ihnen verfolgten Anspruchs zum Privatrecht ändert es nichts, daß diese Verfahren teilweise Prozeß­ maximen folgen, die aus der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbar­ keit bekannt sind oder an die statusklärenden Verfahren des Privatrechts er­ innern222. Die Anreicherung des Zivilverfahrens durch Elemente anderer Prozeßordnungen wird aus übergeordneten Gesichtspunkten erforderlich223. Beim Gestaltungsklagerecht kann sein Inhaber, wenn der andere Teil koope­ 218So ist die arbeitsrechtliche Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG Feststellungs­ klage, wiewohl sie ebensogut Gestaltungsklage sein könnte. Die Auflösung der BGB-Gesell­ schaft verlangt im Gegensatz zum gleichen Vorgang bei der OHG/KG keine Gestaltungs­ klage, vgl. § 723 BGB einerseits, § 133 HGB andererseits. Die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft erfordert ebenfalls keine Gestaltungsklage. Jeder Erbe hat grundsätzlich einen Anspruch auf Auseinandersetzung (= Rechtsänderung), in die die übrigen Erben ein­ zuwilligen haben nach Erstellung eines zumutbaren Teilungsplanes. Auch den Gestaltungs­ klagen, die eine Rechtsänderung zum Gegenstand haben, liegt ein privatrechtlicher Anspruch zugrunde, vgl. K. Hellwig, Anspruch und Klagrecht, 1924, S. 483 ff. Zu den systematischen Interdependenzen der Klagearten bei strukturell verwandten Rechtsschutz­ zielen G. Lüke JZ 1960, 203. 219Siehe oben § 5 I. 220Zur alten Streitfrage, ob mit der Gestaltungsklage auch ein (privates) Gestaltungs­ recht ausgeübt wird Stein/Jonas/Schumann, Komm.z.ZPO, 20. Aufl. 1987, RdNr. 43 ff. vor § 253 m.w.N. Danach besitzt der Kläger ein Recht auf Rechtsgestaltung, das sich aller­ dings gegen den Staat richten soll und vielfach mit dem allgemeinen Anspruch des Bürgers auf Justizgewähr gleichgesetzt wird. 221 Der Kläger verfolgt richtiger Auffassung zufolge keinen dem öffentlichen Recht zu­ zuordnenden Anspruch auf Justizgewähr gegen den Staat, auch nicht bei der Ehescheidung als echter Gestaltungsklage, a.A. MünchKomm-WOLF, BGB, 3. Aufl. 1993, § 1564 RdNr. 21; zutreffend dagegen G. LÜKE AcP 178 (1978), 1 (22 f.); hierzu bekennt sich nunmehr auch BGHZ 97, 304 (308). Gilt dies aber für echte Gestaltungsklagen, so kann für unechte Gestaltungsklagen nichts anderes richtig sein. 222Etwa der Ehelichkeitsanfechtungsklage nach §§ 1593 ff. BGB. 223Vgl. BVerfGE 60, 7 zu § 61 GmbHG. Der Nichtbeteiligung des wahren Interessen­ trägers am Prozeßrechtsverhältnis und seine Bindung an den Urteilsausspruch muß durch eine Unterrichtung vom Schweben des Auflösungsrechtsstreits Rechnung getragen werden, vgl. M. BECKER ZZP 97 (1984), 314 (330 ff.); Joost ZGR 1984, 71; Marotzke ZZP 100 (1987), 164.

rationsunwillig ist, die Veränderung des Rechtsverhältnisses nicht aus eige­ ner Rechtsmacht durchsetzen. Hierin liegt sein signifikanter Unterschied zum reinen Gestaltungsrecht etwa der Anfechtung einer Willenserklärung nach § 142 Abs. 1 BGB224. Die Durchsetzung solcher Gestaltungsrechte gegen den Willen des anderen Teils ist durch das Klageerfordernis besonders for­ malisiert. Wenn sich das Gesetz für die Beschlußanfechtungsklage bei den Kapitalgesellschaften zugunsten der Gestaltungsklagekonstruktion entschie­ den hat, so war dafür folgende Erwägung maßgebend: Im Interesse des Ver­ kehrsschutzes, das sich aus dem Umstand erklärt, daß Aktiengesellschaften an den Kapitalmarkt herantreten und daß in der Regel ein großer Personen­ kreis von der Unwirksamkeit eines Beschlusses tangiert ist, verbietet es sich, daß ein Beschluß ebenso beseitigt werden kann, wie eine Willenserklärung aus einem Rechtsverhältnis, das in aller Regel nur zwischen zwei Personen besteht. Die Beschlußmängelklage ist als Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage ge­ gen die Gesellschaft als Klagegegner zu richten (§§51 Abs. 3 Satz 1 GenG, 246 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 249 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dasselbe gilt für die ge­ richtliche Auflösung einer GmbH (§61 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), bei der es nicht im Negativen um die Kassierung eines Beschlusses der Gesellschafter, sondern im Positiven um die Verurteilung zur Fassung eines Auflösungs­ beschlusses (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) geht, mithin um eine positive Stimmpflicht225. Es lohnt, diese Parteirollenzuweisung näher zu betrachten, da von ihr bedeutsame Weiterungen ausgehen. Im gewöhnlichen Zivilprozeß besteht ein Gleichlauf von Sachrechtsverhältnis und Prozeßrechtsverhältnis. Der Anspruch des Gläubigers auf Leistung richtet sich gegen seinen Schuld­ ner. Bei Nichtleistung klagt der Gläubiger gegen den Schuldner. Die Rechts­ beziehung Gläubiger - Schuldner setzt sich prozessual fort in der Rechts­ beziehung Kläger - Beklagter. Bei den gesellschaftsrechtlichen Statuskla­ gen, die die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Beschlusses zum Gegenstand haben, ist dies nicht so. Nicht die Gesellschaft als Klagegegner hat den ange­ fochtenen Beschluß in die Welt gesetzt. Sie selbst kann den Rechtsschutz­ anspruch (= Beseitigung des Beschlusses) nicht erfüllen, ebensowenig wie die Verwaltung, durch die sie im Prozeß regelmäßig vertreten wird (§ 246 Abs. 2 Satz 2 AktG). Dieser Umstand weist der Beschlußmängelklage eine gewisse Sonderstellung zu. Dennoch gehört es nicht zum Wesen der Gestal­ tungsrechte, daß sie vom Berechtigten alleine durchzusetzen sind oder daß der Gegner imstande sein muß, den Gestaltungsanspruch zu erfüllen. Gründe 224Grundlegend Seckel, Festgabe für Richard Koch, 1903, S. 205 ff. 225 Zur Einordnung der GmbH-rechtlichen Auflösungsklage in das System der Gestal tungsklagen M. Becker (wie FN 223), S. 327 ff.

der Prozeßökonomie erklären die Zuweisung der Parteirolle an die Gesell­ schaft. Die wenig praktikable Alternative wäre, daß der anfechtende Aktio­ när eine u.U. astronomisch hohe Zahl von Mitaktionären verklagen müßte, die den Beschluß gefaßt haben und nicht bereit sind, ihn zurückzunehmen. In § 246 Abs. 2 Satz 1 AktG erfährt überdies das körperschaftliche Prinzip seine Bestätigung, das es nur konsequent erscheinen läßt, daß die Klage ge­ gen die Gesellschaft zu richten ist. Was die Organe der Körperschaft in Ver­ richtung der zu ihrem Wirkenskreis zählenden Aufgaben tun, wird der Kör­ perschaft wie eigenes Handeln zugerechnet (arg. § 31 BGB). Die Gesell­ schaft ist im Anfechtungsverfahren Partei im formellen Sinne, d.h. sie ist am Prozeßrechtsverhältnis auf der Passivseite beteiligt. Nur sie kann verklagt werden226. Die Gesellschaft ist Prozeßstandschafter der Gesellschafter. Par­ tei im materiellen Sinne sind die Gesellschafter als Urheber des fraglichen Beschlusses227. Sie können den Beschluß ändern und den Rechtsstreit durch Beseitigung des dem Beschluß anhaftenden Fehlers in der Hauptsache erledi­ gen (vgl. § 244 Satz 1 AktG). Dies verleiht der Beschlußmängelklage ihre Prägung als unechte Gestaltungsklage. Die gerichtliche Aufhebung des Be­ schlusses ist die Ersatzvornahme für die von der Gesellschaft verweigerte Herstellung des rechtmäßigen Zustandes. Anspruchsgrundklage des Gesell­ schafters ist jener Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung. Er wird von der Institution der Gestaltungsklage nicht verdrängt, weil der Gesetzgeber den Berechtigten nicht schlechter stellen wollte. Der materiell­ rechtliche Anspruch auf Rechtsänderung, den der Kläger behält, wird durch das Erfordernis der Gestaltungsklage allenfalls verdeckt, jedoch nicht besei­ tigt. Praktische Konsequenz des gleichgerichtet neben dem Anspruch auf Rechtsänderung bestehenden Klagerechts ist, daß die Gestaltungsklage dem Gestaltungsgegner keinen Freibrief für eine schuldhafte Verzögerung der

226Eine Ausnahme bildet die zweigliedrige GmbH, wo die Rechtsprechung vereinzelt auch eine Feststellungsklage zwischen den Gesellschaftern ohne Streitbeteiligung der Gesell­ schaft zugelassen hat. 227 Zur Parteibegriffslehre aus neuerer Zeit de Boor, Zur Lehre vom Parteiwechsel und vom Parteibegriff, 1941, S. 43 ff.; für das Konkursrecht Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse, 1973, S. 66 ff.

Umgestaltung des Rechtsverhältnisses ausstellt. Solche Verzögerungen blei­ ben namentlich nach § 286 Abs. 1 BGB sanktionsbewehrt228.

b) Prozeßkostentragung und Streitwertbestimmung Aus der Zuweisung der Parteirollen folgt die Verteilung der Prozeß­ kostentragung. Insoweit läßt es das Beschlußmängelrecht bei den allgemei­ nen Bestimmungen der §§91 ff. ZPO bewenden. Lediglich bezüglich der Streitwertbestimmung hebt § 247 AktG das Beschlußanfechtungsrecht von den allgemeinen Regelungen (§3 ZPO) ab. Damit wird dem Stellenwert der Anfechtungsklage für den Kläger wie für die Gesellschaft insgesamt aber nur am Rande Rechnung getragen. Die §§ 91 ff. ZPO basieren auf einem streng verfahrensrechtlichen Konzept der Kostenlastverteilung. Der Grundgedanke der prozessualen Kostentragungspflicht liegt in der vom Verschulden unab­ hängigen Veranlassung eines - aus der Retrospektive des Verfahrensaus­ ganges - erfolglosen Prozeßführung, mit der die unterlegene Partei den Justizapparat überflüssigerweise in Anspruch genommen hat229. Unberück­ sichtigt bleibt bei Anlegung rein verfahrensrechtlicher Beurteilungsmaßstäbe, ob die Prozeßführung nicht doch nützlich oder sogar nützlicher für denjeni­ gen war, der obsiegt hat und die Kosten nach § 91 ZPO nicht tragen muß. Steht endgültig fest, daß der Hauptversammlungsbeschluß Bestand hat, so erlangt die Gesellschaft ebenfalls Vorteile aus der Klärung der Rechtslage: Eine Satzungsänderung ist nun verbindlich, Aktien aus einer Kapitalerhö­ hung dürfen ausgegeben werden oder ein Verschmelzungsbeschluß darf ein­ getragen und ausgeführt werden. Der entscheidende Zugewinn an wirt­ schaftlicher Bewegungs- und Planungsfreiheit auf Seiten der Gesellschaft läßt sich nicht gegen die Verstrickung in einen erfolglosen Prozeß in Ansatz bringen. Es handelt sich um gänzlich inkommensurable Größen. Bedeutender noch ist, daß die Kostentragungspflicht Barrieren aufrichtet und aufrichten will, um den Kläger von der Klageerhebung abzuschrecken. Die hohen Ko­ sten, die eine Anfechtungsklage für den klagenden Aktionär mit sich bringen kann, zwingen zu einer sehr sorgfältigen Abwägung von Chancen und Risi­ 228 Eine Verzugshaftung der nichtstreitbeteiligten Gesellschafter, die den angefochtenen Beschluß gefaßt haben, nach § 286 Abs. 1 BGB gewinnt praktische Bedeutung, wenn es um die materielle Tragung der Prozeßkosten geht. Unterliegt die Gesellschaft als notwendige Beklagte im Anfechtungsrechtsstreit, weil der Beschluß nicht zurückgenommen wird, so hat sie nach § 91 ZPO die Prozeßkosten zu tragen und damit pro rata ebenso der obsiegende Aktionär. Die durch § 246 Abs. 2 Satz 1 AktG bedingte Trennung von Sachlegitimation und Prozeßführungsbefugnis bringt es mit sich, daß das Vermögen der Gesellschaft Streitver­ mögen ist, aus welchem diese Kosten zu zahlen sind. Die Kostentragungspflicht der Gesell­ schaft entzieht auch ihren Gläubigem Haftungssubstrat. 229Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993, § 87 V 5 (S. 473).

ken. Dieses Risiko besitzt für das Anfechtungsverfahren eine auffallend asymmetrische Struktur. Da die Gesellschaft stets beklagte Partei ist, trägt sie im Falle der Aufhebung des Beschlusses die Kosten. Niemals dagegen könnte bei einem Abstellen alleine auf prozessuale Kategorien die Gesell­ schaftermehrheit eine Ersatzpflicht treffen, selbst wenn evident ist, daß der Beschluß rechtswidrig und mit seiner Aufhebung sicher zu rechnen ist. Es muß zweifelhaft erscheinen, ob dieses Ergebnis nach geltendem Recht geboten und ordnungspolitisch vertretbar ist oder ob nicht wenigstens für den Bereich einer Prozeßführung, deren Früchte unabhängig vom Verfahrens­ ausgang einer größeren Personengruppe oder der Allgemeinheit zugute kommen, eine modifizierte Handhabung der §§91 ff. ZPO stattzufinden hat230. Dennoch ist in Ansätzen erkennbar, daß das verfahrensbezogene Konzept der Kostentragung sich materiellrechtlichen Wertungsgesichtspunk­ ten nicht verschließt. Etwa an § 93 ZPO läßt sich ablesen, daß Erfolg oder Mißerfolg der Klage immer im Zusammenhang mit ihrer konkreten Veran­ lassung zu sehen sind. Eine verdeckte Veranlassung darf nicht außer Ansatz bleiben, wenn über die letztverbindliche Kostentragung zu urteilen ist. Es ist nicht Aufgabe des Prozeßrechts, ein Ergebnis zu schaffen, welches zu einer nach Gesellschaftsrecht verbotenen Eigenbegünstigung derjenigen Gesell­ schafter führt, die auf Kosten des Gesellschaftsvermögens einen rechtswidri­ gen Beschluß mit aller Macht aufrechterhalten wollen. Dem Prozeßrecht geht im allgemeinen die Orientierung ab, solchermaßen endgültig über die Ko­ stentragung zu befinden. § 246 Abs. 2 Satz 1 AktG intendiert nicht die Sub­ ventionierung von Gesellschaftern, die sich ihrer Pflicht zur Beseitigung ei­ nes rechtswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses entziehen. Obsiegt der klagende Aktionär, so wäre zwar die Gesellschaft nach § 91 ZPO in die Ko­ stentragung zu verurteilen, doch hat der Kläger, da das Gesellschaftsver­ mögen zugleich Streitvermögen ist, den Aufwand der Gesellschaft pro rata seiner eigenen Beteiligung mitzutragen. Auch dies ist nicht einzusehen, weil § 91 ZPO im Umkehrschluß besagt, daß der Gewinner von jedweder Kostenlast freizuhalten ist. Diese Beispiele legen es nahe, die Kosten im Grundsatz entweder vollständig oder überhaupt nicht zu sozialisieren. Dies gebietet schon der Gleichbehandlungsgrundsatz. Die beste Lösung wäre, die Kostenerstattung jenseits der starren Meßlatte nach Erfolg, Mißerfolg oder Veranlassung verstärkt Billigkeitserwägungen zu öffnen und die Kostenver­ teilung in das Ermessen des Gerichts zu stellen. Dafür haben sich andere Rechtsordnungen in vergleichbarem Verfahren und mit vorzeigbaren Ergeb230Zur Flankierung der prozessualen Kostenerstattungspflicht durch materiell-rechtliche Ausgleichsansprüche vgl. die sehr gründliche Untersuchung von Becker-Eberhard, Die Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, 1985, S. 107 ff., speziell für Erstattungsansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag.

nissen entschieden231. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Ausfüllung des Ermessens wäre das erwähnte Interesse der Gesellschaft an einer Statusklä­ rung. Als Alternative wäre die Flankierung der prozessualen durch eine materiellrechtliche Kostenerstattung diskutabel. Unterliegt der klagende Ak­ tionär und ist seine Prozeßführung der Gesellschaft bei objektiver Betrach­ tung nützlich, so kann er als Geschäftsführer ohne Auftrag Ersatz seiner notwendigen Auslagen verlangen (§ 670 BGB). Umgekehrt kann und muß die Gesellschaft die Majorität in Rückgriff nehmen für die ihr auferlegten Prozeßkosten, wenn der Beschluß kassiert wird, dieser Ausgang absehbar und die Mehrheit den Beschluß nicht aufzuheben bereit war. Einer solchen Ersatzpflicht der Mehrheit gegenüber der Gesellschaft, für die als An­ spruchsgrundlage eine Analogie zu § 147 Abs. 4 AktG in Betracht käme, stünde § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG jedenfalls nicht entgegen232. Ein Kostenerstattungsanspruch des unterlegenen Aktionärs leuchtet so­ gleich ein, wenn man seine Position derjenigen gegenüberstellt, in der sich die Verwaltung oder eines ihrer Mitglieder als Kläger (§ 245 Nr. 4 und 5 AktG) befindet. Die Verwaltung kann das Anfechtungsverfahren grundsätz­ lich frei von aller Kostenlast betreiben, sei es als Vertreter der Gesellschaft, sei es als Aktivpartei. Darin ähnelt ihre Stellung derjenigen der Mehrheit233. Die Gesellschaft trägt die Kosten, selbst wenn die Verwaltung unterliegt234. Begründet wird dies mit der organschaftlichen Basis ihrer Klagebefugnis, die eine Vermutung mit sich bringe, daß die Verwaltung stets im Interesse der Gesellschaft tätig wird. Die Verwaltung hat demnach Anspruch auf Aufwen­ dungsersatz aus der Gesellschaftskasse235. Unter diesen Voraussetzungen ist es gerechtfertigt, den klagenden Aktionär wie die Verwaltung zu behandeln. 231 So in den USA für die Shareholders’ derivative suit, oben § 7 II 7. Nach schweize­ rischem Recht (Art. 706a Abs. 3 OR) verteilt der Richter die Kosten bei Abweisung der An­ fechtungsklage nach seinem Ermessen auf die Gesellschaft und den Kläger. 232 Dieses Ergebnis stellt die notwendige Symmetrie zu dem in § 52 GenG enthaltenen Gedanken sowie zu der Aberkennung eines rechtsmißbräuchlich ausgeübten Anfechtungs­ rechts her. 233 Will die Aktionärsmehrheit einen ihr mißliebigen Hauptversammlungsbeschluß durch Anfechtung beseitigen, so kann sie dies ohne das geringste eigene Prozeßrisiko bewirken, indem sie die Verwaltung für sich klagen läßt. Dazu kann es kommen, wenn ein Beschluß gegen den Willen des Mehrheitsaktionärs gefaßt wird, etwa weil dieser vom Stimmrecht nach § 136 Abs. 1 AktG ausgeschlossen war. 234 Nach verbreiteter Auffassung trägt bei einer Anfechtung durch den Vorstand in jedem Falle die Gesellschaft die Kosten, wenn der Vorstand kostenpflichtig unterliegt, BAUMbach/Hueck, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, § 245 RdNr. 6; v.Godin/Wilhelmi, Komm.z.AktG, 4. Aufl. 1971, § 245 Anm. 5 am Ende. Zu ergänzen ist, daß der Vorstand der Gesellschaft nach den allgemeinen Regeln (§ 93 Abs. 2 AktG) zum Schadensersatz ver­ pflichtet bleibt. 235Anspruchsgrundlage ist § 27 Abs. 3 i.V.m. § 670 BGB. Zum Aufwendungsersatz­ anspruch des Aufsichtsratsmitglieds wegen eigener Prozeßkosten DÄNZER-VANOTTI BB 1985, 1632.

Die Anfechtungsklage soll Schaden von der Gesellschaft abwenden, egal wer das Verfahren betreibt und mit welchem Hintergedanken. Der Aktionär nimmt das Risiko der Prozeßführung auf sich, um sein Investment in der Ge­ sellschaft zu verteidigen. Dies disqualifiziert ihn auf der anderen Seite nicht von einer Kostenerstattung236, da auch die Verwaltung nicht von der Erstat­ tung ausgenommen ist, wenn sie anficht, um eine drohende Schadensersatz­ pflicht von sich abzuwenden. Die Streitwertbestimmung nach § 247 AktG mildert einige der Härten, die durch das für die Zwecke der Beschlußanfechtung zu wenig differenzierte Kostentragungsprinzip bedingt sind. Die Streitwertbestimmung schlägt auf die Kostentragung durch, weil der Streitwert die Bemessungsgrundlage für die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten ist. Der Regelstreitwert ist nach § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG durch das Prozeßgericht unter Berück­ sichtigung aller’ Umstände und insbesondere nach der Bedeutung der Sache für die Parteien nach billigem Ermessen festzulegen. Ähnlich wie § 22 AGBG bestimmt § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG eine relative Obergrenze für den Streitwert. Die eigentliche Besonderheit des Anfechtungsrechts bringt die Streitwertspaltung in § 247 Abs. 2. Sie ermöglicht eine weitere Ermäßigung für die wirtschaftlich schwächere Partei, indem für diese Partei oder beide Parteien ein fiktiv niedrigerer Streitwert zugrunde zu legen ist, der an die wirtschaftliche Lage dieser Partei anzupassen ist und zum Tragen kommt, wenn die schwächere Partei unterliegt. In den Genuß der Vergünstigung kommen vornehmlich - aber nicht nur - Kleinaktionäre, damit ihre ver­ minderte finanzielle Leistungsfähigkeit nicht zur Versagung des rechtlichen Gehörs und des effektiven Rechtsschutzes führt. Daß § 247 Abs. 2 AktG ge­ rade diesen Personenkreis im Auge hat, bedeutet keine Verletzung des Gleichheitssatzes 237. Tragender Grundgedanke ist der Ausgleich des finan­ ziellen Gefälles, das sich nicht negativ auf den Kontrollauftrag der Anfech­ tungsklage aus wirken soll. Deshalb wäre umgekehrt eine Regelung, die keine nach der finanziellen Leistungsfähigkeit abgestufte Differenzierung trifft, verfassungsrechtlich bedenklich.

236HOMMELHOFF/TMM AG 1989, 168 stellen zur Diskussion, dem Gesellschafter-Klä­ ger im Anfechtungsverfahren einen pauschalierten Aufwendungsersatzanspruch zuzuspre­ chen. 237So zutreffend die herrschende Meinung, vgl. Hüffer (wie FN 22), § 247 RdNr. 4; Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 247 RdNr. 17. Die Rechtsprechung hat die Streitfrage im Rahmen von § 247 AktG bisher noch nicht entschieden, wohl aber für parallele Bestimmungen im Urheber- und Wettbewerbsrecht, vgl. §§ 144 PatG, 23b UWG, 31a WZG, 26 GebrMG, siehe OLG München NJW 1959, 52 für die Verfassungsmäßigkeit der Streitwertherabsetzung im Patentrecht; OLG München NJW 1964, 1730; KG WRP 1978, 300. Angesichts dessen kann für § 247 Abs. 2 AktG nichts anderes gelten.

Von § 247 Abs. 2 AktG unberührt bleibt die Bewilligung von Prozeß­ kostenhilfe nach den §§ 114 ff. ZPO238, weil Kostenhilfe und Streitwertbe­ stimmung voneinander zu scheiden sind. Gegenüber dem allgemeinen Kostenhilfeverfahren, das keinen Einfluß auf den nach § 3 ZPO zu bestim­ menden Streitwert hat, bringt § 247 AktG dem Antragsteller selbständige Vorteile239, von denen der Gesetzgeber erkannt hatte, daß sie mit den Mit­ teln der Prozeßkostenhilfe allein nicht zu erreichen sind. § 247 Abs. 2 AktG bezweckte eine weitere Besserstellung der wirtschaftlich schwächeren Partei, ohne ihr auf der anderen Seite ihre sonstigen Vergünstigungen streichen zu wollen240. Die Streitwertbestimmungen und ihr Zusammentreffen mit dem Prozeß­ kostenhilferecht sind hier nicht in allen Einzelheiten auszubreiten. Sie inte­ ressieren in diesem Zusammenhang nur in ihren Rückwirkungen auf die Mitglieder- und Klagerechte in den Verbänden. Insofern berühren sie aber den institutioneilen Rang dieser Rechte. Abgehoben von der Erkenntnis, daß Kostenbarrieren nicht den Zugang zu den Gerichten verlegen dürfen, zeigt sich gerade in § 247 AktG, daß mit der Klage auch öffentliche Interessen verfolgt werden241. Dies fordert eine rechtspolitisch abgesicherte Entschei­ dung der Kostentragung heraus. Sie muß bei der Verursachung und Kenn­ zeichnung solcher Kosten ansetzen. Es handelt sich um soziale Kontroll­ kosten, die als Kehrseite des Selbstverwaltungsrechts der Körperschaften zu bestreiten sind. Veranlaßt werden sie - von außen betrachtet - durch die Verbände, denen die Rechtsordnung das Selbstverwaltungsprivileg zugesteht. Deshalb ist nicht einsehbar, warum diese Kosten der Allgemeinheit auferlegt werden sollen, etwa indem der Staat über die Gewährung von Prozeßkosten­ hilfe oder eine Streitwertherabsetzung auf Einnahmen verzichtet. Gerade die Streitwertherabsetzung zwingt den Berufsstand der Rechtsanwälte zur Sub­ ventionierung der Prozeßführung, wenn sie nur auf der Basis niedrigerer 238Dazu Reeb BB 1970, 865. 239Dies erhellt aus einer Gegenüberstellung beider Instrumente: Unterliegt diejenige Partei, der nur Prozeßkostenhilfe bewilligt war, so bleibt sie gemäß § 123 ZPO zur Erstat­ tung der gegnerischen Kosten verpflichtet und zwar auf der Grundlage des nach § 247 Abs. 1 AktG festgesetzten Streitwertes. Eine Streitwertherabsetzung nach § 247 Abs. 2 AktG ver­ ringert das Kostenrisiko zusätzlich. Die Kumulation wird so verständlich. Eigenständiger Vorteil der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist, daß, wenn Anwaltszwang herrscht (§ 246 Abs. 3 Satz 1 AktG i.V.m. § 78 Abs. 1 ZPO), nach § 121 Abs. 1 ZPO der bedürftigen Partei vom Gericht ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt eigener Wahl beizuordnen ist. 240Bereits aus den in FN 239 genannten Gründen ergibt sich die zweckmäßige Reihen­ folge im Umgang mit beiden Rechtsbehelfen: Zuerst sollte das Prozeßkostenhilfeverfahren eingeleitet werden mit Beiordnung eines Rechtsanwalts, der dann das Streitwertherab­ setzungsverfahren betreiben kann, zum Ganzen Reeb BB 1970, 865 (866 ff.). 241 Hierzu gerade mit Blick auf die Klagerechte in den Publikumsgesellschaften Homburger/Kötz, Klagen Privater im öffentlichen Interesse, 1975, S. 80 ff.

Streitwerte ihre Gebühren liquidieren dürfen. Dies ist insoweit kontrapro­ duktiv, als die Effizienz der Kontrolle wesentlich auch von der Qualifikation der am Verfahren beteiligten Anwälte abhängt. Richtiger scheint es dem­ gegenüber, diese Kosten in erster Linie zu Lasten des Gesellschaftsver­ mögens zu internalisieren.

c) Urteilswirkungen und Entscheidungsinhalte Das einer Klage stattgebende Urteil bewirkt nach § 248 AktG, daß der Beschluß mit Wirkung für und gegen alle Aktionäre sowie gegenüber der Verwaltung für nichtig erklärt ist, selbst wenn sie nicht Partei waren. Dar­ über hinaus wirkt dieses Urteil für und wider jedermann242, weil die Status­ feststellung, die es trifft, ihrer Natur nach unteilbar ist. Die gerichtliche Kas­ sation wirkt zurück auf den Zeitpunkt der Beschlußfassung243, anders als eine Aufhebung des Beschlusses durch die Hauptversammlung. Die Rück­ wirkung impliziert, daß etwaige im Vertrauen auf den Bestand des Beschlus­ ses bereits erfolgte Vollzugshandlungen rückgängig zu machen sind und daß der frühere Zustand wiederherzustellen ist244. Große Bedeutung erlangt die Folgenbeseitigung etwa im Konzemrecht für die abhängige Gesellschaft. Die Folgenbeseitigung wird vom Aktiengesetz - anders als in § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO - nicht behandelt. Sie ist aber unerläßlich und beweist die Lückenhaftigkeit des aktienrechtlichen Rechtsschutzsystems. Die Verwaltung darf das Anfechtungsurteil nicht dadurch entwerten, daß sie den aufgrund des Beschlusses geschaffenen Zustand unverändert läßt. Um dies auszu­ schließen, sind die Klagerechte des Gesellschafters systemkonform weiter zu entwickeln. Ein klageabweisendes Urteil kann als Prozeß- oder Sachurteil ergehen. Das klageabweisende Sachurteil besagt lediglich im Verhältnis der Prozeß­ 242So ZÖLLNER, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 248 RdNr. 13; Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 45 RdNr. 171. Dies wird relevant, wenn ein Kapitalerhöhungsbeschluß erfolgreich angefochten und ein außenstehen­ der Aktionär zur Zeichnung zugelassen war. 243Scholz/Karsten Schmidt (wie FN 242), RdNr. 172; Zöllner (wie FN 242), RdNr. 9 ff. VgL im übrigen § 244 AktG, insbesondere Satz 2, der die Zeit bis zur Beseiti­ gung des Beschlusses überbrückt. 244Vorbild ist hier § 113 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 und Abs. 3 VwGO. Die Anfechtung müßte unvollkommen bleiben ohne die Möglichkeit der Wiederherstellung des Status quo. Die Beschlußmängelklage ist actio negatoria nicht nur mit Bezug auf die Beschlußlage, son­ dern ebenso hinsichtlich der Beschluß folgen muß eine restitutio in integro stattfinden. Diese Überlegungen münden in die Einzelklagebefugnis des Gesellschafters, dazu unten § 19. Der Gesetzgeber hielt die Normierung eines allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs in Folge der Feststellung der RechtsWidrigkeit des Beschlusses für nicht erforderlich, ohne da­ durch aber der Rechtsprechung eine dahingehende Rechtsfortbildung endgültig versperren zu wollen, vgl. Hüffer (wie FN 22), § 248 RdNr. 19 ff.; Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1984, S. 468/69.

Parteien zueinander, daß der angegriffene Beschluß nicht aufgrund der be­ handelten Anfechtungsgründe unwirksam ist. Andere anfechtungsbefugte Personen hindert dies nicht, den Beschluß erneut anzugreifen, sofern die An­ fechtungsfrist noch nicht verstrichen ist. Zwischen denselben Prozeßparteien bewirkt ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil, daß der schon einmal behandelte Beschlußmangel nach dem Grundsatz des ne bis in idem nicht noch einmal Gegenstand eines Verfahrens sein kann, weder als Anfechtungsnoch als Nichtigkeitsklage. Die Bestimmung der Urteilsrechtskraft erfolgt in Abhängigkeit vom Streitgegenstand, also nach Klageantrag und Lebenssach­ verhalt245. Obsiegt der Anfechtungskläger, so ist der Beschluß für nichtig zu erklären soweit der Fehler reicht. Bei mehraktigen Beschlüssen ist die Kassation auf den fehlerbefallenen Teil zu beschränken. Das Gericht kann den Beschluß nur für nichtig erklären oder die Klage abweisen. Es darf den Beschluß nicht in seinem Ausspruch verändern, weil dies das Selbstverwaltungsrecht der Gesellschaft verletzen und regelmäßig gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen würde. Für die teilweise Aufhebung ist § 139 BGB wenigstens entsprechend anzuwenden, sofern nicht zweifelsfrei feststeht, daß der Beschluß auch ohne den fehlerhaften Teil gelten soll. Die richterliche Selbstbeschränkung im An­ fechtungsverfahren ist mit Blick auf das Selbstverwaltungsrecht der Gesell­ schaft erklärlich. Der Beschluß ist im Zweifel insgesamt zu kassieren, so daß die Hauptversammmlung instand gesetzt wird, neu zu entscheiden. Die Auf­ rechterhaltung eines Beschlußteiles ist nur möglich, wenn er isoliert lebens­ fähig ist und nicht mit dem zentralen Aussagegehalt des Beschlusses eine un­ auflösliche Einheit bildet. Die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Beschlußkems erfaßt den gesamten Beschluß, so daß auch die übrigen Teile mit ihm ihre Existenzberechtigung verlieren. Eine isolierte Fortgeltung einzelner Be­ schlußteile würde den Willen der Mitglieder verfälschen246. Aus den glei­ chen Gründen sind einer Umdeutung des angefochtenen Beschlusses (§140 BGB) sehr enge Grenzen zu ziehen247. Ist das Petitum der Klägers darauf gerichtet, den Beschluß mit einem an­ deren Inhalt verbindlich werden zu lassen, so ist die Anfechtungsklage allein nicht die geeignete Klageart, um das Rechtsschutzziel zu verwirklichen. Es mag vorkommen, daß ein Beschluß vom Versammlungsleiter mit unrich245 Zum Streitgegenstand der Anfechtungsklage MünchKommZPO-G. LÜKE, 1992, RdNr. 45 f. vor § 253 mit Nachweisen. 246So BVerfGE 61, 149 (206 ff.) für die im Prinzip gleiche Situation im verfassungs­ gerichtlichen Normenkontrollverfahren. 247Das der Klage stattgebende Urteil hat rein kassatorische Wirkung. Anders etwa als im Verwaltungsprozeß (§ 47 VwVfG) kann das Gericht den Beschluß grundsätzlich nicht um­ deuten, vgl. ZÖLLNER (wie FN 242), § 248 RdNr. 24.

tigern Inhalt festgestellt und so in der Sitzungsniederschrift protokolliert wird. Die Verkündung durch den Versammlungsleiter und die Protokollie­ rung legen den vorläufig verbindlichen Beschlußinhalt fest. Um einem ande­ ren Beschlußinhalt zur Geltung zu verhelfen, ist die Anfechtungsklage mit einer positiven Beschlußfeststellungsklage zu verbinden248. Hieran zeigt sich einmal mehr, daß die gesetzliche Ausgestaltung der Beschlußmängelklage mit ihrer einseitigen Fixierung auf einen kassatorischen Urteilsinhalt nicht ausreichend ist. Das materiellrechtliche Substrat der Beschlußmängelklage, nämlich das subjektive Recht des Mitglieds gerichtet auf gesetzes- und sat­ zungsgemäße Verwaltung der Gesellschaft, verlangt ebenso nach Vernich­ tung rechtswidriger Beschlüsse wie nach Anerkennung und Ausführung rechtmäßiger Beschlüsse. Die Verwaltung darf ihr unliebsame Beschlüsse nicht dadurch faktisch außer Vollzug setzen, indem sie sie nicht ausführt oder in der Mitgliederversammlung mit unrichtigem Inhalt feststellt. Im Zentrum des Beschlusses steht die kollektive Willensäußerung der Mitglie­ der, die im Beschlußergebnis ihren Niederschlag findet. Die Feststellung des Beschlußergebnisses und die Protokollierung ändern daran nichts. Das un­ richtig festgestellte und protokollierte Beschlußergebnis ist mit Hilfe der An­ fechtungsklage zu beseitigen, um nicht endgültig verbindlich zu werden. Gegenstand der Anfechtung ist in dieser Sondersituation streng genommen nicht der Beschluß, sondern seine Verkündung durch den Versammlungslei­ ter sowie seine Protokollierung durch den Notar. Stellt man diese Kombination von Anfechtungsklage mit positiver Be­ schlußfeststellungsklage den Klagetypen des Verwaltungsprozesses gegen­ über, so zeigt sich, daß bei dieser Klageart nicht der vernichtende, sondern der erwirkende Charakter überwiegt. Im Verwaltungsprozeß entspräche ihr am ehesten die Verpflichtungsklage, da auch die aktienrechtliche Beschluß­ feststellungsklage die Gesellschaft zwingt, eine veränderte Rechtslage in Ge­ stalt des tatsächlich gefaßten Beschlusses anzuerkennen. Die richterliche Aufhebung des falschen und Feststellung des richtigen Beschlußergebnisses tritt an die Stelle der Verkündung durch den Versammlungsleiter und trägt 248BGHZ 76, 191 (197 ff.); 88, 320 (329 ff.); 97, 28 (31 ff.); KARSTEN SCHMIDT AG 1980, 169 sowie ders. NJW 1986, 2018.

gleichzeitig die nötige Beurkundung in sich249. Ebenso wie im Verwaltungs­ prozeß Anfechtungs- und Verpflichtungsklage den gleichen Regeln folgen, lehnt sich im Aktienrecht die positive Beschlußfeststellungsklage an die Vor­ aussetzungen und Wirkungen der Anfechtungsklage an. Insbesondere gelten für sie die für die Klagefrist, die Klagebefugnis und die Urteilsrechtskraft dargestellten Grundsätze250. Die Behandlung der Anfechtungsklage erlaubt als vorläufiges Fazit: Das Anfechtungsrecht ist eindeutig das wichtigste Kontrollrecht des Aktionärs im geschriebenen Recht. Als Individualrecht kann es von jedem Aktionär unab­ hängig von der Höhe seiner Beteiligung ausgeübt werden. Es ist Bestandteil des Selbstverwaltungsrechts, das die Legalitätskontrolle des Verbandes durch seine Mitglieder einschließt. Die wirksame Kontrolle der Verbände durch ihre Mitglieder verlangt aber nach einem breiteren Arsenal als nur der nega­ torischen Beschlußmängelklage mit ihrer übergroßen Kompliziertheit und ih­ rer nur beschränkten Stoßrichtung. In den §§241 ff. AktG steckt bereits der verfahrensrechtliche Rahmen für die Ausdehnung der Klagerechte. Zu klären bleibt die von den §§ 241 ff. nicht beantwortete Frage, nach welchen Rich­ tungen eine Extension möglich ist.

249Für eine Erstreckung der in § 248 AktG angeordneten Urteilswirkung auch auf die positive Beschlußfeststellungsklage Karsten Schmidt (wie FN 248); Zöllner ZGR 1982, 623 (628 ff.); Hüffer (wie FN 22), § 248 RdNr. 23; abweichend noch HACHENBURG/Ulmer, Komm.z.GmbHG, 7. Aufl. 1983, § 53 RdNr. 51 unter Hinweis darauf, daß das Gericht die fehlende Beurkundung des tatsächlich gefaßten Beschlusses nicht ersetzen könne. Diese Auffassung erscheint übertrieben formalistisch. Die Ausräumung des Beden­ kens findet sich in § 127a BGB: Wenn schon in einem gerichtlich beurkundeten Vergleich die notarielle Form ersetzt werden kann, so muß dies erst recht im Falle eines durch Endur­ teil abgeschlossenen Verfahrens gelten; richtig in 8. Aufl. 1991. 250Überzeugend Karsten Schmidt NJW 1986, 2018 (2020).

§ 18 Die Ausdehnungsfähigkeit des Konzepts der Beschlußmängelklage Dem Wortlaut der §§241 ff. AktG ist zweifelsfrei zu entnehmen, daß die Anfechtungs- und die Nichtigkeitsklage Beschlüsse der Hauptversammlung zum Gegenstand haben. Führt man das Anfechtungsrecht auf seine histo­ rischen Wurzeln zurück1, so wird schnell deutlich, daß, wenn man die Tä­ tigkeit der Hauptversammlung unter den Vorbehalt gesetzes- und statuten­ konformer Verwaltung der Aktiengesellschaft stellt, für die tatsächlich mit der Verwaltung und der Leitung der Gesellschaft betrauten Organe nichts prinzipiell Verschiedenes gelten kann. Die §§241 ff. AktG gelten nach heute gefestigter Auffassung für alle Kapitalgesellschaften. Die Frage nach der Ausdehnungsfähigkeit der Beschlußmängelrechtsbehelfe stellt sich hier­ nach in zwei Richtungen: Zum einen ist zu prüfen, wie die Rechtslage bei den Personalgesellschaften und beim Verein ist2, wo Gesetz und Gesell­ schaftsvertrag ebenfalls den Rahmen erlaubter Kompetenzwahrnehmung ab­ stecken. Träfe es zu, daß eine Extension über Rechtsformgrenzen hinweg möglich ist, dann wäre die Beschlußanfechtung eine Institution des Ver­ bandsrechts schlechthin und gewissermaßen Bestandteil des Allgemeinen Teils des Rechts der Personenzusammenschlüsse 3. Ihre Kodifikation im Ge­ nossenschafts- und Aktienrecht würde dem nicht entgegenstehen. Nicht min­ der drängend ist die Frage, ob die Beschlußmängelrechtsbehelfe auch eine maßnahmebezogene Ausdehnung vertragen, d.h. ob sie auf die Geltendma­ chung von Beschlußmängeln anderer Gesellschaftsorgane als der Hauptver­ sammlung Anwendung finden. Gerade diese Frage hat seit den Tagen der erstmaligen Kodifikation des Rechts zur Anfechtung von Hauptversamm­ lungsbeschlüssen eine ganz neue Qualität erhalten. War seinerzeit noch die Hauptversammlung das oberste Gesellschaftsorgan der Aktiengesellschaft ausgestattet mit weitreichenden Weisungsrechten sowie der Kompetenz­ Kompetenz, so sind ihr diese Befugnisse heute weitgehend genommen. Machtvolles Exekutivorgan ist der Vorstand, der nicht einmal von der Hauptversammlung unmittelbar bestimmt wird. Die hierdurch bedingte Ver­ schiebung im Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft verlangt, daß die

1 ROHGE 23, 273; 25, 307; RGZ 85, 311 ff. Die Anfechtung gesetz- oder statuten­ widriger Beschlüsse ist historisch gewachsen und von der höchstrichterlichen Rechtspre­ chung wiederholt noch vor ihrer Kodifikation anerkannt worden. Sie zählt sozusagen zum common law des privaten Verbandsrechts. 2 Instruktiv OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 1256. 3 So namentlich Karsten Schmidt, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217 ff.

Rechtsbehelfe dort Wirkung zeigen, wo die eigentlichen Entscheidungen fallen. I. Extension auf Beschlüsse der Verwaltung Das Aktiengesetz, das das Recht der privaten Körperschaften am stärksten durchnormiert hat, enthält nur rudimentäre Äußerungen zu den Beschlüssen von Vorstand und Aufsichtsrat als Kollegialorganen und vor allem zu den Beschlußmängeln, ihrer Beachtlichkeit und Geltendmachung. An diesem Zu­ stand hat die Ausdehnung der Mitbestimmung in den Unternehmen nichts geändert. Einen wichtigen Hinweis auf die Ausfüllung der Lücke liefert das Vereinsrecht. § 28 Abs. 1 BGB ordnet für die Beschlußfassung in den mehr­ gliedrigen Vorständen die Geltung der Bestimmungen über die Willensbil­ dung in der Mitgliederversammlung an; insbesondere die Grenzen der Stimmrechtsmacht in § 34 BGB sind dadurch in Bezug genommen. Ohne daß bisher hinreichend geklärt ist, was für die Aktiengesellschaft zu gelten hat, herrscht doch Einigkeit darüber, daß Beschlüsse von Vorstand und Auf­ sichtsrat nicht immun gegen eine gerichtliche Kontrolle sind. Ihre Justitiabi­ lität wird durch die einfache Feststellungsklage nach § 256 ZPO hergestellt4. Bei der Behandlung der Anfechtungsklage gegen Hauptversammlungsbe­ schlüsse ist gezeigt worden, daß die Klagearten - Feststellungs- oder Ge­ staltungsklage — durchaus Einfluß auf die Qualität der Rechtsschutzgewäh­ rung haben und wichtige Funktionen mit Bezug auf die Vermittlung von Rechtssicherheit erfüllen. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, also der schnelle Aufschluß über Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Maßnahme, wiegt bei Leitungsentscheidungen der Verwaltungsorgane gewiß kaum weniger schwer als bei den Beschlüssen des Willensbildungsorgans Hauptversammlung.

4 Bemerkenswert bereits RGZ 85, 311, wo die Beschlußanfechtung bzw. die gericht­ liche Überprüfbarkeit von Organakten allgemein anerkannt also nicht gerade auf Beschlüsse des Organs Mitgliederversammlung verengt wird. Das Gericht (S. 313) trifft die bis heute unvermindert bedeutsame Feststellung, daß den Mitgliedern rechtsfähiger Personenvereine und Gesellschaften die Anfechtungsklage wegen gesetz- oder statutenwidriger Beschlüsse der Vereinsorgane von der Rechtsprechung stets zugestanden wurde. Es fährt dann fort, indem es die Beschlußanfechtung nur als ein Beispiel des genannten Grundsatzes des Verbands­ rechts bezeichnet.

1. Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse

a) Rechtsschutzbedarf Der Aufsichtsrat ist bei der Genossenschaft (§ 36 GenG) wie bei der Ak­ tiengesellschaft (§ 95 Abs. 1 AktG) Kollegialorgan. Die Willensbildung im Aufsichtsrat vollzieht sich durch Beschluß, § 108 Abs. 1 AktG. Der Begriff des Beschlusses ist unteilbar und in seiner Funktionalität bezogen auf die Willensbildung in den Gesellschaftsorganen. Auf diese Willensbildung und ihre Umsetzung nach außen sind die §§ 241 ff. AktG zugeschnitten. Sie sind integraler Bestandteil der Lehre vom Beschluß. Wie die Hauptversammlung übt der Aufsichtsrat seine Tätigkeit eingebettet in fest umrissene Kompeten­ zen aus. Namentlich unterliegt er der Bindung an Gesetz, Satzung und unter­ halb der Satzung stehender Rechtsnormen. Wenn das Aktiengesetz für die Geltendmachung von Beschlußmängeln ein formalisiertes Verfahren vor­ schreibt, so hängt seine Ausdehnungsfähigkeit von der Wichtigkeit und Breitenwirkung der Beschlüsse der anderen Gesellschaftsorgane ab. Die Kompetenzen der Hauptversammlung beschränken sich seit der Reform von 1937 auf Grundlagenfragen und im übrigen auf die durch das Gesetz der Hauptversammlung zugewiesenen Materien. Aufsichtsrat und Vorstand bil­ den die Verwaltung, und sie sind für die Gesellschaft in Permanenz tätig. Der Aufsichtsrat überwacht die laufende Geschäftsführung durch den Vor­ stand und hat diesen zu bestellen bzw. abzuberufen. Viele Tätigkeiten des Aufsichtsrats übersteigen aber die Überwachung des Vorstands. Dies gilt namentlich für die zustimmungspflichtigen Geschäfte des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern nach § 112 sowie die Geschäfte einzelner Aufsichtsratsmitglieder mit der ei­ genen Gesellschaft gemäß §§ 114, 115 AktG. Für die Beschlüsse des Aufsichtsrats ist wie für die der Hauptversammlung zu fordern, daß sie rechtmäßig sein müssen, weil sie noch unmittelbarer als die Beschlüsse der Hauptversammlung in die Rechtsbeziehungen der Gesell­ schaft zu Dritten übergreifen. Nur dann vermögen sie den Willen des Organs Aufsichtsrat und der gesamten Gesellschaft wirksam zu bilden. Ein Be­ schlußmängelrecht für Aufsichtsratsbeschlüsse ist unumgänglich, um die Einhaltung der Grenzen zulässiger Ausübung des Stimmrechts zu gewähr­ leisten. Gleich den Gesellschaftern in der Hauptversammlung sind die Mit­ glieder des Aufsichtsrats von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen, wenn ein Beschluß zu einem Gegenstand zu fassen ist, der die persönlichen Interessen des Aufsichtsratsmitglieds berührt (§ 136 AktG). Dies gilt vor al­ lem für die Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern oder eine Kredit­

geWährung aus Gesellschaftsmitteln an sie. Das Aktiengesetz enthält hin­ sichtlich der Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat keinen Verweis auf § 136 AktG. Dennoch unterliegen Mitglieder der Verwaltung wenigstens den Beschränkungen nach § 136 AktG5. Wie die Lücke zu schließen ist, führt das Vereinsrecht vor durch seine Verweisung auf die Beschlußfassung in der Mitgliederversammlung6. Das Vereinsrecht stellt einen zum Allgemeinen Teil des Verbandsrechts zählenden Grundsatz auf, der von einer einheitlichen Konzeption der körperschaftlichen Willensbildung ausgeht. Die Verweisung des § 28 Abs. 1 BGB erstreckt sich auf die Beschlußfassung und auf den Ausschluß vom Stimmrecht (§ 34 BGB). Sie wäre indes unvollständig, würde sie nicht auch diejenigen Rechtsbehelfe einbeziehen, die die Ordnungsmäßigkeit der Beschlußfassung gewährleisten und die das Stimmverbot durchsetzen. Im Aktienrecht trifft das vor allem für die sensiblen Geschäfte der Aufsichtsratsmitglieder mit der eigenen Gesellschaft zu, die einen Interessenwiderstreit besonderer Art entstehen lassen7. 5 OLG Köln LZ 1911, 232 (233 f.); OLG Stuttgart WM 1985, 600 (601). 6 Vgl. die Verweisung in § 28 Abs. 1 BGB auf § 34, die aus der Warte des Ideal Ver­ eins für den Vorstand gilt. Für die Aktiengesellschaft sowie Gesellschaften mit Aufsichts­ ratsverfassung ist der Aufsichtsrat über § 30 BGB in diese Verweisung einzubeziehen, so im Ergebnis auch OLG Köln (wie FN 5), allerdings ohne Rückgriff auf § 30 BGB; für die Be­ gründung dieses Ergebnisses aus dem Vereinsrecht auch H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 108 RdNr. 44 ff. Es wird also nicht das thematisch speziellere Recht angewandt, d.h. § 136 AktG für die Aktiengesellschaft, § 47 Abs. 4 GmbHG für die GmbH oder § 43 Abs. 6 GenG für die eingetragene Genossenschaft. Die Verweisungskette §§ 28, 30, 34 BGB besagt lediglich, daß das Stimmverbot, dem das Mitglied unterliegt, für Verwaltungsmitglieder ebenfalls gilt, nicht aber, daß sein Umfang in jedem Falle mit § 34 BGB deckungsgleich ist. Zum Ganzen auch MATTHIESEN, Stimmrecht und Interessenkolli­ sion im Aufsichtsrat, 1989, S. 51 ff. 7 Ganz herrschende Meinung vgl. Baumbach/Hueck, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, § 108 RdNr. 4; H.-J. Mertens (wie FN 6), § 108 RdNr. 44; Rowedder/ Koppensteiner, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 52 RdNr. 17; MATTHIESEN (wie FN 6), S. 11 ff. - Grundsätzlich gegen Stimmverbote im Aufsichtsrat spricht sich auf der ande­ ren Seite Behr AG 1984, 281 (284 ff.) aus, weil das Aktiengesetz dem Aufsichtsrat die Ent­ scheidungszuständigkeit auch belasse, wenn er sich in einer Interessenkollision befinde. Be­ gründet wird dieses Ergebnis mit Hilfe von § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG: Die Beschlußfähig­ keit des Aufsichtsrats setze zwingend die Teilnahme von drei Mitgliedern voraus. Deshalb gehe, weil Aktiengesellschaften i.d.R. (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 1 AktG) Dreieraufsichtsräte haben, das Aktiengesetz offenbar davon aus, daß ein aus drei Mitgliedern bestehender Auf­ sichtsrat selbst dann beschlußfähig sein müsse, wenn ein "befangenes” Mitglied mit zu ent­ scheiden habe. Dazu ist zu sagen: Das Aktiengesetz stellt die formelle nicht über die mate­ rielle Beschlußfähigkeit. Die interessenkollisionsfreie Willensbildung in den Organen ist von zentraler Bedeutung. Wenn das Aktiengesetz hierzu schweigt, bedeutet das nicht, daß es keine Stimmverbote gibt. Die Antwort liegt viel eher im Allgemeinen Teil des Körper­ schafts- und des Stellvertretungsrechts. Es gibt keine "vorgreifenden Wertungen" in die ent­ gegengesetzte Richtung. Zu denken ist bei der Überwindung des Dilemmas einmal an einen Rückgriff auf bestellte Ersatzmitglieder (§101 Abs. 3 Satz 2 AktG); denn auch die tem­ poräre Verhinderung eines Mitglieds kommt seinem "Wegfall" gleich. Selbst wenn man die­ sen Lösungsweg nicht anerkennen will, eröffnet das Aktiengesetz einen Weg, um zu einer interessenkollisionsfreien Wahrnehmung von Entscheidungskompetenzen zu gelangen; denn verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die

Geht man von den in § 136 AktG erwähnten Fallgruppen der Interessen­ kollision aus, dann ist der Bedarf nach einer Geltendmachung von Be­ schlußmängeln der Verwaltungsorgane mindestens ebenso hoch zu bewerten, wie bei denjenigen der Hauptversammlung. Für die Verwaltungsorgane gilt alles für die Hauptversammlung Ausgeführte erst recht, so daß eine Projek­ tion der §§241 ff. auf die Beschlußtätigkeit der Verwaltungsorgane berech­ tigt ist8. Damit ist indessen nicht gesagt, daß die Beschlußmängelbestim­ mungen in jeder Hinsicht zu übernehmen wären. Immerhin weisen sie Un­ zuträglichkeiten auf, die sie teilweise in Gegensatz zu ihrem Kontrollauftrag bringen, etwa das unflexible Oppositionserfordemis in § 245 Nr. 1 oder die zu starre Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG. Auf der anderen Seite existieren Bestimmungen, die ohne Vorbehalt übernahmewürdig sind: vor allem die Bestimmung der Rechtskraftreichweite in § 248 AktG und die Möglichkeit einer Heilung oder Bestätigung fehlerhafter Beschlüsse. Gerade für Be­ schlüsse des Aufsichtsrats besteht das Bedürfnis, von dem allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts, wonach ein fehlerhafter Beschluß nichtig ist9, abzurücken. Die Beschlüsse des Aufsichtsrats dienen der kollegialen Willensbildung und sind nicht bloß eine Summierung des Einzelwillens seiner Mitglieder10. Die Natur der Sache erfordert eine Differenzierung nach den Beschlußfeh­ lern wie bei den fehlerhaften Hauptversammlungsbeschlüssen. Nicht alle nach ihrem Inhalt oder der Art und Weise ihres Zustandekommens gegen das Gesetz oder gegen die Satzung verstoßenden Beschlüsse des Aufsichtsrats sind automatisch unwirksam11. Diese Auffassung würde der heutigen Unter­ nehmenswirklichkeit nicht mehr gerecht. Beschlüsse, die an solchen Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG wäre auf diese Bestimmung rechtsähnlich zu übertragen. Damit ist der Konflikt nach demselben Muster gelöst, wie in § 181 BGB für das allgemeine Stellvertretungsrecht: Das interessen­ kollisionsgefährdete Rechtsgeschäft ist nicht nichtig oder per se verboten, sondern wird nur mit Zustimmung desjenigen wirksam, den die nachteiligen Folgen treffen würden. 8 In diesem Sinne Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluß, 1994, S. 177 ff.; Landrock, Der Innenrechtsstreit in der Aktiengesellschaft, Diss. Mainz 1993, S. 183 ff; Baums ZGR 1983, 300; Radtke BB 1960, 1045; aus der Rechtsprechung OLG Hamburg AG 1992, 197; ausdrücklich gegen die sinnentsprechende Anwendung der §§241 ff. AktG auf fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse BGHZ 122, 342 mit eingehenden Nachweisen zum kontroversen Meinungsstand. Rechtsvergleichend zum Ganzen Borgmann, Der Organstreit in der Kapitalgesellschaft, 1996. 9 BGHZ 55, 381; 59, 369 (372); MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, §32 RdNr. 34 ff.; REICHERT/DANNECKER, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 5. Aufl. 1993, RdNr. 1132 ff.; Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 15. Aufl. 1994, RdNr. 212 je mit Nachweisen. 10 RGZ 66, 369 (371). 11 Vgl. Lemke (wie FN 8), S. 39 ff.; weiterführende Nachweise unten in FN 15, 16, 23 und 24.

Mängeln leiden, sind zwar fehlerhaft. Daraus folgt aber nicht, daß sie ex tune nichtig sind. Hätte das Aktiengesetz dieses einschneidende Ergebnis gewollt, so hätte man angesichts seiner hohen Regelungsdichte und Perfektion eine unzweideutige gesetzgeberische Äußerung in diese Richtung erwarten dürfen. Mängelbehaftete Aufsichtsratsbeschlüsse sind statt dessen in die bekannten Kategorien einzuordnen, nämlich in Nichtbeschlüsse, Scheinbeschlüsse, nichtige Beschlüsse und vernichtbare Beschlüsse. Damit ist das Tor zu einer Differenzierung aufgestoßen, wie sie den §§241, 243 AktG zugrunde liegt. Für die Qualifizierung der Fehler und ihrer Rechtsfolgen ist jedoch nicht alleine das Gesellschaftsrecht maßgeblich. Für mitbestimmungspflichtige Unternehmen enthalten die §§ 28, 29 MitbestG Normen über die innere Ordnung, die Abstimmungen und die Beschluß­ fähigkeit des Aufsichtsrats. War der Aufsichtsrat nicht ordnungsgemäß ge­ laden, so ist seine Beschlußfähigkeit nicht gegeben und die gefaßten Be­ schlüsse grundsätzlich entsprechend § 241 Nr. 1 AktG nichtig12. Verfah­ rensvorschriften, die im öffentlichen Interesse bestehen, sind einzuhalten13. Die Tagesordnung etwa muß so rechtzeitig mitgeteilt werden, wie dies auch für die Verhandlungen der Hauptversammlung vorgesehen ist, damit sich je­ des Mitglied auf die einberufene Sitzung ausreichend vorbereiten kann14. Die Grenze zwischen heilbaren und unheilbaren Verstößen läßt sich nicht schematisch ziehen; keinesfalls darf die Grenzziehung dazu benutzt werden, die Rechte einzelner Aufsichtsratsmitglieder zu beschneiden, indem man eine Zuwiderhandlung als bloße Verletzung einer formalen Ordnungsvorschrift behandelt. Nichtig sind alle Aufsichtsratsbeschlüsse, die gegen das Mitbe­ stimmungsgesetz verstoßen. Ebenso wie die Beschlüsse der Hauptversamm­ lung, die das Mitbestimmungsgesetz verletzen, nichtig sind, sind es die Be­ schlüsse des Aufsichtsrats selbst. Kein Gesellschaftsorgan darf sich über die zwingenden Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes hinwegsetzen, gleich, ob der Verstoß verfahrensmäßiger oder inhaltlicher Natur ist15. Die Nichtigkeit folgt aus § 241 Nr. 3 AktG. Wie bei den Beschlüssen der Haupt­ versammlung ist die Gruppe der schwebend wirksamen, aber vernichtbaren Aufsichtsratsbeschlüsse das Sammelbecken für alle nicht nichtigen Be-

12 So bereits OLG Köln LZ 1911, 232; ferner Lemke (wie FN 8), S. 124 f. 13 Einzelheiten und Kasuistik bei H.-J. Mertens (wie FN 6), RdNr. 69; Baums (wie FN 8), S. 337 ff. 14 Anderer Auffassung OLG Köln (wie FN 12). 15 Raiser, Komm.z.MitbestG, 2. Aufl. 1984, § 25 RdNr. 40; Hanau/Ulmer, Komm.z.MitbestG, 1981, §25 RdNr. 36 ff.; Naendrup, in: GK-MitbestG, Stand: Sept. 1978, § 25 RdNr. 81 ff.

schlösse16. Bloß anfechtbar sind Beschlüsse, wenn nach der Zwecksetzung der verletzten Norm es hingenommen werden kann, daß der Fehler durch Nichtanfechtung präkludiert wird und der Beschluß wirksam bleibt. Die Möglichkeiten der Beteiligten, den Mangel durch schlichtes Nichtstun unan­ greifbar zu stellen, sind aber nicht grenzenlos17. Es gilt an dieser Stelle wie­ derum das für die Abgrenzung bei den Hauptversammlungsbeschlüssen ge­ fundene Ergebnis: Geht der Beschluß zu Lasten einer anfechtungsbefugten Person, führt der Mangel im Zweifel nur zur Anfechtbarkeit. Anfechtungs­ befugten Personen ist die Durchführung der Anfechtung regelmäßig zuzumuten. Berührt der Mangel jedoch darüber hinaus Rechte und Interessen Dritter, denen kein Anfechtungsrecht zusteht, so ist er im Zweifel nichtig18.

b) Der Einfluß der Arbeitnehmermitbestimmung Der Aufsichtsrat ist seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung nach Kon­ trollorgan der AG. In der sozialen Unternehmensverfassung ist er das Forum für die Teilhabe der Arbeitnehmer an den unternehmerischen Leitungsent­ scheidungen. Der Aufsichtsrat steht in einem Spannungsfeld, in dem ver­ schiedene Kräfte ihre Wirkung entfalten. Eingriffe in die Kompetenzstruktur des Aufsichtsrats sind am Gesellschafts- wie am Mitbestimmungsrecht zu messen. Werden Streitigkeiten im Aufsichtsrat gerichtlich ausgetragen, be­ steht die Gefahr, daß sie in Wahrheit eine Auseinandersetzung um die Un­ ternehmensführung zum Gegenstand haben. Die sehr große Reserve der Rechtsprechung gegenüber der Anerkennung eines Organstreitverfahrens19 erklärt sich aus der Befürchtung, daß eine Inanspruchnahme der Gerichte er­ folgt, um eine im Aufsichtsrat gefallene unternehmerische Entscheidung um­ zustoßen. Dazu kommt es jedoch nicht, wenn es gelingt, die nichtjustitiablen unternehmerischen Fragen von den justitiablen Rechtsfragen zu scheiden. Dieses nicht spezifisch mitbestimmungsrechtliche Problem hat im amerika­

16 In diese Richtung Radtke BB 1960, 1045 ff.; Baums (wie FN 8), S. 300 ff.; Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, 1986, S. 157 ff. Aus dem mitbestimmungsrechtlichen Schrifttum für diese Abschichtung der Beschlußfehler Raiser (wie FN 15); Hanau/Ulmer (wie FN 15), § 25 RdNr. 36, 37, 40; Naendrup (wie FN 15), § 25 RdNr. 87 ff. 17 So insbesondere Baums (wie FN 8), S. 337. Ähnlich wie in § 23 Abs. 4 WEG kann die Verzichtsfiktion nur in dem Umfang Platz greifen, in welchem die Befolgung einer Rechtsnorm im Belieben der Beteiligten steht. 18 Dazu oben § 17 für die Grenzziehung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen. 19 Hierzu die Andeutung in BGHZ 106, 54 (66) - "Adam Opel".

nischen Korporationenrecht zur Formulierung der business judgment rule ge­ führt20. Die von der Rechtsprechung vorgetragenen Bedenken besitzen grundsätz­ lich Gewicht. Sie zwingen aber nicht dazu, den Bedarf nach Rechtsschutz gegen fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse oder nach den Organklagen in der AG überhaupt zu leugnen21. Allenfalls ist die gerichtliche Kognitionsbefug­ nis anzupassen. Bezugspunkt einer gerichtlichen Nachprüfung ist nicht das Beschlußergebnis und seine Zweckmäßigkeit, sondern die Vereinbarkeit des Aufsichtsratsbeschlusses mit Gesetz, Satzung und untersatzungsmäßigen Rechtsnormen, wie etwa einer Geschäftsordnung des Aufsichtsrats. Nicht jede Klage gegen einen Aufsichtsratsbeschluß verfolgt den Zweck, seine unternehmerischen Wirkungen auf dem Rechtsweg zu beseitigen. Löst man die Geltendmachung von Beschlußfehlem von den Implikationen der Mitbestimmung, so wird anschaulich, daß das Aktiengesetz selbst Spuren­ elemente einer Anfechtung von Aufsichtsratsbeschlüssen enthält, wobei die formale Einkleidung solcher Streitigkeiten nicht über ihren wahren Charakter hinwegtäuschen darf. Nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Mitglied des Vorstands aus wichtigem Grund widerrufen. Der Widerruf ist nach § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG wirksam, bis seine Unwirk­ samkeit rechtskräftig festgestellt ist. Dies geschieht in einem Rechtsstreit zwischen abberufenem Mitglied und der Gesellschaft, deren Vorstand es an­ gehörte. Diese Klage ist bei formaler Betrachtung Feststellungsklage mit dem Streitgegenstand des Bestehens oder Nichtbestehens der Organmit­ gliedschaft. Bei näherer Betrachtung steht dagegen der Aufsichtsratsbeschluß als körperschaftlicher Gestaltungsakt, von dem die Änderung der bisherigen Rechtslage, also die Amtsenthebung des Vorstandsmitglieds, ausgeht, im Vordergrund22. Ein Urteil, das feststellt, daß die Abberufung des Vor­ standsmitglieds unwirksam war, hebt inzident den Aufsichtsratsbeschluß auf oder stellt seine Nichtigkeit fest. Punktuell auf den Beschluß bezogen ist die Abberufungsklage eine Gestaltungsklage, weil der Aufsichtsratsbeschluß für die Amtsenthebung ein nicht hinwegdenkbarer Akt ist. Der Streit um die Wirksamkeit der Abberufung wird nicht zwischen Vorstandsmitglied und Aufsichtsrat als Parteien ausgetragen, sondern zwischen dem abberufenen 20 Ausführlich oben § 11. - Im deutschen Recht kommt die Diskussion um die Ju­ stitiabilität unternehmerischer Entscheidungen des Aufsichtsrats im Zuge von BGH ZIP 1997, 883 - "ARAG/Garmenbeck" gerade in Gang. Dazu etwa Nirk, Festschrift für Boujong, 1996, S. 393 ff. 21 Dazu sogleich unten II. 22 Zu dieser Abberufungsklage H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, §84 RdNr. 116 ff., wo der Charakter als Gestaltungsklage Anerkennung findet. Richtiger ist es wohl, von einer Abberufungsabwehrklage zu sprechen.

Vorstandsmitglied und der Gesellschaft. Beteiligter im materiellen Sinne ist gleichwohl der Aufsichtsrat. Das Beispiel des Streits um die Wirksamkeit einer Abberufung aus dem Vorstand zeigt, daß Aufsichtsratsbeschlüsse justitiabel sind. Das gleiche gilt für andere Beschlußgegenstände. Das Gesetz trifft - mit Ausnahme von § 83 Abs. 3 Satz 4 AktG - jedoch keine Anordnung über die rechtlichen Folgen unwirksamer Aufsichtsratsbeschlüsse sowie über das Verfahren ihrer Geltendmachung. Darf etwa, wenn das Gesetz für anfechtbare Hauptver­ sammlungsbeschlüsse eine Gestaltungsklage eingeführt hat, der Rechtsschutz gegen andere Beschlüsse davon abweichen, indem man für den Aufsichtsrat nur eine Rüge oder Anfechtung eines Beschlusses gegenüber dem Vorsitzen­ den des Aufsichtsrats genügen läßt23? Es ist geboten, den Rechtsschutz ge­ gen alle Akte der Verbandsgewalt im Grundsatz einheitlich auszugestalten. Dazu paßt es nicht, Beschlüsse der Hauptversammlung einer sehr kurzbe­ messenen Anfechtungsfrist zu unterwerfen, andererseits aber Aufsichtsrats­ beschlüsse länger in der Schwebe zu halten. Dies verbietet sich schließlich im Hinblick auf die Breitenwirkung solcher Beschlüsse in der Gesellschaft. Eine Beschränkung der Beschlußmängel ist unumgänglich. Der aus dem Vereinsrecht bekannte Grundsatz, daß fehlerhafte Beschlüsse der Mitglieder­ versammlung nichtig sind24, ist auf den Aufsichtsrat einer Handelsgesell­ schaft nicht übertragbar. Aufsichtsratsmitglieder handeln nicht in Verfolgung aus der Mitgliedschaft fließender subjektiver Rechte, sondern in Wahrneh­ mung ihrer Organrechte. Ungeachtet dieses Unterschieds steckt in den §§241 ff. AktG der richtige Verfahrensrahmen für die Austragung solcher Streitigkeiten.

23 Für Anfechtung des Beschlusses wegen eines Verfahrensfehlers gegenüber dem Vor­ sitzenden des Aufsichtsrats Hanau/Ulmer (wie FN 15), § 25 RdNr. 40; nicht eindeutig Naendrup (wie FN 15), der einerseits in RdNr. 90 bei Verfahrensfehlern eine formlose, aber unverzüglich gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden abzugebende Willenserklärung eines Mitglieds des Aufsichtsrats genügen läßt, in RdNr. 218 dagegen eine generelle Über­ nahme der §§241 ff. AktG für fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse fordert. 24 Für eine Beschänkung in der Geltendmachung von Beschlußmängeln beim Aufsichts­ rat bereits Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 246 Anm. 3a. Die (noch) herrschende Mei­ nung im aktienrechtlichen Schrifttum will jedoch fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse wie fehlerhafte Beschlüsse der Mitgliederversammlung bei den Idealvereinen behandeln, vgl. Meilicke, Festschrift für Walter Schmidt, 1959, S. 71 (76 ff.); Scheuffler, Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse, 1962; Meyer-Landrut, in: Großkomm.z.AktG, 3. Aufl. 1971, § 108 Anm. 6; Gebler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1973, § 108 RdNr. 9. - Dieser Vergleich hinkt in doppelter Hinsicht. Einmal bezüglich der äußeren Gegebenheiten der Rechtsform, zum anderen von der Funktion der Organe her betrachtet. Der Ideal verein ist nicht untemehmenstragend oder Teilnehmer am Kapitalmarkt. Der Auf­ sichtsrat ist Organ der Unternehmensführung, in welchem im Hinblick auf die Arbeitneh­ mermitbestimmung heterogen gelagerte Interessen nach Ausgleich suchen.

2. Der Verfahrensrahmen für die Geltendmachung fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse Für die analoge Anwendung der §§241 ff. AktG auf den fehlerhaften Aufsichtsratsbeschluß sind die Einzelbestandteile dieses Verfahrens näher zu prüfen. Zu berücksichtigen sind die tangierten Interessen sowie die Stellung der Organe und ihrer Mitglieder in der Verbandsverfassung.

a) Geltendmachungsbefugnis

Die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses kann auf jede beliebige Weise geltend gemacht werden. Einer Klage bedarf es nicht. § 249 Abs. 1 Satz 2 drückt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz aus, der für alle nichtigen Organbeschlüsse gilt. Eine Nichtigkeitsklage entsprechend § 249 AktG bleibt daneben statthaft. Sie ist wie die Nichtigkeitsklage gegen Hauptversamm­ lungsbeschlüsse Gestaltungsklage25. Für die Befugnis zur Anfechtung ist von § 245 AktG auszugehen. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind in erster Linie zur Erhebung der Klage legitimiert, weil sie dem Gremium angehören, das den Beschluß gefaßt hat. Angesichts der Nichtöffentlichkeit der Sitzungen und der Vertraulichkeit der Beratungen im Aufsichtsrat können nur seine Mitglieder wissen, welche Fehler vorgefallen sind. Formelle Mängel, die dem Beschluß nicht anzusehen sind, gelangen in der Regel nur zur Kenntnis der Aufsichtsratsmitglieder. Fraglich ist, ob man für die Anfechtungsbefugnis zu fordern hat, daß das klagende Mitglied in der Sitzung erschienen war und gegen den Beschluß Widerspruch erhoben hat (entsprechend § 245 Nr. 1 AktG). Dies ist mit der hier vertretenen Ansicht zu verneinen26. Es wurde bereits dargetan, daß das Widerspruchserfordernis nicht gerechtfertigt und verfassungsrechtlich zweifelhaft ist. Das Aufsichts­ ratsmitglied hat vermöge seiner Amtspflichten einen ihm auffallenden Ver­ stoß so rechtzeitig zu rügen, daß dieser noch behoben werden kann. Unter­ bleibt die Rüge, so mag das Anfechtungsrecht allenfalls ausgeschlossen sein, wenn der Mangel gerade dieses Mitglied betrifft. Die Anfechtungsbefugnis setzt weiterhin nicht voraus, daß das anfechtende Mitglied gerade in seinen Rechten verletzt worden ist. Weiterhin ausgehend von § 245 ist die Anfechtungsbefugnis des Vor­ stands zu klären. Nach § 245 Nr. 4 ist der Vorstand als Gesamtorgan klage­ befugt, nach Nr. 5 jedes seiner Mitglieder, wenn es durch die Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses eine strafbare Handlung oder eine Ord­ nungswidrigkeit begehen oder wenn es ersatzpflichtig würde. Für die An­ 25 Dazu bereits oben § 17 III. 26 Hierzu oben § 17 IV 2. Anderer Ansicht Baums (wie FN 8), S. 339.

fechtung von Beschlüssen des Aufsichtsrats kann dies nicht übernommen werden, weil der Vorstand zum Aufsichtsrat in einer qualitativ anderen Be­ ziehung steht als der Vorstand zur Hauptversammlung. Daß § 245 Nr. 5 AktG auf den fehlerhaften Aufsichtsratsbeschluß nicht paßt27, belegt bereits das oben erwähnte Beispiel der Anfechtung des Abberufungsbeschlusses nach § 84 Abs. 3 AktG. Vorstand und Aufsichtsrat bilden zusammen die Verwaltung, der die gesetzes- und statutengerechte Leitung der Gesellschaft obliegt. Zu dieser Leitung gehört namentlich, daß der Vorstand rechts­ widrigen Beschlüssen anderer Organe entgegentritt. Das Anfechtungsrecht des Vorstands oder einzelner seiner Mitglieder hat - wie auch sonst in § 245 AktG - nicht zur Voraussetzung, daß der Kläger in eigenen (Organ-) Rechten verletzt ist. Fraglich ist außerdem die Befugnis der Aktionäre zur Anfechtung eines Aufsichtsratsbeschlusses. Ausweislich der Entstehungsgeschichte der Be­ schlußanfechtungsklage im 19. Jahrhundert sind die Aktionäre Träger und Vertreter des Gesamtwillens der Gesellschaft. Sie verfolgen ihre Rechte aus der Sicht des Gesetzes nicht der eigenen Vorteile wegen, sondern im Namen und im Interesse der Gesellschaft28. Der Aktionär habe jedoch — so lehrt man — kein Recht zur Anfechtung von Beschlüssen des Vorstands und des Aufsichtsrats, und er habe ferner keinen Anspruch gegen diese Organe auf Einhaltung der ihnen durch Gesetz oder Satzung gezogenen Schranken. Vielmehr soll ein Recht zur Anfechtung von Aufsichtsratsbeschlüssen davon abhängen, daß der Gesellschafter durch einen solchen Beschluß in eigenen Rechten verletzt wird29. Dies entspricht im Verwaltungsprozeß der sog. Adressatentheorie, die § 245 Nr. 1 AktG für die Aktionärsanfechtung gerade nicht übernommen hat. Der Aktionär ist mit Rücksicht auf sein Investment in der Gesellschaft stets betroffen. Die Adressatentheorie trägt insoweit einen Fremdkörper ins Aktienrecht hinein, weil die gesellschaftsrechtlichen Rechtsbehelfe nicht ausschließlich für die Verteidigung eigener Rechte aus­ gelegt sind. Ihre volle Tragweite läßt sich nur von der Warte der Gesamt­ rechtsordnung ermessen. Sie bezwecken eine Rechtmäßigkeitsaufsicht, mit der insbesondere der Kompetenzrahmen in den Verbänden sanktioniert sein soll. Ganz in diesem Sinne billigt die neuere Rechtsprechung dem Mitglied 27 Anders insoweit Baums (wie FN 8), S. 340/41, unter Berufung auf die Rechtslage bei der GmbH, wo aber der Geschäftsführer nach verbreiteter Auffassung gerade kein Recht zur Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung besitzt. 28 Vgl. hierzu die allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Busch’s Archiv 44 (1883), 235. 29 Baums (wie FN 8), S. 340; überhaupt gegen ein Anfechtungsrecht der Aktionäre Radtke BB 1960, 1045 (1048).

ein klagbares Recht zu, daß die Gesellschaft und ihre Organe die mitgliedschaftlichen Rechte achten und alle Maßnahmen zu unterlassen haben, die sie verletzen30. Hierunter fällt namentlich die Einhaltung der Zuständig­ keitsgrenzen in den Verbänden, wie sie durch Gesetz und Satzung fixiert sind. Eine Maßnahme, die mit der Verbandsverfassung formell oder mate­ riell nicht in Einklang steht, unterwirft das Mitglied nicht der Satzungs- und Verbandsgewalt und darf von ihm als eine Verletzung seines Status negativus abgewehrt werden. •

b) Die Anfechtungsfrist

Aus dem Bedürfnis nach schnellstmöglicher Beseitigung eines Zustandes der Ungewißheit hinsichtlich der Geltung oder Nichtgeltung des Beschlusses erklärt sich, daß das Anfechtungsrecht zu befristen ist. Rechtssicherheit ist bei Beschlüssen des Aufsichtsrats noch dringlicher, weil sie unmittelbar in den Prozeß der Unternehmensleitung eingreifen. Bei einer Anlehnung der Anfechtung von Aufsichtsratsbeschlüssen an die §§241 ff. AktG liegt es nahe, an die Befristung nach § 246 Abs. 1 zu denken. Diese Argumentation erweist sich aber bei näherem Zusehen als zu schematisch. § 246 Abs. 1 AktG ist auf Beschlüsse der Hauptversammlung als eine für alle Beteiligte öffentliche Veranstaltung zugeschnitten. Aufsichtsratssitzungen sind nicht öf­ fentlich. Deshalb ist die starre Monatsfrist — ergänzt um die Möglichkeit ei­ ner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) - allenfalls für Aufsichtsratsmitglieder gerechtfertigt. Nur sie können die die Anfechtbarkeit begründenden Mängel direkt wahrnehmen und bewerten. Für den übrigen Kreis anfechtungsbefugter Personen ist eine Differenzierung notwendig. Zu fragen ist, wann sie von dem Beschlußfehler Kenntnis erlangt haben oder hätten erlangen können. In der Sache läuft dies auf eine bewegliche Frist hinaus wie sie heute bei der Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafter­ versammlung der GmbH praktiziert wird31. Die Soll-Vorschrift des § 110 Abs. 3 AktG, wonach der Aufsichtsrat in der Regel einmal im Kalender­ vierteljahr einberufen werden soll, mag als Anhaltspunkt dafür dienen, wel­ cher Zeitraum noch als angemessen anzusehen ist32, zumal wenn man die 30 Dieser Rechtssatz nimmt jetzt mehr und mehr allgemeinverbandsrechtliche Konturen an, grundlegend BGHZ 83, 122 - "Holzmüller” für die Aktiengesellschaft; BGH AG 1990, 458 für die GmbH; BGHZ 90, 92 sowie BGHZ 110, 323 für den Idealverein; dazu Karsten Schmidt JZ 1991, 157 ff.; ferner Hadding, Festschrift für Kellermann, 1991, S. 91 ff. 31 In diesem Sinne ebenfalls Baums (wie FN 8), S. 341 ff., der für die Übernahme der GmbH-rechtlichen Anfechtungsfrist eintritt ohne Rücksicht darauf, wer anficht. 32 Näher dazu Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, 1986, S. 217/18.

Anfechtungsfrist als Chance begreift, den fehlerhaften Beschluß durch einen fehlerfreien zu ersetzen. c) Das Anfechtungsverfahren Auf welche Weise ein anfechtbarer Aufsichtsratsbeschluß vernichtbar ist, ist streitig. Das gesellschaftsrechtliche Schrifttum verlangt überwiegend eine Klage, sei es in Form der Feststellungs-, sei es in Form der Anfechtungs­ klage. Das mitbestimmungsrechtliche Schrifttum33 tendiert überwiegend da­ hin, eine entsprechend § 142 Abs. 1 BGB wirkende Widerspruchserklärung des Anfechtenden gegenüber dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats genügen zu lassen. Diese Ansicht verzichtet also bewußt auf eine Gestaltungsklage und hält eine bloße Gestaltungserklärung für erforderlich und genügend. Für be­ rechtigt, die Anfechtung zu erklären, wird nur ein Mitglied des Aufsichtsrats gehalten, nicht dagegen ein Aktionär oder Vorstandsmitglied. Die Auswahl zwischen beiden Auffassungen kann sinnvoll erst getroffen werden, wenn man sich ihre möglichen Konsequenzen für den Arbeitsablauf in den Gesell­ schaftsorganen vor Augen führt. Der Übergang vom Gestaltungsrecht zum Gestaltungsklagerecht wird bei den Handelsgesellschaften durchweg voll­ zogen, damit ein einzelner nicht ohne vorherige gerichtliche Überprüfung seiner Gestaltungsbefugnis die Rechtslage willkürlich verändern oder auch nur Ungewißheit darüber aufkommen lassen darf, ob sie sich verändert hat. Deshalb ist die Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung Gestaltungsklage, und deshalb ist der Aktionär gezwungen, den Klageweg zu beschreiten. Der Aufsichtsrat ist - zumal in der mitbestimmten Gesellschaft - das sensibelste Organ der Gesellschaft. Wenn gegen die Anfechtung sei­ ner Beschlüsse grundsätzlich eingewandt wird, daß eine rechtliche Ausein­ andersetzung nicht zum Instrument geraten darf, mit der unternehmerische Entscheidungsprozesse torpediert werden, so spricht dies erst recht gegen eine Anfechtung durch bloße Willenserklärung. Ein zur unterlegenen Frak­ tion gehörendes Mitglied des Aufsichtsrats könnte durch seinen Widerspruch das Abstimmungsergebnis allzu leicht in Frage stellen. In ihrem Kem zielt die Entscheidung für eine Klage und gegen das reine Gestaltungsrecht auf eine Verteilung von Initiativlasten, die um der Rechtssicherheit willen erfolgt und im Aktienrecht nicht ohne Vorbild ist34. § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG belegt 33 Hanau/Ulmer (wie FN 15), § 25 RdNr. 40; Naendrup (wie FN 15), § 25 RdNr. 90 jedenfalls für Verfahrensfehler; anders offenbar RdNr. 218; Fitting/Wlotzke/ WißMANN, Komm.z.MitbestG, 2. Aufl. 1978, §25 RdNr. 39 für Verfahrensfehler; H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 108 RdNr. 81; MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 32 RdNr. 47; offengelassen von OLG Hamburg WM 1982, 1090 (1095). 34 In diesem Sinne überzeugend Axhausen (wie FN 32), S. 212 ff.

exemplarisch, daß das Gesetz keine Schwebezustände mit Bezug auf Auf­ sichtsratsbeschlüsse dulden will. Derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit des Beschlusses beruft, soll gehalten sein, ihren gerichtlichen Ausspruch zu veranlassen, dagegen soll nicht die Gesellschaft automatisch in die Kläger­ rolle gedrängt werden. Dieses Ergebnis verkennt nicht den Unterschied zwi­ schen Aufsichtsrat und Hauptversammlung sowie daß das Aufsichtsratsmit­ glied in Ausübung besonderer Amtspflichten handelt. Jener Unterschied fällt bei der Behandlung dieser Sachfrage nicht ins Gewicht. Entscheidend ist al­ lein, daß nicht eine einzelne Person durch eine einseitige und ungeprüfte Rechtshandlung die Wirksamkeit eines Organaktes in der Schwebe halten darf. Das Klageerfordemis erschwert das Anfechtungsrecht nicht notwendi­ gerweise35, weil für die Überprüfung der Gestaltungsbefugnis die Zustän­ digkeit eines Schiedsgerichts vereinbart werden kann. Die Anfechtungsklage ist entsprechend § 246 Abs. 2 Satz 1 AktG gegen die Gesellschaft zu richten, nicht gegen den Aufsichtsrat als Organ oder ge­ gen seinen Vorsitzenden, der den angefochtenen Beschluß verkündet hat. Wie bei der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen erklärt sich dies daraus, daß der Beschluß der Gesellschaft insgesamt zuzurechnen ist. Der Streit um seine Wirksamkeit ist daher mit der gesamten Gesellschaft auszutragen und nicht zwischen Gesellschaftsorganen. Wie beim Streit um die Wirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses gilt es zu vermeiden, daß durch die Zuweisung der Passivparteirolle an die Gesellschaft die ei­ gentlichen Urheber des Beschlusses von der Prozeßführung ausgeschlossen werden. Zur Aufklärung inhaltlicher Beschlußfehler ist die Beteiligung der beschließenden Aufsichtsräte sinnvoll. Andererseits soll ihr Recht auf recht­ liches Gehör nicht abgeschnitten werden, steht doch ihr Beschluß auf dem Prüfstand. Verfahrensrechtlich folgt daraus, daß die Mitglieder des Auf­ sichtsrates sowie die übrigen anfechtungsbefugten Personen dem Anfech­ tungskläger oder der Gesellschaft als Streithelfer beitreten dürfen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Vertretung der Gesellschaft als notwendiger und exklusiver Passivpartei in diesen Streitigkeiten. Im Anfechtungsverfah­ ren wird die Gesellschaft gemäß § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Diese Sondervertretungsregelung, die das Ver­ tretungsmonopol des Vorstands nach §§ 76, 78 AktG modifiziert, ist auf die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses durch den Aktionär zuge­ schnitten. Klagen von Verwaltungsorganen oder von Mitgliedern solcher Or­ gane (§ 245 Nr. 4 und 5 AktG) sind nach § 246 Abs. 2 Satz 3 abzuwickeln. Klagt der Vorstand oder eines seiner Mitglieder gegen einen Hauptver­ sammlungsbeschluß, so wird die Gesellschaft allein durch den Aufsichtsrat 35 Anderer Ansicht MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 32 RdNr. 47.

vertreten. Klagt ein Aufsichtsratsmitglied, ist die Gesellschaft ausschließlich durch den Vorstand vertreten. Anliegen des Gesetzes ist es, für eine ord­ nungsgemäße Vertretung der Gesellschaft zu sorgen. Diese läßt sich nur her­ stellen, wenn der Vertreter in keinen Interessenwiderstreit verstrickt ist und sein Amt unbefangen wahrnehmen kann. Wird ein Aufsichtsratsbeschluß an­ gefochten, so sollte nach dem Prinzip der materiellen Gegnerfreiheit, wie es in § 246 Abs. 2 Satz 2 und 3 hervortritt, der Aufsichtsrat insgesamt von der Vertretung der Gesellschaft disqualifiziert sein36, da er bereits am materiel­ len Streitverhältnis beteiligt ist. Für Anfechtungsklagen gegen Aufsichtsrats­ beschlüsse ist der Vorstand regelmäßig Vertreter der Gesellschaft. Klagt je­ doch der Vorstand oder eines seiner Mitglieder, so existiert kein gegnerfreies Vertretungsorgan mehr. Der Ausweg ist in der Bestellung eines besonderen Vertreters37 zu suchen, der sich in keiner Interessenkollision befindet. Wer­ tungsmäßig ist diese Konstellation mit dem Fall vergleichbar, daß Vorstand und Aufsichtsrat einen Hauptversammlungsbeschluß anfechten. Hier hilft man sich mit einer Prozeßpflegerbestellung nach § 57 ZPO38. Es bleibt al­ lerdings zu klären, wer diesen Vertreter auswählen darf. Die Befugnis steht nicht ohne weiteres dem Gericht zu. Anzusetzen ist vielmehr beim Selbst­ verwaltungsrecht der Gesellschaft. Der Satzung wäre das Recht der Bestim­ mung eines Vertreters vorzubehalten. Trifft sie keine Vorsorge, so hat die Hauptversammlung das Auswahlrecht entsprechend § 147 Abs. 3 Satz 1 AktG39. Erst wenn die Lage keine vorrangige Entscheidung der Hauptver­ sammlung mehr gestattet, darf das Prozeßgericht auf Antrag einen proviso­ rischen Vertreter bestellen. Damit ist eine Rangfolge geschaffen, wie sie auch sonst für die gerichtliche Ersatzbestellung von Vertretern und Organen im Verbandsrecht gebräuchlich ist, um eine Kollision mit dem Selbstver­ waltungsrecht auszuschalten40. - Hinsichtlich der Urteilswirkungen ist auf die Rechtskraftbestimmung in § 248 AktG zu verweisen. Das stattgebende Anfechtungsurteil wirkt für und wider jedermann innerhalb wie außerhalb der Gesellschaft41. - Die Verfahrenskosten sind ebenfalls parallel zu dem hier für die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen entwickelten Kostentragungsmodell zu verteilen. Wird der Aufsichtsratsbeschluß kassiert, 36 Im Ergebnis ebenso Baums (wie FN 8), S. 342. 37 Vgl. § 147 Abs. 3 AktG, § 57 ZPO. 38 Zur gleichen Situation bei der Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbe­ schluß Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 246 RdNr, 67. 39 Wie hier tritt Hüffer (wie FN 38) für ein erstrangiges Bestimmungsrecht der Haupt­ versammlung ein. 40 Arg. § 29 BGB, § 85 AktG. 41 Treffend Baums (wie FN 8), S. 343.

trägt die Gesellschaft die Kosten. Unterliegt der Anfechtungskläger, so kann er trotz § 91 ZPO eine Kostenerstattung verlangen, wenn die Prozeßführung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft lag.

3. Der fehlerhafte Vorstandsbeschluß Zu prüfen ist weiterhin, ob sich die Regeln über die Behandlung fehler­ hafter Aufsichtsratsbeschlüsse auf die Beschlüsse des Vorstands sinngemäß übertragen lassen. Ausgehend vom Vereinsrecht scheint die Antwort einfach: Nach § 28 Abs. 1 BGB gelten für seine Beschlußtätigkeit die auf die Be­ schlußfassung der Mitgliederversammlung anwendbaren Vorschriften. Für die AG würde dies die Anwendbarkeit der §§241 ff. AktG bedeuten. Dieses Ergebnis bedarf indes einer weiteren kapitalgesellschaftsrechtlichen Abstüt­ zung. Für die Aktiengesellschaft wird gegen eine Ausdehnung der Beschluß­ anfechtungsbestimmungen eingewandt, daß den Beschlüssen des Vorstands die Außenwirkung fehle und die Überschaubarkeit und relative Homogenität des Kreises der Vorstandsmitglieder die Ausdehnung nicht gebiete42. Die Bedeutung von Vorstandsbeschlüssen im Leben der Kapitalgesellschaft wird damit nicht voll erfaßt. Bei näherem Zusehen handelt es sich nicht um ein Problem der Mitbestimmung. Auch geht es nicht um die Existenz der Ver­ tretungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis. Für die Vorstandsarbeit besteht dasselbe Interesse nach unzweideutiger Klarheit über die Gültigkeit seiner Beschlüsse. Der Vorstand ist bei der AG wie bei der eingetragenen Genossenschaft das Entscheidungszentrum. Kollegialvorstände haben ihre Entscheidungen durch Beschluß zu treffen. Es ist nicht einzusehen, warum für mangelhafte Aufsichtsratsbeschlüsse andere Regeln gelten sollen als für mangelhafte Vorstandsbeschlüsse 43. In dem Maße, in dem die Kompetenzen des Vorstands zunehmen, erhöht sich das Interesse an einer befriedigenden Bewältigung von Beschlußfehlern. Die Berechtigung des Rechtsschutzes ge­ gen fehlerhafte Vorstandsbeschlüsse läßt sich wiederum aus der Korpora­ tionsverfassung ablesen, einschließlich der Wandlungen, die ihr im Laufe der Zeit widerfahren sind.

42 So namentlich MünchKomm-REUTER, BGB, 2. Aufl. 1984, § 32 RdNr. 36. 43 Für eine Erstreckung der für die Behandlung fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse geltenden Grundsätze auf fehlerhafte Vorstandsbeschlüsse auch H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 77 RdNr. 27.

a) Grundlagen: Das Beispiel des genehmigten Kapitals Das Aktiengesetz von 1937 schuf erstmals in seinen §§169 ff.44 die Grundlage einer Delegation wichtiger Kompetenzen aus dem überkommenen Reservat der Hauptversammlungszuständigkeiten an den Vorstand. Diese Verschiebung im Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft darf nicht ohne Einfluß auf den korrespondierenden Rechtsschutz bleiben. Ihr ist mit der Anerkennung zusätzlicher Klagebefugnisse der Gesellschaftsorgane bzw. ih­ rer Mitglieder Rechnung zu tragen45. Beim genehmigten Kapital erhellt dies aus einer Hilfsüberlegung: Wäre die Kompetenz bei der Hauptversammlung verblieben, so stünden die Klagerechte nach den §§241 ff. AktG ohne wei­ teres zur Verfügung. Daran darf die Entscheidung eines anderen Gesell­ schaftsorgans nichts ändern. Wandert die Kompetenz, so wird der an die Entscheidung anknüpfende Rechtsschutz nicht suspendiert46. Die Ausnut­ zung des genehmigten Kapitals durch den Vorstand nach § 202 AktG belegt den Bedarf für eine entsprechende Erstreckung der Klagerechte. Die Kom­ petenzdelegation sollte die Verwaltung in die Lage versetzen, flexibel auf den Finanzierungsbedarf der Gesellschaft einerseits und auf die sich bieten­ den Chancen am Kapitalmarkt andererseits reagieren zu können. Eine Ver­ ringerung der Kontrolle der Verwaltung in diesem Bereich, der die Gesell­ schafterrechte und die FinanzVerfassung der Gesellschaft nachhaltig berührt, bezweckte sie dagegen nicht. Die Satzung muß die Ermächtigung zugunsten des Vorstands schaffen. Der Vorstand darf anschließend innerhalb von fünf Jahren den exakten Zeitpunkt der Ausgabe der Aktien bestimmen und die näheren Modalitäten festlegen. § 203 Abs. 2 AktG gestattet dem Vorstand sogar, sofern die Ermächtigung soweit reicht, über den Ausschluß des Be­ zugsrechts zu entscheiden. Der Aufsichtsrat nimmt an diesem Entschei­ dungsprozeß ebenfalls teil, § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG. Es entspricht der durchaus gängigen Praxis, daß der ermächtigende Beschluß der Hauptver­ sammlung, den die Verwaltung zur Beschlußfassung selbst vorbereitet, der­ 44 Entspricht §§ 202 ff. AktG 1965 über das genehmigte Kapital. Die Bestrebung, wei­ tere Kompetenzverlagerungen präter legem zu etablieren, ist unverkennbar, vgl. LG Frank­ furt am Main WM 1990, 237 zu einer geplanten Eventualstimmrechtsbeschränkung bei der Dresdner Bank. 45 HOMMELHOFF/TIMM AG 1976, 330 (333) für die Ausweitung der Klagebefugnisse des Aufsichtsrats, so daß er instand gesetzt ist, auf gesetzes- und statutenkonforme Verwal­ tung der Gesellschaft zu dringen, was zu seinen originären Überwachungsaufgaben aus § 111 Abs. 1 AktG zählt. 46 Zu dieser Problematik anhand der bei der GmbH verbreiteten Spruchstellen, die keine Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO sind, siehe BGHZ 43, 261 (264); Drobnig/Becker/Remien, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991, S. 54 ff. Daraus folgt, daß mit jeder Kompetenzverlagerung auch die Rechtsbehelfe entspre­ chend zu erstrecken sind.

art weit gefaßt ist, daß de facto der Vorstand über die Kapitalerhöhung ent­ scheidet47. Wird die Ermächtigung durch satzungsändernden Beschluß nach § 202 Abs. 2 AktG erteilt, so wäre er innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG mit der Anfechtungsklage angreifbar. Die Ermächtigung an den Vor­ stand währt indessen länger. Was hat zu gelten, wenn der Vorstand, nach­ dem die Anfechtungsfrist verstrichen ist, eine Entscheidung trifft, die, wenn die Hauptversammlung selbst entschieden hätte, nach § 243 AktG angreifbar wäre? Was gilt, wenn der Vorstand das Bezugsrecht der Aktionäre gemäß § 203 Abs. 2 ausschließt, ohne daß die besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen48 hierfür gegeben sind? Kann die Justitiabilität dadurch beseitigt werden, daß die Zuständigkeit eines anderen Gesellschaftsorgans legal be­ gründet wird? Die Frage nach der adäquaten Information49 und Rechtsschutzgewährlei­ stung zielt in erster Linie auf die Qualität der Rechtsstellung des Vorstands. Entscheidet er an Stelle der Hauptversammlung, so geschieht dies in Wahr­ nehmung einer anderen Kompetenz. Solchenfalls befindet sich der Vorstand nicht mehr ausschließlich in der Rolle des zentralen Leitungsorgans der Ge­ sellschaft, das deren tägliche Geschäfte zu führen hat, sondern er nimmt eine genuine Grundlagenkompetenz aus dem Reservat der Hauptversammlung wahr. Hierbei unterliegt er weiterhin seinen allgemeinen organschaftlichen Amtspflichten50 sowie zusätzlich den Bindungen, die die Hauptversammlung selbst zu beobachten hätte51. Die Verhaltenspflichten des Vorstands sind zu kumulieren, der Rechtsschutz andererseits zu integrieren. Ebenso wie die Entscheidungsgewalt der Hauptversammlung ist eine Entscheidung durch den Vorstand zu verrechtlichen und am Wohl der Gesellschaft auszurichten. Ins­ besondere darf er bei der Festsetzung der Bedingungen der Kapitalerhöhung oder beim Ausschluß des Bezugsrechts keine persönlichen Interessen oder gesellschaftsfremden Sondervorteile verfolgen. Für den Rechtsschutz und die Kontrolle der Verwaltung folgt daraus: Die Entscheidung des Vorstands über das genehmigte Kapital ist ein zweistufiges Verfahren, zerlegt in die Schaffung des genehmigten Kapitals durch die 47 Kritisch hierzu M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419 (464). 48 Vgl. BGHZ 71, 40 - "Kali+Salz" sowie BGHZ 83, 319 - "Holzmann" für das ge­ nehmigte Kapital. 49 Mit der Rechtsschutzgewährung ist die Berichtspflicht der Verwaltung eng verbun­ den, zu ihr im einzelnen Lutter, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1990, § 203 RdNr. 36 ff. Indes liegt auf ihr nicht der hauptsächliche Schweipunkt. Genauso bedeutsam ist der Ausbau der Möglichkeiten für den Aufsichtsrat oder die Aktionäre, dem Vorstand noch rechtzeitig Einhalt gebieten zu können, vgl. Lutter, § 203 RdNr. 20 sub 4. 50 Insbesondere § 93 Absätze 1, 2 und 3 Nr. 9 AktG. 51 Vgl. §§ 243, 255 AktG.

Hauptversammlung und seine spätere Ausnutzung durch den Vorstand. Beide Abschnitte bedürfen der Kontrolle. Die Zerlegung in zwei Teilakte besagt nicht, daß der Rechtsschutz in bezug auf Kontrollmaßstab und -Intensität eine Abstufung erleidet52. Für den Rechtsschutz auf der ersten Stufe, nämlich die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses bewendet es bei den allgemeinen Grundsätzen. Es existieren keine Ermessensfreiräume der Hauptversammlung, die zu einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung des Beschlusses führen53. Wenig beachtet ist der Rechtsschutz in bezug auf den zweiten Teilakt, nämlich die Entscheidung durch die Verwaltung. Bei wortlautgetreuem Verständnis der §§241 ff. AktG wird man zu keiner Anfechtbarkeit gelangen, weil ja kein Hauptversamm­ lungsbeschluß Angriffsobjekt der Klage ist54. Daran darf die Rechtsschutz­ gewährung jedoch nicht scheitern. Eine rechtswidrige Kapitalerhöhung darf nicht zur Ausführung gelangen. Wie bei der Kapitalerhöhung durch die Hauptversammlung nach §§182 ff. AktG müssen klare Verhältnisse herr­ schen. Es geht um das Finanzierungsinteresse der Gesellschaft, das Bezugs­ recht und die Angemessenheit des Ausgabekurses für die bisherigen Aktio­ näre sowie das Interesse der Erstzeichner, tatsächlich Aktionär zu werden. Der Ausgleich dieser Interessen erfordert eine Prüfung, die sicherstellt, daß die Kapitalerhöhung unterbleibt, wenn sie rechtswidrig ist. Der Vergleich mit den §§182 ff. schließt es aus, beim genehmigten Kapital auf eine Über­ prüfung der Maßnahme zu verzichten und die benachteiligten Altaktionäre mit einem Schadensersatzanspruch abzuspeisen55. Statthaft ist eine Anfech­ tung der Vorstandsentscheidung wie des zustimmenden Beschlusses des Auf­ sichtsrats. Die Klage ist begründet, wenn die Kapitalerhöhung oder der Aus­ schluß des Bezugsrechts unwirksam ist56. Der Vorstandsbeschluß ist ebenso anfechtbar, wie es anderenfalls ein Hauptversammlungsbeschluß wäre. Rich­ 52 Zu denkbaren Modellen einer Kontrolle des Vorstands bei der Ausnutzung des ge­ nehmigten Kapitals Lutter (wie FN 49), § 203 RdNr. 20. Diese Überlegungen sind um so wichtiger, als die Bedeutung des genehmigten Kapitals gegenüber der Kapitalerhöhung unter Mitwirkung der Hauptversammlung ständig zunimmt, vgl. Heinsius, Festschrift für Kel­ lermann, 1991, S. 115 ff. Ob es deshalb zutreffen kann, daß der Vorstandsbeschluß nicht nach Maßgabe der §§ 243, 255 AktG angreifbar ist - so Lutter RdNr. 19 -, darf bezwei­ felt werden. 53 Umfassende Nachweise bei Lutter (wie FN 49), § 203 RdNr. 29 ff. 54 Gegen eine Anfechtung von Vorstandsbeschlüssen etwa Lutter (wie FN 49), § 203 RdNr. 19 a.E., allerdings ohne Nennung von Gründen. Für eine direktere Kontrolle der Vorstandsarbeit durch den Aufsichtsrat, einzelner Aufsichtsratsmitglieder und die Aktionäre jetzt Pflugradt, Leistungsklagen zur Erzwingung rechtmäßigen Vorstandsverhaltens in der Aktiengesellschaft, 1990, S. 7 ff. 55 Für eine Kompensationslösung Marsch AG 1981, 211 (212). 56 In diese Richtung tendiert Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzemspitze, 1980, S. 76 ff.; DERS. DB 1982, 211 ff.

tige Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 243 AktG57. Sie entfaltete eine Sperrwirkung mit Blick auf das Wirksamwerden der Kapitalerhöhung (§ 189 AktG). Das Beispiel des genehmigten Kapitals zeigt, wie stark Vorstandsentschei­ dungen mitunter in das Außenverhältnis übergreifen und wie wenig sie mit Unsicherheiten behaftet bleiben dürfen58. Dafür bietet das aktienrechtliche Anfechtungsverfahren auch mit Bezug auf fehlerhafte Vorstandsbeschlüsse den geeigneten Rahmen, freilich ergänzt um Anpassungen, die auf die Be­ sonderheiten der Vorstandsbeschlüsse Bedacht nehmen.

b) Das Anfechtungsverfahren Aus dem Vorstehenden läßt sich die nähere Auskleidung des Verfahrens, in dem Mängel hinsichtlich von Vorstandsbeschlüssen geltend zu machen sind, ableiten. Für fehlerhafte Vorstandsbeschlüsse erweist es sich ebenfalls als unumgänglich, eine Beschränkung der Rechtsfolgen solcher Fehler zu entwickeln, die nicht schon zur Nichtigkeit führen. Auf die Ausführungen zu den Beschlußmängeln und ihrer Einteilung darf verwiesen werden (oben § 17 I). Sie gelten für Vorstandsbeschlüsse sinngemäß. Zur Geltendmachung dieser Mängel ist in erster Linie jedes Vorstands­ mitglied befugt, nach ihnen ferner der Aufsichtsrat und jedes seiner Mitglie­ der. Die Berechtigung des Aufsichtsrats ist einmal aus § 245 Nr. 5 AktG, noch deutlicher aus § 111 Abs. 1 AktG zu gewinnen. Oberste Amtspflicht des Aufsichtsrats ist die Überwachung der Geschäftsführung, die sich auch in Beschlüssen niederschlagen kann. Für sie kommt es abweichend von § 245 Nr. 5 nicht darauf an, ob sich das Mitglied schadensersatzpflichtig oder strafbar machen würde. § 111 Abs. 1 AktG bezieht die Aufsichts­ ratsmitglieder in den Kreis derjenigen ein, die darauf zu dringen haben, daß sich die Geschäftsführung der AG in den Bahnen gesetzes- und statuten­

57 Gegen eine Anfechtung Lutter (wie FN 49), RdNr. 20 sub (3) und ihm folgend Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzembildung, 1986, S. 112 ff., die statt dessen für eine Unterlassungsklage eintreten. Dazu ist anzumerken, daß die Anfechtungsklage ebenfalls negatorische Züge trägt. Sie ist die unmittelbarste Form einer Unterlassungsklage, weil sie den Vorstandsbeschluß als Grundlage direkt beseitigt und ein Eintragungshindemis mit Be­ zug auf das Handelsregister schafft, §§ 189, 203 Abs. 1 Satz 1 AktG. 58 Die so gewonnene Rechtsklarheit liegt nicht zuletzt im wohlverstandenen Interesse Außenstehender, da man nicht ausnahmslos davon ausgehen darf, daß die Nichtigkeit eines Vorstandsbeschlusses oder ein Beschlußmangel die Vertretungsbefugnis des Vorstandes un­ berührt läßt, so aber H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 77 RdNr. 27 am Ende. Insbesondere ist an die Fälle des kollusiven Gebrauchs der Vertretungsmacht oder der rechtsmißbräuchlichen Berufung auf deren Bestand zu erinnern, vgl. BGHZ 50, 112.

gerechter Verwaltung bewegt59. Zu verweisen ist daneben auf § 84 Abs. 3 AktG, wonach eine nicht (verbands-)ordnungsgemäße Geschäftsführung wichtiger Grund für die Abberufung des Vorstands ist. Die Abberufung ist nur das letzte, nicht aber das einzige dem Aufsichtsrat zu Gebote stehende Mittel, den Vorstand zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung anzuhal­ ten. Ob ein rechtswidriger Beschluß des Vorstands den Aufsichtsrat in seinen Rechten verletzt, ist für die Bejahung der Klagebefugnis irrelevant, da es nicht um die Verteidigung von Organrechten, sondern um die Rechtmäßigkeitsaufsicht über die AG geht. Entsprechend § 245 Nr. 1 bis 3 AktG ist endlich jeder Aktionär befugt, Mängel von Vorstandsbeschlüssen zu rügen und zwar auch dann, wenn der Vorstandsbeschluß nicht unmittelbar in seine Mitgliedschaftsrechte eingreift60. Über seine Anfechtungsbefugnis ist hier nicht anders zu entscheiden wie bei § 245 Nr. 1. Niemand aus der Gruppe der Anfechtungsberechtigten - nicht einmal die Mitglieder des Vorstands selbst — trifft eine Pflicht zum Widerspruch entsprechend § 245 Nr. 1 in dem Sinne, daß, wenn der Widerspruch unterbleibt, die Anfech­ tungsbefugnis erlischt. Die Beanstandung der bloß vernichtbaren Vorstandsbeschlüsse ist nur be­ fristet zulässig. Wie für die Rüge von fehlerhaften Aufsichtsratsbeschlüssen muß die Übernahme der starren Ausschlußfrist in § 246 Abs. 1 AktG aus­ scheiden, weil Vorstandssitzungen nicht öffentlich sind. Die Anfechtung ist innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist durchzuführen. Für Vorstandsmitglieder mag der zeitliche Rahmen eher an der Monatsfrist aus­ zurichten sein, da sie den Verhandlungen beiwohnen. Für nichtige Beschlüsse ist die Nichtigkeitsklage statthaft. Vernichtbare Vorstandsbeschlüsse sind im Wege der Anfechtungsklage als Gestaltungs­ klage zu beseitigen. Diese Rechtsfolge kann nicht dadurch herbeigeführt werden, daß der Beschluß gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden oder der Gesellschaft durch einfache Willenserklärung angefochten wird. Hierfür sind dieselben Gründe maßgebend, mit denen die Anfechtung von Aufsichtsrats­ beschlüssen durch Anfechtungserklärung abgelehnt wurde61.

II. Der privatrechtliche Organstreit Als Ergebnis der vorstehenden Ausführungen gilt es festzuhalten, daß Rechtsschutz gegen die Beschlüsse sämtlicher Gesellschaftsorgane existiert, 59 Im gleichen Sinne HOMMELHOFF/TIMM AG 1976, 330 (332) zu dem Urteil des LG Köln AG 1976, 329 - "Felten & Guilleaume". 60 Enger H.-J. Mertens (wie FN 58); ebenso Zöllner ZGR 1988, 392 (398). 61 Vgl. oben I.2.c.

obschon das Gesetz seine Aufmerksamkeit noch ganz auf die Beschlüsse des Organs Hauptversammlung konzentriert hat. Diese Klagebefugnisse stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Sie sind Bestandteil eines wohldurch­ dachten Ordnungsplans, der im Dienste der Rechtmäßigkeitsaufsicht über die Verbände steht. Sein Anliegen ist die korrekte Führung der Verbände auf der Grundlage von Gesetz und Satzung. Dabei geht es bald um die Durchsetzung subjektiver Rechte des Klägers, bald um die Verteidigung oder Wahrneh­ mung spezifischer Organrechte oder um beides, ohne daß der äußere Verfah­ rensrahmen eine Veränderung erführe. Die Aggregation der denkbaren Ein­ zelklagebefugnisse mündet in ein Verbandsver^assungsstreitverfahren, wie es für alle auf dem Prinzip der Selbstverwaltung beruhenden Körperschaften anzuerkennen ist. Im öffentlichen Recht62 sind diese Verfahren am weitesten ausgeprägt. Ungeachtet der Zuordnung zu einem anderen Rechtsgebiet ist das strukturelle Prinzip das gleiche. Die Rechtsordnung gesteht Selbstver­ waltungskörperschaften eine auf den gesetzlichen und satzungsmäßigen Wir­ kenskreis begrenzte Autonomie zu. In diesem Reservat der Eigenverwaltung sind der Verband sowie diejenigen, die für ihn zu handeln berufen sind, be­ rechtigt und verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Verbandsleitung nicht die Grundlagen verläßt, auf die sich das Selbstverwaltungsrecht gründet63. 1. Privatrechtliche Verbände weisen dieses notwendige Komplement ebenfalls auf. Dennoch verhalten sich Rechtsprechung64 und Schrifttum65 gegenüber der Anerkennung eines Organstreites äußerst reserviert. Betont wird, daß eine Organklage jedenfalls für die Fallkonstellationen auszuschei­ den hat, wo das Verfahren dazu herhalten soll, daß die mit ihrer Auffassung im Aufsichtsrat unterlegene Gruppe über den Umweg einer gerichtlichen In­ anspruchnahme des Vorstands ein für sie günstigeres Ergebnis herbeiführen will66. Diese — nur teilweise berechtigte - Befürchtung ist jedoch nicht ge­ eignet, die Existenzberechtigung eines Organstreits überhaupt in Frage zu 62 Etwa bei Gemeinden, Hochschulen oder Rundfunkanstalten. 63 Zu diesen Zusammenhängen bereits eingehend oben § 4 II sowie § 5. 64 BGHZ 106, 54 - "Adam Opel" mit Anm. Raiser AG 1989, 185; für eine Klagebe­ fugnis des Aufsichtsratsmitglieds LG Hannover ZIP 1989, 1330 - "Pelikan" mit Anm. Theisen DB 1989, 311; Berufungsurteil OLG Celle DB 1989, 2422. 65 Vgl. v.Gerkan ZGR 1988, 441 (448 f.); Stodolkowitz ZHR 154 (1990), 1 (17 ff.); H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, Vorb. § 76 RdNr. 4 ff.; anderer Ansicht wenigstens für die Durchsetzung der Berichtspflicht nach § 90 Abs. 3 und 5 AktG Hommelhoff ZHR 143 (1979), 288 (303 ff.); Bauer, Organklagen zwischen Vor­ stand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 1986, S. 42 ff. Eine geraffte Wiedergabe des kontroversen Meinungsstandes um den aktienrechtlichen Organstreit findet sich in BGHZ 106, 54 (59-62). Zum Ganzen umfassend Pflugradt, Leistungsklagen zur Erzwingung rechtmäßigen Vorstandsverhaltens in der Aktiengesellschaft, 1990. 66 BGHZ 106, 54 (65) - "Adam Opel".

ziehen. Man kann - wie das US-Recht gezeigt hat - mit diesen Klagen gute Ergebnisse erzielen, sofern eine exakte Fixierung der Grenzen der gerichtlichen Prüfungsbefugnisse gelingt. Wer die Existenz oder das Bedürfnis für den Korporationsverfassungsstreit in Abrede stellt, ignoriert, daß dieser als Institution des privaten Verbandsrechts längst vorhanden ist. Daran ändert es nichts, daß der Organstreit von manchen als untunlich oder gefährlich empfunden wird67. Das private Verbandsrecht, besonders das Aktienrecht, kennt seit altersher Organstreitverfahren in nahezu allen Variationen. Um dies zu erkennen, ist es erforderlich, daß man die Substanz einer Auseinandersetzung von ihrer prozessualen Einkleidung löst, das Prozeßrechtsverhältnis mithin vom zu­ grundeliegenden materiellen Streitverhältnis trennt. Bei der Anfechtungs­ klage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse durch den Aktionär liegt, obwohl diese gegen die Gesellschaft zu richten ist (§ 246 Abs. 2 Satz 1 AktG), mate­ riell eine Klage des Gesellschafters gegen das Organ Hauptversammlung vor. Das Gesetz hält das Organ Hauptversammlung oder die Gesellschafter, die den Beschluß gefaßt haben, nicht mit Beugemitteln zu seiner Rücknahme an, sondern erreicht dasselbe Ergebnis durch die Kassierung des Beschlusses. Entsprechend ist die Anfechtungsklage der Verwaltung gegen einen Haupt­ versammlungsbeschluß nach § 245 Nr. 4 oder 5 vom materiellen Streitver­ hältnis aus betrachtet eine Klage dieser Organe gegen die Hauptversamm­ lung. Nichts anderes gilt für die Entlastungsklage im Verbandsrecht, bei der das nicht entlastete Organ gegen die Gesellschaft klagt68, wiewohl ihm die Entlastung von der Mitgliederversammlung verwehrt wurde. Materiell be­ klagt ist die Mitgliederversammlung, deren Zustimmung zu ersetzen ist (§ 894 ZPO). Verbandsverfassungsstreitverfahren zwischen Aufsichtsrat und Vorstand sind ferner die Auseinandersetzungen um die gehörige Berichterstattung des Vorstands an den Aufsichtsrat nach § 90 AktG. Aufsichtsratsmitglieder ha­ ben, um ihren Kontrollauftrag erfüllen zu können, ein Recht auf Berichter­ stattung, auf Einsicht in die Unterlagen und auf deren Aushändigung. Dieses Recht ist durch Klage gegen die Gesellschaft zu erzwingen69. Die Klage ist ausschließlich gegen die Gesellschaft zu richten, nicht gegen den Vorstand 67 Insbesondere H.-J. Mertens (wie FN 65); ders. ZHR 154 (1990), 24 ff.; H. Westermann, Festschrift für Bötticher, 1969, S. 368 (376 ff.) für die Erzwingung der Be­ richtspflicht nach § 90 AktG. 68 Zur Zulässigkeit und Dogmatik der Entlastungsklage nach BGHZ 94, 324 vgl. Rowedder/Koppensteiner, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, §46 RdNr. 25; Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, §46 RdNr. 100 ff.; Ahrens ZGR 1987, 129. 69 H.-J. Mertens (wie FN 65), § 90 RdNr. 53; Bork ZIP 1991, 137 ff.; Flume, Die juristische Person, 1983, S. 405 ff.

oder gegen den Vorsitzenden des Aufsichtsrats70. Daß die Gesellschaft Kla­ gegegner ist, bedeutet nicht, daß sie im Prozeß stets vom Vorstand zu ver­ treten ist71. Vielmehr ist auf eine interessenkollisionsfreie Vertretung der Gesellschaft zu achten. Wird die Gesellschaft nach § 90 AktG auf Informa­ tionserteilung verklagt, so ist der Vorstand insgesamt kein unbefangenes Vertretungsorgan, weil er die Vornahme der begehrten Handlung zuvor ab­ gelehnt hat und weil er der eigentliche Beklagte ist. Auch die nicht klagen­ den Aufsichtsratsmitglieder können die Gesellschaft nicht vertreten. Zu hel­ fen ist mit der Bestellung eines Prozeßpflegers. Die Berichterstattungsklage, deren Begründetheitsvoraussetzungen hier dahinstehen mögen, zeigt, daß das privatrechtliche Korporationsverfassungsstreitverfahren nicht akzessorisch zu einer Klageart ist. Bei Beschlüssen ist die Gestaltungsklage regelmäßig die richtige Klageart, für die Berichtserzwingungsklage nach § 90 AktG ist es die Leistungsklage. Verbandsverfassungsstreitverfahren im materiellen Sinne sind ferner die Streitigkeiten der Mitglieder gegen Maßnahmen der Ver­ bandsdisziplinargewalt im weiteren Sinne. Das formale Streitverhältnis (Prozeßrechtsverhältnis) kommt zwischen Mitglied und Verband zustande. Im Wege der Feststellungsklage wird auf Unwirksamkeit der Maßnahme bzw. Fortbestand der Mitgliedschaft geklagt oder Leistungsklage - z.B. auf Dividendenzahlung — erhoben, die jedoch inzident eine Feststellung hin­ sichtlich des präjudiziellen Rechtsverhältnisses treffen muß. In der Sache streitet das Mitglied mit dem Organ, das den belastenden Akt veranlaßt hat, z.B. die Kaduzierung nach § 64 AktG oder den Ausschluß aus sonstigen Gründen. Ein Urteil, welches den Fortbestand der Mitgliedschaft ausspricht, kassiert gleichzeitig den anderslautenden Organakt. Anders als im Verwal­ tungsprozeß (§ 61 VwGO) erspart die Zuweisung der Parteirolle an den Ver­ band die verbindliche Klärung der Vorfrage, ob seine Organe im privat­ rechtlichen Verbandsverfassungsstreitverfahren fähig sind, am Verfahren beteiligt zu sein. 2. Für die Entwicklung des privatrechtlichen Organstreits ist ein Seiten­ blick auf die Funktion und die Bewährung derselben Einrichtung im öffent­ lichen Recht lohnend. Der Verfassungsprozeß sieht Organstreitverfahren ausdrücklich vor72. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat 70 Zu den Gegenansichten umfassende Nachweise bei H.-J. Mertens (wie FN 69). 71 So in der Tendenz Bork ZIP 1991, 137 (142 ff.). 72 Vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1-4 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff.; 13 Nr. 6, 76 ff.; 13 Nr. 7, 68 ff.; 13 Nr. 8, 71 f. BVerfGG. Hierin zeigt sich, daß der verfassungsrechtliche Organ­ streit in die horizontale und vertikale Richtung ausgebaut ist. Die Erklärung hierfür ist keine prozessuale; sie ist im materiellen Verfassungsrecht zu suchen, dem das Verfassungsprozeß­ recht zu dienen hat. Der Organstreit bezweckt die Einhaltung der Organkompetenzen, geht

die Antragsberechtigung im Interesse des Kontrollauftrages der Organklage im gewaltenteiligen Verfassungsstaat weit gefaßt73. 74 Im Verwaltungsrecht ha­ ben sich Organstreitverfahren praeter legem im Gemeinde-, Rundfunk- und Hochschulrecht etabliert. Diese sind wie die durch Art. 9 Abs. 1 GG ge­ währleisteten privatrechtlichen Personenzusammenschlüsse Selbstverwal­ tungskörperschaften mit einem verfassungsrechtlich verbürgten Selbstver­ waltungsrecht. Die VwGO hält für diese Verfassungsstreitverfahren keine eigene Klageart vor. Am weitesten sind die Bemühungen um das Kommunalverfassungsstreitverfahren 1^ gediehen, mit dem gerichtlich auszutragen ist, wie die Innenrechtsstellung der Organe der gemeindlichen Selbstverwaltung zueinander ist. Die Organstreitverfahren des öffentlichen Rechts müssen sich ebenfalls um die Grenzziehung zwischen der Austragung politischer und der Austragung rechtlicher Konflikte bemühen. Die Lösung wird durch einen judicial self-restraint gegenüber den politischen Fragen erreicht. Die Betei­ ligtenfähigkeit der Organe, Organteile oder Mitglieder hängt davon ab, ob ihnen Rechte verliehen sind, damit sie ihre Funktionen dadurch erfüllen, daß sie die übertragenen Aufgaben des Ganzen oder ihre Organrechte gegen eine Beeinträchtigung durch andere Organe innerhalb derselben Körperschaft verteidigen können. Hiervon darf insbesondere dann ausgegangen werden, wenn ein Organ nach dem Gegengewichtsprinzip Kontrastorgan zu anderen Organen ist75. Gemeinden sind nach Art. 28 Abs. 2 GG Selbstverwaltungs­ körperschaften des öffentlichen Rechts. Das Verfassungsstreitverfahren dient der Implementierung des Selbstverwaltungsrechts, das auch für den Aus­ gleich konkurrierender Kompetenzen und Interessen zunächst sorgen darf und muß. Dies zwingt zu einer Zulassung von Innenrechtsstreitigkeiten, ob­ wohl die VwGO diesen ursprünglich ablehnend gegenüberstand76. Dennoch

jedoch eigentlich in der Durchsetzung des Gewaltenteilungsprinzips auf und ist die verfah­ rensrechtliche Flankierung des Prinzips des föderativen Staatsaufbaus. 73 Der Antragsteller im verfassungsrechtlichen Organstreit muß geltend machen, daß er selbst oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des An­ tragsgegners in seinen verfassungsrechtlich begründeten Rechten oder Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist, vgl. H. H. Klein, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepu­ blik Deutschland, Band 2, 1987, S. 388 f.; E. Klein AöR 108 (1983), 410 ff., 561 ff. (565 ff.); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl. 1991, S. 95 ff. 74 Zum Kommunal verfassungsstreitverfahren etwa SCHMIDT-AßM ANN, in: SchmidtAßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, Kommunalrecht, RdNr. 82 ff.; OVG Münster OVGE 17, 261; VGH Kassel DVB1. 1978, 821; Redeker/ v.Oertzen, Komm.z.VwGO, 12. Aufl. 1997, § 43 RdNr. 11 ff. 75 Grundlegend Kisker, Insichprozeß und Einheit der Verwaltung, 1968, S. 38 ff. für den Organstreit im öffentlichen Recht. 76 Ehlers NVwZ 1990, 105 in FN 2.

steht dies ihrer Anerkennung nicht entgegen77. Das ordnungspolitische Grundprinzip, das von der Verfassung gewollt ist, setzt sich gegenüber dem Verfahrensrecht durch. Das Kommunalverfassungsstreitverfahren bleibt wie die übrigen aner­ kannten Organstreitverfahren78 in das verwaltungsprozessuale Klagensystem eingebunden. Namentlich gilt die Beschränkung der Klagebefugnis auf die Verletzung eigener Rechte (§ 42 Abs. 2 VwGO) ohne Rücksicht auf die statthafte Klageart. Popularklagen sind unzulässig; der Kläger muß in den ihm zugewiesenen organschaftlichen Statusrechten verletzt sein.

3. Der Vergleich zwischen §42 Abs. 2 VwGO und §245 Nr.l AktG wirft die Frage auf, ob die Klagebefugnis im aktienrechtlichen Organstreit bzw. im privatrechtlichen Verbandsverfassungsstreitverfahren erst durch eine Betroffenheit in eigenen Rechten eröffnet wird. Das öffentliche Recht hat etwa in §§ 42 Abs. 2 VwGO, 90 Abs. 2 BverfGG seine Antwort gegeben. Hier hängt die Klagebefugnis für die Innen- und Organstreitigkeiten an der Verletzung subjektiver Rechtspositionen des Klägers79. Eine objektive Kon­ trolle der Einhaltung der Kompetenzgrenzen oder eine allgemeine Verhal­ tenskontrolle wird abgelehnt80. Stellt man die Magna Charta der Rechts­ staatlichkeit, wonach sämtliche Handlungen an Recht und Gesetz auszurich­ ten sind, an die Spitze aller Überlegungen, so wird die Bedeutung des Organstreits verkürzt, wenn man seine Rechtfertigung alleine aus der Wah­ rung der Machtbalance widerstreitender Partikularinteressen gewinnt81. Die vom Gesetz gezogenen Kompetenzgrenzen sind einzuhalten. Das Selbstver­ waltungsrecht enthebt die Akteure nicht ihrer Pflicht, die Kompetenzgrenzen zu wahren. Insoweit diese durch Klage verteidigt werden, erweist sich die Frage des Zuschnitts der Klagebefugnis nicht so sehr als ein Problem des Prozeßrechts. Es geht um die Erzwingung der Gesetzesbindung. Bei den öf­ fentlich-rechtlichen Zwangskörperschaften hat die ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte die Klagebefugnis des Mitglieds in einem wichtigen 77 Eine ausdrückliche Zulassung durch den Gesetzgeber ist daher nicht zwingend erfor­ derlich. Die Statthaftigkeit des Kommunalverfassungsstreitverfahrens folgt aus der gemeind­ lichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG. 78 Überblick bei Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Komm.z.VwGO, Stand: April 1996, Vorb. § 42 Abs. 1 RdNr. 17 f. und § 42 Abs. 1 RdNr. 159 sowie EYERMANN/FRÖHLER, Komm.z.VwGO, 9. Aufl. 1988, § 40 RdNr. 31. 79 So die im öffentlichen Recht vorherrschende restriktive Grundhaltung, vgl. nur EYERMANN/FRÖHLER (wie FN 78). 80 Für eine Überwindung des (vermeintlichen) Gegensatzes zwischen Organkompeten­ zen und subjektiven Rechten der Organmitglieder insbesondere Bethge DVB1. 1980, 309 (312 ff.). 81 So aber Bethge (wie FN 80), S. 313.

Punkt erweitert. Das Mitglied kann nicht nur gegen den Verband klagen, wenn in seine mitgliedschaftlichen Rechte eingegriffen wird. Es besitzt wei­ terhin ein allgemeines Beanstandungsrecht mit korrespondierender Klagebe­ fugnis gegen eine Aufgabenüberschreitung des Verbandes oder einzelner Or­ gane82. Bei diesen Körperschaften kann sich das zwangsinkorporierte Mit­ glied nicht durch einfachen Austritt helfen. Daher ist ersatzweise das allge­ meine Beanstandungsrecht ungeachtet der immer wieder vorgebrachten Kri­ tik83 daran unverzichtbar. Die Zwangsinkorporierung bedingt eine Abschir­ mung der Freiheitssphäre des Mitglieds gegen gesetz- und satzungswidrige Übergriffe. Im privaten Verbandsrecht kann man demgegenüber nicht den Einwand erheben, der Aktionär könne seinen Austritt über die Börse bewir­ ken. Der Aktionär soll die ihm verliehenen Mitverwaltungsrechte gegebenen­ falls zum Einsatz bringen. Die Mitgliedschaft ist mit Bestandsgarantien ver­ sehen, damit der Gesellschafter nicht willkürlich aus der Gesellschaft ver­ drängt wird. Die Umschreibung der Klagebefugnis schlägt unmittelbar auf die Verhaltensstandards durch, wenn die Verwaltung sich ausrechnen kann, daß eine Befugnisüberschreitung mangels Rügebefugnis sanktionslos bleibt. Die List der Idee hinter § 245 Nr. 1 bis 3 AktG ist, daß es nicht im vorhin­ ein kalkulierbar ist, wer die Beschlußanfechtungsklage erheben wird. Daraus erklären sich vereinzelt unternommene Bestrebungen, die Klagebefugnis an einen Mindestaktienbesitz zu knüpfen. Die Korporationen des öffentlichen Rechts unterscheiden sich hinsichtlich diverser Rahmenbedingungen ganz grundsätzlich von den privaten Personen­ zusammenschlüssen, so daß für sie ein konzeptionell anderer Zuschnitt der Klagebefugnisse zu fordern ist. Mit Ausnahme der staatlich beaufsichtigten Wirtschaftszweige unterliegen die privaten Personenzusammenschlüsse kei­ ner staatlichen Aufsicht. Dies rechtfertigt eine höhere Gewichtung der ver­

82 Etwa BVerwGE 34, 69 (74 ff.); 59, 231 (238 ff.); 59, 242 (246 ff.); 64, 115 (119 ff.); vgl. auch bereits BVerfGE 8, 122 (134 ff.) - "Hessische Volksbefragung". In BVerwGE 59, 242 durfte deshalb ein Student die Bezahlung seiner Beiträge gegenüber dem Studentenwerk nicht unter Hinweis darauf verweigern, daß die Studentenschaft ihre Pflichten verletze, indem sie ein hochschulverfassungsrechtlich nicht vorgesehenes allge­ meinpolitisches Mandat für sich in Anspruch nehme. Die im Wege der Selbsthilfe verwei­ gerte Beitragszahlung ist nicht erfüllungskonnex mit der Einhaltung der Kompetenzen durch die Körperschaft. Der richtige und unabdingbare Rechtsbehelf des Mitglieds ist die Bean­ standungsklage, die die Rechtsprechung mit Recht zugelassen hat. 83 BSG MDR 1966, 541; EYERMANN/FRÖHLER (wie FN 78), § 42 RdNr. 200.

bandsinternen Kontrollmechanismen, die im öffentlichen Recht neben den staatlichen Interventionsbefugnissen existieren84. Damit ist der Zusammenhang zwischen Klagebefugnis und Kontrolldichte nachgewiesen. Im öffentlichen Recht ist eine enger definierte Klagebefugnis tolerabel, weil die Klage des einzelnen nur ein Instrument zur Korrektur ei­ ner Rechtswidrigkeit ist. Im öffentlichen Recht ist die handelnde Behörde in die Hierarchie der Staatsverwaltung eingebettet, die es einer vorgesetzten Behörde ermöglicht, gegen die rangniedere einzuschreiten. Die Staatsver­ waltung untersteht einer permanenten parlamentarischen Kontrolle. Diese kann von jedem Bürger etwa in der Form des Petitionsrechts (Art. 17 GG) unabhängig von einer Selbstbetroffenheit aktiviert werden. Für die privaten Personenzusammenschlüsse ist vorrangig von deren Ver­ fassungsordnung auszugehen. § 111 Abs. 1 AktG weist dem Aufsichtsrat die Befugnis zu, die Geschäftsführung zu überwachen. Dieser Auftrag ist nach dem Gesetz umfassend und erschöpft sich nicht in der Verteidigung von Kompetenzen. Er läßt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen, das den Aufsichtsrat als obligatorisches Gesellschaftsorgan zu einem Zeitpunkt her­ vorgebracht hat, als die moderne Aktiengesetzgebung den Übergang vom Konzessions- zum System der Normativbedingungen vollzog und dem Auf­ sichtsrat einen Großteil der ehemals staatlichen Überwachungsfunktionen übertrug85. Daraus folgt, daß sich die Klagebefugnisse des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder im Korporationsverfassungsstreit nicht auf die Betroffen­ heit in eigenen Rechten verengen.

III. Ausdehnungsfähigkeit der §§ 241 ff. AktG auf andere Verbandsformen Die allgemeinverbandsrechtliche Perspektive, die hinter der aktienrecht­ lichen Beschlußanfechtung hervortritt, gibt, nachdem zuvor eine Extension auf Beschlußmängel anderer Organe der AG zu behandeln war, den Weg frei zur Erörterung der Anwendung der Beschlußanfechtungsklage bei anderen Verbandsformen. Hier erweisen sich Grundlage und Grenzen des Charakters

84 Die Klagebefugnis des Mitglieds ist der staatlichen Aufsicht nicht nachgeordnet, BVerwGE 64, 115 (118). Die zahlreichen Fälle, die die Verwaltungsgerichte bis heute be­ schäftigt haben, belegen eindrucksvoll, daß die staatliche Aufsicht alleine nicht in der Lage ist, Kompetenz- und Rechtsverletzungen wirksam abzustellen und daß die gerichtliche Un­ wirksamkeitsfeststellung von unten angestoßen werden mußte. 85 MESTMÄCKER, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 85.

dieser Bestimmungen als Bestandteil eines Allgemeinen Teils des Rechts der privaten Personenzusammenschlüsse86. Positivrechtlich beantwortet ist das allgemeinverbandsrechtliche Verständ­ nis der Beschlußanfechtung durch § 51 GenG für die eingetragene Genossen­ schaft, § 51 GenG87 trifft dabei nur eine Rahmenregelung, die der Ausfül­ lung durch das aktienrechtliche sowie durch das allgemeine Beschlußmängel­ recht bedarf88. Die methodische Zulässigkeit dieses Rückgriffs erklärt sich ebenfalls aus der Zugehörigkeit dieser Normen zum Allgemeinen Teil des Verbandsrechts. Dasselbe gilt im Ausgangspunkt für die GmbH. Das noch immer geltende GmbH-Gesetz von 1892/98 enthält keine Rumpfregelung nach dem Vorbild von § 51 GenG und keine Verweisung auf die §§241 ff. AktG. Dennoch ist die sinngemäße Anwendbarkeit der aktienrechtlichen Be­ schlußanfechtungsbestimmungen für die GmbH unbestritten89. Bei den übri­ gen Verbandsformen ist die Behandlung von Beschlußmängeln nach wie vor streitig. 1. Idealvereine

Der Verein ist die Urform der Körperschaft, das Vereinsrecht des BGB ist eine — wenngleich rudimentäre — Teilkodifikation für die Kapitalvereine des Handelsrechts. Dennoch verweigert die noch herrschende Auffassung in­ soweit den Rückgriff auf das Aktienrecht. Vielmehr ist ein Beschluß der Mitgliederversammlung beim rechtsfähigen Verein, der gegen zwingendes Gesetzesrecht, die Satzung oder die guten Sitten verstößt, grundsätzlich nichtig und nicht bloß anfechtbar90. Denn der Gesetzgeber hatte es - wie­ wohl ihm das Modell der aktienrechtlichen Beschlußanfechtung vor Augen stand - für das Vereinsrecht ursprünglich abgelehnt, auf die §§241 ff.

86 Dazu bereits oben § 15 III. 87 Zu § 52 GenG näher im Zusammenhang mit den rechtsmißbräuchlichen Anfechtungs­ klagen unten § 21. 88 RGZ 170, 83 (88 f.); BGHZ 18, 334 (338). Auch das genossenschaftsrechtliche Schrifttum greift wie selbstverständlich auf das Aktienrecht zurück, ohne aber die Grund­ lagen, nämlich den allgemeinverbandsrechtlichen Charakter dieser Bestimmungen, aufzu­ hellen. 89 So die ganz herrschende Praxis, statt vieler RGZ 85, 311 (313); 166, 129 (131); BGHZ 11, 231 (235); Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Komm.z. GmbHG, 1987, § 47 RdNr. 63 ff. 90 BGHZ 49, 209 (211); 59, 369 (371 ff.); BGH NJW 1979, 2101; differenzierend MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 32 RdNr. 38 ff. - Daß die Anfechtung von Vereinsbeschlüssen eine durchaus moderne und praktikable Bewältigung des Sachproblems darstellt, zeigt ein Seitenblick in diejenigen Rechtsordnungen, die sich für diesen Weg ent­ schieden haben, etwa Art. 75 des schweizerischen ZGB oder Art. 23 des italienischen Codice civile.

AktG zu verweisen91. Die Rechtslage im GmbH-Recht veranschaulicht das Gewicht dieses Arguments. Die genannte Auffassung vollzieht aber dennoch eine verdeckte Hinwendung zum aktienrechtlichen System der Behandlung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse. Zwar wird eine Gestaltungs­ klage nicht verlangt, um die Vernichtung des Beschlusses herbeizufuhren. Das Mitglied kann aber eine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO gegen die Gesellschaft erheben. Die Rechtskraft einer Entscheidung, die die Unwirksamkeit des Beschlusses feststellt, soll dann ähnlich § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG für und gegen alle Mitglieder wirken92. Damit wird ein ganz zentrales Element des Beschlußanfechtungsprozesses in das Vereinsrecht hin­ eingetragen, das unbeschadet aller prozessualer Rechtskraftkonstruktionen mit der statusklärenden Wirkung dieses Urteils in Zusammenhang zu bringen ist. Die noch herrschende Meinung versieht ihre Auffassung mit dem bezie­ hungsreichen Adjektiv “grundsätzlich”93. Dadurch ist eine Hintertür für Ausnahmen, also Reduktionen des Nichtigkeitsverdikts, eingebaut. Eine be­ deutsame Einschränkung ist darin zu sehen, daß die automatische Nichtigkeit eines fehlerhaften Beschlusses dann entfällt, wenn der Beschluß auf dem fraglichen Verstoß gegen Gesetz oder Satzung nicht beruhen kann, mithin die konkrete Kausalität der Zuwiderhandlung fehlt94. Hiermit ist das Regel­ Ausnahme-Verhältnis umgekehrt und der Sache nach ein neuer Rechtsgrund­ satz für die Behandlung fehlerhafter Beschlüsse der Mitgliederversammlung kreiert, der einer Fortentwicklung zugänglich ist95. Wiederum springt die Parallele aus dem Recht der Handelsgesellschaften ins Auge. Dort bewirkt das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes ohne Rücksicht auf eine Kausalitäts­ prüfung die Nichtigkeit des Beschlusses. Wohl aber spielt das Kausalitätsbzw. Relevanzerfordernis bei den Anfechtungsgründen in § 243 AktG eine Rolle96. Das Schrifttum, dem die Rechtsprechung durchaus Sympathien be­ zeugt97, greift hierüber hinaus. Beschlüsse, die nach ihrem Inhalt gegen ein

91 Siehe v.Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band 1, 1910, S. 517 ff.; anders noch ders. DJZ 1901, 445 (447); Kisch GrünhutsZ 29 (1902), 335 (337); Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I, 15. Aufl. 1959, § 111 III (S. 670 f.). 92 So bereits v.Tuhr (wie FN 91) unter Bezugnahme auf § 273 Abs.l Satz 1 HGB a.F., dem Vorläufer von § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG 1965. 93 In jüngerer Zeit sympathisiert die Rechtsprechung zum Teil offen mit einer Analogie zu den §§ 241 ff. AktG, siehe nur OLG Köln OLGZ 1983, 269 (271). 94 BGHZ 49, 209 (211); 59, 369 (375 f.). 95 So namentlich OLG Köln OLGZ 1983, 269 (271). 96 Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 241 RdNr. 93 sowie § 243 RdNr. 83 ff.; Karsten Schmidt AG 1977, 243 (250). 97 BGHZ 59, 369 (373); OLG Köln OLGZ 1983, 269.

gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, sind nach § 134 oder § 138 BGB nichtig. Daneben existieren zwei weitere Fallgruppen. Die erste umfaßt Verstöße ge­ gen Normen, die im öffentlichen Interesse liegen98. Die Rechtsfolge ist un­ heilbare Nichtigkeit des Beschlusses. Die zweite Fallgruppe beinhaltet die Verletzung von Vorschriften, die dem Schutze einzelner Mitglieder dienen. Solche Mängel sind heilbar, sofern sie das verletzte Mitglied trotz Kenntnis nicht alsbald rügt. Hier findet sich ein Element, welches bei den Kapitalver­ einen des Handelsrechts fehlt: Der Fehler ist — ähnlich wie nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG — heilbar, wenn der Beschluß gegen eine Norm verstößt, auf deren Befolgung rechtswirksam verzichtet werden kann. Darin erschöpfen sich die Beschränkungen, denen die Geltendmachung von Beschlußmängeln im Vereinsrecht ausgesetzt ist, jedoch noch nicht. Zudem fordert man, daß ein Mangel rechtzeitig zu rügen ist. Die Monatsfrist nach § 246 Abs. 1 AktG gilt nicht, sondern eine "angemessene" Frist. Eine weitere Beschränkung betrifft die Eingrenzung des Kreises rügebefugter Personen nach dem Vor­ bild von § 245 AktG. Wird verbal auch beteuert, daß die §§ 241 ff. AktG im Idealvereinsrecht nicht gelten, so ist durch die Kopie ihrer Herzstücke doch das Gegenteil be­ legt. Die grundsätzliche Orientierung erfolgt in Richtung auf das aktien­ rechtliche Regelungsmodell. Der Auffassung, die sich offen zum Vorbildund Leitbildcharakter der §§241 ff. AktG bekennt99, ist aus Gründen der Methodenehrlichkeit zuzustimmen. Das aktienrechtliche Beschlußanfech­ tungsverfahren ist nicht kapitalvereinsspezifisch, sondern körperschaftsty­ pisch100. Verzichtet werden soll im Vereinsrecht auf das Erfordernis einer Gestaltungsklage, doch tut die Natur der Klage der insgeheim vollzogenen Hinwendung zu den §§ 241 ff. keinen Abbruch. Die Tenorierung einer Ent­ scheidung ist zweitrangig. Entscheidend ist, daß ein Urteil den Beschluß kas­ siert mit der in § 248 Abs.l Satz 1 AktG beschriebenen Breitenwirkung. Der Übergang zum Beschlußanfechtungsmodell der §§241 ff. AktG wird durch eine Veränderung in den rechtstatsächlichen Grundlagen geboten. Seit der Kodifizierung des privaten Vereinsrechts haben sich neue Vereinstypen her­ ausgebildet, die über ähnliche Strukturen wie die Aktiengesellschaft ver­ 98 Hierher gehören etwa Einberufungsfehler (z.B. durch eine unzuständige Person, Nichtladung von Mitgliedern bzw. gesetz- oder statutenwidrige Form der Ladung); Fehler in der Versammlungsleitung; Fehler bei der Willensbildung oder bei der Ermittlung bzw. Feststellung des Abstimmungsergebnisses. 99 Dafür namentlich Karsten Schmidt AG 1977, 243 (249 ff.); ders., Gesellschafts­ recht, 2. Aufl. 1991, § 15 II 2 (S. 363 ff.) sowie § 24 III 3 f) (S. 583 ff.). 100So anhand der Ausdehnung der §§241 ff. AktG auf die Personalgesellschaften Karsten Schmidt, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217 ff.

fügen. Es ist heute - nicht zuletzt bedingt durch eine großzügige Handha­ bung des sog. Nebenzweckprivilegs — durchaus keine Seltenheit mehr, daß Vereine als Spitze eines Konzerns101 auftreten oder als Holdingvereine102 fungieren. Beschlüsse in Vereinen können genauso weitreichende Wirkungen entfalten, wie die von Aktiengesellschaften als Unternehmensträgern. Unab­ hängig von einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung haben die gleichen Er­ wägungen für Massenorganisationen wie Gewerkschaften oder politische Parteien Gültigkeit. Das Anfechtungserfordernis trägt keinen Fremdkörper in das Vereinsrecht hinein und beschränkt die Vereinsautonomie nicht ungebührlich. Die Er­ schwerung für die Mitglieder wird durch einen entscheidenden Zugewinn an Rechtssicherheit aufgewogen. Im übrigen belegt eine rechtsvergleichende Umschau, daß mit einer Anfechtung, wie im Aktienrecht, praktikable Lö­ sungen erzielbar sind. Art. 75 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs103 sieht beispielsweise vor, daß Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verlet­ zen, von jedem Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen beim Richter angefochten werden können. Die einmonatige Anfechtungsfrist läuft ab Kenntnis. Art. 75 ZGB spricht ganz allgemein von "Beschlüssen”. Und dies können sogar Beschlüsse des Vorstandes sein104. Die Regelung hat sich in der Schweiz bewährt. Eine Abschaffung oder Reform wird nicht er­ wogen. Im italienischen Recht existiert mit Art. 23 Codice civile105 eine vergleichbare Rechtslage. Für das deutsche Recht mag der Gedanke (noch) befremden, daß selbst in Kleinstvereinen ein anfechtbarer Beschluß nur im Klagewege aus der Welt zu schaffen ist. Es läßt sich aber eine förmliche Überprüfung der Kassationsgründe einerseits und eine informellere und schnellere Entscheidung andererseits erreichen, wenn man — anders als bei der Aktiengesellschaft - zuläßt, daß die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart werden darf.

101 Als Beispielsfall siehe nur BGHZ 85, 84 - ”ADAC-Verkehrsrechtsschutz". 102 Zur Problematik des Holdingvereins Reichert/D annecker, Handbuch des Vereinsund Verbandsrechts, 5. Aufl. 1993, RdNr. 108, 110 ff.; zur rechtlichen Qualifizierung die­ ser Vereinsgattung MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, §§ 21, 22 RdNr. 31 ff. mit Nachweisen aus der registergerichtlichen Praxis. 103 Hierzu die ausführliche Kommentierung von Riemer (unten FN 104). 104Riemer, in: Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht 1/3, 3. Aufl. Bem 1990, Art. 75 ZGB RdNr. 17 mit Nachweisen. 105Vgl. den kurzen Überblick bei Riemer (vorige FN), RdNr. 3. Im italienischen Recht ist jedes Mitglied des Vereins, die Verwaltung sowie der Staatsanwalt zur Anfechtung be­ fugt. Dies belegt die Koexistenz von staatlicher und privater Aufsicht über die Verbände.

2. Die Wohnungseigentümergemeinschaft Eine der Aktiengesellschaft durchaus vergleichbare und bewährte Rechts­ lage besteht im Wohnungseigentumsrecht. Die Wohnungseigentümergemein­ schaft ist weder Gesellschaft noch Körperschaft, sondern nach § 11 WEG eine unauflösliche Gemeinschaft106. Sie ist keine juristische Person und be­ sitzt keine Rechtsfähigkeit. Dennoch ist bei der Wohnungseigentümer­ gemeinschaft dasselbe Mißbrauchspotential107 vorhanden, wie bei den Kapitalgesellschaften, deren innerem Strukturtypus sie weitgehend ent­ spricht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft weist eine körperschaftliche Verfassung auf mit der typischen Trennung von Willensbildungs- und Exe­ kutivkompetenzen. Die Willensbildung ist auf der Grundlage des Mehrheits­ prinzips organisiert (§ 25 WEG). Der Verwalter (§ 27 WEG) führt als obli­ gatorisches Organ die laufenden Geschäfte der Gemeinschaft. Die Woh­ nungseigentümerversammlung kann wie die Gesellschafterversammlung bei der nicht mitbestimmungspflichtigen GmbH für die sog. Aufsichtsratsverfas­ sung optieren (§ 29 WEG) und einen Verwaltungsbeirat einsetzen. Aus die­ sen Strukturvorgaben erklärt sich, daß das Gesetz in §§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 23 Abs. 4 WEG ein den §§ 241 ff. AktG ähnliches Verfahren zur Geltendma­ chung von Beschlußmängeln eingeführt hat. Daß die Ansprüche und Rechte in Wohnungseigentumssachen im Verfahren der (streitigen) freiwilligen Ge­ richtsbarkeit zu verfolgen sind (§43 Abs. 1 WEG), ändert daran prinzipiell nichts. § 23 Abs. 4 WEG veranschaulicht, daß die Beschlußanfechtung eine Institution des Allgemeinen Verbandsrechts ist und sich nicht auf gewisse Rechtsformen beschränken muß. Das Entscheidungskriterium für die Geltung dieses Modells hängt am Strukturtypus und nicht an der Verbandsform. Auch wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Gesellschaft im Sinne von § 705 BGB ist, so ist sie doch im Hinblick auf ihre organisationsrechtliche Ausprägung Personenverband im weiteren Sinne, so daß es erlaubt ist, die für sie geltenden Rechtssätze bei der Betrachtung allgemeinverbandsrechtlicher Querschnittsfragen einzubeziehen. Die Beschlußmängelklage ist in ein kontradiktorisches Verfahren einge­ bettet, an dem die Wohnungseigentümer und der Verwalter beteiligt sind.

106PICK, in: Bärmann/Pick/Merle, Komm.z.WEG, 7. Aufl. 1997, Einl. RdNr. 22 ff. sowie vor § 10 RdNr. 7 ff. zur rechtlichen Natur der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die personenverbandlichen Elemente der Wohnungseigentümergemeinschaft betont dagegen M. Junker, Die Gesellschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz, 1993, S. 73 ff. 107Hierzu ausführlich Ehmann, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 145 ff. sowie DERS. JZ 1991, 222 und 249 ff.; näher unten § 19 H im Zusammenhang mit dem Einzelklagerecht.

Die Streitfrage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft rechtsfähig108 oder wenigstens über § 50 Abs. 2 ZPO passivbeteiligtenfähig109 ist, berührt die Grundsatzfrage der Geltendmachung von Beschlußmängeln nicht. Mit der Wohnungseigentümerversammlung besteht wie sonst im Gesellschafts­ recht ein Organ der Selbstverwaltung, das durch seine mit Mehrheit gefaßten Beschlüsse eine Minderheit nur wirksam zu binden vermag, sofern sie Maß­ nahmen beschließt, die einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen110. Die Beschlußanfechtung ist das Mittel, die Einhaltung dieser Bindung sicher­ zustellen. Für die Ungültigerklärung gilt wie bei § 246 Abs. 1 AktG eine einmonatige Antragsfrist, gegen deren Versäumung jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist111. § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG macht die Verzichtswirkung, die der nicht rechtzeitigen Antragstellung beigelegt wird, davon abhängig, daß der Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift erfolgte, auf deren Einhaltung rechts wirksam verzichtet werden kann. Das statusklärende Element des Verfahrens äußert sich in der allseitigen Rechtskraftwirkung ei­ ner gerichtlichen Entscheidung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG. Der Bedarf an Rechtssicherheit ist damit auch bei Verbänden gegeben, die nicht nach außen werbend am Markt tätig sind. Dieses Ergebnis ist richtungweisend für die weitere Diskussion um die Ausdehnungsfähigkeit der Beschlußmängel­ rechtsbehelfe. 3. Die Rechtslage bei den Personengesellschaften

a) Bei den Personengesellschaften fehlt wie im Vereinsrecht eine Aussage im geschriebenen Recht zur Behandlung von Beschlußmängeln. Für die herr­ schende Meinung bedeutet dies einen automatischen Rückgriff auf den be­ schriebenen Grundsatz, wonach fehlerhafte Beschlüsse nichtig sind112. Sieht man die maßgebliche rechtspolitische Rechtfertigung einer Beschränkung der freien Geltendmachung von Beschlußmängeln, wie sie §§241 ff. AktG an­ 108Dazu ERMAN/GANTEN, Komm.z.BGB, 9. Aufl. 1993, RdNr. 6 vor § 1 WEG mit Nachweisen.

109Ablehnend BGH NJW 1977, 1686 sowie Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, Komm.z.WEG, 7. Aufl. 1997, § 43 RdNr. 117. 110OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 1256. 111 Die Frist ist allerdings - wobei der geringfügig abweichende Wortlaut eine unter­ schiedliche Behandlung in der Sache nicht stützt - gegenüber § 246 Abs. 1 AktG insoweit flexibler, als die Rechtsprechung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend § 22 Abs. 2 FGG zuläßt, BGHZ 54, 65 (70); OLG Hamm OLGZ 1985, 147; BayObLGZ 1989, 13. 1 12 Stellvertretend für die herrschende Ansicht A. Hueck, Das Recht der offenen Han­ delsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 11 V 2 (S. 183 ff., besonders in FN 61); für eine Gel­ tendmachung der Unwirksamkeit durch Feststellungsklage Baumbach/Hopt, Komm.z. HGB, 29. Aufl. 1995, § 119 RdNr. 32; für eine Anfechtungsklage nach aktienrechtlichem Vorbild Karsten Schmidt, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217.

ordnen, in der Zugehörigkeit von Verbänden zum Handelsrecht bzw. ihrer Teilnahme am Handelsverkehr und Kapitalmarkt, so dürfen die Personal­ gesellschaften des Handelsrechts von dieser Rechtsfolgenbeschränkung nicht ausgenommen bleiben. Die herrschende Ansicht wendet ein, daß es einen ge­ setzlich fixierten numerus clausus der zulässigen Gestaltungsklagen gibt113. Dies ist jedoch kein schlagendes Argument gegen die Geltung der §§241 ff., da der Charakter der Beschlußmängelklage als Gestaltungsklage nur eine Fa­ cette dieses Instituts ist. Wesensprägend ist vielmehr, daß die §§241 ff. ein formalisiertes Gestaltungsrecht enthalten, wobei die Gestaltungsberechtigung einer besonderen gerichtlichen Vorprüfung unterzogen ist. Das deutsche Recht wählt hierfür die Gestaltungsklage, es ließe sich jedoch ebenso gut eine andere Klageart denken114. Der Akzent wird vom Gesetz eindeutig auf die Prüfung der Gestaltungsberechtigung gelegt im Hinblick auf die ein­ schneidenden Wirkungen des Ziels der Gestaltung. Eine Gestaltungsklage im technischen Sinne ist dazu nicht unabweisbar erforderlich. Ebenso wie die Aktiengesellschaft oder die GmbH, die nicht notwendi­ gerweise ein Handelsgewerbe betreiben müssen, können die Personalgesell­ schaften als Unternehmensträger auftreten. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann unternehmenstragend sein, selbst wenn das betriebene Gewerbe nur minderkaufmännisches Format hat. Beschlüsse solcher Gesellschaften unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Breitenwirkung nicht von solchen der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. Hieraus erklärt sich die Forde­ rung nach einer Begrenzung der Unwirksamkeitsfolgen115. Sowohl bei den Personalgesellschaften wie bei den Kapitalgesellschaften gibt es Beschlüsse, deren Wirkungen in das Außenverhältnis durchschlagen, sei es direkt, sei es aufgrund eines weiteren Transformationsaktes. Die Beschlüsse sind grund­ sätzlich auch für die Rechtsnachfolger der beschließenden Gesellschafter bindend. Zahlreiche Gesellschafterbeschlüsse bedürfen bei den Personen­ gesellschaften einer Eintragung ins Handelsregister, etwa die Aufnahme ei­ nes neuen Gesellschafters (§ 107 HGB) oder jede summenmäßige Verände­ rung der Kommanditeinlagen (§§ 174, 175 HGB). Die Personengesellschaft in ihrem Typus als Satzungsgesellschaft kommt der Aktiengesellschaft in diesen Punkten sehr nahe116.

113So etwa A. Hueck (wie FN 112), S. 184. Dagegen mit beachtlichen Gründen Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, S. 207. 114 Auf die Vertauschbarkeit von Feststellungs- und Gestaltungsklage am Beispiel der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG ist bereits hingewiesen worden. 115Eingehend zum Meinungsstand SCHLEGELBERGER/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1992, § 119 RdNr. 9 ff. 116Diesen Gesichtspunkt verkennt Nitschke (wie FN 113), S. 208.

Die historische Wurzel der Beschlußanfechtung lag in dem Anspruch je­ des Gesellschafters, auf die gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung der Gesellschaft zu dringen. Diese Formel gilt unbeschadet einer Typendifferen­ zierung. Im Recht der Personengesellschaft lassen sich bestimmte Typen­ ausprägungen auf kautelaristischem Wege herbeifuhren. Der gesetzliche Ur­ typus ist die personalistische Gesellschaft, bei der die Gesellschafter gemein­ schaftlich entscheiden und die Geschäfte führen117. Bei den Personengesell­ schaften herkömmlicher Prägung fällt die gesetz- und statutenmäßige Ver­ waltung mit der Erfüllung des Gesellschaftsvertrages zusammen. Beläßt es der Gesellschaftsvertrag beim Einstimmigkeitsprinzip, so muß nicht ein ein­ zelner im Klageweg einen Beschluß zu beseitigen versuchen, vielmehr müs­ sen sich umgekehrt die übrigen Gesellschafter um seine Zustimmung bemü­ hen. Die Vertragsfreiheit (§ 109 HGB) erlaubt aber unter Beachtung des Be­ stimmtheitsgrundsatzes118 die Einführung des Mehrheitsprinzips durch den Gesellschaftsvertrag. Für eine Beschlußanfechtung nach aktienrechtlichem Modell besteht - unter dem Blickwinkel des Minderheitenschutzes - kein Bedarf, wo das Mehrheitsprinzip nicht gilt und die Willensbildung in den Gesellschaftsorganen nach dem Vertragsgrundsatz vorzunehmen ist119. Die vorstehenden Erwägungen belegen, daß die Entscheidung für das in den §§241 ff. AktG enthaltene Modell einer Beschlußmängelklage auf den be­ sonderen Strukturtypus körperschaftlich verfaßter Verbände zugeschnitten ist. Wie die juristische Person & Co. KG anschaulich zeigt, besitzt dieser Strukturtypus unter den Personalgesellschaften einen festen Platz. Sie kom­ biniert für die agierenden natürlichen Personen den Vorteil der beschränkten Haftung mit der Freiheit von der Besteuerung als Körperschaft. Bei der weitverbreiteten GmbH & Co. KG gehen die Beschlüsse in der Gesellschaf­ terversammlung der Komplementär-GmbH, die dem GmbH-Recht unter­ stehen, eine unlösbare Verbindung ein mit den Beschlüssen der Kommanditi­ sten120. Die Beurteilung der Wirksamkeit eines Beschlusses verträgt keine Aufspaltung nach Rechtsformkomponenten. Bei der ebenfalls zulässigen AG & Co. KG würden für die Beschlüsse der Komplementär-AG unstreitig die §§ 241 ff. AktG gelten. Die §§ 241 ff. AktG können demnach bei den Per709, 714 BGB; 114 Abs. 1, 125 Abs. 1 HGB. Bestimmtheitserfordernis bei Mehrheitsentscheidungen im Recht der Personal­ gesellschaften BGHZ 85, 350 (356 ff.); BAUMBACH/HOPT, Komm.z.HGB, 29. Aufl. 1995, § 119 RdNr. 37 ff.; HEYMANN/EMMERICH, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 119 RdNr. 30 ff. 119Bei der Aktiengesellschaft können selbst einstimmig gefaßte Beschlüsse angefochten werden, weil - solange § 245 Nr. 1 AktG gewahrt ist - der Kläger nicht gegen den Be­ schluß gestimmt haben muß. 120Für die Übertragung der Anfechtungslösung auf die GmbH & Co. insbesondere Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, Anh. § 45 RdNr. 48 ff. 117§§

118Zum

sonengesellschaften nicht schlechthin einen Fremdkörper darstellen121. Es darf keinen Unterschied machen, ob diese Gesellschaften eher personalistisch oder körperschaftlich verfaßt sind122 oder ob sie als Unternehmensträger fungieren. Gefragt ist ein einheitliches und für alle Gesellschaftstypen lei­ stungsfähiges Beschlußmängelrecht für Personalgesellschaften. Daß bei den Personengesellschaften die actio pro socio anerkannt ist123, ändert hieran nichts. b) Die Kautelarpraxis geht heute vermehrt dazu über, die Frage nach der Geltung des aktienrechtlichen Beschlußanfechtungssystems bei den Perso­ nengesellschaften dadurch zu lösen, indem die entsprechenden Normen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden124. Üblicherweise findet sich die Festlegung, welche Umstände direkt zur Nichtigkeit führen und welche einen Beschluß nur anfechtbar machen. Solange sich die Vertragsgestaltung an den Abgrenzungsvorgaben in den §§ 241, 243 AktG orientiert, hält dies einer gerichtlichen Inhaltskontrolle ebenso stand wie eine Festlegung der An­ fechtungsfrist. Bezüglich der Anfechtungsfrist wurde entschieden, daß sie durch den Gesellschaftsvertrag keinesfalls kürzer als auf einen Monat bemes­ sen werden darf125. Die Beschlußmängelklage kann vor einem staatlichen Gericht oder vor einem Schiedsgericht126 erhoben werden. Schweigt der Gesellschaftsvertrag, so ist die Rechtslage keine andere. Der Bedarf nach einer Begrenzung der Folgen fehlerhafter Beschlüsse hängt nicht an der Regelung durch den Gesellschaftsvertrag. Behandelt der Vertrag die­ sen Punkt, so wiederholt und präzisiert er nur etwas, was ohnehin gilt. Schon nach allgemeinem Verbandsrecht wäre es nicht zulässig, daß Gesell­ schafter einmal gefaßte oder ausgeführte Beschlüsse nachträglich wieder in Frage stellen. Die das gesamte Recht der Personalgesellschaften beherr­ schenden Treubindungen der Gesellschafter verbieten ein derartiges Verhal­ ten. Die Treupflicht allein wäre aber ein zu unpräzises Instrument der Be­ schlußmängelpräklusion. Erforderlich ist daneben ein konsistentes System, welches mit handhabbaren Abschichtungskriterien arbeiten muß. Soweit man im Schrifttum für die Anwendung der §§241 ff. AktG bei den Personalge121HEYMANN/HORN, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 161 RdNr. 139, 185 ff. 122In diese Richtung die Differenzierung bei Nitschke (wie FN 113), S. 208 f. 123 Dazu eingehend unten § 19 B. 124 Zu den gebräuchlichen Klauseln Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse bei OHG und KG, 1981, S. 168 f. 125Für die GmbH explizit BGHZ 104, 66. Für die Personalgesellschaften H.P. Wester­ mann, in: Handbuch der Personengesellschaften I, Stand: Aug. 1996, RdNr. 554; Münch­ Komm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 709 RdNr. 92. 126So die Ausweglösung von HGB-RGRK-Weipert, 2. Aufl. 1950, § 119 Anm. 17 am Ende.

Seilschaften eintritt, wird dafür auf die Mitgliederzahl127, die körperschaft­ liche Verbandsstruktur128 oder die Etablierung des Mehrheitsprinzips durch den Gesellschaftsvertrag 129 verwiesen. Die zuletzt genannte Alternative wurde bereits verworfen. Auch die ersten beiden Ansichten kranken daran, daß sie nicht für ausreichende Rechtssicherheit bzw. Manipulationsschutz sorgen können. Die Lösung hat vielmehr so auszusehen, daß die §§ 241 ff. AktG in einer an die Personengesellschaft angepaßten Form anzuwenden sind. Die kapitalgesellschaftsrechtliche Beschlußmängelklage ist zu diesem Zweck in ihre Bestandteile zu zerlegen. Zunächst beinhaltet das aktien- und kapitalgesellschaftsrechtliche Be­ schlußmängelmodell eine Trennung der nichtigen von den nur anfechtbaren Beschlüssen (§§ 241, 243 AktG). Anfechtbare Beschlüsse bedürfen der Ver­ nichtung durch die Anfechtungsklage, wobei nur ein begrenzter, besonders interessierter Personenkreis rügebefugt ist. Unterbleibt die Klage binnen Frist, so sind die zur Anfechtung führenden Gründe präkludiert. Das der Klage stattgebende Urteil ist Gestaltungsurteil, das für und wider jedermann wirkt. Diese Bausteine bilden bei der Aktiengesellschaft eine normative Ein­ heit, die historisch gewachsen ist und sich nur z.T. aus dem Strukturtypus der AG erklären läßt. Bei anderen Gesellschaftsformen ist ihre Aggregation nicht notwendig. Im Recht der Personalgesellschaften besteht keine Notwen­ digkeit, die strikte einmonatige Klagefrist aus § 246 Abs. 1 AktG anzuwen­ den130. Auch muß die Entscheidung nicht in der Form des Gestaltungsurteils ergehen. Die Formalisierung der Gestaltungswirkung kann auf andere Weise geschehen. Die übrigen Elemente treffen bei den Personengesellschaften ebenfalls ins Schwarze und werden zum Teil bereits praktiziert, selbst wenn sich die herrschende Meinung noch gegen die Analogiefähigkeit der §§ 241 ff. AktG ausspricht. c) Durch die bei den Personalgesellschaften zwingend geltende Selbst­ organschaft131 entscheidet sich mit der Behandlung fehlerhafter Gesellschaf127So sieht Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 138 ff., 273 ff. in der Zahl von 50 Mitgliedern in Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung zur kör­ perschaftlich verfaßten Kommanditgesellschaft ein taugliches Anknüpfungskriterium. 128KÖSTER (wie FN 124), S. 107 ff., 124 ff.; H.P. Westermann, in: Handbuch der Personengesellschaften I, Stand: Aug. 1996, RdNr. 549 ff. 129BGH WM 1990, 675 erlaubt die Einführung einer Anfechtungsklage wie einer An­ fechtungsfrist, die allerdings großzügiger bemessen sein muß als die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG (vgl. BGHZ 68, 212 [216]). Allerdings soll diese Klage keine Beschlußfehler­ klage im technischen Sinne der §§241 ff. AktG sein. 130Für eine Selektion einzelner Bausteine der §§ 241 ff. AktG für eine personengesell­ schaftliche Beschlußmängelklage auch Karsten Schmidt, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217 (225 ff.); Köster (wie FN 124), S. 138 ff. 131Zum Selbstorganschaftserfordemis allgemein BGHZ 33, 105 (108 ff.); A. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, S. 277 ff.;

terbeschlüsse, wie bei Beschlußmängeln der übrigen Gesellschaftsorgane zu verfahren ist. Das Bedürfnis nach Rechtsschutz gegen Beschlüsse der Ge­ schäftsführung wird durch die im Recht der Personengesellschaften aner­ kannte actio pro socio nicht vermindert, da die Beseitigung eines Beschlusses nicht Gegenstand dieser Klage sein kann. Die Beschlußmängelklage wirkt negatorisch, während die actio pro socio eine erzwingende Klage ist. Zu un­ terscheiden ist die Situation, daß alle Gesellschafter gemeinsam geschäftsführungs- und vertretungsbefugt sind von derjenigen, daß einzelne Gesellschaf­ ter hiervon kraft Vertrages ausgenommen sind. Verwalten alle Gesellschafter ihre Gesellschaft gemeinsam, so ist die Willensbildung hinsichtlich aller Fra­ gen von Geschäftsführung und Vertretung durch Beschluß herbeizufuhren. Solchenfalls kann man nicht unterscheiden, ob die Gesellschafter als Mit­ glieder im Rahmen der Gesellschafterversammlung oder in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsmitglieder Beschlüsse fassen. Die Abgrenzung darf offen bleiben, weil die Beschlüsse beider Organe angreifbar sind. Ordnet der Ge­ sellschaftsvertrag an, daß die Geschäftsführungsbefugnis oder die Vertre­ tungsmacht nur bestimmten Gesellschaftern zustehen soll, so sind die übrigen Gesellschafter nur von der Mitverwaltung ausgeschlossen. Ihre Kontrollrechte im übrigen bleiben unberührt. Der Gesellschaftsvertrag kann das Anfechtungsrecht nicht antasten. d) Nachdem feststeht, daß die §§241 ff. AktG für die Personalgesell­ schaften in modifizierter Form anwendbar sind, bleibt der Verfahrensrahmen nachzutragen. Zunächst ist zu prüfen, gegen wen die Beschlußmängelklage zu richten ist. Diese Frage wird vielfach in Verbindung gebracht mit der Rechtsfähigkeit des jeweiligen Verbandes. Parteifähig ist nach allgemeinem Zivilprozeßrecht, wer rechtsfähig ist, § 50 Abs. 1 ZPO. Der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird die Rechtsfähigkeit von der noch herrschenden Meinung abgesprochen132. Im Falle der Prozeßführung gegen einen nicht­ rechtsfähigen Verein hat der Kläger die Wahl, ob er eine unter Umständen astronomische Zahl von Mitgliedern oder den nichtrechtsfähigen Verein als solchen verklagen will. Gründe der Prozeßwirtschaftlichkeit erlauben die Er­ hebung der Klage gegen den nichtrechtsfähigen Verein (§ 50 Abs. 2 ZPO). OHG und KG können klagen und verklagt werden. Dennoch müssen Rechts­ streitigkeiten, die Grundlagenänderungen des Gesellschaftsvertrages zum HEYMANN/EMMERICH, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 114 RdNr. 26 ff.; speziell zur kon­ zemrechtlichen Bewandtnis dieses Grundsatzes SCHIEBL, Die beherrschte Personengesell­ schaft, 1985, S. 46 ff. 132So etwa MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 709 RdNr. 95; sieht der Ge­ sellschaftsvertrag eine gerichtliche Geltendmachung vor und verlangt er außerdem eine Kla­ geerhebung gegen die Gesellschaft, so soll diese Klausel mangels Parteifähigkeit der Gesell­ schaft bürgerlichen Rechts dahingehend auszulegen sein, daß die Klage gegen die übrigen Gesellschafter als notwendige Streitgenossen zu richten ist.

Gegenstand haben, von allen Gesellschaftern gegen die übrigen geführt wer­ den133. Bei den Körperschaften werden solche Prozesse nicht zwischen den Mitgliedern geführt, sondern stets mit dem Verband ausgetragen134. Die Streitbeteiligung der Gesellschafter erklärt sich daraus, daß Streitgegenstände wie die Auflösung der Gesellschaft oder die Ausschließung eines Gesell­ schafters Änderungen des Gesellschaftsvertrages mit sich bringen, egal, ob der betroffene Verband rechtsfähige Körperschaft ist oder nicht. Beschluß­ mängelklagen bei den Kapitalvereinen des Handelsrechts sind gegen den Verband zu richten, nicht gegen die beschließenden Gesellschafter. Die Ge­ sellschaft ist auch bei der personengesellschaftlichen Beschlußmängelklage der richtige Klagegegner. Dieses Ergebnis läßt sich für nichtrechtsfähige Verbände ebenfalls erzielen, wie § 50 Abs. 2 ZPO zeigt. Die Analogie zu dieser Vorschrift ist notwendig und aus Gründen der Prozeßökonomie zuläs­ sig. Die Gesellschaft als Prozeßstandschafter der Gesellschafter entsprechend § 50 Abs. 2 ZPO räumt dem Kläger die Option ein, nach seiner Wahl die Gesellschaft oder die Gesellschafter zu verklagen. Konsequenzen hinsichtlich der Rechtskraft eines die Unwirksamkeit des Beschlusses aussprechenden Urteils hat diese Wahl nicht. Die bisher herrschende Meinung nimmt insoweit einen anderen Stand­ punkt ein. Nach ihr ist die Klage zuerst gegen die Gesellschafter als Urheber des Beschlusses zu richten135. Der Gesellschaftsvertrag darf jedoch vor­ sehen, daß die Gesellschaft zu verklagen ist136. Bewendet es mangels ver­ traglicher Bestimmung bei der Klage gegen die Gesellschafter, so müssen nur diejenigen verklagt werden, die den verfolgten Anspruch nicht vorpro­ zessual anerkannt haben, den Beschlußfehler also eingestehen und in eine entsprechende Änderung der Beschlußlage einwilligen137. Mit dieser Unter­ scheidung verbinden sich weiterreichende prozessuale Wirkungen: Ist die Klage gegen die Gesellschafter zu richten, soll ein stattgebendes Urteil nur unter den Prozeßbeteiligten wirken138. *Optiert der Gesellschaftsvertrag hin­ 133 Vgl. §§ 117, 127, 133, 140, 142 HGB. Es handelt sich ausnahmslos um unechte Ge­ staltungsklagen, bei denen das Klageziel in der Durchsetzung einer Änderung des Gesell­ schaftsvertrages besteht (§ 894 ZPO). Zur Terminologie MünchKommZPO-G. Lüke, 1992, RdNr. 28 f. vor § 253 mit Nachweisen. 134 Beim Ausschluß eines Gesellschafters aus der GmbH klagt nach BGHZ 9, 157 die GmbH gegen den Auszuschließenden. Im Falle der Abberufung als GmbH-Geschäftsführer klagt der Abberufene gegen die Gesellschaft. 135BGH BB 1966, 1169; Robert Fischer, in: Großkomm.z.HGB, 3. Aufl. 1967, § 119 Anm. 18; für die Publikums-KG BGH WM 1983, 208 sowie WM 1983, 785. 136Vgl. die Nachweise in FN 135. 137Weiterführende Belege zur Parteirollenverteilung bei H.P. Westermann (wie FN 128), RdNr. 375. 138OLG Hamburg BB 1967, 1267.

gegen für eine Klageerhebung gegen die Gesellschaft, so soll das die Un­ wirksamkeit des Beschlusses feststellende Urteil für und gegen alle verbind­ lich sein139. Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß die Be­ stimmung der Reichweite der Urteilsrechtskraft dem direkten Zugriff der Vertragsgestaltung ausgeliefert und damit eines der Herzstücke der Be­ schlußmängelklage preisgegeben wird. Die Urteilswirkung wird nicht mehr prozessual angeknüpft, sondern vom frei abänderbaren Gesellschaftsvertrag abhängig gemacht. Von den übrigen Bestandteilen der aktienrechtlichen Anfechtungsklage ist von Interesse, ob ihr auch im Personengesellschaftsrecht die Streitwertprivi­ legierung gemäß § 247 AktG140 zugute kommt. Das ist zu bejahen, weil § 247 AktG Bestandteil des Beschlußmängelprozesses ist, auch wenn die Norm zum Aktiengesetz gehört141. Für diese Entscheidung sind dieselben Erwägungen maßgeblich, die bereits für die Aktiengesellschaft angeführt wurden: Der Kläger leistet einen über den Anlaß des Rechtsstreites fortwir­ kenden Beitrag, der allen Beteiligten nützlich ist, indem der Status des strit­ tigen Beschlusses rechtsverbindlich geklärt wird. Die Durchführung dieses Verfahrens soll nicht durch prohibitive Kostenbarrieren unterbunden werden. Daneben fragt sich, ob für die personengesellschaftliche Beschlußmängel­ klage eine ausschließliche Gerichtszuständigkeit entsprechend § 246 Abs. 3 Satz 1 AktG ohne Rücksicht auf den Streitwert zu fordern ist142. Auch diese Frage kann nicht in Abhängigkeit von der Rechtsform, sondern nur vom Sinn des § 246 Abs. 3 her beantwortet werden. Es geht um die Bündelung aller Klagen, die den gemeinsamen Streitgegenstand der Rechtsmäßigkeits­ Prüfung eines Beschlusses besitzen. Divergierende Entscheidungsinhalte sind zu unterbinden, weil sie mit dem Grundanliegen des Verfahrens, nämlich der Herstellung von Rechtssicherheit, nicht zu vereinbaren wären. § 246 Abs. 3 AktG ist die notwendige verfahrensrechtliche Flankierung dieses Konzepts, die bei der Beschlußmängelklage im Recht der Personalgesellschaften eben­ falls unverzichtbar ist. 4. Fazit

Als Querschnitt einer verbandsweiten Behandlung fehlerhafter Beschlüsse ergibt sich: Grundlage einer Übertragung des am ausführlichsten bei der Ak­

139BGHZ 85, 350 (353); BGH BB 1966,

1169. näher oben § 17 IV 4 b. 141Zutreffend Köster (wie FN 124), S. 147. 142So im Ergebnis bereits Köster (wie FN 124), S. 147/48. Allerdings soll die Anwen­ dung der §§241 ff. und § 246 Abs. 3 Satz 1 AktG davon abhängen, daß eine Anfechtungs­ oder Nichtigkeitsklage als Gestaltungsklage im prozeßtechnischen Sinne vorliegt. 140Dazu

tiengesellschaft normierten Beschlußmängelrechts ist dessen Zugehörigkeit zum Allgemeinen Verbandsrecht. Die Einzelaussagen der §§ 241 ff. AktG sind - unbeschadet ihrer Plazierung im Recht der Aktiengesellschaft nicht aktienrechtsspezifisch, sondern Bestandteil des nicht eigenständig kodi­ fizierten Allgemeinen Teils des Rechts aller Personenzusammenschlüsse jen­ seits von Rechtsformgrenzenl43. Dieser Allgemeine Teil strahlt auch auf die Personengesellschaften aus, wobei rechtsformbezogene Besonderheiten Vor­ behalten bleiben. Entscheidend ist, daß die Beschlüsse der Gesellschaftsor­ gane bei allen Verbandsformen nicht alleine der Gestaltung der Binnenbezie­ hungen oder der internen Willenskoordinierung dienen, sondern ins Außen­ verhältnis übergreifen. Gefordert ist Rechtssicherheit für alle Beteiligten, und diese ist nur durch Sanktionsbegrenzung und -modifizierung zu errei­ chen. Genauso wie fehlerhafte Gründungs- und Organisationsakte, für die sich aus analogen Erwägungen die Lehre von der fehlerhaften Gesell­ schaft*144 herausgebildet hat, schaffen fehlerhafte Beschlüsse soziale Fakten, die das Recht nicht nachträglich durch einen Federstrich ignorieren kann. Aus denselben Gründen kann das Arbeits- oder das Gesellschaftsrecht nur begrenzt mit der Fiktion rückwirkender Nichtigkeit operieren. Hier wird die Markierung der Grenzen zwischen dem punktuell wirkendem Austauschver­ trag und der auf eigendynamische Fortentwicklung angelegten Organisation deutlich. Für das Funktionieren von organisierten Rechtsgemeinschaften dür­ fen Organbeschlüsse nicht in der Schwebe bleiben. Wirkung und Geltungs­ anspruch eines Beschlusses als einmal gesetztem Akt wiegen schwerer als eine Nichtigkeitsfiktion, wenn die nachträgliche Rückgängigmachung nicht mehr darstellbar ist. Verbandsgeschichtlicher Hintergrund der Beschlußanfechtung ist das Recht des Mitglieds, um des Verbandes und seiner Mitgliedschaft willen zu verlangen, daß der Verbandswille sich entsprechend den Gesetzen und den statutarischen Bestimmungen betätige145. Dieser Rechtssatz gilt für alle Per­ sonenverbände bis hin zur Wohnungseigentümergemeinschaft146. In der Be­ schlußmängelklage als Abwehrrecht des Mitglieds findet dieser Grundsatz jedoch nur sein negatives Abbild. Die ebenfalls vorhandene positive Wen­ dung dieser Formel ist bis heute nicht zur Entfaltung gekommen. Ohne sie muß das gesamte Rechtsschutzsystem in den Verbänden jedoch lückenhaft bleiben. Augenfällig wird dies bei einem Seitenblick in das Verwaltungspro­ 143So mit Nachdruck bereits Karsten Schmidt, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217 ff. 144Reinhardt/Schultz, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1981, RdNr. 233 ff. 145Grundlegend ROHGE 23, 273 (275) für die Aktiengesellschaft. 146Vgl. §§ 21 Abs. 4, 23 Abs. 4 WEG.

zeßrecht mit seinem offenen Klagensystem. Auch hier ist das Verfassungs­ gebot der Bindung aller staatlichen Tätigkeit an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) sämtlichen Klagearten vorauszudenken. Diese Klagen bringen eine Synthese von Erzwingung der Gesetzesbindung mit dem Schutz subjek­ tiv öffentlicher Rechte des Klägers. Hierzu muß es möglich sein, rechtswid­ riges hoheitliches Handeln mit der Anfechtungsklage abzuwehren, ebenso wie es im anderen Falle möglich sein muß, rechtswidrige Unterlassungen durch die Verpflichtungs- oder die allgemeine Leistungsklage abzuwehren, d.h. ein Handeln zu erzwingen, auf welches der Kläger einen Anspruch hat. Auch im Verbandsrecht erschöpft sich der Anspruch auf gesetzes- und statu­ tenkonforme Betätigung des Verbandswillens nicht in der negatorischen Klage der §§241 ff. AktG. Die verfahrensrechtliche Ausgestaltung ist zunächst offen. Der Fall mag so liegen, daß der einzelne einen Anspruch auf Beseitigung eines fehlerhaften Beschlusses hat. Es kann aber im übrigen vor­ kommen, daß ein Anspruch auf Herbeiführung einer Beschlußlage gegen be­ stimmte Gesellschafter besteht147. Alles das betraf bisher nur die Beschluß­ kompetenzen. Im folgenden wird zu vertiefen sein, wie sich der Anspruch auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung auf der Ebene der Exekutiv­ kompetenzen aus wirkt und wie er dort verfahrensrechtlich umzusetzen ist.

147Siehe hierzu einerseits Cour d’Appel de Paris, Rev.soc. 1990, 613 mit Anm. Boizard und BGHZ 98, 276 mit Besprechung Scheel BB 1985, 2012 andererseits. Zur po­ sitiven Stimmpflicht von Minderheitsaktionären BGHZ 129, 136 - "Girmes".

§ 19 Die Einzelklagebefugnis Eine rechtsformübergreifende Umschau im deutschen Verbandsrecht er­ gibt ein scheinbar klares Bild: Nur bei den Personalgesellschaften existiert die Einzelklagebefugnis des Gesellschafters in Form der actio pro socio, nicht dagegen bei den Körperschaften. Dieser Befund bedarf jedoch sehr schnell der Korrektur und Verfeinerung, da für die (personalistische) GmbH die Einzelklagebefugnis inzwischen zumindest partiell anerkannt ist1. Darin deutet sich an, daß es sich nicht um Fragen handelt, die sich notwendiger­ weise an die Rechtsform oder den Gesellschaftstypus anschließen. Im Recht der Personengesellschaften ist die Einzelklagebefugnis als actio pro socio etabliert. Sie besitzt keine Verankerung im positiven Recht, sondern beruht auf altem Richterrecht, das nie in Zweifel gezogen wurde2. Bei den Körper­ schaften gibt es abgesehen von §§ 147, 309 Abs. 4 AktG keinen gesetzlichen Hinweis auf das Klagerecht des einzelnen Mitglieds. Für lange Zeit war die Auffassung vorherrschend, daß das Einzelklagerecht überhaupt keinen Platz im Recht der Körperschaften beanspruchen könne3. Das Recht der Körper­ schaften kennt dagegen die Befugnis zur Anfechtung gesetzes- oder sat­ zungswidriger Beschlüsse der Mitgliederversammlung, das aber funktional nicht mit dem Einzelklagerecht vertauschbar ist4. Wenn im vorhergehenden zu prüfen war, ob die Beschlußmängelklage bei den Personalgesellschaften anwendbar ist, so ist nunmehr der Frage nachzugehen, ob nicht die Einzel­ klage in das Recht der Körperschaften importiert werden kann, zumal wenn man diese Rechte nicht als singuläre Produkte ihrer Ursprungsverbände be­ greift, sondern in ihnen Institutionen des allgemeinen Verbandsrechts sieht5. 1 BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 - "ITT". Zur Einzelklagebefugnis des GmbH-Gesellschafters Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 283 ff. 2 Grundlegend ROHGE 5, 386 (390 ff.); umfassende Rechtsprechungsnachweise bei Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 10 IV (S. 139 ff.). 3 Rechtsvergleichend von Interesse ist vor allem die Rechtslage in Frankreich. Das französische Gesetz über die Handelsgesellschaften vom 24.7.1966 normiert in Art. 52 Abs. 4 die Einzelklage (action sociale) für Ersatzansprüche gegen die Verwaltung in der GmbH (s.ä.r.l.). Art. 245 erstreckt die action sociale auf die Aktiengesellschaft. Es ist jedoch aner­ kannt, daß die Gesellschafterklage als Institution des allgemeinen Gesellschaftsrechts auch auf die Personengesellschaften analoge Anwendung findet, vgl. den Überblick bei Wiede­ mann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1b (S. 456) mit weiterführenden Nachweisen zum französischen Schrifttum. In Frankreich ist die action sociale damit aus dem Recht der Kör­ perschaften in das Recht der Personalgesellschaften importiert worden. Das französische Beispiel zeigt, daß die Einzelklage keine Eigenart der Gesamthandsgemeinschaft ist. 4 Dazu § 17. 5 Zu dieser Methode Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 3 II (S. 51 ff.); Drobnig/Becker/Remien, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991, S. 13 ff. am Paradigma der Vereinsfusion.

Daß im Recht der Körperschaften die Einzelklage generell unstatthaft ist, ist eine Behauptung, die heute nicht mehr zutrifft. Diese Aussage wurde vielfach mit der Eigenschaft der Personengesellschaft als Gesamthands­ gemeinschaft und mit der engen Verbundenheit der Gesellschafter in Zusammenhang gebracht. Es liegt im Wesen der Körperschaft, daß dort die Beschlußkompetenzen von den Exekutivkompetenzen getrennt sind. Die An­ fechtung von Beschlüssen der Mitgliederversammlung allein reicht nicht aus, um das System des innerverbandlichen Rechtsschutzes lückenlos zu machen. Erst der Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Verwaltung schließt diejenigen Lücken, die das kodifizierte Recht hinterläßt. Die Vervollständigung der Rechtsschutzgewährleistung ist die natürliche Reaktion auf den Machtzu­ wachs, der der Verwaltung anläßlich der großen Aktienrechtsreformen zuteil geworden ist. Die Einzelklagebefugnis soll nicht eine wirtschaftsverfassungs­ rechtliche Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers6 umstoßen, wohl aber muß sie die mit ihrer Umsetzung verbundenen Härten abmildem. Bereits das Reichsoberhandelsgericht hatte in seiner Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft erkennen lassen, daß es im Einzelfall nicht ausreichen mag, einen gesetz- oder satzungswidrigen Generalversammlungsbeschluß bloß aufzuheben, wenn dies einen rechtswidrigen Zustand noch nicht besei­ tigt. In einem Gutachten des Gerichts anläßlich der Reform des Aktienrechts von 18847 findet sich die treffende Formulierung, daß neben der Beschluß­ kassation ein Anspruch und Klagerecht jedes Aktionärs und Mitglieds des Aufsichtsrats8 anzuerkennen sei, gegen die Gesellschaft auf Aufrechterhal­ tung eines Generalversammlungsbeschlusses zu klagen, wenn der Vorstand seine Gültigkeit bestreitet. Hinter dieser Feststellung verbergen sich zwei bis heute bedeutsame Aussagen zum Konzept der Beschlußanfechtung: Zum einen die positive Beschlußanfechtungsklage, mit der der Kläger dem eigent­ lichen Beschlußinhalt zum Durchbruch verhelfen kann, wenn der Beschluß vom Versammlungsleiter mit falschem Inhalt verkündet wurde, zum anderen ein Klagerecht dergestalt, daß der Beschluß in seinem Ausspruch ausgeführt wird, wozu Geschäftsführungs- oder Vertretungsakte der Verwaltung nötig

6 § 70 Abs. 1 AktG 1937, § 76 Abs. 1 AktG 1965. 7 Abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 256. 8 Das Gutachten des Reichsoberhandelsgerichts (vgl. vorige FN) stellte beiläufig in seiner FN 93 klar, daß auch Mitglieder des Aufsichtsrats klagebefugt sind. Für das Gericht war dies noch eine Selbstverständlichkeit, da nach damaligem Recht jedes Mitglied des Auf­ sichtsrats Aktionär sein mußte. Heute kennt das Aktienrecht keine obligatorische Selbst­ organschaft mehr. Für Aufsichtsratsmitglieder folgt das Klagerecht daher aus ihrer Amts­ Stellung.

werden können9. Eine Erzwingung solcher Maßnahmen liegt jedenfalls nicht außerhalb der verbandsrechtlichen Zuständigkeitsordnung. A. Grundlagen und Begrifflichkeit

1. So wenig gefestigt wie die Grundlagen, Voraussetzungen und Wir­ kungen der Einzelklage ist die Terminologie selbst. Gebräuchlich sind u.a. die Begriffe Aktionärsklage10, Einzelklage, Abwehrklage oder Mitglieds­ klage. Hinter diesen Begriffen stehen zum Teil durchaus divergierende Kon­ zepte. In der Literatur ist die strikte Unterscheidung anzutreffen zwischen der actio pro socio der Personengesellschaften und der erst in neuerer Zeit anerkannten Klage des Mitglieds im Recht der Körperschaften11. Nach jener Auffassung ist die Mitglieds- bzw. Abwehrklage nur eine Klage aus eigenem Recht des Mitglieds gegen Kompetenzüberschreitungen der Verwaltungs­ organe12. Dieser engeren Konzeption der Einzelklage wird die Zukunft nicht gehören, nachdem die Einzelklage und speziell die Abwehrklage unzweideu­ tige Anerkennung gefunden haben13 und von der Rechtsprechung ins Ideal­ vereinsrecht übertragen wurden14. Das Tor in Richtung auf ein umfassendes Einzelklagerecht ist damit weit aufgestoßen. Der Einzelklage liegt in jed­ weder Form ein Anspruch im Sinne von § 194 Abs. 1 BGB zugrunde, d.h. ein Recht, vom Beklagten ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen. Der Anspruchsinhalt muß sich aus dem jeweiligen innerverbandlichen Konflikt ergeben und ist nicht durch das Verfahrensrecht vorgezeichnet. Es würde deshalb eine aktionenrechtliche Verengung dieses Rechtsbehelfs bedeuten, wenn man die Einzelklage nur in Gestalt der Abwehrklage wegen Kompe­ tenzüberschreitungen zuließe. Im folgenden soll viel eher die ganze Band­ 9 Ein Beispiel für die Statthaftigkeit einer Erzwingung von Geschäftsführungsakten im Aktienrecht ist die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 AktG. Hierzu noch näher unten. 10 Vgl. nur BRONDICS, Die Aktionärsklage, 1988, S. 47 ff. 11 Für die Abschichtung der actio pro socio von den in BGHZ 65, 15 und BGHZ 83, 122 behandelten Abwehrklagen prononciert Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 IV und V (S. 631 ff. und 647 ff.). 12 Zur "Holzmüller”-Doktrin vergleiche die kritische Bestandsaufnahme durch Karsten Schmidt, Festschrift für Heinsius, 1991, S. 715 (717 ff.). 13 Dies geschah in BGHZ 65, 15 - "ITT" zunächst für die GmbH, sodann in BGHZ 83, 122 - "Holzmüller” für die Aktiengesellschaft. Auch wenn BGHZ 83, 122 eine Einzel­ klage mit Unterlassungsanspruch zum Gegenstand hatte, läßt die Entscheidung hinreichend deutlich erkennen, daß weitere Anspruchsinhalte, wie etwa die Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Maßnahme vorbehalten sind. Das Gericht hat sich bewußt nicht mit einer Einzelfallentscheidung begnügt, sondern ein Grundsatzurteil zur Verfassung der Aktien­ gesellschaft überhaupt gefällt, zutreffend Heinsius ZGR 1984, 383 (390 ff.). 14 BGHZ 110, 323; dazu Hadding, Festschrift für Kellermann, 1991, S. 91 ff.

breite der mit der Einzelklage realisierbaren Ansprüche in die Betrachtung einbezogen werden.

2. Die Einzelklagebefugnis ist dadurch gekennzeichnet, daß das Substrat der Rechtsdurchsetzung dem Gesellschaftsvermögen zugeordnet ist. Nicht der Einzelklagebefugnis unterfällt die Geltendmachung persönlicher Ansprü­ che des Gesellschafters. Sie gehören zu seinem Privatvermögen und unter­ liegen seiner alleinigen Verfügungsgewalt, gleichviel, ob diese Ansprüche gegen die Gesellschaft, die Mitgesellschafter oder gegen Dritte gerichtet sind. Verwiesen sei beispielhaft auf die Haftung aus § 117 Abs. 1 Satz 2 AktG. Bei diesen persönlichen Ansprüchen bedarf das Konkurrenzverhältnis zur Vertretungsordnung der Gesellschaft keiner Auflösung. Im Einzelfall kann die Zuordnung des der Einzelklage zugrundeliegenden Anspruchs frag­ lich sein. Bei dem Unterlassungsanspruch (Abwehrklage) ist nicht eindeutig, wer Berechtigter ist. Überschreitet die Verwaltung in Ausführung einer Maßnahme ihre Kompetenz, so hat diese zu unterbleiben. Wem aber ist die­ ser Anspruch und wem ist seine Durchsetzung zugewiesen? Von der Antwort hängt das Prozeßführungsrecht ab. Ist ein Recht der Gesellschaft verletzt, so sind ihre verfassungsmäßigen Vertretungsorgane zu seiner Durchsetzung be­ rufen, ein Gesellschafter dagegen nur unter besonderen Bedingungen. Quali­ fiziert man eine Kompetenz Verletzung, z.B. eine Übergehung der Mitglie­ derversammlung, als Verletzung eigener Rechte des Mitglieds, so erübrigt sich die Legitimation des eigenen Klagerechts15. 3. Wie im amerikanischen Recht weist das unter dem Begriff Einzelkla­ gebefugnis zusammengefaßte Gesellschafterrecht eine stark prozessuale Vor­ prägung auf. Die derivative suit ist eine Klage des Gesellschafters aus dem Recht der Corporation16. Tatsächlich geht es jedoch um mehr als nur die Prozeßführung für die Gesellschaft. Das Konzept ist viel weiter gesteckt im Sinne einer aktiven Vermögenssorge für die Gesellschaft und einer Kontrolle ihrer Verwaltungsorgane. Die Vermögenssorge mag erfolgen, indem Rechte und Ansprüche der Gesellschaft realisiert werden, also Vermehrung von Ak­ tiven. Nicht minder bedeutsam ist die Nichtvermehrung von Passiven, d.h. von der Gesellschaft die Durchsetzung von unberechtigten Ansprüchen ab­ 15 RG HoldhMSchr. 1902, 266 (ausführlicher HoldhMSchr. 1903, 197 mit Anm. Endemann) sah bei einer Kompetenzüberschreitung durch die Verwaltung in erster Linie ein Recht der Gesellschaft verletzt, während BGHZ 83, 122 (135) - "Holzmüller" ohne Auseinandersetzung mit der älteren reichsgerichtlichen Rechtsprechung die Verletzung der mitgliedschaftlichen Position des Aktionärs in den Vordergrund rückt und dessen Klagebe­ fugnis aus der eigenen Rechtsverletzung gewinnt. Der zweite Ansatz ist ohne Zweifel ein­ zelklagefreundlicher. 16 Dazu oben § 7.

zuwenden. Die letztgenannte Alternative schadet dem Gesellschaftsvermögen ebenso wie die erstere. Ist eine Forderung gegen die Gesellschaft gerichtet, so kann es sachgerecht sein, diese durch Ausübung von Gestaltungsrechten wie Aufrechnung, Anfechtung oder Erhebung der Verjährungseinrede abzu­ wenden. Leistet die Verwaltung, ohne von diesen Gestaltungsrechten Ge­ brauch zu machen, so gehen sie in der Regel für die Gesellschaft verloren17. Hierin mag zwar eine Amtspflichtverletzung liegen, aber der Schadens­ ersatzanspruch gegen die Verwaltungsmitglieder ist zumeist kein adäquater wirtschaftlicher Ausgleich für den erlittenen RechtsVerlust der Gesellschaft. Die Einzelklage gesteht dem Gesellschafter die Befugnis zu, auf der Aktiv­ seite Rechte für die Gesellschaft zu verfolgen. Diese Befugnis ist nach tradi­ tioneller Auffassung in ein gerichtliches Verfahren integriert. Die letztlich demselben Zweck dienende Ausübung peremptorischer Gestaltungsrechte wird in diesem Zusammenhang nicht erörtert. Die oben angedeutete bilan­ zielle Betrachtungsweise von der Warte des Gesellschaftsvermögens ist be­ deutsamer als die prozessuale Erfassung dieser Befugnis. Die Geltend­ machung von Gestaltungsrechten als möglicher Befugnisinhalt lenkt den Blick auf die zentralere Frage der Rechtsstellung des für die Gesellschaft handelnden Gesellschafters, der durch die prozessuale Einbettung nicht ver­ stellt werden darf. Der handelnde Gesellschafter nimmt die Stellung eines besonderen Vertreters ein. Er ist bei der Überwindung eines partiellen Man­ gels in der Vertretungszuständigkeit behilflich. An der Geltendmachung die­ ser Gestaltungsrechte haben die Gesellschaftsgläubiger und der Gesellschaf­ ter darüber hinaus ein eigenes Interesse. Einmal geht es um den Wert der Mitgliedschaft, zum anderen kann es um die Abwehr eigener Inanspruch­ nahme gehen, wenn der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesell­ schaft persönlich einzustehen hat (§§ 128, 129 HGB). Wer zur Einzelklage befugt ist, darf also sämtliche Annexrechte geltend machen und diejenigen Willenserklärungen abgeben, die zur Realisierung des betroffenen Rechts gehören. Soll ein Anspruch wegen Verzugsschadens liquidiert werden, so darf der Gesellschafter die verzugsbegründende Mahnung aussprechen. Ist ein Gewährleistungsanspruch zu verfolgen, so darf der Gesellschafter die Rüge nach § 377 HGB erteilen. In diesem umfassenden Sinne ist die Einzel­ klagebefugnis im folgenden zu verstehen. 4. Die Einzelklagebefugnis ist Bestandteil des Verbandsrechts und bedarf eines verbandsrechtlichen Fundaments. In jüngerer Zeit ist der Versuch un­ ternommen worden, das nicht in allen Rechtsformen lückenlose System der Haftungsnormen durch das allgemeine Deliktsrecht zu ergänzen. Nach gefe­ 17 Vgl. §§ 222 Abs. 2 Satz 1, 813 Abs. 1 Satz 2 BGB.

stigter Rechtsprechung ist die Mitgliedschaft in einem Verband ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB18. Problematisch wird bei der Sub­ sumtion der Vorschrift bereits die Ermittlung des Kreises tauglicher Delin­ quenten. Sicherlich sind dritte Personen mögliche Schädiger. Fraglich ist hingegen, ob Mitgesellschafter oder Angehörige der Verwaltung gegenüber dem Mitglied bei wertmindernden Eingriffen in die Mitgliedschaft nach De­ liktsrecht haftbar werden können19. Damit ist das grundsätzlichere Problem des Verhältnisses von Verbandsrecht und allgemeinem Privatrecht angespro­ chen, das immer dann auftaucht, wenn die Grundregeln der Privatrechtsord­ nung mit den Generalklauseln des allgemeinen Verbandsrechts konkurrieren. Eine klassische Fragestellung vor allem im Konzemrecht war, ob § 138 BGB als Maßstab der Verhaltenspflichten des herrschenden Unternehmens An­ wendung finden kann und brauchbare Ergebnisse erzielt20. Zunächst sind diese Fragen durch das Verbandsrecht behandelt, so daß vorrangig dort nach den Verhaltensmaßstäben und Haftungsgrundlagen zu suchen ist. Die Retro­ spektive belegt, daß dem allgemeinen Zivilrecht die unerläßliche funktionale Differenzierung für wirtschaftlich erhebliche Sachverhalte vielfach fehlt. Deshalb sind zentrale Materien des Wirtschaftsrechts aus dem allgemeinen Bürgerlichen Recht hinausgewachsen. Für das Verhältnis von Verbands- und Deliktsrecht ist die exakte Schadenszurechnung wesentlich. Sie wird durch das deliktische Schuldverhältnis personalisiert, das über die Befugnis zur Li­ quidation des Schadens bestimmt. Noch einfach liegt der Sachverhalt des zielgerechten Eingriffs in die Mitgliedschaftsbeziehung 21. Was aber gilt nach Deliktsrecht, wenn der Verband geschädigt wird und sich daraus reflexartig eine Wertminderung der Mitgliedschaften ergibt? Das Deliktsrecht hält hier­ auf keine Antwort bereit. Der Schaden an der Mitgliedschaft überschneidet sich mit dem Schaden am Gesellschaftsvermögen 22. Diese für das Verbands­ recht typische Überleitung erfordert einen Ausgleich zum Schutze des Schuldners. Der Schädiger will nicht mit jedem einzelnen Mitglied abrech­ 18 RGZ 100, 274 (278) für die GmbH; 158, 248 (255) für die AG; Lutter AcP 180 (1980), 84 (130 f.); Ulmer, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1988, § 105 RdNr. 210; MünchKomm-H.-J. Mertens, BGB, 2. Aufl. 1986, § 823 RdNr. 131. 19 Dafür namentlich H.-J. Mertens AcP 178 (1978), 227 (243 ff.); ders., in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1989, § 93 RdNr. 172 ff.; BGHZ 110, 323 (327 ff., 333 ff.). 20 Dazu in konzemrechtlichem Zusammenhang M. Becker, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419 ff. 21 BGHZ 110, 323 konnte deshalb relativ problemlos mit dem Deliktsrecht operieren, weil sich der dort in Rede stehende Schaden gar nicht an der Mitgliedschaft im eingetrage­ nen Verein, die ohnehin in der Regel keinen Vermögens wert besitzt, sondern an sonstigen Rechtsgütern des Mitglieds auswirkte. 22 Dazu H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1989, § 93 RdNr. 170 m.w.N.

nen müssen, wenn für ihn die Abrechnung mit dem Verband möglich ist, die gleichzeitig eine Kompensation der Schäden aller Mitglieder herbeiführt23. Im Zuge der funktionalen und sektoralen Differenzierung der Rechtsord­ nung verlief die Entwicklung weg von den Generalklauseln des Privatrechts, was sich beispielhaft an § 117 AktG ablesen läßt. Die Existenz der Vor­ schrift belegt, daß das allgemeine Deliktsrecht und speziell § 826 BGB nicht hinreichen, um dem hinter § 117 stehenden Anliegen Geltung zu verschaf­ fen24. § 117 AktG ist eine Spezialnorm deliktsrechtlicher Provenienz, die ins Gesellschaftsrecht inkorporiert und hier um verbandsrechtliche Durchset­ zungsmechanismen ergänzt wurde (§§ 117 Abs. 5, 147 AktG). Wenn es um die Durchsetzung einer begründeten Haftung geht, fuhren deliktsrechtliche Begründungshilfen nicht weiter. Im deutschen Recht fehlt eine konsequente Anbindung von materiellem Haftungsrecht an die Durchsetzung dieser Haf­ tung, wie die Einstellung des deutschen Rechts gegenüber der class action verdeutlicht. So werden Schädiger oftmals nicht zur Verantwortung gezogen, weil die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen dies nicht zulassen, nicht etwa weil die Anspruchsgrundlagen unzureichend sind. Die class action steht in Verwandtschaft zur verbandsrechtlichen Einzelklage25. Beide sind not­ wendige Ergänzungen der materiellrechtlichen Haftungsgrundlagen. 5. Vor allem im Recht der Körperschaften war die Einzelklage seit jeher dem Einwand ausgesetzt, die gesetzlich definierte Verbandsordnung umzu­ stoßen. Deshalb soll es bei den Körperschaften — besonders bei der Aktien­ gesellschaft26 - allenfalls eine partielle Einzelklage geben. Dem ist nicht zu folgen27. Auch ohne eine positivrechtliche Grundlage ist die Einzelklage als Einrichtung des Allgemeinen Verbandsrechts anzuerkennen. Die Einzelkla­ gebefugnis ergänzt die Vertretungszuständigkeit der Verwaltung. Die Ord­ nung und Abgrenzung der Kompetenzen entspringt der Verbandsverfassung. Eine allumfassende Vertretungs- und Geschäftsführungszuständigkeit der Verwaltung in dem Sinne, daß Verband und Mitglieder dauerhaft zu Sklaven einer amtierenden Verwaltung werden, gibt es nicht. In den Kapitalgesell­ schaften braucht die Verwaltung zwar eine starke Stellung, doch schirmt 23 Skeptisch gegenüber dem deliktsrechtlichen Begründungsansatz auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1 a.E. (S. 464). 24 Klausing, Aktienrecht 1937, amtliche Begründung zu §§ 100, 101 (S. 86/87). 25 Dazu näher oben § 7. 26 Vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 IV 6 (S. 643 ff.); Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 V 1 (S. 300 ff.). 27 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1c (S. 463); Grünhut, Verhand­ lungen des 31. Deutschen Juristentages II, 1912, S. 19 f.; GROSFELD, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 224; Wieland, Handelsrecht II, 1931, S. 133 ff.

diese nicht jedwedes Verhalten gegen eine gerichtliche Kontrolle ab. Nicht gedeckt sind alle Arten rechtswidriger Selbstbegünstigung, die Verhinderung einer Durchsetzung von gegen die Verwaltung gerichteten Haftungsansprü­ chen oder die Benutzung der Leitungsmacht, um eine vom Leitungsermessen der Verwaltung nicht mehr gedeckte Entscheidung zu treffen. Die Zustän­ digkeitsordnung in den Verbänden ist kein Selbstzweck. Sie unterliegt im­ manenten Schranken, die aus der verbandsverfassungskonformen Auslegung dieser Kompetenzen folgen. Damit sind zunächst noch sehr abstrakt formu­ lierte Leitsätze aufgestellt, die den Grundkonflikt zwischen Verwaltungs­ macht und Rechten der Mitglieder nur in Umrissen zu erkennen geben. Kon­ kretere Strukturen lassen sich bei der Untersuchung der Einzelklagebefugnis in den einzelnen Rechtsformen gewinnen. Die Leistungsfähigkeit der Einzelklage steht und fällt mit der Vielfalt ih­ rer Verwendbarkeit. Der Rechtsbehelf ist grundsätzlich nicht begrenzt auf die Durchsetzung der verbandsintemen Haftung28, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft oder die Durchsetzung von Unterlassungs­ ansprüchen. Ersatzansprüche sind vielfach wirtschaftlich weniger wert als die Verhinderung derjenigen Lage, aus der sie entstehen. Für den möglichen Inhalt der Einzelklage folgt daraus: Gegenstand der Klage kann grundsätzlich jede der Gesellschaft geschuldete Leistung oder jeder Anspruch im weiteren Sinne sein.

B. Die Rechtslage bei den Personengesellschaften Die Einzelklagebefugnis hat ihren Ursprung im Recht der Personalgesell­ schaften genommen. Diese sind gekennzeichnet durch gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens, Organisation der Verwaltung auf der Grundlage der Selbstorganschaft, persönliche Haftung der Gesellschafter für die GesellschaftsVerbindlichkeiten und daraus folgend enge Treubindungen der Gesellschafter untereinander. Mit diesen Strukturmerkmalen ist die Ein­ zelklage bei den Personengesellschaften stets in Verbindung gebracht wor­ den. Eine nähere Prüfung ergibt indes, daß dies nicht zwingend ist, weil ein­ zelne dieser Merkmale ausnahmsweise sogar im Recht der Körperschaften auftreten können, ohne daß damit schon die Einzelklage eröffnet wäre29. Bei 28 So namentlich GROSFELD, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 224 ff. 29 So beruhte die Aktiengesellschaft ursprünglich auf dem Eigenorganschaftsprinzip. In eingetragenen Genossenschaften müssen die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 9 Abs. 2 Satz 1 GenG Genossen sein. Bei der GmbH ist die Eigenorganschaft nicht zwin­ gend vorgeschrieben, jedoch in der Praxis weitverbreitet. Eine persönliche Haftung gibt es bei den Körperschaften nur für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, ansonsten bei Vorlie­

Personenverbänden, die zwischen den Personalgesellschaften und den Kör­ perschaften einzuordnen sind, wird sich deutlich erweisen, daß die Notwen­ digkeit der Einzelklage aus Konfliktlagen resultiert, die ihre Ursachen jen­ seits der Einteilung der Personenzusammenschlüsse in Körperschaften bzw. Gesamthandsgemeinschaften haben. Der Gesellschaftsvertrag der Personen­ gesellschaften scheidet als Grundlage der Einzelklage ebenfalls aus. Viel­ mehr geht es um die Kontrolle der Verwaltung und die Erzwingung einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Neben dieser verbandsrechtlichen Be­ gründung tritt eine Rechtfertigung aus dem Kapitalmarktrecht, die zumindest für alle am Kapitalmarkt teilnehmenden Verbände Relevanz besitzt. Die zi­ vilrechtliche Haftung und Herausgabeverpflichtung für zu unrecht verein­ nahmte Profite aus Insiderwissen wird nach aller Erfahrung von der Ver­ waltung oder ihr nahestehender Personen nicht betrieben, weil aus diesem Kreis regelmäßig die Begünstigten aus solchen Geschäften kommen. Jedwede Insidergesetzgebung bleibt unvollkommen, solange ihr nicht die Einzelklage­ befugnis als verfahrensrechtliche Implementierung zur Seite gestellt wird. Das amerikanische Recht lieferte den schlagenden Beweis für die Richtigkeit dieser These.

I. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ihren Ausgangspunkt nahm die personengesellschaftsrechtliche Einzel­ klage bei der Frage nach der Zuständigkeit für die Beitreibung der Beiträge der Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen. Die bei den Personengesell­ schaften als actio pro socio bezeichnete Einzelklage soll nach verbreiteter Auffassung überhaupt nur mit dem Inhalt der Durchsetzung der Einlagever­ sprechen zulässig sein30. Der Gesellschafter mache dieses Recht für seine Mitgesellschafter geltend. Nach heute nicht mehr streitiger Ansicht31 gehört der Anspruch auf Lei­ stung der durch den Gesellschaftsvertrag übernommenen Pflichteinlage zum Gesellschaftsvermögen; die Leistung ist nicht den Mitgesellschaftern ge­ schuldet. Nach § 705 BGB verpflichten sich die Gesellschafter durch den gen einer der anerkannten Durchgriffstatbestände. Treubindungen der Gesellschafter unter­ einander werden von der neueren Rechtsprechung selbst für kapitalistische Körperschaften sektoral fortschreitend anerkannt, vgl. BGHZ 103, 184 - "Linotype" und neuerdings BGHZ 129, 136 - "Girmes". Für eine Verknüpfung der Einzelklagebefugnis mit den Typusmerkmalen der Personengesellschaften tritt namentlich Flume, Die Personengesell­ schaft, 1977, § 7 III 2 (S. 95 ff.) ein. 30 Reinhardt/Schultz, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1981, RdNr. 162; ebenso noch BGH NJW 1973, 2198. 31 Anerkannt seit RGZ 76, 276 (278).

Gesellschaftsvertrag gegenseitig, die bedungenen Beiträge zu leisten. § 705 sagt aber nicht, wem diese zustehen. Erst in § 718 BGB findet sich der Hin­ weis auf die der Verpflichtung entsprechende Rechtszuwendung. Die Einzie­ hung der Beitragsforderung obliegt den mit der Geschäftsführung betrauten Gesellschaftern. Kommen sie ihrer Verpflichtung nicht nach, so ist der Ent­ zug der Geschäftsführungsbefugnis gerechtfertigt. Ein nicht geschäftsfüh­ rungsbefugter Gesellschafter, der auf ein Tätigwerden dringt, mag ferner entsprechend zu dem in § 147 AktG geregelten Fall versuchen, die Geltend­ machung dieser Ansprüche durch Klage gegen die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter zu erzwingen32. Kein Gesellschafter kann jedoch die eigene Leistung gemäß § 320 BGB mit der Begründung zurückhalten, daß ein ande­ rer die Leistung verweigert oder verzögert33. Die Einrede des nichterfüllten Vertrages paßt nicht in die Gründungsphase von Verbänden, weil sie die Idee der Gesellschaft pervertiert. Für die Anwendung von § 320 BGB fehlt die Einstellung der Leistung in ein personales GegenseitigkeitsVerhältnis. Als Ersatz für die Einrede ist demjenigen Gesellschafter, der geleistet hat, ob­ wohl ein anderer nicht leistet, die actio pro socio als offensiver wirkender Rechtsbehelf gegeben. Gegenstand der Einzelklage ist stets ein zum Gesellschaftsvermögen zäh­ lender Anspruch (sog. Sozialanspruch). Persönliche Ansprüche eines Gesell­ schafters gegen Mitgesellschafter bleiben von den besonderen Regeln, denen die Einzelklage folgt, unberührt34, da für sie weder ein Konflikt mit der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung entstehen kann noch die Gefahr einer mehrfachen Inanspruchnahme des Schuldners gegeben ist. Aufbauend auf der noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Begriffsbildung ist die actio pro socio die Einzelklage eines Gesellschafters gegen einen anderen Gesellschafter in bezug auf Ansprüche der Gesellschaft aus dem Gesell­ schaftsverhältnis35. Frühere Ansätze, die Beschränkung der actio pro socio 32 RGZ 162, 78 (83); BGHZ 12, 308 (313) je m.w.N. Diese interne Erzwingungsklage existiert auch bei den Personalgesellschaften neben der actio pro socio. 33 Jedenfalls auf die (Kapital-)Körperschaften ist das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB oder die Einrede des unerfüllten Vertrages nach § 320 BGB nicht anwendbar, vgl. RGZ 100, 1 (3) für den eingetragenen Verein; 85, 366 (367) für die AG; 149, 293 (300 ff.) für die GmbH. Die § 64 AktG, § 21 GmbHG belegen, daß spezialgesetzliche Sanktionen gegen säumige Einlageschuldner bestehen, mit denen der Verband in die Offensive gehen kann. Die Nichtanwendbarkeit der §§ 273, 320 BGB hat nichts mit der Frage zu tun, ob den Rechtsbeziehungen zwischen Mitglied und Verein ein gegenseitiger Vertrag zugrunde liegt. Vielmehr geht es um den Vorrang des Organisationsrechts gegenüber dem allgemeinen Schuldrecht, eingehend hierzu Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 20 III 2 (S. 580 ff.). 34 BGH NJW 1962, 859. 35 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 10 IV (S. 139 ff.); Hadding, Actio pro socio, 1966, S. 33 ff.; Schlegelberger/Karsten Schmidt, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1992, § 105 RdNr. 172 ff.; HUBER, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil

auf Sozialansprüche36 aufzubrechen und sie für die Verfolgung von Rechten der Gesellschaft im Außenverhältnis zu öffnen, sind nicht weiter verfolgt worden37. Die actio pro socio wird als Bestandteil der unabdingbaren Mit­ gliedschaftsrechte in der Personengesellschaft angesehen. Sie dient wesent­ lich dem Schutz der Minderheit38. Zwar folgen die Personengesellschaften dem Einstimmigkeitsprinzip. Andererseits sieht das Gesetz vor, daß der Ge­ sellschaftsvertrag bestimmte Gesellschafter von der Verwaltung ausschließen kann (§710 BGB). Bei den Personenhandelsgesellschaften entspricht es ver­ breiteter Übung, daß die Geschäftsführung und die Vertretung nicht von al­ len Gesellschaftern wahrgenommen wird (§§ 114 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB). Der so ausgeschlossene Gesellschafter behält zumindest die actio pro socio39. Die individualrechtliche Seite der actio pro socio hat in den Perso­ nengesellschaften mit persönlicher Haftung der Gesellschafter einen speziel­ len Stellenwert. An einer vollständigen Beitreibung der zum Gesellschafts­ vermögen gehörenden Forderungen muß jeder Gesellschafter interessiert sein, um die Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme zu verringern. Der eigennützige Gedanke vom Schutz des Investments in der Gesellschaft trägt die Einzelklage indes nicht allein. Minderheitenschutz räumt die Rechtsord­ nung nicht nur im Interesse der Minderheit ein. Er verfolgt weiterreichende ordnungspolitische Anliegen im Rahmen der Verbandsordnung. Der Schutz, den der einzelne für sich anstrebt, bewirkt im Reflexwege etwas dem Ver­ band Nützliches40, wenn das Mitglied eine Beeinträchtigung seiner Rechts­ position abwehrt, indem es zugleich auf eine gesetzes- und vertragsgerechte Verwaltung hinwirkt. Eine noch immer beachtliche Strömung im Schrifttum sieht die actio pro socio als reinen Individualrechtsbehelf ganz losgelöst von den Verwaltungsan Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 22 ff.; aus der Rechtsprechung RGZ 76, 276 (280); 90, 300 (302); 91, 34 (36); 158, 302 (314). 36 Zu Begriff und Abgrenzung des Sozialanspruchs statt vieler Karsten Schmidt, Ge­ sellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 19 III 2 (S. 555 ff.). 37 RGZ 70, 32 (34); 86, 66 (69 ff.). Zur Beschränkung der actio pro socio auf Sozialan­ sprüche gegen Mitgesellschafter RGZ 90, 300 (302); 91, 34 (36); 158, 302 (314). 38 In diese Richtung namentlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV la (S. 454 ff.); Roitzsch, Der Minderheitenschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 164 ff.; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 10 IV (S. 144): "Magna Charta des Minderhei­ tenschutzes eines jeden Gesellschafters". 39 Daher kann das Recht zur Einzelklage auch nicht durch den Gesellschaftsvertrag, durch Mehrheitsbeschluß oder sonstige Vereinbarungen ausgeschlossen werden, zutreffend Huber, a.a.O. (FN 35), S. 29; Nachweise zum kontroversen Meinungsstand bei Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 34 ff. 40 Zu diesem Gedanken bereits sehr deutlich Rudolf Fischer, in: Ehrenbergs Hand­ buch des gesamten Handelsrechts III/1, 1916, S. 196 ff.

und Beschlußzuständigkeiten in der Gesellschaft41. Denn mit der Klage ma­ che der Gesellschafter keine Gesamthandsforderung aus dem Gesellschafts­ verhältnis, sondern einen persönlichen Anspruch aus dem Gesellschaftsver­ trag geltend. Allerdings wird eingeräumt, daß auch ein subjektives Recht der Gesellschaft gegeben ist. Vorrangig mache das Mitglied aber einen eigenen Anspruch und das eigene Interesse geltend, welches es daran hat, dem Ge­ sellschaftsvermögen die gehörigen Beiträge zuzufuhren. Das eigene Recht des Gesellschafters wird mit seinem Anspruch untermauert, verlangen zu können, daß der Gesellschaftsvertrag befolgt und daß die Gesellschaft im Einklang mit den Gesetzen verwaltet wird. Diese Formel enthält den Hin­ weis, daß bei der Einzelklagebefugnis zwei Dinge zu trennen sind42: Auf der einen Seite steht die Rechtsinhaberschaft, ihr gegenüber die Befugnis zur Rechtsdurchsetzung. Kraft gesamthänderischer Bindung mögen Rechte der Gesamthand allen Gesamthändern zugeordnet sein, doch tritt neben diese Vermögensberechtigung die Aktionszuständigkeit der Leitungsorgane qua Verbandsrecht. Aktionszuständigkeit und Vermögensberechtigung sind nicht deckungsgleich. Es bedarf einer eigenständigen Begründung, warum ein nicht geschäftsführungsbefugter Gesellschafter anstelle des verfassungsmäßig berufenen Organs handeln will43. Dieses von der Verbandsordnung vorge­ zeichnete Ergebnis läßt sich nicht dadurch beiseite schieben, daß man die actio pro socio in Rückgriff auf ihre römischrechtliche Wurzel nur auf die Gesellschaft als besonderes Schuldverhältnis zurückführt44. Ungeachtet ihrer systematischen Regelung in den §§ 705 ff. BGB ist die GbR wie alle anderen Gesellschaften Schuld Verhältnis, aber auch Organisation. Das organisations­ rechtliche Element wiegt schwerer, weil die in der Gesellschaft zusammen­ gefaßten Rechte und Pflichten zwischen Mitgliedern, Verband und Verwal­ tung sowie im Außenverhältnis zu Dritten sich nicht in punktuelle Aus­ tauschbeziehungen auflösen lassen. Schuldrechtliche und organisationsrecht­ liche Bestandteile sind bereits bei der nichtrechtsfähigen BGB-Gesellschaft eine unauflösliche Bindung eingegangen. Die actio pro socio entspringt einer Gemeinschaftsbeziehung, und ihr Gegenstand ist ein vergemeinschaftetes Recht. Die Einlageforderung und alle sonstigen Sozialansprüche zählen bei den Personengesellschaften zum Gesamthandsvermögen und zur Verwaltungszu­ ständigkeit der Geschäftsführer. Grundsätzlich ist nur die Geschäftsführung 41 Flume (wie FN 35), S. 142 f.; ebenso Huber (wie FN 35), S. 25 ff. 42 Dieses richtige Verständnis der Einzelklage gewinnt allmählich auch in der Rechtsprechung an Boden, vgl. die Neuorientierung in BGH NJW 1974, 1555 (1556). 43 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1c (S. 459). 44 Flume (wie FN 35), S. 142; ebenso noch MünchKomm-ULMER, BGB, 1. Aufl. 1980, § 705 RdNr. 147, ausdrücklich aufgegeben ab 2. Aufl. 1986, § 705 RdNr. 172.

zur Einziehung dieser Rechte befugt; sie braucht dazu in der Regel keine Ermächtigung von Seiten der Gesellschafter, da die Geltendmachung von Ge­ samthandsansprüchen aus dem Gesellschaftsverhältnis kein Grundlagenge­ schäft ist45. Die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter werden durch den Gesellschaftsvertrag berechtigt und verpflichtet, die Einziehung von Forde­ rungen durchzuführen. Handeln sie unter Verstoß gegen ihre Pflichten nicht, so ist der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis angezeigt (§117 HGB), in deren Folge eine Neuordnung der Geschäftsführung möglich wird. Duldet ein Handeln für die Gesellschaft keinen Aufschub, weil Gefahr im Verzug ist, dann darf ein an sich nichtgeschäftsführungsbefugter Gesellschafter zur Einzelklage greifen. Jedoch ist die Koordination mit der Gesellschaft und anderen Gesellschaftern, die diesen Schritt womöglich ebenfalls erwägen, notwendig. Das Recht auf gesetzes- und statutengemäße Verwaltung, das sich in Verfolgung der Klagebefugnis verwirklicht, nimmt an der Kompe­ tenzverteilung teil. Bei der Behandlung der Einzelklage ist zu trennen zwischen den denkba­ ren Anspruchsinhalten. Zu unterscheiden ist namentlich die Einzelklage we­ gen Beitreibung der Einlagen, wegen Geltendmachung von Schadensersatz­ ansprüchen aus fehlerhafter Geschäftsführung und aus sonstiger schuldhafter Verletzung des Gesellschaftsvertrages durch einen Gesellschafter, wegen Vornahme oder Unterlassung von Geschäftsführungsmaßnahmen und schließlich die Einzelklage mit dem Ziel der Verfolgung von Ansprüchen gegen außenstehende Dritte46. Diese Unterscheidung ist angebracht, weil die Einzelklagebefugnis je nach dem Anspruchsinhalt andere Voraussetzungen hat.

1. Die Einzelklage wegen Einziehung der Einlageforderung

Die Einzelklage mit dem Gegenstand der Realisierung des Beitragsan­ spruchs war die traditionelle Erscheinungsform dieses Rechtsbehelfs. Aus der Bezeichnung actio pro socio mit ihrem besonderen römischrechtlichen 45 Anderer Ansicht Hadding, Actio pro socio, 1966, der bei der werbenden Gesell­ schaft ein der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfendes Grundlagengeschäft annimmt (S. 25 ff.), während bei der Gesellschaft in Liquidation im Hinblick auf § 149 Satz 1 HGB kein Beschluß notwendig sein soll (S. 87 ff.). Diese Auffassung würdigt den Ausnahmecha­ rakter von § 113 Abs. 2 HGB nicht genügend, der für die werbende OHG in der Tat einen solchen Beschluß für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung des Wettbe­ werbsverbots vorschreibt. 46 So durchgängig Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990.

Bedeutungshintergrund darf aber nicht geschlossen werden, daß jeder ein­ zelne Gesellschafter ein unbedingtes und unkoordiniertes Klagerecht be­ sitzt47. Vielmehr bewendet es bei der primären Einziehungszuständigkeit der Geschäftsführung, die der innerverbandlichen Kompetenzverteilung ent­ spricht und dem Schutze des Schuldners vor mehrfacher Inanspruchnahme dient48.

a) Rechtsgrundlagen

Rechtsinhaberschaft und Rechtsdurchsetzungszuständigkeit bilden im all­ gemeinen eine Einheit. Da kein Gesellschafter allein, sondern nur die Ge­ samthand bzw. nach modernerem Verständnis die GbR als teilrechtsfähige Einheit49 Rechtsinhaber der Einlageforderung ist, ist das verfassungsmäßig berufene Geschäftsführungsorgan mit der Durchsetzung betraut. Wenn statt­ dessen ein Gesellschafter handelt, so geschieht dies nicht aus eigenem Recht, sondern im Wege der Prozeßstandschaft50. Das Fundament der Einzelklage­ befugnis ist im Verbandsrecht zu suchen, nicht in der Gesamtgläubigerschaft (§ 432 BGB) und nicht im Recht der Gesamthand (§ 2039 BGB), worauf äl­ tere Ansichten noch rekurrierten. § 432 BGB liefert keine taugliche Begrün­ dung, weil nur die Gesellschaft zur Forderung der Leistung berechtigt ist. Der Schuldner kann nur an sie mit befreiender Wirkung leisten. § 2039 BGB hat mit der GbR den Strukturbaustein der gesamthänderischen Vermögens­ bindung gemeinsam. Dies erhebt die Einzelhandlungszuständigkeit eines Ge­ samthänders aber nicht ohne weiteres in den Allgemeinen Teil des Rechts der Gesamthand. Der Erbengemeinschaft fehlt die organisatorische 47 Die durch den Begriff actio pro socio z.T. verursachten Fehlverständnisse sind auf mißverstandenes römisches Recht zurückzuführen, zur Bewandnis der actio pro socio im römischen Recht Hadding (wie FN 45), S. 17 ff.; Nitschke ZHR 128 (1966), 48 (50 ff.). Im römischen Recht handelte es sich um eine Auseinandersetzungsklage aus Anlaß der Liquidation der societas, die nach heutigen Maßstäben ein reines Schuldverhältnis war und keine gesamthänderische Vermögensbindung kannte. Der Begriff ist vermutlich über die Pandektenwissenschaft im 19. Jahrhundert ins moderne Gesellschaftsrecht gelangt und ein Musterbeispiel einer Begriffsverwirrung: Was sich heute hinter der actio pro socio verbirgt, hat nichts mehr zu tun mit der ursprünglichen Bedeutung des Instituts. Gleichwohl bestim­ men gewisse Elemente der klassischen actio pro socio (z.B. Schuldverhältnis, Rechtsbezie­ hung zwischen den Gesellschaftern) nach wie vor die Diskussion um die Einzelklage im heutigen Gesellschaftsrecht. 48 So eindrucksvoll Grunewald (wie FN 46), S. 10 f. 49 Dazu statt vieler Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 58 II 4 (S. 1702 ff.), der die Rechtsfähigkeit jedenfalls für die untemehmenstragende GbR an­ nimmt. 50 Grunewald (wie FN 46), S. 12 ff.; Hadding (wie FN 45), S. 101 ff.; Soergel/Hadding, BGB, 11. Aufl. 1985, §705 RdNr. 50; R. Heinsheimer, Über die Teilhaberschaft, 1930, S. 45 f. mit gutem Überblick über die kontroverse Behandlung im älteren Schrifttum; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 IV 4 (S. 637); MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, 705 RdNr. 171.

Verfestigung einer Gesellschaft, da sie kein zentrales Verwaltungsorgan besitzt und ihre Mitglieder keinen vertraglich gesetzten gemeinsamen Zweck im Sinne von § 705 BGB verfolgen. Die Gesellschaft ist ein organi­ satorisches Mehr im Vergleich zur Erbengemeinschaft. Die Erbengemein­ schaft konstituiert sich aus dem Umstand, daß der Erblasser mehrere Erben hinterläßt. Die Erbengemeinschaft ist - abgesehen von dem Fall, daß die Erben ein zum Nachlaß gehörendes Handelsgeschäft fortfuhren - auf Ab­ wicklung angelegt. Die Einzelklagebefugnis des Verbandsrechts beruht dem­ gegenüber maßgeblich auf der innerverbandlichen Kompetenzverteilung und ihrem ordnungsgemäßen Funktionieren, dem Minderheitenschutz und der Kontrolle der Verwaltung51. Die Einzelklage und ihre konkrete Ausübungs­ form der Prozeßstandschaft ergeben sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag. Ebensowenig kann dieser die Klagebefugnis abbedingen oder einschrän­ ken52. b) Voraussetzungen der Geltendmachung (1) Die personengesellschaftsrechtliche Einzelklage verbindet sich un­ trennbar mit der Mitgliedschaft, Fällt die Gesellschafterstellung weg, so er­ lischt das Klagerecht allerdings nicht automatisch53. Im Hinblick auf den Kontrollauftrag der Klage erscheint es angebracht, die in § 265 ZPO vorge­ sehene gesetzliche Prozeßstandschaft wenigstens entsprechend zur Anwen­ dung zu bringen, selbst wenn keine Veräußerung der streitbefangenen Sache im technischen Sinne vorliegt54. Die Gegenansicht verkennt, daß ein Gesell­ schafter, der sich der Einzelklage bedient, eines gewissen Repressalien­ schutzes bedarf. Niemand darf es unternehmen, die Klage dadurch zu Fall zu bringen, daß der Kläger aus der Gesellschaft entfernt wird, etwa durch bloße Kündigung als Gesellschafter “minderen” Rechts55. Die Zulässigkeit der Ausübung des zum Teil gegen Verwaltung und Mehrheit gerichteten Rechts schließt eine statuswahrende Absicherung des Klägers ein. In zeitlicher Hin­ sicht ist grundsätzlich zu verlangen, daß der Kläger bereits Mitglied war, als der zu verfolgende Anspruch entstanden ist. Die zeitliche Limitierung ist

51 Diesen Gesichtspunkt betonen besonders Wiedemann (wie FN 38), S. 459 sowie K.P. Martens, Mehrheits- und Konzemherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 92 ff. 52 Siehe die Nachweise in FN 39. 53 Anders MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 705 RdNr. 173. 54 BGH LM ZPO § 265 Nr. 7 = NJW 1960, 964; ebenso Hadding, Actio pro socio, 1966, S. 102. 55 Zu dieser Figur Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 10 III (S. 137 ff.).

notwendig, damit die Klage Voraussetzungen nicht manipulativ herbeigeführt werden.

(2) Regelmäßige Voraussetzung der Einzelklage ist ein gesellschaftsinter­ nes Vorverfahren, in dessen Rahmen der Kläger die Gründe für sein Tätig­ werden darzulegen und der Gesellschaft Gelegenheit zur Prüfung zu geben hat56. Dieses Erfordernis versöhnt die Befugnis des Gesellschafters mit der Durchbrechung der Zuständigkeitsordnung57. Das Vorverfahren ist ohne be­ sondere Formalitäten abzuwickeln. In der Regel hat eine Anzeige an die ge­ schäftsführungsbefugten Gesellschafter zu erfolgen, um diesen die Prüfung zu ermöglichen, ob sie die Klage nicht doch im Namen der Gesellschaft er­ heben wollen. Weiterhin mag die Befassung aller Gesellschafter geboten sein. Ist die Klage auf Einziehung der Einlage gerichtet, so könnten die Ge­ sellschafter durch Novation der Einlageforderung oder Stundung der Klage ihre Grundlage nehmen. Das gesellschaftsinteme Vorverfahren kann ent­ behrlich sein, wenn der zur Einziehung der Einlagen zuständige Gesell­ schafter mit seiner eigenen Einlageleistung in Verzug ist und seine Position zur Selbstbegünstigung mißbraucht. In diesem Falle wäre von einem Vorver­ fahren nur Verzögerung und kein konstruktiver Beitrag zur Willensbildung in der Gesellschaft zu erwarten. Zu betonen ist, daß das Vorverfahren nicht mit einer Genehmigung der Klage von Seiten der Geschäftsführung oder der Gesellschaftermehrheit zu verwechseln ist58. Eine solche Genehmigung würde das ganze Rechtsinstitut ad absurdum führen. (3) Der Kläger muß in gutem Glauben handeln, insbesondere muß er die Interessen der Gesellschaft in jedem Stadium des Verfahrens über die eige­ nen stellen. Er macht das Recht der Gesellschaft so geltend wie dies bei normalem Lauf der Dinge das Geschäftsführungsorgan zu besorgen hätte. Der Kläger rückt als Prozeßstandschafter in eine geschäftsführerähnliche Po­ sition ein. Wenn die Einzelklage die Einziehung einer Einlageforderung zum Gegenstand hat, ist das Recht der Gesellschaft nur in sehr engen Grenzen disponibel; zudem wäre die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforder­ lich.

56 Streitig, vgl. Ulmer (wie FN 53), RdNr. 173; Hadding (wie FN 54), S. 59 ff.; Lutter AcP 180 (1980), 84 (134). 57 In diese Richtung tendierte die vielkritisierte Entscheidung RGZ 171, 51 (54). Zu ihr statt vieler Flume (wie FN 55), S. 140 ff. mit Nachweisen. 58 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1 (S. 460).

c) Wirkungen und Ergebnis der Prozeßführung

Aus der Stellung des Klägers als Prozeßstandschafter folgt, daß das Pro­ zeßrechtsverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten zustande kommt59. Bei diesem vom Verfahrensrecht vorgegebenen Resultat darf man aber nicht ste­ henbleiben, da das durch das Verfahren realisierte Recht zum Gesellschafts­ vermögen zählt. Alle Früchte aus der Prozeßführung gebühren der Gesell­ schaft60, da sie am materiellen Streitverhältnis beteiligt ist, selbst wenn sie an der Verfolgung ihrer Rechte zunächst kein Interesse gezeigt hat. Diese Überlegung darf nicht ohne Rückwirkungen auf die verfahrensrechtliche Rechtsbeziehung sein. Das amerikanische Recht behandelt die Gesellschaft konsequent im Verfahren der derivative suit als notwendige Partei auf der Passivseite. Für das deutsche Recht erschiene diese Behandlung ebenfalls vorstellbar. Einstweilen ist mit Ergänzungen zu operieren, die das auf der Nichtbeteiligung der Gesellschaft folgende Defizit behebt. Die Gesellschaft tritt bei der actio pro socio - anders als im Falle einer nach § 147 AktG erzwungenen Klage — nicht als Aktivpartei in Erscheinung. Im deutschen Recht ist sie überhaupt nicht streitbeteiligt. Wegen ihrer unzweifelhaften Be­ troffenheit ist sie von der Klageerhebung zu informieren, auch wenn zuvor ein Vorverfahren stattgefunden hatte, mit dem die Klageabsicht angezeigt war. Geeignetenfalls hat das Gericht von Amts wegen die Unterrichtung zu veranlassen und der Gesellschaft Gelegenheit zu einer Intervention nach den §§66 ff. ZPO zu geben61. Nur wenn der Gesellschaft im Einzelklageverfah­ ren rechtliches Gehör eingeräumt wurde, läßt sich die Rechtskraft der Ent­ scheidung auf sie erstrecken. Die Ausgestaltung des Verfahrensablaufs ist aber nicht nur von Bedeutung für die Gesellschaft. Der Schutz des Gesellschaftsschuldners steht ebenfalls auf dem Spiel. Der Schuldner möchte dem in Einzelklage vorgehenden Ge­ sellschafter so gegenübertreten, als ob er es mit der Gesellschaft selbst zu tun hätte. Auf die innerverbandlichen Zustände, die die Einzelklagebefugnis er­ öffnen, hat der Schuldner zumeist keinen Einfluß. Obsiegt er im Verfahren mit dem Prozeßstandschafter, dann bindet die Urteilsrechtskraft die Gesell­ schaft62. Dieses Ergebnis ist jedenfalls so lange gerechtfertigt, als die Pro­ zeßstandschaft dem Beklagten gegenüber offengelegt wurde und sich der

59 MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 705 RdNr. 175. 60 Zu diesem Problemkreis ausführlich Becker-Eberhard ZZP 104 (1991), 413 ff. 61 Vgl. BVerfGE 60, 7. 62 So Hadding (wie FN 54), S. 104 ff.; Wiedemann (wie FN 58), S. 461; a.A. Mün chKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 705 RdNr. 175; A. HUECK, Das Recht der offe­ nen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, S. 264.

Kläger auf seine Legitimation berufen hat63. Das Schutzbedürfnis des Schuldners setzt überdies bereits vor Eintritt der Rechtskraft ein. Ist die Klage erst erhoben, will der Schuldner nicht noch einmal mit einem Prozeß durch die Gesellschaft oder durch einen anderen Gesellschafter überzogen werden. Das Instrument zur Erzielung dieses Effekts ist analog zur Rechts­ krafterstreckung die Ausdehnung des Einwands der Rechtshängigkeit64. Diese Analogie hat bei § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO anzusetzen, da die Gesell­ schaft Partei im materiellen Sinne ist. Diese Auslegung von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO bringt die subsidiäre Einzelklagebefugnis des Gesellschafters mit dem primären Rechtsverfolgungsrecht der Gesellschaft zum Ausgleich. Da­ bei darf indessen nicht schematisch so verfahren werden, daß, wenn die Ge­ sellschaft nach Rechtshängigkeit der Einzelklage ebenfalls Klage erhebt, die Klage des Gesellschafters unzulässig wird65. Hatte es die Gesellschaft ur­ sprünglich abgelehnt, ihr Recht selbst wahrzunehmen, obwohl dies im Ge­ sellschaftsinteresse gelegen hätte, so ist es ihr, wenn sie sich später eines Besseren besinnt, zuzumuten, der Einzelklage nunmehr als Nebeninterve­ nientin beizutreten66. Hinsichtlich der Kostentragung gilt: Obsiegt der Gesellschafter, so ist er nach § 91 ZPO von jeglicher Kostentragung befreit. Unterliegt er, so soll es nach ganz überwiegender Auffassung ebenfalls bei der Regel des § 91 be­ wenden67. Diese Ansicht ist abzulehnen, zumal wenn man die Gesellschaf­ terrechte verstärken und Anreize zu ihrem Gebrauch schaffen will. Richtiger ist es, dem Kostenschuldner jenseits der streng verfahrensbezogenen Be­ stimmung in § 91 ZPO einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch zuzugestehen. Die Gesellschaft muß die Kosten z.B. erstatten, wenn die Pro­ zeßführung nicht mutwillig war, sondern einer ordnungsgemäßen Geschäfts­ führung entsprochen hätte.

2. Die Einzelklage zur Durchsetzung von Ansprüchen aus fehlerhafter Geschäftsführung

Die für die Geschäftsführung und Vertretung zuständigen Gesellschafter stehen zur Gesellschaft und ihren Mitgliedern in einer herausragenden 63 BGHZ 78, 1 (7) für die gewillkürte Prozeßstandschaft. 64 BGHZ 78, 1 (7). Im Ergebnis übereinstimmend für Rechtskraft und Rechtshängigkeit Hadding (wie FN 54), S. 104 ff.; Wiedemann (wie FN 58), S. 461; a.A. dagegen A. Hueck (wie FN 62), S. 264; MünchKomm-ULMER (wie FN 59). 65 Sofern man dies annimmt, sollte dem Gesellschafter wenigstens ein Aufwendungser­ satzanspruch — etwa in Analogie zu § 122 BGB — zugestanden werden. 66 So mit Recht Hadding (wie FN 54), S. 102. 67 Vgl. Wiedemann (wie FN 58), S. 460.

Treuebeziehung. Maßstab für die Erfüllung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung ist die eigenübliche Sorgfalt. Wird sie nicht beachtet, dann erwächst der Gesellschaft ein Schadensersatzanspruch. Zu seiner Durchset­ zung sind wiederum die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter berufen. Damit ist ein rechtsformübergreifender Konflikt angesprochen, der bei ande­ ren Verbänden zu einer gesetzlichen Ausnahmeregelung geführt hat (etwa in § 147 AktG). Die Haftung und der hinter ihr stehende Durchsetzungsmecha­ nismus sorgen auch präventiv für die Beobachtung der geschuldeten Sorgfalt. Daher hat die Rechtsprechung, freilich ohne den Zusammenhang von Sank­ tion und Verhaltenssteuerung offen anzusprechen, mit Recht die Einzelkla­ gebefugnis bei der Schadenshaftung aus pflichtwidriger Geschäftsführung anerkannt68.

a) Rechtsformspezifika der GbR

Bei der GbR und den Personalgesellschaften des Handelsrechts haben die Gesellschafter in Erfüllung der ihnen obliegenden Verpflichtungen nur für die Sorgfalt, die sie in ihren eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen, einzustehen69. §§ 708, 277 BGB modifizieren den Verschuldensgrad der leichten Fahrlässigkeit. Im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften ist dieser Haftungsmaßstab unterhalb der Schwelle der groben Fahrlässigkeit bewußt so gestaltet, daß der Individualität jedes Gesellschafters Rechnung getragen werden kann. Die im übrigen abdingbare Regelung des § 708 BGB besagt, daß ein Schadensersatzanspruch jedenfalls entsteht, wenn die Pflichtwidrig­ keit vorsätzlich oder mindestens grobfahrlässig begangen wurde. Fraglich ist, ob für die Geltendmachung solcher Schadensersatzansprüche ein eigener Ermächtigungsbeschluß erforderlich ist, wie dies etwa das GmbH-Recht (§ 46 Nr. 8 GmbHG) ausdrücklich vorsieht. Zum Teil wird das unter Hinweis auf den Grundlagencharakter der Maßnahme angenom­ men70. Die Verfolgung dieses Anspruchs ist kein alltägliches Geschäft, des­ halb berührt die Entscheidung über die Durchsetzung aber noch nicht die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses. Im Recht der BGB-Gesellschaft existiert keine Bestimmung, die die Geltendmachung von Schadensersatzan­ sprüchen zum Grundlagengeschäft erhebt. § 113 Abs. 2 HGB ist eine Spe­ zialnorm der Personenhandelsgesellschaften, die nur aus der Zusammenschau 68 BGHZ 25, 47 (50 ff.); RGZ 171, 51 (53 ff.). 69 § 708 BGB gilt nicht für die Publikums-KG, auf die die Rechtsprechung die Vor­ schriften über die aktienrechtliche Organverantwortung anwendet, sowie für die Verhaltens­ pflichten im Straßenverkehr, der sich als vollständig durchnormiertes Rechtsgebiet nicht mit dem Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt verträgt. 70 So namentlich HADDING JZ 1975, 159 (163); SOERGEL/HADDING, BGB, 11. Aufl. 1985, § 705 RdNr. 48.

mit dem Wettbewerbsverbot in § 112 HGB verständlich wird und schon mit Blick auf ihren Ausnahmecharakter eng auszulegen ist71. Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot ist tatbestandlich nicht vergleichbar mit der Haftung für pflichtwidrige Geschäftsführung, da das Wettbewerbs verbot für alle Ge­ sellschafter gilt. Prägend für die Rechtsfolge des § 113 HGB ist die Pflicht zur Herausgabe eines rechtswidrigerweise erlangten Vorteils. Im Mittelpunkt der Systematik der §§ 112, 113 HGB steht die Frage nach der Zuweisung ei­ ner ausgenutzten Geschäftschance. Der Schadensersatz ist nur eine Rechtsfolgenaltemative. Im Kem geht es darum, ob die Gesellschaft bei Verletzung des Wettbewerbsverbots das Geschäft als für sich eingegangen gelten lassen will. Der Beschluß nach § 113 Abs. 2 HGB entscheidet über die Ausübung des Eintrittsrechts. § 46 Nr. 8 GmbHG ist ebenfalls eine Ausnahmevor­ schrift, die sich nicht dem Allgemeinen Teil des Verbandsrechts zurechnen läßt72. Die Vorschrift ist im Kontext der GmbH-Verfassung zu sehen. Über­ dies wird aufzuzeigen sein, daß § 46 Nr. 8 ohnehin rechtspolitisch verfehlt ist. Schließlich ergibt sich aus § 116 Abs. 2 HGB keine generelle Pflicht, einen Ermächtigungsbeschluß vor Erhebung der Klage herbeizuführen73. Daß die Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche für Unruhe unter den Gesellschaftern sorgen kann, läßt diese Maßnahme nicht zum außerge­ wöhnlichen Geschäft werden. Bei der BGB-Gesellschaft entscheidet die gesellschaftsvertragliche Ord­ nung der Geschäftsführung im Einzelfall darüber, ob ein Gesellschafterbe­ schluß für Geschäftsführungsmaßnahmen erforderlich ist. Belassen es die Gesellschafter bei der gemeinschaftlichen Geschäftsführung, so ist für jedes Geschäft die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich, § 709 Abs. 1 BGB. Allenfalls hier ist ein Ermächtigungsbeschluß diskutabel. Das Fehlen des Beschlusses bewirkt nicht automatisch die Unzulässigkeit der Prozeßfüh­ rung. Die Zustimmung kann nachgeholt werden, und im Einzelklageprozeß kann das Gericht die Zustimmung ersetzen, wenn die Gesellschafter sie er­ teilen müßten und ihnen in geeigneter Form rechtliches Gehör gewährt wird74. Dann kommt es zu der zulässigen Verbindung von externer Prozeßstandschafterklage und interner Mitwirkungsklage75. - Die Geschäftsfüh­ rungszuständigkeit mag abweichend von § 709 BGB so getroffen sein, daß 71 Für die Extension von § 113 Abs. 2 HGB insbesondere Hadding JZ 1975, 159 (163). 72 Anders wohl Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 17 m.w.N. 73 Zu Einzelheiten sogleich unten. 74 Dazu mit skeptischer Grundhaltung gegenüber einer Zustimmungspflicht Münch­ Komm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 709 RdNr. 40 ff. 75 BGHZ 64, 253 (259).

nur bestimmte Gesellschafter geschäftsführungsbefugt sind. Ist dies gesche­ hen, so fragt sich, ob die Einzelklage durch die Ausübung des Widerspruchs­ rechts nach § 711 BGB suspendiert ist76. Das Widerspruchsrecht steht den zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern zu. Es handelt sich um einen Ausschnitt des Geschäftsführeramtes. Ratio legis ist die Gewährleistung des gleichberechtigten Einflusses der Geschäftsführer auf die Leitung der Gesell­ schaft77. Das Widerspruchsrecht darf nicht dazu benutzt werden, daß ein Geschäftsführer, gegen den Ersatzansprüche zu verfolgen sind, die Prozeß­ führung durch Einlegung seines Vetos verhindert. Das Widerspruchsrecht ist daher teleologisch zu reduzieren. Für die besondere Situation der Einzel­ klage gilt es nicht, da sein Inhaber befangen ist. Denn bei der Einzelklage funktioniert die Geschäftsführung partiell nicht und soll durch diesen Rechts­ behelf wieder hergestellt werden. Wollte man in dieser Situation § 711 BGB anwenden, würde der Sinn des Widerspruchsrechts pervertiert. Die Einzel­ klage statuiert ein subsidiäres Notgeschäftsführungsrecht jenseits der §§ 709 ff. BGB, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Ein Wider­ spruch gegen Maßnahmen der Notgeschäftsführung ist ausgeschlossen78. Gesondert zu prüfen ist, ob die Gesellschafter einer Haftungsklage da­ durch die Grundlage nehmen können, daß sie der Geschäftsführung Entla­ stung erteilen oder per Mehrheitsbeschluß auf den Anspruch verzichten. Bei­ des ist im Recht der Personengesellschaften grundsätzlich statthaft79. Hier­ von betroffen wäre die Sachlegitimation, nicht das Prozeßführungsrecht. An einen Verzicht sind jedoch sehr strenge Anforderungen zu stellen80. Der Schädiger darf an dem Verzichts- oder Entlastungsbeschluß wegen Interes­ senkollision nicht teilnehmen. Ferner ist entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG für den Eintritt der Verzichtswirkung eine Karenzzeit zu fordern. Aus 76 Die Anwendung von § 711 BGB auf diesen Fall ist im Schrifttum überaus umstritten, vgl. die Nachweise bei Grunewald (wie FN 72), S. 18 ff. 77 MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, §711 RdNr. 1; HEYMANN/EMMERICH, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 115 RdNr. 1. 78 MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 711 RdNr. 8 unter Hinweis auf § 744 Abs. 2 BGB. 79 In ständiger Rechtsprechung RG JW 1930, 704 (707) mit Anm. Flechtheim; BGH WM 1987, 725 (727); ebenso A. HUECK, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 12 Nr. 6 (S. 190 ff.); HEYMANN/EMMERICH, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 114 RdNr. 14. 80 BGH JZ 1975, 178 (180) verlangt nicht nur einen Mehrheitsbeschluß, sondern sieht in der Verfügung über einen Anspruch aus dem Gesellschaftsverhältnis eine Änderung des Gesellschaftsvertrages. Daraus folgt zum einen, daß diese Maßnahme der gewöhnlichen Ge­ schäftsführung entzogen ist. Des weiteren ist sie mit den nach Gesetz oder Gesellschaftsver­ trag erforderlichen Mehrheiten zu beschließen. Ein Entlastungsbeschluß muß mit dieser Mehrheit gefaßt werden. Einen Erlaßvertrag nach § 397 BGB können die geschäftsführungs­ befugten Gesellschafter alleine nicht beschließen, vielmehr muß ein Gesellschafterbeschluß mit qualifizierter Mehrheit hinzutreten.

Gründen des Schutzes der Gläubiger gegen den Entzug von Haftungssubstrat erscheint ferner eine Beschränkung der Verzichtsfolgen analog § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG angezeigt. Für Verzicht und Entlastung gilt gleichermaßen, daß die Vorfälle, aus denen der Anspruch entspringt, allen abstimmenden Gesell­ schaftern bekannt sein müssen, weil andernfalls der nötige Verzichtswille fehlt.

b) Voraussetzungen der Geltendmachung Für die Geltendmachung ist grundsätzlich kein Ermächtigungsbeschluß der Gesellschafter erforderlich. Falls ausnahmsweise ein Beschluß notwendig wird, sind die Gesellschafter nicht frei in ihrem Stimmverhalten, sondern können aus ihrer Treupflicht zur Zustimmung gehalten sein. Das Beschlußer­ fordernis darf nicht benutzt werden, um die Durchsetzung der Ansprüche zu blockieren. Bei der Realisierung von Schadensersatzansprüchen wegen pflichtwidriger Geschäftsführung ist eine Besonderheit zu beachten, die bei der Einzelklage wegen Einziehung der Einlagen keine Rolle spielt. Für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen steht den entscheidungsbefugten Gremien der Gesellschaft ein Ermessensspielraum zu. Einerseits setzt die Verbandsord­ nung auf die präventiv verhaltenssteuemde Wirkung der Haftungssanktion. Andererseits soll der Gesellschaft ein eigener Entscheidungsspielraum ver­ bleiben, weil die Geltendmachung solcher Ansprüche die reibungslose Zu­ sammenarbeit der Gesellschafter beeinträchtigt und das Gesellschaftsverhält­ nis so stark belasten mag, daß die Gesellschaft auseinanderbricht. Deshalb kann es aus übergeordneten Gesichtspunkten opportun sein, einem pflicht­ vergessenen Geschäftsführer einen Fehler ausnahmsweise nachzusehen, um eine ansonsten befähigte Kraft zu halten und nach außen das Image der Ge­ sellschaft nicht durch eine gerichtliche Auseinandersetzung durch Offenle­ gung interner Vorgänge zu schädigen. Hinzu kommt, daß die Geschäftsfüh­ rer bei der Ausübung ihres Amtes einen kaufmännischen Ermessensspiel­ raum haben81. Eine ex ante nach kaufmännischen Maßstäben vertretbare Entscheidung darf nicht im Wege der Regreßnahme ex post korrigiert und die unternehmerische Initiative der Geschäftsführung gelähmt werden. Der Haftungsmaßstab des § 708 BGB paßt zu dieser Überlegung. Der Geschäfts­ führer darf nicht in die Rolle des Versicherers des unternehmerischen Wagnisses gedrängt werden. Der Haftungsmaßstab bei den Personengesell­ schaften ist der einer gewissenhaften und ordnungsgemäßen Unternehmens­ 81 Dazu Grunewald DB 1981, 407 ff.; Scholz/U. H. Schneider, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 43 RdNr. 44 ff.

führung ergänzt um die Maßgaben des Gesellschaftsvertrages. Ob eine ver­ wirkte Haftung durchgesetzt wird, muß daher einem innergesellschaftlichen Abwägungsverfahren vorbehalten bleiben, in welchem das Für und Wider zu diskutieren ist. Dies geschieht im Rahmen des gesellschaftsintemen Vorver­ fahrens. Zeigt der Gesellschafter seine Klageabsicht an und stellen sich die übrigen Gesellschafter auf den Standpunkt, daß es nicht opportun ist, den Anspruch geltend zu machen, so behält die Gesellschaft nicht stets das letzte Wort. Vielmehr kann der zur Klage entschlossene Gesellschafter diese Er­ messensentscheidung überprüfen lassen. Das Gericht darf die Abwägung vollinhaltlich überprüfen, weil die Geltendmachung von Schadensersatzan­ sprüchen im Wege der Einzelklage von einem besonderen Interessenkonflikt bestimmt ist. Kein Geschäftsführer verspürt eine Neigung, einen Schadens­ ersatzanspruch gegen sich selbst oder einen Kollegen geltend zu machen oder einem anderen Gesellschafter die Klagebefugnis hierfür zuzusprechen. Daran darf die Anspruchsverfolgung aber nach dem Gesagten nicht scheitern.

3. Einzelklage wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrages durch andere Gesellschafter

Nicht nur die mit der Verwaltung der Gesellschaft beauftragten Gesell­ schafter können den Gesellschaftsvertrag verletzen. Jeder Gesellschafter ver­ stößt gegen den Gesellschaftsvertrag, wenn er mit seinen Beiträgen zum Ge­ sellschaftsvermögen im Rückstand gerät, seine Zustimmung zu wichtigen Geschäften versagt oder allgemein die gesellschaftliche Treupflicht verletzt. Eine denkbare Rechtsfolge ist eine Schadensersatzpflicht des Gesellschafters, die mit Hilfe der Einzelklage durchsetzbar ist. Ein besonderer Pflichtenver­ stoß liegt in der Verletzung des Wettbewerbsverbots. Auch wenn die §§ 705 ff. BGB abweichend von § 112 HGB kein Wettbewerbsverbot ken­ nen, wird für die geschäftsführenden Gesellschafter ein solches angenommen als Ausfluß ihrer Amtsstellung, die ihre ungeteilte Loyalität verlangt. Ver­ traglich begründete Wettbewerbsverbote sind gesellschaftsrechtlich zulässig, müssen im übrigen jedoch an § 1 GWB gemessen werden82. Ist ein Wettbe­ werbsverbot danach wirksam, so kann hinsichtlich der Rechtsfolgen auf die Ausführungen zu den §§ 112, 113 HGB verwiesen werden. Für die Ansprüche aus dieser Gruppe bleibt es bei den allgemeinen Re­ geln bezüglich der Zuständigkeitsverteilung. Die Geschäftsführung ist dem­ nach grundsätzlich einziehungsbefugt, jedem Gesellschafter steht aber eine Einzelklagebefugnis zu. Diese ist ebensowenig wie bei Ansprüchen gegen 82 Zum Diskussionsstand hinsichtlich der Wettbewerbsverbote bei der Gesellschaft bür gerlichen Rechts vgl. MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 705 RdNr. 194 ff.

die Geschäftsführer wegen pflichtwidriger Geschäftsführung von einem Be­ schluß der Gesellschafter abhängig, der die Geltendmachung anordnet. Durchzuführen ist ein gesellschaftsintemes Vorverfahren, das aber entbehr­ lich werden kann, wenn die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter an dem Verstoß beteiligt waren oder von ihm begünstigt sind und wenn offen­ sichtlich ist, daß sie den zu belangenden Gesellschafter schonen wollen. Wie bei den Schadensersatzansprüchen gegen Verwaltungsmitglieder ist es unter denselben Voraussetzungen statthaft, auf einen Ersatzanspruch zu verzichten.

4. Einzelklage wegen Vornahme oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen Wenn nach dem Vorstehenden festzuhalten bleibt, daß Schadensersatz­ ansprüche Gegenstand der Einzelklage des Gesellschafters sind, so ist als nächster Schritt die Frage angebracht, ob nicht eine Maßnahme der Ge­ schäftsführung gleichermaßen unterbunden bzw. herbeigeführt werden darf, wenn anderenfalls ein Schadensersatzanspruch entstünde. Im allgemeinen Zivil- und Schadensrecht gilt der Grundsatz, daß eine rechtswidrige zum Schadensersatz verpflichtende Handlung zu unterlassen ist, daß man also der Ausgleichspflicht des § 249 BGB den Unterlassungsanspruch des § 1004 BGB vorauszudenken hat. Der Rechtsinhaber ist von Rechts wegen ver­ pflichtet, eine Beeinträchtigung abzuwehren, statt sie geschehen zu lassen und Schadensersatz zu fordern. Das Verbandsrecht kennt ebenfalls kein Dulde und Liquidiere83. Daraus folgt, daß Unterlassungs- und Vomahmeanträge tauglicher Gegenstand der Einzelklage sind. Daß dieser Klageinhalt so­ gar eine unmittelbare Stütze im Recht der Personengesellschaften findet, zeigt sich im Widerspruchsrecht nach §711 BGB, §§115 Abs. 1, 164 HGB84. Widerspricht ein geschäftsführender Gesellschafter der Vornahme eines Geschäfts wirksam, so hat dieses gemäß § 711 Satz 2 BGB zu unter­ bleiben. Der Unterlassungsanspruch ist mittels Einzelklage zu verfolgen, damit das Widerspruchsrecht nicht durch den faktischen Vollzug der Maß­ nahme gegenstandslos wird. Einzelklagen, die die Vornahme oder Unterlassung von Geschäftsfüh­ rungsakten zum Gegenstand haben, kollidieren am stärksten mit dem Ge­ schäftsführungsrecht der Verwaltung und greifen am intensivsten in die ge­ sellschaftliche Kompetenzordnung ein. Dies besagt indessen nicht, daß sol­ che Klagen von vornherein unzulässig oder zusätzlichen Restriktionen zu unterwerfen sind. Den gegenteiligen Standpunkt hat die Rechtsprechung frü­ 83 BGHZ 110, 323 (329 ff.). 84 So der Hinweis von Grunewald (wie FN 72), S. 28

her für die Publikumspersonengesellschaft eingenommen85. Es wird die un­ haltbare Differenzierung getroffen, daß der Gesellschafter zwar mit Hilfe der actio pro socio einen Schadensersatzanspruch gegen Verwaltungsmitglieder verfolgen kann, jedoch nicht die schadenstiftende Handlung selbst verhin­ dern darf. In der Personengesellschaft können auch die nicht geschäftsfüh­ rungsberechtigten Gesellschafter Unterlassung von Handlungen verlangen, deren Vornahme die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung verlet­ zen würde86. Dasselbe gilt umgekehrt für die Vornahme von Handlungen. Bei den Personalgesellschaften existiert ebenfalls der dem Allgemeinen Ver­ bandsrecht innewohnende Grundsatz der gesetzes- und gesellschaftsvertrags­ konformen Verwaltung. Die Verhinderung oder Erzwingung einer Maß­ nahme ist für die Gesellschaft um so wertvoller, je ungewisser die Solvenz derjenigen Personen ist, die auf Schadensersatz haften. Bei Transaktionen, bei denen die Existenz der Gesellschaft auf dem Spiel steht, reicht das Ver­ mögen der Verwaltungsmitglieder oftmals nicht hin, den Schadensersatz auf­ zubringen. Die Einzelklage muß die Variante einschließen, den Schaden zu verhüten, weil sonst die Gesellschaft mit dem vollen Risiko der Insolvenz des Haftungsschuldners belastet bliebe. Diese Überlegung wiegt schwerer als die von der Rechtsprechung stets überbewertete Störung der gesellschaft­ lichen Zuständigkeitsordnung. Das Bindeglied zwischen Einzelklagebefugnis und Zuständigkeitsordnung liegt in dem Geschäftsleiterermessen. Das Ermessen des Geschäftsführungs­ organs bei der Vornahme oder Unterlassung gewisser Handlungen ist weit, aber nicht schrankenlos. Seine Grenzen sind in erster Linie umschrieben durch die Vorgaben des Gesellschaftsvertrages. Das Geschäftsführer­ ermessen ist nach Treu und Glauben auszuüben. Eine Maßnahme darf nicht illegal sein, d.h. gegen Strafvorschriften oder öffentliches Recht verstoßen, eine Verschwendung von Gesellschaftsmitteln 87 bedeuten oder außerhalb des 85 BGHZ 76, 160 (162 ff.). Gegen die Einzelklage eines Gesellschafters als Unterlas­ sungsklage bereits dezidiert RG DR 1944, 575 (576); Erman/H. P. Westermann, Komm.z.BGB, 9. Aufl. 1993, § 705 RdNr. 55; Schlegelberger/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1986, § 161 RdNr. 69; weitergehend Lutter AcP 180 (1980), 84 (139 f.) mit Verweis auf BGH LM HGB § 109 Nr. 7. Die genannten Entscheidungen sind nach der grundsätzlichen Kehrtwendung der Rechtsprechung in BGHZ 83, 122 bezüglich der Unterlassungsklage eines Aktionärs in einem anderen Lichte zu sehen. 86 Anderer Ansicht noch BGHZ 76, 160 zur Publikums-KG. Für die Publikums-KG ist dieser Standpunkt um so unverständlicher, als dort das Gesellschaftsrecht in zunehmendem Umfange die Funktion des Anlegerschutzes übernehmen muß. Zutreffend hatte bereits RG JW 1937, 235 festgehalten, daß die Erzwingung gesellschaftsvertraglicher Pflichten im Wege der Unterlassungsklage geschehen kann und daß diese Klage dem Wesen der OHG nicht widerspreche. Dies läßt sich ohne weiteres auf alle übrigen Personalgesellschaften übertragen. 87 Die Mitglieder der Verwaltung einer Gesellschaft sind in dieser Eigenschaft keine Unternehmer für eigene Rechnung, sondern haben die Vermögensinteressen der Gesellschaft

Gesellschaftsvertrages liegen. Eine Geschäftsführungsentscheidung darf schließlich nicht der Selbstbegünstigung der Geschäftsführer dienen88. Jen­ seits dieser Grenzen verdient eine Entscheidung keinen Respekt und ist er­ messensfehlerhaft. Sie kann gerichtlicherseits aufgehalten werden, notfalls im Wege der einstweiligen Verfügung. Die effektive Durchsetzung von Un­ terlassungsansprüchen ist bei Personengesellschaften wichtig, weil die Ge­ sellschafter nicht nur ihr Investment in der Gesellschaft den Risiken eines Geschäfts aussetzen, sondern obendrein von der Gefahr persönlicher Haftung bedroht sind. Für die Durchführung der Einzelklage gilt: Der Gesellschafter-Kläger hat der Gesellschaft seine Absicht anzuzeigen, so daß Zeit für die Überlegung bleibt, ob die streitige Maßnahme nicht doch zu unterlassen ist. Ein Gesell­ schafterbeschluß ist für die Klage in der Regel keine Zulässigkeitsvorausset­ zung.

5. Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Dritte

Bisher waren als Gegenstand der Einzelklage nur gesellschaftsinteme An­ sprüche der Gesellschaft zu behandeln. Darüber hinaus können der Gesell­ schaft Ansprüche gegen Dritte zustehen, die nicht sozialrechtlicher Natur sind89. Dritter in diesem Sinne ist jede nicht am Gesellschaftsverhältnis be­ teiligte Person. Dritter kann aber überdies ein Gesellschafter sein, der mit Bezug auf eine Forderung der Gesellschaft wie ein Unbeteiligter gegenüber­ tritt, z.B. ein Umsatzgeschäft mit der Gesellschaft abschließt. Da die Einzel­ klage dem Schutze des Gesellschaftsvermögens dient, spielt es keine Rolle, ob die einzuziehende Forderung aus dem Innen- oder aus dem Außenverhält­ nis herrührt. a) Ausgangslage

Geht es um die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte, so kollidiert die Einzelklagebefugnis mit den Kompetenzen der vertretungsbefugten Ge­ wahrzunehmen. Die Eigenart dieser Tätigkeit verlangt zwar nach einer gewissen Beweglich­ keit. Dennoch zog bereits ROHGE 24, 222 (226 ff.) eine Parallele zu den Verwaltern frem­ den Vermögens im bürgerlichen Recht wie Vormund oder Testamentsvollstrecker. 88 Insoweit ist BGHZ 76, 160 nicht streng genug. 89 Nitschke ZHR 128 (1966), 48 (54 ff.); Überblick zur Rechtsprechung bei Had­ ding, Actio pro socio, 1966, S. 111. Zum Teil nimmt man ohne nähere Begründung (vgl. etwa HEYMANN/EMMERICH, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 109 RdNr. 27) an, Ansprüche gegen Dritte seien nur bei der OHG mit Hilfe der actio pro socio verfolgbar. Für das Gegenteil spricht sich BGHZ 39, 14 aus.

sellschafter. Generell erfolgt die Geltendmachung von Gesellschaftsforde­ rungen gegen Dritte durch die vertretungsbefugten Gesellschafter, doch hat die Rechtsprechung mit schwankender Großzügigkeit dem Grundsätze nach anerkannt, daß die Einzelklage solche Forderungen zum Inhalt haben kann90. Für diese externe Gesamthänderklage91 knüpft die Rechtsprechung an die gesellschaftsvertraglich bestimmte Vertretungsordnung an. Drittforde­ rungen können von jedem Gesellschafter im Wege der Einzelklage jedenfalls durchgesetzt werden, wenn Gesamtvertretungsbefugnis aller Gesellschafter vereinbart ist. Als Rechtsgrundlage wird auf die §§ 432, 2039 BGB zurück­ gegriffen. Nicht die Gesellschaft ist Partei und gegebenenfalls Prozeßkosten­ schuldner, sondern der klagende Gesellschafter92. Weicht der Gesellschafts­ vertrag hingegen vom Leitbild der Gesamtvertretung ab und nimmt gewisse Gesellschafter von der Vertretung aus, so sind diese Gesellschafter nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts ebenso von der Einzelklage ausgeschlos­ sen93. Der Bundesgerichtshof hat hieran im Grundsatz angeschlossen, jedoch eine bedeutsame Erweiterung angefugt94: Das Einzelklagerecht des von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossenen Gesellschafters ist abweichend von der normalen Vertretungsregelung begründet, wenn dieser Gesellschafter ein berechtigtes Interesse an der Klage hat, das mit dem Gemeinschaftsinte­ resse nicht im Widerspruch steht. Jenes berechtigte Interesse ist namentlich anzunehmen, wenn der in Anspruch zu nehmende Schuldner der Gesellschaft mit dem vertretungsberechtigten Gesellschafter in kollusiver Weise zusam­

90 Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung bei Grunewald, Die Gesellschafter­ klage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 40 ff.; Nitschke ZHR 128 (1966), 48. 91 Zur Terminologie vgl. Nitschke ZHR 128 (1966), 48 (52 ff.). 92 So Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 IV 7a (S. 645), der jedoch zu erkennen gibt, daß diese starre Kostentragungsregel nur im Außenverhältnis gelten soll. 93 RGZ 86, 66 (71); RG JW 1915, 273 (274); 1916, 837 mit Anm. Flechtheim; 1935, 3296 (3297); BGH NJW 1973, 2198. RGZ 86, 66 gewinnt diese Einschränkung, die RGZ 70, 32 nicht enthielt, aus einem Ver­ gleich mit den Gesamthandsgemeinschaften des Familienrechts. Danach besteht dort keine Einzelklagebefugnis entsprechend § 432 BGB, wenn der Ehemann bzw. die Witwe vereinba­ rungsgemäß die ausschließliche Verfügungsgewalt hinsichtlich des Gesamtgutes innehaben. Die Gesamthandsgemeinschaften des bürgerlichen Rechts sind jedoch mit den Handelsgesell­ schaften nur sehr bedingt vergleichbar. Bei den Handelsgesellschaften tritt das organisations­ rechtliche Element stärker in den Vordergrund. Sie sind stärker auf eine aktive Teilnahme am Rechtsverkehr angelegt. Im übrigen entgeht dieser einseitig auf die Strukturprinzipien der Gesamthand fixierten Betrachtungsweise der ordnungspolitische Auftrag der Einzel­ klage, der für das gesamte Verbandsrecht gilt. 94 BGHZ 12, 308 (311); 17, 340 (346); 39, 14 (20).

mengewirkt hatte und die Klageerhebung namens der Gesellschaft deshalb unterblieben war95. Diese Differenzierung fordert zur Kritik heraus. Die Einzelklagebefugnis besteht gerade nicht in Abhängigkeit zur gesellschaftsvertraglichen Vertre­ tungsordnung, sondern durchbricht diese. Es wurde ausgeführt, daß weder der Gesellschaftsvertrag noch sonstige Abmachungen die Einzelklagebefug­ nis ausschließen oder einschränken dürfen. Genau das geschieht indessen, wenn mit einer Abweichung von der gesetzlichen Vertretungsregelung das Einzelklagerecht gleichermaßen präjudiziert wäre. Richtig ist demgegenüber, daß die Einzelklagebefugnis der Vertretungszuständigkeit als immanente Schranke vorauszudenken ist. Tritt das Einzelklagerecht in Funktion, so steht fest, daß die normale Vertretungsregelung versagt hat. Mit der Kontroll­ funktion der Einzelklage ist es unvereinbar, Einzelklage- und Vertretungsbe­ fugnis zu verquicken. Hat der Gesellschaftsvertrag einzelne Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen, wächst den übrigen eine umso größere Machtfülle zu. Damit erhöht sich der Kontrollbedarf entspre­ chend. Die Einzelklage bildet das natürliche Gegengewicht. Die Fallgruppe der Einzelklage mit dem Gegenstand der Realisierung von Forderungen gegen Dritte muß in Übereinstimmung gebracht werden mit der Einzelklage, durch die die Geschäftsführung zu einem Tun oder einem Un­ terlassen anzuhalten ist. Bejaht man jene Form der Einzelklage, dann ist es nur konsequent, die Befugnis ins Außenverhältnis durchschlagen zu lassen. Die Durchschaltung ins Außenverhältnis bedeutet nur eine konstruktive Ab­ breviatur im Vergleich zu einem weniger verfahrensökonomischen Ablauf: Der Gesellschafter-Kläger könnte nämlich das gleiche Ergebnis erzielen, in­ dem er das Vertretungsorgan gesellschaftsintem in einem ersten Prozeß zwingt, im Außenverhältnis gegen den Dritten vorzugehen, was anschließend in einem weiteren Prozeß zu geschehen hätte96. Der klage willige Gesell­ schafter muß nicht vorrangig versuchen, auf eine Neuordnung der Vertre­ tung hinzuwirken (§ 715 BGB, § 127 HGB), so daß ein neuer Vertreter die Durchsetzung besorgt. Aus der Langwierigkeit dieser Prozedur würde am Ende nur der Gesellschaftsschuldner Nutzen ziehen. Der im folgenden ent­ wickelte Ansatz eines Verbundverfahrens zur Klärung der Klagebefugnis des Gesellschafters und der Anspruchsberechtigung der Gesellschaft bei der ins Außenverhältnis übergreifenden Einzelklage bietet - ganz abgesehen von 95 BGHZ 17, 340 (346); 39, 14 (16); BGH WM 1988, 12 (13); OLG Zweibrücken OLGZ 1973, 316 (320) verlangt, daß die Verweigerung der Klageerhebung auf gesell­ schaftswidrigen Gründen beruht und daß der mit der Klage zu belangende Schuldner auf diese Entscheidung Einfluß genommen hat. Das ist weniger als Kollusion. 96 Im Sinne einer solchen Stufenlösung namentlich Kübler, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1990, § 6 II 3b (S. 50).

der Prozeßökonomie — vor allem den Vorzug, daß die Verjährung des An­ spruchs gegen den Gesellschaftsschuldner unterbrochen wird (§ 209 Abs. 1 BGB). Ein Verfahren, das dieses Ziel nicht erreicht, verfehlt seinen Zweck von vornherein. Wenn es gelingt, die entsprechenden verfahrensrechtlichen Absicherungen anzubringen, die die tangierten Interessen schützen, so sind keine Gründe er­ sichtlich, warum man nicht gesellschaftsinteme und -externe Erzwingung in einem Verfahren zusammenführt. Die getrennte Behandlung ist unwirt­ schaftlich und bringt letztlich keinem der Beteiligten einen Vorteil97. Der Gesellschaft droht ein Rechtsverlust durch Eintritt der Verjährung bzw. Verwirkung ihres Rechts. Der Schuldner soll aus den gesellschaftsinternen Querelen nicht den Vorteil haben, sich der Erfüllung seiner Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft mit Erfolg zu entziehen. Überdies mag sich seine Liquiditätslage verschlechtern. Dies läßt es als gerechtfertigt erscheinen, die Einzelklage auch im Außenverhältnis zu Dritten zum Einsätze kommen zu lassen98. Gibt das Gericht der Klage statt, dann beinhaltet das Urteil zwei Aussagen: Die Geltendmachung der Forderung entspricht gesellschaftsintem den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsführung, zum anderen steht fest, daß der Dritte der Gesellschaft gegenüber leistungspflichtig ist. Die äl­ tere Rechtsprechung verwies den klagewilligen Gesellschafter zum Teil auf die Vorgreiflichkeit einer internen Klageerzwingung oder wenigstens auf eine Ermächtigung durch die Gesellschaft, weil nur so die schutzwürdigen Belange des Dritten zu wahren seien99. Das Interesse des Schuldners der Ge­ sellschaft bestehe insbesondere darin, daß der Streitgegenstand der gegen ihn gerichteten Leistungsklage nicht mit der hiervon ganz anderen Rechtsfrage befrachtet wird, ob der Gesellschafter-Kläger qua internem Organisations­ recht zur Klageerhebung befugt ist. Dies sei dem Dritten ausnahmsweise nur zuzumuten, wenn er in die die Klagebefugnis begründenden Umstände ver­ strickt war. Der Schutz des Gesellschaftsschuldners ist ein prinzipiell ernstzunehmen­ der Gesichtspunkt bei der ins Außenverhältnis greifenden Einzelklage. Den­ noch rechtfertigt er nicht die Durchführung zweier getrennter Prozesse. Der Dritte ist, selbst wenn er nicht in die Vorfälle verwickelt ist, die für die Ver­ 97 BGHZ 39, 14 (17 ff.); BGH WM 1988, 12 (13). 98 Den Durchgriff der Einzelklage ins Außenverhältnis will BGHZ 39, 14 (17 ff.) nur unter der Bedingung zulassen, daß der Kläger ein eigenes rechtliches Interesse hat, das dem Gemeinschaftsinteresse nicht widerstreitet, und daß der Gesellschaftsschuldner über den ge­ schäftsführungsbefugten Gesellschafter auf die Entscheidung der Gesellschaft Einfluß ge­ nommen hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so mutet die ältere Rechtsprechung dem klagewilligen Gesellschafter den umständlicheren Weg der internen Klageerzwingung zu. 99 BGHZ 39, 14 (19).

zögerung der Rechtsverfolgung ursächlich sind, durch das allgemeine Pro­ zeßrecht hinreichend geschützt. Auszugehen ist von dem prozessualen Grundsatz, daß der Kläger den Streitgegenstand vorgibt und daß der Be­ klagte dies hinzunehmen hat. Das deutsche Zivilprozeßrecht kennt Verbund­ verfahren mit komplexeren Streitgegenstandsstrukturen im Interesse einer prozeßökonomischen Verfahrensabwicklung. Selbst wenn die Schwelle zur Kollusion nicht überschritten ist, ist ein Schuldner der Gesellschaft in seinem Bestreben nicht schutzwürdig, die innergesellschaftlichen Meinungsverschie­ denheiten über die Durchsetzung seiner Schuld zu benutzen, um seiner Lei­ stungspflicht zu entgehen. Der Schuldner ist aller Sorgen um die gesell­ schaftsinternen Vorgänge ledig, wenn er sich so verhält, wie er sich nach dem Inhalt seines Schuldverhältnisses mit der Gesellschaft verhalten soll. Schlimmstenfalls kann sich der Schuldner durch Hinterlegung befreien. Im übrigen muß sich der Gesellschaftsschuldner nicht um die Interna kümmern. Im Prozeß mit einem in Einzelklage vorgehenden Gesellschafter darf er, da ihn keine Vergewisserungspflicht trifft und da er kein Informationsrecht ge­ gen die Gesellschaft hat, alle die Einzelklagebefugnis betreffenden Behaup­ tungen mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) bestreiten. Ihn trifft weder die Darlegungs- noch die Beweislast hinsichtlich solcher Tatsachen. Durch das Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO sind diese Tatsachen wirksam bestritten und bedürfen des Beweises, der dann dem Kläger obliegt. Der Beklagte ist sodann entlastet. Ist dieses Verfahrensstadium erreicht, so dreht sich der Streit um die Berechtigung der Untätigkeit der vertretungsbe­ fugten Gesellschafter. Ein solcher Szenenwechsel im Prozeß ist nichts unge­ wöhnliches100. Die Kombination der Klagen in einem Klagenverbund läßt die Situation des Dritten wenigstens unberührt; wenn er mit § 138 Abs. 4 ZPO operiert, eröffnet er sich ein zusätzliches Mittel, die Klage zu Fall zu bringen, indem er die Einzelklagebefugnis verteidigungsweise bestreitet. Der Dritte nimmt so Rechte der Gesellschaft wahr, die nach tradierter Auffas­ sung am Prozeß überhaupt nicht beteiligt ist. b) Vorverfahren und Streitbeteiligung der Gesellschaft Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß das Einzelklageverfahren nach heutigen Maßstäben von Grund auf neu durchdacht werden muß. Die ältere Rechtsprechung101 hatte richtig erkannt, daß das Beziehungsgeflecht Gesellschafter-Kläger/Gesellschaft/Gesellschaftsschuldner von unterschiedlichen Interessen bestimmt ist. Dies schließt andererseits nicht aus, ihren Ausgleich 100Vgl. nur den Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Nebenintervention nach § 71 ZPO. 101BGHZ 39, 14 (17 ff.).

in einem Verfahren anzustreben, anstatt zwei nacheinander ablaufende Pro­ zesse zu fordern. Gerade wenn die Einzelklage zum Ziel hat, Ansprüche gegen Dritte durchzusetzen, besitzt das gesellschaftsinteme Vorverfahren besonderes Ge­ wicht. Es bringt ersten Aufschluß darüber, warum die Forderung der Gesell­ schaft nicht realisiert werden soll und ob diese Entscheidung noch vom Lei­ tungsermessen der Gesellschaftsorgane gedeckt ist. Im Regelfall entspricht die Durchsetzung einer fälligen Forderung der Gesellschaft den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Daraus folgt umgekehrt aber nicht, daß jede Nichtgeltendmachung gesellschaftswidrig wäre. Den Gesell­ schaftsorganen verbleibt ein Ermessensspielraum. Es mag besser sein, einem guten Kunden aus Kulanzgründen eine Forderung durch Nichtdurchsetzung faktisch zu erlassen, als eine ansonsten gute Geschäftsverbindung zu gefähr­ den. Liegt der Fall tatsächlich so, daß der Dritte sich mit dem Geschäftsfüh­ rungsorgan zum Nachteil der Gesellschaft verschworen hat, dann stellt die Entscheidung der Geschäftsführung, den Dritten nicht zu belangen, einen Ermessensfehlgebrauch dar. In rechtlicher Hinsicht wird eine kaufmännische Leitungsentscheidung fehlerhaft, wenn eine Maßnahme oder Unterlassung Recht und Gesetz, den Gesellschaftsvertrag oder bindende Gesellschafterbe­ schlüsse verletzt. Dies ist gerichtlicherseits überprüfbar. Das Ergebnis des Vorverfahrens muß in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren Berücksichtigung finden, weil hiervon die Einzelklagebefugnis abhängt. Das moderne Verfahrensrecht, in das zunehmend Vorgaben des Verfassungsrechts einfließen (z.B. Art. 103 Abs. 1 GG), gebietet, daß die Gesellschaft, deren Rechte unmittelbar betroffen sind, am Prozeß zu beteili­ gen ist102. Durch die Einbeziehung der Gesellschaft werden die materielle und die prozessuale Streitebene wieder zur Deckung gebracht. Prozeßtech­ nisch kann die Einbeziehung der Gesellschaft durch Information von Seiten des Gerichts erfolgen, die verglichen mit den Prozeßordnungen des öffent­ lichen Rechts einer Beiladung gemäß § 65 VwGO nahekommt, oder durch obligatorische Streitverkündung des Gesellschafter-Klägers an die Gesell­ schaft. Davon unabhängig hat die Gesellschaft das Recht zur Hauptinterven­ tion nach § 64 ZPO. Die Beteiligung der Gesellschaft ist in jedem Falle Vor­ aussetzung dafür, daß das Urteil sie bindet. 102Grundlegend BVerfGE 60, 7. Diese Entscheidung ist zwar zur Auflösungsklage nach § 61 GmbHG ergangen, im Grunde formuliert sie jedoch allgemeingültige Rechtssätze für das Verfahren bei den Gesellschafterklagen. Hält man BVerfGE 60, 7 neben BGHZ 39, 14 (18), so wird deutlich, daß die in BGHZ 39, 14 gegen ein Verbundverfahren geäußerten Be­ denken durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung ausräumbar werden. Bei Streitbeteili­ gung der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter können diese direkt ihre Argumente gegen eine Klageerhebung vorbringen, so daß das Gericht diese Vorfrage mit aburteilen kann.

Für die Rechtsstellung des Dritten gilt: Seine Lage ist nicht verschieden von der normalen Situation der Prozeßführung durch die Gesellschaft selbst. Aus dem Umstand, daß in dem Verfahren um seine Leistungspflicht noch ein anderes Streitthema abzuhandeln ist, darf ihm kein Nachteil erwachsen. Dies geschieht einmal durch § 138 Abs. 4 ZPO für das Verfahren selbst. Ferner gilt es für die prozessualen Wirkungen von Rechtskraft und Rechtshängig­ keit. Ein klageabweisendes Sachurteil hindert die Gesellschaft und einen an­ deren Gesellschafter an erneuter Klageerhebung. Während des Bestehens der Rechtshängigkeit der Einzelklage kann ein Verfahren mit demselben Streit­ gegenstand nicht anhängig gemacht werden.

II. Die Einzelklagebefugnis bei der Offenen Handelsgesellschaft Die Einzelklagebefugnis bei der OHG ist ebenfalls anerkannt103. Denn dieser Rechtsbehelf ist kein Spezifikum der BGB-Gesellschaft und von der Verweisung in § 105 Abs. 2 HGB eingeschlossen. Denkbar ist die Klage mit den fünf für die GbR dargestellten Anspruchsinhalten. Allerdings ist das nicht unumstritten.

1. Besonderheiten der OHG

Ohne den alten Streit über die rechtliche Natur der OHG hier auszubrei­ ten, läßt sich aus § 124 HGB im Vergleich zu den §§ 705 ff. BGB der Schluß ziehen, daß die OHG eine stärkere Trennung von Gesellschaft und Gesellschaftern kennt. Bei der OHG sind die Verwaltungsbefugnisse mit ei­ nem stärkeren Bestandsschutz versehen (arg. §§ 117, 127 HGB). Hier zeigt sich, daß unternehmenstragende Gesellschaften in organisatorischer Hinsicht nicht ohne ein zentralisiertes Management auskommen. Der Entzug der Ge­ schäftsführungsbefugnis (§ 117 HGB) sowie der Entzug der Vertretungs­ macht (§ 127 HGB) ist von einem gerichtlichen Urteil abhängig. Dennoch sind bei der Einzelklage, die das Verwaltungsmonopol partiell durchbricht, auch im Recht Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich keine Abstriche zu machen104. Vor allem bei den unternehmenstragenden Personengesell­ schaften verbietet sich eine Verabsolutierung der Verwaltungsbefugnisse. Es 103Seit ROHGE 5, 201 (203) ständige Rechtsprechung. Umfassende Nachweise hierzu bei A. HUECK, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 18 II 3 (S. 261). 104Anders noch BGH JZ 1975, 178 (179/80); zutreffend dagegen HEYMANN/EMMERICH, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 109 RdNr. 17 ff., der der actio pro socio einen tendenziell weiten Anwendungsbereich einräumt.

geht um die Kontrolle der Verwaltung unabhängig davon, ob die Gesell­ schaft rechtsfähig ist oder nicht. Gerade weil die Verwaltung in den Perso­ nenhandelsgesellschaften schwerer auswechselbar ist, ist die Einzelklagebe­ fugnis noch notwendiger und wahrt im Vergleich zu den Verfahren nach §§ 117, 127 HGB den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel.

2. Die Inhalte der Einzelklage bei der OHG Keine Abweichungen gegenüber der Rechtslage bei der BGB-Gesellschaft ergeben sich für die Einzelklage wegen Beitreibung der Einlagen und wegen der Haftung von mit Verwaltungsaufgaben betrauten Gesellschaftern. Ge­ sondert zu prüfen ist die Fallgruppe der Verletzung des Gesellschaftsvertra­ ges bei Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsverbot nach § 112 HGB. Im Recht der OHG ist dieser Verstoß gegen die gesellschaftlichen Pflichten besonders herausgehoben. Die Ansprüche der Gesellschaft, die sich aus der Verletzung des Wettbewerbsverbots ergeben, können nur geltend gemacht werden, wenn dies die übrigen Gesellschafter beschließen105. Zur Durchset­ zung des Anspruchs verlangt § 113 Abs. 2 HGB einen Beschluß sämtlicher Gesellschafter. An diesem Beschluß sind aber keine zu hohen Anforderungen zu stellen; eine konkludente Zustimmung genügt106. Der Gesellschafterbeschluß nach § 113 Abs. 2 HGB ist nicht so sehr als Voraussetzung des Ob der Anspruchsrealisierung zu sehen, viel eher legt er den Inhalt des Anspruchs der Gesellschaft fest. Die Gesellschaft hat ein Wahlrecht zwischen grundverschiedenen Ansprüchen nach § 113 Abs. 1, nämlich den auf Schadensersatz oder das Eintrittsrecht. Dieses Wahlrecht darf der in Einzelklage auftretende Gesellschafter nicht eigenmächtig an sich ziehen. Vor diesem Hintergrund wird das Zustimmungserfordernis verständ­ lich. Hinsichtlich des Ob sind die Gesellschafter in ihrer Entscheidung nicht frei, was sich aus § 112 Abs. 2 HGB herleiten läßt. Nur mit Einwilligung, also der vorherigen Zustimmung (§ 183 Satz 1 BGB), kann ein Gesellschaf­ ter von seiner Pflicht nach § 112 Abs. 1 HGB wirksam befreit werden. Liegt dieser Dispens nicht vor, so löst ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot automatisch die Haftung nach § 113 Abs. 1 aus. Die übrigen Gesellschafter können die Rechtsfolge des § 112 Abs. 2 HGB nachträglich nicht dadurch herbeiführen, daß sie auf die Geltendmachung verzichten oder den entstan­ denen Anspruch kurzerhand nach § 113 Abs. 3 HGB verjähren lassen. Sind die Ansprüche der Gesellschaft nach § 113 Abs. 1 einmal entstanden, so kann nur eine Änderung des GesellschaftsVertrages, die in der Regel Ein105Baumbach/Hopt, Komm.z.HGB, 29. Aufl. 1995, § 113 RdNr. 7. 106BGH WM 1957, 1128 (1130); 1984, 227 (229 f.); ULMER, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1988, § 113 RdNr. 30.

Stimmigkeit voraussetzt, diese Ansprüche wieder beseitigen. Will nur ein Gesellschafter den Anspruch der Gesellschaft im Wege der Einzelklage reali­ sieren, so dürfen sich die übrigen Gesellschafter nicht verweigern und müs­ sen klären, ob die Gesellschaft den Schadensersatz oder das Eintrittsrecht wählt. Das Wahlrecht aus § 113 Abs. 1 HGB steht allen Gesellschaftern als Grundlagenkompetenz zu. § 113 Abs. 2 ist dahin zu verstehen, daß die Ge­ sellschafter darüber beschließen, welcher Anspruch aus § 113 Abs. 1 HGB geltend zu machen ist, nicht, ob überhaupt eine Geltendmachung stattfinden soll. Alle anderen Ansprüche, die mit der Einzelklage verfolgbar sind, können ohne Zustimmungsbeschluß geltend gemacht werden. Weder aus § 113 Abs. 2 HGB noch aus § 46 Nr. 8 GmbHG folgt eine Zustimmungspflicht. Insbe­ sondere läßt sich aus § 116 Abs. 2 HGB nicht ableiten, daß bei OHG und KG generell ein Ermächtigungsbeschluß der übrigen Gesellschafter zur Wirksamkeit der Klageerhebung erforderlich ist107. Auszugehen ist vom Kontext und vom Zweck der Norm. § 116 Abs. 2 HGB erfaßt, wie eine Zu­ sammenschau mit Abs. 1 zeigt, diejenigen Geschäftsführungshandlungen, die das Maß dessen übersteigen, was noch zu den gewöhnlichen Betriebsge­ schäften der Gesellschaft gehört. Abzustellen ist auf die konkrete Geschäfts­ führungsmaßnahme, d.h. die mit der Einzelklage beizutreibende Forderung. Zu fragen ist, ob die Maßnahme, würde sie von den geschäftsführenden Ge­ sellschaftern vorgenommen, § 116 Abs. 2 HGB unterfiele, nicht aber, ob die Kompetenzdurchbrechung, die die Einzelklage mit sich bringt, ungewöhnlich ist. Hebt man auf die Kompetenzdurchbrechung ab, so wäre jede Einzelklage bereits definitionsgemäß ein ungewöhnliches Geschäft im Sinne von § 116 Abs. 2 HGB. Alle Geschäfte, die in einem Handelsgewerbe, wie es von der OHG be­ trieben wird, vorkommen, sind gewöhnliche Geschäfte nach § 116 Abs. 1 HGB. Die Abgrenzung zu den außergewöhnlichen Geschäften ist mit mate­ riellen, nicht mit statistischen Kriterien zu leisten. Richtmaß ist der Zweck der Gesellschaft108. Ungewöhnlich sind Geschäfte, die dem Zweck der Ge­ sellschaft ganz fremd sind. Ungewöhnlich für ein Handelsgewerbe ist eher die Nichteinziehung einer Forderung als eine Einziehung. Ungewöhnlich nach § 116 Abs. 2 ist nicht gleichbedeutend mit selten109. So mag ein Ereig­ nis von seiner Eintrittswahrscheinlichkeit her betrachtet relativ selten sein,

107Hierzu näher Grunewald (wie FN 72), S. 49 ff. 108So zutreffend HEYMANN/EMMERICH, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 116 RdNr. 2 und 3. 109RGZ 42, 69 (73) zur Auslegung von § 496 Abs. 2 HGB heutiger Fassung.

die Maßnahme jedoch, die daraufhin zu ergreifen wäre, kann gewöhnlich und geboten sein. Gegen eine Anwendung von § 116 Abs. 2 HGB bestehen davon abgese­ hen Bedenken ganz grundsätzlicher Natur. § 116 HGB steht im Zusammen­ hang mit § 109 HGB110 und beschreibt den gewöhnlichen Wirkenskreis des Geschäftsführungsorgans. Die Befugnis zur Geschäftsführung wird durch den Gesellschaftsvertrag verliehen. Um diese umfassende Geschäftsfuhrungsmacht geht es bei der Einzelklage nicht. Die Einzelklagebefugnis hat zwar punktuellen Geschäftsführungscharakter, doch wird sie nicht durch den Gesellschaftsvertrag verliehen. Sie ergänzt die gesetzliche Kompetenzord­ nung. Das Schrifttum will insoweit eine Differenzierung anbringen: Ist es das Ziel der Einzelklage, die Einlageforderung der Gesellschaft durchzuset­ zen, so wird kein Beschluß gemäß § 116 Abs. 2 HGB gefordert111. Ist aber mit der Einzelklage ein Schadensersatzanspruch, ein Anspruch auf Tun oder Unterlassen oder ein Anspruch gegen Dritte zu realisieren, so soll nach die­ ser Ansicht ein Ermächtigungsbeschluß Zulässigkeitsbedingung sein112. Dem kann nicht gefolgt werden. § 116 Abs. 2 HGB ist auf die Einzel­ klage mit allen denkbaren Anspruchsinhalten unanwendbar. Hat die Klage die Durchführung von Ersatzansprüchen gegen die geschäftsführenden oder vertretungsbefugten Gesellschafter zum Gegenstand, dann folgt nach der Ge­ genmeinung das Beschlußerfordernis daraus, daß ein solcher Prozeß zwangsläufig zur Zerrüttung des Gesellschaftsverhältnisses führt und die Verfolgung des gemeinschaftlichen Zweckes gefährdet. Die Entscheidung für oder gegen das Erfordernis eines Ermächtigungsbeschlusses muß in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Hierbei geht es nicht nur um die dogmatisch zutreffende Interpretation von Normen des Gesellschaftsrechts. Beharrt man auf dem Erfordernis des Zustimmungsbeschlusses, so nimmt dies der Einzelklage viel von ihrer Schlagkraft113. Sicher ist der Betroffene selbst bei einer Beschlußfassung nach § 116 Abs. 2 HGB wegen seiner Ver110Dies bedeutet indes nicht, daß der Gesellschaftsvertrag § 116 HGB gänzlich oder nach freiem Belieben ausschließen darf. Mit RGZ 158, 302 ist das Mitwirkungsrecht sämt­ licher Gesellschafter für außergewöhnliche Betriebsgeschäfte zum Bestandteil des Allgemei­ nen Teils des Personalgesellschaftsrechts erhoben worden. Ihm entspricht eine inhaltsgleiche Befragungspflicht der geschäftsführenden Gesellschafter. 111So namentlich Grunewald (wie FN 72), S. 49 ff. 112RGZ 171, 51 (55) vertrat den Standpunkt, daß die Erhebung einer Schadensersatz­ klage gegen den geschäftsführungsbefugten Gesellschafter einen Beschluß nach § 116 Abs. 2 HGB erfordert. BGHZ 25, 47 (50) hat diese Auffassung mit Recht aufgegeben. Nach Grunewald (wie FN 72), S. 51 ff. ist ein Beschluß gemäß § 116 Abs. 2 Zulässigkeitsvor­ aussetzung für diejenigen Gesellschafterklagen, die auf die Belangung des Geschäftsführers wegen pflichtwidriger Geschäftsführung oder auf eine Unterlassung bzw. Vornahme be­ stimmter Geschäftsführungshandlungen gerichtet sind. 113BGHZ 25, 47 (50) arbeitet diesen Gesichtspunkt deutlich heraus.

Wicklung in die Vorgänge vom Stimmrecht ausgeschlossen. Immer noch können aber andere Gesellschafter die zügige Prozeßführung blockieren. Die Konsequenz für den zur Klage entschlossenen Gesellschafter wäre, daß er zunächst seine Mitgesellschafter auf Herbeiführung des Beschlusses nach §116 Abs. 2 intern verklagen müßte. Dies zu verlangen ist umständlich, verfahrensunökonomisch und errichtet der Einzelklage prohibitive Hürden. Jedem potentiellen Kläger wird durch das Beschlußerfordernis eine zusätz­ liche Klageinitiative abverlangt. Das von ihm persönlich zu tragende Pro­ zeßkostenrisiko erhöht sich. Mit dem ordnungspolitischen Grundanliegen des Rechtsbehelfs der Einzelklage ist diese Erschwerung nicht vereinbar. Im Er­ gebnis nützt sie nur dem Schuldner der Gesellschaft; sonstige Vorzüge sind nicht erkennbar. Für die Respektierung des Ermessens der Gesellschafter hinsichtlich der Anspruchsverfolgung ist § 116 Abs. 2 HGB nicht der einzige Weg. Auch bei OHG und KG erfordert die Klagebefugnis ein gesellschaftsintemes Vorver­ fahren, in welchem das Für und Wider abzuwiegen ist. Später prüft das Ge­ richt im Streitfälle die Gründe für eine Ablehnung. Auch ohne Anwendung von § 116 Abs. 2 HGB ist gewährleistet, daß sich die Gesellschaft nicht der Eigenmächtigkeit des Klägers ausliefert. Seine Klagebefugnis bleibt der Kontrolle durch eine unabhängige Instanz vorbehalten. Davon unabhängig ist dem Kläger stets anzuraten, das Meinungsbild in der Gesellschaft rechtzeitig zu erkunden, da er sonst Gefahr läuft, daß die übrigen Gesellschafter auf den der Klage zugrundeliegenden Anspruch durch Verzicht, Vergleich oder Ent­ lastung einwirken. Insgesamt folgt daraus für die Problematik des Ermächti­ gungsbeschlusses: Die Gesellschaft behält ein Recht auf Mitwirkung bzw. Gehör, sofern es um ihren Anspruch geht, doch muß dies weder gesell­ schafts- noch verfahrensrechtlich zwingend im Rahmen von § 116 HGB ge­ schehen. Im Gegenteil konterkariert die Anwendung von § 116 Abs. 2 das Kontrollziel der Einzelklage, die den Kläger vom Gutdünken der Mehrheit gerade freistellen will114. Nach allem erscheint ein Ermächtigungsbeschluß nach § 116 Abs. 2 HGB nicht geeignet, den Frieden in der Gesellschaft zu retten, indem der Mantel des Schweigens über gesellschaftswidrige Vorfälle gebreitet wird. Im Ge­ genteil hat eine unterdrückte Vergangenheitsbewältigung auf Dauer gesehen stets für größeren Sprengstoff gesorgt, als die direkte Austragung der beste­ henden Interessengegensätze. Die reinigende Kraft einer gerichtlichen Aus-*

114Zutreffend BGHZ 25, 47 (50) m.w.N. gegen die frühere Rechtsprechung des Reichs­ gerichts. Gegen das Erfordernis eines vorherigen Ermächtigungsbeschlusses auch Ulmer, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1988, § 105 RdNr. 266.

einandersetzung ist der Auflösung der gesamten Gesellschaft jedenfalls vor­ zuziehen115.

III. Rechtslage bei der Kommanditgesellschaft Die Einzelklage im Recht der Kommanditgesellschaft als Personengesell­ schaft baut auf den Überlegungen zur GbR und zur OHG auf, wie sich aus der Verweisung in §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB auf die §§ 705 ff. BGB zeigt. Prägendes Merkmal der KG ist die abgestufte Gesellschafterhaftung, mit der unterschiedliche Befugnisinhalte einhergehen. Die Regelung der Ein­ zelklage bei der KG läßt damit erste Rückschlüsse zu auf die Statthaftigkeit der Einzelklage bei den Körperschaften, deren zentrale Wesensmerkmale sich bei der KG bereits andeuten.

7. Verfassungsaußau der KG Nach dem Leitbild des dispositiven Gesetzesrechts sind die persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafter zur Verwaltung der KG berufen. Die Kommanditisten sind mit einer Einlage beteiligte Anlagegesellschafter, denen jedoch Mitverwaltungs- und Kontrollrechte zustehen. Unter diesen befindet sich die Einzelklagebefugnis116. Die persönlich haftenden Gesellschafter haben eine umfassende Zuständigkeit in der KG, die die Verwaltung der Kommanditeinlagen einschließt. Die Aktionsberechtigung des Komplementärs erstreckt sich mithin auf eine fremde Vermögens­ berechtigung. Damit wird in das Recht der Personengesellschaften ein neues Element eingeführt. Bei der OHG sind, selbst wenn einzelne Gesellschafter von der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben ausgenommen sind, sämtliche Gesellschafter persönlich haftbar. Für Geschäfte, die den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft übersteigen, ist ein Beschluß sämtlicher Gesellschafter erforderlich (§ 116 Abs. 2 HGB)117. Bei der Kommanditgesellschaft muß der Kommanditist nicht persönlich für die Gesellschaftsverbindlichkeiten einstehen, sofern die Enthaftungs­ voraussetzungen nach §§ 171, 172, 176 HGB vorliegen. Dennoch steht für ihn der Verlust seines Investments in der Gesellschaft auf dem Spiel. Auch

115Im gleichen Sinne A. HUECK, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 18 II 3 (S. 266). 116BGHZ 25, 47. Ausführliche Nachweise bei SCHLEGELBERGER/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1986, § 161 RdNr. 68; IMMENGA ZGR 1974, 385 (411 ff.); H. Westermann, in: Handbuch der Personengesellschaften I, Stand: Juni 1982, RdNr. 245 ff. 117Ebenso für die Kommanditgesellschaft nach der umstrittenen Entscheidung RGZ 158, 302 fortgeführt in BGH LM HGB § 116 Nr. 1.

bei der KG liegt es im öffentlichen Interesse, daß Personen, die mit fremdem Geld wirtschaften, ihre Aufgaben abredegemäß erfüllen. Angesprochen ist der Grundkonflikt zwischen Verwaltung und Mitgliedern im Verbandsrecht, und die Einzelklage ist die verbandsrechtliche Antwort auf diesen Konflikt. Bei der Kommanditgesellschaft haben die persönlich haftenden Gesell­ schafter das Recht zur Geschäftsführung und Vertretung, sie sind aber nicht Eigentümer des Gesellschaftsvermögens und auch nicht die einzigen Betei­ ligten am Gesellschaftsverhältnis mit Vermögensberechtigung. Ihre power of management (§§ 164 Satz 1, 170 HGB) ist nicht deckungsgleich mit ihrem persönlichen right of enjoyment118. Dieser Problematik, die sich in den ein­ zelnen Organisationsgesetzen in unterschiedlicher Ausprägung findet, ist kompetenz- wie verfahrensrechtlich zu begegnen. Die immer wieder be­ hauptete Stringenz der Vertretungsordnung der Personenhandelsgesellschaf­ ten gebietet kein anderes Ergebnis. Das Auseinanderfallen von Aktionsbe­ rechtigung (power of management) und Vermögensberechtigung (right of enjoyment), das bei Verbänden ohne obligatorische Selbstorganschaft noch brisanter ausfällt, ist überhaupt nur mit Ergänzungen zulässig, die den be­ schriebenen Konflikt entschärfen. Die Trennung der angesprochen Befug­ nisinhalte, also die Abspaltung der Verwaltungsbefugnis zu ausschließlicher Ausübung durch das Geschäftsführungsorgan, ist mit der Maßgabe zulässig, daß der Vermögensberechtigte wirksame Instrumente zur Kontrolle der Ver­ waltung behält. Für das gesamte Verbandsrecht folgt aus diesem Konflikt die zwingende Natur der Einzelklage.

2. Die Anspruchsinhalte

Als Gegenstand der Klage kommen dieselben Anspruchsgrundlagen in Betracht wie bei der OHG, also die Einforderung der Pflichteinlagen, Scha­ densersatzansprüche gegen geschäftsführende und andere Gesellschafter we­ gen Pflichtverletzungen, Durchsetzung von Handlungs- oder Unterlassungs­ ansprüchen sowie die Durchsetzung von Ansprüchen der KG gegen Dritte. Klagebefugt sind sowohl persönlich* haftende Gesellschafter ohne alleinige Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis als auch die Kommanditisten. Ein Ermächtigungsbeschluß ist zur wirksamen Klageerhebung nicht erfor­ derlich. Von den genannten Inhalten der Einzelklage ist für die Kommandit­ gesellschaft die Gruppe der Schadensersatz- sowie der Unterlassungsklage herausgehoben zu behandeln. Danach ist ein Blick auf das Sonderrecht der Publikums-KG zu werfen. 118Terminologie in Anlehnung an Lawson, Introduction to the Law of Property, Oxford 1958, S. 76 ff.; grundlegend zu diesem Konflikt Jahr, Gedächtnisschrift für Kunkel, 1984, S. 69 (71 ff.).

a) Schadensersatzansprüche Die geschäftsführenden Gesellschafter in der KG unterliegen denselben Bindungen wie in der OHG. Für die Kommanditisten besteht das gesetzliche Wettbewerbsverbot nicht, § 165 HGB. Soweit es ansonsten gilt, ist für den Geltendmachungsbeschluß auf die Ausführungen zu § 113 Abs. 2 HGB zu verweisen. - Bei der KG verbindet sich mit der Abstufung der Gesellschaf­ terklassen eine besondere Rollenverteilung. Dem Mehr an Haftung der Komplementäre billigt das Gesetz ein Übergewicht an Einfluß auf die Lei­ tung der Gesellschaft zu. Der Gesellschaftsvertrag kann diesen Gleichlauf von Herrschaft und Haftung durchbrechen und einem Kommanditisten ent­ gegen §§ 164 Satz 1, 170 HGB weiterreichende Verwaltungsbefugnisse zu­ billigen119. Der Kommanditist darf die gesetzliche Rollenverteilung aber nur mit dieser vertraglichen Ermächtigung verlassen. Andernfalls wird er ver­ gleichbar mit der Haftung aus § 117 AktG der KG gegenüber ersatzpflichtig, wenn er in die Geschäftsführung der Gesellschaft eingreift. Wer auf die Ge­ schäftsführer Einfluß nimmt, um sie zu vertragswidrigen Maßnahmen zu veranlassen und die Gesellschaft schädigt, verletzt den Gesellschaftsvertrag und haftet der Gesellschaft auf Schadensersatz120, selbst wenn der Gesell­ schafter Dritten gegenüber als Folge dieser Funktionsüberschreitung nicht haften würde121. Die Ersatzpflicht kann von jedem Gesellschafter mittels Einzelklage durchgesetzt werden. Dieses Ergebnis, das an anderer Stelle Eingang ins Gesetz gefunden hat (vgl. § 117 i.V.m. § 147 Abs. 1 AktG), wirkt präventiv auf die Einhaltung der zugewiesenen Rollen hin.

b) Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen

Mit der Einzelklage kann jeder Kommanditist oder Komplementär er­ zwingen, daß rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen unterbleiben122. 119Schlegelberger/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1986, § 164 RdNr. 27 ff.; Schilling, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1987, § 164 RdNr. 8 ff. je mit Nach­ weisen. Aus der Rechtsprechung BGHZ 45, 204 - ”Schulrektor”. 120Heymann/Emmerich, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 114 RdNr. 22; BGH LM HGB § 105 Nr. 31. 121 Innenhaftung wegen einer eventuellen Verletzung des Gesellschaftsvertrages und Außenhaftung eines beherrschenden Kommanditisten sind demnach zu trennen. Daß BGHZ 45, 204 (dazu kritisch SCHLEGELBERGER/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1986, § 164 RdNr. 44) der Vertragsfreiheit (§ 163 HGB) einen großen Spielraum zugestanden hat, berührt eine interne Haftung nicht, die bei der KG ebenso wie bei der GmbH auch ohne eine § 117 AktG vergleichbare Norm im geschriebenen Recht anzuerkennen ist. 122 Gegen eine Klagebefugnis mit diesem Inhalt dezidiert Ulmer, in: Groß­ komm.z.HGB, 4. Aufl. 1988, § 105 RdNr. 263; ebenso SCHLEGELBERGER/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1986, § 161 RdNr. 69; vermittelnd Heymann/Horn, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 164 RdNr. 6; zutreffend Lutter AcP 180 (1980), 84 (139 f.).

An § 164 HGB kann man ablesen, daß eine unmittelbare Verbindung zwi­ schen Gesellschaftsverfassung und verfahrensrechtlicher Implementierung besteht. Jeder Kommanditist hat nach § 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB ein Wider­ spruchsrecht bei den über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausreichen­ den Geschäften. Die Effizienz des Widerspruchsrechts hängt daran, daß der Kommanditist rechtzeitig vor Ausführung einer Maßnahme von den Vorgän­ gen erfährt. Zum Schutze des Kommanditisten hat die Rechtsprechung zu­ sätzlich das Zustimmungserfordernis nach § 116 Abs. 2 HGB für außerge­ wöhnliche Betriebsgeschäfte anerkannt123. § 116 Abs. 2 HGB gelangt über § 161 Abs. 2 HGB ins Recht der Kommanditgesellschaft, obwohl der selek­ tive Verweis in § 164 Satz 2 auf die Vorschriften des § 116 Abs. 3 HGB eher dafür zu sprechen scheint, daß § 164 Satz 1 HGB eine in sich geschlos­ sene Regelung darstellt. Die Rechtsprechung hebt jedoch zu Recht auf den Schutz des Kommanditisten ab und versteht § 164 Satz 1 HGB ebenso wie §119 Abs. 2 AktG dahin, daß grundlegend in das Gesellschaftsverhältnis eingreifende Geschäftsführungshandlungen der Zustimmung der Gesell­ schafter bedürfen. Das Widerspruchsrecht reicht hier nicht aus, da es von der adäquaten Informationsgewährung durch die geschäftsführenden Gesell­ schafter abhängt124. Der umfassendere Schutz des Kommanditisten wird erst durch das Zustimmungserfordernis nach § 116 Abs. 2 HGB erreicht. Wird ein Geschäft von den Geschäftsführern ausgeführt, obwohl es nach dem Ge­ sellschaftsvertrag oder nach § 116 Abs. 2 zustimmungsbedürftig ist, so kann jeder Gesellschafter im Wege der Unterlassungsklage vorgehen. Der Ausbau der Kommanditistenrechte in § 164 HGB bleibt ohne eine Flankierung durch die Einzelklagebefugnis unvollkommen und verfehlt die von der Rechtspre­ chung geforderte Effizienz. Ohne die Zustimmung, die nicht aus obstruk­ tiven Beweggründen verweigert werden darf125, kann sich die Geschäftsfüh­ rung nicht auf ihr Geschäftsleiterermessen berufen. Die faktische Durchfüh­ rung einer solchen Maßnahme ohne die Zustimmung der Gesellschafter ist durch einstweilige Verfügung aufzuhalten.

123Dafür RGZ 158, 302 (306 ff.); BGH LM HGB §116 RdNr. 1; zustimmend Schlegelberger/K.-P. Martens (wie FN 122), §164 RdNr. 16 ff.; Schilling, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1987, § 164 RdNr. 2. 124Unter dem Eindruck von RGZ 158, 302 schlug die Reformkommission der Akademie für Deutsches Recht vor, § 164 HGB dahingehend abzuschwächen, daß dem Kommandi­ tisten nur ein Widerspruchsrecht zusteht, vgl. Würdinger, Das Recht der Personalgesell­ schaften I, 1939, S. 22 ff. (24). Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Vari­ anten liegt in einer Umkehr der Initiativlast: Bei Notwendigkeit der Zustimmung nach § 116 Abs. 2 HGB würde ein Schweigen des Kommanditisten grundsätzlich Ablehnung bedeuten, im anderen Falle Zustimmung. 125Schlegelberger/K.-P. Martens (wie FN 122), § 164 RdNr. 18.

3. Publikumskommanditgesellschaft und treuhänderische Beteiligung Gesondert zu prüfen ist die Rechtslage bei der Publikums-KG126. Für sie gelten zunächst die §§ 161 ff. HGB; daneben hat sich in den letzten Jahren ein Sonderrecht der Publikums-KG herausgeschält. Die Verweisung in § 161 Abs. 2 HGB ist für die Publikums-KG weitgehend typusverfehlend. Im Hin­ blick auf den körperschaftlichen Charakter dieser Gesellschaftsform ist an Stelle des Personengesellschaftsrechts das Recht der Kapitalkörperschaften und speziell der Aktiengesellschaft anzuwenden. Die Publikums-KG ist ein erstes Testfeld für die Verträglichkeit der Einzelklagebefugnis mit dem Ver­ fassungsaufbau der Körperschaften. Sie nimmt im Vergleich zur gewöhn­ lichen Kommanditgesellschaft auch deshalb eine Sonderstellung ein, weil die Kommanditisten in der Publikumsgesellschaft noch weniger Anteil an den Angelegenheiten der Gesellschaft haben. Die Mitwirkungs- und Kontroll­ rechte der Anlagekommanditisten sind in Formularverträgen auf das gesetz­ lich zulässige Mindestmaß reduziert. Umso größer ist der Bedarf an der aus­ gleichenden Kraft der Einzelklage. Ausgehend von dem Umstand, daß sich das Sonderrecht der Publikums­ KG aus dem allgemeinen Recht der Kommanditgesellschaft sowie aus dem Aktienrecht gebildet hat, ist festzuhalten, daß die Einzelklage wenigstens mit dem Inhalt der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen anerkannt ist. Dies entspricht der Rechtslage im Aktienrecht127. Geschäfte in der Publi­ kumsgesellschaft, für die die Zustimmung nach § 116 Abs. 2 HGB erforder­ lich wäre, müssen gleichfalls unterbleiben, solange die Zustimmung fehlt. — Soweit mit der Einzelklage Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltung oder rechtswidrig einflußnehmende Personen zu verfolgen sind, ist dem Körperschaftsrecht in §§ 147, 117 AktG ein positivrechtlicher Anhalt zur Statthaftigkeit dieser Klage zu entnehmen. Damit ist die Einzelklage bereits für mindestens zwei Anspruchsgruppen gegeben. Gründe, nach denen sie sich auf diese beiden beschränken müßte, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil indiziert die bekannt hohe Zahl der Mißbrauchsfälle einen Kontrollbedarf, der nicht geringer als im allgemeinen Recht der Personalgesellschaften zu veranschlagen ist. In der Publikums-KG präsentiert sich der Konflikt, der in der Trennung von Aktionszuständigkeit und Vermögensberechtigung ent­ springt, in zugespitzter Form. Die Publikums-KG ist diejenige unter den Personengesellschaften, die in nennenswertem Umfang an den Kapitalmarkt 126Einen Überblick zur Rechtsprechung gibt Krieger, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 307 ff. 127BGHZ 83, 122 - "Holzmüller". Zu dieser richtungweisenden Entscheidung noch eingehend unten E. Im gleichen Sinne für die Kommanditgesellschaft RGZ 158, 302.

herantritt. Der Schutz der Gesellschafter in diesen Gesellschaften muß gleichzeitig den Schutz des anlagesuchenden Publikums leisten. Den Institu­ tionen des Gesellschaftsrechts stellen sich mithin neue Aufgaben mit Bezug auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Wie bei der Aktiengesellschaft muß der Anlegerschutz vor allem das Fehlverhalten der Verwaltung ins Visier nehmen. In der Vergangenheit ist der Kontrollbedarf in der Publikums-KG durch die gerichtliche Inhaltskontrolle von Gesell­ schaftsverträgen entsprechend § 242 BGB befriedigt worden. Die Inhalts­ kontrolle allein reicht indessen nicht aus, da sie sich auf die Überprüfung der Angemessenheit des Gesellschaftsvertrages konzentriert128. Die Einzelklage erfaßt Sachverhalte in der Ebene des Vollzuges des Gesellschaftsvertrages. Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen und Einzelklage bilden erst zu­ sammen mit der Inhaltskontrolle ein griffiges Instrumentarium zur Bewälti­ gung der auftretenden Probleme in der Publikums-KG. Ohne Einzelklage wären die Kommanditisten schutzlos der Willkür der persönlich haftenden Gesellschafter, der Beiratsmitglieder oder Anlagevermittler ausgeliefert. Die Einzelklage ist umfassender Kontrollrechtsbehelf, der im Ansatz zutreffend mit der verwaltungsgerichtlichen Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) in Zusam­ menhang gebracht wurde129. Die Einzelklage erlaubt, anders als die Inhalts­ kontrolle, Fehlentwicklungen im Gesellschaftsverhältnis rechtzeitig ent­ gegenzuwirken, anstatt die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Falle des Scheiterns der Gesellschaft dem Konkursverwalter vorzu­ behalten. Die Klage ist ein Mittel der Insolvenzprophylaxe. Jeder Komman­ ditist ist hiernach befugt, nach erfolgloser Durchführung des gesellschafts­ internen Vorverfahrens die Einzelklage zu erheben. Eines ermächtigenden Beschlusses der übrigen Gesellschafter bedarf die Klageerhebung nicht. Eine weithin verbreitete Variante der Kommanditgesellschaft liegt in der Verwendung einer Treuhandkonstruktion. Sie findet Verwendung bei der normalen KG wie bei der Publikums-KG. Die Fragestellung ist in dem grö­ ßeren Zusammenhang der Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschafts­ anteilen einzuordnen. Die Vertragsfreiheit (§ 163 HGB) gestattet, daß Kom­ manditanteile durch einen Treuhänder gehalten werden. Der Treuhandkom­ manditist ist dann im Verhältnis zur Gesellschaft und zu Dritten der alleinige Gesellschafter, wiewohl der Treugeber der wirtschaftlich Beteiligte ist130. Diese rechtlich nicht unbedenkliche Konstruktion, die die aufgezeigte Dis128Grundlegend BGHZ 64, 238. 129So mit rechtspolitischem Weitblick Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 10 V (S. 144 f.). Die Namensgebung vermittelt auch das aus dem öffentlichen Recht bekannte Vorverständnis dieser Klage. 130Zur Zulässigkeit dieser Treuhandkonstruktion Schilling, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1987, § 161 RdNr. 42 f. sowie Anh. § 161 PublKG RdNr. 3.

krepanz zwischen Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung noch weiter vergrößert, darf als heute allgemein anerkannt gelten. Ein Grund für ihre Wahl liegt in der Eliminierung wichtiger Gesellschafterrechte, die an eine direkte Kommanditistenstellung geknüpft sind. Diesen Gesellschafter­ rechten obliegt gerade ein der gesellschaftsvertraglichen Gestaltung entzoge­ ner Kontrollauftrag. Es ist deshalb nicht damit getan, wenn die Rechtspre­ chung die Stellung des Treugebers über die schuldrechtliche Auskleidung des Treuhandverhältnisses der Stellung eines Kommanditisten annähert131. Die Treuhandkonstruktion ist allenfalls akzeptabel, wenn man den Treugebem die echten Kommanditistenrechte einräumt unter Einschluß der Einzelklage. Danach kann jeder Treugeber die Einzelklage aus eigenem Recht erheben und ist nicht darauf angewiesen, zunächst intern den Treuhandkommandi­ tisten auf ein entsprechendes Tätigwerden zu verklagen.

C. Die Einzelklage im Recht der Partenreederei Die Partenreederei ist heute keine Gesellschaftsform von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung mehr132. In den siebziger Jahren erlebte sie im Zusammenhang mit dem Aufkommen diverser steuerrechtlicher Abschrei­ bungsmodelle eine vorübergehende Renaissance. Die Partenreederei ist eine eigentümliche Verbandsform, deren zurückgehender Verbreitungsgrad darauf zurückzufuhren ist, daß es die Gesetzgebung versäumt hat, ihre gesetzliche Verfassung an die Erfordernisse des modernen Wirtschaftslebens anzuglei­ chen. Hauptmanko ist die fehlende Unternehmensträgerkontinuität. Das Ge­ sellschaftsverhältnis definiert sich über ein von den Mitreedem zum Erwerbe durch die Seefahrt gemeinschaftlich betriebenes Schiff133. *Im Falle des Un­

131So BGHZ 10, 44; WM 1987, 811: Der Gesellschaftsvertrag einer Publikums-KG kann die über einen Treuhand-Kommanditisten beteiligten Anleger im Innenverhältnis unter den Gesellschaftern so stellen, als ob sie Kommanditisten seien. Selbst bei Fehlen dieser Klausel gilt mit Bezug auf die elementaren Gesellschafterkontrollrechte wie Beschlußan­ fechtung, Informationsrecht oder Einzelklage von Rechts wegen nichts anderes. Der Trend geht mit Recht dahin, solche mediatisierten Mitgliedschaftsverhältnisse aufzulösen, vgl. BGHZ 83, 228 (231) für den vergleichbaren Fall der Genossenschaft mit Vertreterver­ sammlung (§ 43a GenG). Dort wirkt der Nichtvertreter zwar nicht an den Beschlüssen der Versammlung mit, behält aber das Recht, Beschlüssen entgegenzutreten, die die Vertreter­ versammlung unter Verstoß gegen elementare Rechtsgrundsätze gefaßt hat. 132Nur gelegentlich beschäftigen sich die Gerichte noch mit dieser Gesellschaftsform, vgl. BGHZ 114, 138; NJW-RR 1991, 423. 133Vgl. §§ 489 Abs. 1, 506 Abs. 1 Satz 2 HGB. "Reederei” i.S.v. § 489 HGB ist damit ein engumgrenzter terminus technicus. Die Partenreederei ist eine eigenständige und rechts­ fähige Gesellschaft. Betreibt eine OHG, AG, GmbH oder KG ein Schiff, so liegt dagegen keine Partenreederei vor, vgl. § 489 Abs. 2 HGB, sondern die jeweilige Gesellschaft ist Reeder i.S.v. § 484 HGB. Besitzt eine Handelsgesellschaft mehrere Schiffe, so ist sie im

tergangs oder der Veräußerung des Schiffs endet das Reedereiverhältnis. Neu hinzuerworbene Schiffe sind im Rechtssinne jeweils eine neue Partenreede­ rei, die einzelnen Reedereien mögen dabei aber einen Reedereikonzern nach §§ 15 ff. AktG bilden. Die Unattraktivität der Partenreederei erhöht sich durch die persönliche Haftung der Mitreeder für die Reedereiverbindlich­ keiten (§ 507 Abs. 1 HGB), die diese Gesellschaftsform praktisch kapital­ marktunfähig macht. Notwendiger Bestandteil des Gesellschaftsvermögens ist ein Schiff, anderes Vermögen kann daneben bestehen. Während die Par­ tenreederei früher noch als Bruchteilsgemeinschaft angesehen wurde134, ist inzwischen die Auffassung vorherrschend, daß das Reederei vermögen ge­ samthänderisch gebunden ist, da dies besser zum Wesen der Partenreederei als Unternehmensträgerin passe135. Die Partenreederei verfügt über eine den Handelsgesellschaften vergleichbare Kompetenzstruktur. Insbesondere ist die Trennung von Beschlußgegenständen (§491 HGB) und Exekutivzuständig­ keit (§§ 492 ff. HGB) deutlich. Der Korrespondentreeder ist als Geschäfts­ führer und Vertreter Organ der Partenreederei. Sie kann nach dem selbst­ oder nach dem fremdorganschaftlichen Prinzip organisiert sein. Soll eine reedereifremde Person Korrespondentreeder werden, so ist ein einstimmiger Beschluß der Mitreeder erforderlich, § 492 Abs. 1 Satz 2 HGB. Das wissenschaftliche Interesse an der Partenreederei erklärt sich aus dem Umstand, daß hier Elemente von Gesellschaft und Bruchteilsgemeinschaft zusammenfließen. Den Rechten der Mitreeder in bezug auf die Partenreede­ rei liegt ein Kontrollauftrag zugrunde. Einzelklage oder actio pro socio wer­ den für diese Gesellschaftsformen nicht erörtert ebensowenig wie die Durch­ brechung der Verwaltungszuständigkeit des Korrespondentreeders. Dennoch gilt für die Partenreederei im Ergebnis derselbe Befund, wie er für die Per­ sonalgesellschaften festzustellen war. Im Reedereirecht herrscht die Auffassung, daß die Geltendmachung von Forderungen der Reederei vorbehalten ist. Hierin liegt eine Absage an die Vorstellung, daß die Mitreeder anteilig zur Größe ihrer Schiffsparten Forde­ rungen der Reederei einziehen dürfen136. Mag für die Eigentumsverhältnisse am Schiff sowie am Schiffszubehör (§ 478 HGB) von einer Bruchteils­ gemeinschaft §§ 1008, 741 BGB auszugehen sein, so gilt dies nicht selbst­ verständlich für das übrige Vermögen der Partenreederei wie etwa Forde­ rungen. Solche Vermögensgegenstände stehen den Mitreedem zur gesamten Rechtssinne so viele Male Reeder nach § 484 HGB, wie sie Schiffe betreibt, zum Ganzen Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 65 I 2 (S. 1892). 134RGZ 71, 26 (27); dagegen Karsten Schmidt (wie FN 133), S. 1892 ff. 135Zutreffend Karsten Schmidt (wie FN 133), S. 1891 f. 136Schaps/Abraham, Seehandelsrecht I, 4. Aufl. 1978, § 489 HGB RdNr. 20; Ruh­ wedel, Die Partenreederei, 1973, S. 140.

Hand zu und unterstehen der Disposition des Korrespondentreeders. Dies gilt für sämtliche Ansprüche, die Gegenstand der Einzelklage sind. Weder im Recht der Gesamthand noch im Recht der Bruchteilsgemeinschaft (vgl. § 744 Abs. 2 BGB) bildet die Einzelklagebefugnis einen Fremdkörper. Die in den §§ 489 ff. HGB sowie ergänzend im Reedereivertrag enthaltenen Gesell­ schafterrechte sind nicht abschließend. Die Partenreederei unterscheidet sich in bezug auf den Kontrollbedarf nicht von den Personalgesellschaften. Die Rechte derjenigen Mitglieder, die an der Verwaltung der Partenreederei unbeteiligt sind, verlangen nach Schutz, weil das Schiff als der wichtigste Teil des Reedereivermögens der laufenden Inspektion der Mitglieder entzogen ist. Der garantierte Bestand an Auskunfts- und Einsichtsrechten nach § 498 HGB ändert daran nichts, da er nur die Geschäftsbücher, Papiere sowie die Korrespondenz betrifft. Die Stellung des Korrespondentreeders unterscheidet sich von der des geschäfts­ führenden Gesellschafters der Personenhandelsgesellschaften. Der Korre­ spondentreeder ist auf die nach der Größe der Schiffsparten zu ermittelnde Stimmenmehrheit der Mitreeder angewiesen, weil seine Bestellung jederzeit widerrufbar ist (§ 492 Abs. 2 HGB). Solange der Korrespondentreeder diese Mehrheit hinter sich weiß, hat er eine sehr starke Stellung137. Wenn eine Neuverteilung der Aufgaben nicht über eine Klage entsprechend §§ 117, 127 HGB herbeizuführen ist, muß wenigstens die Einzelklage als Regulativ für jeden Mitreeder bereitstehen. Ebenso wie bei den Personengesellschaften ist ihre Anerkennung praeter legem möglich und geboten mit den behandelten Anspruchsinhalten.

D. Die Einzelklage im GmbH-Recht Die GmbH bewegt sich rechtssystematisch auf der Schnittstelle von Kör­ perschaft und Gesellschaft. Vom Verfassungsaufbau her betrachtet, ist sie Körperschaft, durch die Praxis wird sie als inkorporierte Handelsgesellschaft verwandt. Gesetzliche Anhaltspunkte für ein Einzelklagerecht des Gesell­ 137Die daraus resultierenden Konflikte sieht Ruhwedel (wie FN 136), S. 201 sowie S. 232, und fordert mit Recht eine "Anpassung an die sozialen Gedanken des modernen Gesellschaftsrechts". Dazu darf man allerdings nicht alleine auf die Gestaltungskraft des Reedereivertrages setzen. Auch ist der Rückgriff auf das gesellschaftliche Treueprinzip al­ leine nicht ausreichend. Zu ergänzen ist alles das durch ein Einzelklagerecht jedes Mitree­ ders, die Anfechtung von Reedereibeschlüssen entsprechend §§241 ff. AktG, die Abberufbarkeit des Korrespondentreeders entsprechend §§ 117, 127 HGB neben einer Abberufung nach § 492 HGB sowie die Ausschließung eines Mitreeders aus wichtigem Grund entspre­ chend § 140 HGB. § 505 Abs. 2 HGB würde dem nicht entgegenstehen, weil auch diese Be­ stimmung von dem in BGHZ 9, 157 formulierten allgemeinen Rechtsgedanken beeinflußt worden ist, vgl. Abraham, Das Seerecht, 4. Aufl. 1974, S. 89.

schafters etwa nach dem Vorbild der §§ 147, 309 Abs. 4 AktG fehlen. Wäh­ rend die Rechtsprechung ursprünglich unter Hinweis auf den Gesetzesbuch­ staben und das Wesen der GmbH eine Klagebefugnis kategorisch ablehnte, ist die Einzelklage (actio pro socio) heute im Prinzip anerkannt, jedoch sind Reichweite und Voraussetzungen immer noch streitig138. Der Verlauf der Diskussion um die Gesellschafterklage spiegelt das zähe Ringen um eine zeitgemäße Fortentwicklung des GmbH-Rechts wider. Die Anerkennung der Einzelklagebefugnis bei der GmbH erfolgte im Konzemrecht mit dem Ge­ genstand eines Ersatzanspruchs gegen das herrschende Unternehmen. Zum Teil ist deshalb in Zweifel gezogen worden, ob nach der Leitentscheidung BGHZ 65, 15 die Gesellschafterklage auch außerhalb von Konzembezie­ hungen und mit einem anderen Inhalt als der Geltendmachung von Schadens­ ersatz zulässig ist139. Die Anerkennung der Einzelklage nahm ihren Ur­ sprung bei der personalistischen GmbH. Für die kapitalistische GmbH gilt aber nichts anderes, da die Einzelklage zu denjenigen Institutionen des All­ gemeinen Verbandsrechts zählt, die unabhängig von typologischen Anknüp­ fungskriterien zur Anwendung gelangen.

I. Verbandsrechtliche Grundlagen Die Verbandsordnung steht im Zentrum der Überlegungen um die Einzel­ klagebefugnis im Recht der GmbH. Kennzeichnendes Merkmal des Organi­ sationsstatuts ist das Weisungsrecht der Gesellschafter, dem eine Gehorsams­ pflicht der Geschäftsführung entspricht (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Diese Ab­ hängigkeit der Geschäftsführung von den Gesellschaftern bewirkt, daß Aus­ einandersetzungen um bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen nicht allein das Verhältnis der Gesellschafter zur Geschäftsführung berühren, sondern auf das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander durchschlagen. Vor diesem Hintergrund ist die Einzelklage im GmbH-Recht stärker ein Problem des Konfliktes zwischen Mehrheit und Minderheit und dient wie die An­ fechtung von Gesellschafterbeschlüssen letzten Endes der Begrenzung der Mehrheitsherrschaft140. Die Anbindung der Geschäftsführung an die Gesell­ 138Ablehnend noch RG JW 1929, 1373: Geltendmachung von Rechten der GmbH nur mit Zustimmung des Geschäftsführers bei Darlegung eines eigenen schutzwürdigen Interes­ ses durch den Gesellschafter; grundlegend anders BGHZ 65, 15 - "ITT" = ausführlicher NJW 1976, 191 mit Anm. Ulmer; zu dieser Entscheidung auch C. Berger ZHR 149 (1985), 599 ff. Erneute Bestätigung der Rechtsprechung durch BGH WM 1982, 928. 139Zweifelnd Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 IV 6c (S. 644 f.). 140So zutreffend Hachenburg/Raiser, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1989, § 14 RdNr. 37 f. Allerdings versteht Raiser diese drei Säulen (Kontrollrecht jedes Gesellschafters, In­ strument des Minderheitenschutzes, Notgeschäftsführungsrecht bei Versagen des bestellten

schafter bedeutet eine Auflockerung des körperschaftlichen Grundsatzes der Trennung von Beschluß- und Exekutivkompetenzen. Sie verstärkt sich da­ durch, daß das Gesetz in § 46 GmbHG gewisse Geschäftsführungsakte der Bestimmung der Gesellschafter vorbehält, namentlich die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen (Nr. 2) sowie die Geltendmachung von Ersatzansprüchen und die Vertretung der Gesellschaft hierbei (Nr. 8). Aus diesen Bestimmungen mit ihrer Verschränkung von Beschluß- und Exekutiv­ kompetenzen resultieren eigene Rahmenbedingungen für die Einzelklage bei der GmbH, die vom historischen Gesetzgeber in ihrer vollen Tragweite je­ doch nicht erkannt wurden. Ähnlich wie bei § 116 Abs. 2 HGB stellt sich mit Blick auf § 46 Nr. 2 und 8 GmbHG die Frage, ob das Beschlußerforder­ nis auf die Einzelklage überhaupt anzuwenden ist141. Für § 46 GmbHG wie für § 116 Abs. 2 HGB gilt, daß die Einzelklage nicht an einen Erlaubnisvor­ behalt gebunden werden darf, weil sonst ihre Tauglichkeit als Instrument zur Erzwingung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entfällt. Das Beschlußerfordernis in § 46 Nr. 2 und Nr. 8 GmbHG soll seine Rechtfertigung darin haben, daß die Erhebung dieser Ansprüche keine ge­ wöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme ist. Das geltende Recht behandelt beide Vorschriften als dispositives Recht, erlaubt also dem Gesellschaftsver­ trag, die Beschlußzuständigkeit etwa einem Aufsichtsrat zuzuweisen oder überhaupt auf einen Beschluß zu verzichten. Reformentwürfe aus den sieb­ ziger Jahren wollten den Gesellschafterbeschluß in den Rang zwingenden Rechts erheben142. Die nichtzwingende Natur eines Beschlusses nach der lex lata zeigt, daß der fehlende Beschluß kein unüberwindliches Hindernis bildet Geschäftsführers), auf die sich die Einzelklage theoretisch stützen läßt, im Sinne von exklu­ siven Begründungsansätzen, die sich ausschließen und vor allem die verfahrensrechtliche Einkleidung des Rechts nach der einen oder anderen Richtung determinieren. Dem kann nicht gefolgt werden. Daß die Gesellschafterklage Instrument des Minderheitenschutzes ist, nimmt ihr nicht die Qualität als Kontrollrecht. Vom historischen Gesetzgeber waren alle Minderheitenrechte zunächst als Sonderrechte konzipiert (siehe oben § 3 IV). Daß der Ge­ sellschafter u.U. aus ganz anderem Antrieb handelt, etwa um sein Investment in der Gesell­ schaft zu schützen, steht dieser Betrachtung nicht entgegen. Wenn die Minderheitenrechte wenigstens reflexiv zum Schutze des Unternehmens wirken, ist nicht ausgeschlossen, daß ein Geschäft der Gesellschaft geführt wird. Die verfahrensmäßige Durchsetzung des Rechts än­ dert hieran nichts. 141 Überhaupt gegen eine Anwendung von § 46 Nr. 8 GmbHG auf Schadensersatz- und Erstattungsansprüche Raiser (wie FN 140), § 14 RdNr. 43 sowie ausführlicher ders. ZHR 153 (1989), 1 (20): nur Kompetenzabgrenzungsnorm im Verhältnis zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern. 142So § 77 Abs. 2 Nr. 10 des Entwurfs eines Gesetzes über Gesellschaften mit be­ schränkter Haftung 1971/73, BT-Drucks. VI/3088 = 7/253. - Sind die Entscheidungen nach § 46 Nr. 2 und 8 GmbHG einem Aufsichtsrat übertragen, so gilt im Ergebnis nichts anderes als bei Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung. Die fehlende oder rechtswid­ rig verweigerte Zustimmung kann ersetzt und die rechtswidrige Ablehnung angefochten werden.

und die Klage nicht hinfällig machen kann. § 45 GmbHG erlaubt den Schluß, daß der fehlende bzw. verweigerte Gesellschafterbeschluß durch ge­ richtliche Entscheidung ersetzbar ist. Die Gesellschaftermehrheit behält demgemäß nicht das letzte Wort. Die Einzelklagebefugnis ist bei der GmbH ein Individualrecht jedes Ge­ sellschafters, das von keiner Mindestanteilsbesitzgröße abhängt. Ein Min­ destanteilsbesitzerfordernis darf konsequent nicht durch die Hintertüre einge­ führt werden, wozu aber der Beschluß nach § 46 Nr. 2 oder Nr. 8 GmbHG führen müßte. Der Beschluß ist regelmäßig in einer Gesellschafterversamm­ lung zu fassen. Eine Beschlußfassung im schriftlichen Verfahren gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG scheidet in diesem Konfliktfall zumeist aus. Der zur Klage entschlossene Gesellschafter kann die Beschlußfassung nach § 46 Nr. 2 bzw. Nr. 8 oder die Berufung einer Gesellschafterversammlung zu diesem Zweck nur erreichen, wenn er selbst oder im Verein mit anderen eine Minderheit von wenigstens 10% des Stammkapitals vertritt (§ 50 Abs. 1 und 2 GmbHG). Dies eröffnet der Verwaltung sowie der Mehrheitsgruppe zusätz­ liche Möglichkeiten, eine Einzelklage a limine abzublocken. Jedenfalls ist das formale Versammlungs- bzw. Beschlußrecht dem Charakter der Einzel­ klage anzugleichen, weil über die 10%-Hürde in § 50 Abs. 1 GmbHG ein Individualrecht nicht zu einem Minderheitenrecht herabgestuft werden darf. Soweit es um die nach § 46 Nr. 2 und Nr. 8 GmbHG zu fassenden Be­ schlüsse geht, ist jeder Gesellschafter von dem Mindestanteilsbesitzerforder­ nis freizustellen. Für die Beschlußfassung nach § 46 sind die Stimmverbote in § 47 Abs. 4 GmbHG zu beachten. Sofern die Einforderung der Stammeinlagen nach § 46 Nr. 2 betroffen ist, hat der Gesellschafter gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 Fall 2 wegen Befreiung von einer Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft kein Stimmrecht. Der Begriff Befreiung ist in einem umfassenden Sinne zu ver­ stehen; zu fordern ist nicht erst eine Handlung, die die Fälligkeit hinaus­ schiebt oder die Forderung zum Erlöschen bringt. Für die Beschlußfassung nach § 46 Nr. 8 ist nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 2 GmbHG derjenige Ge­ schäftsführer oder Gesellschafter vom Stimmrecht ausgenommen, der in die der Anspruchsdurchsetzung zugrundeliegenden Vorgänge verwickelt war. Hier endet der tatbestandliche Einzugsbereich der Stimmverbote jedoch, was - bei wortlautgetreuer Anwendung von § 46 Nr. 2 bzw. Nr. 8 GmbHG die Einzelklage erheblich einschränkt. In verschachtelten Konzernen oder in der Familien-GmbH, wo das Gesellschaftsinteresse oftmals persönlichen Rücksichtnahmen untergeordnet wird, greifen die Stimmverböte aus § 47 Abs. 4 GmbHG zu kurz. Anzusetzen ist daher bei dem Beschlußerfordemis selbst. Das Zusammenspiel der §§ 46 Nr. 2 und Nr. 8, 47 Abs. 4 GmbHG

offenbart einen ganz grundlegenden Mangel im Rechtsschutzsystem der pri­ vatrechtlichen Personenverbände. Gegen rechtswidrige Beschlüsse gibt es zwar die negatorische Beschlußmängelklage nach den §§241 ff. AktG. So­ fern man am Beschlußerfordemis festhält, schafft die Kassierung eines rechtswidrigen Beschlusses aber keine hinreichende Grundlage für die Gel­ tendmachung dieser Ansprüche aus § 46 Nr. 2 bzw. Nr. 8 GmbHG. Selbst die neben den §§241 ff. AktG anerkannte positive Beschlußfeststellungs­ klage143, die einem tatsächlich einwandfrei gefaßten, jedoch mit unrichtigem Inhalt verkündeten Beschluß zur Geltung verhilft, reicht nicht aus. Gefordert ist vielmehr eine Beschlußverpflichtungs- bzw. -ersetzungsklage nach Art der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage, deren Rechtsschutzziel in der Herbeiführung eines zu fassenden Beschlusses besteht. Aus dem gesamten Kontext erhellt die enge Verbindung zwischen Beschlußmängelund Einzelklage. Das Reichsgericht vertrat noch die Auffassung, daß für eine Einzelklage des GmbH-Gesellschafters kein Raum sei144. Begründet wurde dies unter Rückgriff auf die körperschaftliche Verfassung der GmbH, die einen Tren­ nungsstrich zwischen der Rechts- und Vermögenssphäre von Körperschaft und Mitgliedern ziehe. Die genannte Ansicht gründet auf einem auch schon für damalige Verhältnisse problematischen Vorverständnis der juristischen Person, die heute weitgehend überwunden ist145. Die Einzelklagebefugnis hängt nicht daran, ob man bei der Körperschaft rechtliche Beziehungen zwi­ schen ihren Mitgliedern für möglich hält. Die Retrospektive macht deutlich, wie lange das formal-begriffliche Verständnis der Körperschaft einer funk­ tionsorientierten Auffassung der Einzelklage als Mittel der Mißbrauchsauf­ sicht entgegenstand. Bedingt durch § 46 Nr. 2 und Nr. 8 GmbHG sowie durch den unter­ schiedlichen Umfang des Ermessensspielraums sind wie bei den Personenge­ sellschaften die möglichen Klageinhalte einer Einzelklage im GmbH-Recht im folgenden getrennt zu behandeln.

II. Einzelklage wegen Einforderung der Stammeinlagen und Erhaltung des Stammkapitals Im GmbH-Recht stehen die Stammeinlagen, eventuelle Nachschüsse so­ wie Einzahlungen aus Kapitalerhöhungen unstreitig der Gesellschaft und 143BGHZ 76, 191 (197 ff.). 144RG SeuffA. 83 (1929), 144 = JW 1929, 1373 mit Anm. Walter Schmidt. 145Hierzu den fortwirkenden Beitrag von BALLERSTEDT, Kapital, Gewinn und Aus­ schüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949, S. 187 ff.

nicht den Gesellschaftern zur gesamten Hand zu. Einziehungsbefugt ist die Geschäftsführung. Allerdings konkurriert die Handlungszuständigkeit der Geschäftsführer mit einer Beschlußzuständigkeit der Gesellschafterver­ sammlung nach § 46 Nr. 2 GmbHG, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt. Trotz dieser Zweispurigkeit wird angenommen, das Ge­ setz verstehe die Geltendmachung dieser Ansprüche als Akt der Unterneh­ mensleitung und nicht als Realisierung von Mitgliedsrechten146. Ein Klage­ recht des Gesellschafters sei daher abzulehnen. Eine Ausnahme wird ledig­ lich befürwortet, wenn Beiträge unter Verstoß gegen den Gleichbehand­ lungsgrundsatz nicht von allen Gesellschaftern eingefordert sind147. Dem ist entgegenzuhalten, daß das Abstellen auf die Gleichbehandlung der Gesell­ schafter nicht das gesamte Problemspektrum abdeckt. Bei der GmbH koexi­ stieren mehrere Möglichkeiten der Beitreibung rückständiger Einlageraten. Die Geschäftsführung kann Leistungsklage erheben oder sich des Kaduzie­ rungsverfahrens säumiger Gesellschafter nach § 21 GmbHG bedienen, das für den Betroffenen den Verlust des Gesellschaftsanteils sowie aller bereits auf ihn geleisteten Teileinzahlungen bedeutet. Der durch die Eigentums­ garantie des Grundgesetzes gewährte Schutz erfordert einen verhältnismäßi­ gen Einsatz der Kaduzierung148 und eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 21 ff. GmbHG. Für die GmbH bleibt ferner zu beachten, daß jeder Gesellschafter an der vollständigen Aufbringung aller Stammeinlagen ein di­ rektes persönliches Interesse hat. Gemäß § 24 GmbHG trifft sämtliche Ge­ sellschafter eine subsidiäre Einstandspflicht für Ausfälle149. Damit gibt es zumindest eine Überschneidung von Unternehmensleitung und persönlichen Interessen der Gesellschafter bei Vollzug der Einlagenaufbringung150, die für eine Beteiligung der Gesellschafter spricht. Die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen setzt nach § 46 Nr. 2 GmbHG einen Gesellschafterbeschluß voraus. Zu unterscheiden sind aber die Einforderung und die nachfolgende Einziehung der Forderung. Wenn der Gesellschaftsvertrag anordnet, daß die Stammeinlagen sofort voll einzuzahlen sind, findet § 46 Nr. 2 keine Anwendung. Die Vorschrift 146RAISER (wie FN 140), § 14 RdNr. 41; ZÖLLNER ZGR 1988, 392 (402). 147Raiser (wie FN 140); Zöllner (wie FN 146), S. 405 f. 148Ansatzweise dazu Melber, Die Kaduzierung in der GmbH, 1993, S. 157 ff.; ders. GmbHRdsch. 1991, 563 ff. 149Diesen Gesichtspunkt hebt Grunewald (wie FN 72), S. 70 hervor. 150Die Haftung nach § 24 GmbHG darf nicht unterschätzt werden, da sie die ständige Rechtsprechung auch auf die Kapitalerhöhung erstreckt hat, vgl. OLG Karlsruhe OLG-Rspr. 14 (1907), 365; OLG Köln OLG-Rspr. 37 (1918), 5: Schutz der Minderheit nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages; OLG Dresden OLG-Rspr. 40 (1920), 196; RGZ 93, 251 (253); 122, 159 ff.; 132, 392 (394). Zum notwendigen Minderheitenschutz M. Becker, Der Aus­ tritt aus der GmbH, 1985, S. 117 ff.

kommt erst zum Tragen, wenn der Gesellschaftsvertrag bestimmt, daß die Stammeinlagen nicht voll valutieren sollen (vgl. § 7 Abs. 2 GmbHG). Eine solche Klausel bewirkt einen Fälligkeitsaufschub. Die Einforderung nach § 46 Nr. 2 bewirkt die Fälligstellung verbunden mit der unbedingten Hand­ lungsanweisung an die Geschäftsführung, für die tatsächliche Einziehung zu sorgen151. Der Einforderungsbeschluß läßt dem Geschäftsführer keinen ei­ genen Ermessensspielraum, ob er tätig werden will. Handelt er nicht, so ist der Weg für die Einzelklage frei, sofern das gesellschaftsinteme Vorverfah­ ren durchgeführt ist. Für einen erneuten Gesellschafterbeschluß zur Beitrei­ bung der wirksam eingeforderten Einlagen ist keine gesetzliche Grundlage ersichtlich152. Die Gesellschafterklage ist nicht subsidiär zum Verfahren der Bestellung eines Sondervertreters der Gesellschaft entsprechend § 46 Nr. 8 GmbHG. Eine Mehrheit, die die ihr zu Gebote stehenden Mittel nicht zu nutzen weiß, den Geschäftsführer zur Beitreibung anzuhalten, kann auch durch Bestellung eines Vertreters keine Abhilfe schaffen. Komplizierter liegen die Dinge, wenn der Einforderungsbeschluß nach § 46 Nr. 2 GmbHG nicht zustande kommt. Dieser Beschluß ist nicht ohne weiteres durch ein Gericht ersetzbar. Den Gesellschaftern steht ein aus der gesetzlichen Finanz Verfassung der GmbH ableitbarer Ermessensspielraum zu. Die GmbH ist eintragungsreif, sobald jede Stammeinlage zu 1/4 einge­ zahlt und hinsichtlich des Gesamtstammkapitals 25.000 DM aufgebracht sind153. Die Gesellschafter dürfen den Valutierungsgrad jenseits dieser Grenzen grundsätzlich frei wählen, wobei die Belange der Gesellschaft und der Gesellschaftsgläubiger zu beachten sind. Der Wunsch der Gesellschafter, einstweilen nicht zu zahlen und die Geschäftsführung nicht mit zuviel liquiden Mitteln auszustatten, wird vom Gesetz respektiert. Ein einzelner Gesellschafter kann ausnahmsweise die Einforderung und Einziehung ausste­ hender Einlagen bewirken, wenn dies zur Abwendung der Zahlungsunfähig­ keit nötig wird154. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so kann jeder Ge­ sellschafter die Klage auf Zahlung der Einlage an die Gesellschaft erheben. 151BGH GmbHRdsch. 1961, 144 (145): erst ein Beschluß nach §46 Nr. 2 GmbHG stellt die Reststammeinlage fällig; ROWEDDER/KOPPENSTEINER, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 46 RdNr. 11; Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 RdNr. 57. 152 Wie hier Grunewald (wie FN 72), S. 70 f.; a.A. Eickhoff, Die Gesellschafter­ klage im GmbH-Recht, 1988, S. 201 f. 153Zum Ganzen Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 RdNr. 49. 154Scholz/Karsten Schmidt (wie FN 153), § 46 RdNr. 57 f.; überzeugend Eickhoff (wie FN 152), S. 200, der allerdings einer Gesellschafterklage mit dem Ziel der Beitreibung der Resteinlagen keine Erfolgsaussicht gibt und ihren praktischen Anwendungsbereich als minimal einschätzt.

Den fehlenden Beschluß nach § 46 Nr. 2 GmbHG ersetzt das Gericht. Festzuhalten bleibt, daß das Gesetz mit der drohenden Haftung nach § 24 bzw. § 31 Abs. 3 GmbHG den Gesellschafter dazu anhalten will, ein Auge auf die finanzielle Konstitution seiner Gesellschaft zu haben. Angesichts des­ sen stünde die Aberkennung der Einzelklage im Widerspruch zur bestehen­ den Gesetzeslage. Im systematischen Zusammenhang mit der Fallgruppe der Einforderung der Stammeinlagen sind die Erstattungsansprüche der Gesellschaft nach § 31 GmbHG sowie die verdeckten Gewinnausschüttungen zu erörtern. Die Er­ haltung ist die spiegelbildliche Entsprechung zur Aufbringung des Stamm­ kapitals. Beide unterstellt das Gesetz den gleichen Sanktionen. Der Erstat­ tungsanspruch gemäß § 31 GmbHG entsteht mit der Verwirklichung des in § 30 behandelten Tatbestandes der Schmälerung des Stammkapitals. Der Er­ stattungsanspruch ist sofort fällig und durchsetzbar ohne Gesellschafterbe­ schluß nach § 46 Nr. 2 oder Nr. 8 GmbHG155. § 31 Abs. 4 verdeutlicht, daß die Verfügung über den Anspruch der Gesellschaft im Interesse des Gläubigerschutzes den Gesellschaftern entzogen ist. Das Gesetz muß die Ge­ sellschaft hier gegen die eigenen Gesellschafter schützen. Der Geschäftsfüh­ rer hat die Forderung beizutreiben. Für einen entgegenstehenden Weisungs­ beschluß der Gesellschafter ist kein Raum, dennoch bleibt der Geschäftsfüh­ rer von der Mehrheit abhängig. Gerade deshalb ist die Einzelklage erforder­ lich, um § 31 GmbHG nicht leerlaufen zu lassen. § 31 zählt zum Kreis der­ jenigen Bestimmungen, die die effektive Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals sichern. Nicht von ungefähr statuiert § 31 Abs. 3 gleich § 24 GmbHG eine subsidiäre persönliche Einstandspflicht jedes Gesellschafters, ganz gleich, ob er Empfänger einer verbotenen Zuwendung ist oder nicht. Wiederum ergeht an den Gesellschafter ein Kontrollauftrag mit Bezug auf die Finanzverfassung der Gesellschaft. Konsequent ist ihm mit der Klagebe­ fugnis das Mittel an die Hand zu geben, welches er zur Abwehr oder Besei­ tigung gesetzwidriger Maßnahmen braucht. Mit dem Gebot der Erhaltung des Stammkapitals kollidieren die verdeck­ ten Gewinnausschüttungen, die in der GmbH besonders dann Probleme auf­ werfen, wenn die Trennung von Gesellschaftsvermögen und Gesellschafter­ vermögen aufgehoben ist. Der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüt­ tung liegt vor, sobald die Gesellschaft außerhalb des förmlichen Gewinnver­ wendungsverfahrens und ohne bilanziellen Ausweis den Gesellschaftern oder den Geschäftsführern geldwerte Zuwendungen im weitesten Sinne zukom­ 155Baumbach/Hueck, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, §31 RdNr. 6; BGH NJW 1987, 779 unter Hinweis auf den Gleichlauf des Beschlusses nach § 46 Nr. 2 mit dem An­ lauf der Verjährung von Einlageansprüchen, wozu es bei § 31 GmbHG keine Parallele gibt.

men läßt, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem Mißverhältnis ste­ hen. Klassische Beispiele sind exzessive Geschäftsführergehälter, unentgelt­ liche Gebrauchsüberlassung von Gesellschaftseigentum oder Austausch­ geschäfte mit der Gesellschaft zu nichtmarktgerechten Konditionen. Die ge­ sellschaftsrechtliche Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung liegt nicht allein in der Durchbrechung des Kompetenzgefüges, sondern in der Verletzung ordnungsgemäßer Rechnungslegung. Jedenfalls der zuletzt ge­ nannte Punkt ist der gesellschaftsvertraglichen Regelungsautonomie entzo­ gen. Gesellschaftsrechtlich werden verdeckte Gewinnausschüttungen bei der GmbH wenigstens solange anerkannt, als der Kapitalerhaltungsgrundsatz in § 30 GmbHG und das Gleichbehandlungsgebot gewahrt bleiben156. § 30 GmbHG enthält keine Ermächtigung für verdeckte Gewinnausschüttungen, sondern steckt lediglich den bilanziellen Rahmen möglicher Ausschüttungen ab, wobei die für jede Ausschüttung geltenden Formalitäten unberührt blei­ ben. Durch die Einzelklagebefugnis im Falle verdeckter Gewinnausschüt­ tungen hat jeder Gesellschafter die Möglichkeit, den Erstattungsanspruch der Gesellschaft zu realisieren157. Anspruchsgrundlage ist neben einem eventuell bestehenden Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB oder § 43 Abs. 2 GmbHG der Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG. Ist § 30 GmbHG nicht verletzt, so richtet sich die Rückgewährpflicht nach Bereicherungs­ recht158. Wichtiger als die dogmatisch exakte Ermittlung der Anspruchs­ grundlage ist jedoch ihre Flankierung durch die Einzelklagebefugnis. Sie ist ohne Einschränkungen auch für die konzemfreie GmbH zu fordern. Kapi­ talaufbringung, Kapitalerhaltung und verdeckte Gewinnausschüttungen be­ stätigen die Symbiose von Gesellschafterrechten und Gläubigerschutzbe­ stimmungen. Die Klagebefugnis trägt entscheidend zum Schutz der finan­ ziellen Grundlagen der Gesellschaft bei.

156Herrschende Meinung, vgl. die Übersicht bei BAUMBACH/HUECK (wie FN 155), § 29 RdNr. 71 ff.; erheblich strenger mit Recht Immenga, Die personalistische Kapitalgesell­ schaft, 1970, S. 218 ff. und gänzlich gegen verdeckte Gewinnausschüttungen SCHOLZ/EMMERICH, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 29 RdNr. 116 ff. 157Anerkannt durch BGHZ 65, 15 - "ITT" anhand einer sog. Konzemumlage zugun­ sten des herrschenden Unternehmens. Wegbereiter dieser Auffassung ist wohl BAller­ stedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949, S. 186. 158Verstößt die Ausschüttung nicht gegen § 30 GmbHG und verletzt sie nur sonstiges zwingendes Gesellschaftsrecht wie die Zuständigkeitsordnung, die Pflicht zur Gleichbe­ handlung oder das Verbot der Zuwendung gesellschaftsfremder Sondervorteile, so ist nicht § 31 Abs. 1 GmbHG Rechtsgrundlage der Rückgewährpflicht. Die Rückgewähr erfolgt vielmehr nach Bereicherungsrecht, wobei §§ 814, 817 BGB keine Anwendung finden, strei­ tig vgl. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 225 ff.; Lutter/ Hommelhoff, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 29 RdNr. 54.

III. Einzelklage wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrages durch Nichtgeschäftsführer Die Ersatzpflichtigkeit wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrages hat im GmbH-Recht große Bedeutung. In diese Rubrik fallen u.a. die Haftung des sog. faktischen Geschäftsführers entsprechend § 43 GmbHG oder die Ausgleichspflicht für verbotene Zuwendungen sowie der Ausgleich in fak­ tischen Konzemverbindungen. Ausnahmslos stehen diese Ansprüche der Ge­ sellschaft zu und sind von der Geschäftsführung einzuziehen. Typischerweise sind sie gegen die Mehrheitsgruppe oder gegen das herrschende Unterneh­ men im Konzern gerichtet, die mit dem Geschäftsführer eng zusammenar­ beiten. Der daraus entstehende Konflikt läßt sich nur durch die Einzelklage jedes Gesellschafters für die Gesellschaft beheben. Umstritten ist für diese Anspruchsgruppe, ob die Anspruchs Verfolgung von einem Gesellschafterbeschluß analog § 46 Nr. 8 GmbHG abhängt. § 46 Nr. 8 betrifft diejenigen Ersatzansprüche, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen die Geschäftsführer oder die Gesell­ schafter zustehen. Zum Teil nimmt man an, daß das rechtspolitische Anlie­ gen der Vorschrift ihre extensive Auslegung und Anwendung gebiete159. Die Argumentation ist ähnlich wie zur Frage der Erfassung der Gesellschafter­ klage bei den Personalgesellschaften durch die §§ 113 Abs. 2, 116 Abs. 2 HGB. Für die GmbH ist ebenso zu entscheiden. § 46 Nr. 8 GmbHG ist eine Bestimmung mit Ausnahmecharakter. Die Gegenansicht führt den grund­ lagengeschäftsähnlichen Charakter jedweder Geltendmachung von Ersatzan­ sprüchen in den Gesellschaften an. Egal gegen wen und aus welchem recht­ lichen Grunde der Anspruch bestehe, stets setze seine Verfolgung die Gesell­ schaft einer so schweren Zerreißprobe aus, daß die Beteiligung der Gesell­ schafter gerechtfertigt sei160. Wie bei § 116 Abs. 2 HGB gilt jedoch, daß die formale Erschwerung der Einzelklage den Frieden in der Gesellschaft eher gefährdet als rettet und daß die Klärung der Rechtslage durch einen Prozeß die Vorzugs würdige Alternative darstellt. In der Rechtsprechung haben sich die Bemühungen um eine ausdehnende Interpretation von § 46 Nr. 8 GmbHG nicht durchsetzen können. Die Leit­ entscheidung, die die Einzelklage für das GmbH-Recht anerkannt hat, er­ wähnt das Beschlußerfordemis nach §46 Nr. 8 mit Vorbedacht nicht161, weil dem Gericht an der Kreation eines wirksamen Rechtsbehelfs gelegen war. Vollends fehl am Platz ist das Beschlußerfordemis in der zweigliedri­ 159Grunewald (wie FN 72), S. 72; Eickhoff (wie FN 152), S. 4 ff., 44 ff. 160In diese Richtung namentlich Grunewald (wie FN 72), S. 72. 161 BGHZ 65, 15 - "ITT" = NJW 1976, 191 mit Anm. Ulmer.

gen GmbH, wenn der Mehrheitsgesellschafter die Gesellschaft geschädigt hat. Der Beschluß entfällt schon deshalb, weil der Schädiger nach § 47 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen ist162. Die Nicht­ anwendung von § 46 Nr. 8 beseitigt Obstruktionspotentiale; denn der betrof­ fene Gesellschafter ist zwar vom Stimmrecht ausgeschlossen, er kann einen Beschluß aber gleichwohl anfechten und die Klagebefugnis einem längeren Schwebezustand aussetzen163. Gerade für die zweigliedrige GmbH bringt ein Beschluß nach § 46 Nr. 8 keinen Zugewinn auf der Ebene der Willensbil­ dung der Gesellschafter. Es reicht aus, wenn der Gesellschafter seine Absicht der Gesellschaft anzeigt und Gelegenheit zu einer einvernehmlichen Lösung besteht. Selbst wenn nach hier vertretener Auffassung kein Geltendmachungsbe­ schluß zu verlangen ist, bleibt die Möglichkeit unberührt, auf den mit der Klage durchzusetzenden Anspruch durch Verzicht oder Vergleich einzuwir­ ken. Diese Frage ist vom Beschlußerfordemis zu trennen. Das GmbH-Recht begegnet dem Anspruchsverzicht mit einem gewissen Mißtrauen (vgl. § 31 Abs. 1 und 4 GmbHG). Wie schon für die Personengesellschaften gefordert, so sind auch hier wegen der immanenten Mißbrauchsgefahr die § 93 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AktG anzuwenden. Liegt ein Verzichtsbeschluß vor, bleibt die Einzelklage gleichwohl möglich, sofern der Gesellschafter den Beschluß mittels Anfechtungsklage beseitigt.

IV. Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer und Gesellschafter (§ 46 Nr. 8 GmbHG) Die Geschäftsführer haben die Geschäfte der GmbH mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu führen. Die Verletzung dieser Pflicht löst bei Schädigung der Gesellschaft die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG aus. Der Anspruch steht der Gesellschaft zu, wobei die sonst bestehende Vertre­ tungsordnung keine Veränderung erfährt. Gläubiger der Gesellschaft dürfen diesen Anspruch - anders als im Aktienrecht (§93 Abs. 5 AktG) - nicht

162Nicht zu vermengen ist die hier behandelte Problematik mit § 48 Abs. 3 GmbHG, wonach bei der Ein-Mann-GmbH der einzige Gesellschafter unverzüglich nach der Be­ schlußfassung eine Niederschrift aufnehmen und zu unterzeichnen hat. § 48 Abs. 3 besitzt keinen zusätzlichen Erkenntniswert, a.A. Eickhoff (wie FN 152), S. 204. Denn hier inte­ ressiert, ob überhaupt ein Beschluß erforderlich ist, was von § 48 Abs. 3 vorausgesetzt wird, und nicht, wie dieser aus Gründen der Publizität zu dokumentieren ist. 163 Zur Anfechtung des Durchsetzungsbeschlusses und ihren Auswirkungen auf eine Klage eingehend Eickhoff (wie FN 152), S. 205 ff.

geltend machen164. Im GmbH-Recht fehlt ein Rechtsbehelf nach dem Vor­ bild von § 147 AktG. Die Konfliktlage, die aus der Durchsetzung von Er­ satzansprüchen gegen die Verwaltung erwächst, ist vom Gesetzgeber ganz unzureichend durchdacht. § 46 Nr. 8 GmbHG verlangt einen Gesellschafter­ beschluß als Voraussetzung für die Erhebung dieser Ansprüche165. Dieselbe Gesellschaftermehrheit darf einen Sondervertreter mit der Vertretung der Gesellschaft in der Auseinandersetzung um solche Ersatzansprüche betrauen. Es fragt sich, ob das ausreicht und die Einzelklagebefugnis des Gesell­ schafters obsolet machen kann166. Wenn ein Gesellschafter einen Ersatzan­ spruch einklagen will, welcher der Gesellschaft aus der Gründung oder Ge­ schäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zusteht, so ist dies wiederum nach den allgemeinen Grundsätzen der Gesellschaft anzuzeigen. Da diese Ersatzansprüche von § 46 Nr. 8 erfaßt sind, sind die Geschäftsfüh­ rer wie die Gesellschafterversammlung am gesellschaftsintemen Vorverfah­ ren beteiligt. Die Gesellschafterversammlung kann den Beschluß nach § 46 Nr. 8 fassen, ablehnen oder sich schlicht nicht mit der Angelegenheit befas­ sen. Je nachdem mögen die Probleme, die das Beschlußerfordemis verur­ sacht, in der Ebene der Beschlußfassung, der Beschlußdurchführung oder in beidem liegen.

1. Rechtslage bei Zustandekommen des Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG Faßt die Gesellschafterversammlung den Beschluß, so ist der Weg für die Durchsetzung des Anspruchs frei, es sei denn, der Beschluß wird wirksam angefochten oder war von Anfang an nichtig167. Damit allein ist aber noch nicht gewährleistet, daß der Ersatzanspruch erfolgreich geltend gemacht wird. Dies hängt entscheidend davon ab, ob die Gesellschaft durch eine Per­ son vertreten ist, die frei von Interessenkollisionen agieren kann und der wirklich an der Realisierung des Anspruchs gelegen ist. a) Ist der Schuldner selbst Gesellschafter und Geschäftsführer, dann war er von der Beschlußfassung hinsichtlich der Durchsetzung des Anspruchs gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG ausgeschlossen. Die Disqualifikation bei der Teilnahme an der Willensbildung ist auf die Teilnahme an der Vertretung der 164Vgl. nur Rowedder/Koppensteiner, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 43 RdNr. 46.

165 Der Begriff des Ersatzanspruchs in § 46 Nr. 8 GmbHG ist weit auszulegen und nicht auf die gesellschaftsrechtlichen Anspruchsgrundlagen für die Geschäftsführerhaftung zu ver­ engen, vgl. LUTTER/HOMMELHOFF (wie FN 158), § 46 RdNr. 21. Entsprechend weit ist der Anwendungsbereich. 166So im Ergebnis OLG Köln GmbHRdsch. 1957, 197. 167Dazu Eickhoff (wie FN 152), S. 73 ff.

Gesellschaft zu erstrecken. Für einen in die Vorgänge verstrickten Ge­ schäftsführer ist ein unparteiischer Sondervertreter nach § 46 Nr. 8 zu be­ stellen. Beschließt die Gesellschafterversammlung die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs, bestellt sie aber keinen besonderen Vertreter für einen bela­ steten Geschäftsführer, dann ist jeder Gesellschafter zur Klageerhebung legi­ timiert. Denn wenn sich die Gesellschaft zur Realisierung von Ersatzansprü­ chen entschließt, muß der Beschluß in die Tat umgesetzt werden. Das Ge­ genteil geschähe, wenn die Prozeßführung in die falschen Hände gelegt und der Geltendmachungsbeschluß auf diesem Wege hintertrieben würde. Auszu­ gehen ist von der Erkenntnis, daß durch § 46 Nr. 8 GmbHG das Recht, Er­ satzansprüche zu verfolgen, zum Mehrheitsrecht wird, obwohl involvierte Gesellschafter nach § 47 Abs. 4 nicht an der Abstimmung teilnehmen168. Darf dann obendrein durch die Sondervertreterbestellung das Prozeßfüh­ rungsrecht unter der Kontrolle der Mehrheit verbleiben, indem ausschließlich sie darüber befindet, wer den Anspruch durchsetzt?169 Die Frage wird von der ganz überwiegenden Ansicht bejaht, weil, wenn die Mehrheit einen Son­ dervertreter bestelle, kein Vertretungsfall mehr vorliege170. Diese Auffas­ sung ist im höchsten Maße bedenklich und formal. Die Mehrheit beschließt die Anspruchserhebung und bestellt einen besonderen Vertreter ihrer Wahl. Dieser kann den Prozeß verschleppen, einschlafen lassen oder schlecht be­ treiben. § 46 Nr. 8 GmbHG ist mit einer Ergänzung zu versehen: Die Ge­ sellschafterversammlung kann einen außerordentlichen Vertreter bestellen, doch verdrängt dies die Klagebefugnis eines Gesellschafters nicht restlos. Er behält vielmehr eine latente Klagebefugnis. Diese aktualisiert sich, wenn der bestellte Vertreter nach § 46 Nr. 8 oder der Geschäftsführer seine Pflicht zu zielstrebiger Prozeßführung nicht gehörig erfüllt. Dann kann jeder Gesell­ schafter den Rechtsstreit entsprechend § 241 Abs. 1 ZPO aufnehmen, so wie wenn er von Anfang an zur Einzelklage befugt gewesen wäre. Daraus folgt zweierlei: Zunächst respektiert das Gesetz die Autonomie der Gesellschafter­ versammlung. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die Vertreterbestellung 168Zutreffend Immenga (wie FN 158), S. 284. 169In § 147 Abs. 3 AktG findet das hier geäußerte Bedenken seine Bestätigung. Ist die Verfolgung der Ersatzansprüche erst einmal gegen den Willen der Mehrheit erfolgt, so kann die Realisierung des Anspruchs doch noch einschlafen. Die entsprechende Anwendung von § 147 Abs. 3 Satz 2 AktG zur Ergänzung von § 46 Nr. 8 GmbHG, für die Eickhoff (wie FN 152), S. 74 f. (86) eintritt, brächte zwar eine gewisse Verbesserung gegenüber dem be­ stehenden Rechtszustand, weil die Gesellschaft durch die Sondervertreterbestellung ihr Pro­ zeßführungsmonopol verliert. Dennoch empfiehlt sich eine Übernahme ins GmbH-Recht nicht, weil die Effizienz der Vorschrift überaus zweifelhaft ist. Keinesfalls beseitigt die Möglichkeit zur Bestellung von Sondervertretern die Einzelklagebefugnis. 170Hachenburg/HÜffer, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1990, §46 RdNr. 110; BGH WM 1982, 928 (929); LUTTER/HOMMELHOFF, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 13 RdNr. 4 ff.; EICKHOFF (wie FN 152), S. 122 ff.

strategisch benutzt wird, um die Anspruchsverwirklichung zu torpedieren. Andererseits verdeutlicht dies die Anforderungen, die an das Verfahren zu stellen sind, die durch die Verfahrensmaximen des Zivilprozesses nicht be­ friedigend erfüllt werden. Dies betrifft namentlich die Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Streitgegenstandes, die das amerikanische Recht mit guten Gründen wegen der systemimmanenten Mißbrauchsgefahren einer gericht­ lichen Aufsicht unterstellt hat. Die Gefahr, die dem Anspruch der Gesell­ schaft durch unsachgemäße Vertretung droht, ist nicht durch eine Vertreter­ bestellung analog § 147 Abs. 3 Satz 2 AktG auszuräumen, sondern nur durch die direkte Zulassung der Einzelklage171. b) Richtet sich der nach § 46 Nr. 8 GmbHG zu verfolgende Anspruch ge­ gen einen Gesellschafter, so trifft das Gesetz keine eigene Regelung für die Vertretung der Gesellschaft172. Der Bedarf besteht jedoch unvermindert, wenn man nur die Prozeßführung gegen den Mehrheitsgesellschafter be­ denkt, der die Verwaltung kontrolliert. Er wäre nach § 47 vom Stimmrecht für einen Beschluß nach § 46 Nr. 8 ausgeschlossen, behielte aber über seinen fortwährenden Einfluß auf die Geschäftsführung ein noch wirksameres Mittel zur Abwendung der eigenen Ersatzpflicht. Dieses Ergebnis ist vom Zweck des § 46 Nr. 8 nicht gedeckt. Für die Behebung des Konfliktes ist wiederum die Einzelklage der Sondervertreterbestellung entsprechend § 147 Abs. 3 Satz 2 AktG oder analog 46 Nr. 8 GmbHG vorzuziehen173.

2. Ablehnung des Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG

Lehnt die Gesellschafterversammlung die Erhebung von Ersatzansprüchen ab, dann interessiert den Gesellschafter, ob diese Entscheidung endgültig ist oder mit Rechtsbehelfen angegriffen werden kann. Dazu ist der Stellenwert dieses Beschlusses und das Verhältnis der §§ 45, 46 zu den §§ 35 ff. GmbHG näher zu betrachten. Das Gesetz faßt sie in dem Abschnitt, der die Vertretung und die Geschäftsführung behandelt, zusammen. § 46 betrifft Ge171 Der Lösungsweg über § 147 Abs. 3 Satz 2 AktG hat noch einen zusätzlichen Nach­ teil: Er trennt verfahrensrechtlich die Frage der Anspruchsgeltendmachung von der Prozeß­ führung, indem die Sondervertreterbestellung dem Gericht am Sitz der Gesellschaft (§ 14 AktG) zugewiesen ist, das nicht identisch ist mit dem Prozeßgericht. Zwei Gerichte befinden so über einen einheitlichen Sachverhalt, was nicht im Interesse der Verfahrensökonomie liegt. Läßt man den Gesellschafter demgegenüber in Einzelklage vorgehen, fallt damit inzi­ dent die Entscheidung, ihn entsprechend § 147 Abs. 3 Satz 2 AktG als Vertreter zuzulassen. Die Befassung mehrerer Gerichte mit derselben Frage wird so vermieden. 172 Ausführlich zu den denkbaren Vertretungsvarianten Eickhoff (wie FN 152), S. 88 ff. - Ist der Gesellschafter obendrein Geschäftsführer, so ergibt sich mit Bezug auf § 46 Nr. 8 GmbHG nichts Besonderes. Für Gesellschafter-Geschäftsführer ist eine Tatbe­ standskumulation vorzunehmen. Für ihn gilt in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer die Vertretungsregelung in Nr. 8 am Ende. 173A.A. Eickhoff (wie FN 152), S. 88 ff.

schäfte, in denen die Geschäftsführung nach §§35 bis 37 GmbHG unter dem Vorbehalt eines Beschlusses steht. Mithin bezieht sich der Beschluß auf das Kompetenzgefüge der Gesellschaftsorgane Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung im sog. Grundlagenbereich. Bereits für die Personalgesell­ schaften ist gesagt worden, daß die actio pro socio kein Grundlagengeschäft ist. Dasselbe gilt, wenn der GmbH-Gesellschafter sich der Einzelklage be­ dient. Nur die gesetzliche Handlungsmacht des Geschäftsführers ist durch § 46 GmbHG beschränkt, nicht die des Gesellschafter-Klägers, der nicht zum Geschäftsführer wird174. Aus diesen Gründen ist § 46 Nr. 8 auf die Ge­ sellschafterklage überhaupt nicht anzuwenden. Gleichwohl führt an der herr­ schenden Meinung, die auf dem Beschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG beharrt, kein Weg vorbei. Hält man an dem Erfordernis eines Geltendmachungsbeschlusses fest, dann schafft ein ablehnendes Votum der Gesellschafterversammlung zwei Probleme: Der ablehnende Beschluß muß vernichtet und der notwendige Be­ schluß positiv erzwungen werden. Das erstere geschieht durch die Beschluß­ anfechtung, die gefordert wird, damit die Rechtslage nicht dem ursprüng­ lichen Beschluß gemäß gestaltet wird. Das letztere muß in Form einer posi­ tiven Beschlußerzwingungsklage analog § 42 Abs. 2 VwGO175 geschehen. Die herrschende Meinung besteht auf dieser ebenso umständlichen wie prohibitiven Prozedur unter Hinweis auf die — vermeintlich — eindeutige Ge­ setzeslage und wegen der gesellschaftlichen Kompetenzordnung176. Die ord­ nungspolitischen Belange, die mit der Klage zur Geltung zu bringen sind, werden dem untergeordnet. § 46 Nr. 8 gerät so zum Instrument, mit dem der Schuldner der Gesellschaft seine Einstandspflicht abwenden kann. Der typische Beispielsfall liegt so, daß der Geschäftsführer die Gesell­ schaft in haftungsbegründender Weise geschädigt hat und die Gesellschafter­ versammlung mit Mehrheit beschließt, keine Ersatzklage zu erheben177. Die 174C. Berger ZHR 149 (1985), 599; Raiser ZHR 153 (1989), 1 (21) sowie HACHENBURG/Raiser, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1989, § 14 RdNr. 43, allerdings mit dem Vorverständnis, daß der Gesellschafter ein eigenes Recht geltend macht und nicht als Prozeßstandschafter für die Gesellschaft auftritt. 175Diese Klage ist verschieden von der in BGHZ 76, 191 (197 ff.) anerkannten Be­ schlußfeststellungsklage . 176Hachenburg/Hüffer, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1990, § 46 RdNr. 109 ff.; Eick­ hoff (wie FN 152), S. 106 ff.; ZÖLLNER ZGR 1988, 392 (410). 177So BGH LM BGB § 823 (Bf) Nr. 44 = BB 1967, 348; zu dieser Entscheidung Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 IV 6b (S. 644). In casu hatte der Geschäftsführer die Gesellschaft sogar vorsätzlich geschädigt. Der nicht für das Gesell­ schaftsrecht zuständige VI. Zivilsenat läßt eine großzügige Einstellung gegenüber dem Ein­ zelklagerecht durchblicken und zeigt das richtige Verständnis für den Zusammenhang zwi­ schen strafrechtlicher Organuntreue (§ 81a GmbHG a.F.) und zivilrechtlicher Haftungs­ durchsetzung, die in § 46 Nr. 8 GmbHG Zusammentreffen.

Gesellschaft behält mit dieser Entscheidung nicht das letzte Wort178. Der Hinweis, daß ein Entlastungs- oder Verzichtsbeschluß die in der Abstim­ mung unterlegenen Gesellschafter in gleicher Weise binde, verfängt solange nicht, als nicht die Ermessensgrenzen der Mehrheit definiert sind. Insbeson­ dere ist zu berücksichtigen, ob die Gesellschaft in strafrechtlich relevanter Weise geschädigt ist. Eine Handlung, die einen Straftatbestand verwirklicht, erhält durch einen Begnadigungsbeschluß der Gesellschafter kein anderes rechtliches Gepräge179. Im Falle vorsätzlicher Schädigung der Gesellschaft ist ein Nichtgeltendmachungs- oder Verzichtsbeschluß entsprechend § 241 Nr. 3 AktG sogar von Anfang an nichtig180. Ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft hat nicht bloß privatrechtliche Ausgleichsfunktionen. Er zielt daneben präventiv auf eine Verhaltenssteuerung. Die pflichtgemäße Amts­ führung liegt im öffentlichen Interesse, das durch privatrechtliche Instru­ mente sanktioniert ist. Ist ein Beschluß, der die Geltendmachung von Ersatz­ ansprüchen ablehnt, nichtig, so besagt dies spiegelbildlich, daß die Gesell­ schafterversammlung bei korrekter Sachbehandlung einen solchen Beschluß hätte fassen müssen und daß das Gericht die Einzelklage nicht mangels eines solchen Beschlusses abweisen darf. Daneben mag jeder Gesellschafter einen persönlichen Schadensersatzanspruch wegen Beeinträchtigung seines Mit­ gliedschaftsrechts haben, der jedoch von § 46 Nr. 8 GmbHG unberührt bleibt. Erfüllt die Schädigung der Gesellschaft keinen Straftatbestand, so ist ein Verzichts- oder Nichterhebungsbeschluß nicht automatisch nichtig. Die Ge­ sellschafterversammlung behält einen Ermessensspielraum, der Beschluß mag aber anfechtbar sein. Der abschlägige Bescheid der Gesellschaft bleibt für den Gesellschafter justitiabel und läßt die Klagebefugnis nicht entfallen. Es gibt keinen abschließlichen Kriterienkatalog für die Ermessensprüfung. Die Gesellschafterversammlung ist umso freier, je weniger ihre Entschei­ dung zu Lasten Dritter, konkret etwa der Gesellschaftsgläubiger, geht. An­ dererseits ist sie um so gebundener, je gravierender der Verstoß ist. Vor­ sätzliche Schädigungen der Gesellschaft erlauben keinen ersatzlosen Ver­ zichts- oder Nichterhebungsbeschluß. Von Belang ist daneben, wie lange das 178Im gegenteiligen Sinne noch die früher vorherrschende Meinung, die Mehrheitsent­ scheidungen einen absoluten Geltungsanspruch zumaß: Hoffmann GmbHRdsch. 1963, 61 (63); Maatz GmbHRdsch. 1974, 124 (128). 179So BGH LM BGB § 823 (Bf) Nr. 44: Eine rechtswidrige Entnahme des Geschäftsfüh­ rers oder Liquidators aus dem Gesellschaftsvermögen, die einen Rückerstattungs- oder einen Schadensersatzanspruch begründet, kann nicht einfach in ein Darlehen der Gesellschaft an diesen Geschäftsführer umgewandelt werden. Dies nimmt der Handlung weder zivil- noch strafrechtlich ihre Rechtswidrigkeit. 180Im gleichen Sinne BGH (wie FN 177) unter Bezugnahme auf § 195 Nr. 3 AktG 1937 = § 241 Nr. 3 AktG 1965.

Anstellungsverhältnis mit dem Geschäftsführer bestanden hat oder welche Verdienste sich der Schädiger ansonsten um die Gesellschaft erworben hat, die einen einmaligen Fehltritt möglicherweise aufwiegen. Eine Entschei­ dung, die einen sonst bewährten Geschäftsführer unbehelligt läßt, kann also vom Entscheidungsermessen der Gesellschafter gedeckt sein. Ist die Ent­ scheidung ermessensfehlerfrei, dann besteht kein Einzelklagerecht. Andern­ falls kann der zur Klage entschlossene Gesellschafter den ablehnenden Be­ schluß oder den Verzichtsbeschluß mit der Beschlußmängelklage beseitigen. Für § 46 Nr. 8 GmbHG muß die Ersetzung des Geltendmachungsbeschlusses hinzutreten. Aufhebung des ablehnenden Beschlusses, Ersetzung des Gel­ tendmachungsbeschlusses und die Anspruchsgeltendmachung selbst gehören sachlich zusammen und sind in einem Verfahren gebündelt zur Verhandlung zu bringen181. Mit Recht wird heute die Auffassung vertreten, daß die Anfechtung des ablehnenden Beschlusses mit der Erzwingung des Beschlusses nach § 46 Nr. 8 kombinierbar ist. Aber auch das dritte Element, nämlich die Einzelklage bezüglich des in der Hauptsache zu verfolgenden Anspruchs gegen den Schuldner der Gesellschaft, ist in den Entscheidungsverbund einzubezie­ hen182. Gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, daß der Beschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG hätte gefaßt werden müssen, weil das Ermessen der Gesell­ schafterversammlung auf Null reduziert ist, so darf dieser Beschluß kurzer­ hand ersetzt werden. Entsprechend § 248 Abs. 1 AktG wirkt die Ersetzung erga omnes, so wie wenn die Gesellschafterversammlung mit Mehrheit für die Erhebung des Ersatzanspruchs votiert hätte183. Die Ersetzung erfolgt in­ zident mit der Entscheidung über die Einzelklage und ist im Urteilstenor nicht gesondert auszuweisen. Das Urteil ist kein Feststellungsurteil, sondern kombiniertes Gestaltungs- und Leistungsurteil184. Im Unterschied zur posi­ tiven Beschlußfeststellungsklage, bei der ein Beschluß vom Versammlungs­ leiter mit unrichtigem Inhalt verkündet wird, ist bei der Ersetzung eines Be­ schlusses die Willensrichtung überhaupt erst herzustellen. Dazu reicht die bloße Feststellung, daß die Gesellschafterversammlung den Beschluß bei 181 Dazu ausführlich Eickhoff (wie FN 152), S. 128 ff. 182 Mit diesem Lösungsvorschlag sympathisiert auch BGH WM 1982, 928 (929). 183EICKHOFF (wie FN 152), S. 133 ff. 184Wiederum wird hier die Parallele zum Verwaltungsprozeß deutlich. Der nicht gefaßte Gesellschafterbeschluß im Rahmen von § 46 Nr. 8 GmbHG entspricht dort dem abgelehnten Verwaltungsakt, dessen Erlaß mit der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Fall 2 VwGO) be­ gehrt werden kann. Der gesellschaftsrechtliche Schutz gegen Beschlüsse ist unvollkommen, weil die §§241 ff. AktG den Akzent ganz auf das kassatorische Verfahren gelegt haben. Richtige Klageart im Verwaltungsprozeß im Falle des unterlassenen oder abgelehnten Ver­ waltungsakts ist aber nicht die Feststellungsklage nach § 43 VwGO, sondern eine Leistungs­ klage, die auf die Verurteilung zum Erlaß eines VA gerichtet ist.

richtiger Sachbehandlung hätte fassen müssen, nicht aus. Mit der Feststel­ lungsklage erreicht der Kläger nur den Ausspruch dessen, was nach mate­ riellem Recht ohnehin gilt. Der Klageverbund von Beschlußersetzung und Einzelklage ist verbands­ rechtlich zulässig und ein Gebot der Prozeßwirtschaftlichkeit. Allerdings ist Vorsorge zum Schutze aller Beteiligten des materiellen Streitverhältnisses zu treffen185. Das Prozeßrechtsverhältnis besteht zwischen Gesellschafterkläger und Gesellschaftsschuldner. Die Klagebefugnis des Klägers stellt eine Vor­ frage dar, die, abgesehen von der Situation der zweigliedrigen Gesellschaft, nicht zwischen Kläger und Beklagtem auszutragen ist. Das Gericht kann die Zustimmung nur ersetzen, wenn das Recht der übrigen Gesellschafter auf Gehör gewahrt ist. Den Gesellschaftern ist Gelegenheit zu bieten, ihre Gründe für die Verweigerung vorzubringen. Verfahrensrechtlich geschieht dies in den Bahnen der streitgenössischen Nebenintervention (§ 69 ZPO). Allerdings müssen die interventionsbefugten Gesellschafter Kenntnis von ih­ rem Recht erhalten. Dazu hat das Gericht sie von Amts wegen über das In­ terventionsrecht zu unterrichten186. *Im praktischen Ergebnis entspricht das der notwendigen Beiladung im Verwaltungsprozeß (§ 65 VwGO). Diese Er­ gänzung von § 69 ZPO bildet die notwendige Voraussetzung für die inzi­ dente Ersetzung des Gesellschafterbeschlusses sowie die Erstreckung der Rechtskraft. 3. Untätigkeit der Gesellschafterversammlung

Schließlich mag es vorkommen, daß sich die Gesellschafterversammlung überhaupt nicht mit der Sache befaßt. Im Verwaltungsrecht steht dem Bürger bei Untätigkeit der Behörde die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zu. Die Untätigkeit betrifft die Ebene der Willensbildung der Gesellschaft und in de­ ren Gefolge ihre Vertretung. Ein Geschäftsführer, der die Gesellschafterver­ sammlung nicht mit einem Antrag nach § 46 Nr. 8 GmbHG befaßt, erweist sich als ungeeignet, die Gesellschaft im anschließenden Ersatzprozeß zu ver­ treten. Einer ersten Hürde sieht sich der Gesellschafter gegenüber, wenn er den Antrag nach § 46 Nr. 8 vor die Gesellschafterversammlung bringen will, weil von Gesetzes wegen nicht jeder Gesellschafter Gegenstände zur Tages­ ordnung ankündigen kann. Ein Gesellschafter, der allein oder im Verein mit anderen 10% oder mehr des Stammkapitals vertritt, darf nach § 50 Abs. 1 und 2 GmbHG die Einberufung einer Gesellschafterversammlung verlangen 185Eingehend und durchweg überzeugend Eickhoff (wie FN 152), S. 139 ff. 186Vgl. die in BVerfGE 60, 7 entwickelte Konstruktion, die weit über § 61 GmbHG hinaus Beachtung verdient.

oder Gegenstände zur Beschlußfassung ankündigen. Die Versammlung muß diesen Punkt alsdann verhandeln. Nach verbreiteter Ansicht soll die Ver­ sammlungsmehrheit trotz der zwingenden Natur des Minderheitenrechts wirksam beschließen können, daß der angekündigte Punkt wieder von der Tagesordnung abgesetzt wird187. Diese Auffassung muß Kritik herausfordem188. Erlaubt man der Mehrheit, den Beschlußantrag von der Tagesord­ nung abzusetzen, so wird das Antragsrecht nach § 50 Abs. 2 GmbHG prak­ tisch gegenstandslos. Das Minderheitenrecht gerät doch wieder in Abhängig­ keit von der Mehrheit. Wenn das Gesetz der Minderheit ein Einberufungsund Antragsrecht gibt, muß die Konsequenz sein, daß sich die Gesellschaf­ terversammlung mit dem Entschließungsantrag inhaltlich zu befassen hat. Wenn sich die Gesellschaftermehrheit anders verhält, hat der Antragsteller Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten nach § 50 Abs. 3 Satz 2 GmbHG. Die Absetzung des Entschließungsantrages steht der Ablehnung ei­ nes Beschlusses gleich mit der Folge, daß der Antragsteller zur Einzelklage befugt ist. Gesondert zu behandeln ist die Lage, in der der klagewillige Ge­ sellschafter mit seinem Anteilsbesitz die 10%-Hürde nicht erreicht. Bei buchstabengetreuer Gesetzesanwendung lautet das Ergebnis, daß für die dem Geltungsbereich von § 46 Nr. 8 GmbHG unterliegenden Ansprüche keine Einzelklage möglich ist. Das Individualrecht Einzelklage würde durch eine Verfahrensnorm zum Minderheitenrecht entsprechend § 50 Abs. 1 GmbHG herabgestuft. Richtig ist demgegenüber, daß sich das Verfahren nach dem Recht, dem es zur Verwirklichung verhelfen soll, zu richten hat, und nicht umgekehrt. Die Anteilsbesitzhöhe darf für die Klagebefugnis keine Rolle spielen, weil § 50 Abs. 1 als Ergebnis einer teleologischen Reduktion nicht anwendbar ist. Für Beschlüsse nach § 46 Nr. 8 GmbHG ist jeder Gesell­ schafter antragsbefugt189, weil er sich nicht schlechter stehen darf als bei Ablehnung eines Geltendmachungsbeschlusses. Weder § 46 Nr. 8 noch § 50 Abs. 1 GmbHG dürfen zu Instrumenten der Blockade umfunktioniert wer­ den. Das Gericht darf bei schlichter Untätigkeit der Gesellschaft den Beschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG ebenso ersetzen wie den rechtswidrigerweise ver­ weigerten Beschluß. Das Verfahren ist in Anlehnung an die Untätigkeits­ klage des Verwaltungsrechts zu gestalten. Dem Vorverfahren nach §§68 ff. 187BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, §50 RdNr. 1; Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, §50 RdNr. 4; Schopp GmbHRdsch. 1976, 126 (130 a.E.). 188Mit guten Gründen gegen die herrschende Meinung Rowedder/Koppensteiner, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 50 RdNr. 9. 189Anders Eickhoff (wie FN 152), S. 187 ff. zutreffend dagegen Hachenburg/Raiser, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1989, § 14 RdNr. 48 m.w.N.

VwGO entspricht hier der Beschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG. Jeder Gesell­ schafter ist klagebefugt. Die Parallele zu § 75 VwGO liegt darin, daß nicht durch bloße Untätigkeit die Rechte des Gesellschafters und der Gesellschaft funktionslos werden dürfen. Andererseits bleibt zu beachten, daß, selbst wenn die Mehrheit der Gesellschafter oder die Geschäftsführung die Be­ schlußfassung hinausgeschoben und auf Zeitgewinn gesetzt haben, ihr Er­ messensspielraum nicht automatisch entfällt. Vielmehr ist den Gesellschaf­ tern entsprechend § 75 Satz 3 VwGO Gelegenheit zu einer Entscheidung zu geben190. Die Einzelklage ist in der Folge abzuweisen, wenn die Gesell­ schafterversammlung einen rechtmäßigen, d.h. nichtermessensfehlerhaften Ablehnungsbeschluß faßt. Der Gesellschafter-Kläger hat dann aber keine Veranlassung zur Klage gegeben (§93 ZPO) und ist im Innenverhältnis von der Tragung der Prozeßkosten freizustellen. Äußern sich die übrigen Gesell­ schafter binnen Frist jedoch nicht, so geht die Initiative auf den Kläger über. Es ist dann bezüglich der Klagebefugnis vom Vortrag des Klägers auszu­ gehen. Die Relevanz von § 46 Nr. 8 GmbHG läßt sich danach wie folgt zusam­ menfassen: Die Gesellschafter sind - sofern man für die Einzelklage über­ haupt am Beschlußerfordemis festhalten will - am Vorverfahren zu betei­ ligen. Die Ablehnung eines Geltendmachungsbeschlusses und erst recht die Untätigkeit der Gesellschafterversammlung machen die Einzelklage nicht gegenstandslos. Vielmehr kann ein Gericht den Beschluß inzident ersetzen und den Kläger als Interessenvertreter der Gesellschaft zulassen. Die Bestel­ lung eines Sondervertreters nach § 46 Nr. 8 Halbs. 2 GmbHG ist weder der einzige noch der geeignetste Weg, der Gesellschaft zu einem unparteiischen Wahrer ihrer Belange zu verhelfen.

V. Vornahme oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungshandlungen Die Führung der Geschäfte ist nach § 35 GmbHG die Domäne der Ge­ schäftsführung. Jede gerichtliche Erzwingung oder Verhinderung einer Ge­ schäftsführungshandlung gefährdet potentiell das Funktionieren der Gesell­ schaft und beschneidet den den Geschäftsführern zustehenden unternehme­

190Dies gilt auch im Zivilprozeß, da dieses Erfordernis keine Besonderheit des Verwal­ tungsprozesses mit seinen Verfahrensmaximen ist. Hier geht es darum, dem Nebeneinander von gerichtlicher Entscheidung und Ermessen der Gesellschafter Rechnung zu tragen, vgl. BVerfGE 60, 7 für die gerichtliche Informationspflicht gegenüber den nichtstreitbeteiligten Gesellschaftern.

rischen Ermessensspielraum191. Bei der GmbH wirkt sich dies auf zwei Ebenen aus: Betroffen ist das Verhältnis des Gesellschafters zum Geschäfts­ führer und die Beziehung der Gesellschafter untereinander, weil der Ge­ schäftsführer den Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten hat. Ist ein Gesellschafter mit einem Weisungsbeschluß nicht einverstanden, so ist hier­ gegen zunächst der besondere Rechtsschutz gegen Gesellschafterbeschlüsse eröffnet. Angreifbar ist aber zudem mit Hilfe der Unterlassungsklage der nachfolgende Ausführungsakt der Geschäftsführung. Es empfiehlt sich stets, den Weisungsbeschluß anzufechten, damit er nicht nach Fristablauf Be­ standskraft erlangt. 1. Unterlassungsklagen Bei Verstößen gegen den Gesellschaftsvertrag, für die die Beschlußan­ fechtungsklage nicht zur Verfügung steht, wird ein zusätzlicher Rechtsbehelf erforderlich. Es geht um die Verhinderung gesellschaftswidrigen Verhaltens des vollziehenden Gesellschaftsorgans. Die Notwendigkeit der Erweiterung des Rechtsschutzes wird deutlich, wenn die Geschäftsführung in den Bereich der Grundlagenkompetenzen der Gesellschafter übergreift oder einen fehler­ haften Beschluß einfach durchsetzt. Die typischen Fälle aus der Rechtspre­ chung sind die Handlungen der Geschäftsführung, die außerhalb des Unter­ nehmensgegenstandes liegen, ohne die notwendige Zustimmung der Gesell­ schafterversammlung erfolgen oder die Rechte der Gesellschafter verkürzen. Zulässigkeit und Grenzen der Unterlassungsklage sind im Lichte des unter­ nehmerischen Ermessensspielraums der Geschäftsführung zu definieren. We­ gen der Folgepflichtigkeit gegenüber Weisungsbeschlüssen der Gesellschaf­ terversammlung ist das Geschäftsleiterermessen des GmbH-Geschäftsführers von anderer Qualität als bei der Aktiengesellschaft. Bei der GmbH ist der Geschäftsführer zu einer Änderung der Geschäftspolitik ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung nicht berechtigt192. Geschähe dies gleich­ wohl, so kann jeder Gesellschafter die Funktionsüberschreitung durch Unterlassungsklage abwehren. Der Geschäftsführer darf die Gesellschafter­ versammlung selbst dann nicht übergehen, wenn er zugleich der Mehrheits­ gesellschafter ist. Denn eine Befassung der Gesellschafterversammlung ver­ schafft jedem Gesellschafter das Beschlußanfechtungsrecht als zusätzlichen Rechtsbehelf.

191 Dieser Gesichtspunkt wird klar herausgearbeitet bei Zöllner ZGR 1988, 292 (420 ff.); Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 82 ff.; DIES. DB 1981, 407. 192BGH GmbHRdsch. 1991, 197.

Ansonsten ist bei Abwehrklagen zu unterscheiden, ob es allgemein darum geht, gesetz- oder gesellschaftsvertragswidrige Geschäftsführungsakte abzu­ wehren oder ob eine solche Klage in das Zentrum unternehmerischer Ent­ scheidungsgewalt zielt193. Klagen gegen gesetz- oder vertragswidrige Maß­ nahmen der Geschäftsführer kann jeder Gesellschafter ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung erheben; denn wenn der Tatbestand der Gesetzoder Vertragswidrigkeit vorliegt, kann sich der Geschäftsführer nicht auf einen Ermessensspielraum berufen. Grundsätzlich begründet jedweder Ver­ stoß das Klagerecht194. Eine Unterlassungsklage gegen eine vom Geschäfts­ führungsermessen erfaßte Entscheidung untersteht strengeren Anforde­ rungen, d.h. es sind Ermessensfehler aufzuzeigen. Trotz der Weisungs­ gebundenheit, die eine Entscheidung des Geschäftsführers in letzter Konse­ quenz zu einer Mehrheitsentscheidung macht, ist das von der Einzelklage zu befriedigende Bedürfnis nach Rechtsschutz nicht dadurch erledigt, daß jeder Gesellschafter die Gesellschafterversammlung mit der fraglichen Maßnahme befassen und ihren Beschluß anschließend entsprechend § 243 AktG anfech­ ten kann195. Daß dies nicht ausreichend ist, wird einsichtig, wenn sich die Gesellschafterversammlung nicht mit der Angelegenheit befassen will oder einen Beschluß faßt, der zwar rechtmäßig und unangreifbar ist, aber von der Geschäftsführung mit Rückendeckung der Mehrheit ignoriert wird. 2. Vornahmeklagen Die Möglichkeit der Klage eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft mit dem Antrag, bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen durchzusetzen, beurteilt man im GmbH-Recht mit großer Zurückhaltung196. Die Vornah­ meklage ist jedoch nur die konsequente Fortentwicklung der Unterlassungs­ klage. Kommt die Unterlassungsklage oder eine einstweilige Verfügung zu spät, weil eine Maßnahme bereits ausgeführt ist, so bleibt nur die Vornah­ meklage übrig, um den rechtmäßigen Status quo ante wiederherzustellen. 193Vgl. die Differenzierung bei Raiser (wie FN 189), § 14 RdNr. 47 und 48. 194 Anders noch Knobbe-Keuk, Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 239 (252), wonach nicht jedwede gesetzwidrige Handlung der Verwaltung das Klagerecht auslöse und es der Gesellschafter hinzunehmen habe, wenn der Vorstand betrügerische Geschäfte tätigt oder gegen Wirtschaftsstrafgesetze verstößt. Für die GmbH bleibt festzuhalten, daß die Gesell­ schafter im Hinblick auf § 46 Nr. 6 GmbHG aktiv in die Überwachung der Geschäftsfüh­ rung einbezogen sind. 195So aber Raiser (wie FN 189), § 14 RdNr. 48. Die Bedeutung der Einzelklage in der GmbH wird entschieden unterschätzt, wenn man Rechtsschutz nur gegen den Weisungsbe­ schluß gewährt und einen Bedarf für die Gesellschafterklage nur anerkennen will, sofern der Geschäftsführer statutarisch von Weisungen der Gesellschafterversammlung freigestellt ist. 196ZöLLNER ZGR 1988, 392 (414 ff.); RAISER ZHR 153 (1989), 1 (32 ff.); HACHENBURG/RAISER, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1989, § 14 RdNr. 49.

Das Weisungsrecht der Gesellschafter alleine vermag hier keine wirksame Abhilfe zu schaffen, weil die Zielrichtung einer Weisung von der Mehrheit vorgegeben wird. Die Gesellschafterklage durchbricht das Mehrheitsprinzip, wo dieses nicht für gesetzes- und statutengerechte Zustände sorgen kann. Auch ein Minderheitsgesellschafter soll eine gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung der Gesellschaft erzwingen dürfen. Eine Einzelklage mit dem Inhalt der Erzwingung einer konkreten Geschäftsführungshandlung dringt durch, wenn der Gesellschafterversammlung kein Entscheidungsermessen mehr verbleibt, z.B. weil eine Maßnahme im Gesellschaftsvertrag vorge­ sehen oder wirksam beschlossen ist. Zu nennen wäre schließlich die Auf­ stellung des Jahresabschlusses, die dem Gewinnbezugsrecht der Gesellschaf­ ter vorgelagert ist. Sowohl für die Unterlassungs- wie für die Vornahmeklage ist ein Vorver­ fahren durchzuführen, d.h. der Gesellschaft die Klageabsicht anzuzeigen und den Gesellschaftsorganen genügend Zeit zur Sachprüfung zu gewähren. Bei dieser Fallgruppe ist für die GmbH das Weisungsrecht der Gesellschafterver­ sammlung nach § 37 Abs. 1 GmbHG besonders wichtig. Freilich folgt dar­ aus nicht, daß der Erfolg der Klage von einem Ermächtigungsbeschluß ab­ hängt. Nur die Verfolgung eines Ersatzanspruchs gegen den Geschäftsführer hat einen Ermächtigungsbeschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG zur Vorausset­ zung, nicht jedoch eine Klage gegen Geschäftsführungsakte, die den Schadenseintritt ab wenden will.

VI. Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte Die Einzelklage ist nach der hier verfolgten Konzeption die Wahrneh­ mung von Rechten der Gesellschaft durch die Gesellschafter, wobei die Früchte dieser Rechtsverfolgung an die Gesellschaft fallen. Bei dieser Ein­ ordnung macht es keinen Unterschied, ob der Anspruch der Gesellschaft gegenüber Gesellschaftern, gegenüber Mitgliedern der Verwaltung oder gegenüber Außenstehenden begründet ist. Dennoch wird die Einzelklage mit dem Ziel der Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte durchweg verneint197. Begründet wird dies mit der strikten Trennung von Gesellschaft und Gesellschaftern sowie mit den fehlenden rechtlichen Beziehungen zwi­ schen Gesellschaftern und Dritten, auf die es aber gar nicht ankommt. Hin­ 197Ablehnend Eickhoff (wie FN 152), S. 194 ff.; Grunewald (wie FN 191), S. 88 ff.; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Komm.z.GmbHG, 1987, § 14 RdNr. 32 am Ende; etwas großzügiger LUTTER/HOMMELHOFF, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 13 RdNr. 5: der Dritte muß eine einem Gesellschafter "nahestehende Person" sein.

gewiesen wird ferner auf die Anrufung der Gesellschafterversammlung und deren Weisungsrecht, wogegen der Rechtsschutz entsprechend den §§241 ff. AktG offensteht. Einem Gesellschafter, der die Durchsetzung einer Drittfor­ derung durchsetzen will, wird angesonnen, zunächst intern die Klage im Außenverhältnis zu erzwingen und damit die Streitthemen der Pflicht zur Geltendmachung im Innenverhältnis von der Leistungspflicht des Gesell­ schaftsschuldners im Außenverhältnis zu trennen. Wie bei den Personal­ gesellschaften wird der Schutz des Schuldners der Gesellschaft höher veran­ schlagt als die Effizienz des Verfahrensablaufs. Für die Personalgesellschaf­ ten ist dazu aufgezeigt worden, daß dieser Zielkonflikt befriedigend durch ein Verbundverfahren lösbar ist. So wenig wie bei den Personengesellschaften verfängt gegenüber einer Einzelklage im Verhältnis zu Dritten das Argument, daß der Kläger an einer Inanspruchnahme des Dritten gehindert sei und statt dessen die Mitglieder der Verwaltung eventuell auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen habe. Diese Auffassung verfehlt die wirtschaftlichen Realitäten. Die Verweisung auf den Ersatzanspruch ist nur dann zwingend, wenn dieser im Vergleich zum Erfüllungsanspruch gleichwertig ist. Daran fehlt es aus zweierlei Grün­ den: Der Primäranspruch der Gesellschaft auf Erfüllung gegen den Gesell­ schaftsschuldner eröffnet Chancen am Markt und im Wettbewerb, die sich einer hypothetischen Schadensermittlung nach § 287 ZPO in der Regel ent­ ziehen. Mit der Entscheidung für die Geltendmachung des Primäranspruchs oder nur eines Schadensersatzanspruchs fällt ebenso eine Entscheidung über die Verteilung von Insolvenzrisiken. Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers bringt der Gesellschaft keine vollwertige Restitution. Der primäre Erfül­ lungsanspruch der Gesellschaft ist wertvoller als ein Schadensersatzanspruch gegen die eigene Verwaltung. Der Schadensersatzanspruch wäre allenfalls gleichwertig, wenn die volle Leistungsfähigkeit des Schuldners gegeben ist. Zudem wäre ein Ersatzanspruch mit dem Erfordernis eines Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG belastet. Die besseren Gründe sprechen dafür, die Rechtslage bei der GmbH nicht als durch die Erfahrungen bei den Personalgesellschaften präjudiziert anzu­ sehen, weil die ökonomischen Rahmenbedingungen bei der GmbH anders sind. Nur auf halbem Wege stehen bliebe eine Lösung, welche die Einzel­ klage im Außenverhältnis auf die Belangung von den Gesellschaftern "nahestehenden" Personen wie Verwandte oder konzemverbundene Unter­ nehmen begrenzen will 198. Darauf kann es nicht ankommen, weil dieses NäheVerhältnis normativ nicht faßbar ist und offen bleibt, ob es familien­ oder gesellschaftsrechtlich zu ermitteln ist. Ebenso unerheblich ist - wie die 198 So aber LUTTER/HOMMELHOFF (wie FN 197).

Rechtsprechung bei den Personalgesellschaften gefordert hat 199 —, ob der Dritte mit dem Geschäftsführungsorgan oder der Gesellschaftermehrheit zum Nachteil der Gesellschaft kollusiv zusammengewirkt hat. Die GmbH ist die in der Bundesrepublik am weitesten verbreitete Gesell­ schaftsform. Sie unterscheidet sich von den Personengesellschaften. Die GmbH besitzt eine bekannt hohe Konkursanfälligkeit. Wesentliche Teile des Gesellschaftsvermögens schlummern oftmals in nichtbeigetriebenen Außen­ ständen der Gesellschaft. Das praktische Bedürfnis für eine Einzelklage im Außenverhältnis, das nicht allein unter gesellschaftsrechtlichen Vorzeichen zu sehen ist, läßt sich nicht von der Hand weisen. In einem weiteren Zu­ sammenhang dient die Einzelklagebefugnis mit diesem Inhalt im GmbHRecht der Insolvenzprophylaxe. Ein Blick auf die Konkursstatistik verrät, daß viele GmbH-Konkurse zur masselosen Liquidation führen. Ein Konkurs­ verfahren wird nach geltendem Insolvenzrecht mangels Masse gar nicht er­ öffnet, § 107 Abs. 1 Satz 1 KO200. Die Masselosigkeit besteht nur ver­ meintlich. Bei bilanzieller Betrachtung stehen der Gesellschaft sehr wohl Ak­ tiva in Gestalt ihrer Außenstände zu, die aber nicht eingezogen werden, da wegen § 107 KO kein Konkursverwalter vom Gericht bestellt wird. Masse­ losigkeit nach § 107 KO ist mithin keine Vermögenslosigkeit. Hier muß das Gesellschaftsrecht Abhilfe schaffen, indem den Gesellschaftern die Befugnis zur Einzelklage nicht abgesprochen wird. Zu denken wäre sogar an eine außerordentliche Klagebefugnis der Gesellschaftsgläubiger, wie sie § 93 Abs. 5 AktG kennt. Zur statistisch betrachtet hohen Konkursanfälligkeit der GmbH paßt es nicht, daß diese Möglichkeit im GmbH-Gesetz fehlt. Ande­ rerseits stellt dies kein Hindernis dar, das geltende GmbH-Gesetz von 1892/98 im Wege der Rechtsfortbildung an die Erfordernisse des modernen Wirtschaftslebens anzugleichen. Die Klagebefugnis der Gesellschafter bzw. der Gläubiger würde die durch § 107 Abs. 1 Satz 1 KO geschaffene Lücke schließen und einen wirksamen Beitrag zur Insolvenzprophylaxe leisten. Diese Einzelklagezuständigkeit ist einem Haftungsdurchgriff auf die Gesell­ schafter vorzuziehen. Ein Gesellschafterbeschluß ist für die ins Außenverhältnis greifende Ein­ zelklage weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck von § 46 Nr. 8 GmbHG erforderlich201. Die Anspruchsverfolgung gegen Dritte betrifft keine Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis und wird von § 46 Nr. 8 199BGHZ 39, 14 (17 ff.). 200Hierzu umfassend Wolf Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, 1986,

S. 55 ff., 155 ff.; Karsten Schmidt ZIP 1982, 9 (11 ff.); ders., Wege zum Insolvenz­ recht der Unternehmen, 1990, S. 184 ff. und öfter. 20Sympathisierend mit § 46 Nr. 8 Eickhoff (wie FN 152), S. 194.

GmbHG selbst dann nicht erfaßt, wenn die Anspruchsgrundlage im Recht der unerlaubten Handlungen wurzelt. Der in Einzelklage vorgehende Gesell­ schafter macht den Anspruch der Gesellschaft so geltend, wie dies der Ge­ schäftsführer zu tun hätte. Auch dieser bedürfte aber keines Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG. Der Gesellschafter muß seine klare Absicht der Gesell­ schaft grundsätzlich anzeigen und das Vorverfahren durchlaufen. Weigert sich die Geschäftsführung rechts widrigerweise, den Anspruch zu erheben und erteilt die Gesellschafterversammlung keine anderslautende Weisung, so ist die Einzelklagebefugnis gegeben. Den Gesellschaftsorganen verbleibt je­ doch ein Ermessensspielraum, der zu respektieren ist und das Klagerecht ausschließen kann. Für die Beurteilung der Ermessensentscheidung gilt, daß nicht jeder fällige und durchsetzbare Anspruch der Gesellschaft eingeklagt werden muß. Eine Nichtgeltendmachung mag aus kaufmännischer Sicht ver­ tretbarer und vom Ermessensspielraum gedeckt sein, wenn der Gesellschaft dadurch eine gewinnträchtige Geschäftsverbindung erhalten bleibt. Die Ermessensprüfung ist derjenige Ort, wo rechtliche und betriebswirt­ schaftliche Faktoren aufeinandertreffen und zum Ausgleich zu bringen sind. Ihre Abwägung läßt sich nur bedingt mit den Mitteln des Rechts bewirken. So mag eine relativ kleine Forderung offenstehen und die Gewinnaussichten im Prozeß mögen gut sein. Lohnt der Aufwand eines Prozesses, wenn für eine Beweisaufnahme mehrere Mitarbeiter zum Gerichtsort reisen müssen und ihre Arbeitskraft dem Unternehmen verloren geht? Demgegenüber ist zu beachten, daß es auf Dauer für jedes Unternehmen tödlich ist, wenn das In­ kasso nicht ernst genug betrieben wird. Die Schuldner der Gesellschaft kön­ nen unterstützt von den Möglichkeiten moderner Datenverarbeitung dafür sorgen, daß Rechnungen unbeglichen bleiben. Deshalb mag es sehr wohl an­ gebracht sein, selbst für einen kleinen Betrag ein Exempel zu statuieren und allen Anfängen zu wehren. Die Entscheidung hierüber ist nach Lage des Einzelfalls zu treffen.

E. Die Rechtslage bei der Aktiengesellschaft Eine allgemeinverbandsrechtliche, an den Institutionen des Gesellschafts­ rechts orientierte Betrachtung darf die Aktiengesellschaft nicht aussparen. Die Rechtslage bei der AG ist für das gesamte Verbandsrecht erhellend, weil die Diskussion um die Rechte der Aktionäre von starken Emotionen be­ stimmt ist und auf ideologischen Vorverständnissen beruht. Spätestens bei der Aktiengesellschaft wird deutlich, daß sich das Spannungsverhältnis von Aktionärsrechten und Verwaltungskompetenzen zur Machtfrage verdichtet.

Die Leitentscheidung BGHZ 83, 122 und die Reaktionen202, die sie auslöste, zeigen das, obwohl das Urteil nur einen möglichen Inhalt der Einzelklage behandelte. Im Anschluß an die Entscheidung ist zu diskutieren, ob für die Aktiengesellschaft auch eine Einzelklage mit den für die anderen Gesell­ schaftsformen behandelten Inhalten denkbar ist. Wiederum ist vom Organisationsstatut auszugehen. Prinzipiell ist gegen die Einzelklage im Aktienrecht eingewandt worden, daß sie eine gesetzwid­ rige Ausweitung der Aktionärsrechte impliziere, die mit der Leitungsgewalt der Verwaltung unvereinbar sei203. Nur der Verwaltung traut man die Ein­ schätzung zu, was im besten Interesse von Gesellschaft und Unternehmen liegt. Nur die Verwaltung sei tagtäglich mit der Führung der Geschäfte be­ faßt und besitze die notwendige Übersicht und Vorkenntnis. Diese Argu­ mentation plädiert unverhohlen für die Entmündigung der wirtschaftlichen Eigentümer der Aktiengesellschaft. Diejenigen Sachfragen, für die die Rechtsprechung eine Pflicht der Verwaltung zur Befragung der Hauptver­ sammlung aufgestellt hat, betreffen Grundlagenentscheidungen mit Progno­ secharakter. Die Legitimationsgrundlage für die Beteiligung der Hauptver­ sammlung beruht nicht auf dem vermeintlich überlegenen Wissen, sondern auf der Betroffenheit von den Auswirkungen solcher Entscheidungen. Soweit es um Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder der Verwaltung oder wegen verbotener Einflußnahme auf die Verwaltung geht, existiert in § 147 AktG ein besonderes Verfahren zur Beitreibung solcher Forderungen. Das Verfahren ist von der Einzelklage zu trennen, weil § 147 AktG ein gesellschaftsintemes Mittel zur Erzwingung der Verfolgung von Ersatzansprü­ chen der Gesellschaft ist. Das Einzelklagerecht wird hiervon weder begrenzt noch ausgeschlossen. Wie es sich neben § 147 AktG in die Verbandsverfas­ sung der Aktiengesellschaft einfügt, bedarf einer näheren Prüfung.

202In die gleiche Richtung schon früher RG HoldhMSchr. 1903, 197 ff. mit Anm. Endemann; ablehnend Staub HoldhMSchr. 1903, 169 ff.; RGZ 35, 83 (86 ff.); OLG Braunschweig OLG-Rspr. 10 (1905), 337. Diese Entscheidungen, die im Jahre 1904 immer­ hin den 27. Deutschen Juristentag beschäftigt haben, werden heute im Zusammenhang mit der Entscheidung BGHZ 83, 122 - "Holzmüller” unverständlicherweise nicht mehr beach­ tet. Die Holzmüller-Doktrin wird fortentwickelt durch LG Stuttgart DB 1991, 2533. 203K.-P. Martens ZHR 147 (1983), 377 (425); Werner ZHR 147 (1983), 429 (451 ff.); Beusch, Festschrift für Werner, 1984, S. 1 ff.; Schulz-Gardyan, Die sogenannte Aktionärsklage, 1991, besonders S. 43 ff.; H. Roth, Festschrift für Henckel, 1995, S. 707 ff.; richtig dagegen Gebler, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 771 (788 f.); aus konzemrechtlichem Blickwinkel Hommelhoff, Die Konzemleitungspflicht, 1982, S. 455 ff.

I. Organisation der AG und Rechte der Aktionäre Bei der Aktiengesellschaft ist die Stellung des Geschäftsführungsorgans am stärksten abgesichert. Nach § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand die Ge­ sellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Die Hauptversammlung hat im Gegensatz zu dem bis 1937 geltenden Recht grundsätzlich keine Geschäftsfuhrungskompetenz. Nach § 118 Abs. 1 AktG üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus. Diese interpretationsbedürftige Bestimmung besaß ihr Vorbild in Art. 224 ADHGB, der von der Rechtsprechung als nichtabschließende Regelung eingestuft war204. Außerhalb von § 118 Abs. 1 existieren Aktio­ närsrechte, in die die Verwaltung oder die Hauptversammlungsmehrheit nicht nach Belieben eingreifen dürfen. Das wichtigste Beispiel für die Aus­ übung von Aktionärsrechten mit Bezug auf die Kontrolle der Gesellschaft bildet die Beschlußanfechtung, die von der Rechtsprechung ursprünglich au­ ßerhalb von Art. 224 ADHGB ins Aktienrecht eingeführt wurde. Auch das Einzelklagerecht verwirklicht auf der Ebene der Exekutivkompetenzen das Prinzip der gesetzes- und statutengemäßen Verwaltung der Gesellschaft. Die Rechtsprechung hat die Einzelklage des Aktionärs mit Recht nicht an § 118 Abs. 1 AktG scheitern lassen. § 118 Abs. 1 faßt die Aktionäre im Gesell­ schaftsorgan Hauptversammlung zusammen. Näher zu betrachten sind die hiervon erfaßten Rechte. § 118 Abs. 1 spricht von den Rechten der Aktio­ näre, ist jedoch in den Unterabschnitt, der die Rechte der Hauptversamm­ lung behandelt, eingereiht. Die Rechte der Aktionäre sind nicht deckungs­ gleich mit den Rechten der Hauptversammlung. Abzugrenzen sind kollektiv­ rechtliche und individualrechtliche Befugnisse. § 118 Abs. 1 hat die kollektiv auszuübenden Aktionärsrechte zum Gegenstand. Dies ist das Auskunftsrecht der Aktionäre, das Stimmrecht und der gesamte Bereich der organisierten Willensbildung, wie die §§ 119 ff. AktG verdeutlichen205. § 76 Abs. 1 AktG spricht die graduell stärkste Trennung von Aktionszu­ ständigkeit und Vermögensberechtigung im Verbandsrecht aus. Die Abgren­ zung der Handlungsbefugnisse des Vorstands gegenüber den Rechten der Aktionäre ist verbands- und verfassungsrechtlich zu begründen. Es geht um den Eigentumsschutz der Aktionäre - mit Bezug auf ihren Anteil am Gesell­ schaftsvermögen und ihre Entscheidungsteilhabe - durch Begrenzung organ­ schaftlicher Einwirkungsbefugnis. § 76 Abs. 1 definiert die Leitungsmacht des Vorstands nicht als eine allumfassende Entscheidungsgewalt, die die 204So bereits in ständiger Rechtsprechung ROHGE 11, 119 (121); 14, 354 (356 ff.); 25, 307 (310). 205ZÖllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 118 RdNr. 3.

Mitgestaltungsrechte der Mitglieder völlig ausschließt. Der Vorstand hat die Geschäftsführungskompetenz, aber keine Satzungsgewalt. Eine den Vertrete­ nen verdrängende, unwiderrufliche Vertretungsmacht ist dem deutschen Recht unbekannt und mit § 137 Satz 1 BGB unvereinbar. Auch für die organschaftliche Vertretungsmacht gilt, daß der Vertretene bzw. die seinen Willen bildenden natürlichen Personen nicht ihrer Aktionszuständigkeit be­ raubt werden dürfen. Der Vermögensberechtigte darf Aktionszuständigkeit oder Partizipation an dieser verlangen, wenn Entscheidungen anstehen, die die Basis seiner Vermögensberechtigung betreffen. §§ 137 Satz 1, 138 Abs. 1 BGB sichern unter diesem Blickwinkel privatrechtlich die Freiheitssphäre des einzelnen gegen eine unkalkulierbare Selbstbindung. Sie bleiben als Be­ standteile des allgemeinen Vertretungsrechts auch für die Auslegung von § 76 Abs. 1 AktG bestimmend. Diese Deutung von § 76 Abs. 1 findet ihre Bestärkung schließlich im Verfassungsrecht. Art. 14 Abs. 1 GG verlangt das Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner sowohl gegenüber den Arbeitneh­ mervertretern wie gegenüber dem Management. Art. 9 Abs. 1 GG versteht die Vereinigungsfreiheit im Sinne eines Rechts auf freie Assoziation selbst­ bestimmender Mitglieder. Dies impliziert nach der Verfassungsrechtspre­ chung einen Anspruch auf Selbstbestimmung und Abwehr unerwünschter Fremdbestimmung206. Allgemeines Zivil- und Verfassungsrecht besagen demnach übereinstimmend, daß § 76 Abs. 1 AktG verfassungskonform dahin auszulegen ist, daß dem Vorstand keine die Anteilseigner auf Dauer ver­ drängende Aktionszuständigkeit verliehen ist. Bei den Personalgesellschaften ist der aus der Trennung von Aktionszuständigkeit und Vermögensberechti­ gung entspringende Konflikt begrenzt durch die zwingende Eigenorgan­ schaft, das Widerspruchsrecht gegen außergewöhnliche Betriebsgeschäfte und das Einstimmigkeitsprinzip. Aber auch im Recht der Körperschaften sind Sicherungen anzubringen, die BGHZ 83, 122 vorrangig im verfahrens­ rechtlichen Bereich angesiedelt hat, indem das Recht des Vorstands nach § 119 Abs. 2 AktG zu einer Pflicht zur Befragung der Hauptversammlung ausgeweitet wurde, bewehrt durch einen Klageanspruch jedes Aktionärs. Die Rechte des Organs Hauptversammlung erschöpfen sich nicht in dem Katalog des § 119 Abs. 1 AktG. Weiterhin steht nach BGHZ 83, 122 fest, daß der Kreis der Aktionärsrechte unbeschadet von § 118 Abs. 1 AktG erweiterbar ist und daß, wenn die Verwaltung die Zuständigkeiten der Hauptversamm­ lung verletzt, nicht diese, sondern der einzelne Aktionär Zuordnungsadressat des Rechtsbehelfs ist. Die richtige Standortbestimmung der §§ 76, 118, 119 206ßVerfGE 50, 290 (351 ff., 354 ff.) - Mitbestimmungsurteil; noch näher hierzu Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Komm.z.GG, Stand: August 1979, Art. 9 RdNr. 93 sowie 111c.

AktG zueinander, ist zentral für das Verständnis des Verfassungsaufbaus der Aktiengesellschaft und ihrer Stellung im Privatrecht. Die genannten Bestim­ mungen sind nicht nur solche mit organisationsrechtlichem Gehalt, die wirt­ schaftpolitisch neutral wären207. Die Ausführungen in BGHZ 83, 122 zur Kompetenzabgrenzung der Gesellschaftsorgane betreffen in Wahrheit die materielle Erfassung des aktienrechtlichen Mitgliedschafts- und Eigentums­ begriffs. § 76 Abs. 1 AktG hat nichts daran ändern wollen, daß die Aktionäre die wirtschaftlichen Eigentümer der AG sind208. Das Verfügungs- und Mitent­ scheidungsrecht der Aktionäre darf nur dort Beschränkungen unterworfen werden, wo dies mit Rücksicht auf die Besonderheiten des aktienrechtlich organisierten Eigentums oder aus vorgreiflichen wirtschafts- und gesell­ schaftspolitischen Gründen gerechtfertigt ist209. § 76 AktG schließt nicht aus, den Beteiligungs- und Mitverwaltungsrechten der Aktionäre wieder breiteren Raum zu widmen, was andererseits aber keine Rückkehr zur Geschäftsführungs- und Weisungsbefugnis der Hauptversammlung des früheren Rechts bedeutet. Die vereinzelt getroffene Feststellung, daß die Hauptver­ sammlung als Organ zur Behebung von Mißbräuchen im Aktienrecht nach­ haltig versagt habe, besagt nicht, daß nicht ein einzelner Aktionär Brauchba­ res zu leisten vermag. Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt in der AG210 ist historisch betrachtet damit gerechtfertigt worden, daß das passive nur an der Rendite und an Kurssteigerungen ausgerichtete Verhalten der Masse der Ak­ tionäre es nicht zulasse, sie in Führungs- oder Kontrollaufgaben einzubezie­ hen. Führungs- und Kontrollfunktionen sind aber, wie von der gesetzlichen Organisation der Aktiengesellschaft bereits vorgegeben, zu trennen. Büßte die Hauptversammlung 1937 ihre Funktion als Führungsorgan endgültig ein, so verlor weder sie noch der einzelne Aktionär seine Kontrollrechte nach all­ gemeinem Verbandsrecht. Daß bei der Aktiengesellschaft schon seit dem 19. Jahrhundert obligatorisch ein Aufsichtsrat zu bilden ist, ändert an dem beste­ henden Kontrollbedarf nichts. Der Aufsichtsrat steht dem Vorstand im Kräf­ tefeld der Aktiengesellschaft näher als der Hauptversammlung. Nach allge­ 207Dafür mit Nachdruck Mestmäcker JuS 1963, 417 (418 ff.); ders., in: Das Verhält­ nis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, 1964, S. 103 (106 ff.) gegen BVerfGE 14, 263 - "Feldmühle". 208Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965, BT-Drucks. IV/171, S. 93 ff.; im gleichen Sinne BVerfGE 50, 290 (342 ff.) - Mitbestimmungsurteil. 209 Siehe Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965, BT-Drucks. IV/171, S. 93. 210Eingehend hierzu mit reichhaltigen Nachweisen zum Diskussionsstand in den USA, Großbritannien und Deutschland die kenntnisreiche Studie von Schmitz-Herscheidt, Ko­ operationstheorie und Gruppenstruktur im Gesellschaftsrecht, 1981, S. 355 ff.

meinem Sprachgebrauch bilden Vorstand und Aufsichtsrat die Verwaltung der Aktiengesellschaft. Der Aufsichtsrat ist in der Wirtschaftspraxis nicht der Kontrollausschuß der Hauptversammlung insgesamt, weil die Mehrheit in der Hauptversammlung sich entsprechend im Aufsichtsrat wiederfindet. Die Arbeitnehmermitbestimmung zwingt die Anteilseignerseite, ihre Bank ge­ schlossen zu formieren, so daß die Installierung einer Minderheitenvertre­ tung im Aufsichtsrat praktisch nicht in Betracht kommen wird211. Die in der Aktiengesellschaft verwirklichte Aufspaltung der Eigentums­ position verlangt nach Kontrolle. In dieser Trennung hat man die hauptsäch­ liche Ursache für die frühkapitalistischen Mißbräuche in der Aktiengesell­ schaft erblickt, die diese volkswirtschaftlich unerläßliche Einrichtung gegen Ende des 19. Jahrhunderts in ernsthaften Mißkredit gebracht haben212. Gefordert wurde eine Rückbesinnung auf die Bindung der Verwaltungsmacht an die Kapitalgeber als dem Personensubstrat der Aktiengesellschaft213. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang das Depotstimmrecht der Banken, welches es nahezu unmöglich macht, daß sich einzelne Aktio­ näre zu dem von § 147 Abs. 1 AktG geforderten Quorum zusammenfinden. Die Kreditinstitute stehen den amtierenden Verwaltungen oder den nach § 117 AktG haftbaren Personen, gegen die sich der Rechtsbehelf des § 147 richtet, in aller Regel näher als den opponierenden Aktionären. Hier wirkt sich die fehlende Spartentrennung im Kreditgewerbe sichtbar aus. Die amtie­ rende Verwaltung entscheidet über die Kreditaufnahmen der Gesellschaft oder darüber, wer Hausbank der Gesellschaft ist. Kreditinstitute haben in ih­ rer Eigenschaft als Depotbank kein Interesse daran, einer sich formierenden Opposition Hilfestellung zu leisten. Die Einzelklage ist ebenso wie die Verfassung der AG zwingendes Recht. Die Satzung besitzt nur den von § 23 Abs. 5 AktG belassenen Regelungs­ spielraum. An der zwingenden Natur der Einzelklage sowie den durch BGHZ 83, 122 aufgestellten Grundsätzen ändert sich insbesondere in sog. transnationalen Sachverhalten nichts214. Die Einzelklage ist Bestandteil des 211 Die Zulässigkeit einer Minderheitsvertretung im Aufsichtsrat ist überaus umstritten, vgl. OLG Hamm NJW 1987, 1030 - "Banning"; zustimmend etwa Fleck EWiR 1987, 113; ablehnend KOPPENSTEINER, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1987, Vorbem. zu § 311 RdNr. 27; TIMM NJW 1987, 977; H.-J. MERTENS AG 1987, 40; LG Mannheim WM 1990, 760 (763); BGH AG 1962, 216. In Österreich (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 3 öAktG 1965) ist eine Minderheiten- bzw. ProportionalVertretung im Aufsichtsrat vorgesehen. 212Siehe nur die berühmte Philippika von v.Jhering, Der Zweck im Recht I, 3. Aufl. 1893, S. 221 ff. gegen die Institution der Aktiengesellschaft. 213Hierzu immer noch lesenswert DÜringer/Hachenburg, Komm.z.HGB, 3. Aufl. 1934, 3. Abschnitt: Aktiengesellschaft, Einleitung: Die AG im Leben der Wirtschaft, Anm. 77, 33 und 102. 214Anders Ebenroth, Konzernbildungs- und Konzemleitungskontrolle, 1987, S. 88, der jedoch selbst einräumt, daß die von ihm entwickelte Lösung der Zwischenschaltung

Gesellschaftsstatuts. Deutsches Recht gelangt nach der noch immer herr­ schenden Sitztheorie215 zur Anwendung, wenn sich die Hauptverwaltung der Gesellschaft nach objektiver Bestimmung in Deutschland befindet. Die Ein­ zelklage wie die Pflicht des Vorstands zur Befragung der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG zählen zum ordre public des deutschen Gesell­ schaftsrechts. Die Verwaltung kann sich ihrer Pflichten nicht dadurch entle­ digen, daß sie wesentliche Betriebsteile auf eine eigens im Ausland gegrün­ dete Tochtergesellschaft verlagert. Untersteht die aufzuspaltende Gesellschaft deutschem Recht, dann gelten die durch BGHZ 83, 122 aufgestellten Grund­ sätze ohne Rücksicht auf das Gesellschaftsstatut der aufnehmenden Gesell­ schaft. Mit Blick auf die Schutzfunktion der Einzelklage sowie der Befra­ gungspflicht kann die Verwaltung die Aufsicht, der sie untersteht, nicht ab­ streifen, indem sie kurzerhand Aktivitäten oder Teile des Gesellschaftsver­ mögens ins Ausland verschiebt. Zu einer solchen Maßnahme wäre die Ver­ waltung erst recht an die Mitwirkung der Hauptversammlung gebunden. Die Verwaltung darf nicht ohne Beteiligung der Hauptversammlung wesentliche Teile des Gesellschaftsvermögens übertragen (§§ 23, 179a AktG), und erst recht darf sie das Gesellschaftsstatut nicht wandeln. Für eine Sitzverlegung ist die Zustimmung der Hauptversammlung nötig (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG), die Sitzverlegung ins Ausland fällt zudem mit der Auflösungskompetenz nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG zusammen. II. Aktienrechtliche Vorgaben für die Einzelklage Das Aktiengesetz schweigt nicht vollständig zum Komplex der Einzel­ klage. Die vom Gesetz normierten Tatbestände betreffen Sondersituationen, namentlich die Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Dies wirft die Frage nach ihrer Verallgemeinerbarkeit auf.

1. Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 AktG gehört seit alters her dem geschriebenen Aktienrecht an216. Der Rechtsbehelf hat allerdings nie eine rechtstatsächlich erhebliche Rolle gespielt. Ersatzansprüdeutscher oder ausländischer Holdinggesellschaften zum Scheitern verurteilt ist, da sie auf eine unzulässige fraus legis hinausläuft. Ebenroth bekennt sich zur Sitztheorie (vgl. MünchKomm-EBENROTH, 2. Aufl. 1990, Nach Art. 10 EGBGB RdNr. 139 ff. [190 ff.]), die sich gerade als Schutztheorie im Interesse der ortsansässigen Kapitalanleger, Gesell­ schaftsgläubiger und Arbeitnehmer versteht. Wie Ebenroth auch Häuter, Ausgliederung des betriebswichtigsten Teiles einer Aktiengesellschaft, 1988, S. 76, 182. 215Zum Meinungsstreit zwischen Sitz- und Gründungstheorie statt aller KROPHOLLER, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 1997, § 55 I (S. 487 ff.); Behrens RabelsZ 52 (1988), 498 (512 ff.); MünchKomm-EBENROTH (wie FN 214). 216Vg1. §§ 268, 269 HGB a.F.; §§ 122, 123 AktG 1937.

ehe der in § 147 AktG genannten Art sind von der Gesellschaft geltend zu machen, wenn dies eine Minderheit verlangt, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen. Die Vorschrift beruht auf der zu­ treffenden Erwägung, daß der Ersatzschuldner nicht durch die Hauptver­ sammlungsmehrheit gedeckt werden soll und daß die Gesellschaft in dieser Grenzsituation des Schutzes gegen die eigene Verwaltung bedarf. Artikuliert sich das Verlangen, so hat die Gesellschaft kein Ermessen mehr, ob sie den Anspruch geltend macht. Das Minderheitsverlangen ist kein Beschluß und daher nicht nach §§241 ff. AktG angreifbar. Die Regelung des § 147 AktG ist konzeptionell verfehlt und nicht ge­ eignet, die ihr zugedachte Aufgabe zu bewältigen. Dies beginnt bei dem Mindestanteilsbesitzerfordernis, welches die Organisation des Minderheits­ verlangens erheblich erschwert. Die Klage bleibt für den potentiellen Ersatz­ schuldner steuerbar. Verhängnisvoll und wie eine Strafe kann sich für die Minderheit die Regelung der Kostenlast in § 147 Abs. 4 auswirken. Die Minderheit, die keinerlei persönliche Vorteile von einem Obsiegen der Ge­ sellschaft im Ersatzprozeß hätte, wird durch die prohibitive Kostenverteilung von einem Verlangen nach § 147 Abs. 1 Satz 1 geradezu abgeschreckt217. § 147 Abs. 4 AktG trifft eine starre Anordnung hinsichtlich der Kostentra­ gung, die lediglich an das Unterliegen als Prozeßergebnis anknüpft. Dies ist gerade für das Minderheitsverlangen bedenklich: Die Minderheit hat keine eigene Klagebefugnis; die Klagelast verbleibt bei der Gesellschaft, die aber die Klage bewußt scheitern lassen kann. Dies zeigt, daß § 147 Abs. 4 keine endgültige Kostentragungsbestimmung sein darf und daß weiter zu fragen ist, warum der Prozeßvertust eingetreten ist. § 147 Abs. 4 ist nur verfassungs­ konform, wenn Wertungswidersprüche und willkürliche Ergebnisse ausge­ schlossen sind. So ist nicht einzusehen, warum die Minderheit bei Prozeß­ verlust mit den gesamten Kosten belastet wird, während die Verwaltung, wenn sie erfolglos einen Beschluß der Hauptversammlung anficht, von allen Kosten freigestellt bleibt. § 147 Abs. 4 AktG legt die Schlußfolgerung nahe, daß das Gesetz der Durchsetzung dieser Rechte ohne Wohlwollen gegenübersteht. Die Gesell­ schaft und nicht die Minderheit besitzt das Prozeßführungsrecht. Die Min­ derheit erzwingt die Anspruchsdurchsetzung, das Gesetz will jedoch durch die interne Erzwingung die gesetzliche Kompetenzordnung nach außen auf­ 217In der Tendenz kritisch auch KRONSTEIN/ZÖLLNER, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 147 RdNr. 16 ff., die § 147 Abs. 4 als Regelung von besonderer Härte sehen. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an den für die Beschlußanfechtung formulierten Vorschlag von HOMMELHOFF/TIMM AG 1989, 168, dem klagenden Minderheitsgesell­ schafter einen Aufwendungsersatzanspruch zuzusprechen, d.h. die Kosten im Ergebnis zu sozialisieren.

rechterhalten. Die Kostentragungsregel in § 147 Abs. 4 ist kontraproduktiv und undifferenziert218. — Wegen der offensichtlichen Unzulänglichkeiten der gesetzlichen Regelungen ist zu vertiefen, ob neben § 147 AktG Raum für eine Verfolgung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft durch einen Aktionär in Einzelklage bleibt. Das Reichsgericht hatte dies mit Recht bejaht219. § 147 AktG behandelt tatsächlich nur den Teilbereich eines viel umfängliche­ ren Problemausschnitts. Minderheitsverlangen und Einzelklage stehen zuein­ ander nicht im Verhältnis von allgemeinem und speziellem Rechtsbehelf, von mehr oder weniger, sondern sind schlicht verschiedene Dinge. Schon formal betrachtet handelt es sich um einen Minderheitenrechtsbehelf, der nichts über die Rechte des einzelnen Aktionärs aussagt und das Bestehen dieser nicht in Abrede stellt220. Das Verfahren nach § 147 AktG bleibt gegenüber der Einzelklage des Aktionärs tatbestandsmäßig klar abgrenzbar. Wenn nach § 147 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 die Mehrheit der Aktionäre für die Geltendmachung votiert oder ein wirksames Verlangen von Minderheits­ aktionären (Fall 2) vorliegt, ist der Ersatzanspruch binnen sechs Monaten geltend zu machen. Das Minderheitsverlangen bildet wirksam den Willen der Aktiengesellschaft als Ausnahme zum Mehrheitsprinzip (§133 Abs. 1 AktG). Die Minderheit darf der Gesellschaft das Gesetz des Handelns diktieren. Die Verwaltung oder der bestellte Sondervertreter haben kein materielles Prüfungsrecht des Inhalts mehr, ob die Rechtsverfolgung sinnvoll ist oder ob der Anspruch besteht. Dies ist bei der Aktionärsklage anders: Der Aktionär muß seine Klageabsicht anzeigen. Die Gesellschaft behält ein Handlungsermessen, kann die Klageerhebung also endgültig ablehnen, wenn ihre Entscheidung frei von Ermessensfehlern ist. Liegen gleichzeitig die 218Mit Recht differenzierend BAUMBACH/HUECK, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, § 147 RdNr. 11 am Ende. 219Schon die frühe Rechtsprechung des Reichsgerichts hatte entschieden, daß das deut­ sche Aktienrecht nicht grundsätzlich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ge­ gen Verwaltungsmitglieder durch Aktionäre verbietet, vgl. RGZ 10, 66 (72); 10, 74 (76), wo der Aktionär nicht ausnahmslos auf das Klageerzwingungsverfahren verwiesen wird. Dies belegt aber nur die Koexistenz beider Durchsetzungssysteme. - Eine bessere Einsicht hat der Gesetzgeber in Österreich bei der GmbH bewiesen. Gemäß § 48 Abs. 1 öGmbHG n.F. darf eine Minderheit mit 10%igem Anteilsbesitz (oder ersatzweise wenigstens 10 Mio. Schillinge) den Anspruch der Gesellschaft allein verfolgen, wenn die Gesellschafterver­ sammlung die Verfolgung ablehnt oder einen Antrag auf Geltendmachung der Ersatzansprü­ che nicht behandelt. 220Für ein Nebeneinander von Aktionärsklage und § 147 Abs. 1 AktG namentlich Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 49; H.-J. Mertens, Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 461 (468 ff.); Zöllner ZGR 1988, 392 (408) je mit Nachweisen. Für die Durchsetzung von Unterlas­ sungsansprüchen belegt BGHZ 83, 122, daß das Verfahren nach § 147 AktG nicht abschlie­ ßend ist. Die Rechtsprechung zu den Personengesellschaften (BGHZ 17, 340; 39, 14 [16 ff.]) belegt überdeutlich, daß zu trennen ist zwischen der echten actio pro socio und dem gesellschaftsinternen Klageerzwingungsverfahren.

Voraussetzungen von § 147 Abs. 1 AktG vor, so kann sich der Aktionär auch dieses Verfahrens bedienen, weil die Aktionärsklage und das Minderheitsverlangen nach § 147 keine gegenläufigen Ziele verfolgen. Beim Verfahren nach § 147 AktG behält die Gesellschaft das Gesetz des Handelns, das bei der Einzelklage an den Aktionär übergeht. 2. Eine partielle Regelung der Einzelklagebefugnis existiert im Recht der verbundenen Unternehmen (§§ 309 Abs. 4, 317 AktG). Wegen der besonde­ ren Gefahrenlage, in der sich die abhängige Gesellschaft befindet, gibt es eine weitgesteckte Klagebefugnis für jeden Aktionär der abhängigen Gesell­ schaft. Dabei spielt die Anteilsbesitzgröße keine Rolle, und der Aktionär hat eine eigene Klagebefugnis. Er kann jedoch nur Leistung an die Gesellschaft fordern (§ 309 Abs. 4 Satz 2). An weitere Voraussetzungen ist die Einzel­ klagebefugnis im Konzern von Gesetzes wegen nicht gebunden. Für die un­ verbundene Aktiengesellschaft kennt die lex lata mit § 147 AktG eine re­ striktive Variante der Geltendmachung von Ersatzansprüchen, während bei der konzemverbundenen Gesellschaft eine sehr weittragende Klagebefugnis besteht. Beide Regelungskomplexe sind wenig durchdacht und erfahren aus dem Umfeld, in dem sich die konzemangehörige Gesellschaft einerseits und die konzemfreie andererseits befinden, keine hinreichende Rechtferti­ gung221. Das Gesetz legt seiner Entscheidung einen zu technisch verstan­ denen Abhängigkeitsbegriff zugrunde, wenn es eine echte Einzelklage mit Prozeßführungsrecht des Aktionärs nur in Konzemsachverhalten zugesteht. Auch beim Minderheitsverlangen nach § 147 AktG befindet sich die Gesell­ schaft häufig in einer Abhängigkeitslage zum Ersatzschuldner, wenn die Verwaltung die Anspruchsverfolgung blockiert. In § 147 wie in § 309 Abs. 4 geht es darum, Abhängigkeitsstrukturen aufzubrechen. So gesehen macht es keinen Unterschied, ob der Einfluß von einem herrschenden Unternehmen im Sinne der §§ 17, 18 AktG ausgeht oder nicht. Der Unternehmensbegriff wird heute sowohl gesellschafts- wie wettbewerbsrechtlich funktional erfaßt mit Blick auf die jeweils zu bewältigenden Konflikte222. Wie § 147 wirft § 309 Abs. 4 AktG die Frage auf, ob die getroffene Regelung im Wege eines Umkehrschlusses auf die gesetzlich normierten Tatbestände zu beschränken ist. Weiterhin bedarf der Prüfung, wie das Ein­ zelklagerecht nach § 309 Abs. 4 zu begrenzen ist, damit keine uferlosen 221 Darauf weist Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1 (S. 463) sowie DERS., Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 47 f. treffend hin. 222 MESTMÄCKER, in: Immenga/Mestmäcker, Komm.z.GWB, 2. Aufl. 1992, § 23 RdNr. 5 ff. § 23 Abs. 1 Satz 10 GWB ordnet die Gleichstellung von Unternehmen und Nichtuntemehmen an.

Klagen herausgefordert werden. Die Erfahrungen mit der Konzemeinzel­ klage zeigen, daß die von den Gegnern der Einzelklage prophezeiten Miß­ bräuche ausgeblieben sind. § 309 Abs. 4 AktG steht der Anerkennung der Einzelklage außerhalb des Konzemrechts nicht entgegen und verbietet die Einzelklage mit anderem Inhalt als der Geltendmachung von Ersatzansprü­ chen gegen das herrschende Unternehmen nicht223. Das 1965 ins Aktien­ gesetz eingefugte Konzemrecht steht mit Bezug auf die Einzelklage unver­ mittelt neben den Bestimmungen über die selbständige Gesellschaft. § 309 Abs. 4 erfaßt lediglich Ersatzansprüche, nicht aber Unterlassungsansprüche. Gerade die Unterlassungsklage im Konzern ist wichtig, damit das herr­ schende Unternehmen, wenn es von seiner Leitungsmacht exzessiven Ge­ brauch macht, in seine Schranken gewiesen wird. Trotz der großzügig be­ messenen Klagebefugnis für jeden Aktionär ist daran festzuhalten, daß der Ersatzanspruch der Gesellschaft zusteht, die Klagebefugnis also nicht priva­ tiv wirken soll (arg. § 309 Abs. 4 Satz 2). Nachzuholen ist die Koordinie­ rung der Klagebefugnis von Aktionär und Gesellschaft einerseits sowie die Koordination von parallelen Klagen einzelner Aktionäre andererseits. Zu die­ sem Zweck ist § 309 Abs. 4 in das Gesamtkonzept der Einzelklage einzubin­ den und an dieselben Voraussetzungen zu knüpfen. Die Einzelklage bei der Aktiengesellschaft kann grundsätzlich mit den bei den Personengesellschaften und bei der GmbH dargestellten Anspruchs­ inhalten vorkommen. Das Aktiengesetz konzentriert sich insoweit auf die Verfolgung von Ersatzansprüchen bei der selbständigen und bei der konzem­ verbunden AG. Ein weiterer Anspruchsinhalt, nämlich die Unterlassung ge­ wisser Geschäftsführungshandlungen durch den Vorstand, war der Anerken­ nung durch die Rechtsprechung vorbehalten. Die rechtliche Einordnung die­ ser Abwehrklage ist einstweilen streitig. Zum Teil wird sie als persönliche Klage aus der Mitgliedschaft verstanden, deren Grundlage ein verbands­ rechtlicher Anspruch des Aktionärs auf Achtung seiner Mitgliedschaft ist224. BGHZ 83, 122 hat die in casu gegebene Kompetenzüberschreitung nur im Verhältnis Aktionär-Vorstand geprüft, im übrigen jedoch die Feststellung vermieden, daß der Vorstand bei Überschreitung seiner Zuständigkeiten das objektive Organisationsrecht der AG verletzt, selbst wenn dies keine Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG auslöst225. Der Zuschnitt der Klagebefugnis ist 223Im Ergebnis ebenso Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 46 ff.; DERS., Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1c (S. 463). 224BGHZ 83, 122 - “Holzmüller”; zu einem ähnlichen Fall LG Stuttgart DB 1991, 2533. Den Unterschied dieser Konstruktion zur actio pro socio bei den Personalgesellschaf­ ten betont Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 V 3 (S. 650 ff.). 225 Auf diesen Gesichtspunkt legte RG HoldhMSchr. 1903, 197 den Akzent.

richtungweisend für die Aktionärsrechte und das Gefüge der Organkompe­ tenzen in der AG. Die neben der Ersatz- und der Abwehrklage möglichen Anspruchsinhalte sind einstweilen noch ausschließlich Gegenstand der wis­ senschaftlichen Diskussion. Erst die vollständige Darstellung aller denkbaren Anspruchsinhalte kann ein geschlossenes Bild der Einzelklage im Aktienrecht vermitteln.

III. Die Einzelklage zur Aufbringung der Einlagen und Erhaltung des Grundkapitals Im Recht der Personalgesellschaften nahm die actio pro socio ihren Ur­ sprung bei der Fallgruppe der Geltendmachung des Einlageanspruchs. Für die GmbH ist dasselbe Ergebnis vertretbar, weil die Stammeinlagen den Garantiefond zugunsten der Gesellschaftsgläubiger und den Preis für die Nichthaftung der Gesellschafter bilden. Dasselbe trifft im Grundsatz auf die Aktiengesellschaft zu mit der Maßgabe, daß die Schutzbestimmungen zur Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals durch das Aktiengesetz noch strenger ausgeprägt sind. Wie bei der GmbH kennt die Aktiengesellschaft ein spezielles Verfahren zur Ausschließung säumiger Aktionäre (§ 64 AktG), allerdings gibt es keine solidarische Ausfallhaftung aller Aktionäre für un­ einbringliche Einlagenrückstände. Die Einzelklage zur Realisierung ausste­ hender Einlagen bei pflichtwidriger Nichteinziehung durch die Verwaltung wird jedoch allgemein abgelehnt226. Spiegelbildlich dasselbe soll für den Rückgewähranspruch nach § 62 AktG gelten227. Weder der Anspruch auf die Einlage noch die Rückgewähr sind in den Kreis der nach § 147 AktG verfolgbaren Ansprüche der Gesellschaft einbezogen. Die Schwäche der gesetzlichen Regelung wird allgemein gesehen, an der Gesetzeslage aber festgehalten. Erkennt man den Mißstand als solchen, so darf es damit nicht bewenden. Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der AG stehen im öffent­ lichen Interesse. Die Verwaltung besitzt keinen Ermessensspielraum, ob sie die Einlagenansprüche der Gesellschaft einzieht. Es besteht ein Gleichlauf von Rechten der Gläubiger (vgl. § 62 Abs. 2 AktG) und dem Recht zur 226Gegen eine Klagebefugnis des Aktionärs, Einlage oder Rückforderungsansprüche der AG gegen Mitaktionäre geltend zu machen, Zöllner ZGR 1988, 392 (401 ff.); Wiede­ mann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 48. Richtig ist, daß kein Aktionär Hüter seiner Mitaktionäre ist. Entscheidend ist dem­ gegenüber, daß die Kapitalaufbringung und -erhaltung einen hohen Stellenwert im Gesell­ schaftsrecht besitzen. Zu ihrer Verwirklichung ist jede helfende Hand willkommen. 227Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1983, § 62 RdNr. 30; Lutter, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 62 RdNr. 35 ff. mit Nachweisen zum Meinungsstand; zweifelnd Raiser ZHR 153 (1983), 1 (19); Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 IV 2g (S. 299); DERS. ZHR 144 (1980), 18 (32 f.).

Geltendmachung dieser Ansprüche durch die Aktionäre. Das Gesetz enthält zwar keine Erlaubnis der Einzelklage, verweigert sich diesem Ergebnis aber auch nicht, so daß sie einfachrechtlich aus dem Allgemeinen Teil des Ver­ bandsrechts herleitbar und ins Aktienrecht übertragbar bleibt. Die Grenzen einer zulässigen Rechtsfortbildung würden dadurch nicht überschritten228.

IV. Rechtsbehelfe bei Verletzung der Satzung und Schädigung der Gesellschaft durch Nichtverwaltungsmitglieder Die Tatbestände der Schädigung der Gesellschaft oder der Verletzung der Satzung werden vom Aktiengesetz nicht in einer Anspruchsnorm zusammen­ gefaßt. Im Vordergrund der gesetzlichen Regelung steht die Bewahrung der Integrität der Finanzverfassung der Gesellschaft. Was die Gesellschaft finan­ ziell schädigt, beeinträchtigt die Interessen der Gesellschaftsgläubiger. Dane­ ben geht es um die Aufrechterhaltung der spezifisch aktienrechtlichen Kom­ petenzordnung, die nicht durch rechtswidrige Einflußnahmen gestört werden darf. Dieser Sachverhalt ist in § 117 AktG angesprochen. Ersatzberechtigt ist die Gesellschaft, ein weitergehender Anspruch der Aktionäre bleibt nach §117 Abs. 1 Satz 2 vorbehalten. Neben § 117 AktG können nach den all­ gemeinen Regeln Ansprüche aus Vertrag und Delikt (§§ 823 Abs. 1 und 2, 826 BGB) bestehen. Nur der Ersatzanspruch der Gesellschaft aus § 117 un­ terfällt dem Minderheitsverlangen nach § 147 AktG; für die anderen An­ spruchsgrundlagen soll es außerhalb des Konzemrechts keine Einzelklagebe­ fugnis der Aktionäre geben229. Wiederum dient die Fassung von § 147 AktG den Vertretern dieser Auffassung als Basis eines argumentum e contrario. Dem kann heute nicht mehr gefolgt werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erlaubt jedem Aktionär, sich gegen Kompetenzüberschrei­ tungen mit Hilfe der Unterlassungsklage zur Wehr zu setzen. In keinen ande­ ren Zusammenhang gehört die Haftung wegen verbotener Einflußnahme nach § 117 AktG. Wenn jeder Aktionär die Einflußnahme sogar mit der vor­ beugenden Unterlassungsklage ab wehren darf, so ist nicht einsichtig, warum er nicht Schadensersatzansprüche für die Gesellschaft, die aus demselben rechtlichen Grunde herrühren, erheben können soll. Zu verweisen ist wie­ derum auf den präventiv-verhaltenssteuernden Effekt, der sich aus der Zulas­ sung der Einzelklage ergibt. Ohne einen durchdachten Durchsetzungsmecha­ 228Vgl. BVerGE 65, 182 (190 ff.). 229Aus der Literatur H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 117 RdNr. 31; für eine weitergehende Einzelklage dagegen GROSFELD, Aktiengesellschaft, Untemehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 224; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 46 ff.

nismus bleibt die Haftung aus § 117 AktG ein stumpfes Schwert. Erst eine effiziente Rechtsdurchsetzung erweist den wahren Wert der Sachnormen. Das Erzwingungsverfahren nach § 147 zugunsten einer qualifizierten Min­ derheit reicht alleine nicht aus, weil in Publikumsgesellschaften mit breit­ gestreutem Aktienbesitz ein wirksames Minderheitsverlangen wegen des De­ potbankenprinzips praktisch nicht zu organisieren ist. Die nach § 117 AktG verbotene Einflußnahme wird erst möglich, wenn sich die Gesellschaft zum Täter in einer Abhängigkeitsbeziehung befindet, die noch unterhalb des Gra­ des konzemmäßiger Abhängigkeit liegen mag. Hierfür läßt § 317 Abs. 4 schon die Einzelklage jedes Aktionärs zu. Für § 117 AktG ist nicht anders zu entscheiden230.

V. Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltung Die Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltung ist der klassische Anwendungsbereich der Einzelklage. In Deutschland gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts Bestrebungen, die Einzelklage für diese An­ spruchsgruppe einzuführen. Zu einer gesetzlichen Verankerung der echten Einzelklage ist es schließlich nicht gekommen, da die Befürchtung, dem Ak­ tionär zuviel Macht in die Hände zu spielen, überwog231. Dieses prägende Vorverständnis der Gesellschafterrechte hat sich bis heute gehalten. Tatsäch­ lich ist ein Perspektivenwechsel angezeigt: Die Erzwingung der verbands­ internen Haftung dient der Kontrolle der Verwaltung, die vorrangig zu ver­ wirklichen ist und nicht unter Hinweis auf einen Mißbrauch des Klagerechts durch den Aktionär - der zwar möglich, aber abstellbar ist - unterbleiben darf. Ebenso wie die Beseitigung rechtswidriger Hauptversammlungsbeschlüsse ist das materiellrechtliche Substrat der Einzelklage die Erzwingung einer ge­ setzes- und statutenkonformen Verwaltung der Gesellschaft. Gerade im ei­ gentlichen Entscheidungszentrum der Gesellschaft ist dieses Prinzip umzu­ setzen. Das Minderheitsverlangen nach § 147 AktG ist wiederum weder ge­ nügend noch gesetzlich abschließend, um die Einzelklagebefugnis eines Ak­ tionärs zu verdrängen. § 93 Abs. 5 AktG gestattet den Gläubigem der Ge­ sellschaft, den Ersatzanspruch zu realisieren, ohne dieses Recht einem ein­ zelnen Aktionär definitiv abzusprechen. 230Ohne Begründung gegen eine Einzelklagebefugnis des Aktionärs H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 117 RdNr. 31. 231BEKKER ZHR 17 (1872), 379 (458 ff.); WOLFFSON, Verhandlungen des 11. Deut­ schen Juristentages (1873) II, S. 89; Grünhut, Verhandlungen des 31. Deutschen Juristen­ tages (1912) II, S. 3 (19 ff.); Wieland, Handelsrecht II, 1931, S. 137 ff.; GROBFELD (wie FN 229), S. 224.

Anders als bei der GmbH (vgl. § 46 Nr. 8 GmbHG) ist kein Beschluß der Hauptversammlung Voraussetzung für die Verfolgung des Ersatzanspruchs. Jedoch ist dieser Anspruch der Einwirkung der Hauptversammlungsmehrheit in Form von Verzicht und Vergleich ausgesetzt232. Die Verzichts- und Ver­ gleichsbefugnis der Gesellschaft begrenzt das Klagerecht jedoch nicht. Im Gegenteil ist die Verzichts- und Vergleichsmöglichkeit der Gesellschaft stark eingeengt. Die Karenzfrist in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG belegt das große Mißtrauen des Gesetzes gegenüber Einwirkungen auf den Ersatzanspruch der Gesellschaft. Der zur Klage entschlossene Gesellschafter kann sich ferner gezwungen sehen, einen Verzichts- oder Vergleichsbeschluß der Hauptver­ sammlung durch Erhebung der Anfechtungsklage nicht bestandskräftig wer­ den zu lassen. Der klagewillige Aktionär mag ein Minderheitsverlangen nach § 147 Abs. 1 AktG initiieren oder im Wege der Aktionärsklage vorgehen. Im letzteren Fall verbleibt der Gesellschaft jedoch ein Ermessensspielraum hinsichtlich des Ob der Anspruchsverfolgung (arg. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG). Die Ausübung dieses Ermessens unterliegt der gerichtlichen Kon­ trolle auf Ermessensfehler233, und die Kontrolldichte ist heute größer. Frü­ her urteilten Gerichte, daß es einer Gesellschaft nicht zum Vorteil gereichen könne, wenn dadurch "unklare Verhältnisse" entstünden, daß man im Zuge der Durchsetzung von Ersatzansprüchen mit der Verwaltung eines befreun­ deten Unternehmens breche234. 235 Immer muß die Abwägung des Einzelfalles entscheiden. § 93 Abs. 4 AktG beruht auf der an sich legitimen Überlegung, daß die Verwaltung nicht zeitlich unbegrenzt mit der Erhebung von Ersatz­ ansprüchen zu rechnen braucht. Ein durch eine neutrale Instanz bestätigter Vergleich wirkt prozeßvermeidend und würde eine Prüfung beinhalten, ob Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen und ob die Mehrheit nicht auf Kosten der Minderheitsaktionäre zu freigiebig ist235

232 Dazu GROBFELD (wie FN 229), S. 254 ff. 233 Für eine Einbeziehung des Gerichts mit guten Gründen auch GROBFELD (wie FN 229), S. 296. Die schlichte Nichtgeltendmachung wirkt wie ein förmlicher Verzicht. 234 So noch LG Braunschweig KartellRdsch. 1931, 771 (778), bestätigt durch OLG Braunschweig KartellRdsch. 1931, 779. 235 Sogar ganz erhalten wollte Krückmann ZHR 102 (1936), 208 ff. den überstimmten Aktionären ihren ideellen Anteil am Ersatzanspruch der Gesellschaft; dagegen insbesondere v.Godin ZHR 103 (1936), 218 ff. Der Anspruch ist durch eine entsprechende Klagebefug­ nis zu realisieren. Die Argumentation stützt sich vertragsrechtlich auf das Verbot des Ver­ trages zu Lasten Dritter, das organisationrechtlich durch eine Begrenzung des Mehrheits­ prinzips umzusetzen ist. Nach Krückmann (S. 212 ff.) kann die Mehrheit nur über ihren ideellen Teil am Gesellschaftsvermögen mit Bezug auf den Ersatzanspruch verfügen, wäh­ rend der Rest ihrer Dispositionsbefugnis entzogen ist.

VI. Erzwingung von Geschäftsführungshandlungen Die Befugnis zur Klage mit dem Ziel der Durchführung bestimmter Geschäftsfuhrungsmaßnahmen ist dem Aktionär von jeher unter Berufung auf das Leitungsrecht der Verwaltung vorenthalten geblieben236. Das Leitungs­ recht der Verwaltung steht indes unter dem Vorbehalt seiner gesetzes- und statutengerechter Wahrnehmung. Die gesetzes- und statutenkonforme Ver­ waltung der Gesellschaft ist nicht nur Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßig­ keit von Hauptversammlungsbeschlüssen. Zustände, die dem nicht entspre­ chen, sind zu beseitigen. Im Zusammenhang mit der Anfechtung von Haupt­ versammlungsbeschlüssen ergab sich die Frage nach dem Schicksal des Durchführungsaktes nach rechtskräftiger Aufhebung eines Beschlusses. Ist der Beschluß rechtswidrig, so muß eine Maßnahme, die zu seiner Vollzie­ hung erfolgte, grundsätzlich rückgängig gemacht werden237. *Der rechtswid­ rige Beschluß fällt der rechtsgestaltenden Urteilswirkung zum Opfer, Voll­ zugsakte bleiben hiervon unberührt. Die im Anfechtungsurteil festgestellte Rechtswidrigkeit erstreckt sich jedoch gleichermaßen auf die Vollzugshand­ lungen. Wenn jeder Aktionär nach § 245 Nr. 1 AktG den Beschluß als Grundlage einer Maßnahme angreifen kann, dann wäre das Rechtsschutz­ system unvollständig, wenn die Verwaltung es im übrigen bei dem rechts­ widrigen Zustand belassen könnte. Die Anfechtungsklage hätte dann ihren Wert verloren. Erst die Folgenbeseitigung rundet den Rechtsschutz gegen fehlerhafte Beschlüsse ab. In entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO darf das Gericht, wenn der Beschluß schon vollzogen ist, auf Antrag im Urteil aussprechen, daß und in welcher Form die Gesellschaft die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Das Grundgesetz garantiert einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Die Anfechtungsklage ist actio nega­ toria, und dies nicht nur mit Bezug auf die Beseitigung des Beschlusses, son­ dern umfassend für die gesamte Rechtswidrigkeit, die von ihm ausgeht. Die Verbindung von Anfechtungsklage und Restitutionsantrag ist nach dem Ak­ tiengesetz nicht unzulässig, da die §§ 241 ff. nur ganz marginale Hinweise auf die Abfassung des Urteilstenors geben. Es ist prozessual zulässig, die Anfechtungs- mit der Einzelklage in einem Verfahren zusammenzufassen. Anwendungsgebiet der Aktionärsklage zur Erzwingung von Geschäftsfüh­ rungshandlungen sind grundsätzlich alle Akte der Verwaltung, auch wenn 236 Siehe nur RGZ 142, 223 (227 ff.). 237 Zur Rückgängigmachung der Vollzugsmaßnahme bei Aufhebung des zugrundeliegen­ den Hauptversammlungsbeschlusses Flechtheim, Festschrift für Zitelmann, 1913, S. 1 (8 ff.); A. Hueck, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S. 197 ff.; RGZ 3, 123 (138); deutlich auch BGHZ 83, 122 (133 ff.).

ihnen kein gleichzeitig zu beseitigender Hauptversammlungsbeschluß zu­ grunde liegt. Namentlich kommen in Betracht die Rückgängigmachung einer Konzernierung, die Rückabwicklung einer Verschmelzung238, der Rücker­ werb von Gesellschaftsvermögen, welches unter Verstoß gegen § 179a (früher § 361) AktG veräußert wurde oder die Wiederveräußerung rechts­ widrig erworbener eigener Aktien nach §§ 71 ff. AktG239. - Die Wirksam­ keit einer Verschmelzung erfordert nach § 20 Abs. 1 UmwG (früher § 346 AktG) die Eintragung ins Handelsregister, die konstitutive Wirkung hat. Wird der Verschmelzungsbeschluß angefochten, so kann der Vorstand bei der Handelsregisteranmeldung die Negativerklärung nach § 16 Abs. 2 UmwG (früher § 345 Abs. 2 AktG) nicht abgeben. Selbst wenn man mit der wohl herrschenden Meinung dafürhält, daß die Erhebung der Anfechtungs­ klage gegen den Verschmelzungsbeschluß eine Registersperre bewirkt240, hindert dies die beteiligten Gesellschaften nicht, mit der faktischen Durch­ führung der Fusion zu beginnen und den klagenden Aktionär vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das Vollzugsverbot muß deshalb sanktionsbewehrt sein. Steht der Vollzug unmittelbar bevor, läßt er sich per einstweiliger Ver­ fügung aufhalten. Hat er bereits begonnen, gibt es obendrein einen Rückab­ wicklungsanspruch, den jeder Aktionär für die Gesellschaft durchsetzen darf. Nicht prinzipiell anders stellt sich die Rechtslage bei einer rechtswidrigen Vermögensübertragung ohne gehörige Beteiligung der Hauptversammlung nach § 179a AktG dar. Liegt der erforderliche Hauptversammlungsbeschluß nicht vor, bleibt die Wirksamkeit des dinglichen Vollzugsgeschäfts unbe­ rührt. Die neuere Rechtsprechung spricht sich aber für einen Unterlassungs­ anspruch jedes Aktionärs aus241. Wenn die Vermögensübertragung ohne Ge­ nehmigung der Hauptversammlung geschieht, kann die Rückgängigmachung verlangt werden. Der Erwerber ist allenfalls schutzwürdig, wenn er in gutem Glauben war und die Interna nicht kannte. Für die Revokation ist die Einzel­ 238Hierzu schlägt Karsten Schmidt ZGR 1991, 373 (392) die Einführung einer beson­ deren Entschmelzungsklage vor. Damit ist aber nur ein Fall des allgemeinen Folgenbeseiti­ gungsgebots angesprochen. 239Hierfür bereits das Plädoyer von Bekker ZHR 17 (1872), 379 (459/60); angespro­ chen, aber nicht weiter vertieft von ROHGE 23, 273 (275 ff.). 240Gegen eine automatische Registersperre mit beachtenswerter Argumentation Kiem, Die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung, 1991, S. HO ff.; zum Ganzen auch Grunewald, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1991, § 345 RdNr. 6 ff. Zur Registersperre und ihrer Überwindung nach neuem Recht Bork, in: Lutter (Hrsg.), Komm.z.UmwG, 1996, § 16 RdNr. 9 ff. 241BGHZ 83, 122 - "Holzmüller”. Das Gericht lehnte zwar die Anwendung von § 361 (nunmehr § 179a) AktG in casu ab. Ist der Vorstand jedoch nach § 119 Abs. 2 AktG ver­ pflichtet, die Hauptversammlung zu befragen, so ist diese Rechtsfolge erst recht bei Verstö­ ßen gegen § 179a AktG am Platze. Wenn eine Transaktion nach § 179a AktG zu beurteilen ist, hat die Hauptversammlung ein zwingendes Entscheidungsrecht.

klage statthaft; die Verwaltung hat durch ihren Verstoß gegen § 179a AktG bewiesen, daß sie die Belange der Gesellschaft nicht vertreten kann. Ein wichtiger Anwendungsbereich der Einzelklage liegt ferner im Umfeld der §§ 71 ff. AktG. Erwirbt eine Aktiengesellschaft eigene Aktien unter Verstoß gegen § 71, so müssen diese binnen bestimmter Fristen veräußert oder zwangsweise eingezogen werden (§ 71c AktG). Die Veräußerungs­ pflicht der Verwaltung wird indirekt bewehrt durch die Einziehung dieser Aktien, eine Lösung, die der Gesellschaft nicht günstig ist, weil sie ihr Mit­ tel entzieht. Ist die Gesellschaft von einer sog. feindlichen Übernahme be­ droht, nimmt die Verwaltung häufig Zuflucht zum Erwerb eigener Aktien, um einen Kontrollwechsel zu verhindern. Die Verwaltung sucht ihre Stellung unter Einsatz der Mittel der Gesellschaft zu festigen, was nicht im Einklang mit der Verbandsverfassung steht. Mit der Einziehung kann die Veräuße­ rungspflicht sinnvollerweise nicht sichergestellt sein. Nur die Wiederveräu­ ßerung, die der Gesellschaft die abgeflossenen Mittel wiederzuführt, ist mit dem Zweck der Kapitalerhaltungsbestimmungen vereinbar. § 71c AktG sta­ tuiert eine subsidiäre Pflicht zur Einziehung solcher Aktien, was eine Kapi­ talherabsetzung impliziert (§ 237 Abs. 2 AktG). Die Verwaltung kann die Hauptversammlung zu einer Kapitalherabsetzung zwingen, aber § 71c sagt nicht, was gilt, wenn der nötige Beschluß nicht zustande kommt242. Die primäre Pflicht besteht in der Wiederveräußerung dieser Aktien, und der einzelne Aktionär darf sie mit der Einzelklage durchsetzen. Die Rechtsver­ folgung mit den Mitteln des Privatrechts wird der Wahrung öffentlicher Be­ lange dienstbar gemacht. Da der Erwerb eigener Aktien die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses berührt, läßt sich nicht sagen, daß die Entschei­ dung über die Rückveräußerung oder die Einziehung allein in die Hände der Verwaltung gelegt sein soll. Ebenfalls in den Zusammenhang gesetzmäßiger Verwaltung der Gesell­ schaft zählt die alte Streitfrage, ob der Vorstand gehalten ist, eine den ge­ setzlichen Anforderungen genügende Rechnungslegung zu veranlassen und ob der einzelne Aktionär dies notfalls klageweise erzwingen kann. Das Reichsgericht hatte beides verneint und über den konkreten Fall hinausgrei­ fend festgestellt, daß der Aktionär kein Recht habe, die Verurteilung der Ge­ sellschaftsorgane zu gesetzmäßigem Handeln zu verlangen243. Diese Ent­ scheidung erging zu einer Zeit, als es noch kein ausgeprägtes Publizitäts­ system gab. Aber auch nach dem früher geltenden Röcht ist dieser Stand­ punkt höchst problematisch. Zwei Fragenkreise sind berührt: Die Rech­ 242Zu diesem Dilemma Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, Komm.z.AktG, 1983, § 71c RdNr. 29-31. 243RG JW 1927, 1677 (1679) mit Anm. Pinner und Byk.

nungslegung der Verwaltung ist gesellschaftsrechtlich Bestandteil ordnungs­ gemäßer Geschäftführung und geht in der Publizität gegenüber dem Kapi­ talmarkt auf. Nach § 91 AktG hat der Vorstand für die Führung der erfor­ derlichen Handelsbücher Sorge zu tragen. Die Rechnungslegung schlägt auf die vermögensmäßige Rechtstellung der Aktionäre durch, weil das Gewinn­ bezugsrecht auf den bilanziell ausgewiesenen Gewinn gerichtet ist (§ 58 Abs. 4 und 5 AktG). Den Gewinnbezug der Aktionäre darf die Verwaltung nicht dadurch gegenstandslos machen, daß sie überhaupt keinen Jahresabschluß er­ stellt. Ein Aktionär kann daher im Interesse seines Dividendenrechts244 so­ wie durch Erzwingung der gehörigen Publizität mit der Einzelklage vor­ gehen. Soweit es um die Vornahme bestimmter Geschäftsführungshandlungen geht, ist die Wahl der richtigen Klageart von elementarer Bedeutung. In BGHZ 83, 122 hat die Rechtsprechung eine Feststellungsklage des Aktionärs im Vorfeld einer Unterlassungsklage für statthaft gehalten245. Diese vorge­ schaltete Feststellungsklage klärt die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme. Gegebenenfalls kann der Aktionär anschließend auf Unterlassung oder Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes klagen. Der Wert einer vorgelagerten Feststellungsklage liegt in der Akzeptanz eines Urteils, das der Verwaltung vorhält, in rechtswidriger Weise von ihren Kompetenzen Ge­ brauch gemacht zu haben. Die Feststellung allein stellt indes nicht sicher, daß ein bestimmter Zustand hergestellt wird. Für den Rechtsschutz des Ak­ tionärs sind ein rascher zeitlicher Ablauf des Verfahrens, d.h. die Streiterle­ digung in einem Prozeß, sowie die Vollstreckungsintensität des Urteils wesentlich. Feststellungsurteile sind nur hinsichtlich ihres Kostenausspruchs der Vollstreckung fähig. Die Aktionärsklage kann aber auf den Voll­ streckungsdruck in der Hauptsache nicht verzichten. Einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO fehlt daher das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger sein Rechtsschutzbegehren einfacher und zugleich ebenso intensiv verwirklichen kann. Problematisch ist die Fallkonstellation, in der die Ge­ fahr auf der Hand liegt, daß der Beklage einen bloß deklaratorischen Spruch ignoriert und eine erneute Leistungsklage erforderlich macht. Die allgemein anerkannte Regel lautet daher, daß eine Feststellungsklage anstelle einer möglichen Leistungsklage nur zulässig ist, wenn mit hinreichender Sicherheit 244 Das Einzelklagerecht zur Erzwingung der Bilanzaufstellung durch die Verwaltung folgt unmittelbar aus dem positiven Recht, vgl. § 254 Abs. 1 AktG. Wenn ein fehlerhafter, d.h. ermessensfehlerbehafteter, thesaurierender Gewinnverwendungsbeschluß angreifbar ist, muß erst recht die Aufstellung des Jahresabschlusses erzwingbar sein, weil sonst die Ver­ waltung durch schlichtes Nichtstun das Anfechtungsrecht gegenstandslos machen könnte. 245BGHZ 83, 122 (126 ff.) - "Holzmüller"; ausführlich zu dieser Vorschaltklage Brondics, Die Aktionärsklage, 1988, S. 183 ff.

feststeht, daß der Gegner das Urteil ohne den Vollstreckungsdruck der Lei­ stungsklage annehmen und befolgen wird246. Eine anerkannte Ausnahme bildet die Feststellungsklage gegen die öffentliche Hand, die angesichts ihrer verfassungsmäßig verankerten Bindung an Recht und Gesetz jeden Urteils­ spruch respektieren wird. Für das private Verbandsrecht darf diese Prognose nur mit sehr großer Vorsicht gestellt werden. Daß eine Einzelklage über­ haupt notwendig wird, läßt den Schluß zu, daß sich die Verwaltung nicht ge­ setzes- und satzungskonform verhalten hat. Prinzipiell wird man sagen müs­ sen, daß bei der Einzelklage auf den Vollstreckungsdruck der Leistungsklage gerade nicht zu verzichten ist. Die Einzelklage mit dem Inhalt der Durchsetzung einer bestimmten Ge­ schäftsführungsmaßnahme führt zur unmittelbarsten Konfrontation zwischen Leitungsgewalt der Verwaltung und Rechtmäßigkeitsaufsicht durch das Mit­ glied. Seine Auflösung findet dieses Spannungsverhältnis im Leitungsermes­ sen des Vorstands247. Seine voraussetzungsgemäße Ausübung entscheidet über die Letztverbindlichkeit einer Entscheidung. Die Klagebefugnis fehlt nicht schon deshalb, weil der Aktionär mit einer Klage auf Vornahme einer Handlung unmittelbar in die Kompetenz der Verwaltung übergreift248. Die Klagebefugnis besteht als Ergebnis eines Abwägungsvorganges. Auch das private Verbandsrecht ist insoweit rechtsstaatlich verfaßt, als eine gesetzlich oder statutarisch begründete Kompetenz alleine noch nicht entscheidet, ob eine Maßnahme vorzunehmen oder zu unterlassen ist. Wie im öffentlichen Recht ist die von einem zuständigen Organ getroffene Maßnahme nicht per se rechtmäßig. Erst die Rechtswidrigkeit, die streng von der unternehme­ rischen Unzweckmäßigkeit zu scheiden ist, begründet die Justitiabilität. Fra­ gen der Zweckmäßigkeit und vor allem der betriebswirtschaftlichen Unter­ nehmensführung bleiben den Gesellschaftsorganen vorbehalten. Ein Gericht darf eine Entscheidung korrigieren, die außerhalb des Gesellschaftszwecks oder des Unternehmensgegenstandes liegt, die gesetzwidrig ist oder eine 246BGHZ 28, 123 (126) m.w.N.; BVerwGE 36, 179 (181) zu § 43 Abs. 2 VwGO, der das Verhältnis der Feststellungsklage zu den vollstreckungsintensiveren VA-Klagearten be­ sonders geordnet hat. 247 Im deutschen Recht stehen die Bemühungen um das kaufmännische Ermessen der Ge­ schäftsführer noch am Anfang, vgl. Grunewald DB 1981, 407 (409); Scholz/U.H. Schneider, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1993, §43 RdNr. 44 ff.; Knobbe-Keuk, Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 239 ff.; H.-J. Mertens, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, §76 RdNr. 10 ff.; neuerdings aber BGH ZIP 1997, 883 "ARAG/Garmenbeck” zum Ermessen bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Verwaltungsmitglieder; hierzu auch Nirk, Festschrift für Boujong, 1996, S. 393. 248So aber BGHZ 76, 160 (168) für die GmbH & Co. KG: Klage des Kommanditisten gegen die Komplementär-GmbH auf Unterlassung bestimmter Geschäftsführungsmaßnah­ men. Zu dieser Entscheidung Grunewald DB 1981, 407.

Verschleuderung von Gesellschaftsvermögen bedeutet, also in offensicht­ lichem Widerspruch zu den anerkannten Grundsätzen einer kaufmännischen Unternehmensführung steht. Unter mehreren rechtmäßigen Maßnahmen steht der Verwaltung die Auswahl zu. Ein Aktionär kann eine bestimmte Maß­ nahme nur durchsetzen, wenn das Ermessen der Verwaltung derart reduziert ist, daß nur noch diese Maßnahme rechtmäßig ist.

VIL Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen mittels Einzelklage Im Laufe der Zeit hat die Rechtsprechung zu der Frage, ob der einzelne Aktionär durch Unterlassungsklage gegen Maßnahmen der Geschäftsführung vorgehen darf, eine schwankende Haltung eingenommen. In einem viel kriti­ sierten Urteil aus dem Jahre 1902 hatte das Reichsgericht dies im Prinzip be­ reits bejaht. Nach damaligem Recht war die Hauptversammlung noch das oberste Organ der Aktiengesellschaft. Die Hauptversammlung muß befragt werden, wenn dies nach Gesetz oder Satzung vorgeschrieben ist. Übergeht die Verwaltung die Hauptversammlung, dann muß die Maßnahme unterblei­ ben. Andernfalls wird die Verwaltung ersatzpflichtig und findet kein Gehör mit dem Argument, daß die Zustimmung bei gehöriger Befragung ohnehin erteilt worden wäre249. Bei Mißachtung der Kompetenzgrenzen handelt die Verwaltung stets auf eigenes Risiko, ohne den Einwand rechtmäßigen Alter­ nativverhaltens erheben zu dürfen250. - In der Folgezeit hat das Reichsge­ richt die Einzelklage mit Nachdruck abgelehnt, eine Auseinandersetzung mit seiner älteren Rechtsprechung jedoch vermieden251. Die abermalige Kehrt­ wendung erfolgte in BGHZ 83, 122, allerdings mit einem veränderten An­ satz. Die Quintessenz liegt in einer berichtigenden Auslegung des Leitungs­ anspruchs des Vorstands. Verändert der Vorstand die bisherigen Grundlagen des GesellschaftsVerhältnisses, wodurch auch die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre eine qualitative Veränderung erfahren, so wandelt sich das Recht des Vorstands, die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG befragen zu

249RG (1. Zivilsenat) HoldhMSchr. 1902, 266 = (ausführlicher) HoldhMSchr. 1903, 197 (200) mit Anm. Endemann. Zu dieser Entscheidung etwa Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 253 Anm. 2; Staub/Pinner, Komm.z.HGB, 12./13. Aufl. 1926, § 253 Anm. 4. 250Anders in diesem Punkt der 2. Zivilsenat, RGZ 35, 83 (86). 251 So auch Knobbe-Keuk, Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 239 (251 ff.); a.A. noch explizit RG JW 1927, 1677 (1679) mit Anm. Pinner und Byk. Danach ist der Aktionär durch § 118 Abs. 1 AktG auf die ihm durch das Gesetz eingeräumten Rechte und Rechtsbe­ helfe beschränkt.

können, in eine rechtliche Pflicht252. Die Pflicht ist durch ein Klagerecht je­ des Aktionärs erzwingbar. Hinter diesen Überlegungen schimmert das eigentliche Anliegen des Gerichts durch: Das Rechtsschutzsystem in der Aktiengesellschaft ist unvollkommen, da es keine Vorsorge trifft, wenn der Vorstand seine Kompetenzen überschreitet und der Aufsichtsrat nicht ein­ greift. Die Lösung folgt aus dem Rückgriff auf die allgemeinen Gesetze, für die das Gericht als pars pro toto die Verfahrensnorm des § 256 ZPO anführt. Wichtiger ist indes der Rekurs auf den Allgemeinen Teil des materiellen Verbandsrechts, dem die Einzelklage auch in Gestalt der Unterlassungsklage angehört. Die Befragung der Hauptversammlung, die im Bereich der Grundlagengeschäfte nicht in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist, führt die Entscheidung des Vorstands zurück auf den Boden des aktienrechtlichen Rechtsschutzsystems, da ein Beschluß der Hauptversammlung nach §§ 241 ff. AktG angreifbar ist. Verbandsverfassungsrechtlich spricht BGHZ 83, 122 eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands aus, die der Begrenzung der Geschäftsführer bei der Personengesellschaft auf gewöhnliche Betriebsgeschäfte im Sinne von § 116 Abs. 1 HGB nahekommt. 252Grundlegend BGHZ 83, 122 - ”Holzmüller”. Eine zusammenfassende Darstellung des überaus kontroversen Meinungsstandes findet sich bei Wiedemann, Die Unternehmens­ gruppe im Privatrecht, 1988, S. 50 ff. BGHZ 83, 122 hat nicht den Weg über § 361 (jetzt § 179a) AktG gewählt. § 179a AktG enthält zwei wichtige Tatbestandsmerkmale und ein Element auf der Rechtsfolgeseite, die durch BGHZ 83, 122 und RG JW 1929, 1371 noch nicht befriedigend evaluiert sind. Auf tatbestandlicher Seite fragt sich zunächst, was unter Vermögen im ganzen zu verstehen ist. Teleologisch erfaßt werden kann dieser Rechtsbegriff nur durch eine funktional-wirt­ schaftliche Betrachtungsweise. Anliegen des Gesetzes ist der Schutz des Investments der Aktionäre. Ein Vorstand, der geeignet und bestellt ist, ein Industrieunternehmen einer be­ stimmten Sparte zu führen, ist noch lange nicht geeignet, z.B. eine Holdinggesellschaft zu leiten. Deshalb verlangt § 179a AktG zwingend die Beteiligung der Aktionäre, weil nicht die Verwaltung über die Widmung des Gesellschaftsvermögens zu befinden hat. Mit dem Vermögen im ganzen beschäftigen sich auch die §§ 419, 1365, 2087 BGB. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebietet die Beachtung der zu diesen Normen ergangenen Rechtsprechung. - Was bedeutet weiterhin "übertragen" in § 179a AktG? Gemeint sind damit nicht nur die dinglichen Vollzugsgeschäfte im Sinne der §§ 398, 929, 873, 925 BGB. Dem Schutzzweck der Norm gemäß ist hier weiter auszuholen als etwa in § 1365 BGB. Der Übertragung ist die Verpfändung eines wesentlichen Unternehmensteils gleichzustellen, wenn die Verwertung bei Pfandreife zum Verlust von nach § 179a AktG geschützten Ver­ mögensgegenständen führen würde. Entscheidend für die Anwendbarkeit von § 179a ist demnach nicht die Art der Übertragung, sondern die Auswechslung der Basis des Invest­ ments. Entscheidet man gerade für die Verpfändung anders, so könnte der Vorstand die Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung aushebeln, indem er die gesicherte Forderung notleidend werden läßt und im Wege der Pfandverwertung den Zugriff auf das geschützte Pfandgut eröffnet. Auf der Rechtsfolgenseite steht dem Verbotsgeschützten ein Revokationsrecht entsprechend § 1368 BGB zu. Verbotsgeschützt sind bei der Aktiengesellschaft die Aktionäre, deren Zu­ stimmung nach § 179a AktG WirksamkeitsVoraussetzung der Übertragung ist und die allein über die Grundlagen der Investition des Gesellschaftsvermögens zu beschließen haben (arg. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG). Weiterhin sollten die Verwaltungsmitglieder analog § 245 Nr. 4 und 5 AktG in den Kreis der revokationsbefugten Personen einbezogen werden.

Einfachrechtlich ist die Entscheidung mit §76 Abs. 1 und § 118 Abs. 1 AktG vereinbar, verfassungsrechtlich ist sie durch Artt. 9 Abs. 1, 14 GG nachgerade geboten253. Die neue Rechtsprechung ist ausbaufähig und läßt sich in ihrem Kem wiederum auf den alten Grundsatz des Reichsoberhandelsgerichts zurückfuh­ ren, wonach jeder Aktionär ein Recht auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung habe. Diese liegt auch im öffentlichen Interesse. Die Gemein­ wohlklausel des früheren § 70 Abs. 1 AktG 1937 ist zwar in § 76 Abs. 1 ge­ strichen, doch lebt sie in § 396 AktG als staatliche Eingriffsbefugnis zur Er­ zwingung rechtmäßigen Verhaltens der Aktiengesellschaft fort. § 396 Abs. 1 AktG beweist, daß die Aktionäre von dieser Rechtmäßigkeitsaufsicht nicht ausgenommen sind, weil zunächst an die gesellschaftsinternen Instanzen der Aufruf ergeht, die Gemeinwohlgefährdung abzustellen254. § 118 Abs. 1 AktG steht dieser Auslegung nicht entgegen, da die Vorschrift keine ab­ schließende Regelung der Aktionärsrechte trifft255. Die Unterwerfung des Aktionärs unter die Bestimmungsgewalt von Verwaltung und Hauptver­ sammlung erfolgt nur in den Grenzen von Recht und Statut. Jenseits dessen 253 In BGHZ 83, 122 wählte der Bundesgerichtshof einen anderen Ansatz als das Reichs­ oberhandelsgericht. Der BGH legt seinen Überlegungen einen eigenen verbandsrechtlichen Anspruch auf Achtung seiner mitgliedschaftlichen Rechte durch die Gesellschaft zugrunde, also keine in Prozeßstandschaft zu verfolgenden Rechte der Gesellschaft. Dieser Ansatz muß jedoch nicht ausschließen, daß gleichzeitig Rechte der Gesellschaft verletzt sind, wenn die Verwaltung unter Mißachtung des gesellschaftlichen Kompetenzgefüges die Rechte der Hauptversammlung bzw. des einzelnen Mitglieds verletzt. Der BGH behandelte dies nur in casu nicht. Beide Ansätze können aber durchaus koexistieren. Im direkten Vergleich ist die BGH-Lösung relativ mitgliedsfreundlicher, weshalb die gegen die Prozeßstandschaftslösung vorgebrachte Polemik (vgl. etwa Zöllner ZGR 1988, 392 [425 ff.]) nicht einleuchtet, zumal sie starke Vorbehalte gegen die Unterlassungsklage überhaupt vorträgt. Erst durch die bereits in RG HoldhMSchr. 1903, 197 angedachte Prozeßstandschaftslösung (mit vorrangi­ gem Anspruch der Gesellschaft) wird das Recht des Aktionärs mit der Verbandsordnung in Einklang gebracht und das Leitungsermessen der Gesellschaftsorgane berücksichtigt. In dem durch das ROHG formulierten Grundsatz der gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung der Gesellschaft tritt der eigentliche Sitz des Problems stärker hervor, nämlich der Gleich­ lauf von Verbands Verfassung und Gesellschafterrechten, ihrem immanenten Kontrollauftrag und den Belangen des Gläubigerschutzes. Entzieht man einer AG ohne Zustimmung der Hauptversammlung durch Ausgliederung Vermögen, so verkürzt dies die Rechte der Aktio­ näre, entwertet ihre Vermögensrechte und nimmt gleichzeitig den Gesellschaftsgläubigem Haftungssubstrat. Das Recht auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung besteht neben dem in BGHZ 83, 122 anerkannten verbandsrechtlichen Anspruch. Die Mitgliedschaft und die aus ihr fließen­ den Ansprüche müssen sich in die Verbandsordnung einfügen. Das Mitglied steht sich mit diesem Lösungsweg relativ schlechter (Notwendigkeit eines gesellschaftsinternen Vorverfah­ rens vor Wahrnehmung des Klagerechts), weshalb er den Gegnern der Holzmüller-Doktrin eigentlich willkommener sein müßte. 254Dazu O. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887 (Nachdruck 1963), S. 253 ff., 637 f.; anders dagegen RG JW 1927, 1677 (1679). 255 So bereits die ständige Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts zum fast wort­ gleichen Art. 224 ADHGB von 1861, vgl. ROHGE 11, 118 (121); 14, 354 (357); 25, 307 (310).

beginnen die subjektiven Rechte des Mitglieds, auf die Befolgung dieser Grenzen zu dringen. Ebenso wie für die Beschlußanfechtung gilt, daß ein ge­ setz- oder statutenwidriger Zustand nicht dadurch zu halten ist, daß er wirt­ schaftlich für die Gesellschaft vorteilhaft oder sittlich oder sozial geboten ist256. Die Rechtmäßigkeit stellt das Gesetz über alle betriebswirtschaftlichen Rentabilitätserwägungen. Der Umstand, daß rechtlich keine Heilung eintritt, darf verfahrensrechtlich nicht zur Konsequenz haben, daß die Klagebefugnis so eng definiert wird, daß die Beseitigung der Rechtsverletzung im Ergebnis ausbleibt. Das behördliche Auflösungsrecht in § 396 AktG widerlegt die ver­ einzelt aufgestellte These, daß ein Aktionär es hinnehmen müsse, wenn der Vorstand betrügerische oder gegen die Wirtschaftsstrafgesetze verstoßende Geschäfte abschließt, da dies Maßnahmen der Geschäftsführung seien257. Ohne Rücksicht auf die Qualifizierung als Geschäftsführungsakte steht fest, daß solche Handlungen zu unterlassen sind. Die Rechte der Aktionäre sind Bestandteil der Aufsicht über Verbände, die von privater und staatlicher Seite zu leisten ist. § 396 AktG enthält eine Ermächtigung an die Aktionäre, die ja auch für die Abberufung eines illegal handelnden Vorstands sorgen könnten, der Verwaltung in den Arm zu fallen258. Wer die Klagebefugnis des Aktionärs leugnet, stellt gleichzeitig die aufsichtsrechtliche Komponente, die den Gesellschafter- und Klagerechten beigegeben ist, in Abrede. Entgegen einer zum Teil geäußerten Ansicht besteht die Klagebefugnis grundsätzlich wegen jedweder gesetzwidrigen Maßnahme259. Das Klagerecht darf nicht davon abhängig sein, ob die Gesetzesverletzung oder Kompetenz­ überschreitung die Rechte der Hauptversammlung verkürzt. Andernfalls wäre die Kontrolldichte des Rechtsbehelfs nicht intensiv genug. Klagebefug­ nis und Kompetenzordnung sind vielmehr zu trennen, was § 245 AktG bei­ spielhaft belegt. Das Anfechtungsrecht des Aktionärs setzt keine Verletzung von Rechten der Hauptversammlung oder des Aktionärs voraus. Nach § 245 Nr. 4 AktG darf der Vorstand einen Hauptversammlungsbeschluß anfechten ohne Rücksicht darauf, ob dieser die Zuständigkeiten des Vorstands berührt. Die Beschränkung der Anfechtungsbefugnis in § 245 Nr. 5 weist ebenfalls keinen Berührungspunkt mit den Kompetenzen der Verwaltung auf. Ebenso ist für die Einzelklage zu entscheiden. Denn mit ihr werden keine partiku­ laren Organinteressen der Hauptversammlung wahrgenommen, sondern Rechte der Gesellschaft verfolgt.

256RGZ 40, 33 (35). 257So in der Tat Knobbe-Keuk, Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 239 (252) 258Dazu M. Becker ZSR 107 n.F. (1988), 613 (628 ff.). 259Anders insoweit Knobbe-Keuk (wie FN 257), S. 251 ff.

Die Unterlassungsklage beschränkt sich nicht darauf, daß die Verwaltung die Hauptversammlung übergeht oder die Satzung faktisch ändert260. Gerade für die faktische Satzungsänderung ist die Einzelklage des Mitglieds wich­ tig261, um die verfassungsmäßige Grundlage der Gesellschaft zu bewahren. Die Gefährlichkeit der Satzungsdurchbrechung liegt darin, daß sie sich ohne Beachtung der dafür vorgeschriebenen Förmlichkeiten und außerhalb der registergerichtlichen Kontrolle vollzieht. Es muß ausgeschlossen sein, daß sich einzelne in der AG über die gesetzlichen Anforderungen an Satzungs­ änderungen hinwegsetzen, indem sie einerseits auf die Indolenz der Mitglie­ der spekulieren und andererseits die Lückenhaftigkeit des ganz einseitig auf die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen ausgerichteten Rechts­ schutzsystems ausnutzen. Geht der Aktionär dagegen mit der Einzelklage an, so kann die Verwaltung bei Überschreitung ihrer Kompetenzen nicht mit Er­ folg einwenden, der Kläger verletze die innere Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft, wenn gerade seine Klage dazu dient, die Wiederherstellung der Verbandsordnung zu erzwingen.

VIII. Fazit Erst die Einzelklage rundet den Rechtsschutz in der Aktiengesellschaft, der auch nach Rechtsbehelfen gegen rechtswidrige Maßnahmen der Verwal­ tung verlangt262, ab. Jede Diskussion um die Reichweite der Klagebefugnis muß im Auge behalten, daß hiervon die Kontrolldichte abhängt. Die Aktio­ närsklage stellt das Funktionieren der Gesellschaft grundsätzlich nicht in Frage, zumal wenn der Klageantrag darauf abzielt, eine nach Gesetz oder Statut verbotene Maßnahme zu verhindern bzw. eine danach zwingend ge­ botene Maßnahme durchzusetzen. Dieses Klagerecht ist in Deutschland we­ nigstens in Gestalt der Unterlassungsklage anerkannt. Die gegen den Rechts­ behelf vorgebrachten Befürchtungen über erpresserische Klagen haben sich seither ebensowenig bestätigt wie das Menetekel, daß die Aktionärsklage das

260So noch Knobbe-Keuk (wie FN 257), S. 239 ff. 261 Vgl. RGZ 115, 246 (251). 262In diesem Sinne bereits das eindringliche Plädoyer von Bähr JherJb. 21 (1883), 431 (460 f.) anläßlich der Aktienrechtsreform von 1884. Bähr trat insbesondere für die Mög­ lichkeit einer Anfechtung von Vorstandsbeschlüssen ein.

Funktionieren der Aktiengesellschaft bedroht. Die bekannten Instrumente zur Bekämpfung mißbräuchlicher Klagen reichen aus263.

F. Die Einzelklage im Vereinsrecht Obwohl im Vereinsrecht die Grundstruktur für den Verfassungsaufbau der Körperschaft niedergelegt ist, sind die §§21 ff. BGB durch einen gewissen Normenmangel in bezug auf die innere Ordnung des Vereins gekennzeich­ net. So wichtige Institutionen wie die Geltendmachung von Beschlußmän­ geln, das Informationsrecht der Mitglieder oder die Einzelklagebefugnis fin­ den keine Grundlage im Gesetz. Dasselbe trifft auf die Haftung des Vor­ stands für eine schuldhaft schlechte Geschäftsführung zu. Als Haftungsmaß­ stab gilt diejenige Sorgfalt, die eine gewissenhafte und ihrer Aufgabe ge­ wachsene Person anzuwenden pflegt264. Der Vorstand eines Idealvereins ist 263Geht der Aktionär im Wege der einstweiligen Verfügung vor, so wird die Gesell­ schaft durch § 945 ZPO geschützt, dazu Knobbe-Keuk (wie FN 257), S. 255. Allerdings bedarf § 945 ZPO im Kontext der Gesellschafterklagen einer Korrektur auf der Tatbestands­ seite, weil die Haftung verschuldensunabhängig ist. Die hierfür maßgeblichen Gründe liegen in einer Ebene mit den zu § 91 ZPO angestellten Erwägungen: Die Gefahr der verschuldens­ unabhängigen Haftung darf die den Gesellschafterrechten beigelegte Anreizstruktur nicht verfälschen und den Gesellschafter vom Gebrauch seiner Rechte nicht abschrecken. Erwirkt der im Wege der Einzelklage vorgehende Aktionär eine einstweilige Verfügung, die an­ schließend im Hauptsacheverfahren aufgehoben wird, so darf nicht schematisch § 945 ZPO zur Anwendung gelangen. Vielmehr ist zu bedenken, daß den Gesellschafterrechten andere Wertungen zugrunde liegen, was eine Modifikation im Verschuldensmaßstab zur Folge hat. Dies wird deutlich beim faktischen Suspensiveffekt der Anfechtungsklage. Wird die Klage letztinstanzlich abgewiesen, steht fest, daß die Gesellschaft rechtmäßig gehandelt hat, so kann die Gesellschaft wegen der Verzögerungen grundsätzlich keinen Schadensersatz vom Anfechtungskläger verlangen, es sei denn, es liegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB vor. Dies gilt insbesondere seit der Abschaffung der spezialgesetzlichen Haf­ tungsgrundlage in § 200 Abs. 2 AktG 1937. Danach haftete der Anfechtungskläger nur bei unbegründeter Anfechtung für einen daraus entstehenden Schaden, wenn ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fiel. Diese Wertung muß auf § 945 ZPO ausstrahlen. Die An­ gleichung der Haftungsmaßstäbe erweist einmal mehr, daß das Verfahrensrecht die besonde­ ren Wertungsgrundlagen des Sachrechts nicht umstoßen darf. 264Die Festlegung des Verschuldensmaßstabes hat für den Idealverein große Bedeutung. Auch dort hat der Vorstand dem Verein im Grundsatz für ein Verschulden bei seiner Ge­ schäftsführung einzustehen. Abzustellen ist auf die Sorgfalt, die eine gewissenhafte und ihrer Aufgabe gewachsene Person anzuwenden pflegt, vgl. Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 15. Aufl. 1994, RdNr. 278 ff. Gegenüber der Organverantwortlichkeit in den Kapitalgesellschaften hat diese Haftung aber einen spürbar subjektiven Einschlag. In den Kapitalgesellschaften amtiert eine professionelle, ganztägig arbeitende und besoldete Verwaltung, während die Vorstände in Idealvereinen ihre Tätigkeiten größtenteils unentgeltlich und zu Lasten ihrer Freizeit versehen. Diese Aktivitäten im kulturellen, sozialen und karitativen Bereich sind willkommen, zumal sie den Staat entlasten. Diesem Umstand ist bei der Definition des Verschuldensmaßstabes sowie bei der Frage, ob dem ersatzpflichtigen Organwalter ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Verein zusteht, Rechnung zu tragen, vgl. BGHZ 89, 153 (158 ff.) - ”Pfadfinder”. Das ersatzpflichtige Vorstandsmitglied hat einen Freistellungsanspruch gegen den Verein entsprechend den

ebenfalls an das Gesetz und an die Satzung gebunden. Ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe bei AG und Verein gilt, daß die In­ strumente zur Realisierung der Haftung unverzichtbar sind. Nach dem dispo­ sitiven Gesetzesrecht ist der Vorstand weisungsabhängig (§§ 27 Abs. 3, 665 BGB). Die Satzung darf ihm die freiere Stellung des Vorstands einer Aktien­ gesellschaft einräumen (arg. § 40 BGB). Nach dem gesetzlichen Leitbild ent­ spricht die rechtliche Stellung des Vereinsvorstands der des Geschäftsführers einer GmbH. Die Verschiedenheit der Organstrukturen läßt jedoch den Be­ darf an ergänzenden Rechtsbehelfen im Vereinsrecht, die aus dem allgemei­ nen Verbandsrecht zu schöpfen sind, unberührt. Zu erwähnen ist die Pio­ nierarbeit, die die Rechtsprechung für das innere Vereinsrecht geleistet hat. Sie reicht weit über den Verein hinaus. Dem Normenmangel des inneren Vereinsverfassungsrechts ist das Reichs­ gericht durch eine kühne Konstruktion begegnet, die aber nach heutigem Verständnis nur noch in Ausnahmesituationen anwendbar ist. Ihren Aus­ gangspunkt nimmt sie in § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach bedarf jede Ände­ rung des Vereinszwecks der Zustimmung sämtlicher Mitglieder. Setzt die Mehrheit der Mitglieder eine Zweckänderung ohne diese Zustimmung fak­ tisch durch und hat die Minderheit keine andere Möglichkeit, die abtrünnige Mehrheit auf den Boden der geltenden Satzung zurückzuführen, so ist das Verhalten der Mehrheit als Austritt aus dem Verein zu werten. Die satzungs­ treue Minderheit darf die Herausgabe des gesamten Vereinsvermögens an einen von ihr allein zu bestellenden Vorstand verlangen265. Diese fingierte Sezession ordnet das Verhältnis Mehrheit — Minderheit und schützt den Verband gegen faktische Satzungsänderungen. Gleichzeitig wird der Vor­ stand zu statutenkonformer Geschäftsführung angehalten.

Grundsätzen über den innerbetrieblichen Schadensausgleich. - Zum Stand dieser Lehre im Arbeitsrecht vgl. BAG - GrSen. - NJW 1995, 210. 265RG JW 1925, 237 (238); RGZ 119, 184 (186); BGHZ 16, 143 (150); 49, 175 (180 f.). Kritisch zu dieser Konstruktion Karsten Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfä­ higkeit im Vereinsrecht, 1984, S. 42 ff. Entgegen dieser Kritik kann gerade im Vereinsrecht auf die fingierte Sezession nicht völlig verzichtet werden. Für das Vereinsrecht ist entschei­ dend, daß die Mitgliedschaft dort regelmäßig keinen eigenständigen Vermögenswert besitzt. Dies setzt für das einzelne Mitglied die Anreizschwelle stark herab, Abwehransprüche für den Verein geltend zu machen oder gegen unwirksame Vereinsbeschlüsse gerichtlich vorzu­ gehen, zumal wenn es dabei mit dem vollen Prozeßkostenrisiko belastet ist, keinerlei Auf­ wandsentschädigung zu erwarten hat und obendrein der Prozeßerfolg anderen zustatten kommt. Umgekehrt darf dies die Mehrheit nicht in ihrer Verdrängungsstrategie bestärken, indem sie auf die hierdurch bedingten Trägheitsmomente spekulieren darf. Ähnlich wie das Reichsgericht die berühmte englische Entscheidung General Assembly of Free Church of Scotland v. Overtoun [1904] A.C. 515 [H.L.(Sc.)], die mit einer de facto secession der satzungsuntreuen Mehrheit operiert.

Die Figur der fingierten Sezession266 wird im Schrifttum bekämpft. Den­ noch zählt sie nach wie vor zum geltenden Recht und darf zur Anwendung gelangen, sofern die Rechtsfolgenanordnung verhältnismäßig ist. Die fin­ gierte Sezession ist ultima ratio. Schon das Reichsgericht stellte sie unter den Vorbehalt, daß die Minderheit keine andere Möglichkeit sieht, die Mehrheit zu satzungsgemäßem Verhalten zu bewegen. Gänzlich offen gelassen wurde, welche Mittel das sein können. Neben der Anfechtung von Beschlüssen der Mitgliederversammlung ist hier gerade die Unterlassungsklage gegen sat­ zungswidrige Maßnahmen angebracht. Daneben ist das Rechtsschutzsystem im Vereinsrecht um die Einzelklage mit dem Ziel einer Restitution, also Rückgängigmachung von Maßnahmen oder Rückübertragung von rechtswid­ rig abgegebenen Vermögensgegenständen, zu ergänzen. Schließlich darf jedes Mitglied mittels Einzelklage Ersatzansprüche des Vereins gegen den Vorstand realisieren. Für den eingetragenen Verein hat die jüngere Rechtsprechung einen weit­ tragenden Grundsatz zu den Gesellschafter- und Klagerechten aufgestellt267, der über das Vereinsrecht hinausragt. Der Verein und der Vereinsvorstand sind danach für rechtswidrig schuldhafte Eingriffe in die Mitgliedschaft schadensersatzpflichtig. Die Ersatzfähigkeit umfaßt auch Vermögensschäden an von der Mitgliedschaft verschiedenen Rechtsgütem268. Bedeutsam ist nicht so sehr, ob man diesen Schadensersatzanspruch des Mitglieds korporativistisch nach § 823 Abs. 1 BGB als Eingriff in die Mitgliedschaft oder vertragsrechtlich nach § 280 Abs. 1 BGB begründet269. Bedeutender ist für das Verbandsrecht im allgemeinen, daß der BGH die Pflichten der Verwal­ tung gegenüber den Mitgliedern konkretisiert und eine Ersatzpflicht aner­ kennt, diese aber für nachrangig erklärt270. Das Mitglied darf seinen Schä­ diger nicht einfach tatenlos gewähren lassen, bis ein Schaden eingetreten ist und diesen alsdann liquidieren. Als Folge seiner allgemeinen Schadensmin­ derungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) sowie als Ausfluß der gesell­ schaftlichen Treupflicht muß der Betroffene mit allen ihm zu Gebote stehen­ den Rechtsbehelfen den Eintritt des Schadens abwenden. Dies zielt in die266Den Terminus "Spaltverein", den Karsten Schmidt (wie FN 265) hier verwendet, sollte man allerdings vermeiden, weil dieser schon durch das Internationale Enteignungs­ recht besetzt ist und dort einen ganz anderen Sachverhalt umschreibt. 267BGHZ 110, 323 - Segelregatta. Zu dieser Entscheidung etwa Karsten Schmidt JZ 1991, 157; Hadding, Festschrift für Kellermann, 1991, S. 91 ff.; Reuter, Festschrift für Hermann Lange, 1992, S. 707 ff. 268So in BGHZ 110, 323: geänderte Vereinsrichtlinien zwingen das Mitglied, sein Segelboot auf eigene Kosten baulich verändern zu lassen, um an einer Segelregatta teilneh­ men zu dürfen. 269Auf diese Unterscheidung hebt namentlich Hadding (wie FN 267), S. 94 ff. ab. 270BGHZ HO, 323 (329 ff.).

selbe Richtung wie die im Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen geltende Abstufung von Abwehrrechten und Ersatzansprüchen. Die Bekämp­ fung und Beseitigung eines rechtswidrigen Aktes geht im Interesse der ge­ samten Rechtsordnung einer Entschädigung des persönlich Betroffenen vor271. Im Interesse ihrer Reinhaltung verlangt die Rechtsordnung, daß der Betroffene einen rechtswidrigen Akt aus der Welt schafft, statt auf Entschä­ digung zu spekulieren. Für das private Verbandsrecht folgt daraus, daß die Rechtsprechung nicht nur außerhalb des Gesetzestextes neue Rechte kreiert hat, die das Mitglied ausüben darf. Vielmehr müssen die Mitglieder von ihnen Gebrauch machen. Hierzu wird vom Mitglied nicht wenig verlangt: Gefordert ist ein intensives Prozessieren. Der erfolglose Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung genügt nicht. Das Mitglied muß den Klageweg durch mehrere Instanzen ge­ hen, zumal wenn die Erfolgsaussichten nicht gering sind. Einstweilen noch nicht untersucht ist die Zumutbarkeit, bei der die Tragung des Prozeßkosten­ risikos wiederum ins Spiel kommt. Das erweist die Richtigkeit des für die Gesellschafterrechte hier zugrundegelegten Ansatzes, wonach die prozessuale Kostentragungsentscheidung nach § 91 ZPO nicht endgültig bleiben darf, wenn die Prozeßführung im Interesse des Verbandes auf die Verwirklichung der gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung gerichtet ist272.

G. Die Rechtslage bei der eingetragenen Genossenschaft I« Grundlagen und Verfassungsaufbau Die Novelle von 1973 brachte für die eingetragene Genossenschaft eine bedeutsame Umgestaltung ihrer inneren Verfassung. Im Gesamtsystem der Gesellschaften nimmt die Genossenschaft eine Mittelstellung ein. Sie ist Körperschaft und juristische Person, hat aber durch die obligatorische Eigenorganschaft (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GenG) einen deutlich personalistischen Einschlag. Die Geschäftsführungskompetenzen sind in Anlehnung an das Aktienrecht verteilt. Gemäß § 27 Abs. 1 GenG leitet der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung. Anders als nach § 76 Abs. 1 271 So grundlegend BVerfGE 58, 300 (322 ff.) - "Naßauskiesung" mit einer eindeutigen Absage an das Dulde-und-Liquidiere-Denken. Ebenso BGHZ 90, 17 (31 ff.); STAUDINGER/MEDICUS, Komm.z.BGB, 12. Aufl. 1980, § 254 RdNr. 55 mit umfassenden Nachweisen. 272Deshalb hat sich BGHZ 110, 323 (329 ff.) mit Recht dafür ausgesprochen, daß das Mitglied zunächst Rechtsschutz gegen eine rechtswidrige Maßnahme der Verbandsgewalt su­ chen muß, ehe es einen Vermögensschaden, der ihm erst durch die Nichtbekämpfung der Maßnahme entstehen konnte, liquidieren darf.

AktG hat der Genossenschaftsvorstand jedoch diejenigen Beschränkungen zu beachten, die durch das Statut festgesetzt sind. In den Grenzen des § 18 Satz 2 GenG darf das Statut der Leitungsmacht des Vorstands Schranken ziehen, ohne jedoch die eigenverantwortliche Stellung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 an­ zutasten273. Ungeachtet der Kompetenzaufwertung, die der Vorstand im Zuge der No­ velle von 1973 erfahren hat, ist die Genossenschaft durch die Idee der ak­ tiven Mitgliederförderung und der intensiven Selbstverwaltung durch die Genossen nach § 1 GenG streng basisdemokratisch organisiert274. Das Ge­ nossenschaftsprinzip baut auf aktiver Mitgliederpartizipation auf, die Mit­ gliedschaft dient nicht der Kapitalanlage oder Kapitalbindung. Den Rechten der Genossen kommt daher im Verfassungsaufbau der Genossenschaft ein grundsätzlich anderer Stellenwert zu als etwa bei der Aktiengesellschaft. Gleichwohl bestimmt § 43 Abs. 1 GenG, daß die Rechte, welche den Genos­ sen in den Angelegenheiten der Genossenschaft, insbesondere in bezug auf die Führung der Geschäfte, die Prüfung der Bilanz und die Verteilung von Gewinn und Verlust zustehen, in der Generalversammlung auszuüben sind. Diese Bestimmung ist mit den tragenden genossenschaftlichen Grundprin­ zipien aus § 1 GenG in Einklang zu bringen. Überhaupt ist die übereilte Übernahme aktienrechtlicher Strukturen in das Genossenschaftsrecht be­ denklich, weil der Genossenschaft die Kontrolle durch den Kapitalmarkt fehlt: Das einzelne Mitglied kann sich nicht über die Börse lösen; eine sich neu formierende Kapitalmehrheit vermag die amtierende Verwaltung nicht auszuwechseln. Gefragt sind daher alternative Formen der Kontrolle. Die eingetragene Genossenschaft hebt sich durch zwei Eigentümlichkeiten von den übrigen Personenzusammenschlüssen ab. Das sind zum einen die genossenschaftlichen Prüfungsverbände als obligatorisches Revisionsorgan, zum anderen die Vertreterversammlung in den Großgenossenschaften (§ 43a GenG). Von jeder dieser Besonderheiten drohen dem Genossenschaftsgedan­ ken Gefahren. Das genossenschaftliche Prüfungswesen ist umfassender als die auf Revision der Rechnungslegung beschränkte Prüfung bei den Kapital­ gesellschaften. Die materielle Prüfung durch den genossenschaftlichen Prü­ fungsverband erstreckt sich auf die Geschäftsführung durch den Vorstand und auf die Angemessenheit von Geschäftsführungsakten (§ 53 Abs. 1 GenG). Das ausgeprägte Revisionsrecht der genossenschaftlichen Prüfungs­ 273 Einzelheiten bei MEYER/MEULENBERGH/BEUTHIEN, Komm.z.GenG, 12. Aufl. 1983, § 27 RdNr. 8 ff.; Beuthien ZfgG 1975, 180 (186 ff.); H. Westermann, Festschrift für Reinhardt, 1972, S. 359 ff.; Klaus Müller, Komm.z.GenG, 2. Aufl. 1991, § 27 RdNr. 6 ff.; zur Einzelklage im Recht der Genossenschaft nunmehr C. Frank, Die actio pro socio in der eingetragenen Genossenschaft, 1996. 274Dazu Reinhardt/Schultz, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1981, § 66 (RdNr. 898 ff.).

verbände vermochte nicht zu verhindern, daß das deutsche Genossenschafts­ wesen noch heute unter frühkapitalistischen Machtmißbräuchen zu leiden hat. Spektakuläre Vorkommnisse auf dem Kredit- und Konsumgenossen­ schaftssektor, die die Wirtschaftspresse aufgedeckt hat, belegen das. - Bei Genossenschaften mit großer Mitgliederzahl fungiert anstelle der Generalver­ sammlung eine aus Delegierten aller Genossen bestehende Vertreterver­ sammlung. Hat die Genossenschaft mehr als 3.000 Mitglieder, ist die Ver­ treterversammlung obligatorisch, hat sie mehr als 1.500 Mitglieder, darf das Statut eine Vertreterversammlung vorsehen. Das Delegiertenprinzip behin­ dert die Wahrnehmung elementarer Genossenrechte. Genossen, die nicht Vertreter sind, haben kein Stimmrecht in der Vertreterversammlung. Sie ha­ ben nicht einmal ein Zutrittsrecht, können nicht das Wort zu Punkten der Tagesordnung ergreifen oder ihr Informationsrecht ausüben275. Sorgfältig zu prüfen bleibt, ob diese Mediatisierung der Genossenrechte auch das Recht zur Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen in § 51 GenG erfaßt. Die Antwort folgt aus einer teleologischen Betrachtung der Bestimmungen über die Vertreterversammlung. Die Vertreterversammlung wurde durch die Novelle zum Genossenschaftsgesetz von 1922 eingeführt, um eine funktions­ fähige Repräsentation aller Mitglieder, die in einer Massenversammlung nicht geschehen könnte, zu erreichen. Die Genossenschaft kennt kein Depot­ stimmrecht, und eine Stimmrechtsausübung durch Bevollmächtigte ist für höchstens zwei Genossen zulässig (§ 43 Abs. 5 Satz 3 GenG). Das Dele­ giertenprinzip trägt zwar zur Erleichterung der Willensbildung bei276, recht­ fertigt jedoch die Einschränkung der Genossenrechte, speziell des Anfech­ tungsrechts, nicht. Die gesetzlichen Beschränkungen beziehen sich auf den Vorgang der Willensbildung. Davon zu scheiden ist die Korrektur eines feh­ lerhaft gebildeten Willens, die das Anfechtungsrecht in § 51 GenG ermög­ licht. Entscheidend ist der sachliche Aspekt, daß nicht der fehlerhaft gebil­ dete Wille hinfort für das Verhältnis von Genossenschaft und Genossen be­ stimmend wird. Aus dem fehlenden Zugangsrecht der Genossen zur Vertre­ terversammlung ist unter Hinweis auf § 51 Abs. 2 Satz 1 GenG geschlossen worden, daß keine Anfechtungsbefugnis für Nichtvertreter bestehe, die kei­ nen Widerspruch zu Protokoll erklärt haben277. Das Anfechtungsrecht als wichtigstes gesetzliches Individualrecht der Genossen wird aber in seiner 275Meyer/Meulenbergh/Beuthien, Komm.z.GenG, 12. Aufl. 1983, § 43a RdNr. 7; Klaus Müller, Komm.z.GenG, 1980, § 43a RdNr. 77 ff. 276Einzelheiten bei Noelle, Mitgliederrepräsentation in Genossenschaften mit Vertre­ terversammlung, 1988, S. 11 ff.; Schmitz-Herscheidt, Die Vertreterversammlung der Genossenschaft als rechtliches und organisatorisches Problem, 1981. 277RGZ 155, 21 (24); Meyer/Meulenbergh/Beuthien, Komm.z.GenG, 12. Aufl. 1983, §51 RdNr. 25.

materiellen Bedeutung verkürzt, wenn man es nur als Annex zum Teilnah­ merecht an der beschlußfassenden Versammlung versteht. Mindestens ist eine differenzierte Betrachtung angebracht, weil nicht jedwede Beschluß­ anfechtung den Widerspruch des erschienenen Mitglieds zur Niederschrift voraussetzt. Entbehrlich ist dies etwa nach § 245 Nr. 3 AktG, wenn sich die Anfechtung auf die Verfolgung von Sondervorteilen zum Schaden der Ge­ sellschaft oder der anderen Mitglieder (§ 243 Abs. 2 AktG) stützt. Für die eingetragene Genossenschaft mit Vertreterversammlung gilt die Beschrän­ kung des Anfechtungsrechts in § 51 Abs. 2 Satz 1 GenG nach hier vertrete­ ner Ansicht überhaupt nicht, nach einer vordringenden Auffassung immerhin in bestimmten Fällen nicht278. Das Problem rührt daher, daß der Gesetz­ geber den § 51 nicht an § 43a GenG angepaßt hat. Dies muß als konzeptio­ nelles Versehen des Gesetzgebers gewertet werden und ist durch Verzicht auf das Anwesenheitserfordernis zu korrigieren279. Was § 67a Abs. 1 GenG für das Austrittsrecht bestimmt, muß erst recht für das noch wichtigere Anfechtungsrecht gelten.

II. Das Einzelklagerecht in der Genossenschaft Die Zulässigkeit der Einzelklage im Recht der eingetragenen Genossen­ schaft ergibt sich aus den Strukturen dieser Verbandsform. Gerade die Zu­ rücksetzung der Individualrechte der Genossen in der Genossenschaft mit Vertreterversammlung fordert nach entsprechenden Gegengewichten. Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände versprechen keine durchgreifende Abhilfe. Diese ist vielmehr bei der Einzelklage zu suchen. Die Einzelklage im Genossenschaftsrecht verspricht ferner einen Beitrag zur stärkeren Ver­ 278BGHZ 83, 228 (231) = ZfgG 1982, 296 mit Anm. Hadding für die Nichtigkeits­ klage. Das Gericht führt aus, daß der Genosse trotz § 43a GenG das Recht behält, Beschlüs­ sen "entgegenzutreten", die die Vertreterversammlung unter Verstoß gegen elementare Rechtsgrundsätze gefaßt hat und die, wenn sie das Leben der Genossenschaft unangegriffen bestimmen könnten, in seine Mitgliedschaftsrechte eingreifen würden; im gleichen Sinne Bereska, Minderheitenschutz durch Klage in Genossenschaften, 1990, S. 80 ff.; Lang/Weidmüller/Metz, Komm.z.GenG, 32. Aufl. 1988, § 43a RdNr. 91 sowie §51 RdNr. 75; Klaus Müller, Komm.z.GenG, 1980, § 43a RdNr. 85: Anfechtungsrecht für Nichtvertreter wenigstens dann, wenn sachliche Gründe dies erfordern. Drei wichtige Fragen bleiben danach offen: Meint "entgegentreten'' nur die Nichtigkeits­ klage, oder auch die Anfechtungs- sowie die positive Beschlußfeststellungsklage? Was be­ deutet "elementare Rechtsgrundsätze"? Nach § 51 Abs. 1 GenG ist Prüfungsmaßstab für die Beseitigung eines rechtswidrigen Beschlusses die Verletzung von Gesetz oder Statut jedwe­ der Art. Schließlich ist zu fragen, wie sich das von BGHZ 83, 228 (231) geforderte Merk­ mal des Eingriffs in eigene Mitgliedschaftsrechte zu § 51 Abs. 2 GenG verhält. Weder § 245 AktG noch § 51 Abs. 2 GenG machen die Klagebefugnis davon abhängig, daß der Kläger in eigenen mitgliedschaftlichen oder organschaftlichen Rechten verletzt ist. 279Überzeugend Bereska (wie FN 278), S. 82 ff. unter Hinweis auf § 67a GenG.

rechtlichung der weitverschachtelten Genossenschaftskonzeme 280. Vor allem in der Genossenschaft mit Vertreterversammlung ist die Einzelklagebefugnis für jeden Genossen unter Einschluß der Nichtvertreter zu fordern. Sie kommt insbesondere in drei Varianten vor: Geltendmachung von Ersatz­ ansprüchen, Unterlassung sowie Erzwingung bestimmter Geschäftsfüh­ rungsmaßnahmen.

1. Die Haftung der Verwaltung der Genossenschaft für sorgfaltspflicht­ widrige Geschäftsführung folgt aus § 34 Abs. 2 i.V.m. § 41 GenG. § 34 GenG ist der aktienrechtlichen Organverantwortlichkeit nach § 93 AktG nachempfunden; es fehlt jedoch eine § 117 AktG vergleichbare Haftungs­ norm wegen verbotener Einflußnahme auf die Mitglieder der Verwaltung. In § 34 Abs. 5 Satz 1 GenG ist zwar vorgesehen, daß ausgewählte Ersatzan­ sprüche der Genossenschaft von den Gläubigem geltend gemacht werden dürfen. Eine Minderheitenbefugnis entsprechend § 147 AktG fehlt indessen und wäre im übrigen auch fehl am Platze, da die Genossenschaft nicht auf dem kapitalistischen Prinzip aufbaut. Nur einen Teilausschnitt der Ersatzan­ spruchsrealisation behandelt § 39 Abs. 1 GenG, wenn die Genossenschaft selbst — vertreten durch ihren Aufsichtsrat — Ansprüche gegen den Vor­ stand erhebt. Davon zu unterscheiden ist der in § 39 GenG nicht geregelte Fall, daß ein Genosse mittels Einzelklage den Anspruch der Genossenschaft einzieht. Regelmäßig ist der Aufsichtsrat für die Vertretung der Genossen­ schaft in deren Aktivprozessen gegen die Mitglieder des Vorstands zustän­ dig. Erst der Ermächtigungsbeschluß der Generalversammlung läßt die Ver­ tretungsbefugnis des Aufsichtsrats entstehen und ist sachliche Klagevoraus­ setzung. Solange der Ermächtigungsbeschluß nicht vorliegt, ist die Klage als unbegründet abzuweisen281. Die in § 39 GenG getroffene Regelung ist anti­ quiert und in hohem Maße mißbrauchsanfällig. Wie bei den übrigen Rechts­ formen aufgezeigt gilt auch für die eingetragene Genossenschaft, daß die Er­ satzansprüche nicht der ausschließlichen Bestimmungsgewalt der Mehrheit oder der Verwaltung unterstellt sein dürfen. § 39 GenG behandelt nur die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats. An­ ders als § 46 Nr. 8 GmbHG begründet der Generalversammlungsbeschluß nach § 39 Abs. 1 GenG lediglich die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats, ist jedoch nicht Voraussetzung für die Anspruchsverfolgung schlechthin. Die Einzelklagebefugnis besteht unabhängig von einem Ermächtigungsbeschluß 280Zum bislang vernachlässigten Genossenschaftskonzemrecht Beuthien, in: Mestmäcker/ Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 133 ff. 281BGH NJW 1960, 1667; ZfgG 1963, 154 mit Anm. KLUGE.

nach § 39 Abs. 1, weil der klagende Genosse die Genossenschaft nicht im Rechtssinne vertritt, sondern als außerordentlicher Prozeßstandschafter auf­ tritt. § 39 GenG beinhaltet demnach keine abschließende Regelung und ver­ drängt insbesondere das parallele Initiativrecht der Genossen, das auch in der Genossenschaft mit Vertreterversammlung besteht, nicht. Dieser Rechtszu­ stand bedarf allerdings der Anpassung an die in § 34 Abs. 5 Satz 2 GenG vorausgesetzte Verzichts- und Vergleichsbefugnis. Wie bei der Aktiengesell­ schaft ist der Genosse nicht dagegen gefeit, daß die Generalversammlung auf einen Ersatzanspruch verzichtet oder sich über ihn vergleicht. Die Zubilli­ gung der Einzelklagebefugnis impliziert aber, daß der klagende Genosse einen Verzichts- oder Vergleichsbeschluß zur gerichtlichen Nachprüfung bringen kann. Probleme wirft dies wiederum für die Genossenschaft mit Vertreterversammlung auf, die aber im Ergebnis der Genossenschaft mit Ge­ neralversammlung gleichzustellen ist282. Ein Verzichts- oder Vergleichsbe­ schluß ist daher durch jeden zur Einzelklage befugten Genossen angreifbar, selbst wenn er als Nichtvertreter keinen Zutritt zur Vertreterversammlung hatte.

2. Die Einzelklage im Genossenschaftsrecht kann außerdem ein Unterlas­ sungsbegehren zum Gegenstand haben. Dies folgt aus den strukturellen Ge­ meinsamkeiten im Verfassungsaufbau von Aktiengesellschaft und eingetra­ gener Genossenschaft. Die in BGHZ 83, 122 für die Aktiengesellschaft nie­ dergelegten Grundsätze sind ohne weiteres auf die Genossenschaft zu er­ strecken, weil ihr Fundament breiter angelegt ist. Daraus folgt für die Be­ stimmung der Vorstandskompetenzen (§ 27) in Abgrenzung zu den Grund­ lagenkompetenzen der Generalversammlung (§ 16 GenG) eine entsprechende Erweiterung des Gesetzes. Bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Genossen mag den Vorstand die Verpflichtung treffen, selbst wenn das Statut dies im Rahmen von § 27 Abs. 1 Satz 2 GenG nicht vorsieht, eine Entscheidung der Generalversammlung herbeizuführen. Diese zu § 119 Abs. 2 AktG formulierte berichtigende Auslegung gilt im Genos­ senschaftsrecht ebenfalls283. Für die Genossenschaft erfährt dieser Grundsatz eine unmittelbare Stütze in der genossenschaftlichen Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Wird die General- oder Vertreterversammlung über­ gangen, gebührt das Klagerecht jedem Genossen284. Nicht erforderlich ist, 282Hierzu schon oben FN 278. 283H. Westermann, Freundesgabe für Boettcher, 1984, S. 203 (218); Bereska (wie FN 278), S. 31 ff.; Lang/Weidmüller/Metz, Komm.z.GenG, 32. Aufl. 1988, §43 RdNr. 8; Beuthien ZfgG 1975, 180 (197 ff.). 284Ausführlich Bereska (wie FN 278), S. 105 ff., 128 ff.; nicht eindeutig H. Wester­ mann (wie FN 283), S. 218/19.

daß der beanstandete Akt direkt unter § 16 GenG subsumierbar ist. Wie bei der Aktiengesellschaft genügt jeder Verstoß der Verwaltung gegen Gesetz oder Statut. Das Klagerecht ist bereits unterhalb der Schwelle der faktischen Satzungsänderungen eröffnet, etwa wenn der Vorstand nichtige oder ange­ fochtene Beschlüsse ausfuhrt oder sich gesetz- oder statutenwidrig verhält.

3. Endlich eignet sich die Einzelklage für ein Vornahmebegehren, mit dem bestimmte Geschäftsführungsakte positiv zu erzwingen sind. Wichtig ist dies für die Rückgängigmachung von Maßnahmen der Geschäftsführung, die ohne den erforderlichen Generalversammlungsbeschluß ins Werk gesetzt wurden. Dies sind solche Geschäfte, die bei der Aktiengesellschaft eines Be­ schlusses nach § 179a (früher § 361) AktG bedürfen. Dasselbe trifft auf die Genossenschaft zu285. Wie bei der Aktiengesellschaft soll die Einzelklage die Beachtung des Beschlußerfordemisses und die entsprechende Beschrän­ kung der Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands gewährleisten286. Wie bei den zuvor behandelten Verbänden kollidiert die Durchsetzung einer Ge­ schäftsführungsmaßnahme potentiell mit dem Leitungsermessen des Vor­ stands aus § 27 Abs. 1 GenG. Besteht dieses Ermessen jedoch nicht, weil nur noch eine Maßnahme rechtmäßig ist, so dringt der Antrag durch. Insgesamt steckt das Genossenschaftsrecht der Einzelklage also keinen an­ deren Rahmen ab als bei den Körperschaften und den Personalgesellschaften. Wie bei den anderen Verbänden ist der Konflikt zwischen der Einzelklage­ befugnis und dem Leitungsermessen der Verwaltung dadurch aufzuheben, daß der Genosse seine Klageabsicht den Organen der Genossenschaft anzu­ zeigen hat und ein genossenschaftsintemes Vorverfahren einleitet. Die Statt­ haftigkeit der Einzelklage im Genossenschaftsrecht wird durch rechtsform­ spezifische Besonderheiten dieser Körperschaftsform unterstrichen. Die ge­ nossenschaftlichen Prüfungsverbände konnten in den aufgetretenen Miß­ brauchsfällen für keine wirksame Abhilfe sorgen trotz ihres umfangreicheren Prüfungsrechts. Die Prüfungsverbände selbst stehen nach § 64 GenG unter staatlicher Aufsicht. Die Staatsaufsicht substituiert aber nicht die von den Mitgliedern getragene Kontrolle, die der eingetragenen Genossenschaft als Verbandsform wesensimmanent ist. Tritt an die Stelle der Generalversamm­ lung gar eine Vertreterversammlung, bewirkt dies eine so nicht intendierte Zurückdrängung der Mitgliederpartizipation. Mit dem Förderzweck und der genossenschaftlichen Selbstverwaltung (§1 GenG) sowie mit der Verfas­ 285vgj hierzu das von H. Westermann (wie FN 283), S. 216 gegebene Beispiel der Übertragung desjenigen Betriebsteiles durch den Vorstand, auf den sich die Förderung kon­ zentriert. 286Zu den immanenten Schranken von § 27 Abs. 2 GenG eingehend Klaus Müller, Komm.z.GenG, 2. Aufl. 1991, § 27 RdNr. 15 und 16 m.w.N.

sungsgarantie der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) ist § 43a GenG nur vereinbar, wenn mit der Einzelklage ein Gegengewicht geschaffen wird. Der personalistische Einschlag der Genossenschaft (arg. § 9 Abs. 2 Satz 1 GenG) spricht schließlich dafür, daß die Einzelklage, die als actio pro socio im Recht der Personalgesellschaften ihren Ursprung nahm, bei der Genos­ senschaft kein Fremdkörper ist.

H. Exkurs: Zur Rechtslage bei der Wohnungseigentümergemeinschaft Die Frage nach der Einzelklagebefugnis des Wohnungseigentümers ver­ dient im Hinblick auf die jüngeren Entwicklungen in der Rechtsprechung auf diesem Gebiet besondere Aufmerksamkeit. Der unmittelbare Erkenntnis­ gewinn für die parallele Diskussion im Verbandsrecht liegt darin, daß das Wohnungseigentumsrecht den Beweis liefert, daß die Entscheidung für oder wider die Einzelklage nicht mit den Unterschieden zwischen Gesellschaft und Körperschaft zusammenfällt. Es geht viel eher um die Behebung bestimmter personengemeinschaftsbedingter Konflikte im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit wie der Gesamtrechtsordnung. Die rechtliche Organisationsform als Gesellschaft, Körperschaft oder Gemeinschaft tritt darüber in den Hintergrund ebenso wie die Frage nach der sachenrechtlichen Einordnung des Wohnungseigentums.

I. Die Gliederung der Wohnungseigentümergemeinschaft Dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) von 1951 liegt konzeptionell eine Gemeinschaft zugrunde, die sich durch die gemeinschaftliche Innehabung und Verwaltung einer Wohnanlage konstituiert287. Das WEG ist trotz seiner Eigenschaft als Separatkodifikation im Verhältnis zum BGB kein Sonder­ gesetz, das neue Institutionen in die allgemeine zivilistische Dogmatik ein­ führen will. Es wahrt vielmehr die Einheit der Rechtsordnung. Wohnungs­ eigentum ist durchgängig Eigentum im Sinne der Art. 14 Abs. 1 GG, § 903 BGB und keine Rechtsfigur sui generis. Gesetz, Rechtsprechung und Schrifttum wählen für die Erfassung des Wohnungseigentums bislang einen primär sachenrechtlichen Ansatzpunkt. Unzweifelhaft hat die Wohnungs­ eigentümergemeinschaft berechtigungsordnenden Charakter im Sinne des 287Zur Rechtsnatur der Wohnungseigentümergemeinschaft Bärmann, Wohnungseigen­ tum, 1991, RdNr. 265 ff.; für eine stärkere Betonung der gesellschaftsrechtlichen Elemente neuerdings M. Junker, Die Gesellschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz, 1993, S. 73 ff.

Sachenrechts, doch ist sie ebenso unverkennbar ein Gemeinschaftsverhältnis mit personalem Substrat288. Dingliche Berechtigung und personales Element bedingen einander. Die Art der Verbundenheit hat zur Herausbildung spezi­ fisch organisationsrechtlicher Strukturen geführt, die im Verbandsrecht ein­ deutige Parallelen haben. Die Wohnungseigentümergemeinschaft besitzt ein Verwaltungsorgan, dessen Bestellung und Abberufung nach dem Vorbild der Kapitalgesellschaften gestaltet ist. Neben den notwendigen Organen Verwal­ ter und Eigentümerversammlung kann ein Verwaltungsbeirat eingerichtet werden (§§20 Abs. 1, 29 WEG). Die Willensbildung in der Wohnungs­ eigentümerversammlung erfolgt nach dem Mehrheitsprinzip mit der Mög­ lichkeit zur Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse nach § 23 Abs. 4 WEG als Korrektiv. Die starke Stellung des Verwalters gemäß § 27 WEG fordert die Frage nach den Rechten der Wohnungseigentümer heraus. Das Gesetz ist nicht soweit gegangen, dem Verwalter die Stellung des Vorstands der Akti­ engesellschaft zu gewähren, jedoch ist diese Machtfülle den großen Verwal­ tungsgesellschaften tatsächlich zugewachsen. Die Tatsache der zumindest strukturellen Gemeinsamkeiten erfordert die partielle Einbeziehung der Wohnungseigentümergemeinschaft in den verbandsrechtlichen Kontext, zumal die durchaus naheliegende Parallele zum Gesellschaftsrecht289 bisher nicht gezogen und folglich noch nicht evaluiert ist, was jedes Rechtsgebiet dem anderen zu vermitteln vermag. Für die Wohnungseigentümergemein­ schaft ist jedenfalls eine Perspektivenerweiterung vom Sachen- zum Ver­ bandsrecht angebracht. Wie im übrigen Verbandsrecht ist bei der Wohnungseigentümergemein­ schaft die Statthaftigkeit der Einzelklagebefugnis eines Wohnungseigen­ tümers keine Frage der Dogmatik allein. Zunächst betrifft sie das Verhältnis des Verwalters zu den Rechten der Eigentümer. Die Fragestellung greift je­ doch weiter aus, da sich mit ihr Bezüge zum Kapital- und Wohnungsmarkt verknüpfen. Das WEG entstand zu einer Zeit, als die Versorgung der Bevöl­ kerung mit Wohnraum ganz oben auf der Agenda des Gesetzgebers stand. Die Berührungspunkte zum Kapitalmarkt bestehen darin, daß das Investment in Wohnungseigentum eine beliebte Form der Kapitalanlage ist. Sie ist mit steuerlichen Vorteilen verbunden, weil die Privatinitiative zur Schaffung von Wohnraum und zur Ankurbelung der Bauwirtschaft führt und die staatlichen Anstrengungen auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus entlastet. Diese Determinanten sind bis heute bestimmend und erleben nach der Vollendung 288Dazu eingehend Merle, Das Wohnungseigentum im System des bürgerlichen Rechts, 1979, S. 142 ff. 289Im Ansatz anders Ehmann, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 145 ff.; DERS. JZ 1991, 222.

der staatlichen Wiedervereinigung eine erneute Bestätigung. Viele Woh­ nungseigentümer bewohnen die eigene Wohnung, die damit Dach über dem Kopf und Kapitalanlage ist. Dieser Typ des Wohnungseigentümers ist in doppelter Weise tangiert von allen Verwaltungsmaßnahmen und Beschlüssen. Einmal treffen sie sein Vermögen, zum anderen seine private Lebenssphäre als Bewohner. Die charakteristische Struktur der Gemeinschaft rückt sie verbandsrecht­ lich betrachtet in die Nähe der streng personalistisch verfaßten Rechtsfor­ men. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist eine Gemeinschaft mit ge­ schlossenem Mitgliederkreis, in welcher die Mitgliedschaftsstellen nicht be­ liebig vermehrbar sind. Nach § 12 Abs. 1 WEG darf als Inhalt des Sonder­ eigentums vereinbart werden, daß ein Wohnungseigentümer zur Veräuße­ rung seines Eigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf. Die Erteilung der Zustimmung steht nicht im freien Belieben des Berechtigten. Gemäß § 11 WEG ist die Gemeinschaft selbst bei Vorliegen wichtiger Gründe grundsätzlich unauflöslich. Damit stellen sich wichtige verbandsrechtliche Prinzipien, wie etwa Vinkulierungsbefugnis und Austrittsfreiheit, die in einer konkreten Wechselbeziehung zueinander ste­ hen, bei der Wohnungseigentümergemeinschaft anders dar. Im Recht der GmbH gestattet § 15 Abs. 5 GmbHG eine statutarische Anteilsvinkulierung. Der betroffene Gesellschafter hat an und für sich zum Ausgleich das zwin­ gende Auflösungsrecht nach § 61 GmbHG. Da dieses heute kaum noch praktiziert wird, weil es von der Rechtsprechung an immer restriktivere Kautelen gebunden ist, steht jedem Gesellschafter ersatzweise wenigstens ein unabdingbares Recht zum Austritt aus der GmbH aus wichtigem Grund zu290. Die Verknüpfung oder Erweiterung dieser Rechte steht nicht im freien Ermessen des Gesetzgebers, sondern ist Ausfluß grundrechtlicher Garan­ tien291. Die fehlende freie Veräußerlichkeit des Wohnungseigentums hat kein Austrittsrecht zur Folge, obwohl es andererseits ein Verfahren zur Ent­ ziehung des Wohnungseigentums - also verbandsrechtlich gesprochen einen Ausschluß aus der Gemeinschaft aus wichtigem Grund - gibt (§18 WEG). Fraglich bleibt, ob die Gebundenheit der Zustimmung nach § 12 Abs. 2 290Zu diesem Zusammenhang ausführlicher M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 15 ff. Das Recht zum Austritt aus der GmbH ist nunmehr eindeutig anerkannt durch BGHZ 116, 359 (369 ff.). 291 Für die Wohnungseigentümergemeinschaft sind die Grundrechtsgarantien der Artt. 1 (Schutz der privaten Lebenssphäre), 9 Abs. 1, 13 und 14 GG zu beachten. Die Wohnungs­ eigentümergemeinschaft ist insbesondere eine von Art. 9 Abs. 1 GG erfaßte Assoziierungs­ form. Daran ändert die Qualifizierung als Gemeinschaft nach dem BGB nichts, da dem Grundgesetz ein wesentlich weiteres Vereinigungskonzept zugrunde liegt, das nicht auf der Unterscheidung zwischen Verein und Gesellschaft im privatrechtlichen Sinne aufbaut, vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Komm.z.GG, Stand: August 1979, Art. 9 RdNr. 54 ff.

WEG in jedem Falle ausreicht. Der notwendige Schutz des Wohnungs­ eigentümers, der durch den fehlenden Austritt über den Markt nicht uner­ heblich erschwert ist, ist durch Fortentwicklung der Rechte des einzelnen Wohnungseigentümers zu leisten. Gefordert ist ein Mindestbestand an Rech­ ten, der nicht unter Hinweis darauf abgetan werden kann, daß bei der Woh­ nungseigentümergemeinschaft die sachenrechtliche Prägung des Rechtsver­ hältnisses überwiege und die vertragsrechtliche Verbundenheit der Eigen­ tümer über der organisationsrechtlichen rangiere. Gefragt ist eine auf die Substanz statt auf die Form fixierte Betrachtung. Organisationsrechtlich gesehen ist der Verfassungsaufbau der Wohnungs­ eigentümergemeinschaft dem der GmbH verwandt. Die §§20 ff. WEG räu­ men der Wohnungseigentümerversammlung die Stellung als oberstes Ent­ scheidungsorgan der Gemeinschaft ein. Der Verwalter ist notwendiges Exe­ kutivorgan (§ 20 Abs. 2 WEG), jedoch an Weisungen der Versammlung ge­ bunden292. Die Mehrheit darf, soweit sie sich in den Grenzen von Gesetz und Gemeinschaftsordnung bewegt, die Minderheit in den Angelegenheiten der Gemeinschaft binden (§10 Abs. 4 WEG). Durch Instandsetzung, Erhal­ tung, Renovierung und Luxusmodernisierungen kann jeder Wohnungseigen­ tümer wegen seiner Zuzahlungspflicht in die Gemeinschaftskasse zur finan­ ziellen Partizipation gezwungen werden (§16 Abs. 2 WEG), ohne daß seine Nachschußpflicht begrenzbar wäre. Den daraus entspringenden Mißbrauchs­ gefahren begegnet das Anfechtungsrecht nach § 23 Abs. 4 WEG. Man denke nur an den Fall, daß die Mehrheit aufwendige Renovierungen beschließt, die eine Minderheit nicht zu finanzieren vermag und dadurch in ein Dilemma getrieben wird. Sie kann sich von dieser Nachschußpflicht nicht entspre­ chend § 27 Abs. 1 GmbHG durch Austritt gegen Entschädigung befreien, und sie wird nur unter Hinnahme erheblicher Einbußen einen Käufer ihres Wohnungseigentums finden, der nach § 10 Abs. 3 WEG die unangefochte­ nen Beschlüsse der Eigentümerversammlung gegen sich gelten lassen muß. Aus dem Gesellschaftsrecht sind solche Aushungerungsstrategien bekannt, mit denen die Mehrheit die Minderheit solange drangsaliert, bis diese ihre Anteile schließlich zu Schleuderpreisen abgibt. Wie für die Aktiengesell­ schaft aufgezeigt, bleibt der Rechtsschutz unzureichend, solange er nicht das Tätigkeitsfeld des Verwalters erfaßt, da das WEG die Kompetenzen von Versammlung und Verwalter nicht streng gegeneinander abgrenzt und ab­ weichende Vereinbarungen zuläßt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG). Verengt man den Rechtsschutz bei dieser Gesetzeslage nur auf Beschlüsse der Wohnungs­ eigentümer, so könnte eine findige Vertragsgestaltung die Justitiabilität von 292Bärmann, Wohnungseigentum, 1991, RdNr. 570 unter Rückgriff auf §§27 Abs. 3 BGB i.V.m. 665; MünchKomm-RÖLL, 2. Aufl. 1986, § 20 WEG RdNr. 5 ff.

Maßnahmen kurzerhand dadurch beseitigen, daß ein anderes Organ anstelle der Versammlung handelt.

II. Die Einzelklagebefugnis des Wohnungseigentümers Die Verwalterbestellung eröffnet Gelegenheiten der Manipulation, die unmittelbar die Frage nach der Einzelklagebefugnis aufwirft. Wer darf Scha­ densersatzansprüche gegen den Verwalter geltend machen, wenn dieser die Gemeinschaft in haftungsbegründender Weise geschädigt hat, aber nach dem Gesetz der einzige Vertreter der Wohnungseigentümer ist293? Wer ist befugt, die Ansprüche gegen einen Wohnungseigentümer durchzusetzen, der nicht zu den Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums beitragen will und vom Verwalter dazu nicht herangezogen wird294? Wer kann schließlich Mängelbeseitigungsansprüche geltend machen, wenn der Verwalter dies nicht mit dem gebührenden Nachdruck besorgt295? Die Notwendigkeit einer Einzelklagebefugnis ergibt sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage, die der Entstehung vieler Wohnungseigentümergemeinschaften zugrunde liegt. In der Mehrzahl der Fälle werden Wohnungseigentümergemeinschaften von den großen Bauträgergesellschaften zusammengestellt, wobei die von ihnen vorgefertigten Vereinbarungen Verwendung finden. Bauträger und -hand­ werker erstellen die Wohnanlage und betreiben anschließend ihre Bestellung zum Verwalter. Der Bauträger behält Einfluß auf die MehrheitsVerhältnisse in der Eigentümerversammlung durch eine entsprechende Vermarktung der Wohnungen. Die Parallele zum Aktienrecht liegt in der früher zulässigen Ausgabe von sog. Schutzaktien an verwaltungstreue Gewährsmänner. Es liegt auf der Hand, daß die Bauträger und Handwerker in ihrer späteren Funktion als Verwalter kein Interesse daran haben, die Mängel an der Wohnanlage auf eigene Kosten zu beseitigen296. Die Bestellung zum Verwalter dient dem Zweck, die Sicherung der vertraglich einwandfreien Erstellung des Bauwerks zu vereiteln. Nur die Anerkennung der Einzelklagebefugnis jedes Wohnungseigentümers kann diesem Mißstand abhelfen. Das WEG intendiert nicht, durch die Verwalterbestellung einen Vertragsbruch des Bauträgers sanktionslos zu stellen.

293Dazu BGHZ 106, 222. 294BGHZ 111, 148 = JZ 1991, 249 mit ablehnender Anm. Ehmann. 295Hierzu BGHZ 110, 258. 296Polemisch, aber im Kem durchweg überzeugend Ehmann, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 145 ff. (197); DERS. JZ 1991, 222 (229 ff.).

Die Rechtsprechung hat bisher keine Einsicht in diese Zusammenhänge bewiesen. Sie verneint die Einzelklagebefugnis aus eigenem Recht297, d.h. ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer, mit einer Begründung, die bei den Gesellschafterrechten im Verbandsrecht ebenfalls eine zunehmend wich­ tigere Rolle spielt298. Die Furcht vor dem Mißbrauch des Einzelklagerechts durch gewerbsmäßige Opponenten oder notorische Querulanten lenkt ganz von der eigentlichen Sachfrage ab und führt nicht einmal mehr zu der Prü­ fung, ob der eingeklagte Anspruch überhaupt besteht. Übersehen wird dabei, daß das WEG durchaus eine gesetzliche Grundlage für die Einzelklagebefug­ nis bietet. Nach § 21 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer berechtigt, ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur Abwehr eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig sind299. Gemäß § 21 Abs. 4 WEG kann je­ der Wohnungseigentümer eine ordnungsgemäße Verwaltung verlangen. Da­ bei handelt es sich um einen individuellen Rechtsanspruch gegen die übrigen Eigentümer wie gegen den Verwalter im Rahmen seiner Aufgaben und Be­ fugnisse300. Die nach § 21 Abs. 2 WEG ergreifbaren Maßnahmen können auch in der Prozeßführung liegen301. Das Notverwaltungsrecht muß sich auf das gemeinschaftliche Eigentum beziehen, um einen ihm unmittelbar dro­ henden Schaden abzuwenden. Das gemeinschaftliche Eigentum ist in § 1 Abs. 5 WEG definiert. Das Gesetz stellt, ganz unter dem Eindruck seiner vom Sachenrecht geprägten Betrachtungsweise, nur auf Grundstück und Ge­ bäude ab. Darin erschöpft sich das Gemeinschaftsvermögen indessen nicht. Neben der eigentlichen Wohnanlage sind finanzielle Rücklagen und Dotie­ rungen an den Reservefonds sowie das ganze übrige Gemeinschaftsvermögen gemeinschaftliches Eigentum302. Nicht nur Grundstück und Gebäude ein­ schließlich seiner Bestandteile und Zubehör sind gemeinschaftliches Eigen­ tum. Die gemeinschaftlichen Gelder unterfallen ebenfalls § 1 Abs. 5 WEG mit der Folge des Ausschlusses der Auseinandersetzung nach § 11 WEG, weil die gemeinschaftlichen Gelder die wirtschaftliche Grundlage der Ge­ 297BGHZ 106, 222; 110, 258; 111, 148; 121, 22; KG NJW-RR 1991, 273 (Einzelantragsrecht nur nach Genehmigung durch die Gemeinschaft); zustimmend Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, Komm.z.WEG, 7. Aufl. 1997, § 21 RdNr. 24 ff.; anders offenbar OLG Celle OLGZ 1991, 309. 298Vgl. die umfangreiche Dokumentation zum Komplex der mißbräuchlichen Anfech­ tungsklagen bei Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990. 299§ 21 Abs. 2 WEG wird in BGHZ 106, 222 (225) zwar angesprochen, jedoch nicht weiter geprüft. 300BÄRMANN/PICK, Komm.z.WEG, 13. Aufl. 1994, § 21 RdNr. 33. 301BÄRMANN/PICK (wie FN 300), § 21 RdNr. 12 ff. 302Zutreffend Bärmann/Pick (wie FN 300), § 1 RdNr. 10 sowie § 16 RdNr. 4 m.w.N.

meinschaft bilden. Auch ein Schaden, der dem finanziellen Fundament der Gemeinschaft droht, darf abgewendet werden. Wenn Außenstände der Ge­ meinschaftskasse wie Wohngeldzahlungen, Ersatzansprüche gegen den Ver­ walter oder gegen Dritte sowie Minderungsansprüche gegen Bauhandwerker nicht eingezogen werden, so trifft dies alle Eigentümer, weil Fehlbeträge im Wirtschaftsplan im Wege der Umlagefinanzierung auszugleichen sind. Die jüngere Rechtsprechung läßt die Einzelklage eines Eigentümers nur zu, wenn die Eigentümerversammlung einen Ermächtigungsbeschluß faßt. Die Rechtslage ist also ähnlich wie unter der Geltung von § 46 Nr. 8 GmbHG. Das Zustimmungserfordernis findet weder im Gemeinschaftsrecht des BGB (§§ 1011, 432, 2039) noch im WEG eine Stütze und ist nicht er­ forderlich, um rechtsmißbräuchliche Klagen abzu wehren. Eine Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer wäre nur erforderlich, wenn der An­ tragsteller zum Sondervertreter der Gemeinschaft entsprechend § 147 Abs. 3 Satz 1 AktG würde, den Anspruch der Gemeinschaft also an Verwalters Statt verfolgt. Darum geht es aber bei der Einzelklage, die Prozeßstandschaft für die Gemeinschaft ist, nicht. Dem von der Rechtsprechung geforderten Er­ mächtigungsbeschluß ist mit denselben Bedenken zu begegnen, wie sie gegen § 46 Nr. 8 GmbHG bestehen. Hierdurch eröffnen sich dem Verwalter Mög­ lichkeiten, seine Verantwortlichkeit abzustreifen. Die Folge ist eine Erosion des Sorgfaltsmaßstabes. Das WEG enthält keine Anhaltspunkte, wonach die Einzelantragsbefugnis einen Beschluß der Eigentümer voraussetzt303. Dafür läßt sich insbesondere nicht § 28 WEG anfuhren, da die Aufstellung von Wirtschaftsplan und Rechnungslegung der Gemeinschaft spezielle Verwal­ tertätigkeiten sind, die keine Generalisierungen zulassen und nicht von einem Beschluß der Eigentümer sprechen. Ebensowenig folgt die angenommene Zustimmungspflicht aus § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG304. § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG bindet die Vertretungsbefugnis des Verwalters zur gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung von Gemein­ schaftsansprüchen an einen Beschluß der Wohnungseigentümer. Die Vor­ schrift ordnet das Verhältnis der Eigentümer zum Verwalter und dessen Vertretungsmacht. § 27 Abs. 2 enthält die vorbehaltenen Kompetenzen der Wohnungseigentümerversammlung. In dieselbe Richtung deutet schließlich § 43 WEG. § 43 Abs. 1 läßt erkennen, daß die Antragsbefugnis in Woh­ nungseigentumssachen einem beliebigen Wohnungseigentümer oder dem Verwalter zusteht, nie aber einem von allen Mitgliedern der Gemeinschaft 303So aber BGHZ 106, 222 (227); dezidiert a.A. Weitnauer, Komm.z.WEG, 8. Aufl. 1995, RdNr. 64 ff. vor § 1; ferner OLG Zweibrücken ZMR 1984, 166; BayObLG Rpfleger 1984, 62. 304Dafür namentlich BGHZ 106, 222 (227).

autorisierten Wohnungseigentümer. Auch die Antragsbefugnis des Verwal­ ters ist - abgesehen von dem in § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG enthaltenen Son­ derfall - nicht von einem Ermächtigungsbeschluß abhängig. Die Mitwir­ kungsrechte der Wohnungseigentümer in allen Gemeinschaftsangelegenheiten und ihr Anspruch auf rechtliches Gehör bleiben gewahrt, indem § 43 Abs. 4 WEG ihnen die Stellung von Verfahrensbeteiligten einräumt. Schließlich läßt sich das Beschlußerfordemis nicht aus § 11 WEG gewin­ nen. Im Gegenteil gilt: gerade weil die Wohnungseigentümergemeinschaft im Gegensatz zu den Gesellschaften als unauflöslicher Verband konzipiert ist, muß jedes Mitglied der Gemeinschaft das Recht haben, eine gesetzes-, beschluß- und gemeinschaftsordnungskonforme Verwaltung zu erzwingen und eine rechtswidrig handelnde Mehrheit bzw. die Verwaltung in ihre Schranken zu weisen. Dies folgt nicht zuletzt aus der parallelen Entwicklung bei der GmbH, wo die rechtstatsächliche Bedeutungslosigkeit der Auf­ lösungsklage mitursächlich für die Anerkennung des Einzelklagerechts durch BGHZ 65, 15 war. Bei den Handelsgesellschaften belegt § 147 AktG exemplarisch, daß die Geltendmachung bestimmter Ansprüche eines Personenverbandes nicht zum Kreis derjenigen Angelegenheiten zählt, die der Geltung des Mehrheitsprin­ zips vorbehaltlos überlassen sind. Wenigstens eine qualifizierte Minderheit kann ihre Durchsetzung erzwingen und verhindern, daß durch Verzicht oder Vergleich auf den Bestand einer Forderung eingewirkt wird (§93 Abs. 4 Satz 3 AktG)305. Hat sich der Verwalter bei seiner Geschäftsführung strafbar gemacht, begründet dies selbst dann Schadensersatzansprüche, wenn ihm Entlastung erteilt ist306. Wenn die Rechtsordnung Schadensersatzansprüche vorsieht, darf deren Realisierung nicht durch eine kontraproduktive Verfah­ rensgestaltung behindert werden. Der Bundesgerichtshof verlangt in einer inzwischen gefestigten Rechtsprechung einen Beschluß sämtlicher Eigentümer. Kommt dieser nicht zustande, bleibt dem unterlegenen Eigentümer die Anfechtung des ablehnen­ den Beschlusses307. Damit wäre dem zur Klage entschlossenen Wohnungs­ eigentümer aber gar nicht gedient308. Die Anfechtung wirkt rein kassato­ 305BGHZ 106, 222 erwähnt § 147 AktG nicht.

306OLG Celle OLGZ 1991, 309. Der Entscheidung läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob es sich um eine Einzelklage handelt. Dem beklagten Verwalter war von den Wohnungseigentümem Entlastung erteilt. Das Gericht geht mit Recht von der bestehenden Prozeßfüh­ rungsbefugnis aus (ohne einen Ermächtigungsbeschluß zu verlangen), weil die Mehrheit strafbares Verhalten nicht sanktionieren kann. Ebenfalls zutreffend prüft das Gericht nicht, ob der Entlastungsbeschluß zuvor nach § 23 Abs. 4 WEG angefochten worden ist. 307So BGHZ 106, 222 (229); dagegen mit Recht Ehmann JZ 1991, 251. 308Das Anfechtungsrecht nach § 23 Abs. 4 WEG unterliegt zudem einer bedenklichen Aushöhlung in der Praxis. BGHZ 113, 197 (199) bestätigt inzidenter in der Teilungserklä-

risch, d.h. die Beseitigung des ablehnenden Beschlusses kann den Ermächti­ gungsbeschluß nicht positiv herbeifuhren, so daß sich die Frage stellt, ob für eine isolierte Anfechtungsklage überhaupt ein Rechtsschutzinteresse besteht. Aus dem Verbandsrecht ist bekannt, daß die Beschlußfassung nicht stets im freien Belieben der Mitglieder steht. In bestimmten Fällen mögen die Mit­ glieder gehalten sein, ihre Zustimmung aus Gründen der Treu- und Förder­ pflicht zu erteilen. Generell ist die Beschlußfassung also am Gemeinschafts­ interesse auszurichten. Das Mitglied mag einer positiven Stimmpflicht unter­ liegen309. Versagt es seine Mitwirkung in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise, so kann die fehlende Stimmabgabe durch gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Die von der Rechtsprechung geäußerte Furcht, daß wegen querulatorischer Klagen niemand mehr das Verwalteramt über­ nimmt310, erweist sich, wenn man einen Seitenblick ins Gesellschaftsrecht riskiert, als haltlos. Gegen querulatorisch veranlagte Eigentümer hat sich das WEG ausreichend gewappnet. Wer den Gemeinschaftsfrieden nachhaltig stört, darf durch Entziehung seines Wohnungseigentums aus der Gemein­ schaft ausgeschlossen werden, § 18 WEG. Schließlich bietet § 47 WEG eine flexible Handhabe, rechtsmißbräuchlichen Anträgen im Wege der gericht­ lichen Kostenentscheidung zu begegnen. Insgesamt sind demnach keine Gründe ersichtlich, die durchgreifend ge­ gen ein Einzelklagerecht des Wohnungseigentümers sprechen. Das Einzel­ antragsrecht, das bei der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu verfolgen ist, verwirklicht das Recht jedes Eigentümers, eine Verwaltung nach Gesetz, Vereinbarung und Beschlüssen der Versammlung zu verlangen (§ 21 Abs. 4 WEG). Die von der Rechtsprechung geforderte Ermächtigung betrifft nur die Ebene der Vertretung der Gemeinschaft durch ein Mitglied, nicht jedoch die Prozeßstandschaft. Im übrigen hat dieser Mehrheitsbeschluß allenfalls Be­ deutung für diejenigen Ansprüche, auf die die Versammlungsmehrheit wirk­ rung getroffene Klauseln, nach denen die Jahresabrechnung durch den Verwalter als aner­ kannt gilt, wenn ihr nicht binnen Frist widersprochen wird. Darin liegt eine bedenkliche Umkehr der durch das WEG in §§28 Abs. 5, 23 Abs. 3 definierten Initiativlasten und pflichten. Es muß fraglich erscheinen, ob solche Klauseln vor § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG Be­ stand haben, weil sie die Rechte der Wohnungseigentümer aushebeln. Kein Wohnungs­ eigentümer weiß bei Fristablauf, welcher “Beschluß” überhaupt zustande gekommen ist und ob er von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch machen soll. 309Für das Verbandsrecht vgl. BGHZ 98, 276 (279) und neuerdings BGHZ 129, 136 (145 ff.) - "Girmes“ je mit Nachweisen. 310BGHZ 106, 222 (228). Vehement gegen die Abqualifizierung der Kläger als Queru­ lanten Ehmann, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 145 (202 ff.); DERS. JZ 1991, 222 ff. sowie 251 ff. Zurück geht diese Rechtsprechung wohl auf OLG Celle MDR 1970, 678 (679 rechte Spalte), wo das Einzelklagerecht zurückgewiesen wird, weil der An­ tragsteller “getragen sei von Kritiksucht, Besserwisserei und Querulantentum“.

sam verzichten oder über die sie sich vergleichen kann. Als Ergebnis ist fest­ zustellen, daß bei der Wohnungseigentümergemeinschaft wie im übrigen Verbandsrecht die Mitgliedermehrheit nicht stets das letzte Wort behält, wenn die Verfolgung von Rechten der Gemeinschaft in Rede steht. Ein fak­ tischer Verzicht auf Ansprüche der Gemeinschaft durch Nichterteilung der Prozeßführungsermächtigung an ein Mitglied der Gemeinschaft ist nicht an­ zuerkennen.

III. Die Fallgruppen der Einzelklage Die Einzelantragsbefugnis ist im Recht der Wohnungseigentümergemein­ schaft wie sonst im Verbandsrecht wenigstens mit fünf Inhalten denkbar: (1) Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Verwalter, (2) Verfolgung eines Anspruchs gegen andere Eigentümer aus dem Gemeinschafts Verhältnis, (3) Unterlassung von gemeinschaftsordnungswidrigen Maßnahmen, (4) Er­ zwingung bestimmter Verwaltungsmaßnahmen sowie (5) Realisierung von Ansprüchen gegen Dritte. Je nach dem Anspruchsinhalt variiert der Gang des Verfahrens in jeder dieser fünf Fallgruppen. 1. Der Verwalter macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er seine Amtspflichten verletzt, z.B. Forderungen nicht einzieht oder Mängelbeseiti­ gungsansprüche verjähren läßt. Er hat grundsätzlich jede Fahrlässigkeit zu vertreten und für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen; er ist ein notwendiges Organ der Gemeinschaft311. Gerade bei den Ansprüchen gegen den Verwal­ ter bewirkt das von der Rechtsprechung in freier Rechtsschöpfung aufge­ stellte Beschlußerfordemis ein Dilemma, das gegenüber der Furcht vor querulatorischen und mißbräuchlichen Klagen völlig außer Blick geraten ist312. Viele Wohnungseigentümergemeinschaften entstehen dadurch, daß ein Bauträger das Grundstück erwirbt, das Gebäude erstellt oder renoviert und anschließend in Eigentumswohnungen aufteilt. Der Bauträger reserviert sich die Verwalterposition mindestens solange, bis alle Mängelbeseitigungsan­ sprüche verjährt sind und behält ein Auge auf die Mehrheitsverhältnisse in der Eigentümerversammlung. Vielfach macht man davon Gebrauch, daß in Abweichung von § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG Richtmaß des Stimmengewichts die Flächengröße der Wohnung statt der Anzahl der Wohnungseigentümer ist. Ist eine dauerhafte Mehrheit zugunsten des amtierenden Verwalters auf diese Art gesichert, wird kein zur Prozeßführung ermächtigender Beschluß 311 Weitnauer/HAUGER, Komm.z.WEG, 8. Aufl. 1995, § 27 RdNr. 1. 312Sehr eindringlich hierzu Ehmann (wie FN 310), S. 197; ders. JZ 1991, 222 (229); Weitnauer, Komm.z.WEG, 8. Aufl. 1995, RdNr. 84 ff. vor § 1.

zustande kommen. Der Ausschluß vom Stimmrecht nach § 25 Abs. 5 WEG wegen Interessenkollision verspricht ebenfalls keine wirksame Abhilfe, so­ lange der Verwalter darauf achtet, daß die von ihm kontrollierten Stimmen nicht auf eigenem Wohnungsbesitz in der Anlage beruhen313. Könnte ein Verwalter seine Verantwortlichkeit auf diese Weise beseitigen, wären tra­ gende Prinzipien des Wohnungseigentumsrechts außer Kraft gesetzt. Jedes Mitglied hat einen zwingenden Rechtsanspruch auf ordnungsgemäße Ver­ waltung der Gemeinschaft, und dieser Anspruch hängt nicht vom Gutdünken der Mehrheit ab. 2. Die Einzelklage mag sich ferner gegen einen Mitwohnungseigentümer richten, der Schuldner der Gemeinschaft ist. Denkbar ist, daß ein Woh­ nungseigentümer das gemeinschaftliche Eigentum beschädigt hat und dafür Ersatz schuldet oder mit seiner Beitragspflicht zur gemeinschaftlichen La­ sten- und Kostentragung gemäß § 16 Abs. 2 WEG in Rückstand gerät. Die Einziehung solcher Forderungen fällt grundsätzlich in den Zuständigkeitsbe­ reich des Verwalters. Will ein nicht mit dem Verwalteramt betrauter Woh­ nungseigentümer einen Schadensersatzanspruch gegen einen anderen Woh­ nungseigentümer aus dem Recht der Gemeinschaft erheben, verlangt die Rechtsprechung jetzt ebenso wie für die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen den Verwalter einen Ermächtigungsbeschluß314. Dasselbe gilt für Wohngeldansprüche sowie die Beiträge zu den Lasten und Kosten des ge­ meinschaftlichen Eigentums315. Ergibt sich die Zahlungspflicht aus dem ver­ abschiedeten Wirtschaftsplan, so ist das Ermessen des Verwalters zur tatsächlichen Einziehung der Forderung begrenzt genau wie das Ermessen eines GmbH-Geschäftsführers, wenn die Gesellschafterversammlung die Einlagerestschuld einfordert. Hier wie dort ist der Gleichheitssatz zu wahren und sind alle Eigentümer zur Zahlung heranzuziehen. Es mag zwar im Ein­ zelfall vorkommen, daß beachtliche Gründe existieren, von der Rechtsver­ folgung abzusehen, weil dies einer billigen Rücksichtnahme auf den Schuld­ ner entspricht. Diese einzelfallbezogenen Überlegungen müssen jedoch dazu 313Das Stimmverbot in § 25 Abs. 5 WEG ist relativ leicht zu umgehen. Häufig macht die Bauträgergesellschaft, die anschließend die Verwaltung der Wohnanlage übernimmt, die Auftragsvergabe davon abhängig, daß der Bauhandwerker eine Wohnung kauft und sich bei der Stimmrechtsausübung in der Wohnungseigentümerversammlung wohlgefällig erweist, dazu Ehmann JZ 1991, 222 (229). Oder der Bauträger bedient sich der Gestaltungsmittel des Konzemrechts und läßt eine Tochtergesellschaft oder ein durch wechselseitige Beteili­ gung verbundenes Unternehmen die Wohnung erwerben. Diesen frühkapitalistischen Aus­ wüchsen ist nur beizukommen, indem man § 25 Abs. 5 WEG auf solche Abhängigkeitsver­ hältnisse erstreckt. 314LG Köln WuM 1990, 369 = NJW-RR 1990, 854. 315BGHZ 111, 148 = JZ 1991, 249 mit ablehnender Anm. Ehmann.

führen, von der Einzelklagebefugnis als Regel auszugehen, die Ausnahmen erfahren kann316. Der Wohngeldanspruch als Gegenstand der Einzelklage arbeitet die Parallele zur actio pro socio wegen Beitreibung der Einlage­ schuld in der Gesellschaft besonders deutlich heraus. Im Wohnungseigen­ tumsrecht gibt es keine Einlagen und kein gebundenes Vermögen, die der Befriedigung von Gläubigem dienen, da die Gemeinschaft keine am Markt werbende Handelsgesellschaft ist. Dennoch folgt die Statthaftigkeit der Ein­ zelklage aus § 16 Abs. 2 WEG, der jeden Wohnungseigentümer gegenüber den anderen zur anteiligen Lasten- und Kostentragung verpflichtet. Diese La­ sten und Kosten sind von der Gemeinschaft gemeinsam zu bestreiten, und das bedeutet, daß auf die übrigen Mitglieder im Wege der Umlage anteilig höhere Belastungen zukommen können, wenn ein Mitglied seinen Anteil nicht trägt. Dies widerspricht einem elementaren Rechtssatz des Verbands­ rechts, nämlich daß kein Mitglied über die vereinbarten Beiträge hinaus zu Nachschüssen gezwungen ist, § 707 BGB. Festzuhalten ist, daß die Mehrheit entgegen BGHZ 111, 148 nicht auf Kosten der Gemeinschaft freigiebig sein darf, indem sie einen nach dem verabschiedeten Wirtschaftsplan bestehenden Anspruch nicht einzieht, da auch die Mehrheit den sich aus § 21 Abs. 4 WEG ergebenden Bindungen untersteht. 3. Mit der Einzelklage darf jeder Wohnungseigentümer Ansprüche der Gemeinschaft auf Unterlassung durchsetzen. Der Unterlassungsanspruch ent­ steht, wenn der Verwalter in den Zuständigkeitsbereich der Eigentümerver­ sammlung übergreift, etwa Maßnahmen trifft, die einen Eigentümerbeschluß voraussetzen. Namentlich sind dies Eingriffe in die bauliche Substanz der Wohnanlage. Auch die Mehrheit kann einen Unterlassungsanspruch auslö­ sen, wenn sie einen Beschluß mit Mehrheit herbeiführt und ausführen läßt, für den Einstimmigkeit notwendig ist. Dies trifft auf alle Änderungen der Gemeinschaftsordnung zu317. Jeder Wohnungseigentümer hat nach BGHZ 316BGHZ 111, 148 (152) will dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis genau umgekehrt defi­ nieren. 317BÄRMANN, Wohnungseigentum, 1991, RdNr. 300; Weitnauer/W. Lüke, Komm.z.WEG, 8. Aufl. 1995, § 10 RdNr. 49 ff. Unbillige Härten der Einstimmigkeit wer­ den dadurch ausgeglichen, daß die Zustimmung zu Änderungen nach Treu und Glauben zu erteilen ist, Einzelheiten bei Bärmann/Pick, Komm.z.WEG, 13. Aufl. 1994, § 10 RdNr. 5 ff. (18); OLG Köln OLGZ 1982, 413 (417). Umstritten ist, ob im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG der Übergang zur qualifizierten Mehrheit für eine Änderung der Gemein­ schaftsordnung zulässig ist. Die der Wohnungseigentümergemeinschaft zugrundeliegenden Abmachungen tragen Satzungscharakter. Im Gegensatz zu den §§179 AktG, 53 GmbHG ist aber zu bedenken, daß die bei der Wohnungseigentümergemeinschaft anders geartete Interes­ senlage stark für eine Einstimmigkeit mit einer Korrekturmöglichkeit über § 242 BGB spricht. Die Vereinbarungen der Wohnungseigentümer sind eher individualschutzbezogen. Die Abänderbarkeit nach den §§ 179 AktG, 53 GmbHG beruht darauf, daß die Handels­ gesellschaften permanent an Märkten operieren und sich daher an ein verändertes Umfeld

116, 392 den Unterlassungsanspruch ohne Billigung der übrigen. Auffällig ist die — unausgesprochene - Parallele zu BGHZ 83, 122. Wollte man hier eine Zustimmungspflicht fordern, so könnte die Mehrheit die Gemein­ schaftsordnung faktisch durchbrechen und alle Sanktionen verstellen, indem sie die Zustimmung zur Einzelklage verweigert. 4. Die Einzelantragsbefugnis darf ferner dazu verwandt werden, eine konkrete Verwaltungsmaßnahme zu erzwingen. Wie bei den Gesellschaften ist diese Befugnis notwendige Ergänzung der Beschlußanfechtung nach § 23 Abs. 4 WEG. Wie das Anfechtungsrecht steht die Einzelklagebefugnis jedem Eigentümer zu, ohne daß es eines Ermächtigungsbeschlusses der Eigen­ tümerversammlung bedarf. Ist ein Beschluß der Wohnungseigentümer wirk­ sam angefochten, eine Vollzugsmaßnahme jedoch schon ausgeführt, dann ist diese Maßnahme entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO rückgängig zu machen, weil ohne Beseitigung der Maßnahme der Beschluß nicht wirklich beseitigt wäre. Auch Maßnahmen, die der Verwalter zur Ausführung wirk­ sam gefaßter Beschlüsse nicht ergreift, lassen sich im Wege der Einzelklage erzwingen. Das gleiche gilt für alle Geschäftsführungshandlungen, die einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen, wie die Aufstellung des Wirt­ schaftsplanes, die Rechnungslegung oder die übrigen in § 21 Abs. 5 WEG aufgezählten Katalogmaßnahmen.

5. Schließlich besteht eine subsidiäre Einzelklagezuständigkeit jedes Wohnungseigentümers für Ansprüche gegen Dritte. Sie sind allerdings im streitigen Zivilverfahren und nicht im Verfahren der freiwilligen Gerichts­ barkeit nach § 43 WEG zu verfolgen. In diese Rubrik fallen vornehmlich die Ansprüche und Rechte der Gemeinschaft wegen mangelhafter Erstellung des Bauwerks318. Zum Teil überschneiden sich diese Ansprüche mit den gegen den Verwalter in seiner früheren Eigenschaft als Bauträger gerichteten An­ sprüchen. Die am Gemeinschaftseigentum begründeten Gewährleistungs­ ansprüche stehen der Gemeinschaft zu und sind vom Verwalter einzuziehen. Hieraus resultiert der beschriebene Grundkonflikt, der nur durch die Zubilli­ gung der Einzelklage vermieden wird. Der Verwalter als ehemaliger Bauträ­ ger und Gegner dieser Ansprüche kann auf Zeit spielen und die Verjährung eintreten lassen. Noch subtiler ist die Taktik einer Spaltung der Eigentümer­ gemeinschaft, indem nur an Teilen der Wohnanlage renoviert wird, an ande­ ren dagegen nicht, so daß eine genügende Zahl von Eigentümern dem Verschnell anpassen können müssen. Diese Flexibilität braucht eine Wohnungseigentümer­ gemeinschaft in der Regel nicht. 318BGHZ 110, 258 = JZ 1991, 246 mit Anm. WEITNAUER.

waltet gewogen bleibt und nicht für die Geltendmachung von Ersatzansprü­ chen gegen ihn votiert. Um dies auszuschließen, ist wohnungseigentums­ rechtlich auf einen Zustimmungsbeschluß der Wohnungseigentümerver­ sammlung zu verzichten. Die Ansprüche wegen Baumängel bestimmen sich nach Werkvertragsrecht, und dieses stellt dem Besteller in den §§ 633 ff. BGB mehrere Rechte zur Wahl. Das Wahlrecht zwischen den Gewährlei­ stungsalternativen am Gemeinschaftseigentum kann nicht ein Wohnungsei­ gentümer an sich ziehen. Für dieses Wahlrecht ist ein Beschluß der Eigen­ tümerversammlung notwendig. Keinesfalls darf dieser Beschluß zur Aus­ übung des Wahlrechts aber verwechselt werden mit dem von der Rechtspre­ chung verlangten Ermächtigungsbeschluß für die Einzelklagebefugnis. Auch ohne Beschluß unterbricht die Klage eines Eigentümers die Verjährung der Gewährleistungsansprüche319. Die Klage kann demnach wirksam ohne den Beschluß erhoben werden, allerdings ist er nachzuholen und der angekün­ digte Klageantrag später eventuell umzustellen. Ob der Beschluß bezüglich des Wahlrechts überhaupt erforderlich ist, hängt im Einzelfall von der in Betracht kommenden Gewährleistung sowie von der Gemeinschaftsbezogen­ heit der Ansprüche ab320. Die Gemeinschaftsbezogenheit bemißt sich nach der in § 1 WEG getroffenen Schichtung des Wohnungseigentums in Gemein­ schafts- und Sondereigentum. Die denkbaren Gewährleistungsrechte bestehen in Wandlung, Minderung, Nachbesserung sowie Schadensersatz. Ist die Ge­ meinschaftsbezogenheit zu bejahen, so steht die Wahl zwischen den Ge­ währleistungsformen den Organen der Gemeinschaft zu. Dies geht Hand in Hand mit den Interessen des Verpflichteten aus solchen Ansprüchen: Dieser will verbindlich wissen, welche Gewährleistung er schuldet. Das Treffen der Wahl fällt mit der Ermessensentscheidung der Wohnungseigentümerver­ sammlung zusammen. Der Fall mag aber so liegen, daß aus technischen Gründen die Beseitigung des Mangels ausgeschlossen ist und nur noch Scha­ densersatz in Betracht kommt. Dann entfallt das Entscheidungsrecht der Ei­ gentümerversammlung, wenn kein Streit über die Verwendung der Ersatz­ summe herrscht321. Für andere als Mängelbeseitigungsansprüche gilt das Gesagte sinngemäß. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung oder positiver Vertragsverletzung darf von jedem Eigentümer auf Leistung an die Gemein­ schaft verfolgt werden, wenn der Verwalter dies nicht besorgen will und seine Entscheidung ermessensfehlerhaft ist. 319Dies geschieht auch schon durch ein von einem Wohnungseigentümer selbständig durchgeführtes Beweissicherungsverfahren, vgl. BGH JZ 1992, 316 mit Anm. Ehmann/Breitfeld . 320BGHZ 110, 258 (260 ff.) = JZ 1991, 246 mit Anm. WEITNAUER, der für die Auf­ gabe dieses Abgrenzungskriteriums eintritt. 321S0 im Falle von BGHZ 110, 258.

Zusammenfassend ergibt dies für die Wohnungseigentümergemeinschaft, daß die allgemeinen verbandsrechtlichen Begründungsstützen die Einzelkla­ gebefugnis hier ebenfalls tragen und daß auf einen Ermächtigungsbeschluß der Eigentümerversammlung durchgängig zu verzichten ist. Neben dem Schutz des einzelnen Wohnungseigentümers ist das Einzelantragsrecht na­ mentlich geeignet, die gesetzes- und gemeinschaftsordnungskonforme Ver­ waltung nach § 21 Abs. 4 WEG durchzusetzen. Die Einzelantragsbefugnis fügt sich nahtlos in das System des Wohnungseigentumsrechts ein, ist mit dem Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung aus § 21 WEG vereinbar und besitzt sogar eine verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 14 Abs. 1 GG322.

J. Der Allgemeine Teil der Einzelklage Die Betrachtung der Einzelverbandsformen legt Grund für die Gewinnung allgemeinerer Strukturen und Aussagen zur Einzelklagebefugnis in den Ver­ bänden, die jenseits der Rechtsformgrenzen Gültigkeit behalten. Wie die Be­ schlußanfechtungsklage nach den §§241 ff. AktG, die sich nicht als aktien­ rechtsspezifisch erwiesen hat, ist die Einzelklage ein verallgemeinerbarer Be­ standteil der Verbandsinnenstreitigkeiten. Dies gestattet die Anlehnung der Verfahrensordnung der Einzelklage an die §§ 241 ff. AktG in zentralen Punkten wie Klagebefugnis, Klagefrist, Rechtskraftwirkung, Gerichtszustän­ digkeit und Streitwertbestimmung. Einzelklage ist die als quasi-gesetzliche Prozeßstandschaft zu definierende und in richterlicher Rechtsfortbildung ge­ wachsene Befugnis jedes Gesellschafters, ein Recht des Verbandes im eige­ nen Namen geltend zu machen323. Das Mitglied verfolgt dabei kein eigenes Recht und muß nicht dartun, in eigenen Rechten betroffen zu sein.

L Klagebefugnis Erste Voraussetzung der Zulässigkeit der Einzelklage ist die Klagebefug­ nis des Klägers. § 245 AktG enthält einen Hinweis auf die Zusammenset­ zung des Kreises der klagebefugten Personen und Organe. Zunächst sind die Aktionäre klagebefugt, ferner der Gesamtvorstand und unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat. Es fällt auf, daß bei der Einzelklage nur die Klagebefugnis der Gesellschafter disku­ tiert wird, während die Verwaltungsmitglieder hier keine Rolle spielen. Ver­ 322Hierfür mit Nachdruck Ehmann JZ 1991, 222. 323Ulmer, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1988, § 105 RdNr. 262 ff.

sagt die Kontrolle aus dem Kreis der Mitglieder, etwa weil die Gesellschaft zur Ein-Mann-Gesellschaft geworden ist, gewinnt die Klagebefugnis der Verwaltung große Bedeutung. 1.

Mitglieder

Jedes Mitglied ist zur Erhebung der Einzelklage befugt. Die Qualität der Mitgliedschaft als Stamm- oder Vorzugsaktien ist ohne Belang. Das Mitglied muß anders als nach § 245 Nr. 1 AktG keinen streng form- oder fristgebun­ denen Widerspruch gegen einen bestimmten Akt erheben, um sich sein Kla­ gerecht zu erhalten. Denn die Akte, die Gegenstand der Einzelklage sind, werden nicht auf einer allen Mitgliedern zugänglichen Versammlung be­ schlossen. Der klagewillige Aktionär muß nicht in eigenen subjektiven Rechten verletzt sein. Ein Mindestanteilsbesitzerfordemis besteht bei den Kapitalkörperschaften nicht. Es ist allerdings zur Bekämpfung rechtsmiß­ bräuchlicher Klagen immer wieder gefordert worden. Das Klageerzwin­ gungsverfahren nach § 147 AktG sieht ein qualifiziertes Minderheitsverlan­ gen von 10% des Grundkapitals vor. Dies ist bekanntlich einer der Gründe, warum diesem Rechtsbehelf seine Schlagkraft fehlt. Folge des Mindestanteilsbesitzerfordemisses wäre, daß sich dem potentiellen Klagegegner Mani­ pulationsmöglichkeiten eröffnen. Die Verwaltungsmitglieder, denen die Er­ hebung von Ersatzansprüchen droht, würden Rückendeckung bei den Inha­ bern solcher Pakete suchen und könnten sich auf Kosten der Gesellschaft ar­ rangieren. Es würde berechenbar, wer zur Ergreifung des Rechtsbehelfs in der Lage ist. Angesichts des Depotstimmrechts würde es einer kleinen Ak­ tionärsgruppe sehr schwer fallen, sich zu organisieren324. Ein innerer Zu­ sammenhang zwischen Klagebefugnis und Beteiligungshöhe des Klägers ist nicht erkennbar. Die Klagebefugnis fußt auf der Erwägung, daß die Klage im Dienst der gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung steht. Dagegen existiert kein Erfahrungssatz, daß Klagen von Kleinaktionären mißbräuch­ licher oder unbegründeter sind als andere. In zeitlicher Hinsicht verlangt § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG, daß die Antragsteller seit mindestens drei Mona­ ten vor dem Tag der Hauptversammlung Aktionäre sind. Dies ist für die Einzelklage nicht zu fordern und findet im Recht der Beschlußanfechtung keine Parallele. § 309 Abs. 4 AktG verzichtet ebenfalls auf dieses Erforder­ nis.

324 Überzeugend GROSFELD, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Klein­

aktionär, 1968, S. 293 f.

2. Verwaltungsmitglieder § 245 Nr. 4 und 5 AktG erstrecken die Anfechtungsbefugnis auf den Vor­ stand sowie auf jedes Mitglied von Vorstand und Aufsichtsrat, sofern diese in Ausführung des Beschlusses eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit bege­ hen oder sich schadensersatzpflichtig machen würden. Zu prüfen ist, ob dies nicht ebenso für die Einzelklage gelten muß. Die Ausdehnung der Klagebe­ fugnis beruht auf der Organstellung, die die Verwaltungsträger verpflichtet, gegen rechtswidrige Handlungen einzuschreiten. Die in § 245 Nr. 4 und 5 genannten Verwaltungsträger haben nicht nur ein Recht, sondern die Pflicht zur Anfechtung325. Die Pflicht, Schaden von der Gesellschaft durch die Er­ greifung von Rechtsbehelfen abzuwenden, geht der Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG vor. Obwohl § 245 Nr. 4 und 5 als Grundlage für die Erstreckung der Klagebefugnis dienen, ist für die Einzelklage eine Differenzierung angebracht. § 245 Nr. 4 verleiht dem Vorstand als Gesamt­ organ die Befugnis zur Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung. Diese Regelung ist auf die Einzelklage nicht übertragbar, weil deren Gegen­ stand typischerweise ein beanstandeter Akt des Vorstands ist. Wenn der Vor­ stand beispielsweise eine strittige Maßnahme beschlossen hat, steht nicht zu erwarten, daß er sie später durch Klage beseitigt. § 245 Nr. 4 und 5 AktG sind vielmehr an die andere Zielrichtung der Einzelklage anzugleichen. Ein­ zelklagebefugt ist der Aufsichtsrat bzw. ein äquivalentes Organ als Kolle­ gialorgan (entsprechend Nr. 4) sowie (entsprechend Nr. 5) jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats. Das klagende Verwaltungsmitglied hat dieselbe Stellung wie ein klagender Aktionär. Es ist also selbst Prozeßpartei. Diese Frage hängt auf das Engste zusammen mit der Kostentragung. Unter­ liegt das Verwaltungsmitglied, sind ihm die Kosten nach § 91 ZPO aufzuer­ legen, doch hat es intern einen Aufwendungsersatzanspruch entsprechend §§ 27 Abs. 3, 670 BGB. Die Rechtsprechung hat allerdings für einen besonders gelagerten Fall den Standpunkt eingenommen, daß eine Klage von Aufsichtsratsmitgliedem ge­ gen Geschäftsführungsakte des Vorstands in der Aktiengesellschaft unstatt­ haft ist326. Dies steht der Zubilligung der Einzelklagebefugnis an Mitglieder 325 Streitig, vgl. Mestmäcker BB 1961, 945 (948); BAUMBACH/HUECK, Komm.z. AktG, 13. Aufl. 1968, § 245 RdNr. 6 am Ende. 326BGHZ 106, 54 - "Adam Opel" mit Anm. RAISER AG 1989, 185. Die Entscheidung hatte einen sog. Organinnenstreit zum Gegenstand, der von der Einzelklage zu unterscheiden ist. Davon abgesehen hat das Gericht die Tür nicht endgültig zugeworfen; wie die Ausfüh­ rungen S. 65 ff. sowie der (amtliche) dritte Leitsatz zeigen. Danach ist einstweilen offen, ob das dissentierende Organmitglied nicht die Rechte seines Organs mit Hilfe der actio pro socio geltend machen darf. Solange das Gerichtsverfahren nicht als Forum zur Austragung von Konflikten zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat mißbraucht wird. Das Klagerecht ist in Fällen wie BGHZ 106, 54 besonders wichtig, wenn sich der Streit um Ge­

der Verwaltung indes nicht entgegen, weil die Einzelklage nicht dem Streit der Organe untereinander dient. § 245 AktG gibt dem Prinzip der checks and balances der Verbandsorgane Ausdruck. Danach kann grundsätzlich jedes Organ bzw. jedes Mitglied eine Rechtmäßigkeitsaufsicht über jedes Organ ausüben. Das hierdurch entstehende Aufsichtssystem muß in sich geschlossen sein. Der Umstand, daß der Boden der gesetzes- und statutengerechten Ver­ waltung verlassen wurde, darf nicht dadurch perpetuiert werden, daß man die Klagebefugnis restriktiv interpretiert. Das Verfahrensrecht darf sich nicht gegen das materielle Recht stellen.

II. Klagefrist Hauptversammlungsbeschlüsse können bei der Aktiengesellschaft und bei der eingetragenen Genossenschaft nur binnen eines Monats angefochten wer­ den, bei der GmbH ist die Klage innerhalb einer nach den Umständen ange­ messenen Frist zu erheben. Für die Einzelklage existiert keine gesetzliche Ausschlußfrist327. Andererseits wäre es der Rechtssicherheit abträglich, wenn dieser Rechtsbehelf zeitlich unbegrenzt zulässig wäre. Der Anspruch ist ohne unangemessene Verzögerung zu erheben. Vergehen bei einer Un­ terlassungsklage bis zur Klageerhebung mehr als zweieinhalb Jahre bei voller Kenntnis des Klägers, so kann er die Wiederherstellung des früheren Zu­ stands nicht mehr verlangen328. Liegt der Handlung oder Unterlassung ein Hauptversammlungsbeschluß zugrunde, so erhebt sich die Frage, ob die Ein­ zelklage innerhalb derjenigen Frist zu erheben ist, in der der Beschluß ange­ fochten werden muß. Sie berührt das sogleich zu behandelnde Verhältnis der Einzelklage zu den übrigen Rechtsbehelfen. Ist der Handlung bzw. Unterlas­ sung kein Beschluß vorangegangen, so ist es für die Gesellschafter schwie­ rig, Kenntnis über die Ausführung zu erlangen. Ein Beschluß wird dank der Förmlichkeiten, die die Hauptversammlung umgeben, für jedes Mitglied nach außen wahrnehmbar. Für die Bestimmung der Klagefrist bei der Ein­ zelklage ist deshalb auf die positive Kenntnis oder das Kennenmüssen des Klägers abzustellen. Von da an läuft eine angemessene Frist, wie sie die schäftsführungsfragen in einer 100%igen Tochtergesellschaft im qualifizierten faktischen Konzern dreht. Wo die Beschlußanfechtung nach §§ 241 ff. AktG entfällt, muß die Recht­ mäßigkeitskontrolle aus dem Kreis der Selbstverwaltung von anderen übernommen werden. 327Vgl. § 147 AktG einerseits, § 309 Abs. 4 AktG andererseits. Die Sechs-Monats-Frist in § 147 Abs. 2 AktG ist keine Ausschluß frist für den zu verfolgenden Anspruch wie bereits die "Soll"-Formulierung erkennen läßt. Die Frist appelliert lediglich an den Vertreter der Gesellschaft, zutreffend Barz, in: Großkomm.z.AktG, 3. Aufl. 1972, § 147 Anm. 10. 328BGHZ 83, 122 (136) = ausführlicher NJW 1982, 1706 rechte Spalte: Geltendma­ chung des Anspruchs ohne "unangemessene Verzögerung". Näher hierzu Brondics, Die Aktionärsklage, 1988, S. 119 f.

Rechtsprechung für die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen im GmbH-Recht fordert.

III. Das Verhältnis der Einzelklage zu anderen Rechtsbehelfen Grundsätzlich läßt sich die Befugnis zur Einzelklage neben allen anderen Gesellschafterrechten ausüben. Eingehenderer Prüfung bedarf das Konkur­ renzverhältnis der Einzelklage zur Beschlußanfechtung speziell mit Blick auf die strenge Fristgebundenheit der Anfechtungsklage. Die §§ 246 Abs. 1 AktG, 51 Abs. 1 Satz 2 GenG verlangen die Erhebung der Anfechtungsklage binnen eines Monats. Für die Frage, wie sich diese Frist auf die Einzelklage auswirkt, ist bei der Qualität des Beschlußmangels anzusetzen. Fällt der Beschlußmangel in die Kategorie der Nichtigkeit, ist der Kläger nicht an die Ausschlußfrist in § 246 Abs. 1 AktG gebunden. Zu beachten bleibt jedoch die Möglichkeit einer Heilung von Nichtigkeitsgründen infolge Eintragung des Beschlusses und Verstreichen der Dreijahresfrist (§ 242 AktG). Aber auch dies bewirkt keine echte Heilung der Nichtigkeit im Sinne einer Umgestaltung der materiellen Rechtslage329. Der Beschluß ist und bleibt nichtig, weil keine allseitige und beständige Konvaleszenz eintritt330. Deutlich wird das in § 242 Abs. 2 Satz 3 AktG, der dem Registergericht eine die Dreijahresfrist überdauernde Befugnis zur Amtslöschung des Beschlusses einräumt. Aus diesem Rahmen fällt lediglich § 20 Abs. 1 UmwG (früher § 352a AktG)331 heraus mit der überaus fragwürdigen Anordnung, daß bei Eintragung einer Verschmelzung ins Handelsregister die Mängel ihre Wirksamkeit hinfort unberührt lassen. § 20 Abs. 1 UmwG beruht auf der Umsetzung der EG-Verschmelzungsrichtlinie in innerstaatliches Recht. Beseitigung des fehlerhaften Aktes und Restitution des früheren Zustandes sollen mit der Eintragung der Verschmelzung ausgeschlossen sein. Im Interesse der Rechtssicherheit werden hehre Grundsätze des Gesellschaftsrechts preisgegeben, ohne daß konkret zu prüfen ist, ob sich tatsächlich bereits ein Vertrauensschutztatbestand gebildet hat. Es paßt nicht zueinander, wenn sich § 20 Abs. 1 UmwG einerseits 329Überaus streitig, vgl. HÜffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 242 RdNr. 4 mit Nachweisen. 330Schlegelberger/Quassowski, Komm.z.AktG, 3. Aufl. 1939, § 196 RdNr. 3; Mestmäcker BB 1961, 945 (947 f.). 331 Dazu Grunewald, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1991, § 352a, RdNr. 2 ff., 19; Paschke ZHR 155 (1991), 1 (14 f.); zum neuen Recht, das diese Wirkung auf alle Verschmelzungen ausgedehnt hat, Grunewald, in: Lutter (Hrsg.), Komm.z.UmwG, 1996, § 20 RdNr. 63 ff.

gegen eine Entschmelzung ausspricht, während § 24 Abs. 6 und 7 GWB eine Entflechtung ausdrücklich vorsieht332. Für den bloß anfechtbaren Beschluß bewendet es hingegen mit § 246 Abs. 1 AktG. Fraglich ist aber, ob das bedeutet, daß bei Unanfechtbarkeit des Beschlusses auch der Ausführungsakt unangreifbar wird und einer Wie­ derherstellung des Status quo entgegensteht. Die Entscheidung hängt vom Stellenwert der Monatsfrist ab. Das Verstreichen der Frist bewirkt, daß der Beschlußmangel geheilt ist. Selbst gegen die schuldlose Versäumung gibt es grundsätzlich keinen Rechtsbehelf. Anders als in § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG interessiert nicht, ob der Beschlußmangel auf dem Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift beruht, auf deren Einhaltung wirksam verzichtet werden kann. Die Einzelklage ist präjudiziert durch einen unanfechtbar gewordenen Beschluß, sofern der Ausführungsakt keine zusätzliche Beschwer enthält. Ein konvaleszierter Beschluß ist auszuführen, nur überschießende Rechtswidrig­ keiten können noch mit der Einzelklage beseitigt werden. Ist z.B. ein an­ fechtbarer Zustimmungsbeschluß zur Vermögensübertragung nach § 179a Abs. 1 (früher § 361) AktG nicht rechtzeitig angefochten, hindert dies eine Einzelklage auf Rückübertragung des Vermögens an die Gesellschaft. Das­ selbe trifft auf die Klage zur Realisierung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltung zu. Ist ein bloß anfechtbarer Verzichts- oder Vergleichsbeschluß nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG unangefochten geblieben, entzieht das der Einzelklage die Grundlage. Für den Gesellschafter empfiehlt es sich daher stets, einen Beschluß, der mit dem durch die Einzelklage zu verfolgenden Anspruch in Zusammenhang steht, rechtzeitig anzufechten und zwar zur Sicherheit innerhalb der Anfech­ tungsfrist, wenn nicht außer Zweifel steht, daß der Beschlußmangel zur Nichtigkeit führt. Dadurch erhält sich der Kläger die volle Palette seiner Rechtsbehelfe, die zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes die­ nen. Mit dem Anfechtungsantrag kann die Einzelklage, etwa auf Restitution oder Ersatzleistung, verbunden werden.

IV. Das verbandsinterne Vorverfahren Der in Einzelklage für die Gesellschaft auftretende Kläger ist nicht Inha­ ber des fraglichen Anspruchs. Die Klage greift in den genuinen Zuständig­ keitsbereich der Verwaltungsorgane ein. Zu entscheiden ist, ob von dem Klagerecht der Gesellschaft Gebrauch gemacht wird. In den von der Einzel­ klage erfaßten Grenzsituationen behält die Verwaltung nicht das letzte Wort, 332Eingehend hierzu Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Komm.z.GWB, 2. Aufl. 1992, § 24 RdNr. 261 ff.

aber auch der Gesellschafter darf das Entscheidungsrecht nicht ohne weiteres an sich ziehen. Die Entscheidung fällt in einem Vorverfahren, das grund­ sätzlich jeder Einzelklage vorauszugehen hat. Das Vorverfahren bedeutet keine Einschränkung der Einzelklagebefugnis, sondern ist eine aus der Natur der Sache folgende Notwendigkeit, die nicht erst eingreift, wenn die Satzung dies vorschreibt333. Das verbandsinteme Vorverfahren ist an keine Form oder Frist gebunden. Das zur Klage entschlossene Mitglied muß seine Anzeige und den Anspruch nicht mit hieb- und stichfesten Rechtsausführungen untermauern. Drei Funk­ tionen kennzeichnen das Vorverfahren. Die Gesellschaft und ihre Organe sollen über die Absicht zur Klage informiert werden. Daraus folgt eine Ko­ ordination der Handlungen, die seitens der Gesellschaft und seitens des Ge­ sellschafters zu unternehmen sind, denn die Gesellschaft soll nicht in einem Zuständigkeitschaos versinken. Schließlich hat das Vorverfahren Schutzwir­ kung zugunsten des Gesellschaftsschuldners, obwohl dieser als solcher nicht am Verfahren teilnimmt. Das Vorverfahren erschöpft sich nicht in einer An­ rufung der Mitgliederversammlung vor Klageerhebung334, sondern verlangt nach Beteiligung derjenigen Organe, die nach der Verbandsverfassung zur Sachentscheidung berufen sind. Dies bedeutet indes nicht, daß der Kläger die Zustimmung dieser Organe im Sinne einer Prozeßführungsermächtigung er­ halten muß. Das Vorverfahren gilt für alle denkbaren Inhalte der Einzelklage also nicht nur für Unterlassungsanträge oder die Erhebung von Ersatzansprü­ chen gegen die Verwaltung. Das durchgeführte Vorverfahren ist keine echte Sachurteilsvoraussetzung. Zur richtigen Erfassung der Sachlage im Verbandsrecht erscheint ein Seiten­ blick auf den Verwaltungsprozeß hilfreich. In den Prozeßordnungen des öffentlichen Rechts erfordert die Zulässigkeit einer Klage, die auf die Auf­ hebung oder auf die Verurteilung zum Erlaß eines Verwaltungsakts gerichtet ist, die erfolglose Durchführung eines verwaltungsinternen Vorverfahrens, in dem die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts der Nachprüfung unterliegen. Wegen der überragenden Bedeutung dieser Klagen für den Schutz der subjektiv-öffentlichen Rechte des Bürgers und die Kon­ trolle der Gesetzmäßigkeit der Staatsverwaltung wendet die Rechtsprechung § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht stricto sensu an und beharrt nicht auf der Durchführung des Vorverfahrens vor Klageerhebung. Vielmehr genügt, 333 Anders insofern Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1c (S. 462). 334So aber GROSFELD (wie FN 324), S. 300, der jedoch nur die Einzelklage mit dem Gegenstand der Haftungsdurchsetzung behandelt.

wenn dies bis zur letzten mündlichen Verhandlung nachgeholt ist335. Das Bundesverwaltungsgericht hat sogar den Verzicht auf ein förmliches Vorver­ fahren aus Gründen der Prozeßökonomie gebilligt und entschieden, daß es ausreichen kann, wenn sich die Verwaltungsbehörde rügelos auf die Klage einläßt und einen Klageabweisungsantrag in der Sache stellt. Klage- und Klageabweisungsantrag beinhalten dann Widerspruch und Widerspruchs­ bescheid336. Für das Verbandsrecht hat dies erst recht Gültigkeit. Das verbandsinteme Vorverfahren und seine fruchtlose Durchführung sind keine Zulässigkeits­ voraussetzungen für die Einzelklage. Die Rahmenbedingungen im Verbands­ recht sind teilweise verschieden. Die Anzeige der Klageabsicht an die Ge­ sellschaft, mit der der Kläger das Vorverfahren einleitet, unterbricht weder die Verjährung nach § 209 BGB noch wahrt sie die Ausschlußfrist in § 246 Abs. 1 AktG. Die Gesellschaft darf die Einzelklage nicht gegenstandslos ma­ chen, indem sie das Vorverfahren in die Länge zieht. Zur Fristwahrung kann die Einzelklage sogleich wirksam erhoben werden. Es genügt, wenn die Äu­ ßerung der in der Sache betroffenen Gesellschaftsorgane bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung vorliegt. Der Kläger genügt seiner Pflicht, wenn er der Gesellschaft seine Klageabsicht unter Anführung der wesent­ lichen tatsächlichen Verhältnisse anzeigt. Die anschließende Behandlung der Anzeige durch die Gesellschaft muß den Kläger nicht mehr kümmern, da er sie in der Regel kaum zu beeinflussen vermag. Ob sich die Verwaltung ord­ nungsgemäß mit der Anzeige befaßt, kann der Kläger - zumal als einfacher Aktionär — nicht steuern. Entsprechend dem in § 28 Abs. 2 BGB ausge­ drückten Grundsatz bewirkt die Anzeige an ein Vorstandsmitglied den wirk­ samen Zugang an die Gesellschaft. Ist die Hauptversammlung mit der An­ gelegenheit zu befassen, weil sie der Klage durch einen Ratifizierungsbe­ schluß ihre Grundlage nehmen könnte, so ist die Einberufung der Ver­ sammlung selbst dann nicht Aufgabe des Klägers, wenn er hierzu nach §§122 Abs. 1 AktG, 50 Abs. 1 GmbHG in der Lage wäre. Aus dem Erfordernis des Vorverfahrens folgt nicht, daß der Kläger einer Ermächtigung durch die Gesellschaft bedarf337. Zu gewährleisten ist ledig­ lich ein Mindestmaß an vorheriger Koordinierung. Ließe man die Zulässig­ keit der Klage davon abhängen, daß die Gesellschaftermehrheit ihr zustimmt, so behielte dieselbe Mehrheit das letztverbindliche Entscheidungsrecht für 335 Siehe nur BVerwGE 4, 203; kritisch Dolde, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Komm.z.VwGO, Stand: April 1996, Vorb. § 68 RdNr. 3 sowie § 68 RdNr. 35. 336So BVerwGE 15, 306 (310); REDEKER/V.OERTZEN, Komm.z.VwGO, 12. Aufl. 1997, § 68 RdNr. 4 ff. 337So aber die vieldiskutierte Entscheidung RGZ 171, 51 (54), dagegen etwa Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 10 IV (S. 140 ff.).

den Verband. Das kann nicht richtig sein, weil die Einzelklage zum Teil auch als Korrektiv rechtswidriger Mehrheitsentscheidungen dient. Die Mehr­ heitsentscheidung fällt nicht notwendig zusammen mit dem Interesse der Ge­ sellschaft, das der zentrale Maßstab für die Verleihung der Klagebefugnis ist. Die Geltendmachung eines Rechts durch Einzelklage mag selbst dann im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen, wenn sie - als Ergebnis einer Mehrheitsentscheidung — von einer solchen absieht338. Angesprochen ist also die Justitiabilität der Entscheidung über die Nichterhebung der Klage. Nach modernem Verbandsrecht unterliegt diese Entscheidung, ob­ wohl sie auf einer Ermessensausübung beruht, der gerichtlichen Überprü­ fung. Sie ist nur verbindlich, wenn sie dem Gesellschaftsinteresse entspricht. Stehen mehrere Entscheidungsaltemativen mit dem Gesellschaftsinteresse in Einklang, so haben die zur Entscheidung berufenen Organe die Auswahl unter ihnen zu treffen. Wird die Klageerhebung abgelehnt, ist dies für den Gesellschafter verbindlich. Das Vorverfahren legt die zwei Schichten des komplexen Prozeßrechtsverhältnisses frei, nämlich die Streitebene des Klä­ gers zur Gesellschaft und das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Schuld­ ner, die durch die Einzelklage zu einem Verfahrensverbund verschmolzen sind339. Das Vorverfahren betrifft die verbandsinteme Ebene zwischen Ge­ sellschafter und Gesellschaft. Zu erörtern sind die Gründe, warum die regu­ läre ZuständigkeitsVerteilung, die eine Klageerhebung durch die Gesell­ schaftsorgane gebietet, durchbrochen wird340. Trotz der Notwendigkeit des Vorverfahrens bleibt die Mitgliedsklage Direktklage. Anders als im Verfah­ ren nach § 147 AktG, wo die Gesellschaft als Aktivpartei ihr Recht sucht, agiert der Gesellschafter bei der Einzelklage als Prozeßstandschafter. Das gesellschaftsinterne Vorverfahren ist nicht ohne Stütze im positiven Recht. Ein Vorbild findet sich im Verfahren zur Einberufung der Mitglie­ derversammlung auf Betreiben einer Minderheit, wo es ebenfalls darum geht, Gesellschaftsinteresse und Individualinteresse unter Vermittlung der 338Insofern steckt in RGZ 171, 51 (54) ein zutreffender Kem. - Sehr enge Ermessens­ grenzen zieht BGH ZIP 1997, 883 - "ARAG/Garmenbeck" der Entscheidung des Auf­ sichtsrats, Ersatzansprüche der AG gegen den Vorstand nicht geltend zu machen. 339Dies gilt auch für diejenigen, die die actio pro socio oder die Unterlassungsklage noch als aus dem eigenen Recht des Gesellschafter-Klägers erfolgend ansehen. Dieses eigene Recht löst das Verfahren und die Gebundenheit des Klägers nicht aus der Verbandsordnung heraus. Daß der Gesellschafter-Kläger in seiner Mitgliedschaft verletzt ist, heißt nicht, daß er Rechte, die ebenso die übrigen Aktionäre und die Gesellschaft tangieren, unkoordiniert verfolgen darf. Schon um sich dagegen zu wappnen, daß die Gesellschaft der Klage durch Nachholung eines fehlenden Beschlusses den Boden entzieht, ist auch dort ein Vorverfahren durchzuführen. BGHZ 83, 122 (135) erkennt diesen Punkt ebenfalls. 340Hadding, Actio pro socio, 1966, S. 59 ff.; Nitschke ZHR 128 (1966), 48 (86 ff.); Lutter AcP 180 (1980), 84 (134); MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 705 RdNr. 173; in der Tendenz offenbar auch BGH LM HGB § 115 Nr. 3 = NJW 1974, 1555.

Gerichte auszugleichen. Die Berufung der Mitgliederversammlung gehört zum Aufgabenkreis der Verwaltung. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, kann statt dessen eine qualifizierte Mitgliederminderheit die Abhaltung einer Versammlung selbst herbeifuhren oder erzwingen341. Abgesehen von § 50 Abs. 3 GmbHG bedarf das subsidiäre Einberufungsrecht der Minderheit der gerichtlichen Bewilligung. Wo es aber dazu kommt, muß das Verlangen der Gesellschaft unter Mitteilung des Zwecks und der Gründe angezeigt sein. Über den Spezialtatbestand der Einberufung einer Versammlung hinaus wird deutlich, daß die Ersatzvornahme einer in die Domäne der Verwaltung fallenden Handlung eine Koordinierung voraussetzt. Erst wenn das an die Geschäftsführung zu richtende Verlangen erfolglos bleibt, entsteht das Recht der Minderheit. Das gesetzlich bestimmte Organ behält sein Recht des ersten Zugriffs. Ist es aber verhindert, befangen oder aus sonstigen Gründen zu ei­ ner ordnungsgemäßen Sachbehandlung außerstande, so tritt eine Substitution der Entscheidungszuständigkeit ein. Die Anzeige der Klageabsicht zieht eine angemessene Bearbeitungszeit, die der Verwaltung zusteht342, nach sich. Diese ist je nach Lage des Einzel­ falles abhängig von der Schwierigkeit des Falles und der Dringlichkeit einer Verfahrenseinleitung, z.B. um eine drohende Verjährung zu unterbrechen. Zweck und Gründe des Begehrens sind zu prüfen. Die Gesellschaft kann sich gegen eine Klageerhebung aussprechen, wie bei der Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung nach § 122 AktG. Ihre Weigerung bleibt jedoch gerichtlich nachprüfbar und ersetzbar (§ 122 Abs. 3), weil die Entscheidung nicht im freien Belieben der Verwaltung steht. Hat das Vorver­ fahren zum Ergebnis, daß die Verwaltung sich doch zur Klageerhebung ent­ schließt, so ist das Ziel des Klägers - bei formaler Betrachtung — erreicht. Der Kläger verliert dadurch aber nicht automatisch die Einzelklagebefug­ nis343. Sie lebt wieder auf, wenn die Gesellschaft den Prozeß bewußt so schlecht führt, daß ihr Unterliegen droht. Denn dann entpuppt sich die Be­ reitschaft zur eigenen Prozeßführung als Ablehnung derselben. Lehnt die Gesellschaft die Prozeßführung definitiv ab, ist dies nicht das letzte Wort. Dies macht die Einzelklage nicht unzulässig. Das Gericht prüft viel eher im Rahmen der Zulässigkeit der Klage die innere Berechtigung des Klagebegeh­ rens. Häufig empfiehlt sich, über dieses Segment des Streitthemas durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) zu entscheiden, weil das zur Erledigung des Rechtsstreits insgesamt beitragen mag, wenn der Gesellschaftsschuldner se­ 341 Vgl. §§ 37 BGB, 122 AktG, 50 GmbHG, 45 GenG. 342Für ein Minderheitsverlangen nach § 50 GmbHG hat BGH WM 1985, 567 (568) eine Wartefrist von sieben Wochen für in jedem Fall ausreichend erachtet. 343Im gegenteiligen Sinne Wiedemann (wie FN 333), S. 461.

hen muß, daß ihm die Untätigkeit der Gesellschaft nichts nützt. Die bloße Behauptung der Gesellschaft, daß die Klageerhebung gegen den Gesell­ schaftsschuldner nicht opportun sei, präjudiziert das Einzelklagerecht nicht. Es findet vielmehr eine Sachprüfung statt, die sich daran zu orientieren hat, ob die Klageerhebung einer gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung entspricht. Für den Fall eines non liquet ist die Klage zulässig, weil die Be­ weislast beim potentiellen Ersatzschuldner liegt344. Vom Erfordernis des Vorverfahrens existieren Ausnahmen. Das Vorver­ fahren ist entbehrlich, wenn von ihm kein ernstzunehmender Beitrag zur innerverbandlichen Willensbildung zu erwarten steht. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich die Einzelklage - wie bei den Ersatzansprü­ chen gegen die Verwaltung - gegen Personen oder nahe Angehörige von solchen richtet, die in die zugrundeliegenden Vorfälle verwickelt sind und deshalb ein Vorgehen gegen sich selbst ablehnen oder nur zum Schein bil­ ligen. Ein Vorverfahren ist ferner entbehrlich, wenn ein oder mehrere Ak­ tionäre eine Klageerhebung der Gesellschaft nach § 147 AktG initiiert haben, die Verwaltung oder der Vertreter der Gesellschaft diese jedoch nicht binnen der in § 147 Abs. 2 AktG genannten Frist erhebt. - Ansonsten unterliegt die Einzelklage keinen weiteren Einschränkungen. Sie erfordert insbesondere keinen wichtigen Grund345, keine Notlage346 oder eine völlige Paralyse der innergesellschaftlichen Willensbildung. Sie ist ferner nicht auf den Bereich der sog. Grundlagengeschäfte verengt347. Jede zusätzliche Einschränkung entwertet das Klagerecht.

V. Kostentragung Die Kostentragung zählt zu den zentralen Gesichtspunkten der Einzel­ klage. Sie entscheidet, ob der Rechtsbehelf überhaupt angenommen wird und ob er die ihm zugewiesene Wirkung entfalten kann348. Die in § 147 Abs. 4 AktG normierte prohibitive Regelung der Kostentragung ist für die Einzel­ klage nicht übernahmefähig und mit den übrigen Rechtsbehelfen und Klage­ rechten der Mitglieder wenig abgestimmt. Den Gesellschafterklagen ist eine Asymmetrie in der Verteilung des Prozeßrestkostenrisikos und der Kosten­ tragung eigen. Das Prozeßkostenrisiko liegt zu einseitig beim Gesellschafter, 344Vgl. § 93 Abs. 2 AktG; GROSFELD (wie FN 324), S. 296 ff. 345 So aber Nitschke (wie FN 340), S. 92 ff. 346Dafür jedoch Reinhardt, Gesellschaftsrecht, 1973, § 16 VI 2 (RdNr. 162). 347So aber Hadding, Actio pro socio, 1966, S. 57 ff.; ders. JZ 1975, 159 (164); Soergel/Hadding, BGB, 11. Aufl. 1985, § 705 RdNr. 48. 348Grobfeld (wie FN 324), S. 301 ff.; Brondics (wie FN 328), S. 68 ff.

weil ihm nicht das Vermögen der Gesellschaft als Streitvermögen zur Seite steht. Der Gesetzgeber hatte die Kostenbarriere mit voller Absicht als Regu­ lativ gegen rechtsmißbräuchliche und querulatorische Klagen eingeplant349 und damit unbewußt den Kontrollzweck der Anfechtungsklage konterkariert. Obsiegt das Mitglied mit der Einzelklage, so entstehen ihm zwar keine Ko­ sten, da diese der Gegner gemäß § 91 ZPO zu tragen hat. Das Mitglied hat keinen eigenen pekuniären Vorteil abgesehen von einer Wertsteigerung sei­ ner Aktien, weil die Leistung des Gesellschaftsschuldners direkt in das Ge­ sellschaftsvermögen fließt. Für die Beschlußanfechtungsklage ist aus diesem Grunde im Schrifttum vorgeschlagen worden, dem Kläger eine Aufwands­ pauschale aus Gesellschaftsmitteln zu gewähren350. Unterliegt der Gesell­ schafterkläger, so trifft umgekehrt ihn die prozessuale Kostenerstattung (§ 91 ZPO). Eine gesellschaftsrechtliche Anspruchsgrundlage für einen Rück­ griffsanspruch gegen die Gesellschaft gibt es nicht. Das ganz auf den Pro­ zeßausgang abstellende Kostentragungsprinzip des § 91 ZPO ist sehr unfle­ xibel und erlaubt keine — etwa im richterlichen Ermessen stehende — ab­ weichende Kostenentscheidung351. Ficht andererseits die Verwaltung einen Hauptversammlungsbeschluß erfolglos an, so trifft die Gesellschaft die Pflicht zur Kostentragung unabhängig vom Verfahrensausgang. Abhilfe ist notwendig und auf verschiedenen Wegen erreichbar. Da die Bemessungsgrundlage der gerichtlichen sowie der außergerichtlichen Kosten der Streitwert ist, muß zunächst hier angesetzt werden. Eine Analogie zu § 247 AktG für die Einzelklage erscheint angebracht352. Die Ausgangslage von Beschlußanfechtung und Einzelklage ist ungeachtet ihrer verschiedenen Streitgegenstände ganz ähnlich. Mitglied und Verband stehen in einer Über­ Unterordnungsbeziehung zueinander. In beiden Verfahren geht es um die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der autonomen Verbandsgewalt. § 247 AktG ist eine privatrechtliche Umsetzung des Sozial- und Rechtsstaatsprin­ zips. Die Rechtsverfolgung darf nicht durch eine Kostenbarriere behindert werden, zumal wenn an ihr zugleich ein öffentliches Interesse besteht. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der nach §§ 2 ff. ZPO zu ermittelnde Streitwert von vornherein zu begrenzen. Die Vorprüfung in § 247 AktG 349Vgl. Kropff, Aktiengesetz, 1965, Begründung des Regierungsentwurfs zu § 309 Abs. 4 (S. 405); für die Kostenbarriere als Querulantenfalle Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 V 4 (S. 312). Nach Flume begründet geringer Anteilsbesitz von vornherein eine Vermutung für querulatorische Gesinnung. 350HOMMELHOFF/TMMM AG 1989, 168. 351 Anders etwa § 47 WEG oder Art. 756 Abs. 2 des revidierten Schweizer OR, das am 1.7.1992 in Kraft getreten ist. 352 So bereits für die Einzelklage in Gestalt einer Unterlassungsklage KNOBBE-KEUK, Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 239 (254); GROSFELD JZ 1981, 234 (236); BRONDICS (wie FN 328), S. 174 f.

durch das Prozeßgericht dient zwar zunächst der Festsetzung des Streitwer­ tes, kann jedoch darüber hinaus zur Prüfung der Einzelklagebefugnis dienst­ bar gemacht werden353. Die Anwendung von § 247 Abs. 2 AktG auf die Einzelklage bringt einen entscheidenden Zugewinn an Waffengleichheit. Kann sich die Verwaltung schon auf den Apparat der Gesellschaft stützen, so sollte für den Kläger wenigstens seine Kostenbelastung ex ante abschätzbar sein. Neben einer von den §§ 2 ff. ZPO abweichenden Festsetzung des Streit­ wertes ist ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch in Erwägung zu ziehen. Unterliegt der Kläger, dann ist er zwar nach § 91 ZPO Kosten­ schuldner, kann aber, wenn die Prozeßführung der Gesellschaft nützlich ist, von ihr Aufwendungsersatz verlangen. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn durch die Prozeßführung im Interesse aller eine Streitfrage der endgültigen Klärung zugeführt wird. Die Anspruchsgrundlage liegt in § 27 Abs. 3 i.V.m. § 670 BGB. Eine erneute Prozeßführung um die Berechtigung zur Kostenerstattung ist zu vermeiden, und der Richter sollte befugt sein, als Be­ standteil seiner prozessualen Kostenentscheidung das Rückgriffsrecht des Ge­ sellschafters gegen die Gesellschaft auszusprechen.

VI. Eignung und Stellung des Klägers Der Kläger macht mit seiner Klage Rechte des Verbandes in Prozeßstand­ schaft geltend, auch wenn er im Interesse seiner Mitgliedschaft interveniert. Dies wirft die Frage nach seiner Qualifikation wie nach den Wirkungen sei­ nes Handelns auf. Geeigneter Kläger ist jeder Gesellschafter, unabhängig von der Größe seiner Beteiligung, sofern er nicht an den fraglichen Vorgän­ gen beteiligt war und keinen persönlichen Profit mit der Klage anstrebt. Ins­ besondere darf der Gesellschafter nicht selbst potentieller Schadensersatz­ schuldner sein, und er muß clean hands haben. Dies folgt zwanglos aus dem besonderen Amt, das der Kläger mit der Klage wahrnimmt. Mit den Rechten der Gesellschaft muß er ebenso pfleglich umgehen wie die Verwaltung. Des­ halb ist der Kläger bei seinen Dispositionen über den Streitgegenstand (z.B. Verzicht oder Vergleich) nicht so frei, wie er es wäre, wenn er ein eigenes Recht einklagt354. Das Prozeßrecht gewährt keine weiterreichenden Befug­ nisse als das materielle Verbandsrecht. Die Stellung des Gesellschafterklä­ gers im Einzelklageverfahren ist nicht verschieden von der Stellung der Verwaltung als Vertreterin der Gesellschaft im Beschlußanfechtungsverfah­ 353 Für ein solches Vorschaltverfahren mit überzeugenden Gründen Flume, Grundfragen der Aktienrechtsreform, 1960, S. 18; GROSFELD (wie FN 324), S. 307. 354Hadding, Actio pro socio, 1966, S. 102.

ren. Der Handlungsrahmen erweitert sich nicht dadurch, daß bestimmte Be­ fugnisse im Kontext eines Prozeßrechtsverhältnisses auszuüben sind. Im An­ fechtungsprozeß darf die Verwaltung einen ihr mißliebigen Beschluß nicht dadurch zu beseitigen versuchen, daß sie das Anfechtungsbegehren gemäß § 307 ZPO anerkennt. Beschlußanfechtung wie Einzelklage berühren die In­ teressen und den Willen von Gesellschaft und allen Gesellschaftern. Die Verwaltung hat diesen Willen auszuführen, nicht jedoch selbst zu bilden oder abzuändern. Das ist ihrer organschaftlichen Vertretungsmacht schlechter­ dings entzogen. Für das Verhältnis von Prozeß- und Verbandsrecht ergibt sich, daß die Regeln über die Kompetenzen der Verwaltungsorgane dem § 54 ZPO vorgehen. Das Verfahrensrecht ist hinsichtlich dieser Kompetenz­ fragen offen und durch materiell-rechtliche Vorgaben ausfüllungsbedürftig. Daß der Vorstand zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft befugt ist, ändert nichts an den Bindungen seiner organschaftlichen Vertretungsbefug­ nis355. Das Verfahrensrecht ist kein Mittel, die Kompetenzen auszuweiten, die das Verbandsrecht zwingend definiert hat. Analog dazu hat der Kläger bei der Einzelklage zwar die Rechtsmacht, das Verfahren in Gang zu brin­ gen, danach verliert er jedoch das Recht zur beliebigen Einwirkung auf den Streitgegenstand ohne Fühlungnahme mit der Gesellschaft. Die Disposi­ tionsbefugnis hinsichtlich des Streitgegenstandes ist der verbandsrechtlichen Stellung des Klägers gemäß eingeschränkt. In dieser Erkenntnis liegt der Schlüssel für die richtige Behandlung der sog. rechtsmißbräuchlichen Klagen. Im Zusammenhang mit der Position des Klägers bei der Einzelklage wird zum Teil vertreten, daß die Klagebefugnis in Wegfall gerät, sobald sich die Gesellschaft entschließt, ihr Recht selbst zu verfolgen356. Darin liegt eine Überdehnung des Subsidiaritätsverständnisses der Einzelklage. Die Klagebe­ fugnis erlischt nicht ersatzlos, sondern ist allenfalls vorübergehend suspen­ diert. Läßt man die Klagebefugnis unbedingt entfallen, so verschafft dies der 355Zutreffend für die personengesellschaftsrechtliche actio pro socio Ulmer, in: Groß­ komm.z.HGB, 4. Aufl. 1988, § 105 RdNr. 266; dezidiert a.A. für die Beschlußanfechtung A. Hueck, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Akti­ engesellschaften, 1924, S. 172 ff. (174); RGZ 24, 427 (429); für die Vergleichsbefugnis neuerdings Feltkamp, Anfechtungsklage und Vergleich im Aktienrecht, 1991, S. 49 ff. Man denke sich nur den Fall, daß die Minderheit einen Beschluß herbeiführen kann, weil die Mehrheit gemäß § 136 Abs. 1 AktG von der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlos­ sen ist, und der Mehrheitsaktionär anschließend diesen Beschluß anficht. Dann kann die Verwaltung, die die Gesellschaft im Anfechtungsprozeß vertritt, nicht einfach diesen An­ spruch anerkennen und den Beschluß auf kaltem Wege beseitigen. In der Ebene der Be­ schlußadministration verfügt die Verwaltung nur die im Aktiengesetz vorgesehenen Befug­ nisse. Sie kann den Beschluß im Positiven nicht herbeiführen und im Negativen nicht besei­ tigen. 356Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1c (S. 463).

Verwaltung eine ideale Gelegenheit, sich der Klage durch bewußt schlechte oder zögerliche Prozeßführung zu entledigen. Richtiger ist, daß der Kläger die Klage der Gesellschaft begleiten darf und daß seine Befugnis in vollem Umfang wieder auflebt, sobald das Verfahren für die Gesellschaft nicht mit dem gebührenden Nachdruck betrieben wird. Der Gesellschafter kann das Verfahren als streitgenössischer Nebenintervenient aufgreifen. Zu erwägen ist, ob man eine Ausnahme von der Grundregel des § 67 ZPO annimmt, wo­ nach der Nebenintervenient den Rechtsstreit in der Lage annehmen muß, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet, wenn das Vertretungsorgan der Gesellschaft die Obsiegenschancen bereits nachhaltig beeinträchtigt hat. Aus dieser Sachlage erhellt eine allgemeine Folgerung für die Verbandsinnen­ streitigkeiten und die Stellung der Parteien: Die Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand ist abweichend vom kontradiktorischen Zweiparteien­ prozeß zu regeln. Eine freie Verfügungsbefugnis der Parteien ist mit dem Kontrollauftrag der Gesellschafterrechte nicht zu vereinbaren. Nicht nur der Gesellschafter darf die Klage der Gesellschaft begleiten und gegebenenfalls in die Rolle des Klägers überwechseln. Ebenso selbstver­ ständlich erklärt sich aus dem Umstand, daß ein Anspruch der Gesellschaft streitbefangen ist, daß die Gesellschaft am Verfahren zu beteiligen ist357. Bei der derivative suit des amerikanischen Rechts ist die Gesellschaft eine not­ wendige Partei auf der Passivseite und besitzt in diesem Rahmen die volle prozessuale Handlungsfähigkeit. Bisher war dies nicht der Standpunkt des deutschen Rechts. Aus der immer stärkeren Durchdringung des Verfahrens­ rechts durch das Verfassungsrecht folgt jedoch, daß der Gesellschaft wegen ihrer materiellen Streitbeteiligung rechtliches Gehör zu gewähren ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich auf alle Ebenen des Streitver­ hältnisses, also die Klagebefugnis des Klägers sowie die Begründetheit des Anspruchs der Gesellschaft. Der Gesellschaft ist nach den in BVerfGE 60, 7 niedergelegten Grundsätzen auf Veranlassung des Gerichts die streitgenössische Nebenintervention durch Mitteilung der Rechtshängigkeit der Klage zu ermöglichen, oder sie ist entsprechend § 65 VwGO beizuladen.

VII. Rechtskraft und Zwangsvollstreckung Die Reichweite der Urteilsrechtskraft ist für die Leistungsfähigkeit der Einzelklage von zentraler Bedeutung. Nach allgemeinem Zivilprozeßrecht wirkt die Rechtskraft eines Urteils nur zwischen den Prozeßparteien. Das ist für die Gesellschafterklagen regelmäßig nicht ausreichend, weil hier nicht 357So bereits GROSFELD (wie FN 324), S. 310.

bloß über die Rechtsbeziehung zwischen Kläger und Beklagtem zu entschei­ den ist, sondern eine Statusfeststellung mit Bezug auf den gesamten Verband getroffen wird. Diese Feststellung ist eine Ganzheitliche gegenüber der Ver­ waltung und gegenüber allen Mitgliedern. Auf dieser Erkenntnis beruht § 248 AktG. Das einen Beschluß kassierende Urteil wirkt für und gegen alle Aktionäre, Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat sowie gegenüber je­ dermann358. Diese Kemaussage des § 248 AktG ist erweiterbar. Die Einzel­ klage ist im Außenverhältnis zumeist Leistungsklage. Soweit sie jedoch im Innenverhältnis inzident die Klagebefugnis des Gesellschafters ausspricht, hat sie durchaus gestaltende Wirkung. Vergleichbar der Kassierung eines Be­ schlusses besagt die Entscheidung mit Wirkung für und gegen alle, daß der Kläger zur Anspruchsverfolgung für die Gesellschaft legitimiert und der Ge­ sellschaftsschuldner zur Leistung verpflichtet ist, ob — im Falle der Unter­ lassungsklage - eine Maßnahme unterbleiben oder - bei der Vornahme­ klage — eine Handlung vorgenommen werden muß. Im einzelnen sind die Urteilswirkungen in Abhängigkeit vom Entscheidungsinhalt zu ermitteln. Dabei sind mehrere Situationen zu unterscheiden: (1) Wird der Klage stattgegeben, wirkt die Rechtskraft des Urteils gemäß § 248 Abs. 1 AktG erga omnes. Die Gesellschaft partizipiert an der Rechts­ kraft, denn im Falle zulässiger Prozeßstandschaft wirkt das rechtskräftige Sachurteil für und gegen den Inhaber des streitbefangenen Rechts359. Der Vorstand ist verpflichtet, für die Vollstreckung des Urteils zu sorgen. Allfäl­ lige Mitteilungspflichten gegenüber dem Handelsregister nach § 248 AktG sind ebenfalls zu beachten. Die allseits wirkende Urteilsrechtskraft liegt nicht zuletzt im Interesse des Schuldners. Dieser weiß nun, daß er leisten muß und an eine empfangsbefugte Person mit befreiender Wirkung leisten kann. Auch dem Schuldner nützt der Einwand der Rechtshängigkeit oder der Rechtskraft gegen eine erneute Inanspruchnahme, die ihm nur weitere Kosten einbrächte. (2) Wird die Einzelklage abgewiesen, so hängt die Reichweite der Rechts­ kraft vom Grund der Klageabweisung ab. Auszugehen ist von den beiden Entscheidungsebenen der Einzelklage. Erfolgt die Klageabweisung wegen fehlender Klagebefugnis des Klägers, erwächst alleine diese Feststellung in Rechtskraft. Die Gesellschaft dürfte ihr Recht weiterhin verfolgen, ohne daß ihr der Schuldner den res iudicata-Einwand entgegensetzen kann. Wird die Klage jedoch auf der äußeren Streitebene abgewiesen, weil der Anspruch ge­ gen den Gesellschaftsschuldner nicht besteht, so erfaßt dieses Urteil den An­ 358Vgl. ZÖLLNER, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 248 RdNr. 13 ff., 16 ff.; für die actio pro socio bei den Personalgesellschaften Hadding, Actio pro socio, 1966, S. 104 ff. 359RGZ 73, 306 (309); Furtner JR 1958, 50; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993, § 46 V (S. 241).

sprach unabhängig davon, wer ihn in Zukunft geltend machen will. Ent­ scheidend ist, ob das Gericht über den Anspruch der Gesellschaft als solchen judiziert hat. Elementare Voraussetzung der Rechtskrafterstreckung auf die Gesellschaft ist, daß sie Gelegenheit hatte, sich am Verfahren zu beteiligen und Gehör zu finden. Ein obsiegendes, rechtskräftiges Urteil ist nach den allgemeinen Regeln zu vollstrecken. Die Prozeßstandschaft aus dem Erkenntnisverfahren setzt sich als Vollstreckungsstandschaft des Gesellschafters für die anschließende Zwangsvollstreckung fort. Das rechtskräftige Urteil tut der Berechtigung des Gesellschafters keinen Abbruch und bewirkt keine Zäsur im Sinne eines Be­ fugnisrückfalls an die Gesellschaft. Es ist nicht in das freie Belieben der Ge­ sellschaft gestellt, ob sie die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betreiben will oder nicht360. Andernfalls würde der Erfolg der Klage in Frage gestellt und der Leistungsbefehl des Urteils mißachtet. Zur Betreibung der Zwangs­ vollstreckung ist der Gesellschafter befugt, der das Urteil erstritten hat. Seine Klagebefugnis deckt die Einleitung der Vollstreckung, die erst zur Umsetzung des Urteils führt. Die Zwangsvollstreckung folgt den allgemei­ nen Vorschriften. Erforderlich ist eine Vollstreckungsklausel nach §§ 724 Abs. 1, 750 ZPO. Aus der Nichtbeteiligung der Gesellschaft am Prozeß­ rechtsverhältnis resultiert das Problem, daß die Vollstreckung zugunsten ei­ ner Person geschehen soll, die nicht im Vollstreckungstitel genannt ist. Das Interesse der Gesellschaft an der Zwangsvollstreckung ist nicht von der Hand zu weisen, dennoch besitzt sie gegen den Gesellschafter keinen Anspruch auf Herausgabe oder Umschreibung des Titels aus dem Gesichtspunkt der gesell­ schaftlichen Treupflicht361. Hat sich der Gesellschafter als guter Sachwalter im Erkenntnisverfahren bewährt, besteht kein Anlaß, die Pferde für die Zwangsvollstreckung bei sonst unveränderter Sachlage zu wechseln. Der Prozeßstandschafter bleibt Vollstreckungsgläubiger, da er durch Titel und Klausel ausgewiesen ist. Eine Titelumschreibung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn der Gesellschafter wegfällt oder verhindert ist362. 360Entgegen der Ansicht von Hadding, Actio pro socio, 1966, S. 105 darf die Gesell­ schaft nicht beliebig nach Rechtskraft derart über den Anspruch verfügen (z.B. durch Stun­ dung oder Erlaß), daß sie dem Gesellschaftsschuldner eine Einwendung verschafft, mit der er seine Inanspruchnahme nach § 767 ZPO abwehren kann. Diejenigen Faktoren, die für das Erkenntnisverfahren bestimmend waren, behalten auch für die Zwangsvollstreckung ihre Gültigkeit. 361 Dazu der Hinweis von Hadding (wie FN 360), der diese Problematik als einziger anspricht. Der Hinweis auf die §§ 728 Abs. 2, 727 ZPO besitzt allerdings keine Überzeu­ gungskraft, da diese Normen nichts über die materielle Berechtigung zur Titelumschreibung aussagen. 362Zu dieser Vollstreckungsstandschaft eingehend Becker-Eberhard ZZP 104 (1991), 413 ff.; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl. 1987, § 10 II 3a (S. 91 f.) zu § 265 Abs. 2 ZPO.

Auch ohne Umschreibung könnte die Gesellschaft aus dem Titel mit einer Ermächtigung des Gesellschafters vorgehen. Aus der Sicht des Voll­ streckungsschuldners spricht gegen eine Titelumschreibung, daß dieser sich nicht mit zwei vollstreckbaren Urteilsausfertigungen konfrontiert sehen will.

VIII. Die Einzelklage im Konzern Die Konzemeinzelklage ist das Gegenstück des deutschen Rechts zur double derivative suit im amerikanischen Recht der Corporation. Sie ist die konsequente Antwort auf die vielgestaltigen Möglichkeiten, die sich zur Aushöhlung von Mitgliedschaftsrechten in Unternehmensverbindungen bie­ ten. Die Einzelklage im Konzern363 ist der bedeutendste Rechtsbehelf im Anschluß an die Begründung der Abhängigkeit oder nach Kontrollerwerb, wenn diese nicht mehr rückgängig zu machen sind. Die Einzelklage bleibt dann als wirksames Instrument des inneren Konzemverfassungsrechts zur Kontrolle der Ausübung der Leitungsmacht. In Konzemverbindungen verla­ gert sich der Bezugspunkt der Einzelklage gegenüber der Rechts- und Inte­ ressenlage in selbständigen Verbänden entscheidend. Nicht länger geht es allein um die Konflikte zwischen Mehrheit und Minderheit oder um die Kontrolle der Verwaltung in der Gesellschaft, der der Kläger angehört. Das Konzernrecht mediatisiert die Gesellschafterrechte bezüglich des Vermögens­ substrats der Gesellschaft. Das Konzept der Gesellschafter- und Kontroll­ rechte der selbständigen Gesellschaft greift in Konzernen zu kurz. Die Ver­ waltung darf sich nicht durch Zuflucht in Konzemverbindungen kontrollfrei stellen. Eine Teilregelung der Konzemeinzelklage findet sich in § 309 Abs. 4 AktG. Danach kann jeder Gesellschafter des abhängigen Unternehmens dessen Ersatzansprüche gegen das herrschende Unternehmen verfolgen. Un­ umstritten ist die Rechtfertigung dieser Vorschrift, jedoch bedarf sie der Konkretisierung364. Mit der Klagemöglichkeit aus § 309 Abs. 4 AktG macht der Kläger den Schaden der Gesellschaft geltend. Ersatz kann nur für Rech­ nung der Gesellschaft gefordert werden, obwohl die Gesellschaft nach wie vor unter der Kontrolle der Schädiger steht. In dieser Sachlage gestattet das amerikanische Recht, daß nach einer erfolgreichen derivative suit eine pro rata-Auskehrung der Ersatzsumme direkt an die unbeteiligten Aktionäre vor­

363 Dazu vor allem bezogen auf die Verfolgung von Ansprüchen gegen das herrschende Unternehmen Eickhoff, Die Gesellschafterklage im GmbH-Recht, 1988, S. 228 ff. 364In die gleiche Richtung Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 1c (S. 463 f.).

zunehmen ist365. § 309 reserviert die Konzemeinzelklagebefugnis im Gegen­ satz zu § 245 Nr. 4 und 5 AktG den Aktionären. Offenbar werden die Ver­ waltungsmitglieder unter Einschluß der ehemaligen Verwaltungsmitglieder nicht als geeignete Sachwalter eingestuft. Neben der Direktklage nach § 309 Abs. 4 können sich die konzemfreien Aktionäre des Klageerzwingungsver­ fahrens nach § 147 AktG bedienen366. § 309 Abs. 4 AktG stellt nur eine Teilkodifikation der Konzemeinzelklage dar. Die Vorschrift hat die Ersatzansprüche der Gesellschaft zum Gegen­ stand. § 309 schweigt zu den fast noch wichtigeren Herausgabeansprüchen wegen Anmaßung einer Geschäftschance der Tochtergesellschaft sowie zu den Unterlassungsansprüchen gegen eine exzessive Ausübung der Leitungs­ macht durch das herrschende Unternehmen367. Daneben ist § 309 Abs. 4 wenig differenziert: Es fehlt der zeitliche Rahmen für die Rechtsausübung. Sodann mangelt es an einer Koordinierung der konkurrierenden Klagebefug­ nisse, ohne die der Rechtsbehelf in einem Chaos unterzugehen droht. § 309 Abs. 3 Satz 3 AktG läßt ferner die Geltendmachung des Anspruchs durch einen Gesellschaftsgläubiger zu, daneben besteht jedoch die Liquidationsbe­ fugnis der Gesellschaft und jedes Aktionärs nach Satz 1 fort. Diese Abstim­ mung ist wiederum in einem Vorverfahren zu treffen. Der zur Konzemein­ zelklage entschlossene Aktionär muß seine Absicht der Gesellschaft anzei­ gen. Dies ist zumutbar und wird womöglich schon ausreichen, damit das herrschende Unternehmen seiner Ausgleichspflicht gegenüber der abhängi­ gen Gesellschaft nachkommt. Die Prozeßführungsbefugnis bei der Konzemeinzelklage hängt nicht da­ von ab, ob die Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens auf einem Organschaftsvertrag beruht oder nicht. In den faktischen und qualifizierten faktischen Unternehmensverbindungen ist sie um so wichtiger. Dem trägt der Verweis in § 317 Abs. 4 AktG Rechnung. Die Klagebefugnis nach § 309 Abs. 4 gilt zunächst für die Aktionäre der abhängigen Gesellschaft. Hier darf eine lückenlose Konzeption der Konzemeinzelklage indessen nicht haltma­ chen. Umgekehrt ist eine Klagebefugnis der außenstehenden Aktionäre der Muttergesellschaft aus deren Rechten in der Tochtergesellschaft in Erwägung zu ziehen. Die Dringlichkeit eines Ausbaus der Klagerechte in dieser Rich­ 365Vgl. dazu aus dem amerikanischen Recht Perlman v. Feldmann, 219 f.2d 173, 178 (2d Cir. 1955). 366Streitig, vgl. Gebler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1975, § 309 RdNr. 36 f.; a.A. BAUMBACH/HUECK, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, § 309 RdNr. 9 sowie Biedenkopf/Koppensteiner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1971/85, § 309 RdNr. 20, nach deren Ansicht das Klagerecht der Aktionäre an die Stelle des Minderheitenrechts aus § 147 tritt. Im Gesetz findet diese Auffassung jedenfalls keine Stütze. 367Ebenso Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktien­ gesellschaft, 1989, S. 50; Brondics (wie FN 328), S. 144 ff.

tung wird durch die Technik der Aufspaltungen und Ausgliederungen als konzemstrategische Maßnahmen unterstrichen368. Dieses Klagerecht ist im­ mer dann ausgelöst, wenn Maßnahmen in der Tochtergesellschaft reflexartig die Beteiligungsrechte der Mutter oder der übrigen Aktionäre in der Mutter­ gesellschaft berühren. Die Interessen der Mutter als Mehrheitseignerin der Tochter sind von der Verwaltung der Mutter wahrzunehmen. Geschieht dies jedoch nicht im Sinne einer ordentlichen Geschäftsführung auf der Grund­ lage von Gesetz und Statut, so entsteht ein doppelt abgeleitetes Klagerecht für die Aktionäre der Mutter entsprechend dem Modell der Einzelklage bei der konzemfreien Gesellschaft. Die dogmatische Begründung dieser doppelt abgeleiteten Einzelklage be­ reitet keine zusätzlichen Schwierigkeiten. Es gelten die für die einfache Ein­ zelklage formulierten Regeln sinngemäß. Die Klageabsicht ist beiden Gesell­ schaften anzuzeigen, ohne daß es einer Genehmigung der Klage bedürfte. Die Konzemeinzelklage darf insbesondere das Streitwertprivileg nach § 247 AktG beanspruchen369. Der hinter § 247 AktG stehende Rechtsgedanke trägt die Erstreckung einer Streitwertfestsetzung bei der Konzemklage. Die Ge­ sellschaft ist gegen eine rechtswidrige Einflußnahme durch das herrschende Unternehmen zu schützen. Dies ist das gemeinsame Anliegen von Einzel­ klage und Beschlußanfechtung. Wie bei der Anfechtung nach § 243 Abs. 2 AktG handelt das beklagte herrschende Unternehmen nicht mehr im Interesse aller Gesellschafter, sondern aus Antrieb eigener unternehmerischer Zielset­ zungen. Demgegenüber sollen die außenstehenden Aktionäre ermuntert wer­ den, durch Wahrnehmung ihres Klagerechts ihre Belange und die der abhän­ gigen Gesellschaft zu schützen. Einem Mißbrauch des Klagerechts, für den es bis heute keine Belege gibt, muß nicht mit Kostenbarrieren begegnet wer­ den. Bei der Konzemeinzelklage ist das Streitwertprivileg nicht deshalb obsolet, weil der Kläger den Streitwert dadurch niedriger halten könnte, daß er nur einen Teilbetrag einklagt370. Zunächst sind solche Teilklagen verfah­ rensunökonomisch. Die Teilbetragsklage kommt allenfalls in Betracht, wo es um ziffernmäßig bestimmbare Klageanträge geht, was gerade noch für die Schadensersatzklage, aber nicht mehr für Unterlassungs- oder Herausgabe­ anträge gilt. Ferner ist zu bedenken, daß Verfahren dieser Art lange dauern. Bei der Teilbetragsklage droht dem nichtrechtshängig gemachten Forde­ rungsteil die Verjährung, die nur durch Ausweitung der Klage zu unterbre­ 368BGHZ 83, 122 (124 ff.) - “Holzmüller”. Wegbereiter dieser Auffassung war Lutter, Festschrift für H. Westermann, 1974, S. 347; sowie DERS., Die Rechte der Gesell­ schafter beim Abschluß fusionsähnlicher UnternehmensVerbindungen, 1974, S. 12 f., 31 ff. 369Für dessen vorbehaltlose Erstreckung Biedenkopf/Koppensteiner (wie FN 366), § 309 RdNr. 21 ff.; einschränkend Gebler (wie FN 366), § 309 RdNr. 40. 370So aber insbesondere Gebler (wie FN 366), § 309 RdNr. 40.

chen ist371. Aus diesen Gründen ist die entsprechende Anwendung von § 247 AktG auf die Konzemeinzelklage unverzichtbar; sie gilt auch bei der Gläubigerkonzemklage nach § 309 Abs. 4 Satz 3 AktG, bei der der Gläubiger wie ein Gesellschafter für die Gesellschaft auftritt372. Die Konzemklage ist schließlich in mehrstöckigen Untemehmensverbindungen gegeben, also wenn es um die entsprechenden Sachverhalte mit Be­ zug auf Tochter- und Enkelgesellschaften usw. geht. Hier darf ein außenste­ hender Gesellschafter in der Enkelgesellschaft aus deren Recht gegen die Muttergesellschaft vorgehen, selbst wenn zwischen Enkelin und Mutter keine organschaftliche Rechtsbeziehung besteht373. Die Einflußnahme auf die En­ kelin kann direkt oder unter Einschaltung der Tochtergesellschaft erfolgen. Wird die Enkelin auf diese Weise geschädigt, haften Mutter und Tochter als Gesamtschuldner, und beide können im Wege der Einzelklage nach § 309 Abs. 4 AktG belangt werden. § 309 Abs. 4 AktG findet zugunsten der kon­ zemfreien Aktionäre der Enkelgesellschaft Anwendung, § 317 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 erlaubt ihnen die Klage gegen die Konzemmutter. Für die au­ ßenstehenden Aktionäre der Tochtergesellschaft gilt: Wenn die Muttergesell­ schaft die Enkelgesellschaft schädigt, wirkt sich dies auch auf das Vermögen der Tochtergesellschaft aus, da diese an der Enkelin beteiligt ist. Als Aktio­ närin der Enkelgesellschaft kann die Tochter aus § 309 Abs. 4 vorgehen, was aber wegen des beherrschenden Einflusses der Mutter auf die Tochter ein eher theoretischer Fall bleiben dürfte. Dem Grundgedanken in § 309 Abs. 4 Satz 1 AktG tut dies jedoch keinen Abbruch, da die Klagebefugnis gerade über dem beherrschenden Einfluß rangiert. In mehrstöckigen Kon­ zemverbindungen wirkt § 309 Abs. 4 Satz 1 AktG daher nach oben und nach unten, wie sich den §§ 317 Abs. 4, 318 Abs. 4, 310 Abs. 4 AktG entnehmen läßt. Geht die Tochter, vertreten durch ihre Verwaltung, nicht selbst für die Enkelgesellschaft vor, so dürfen dies ersatzweise die außenstehenden Gesellschafter der Tochtergesellschaft in einer doppelt abgeleiteten Konzemeinzelklage tun374. * Dieses Konzept besitzt eine rechtsformübergreifende Gültigkeit und setzt nicht die Beteiligung einer Aktiengesellschaft am Unternehmensverbund voraus. Die §§ 308 ff. AktG beziehen sich durchgängig auf herrschende und abhängige Unternehmen ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der diese organisiert sind. 371 Nicht unbedenklich, aber ständige Rechtsprechung vgl. RGZ 77, 213 (215 ff.); BGHZ 66, 142 (147). 372Anders Biedenkopf/Koppensteiner (wie FN 366), § 309 RdNr. 25. 373Vgl. im positiven Recht § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG, dazu E. Rehbinder ZGR 1977, 581 (595 ff.); und neuerdings Eickhoff (wie FN 363), S. 240 ff. 374Ebenso E. Rehbinder (wie FN 373), S. 598 ff.; Eickhoff (wie FN 363), S. 244 ff. je m.w.N.

Dort wo der Realisierung bestimmter Ansprüche eine Beschlußfassung der Mitgliederversammlung vorauszugehen hat, wie z.B. nach § 46 Nr. 8 GmbHG, ist dieses Erfordernis im Konzern und in mehrstufigen Untemehmensverbindungen suspendiert375. Solche Bestimmungen sind schon bei der selbständigen Gesellschaft überaus bedenklich. § 309 Abs. 4 belegt für den Gesamtkontext der Konzemeinzelklage, daß jedes Mitglied eine unmittelbare Klagebefugnis haben soll, deren Effizienz entscheidend auf ihrer Unabhän­ gigkeit vom Willen des herrschenden Unternehmens beruht. § 309 Abs. 4 derogiert insoweit die Bestimmungen für die selbständige Gesellschaft, ins­ besondere § 46 Nr. 8 GmbHG. Die Vertreter der Gegenansicht müssen mit Hilfe eines tatbestandlich schwer faßbaren Stimmverbots gegen das herr­ schende Unternehmen nach § 47 Abs. 4 GmbHG Korrekturen vorneh­ men376. Wendet man § 46 Nr. 8 in GmbH-Konzernen an, erlaubt dies dem herrschenden Unternehmen, selbst bei Ausschluß vom eigenen Stimmrecht die Anspruchsdurchsetzung dadurch zu blockieren, daß es den stimmberech­ tigten Gesellschaftern Vorteile zuwendet. Der Ermächtigungsbeschluß wäre in einer mühsamen Prozedur zu ersetzen. Wenn für die nichtkonzemverbun­ dene GmbH mit guten Gründen behauptet wird, daß sich die Bedeutung von § 46 Nr. 8 GmbH in einer Kompetenznorm für das Verhältnis Geschäftsfüh­ rer-Gesellschafter erschöpfe377, gilt dies um so eher gegenüber einem herr­ schenden Unternehmen. Wenn schon das Gesetz die innere Verfassung der GmbH in §§45, 46 GmbHG zur Disposition der Satzung stellt, dann darf auch eine zweckorientierte Auslegung oder richterliche Rechtsfortbildung zu einem vom Gesetzeswortlaut abweichenden Ergebnis gelangen378.

375EICKHOFF (wie FN 363), S. 254 ff.

376So insbesondere Eickhoff (wie FN 375). 377So die beachtenswerte Auffassung von Hachenburg/Raiser, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1989, § 14 RdNr. 43 sowie Raiser ZHR 153 (1989), 1 (20 ff.). 378In BGHZ 65, 15 - "ITT” = NJW 1976, 191 erwähnt das Gericht das Erfordernis nach § 46 Nr. 8 GmbHG mit Vorbedacht nicht, obwohl es sich in casu um die Geltend­ machung eines Schadensersatzanspruchs handelte. In der Tendenz gegen das Beschlußerfordemis auch die Urteilsanmerkung von Ulmer NJW 1976, 192 (193 rechte Spalte).

§ 20 Die Informationsrechte in den Verbänden Der Dualismus, der die Gesellschafterrechte insgesamt kennzeichnet, fin­ det sich bei den Informationsrechten ebenfalls wieder: Das Mitglied hat ein eigennütziges Interesse an Informationen über die Verbandsangelegenheiten, sei es mit Blick auf seine Einlage und seine Mitgliedschaft in der Gesell­ schaft, sei es wegen der Gefahr persönlicher Inanspruchnahme für die Ge­ sellschaftsverbindlichkeiten. Der fremdnützige Bezug liegt in dem Wächter­ amt für den Verband und in der Kontrolle der Verwaltung, die als Verwalte­ rin fremden Gutes den Mitgliedern zu transparenter Amtsführung verpflichtet ist. Die Existenz verschiedener Rechtsformen mit so heterogenen Rahmenbedingungen wie Eigenorganschaft - Drittorganschaft, Rechts­ fähigkeit - Nichtrechtsfähigkeit, Haftungsbeschränkung - unbeschränkte persönliche Haftung oder obligatorisches - fakultatives Aufsichtsorgan scheinen auf den ersten Blick dagegen zu sprechen, daß es überhaupt ein einheitliches Fundament der Informationsrechte in den Verbänden geben kann.

L Grundlagen Informationsrechte und Auskunftsansprüche zählen zu den aktuellen The­ men der Zivilrechtsdogmatik auf der Schnittstelle von materiellem Recht und Prozeßrecht1. Dem materiellen Recht fällt die Aufgabe zu, über Vorausset­ zungen und Umfang des Rechts auf Information zu entscheiden, das Verfah­ rensrecht sorgt für die Durchsetzung und Verwirklichung dieses Rechts. Vom Verfahrensrecht kommend hat das materielle Recht ein Impuls zur Überdenkung des ganzen Fragenkomplexes erreicht. Mit Recht fragt man nach den (prozessualen) Aufklärungspflichten2 der Parteien im Rahmen ihrer verfahrensbezogenen Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO3. Damit sind grundsätzlich auch die Koordinaten der Informationsansprüche in den Ver­ bänden beschrieben - und dennoch geht es hier um mehr.

1 Dazu jüngste Äußerungen von Schlosser JZ 1991, 599 mit reichhaltiger rechtsver­ gleichender Analyse des pretrial discovery-Systems im angloamerikanischen Rechtskreis; ferner Grunewald AcP 190 (1990), 609. 2 So insbesondere Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1976. 3 Hierzu BGH JZ 1991, 630.

Das System der Informationsrechte besitzt zwei tragende Säulen4, die al­ lerdings von der Gesetzeslage her nicht immer eindeutig hervortreten. Zum einen existiert ein kollektives Informationsrecht von oben, zum anderen ein individuelles Informationsrecht von unten. Beim kollektiven Informations­ recht ist die Informationserteilung dem Verband bzw. der Mitgliedergesamt­ heit geschuldet. Rechtliche Grundlage ist die organschaftliche Auskunftsund Rechenschaftspflicht der Verwaltung als Kehrseite ihrer Leitungsmacht. Das individuelle Informationsrecht steht dem Mitglied dagegen als unab­ dingbarer Bestandteil seiner Mitgliedschaft zu. Es ist zum Teil als mitgliedschaftliches Grundrecht bezeichnet worden5. Hiermit ist - bewußt oder unbewußt - eine Anleihe im Verfassungsrecht genommen. Der Vergleich mit dem Verfassungsrecht rückt in den Blick, daß es bei komplexen Gemein­ schaftsbeziehungen, wie sie im Staats- und Verbandsrecht anzutreffen sind, gegenüber der bekannten Diskussion der Aufklärungs- und Auskunftspflich­ ten im Zivilrecht um etwas qualitativ verschiedenes geht. Das mündige Mit­ glied soll aktiv gestaltend am Verbandsleben teilnehmen. Das Verfassungs­ recht garantiert dem Bürger das Recht auf freie Meinungsäußerung, welches es durch die Informationsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG flankiert. Die Verfassungsrechtsprechung ist mit Recht noch einen Schritt weiter gegangen und hat eine Verbindungslinie gezogen zwischen dem individualrechtlichen Gehalt der Informationsfreiheit als subjektives Recht in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und ihrem objektivrechtlichen Bezug zur Staatsorganisation in Art. 20 GG6. Im demokratischen Verfassungsstaat wie in einem demokratisch ge­ ordneten Verbandswesen hat die Gewalt von den Mitgliedern auszugehen. Dies setzt die Information über die wesentlichen Verbandsangelegenheiten voraus. Spätestens seit Erlaß des Grundgesetzes strebte das Verbandsrecht in zunehmendem Maße nach Homogenität mit der Staatsverfassung und ist be­ reit, sich für Wertungsmaßstäbe und für rechtsethische Grundprinzipien des öffentlichen Rechts zu öffnen7.

4 So für die BGB-Gesellschaft RGZ 148, 278; die Terminologie geht zurück auf Karsten Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 15 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, § 21 III 2 (S. 518). 5 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 II 2a (S. 374). 6 BVerfGE 7, 198 (208) - "Lüth"; 27, 71 (81 ff.) - "Leipziger Volkszeitung"; Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog, Komm.z.GG, Stand: Dez. 1992, Art. 5 RdNr. 81 ff. 7 Die zunehmende Durchdringung des privaten Verbandsrechts durch Rechtsprinzipien des öffentlichen Rechts äußert sich etwa in § 53a AktG (Gleichbehandlungsmaxime), in der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BGHZ 71, 40 [45 ff.] - "Kali4-Salz") oder der Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes in den Personalgesellschaften zum Schutz der Minderheit gegen eine schrankenlose Unterwerfung unter die Mehrheitsherrschaft, spe­ ziell hierzu HEYMANN/EMMERICH, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 119 RdNr. 30 ff.

Im privaten Verbandsrecht hat das Informationsrecht eine dienende Funk­ tion. Dies versteht sich einmal hinsichtlich der vermögensrechtlichen Seite der Mitgliedschaft in den auf Erwerb angelegten Personenzusammenschlüs­ sen. Primärer Antrieb für die Ausübung von Informationsrechten ist der ver­ ständliche Drang des Mitglieds, sich über den Stand seines Investments in der Gesellschaft kundig zu machen. Neben diesem natürlichen Anreiz tritt ein institutioneller Aspekt, in dem sich allgemeinere Strukturen der Gesell­ schafterrechte wiederfinden. Auch das Informationsrecht ist Bestandteil des Systems der Gesellschafterrechte als Instrument der privaten Aufsicht über das Verbandswesen, das die staatliche Aufsicht abgelöst hat. Die Informationsrechte sind der Ausübung anderer Gesellschafterrechte vorgelagert. Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses, die Ent­ scheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Entlastung, die Ersatz­ klage gegen ein Mitglied der Verwaltung oder die Beantragung einer Son­ derprüfung sind aus der Sicht des Mitglieds nur dann sinnvoll durchführbar, wenn eine hinreichende Tatsachenbasis geschaffen ist. Daß diese Rechte von den Mitgliedern gegebenenfalls wahrgenommen werden sollen, folgt aus ih­ rer Existenz. Die Verwaltung darf diese Rechte nicht dadurch gegenstandslos machen, indem sie die zu ihrer Ausübung notwendigen Informationen will­ kürlich zurückhält. Mit der Wahrnehmung des Rechts gerät der auf Informa­ tion angewiesene Gesellschafter aber in potentielle Gegnerschaft zur Ver­ waltung bzw. zur Mitgliedermehrheit, die ein Interesse daran haben mag, die Ausübung dieser Rechte abzublocken. Die Bestimmung von Voraus­ setzungen und Schranken des Informationsrechts ist so betrachtet Bestandteil der innerverbandlichen Machtbalance. Der erwähnte Kontrollaspekt8 hebt das Informationsrecht in den Verbän­ den vom allgemeinen Zivil- und Zivilprozeßrecht ab. Der Grundsatz lautet hier nicht, dem "Gegner” für seine Rechtsverfolgung keine Munition liefern oder seine Klage nicht schlüssig machen zu müssen9; denn es gibt gar keinen Gegner in diesem Sinne. Der informationswillige Gesellschafter nimmt von der Warte der institutionellen Sichtweise aus betrachtet im Interesse der Öf­ fentlichkeit und des Verbandes ein Amt wahr, wobei ihm die Unterstützung der Rechtsordnung gebührt. Die Information ist nicht der einen oder der an­ deren "Seite" mit dem Zuweisungsgehalt einer Eigentumsposition zuzuord­ nen. Vielmehr ist sie schon durch das Gesellschaftsverhältnis vergemeinschaftet. Das etwa vermöge der Amtsstellung erlangte Wissen ist anvertrau­ tes Wissen des Amtsträgers, das nicht für eigene Rechnung verwertet werden 8 Die Kontrollfunktion betonen Lutter DB 1980, 1317 (1320); ders. ZGR 1982, 1 (7, 14); Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 25 ff. 9 Das geht zurück auf die römische Rechtsparömie "nemo contra se edere tenetur".

darf. Anschaulichstes Belegbeispiel hierfür ist die rechtliche Behandlung von Insiderwissen und der Ausgleich rechtswidriger Gewinnerzielung durch eine unbefugte Verwertung von Insiderinformationen. Dieser Ausgleich vollzieht sich zugunsten des Gesellschaftsvermögens, weil das Wissen der Gesellschaft zugewiesen ist. Dieses Vergemeinschaftungsmoment fehlt allgemeinen Aus­ kunfts- oder Aufklärungsbeziehungen ansonsten regelmäßig. Das Wissen, welches im Verbandsrecht zu administrieren ist, steht dem Verband zu. Die Mitglieder und die Verwaltung dürfen sich seiner zur Erfüllung ihrer jewei­ ligen Aufgaben bedienen. Es ist seiner Natur nach kein property right, bei dem der Grad der Zugriffsberechtigung rechtlich10 von irgendeiner Beteili­ gungshöhe abhängt.

II. Die Dogmatik des Informationsrechts Generell darf man feststellen, daß bei Kleinverbänden, typischerweise Personengesellschaften, die Mitglieder weitergehende Informationsrechte ha­ ben als in Groß verbänden. Bei den Kleinverbänden geht die Berechtigung auf Einsichtnahme und Auskunft, bei den Publikumsverbänden ist die regel­ mäßige Form der Informationsgewährung - neben der Untemehmenspublizität - die Auskunftserteilung in der Mitgliederversammlung (§131 AktG). Es fragt sich jedoch, ob man eine so weitreichende Differenzierung abstrakt und ausschließlich auf die Rechtsform bezogen treffen kann oder ob nicht daneben der Typus oder die Realstruktur eines Verbandes als Entscheidungs­ kriterien Berücksichtigung finden müssen. Dies mündet in die Frage, ob nicht ein alle Verbände umspannendes Konzept des Informationsrechts jen­ seits der Rechtsformgrenzen existiert11. 1. Der Inhalt des Informationsrechts

Eine Zusammenschau der Gesetzeslage bei den einzelnen Rechtsformen ergibt ein recht diffuses Bild des individuellen Informationsrechts. Seine Bandbreite reicht von der Einsicht in die Geschäftsbücher und Papiere der 10 Tatsächlich haben Großaktionäre jedoch bessere Möglichkeiten, sich eine Information von der Verwaltung zu beschaffen. Insbesondere können sie sich neben § 131 AktG ihrer Gewährsleute in der Verwaltung bedienen. Hierfür ist allen Aktionären unter dem Blickwin­ kel der Gleichbehandlung ein billiger Ausgleich zu geben; § 131 Abs. 4 läuft gegenüber ei­ ner informellen Informationserteilung regelmäßig leer. Wenn gegenüber einer Ausweitung der Informationsrechte der Aktionäre eingewandt wurde, daß die Mißbrauchsgefahr hier zu groß sei, ist zu entgegnen, daß bei Informationserteilung auf informellen Wegen noch weni­ ger Gewähr für eine zweckgemäße Verwendung der Information besteht. 11 Umfassend hierzu Karsten Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Ver­ bänden, 1984, S. 13 ff.; aus der Rechtsprechung BGH WM 1983, 910 (911); 1984, 807 (808); OLG Hamm WM 1986, 740; OLG Köln WM 1986, 36 (40).

Gesellschaft (§§ 716 BGB, 118 HGB) über das Recht, sich Abschriften von diesen Dokumenten zu fertigen, bis hin zu einem Auskunftsanspruch gegen Mitglieder der Verwaltung. Eine Sonderstellung nimmt die Sonderprüfung nach §§ 142 ff. AktG ein. Sie zählt ebenfalls zu den Informationsrechten im weiteren Sinne, ist hier aber nur kursorisch zu behandeln. Ihr Zweck ist die Aufdeckung bestimmter Vorgänge in der Gesellschaft, so daß anschließend über die Verfolgung von Ersatzansprüchen entschieden werden kann. Der Prüfungsbericht ist auf Verlangen jedem Aktionär in Abschrift zugänglich zu machen (§ 145 Abs. 4 Satz 4 AktG) und muß schonungslos sogar Tatsachen offenlegen, deren Bekanntwerden geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs erforderlich ist (§ 145 Abs. 4 Satz 2 AktG). Der Sonderprüfer ist auch im Falle gericht­ licher Bestellung Organ der Gesellschaft, doch ist er zugleich verlängerter Arm für den nach Information strebenden Gesellschafter, der die gesetzlich vorgeschriebene Mindestanteilsbesitzhöhe erreicht (§ 142 Abs. 2 AktG). Die Informationsrechte bestehen zum Teil kumulativ, zum Teil können die Mitglieder nur Auskunft oder Einsicht verlangen. Gegenüber dieser hi­ storisch gewachsenen Gesetzeslage wird mit Recht eingewandt, daß das In­ formationsrecht in den Verbänden ein einheitliches ist12. Nicht pauschal beantworten läßt sich, ob das Auskunfts- oder das Ein­ sichtsrecht wertvoller ist oder welches dieser Rechte weiterreicht13. Alle Va­ rianten des Informationsrechts gehören zusammen und ergänzen einander. Welches am wertvollsten ist, hängt von der jeweiligen Situation und vom In­ formationsbedarf des Gesellschafters ab. Das Einsichtsrecht ist die unmittel­ barste Erkenntnisquelle, wenn es um die Informationsgewinnung in bezug auf Geschäftsunterlagen geht. Der Einsichtnehmende kann aus dem gesich­ teten Material seine Schlüsse ziehen und sodann weiter forschen. Das Ein­ sichtsrecht setzt keine Vorkenntnisse voraus, sondern ist gerade zugeschnit­ ten auf die Lage, in der vielleicht ein bloßer Anfangs verdacht vorhanden ist14. Das Auskunftsrecht ist neben dem Einsichtsrecht wichtig für den ge­ samten Bereich des in den Geschäftsbüchern nicht urkundlich erfaßten oder nicht erfaßbaren Wissens. Das Auskunftsrecht hat komplementäre Funk­ tionen, kann aber das Einsichtsrecht nicht ersetzen. Im Zustand schlichter Ahnungslosigkeit kann das Auskunftsrecht nicht sinnvoll ausgeübt werden. 12 Zutreffend Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 III e (S. 628). 13 BGHZ 14, 53 (59) hat das Auskunftsrecht offenbar als das weitergehende Recht an­ gesehen, da es sich hier nicht wie bei dem Recht auf Einsicht um ein Gewährenlassen, son­ dern um ein positives Tun handelt. 14 Deshalb gilt es festzuhalten, daß das Einsichtsrecht in der Regel keinen wichtigen Einsichtsgrund verlangt. Eine Ausnahme bildet insoweit § 166 Abs. 3 HGB.

Eine Auskunft der Verwaltung an die Gesellschafter bleibt, auch wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen erteilt ist, subjektiv gefärbt. Der die Aus­ kunft Erteilende wird - seine Redlichkeit immer unterstellt - ihm unwich­ tig Erscheinendes fortlassen, das aber für den die Auskunft Begehrenden ge­ rade wichtig sein mag. Das wesentliche Manko der bloßen Auskunft liegt in der fehlenden Verifizierbarkeit der Information, solange sich der Antrag­ steller von ihren Grundlagen, nämlich den Büchern der Gesellschaft, nicht selbst Gewißheit verschaffen darf. Auskunfts-, Einsichts- und Abschriftsrecht gehen auf die Initiative des Gesellschafters zurück. Es handelt sich gewissermaßen um Holschulden, während die kollektive Informationspflicht der Verwaltung gegenüber dem Verband Bringschuldcharakter trägt. Hierher rechnet schließlich die von be­ stimmten Verbänden zu erfüllende Publizität in ihrer Rechnungslegung nach dem Publizitätsgesetz. Sie belegt die genannten Berührungspunkte von In­ formationsgewährung, Verbandsaufsicht und Kapitalmarktordnung. Ver­ bände, die regelmäßig am Kapitalmarkt präsent sind, müssen sich durch ob­ ligatorische Informationsgewährung einer Kontrolle besonderer Art und Effi­ zienz unterwerfen, die die Abstimmung des anlagesuchenden Publikums mit den Füßen (Austritt über die Börse) ermöglicht. 2. Träger und Verpflichteter des Informationsrechts

Das Informationsbegehren ist an die Adresse des Verbandes zu richten, da es aus dem ihm zuzurechnenden Wissen zu befriedigen ist. Im Informations­ erzwingungsverfahren ist der Verband passivlegitimiert. Die Information ist allerdings durch Vermittlung natürlicher Personen, nämlich der Organmit­ glieder, zu erteilen. Träger des Informationsrechts ist grundsätzlich jedes Mitglied. Weiterhin sind die Mitglieder der Verwaltungsorgane aufgrund ih­ rer Amtsstellung informationsberechtigt, selbstverständlich ist dies aber nicht. Informationsstreitigkeiten betreffen nicht allein das individuelle In­ formationsrecht des Mitglieds gegen den Verband, sondern zunehmend vor allem in mitbestimmten Unternehmen - die Ebene der Unternehmens­ führung. Bei der Aktiengesellschaft entspricht der Berichtspflicht des Vor­ standes gegenüber dem Aufsichtsrat ein Unterrichtungsrecht der Aufsichts­ ratsmitglieder (§ 90 Abs. 3 und 5 AktG). Das Aufkommen dieser Streitig­ keiten zwischen Gesellschaftsorganen hat die Rechtswissenschaft vor neue Aufgaben gestellt, auf die weder das Gesellschafts- noch das Verfahrensrecht vorbereitet waren15. Das privatrechtliche Organverfassungsstreitverfahren16 15 15 Zum Organstreitverfahren statt vieler Bork ZGR 1989, 1; umfänglichen Nachweisen zum kontroversen Meinungsstand.

ders.

ZIP 1991, 137 mit

wurde entdeckt und mit Recht für statthaft befunden, weil das mit ihm zu verwirklichende Anliegen, nämlich die Aufrechterhaltung des für das Funk­ tionieren der Gesellschaft notwendigen innergesellschaftlichen Informations­ flusses, schwerer wiegt als die eher auf rechtstechnischer Ebene anzusiedeln­ den Fragen der Rechtsfähigkeit der Verbandsorgane im Organstreitverfah­ ren16 17 oder ob das Aktiengesetz dieses Verfahren überhaupt einführen wollte.

3. Voraussetzungen und Schranken des Informationsrechts

Das Informationsrecht kennt mehrere Voraussetzungen bzw. Schranken, die nicht stets im Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben. Ihre Konkreti­ sierung über Rechtsformgrenzen hinweg leistet einen beispielhaften Beitrag zur Herausbildung allgemeinverbandsrechtlicher Institutionen18. Als Ergeb­ nis dieses Prozesses läßt sich ein ganzheitliches Verständnis des Informa­ tionsrechts gewinnen, bereinigt um das historisch überkommene Gefälle zwi­ schen den einzelnen Rechtsformen. a) Grundvoraussetzung ist ein Informationsverlangen (Antrag), das an die Verwaltung bzw. an die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter zu richten ist. Beim individuellen Informationsrecht nimmt das Gesetz mit Recht den Standpunkt ein, daß der Gesellschafter seinen Informationsbedarf anmelden muß, da die Verwaltung nicht ahnen kann, worin dieser besteht. Eine wirk­ same Antragstellung verlangt grundsätzlich nicht, daß der Antragsteller einen (wichtigen) Informationsgrund darlegt19. Das Informationsbegehren ist an keine besondere Form gebunden. Es muß schließlich nicht den Informations­ gegenstand fest umreißen20, weil sonst ein schlechter Kenntnisstand zur Zu­ rückweisung des Antrags führen müßte und die Verwaltung das Informa­ tionsrecht gegenstandslos machen könnte, indem sie die Gesellschafter im Zustand der Ahnungslosigkeit beläßt. Der Antrag ist grundsätzlich weder 16 In BGHZ 106, 54 - "Adam Opel" - deutet sich an, daß der aktienrechtliche Organ­ streit in Zukunft nicht allein Informationsansprüche betreffen wird. 17 Für eine wenigstens relative Parteifähigkeit der Gesellschaftsorgane Lutter, Infor­ mation und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2. Aufl. 1984, S. 69 ff.; Hommelhoff ZHR 153 (1979), 288 (305 f.); RAISER ZGR 1989, 44 ff.; Bork ZGR 1989, 1 (22 ff.); ders. ZIP 1991, 137 (143 ff.); gegen die Parteifähigkeit der Gesellschaftsorgane im Organstreit­ verfahren Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 V (S. 405 ff.); H. Westermann, Festschrift für Bötticher, 1969, S. 368 (375 ff.); Stodolkowitz ZHR 154 (1990), 1 ff.; H.-J. Mertens ZHR 154 (1990), 24 ff.; OLG Hamburg AG 1992, 197. 18 So im Ansatz bereits Karsten Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 32 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1986, § 21 III (S. 513 ff.); ders., in: Festschrift für Kellermann, 1991, S. 389. 19 Vgl. für die Aktiengesellschaft OLG Hamburg AG 1970, 50 (51); Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1974, § 131 RdNr. 28 m.w.N.; für die GmbH Rowedder/Koppensteiner, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 51a RdNr. 7. 20 Zutreffend Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 66 f.

zeit- noch ortsgebunden. Jedoch sind die allgemeinen Verwirkungsfristen zu beachten, d.h. lange zurückliegende Ereignisse, die mit sonstigen Kontroll­ rechten nicht mehr angreifbar sind, können in der Regel nicht mehr Gegen­ stand eines Informationsbegehrens sein. Eine Ausnahme gilt für das Aus­ kunftsrecht nach § 131 AktG. Da es in der Hauptversammlung wahrzuneh­ men ist, sind ihm automatisch Schranken in örtlicher und zeitlicher Hinsicht gezogen. b) Das Informationsrecht darf nur von einem Mitglied des Verbandes oder eines seiner Organe erhoben werden, da die Rechtsausübung höchstpersönlicher Natur und nicht von der Mitgliedschaftsbeziehung abspaltbar ist. Es ist überaus fraglich, ob ein Nießbrauchsberechtigter, ein Pfandgläubiger oder ein bevollmächtigter Dritter selbständig gegenüber der Gesellschaft Informationen einfordem kann21. Streitig ist schließlich, ob einem ausgeschiedenen Gesellschafter noch Informationsrechte zukommen22. Dies dürfte jedenfalls in dem Umfange zu bejahen sein, in dem eine Information für die Abwicklung des Ausscheidens aus der Gesellschaft, etwa für die Berechnung des Abfindungsguthabens, notwendig ist. Das Informationsrecht erstreckt sich auf sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft23 unter Einschluß des von ihr betriebenen Unternehmens24. An­ gelegenheiten der Gesellschaft können insbesondere die Beziehungen zu ver­ bundenen Unternehmen und deren Angelegenheiten sein25. Definiert man die gegenständlichen Grenzen des Informationsrechts enger, so besteht die Gefahr einer Tätigkeitsverlagerung im Unternehmensverbund, die das Informationsrecht ebenso wie andere Mitverwaltungsrechte der Gesellschafter ins Leere laufen läßt. Das Mitglied hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf konzemweite Information26. Ein Investment in der Muttergesellschaft arbeitet ebenso in der Tochter, das Investment in der

21 Eingehend mit Nachweisen pro und contra Wohlleben (wie FN 20), S. 57 ff. 22 Dazu Wohlleben (wie FN 20), S. 63 ff. 23 Vgl. §§ 716 BGB, 118 HGB, 131 Abs. 1 AktG, 51a GmbHG - §§ 166 HGB, 233 HGB n.F. für die Kommanditgesellschaft bzw. die stille Gesellschaft. 24 "Angelegenheiten der Gesellschaft" sind u.a. alle bilanzierungspflichtigen Daten, Ge­ schäftsverbindungen, Planungsarbeiten, Kostenrechnungen, Lizenzen, steuerlich relevanten Vorgänge, Fragen der Geschäftsführung, Geschäftsführervergütungen, Pensionszusagen an Geschäftsführer oder Nebentätigkeiten von Geschäftsführern. Weitere Einzelfälle bei Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 104 ff. 25 Die in weitem Umfang frei gestaltbare betriebswirtschaftliche Organisation einer Unternehmung darf im Ergebnis also nicht über das zwingende Informationsrecht entschei­ den, vgl. BGHZ 25, 115 (118); WM 1983, 910 (911); OLG Köln OLGZ 1967, 362 (364). 26 Hierzu Karsten Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 33/34 m.w.N.

Tochter unterliegt der Bestimmung durch die Mutter oder durch andere Konzemgesellschaften. c) Zum Teil hat man als Voraussetzung für jedes Informationsbegehren ein besonderes Informationsbedürfnis gefordert27. Entwickelt wurde diese Auffassung für das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters, dessen ge­ setzliche Neuregelung als zu weit empfunden wird. Der Anwendungsbereich des Informationsbedürfnisses soll aber auch außerhalb des GmbH-Rechts lie­ gen und zum Allgemeinen Teil des Informationsrechts in den Verbänden zählen. Man begründet dies einmal aus der zu weiten Fassung des § 51a GmbHG, zum anderen aus einer Parallelbetrachtung zum Rechtsschutzbe­ dürfnis als Sachurteilsvoraussetzung im Zivilprozeß28. Obwohl kein wich­ tiger Informationsgrund darzulegen ist, besteht diese Auffasssung auf einem konkreten Informationsinteresse des Antragstellers29. Richtig ist, daß das In­ formationsrecht den allgemeinen Vorbehalten gegenüber der Ausübung sub­ jektiver Rechte unterliegt. Bei der Prüfung dieser Vorbehalte und Schranken ist das Informationsbegehren gegen die kollidierenden Belange Dritter oder der Gesellschaft, z.B. Schutz von Betriebsgeheimnissen, abzuwägen. Ob da­ neben noch Raum für das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Informa­ tionsbedürfnisses verbleibt, hängt entscheidend von den Konsequenzen für die Rechtsausübung ab. Problematisch wäre es, wenn man damit den Infor­ mationsfluß insgesamt eindämmen wollte. Über die prozessuale Beweislast­ verteilung wirkt sich jede zusätzliche TatbestandsVoraussetzung als Ein­

27 Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal befürwortet namentlich Karsten Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 35 ff.; ders., in: Festschrift für Kellermann, 1991, S. 389 ff.; Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, §51a RdNr. 20; ihm folgend Baumbach/Hueck/Zöllner, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 51a RdNr. 20 ff.; Wischenbart, Informationsbedarf und Informationsrecht im Gesellschaftsrecht, 1986, S. 148 ff.; a.A. aus der Rechtsprechung OLG Stuttgart GmbHRdsch. 1983, 242; KG GmbHRdsch. 1988, 221 (223). 28 Vgl. Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl 1995, § 51a RdNr. 8. Hinzuweisen ist allerdings auf die filtrierende Funktion des Rechtsschutzbedürfnisses im Prozeßrecht. Das Rechtsschutzbedürfnis dient der Prozeßökonomie sowie der Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Der Kläger soll mit seinem Rechtsschutzbegehren die Gerichte nicht belasten, wenn er sein Ziel auf einem anderen, d.h. einfacheren oder billigeren und dabei gleich effizienten Weg zu erreichen vermag. Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine Kategorie des Verfahrensrechts, nicht des materiellen Rechts. Mit der Situation des Informations­ erzwingungsverfahrens ist dies nicht vergleichbar, weil die Durchsetzung des Anspruchs dort für den Antragsteller i.d.R. die einzige Möglichkeit sein wird, in den Besitz der ge­ wünschten Information zu gelangen. 29 Gegen die Lehre vom besonderen Informationsbedürfnis bereits RGZ 148, 278 (279) zu § 716 BGB; aus der Literatur Lutter ZGR 1982, 1 (4); Grunewald ZHR 146 (1982), 221 (222); v.Bitter ZIP 1981, 825 (829); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. 1992, S. 302; Lutter/Hommelhoff, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 51a RdNr. 3; Wohlleben (wie FN 20), S. 77 ff.

schränkung des Informationsrechts selbst aus30. Nicht mehr die Gesellschaft müßte die Verweigerung der Information begründen, sondern es wäre zunächst am Gesellschafter, sein persönliches Informationsbedürfnis darzu­ tun31. Die Gegenansicht betont zwar, daß mit dem Informationsbedürfnis keine Verschiebungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast eintreten sollen. Dennoch stellt sich die Frage nach der Behandlung des Antrags im non liquet. Die Informationsrechte in den Verbänden haben einen zu hohen Stellenwert, um auf diese Weise eingeschränkt zu werden. Am Erfordernis des Informationsbedürfnisses könnten namentlich die bloßen Verdachts­ recherchen scheitern, wo ein Gesellschafter nur einen vagen Verdacht hat und sich der Wert der Information ex ante noch nicht abschätzen läßt32. Das Beharren auf dem Merkmal des Informationsbedürfnisses ist nicht notwen­ dig, um einen Mißbrauch des gewonnenen Wissens in den Händen des Ge­ sellschafters zu bewirken. Unabdingbare Kehrseite des Informationsan­ spruchs ist die Pflicht, die anvertrauten Erkenntnisse vertraulich zu behan­ deln. Andernfalls macht sich der Gesellschafter schadensersatzpflichtig. d) Das Informationsrecht in den Verbänden kennt Schranken, die im Lichte der Bedeutung dieses Rechts überhaupt zu konkretisieren sind. Die Mitgliedschaft ist die rechtliche Basis der Berechtigung und ihr Bezugspunkt. Die Informationsgewährung erfolgt im Hinblick auf mitgliedschaftsimma­ nente Belange, die es von außergesellschaftlichen Interessen abzugrenzen gilt33. Der Gesellschafter ist mit denjenigen Informationen zu versorgen, die er zur sachgerechten Ausübung seiner Rechte benötigt. Sein Informations­ begehren hat verhältnismäßig zu sein und muß in Umfang und Intensität die Ressourcen der Gesellschaft schonen34. Aufwand und prospektiver Ertrag der Informationsbeschaffung sind in Beziehung zu setzen. Andererseits ist zu bedenken, daß die Verwaltung geneigt ist, solche Begehren als lästig und zeitraubend hinzustellen, die sie von Wichtigerem abhält. Demgegenüber ist anzumerken, daß auch die Erledigung von Informationsbegehren zu den Aufgaben der Verwaltung gehört. Die Schwelle der Verhältnismäßigkeit darf nicht zu niedrig angesetzt sein. Die Verhältnismäßigkeit darf insbesondere nicht dazu dienen, eine Hierarchie zwischen den Formen denkbarer Infor­ mationsgewährung zu konstruieren, wonach sich der Antragsteller etwa mit 30 Zur Beweislastverteilung vgl. HACHENBURG/HÜFFER, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 51b RdNr. 14; Tietze, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 1985, S. 17 ff.; Wohlleben (wie FN 20), S. 76 ff. 31 Tietze (wie FN 30), S. 17; Wohlleben (wie FN 20), S. 77 ff. 32 Zutreffend Wohlleben (wie FN 20), S. 76 f. 33 So namentlich H.-J. Mertens, in: Festschrift für Werner, 1984, S. 557. 34 Nachweise bei HACHENBURG/HÜFFER, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 51a RdNr. 62 ff.

einer Auskunft zufriedengeben muß, weil die Gewährung der Einsichtnahme in die Papiere und Dokumente der Gesellschaft zu viele Kräfte bindet35. Dem Gesetz ist eine solche Rangordnung fremd36, vielmehr behält es dem Gesellschafter das Wahlrecht vor. Die Information darf, wie § 51a GmbHG jetzt festhält, keinen gesell­ schaftsfremden Zwecken dienstbar gemacht werden. Das Informationsrecht ist kein gesetzlich sanktioniertes Instrument der Betriebsspionage. Die Aus­ kunft ist zu versagen, wenn der Verwendungszweck gesellschaftsschädlich oder jedenfalls nicht gesellschaftsförderlich ist. Die Zweckwidrigkeit muß nicht als geplant nachgewiesen sein37. Ausreichend ist das Vorliegen von In­ dizien, die eindeutig auf eine zweckwidrige Verwendung schließen lassen, etwa die Beteiligung des Antragstellers an einem Konkurrenzunternehmen und ein wettbewerbsrelevanter Bezug der begehrten Information38. Eine ab­ solute Schranke der Informationserteilung ist die Strafbarkeit der Verwal­ tungsträger39, eine relative Schranke ist der Schutz personenbezogener Da­ ten40. Die Entscheidung über das Informationsbegehren obliegt in der Regel den geschäftsführungsbefugten Organen. Mitunter verlangt das Gesetz bei Ab­ lehnung des Informationsgesuchs einen Beschluß der Mitgliederversamm­ lung41. Bei Verweigerung der Auskunft ist eine gerichtliche Informations­ erzwingung statthaft. Gibt das Gericht dem Antrag statt, so ist automatisch auch der ablehnende Gesellschafterbeschluß gegenstandslos, ohne daß es noch einer förmlichen Beschlußanfechtung bedürfte42.

35 So in der Tat BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 51a RdNr. 22 m.w.N.; sowie Lutter/Hommelhoff, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 51a RdNr. 4. 36 KG GmbHRdsch. 1988, 221 (222). 37 BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 51a RdNr. 25 mit Nachweisen 38 OLG Karlsruhe GmbHRdsch. 1985, 362 (363). 39 Vgl. etwa § 85 GmbHG. 40 Dazu umfassend Ehmann AcP 188 (1988), 230 (259 ff.). In größeren Unternehmen kann mit Bezug auf gewisse Informationsgegenstände dem Informationsbegehren der Schutz personenbezogener Daten entgegenstehen. Die Verwaltungsorgane müssen dies grundsätzlich beachten. Die Verwaltung kann allerdings ein Informationsgesuch nicht pauschal mit dem Hinweis auf den Datenschutz zurückweisen, indem sie das Recht auf informationeile Selbstbestimmung als Schutzschild gebraucht. Vielmehr muß die Verwaltung solchenfalls Namhaftmachung ihrer Identität bzw. Übermittlung der relevanten Daten beim Berechtigten zu erwirken versuchen, vgl. LG Frankfurt am Main NJW 1985, 2767. 41 Vgl. § 51a Abs. 2 S. 2 GmbHG. 42 Zum Verhältnis von Anfechtungsklage und Auskunftserzwingungsverfahren BGH GmbHRdsch. 1988, 213; HACHENBURG/HÜFFER, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 51b RdNr. 21.

4. Durchsetzung des Informationsrechts und Rechtsfolgen der Informationsverweigerung

Wird das Informationsbegehren nicht gehörig erfüllt, ist nach den Mög­ lichkeiten seiner zwangsweisen Durchsetzung zu fragen. Das Erkenntnisver­ fahren folgt nicht in allen Verbänden einem einheitlichen Muster, sondern wird zum Teil im streitigen Zivilverfahren, im GmbH- und Aktienrecht da­ gegen im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geführt43. Die erstmals im Aktienrecht vollzogene Streitzuweisung an die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde mit der größeren Flexibilität dieses Ver­ fahrens begründet: Dort herrscht in erster Instanz kein Anwaltszwang, das Verfahren ist nicht öffentlich, die Rechtsmittel sind begrenzt, der Richter ist in seiner Verhandlungsführung freier, das Verfahren ist kostengünstiger und schließlich obliegt dem Gericht die Erhebung der streiterheblichen Beweise (§ 12 FGG)44. Die freiwillige Gerichtsbarkeit bietet den weiteren Vorzug ei­ ner gegenüber den §§64 ff. ZPO erleichterten Beteiligung Dritter am Ver­ fahren. Für die Informationserzwingung in den Personalgesellschaften ver­ bleibt es bei der Entscheidungszuständigkeit der Zivilgerichte45. Rechtsform­ spezifisch ist diese Zweiteilung nicht erklärbar. Sie kann auch nicht davon abhängen, ob der Antragsteller Auskunft oder Einsicht begehrt. Jedenfalls ist die Frage aufzuwerfen, ob das eine oder das andere Verfahren effizienter und mit dem Kontrollzweck der Informationsrechte besser vereinbar ist. Über alle aus Anlaß der Wahrnehmung von Gesellschafterrechten entste­ henden Streitigkeiten entscheiden traditionsgemäß die Zivilgerichte. Für die Herauslösung der Informationsstreitigkeiten aus diesem Prozeßrahmen sind gewichtige Gründe darzutun, zumal die Zuständigkeitsbegründung der frei­ willigen Gerichtsbarkeit Nachteile mit sich bringt. Hinsichtlich der Schnel­ ligkeit und Elastizität dieses Verfahrens existieren bis heute keine aussage­ kräftigen Statistiken, die diesen Schluß rechtfertigen46. Erkauft wird die 43 §§ 51b GmbHG, 132 Abs. 3, 99 Abs. 1 AktG. Die richterliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a GmbHG wird mit Recht für schiedsfähig ge­ halten, Karsten Schmidt ZIP 1987, 218; Hachenburg/Hüffer, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 51b RdNr. 24. 44 Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 188 ff. mit Nachweisen zu den gesetzgeberischen Erwägungen. 45 Siehe aber die Ausnahme in § 166 Abs. 3 HGB. 46 Skeptisch auch Back, Verfahrensbeschleunigung durch Zuweisung von Leistungskla­ gen in den Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit?, Diss. Hamburg 1986, S. 8 ff., 189 ff.; ebenso Karsten Schmidt, in: Lutter/Ulmer/Zöllner (Hrsg.), Festschrift 100 Jahre GmbHGesetz, 1992, S. 559 (580 ff.). In der Begründung des Regierungsentwurfs zum jetzigen § 132 AktG (vgl. Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 189) findet sich zu dem ganzen Fragen­ komplex nur der kryptische Hinweis, das Verfahren nach der Zivilprozeßordnung sei für den Streit über das Auskunftsrecht "nicht recht geeignet".

Verfahrensbeschleunigung, die nicht Selbstzweck ist, durch eine rechtsstaat­ lich nicht ganz unbedenkliche Abkürzung des Instanzenzuges47. Nach aller Erfahrung ist die Prozeßdauer im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie im allgemeinen Zivilverfahren nicht ausschließlich von den Verfahrensmaximen und -förmlichkeiten abhängig. Entscheidend wirken sich vielmehr die Persönlichkeit und der Verhandlungsstil des Richters aus. Wichtig ist, daß dieser den Fall durch umsichtige Prozeßleitung einer ra­ schen Entscheidungsreife entgegentreibt. Auch aus der Geltung des Amtser­ mittlungsgrundsatzes im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit folgt per se noch keine Beschleunigung des Prozesses oder eine Besserstellung des Antragstellers48. Selbst bei Geltung von § 138 ZPO ist gewährleistet, daß das Gericht in Kooperation mit den Parteien den Sach- und Streitstand erör­ tert und darauf hinwirkt, daß sich die Parteien über die entscheidungserheb­ lichen Tatsachen vollständig erklären unter gleichzeitiger Wahrung der Neu­ tralität des Richters. Der Schlüssel ist in der adäquaten Handhabung der §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO zu suchen. Davon abgesehen existiert die Basis für die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht. Informationserzwin­ gungsstreitigkeiten sind echte kontradiktorische Auseinandersetzungen. Die Amtsermittlung paßt zu Verfahren, in denen gleichzeitig die Offizialmaxime herrscht und wo es die objektive Wahrheit zu ermitteln gilt. Typisches Merkmal ist, daß die Beteiligten schon nach materiellem Recht nicht über den prozessualen Anspruch verfügen können. Dies trifft auf die verbands­ rechtlichen Informationserzwingungsverfahren erkennbar nicht zu49. Die Antragsbefugnis gebührt dort ausschließlich den Mitgliedern, von Amts we­ gen sind keine Informationen zu erheben. Informationsstreitigkeiten recht­ fertigen nicht, daß der Richter aus Gründen der rechtlichen Fürsorge dem Antragsteller zur Seite tritt. Hierin unterscheidet sich das verbandsrechtliche Informationserzwingungsverfahren von den Kernmaterien der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Anders als im Entmündigungs- oder Nachlaßverfahren be­ steht keine Gefahr, daß ein Beteiligter die Unerfahrenheit oder Hilflosigkeit eines anderen für seine Zwecke mißbraucht. Deshalb besteht kein Bedarf an 47 Die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung ist nach § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG (i.V.m. § 51b Satz 1 GmbHG) erst infolge besonderer Zulassung möglich. Eine Ent­ scheidung des BGH läßt sich nur unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FGG herbei­ führen. 48 Überzeugend Back (wie FN 46), S. 193 ff. 49 Diese Grundannahme gilt im Gesellschaftsrecht allenfalls für das Verfahren zur Fest­ Stellung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach §§97 ff. AktG. Die richtige Beset­ zung der Gesellschaftsorgane steht, wenn das Verfahren eingeleitet ist, nicht mehr zur Dis­ position der Beteiligten. In anderen Verfahren, die das Gesetz der freiwilligen Gerichtsbar­ keit zugewiesen hat - z.B. das Spruchstellenverfahren nach § 306 AktG - haben die Betei­ ligten dagegen ungleich weiterreichende Dispositionsbefugnisse.

einer fürsorglichen Aufsicht durch das Gericht. Der wesentliche Nachteil der Zuständigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Aktien- und GmbH-Recht liegt in der fehlenden Möglichkeit der Gewährung von einst­ weiligem Rechtsschutz, weil man offensichtlich glaubte, angesichts der Schnelligkeit des Verfahrens darauf verzichten zu können50. Die Verfah­ rensbeschleunigung ist auf einem anderen Wege zu suchen, nämlich zum einen durch die Anerkennung der Schiedsfähigkeit des Informationserzwin­ gungsverfahrens51, zum anderen bei Zuständigkeit der staatlichen Gerichte durch die Schaffung der Möglichkeit einer besonderen Terminierungspräfe ­ renz auf Antrag der Parteien52. Nichts gewonnen ist mit Lösungen wie einer schematischen Zuweisung an die freiwillige Gerichtsbarkeit, wenn damit nur eine Entscheidung über die Geltung oder Nichtgeltung gewisser Verfahrens­ grundsätze gemeint ist. Will man etwa die Nichtöffentlichkeit der Verhand­ lung, so genügt eine Korrektur bei den §§ 169 ff. GVG. Für die Zwangsvollstreckung gilt ohne Rücksicht auf das Erkenntnisver­ fahren die Maßgeblichkeit des Zwangsvollstreckungsrechts der ZPO. Die Vollstreckung eines auf Auskunftserteilung lautenden Titels geschieht nach § 888 Abs. 1 ZPO53. Bei Vollstreckung eines Einsichtstitels ist dagegen streitig, ob sich die Vollstreckung nach §§ 887, 888 oder § 883 ZPO rich­ tet54. Anwendbar ist die Herausgabevollstreckung durch den Gerichtsvoll­ zieher analog § 883 ZPO. Der Gegenansicht ist zwar zuzugeben, daß die Herausgabevollstreckung zur vorübergehenden Wegnahme von Büchern und Unterlagen führen kann, die durch einen nur auf Einsicht lautenden Titel an sich nicht gedeckt ist. Die Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher erfolgt daher nur zeitweilig zur Vorlage an den Vollstreckungsgläubiger. Die Voll50 Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 51b RdNr. 32 mit Nachweisen. 51 Gegen die Schiedsfähigkeit noch LG Mönchengladbach JZ 1987, 99 mit Anm. Bork; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Komm.z.GmbHG, 1987, § 51b RdNr. 8; Rowedder/Koppensteiner, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 51b RdNr. 4; für die Schiedsfähigkeit dagegen OLG Koblenz GmbHRdsch. 1990, 556; Lutter/Hommelhoff, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 51b RdNr. 2; Karsten Schmidt (wie FN 50), § 51b RdNr. 5; ders. ZIP 1987, 218. 52 Das geltende Recht gewährt allerdings keinen Anspruch auf eine bevorzugte Termin­ anberaumung und Entscheidung. Die §§ 216, 272 ZPO lassen dem Gericht einen relativ weiten Ermessensspielraum. Die richterliche TerminsVerfügung ist mittels Beschwerde an­ fechtbar, wenn ihr eine “greifbare Gesetzeswidrigkeit” zugrunde liegt, vgl. OLG Köln NJW 1981, 2263. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die zögerliche Terminierung den Rechtsschutz eines Beteiligten erheblich schmälert. Berührt die Terminierung den grund­ rechtsrelevanten Bereich, haben die Beteiligten einen Rechtsanspruch auf frühe Terminie­ rung, der weiterreicht als eine Ermessensprüfung der Terminierungsentscheidung. 53 OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1992, 171 (172) mit Nachweisen zur Rechtslage bei der GmbH. 54 OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1992, 171 mit Nachweisen zum kontroversen Meinungsstand.

Streckung nach § 883 ZPO befriedigt das Bedürfnis des Gläubigers besser: Bestreitet der Vollstreckungsschuldner den Besitz der vorzulegenden Urkun­ den, so ermöglicht § 883 ZPO eine Nachsuche. Bei ergebnisloser Suche be­ steht Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung55. Fraglich bleibt jedoch, ob die genannten Zwangsmittel in jedem Falle ef­ fizient und verhältnismäßig für die Rechtsverwirklichung sind. Für ihre Evaluation ist erforderlich, einen Blick auf alternative Sanktionen zu werfen, die die gewünschte Information vielleicht mit geringerem Aufwand zutage befördern, weil sie einen subtileren Druck entfalten. Eine spezifisch verbandsrechtliche Sanktion zur Informationserzwingung liegt in der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen verwei­ gerter Auskunft. Sie wäre in anderen Verbänden - etwa in der GmbH, wo dem Gesellschafter nach § 51a ein Anspruch auf Auskunft und Einsicht zu­ steht - sinngemäß auf die Verweigerung der Einsicht in Unterlagen der Ge­ sellschaft zu erstrecken. Nach § 243 Abs. 4 AktG findet die Gesellschaft im Anfechtungsprozeß kein Gehör mit dem Argument, daß die Verweigerung der Auskunft die Beschlußfassung der Hauptversammlung nicht beeinflußt habe. Die Rechtsprechung verlangt, daß die Erteilung der Auskunft bei ob­ jektiver Beurteilung geeignet gewesen sein muß, ein anderes Abstimmungs­ ergebnis herbeizuführen. Die drohende Anfechtung hält die Gesellschaft dazu an, für ausreichende Information der Aktionäre zu sorgen, um den zu fassenden Beschluß vor der Anfechtung zu bewahren. Keine Anfechtung nach § 243 Abs. 1 AktG begründet die Weigerung des Vorstands, für die Nichterteilung der Auskunft eine Begründung zu geben56. Die Erhebung der Anfechtungsklage oder gar die Kassierung des Beschlusses trifft die Gesell­ schaft, wenn wichtige unternehmerische Entscheidungen von ihm abhängen, härter als ein Unterliegen im Auskunftserzwingungsprozeß. Dennoch stehen Beschlußanfechtung und Erzwingungsverfahren gleichberechtigt nebenein­ ander57. Der Aktionär hat die Auswahl zwischen beiden Rechtsbehelfen. Im Aktienrecht wird am deutlichsten sichtbar, wie nachteilig sich die Herauslö­ sung der Informationserzwingung aus dem Zivilprozeß auswirkt, weil der Streit um die Auskunftserteilung und den Beschluß eng miteinander verzahnt sind. Die Beschlußanfechtungsklage muß innerhalb der Monatsfrist (§ 246 55 OLG Hamm OLGZ 1974, 251 (252). 56 BGHZ 101, 1 (8). 57 Zum Verhältnis der Beschlußanfechtung zum Auskunftserzwingungsverfahren BGHZ 86, 1 (4 ff.); Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 243 RdNr. 117 ff.; HACHENBURG/HÜFFER, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 51b RdNr. 21 f.; Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, §243 RdNr. 136; zur Gegenansicht Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1974, § 131 RdNr. 167, § 132 RdNr. 8 ff.

Abs. 1 AktG) erhoben werden, wohingegen die gerichtliche Entscheidung über den Auskunftsanspruch binnen zwei Wochen (§ 132 Abs. 2 Satz 2 AktG) anhängig zu machen ist. Selbst wenn der Auskunftsanspruch verfristet ist, bleibt das Anfechtungsrecht erhalten. Das Prozeßgericht hat dann die Be­ rechtigung der Auskunftsverweigerung inzidenter zu prüfen, kann die Ge­ sellschaft aber niemals zur Auskunftserteilung verurteilen. Ficht der Aktio­ när an, und leitet er das Verfahren nach § 132 AktG ein, so ist die gericht­ liche Entscheidung über die Berechtigung der Auskunftsverweigerung vor­ greiflich und das Anfechtungsverfahren einstweilen auszusetzen (§ 148 ZPO). Dies ist eine unmittelbare Folge der Trennung der sachlichen Ent­ scheidungszuständigkeiten, mit der der Gesetzgeber jedoch keine Schlechter­ stellung des Aktionärs intendiert hatte58. Eine andere effiziente Sanktion der Informationserzwingung beheimatet das Verfahrensrecht. § 444 ZPO spricht für den Urkundenbeweis den verall­ gemeinerbaren Rechtssatz aus, daß die Behauptungen der beweisbelasteten Partei über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde in freier Würdi­ gung der Beweise als bewiesen angesehen werden dürfen, wenn der Gegner die Urkunde in der Absicht, ihre Benutzung unmöglich zu machen, entzieht. Über § 444 ZPO hinaus gilt dieser Rechtsgedanke für alle Formen des Strengbeweises59. Die Rechtsfolgen einer dem Beweisgegner zurechenbaren Beweisvereitelung60 sind im Gesetz nicht abschließend behandelt und werden von den Gerichten vielfach nach Lage des Einzelfalles getroffen. Ausgangs­ punkt ist die freie richterliche Beweiswürdigung. Regelmäßig werden der beweisbelasteten Partei Beweiserleichterungen eingeräumt. Darüber hinaus mag eine echte Beweislastumkehr in Betracht kommen61. Die Rechtsfolge muß vom Schweregrad der Beweisvereitelung abhängen: Vorsätzliches oder absichtliches Beiseiteschaffen von Beweismaterial rechtfertigt die Beweis­ lastumkehr oder gar eine Geständnisfiktion, wenn der beweisbelasteten Partei die Beweisführung nicht mehr zumutbar erscheint. Bei geringerem 58 BGHZ 86, 1 verdient daher Zustimmung. Bei Befolgung der Gegenansicht würde sich die Anfechtungsfrist aus § 246 Abs. 1 AktG auf zwei Wochen verkürzen infolge der Präjudizwirkung der Entscheidung nach § 132 AktG. Wäre dies der Wille des Gesetzgebers gewesen, dürfte man eine unzweideutige Festlegung erwarten. 59 § 444 ZPO wird als die Generalklausel der Beweisvereitelung angesehen, vgl. Stein/Jonas/Leipold, Komm.z.ZPO, 20. Aufl. 1989, § 444 RdNr. 7 m.w.N. 60 Zur Beweisvereitelung insbesondere Baumgärtel, Festschrift für Kralik, Wien 1986, S. 63 ff.; W. Gerhardt AcP 169 (1969), 289; E. Peters ZZP 82 (1969), 200 ff., der auf den wichtigen Gesichtspunkt der Zurechenbarkeit der Beweisvereitelung an den Gegner und dessen Mitwirkungspflicht bei der Beweisführung hinweist. Im Verbandsrecht beantwortet sich das aus dem Informationsrecht des Mitglieds und der Informationspflicht der Verwaltung, die auch vor kompromittierenden Fakten nicht Halt machen. 61 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993, § 117 II 6 a (S. 674) mit Kasuistik.

Verschuldensgrad bewendet es mit schwächeren Formen der Beweis­ erleichterung, etwa einem prima facie-Beweis. Im Verbandsrecht liegt ein wichtiges Anwendungsfeld der Figur der Beweisvereitelung. Die Tatsachen, die das Informationserzwingungsverfahren ans Licht befördern soll, befinden sich typischerweise in der Gewalt des Verbandes und unterliegen der Entscheidungsmacht der Verwaltung. Der hiermit angedeutete Konflikt wird vor allem bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder der Verwaltung augenfällig, wenn sich das Beweismaterial in den Händen derjenigen Personen befindet, gegen die es zum Einsatz kommen soll. Besei­ tigen die haftpflichtigen Mitglieder diese Beweismittel, so ist der Tatbestand der absichtlichen Beweis Vereitelung erfüllt. Sowohl das Beispiel der Beschlußanfechtung nach § 243 Abs. 4 AktG wie die Grundsätze der Beweisvereitelung zeigen, daß die Durchsetzung von In­ formationsansprüchen bzw. die Bewahrung des innerverbandlichen Informa­ tionsflusses nicht entscheidend von Verfahrensmaximen oder von einer Streitzuweisung an die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit abhängt.

5. Informationsrechte im Unternehmensverbund Gegenstand des Informationsrechts sind die Angelegenheiten der Gesell­ schaft. In § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG findet man die Klarstellung, daß sich die Auskunftspflicht auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen erstreckt. Dasselbe hat gemäß § 51a für die GmbH zu gelten, wo dieser Hinweis dem Gesetzgeber als selbstverständlich und entbehrlich erschien62. Die Brisanz der Informa­ tionsrechte im Unternehmensverbund resultiert daraus, daß Dokumente und Unterlagen häufig nur bei einer Gesellschaft aufbewahrt werden, obwohl sie ebenso die rechtlichen Interessen anderer Gesellschaften berühren. Das Ein­ sichtsrecht läuft leer, wenn die betreffenden Unterlagen in einer anderen Ge­ sellschaft desselben Unternehmensverbundes aufbewahrt sind. Nach dem Konzept des Gesetzgebers beschränkt sich das Einsichtsrecht auf die Bücher und Schriften derjenigen Gesellschaft, deren Mitglied der einsichtnehmende Gesellschafter ist. Dies paßt erkennbar nur für die selbständige Gesellschaft. Im Unternehmensverbund sind die "Angelegenheiten der Gesellschaft” nicht mehr mit derselben Trennschärfe identifizierbar, so daß die Informations­ rechte ebenfalls anders zu definieren sind. Im Unternehmensverbund verlaufen die Informationsrechte grundsätzlich nach zwei Richtungen: Der Gesellschafter der Obergesellschaft hat Anspruch 62 Lutter/Hommelhoff, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 51a RdNr. 10, die al­ lerdings in verbundenen Unternehmen nur ein Auskunftsrecht, nicht aber auch ein Einsichts­ recht geben wollen.

auf Information hinsichtlich der Angelegenheiten der Tochtergesellschaft, der Gesellschafter der Tochtergesellschaft hat ein Informationsrecht wegen der verbundrelevanten Vorgänge bei der Muttergesellschaft63. Dies gilt über §§ 131 AktG, 51a GmbHG hinaus für grundsätzlich alle Verbände. Eindeu­ tig ist die Rechtslage, wenn der die Information begehrende Gesellschafter Mitglied der Obergesellschaft ist. Diese ist vermöge ihrer beherrschenden Beteiligung an der Tochter imstande, sich die verlangte Information zu be­ schaffen. Informationsschuldner bleibt aber die Obergesellschaft64. Anders als bei der abgeleiteten Konzerneinzelklage darf der Gesellschafter nicht den Informationsanspruch der Muttergesellschaft direkt bei der Tochter durchset­ zen, was immerhin von Vorteil wäre, wenn Mutter und Tochter dem Begeh­ ren feindlich gegenüberstehen. Schwieriger zu begründen ist das Informa­ tionsrecht des Gesellschafters der abhängigen Gesellschaft gegenüber der Obergesellschaft, weil die abhängige Gesellschaft in der Regel über keinen Anteilsbesitz an der Obergesellschaft verfügt. Der Informationsbedarf erklärt sich daraus, daß der Gesellschafter der Tochter in besonderem Maße auf diese Informationen angewiesen ist, weil er seine Kontrollrechte — z.B. das Einzelklagerecht aus § 309 Abs. 4 AktG - nur dann effektiv wahrnehmen kann. § 309 Abs. 4 AktG ist also ein funktionsentsprechendes Informations­ recht vorauszudenken. Rechtsgrundslage der Informationsansprüche ist die aus der Unternehmensverbindung entspringende Treu- und Loyalitätspflicht, die vom herrschenden Unternehmen die Offenlegung beherrschungsrelevan­ ter Fakten verlangt (arg. §§312 ff. AktG)65. Die hier befürwortete kon­ zernweite Information findet im übrigen ein Vorbild in § 145 Abs. 3 AktG. Mit dieser Norm ist das Fundament für die Reichweite des Anspruchs gelegt. Den Besonderheiten und Gefahren einer konzemmäßigen Verbindung trägt schließlich die Ausweitung des Informationsrechts in § 293 Abs. 4 AktG Rechnung66. Sie gilt allerdings nach der Gesetzessystematik nur für Beherr­ schungsverhältnisse auf vertraglicher Grundlage. Für die faktischen Kon­ zernverhältnisse, wo eine entsprechende Unterrichtungsmöglichkeit sehr zu begrüßen wäre, fehlt eine Regelung, so daß jenseits der §§ 312 ff. AktG nur

63 Ebenso Lutter/Hommelhoff, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 51a RdNr. 11 und 12; a.A. Rowedder/Koppensteiner, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 51a RdNr. 5; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Komm.z.GmbHG, 1987, §51a RdNr. 6; LG Bielefeld BB 1985, 1687. 64 Eingehend Kort ZGR 1987, 46 (69 f.). 65 Kleindiek, Strukturvielfalt im Personengesellschaftskonzem, 1991, S. 297 ff.; Tietze (wie FN 30), S. 51 f. 66 Näher zu § 293 Abs. 4 AktG Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, 4. Aufl. 1992, § 13 VI (S. 206 ff.).

der Rückgriff auf die Treupflicht und das sich aus der Beherrschung erge­ bende Gefüge von Rechten und Pflichten bleibt.

III. Ausgestaltung der Informationsrechte in den Verbandsformen Ein Überblick über die Gesetzeslage in den einzelnen Verbänden läßt z.T. gravierende Unterschiede zutage treten. Die verschiedenen Ausschnitte der Informationsrechte führen in ihrer Aggregation zu einem einheitlichen In­ formationsrecht67. Das Gefälle zwischen den Verbandsformen läßt sich zwar aus dem überkommenen Schablonendenken in Einzelrechtsformen erklären, jedoch nicht rechtfertigen. 1. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Bei der BGB-Gesellschaft bestehen das individuelle Unterrichtungsrecht (§ 716 BGB), das jedem Gesellschafter gebührt, und ein kollektiver Aus­ kunftsanspruch gegen die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter neben­ einander. Es bestimmt sich nach §§ 713, 666 BGB und geht auf Auskunft über alle Gesellschaftsangelegenheiten sowie Rechnungslegung. Beide In­ formationssysteme sind voneinander zu scheiden68, obgleich sie eine Einheit im Interesse der effizienten Führung der Gesellschaft und der Kontrolle ihrer Geschäftsführung bilden. Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht besteht gegenüber der Gesamtheit der Gesellschafter und darf von jedem einzelnen mit Hilfe der actio pro socio durchgesetzt werden69. Das individuelle Infor­ mationsrecht des Gesellschafters nach § 716 BGB beinhaltet die Befugnis, sich persönlich über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten, die Geschäftsbücher und die Papiere der Gesellschaft einzusehen und sich aus ihnen eine Übersicht über den Status des Gesellschaftsvermögens anzu­ fertigen, selbst wenn der Einsichtnehmende von der Geschäftsführung ausge­ schlossen ist. Die Formulierung "unterrichten” in § 716 Abs. 1 deutet an, daß es um eine Informationsbefugnis im umfassenden Sinne geht und daß die nachfolgend erwähnten Arten einer Unterrichtung als eher beispielhafte Auf­ zählung zu werten ist. Zu Recht nimmt man daher an, daß § 716 BGB der

67 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 21 III 1 (S. 625 ff.) und öfter. 68 RGZ 148, 278. 69 MünchKomm-ULMER, BGB, 3. Aufl. 1997, § 713 RdNr. 7; Staudinger/Kebler, Komm.z.BGB, 12. Aufl. 1979, § 713 RdNr. 8; neuerdings BGH GmbHRdsch. 1992, 365.

Anerkennung eines Auskunftsrechts nicht entgegensteht70 und daß dieses Er­ gebnis zeitgemäß ist. Über § 716 Abs. 2 BGB hinaus sind die Informations­ rechte in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts weitgehend in den Rang zwin­ genden Rechts zu erheben71. Dieses Ergebnis folgt zwar nicht direkt aus § 51a Abs. 3 GmbHG, doch ist dieser Norm dem Rechtsgedanken nach zu entnehmen, daß das Informationsrecht zum unverzichtbaren Kem der Mit­ gliederrechte in allen Verbänden zu rechnen ist.

2. Offene Handelsgesellschaft

Für die OHG gilt das zur BGB-Gesellschaft Gesagte entsprechend, weil §118 HGB als die Vorschrift mit der älteren Tradition für § 716 BGB Vor­ bild war. Anders als bei der BGB-Gesellschaft gibt es bei der OHG keine Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 128 HGB). Dies unterstreicht die Notwendigkeit erweiterter Informations­ rechte. Hiermit ist es unvereinbar, das Unterrichtungsrecht des § 118 Abs. 1 HGB als durch den Gesellschaftsvertrag beliebig abdingbar anzusehen72. Wie bei der BGB-Gesellschaft steht den Gesellschaftern neben ihrem Ein­ sichtsrecht ein kollektives Auskunftsrecht aus §§ 713, 666 BGB zu73. Zwar verweist § 118 Abs. 1 HGB nicht unmittelbar auf §666 BGB, doch gilt diese Bestimmung kraft der General Verweisung in § 105 Abs. 2 HGB auf die Normen der GbR. § 118 HGB enthält mithin keine abschließende Regelung der Informationsrechte des OHG-Gesellschafters74. Die ständige Rechtspre­ chung räumt jedem Gesellschafter das Recht ein, über § 118 HGB hinaus Auskünfte zu verlangen. Zu erfüllen ist dieser Anspruch von den geschäfts­ führungsbefugten Gesellschaftern75. Die Entwicklung des Informationsrechts bei der OHG, die durch die Notwendigkeit einer Überbrückung der Lücke zwischen Gesetzestext und Rechtswirklichkeit gekennzeichnet ist, spiegelt 70 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 59 III 3c (S. 1753) mit Nachweisen. 71 Vgl. BGH NJW 1989, 225 betreffend § 166 HGB. 72 So aber die früher überwiegende Meinung, vgl. Nachweise bei Heymann/Emmerich, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 118 RdNr. 18. Freilich sind auch bei der OHG die Implikationen der Entscheidung BGH NJW 1989, 225 zu beachten, so daß heute der Möglichkeit einer vertraglichen Beschränkung des Informationsrechts engere Grenzen als nach § 118 Abs. 2 HGB zu ziehen sind. Dazu auch Schlegelberger/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1992, § 118 RdNr. 32. 73 Anders RG JW 1927, 368; A. HUECK, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, S. 190; SCHlEßL GmbHRdsch. 1985, 109. 74 So zutreffend Heymann/Emmerich, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 118 RdNr. 5 sowie § 114 RdNr. 13 mit zahlreichen Nachweisen pro und contra. 75 ROHGE 25, 344 (345); RG JW 1907, 523; OLG Hamburg JW 1921, 687 mit Anm. Geiler; Karsten Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 62 ff.

damit sehr anschaulich den Prozeß der allmählichen Komplettierung dieses Rechtsinstituts überhaupt wider.

3. Kommanditgesellschaft Die Kommanditgesellschaft ist in § 166 HGB einen eigenen Weg gegan­ gen. § 166 Abs. 1 HGB gewährt dem Kommanditisten das ordentliche In­ formationsrecht, das sich nach § 166 Abs. 3 bei Vorliegen wichtiger Gründe noch erweitert. Diese Regelung ist sonst ohne Vorbild im deutschen Ver­ bandsrecht und geht auf die Übernahme der Vorgängervorschrift aus dem ADHGB zurück. Der Kommanditist hat nach dem Gesetzesbuchstaben ein gegenüber dem OHG-Gesellschafter erheblich reduziertes Informationsrecht (§ 166 Abs. 2). Vorbehaltlich einer weitergehenden Regelung durch den Ge­ sellschaftsvertrag ist er lediglich berechtigt, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bü­ cher und Papiere zu prüfen. Viele Vorgänge - z.B. Ersatzansprüche gegen die Komplementäre — können so nicht hinreichend transparent werden. Das weiterreichende außerordentliche Informationsrecht ist nur bei Vorliegen wichtiger Gründe auf gerichtliche Anordnung (§166 Abs. 3 HGB) gegeben. Der positive Normenbestand des KG-Rechts deckt den tatsächlichen Infor­ mationsbedarf des Kommanditisten nicht ab76. Dies betrifft vor allem die Sonderformen der KG, die sich abseits des § 166 HGB zugrundeliegenden Leitbildes entwickelt haben. Der Hinweis auf die summenmäßig beschränkte Kommanditistenhaftung verfängt nicht, zumal wenn man die Funktion des Informationsrechts als Kontrollrecht in den Vordergrund rückt. Von der be­ schränkten Haftung läßt sich nicht auf einen beschränkten Informations­ bedarf schließen. Der Hinweis darauf, daß der Kommanditist keinem gesetzlichen Wettbewerbsverbot unterliegt (§ 165 HGB), rechtfertigt den geringeren Informationsstandard im Ergebnis ebenfalls nicht. Würde er eine erlangte Information dazu verwenden, um die Gesellschaft zu schädigen oder sie für Rechnung eines anderen Handelsgewerbes zu verwenden, so wäre er schadensersatzpflichtig und hätte eine usurpierte Geschäftschance der KG zu überlassen. § 166 HGB enthält keine abschließende Behandlung der Infor­ mationsrechte des Kommanditisten. Insbesondere bleibt über §§161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB der Weg frei zu §§ 713, 666 BGB, der durch § 166 Abs. 2 HGB nicht verlegt ist77. Schließlich ist für § 166 HGB und darüber hinaus zu beachten, daß die neuere Rechtsprechung einer vertraglichen Einengung 76 Schilling, in: GroßKomm.z.HGB, 4. Aufl. 1987, § 166 RdNr. 1; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 II 2a (S. 376); eingehend Karsten Schmidt, Informations­ rechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 65 ff. 77 Überzeugend Huber ZGR 1982, 539 (542 ff.).

der Informationsrechte des Kommanditisten mit großer Skepsis begegnet78. Trotz § 166 Abs. 2 ist demnach für die Kommanditgesellschaft ein an die übrigen Personalgesellschaften angeglichenes Informationsrecht zuzulassen, das Einsichtnahme, Abschriften, Berichtspflicht durch die persönlich haften­ den Gesellschafter und einen individuellen Auskunftsanspruch des Komman­ ditisten umfaßt79. Zu verfolgen sind diese Rechte trotz § 166 Abs. 3 HGB vor den Zivilgerichten. Bei der Publikums-KG muß der besondere Strukturtypus dieser Gesell­ schaftsform als körperschaftlich verfaßter Unternehmensträger auf die Be­ stimmung der Informationsrechte der Anlagekommanditisten durchschlagen. Da es sich bei formaler Betrachtung um eine KG handelt, ist zunächst von § 166 HGB auszugehen. Das zur Fortbildung der Kommanditistenrechte Ausgeführte behält jedoch seine Gültigkeit80. An anderer Stelle - speziell mit Bezug auf die Organverantwortlichkeit - hat die Rechtsprechung den Brückenschlag zum Aktienrecht vollzogen, weil die Publikums-KG ihrem Typus nach Kapitalgesellschaft ist81. Dieselben Überlegungen treffen auf den Bereich des Innenrechts der Publikums-KG unter Einschluß der Informa­ tionsrechte zu82. Dem Anlagekommanditisten gebühren die Informations­ rechte jedes Kommanditisten sowie das Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 AktG. Für die GmbH & Co. KG trägt die herrschende Praxis der Verschachte­ lung zweier Gesellschaftsformen streng formal dadurch Rechnung, daß sie auf die Mitglieder in der Komplementär-GmbH § 51a GmbHG und auf die Kommanditisten § 166 HGB anwendet, obwohl gegenüber dieser Lösung ein gewisses Unbehagen empfunden wird83. Das Ergebnis ist unbefriedigend für den Nur-Kommanditisten und lädt zu Manipulationen geradezu ein. Der 78 BGH NJW 1989, 225; SCHIESL NJW 1989, 1597; KARSTEN SCHMIDT, Gesellschafts­ recht, 3. Aufl. 1997, § 53 III 3d (S. 1541). 79 Gegen ein Informationsrecht des Kommanditisten bezüglich laufender Geschäfte auf der Grundlage von § 166 Abs. 1 HGB jedoch BGH GmbHRdsch. 1992, 365. 80 Zur Rechtslage in der Publikums-Kommanditgesellschaft SCHILLING, in: Groß­ Komm.z.HGB, 4. Aufl. 1987, Anh. § 161 PublKG RdNr. 33. 81 Für die Informationsrechte will BayObLGZ 1985, 257 = NJW 1986, 140 diesen Brückenschlag nicht generell vornehmen; weitergehend mit Recht Baumbach/Hopt, Komm.z.HGB, 29. Aufl. 1995, Anh. § 177a RdNr. 72 sowie § 166 RdNr. 11 ff. Grundlage und Rechtfertigung dieser Ergänzung des KG-Rechts ist der Schutz der Kapitalanleger sowie das öffentliche Interesse an einer Funktionsfähigkeit von Publikumsgesellschaften. Gerade wenn es darum geht, sticht die Parallele zum Recht der Kapitalgesellschaften für die Publi­ kums-KG. 82 Anders BayObLG (wie FN 81) für das Recht auf Sonderprüfung nach § 142 AktG. 83 Vgl. Karsten Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 76 ff.; Schlegelberger/K.-P. Martens, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1986, § 166 RdNr. 50; a.A. Roth/Altmeppen, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 51a RdNr. 40; Schiebl GmbHRdsch. 1985, 109(111).

Nur-Kommanditist wäre auf die Rechte eines Kommanditisten in der perso­ nalistischen KG beschränkt, während derjenige Kommanditist, der gleichzei­ tig Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, seinen Informationsbedarf über § 51a GmbHG decken kann, da das weitgefaßte Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters den informationeilen Durchgriff auf die KG gestattet. Die Verschränkung der beiden Gesellschaftsformen in der GmbH & Co. be­ wirkt aber, daß die Angelegenheiten der einen Gesellschaft nicht von denen der anderen zu trennen sind84. Die in die beiden Gesellschaften eingebrach­ ten Vermögensmassen arbeiten in einem Unternehmen, dessen Träger die KG ist. Bei der Bestimmung der Kommanditistenrechte in der GmbH & Co. ist im Auge zu behalten, daß es sich um ein hypertrophes Gebilde des Ge­ sellschaftsrechts handelt, das seine Existenz letztlich dem Steuerrecht ver­ dankt. Gewollt ist eine juristische Person mit dem Vorteil der Freistellung von der Körperschaftsteuer. Ohne die Frage aufzuwerfen, ob die KG von der Komplementär-GmbH im Sinne der §§ 15 ff. AktG abhängig ist, hat man die GmbH & Co. KG als Einheitsgesellschaft aufzufassen85. In Ansehung des Informationsrechts und -bedarfs ist jeder Gesellschafter als Mitglied der KG wie der Komplementär-GmbH zu betrachten. Nicht selten erfolgt die Beteiligung der Kommanditisten durch Zwischen­ schaltung eines Treuhand-Kommanditisten86. Im Außenverhältnis ist dieser alleiniger Kommanditist. In Massengesellschaften wird von dieser Beteili­ gungsform Gebrauch gemacht, um die Willensbildung zu erleichtern. Die Treuhandkonstruktion findet ein Seitenstück in der eingetragenen Genossen­ schaft mit Vertreterversammlung (§ 43a GenG). Die Zurückdrängung oder Ausschließung der Treugeber durch derartige Repräsentationsmodelle ist durch den beschriebenen Zweck nicht legitimiert. Der Konstruktion des Treuhand-Kommanditisten liegt eine fremdnützige Treuhandbeziehung zu­ grunde, die den Treuhänder in besondere Pflichten einbindet. Die Beteili­ gung der Treugeber ist offengelegt und der Konstruktion wesensimmanent. Der Treugeber gehört bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der gesell­ schaftlichen Organisation an87. Dies muß dazu führen, daß der Treugeber di­

84 Für ein weitergehendes Informationsrecht des Nur-Kommanditisten daher Roth/Altmeppen (vorige FN), §51a RdNr. 41; Schiebl GmbHRdsch. 1985, 109; Karten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, § 53 III 3a (S. 1280); sympathisierend auch Binz/Freudenberg/Sorg BB 1991, 785 (788). 85 Dafür auch Tietze (wie FN 30), S. 15; ablehnend v.Bitter ZIP 1981, 825 (830/31). 86 Zu dieser Gestaltung Schilling, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1987, § 161 RdNr. 41 sowie Anh. § 161 PublKG RdNr. 3. 87 So insbesondere Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 61 III 3c (S. 1832); enger noch Beuthien ZGR 1974, 26 (51 f.).

rekt gegenüber der Gesellschaft seine Informationsrechte wahrnehmen darf und nicht darauf verwiesen wird, diese über den Treuhänder zu realisieren.

4. Aktiengesellschaft

§ 131 AktG gewährt jedem Aktionär unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung einen Auskunftsanspruch in der Hauptversammlung, der neben der Berichts- und Rechenschaftspflicht der Verwaltung besteht. Die Auskunft ist für die Aktiengesellschaft vom Vorstand zu erteilen und darf nur aus den in § 131 Abs. 3 AktG aufgelisteten Gründen verweigert werden88. Die Überprüfung der Verweigerung erfolgt im Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG89, in dem der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden hat, ohne einen eigenen Beurteilungsspielraum der Gesellschaft respektieren zu müssen. § 131 AktG knüpft den Auskunftsanspruch an zwei bedeutsame Einschränkungen: Er ist in der Hauptversammlung auszuüben, und die begehrte Information muß die Angelegenheiten der Gesellschaft be­ treffen sowie zur sachgerechten Beurteilung eines Gegenstandes der Tages­ ordnung erforderlich sein. Vor allem die zweitgenannte Einschränkung hat weitreichende Auswirkungen. Die Gestaltung der Tagesordnung, die von der Verwaltung vorgegeben wird und auf die ein Aktionär nur im Rahmen des § 122 Abs. 2 AktG Einfluß nehmen kann, präjudiziert so das Auskunfts­ recht. Für das Aktienrecht ist kennzeichnend, daß der Aktionär grundsätzlich nur Auskunft in der Hauptversammlung verlangen kann. Sind damit weitere individuelle Informationensrechte versperrt oder läßt sich das Einsichtsrecht aus dem Allgemeinen Teil des Verbandsrechts in das Recht der Aktiengesell­ schaft übernehmen und dort systemkonform integrieren? Bislang sind Zuläs­ sigkeit und Bedarf eines erweiterten Informationsrechts in Gestalt des Ein­ sichtsrechts aus ganz unterschiedlichen Gründen verneint worden90. Zum Teil wird behauptet, bei der AG wiege der Geheimnisschutz schwerer als das 88 Neben dem Kanon der Auskunftsverweigerungsgründe in § 131 Abs. 3 AktG hat OLG Frankfurt am Main AG 1984, 25 (26) den zusätzlichen Grund des Mißbrauchs der In­ formation anerkannt. Angesichts der klaren Sprache in § 131 Abs. 3 Satz 2 AktG muß der Mißbrauchstatbestand aber sehr eng an den Kataloggründen in Satz 1 angelehnt werden, weil Nr. 1 bis 5 schon Ausprägungen des allgemeinen Mißbrauchstatbestandes sind. - Zur Be­ währung der §§ 131, 132 AktG in der Praxis Werner, Festschrift für Heinsius, 1991, S. 911 ff. 89 Dazu Karsten Schmidt, Informationsrechte in den Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 51 f. 90 RGZ 167, 151 (170); v.Godin/Wilhelmi, Komm.z.AktG, 4. Aufl. 1971, § 131 Anm. 2; Karsten Schmidt (wie FN 89), S. 49; Ebenroth, Die Kontrollrechte der GmbH-Gesellschafter, 1971, S. 27 f.; gegen ein Einsichtsrecht des Aktionärs Barz, in: GroßKomm.z.AktG, 3. Aufl. 1972, § 131 Anm. 23; ZÖLLNER, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 131 RdNr. 81 und 83.

Informationsrecht der Aktionäre, weshalb jenes zurückzutreten habe. Bei börsennotierten Gesellschaften ohne vinkulierte Aktien kann sich jeder Kon­ kurrent Aktien besorgen und das Fragerecht in der Hauptversammlung aus­ üben. Dies spricht aber nicht speziell gegen das Einsichtsrecht, sondern be­ trifft ebenso die anderen Formen der Informationsgewährung. Im übrigen wird der Mißbrauch des Auskunftsrechts zum Zwecke der Betriebsspionage von § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG erfaßt. Andere Autoren leiten aus dem Verfas­ sungsaufbau der Aktiengesellschaft Argumente gegen ein Einsichtsrecht her. Insbesondere findet sich der Hinweis auf den obligatorischen Aufsichtsrat und die umfangreiche Berichtspflicht des Vorstandes91. Die Berichtspflicht des Vorstandes ist der Kategorie der kollektiven Informationsgewährung zu­ zurechnen, die nichts mit den Individualrechten der Aktionäre zu tun hat. Die Existenz des Aufsichtsrats verringert den Informationsbedarf der Aktio­ näre nicht. Es ginge an der Unternehmenswirklichkeit vorbei, zu glauben, daß der Aufsichtsrat Ombudsmann für die (Minderheits-)Aktionäre ist. Aus diesem Gedanken ließe sich für § 131 AktG nur Honig saugen, wenn der Aufsichtsrat, gleich einem Sonderprüfer, seine Erkenntnisse der Hauptver­ sammlung vorzulegen hätte. Dies geriete aber in Konflikt mit der Ver­ schwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder. Aus der kapitalistisch-kör­ perschaftlichen Struktur der Aktiengesellschaft schließlich läßt sich nichts für das Sachproblem gewinnen, da die Gesellschaftsstruktur keine Rückschlüsse auf den konkreten Informationsbedarf erlaubt. Käme es darauf an, so müßten bei personalistischen Aktiengesellschaften neben § 131 AktG die personen­ gesellschaftsrechtlichen Informationsstandards gelten. Daraus ergibt sich für die Konzeption des Informationsrechts in der Akti­ engesellschaft: Das Gesetz verbietet nicht, neben § 131 AktG ein Einsichts­ recht zuzulassen. In der neueren Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft ist die Tendenz zur Gewährung weiterer Individualrechte eindeutig91 92. Ein Ein­ sichtsrecht des Aktionärs ist zumindest subsidiär anerkannt93. Es ist an § 131 AktG anzulehnen, insbesondere gelten die Verweigerungsgründe in § 131 Abs. 3 entsprechend. Ein Hauptversammlungsbeschluß, der auf der Verkür­ zung des Einsichtsrechts beruht, wäre analog § 243 Abs. 4 AktG anfechtbar. Das Einsichtsrecht ist insbesondere geeignet, eine erteilte Auskunft zu verifi­ zieren. Der Aktionär muß nicht generell zunächst das Auskunftsrecht in An­ spruch nehmen. Er kann sich vielmehr der unmittelbarsten Form der Infor­ 91 Karsten Schmidt (wie FN 89). 92 BGHZ 83, 122 - "Holzmüller”. 93 BGHZ 101, 1 (15 f.). Zur Bedeutung des Einsichtsrechts Gustavus GmbHRdsch. 1989, 181 (182) betreffend § 51a GmbHG, wonach das Einsichtsrecht das wichtigste und am meisten nachgefragte Informationsrecht ist.

mation bedienen. Soll die Information Aufschluß über den Inhalt einer Ur­ kunde bringen, ist die Einsichtnahme die unmittelbarste Erkenntnisquelle und nicht die Beschreibung solcher Dokumente in Form einer mündlichen Aus­ kunft durch den Vorstand in der Hauptversammlung. 5. Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die Novelle von 1980 brachte für die GmbH eine minderheitenfreund­ liche Neuordnung der Informationsrechte. Diese ist das Produkt der früheren Rechtsprechung und einer lange andauernden Diskussion im Schrifttum94. Das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters richtet sich auf Auskunft und Einsicht. Es darf lediglich versagt werden, wenn zu besorgen ist, daß der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und da­ durch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufugen wird, § 51a Abs. 2 Satz 1. Die Verweige­ rung bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter, § 51a Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Diese Bestimmungen sind nach § 51a Abs. 3 zwingend. Die Kodifizierung des Informationsrechts in der GmbH ist überwiegend auf Kritik gestoßen, weil seine tatbestandlichen Voraussetzungen zu kontu­ renlos seien95. Auch die Verweigerungsgründe in § 51a Abs. 2 seien unzu­ reichend, weil sie noch hinter § 131 Abs. 3 AktG Zurückbleiben. Die Dis­ kussion um die angemessene Auslegung von § 51a wird bis heute ohne die Namhaftmachung konkreter Mißstände, die durch die Neuregelung bedingt sein sollen, geführt96. Offen wird dazu aufgefordert, dem Gesetzesbefehl die Gefolgschaft zu verweigern. Der Wille des Gesetzgebers war jedoch eindeu­ tig und ist nicht das Ergebnis einer Zufallsgesetzgebung 97. Eine Rechtsfort­ bildung muß angesichts dessen ausscheiden. § 51a trägt den rechtsformspezi ­ fischen Besonderheiten der GmbH Rechnung. Die Gesellschafterversamm­ 94 Zusammenfassend hierzu Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 296 ff.; Karsten Schmidt, in: Lutter/Ulmer/Zöllner (Hrsg.), Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 559 ff. 95 Der entschiedenste Kritiker ist Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 35 I 4 (S. 1039 ff.) und öfter. 96 Eine erste Bilanz mit dem neuen Recht zieht die sehr lesenswerte, praxisbezogene Studie von Gustavus GmbHRdsch. 1989, 181. Nach Gustavus (S. 187) ist das befürch­ tete Chaos ausgeblieben. Insbesondere sind sich Land- und Oberlandesgerichte bei der Aus­ legung von § 51a GmbHG einig. Divergenzvorlagen an den BGH sind bisher nicht ergan­ gen. Es ist daher richtig, das Gesetz so anzuwenden, wie es vom Gesetzgeber sehenden Au­ ges intendiert war. Positiver in ihrer Einstellung gegenüber §51a jetzt Lutter/Hommelhoff, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 51a RdNr. 1. 97 Vgl. §§ 85, 86 RegE-GmbHG 1971/73, BT-Drucks. VI/3038 = 7/253. Zuvor bereits § 77 GmbHG-Entw. 1939, abgedruckt bei Schubert (Hrsg.), Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, 1985, S. 115.

lung ist das oberste Gesellschaftsorgan und kann der Geschäftsführung Wei­ sung erteilen. Grundsätzlich besteht kein Aufsichtsrat, der die Geschäftsfüh­ rung überwacht98. Die Kontrolle der Geschäftsführung ist vielmehr Aufgabe der Gesellschafter (§ 46 Nr. 6 GmbHG). Schon bei der Aktiengesellschaft war kein zwingender Zusammenhang zwischen der Existenz des Aufsichts­ rats und dem Umfang des Informationsrechts der Aktionäre festzustellen. Für die GmbH gilt dies erst recht. Wichtige Kontrollrechte wie etwa die Be­ schlußanfechtung sind nach herrschender Ansicht ausschließlich den Gesell­ schaftern vorbehalten99. Die Information muß aber zu denjenigen gelangen, die handeln dürfen. Bei der GmbH ist die Verweigerung der Auskunft oder der Einsicht an einen Beschluß der Gesellschafterversammlung gebunden100. Dies bedeutet, daß die Gesellschafter zwar über das Informationsbegehren entscheiden, in ihrer Antwort aber nicht das letzte Wort behalten. Als Rechtsbehelf bleibt einem abgewiesenen Gesellschafter das Erzwingungsverfahren nach § 51b GmbHG, für das der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig ist. Es nützt nichts, den ablehnenden Beschluß der Gesellschafterversammlung vor dem Prozeßgericht anzufechten. Zur Realisierung des Informations­ anspruchs ist ein Antrag nach § 51b erforderlich und genügend. Der zusätz­ lichen Anfechtung des Beschlusses bedarf es nicht101. Dieser Klage würde bereits das Rechtsschutzinteresse fehlen. Die Anfechtbarkeit eines Beschlus­ ses anderen Inhalts, etwa entsprechend § 243 Abs. 4 AktG wegen unzurei­ chender Informationsgewährung, bleibt hiervon unberührt, da insoweit keine Konkurrenzprobleme mit § 51b GmbHG auftreten. 6. Eingetragener Verein

Im Vereinsrecht führt die versteckte Verweisung in § 27 Abs. 3 BGB zu § 666 BGB. Damit ist nur die kollektive Auskunfts- und Rechenschaftspflicht des VereinsVorstandes Gegenstand einer gesetzlichen Regelung. Nach unbestrittener Auffassung ist dies unzureichend und nicht als Ausschluß individueller Informationsrechte der Vereinsmitglieder zu 98 Zu diesem Zusammenhang bereits Hachenburg LZ 1909, 15 (36). Aufgegriffen wurde diese Idee in § 77 Abs. 4 GmbHG-Entw. 1939 (vgl. FN 97). Anders als der heutige § 51a Abs. 3 GmbHG sah § 77 Abs. 4 des Entwurfs vor, daß der Gesellschaftsvertrag das Recht auf Auskunftserteilung außerhalb der Gesellschafterversammlung und auf Einsicht der Bücher und Schriften der Gesellschaft ausschließen oder beschränken kann, wenn für die Gesellschaft ein Aufsichtsrat bestellt ist. 99 Ganz h.M., vgl. BGHZ 76, 154 (159); a.A. etwa BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER, Komm.z.GmbHG, 16. Aufl. 1996, Anh. § 47 RdNr. 75 ff. 100Zur Reichweite dieses Erfordernisses eingehend Tietze (wie FN 30), S. 116 ff. 101 BGH NJW 1988, 1090.

verstehen102. Im Idealvereinsrecht kann man auf das Auskunfts- und Einsichtsrecht des einzelnen Mitglieds nicht verzichten. Ausgehend von der Aktiengesellschaft als der am stärksten durchnormierten Vereinsform fragt sich, ob das Auskunftsrecht des Mitglieds an § 131 AktG anzulehnen ist. §131 AktG findet auf den Idealverein entsprechende Anwendung103, allerdings sind die rechtsformspezifischen Determinanten des Vereins zu beachten. Im Vereinsrecht ist die Mitgliederversammlung im Gegensatz zur Hauptversammlung in der Aktiengesellschaft noch das oberste Verbands­ organ, das dem Vorstand Weisungen erteilen darf. Der Umfang des Aus­ kunftsrechts variiert bei Großvereinen nicht gegenüber Kleinvereinen. Wenn man heute selbst für die AG neben § 131 AktG ein Einsichtsrecht zuläßt, darf für den Idealverein nichts anderes gelten104. Es wäre verfehlt, das In­ formationsrecht des Vereinsmitglieds von vornherein auf den reduzierten Umfang von § 131 AktG zu beschränken, weil das rechtstatsächliche Umfeld beider Rechtsformen nicht vergleichbar ist. § 118 Abs. 1 AktG, wonach die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft grundsätzlich in der Hauptversammlung ausüben, findet im Vereinsrecht keine Entspre­ chung. Die Aktiengesellschaft ist ein unternehmenstragender Sonderverein. Deshalb ist hier die Gefahr einer kommerziellen Verwertung einer erlangten Information erheblich größer. Dies erlaubt für den Idealverein andererseits eine großzügigere Informationspolitik.

7. Eingetragene Genossenschaft Das Genossenschaftsgesetz hat den Genossen lediglich mit partiellen Informationsrechten ausgestattet. Er hat ein Recht auf Einsichtnahme in die Niederschrift der Generalversammlungsbeschlüsse, § 47 Abs. 4 Satz 1 GenG. Ferner kann nach § 48 Abs. 3 jeder Genosse den Jahresabschluß, den Lagebericht und den Bericht des Aufsichtsrates einsehen und sich auf eigene 102KARSTEN Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 56; zum Informationsrecht im Verein SAUTER/SCHWEYER, Der eingetragene Verein, 15. Aufl. 1994, RdNr. 281; REICHERT/DANNECKER, Handbuch des Vereins- und Verbands­ rechts, 5. Aufl. 1993, RdNr. 985 ff. zur Berichtspflicht des Vorstands, RdNr. 855 ff. zum Auskunftsanspruch des Vereinsmitglieds. 103Für eine entsprechende Anwendung von § 131 AktG im Vereinsrecht Karsten Schmidt, Informationsrechte in den Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 57; REICHERT/DANNECKER (wie FN 102), RdNr. 885 ff.; GRUNEWALD ZIP 1989, 962 (963); beiläufig BayObLGZ 1972, 161 (165 f.) = NJW 1972, 1377; nicht eindeutig Lepke NJW 1966, 2099 (2100), der aber den Kontrollaspekt des Informationsrechts vernachlässigt, in­ dem er die Vermögenssorge des Mitglieds einseitig in den Vordergrund rückt. 104Für das Aktienrecht BGHZ 101, 1 (15 f.). Für ein Einsichtsrecht des Vereinsmit­ glieds Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl. 1987, § 38 RdNr. 17; Grunewald ZIP 1989, 962 (963/64), die dieses Einsichtsrecht ohne nähere Begründung auf Kleinvereine beschrän­ ken will.

Kosten Abschriften hiervon fertigen. Diese partiellen Informationsrechte wirken indes nicht limitierend. Mit Recht wird die entsprechende Anwen­ dung von § 131 AktG befürwortet105. Sie versperrt ein Einsichtsrecht des Genossen nicht. Die eingetragene Genossenschaft ist ein wirtschaftlicher Sonderverein mit körperschaftlichem Verfassungsaufbau. Die Wertungs­ grundlagen, die im Aktienrecht zur Normierung des Auskunftsanspruchs des Aktionärs in der Hauptversammlung geführt haben, finden in der Genossen­ schaft keine direkte Entsprechung. Neben unverkennbar körperschaftlichen Elementen weist die Genossenschaft einen starken personengesellschaftlichen Einschlag auf. Der genossenschaftliche Förderzweck nach § 1 Abs. 1 GenG verlangt die Selbstverwaltung der Genossenschaft durch ihre Mitglieder106. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 GenG herrscht Eigenorganschaft. Das personal­ gesellschaftliche Element zeigt sich außerdem in der gesetzlichen Nach­ schußpflicht der Genossen im Konkurs der Genossenschaft (§105 GenG), die freilich im Statut ausgeschlossen oder beschränkt werden kann (§ 6 Nr. 3). Daraus ergeben sich die Koordinaten des Informationsrechts: Jeder Ge­ nosse kann in persönliche Haftung geraten, selbst wenn er keine Verwal­ tungsfunktionen in der Genossenschaft ausübt. Ferner soll jeder Genosse an der Selbstverwaltung durch Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen Rechte teilhaben. Dies erfordert individuelle Informationsrechte der Genossen, die sich nicht auf das Auskunftsrecht in der Generalversammlung beschränken. Gegen ein Einsichtsrecht spricht insbesondere nicht § 93 Satz 3 GenG, wo­ nach das Gericht einen Genossen oder Genossenschaftsgläubiger ermächtigen kann, die Bücher und Schriften der Genossenschaft einzusehen107. Diese Vorschrift bezieht sich zum einen nur auf die Genossenschaft in Abwick­ lung, zum anderen ist sie gerade ein Beleg dafür, daß das Einsichtsrecht der Genossenschaft nicht wesensfremd ist, weil das Einsichtsrecht dort nur an besondere Bedingungen geknüpft wird. Besondere Aufmerksamkeit gebührt der Genossenschaft mit Vertreterver­ sammlung, die von den übrigen Genossenschaftstypen zu trennen ist, weil die Rechtsstellung des Nichtvertreters eine andere ist. Diejenigen Rechte, die 105Karsten Schmidt, Informationsrechte in den Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 55; Klaus Müller, Komm.z.GenG, 1980, §43 RdNr. 16 ff. Meyer/Meulenbergh/Beuthien, Komm.z.GenG, 12. Aufl. 1983, §43 RdNr. 15; Lang/Weidmüller, Komm.z.GenG, 31. Aufl. 1984, § 18 RdNr. 8 sowie §43 RdNr. 39 ff.; H.-O. Weber, Die eingetragene Genossenschaft als wirtschaftlicher Sonderverein, 1984, S. 242 ff.; a.A. Neumann, Rechtliche Möglichkeiten der Mitglieder zur Teilnahme an der Willensbildung in der eingetragenen Genossenschaft, 1982, S. 214 ff., die aber auf anderer rechtlicher Grundlage ebenfalls zu einem Auskunftsanspruch gelangt. 106Meyer/Meulenbergh/Beuthien (wie FN 105), § 1 RdNr. 47; Klaus Müller, Komm.z.GenG, 2. Aufl. 1991, § 1 RdNr. 3. 107So aber H.-O. Weber (wie FN 105), S. 245 f.

in der Generalversammlung auszuüben sind (vgl. § 43 Abs. 1 GenG), sind den Nichtvertretern an sich verwehrt. Hierzu zählt insbesondere das Aus­ kunftsrecht nach § 131 AktG, das in der Mitgliederversammlung auszuüben ist. Wie bei der Beschlußanfechtung nach § 51 GenG und der Einzelklage­ befugnis des Genossen fragt sich aber, ob es das Telos des § 43a GenG er­ laubt, den Nichtvertreter von sämtlichen Mitverwaltungsrechten auszuneh­ men. Dies ist hier wie bei den übrigen Mitverwaltungsrechten der Genossen grundsätzlich zu verneinen108. Das Auskunftsrecht wie das sonstige Infor­ mationsrecht des Genossen ist von der Teilnahme an der Generalversamm­ lung zu lösen. Die Informationsrechte des Genossen richten sich unmittelbar gegen die Genossenschaft. Sie sind nicht etwa gegen die Vertreterversamm ­ lung oder gegen den Vertreter zu verfolgen, damit dieser das Auskunftsrecht in der Versammlung für den Genossen wahrnimmt. Durchzusetzen ist das Informationsrecht des Genossen durch Leistungsklage im Zivilprozeß, nicht im Erzwingungsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 132 AktG108 109, weil es an einer spezialgesetzlichen Anordnung über die sachliche Zuständigkeit fehlt, die dem Zivilrichter seine nach § 13 GVG begründete Zuständigkeit nimmt.

IV. Zusammenfassende Bewertung Der vorstehende tour d’horizon durch die einzelnen Rechtsformen legt Grund für die Gewinnung struktureller Gesetzmäßigkeiten, wie sie den In­ formationsrechten in allen Personenverbänden innewohnen. Die einzelnen Bausteine ergeben zusammengefügt die Institution eines Informationsrechts in den Verbänden. Es ist Bestandteil des Allgemeinen Teils des Verbands­ rechts110. Nicht länger läßt sich auf der Ebene der individuellen Informa­ tionsrechte das Auskunftsrecht den Kapitalgesellschaften bzw. den Körper­ schaften und das Einsichtsrecht den Personalgesellschaften zuordnen. Das In­ formationsrecht belegt den wechselseitigen Bezug von objektiver Verbands­ ordnung und subjektiven Mitgliedsrechten111. Eine Zusammenschau der Rechtsentwicklung in allen Verbänden ergibt eine allmähliche Annäherung der Pflichten der Verwaltung zur Rechenschaftlegung über die Angelegen­ 108 Für die Nichtigkeitsklage bei der eingetragenen Genossenschaft BGHZ 83, 228. 109KLAUS Müller (wie FN 105), § 43 RdNr. 35 ff.; Karsten Schmidt, Informations­ rechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 55 f. 110Zu dieser Methodik Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 3 III (S. 54 ff.); ders., Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217 für das Institut der Beschlußan­ fechtung. Eingehend zur Methodik auch Drobnig/Becker/Remien, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991, S. 16 ff. 111 Dazu bereits oben den Text nach FN 5 und 6.

heiten des Verbandes mit den individuellen Ansprüchen der Mitglieder auf Information. Das Informationsrecht ist seiner materiellen Natur nach ein einheitliches trotz der vielgestaltigen Ausprägungen in den verschiedenen Verbänden. Das Gefälle im Umfang der Informationsansprüche läßt sich nur zum Teil mit rechtsformbedingten Gegebenheiten erklären. Zumeist sind diese Unter­ schiede historisch überkommen und reflektieren nur den Diskussionsstand bei Schaffung der jeweils einschlägigen Kodifikation. Abstufungen unter den Verbandsformen, die nur hierauf beruhen, können heute keinen Bestand mehr haben und sind anzugleichen. Regelmäßige Erscheinungsformen des Informationsrechts sind die Auskunftserteilung durch die Verwaltung, die Einsichtnahme in Dokumente sowie das Recht auf Fertigung von Abschrif­ ten. Erst alle Elemente zusammen befriedigen den Informationsbedarf der Mitglieder in den Verbänden. Eine Rangfolge unter diesen Varianten ist grundsätzlich abzulehnen. Die Informationsrechte sind bei Erfassung der Daten in elektronischen Datenträgern sinngemäß fortzuschreiben. Verfahrensrechtlich ist das Informationserzwingungsverfahren nicht den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuweisen. Die Regelungen in §§ 132 Abs. 3 Satz 1 (i.V.m. § 99 Abs. 1) AktG, 51b GmbHG bedürfen de lege ferenda einer Überprüfung. Herauszulösen aus dem streitigen Zivilver­ fahren ist der Streit um die Informationserteilung nur in dem Maße, in dem dies auch für die Gesellschafterklagen im übrigen angebracht ist. Für die Ge­ sellschafterklagen im allgemeinen und die Informationserzwingung im be­ sonderen sind bestimmte Verfahrensmaximen bedeutsam, die es im allge­ meinen Zivilprozeßrecht so nicht gibt. Dazu zählt eine zwingende Terminie­ rungspräferenz112 mit einem Rechtsanspruch auf schnelle Entscheidung, die Einschränkung der freien Verfügbarkeit der Parteien hinsichtlich des Streit­ gegenstandes, der Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. Beteiligung der ma­ teriell Betroffenen am Verfahren113, eine nicht bei § 91 ZPO haltmachende Regelung der Prozeßkosten oder die Ermöglichung einer schiedsrichterlichen Streitentscheidung, die wesentlich zu einer Verfahrensbeschleunigung beitra­ gen würde114. Im Ansatz sind diese Grundsätze bereits in den §§ 241 ff. AktG als Kernbestand eines Verfahrensrechts der Gesellschafterklagen ver­ wirklicht. Insgesamt geht es um die Geltung bestimmter Verfahrensmaxi­ men, die die effektive Rechtsdurchsetzung fördern und besser auf den Kon­ 112 Siehe oben FN 52 und zugehöriger Text. 113Vgl. BVerfGE 60, 7. 114Zu § 51b GmbHG, der auf § 99 Abs. 1 und § 132 Abs. 3 Satz 1 AktG Bezug nimmt, ist inzwischen anerkannt, daß eine schiedsrichterliche Entscheidung statthaft ist, weil die Zuweisung an die freiwillige Gerichtsbarkeit kein Verbot schiedsrichterlicher Entscheidung bedeutet. Für die Aktiengesellschaft ist konsequenterweise ebenso zu entscheiden.

trollzweck des Informationsrechts in den Verbänden abgestimmt sind, aber nicht notwendig mit einer Streitzuweisung an die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit einhergehen.

§ 21 Mißbräuchliche Ausübung von Gesellschafterrechten In den letzten Jahren hat sich zur Diskussion über Umfang und Berechti­ gung der Mitgliederrechte in den Verbänden die Diskussion über den Miß­ brauch dieser Rechte hinzugesellt. Speziell bei der aktienrechtlichen An­ fechtungsklage hat die Auseinandersetzung darüber, ob dieses Rechtsinstitut mißbraucht werden kann und welche Konsequenzen das hat, in einem Zyklus von etwa 25 Jahren neue Konjunktur. In den Gerichtsentscheidungen spie­ geln sich durchaus wechselnde Begründungsansätze wider1. Elementare Wertungsgrundlagen, die für die Entscheidung paralleler Rechtslagen im öf­ fentlichen Recht oder bei den gewerblichen Schutzrechten bestimmend sind, geraten im Verbandsrecht außer Blick. Das Prinzip der Einheit der Rechts­ ordnung wird preisgegeben. In erster Linie betrafen diese Gerichtsentschei­ dungen Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse. Für andere Gesellschafterrechte wird der Mißbrauch ebenfalls erörtert. Dies gilt namentlich für das Auskunftsrecht des Aktionärs2, die Aktionärsklage3, das Spruchstellenverfahren nach § 306 AktG4, die Partizipationsrechte in der Mitgliederversammlung, vor allem das Rede- und Fragerecht5 sowie schließlich die Sonderprüfung nach § 142 AktG6. Der Tatbestand des Rechtsmißbrauchs mag für die genannten Mitgliederrechte ein einheitlicher sein, weil der Rechtsinhaber notorischer Querulant ist, gewerbsmäßig Oppo­ 1 Ein erster Zyklus setzte ein mit RGZ 146, 385 = JW 1935, 1550 mit Anm. SIEBERT; ein zweiter Entscheidungszyklus begann mit BGHZ 21, 354 - "Minimax I” = JZ 1957, 179 mit Anm. Mestmäcker; BGHZ 33, 175 - "Minimax II" dazu MESTMÄCKER BB 1961, 945; BGH WM 1962, 456. Ein dritter Zyklus mit Entscheidungen zu den rechtsmiß­ bräuchlichen Anfechtungsklagen fand schließlich in BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler" sei­ nen Höhepunkt. Eine umfangreiche Materialsammlung und Nachzeichnung der Entwick­ lungstendenzen in der Rechtsprechung findet sich bei Diekgräf, Sonderzahlungen an oppo­ nierende Kleinaktionäre im Rahmen von Anfechtungs- und Spruchstellenverfahren, 1990, S. 3 ff.; Feltkamp, Anfechtungsklage und Vergleich im Aktienrecht, 1991, S. 13 ff.; Boujong, Festschrift für Kellermann, 1991, S. 1 ff. sowie Radu ZIP 1992, 303. Neuestens unter dem Blickwinkel der Treupflicht des Minderheitsaktionärs Guntz, Treubindungen von Minderheitsaktionären, 1997, S. 154 ff. 2 RGZ 148, 278 (280); BGHZ 36, 121 (135 ff.). 3 Hierzu näher Brondics, Die Aktionärsklage, 1988, S. 138 ff. 4 Dazu K.-P. Martens, in: Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 63 (76 ff.); J. Lehmann, in: Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 51 (58 ff.); Diekgräf (wie FN 1), S. 271 ff. 5 J. Lehmann (vorige FN), S. 53 ff.; K.-P. Martens (vorige FN), S. 67 ff. Aus der Rechtsprechung LG Frankfurt am Main ZIP 1984, 321. 6 AG Düsseldorf ZIP 1988, 970 - "Feldmühle-Nobel" dazu Hirte ZIP 1988, 953. Das Gericht verwirft den Antrag auf Sonderprüfung als rechtsmißbräuchlich und unzulässig nach § 242 BGB, weil der Antragsteller eigennützig handelt, indem er seinen Antrag als He­ bel benutzt, um eine höhere Abfindung für den Verkauf seiner Aktien zu erhalten.

sition betreibt oder die Absicht durchblicken läßt, sich den Lästigkeitswert seiner Remonstration abkaufen zu lassen. Eine differenzierende Betrachtung ist indessen auf der Rechtsfolgenseite geboten, weil die Mitgliederrechte graduell verschieden in die Verbandsleitung eingreifen. Sie können schlicht lästig sein, das Image der Gesellschaft schädigen oder durch ihre bloße Er­ greifung ohne Rücksicht auf den Erfolg in der Sache die unternehmerischen Aktivitäten der Gesellschaft lahmlegen. Die letzte Alternative ist gegeben bei Beschlußanfechtungsklagen gegen eine Kapitalerhöhung, eine Verschmel­ zung oder einen Unternehmensvertrag. Die durch das Zusammenspiel mit dem Registerrecht bewirkte Suspendierung der Maßnahme bietet die Miß­ brauchsproblematik in zugespitzter Form dar. Bevor aber über den Miß­ brauch zu befinden ist, muß Klarheit über den nach der Verbandsordnung zulässigen Gebrauch von Gesellschafterrechten herrschen.

I. Zweck, funktionsgemäßer Gebrauch und Mißbrauch von Gesellschafterrechten Nur bei vordergründiger Betrachtung trifft es zu, daß die Rechte den Mit­ gliedern um ihrer selbst willen verliehen sind. Die Rechtsordnung erlaubt den in wirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht mächtigen Verbänden, sich selbst zu verwalten und instrumentalisiert hierzu die Gesellschafter­ rechte. Den subjektiven Rechten des einzelnen kommt in diesem System eine Doppelfunktion zu: Sie sind individuell betrachtet Mittel zur Wahrung der eigenen rechtlichen Interessen der Mitglieder, und sie sind in ihrem institu­ tionellen Gehalt Werkzeuge zur Gewährleistung der Legalität der Verbands­ führung7. Dieses Konzept ist Richtschnur für den funktionsgemäßen Ge­ brauch und offenbart spiegelbildlich den funktionswidrigen Mißbrauch. Der individuelle Mißbrauch, den die Rechtsprechung jetzt gegen die aktienrecht­ liche Anfechtungsklage8 und andere Gesellschafterrechte durchgreifen läßt, kann allenfalls die individualrechtliche Seite dieser Rechte betreffen. Wenn man danach ein Recht als verwirkt ansieht bzw. die Klage abweist, so impli­ ziert dies eine höhere Gewichtung der individualrechtlichen gegenüber der institutionellen Wirkkomponente des Rechtsbehelfs. Mit der Entstehungs­ geschichte und der Konzeption der Gesellschafterrechte, die gerade das institutioneile Element in den Vordergrund rückte, ist das nicht vereinbar.

7 So bereits Rudolf Fischer, in: Ehrenbergs Handbuch des Handelsrechts III/l, 1916, S. 200 ff.; IMMENGA GmbHRdsch. 1973, 5 (6); Lutter NJW 1969, 1873 ff.; ders. ZGR 1978, 347 (349). 8 BGHZ 107, 296 (308 ff.) - "Kochs Adler”.

Bei der Behandlung des Mißbrauchs von Gesellschafterrechten stehen sich zwei Auffassungen gegenüber, die sich zur Beschlußanfechtungsklage ent­ wickelt haben, sich aber nicht auf sie beschränken. Die in der Literatur und Rechtsprechung jetzt eindeutig herrschende individualrechtliche Auffassung gelangt zur Klageabweisung als unbegründet, wenn ein individueller Rechtsmißbrauch vorliegt9, was regelmäßig angenommen wird, wenn der Kläger mit der Klageerhebung die Absicht verbindet, die Klage gegen den Abkauf ihres "Lästigkeitswertes" zurückzunehmen oder seine Aktien zu ei­ nem erheblich über ihrem Marktwert liegenden Preis zu verkaufen. Dem hält die institutioneile Ansicht entgegen, daß die Motivation des Klägers für den Erfolg der Anfechtungsklage irrelevant sei und es nach dem Streitgegenstand der Klage nur auf die Prüfung der Legalität des Beschlusses ankomme10. Beide Auffassungen beschäftigen sich nur mit einem Teilausschnitt der kom­ plexeren Gesamtproblematik. Der entscheidende Nachteil der herrschenden Meinung ist, daß sie die Klage als unbegründet abweist, den rechtswidrigen Beschluß also entgegen dem Zweck des Anfechtungsrechts bestehen läßt. Sie vermag nicht befriedigend zu erklären, warum die rechtswidrige Handlung des Aktionärs, an der die Gesellschaft immerhin mitbeteiligt ist, im Ergebnis zur Perpetuierung des Beschlusses führt. Die Gegenansicht bleibt zwar dem Verfahrenszweck treu, indem sie sich nicht von den Motiven des Klägers ablenken läßt. Sie vernachlässigt jedoch Anschlußfragen, nämlich in welchen Grenzen ein Auskauf des Klagerechts erlaubt ist, wieweit die Kompetenzen der Verwaltung hinsichtlich des Streitgegenstandes reichen und wie das Aus­ kaufentgelt zu behandeln ist. Auch bei Geltung der institutioneilen Auffas­ sung verrät ein Kläger, der sich ohne Rücksicht auf die Beseitigung des Be­ schlußmangels auskaufen läßt, seinen Auftrag. Eine ausgewogene Lösung der Mißbrauchsproblematik soll und kann jedem dieser Punkte Rechnung tragen. Dies ist ohne Systembrüche möglich, da sich die rechtlichen Folgen der skizzierten Auffassungen durchaus kombinieren und optimieren lassen. 9 BGHZ 107, 296 (308 ff.); aus dem mittlerweile fast unübersehbaren Schrifttum statt vieler Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, §28 IV 5f (S. 871 ff.); Scholz/Karsten Schmidt, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 45 RdNr. 137; Karsten Schmidt, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1995, § 245 RdNr. 49 ff.; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, §245 RdNr. 51 ff.; Lutter, Festschrift 40 Jahre Der Betrieb, 1988, S. 193 ff.; BOUJONG, Festschrift für Kellermann, 1991, S. 1 ff. 10 Robert Goldschmidt, Grundfragen des neuen schweizerischen Aktienrechts, St. Gallen 1937, S. 47 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktio­ näre, 1958, S. 14; Bokelmann, Rechtsmißbrauch des Anfechtungsrechts durch den Aktio­ när?, Diss. Bielefeld 1970, passim; ders. BB 1972, 733 (736); Schilling, in: Groß­ komm.z.AktG, 3. Aufl. 1972, § 243 Anm. 25; MEYER-LANDRUT, Festschrift für Schilling, 1973, S. 235 (239 ff.); Radu ZIP 1992, 303 ff.; sympathisierend auch OLG Hamm ZIP 1988, 1051 als Vorinstanz zu BGHZ 107, 296.

Zweck der Gesellschafterrechte ist in erster Linie die Sicherung einer rechtmäßigen Verbandsführung. Das Mitglied hat einen aus der Mit­ gliedschaft folgenden Anspruch auf Respektierung der Verbandsordnung durch alle Organe11. Dieser Anspruch ist absolut. Er dient - gerade in Ge­ stalt der Anfechtungsklage - der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Ver­ bandsordnung. Legalität des Verwaltungshandelns und Integrität der Gesin­ nung des Mitglieds sind inkommensurable Größen. Die Konzeption der An­ fechtungsklage ist zwar privatrechtlich auf der Grundlage eines subjektiven Rechts aufgebaut, doch begrenzt dies nicht ihre Funktion. Das Motiv des Klägers darf nicht über die Zielverwirklichung des Rechtsbehelfs entschei­ den. Andernfalls würde es der Mißbrauch des Anfechtungsrechts der Ver­ waltung und der Hauptversammlungsmajorität ermöglichen, sich kontrollfrei zu stellen. Genau hierzu gelangt man bei Abweisung einer begründeten An­ fechtungsklage. Einstweilen ist es dadurch, daß das Augenmerk ganz auf den Rechtsmißbrauch gerichtet ist, gelungen, von den rechtswidrigen Beschlüs­ sen abzulenken. Betrachtet man die Ereignisse in ihrer zeitlichen Abfolge, so ist festzustellen, daß dem Rechtsmißbrauch des Anfechtungsrechts ein Fehl­ gebrauch der Entscheidungsgewalt der Hauptversammlung vorausgeht12. Rechtmäßigkeit und Nützlichkeit sind scharf voneinander zu trennen. Die Anfechtungsbefugnis darf nicht entfallen, weil dies der Gesellschaft nützlich ist13. Der Mißbrauch nicht ausschließlich privatnütziger Klagerechte findet Par­ allelen in anderen Rechtsgebieten, die jedoch nicht pauschal mit der Aber­ kennung der Rechtsposition reagieren. Dies gilt etwa im öjfentlichen Recht. Bei begünstigenden Verwaltungsakten mit drittbelastender Doppelwirkung kommt es vor, daß der Beschwerte seinen Rechtsbehelf gegen eine Abfin­ dungszahlung zurücknimmt. Zuvor hatte der Nachbar die dem begünstigten Bauherrn von der Behörde erteilte Baugenehmigung angefochten und im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes eine Baueinstellungsverfügung erwirkt. Der Bauherr wählt, um seinen Bau nicht erst nach Jahren fertigzustellen, das kleinere Übel und findet den Nachbarn ab. Bei gewerblich genutzten Groß­ anlagen ist die wirtschaftliche Interessenlage nicht anders. Für die verwal­ tungsgerichtliche Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO hat die Rechtsprechung diese Praktiken bis jetzt nicht als rechtsmißbräuchlich ange­ sehen. Im Gegenteil haben die Zivilgerichte die vereinbarte Abfindung

11 ROHGE 23, 273; 25, 307; RGZ 146, 385 (395 ff.): Der Aktionär hat Anspruch dar­ auf, daß die AG nur Beschlüsse faßt, die mit Gesetz und Statut in Einklang stehen. 12 Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 14. 13 Robert Goldschmidt (wie FN 10), S. 51; aus der Rechtsprechung RGZ 40, 33 (35).

grundsätzlich für einklagbar erklärt und den Mißbrauchseinwand inzidenter verworfen14. Für die Normenkontrollklage nach § 47 VwGO andererseits haben die Verwaltungsgerichte zum Teil eine Verwirkung der Antragsbefug­ nis angenommen15. Die Rechtslage im öffentlichen Recht unterscheidet sich in einer Beziehung grundlegend vom Verbandsrecht. Selbst wenn die Mög­ lichkeit der gerichtlichen Kontrolle infolge einer Aberkennung des Klage­ rechts entfällt, bleibt eine rechtswidrige Entscheidung korrigierbar. Die Verwaltungsbehörde kann ihren Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen versehen, zurücknehmen, widerrufen oder das Verwaltungsverfahren wieder aufgreifen. Außerdem ist das Verwaltungshandeln der parlamentarischen Kontrolle sowie der Aufsicht durch die öffentliche Meinung unterworfen. Zwar steht es der Hauptversammlung frei, einen rechtswidrigen Beschluß nach Eintritt der Unanfechtbarkeit zu ändern oder aufzuheben, doch ent­ spricht dies nicht der Praxis. Im Verbandsrecht ist die Anfechtungsklage aus diesen Gründen noch wichtiger als im öffentlichen Recht. Lehrreich ist schließlich die Behandlung des Klagemißbrauchs bei den gewerblichen Schutzrechten. Hier hatte die Rechtsprechung schon früh und ständig den Standpunkt bezogen, daß das Klagerecht nicht durch eine unlau­ tere Gesinnung des Klägers verwirkt werden kann. Die Klagen auf Löschung eines zu Unrecht eingetragenen Warenzeichens (§ 55 MarkenG, früher § 11 WZG) oder auf Nichtigerklärung eines Patents (§§ 81, 22 PatG) liegen im öffentlichen Interesse. Die Klage ist eine Popularklage16, deren Zulässigkeit nicht vom Motiv des Klägers abhängt. Die Klage dringt durch, selbst wenn der Kläger "unclean hands" hat. Ebensowenig wie die aktienrechtliche An­ fechtungsklage setzen die Patentnichtigkeitsklage oder die zeichenrechtliche Löschungsklage ein eigenes wirtschaftliches oder ideelles Interesse des Klä­ gers am Erfolg der Klage voraus17. Die förmliche Vernichtung eines Pa­ tents, dem mangels einer echten Bereicherung der Technik keine Schutzwür­ digkeit zukommt, liegt schon für sich genommen im öffentlichen Interesse. Das Rechtsschutzinteresse hängt nicht davon ab, ob dem Kläger bewußt wird, im öffentlichen Interesse tätig zu werden18. Zweck der Klagen nach 14 BGHZ 79, 131. Aus der Schweiz jetzt mit ganz ähnlichen Erwägungen BGE 115 II 232. 15 Für eine Verwirkung der Antragsbefugnis OVG Koblenz NJW 1984, 444; dagegen mit Recht EYERMANN/FRÖHLER, Komm.z.VwGO, 9. Aufl. 1988, § 47 RdNr. 30 m.w.N. Zum Ganzen auch Blümel VerwArchiv 1983, 153. 16 RGZ 74, 209 für die Patentnichtigkeitsklage. Bei der Löschungsklage nach § 11 WZG (nunmehr § 55 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) enthielten die Nr. 3 und 4 Popularklagen, in allen übrigen Fällen war die Klagebefugnis hingegen nur bei Selbstbetroffenheit eröffnet. 17 RGZ 109, 73 (77) - "Weißer Hirsch" zum Warenzeichenrecht. 18 BGH GRUR 1963, 253 = MDR 1963, 379 - "BüroVorsteher" für die Patentnichtig­ keitsklage.

§ 55 MarkenG (früher § 11 WZG) wie nach §§ 81, 22 PatG ist die Reinhal­ tung des Rechtsverkehrs. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts ver­ tritt der Kläger gleichsam das Interesse der Allgemeinheit daran, daß unzu­ lässige Schutzrechte nicht eingetragen werden oder bleiben. Ein zu Unrecht reklamiertes Schutzrecht darf wegen seiner Ausschließungswirkung bekämpft werden, selbst wenn der Kläger rechtswidrige, sittenwidrige oder schikanöse Ziele verfolgt, da sich die eine Rechtswidrigkeit nicht gegen eine andere zu erwartende aufrechnen läßt19. Wegen ihres Stellenwertes und ihrer Doppel­ natur läßt sich die Klage nicht einmal mit dem Einwand zu Fall bringen, daß sie möglicherweise die Grundlage für eine neue Rechtsverletzung schaffe, etwa weil der Beklagte den Kläger wegen unlauterer Wettbewerbshandlungen belangen könne20. Es ist erstaunlich, daß in der früheren wie in der aktuellen Diskussion um den Rechtsmißbrauch der aktienrechtlichen Anfechtungsklage diese Parallelen kaum zur Kenntnis genommen werden21. An alle diese Klagen Privater, die auch im öffentlichen Interesse liegende Streitfragen verbindlich klären, ist ein besonderer Maßstab anzulegen. Be­ reits der Tatbestand des rechtlich relevanten Mißbrauchs ist anders zu defi­ nieren als im klassischen zivilrechtlichen Zweipersonenstreit. Auf der Rechtsfolgenseite bedarf es einer sehr sorgsamen Prüfung, ob die Aberken­ nung der Klagebefugnis angemessen ist, weil sie nicht nur die Rechtsbezie­ hung zwischen den Prozeßparteien ordnet. Es entspricht durchaus der Praxis, daß nur ein Aktionär oder eine kleine Gruppe den Beschluß anficht, dies aber abredegemäß für eine größere Zahl von Aktionären besorgt22. Eine Abweisung der Anfechtungsklage wegen Rechtsmißbrauchs wirkt gleich ei­ ner Heilung des Beschlußmangels. Bei Eintritt der Rechtskraft ist die An­ fechtungsfrist regelmäßig abgelaufen, so daß kein anderer Aktionär von neuem Klage erheben könnte. Damit verhindert die Zulassung des Miß­ brauchseinwands auf Dauer die Beseitigung derjenigen Rechtswidrigkeit, der die Klage zu begegnen bestimmt ist.

19 RGZ 109, 73 (77) - "Weißer Hirsch"; 120, 402 (404) - "Bärenstiefel"; 108, 34 "Henckel’sche Zwillinge". 20 RGZ 109, 73 (77) - "Weißer Hirsch"; sehr deutlich auch Bokelmann, Rechtsmiß­ brauch des Anfechtungsrechts durch den Aktionär?, Diss. Bielefeld 1970, S. 137. 21 Zutreffend dagegen Bokelmann (wie FN 20), S. 135 ff. 22 Dieses Verfahren liegt im Interesse aller Beteiligten. Die Durchführung des Verfah­ rens mit möglichst wenigen Parteien auf Aktiv- und Passivseite erleichtert die Prozeßfuhrung. Klagt nur ein Aktionär gegen den Beschluß, so wird das Kostenrisiko gering gehalten und mag sich für die Interessenten durch eine interne Poolungsabsprache weiter reduzieren. Dies liegt nicht zuletzt im Interesse der Gesellschaft: Wenn sie unterliegt, hat sie nur die Kosten eines Gegenanwaltes zu tragen.

II. Der Mißbrauchstatbestand Jede Ausübung subjektiver Rechte hat sich im Rahmen der ihnen von der Rechtsordnung gezogenen Grenzen zu bewegen, die vor allem durch den Zweck und die Funktion eines Rechts vorgegeben sind23. Jedem Recht wohnt die Gefahr des Mißbrauchs inne. Alle Versuche einer Definition des Mißbrauchs müssen bei der Differenzierung der Zielrichtungen der subjek­ tiven Rechte und der Klagerechte ansetzen. Zunächst verwirklichen diese Rechte den Schutz der Rechte des Mitglieds. Daran hängen die Rechte der Gläubiger und der Gesellschaft. Der Individualrechtsschutz koinzidiert mit dem Institutionenschutz, also dem Funktionieren des Selbstverwaltungsappa­ rats der AG, in dem die Anfechtung ihren festen Platz einnimmt. Die Prü­ fung des Mißbrauchs gewährleistet, daß der generelle Ordnungsgehalt eines Rechts in Übereinstimmung mit seiner Ausübung im Einzelfall gebracht wird. Geht der Gleichklang von Funktion und Anwendung verloren, so darf die Rechtsordnung nicht kurzerhand die Unwirksamkeit der Rechtsausübung anordnen. Vielmehr muß ein institutskonformer Zuschnitt im Hinblick auf den Normzweckgehalt erfolgen24. Die neuere Rechtsprechung bezieht sich zwar bereitwillig auf die Lehre vom Mißbrauch, unterschlägt jedoch die in­ stitutskonforme Anpassung als vorzuziehende Rechtsfolge. Denn der ange­ strebte Erfolg ist nicht als solcher verwerflich, sondern nur die zu seiner Er­ reichung eingesetzten Mittel. Wann ein Rechtsmißbrauch des Anfechtungsrechts gegeben ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil nimmt man an, daß es bereits genüge, wenn der Kläger als Querulant gerichtsnotorisch oder schon in einer gewis­ sen Anzahl von Verfahren als gewerblich handelnder Opponent hervorgetre­ ten ist25. Typische Indizien des Mißbrauchs sind der Erwerb weniger Aktien unmittelbar vor der Hauptversammlung und die Forderung einer unverhält­ nismäßig hohen Abfindungssumme. Nach der früher in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel war ein Mißbrauch des Klagerechts anzunehmen, wenn der Kläger in grob eigensüchtiger Weise auftritt und der Gesellschaft seinen Willen aufzwingen will26. Zum Teil wird schließlich vertreten, daß es 23 Vgl. hierzu eingehend L. Raiser, Summum ius - summa iniuria, 1963, S. 145 ff. = Die Aufgabe des Privatrechts, 1977, S. 124 ff. 24 Zu diesem "institutskonformem Zuschnitt” sehr deutlich Esser/E. Schmidt, Schuld­ recht I - Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 1984, § 10 III 1 (S. 146 f.). 25 Dies ist vor allem ein den Verwaltungen der betroffenen Aktiengesellschaften geneh­ mer Standpunkt. 26 RGZ 146, 385 (395 ff.); BGH WM 1962, 456; OLG Hamburg JZ 1953, 405 (406) mit Anm. Schilling; HÜffer (wie FN 9), § 245 RdNr. 53. Sowohl die Vorstellung von einem eigensüchtigen Auftreten des Gesellschafters, wie die Annahme, er könne der Gesell­ schaft seinen Willen aufzwingen, ist falsch. Ein Durchdringen der Klage bringt dem Kläger

für einen Mißbrauch entscheidend darauf ankommt, ob der Kläger aus egoistischen Motiven handele, offensichtlich kein Interesse an der Überprü­ fung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses habe und mit seiner Klage unzuläs­ sige Sondervorteile zu Lasten der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre an­ strebe27. Herrschend ist heute eine Auffassung, die Mittel und Zweck wer­ tend zusammenschaut und zum Rechtsmißbrauch des Klagerechts gelangt, wenn die Mittel-Zweck-Relation verwerflich ist, insbesondere wenn die Klage mit dem Ziel erhoben wird, die Gesellschaft zu einer Leistung zu ver­ anlassen, auf die kein Anspruch besteht28. Die Lehre vom Rechtsmißbrauch ist auf das engste verbunden mit der Frage, ob die Zulässigkeit der aktienrechtlichen Anfechtungsklage ein be­ sonderes Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt29. Die Beschlußanfechtung nimmt im System der Klagen insoweit eine Sonderstellung ein, als § 245 AktG die Klagebefugnis eingrenzt. Klagebefugt ist u.a. jeder Aktionär, der nach § 245 Nr. 1 ordnungsgemäß in der Hauptversammlung Widerspruch erhoben hat. Diese Beschränkung ist aber nur formaler Natur, denn der Klä­ ger muß nicht behaupten, durch den Beschluß in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dem Kläger muß es nicht einmal darauf ankommen, mit der Klage den Beschluß tatsächlich zu Fall zu bringen. Konsequent besteht das Anfech­ tungsrecht selbst dann, wenn der Kläger in der Klageschrift offenlegt, daß es ihm nur um die gerichtliche Klärung einer Rechtsfrage geht30. Für die Be­ troffenheit läßt das Gesetz das Investment des Aktionärs in der Gesellschaft genügen. § 245 AktG gestaltet die Anfechtung als eine auf den Kreis der Aktionäre und Verwaltungsträger beschränkte Popularklage31. Das Rechts­ schutzinteresse der Klage folgt ohne weiteres daraus, daß der Beschluß gegen den Willen der Majorität nur durch die fristgerecht erhobene Klage beseitigt werden kann, weil der Beschlußmangel andernfalls geheilt ist. Die Erhebung keinen persönlichen Gewinn, weil der Erfolg der Klage ebenso der Gesellschaft wie allen übrigen Aktionären zufließt. Die Aufhebung des rechtswidrigen Beschlusses zwingt der Ge­ sellschaft keinen fremden Willen auf, sondern setzt sie im Gegenteil instand, erneut in der fraglichen Angelegenheit Beschluß zu fassen. 27 Hirte BB 1988, 1469 (1472); ders. ZIP 1988, 953 (955); ebenso wohl auch v.Godin/Wilhelmi, Komm.z.AktG, 4. Aufl. 1971, § 243 Anm. 3. 28 So jetzt die neuere Rechtsprechung, vgl. BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler“; BGH ZIP 1989, 1388 (1389) - "DAT/Altana I” bestätigt durch BVerfG ZIP 1990, 228: Keine Notwendigkeit einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 177 EWGV; ZIP 1990, 168 (171) "DAT/Altana II". 29 Dazujüngst Künzel, Festschrift für Heinsius, 1991, S. 425 ff. 30 Hierzu die überaus instruktive Entscheidung RGZ 77, 255 (257 f.): Es macht die Klage weder unzulässig noch rechtsmißbräuchlich, wenn der Anfechtungskläger ausdrück­ lich erklärt, daß es ihm nicht auf die Beseitigung des Beschlusses ankommt, sondern nur eine streitige Rechtsfrage einer höchstrichterlichen Entscheidung zugeführt werden soll. 31 Zutreffend H. Horrwitz, Das Recht der Generalversammlungen der Aktiengesell­ schaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, 1913, S. 88.

der Klage dient der Herstellung des gesetzes- und satzungsgemäßen Rechts­ zustandes32. Insgesamt fragt es sich, ob wirklich allen Beteiligten mit der Annahme des Rechtsmißbrauchs gedient ist. Die nunmehr geschaffene Rechtslage zwingt den Aktionär, sich jeglicher Fühlungnahme mit der Ge­ sellschaft vor oder während des Prozesses zu enthalten33. Die Strategie der Gesellschaften ist, den Kläger zum Schein in Vergleichsverhandlungen zu verstricken, um seine Klage später als rechtsmißbräuchlich zu entlarven. Die Vergleichsfähigkeit von Anfechtungsklagen wird damit erheblich einge­ schränkt. Nach der neuen Rechtsprechung hat die Zahl der Anfechtungsver­ fahren nicht etwa abgenommen, sondern ist sprunghaft in die Höhe ge­ schnellt. Die "Berufsopponenten" geben nunmehr vor, Fundamentalopposi­ tion zu betreiben. Die neue Rechtsprechung bringt allen Beteiligten Steine statt Brot. Immerhin wäre eine vergleichsweise Streitbeilegung denkbar, die den Nachteil der Aktionäre angemessen und schnell ausgleicht und dafür sorgt, daß der Beschluß beseitigt oder durch einen gesetzeskonformen ersetzt wird. Der Mehrheitsaktionär könnte einem solchen Vergleich beitreten und wie bei einem Stimmbindungsvertrag zusagen, den Beschluß auf der näch­ sten Hauptversammlung aufzuheben. Die Registereintragung würde bis dahin nicht betrieben. Der Schwebezustand würde sich so nicht zu Lasten der Ge­ sellschaft auswirken. Ein weiteres Bedenken richtet sich gegen die Qualität der Rechtssetzung, die von der Rechtsprechung vorgenommen wurde. Dies zeigt ein Seitenblick auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs, das eine ähnliche Entwicklung durchlaufen hat. Die UWG-Novelle von 1986 führte zur Einfügung des besonderen Mißbrauchstatbestandes in § 13 Abs. 5, der die zuvor ergangene Rechtsprechung kodifizierte. Auch den Ansprüchen aus §§ 1 bis 12 UWG ist eine doppelte Ausrichtung eigen: Sie bezwecken einer­ seits die Verteidigung der eigenen wettbewerblichen Position des Klägers, gleichzeitig zielen sie auf die Interessenwahrung der Mitbewerber sowie die Reinhaltung des Wettbewerbs34. Für die Definition und Eingrenzung der Klagebefugnis ist eine gesetzliche Grundlage zu fordern, zumal wenn sich 32 HÜffer (wie FN 9), § 246 RdNr. 13 f.; aus der Rechtsprechung BGHZ 107, 296 (308). 33 BGH NJW 1992, 569 nimmt ebenfalls eine Klageabweisung wegen Rechtsmißbrauchs an, wenn sich der Kläger nach Klageerhebung oder während des Prozesses entschließt, von der Gesellschaft für die Rücknahme seiner Klage eine Gegenleistung zu verlangen, auf die er keinen Anspruch hat und die ihm billigerweise nicht zusteht. 34 Dazu Erdmann, in: Großkomm.z.UWG, 1991, § 13 RdNr. 6. Zur Mißbrauchsdis­ kussion im Wettbewerbsrecht eingehend Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbe­ werbs, 4. Aufl. 1995, § 17 (S. 383 ff.) mit guter Nachzeichnung der Entwicklungsge­ schichte. Kritisch zur Lehre vom Mißbrauch der Klagebefugnis im Wettbewerbsrecht auch Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, 1984, S. 124 ff. sowie Sack BB 1986, 953 (957 ff.). Zu dieser institutioneilen Sichtweise bekennt sich auch M. Lehmann WiVerw. 1982, 1 (14 ff.).

das Richterrecht zu den tragenden Grundlagen der Gesellschafterrechte in er­ heblichen Widerspruch setzt35. Die Mißbrauchsrechtsprechung hat praktisch unter der Hand in § 245 AktG ein neues Negativtatbestandsmerkmal einge­ führt.

III. Abkauf des Klagerechts und Vergleichsbefugnis der Parteien Die wichtigste Fallgruppe des Mißbrauchs von Gesellschaftsrechten be­ trifft die entgeltliche Ablösung dieser Rechte. Aktionäre, die sich hierauf einlassen, besitzen zumeist nur wenige Aktien, die sie kurzfristig erworben haben. Sie verlangen im Vergleich zum Marktwert ihrer Beteiligung hohe Summen von den Gesellschaften. AbfindungsVereinbarungen werden ge­ schlossen zur Beendigung bzw. Verhinderung von Anfechtungsklagen, In­ formationserzwingungsverfahren oder Sonderprüfungen nach § 142 AktG. Nach neuerer Rechtsprechung ist eine rechtsmißbräuchlich erhobene An­ fechtungsklage als unbegründet und nicht als unzulässig abzuweisen36. Mate­ riellrechtlich ist die Auskaufvereinbarung ein Vergleich i.S.v. § 779 BGB. Gegenstand eines Vergleichs kann grundsätzlich auch die Rücknahme oder der Verzicht auf einen Rechtsbehelf sein. Bei Mitverwaltungsrechten wie der Beschlußanfechtung ist die Abfindung des Klägers keine typische Form der Verfahrensbeendigung, solange die Rechtswidrigkeit fortwährt. Folgt hieraus aber, daß speziell bei der Anfechtungsklage keine Vergleichsbefugnis exi­ stiert oder diese zu beschränken ist?37 Dafür könnte sprechen, daß im Hin­ blick auf die Doppelnatur der Klage Belange berührt sind, die der Disposi­ tion der Prozeßparteien entzogen sind. An diesem Punkt setzte die letzte um­ fassende Reform des Aktienrechts an. Der Referentenentwurf eines Aktien­

35 Für eine gesetzliche Grundlage nach dem Vorbild von § 13 Abs. 5 UWG treten na­ mentlich diejenigen ein, die die Mißbrauchsrechtsprechung begrüßen und noch verschärfen wollen, vgl. etwa Heuer WM 1989, 1401 (1408). Für eine Beschränkung der Klagebefug­ nis (Pool-Lösung) bei der Aktionärsanfechtung auch H. P. WESTERMANN ZHR 156 (1982), 203 (221 ff.) mit Nachweisen. 36 Diese Rechtsfrage ist jetzt entschieden durch BGH WM 1992, 1404 mit zahlreichen Nachweisen pro und contra. Man denke sich etwa den Fall, daß zwei Aktionäre unabhängig voneinander anfechten und nur einer mit der Gesellschaft in Abfindungsverhandlungen ein­ tritt mit der Folge, daß seine Klage abgewiesen wird, während die andere Klage Erfolg hat. Dann gilt der Beschluß nach § 248 Abs. 1 AktG gleichwohl im Verhältnis zum abgewiese­ nen Kläger als unwirksam, wiewohl feststeht, daß dieser Aktionär gegen die Gesellschaft keinen Anspruch auf Rücknahme des Hauptversammlungsbeschlusses hat. 37 Zur Vergleichsfähigkeit eingehend Feltkamp, Anfechtungsklage und Vergleich im Aktienrecht, 1991, S. 50 ff. Deutlich reserviert gegenüber der Vergleichsbefugnis Lutter ZGR 1978, 347 (350); Boujong, Festschrift für Kellermann, 1991, S. 1 (11).

gesetzes38 sah in § 389 vor, daß die Strafvorschrift des Stimmenkaufs39 auf den Abkauf von Anfechtungs- und Antragsrechten im Spruchstellenverfahren ausgedehnt wird. Die Begründung des Entwurfs40 hob hervor, daß das auf die Anfechtungsklage ergehende Urteil für und gegen alle Aktionäre wirke. Die nicht am Verfahren mitwirkenden Aktionäre, die gerade im Hinblick auf die lautere Prozeßführung durch den Kläger von einer eigenen Klageerhe­ bung abgesehen hätten, bedürften des Schutzes davor, daß der Kläger seine Klage zurücknimmt im Austausch für Vorteile, die ihm alleine zugute kom­ men und die übrigen Aktionäre, die ein ebenso legitimes Interesse an der Be­ seitigung des Beschlusses haben, ihrem Schicksal überläßt. Denn die ein­ monatige Anfechtungsfrist sei zum Zeitpunkt der Klagerücknahme in aller Regel schon verstrichen. Diese Überlegungen behalten ihre prinzipielle Richtigkeit ungeachtet der Tatsache, daß sie schließlich keinen Eingang ins Gesetz gefunden haben. Angesichts des Zeitmoments und der Urteilsreich­ weite erscheint es nicht abwegig, den klagenden Aktionär als Quasi-Organ der Gesellschaft oder als Interessenvertreter aller Aktionäre anzusehen. Dies macht einen Vergleich zur Beendigung eines Anfechtungs- oder Spruchstel­ lenverfahrens aber nicht a limine unstatthaft. Vielmehr ist der Dispositions­ rahmen der Beteiligten enger. Ein Vergleich unterliegt der richterlichen In­ haltskontrolle, die gegebenenfalls zu einer Reduktion der Bedingungen auf das rechtlich zulässige Maß führt. Das Gericht hat in diesem Verfahren eine erweiterte Aufsicht über die Verhandlungsführung der Parteien, da das Ver­ fahren nicht nur auf die Verwirklichung des subjektiven Rechts des Klägers zielt. Mit der Entscheidung über die Fortführung oder die Rücknahme der Klage trifft der Kläger eine Entscheidung, die nicht allein für seine recht­ lichen Beziehungen zur Gesellschaft bestimmend ist. Diese überschießende Rechtsmacht des Klägers erfordert eine wirksame Mißbrauchskontrolle. 1. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Leistung an den Kläger Zug um Zug gegen Rücknahme der Klage rechtswidrig ist und die Klage rechts­ mißbräuchlich macht, ist wenig gewonnen, wenn man solche Gesellschafter als räuberische oder erpresserische Aktionäre etikettiert41. Die dadurch be­ wirkte Emotionalisierung verstellt allzu leicht den Blick auf die gesellschafts­ rechtlichen Wertungsgrundlagen, die allein die relevanten Beurteilungsmaß­ stäbe liefern können. Im Spruchstellenverfahren nach § 306 AktG zur Über­ 38 Entwurf eines Aktiengesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz nebst Begründung (1960). 39 Früher § 299 AktG 1937, heute § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG 1965. 40 A.a.O. (wie FN 38), S. 263. 41 So aber insbesondere LUTTER (wie FN 9), S. 193 ff.; zur strafrechtlichen Behandlung solcher Aktionäre LÜderssen, Festschrift für Heinsius, 1991, S. 457 ff.

prüfung der Angemessenheit der Abfindung entspricht die Forderung einer höheren Abfindung der Natur der Sache. Ein Vergleich, der nur das Ergeb­ nis einer gerichtlichen Entscheidung vorwegnimmt, kann nicht unzulässig oder mißbräuchlich sein. Das Anfechtungsrecht ist einer entgeltlichen Ablö­ sung ebenfalls nicht vollständig entzogen, wie § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG zu erkennen gibt42. Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses nach § 243 Abs. 2 Satz 1 wegen Son­ dervorteilsverfolgung zum Schaden der übrigen Aktionäre entfällt, wenn der Beschluß den anderen Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt. Das Anfechtungsrecht nach Satz 1 steht zur Disposition, wenn derjenige, zu dessen Schutz die die Anfechtung begründende Norm dient, einen angemessenen Nachteilsausgleich vom Begünstigten erhält. Zwar stellt § 245 AktG für die Anfechtungsbefugnis nicht auf die Selbstbe­ troffenheit ab, doch tut dies § 243 Abs. 2 Satz 2 für die Ablösbarkeit des Anfechtungsgrundes. Durch Kompensation ausräumbar sind diejenigen An­ fechtungsgründe, die ausschließlich im Interesse des Aktionärsschutzes be­ stehen und die keine Belange Dritter tangieren. Der Wegfall der Anfech­ tungsbefugnis umfaßt nach dem Wortlaut der Vorschrift auch die andere Al­ ternative, in der sich die Verfolgung des Sondervorteils zum Schaden der Gesellschaft auswirkt43. § 243 Abs. 2 Satz 2 belegt, daß man nicht abstrakt auf die Verwerflichkeit der Auskaufabsicht abstellen darf. In der Vorschrift kommt aber noch ein weiterer Grundsatz zum Vor­ schein, der für die rechtliche Beurteilung von Abfindungsvergleichen ele­ mentar ist. Es geht um die Verwirklichung der Gleichbehandlung aller Ak­ tionäre, die nicht am Genuß des Sondervorteils teilhaben44. Alle zurückge­ setzten Aktionäre haben Anspruch auf Kompensation, selbst wenn sie nicht am Verfahren beteiligt sind und die Anfechtungsfrist für sie schon verstri­ chen ist. Dies schließt es aus, daß der Anfechtungskläger nur für sich eine hohe Abfindung aushandelt ohne Rücksicht auf alle übrigen betroffenen Ak­ 42 Auch Lutter ZGR 1978, 347 (354 ff.) hebt auf diese Bestimmung ab, jedoch nur unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Aktionäre. Fraglos steckt auch dieser Aspekt in § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG, wichtiger noch ist aber die Aussage der Kompensier­ barkeit, die dem Gleichbehandlungsproblem gedanklich vorgelagert ist. 43 Überblick zum Meinungsstand bei HÜffer (wie FN 9), § 243 RdNr. 92 ff. Die Vor­ schrift ist rechtspolitisch überaus umstritten, weil ihre Anwendung in diesem Fall zu dem kuriosen Ergebnis führt, daß eine Schädigung der Gesellschaft durch eine Ausgleichsleistung an ihre Aktionäre kompensiert werden soll. Den Gesellschaftsgläubigem wird dadurch gleich zweimal Zugriffsmasse entzogen. De lege ferenda sollte zwar an § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG festgehalten werden, der Ausgleich ist jedoch dort vorzunehmen, wo der Nachteil ein­ getreten ist. Zu eng erscheint es andererseits, die Kompensation nur im Rahmen der kon­ zemrechtlichen Ausgleichsregeln zuzulassen, so aber Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 243 RdNr. 242. 44 Sehr anschaulich hierzu Lutter ZGR 1978, 347 (354 ff.).

tionäre. Mit Vorbedacht fordert § 243 Abs. 2 Satz 2, daß die Kompensa­ tionsregelung im Beschluß und nicht in einer Nebenabrede enthalten ist45. Ob gewollt oder ungewollt wird der als Kläger auftretende Aktionär zum Sachwalter aller übrigen Aktionäre in der gleichen Lage. Verhält sich der Kläger opportunistisch, so mißbraucht er zwar seine Stellung. Ob dadurch aber die Klage unbegründet wird, bedarf gesonderter Prüfung. Der Abkauf von Klagebefugnissen und die damit verbundene Kommer­ zialisierung von Rechtspositionen ist in einen größeren Sachzusammenhang zu stellen. Damit erscheint auch die Mißbrauchsproblematik in einem ande­ ren Lichte. Unter ökonomischem Blickwinkel geht es um die Tragung der monitoring costs. Die Aufsicht über Verbände muß organisiert und finanziert werden. Aus der Tatsache, daß Auskaufverhandlungen geführt werden, folgt, daß es einen Markt für die Wahrnehmung bzw. Nichtwahrnehmung von Kontrollbefugnissen gibt. Die Tragung der monitoring costs schlägt un­ mittelbar auf die Möglichkeiten der Organisierung dieser Aufsicht durch. Zwei Aufsichtsmodelle sind denkbar und in Deutschland nacheinander er­ probt worden46. Zum einen ist dies ein behördliches Aufsichtssystem, zum anderen eine Privataufsicht durch Gewährung subjektiver (Klage-)Rechte an Mitglieder und Verwaltungsträger. Bereits im 19. Jahrhundert entschied man sich in Deutschland für die Privatisierung und Entbürokratisierung dieser Aufgabe. Welche dieser Möglichkeiten die größere Effizienz verspricht, zeigt einmal der Vergleich mit anderen Rechtsordnungen, die ebenfalls diese Form der Aufsicht favorisieren. Zum anderen folgt aus dem Umstand, daß sich das privatrechtliche Aufsichtssystem trotz aller Kritik in Deutschland seit über 100 Jahren erhalten und bewährt hat, seine Überlegenheit gegen­ über einer staatlichen Aufsicht über das Verbandswesen. Ein staatliches Auf­ sichtssystem gerät in unnötigen Konflikt mit dem verfassungsrechtlich ver­ bürgten Selbstverwaltungsrecht der Verbände und zwingt den Staat überdies zur Errichtung und Unterhaltung eines aufwendigen Behördenapparates. Staatsfunktionären fehlt das eigene Interesse an einer Verfolgung von Rechtsverstößen, zumal sie nicht auf dieselben Informationsquellen zurück­ greifen können. Dieselbe Erwägung steht hinter den privaten Klagebefugnis­ sen in § 13 UWG47. Fällt die Entscheidung zugunsten der privaten Aufsicht 45 Dies unterstreicht die Publizitätswirkung eines Beschlusses. Fehlt die Kompensations­ regelung im angefochtenen Beschluß, so greift der Anfechtungsausschuß nach § 243 Abs. 2 Satz 2 nicht Platz. Soll der Beschluß dennoch vor der Anfechtung bewahrt werden, so ist ein Beschluß mit dem ursprünglichen Inhalt unter Einschluß der erforderlichen Kompensations­ regelung nachzuschieben, vgl. § 244 Satz 1 AktG. 46 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktien­ recht, 1985, S. 53 ff.; Immenga GmbHRdsch. 1973, 5 (6). 47 Hierzu mit vielen Nachweisen Sack BB 1986, 953 (960).

mit subjektiven Rechten, so verlangt dies zunächst nach keinen staatlichen Investitionen. Dies bedeutet aber nicht, daß die Aufsicht ohne Transaktions­ kosten zu erbringen ist. Genau davon scheint aber die neuere Rechtsprechung auszugehen. Die Möglichkeit, an der Klage zu verdienen oder wenigstens vollständigen Kostenersatz zu erhalten, ist unverzichtbarer Anreiz für die Geltendmachung dieser Rechte überhaupt und darf in einer Rechtsordnung, die auf Privataufsicht baut, nicht tabuisiert werden. Im deutschen Recht ist lediglich die Debatte darüber in Gang geraten, ob der Anfechtungskläger eine moderate Aufwandsentschädigung beanspruchen darf48. Nicht untersucht ist, ob die den Beschluß fassenden Aktionäre nicht trotz § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG wenigstens bei vorsätzlicher Herbeiführung haften und ob sich nicht aus diesem Betrag der Aufwendungsersatz für den Anfechtungskläger entnehmen ließe, so daß die Legalitätskontrolle für die Gesellschaft kostenneutral bliebe. Eine angemessene Entlohnung des Anfechtungsklägers für die erfolgreiche Durchführung eines Anfechtungs­ verfahrens ist keineswegs abwegig. Es darf der Anreiz nicht fehlen, von der Klagebefugnis Gebrauch zu machen. Der Dienst, den der Kläger der Allge­ meinheit, der Gesellschaft und allen Aktionären mit der Beseitigung eines rechtswidrigen Beschlusses leistet, ist eines Lohnes wert, der über den blo­ ßen Aufwendungsersatz hinausgeht. Wie die Verwaltung bzw. die Hauptver­ sammlungsmehrheit über die Prozeßführung denkt, ist unerheblich, weil auf deren objektiven Wert abzustellen ist. Deckt die Anfechtung einen komple­ xeren Beschlußmangel auf, etwa eine gegen gesetzliche Vorschriften durch­ geführte Fusion, dann hat der Kläger unter Einsatz seiner Ressourcen etwa seiner Freizeit - die Arbeit geleistet, die eigentlich die besoldeten Mit­ arbeiter der Gesellschaft hätten leisten müssen. Der Arbeitsmarkt bewertet den Wert dieser Arbeitsleistung als nicht gering. In den Abfindungsprämien spiegelt sich auch der Wert der Arbeitsleistung des Klägers wider, da er ge­ zwungen ist, seine Klage substantiiert zu begründen. Es besteht mithin kein Grund, die Kommerzialisierung per se als verwerflich zu betrachten. Sto­ ßend ist an den bekannt gewordenen Fällen einer Abfindung des Klägers nicht diese Kommerzialisierung, sondern daß im Falle der Abfindung der rechtswidrige Beschluß Bestand hat und die zumeist exzessiven Auskauf­ summen. Der Auskauf der Anfechtungsklage oder eines anderen Gesellschafter­ rechts ist demnach nicht stets rechtsmißbräuchlich. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles sowie auf die Höhe der Abfindung an. Keines­ falls dürfen die Anreize zur Geltendmachung der Mitgliederrechte dadurch 48 HOMMELHOFF/TIMM AG 1989, 168 ff. Dieser Vorschlag hat bis heute allerdings keine nennenswerte Resonanz in Literatur und Rechtsprechung gefunden.

beseitigt werden, daß man allein dem Kläger die Kostentragung aufbürdet49. Wenigstens in dem Umfange, in dem eine Schadenskompensation die Anfechtung verdrängen kann, darf ein Auskaufentgelt vereinbart werden. Gleichzeitig ist aber der Beschlußmangel vollständig zu beseitigen, d.h., der Beschluß muß vollauf rechtmäßig sein und die Bezahlung der Abfindung hat - wie noch zu zeigen ist - mit den Bestimmungen über die Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals in Einklang zu stehen. 2. Zu beachten ist ferner die Stellung der Verwaltung. Ob sie die Aus­ übung eines Kontrollrechts überhaupt durch eine Zuwendung an das Mitglied ab wenden darf, erscheint zweifelhaft. Dennoch ist diese Möglichkeit nicht pauschal auszuschließen. Ausgangspunkt der Überlegung ist wiederum die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Satzung. Diese Bindung läßt sich nicht durch Bestechungszahlungen abschütteln. Andererseits ist nicht zu ver­ kennen, daß solche Rechte auch grundlos ausgeübt werden können und so der Gesellschaft Schaden zufügen. Die Verwaltung ist andererseits auch ver­ pflichtet, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, der ihr daraus erwach­ sen mag, daß eine Klage das Image der Gesellschaft schädigt oder die Durchführung eines wichtigen Projektes verzögert. Der Vorstand befindet sich hier in einem Dilemma: Er kann unter betriebswirtschaftlichem Blick­ winkel in Zugzwang geraten, wenn es darum geht, eine Kapitalerhöhung durchzuführen oder die Synergieeffekte einer Verschmelzung schnell nutzen zu können. Im direkten Widerstreit von Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßig­ keit ist der letzteren der Vorzug einzuräumen. Entscheidenden Einfluß auf die Stellung und den Handlungsspielraum der Verwaltung hat die Zulässig­ keit einer Abfindungsgewährung im Rahmen der Kapitalbindungsvorschrif­ ten. Die Verwaltung ist relativ freier, wenn die Abfindung nicht zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geschieht. Man denke sich den Fall, daß der Mehrheitsaktionär den Kläger auskauft, um "seinen” Beschluß vor der An­ fechtung zu bewahren. Anders liegen die Dinge, wenn die Abfindung von der Gesellschaft zu zahlen ist. Fraglich ist, ob es einen generellen Rechtfer­ tigungsgrund für den Auskauf opponierender Gesellschafter in Anlehnung an 49 Das geltende Recht weist eine asymmetrische Struktur in der Kostenverteilung auf, die zur Erzeugung der notwendigen Anreize genau umgekehrt sein müßte. Unterliegt der Aktionär, trägt er alle Prozeßkosten. Unterliegt dagegen die Verwaltung als Kläger (§ 245 Nr. 4 und 5 AktG), dann trägt die Gesellschaft für sie die Kosten. Die Anfechtung durch einen Aktionär offenbart das typische Dilemma öffentlicher Güter: Alle Aktionäre und die Gesellschaft genießen die Vorteile einer erfolgreichen Klage. Dem obsiegenden Aktionär entstehen keine nach § 91 ZPO ersatzfähigen Prozeßkosten, die von der Gesellschaft zu tra­ gen sind. Prozeßkosten sind nur die unmittelbaren Aufwendungen der Parteien zur Führung des Rechtsstreits im Gegensatz zu den Schäden oder Einbußen, die eine Partei aus Anlaß der Prozeßführung erleidet. Wird die Klage hingegen abgewiesen, so liegt das ganze Risiko al­ lein beim Kläger ohne Kostenpartizipation sonstiger Personen.

§71 Abs. 1 Nr. 1 AktG geben kann50. Gegen ein übergesetzliches Notstandsprivileg spricht, daß die Finanzverfassung der Aktiengesellschaft zwingendes Recht ist. § 71 Abs. 1 Nr. 1 ist eine Ausnahmevorschrift, die sich als solche einer ausdehnenden Anwendung entzieht. Anfechtungsklagen, die zweifelsfrei ohne Erfolgsaussicht sind, mag der Vorstand auskaufen. Anschließend ist jedoch der Rückgewähranspruch der Gesellschaft gegen den Leistungsempfänger durchzusetzen zur Wiederher­ stellung der Integrität des Gesellschaftsvermögens51. Die strenge Haftungs­ sanktion in § 93 Abs. 3 Nr. 1 und 3 AktG unterstreicht, daß § 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG dem Vorstand nicht als allgemeiner Rechtfertigungsgrund zur Seite steht. Wenn die Klage erfolgreich, der Beschluß also rechtswidrig ist, hat die Verwaltung allenfalls dann ein Recht zur Abfindung des Klägers, wenn der Anfechtungsgrund disponibel und kompensierbar ist. Dies ist der oben an­ hand von § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG abgesteckte Rahmen. Alle Anfechtungs­ gründe, die mit dem Gläubigerschutz Zusammenhängen, Rechte der Gesell­ schaft betreffen oder mit der betrieblichen Mitbestimmung zu tun haben, sind nicht ablösbar. Entsprechend sind dem Vorstand die Hände gebunden. Im Gegenteil müßte die Verwaltung ihr eigenes Anfechtungsrecht aus § 245 Nr. 4 und 5 AktG in Anspruch nehmen, um einen rechtswidrigen Beschluß zu beseitigen. Dieser Verpflichtung darf sich die Verwaltung nicht kurzer­ hand durch den Auskauf des Klägers entziehen. Die Abfindung opponieren­ der Mitglieder beleuchtet die Gratwanderung der Verwaltung zwischen dem betriebswirtschaftlich Wünschenswerten und dem rechtlich Erlaubten. Im Konfliktfalle hat die Verwaltung im Hinblick auf die Bindungen, denen sie unterliegt, der Rechtmäßigkeit den Vorrang einzuräumen52. Ein fehlerhaft gebildeter Gesamtwille der Gesellschaft aufgrund eines Beschlusses, dem ein Mangel anhaftet, kann niemals im Verbandsinteresse liegen. Gegenüber der andernfalls platzgreifenden Organverantwortlichkeit gibt es keine Berufung auf einen übergesetzlichen Notstand entsprechend § 34 StGB, die es erlauben würde, die kollidierenden Belange auf der Ebene einer Güterabwägung aus­ zugleichen.

50 Diekgräf (wie FN 1), S. 91 ff. Die Diskussion um § 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist im Zusammenhang mit § 57 Abs. 1 Satz 2 AktG zu sehen. Danach ist diese Form der Einlagen­ rückgewähr aus dem Anwendungsbereich der §§57 ff., speziell § 62 AktG, ausgenommen. 51 Zu dieser Verfolgungspflicht insbesondere Diekgräf (wie FN 1), S. 190 ff. sowie K.-P. Martens AG 1988, 118 ff., die mit einem eher variablen Kauf-aus-hol-zurück-Ver­ fahren arbeiten. 52 So auch Lutter (wie FN 9), S. 201 ff., der nur ganz eng umgrenzte Ausnahmeberei­ che von dieser Grundregel anerkennt; anders K.-P. Martens AG 1988, 118 ff.

IV.

Die angemessenen Folgen mißbräuchlichen Verhaltens

Die primäre Folge eines mißbräuchlich ausgeübten Gesellschafterrechts besteht in der Aberkennung der Berechtigung. Eine zu Unrecht geleistete Abfindung für die Nichtausübung eines Klagerechts unterliegt der Rückfor­ derung durch die Gesellschaft. Auf diese Kurzformel läßt sich der aktuelle Sachstand reduzieren. Diese Aussagen reflektieren indes nur die individuelle Seite der Gesellschafterrechte. Darüber darf ihre institutioneile Wirkrichtung nicht in Vergessenheit geraten. Sie ist vielmehr wenigstens gleichrangig bei der Rechtsfolgenbestimmung in Ansatz zu bringen. 1. Rechtsmißbrauch und Schicksal der Klage Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung ist eine rechtsmißbräuchliche Anfechtungsklage als unbegründet abzuweisen, selbst wenn der Beschluß an einem Mangel leidet, der an und für sich seine Aufhebung rechtfertigt53. Dieses Ergebnis diszipliniert zweifelsohne einen Kläger mit "unclean hands", trifft aber ebenso die Gesellschaft sowie die nicht verfahrensbeteiligten Ge­ sellschafter, für die der Beschluß mit der Klageabweisung unangreifbar wird. Diese Lösung ist überaus fragwürdig. Ein Mißbrauch des Klagerechts durch den Kläger hat nichts zu tun mit der rechtswidrig geschaffenen Beschlußlage. Entsprechend sind die Konsequenzen zu trennen. Die Abweisung der Klage wegen Mißbrauchs des Anfechtungsrechts ist keine angemessene Rechts­ folge, weil sie Leistung und Gegenleistung in kein angemessenes Verhältnis zueinander setzt. Die Zuwendung der Gesellschaft erfolgt nicht als Gegenlei­ stung für die Klageerhebung, sondern ist Gegenleistung für die Klagerück­ nahme, der der Abkauf der Aktien des Klägers gleichkommt. Mithin steht die Klagerücknahme im Synallagma der AbfindungsVereinbarung. Nicht die Klageerhebung, sondern die Kisigtrücknahme ist rechtsmißbräuchlich. Die Lehre vom Rechtsmißbrauch des Anfechtungsrechts vermengt also Klageer­ hebung und -rücknahme, was bereits verfahrensrechtlich unzulässig ist. Trennt man beides, so öffnet sich der Blick auf die richtige Lösung. Ist die Klagerücknahme rechtsmißbräuchlich und unwirksam, dann darf das Verfah­ ren bestimmungsgeinäß seinen Fortgang nehmen mit dem Ziel der Prüfung des angefochtenen Beschlusses. Selbst wenn der Kläger sein Klagerecht durch Mißbrauch verwirkt hat, bleibt das Grundanliegen des Verfahrens be­ stehen und weiterhin erreichbar. Hat sich der ursprüngliche Kläger als ge­ eigneter Sachwalter der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre disqualifi­ 53 BGH WM 1992, 1404; für die Abweisung als unzulässig dagegen Karsten Schmidt, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1995, § 245 RdNr. 73 ff. (75).

ziert, darf das Verfahren gleichwohl seinen Fortgang nehmen. Es ist durch einen neuen Kläger mit lauterer Gesinnung weiterzufuhren, der als Rechts­ nachfolger einrückt und den Prozeß in der durch den ursprünglichen Kläger geschaffenen Verfahrenslage fortsetzt. Die Wahrung der Anfechtungsfrist wirkt auch für den neuen Kläger. Unerheblich ist ferner, ob dieser nach § 245 Nr. 1 AktG wirksam Widerspruch erhoben hat. Es handelt sich um eine Parteiauswechslung eigener Art in Anlehnung an §§ 265 Abs. 2, 239 ff. ZPO, die nicht der Zustimmung des Gegners bedarf. Zur Verfahrensfortfüh ­ rung tauglich ist jeder, der selbst hätte Klage erheben können. Der überneh­ mende Kläger hat eine Stellung, die derjenigen des Vertreters des öffent­ lichen Interesses im Verwaltungsprozeß nahekommt54. Im Gesellschaftsrecht existiert eine Parallele im gemeinsamen Vertreter aller außenstehenden Aktionäre im Spruchstellenverfahren nach § 306 Abs. 4 Satz 2 AktG, § 308 UmwG. Zur Erreichung des Verfahrensziels ist eine Durchbrechung der Verhandlungsmaxime angezeigt. Denn mit der Klage verwirklicht der Kläger mehr als nur sein subjektives Recht auf gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung. Ab Rechtshängigkeit der Klage geht es um die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses als objektive Statusfeststellung. Der jetzt von der Rechtsprechung eingeschlagene Weg löst das Sachproblem nicht befriedigend, weil sich die Entscheidung, ob ein Mißbrauch vorliegt, durch mehrere Instanzen über Jahre hinziehen kann. Eine wirklich optimale Lösung muß sich um die Beschleunigung des Verfahrens bemühen. Dies wahrt einerseits die Interessen der Gesellschaft an der zügigen Umsetzung ihrer Beschlüsse, zum anderen nimmt sie der Anfechtung einen erheblichen Teil ihres Erpressungspotentials. 2. Die Behandlung des Auskaufentgelts

Ist die Abfindung des Gesellschafters rechtswidrig, so unterliegt die be­ wirkte Leistung der Rückforderung. Nach hier vertretener Ansicht ist nicht jede Ablösung eines Gesellschafterrechts ipso iure rechtswidrig55. Eine ver­ 54 Vgl. §§ 35, 36, 63 Nr. 4 VwGO. Vergleichbar ist die Stellung des Staatsanwalts im Ehenichtigkeitsprozeß oder bei der Verschollenheitserklärung (§§ 16, 24 VerschG). Findet sich kein Kläger, der zur Verfahrensfortführung bereit ist, so kann das Gericht entsprechend § 306 Abs. 4 Satz 2 AktG, § 308 UmwG einen gemeinsamen Vertreter bestellen. Es handelt sich zwar um kein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, doch ist eine Statusklärung hinsichtlich des Beschlusses nicht minder wichtig als die Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung im Spruchstellenverfahren. 55 BGHZ 36, 121 (135 ff.): Nicht jeder Auskauf ist prinzipiell rechtswidrig. Der Ge­ sellschafter darf seine Rechte legitimerweise insbesondere dazu benutzen, eine im Verhältnis zu den Bezügen der Verwaltung höhere Dividendenzahlung anzustreben. Entscheidend ist nur, daß das Begehren im Rahmen der Finanzverfassung der Aktiengesellschaft zu erfüllen ist.

botswidrig zu Lasten des Gesellschaftsvermögens erbrachte Leistung ist der Gesellschaft zu erstatten. Darunter ist eine Leistung zu verstehen, die direkt von der Gesellschaft an den Gesellschafter fließt oder eine Leistung, die zwar von dritter Seite erbracht wird, jedoch am Ende das Gesellschaftsver­ mögen ebenso schmälert, weil der Zuwendende bei der Gesellschaft Rück­ griff nehmen kann. Das amerikanische Recht löst dieses Problem, indem es unzulässige Leistungen, die von der Gesellschaft an den Kläger für die Beendigung einer derivative suit gewährt werden, mit einem constructive trust belegt56. Das deutsche Recht nimmt denselben Ausgleich durch ein dif­ ferenziertes System von Ansprüchen vor. Neben den besonderen Anspruchsgrundlagen des Gesellschaftsrechts ist an eine Rückforderung des Geleisteten aus ungerechtfertigter Bereicherung zu denken. Dazu muß die Leistung rechtswidrig oder sittenwidrig gewesen sein. Die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht setzt die Gesellschaft den all­ gemeinen Schwächen von Bereicherungsansprüchen aus. Die Bereicherung kann wegfallen, sofern die Gesellschaft nicht den Nachweis der verschärften Bereicherungshaftung des Schuldners erbringt. Außerdem mag eine Rück­ forderung nach § 814 Fall 1 BGB ausgeschlossen sein, bei einer Leistung in Kenntnis der Nichtschuld, oder es kann § 817 Satz 2 BGB entgegenstehen, wenn sich die Gesellschaft in pari delicto befindet. Ungeachtet der gesell­ schaftsrechtlichen Verbotsgesetze ist festzuhalten, daß eine Vereinbarung, die eine Gegenleistung für die Nichterhebung oder Rücknahme eines Rechts­ behelfs zusagt, grundsätzlich nicht unzulässig ist57. Sie ist weder sittenwid­ rig, noch verstößt sie gegen ein gesetzliches Verbot. Nicht die Ablösung des Rechtsbehelfs als solche, sondern ein grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist zu beanstanden. Setzt der eine Teil den anderen ungebühr­ lich unter Druck, ist zusätzlich die Anfechtung der Abrede nach § 123 BGB in Betracht zu ziehen58. Es gibt keinen Rechtssatz und keine Vermutung des

56 Clarke v. Greenberg, 71 N.E.2d 443 (N.Y. 1943). Die Entscheidung verdient gerade in Deutschland Beachtung, weil sie die Frage der rechtswidrigen Abfindungszahlung an den Kläger klar von der Zulässigkeit und vom Fortgang der Klage trennt. 57 BGHZ 79, 131 zur entgeltlichen Ablösung eines Widerspruchs gegen eine nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungspflichtige Anlage; zu dieser Entscheidung ein­ gehender Knothe JuS 1983, 18; aus der Schweiz BGE 115 II 232 zum Auskauf des Rekur­ ses gegen die dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung. - Weder der BGH noch das Schwei­ zerische Bundesgericht arbeiten die Trennlinie heraus zwischen den subjektiven Rechten bzw. den Klagebefugnissen des einzelnen und dem Geltungsanspruch von Normen, die im öffentlichen Interesse erlassen sind, was aber für die Vergleichs- und Verzichtsbefugnis vor­ greiflich ist. Unproblematisch ist ein Verzicht oder Vergleich allenfalls bei Rechtsnormen, die ausschließlich dem Schutz privater Belange dienen. 58 Hierzu BGHZ 79, 131 (143) sowie Knothe JuS 1983, 18 (22).

Inhalts, daß ein Aktionär, der sich auskaufen läßt, eine Notlage der Gesell­ schaft ausnutzt59. Außer den allgemeinen zivilrechtlichen sind die gesellschaftsrechtlichen Bewertungsvorgaben zu beachten und hier vor allem die Regeln zur Auf­ bringung und Erhaltung des Grundkapitals. Bei der Aktiengesellschaft sind die Sicherungen des Grundkapitals am stärksten ausgeprägt. Die §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 5 AktG greifen bei formaler Betrachtung nur ein, wenn eine Ab­ findung opponierender Aktionäre zu Lasten des Gesellschaftsvermögens ge­ schieht.

a) Abfindung durch die Gesellschaft Die Abfindung des Klägers aus Gesellschaftsmitteln bringt die zwingen­ den Regeln zum Schutze des Gesellschaftsvermögens ins Spiel. Dies ist nicht allein ein Problem im Recht der Körperschaften. Bei den Personalgesell­ schaften sind die Gesellschafter relativ freier in der Mittel Verwendung. Zu beachten ist hier die zwingende Nachschußsperre in § 707 BGB60. Für die Kommanditgesellschaft gilt § 172 Abs. 4 HGB. Wie bei der AG ist die Rückgewähr der Einlagen untersagt, andernfalls lebt die Haftung des Kom­ manditisten wieder auf. Bei der GmbH umfaßt die Kapitalbindung nur das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen (§ 30 Abs. 1 GmbHG). Wesentlich strenger ist die Vermögensbindung im Aktienrecht. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG dürfen den Aktionären die Einlagen nicht zu­ rückgewährt werden. § 58 Abs. 5 erlaubt vor Auflösung der AG nur die Verteilung des Bilanzgewinnes unter die Aktionäre. Diese Bestimmungen stehen der Wirksamkeit echter Umsatzgeschäfte, die die Gesellschaft mit ih­ ren Aktionären tätigt, nicht entgegen. Die sorgfältige Prüfung einer Ein­ lagenrückgewähr ist aber angezeigt, sobald ein spürbares Mißverhältnis zwi­ schen Leistung und Gegenleistung auftritt. Leistungen in einer Aktiengesell­ schaft an ihre Aktionäre unter Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrück­ gewähr sind steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behan-

59 An dieser Stelle macht sich ein wichtiger struktureller Unterschied zum öffentlichen Recht bemerkbar, der auch bei den begünstigenden Verwaltungsakten mit drittbelastender Doppel Wirkung eine Rolle spielt: Die Behörde kann den Spieß umdrehen und den Suspensiveffekt durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO überspielen, woraufhin der Widerspruchsführer gerichtlichen Schutz nach § 80 Abs. 5 in Anspruch nehmen muß, um die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches wiederherstellen zu lassen. 60 Auch bei den Personalgesellschaften kann sich die Auskauffrage stellen etwa bei Ab­ findung eines Gesellschafters, der gegen einen Beschluß der Gesellschafter angeht oder der die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft nach § 133 HGB betreibt.

dein61. Die gebräuchliche Abgrenzungsformel lautet, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung - im Gegensatz zum echten Umsatzgeschäft — anzu­ nehmen ist, wenn dem Aktionär in dieser Eigenschaft außerhalb des regu­ lären Gewinnverteilungsprozesses ein Vorteil zugewendet wird, der zu die­ sen Konditionen einer anderen Person bei Anwendung der Sorgfalt eines ge­ wissenhaften und ordentlichen Geschäftsleiters nicht gewährt würde62. Die relevanten Unterscheidungsmomente sind also die Zuwendung causa societatis und das Mißverhältnis im Vergleich zu den am Markt erzielbaren Kondi­ tionen. Dieses Mißverhältnis ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln63. Es liegt vor, wenn die Abstandszahlung an den Aktionär über den oben skiz­ zierten Rahmen zulässiger Entschädigung und Aufwandsabgeltung hinaus­ geht, sich also am sog. Lästigkeitswert des Klagerechts orientiert64. Entzieht die Gesellschaft einer Klage die Grundlage, indem sie dem Aktionär seine Aktien abkauft, so erwirbt sie einmal die Aktien, zum anderen jedoch den wirtschaftlich noch wertvolleren Vorteil, nach Beseitigung des Klagehinder­ nisses bei Verwirklichung der blockierten Maßnahme freie Hand zu haben. Indessen muß dieser Vorteil außer Ansatz bleiben, weil die Gesellschaft und ihre Organe rechtmäßige Zustände zu schaffen haben und nicht statt dessen diejenigen Rechtsbehelfe, die hierauf abzielen, auskaufen dürfen. Ein Verstoß gegen die §§57 Abs. 1, 58 Abs. 5 AktG macht die Leistung nichtig und löst ihre Rückführung in das Gesellschaftsvermögen aus. Das Aktienrecht hält in § 62 Abs. 1 eine besondere Anspruchsgrundlage bereit, die eine strikte Rückführungspflicht statuiert. Die Haftung ist verschuldens­ unabhängig, und es interessiert nicht, ob der Empfänger der Leistung in gutem Glauben war. Der Rückerstattungsanspruch hat sich aus dem Berei­ cherungsrecht entwickelt. Die eigenständige Kodifikation in § 62 AktG be­ zweckte, den Anspruch von den bekannten Schwächen der Bereicherungs­ haftung zu befreien. Dennoch schließt § 62 AktG die Anwendung der §§ 812

61 Zur verdeckten Gewinnausschüttung nach Gesellschaftsrecht vgl. RGZ 146, 84 (94); 149, 385 (400) jeweils zu §§ 213, 215 Abs. 1 HGB a.F. = §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 5 AktG 1965; OLG Koblenz AG 1977, 231; Lutter, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 57 RdNr. 15 ff. Zur Behandlung nach Steuerrecht ausführlich KNOBBE-KEUK, Bi­ lanz- und Unternehmenssteuerrecht, 7. Aufl. 1989, § 19 I 1 (S. 521 ff.); Dollerer, Ver­ deckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. 1990, S. 28 ff. Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vgl. nur BFHE 142, 276 (280 ff.); 141, 266 (270); 150, 337 (339); 152, 74 (75 ff.); 156, 428. 62 Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1983, § 57 RdNr. 11 ff.; Lutter, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 57 RdNr. 16 ff. 63 Hefermehl/Bungeroth (vorige FN), § 57 RdNr. 12/16; Lutter (vorige FN), § 57 RdNr. 15 ff. 64 Hierzu jetzt ausführlich Diekgräf (wie FN 1), S. 91 ff.

ff. BGB richtiger Auffassung nach nicht aus65. Diejenigen, die das Bereiche­ rungsrecht insgesamt als von § 62 AktG verdrängt ansehen, argumentieren mit der Spezialnormierung, die erfolgt sei, weil die Bereicherungshaftung nicht über die für diesen Sachzusammenhang erforderlichen Qualitäten ver­ füge. Dies gilt indes nur für die aufgezeigten allgemeinen Schwächen dieser Haftung, die in der Tat nicht zur Stringenz der Verbotstatbestände in §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 5 AktG passen. Darüber wird indes übersehen, daß in der Bereicherungshaftung andererseits Elemente stecken, die § 62 AktG hervor­ ragend ergänzen und mit seinem Telos vollauf vereinbar sind. Gemeint sind die positiven Attribute des Bereicherungsausgleichs in § 818 Abs. 1 und 2 BGB. Nach § 818 Abs. 2 BGB ist Wertersatz geschuldet, wenn die Heraus­ gabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten ausscheidet. Eine Analogie zu § 346 Satz 2 BGB ist also nicht zu bemühen66. 67 Die gängige Auslegung von § 62 AktG konzentriert sich zu stark auf den Fall, daß die Einlagenrück­ gewähr in einer Geldleistung bestand. Das muß aber mitnichten so sein. Häufig geschieht die Ruhigstellung opponierender Aktionäre durch Sachlei­ stungen, etwa Vorzugskonditionen bei der Belieferung durch die Gesell­ schaft. Die Rückerstattung dieser Vorteile ergibt sich zwanglos aus § 818 Abs. 2 BGB ohne den Umweg über das allgemeine Leistungsstörungsrecht. § 818 Abs. 1 BGB schließlich eröffnet die Möglichkeit, auch Nutzungen und Surrogate des Erlangten in das Gesellschaftsvermögen zurückzuführen. Dies steht mit elementaren gesellschaftsrechtlichen Wertungen in Einklang: Die Geschäftschancen der Gesellschaft (corporate opportunities) gebühren der Gesellschaft einschließlich aller Produkte und Derivate, die sich aus ihnen gewinnen lassen. Dies beginnt natürlich beim Gesellschaftsvermögen selbst. Unberührt von § 62 AktG bleiben andere Anspruchsgrundlagen insbeson­ dere deliktische Ansprüche nach §§ 823, 826 BGB. Mit diesen Ansprüchen können weitere Vermögenseinbußen der Gesellschaft ausgeglichen werden, die über den nach § 62 AktG ersatzfähigen Betrag hinausgehen. § 249 Satz 1 BGB zielt wie § 62 AktG auf die Herstellung des Status quo. Anwendbar ist auch § 117 AktG für Schädigungen der Gesellschaft aus rechtswidriger Ein­ flußnahme auf die Verwaltungsträger. Der strategische Vorteil von § 11767 65 So insbesondere Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen im Aktienrecht, 1989, S. 92 ff., 103 ff. gegen die ganz herrschende Meinung, vgl. Lutter, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 62 RdNr. 29 mit Nachweisen. 66 So aber Lutter (vorige FN), § 62 RdNr. 26/27 m.w.N. Die Analogiebasis für die Anwendung der §§ 275 ff., 346 ff. BGB bleibt überdies im Dunkeln. Daß die Rückgabe in anderer Form erfolgt als die Hingabe, bedeutet nicht zwangsläufig eine Unmöglichkeit der Leistung. 67 Gegen § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG als denkbarer Anspruchsgrundlage Feltkamp, An­ fechtungsklage und Vergleich im Aktienrecht, 1991, S. 135, mit der Begründung, der Ak­ tionär führe den Schaden der Gesellschaft durch eigenes Handeln herbei. Dies stimmt allen­

liegt darin, daß der Schädiger nicht Aktionär sein muß. Die Haftung erfaßt mithin ebenso Hintermänner, Strohmänner und sonstige Tatteilnehmer oder Nutznießer (§ 117 Abs. 3 AktG). Für einen rechtswidrigen Auskauf von op­ ponierenden Aktionären haftet insbesondere der beratende Rechtsanwalt68. Die faktische Sperrwirkung der Anfechtungsklage versetzt den Kläger in die Lage, die Verwaltung zu verdeckten Gewinnausschüttungen bzw. zur Ge­ währung von gesellschaftsfremden Sondervorteilen zu veranlassen. Dies ist systematisch das Anwendungsgebiet der Haftung nach § 117 AktG. Hierin bestätigt sich die Verschränkung von Haftungsordnung und Kapitalbin­ dungsmechanismen bei den Körperschaften. b) Die Einschaltung Dritter

Die strengen Regeln zur Kapitalerhaltung sind auf den Schutz des Gesell­ schaftsvermögens bezogen. Es steckt eine gewisse Versuchung darin, die §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 5 AktG auszuschalten, indem die Leistung nicht von der Gesellschaft erbracht wird und/oder nicht an den Aktionär fließt. In bei­ den Fällen würde die Rückgewährhaftung nach § 62 Abs. 1 AktG bei for­ maler Betrachtung nicht eingreifen. Es fragt sich jedoch, ob die Kapitalbin­ dung so leicht aus den Angeln zu heben sein darf und ob Leistender und Empfänger formal oder funktional zu bestimmen sind, wenn auf der einen oder anderen Seite dritte Personen eingeschaltet sind. Die Einbeziehung Dritter in die Betrachtung ist zur Erfassung von Umgehungsgeschäften not­ wendig. Die Zuwendung durch einen Dritten mag sich wirtschaftlich zu La­ sten des Gesellschaftsvermögens auswirken. Die Leistung an einen Dritten kann dem Aktionär zurechenbar sein. (1) Das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG be­ deutet, daß die AG an den Aktionär keine auf seiner Gesellschafterstellung beruhende Leistung erbringen darf, auf die er nach dem Gesetz keinen An­ spruch hat69. 70 Ist der Rückgewährschuldner nicht Aktionär, findet § 62 Abs. 1 AktG keine Anwendung, und es bewendet bei den allgemeinen Anspruchsgrundlagen70. Denn § 62 Abs. 1 ist als Sanktion auf die §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 5 AktG zugeschnitten. Diese schützen die Integrität des Gesellschafts­ vermögens und nicht die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung falls für den nackten Verzögerungsschaden, aber nicht für die Abpressung des Auskaufent­ gelts. Insoweit verfugt die Verwaltung über Vermögen der Gesellschaft auf Druck des Ak­ tionärs hin. Für die Anwendbarkeit von § 117 AktG neben § 62 AktG dagegen Bommert (wie FN 65), S. 192 ff. 68 Zur Rechtsanwaltshaftung nach Deliktsrecht BGH NJW 1992, 2821, jedoch ohne Be­ zugnahme auf § 117 AktG. Zum Ganzen auch KORT DB 1992, 1765. 69 Jetzt entschieden durch BGH AG 1992, 317 m.w.N. 70 Lutter, in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 57 RdNr. 71.

hinsichtlich der Höhe des Auskaufentgeltes. Sofern ein Dritter die Zuwen­ dung vornimmt, sind die Kapitalschutzregeln des Gesellschaftsrechts zu be­ achten, wenn eine Vermögensverschiebung zum Nachteil des Gesellschafts­ vermögens eintritt. Das ist anzunehmen, wenn die Zuwendung für Rechnung der AG erfolgt und dem Vertragspartner gegen die AG ein Anspruch auf Aufwendungsersatz (§670 BGB) erwächst71. In gleicher Weise gelten die Kapitalschutzbestimmungen, wenn der Dritte mit der Aktiengesellschaft kon­ zernverbunden ist72. Löst die Tochtergesellschaft eine gegen die Mutter­ gesellschaft gerichtete Anfechtungsklage ab, so greifen die §§57 Abs. 1, 58 Abs. 5 AktG grundsätzlich ein. Dies beruht auf dem Gedanken der Unter­ nehmenseinheit im Konzern, der in den §§ 56 Abs. 2, 7Id AktG seinen po­ sitivrechtlichen Niederschlag gefunden hat73. Den umgekehrten Fall der Lei­ stung durch die Mutter zugunsten der Tochtergesellschaft will die herr­ schende Meinung von der Anwendbarkeit der Kapitalschutzvorschriften aus­ nehmen74, weil es am Merkmal der Beeinträchtigung des Vermögens der AG fehle75. (2) Leistungen an einen Aktionär können ebenfalls an den Kapitalschutzbe­ stimmungen zu messen sein. Der Empfänger ist vielleicht selbst nicht Aktio­ när, die Leistung mag aber einem Aktionär zurechenbar sein. Die bloße Ein­ schaltung eines Dritten auf Empfängerseite macht § 57 Abs. 1 AktG nicht unanwendbar76. Ein Hintermann des Empfängers, der selbst Aktionär der leistenden Gesellschaft ist, unterliegt den Kapitalschutzbestimmungen. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 46 Abs. 5 AktG. Was dort für das Recht der Kapitalaufbringung formuliert ist, muß in seiner Konsequenz für die Erhaltung des Gesellschaftskapitals ebenso gelten77. Erfolgt die Leistung 71 Eingehender Holtermann BB 1988, 1538 (1541 ff.). Wie im Bereicherungsrecht ist zu trennen, wer im rechtlichen Sinne Zahlender und wer Leistender ist. Wenn ein Dritter zahlt, mag gleichwohl eine Leistung durch die Gesellschaft vorliegen. Hier zeigt sich aber­ mals, daß § 62 AktG nicht von den bereicherungsrechtlichen Kategorien abgekoppelt werden darf. 72 Ausführlich zum ganzen Problemkreis Michalski AG 1980, 261 ff.; Diekgräf (wie FN 1), S. 102 ff.; zur Geltung des Einlagenrückgewährverbots im Konzern OLG München AG 1980, 372; OLG Düsseldorf AG 1980, 273 (Vorinstanz LG Düsseldorf AG 1979, 290). 73 Lutter (wie FN 62), § 57 RdNr. 38; Hefermehl/Bungeroth (wie FN 62), § 57 RdNr. 32. 74 So etwa Hefermehl/Bungeroth (wie FN 62), § 57 RdNr. 33. 75 Mit Recht differenzierender Diekgräf (wie FN 1), S. 105. 76 Hierzu gerade im Zusammenhang mit der Zahlung von Auskaufgeldem LG Köln WM 1988, 758; OLG Köln WM 1988, 1021 (1022); MICHALSKI AG 1980, 261 (267 ff.); im Grundsatz ebenso LG Düsseldorf AG 1979, 290 (291). 77 OLG Hamburg AG 1980, 275 (278); Lutter, Festschrift 40 Jahre Der Betrieb, 1988, S. 193 (196 ff.); ders., in: Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. 1988, § 57 RdNr. 40; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1983, § 57 RdNr. 25; DIEKGRÄF (wie FN 1), S. 107 f.

an ein mit dem Aktionär konzemverbundenes Unternehmen, ermöglicht der Leitgedanke der Unternehmenseinheit im Konzern eine Zurechnung auf die­ sen Aktionär. Denn der Schutz des Grundkapitals darf nicht durch die Ein­ schaltung einer Tochtergesellschaft in die Abwicklung zur Disposition ste­ hen78.

3. Haftung rechtsmißbräuchlich handelnder Gesellschafter Durch den Gebrauch seiner Rechte kann das Mitglied gegenüber dem Verband auch haftbar werden. Eine Schadensersatzhaftung ermöglicht den Ausgleich von Vermögensschäden, die durch andere Anspruchsgrundlagen nicht gewährleistet ist. Die Rückerstattung verbotswidrig empfangener Lei­ stungen nach § 62 Abs. 1 AktG beschränkt sich naturgemäß auf den Kapital­ schutz. Eine daneben mögliche Schadensersatzhaftung gleicht andere Ver­ mögenseinbußen aus. Die Erhebung der Anfechtungsklage kann die Gesell­ schaft in ihrem operativen Geschäftsbetrieb schädigen, wenn sich eine Kapi­ talerhöhung oder die Durchführung einer Verschmelzung infolgedessen ver­ zögert. Ob dies haftungsbewehrt ist, läßt sich wiederum nur unter Rückgriff auf die gesellschaftsrechtlichen Wertungsgrundlagen ermitteln. Für die An­ fechtungsklage ist bei der Erkenntnis anzusetzen, daß das Aktien- und das Registerrecht den Suspensiveffekt der Klage bewußt in Kauf nehmen. Dies war seit jeher Bestandteil der Anfechtungsklage und ist von keiner Reform des Aktienrechts angetastet worden. Im Gegenteil findet sich der Grundsatz für die Verschmelzung in § 16 Abs. 2 UmwG (früher § 345 Abs. 2 AktG) nochmals bestätigt79. Dies zwingt zu dem Schluß, daß das Gesetz die Gesell­ schaft bewußt mit dem Verzögerungsrisiko belastet hat, um sie dazu anzu­ halten, keine rechtswidrigen Beschlüsse in die Welt zu setzen. In § 247 AktG wird deutlich, daß ein potentieller Kläger nicht durch finanzielle Hürden von der Rechtsverfolgung abgeschreckt werden soll, weil dies nicht zum Kontrollauftrag dieses Rechts passen würde. Mit der Funktion der Anfechtungsklage wäre es schwerlich vereinbar, den Kläger mit dem Prozeßkostenrisiko zu belasten und ihn ohne weiteres für jeden Schaden der Gesellschaft haften zu lassen. Dafür spricht schließlich die Abschaffung der besonderen Haftungsnorm in § 200 Abs. 2 AktG 1937 anläßlich der Reform von 1965. Nach § 200 Abs. 2 waren die Kläger, denen Vorsatz oder grobe 78 Überzeugend Michalski AG 1980, 261 (265 ff.). Im Steuerrecht ist man noch eher geneigt, bei Zuwendungen an dem Gesellschafter nahestehende Personen - zumal bei Ab­ hängigkeitsbeziehungen oder im Konzern - den Tatbestand der verdeckten Gewinnaus­ schüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977) anzunehmen, vgl. BFHE 153, 313. 79 Näher Grunewald, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1991, § 345 RdNr. 6 ff. Zum neuen Umwandlungsrecht Bork, in: Lutter (Hrsg.), Komm.z.UmwG, 1996, § 16 RdNr. 9 ff.

Fahrlässigkeit zur Last fällt, der Gesellschaft für einen Schaden aus unbegründeter Anfechtung als Gesamtschuldner verantwortlich80. Diese Bestimmung war gedacht als Schutzgesetz für die Gesellschaft gegen eine erpresserische Verwendung des Anfechtungsrechts. Man nahm unter der Geltung der Vorgängervorschrift in § 273 Abs. 2 HGB a.F. an, daß das Fordern von Sondervorteilen als Gegenleistung für die Rücknahme oder Nichterhebung der Anfechtungsklage den Tatbestand der Haftungsnorm erfüllt81. §200 Abs. 2 AktG 1937 hatte den Verschuldensmaßstab der "böslichen Handlungsweise" aus § 273 Abs. 2 HGB a.F. auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt82. 83 Das Aktiengesetz 1965 schließlich hat die Haftungsnorm ersatzlos gestrichen. Die historische Entwicklung und Auslegung gewinnt hier entscheidende Bedeutung. Die kontinuierliche Abmilderung und Aufhebung der Haftungsnorm besagt nicht, daß ein erpresserisches Verhalten des Aktionärs hinfort von allen Haftungssanktionen freizustellen ist. Die Gesetzgebungsgeschichte wirkt aber bei der Ermittlung des relevanten Verschuldensmaßstabes nach. Nur noch bei der eingetragenen Genossenschaft existiert eine eigenständige Haftungsnorm für Schadensersatz wegen unbegründeter Anfechtung. § 52 GenG ordnet die Schadensersatz­ haftung für der Genossenschaft aus unbegründeter Beschlußanfechtung er­ wachsener Schäden an, sofern dem Kläger bei Erhebung der Klage eine bös­ liche Handlungsweise zur Last fällt. Die Bestimmung gilt in dieser Form seit Inkrafttreten des GenG, hat aber nie praktische Bedeutung erlangt. Ihr Vor­ bild fand sie wie schon § 273 Abs. 2 HGB a.F. in Art. 190b HGB in der Fassung des Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18.7.188483. Außerhalb des Genossen­ schaftsrechts kommt nur noch eine Haftung nach § 826 BGB oder § 117 AktG in Betracht. § 826 BGB ist erfüllt, wenn der Kläger in Schädigungsab­ sicht gehandelt hat. Zu beachten ist bei allen denkbaren Anspruchsgrund­ lagen, daß die Haftung auf Schadensersatz niemals zum Instrument der Dis­ ziplinierung aufmüpfiger Gesellschafter geraten darf.

80 Zum früheren Recht SCHLEGELBERGER/QUASSOWSKI, Komm.z.AktG, 3. Aufl. 1939, § 200 RdNr. 10. 81 OLG Hamm OLG-Rspr. 36 (1918), 281; Brodmann, Komm.z.Aktienrecht, 1928, § 273 Anm. 3 am Ende. 82 Siehe FN 80. 83 RGBl. 123. Eine Nachzeichnung der wechselvollen Gesetzgebungsgeschichte findet sich bei Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 1 (3 f.). Die Quellen lassen erkennen, daß es für eine Haftung darauf ankommt, ob die Klage unbegründet ist, weil kein Anfechtungsgrund vorliegt. Der sog. Mißbrauch des Klagerechts macht die Klage aber nicht in diesem Sinne unbegründet.

V. Abhilfekonzepte Will man in Zukunft die rechtsmißbräuchliche Ausübung von Gesell­ schafterrechten und speziell von Anfechtungsklagen wirksamer unterbinden, so ist bei den evidenten Schwachstellen der gesetzlichen Regelung anzuset­ zen. Gesellschafter, die sich rechtsmißbräuchlich verhalten, handeln nicht nur aus böslichem Antrieb, sondern nutzen eine nicht hinreichend durch­ dachte Gesetzeslage aus. Diese Defizite finden sich im materiellen Recht wie im Verfahrensrecht unter Einschluß des Registerrechts. Das größte Manko liegt in der nicht ausreichenden Abstimmung von Streit- und Registerverfah­ ren. Immerhin gebührt den rechtsmißbräuchlichen Klagen das Verdienst, diese Mängel aufgedeckt zu haben. 1. Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung

Ein wichtiger Nährboden für das Erpressungspotential der aktienrecht­ lichen Beschlußanfechtung wird durch die nur spärlichen Möglichkeiten ei­ ner Verfahrensbeschleunigung bereitet. Nicht immer schöpfen die Gerichte diese voll aus. Anfechtungsprozesse über drei Instanzen ziehen sich nach al­ ler Erfahrung über mehrere Jahre hin. Eine rasche instanzabschließende Ent­ scheidung ist erreichbar, wenn keine umfängliche Beweisaufnahme erforder­ lich wird, insbesondere keine Sachverständigengutachten über betriebswirt­ schaftliche Bewertungsfragen einzuholen sind. Sofern es um reine Rechtsfra­ gen geht, wäre eine Verkürzung des Instanzenzuges angebracht. Gegen die landgerichtliche Entscheidung sollte nur noch die Revision stattfinden, zumal wenn eine zweite Tatsacheninstanz überfüssig ist. Das geltende Verfahrensrecht hält Instrumente bereit, um eine spürbare Verfahrensbeschleunigung zu ermöglichen. Nach dem früheren Recht der Gerichtsferien in §§ 199 ff. GVG a.F. gehörten Anfechtungsklagen - selbst solche mit de facto registersperrender Wirkung - nicht zu den obligato­ rischen Feriensachen. § 200 Abs. 4 GVG a.F. eröffnete indes die Möglich­ keit, den Streit zur Feriensache zu erklären in Anbetracht des Interesses, das gerade die Gesellschaft an einer raschen Sachentscheidung hat. Unbedingt erforderlich ist die Anerkennung einer Terminierungspräferenz, die auch durch § 227 ZPO n.F. nicht geschaffen wurde. § 216 Abs. 2 ZPO reicht dazu ebenfalls nicht aus, weil der Ermessensrahmen zu weit gesteckt und eine schnelle Befassung des Gerichts nicht erzwingbar ist84. Daran hat auch 84 OLG Köln NJW 1981, 2263: Die gerichtliche Terminierungsentscheidung ist mit der Beschwerde nur anfechtbar bei "greifbarer Gesetzeswidrigkeit". Tatsächlich geht es darum, daß der grundgesetzlich verbürgte Anspruch auf Justizgewähr durch das Verfahren realisiert werden muß.

der novellierte § 227 ZPO nichts geändert, der nur eine Terminsänderung betrifft. Schnelligkeit muß dabei nicht auf Kosten der Gründlichkeit gesche­ hen. Das Gesetz selbst gibt zu erkennen, daß ihm eine schnelle Entscheidung am Herzen liegt. § 246 Abs. 3 Satz 2 AktG ordnet an, daß die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf der Anfechtungsfrist anberaumt werden darf. Dies geschieht, um einen Überblick über alle Verfahren zu gewinnen, die nach § 246 Abs. 3 Satz 3 zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden sind. Danach darf und sollte das Gericht jedoch unverzüglich Termin bestimmen. Anfechtungsklagen eignen sich im besonderen Maße zur Wahl eines frühen ersten Termins zur mündlichen Verhandlung (§ 272 Abs. 2 Fall 1, 275 ZPO)85. 2. Inhaltskontrolle von Parteihandlungen Für zusätzliche Abhilfe sorgt die stärkere Überwachung des Einflusses der Parteien auf das Verfahren. Mit der Mißbrauchsrechtsprechung hat längst eine gerichtliche Kontrolle des inner- und außerprozessualen Verhaltens der Parteien begonnen. Die richterliche Inhaltskontrolle von Geschäften des ma­ teriellen Rechts ist seit langem anerkannt. Sie muß erst recht gelten, wenn die Interessen Dritter, die nicht am Verfahren beteiligt sind, auf dem Spiel stehen. Bei den Gesellschafterklagen - und speziell bei der Anfechtungs­ klage - hat die Prozeßführung durch einen Aktionär nicht zu leugnende Auswirkungen auf die übrigen Aktionäre. Das rechtfertigt die richterliche Inhaltskontrolle solcher Prozeßhandlungen. Eine unkontrollierte Parteiherr­ schaft im klassisch zivilprozessualen Sinne paßt allenfalls zu Verfahren, in denen die Parteien über ihre Rechte gegeneinander streiten. Demgegenüber ist es für das Wesen der Anfechtungsklage kennzeichnend, daß das subjek­ tive Recht des Klägers nicht mit dem Verfahrensgegenstand deckungsgleich ist. Der Kläger besitzt ein seine persönliche Berechtigung überschießendes Prozeßführungsrecht. Die Verwaltung, die die Gesellschaft im Beschlußan­ fechtungsverfahren gerichtlich vertritt, hat überhaupt keine Dispositions­ befugnis hinsichtlich des Beschlusses86. Dieses Recht liegt bei der Hauptver­ sammlung bzw. beim Gericht, das den Beschluß aber nur kassieren oder be­ stehen lassen kann. Dem Kläger steht es frei, Anfechtungsklage zu erheben. 85 In rechtsvergleichender Perspektive belegt §619 N.Y.B.C.L., daß durch eine schnelle Terminierung und Entscheidung das Mißbrauchspotential der Gesellschafterklagen erheblich herabgesetzt werden kann. Zur Bestimmung des ersten Verhandlungstermins im deutschen Recht vgl. HÜffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 246 RdNr. 71. Eine rasche Entscheidung erging durch LG Kassel ZIP 1989, 306 "Mauser Waldeck" mit einem instruktiven Kurzkommentar von Timm EWiR 1989, 219. 86 Anderer Ansicht noch A. Hueck, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalver­ sammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S. 172 ff.

Anders als die Verwaltung unterliegt der Aktionär in der Regel keiner Pflicht, auf Nichtigerklärung rechtswidriger Beschlüsse zu klagen87. Ist die Klage aber einmal erhoben, so gelten von da an veränderte Prozeßmaximen, insbesondere ist vom Prinzip unkontrollierter Parteiherrschaft abzurücken. Ab jetzt geht es nicht mehr vorrangig um das subjektive Privatrecht des Klä­ gers, sondern um eine objektive Statusfeststellung, d.h., ob der Beschluß hinfort für das Verhältnis der Aktionäre untereinander und zur AG bestim­ mend sein wird oder nicht. Entsprechend reduziert sich die Parteiherrschaft und verschieben sich die Gewichte vom kontradiktorischen zum objektiven Verfahren. Das heißt aber nicht, daß überhaupt keine Vergleichsbefugnis mehr besteht. Ein Vergleich muß allerdings mit dem Verfahrenszweck kom­ patibel sein. Dagegen läßt sich nicht mit § 246 Abs. 1 AktG argumentieren, wonach ein anfechtbarer Beschluß konvalesziert, wenn keine Klage erhoben wird. Diese Form der Heilung gilt nur vorprozessual. Das hier vorgeschlagene Verfahrensmodell findet ein Vorbild in diversen Verfahren des Verfassungsprozesses, bei denen die Wahrung öffentlicher Belange und nicht die Durchsetzung subjektiver öffentlicher Rechte in den Vordergrund tritt88. Die Analogiebasis zum privaten Verbandsrecht ist ein­ mal dadurch gegeben, daß hier wie im Verfassungsrecht Repräsentationsor­ gane mit abgegrenzten Zuständigkeiten agieren und für den Gesamtverband einen Willen bilden und ausführen. Zum anderen können sie begrenzt auf die Verbandssphäre Regeln aufstellen, die mit einem rechtsnormähnlichen Gül­ tigkeitsanspruch auftreten. Die abstrakte Normenkontrolle des Verfassungs­ rechts89 beginnt zwar nur auf Antrag, entfaltet aber von da an eine Eigendy­ namik. Das Verfahren bezweckt die Wahrung des objektiven Rechts, das die individuellen und subjektiven Rechte verdrängt. Entsprechend endet dieses Verfahren nicht automatisch, wenn der Antragsteller seinen Antrag zurück­ zieht. Im Verfassungsprozeß ist die Antragsrücknahme grundsätzlich statt­ haft. Das Bundesverfassungsgericht90 macht sie jedoch von seiner Zustim­ 87 Zur Verpflichtung der Verwaltungsträger zur Erhebung der Anfechtungsklage vgl. BAUMBACH/HUECK, Komm.z.AktG, 13. Aufl. 1968, § 245 Anm. 6 am Ende. 88 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl. 1991, §2 IV le (RdNr. 43); Benda/Klein, LehrbuchdesVerfassungsprozeßrechts, 1991, RdNr. 237. 89 Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 BVerfGG. 90 Vgl. BVerfGE 24, 299 (300) für das Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG: Wirksamkeit der Antragsrücknahme nach Eintritt in die mündliche Verhandlung verneint, weil ein öffentliches Klarstellungsinteresse besteht. Ein­ schränkend nunmehr BVerfGE 83, 175 (181) für das Organstreitverfahren, da hier das kon­ tradiktorische Element vorherrsche. Beim Bund-Länder-Streitverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 BVerfGG) bedarf die Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antra­ ges vor Durchführung der möglichen Verhandlung grundsätzlich weder der Einwilligung des Antragsgegners noch der Zustimmung des Gerichts, vgl. BVerfGE 85, 164 (165). Die ab­ strakte Normenkontrolle folgt etwas anderen Verfahrensregeln, dazu FN 91.

mung abhängig oder setzt das Verfahren von sich aus fort, wenn es hierfür ein öffentliches Klarstellungsinteresse ausmacht91. Dominiert das öffentliche Interesse, weil sich die Bedeutung des Verfahrens nicht in einer für das Ver­ hältnis Antragsteller-Antragsgegner wesentlichen Feststellung erschöpft, so ist das Zurückdrängen der Parteihoheit angebracht. 3. Verzahnung von Streit- und Registerverfahren; einstweiliger Rechtsschutz

Eine spürbare Entschärfung der Mißbrauchsproblematik wäre schließlich mit einer engeren Verzahnung von Prozeß- und Registerverfahren zu erzie­ len. Die erhobene Klage kann mit Bezug auf die Eintragung des angefochte­ nen Beschlusses eine faktische Registersperre bewirken. Die bloße Klageer­ hebung läßt den Beschluß in seiner Wirksamkeit unberührt. Er ist schwebend wirksam, wird jedoch mit einem Vollzugs verbot belegt. Fraglich ist, ob es dabei stets bewenden darf. a) Vor Inkrafttreten des neuen Umwandlungsgesetzes hat die Rechtsprechung entschieden, daß, wenn die Anfechtung zweifelsfrei keine Erfolgsaussicht bietet, das Registergericht nicht gehindert ist, die beantragte Eintragung be­ reits vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage in das Handelsregister einzutragen. Erbringt die registergerichtliche Prüfung indes das Ergebnis, daß sich der Ausgang des Anfechtungsverfahrens nicht mit Gewißheit vorhersagen läßt, so hat das Registergericht in entsprechender Anwendung von § 127 FGG das Eintragungsverfahren auszusetzen92. Diese Entscheidung erschöpft jedoch nicht die ganze Bandbreite der Problematik. Die Prüfung wird in das Registerverfahren verlagert, ohne daß hinterfragt wird, ob es nicht klüger wäre, sie vom ohnehin mit der Sache befaßten Pro­ zeßgericht treffen zu lassen. Vor allem ist damit offen gelassen, ob einstwei­ liger Rechtsschutz zur Überwindung der Registersperre statthaft ist, wer ihn zu gewähren hat und in welchem Verfahren über ihn zu entscheiden ist. Auch nach Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes 1994 bleibt dieser 91 Das Bundesverfassungsgericht behält sich eine Prüfungskompetenz bzgl. des öffent­ lichen Klarstellungsinteresses vor und entscheidet dann über die Wirkungen einer Antrags­ rücknahme, vgl. für die abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 BVerfGG die Entscheidungen BVerfGE 1, 396 (414); 8, 183 (184); 25, 308 (309); 68, 346 (351); 76, 99; 77, 345; 79, 255; für das Organstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG schließlich die Entscheidungen BVerfGE 24, 299 (300); 83, 175 (181); für das Bund-Länder-Streitverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 BVerfGG) vgl. BVerfGE 1, 14 (31). Stellt das Bundesverfassungsgericht dieses öffentliche Interesse fest und erteilt seine Zustimmung zur Antragsrücknahme nicht, so ist diese unzulässig und das Verfahren nimmt seinen Fortgang, vgl. BVerfGE 24, 299 und die Folgeentscheidung zur Parteienfinanzierung BVerfGE 24, 300. 92 So BGHZ 112, 9 - "Hypothekenbanken" noch zu § 345 Abs. 2 Satz 1 AktG.

Rechtszustand maßgeblich für strukturändernde Maßnahmen, für die die Handelsregistereintragung konstitutiv ist und die nicht unter § 1 Abs. 1 UmwG fallen wie etwa eine Kapitalerhöhung oder der Abschluß eines Organschaftsvertrages. Die Hinnahme der Registersperre (Suspensiveffekt) kann für die Gesell­ schaft und die Mehrheit zu einer unerträglichen Härte fuhren. Die Annahme eines absoluten Eintragungshindernisses, das nur beseitigt ist, wenn das Re­ gistergericht im Verfahren nach § 127 FGG zu der Überzeugung gelangt, daß die Anfechtungsklage zweifelsfrei ohne Erfolgsaussicht ist93, ist verfas­ sungsrechtlich nicht unbedenklich, weil sie die Gesellschaft in ihrem einge­ richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb trifft. Zudem ist darauf hinzu wei­ sen, daß ein Rechtsanspruch auf die Durchführung einer Fusion besteht, da die Fusionsfreiheit ein Ausschnitt der allgemeinen Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) ist. Die Eintragungssperre ist bei den konstitutiven Handels­ registereintragungen zugleich Vollzugssperre. Eine absolute Registersperre ist nur angemessen, wenn sich generell sagen läßt, daß der Nachteil, den der Gesellschafter erleidet, sofern die Maßnahme trotz begründeter Anfechtung vollzogen worden ist, stets schwerer wiegt gegenüber dem Nachteil, den die Gesellschaft erleidet, wenn sie auf die Ausführung des Beschlusses bis zur Rechtskraft der Entscheidung durch das Prozeßgericht verzichten muß. Das läßt sich allerdings pauschal nicht sagen und wäre wirtschaftlich nicht ver­ tretbar, wenn man etwa bedenkt, daß der Erfolg einer Sanierung auf dem Spiel steht, der über das weitere Schicksal des gesamten Unternehmens ent­ scheidet. Vielmehr sind die möglichen Härten auf beiden Seiten gegenein­ ander zu halten: Scheitert eine Fusion oder Sanierung, die eigentlich zulässig gewesen wäre, so ist der durch die Verzögerung eingetretene Schaden der Gesellschaft irreparabel. Wird sie aber durchgeführt, obwohl dies nicht hätte geschehen dürfen, so ist der Schaden des Zurückgesetzen Klägers eher er­ setzbar als im zuerst genannten Fall. Der zurückgesetzte Kläger darf gegen Abfindung aus der Gesellschaft austreten oder erhält eine angemessene Aus­ gleichszahlung. Bei einer rechtswidrigen Fusion kommt eine Entschmelzung in Betracht. Daß die Rückabwicklung selbst bei hochkomplexen Transak­ tionen wie etwa einer Fusion nicht undenkbar ist, zeigen die Regeln über die Fusionskontrolle, die der Kartellbehörde die Befugnis zur Entflechtung an die Hand geben (§ 24 Abs. 6 und 7 GWB). Es geht mithin um eine Abwä­ gung, wie sie für das einstweilige Rechtsschutzverfahren typisch ist. Das An­ fechtungsverfahren kennt dabei ebenfalls Sachentscheidungen auf summa­ rischer Erkenntnisgrundlage. Dies gilt z.B. für die Entscheidung über die 93 BGHZ 112, 9 - "Hypothekenbanken ”. Für eine stärkere Abwägung der kollidieren­ den Belange dagegen mit gutem Grund OLG Zweibrücken ZIP 1989, 241.

Bewilligung von Prozeßkostenhilfe94. Ebenso findet bei der Vorabfestlegung des Streitwertes nach § 247 AktG eine summarische Vorprüfung durch das Prozeßgericht darauf statt, ob die Klageerhebung völlig mutwillig oder aus­ sichtslos ist95. In welchem Verfahren soll über die Zubilligung einstweiligen Rechts­ schutzes entschieden werden? Ist die Zuständigkeit des Register- oder des Prozeßgerichts eröffnet? Muß der Registerrichter einer Entscheidung, die einstweiligen Rechtsschutz gewährt, Folge leisten? So lauten die hauptsäch­ lichen Fragen. Den Ausgangspunkt der Überlegungen zum Verhältnis zwischen Streitver­ fahren und Registerverfahren bildet § 127 Satz 1 FGG. Danach kann das Registergericht, wenn eine von ihm zu erlassende Verfügung von der Beur­ teilung eines streitigen Rechtsverhältnisses abhängig ist, diese Verfügung aussetzen, bis über das Verhältnis im Wege des Rechtsstreits entschieden ist. Für den Fall, daß das Prozeßgericht durch eine rechtskräftige oder voll­ streckbare Entscheidung die Vornahme einer Eintragung für unzulässig er­ klärt, ordnet § 16 Abs. 2 HGB an, daß die Eintragung nicht gegen den Widerspruch desjenigen erfolgen darf, welcher die Entscheidung erwirkt hat. Nun ist § 16 Abs. 2 HGB insoweit unvollkommen, als er nur eine Regelung in negativer Hinsicht, nämlich bezüglich der Verhinderung einer Eintragung, trifft. § 16 Abs. 2 HGB schränkt das Ermessen des Registerrichters hinsicht­ lich der Aussetzung einer Verfügung nach § 127 Satz 1 FGG ein96. Von da­ her fragt sich, ob sich § 16 Abs. 2 nicht zu einer allseitigen Kollisionsnorm für das Verhältnis Streitgericht-Registergericht ausbauen läßt, die auch den positiven Fall behandelt, nämlich die Erklärung der Zulässigkeit einer Ein­ tragung. Es geht also um die spiegelbildliche Anwendung von § 16 Abs. 2, mit der Folge, daß bei Ergehen einer positiven Entscheidung das Ermessen des Registerrichters nach § 127 Satz 1 FGG ebenfalls reduziert wird97. Er­ 94 Hierzu OLG Karlsruhe ZIP 1990, 719: keine Prozeßkostenhilfe bei reinem Ver­ mögensinteresse des Anfechtungsklägers. 95 Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 247 RdNr. 22; Karsten Schmidt, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1995, § 247 RdNr. 23; HÜffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 247 RdNr. 22. 96 Dazu HÜffer, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1982, § 16 RdNr. 9 f., 27 f. 97 Timm (wie FN 83), S. 1 (18 ff.), 25 ff.; sympathisierend Baums, in: Timm (wie FN 83), S. 85; ders., Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen, 1981, S. 61 ff., 65 ff.; ders. BB 1981, 262 (263); Hirte BB 1988, 1469 (1476); Heckschen WM 1990, 377 (386); gegen ein Recht der Gesellschaft, die Eintragung durch einstweilige Verfügung zu erzwingen Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 243 RdNr. 46; HÜffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 243 RdNr. 152; Boujong, Festschrift für Kellermann, 1991, S. 1 (13); W. Lüke ZGR 1990, 657 (677), die statt des­ sen auf die Rechtsbehelfe der freiwilligen Gerichtsbarkeit verweisen. Gegen diese Lösung spricht von vornherein, daß es nicht im Interesse der Prozeßökonomie liegen kann, wenn in zwei Gerichtszweigen zwei Erkenntnisverfahren über dieselbe Sachfrage stattfinden, zumal

heblich ist in diesem Zusammenhang, daß dem Registerrichter kein Spruch­ richterprivileg nach § 839 Abs. 2 BGB zur Seite steht98. Zur Vermeidung einer eigenen persönlichen Haftung wird ein vorsichtiger Richter im Zweifel eher zur Aussetzung des Eintragungsverfahrens neigen. Ist Anfechtungsklage gegen einen eintragungsbedürftigen Beschluß erhoben, so ist zu unterschei­ den: Zum Teil verlangt das Gesetz (z.B. in § 16 Abs. 2 Satz 1 UmwG, § 319 Abs. 5 Satz 1 AktG) für die Anmeldung eine Negativerklärung, in welcher der Vorstand mitteilt, daß der Beschluß innerhalb der Anfechtungs­ frist nicht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. In der überwiegenden Zahl der Fälle besteht das Gesetz nicht auf dieser Erklärung, wie etwa bei der Eintragung eines Unternehmensvertrages nach § 294 AktG. Davon hängt ab, wen die Initiativlast trifft, wenn es darum geht, eine Eintragung zu erzwingen oder zu verhindern. Bewirkt eine erhobene Anfechtungsklage keine Eintragungssperre, so muß der Anfech­ tungskläger, wenn er die Eintragung verhindern will, gegen die Gesellschaft im Wege der einstweiligen Verfügung vorgehen, damit der Gesellschaft das Betreiben ihrer Anmeldung zum Handelsregister untersagt wird99. 100 Wird die einstweilige Verfügung erlassen, so stellt dies den Zustand nach § 16 Abs. 2 HGB her. Bei Fusionen befindet sich der anfechtende Aktionär wegen § 16 Abs. 2 Satz 1 UmwG in einer besseren Situation. Nach erhobener Anfech­ tungsklage kann der Vorstand die Negativerklärung nicht abgeben. Das be­ deutet keine zwingende Registersperre, determiniert aber die Ermessensent­ scheidung des Registerrichters100. Aus Gründen der Waffengleichheit er­ scheint es geboten, der Gesellschaft die Chance zu geben, die Eintragung zu erzwingen101. Gegen diese Möglichkeit spricht nicht, daß eine Eintragung zur Heilung des Beschlußmangels führt. Denn eine solche Heilung kommt wenn für diese Verfahren unterschiedliche Verfahrensmaximen gelten. Außerdem kennt das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keinen einstweiligen Rechtsschutz. 98 Diesen wesentlichen Gesichtspunkt betont mit Recht Boujong, Festschrift für Kel­ lermann, 1991, S. 1 (13) m.w.N. 99 Zur Statthaftigkeit einer einstweiligen Verfügung zwecks Verhinderung einer Eintra­ gung LG Heilbronn AG 1971, 372 für die Verhinderung der Eintragung eines Untemehmensvertrages sowie LG Düsseldorf BB 1960, 226 für eine übertragende Umwandlung. Ausführlich zur Problematik des einstweiligen Rechtsschutzes Heinze ZGR 1979, 293 ff., der durchgängig auf den einstweiligen Rechtsschutz zugunsten des Anfechtungsklägers ab­ hebt. 100 Zum alten Recht Grunewald, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1991, § 345 RdNr. 6 ff. mit vielen Nachweisen pro und contra. Zum neuen Recht Bork, in: Lutter (Hrsg.), Komm.z.UmwG, 1996, § 16 RdNr. 30 ff. 101 Gegen eine Erzwingung der Eintragung durch die Gesellschaft Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 243 RdNr. 46; HÜffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 243 RdNr. 152, die Rechtsschutz nur im Rahmen des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit gewähren wollen, obwohl es dort keinen einstweiligen Rechtsschutz gibt.

gemäß § 242 AktG nur für Nichtigkeitsgründe in Betracht. Dagegen spricht ferner nicht, daß eine Entscheidung des Streitgerichts per einstweiliger Ver­ fügung keine weitergehende Bindungswirkung entfalten kann, als dies das klageabweisende Endurteil im Hauptsacheverfahren könnte. Zwar hat eine die Anfechtungsklage im Hauptverfahren abweisende Entscheidung rechtlich keine BindungsWirkung, wohl aber faktisch; denn mehrere Klagen sind nach § 246 Abs. 3 Satz 3 AktG zwingend zu verbinden. Wird eine Klage oder ein Bündel von Klagen schließlich abgewiesen, so ist es wegen der sehr kurzen Anfechtungsfrist praktisch ausgeschlossen, daß ein anderer Aktionär nach Abweisung der ersten Klage erneut klagt und ein Urteil mit anderem Inhalt erstreitet. Damit hat eine rechtskräftige, klageabweisende Entscheidung fak­ tisch ebenfalls Bindungswirkung. Wenn somit einstweiliger Rechtsschutz der Gesellschaft zur Überwindung der Eintragungssperre in Betracht kommt, fragt sich, in welchem Verfahren er zu gewähren ist. Der richtige Ort ist das Streitverfahren, da das Prozeß­ gericht ohnehin mit der Sache befaßt ist. In Frage käme eine einstweilige Verfügung nach § 935 ZPO. Voraussetzung wäre ein Verfügungsgrund sowie ein Verfügungsanspruch, also eine Norm, die dem Verfügungskläger (=Gesellschaft) einen Anspruch gegen den Verfügungsbeklagten (=Aktio­ när) gibt. Im Normalfall des § 16 Abs. 2 HGB läßt sich die An­ spruchsposition dahingehend definieren, daß der Antragsteller vom Wider­ sprechenden die Rücknahme des Widerspruchs verlangt, gegen den die Ein­ tragung nicht erfolgen darf. Bei der spiegelbildlichen Anwendung von § 16 Abs. 2 HGB zur Erzwingung einer Eintragung zugunsten der Gesellschaft existiert keine Anspruchsgrundlage, weil es keine Freigabe- oder Bewilli­ gungserklärung des Anfechtungsklägers gibt, die Voraussetzung der Eintra­ gung wäre. Der klagende Gesellschafter schuldet eine solche Erklärung der Gesellschaft nicht, selbst wenn seine Klage erfolglos ist. Der Anfechtungs­ klage liegt vielmehr umgekehrt ein Anspruch des Aktionärs gegen die Ge­ sellschaft auf gesetzes- und statutengerechte Verwaltung zugrunde. Die fak­ tische Eintragungssperre ergibt sich in bestimmten Fällen aus dem Gesetz und besteht ohne weiteres Zutun des Gesellschafters. Daher muß das berech­ tigte Anliegen, der Gesellschaft einstweiligen Rechtsschutz zuteil werden zu lassen, in einem anderen Verfahren verwirklicht werden, das keinen Verfü­ gungsanspruch i.S.v. § 916 Abs. 1 ZPO verlangt. Die Erhebung der An­ fechtungsklage bewirkt, daß der Beschluß einstweilen suspendiert ist. Die Rechtslage ist insoweit ähnlich wie im Verwaltungsprozeß. Dort haben der Widerspruch des Adressaten oder seine Anfechtungsklage gegen den Ver­ waltungsakt (VA) aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, ohne den Theo­ rienstreit um die Auslegung von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hier im einzelnen

auszubreiten, daß der VA in seiner Vollziehung gehemmt ist102. Die Be­ hörde kann durch den VA einseitig Tatsachen schaffen und Rechtsfolgen auslösen. Dem entspricht als Gegengewicht, daß der Adressat des VA diese durch Widerspruch oder Klage suspendieren kann. Der Suspensiveffekt ist freilich kein absolutes Prinzip, sondern entfällt nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO in bestimmten Fällen von vornherein oder infolge einer Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegt. Soweit nach § 80 Abs. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechts­ behelfs zum Schutze des Bürgers entfällt, ordnet § 80 Abs. 5 VwGO zum Ausgleich ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren vor dem Gericht der Hauptsache an, in dem über die Berechtigung des Suspensiveffekts zu ent­ scheiden ist. Die Rechtslage im Gesellschaftsrecht ist der von § 80 VwGO vorausgesetzten Situation ähnlich: Die Mitgliedermehrheit darf vermöge ihres Bestimmungsrechts den Willen des Verbandes bilden. Dieser wird auch für die Minderheit verbindlich, wenn niemand hiergegen form- und fristge­ recht Einspruch erhebt. Mehrheitsbeschluß und VA entsprechen einander in diesem Szenario, denn die Zubilligung des Suspensiveffekts beruht jedes Mal auf der verminderten Richtigkeitsgewähr von einseitigem Handeln. Eine An­ ordnung der sofortigen Vollziehung entsprechend § 80 Abs. 2 Nr. 4 scheidet im privaten Verbandsrecht mangels Ausstattung der Beteiligten mit hoheit­ lichen Befugnissen aus. Und dennoch behält das Abwägungsverfahren ent­ sprechend § 80 Abs. 5 seine Funktion, um über Vollziehung oder Nichtvoll­ ziehung des Beschlusses nach erhobener Anfechtungsklage zu befinden. Im Verwaltungsprozeß gestattet dieser einstweilige Rechtsschutz eine Entschei­ dung über die Vollziehung des angefochtenen VA, noch ehe feststeht, ob er definitiven Bestand hat oder nicht. Vergleichbar ist endlich die Stellung des gekündigten Arbeitnehmers nach erhobener Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG. Die Frage lautet hier ebenfalls, welchen Einfluß die Erhebung der Kündigungsschutzklage auf die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeits­ vertrages durch den Arbeitgeber und damit auf die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses hat103. Im Arbeitsrecht ist dieses primär verfahrensrechtliche Problem durch die davon zu trennende Diskussion um einen materiell-rechtlichen Weiterbe­

102Ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, vgl. BVerwGE 13, 1 (6 ff.); 18, 72 (79); 66, 218 (221). 103Dazu G. Lüke NJW 1980, 2170, der hier mit einer Analogie zu § 80 Abs. 5 VwGO arbeitet. Leider hat dieser interessante Vorschlag bisher nicht die verdiente Resonanz gefun­ den.

schäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach Ausspruch der Kündigung überdeckt worden104. § 80 Abs. 5 VwGO und der ihm immanente Rechtsgedanke gehören zum Allgemeinen Teil des Verfahrensrechts105. Dies erlaubt eine rechtsgrund­ sätzliche Übertragung auf die vollzugshemmende Wirkung der aktienrecht­ lichen Anfechtungsklage, wo diese eingreift oder eingreifen soll. § 80 Abs. 5 VwGO läßt die verfahrensrechtliche Vorwegbehandlung einer rasch rege­ lungsbedürftigen Vorfrage (= Berechtigung der aufschiebenden Wirkung) zu ohne Vorwegnahme der Hauptsache (= Rechtmäßigkeitsprüfung des Be­ schlusses). Anders als die einstweilige Verfügung nach § 935 ZPO kommt § 80 Abs. 5 VwGO ohne das Erfordernis des Verfügungsanspruchs des An­ tragstellers aus, da im öffentlichen Recht der Suspensiveffekt unabhängig von Erklärungen des Widerspruchsführers eingreift und die Behörde bzw. der Adressat eines VA mit Doppelwirkung im Falle von § 80a VwGO keinen Anspruch auf Verzicht auf den Suspensiveffekt gegen den Widerspruchsfuhrer hat. Mit der entsprechenden Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO erledigt sich schließlich die überaus heikle Frage nach dem Geltungsumfang der Schadensersatzhaftung nach § 945 ZPO106. An dieser Stelle beweist sich abermals, daß die Verwirklichung der Mitgliederrechte und die Kontrolle der Verwaltungen in den privaten Verbänden aus dem traditionellen Rahmen des deutschen Zivilprozesses herausfallen können. Die entsprechende Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO verlangt nach ei­ ner Anpassung an die im Verbandsrecht bestehende Rollenverteilung. Im Normalfall des § 80 Abs. 5 ist der Suspensiveffekt zum Schutze der "schwächeren" Partei (=Bürger gegenüber der Behörde) wieder herzustel­ len, hier ist er zugunsten der "stärkeren" Partei (=AG im Verhältnis zum Aktionär) zu beseitigen. § 80 Abs. 5 VwGO ist also umgekehrt anzuwenden, um die aufschiebende Wirkung zu beseitigen. Dies tut aber nichts zur Sache, weil der Abwägungsvorgang, den die Bestimmung anordnet, hiervon unbe­ rührt bleibt. Es gilt die in die Waagschale geworfenen Belange zu gewichten, egal von welcher Seite sie eingebracht sind. Im einzelnen gilt für die analoge Anwendung von § 80 Abs. 5: Entsprechend Satz 1 ist der Antrag beim Ge­ richt der Hauptsache zusammen mit der Klagebeantwortung anzubringen. Nicht zuständig ist das Registergericht. Das Hauptsachegericht kann den Vollzug, also die Eintragung, ganz oder zum Teil anordnen. Einer entspre­ 104 Zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch während des schwebenden Kündigungsrechtsstreits HUECK/V.HOYNINGEN-HUENE, Komm.z.KSchG, 11. Aufl. 1992, § 4 RdNr. 95 ff. 105G. Lüke NJW 1980, 2170. 106Hierzu W. LÜKE ZGR 1990, 657 (676) sowie HEINZE ZGR 1979, 293 (318 ff.), die mit einer flankierenden Anwendung von § 247 AktG helfen wollen.

chenden Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO bedarf es nicht, weil der Widerspruch des Aktionärs nach § 245 Nr. 1 AktG anders als der Wider­ spruch nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keinen Suspensiveffekt entfaltet. Das geltende Recht eröffnet der Gesellschaft im Hinblick auf die kurz bemessene Frist in § 246 Abs. 1 AktG keine Möglichkeit einer präventiven Recht­ mäßigkeitskontrolle des Beschlusses. Antragsgegner ist der Aktionär, der in der Hauptsache gegen den streitigen Beschluß klagt. Wird dem Antrag vom Gericht stattgegeben, bevor über die Anfechtungsklage entschieden ist, so ist der Rechtsgedanke von § 247 AktG bei der Kostenentscheidung zu berück­ sichtigen. Die entsprechende Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO auf das Zusam­ menspiel von Streitgericht und Registergericht ermöglicht es, den gesell­ schaftsrechtlichen Vollzugsanspruch, der der Gesellschaft zusteht107, durch­ zusetzen, wenn absehbar ist, daß die Klage evident unzulässig oder unbe­ gründet ist. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn die einmonatige Klage­ frist ungenutzt verstreicht oder dem Kläger keine Klagebefugnis aus § 245 AktG zukommt. Einzubeziehen in die Abwägungsentscheidung ist auf der einen Seite das Vollzugsinteresse der Gesellschaft, das Ausfluß ihrer von Verfassungs wegen geschützten Vereinigungsfreiheit sowie ihrer unterneh­ merischen Handlungsfreiheit ist, und das Beharrungsinteresse des Gesell­ schafters auf der anderen Seite. Im Unterschied zum herkömmlichen An­ wendungsfeld von § 80 Abs. 5 VwGO ist zu beachten, daß sich hinter diesen Belangen die Interessen anderer Personen verbergen, so daß sich eine sche­ matische Abwägung verbietet108. Bei den Interessen der Gesellschaft ist gleichzeitig das Interesse der Mehrheit an der Verwirklichung ihrer Ent­ scheidung im Auge zu behalten. Hinter den Interessen des Klägers schließ­ lich stehen häufig die Interessen der Gesellschaftsgläubiger, des Rechtsver­ kehrs sowie des Kapitalmarktes. In eine Formel gegossen läßt sich festhal­ ten, daß die Gesellschaft den Vollzugsanspruch hat, wenn die Klage erkenn­ bar aussichtslos ist und überwiegende schutzwürdige Interessen einer Eintra­ gung nicht entgegenstehen. 107Dafür bei einer rechtsmißbräuchlichen Anfechtungsklage BGHZ 112, 9 (24) "Hypothekenbanken”; aus dem Schrifttum Baums BB 1981, 262; K.-P. Martens AG 1986, 57 (62 ff.); Hirte BB 1988, 1469 (1476); Hoffmann-Becking, Festschrift für Fleck, 1988, S. 105 (118); TIMM/SCHICK DB 1990, 1221 ff. 108 Eine etwas zu schematische Abwägung nimmt OLG Zweibrücken ZIP 1989, 241 an­ hand der Löschung eines Unternehmensvertrages vor. Man darf die geforderte Abwägung nicht vorschnell auf die Erwägung verkürzen, daß das Vollzugsinteresse der Gesellschaft überwiege, weil es leichter sei, die Minderheitsaktionäre abzufinden, als die nachteiligen wirtschaftlichen Konsequenzen für den Großaktionär im Falle des Nichtvollzuges auszuglei­ chen. Denn es geht letztlich um die gesetzes- und statutenkonforme Verwaltung, die sich nicht geldlich aufwiegen läßt.

b) Seit Inkrafttreten des neuen Umwandlungsgesetzes am 1.1.1995109 gilt: Die Registersperre ist für den Rechtsträger auf vereinfachtem Wege über­ windbar durch einen Antrag nach § 16 Abs. 3. Das Verfahren ist zunächst nur auf die in § 1 Abs. 1 UmwG behandelten Grundlagenänderungen an­ wendbar, im übrigen bewendet es bei der bisherigen Rechtslage. Über die Beseitigung des Suspensiveffekts110 entscheidet das für die Klage zuständige Prozeßgericht auf Antrag des Rechtsträgers, der sich gegen den Anfech­ tungskläger richtet. Erweist sich die Entscheidung über die Aufhebung der Registersperre nach Abschluß des Hauptsacheverfahrens als unberechtigt, so ist der Anfechtungskläger in Geld abzufinden; eine Rückabwicklung (Entschmelzung) ist nach § 16 Abs. 3 Satz 6 Halbs. 2 ausgeschlossen111. Stellt sich umgekehrt am Ende des Hauptsacheverfahrens heraus, daß der Antragsgegner mit der Klage die Eintragung zu Unrecht blockiert hat, so schuldet er dem Rechtsträger nicht aus § 945 ZPO Schadensersatz, sondern allenfalls bei böslicher Handlungsweise112 oder unter den Voraussetzungen von § 826 BGB. Die neue Gesetzeslage begünstigt die Gesellschaft, zumal es ihr leicht gemacht wird, die Verschmelzung - etwa eine Sanierungsfusion - als le­ benswichtig hinzustellen und den opponierenden Kläger als lästigen Bittstel­ ler und Querulanten zu entlarven. Die Feldmühle-Doktrin 113 zeigt nach wie vor Wirkung: Für die Mehrheit streitet eine Vermutung, im Gesellschaftsund Konzeminteresse zu handeln, die Minderheit ist durch Renditestreben motiviert und im übrigen nur an einem möglichst hohen Auskaufentgelt in­ teressiert114. Der Richter sieht sich in die Rolle gedrängt, entscheiden und verantworten zu müssen, ob ein Unternehmen fortbestehen kann und mit ihm vielleicht viele Arbeitsplätze. An dieser psychologischen Bürde ändert es nichts, daß dem nach § 16 Abs. 3 entscheidenden Streitrichter das Spruch­ 109Art. 20 des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) vom 28.10.1994, BGBl. I 3210; zum Übergangsrecht siehe § 318 UmwG. 110Das Schrifttum spricht zum Teil von einem Unbedenklichkeitsverfahren, so Bork, in: Lutter (Hrsg.), Komm.z.UmwG, 1996, § 16 RdNr. 14 ff. Das überdeckt die systematische Verwandtschaft zwischen § 16 Abs. 3 Satz 2 UmwG und § 80 Abs. 5 VwGO. Als ein Verfahren sui generis sieht es Dehmer, Komm.z.UmwG/UmwStG, 2. Aufl. 1996, §16 RdNr. 43 f., weil die Hauptsacheentscheidung wegen des Entschmelzungsverbots bei Stattgabe des Antrags vorweggenommen wird. 111 Siehe auch § 20 Abs. 2 UmwG, dessen Wirkung vorläufig ungeklärt ist. 112Zu diesem Maßstab vgl. § 52 GenG. Erforderlich ist wenigstens bedingter Vorsatz. 113BVerfGE 14, 263 (283) - "Feldmühle”. 114Ganz in diesem Sinne die Begründung zu § 16 Abs. 3 UmwG (BT-Drucks. 12/6699, S. 89 rechte Spalte), wonach der Kläger oftmals nicht im Interesse aller Anteilseigner han­ delt, sondern in Wirklichkeit zu deren Schaden. Die Interessen des Anfechtungsklägers seien durch den Schadensersatzanspruch ausreichend gewahrt. Übersehen wird, daß die Anfech­ tungsklage auch die Belange der Gesellschaft und der Gesellschaftsgläubiger wahren soll.

richterprivileg zur Seite steht. Es mag daher von vornherein als das kleinere Übel erscheinen, im Zweifel für die Gesellschaft zu entscheiden und den Antragsgegner, sofern er im Hauptsacheverfahren doch obsiegt, nach Satz 6 abzufinden. Für die Gesellschaft wäre dies sicher die transaktionskostengün­ stigere Alternative. Es sei daher die Prognose gewagt, daß die Rechtspre­ chung, die die Abwägungsentscheidung nach freier Überzeugung auf sum­ marischer Grundlage trifft, eher zugunsten der Gesellschaften entscheiden wird. Die Funktion der Anfechtungsklage als Mittel der Legalitätsaufsicht ist insoweit preisgegeben. Die Besserstellung des Rechtsträgers erhellt endlich daraus, daß man zu § 16 Abs. 3 Satz 2 Fall 3 UmwG vertritt, daß bei einem vorrangigen Eintra­ gungsinteresse die Erfolgsaussichten der Klage nicht zu prüfen sind115. Das vorrangige Eintragungsinteresse überspielt bestimmte Beschlußmängel, da die Eintragung die Anfechtung hinsichtlich ihrer primären Wirkungen gegen­ standslos macht. Ein einstweilen nicht absehbarer Kreis von Vorschriften rechtfertigt entgegen § 243 Abs. 1 AktG die Anfechtung nicht mehr. Anson­ sten sagt das Gesetz - wie in § 243 Abs. 3 AktG — selbst, wann sich auf eine Rechtsverletzung die Anfechtung nicht stützen läßt. § 16 Abs. 3 Satz 2 Fall 3 UmwG darf nicht dazu mißbraucht werden, daß sich die Gesellschaft unter Darlegung eines vorrangigen Eintragungsinteresses der Einhaltung ge­ setzlicher und statutarischer Bestimmungen entzieht, also daß gewissermaßen der Zweck die Mittel heiligt. Wenn die Durchführung einer Verschmelzung für die Gesellschaft überlebensnotwendig ist, besteht eine umso größere Dringlichkeit, sie unter strikter Befolgung von Gesetz und Satzung in An­ griff zu nehmen. Beachtet die Verwaltung diese Vorschriften nicht und er­ greift ein Aktionär die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe, so hat die Verwaltung ihre Pflichten gegenüber dem Rechtsträger gröblich verletzt, und es handelt nicht der Aktionär rechtsmißbräuchlich oder treuwidrig, weil er der Fusion entgegentritt. Die Anfechtung, die die Abgabe der Negativerklä­ rung nach § 16 Abs. 2 UmwG grundsätzlich verhindert, ist das legitime Druckmittel zur Erzwingung der Einhaltung der Verschmelzungsvorausset­ zungen. Ihre Befolgung ist von den beteiligten Rechtsträgern selbstverständ­ lich zu erwarten, da sie entsprechend fachkundiges Personal entweder be­ schäftigen oder sich den erforderlichen Sachverstand auf dem Dienstlei­ stungsmarkt kaufen können. Es greift zu kurz, den Anfechtungskläger grundsätzlich auf den Ersatz seines individuellen Interesses gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 zu verweisen, weil eine Klage, die auf die Durchführung der Ver­ schmelzung nach Gesetz und Statuten dringt, zudem die Interessen der Ge­ sellschaft, der dissentierenden Gesellschafter, der Gesellschaftsgläubiger und 115Bork (wie FN 110), § 16 RdNr. 20.

eventuell des Kapitalmarktes zu wahren hat. Diese Erkenntnis stellt die Be­ gründung zum Regierungsentwurf geradezu auf den Kopf116. An § 16 Abs. 3 UmwG wird konkret sichtbar, welche Gefahren den Gesellschafterrechten von der Mißbrauchsdiskussion drohen.

VI. Abweichende Behandlung eigennütziger Gesellschafterrechte? Die bisherigen Überlegungen kreisten um die Mitverwaltungsrechte der Mitglieder, allen voran das Recht zur Beschlußanfechtung. Sind an den ge­ fundenen Ergebnissen Abstriche vorzunehmen, wenn es um die Behandlung eigennütziger Gesellschafterrechte geht? Diskutiert wird das namentlich für das Austritts- und Abfindungsrecht nach §§ 304 ff. AktG, §§ 305 ff. UmwG. Die Angemessenheit des Austrittsentgelts ist im sog. Spruchstellen­ verfahren, einem Verfahren der streitigen freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu überprüfen. Wie wirkt sich ein Mißbrauch im oben beschriebenen Sinne im Spruchstellenverfahren aus? Zum Teil vertritt das Schrifttum die Auffassung, daß für die Vermögensrechte der Gesellschafter andere Regeln gelten. Insbe­ sondere sei die Verwaltung hier relativ freier hinsichtlich der Geltung der Kapitalbindungsvorschriften angesichts der "Privatheit” dieser Rechte117. Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Das Austrittsrecht mit Abfin­ dungsfolge und die Beschlußanfechtung haben unterschiedliche Stoßrich­ tungen. Der Austritt ist mit Bezug auf die Kontrolle der Verwaltung die de­ fensivste Variante der Gesellschafterrechte, weil der Gesellschafter die Wie­ dergewinnung seines Investments langwierigen Auseinandersetzungen mit den übrigen Gesellschaftern und der Verwaltung vorzieht118. Dennoch besit­ zen das Austrittsrecht gegen Abfindung oder das Recht zur Erhebung der Auflösungsklage nach §§ 133 HGB, 61 GmbHG ebenfalls ein erhebliches Kontrollpotential. Der Austritt eines Gesellschafters entzieht der Gesellschaft Betriebsmittel, und die Auflösung bewirkt Verschiebungen in der Ebene des Unternehmensträgers. Beide Konsequenzen sind geeignet, die Mehrheit in ihrem Verhalten gegenüber einer Minderheit zu mäßigen. Angesichts der Schwierigkeiten, die die Bestimmung einer "angemessenen” Abfindung mit sich bringt, wird es ebenfalls schwer, “seriöse” von "unseriösen" Abfin­ dungsverlangen abzugrenzen119. Das Herausholen einer möglichst hohen 116Siehe oben FN 114. 117So insbesondere Diekgräf (wie FN 1), S. 271 ff.; anders dagegen K.-P. Martens, in: Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 63 (76 ff.). 118Vgl. M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 7 ff. 119Darauf durchgängig abstellend Diekgräf (wie FN 1), S. 294 ff.

Abfindung ist im Spruchstellenverfahren im Gegensatz zu den nicht derart kommerzialisierten Kontrollrechten der Gesellschafter Verfahrensgegen­ stand. Die Einleitung eines Spruchstellenverfahrens mag der Gesellschaft Imageverluste einbringen, es bewirkt aber keine Vollzugshemmung und kann die Gesellschaft nicht in die Lage versetzen, sich um jeden Preis vergleichen zu müssen. Verlangt der Antragsteller im Spruchstellenverfahren eine unse­ riös hohe Abfindung, wird der Antrag weder unzulässig noch unbegrün­ det120. Die richtige Lösung besteht ähnlich wie bei der ausgekauften Anfechtungsklage in einer geltungserhaltenden Reduktion auf den noch zu­ lässigen Umfang. Schließlich nötigt die Kostenverteilung im Spruchstellen­ verfahren zu keiner anderen Entscheidung. Zwar sind nach § 306 Abs. 7 Satz 8 AktG die Vertragsteile des Unternehmensvertrages Kostenschuldner. Dennoch gestattet dies den außenstehenden Aktionären keine risikofreie Pro­ zeßführung. Denn Satz 9 sieht vor, diese Kosten ganz oder teilweise einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Gerichte zögern nicht, die Billigkeitsregel auf offensichtlich unbegründete, sachfremde oder rechtsmißbräuchliche Anträge außenstehender Aktionäre zur Anwendung zu bringen121.

VII. Synthese Zusammenfassend bestätigt sich damit für alle Gesellschafterrechte, daß ihre Zerlegung in eine individualrechtliche und eine institutionelle Kompo­ nente auf tatbestandlicher wie auf der Rechtsfolgenebene durchzuhalten ist und bei konsequenter Befolgung den Weg zur richtigen Lösung des Sachpro­ blems weist. In einem System, in dem der Individualrechtsschutz zugleich in die Dienste des Institutionenschutzes gestellt ist, muß ein individueller Miß­ brauch die Gesellschafterrechte in ihrem institutioneilen Gehalt unberührt lassen. Im Sinne der institutionellen Betrachtungsweise hat sich ein Rechts­ behelf erst erledigt, wenn der Rechtsverstoß vollends beseitigt ist. Die Lö­ sung über eine Verwerfung des Rechtsbehelfs wegen Rechtsmißbrauchs122 ist nicht ausgereift und birgt die Gefahr, daß sich Verwaltung oder Aktio­ närsmehrheit kontrollfrei stellen, indem sie die Ausübung der Gesellschafter­ rechte mit dem Etikett des Rechtsmißbrauchs versehen, zumal wenn die Rechtsprechung bereit ist, über selbst schwerste Rechtsverstöße hinweg zu schauen. Der durch die Rechtsprechung geschaffene Rechtszustand ist noch 120Anders Diekgräf (wie FN 1), S. 302 ff. 121 Vgl. BayObLGZ 1973, 106 (113); 1975, 305 (310); OLG Frankfurt am Main NJW 1972, 641 (644); OLG Düsseldorf WM 1973, 1085 (1087). 122BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler".

optimierbar. Die Aberkennung der Klagebefugnis eines ungeeigneten Sach­ walters und die Rückführung rechtswidrig erlöster Auskaufgelder in das Ge­ sellschaftsvermögen vertragen sich mit der Aufgabenerfüllung durch einen geeigneten Kläger. Den Rechtsbehelfen wird außerdem viel von ihrem Er­ pressungspotential genommen, wenn man in das Verfahren einen effizienten Rechtsschutz einbaut und es so ausgestaltet, daß eine rasche Entscheidung er­ reichbar ist. Einen wichtigen Beitrag hierzu könnte ferner die Streitentschei­ dung durch ein Schiedsgericht leisten, deren Vorteile im Aktienrecht bislang noch kaum erprobt sind.

§ 22 Die Schiedsfähigkeit von Gesellschafterklagen Die Streitentscheidung durch Schiedsgericht spielt im Gesellschafts- und im Verbandsrecht eine herausragende Rolle. Das gesamte Vereinsgerichts­ wesen dokumentiert den Wunsch, die Verbandsangelegenheiten, speziell die Streitigkeiten zwischen Mitglied und Verband, unter Ausschluß des ordent­ lichen Rechtsweges zu entscheiden. Dafür lassen sich einerseits verständliche Gründe anführen: Das Schiedsverfahren ist vertraulich, da keine Öffentlich­ keit (§§ 169 ff. GVG) zugelassen ist. Die Parteien können die Richterbank mit Fachleuten besetzen und so Gutachterkosten einsparen. Das schiedsrich­ terliche Verfahren ist in der Regel billiger, etwa weil kein Anwaltszwang herrscht1. Es ist schließlich schneller, weil ihm flexiblere Verfahrensregeln zugrunde liegen. Das Gesagte gilt vor allem für die internationale Schiedsge­ richtsbarkeit2. Diesen immer wieder ins Feld geführten komparativen Vor­ teilen der Schiedsgerichtsbarkeit stehen andererseits unübersehbare Gefahren gegenüber. Oftmals beruhen Schiedsabreden nicht auf dem wirklich freien Willen der Parteien. Das Benennungsrecht hinsichtlich der Schiedsrichter kann bewirken, daß dem Schiedsgericht die Überparteilichkeit fehlt. Den­ noch existiert im Verbandsrecht kein generelles oder sektorales gesetzliches Verbot einer Entscheidung durch Schiedsgerichte3. Echte Schiedsverbote be­ stehen nach § 1025a ZPO zum Schutze des sozial und rechtlich schwächeren Mieters über Wohnraum4 sowie — partiell - gemäß § 28 BörsG zugunsten des Anlegers5. Nur relativ schiedsfähig sind Kartellrechtsstreitigkeiten nach § 91 Abs. 1 GWB6. Ferner ist die Schiedsfähigkeit arbeitsrechtlicher Strei­ 1 Die Parteien dürfen sich aber in jeder Lage des Verfahrens eines anwaltlichen Bei­ stands bedienen, § 1034 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 2 So sind die Chancen erheblich größer, daß ein inländischer Schiedsspruch im Ausland anerkannt wird im Vergleich zur Anerkennungsfähigkeit eines staatlichen Urteils. In grenz­ überschreitenden Sachverhalten entfällt der durch das Internationale Privatrecht vorgezeich­ nete Zwang, ausländisches Recht ermitteln und anwenden zu müssen. Dies spart Zeit und aufwendige Gutachterkosten, die nach § 293 ZPO anfallen. 3 Durch Richterrecht wurden aktienrechtliche und GmbH-rechtliche Beschlußanfech­ tungsklagen für nicht schiedsfähig erklärt, BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937; BGH WM 1966, 1132 (1133); OLG Hamm DB 1987, 680; neuestens BGHZ 132, 278 (284 ff.). 4 § 1025a Satz 1 ZPO ist als Verbot der Schiedsgerichtsbarkeit schlechthin zu verste­ hen, wiewohl die Bestimmung nur von der Unwirksamkeit des Schiedsvertrages ausgeht. Dies muß aber erst recht für die noch relativ gefährlichere Begründung der Schiedsgerichts­ zuständigkeit über § 1048 ZPO gelten. 5 Zur Reichweite dieses Schiedsverbots, die nicht zuletzt wegen der schlechten Ab­ stimmung des § 53 auf § 28 BörsG umstritten ist, näher Samtleben, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 521 ff. 6 Sehr kritisch gegenüber der Kartellschiedsgerichtsbarkeit Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, 1967, S. 212 ff., 321 ff.; v.HÜLSEN RabelsZ 35 (1971), 132;

tigkeiten in persönlicher und sachlicher Hinsicht stark eingeschränkt. Die § § 4, 101 ArbGG bezwecken die Durchsetzung des materiellen Arbeitsrechts mit Hilfe der staatlichen Gerichte. Wenn gemäß § 101 ArbGG überhaupt eine schiedsfähige Materie vorliegt, so gilt vor dem Arbeitsschiedsgericht ein besonderes und zwingendes Verfahrensrecht, §§ 101 Abs. 3, 104 ff. ArbGG. Die Zusammensetzung der Richterbank erfolgt nicht nach Auswahl der Parteien, sondern ist nach § 103 ArbGG zwingend vorgeschrieben. Für viele Gesellschafterklagen ordnet das Gesetz einen ausschließlichen Gerichtsstand an. Dies gestattet aber nicht den Schluß auf ein staatliches Ju­ stizgewährungsmonopol. In § 29a ZPO ist der ausschließliche Gerichtsstand für Wohnraummietstreitigkeiten normiert, § 1025a ZPO erklärt Rechtsstrei­ tigkeiten über den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses für nicht schiedsfähig. Ähnlich bestimmt § 96 Abs. 1 GWB eine ausschließliche Zu­ ständigkeit, während § 91 Abs. 1 GWB die Entscheidung durch ein Schieds­ gericht grundsätzlich vorbehält7. Diese Normen ergeben nur einen Sinn, wenn man Gerichtsstand und Schiedsfähigkeit unterschiedlichen rechtstech­ nischen Ebenen zuordnet und die Gerichtsstandsbestimmungen auf die staat­ liche Gerichtsorganisation bezieht. Ausgehend von § 1025 Abs. 1 ZPO richtet sich die Schiedsfähigkeit nach der Vergleichsbefugnis der Parteien hinsichtlich des Streitgegenstandes. Entscheidend ist mithin, ob die Parteien materiellrechtlich über das streitbefangene Recht disponieren oder mit den Mitteln des Verfahrensrechts auf den Streitgegenstand einwirken können. Im Grundsatz ist dies für das Gesellschaftsrecht zu bejahen. Nicht zum Komplex der Schiedsgerichtsbarkeit zählen die gesellschafts­ internen Spruchstellen. Es handelt sich um echte Gesellschaftsorgane und nicht um Schiedsgerichte i.S.v. § 1025 ZPO, obwohl man sie vielfach so be­ zeichnet. Diese Spruchstellen haben die Aufgabe, eine Pattsituation in der Gesellschafterversammlung durch einen Stichentscheid zu überwinden8. Ihre Entscheidung wird nach Maßgabe der Satzung verbindlich ohne Vollstreck­ barerklärung durch ein staatliches Gericht. Die Rechtsprechung billigt die Einrichtung dieser Spruchstellen und die hierin liegende Verschiebung der Organzuständigkeiten. Sie verlangt zum Ausgleich jedoch, daß die Entschei­ dungen des prorogierten Organs genauso justitiabel sein müssen wie die des derogierten, d.h., daß ein Gesellschafter einen Spruch der Schiedsstelle Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, 1973, S. 300 ff. 7 BGH WuW/E BGH 823 (827) = BGHZ 46, 356 - "Schweißbolzen" mit Nachwei­ sen. 8 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 342 ff.; Hommelhoff ZHR 143 (1979), 288 (312); Drobnig/Becker/Remien, Verschmelzung und Koordinie­ rung von Verbänden, 1991, S. 54 ff.

ebenso nach §§241 ff. AktG anfechten kann, wie wenn an ihrer Statt das an sich zuständige Gesellschaftsorgan selbst entschieden hätte9. Auch das paßt nicht zu einem echten Schiedsspruch.

I. Wesen und Grundlagen Das Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit liegt in der Unterwerfung der Par­ teien unter die Entscheidungsgewalt des Schiedsrichters, der anstelle des or­ dentlichen Gerichts entscheidet. Regelmäßig geschieht diese Unterwerfung durch ausdrückliche Vereinbarung in einer besonderen Urkunde, die keine anderen Regelungen enthalten darf (§ 1027 Abs. 1 ZPO). Die gleiche Bin­ dung läßt sich über § 1048 ZPO herstellen, der die Grundlage der gesamten Verbandsschiedsgerichtsbarkeit bildet. Hier tritt die Bindung durch den blo­ ßen Umstand der Mitgliedschaft ein und erfordert keinen zusätzlichen Beitritt zur Schiedsklausel. Freilich soll § 1048 ZPO nur für die Anordnung schieds­ richterlicher Entscheidung durch die Satzung einer Körperschaft gelten, wäh­ rend dieser Weg den Gesellschaftern einer Personengesellschaft nach herr­ schender Meinung verschlossen sein soll10. Diese Auffassung erscheint anti­ quiert11. Im Wortlaut des § 1048 findet die Unterscheidung Gesellschaft­ Körperschaft bzw. Vertrag-Satzung keine Stütze. Die Herausnahme der Ge­ sellschaften aus § 1048 bedeutet eine im Lichte von Art. 9 Abs. 1 GG be­ denkliche Diskriminierung der Personalgesellschaften, denen höhere formale Anforderungen auferlegt werden, um in den Genuß der Schiedsgerichtsbar­ keit zu gelangen. Der schiedsgerichtlichen Entscheidungszuständigkeit sind Schranken vor­ angestellt, die die Einhaltung rechtsstaatlicher Minimalstandards gewährlei­ sten. Dies gilt für § 138 BGB wie für § 1025 Abs. 2 ZPO. § 1025 Abs. 2 ZPO ist auf statutarische Schiedsklauseln entsprechend anwendbar12. Die Vorschrift stellt eine spezialgesetzliche Ausformung des Übervorteilungsund Knebelungsverbots aus § 138 BGB dar. Die Begründung schiedsgericht­ licher Zuständigkeit über § 1048 ZPO läßt dem einzelnen praktisch keinen 9 RGZ 49, 141 (147); BGHZ 43, 261 (264); DROBNIG/BECKER/REMIEN (wie FN 8), S. 54 ff. 10 So die herrschende Meinung, vgl. BGHZ 45, 282 (285); 48, 35 (43 ff.); BGH NJW 1980, 1049 für die Publikums-KG; abweichend OLG Karlsruhe DB 1991, 903 mit ableh­ nender Anm. Karsten Schmidt; Ulmer, in: Großkomm.z.HGB, 4. Aufl. 1988, § 105 RdNr. 44. 11 Dagegen mit Recht Karsten Schmidt JZ 1989, 1077; ders. DB 1989, 2315; ders. GmbHRdsch. 1990, 16. Der notwendige Schutz der Gesellschafter kann durch Inhaltskon­ trolle der Schiedsklausel bzw. des Schiedsspruchs im Vollstreckbarerklärungsverfahren nachgeholt werden. 12 MünchKommZPO-MAlER, 1992, § 1048 RdNr. 12.

Verhandlungsspielraum mehr hinsichtlich der Frage, ob ihm der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offen steht. Kann der Verband obendrein noch entscheidenden Einfluß auf die Gerichtsbesetzung gewinnen, bedeutet dies ein rechtsstaatlich bedenkliches Übergewicht. 1. Die Vorbehaltsklauseln der Schiedsgerichtsbarkeit

Die Unwirksamkeit des Schiedsvertrages bzw. die fehlende Entschei­ dungszuständigkeit des Schiedsgerichts sind in jeder Lage des Verfahrens zu beachten. Bei Klageerhebung vor dem ordentlichen Gericht wäre dieser Ein­ wand im Rahmen der Behandlung der prozeßhindemden Einrede aus § 1027a ZPO zu prüfen, spätestens aber im Stadium der Vollstreckbarerklärung (§§ 1041 Abs. 1 Nr. 1, 1042 Abs. 2 ZPO). Eine Schiedsvereinbarung ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn nur einer Partei nach freier Wahl und alleiniger Entscheidung das Recht zukommen soll, über die Zuständig­ keit des Schiedsgerichts oder des staatlichen Gerichts zu bestimmen. Sie ist ferner nichtig, wenn nur eine Partei die bindende Auswahl der Schiedsrichter treffen darf. Zur Nichtigkeit führt schließlich eine Bestimmung in der Schiedsklausel, wonach zwischen den Parteien immer nur ein Verfahren gleichzeitig mit einem maximalen Streitwert geführt werden darf13. Die Vorbehaltsklauseln der §§ 138 Abs. 1 BGB, 1025 Abs. 2 ZPO wollen der beiderseitigen Vertragsfreiheit Geltung verschaffen und die Waffengleichheit im Prozeß wahren. Bei der Konkretisierung der Generalklauseln des Zivil­ rechts kommt der Wertordnung des Grundgesetzes wesentliche Bedeutung zu14. Art. 19 Abs. 4 GG bringt die Wertentscheidung zum Ausdruck, daß auch für bürgerlichrechtliche Streitigkeiten der Weg zu den Gerichten offen­ stehen muß15. An diese Rechtsweggarantie knüpft sich eine qualitative Ga­ rantie richterlicher Tätigkeit an: Es müssen Minimalstandards gewährleistet sein dergestalt, daß eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes und eine verbindliche Entscheidung durch einen Richter stattfindet16.

13 BGHZ 106, 336 = JZ 1989, 588 mit Anm. Walter. 14 BGH NJW 1986, 2944 für die Vereinbarkeit eines Wettbewerbsverbots mit Art. 12 Abs. 1 GG. Die Vereinbarkeit mit § 1 GWB wird nicht geprüft. 15 Die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG entwickelt sich immer mehr zu einem allgemei­ nen Justizgewähranspruch. Der Begriff der öffentlichen Gewalt wird in dem Maße, in dem die Schutzdichte zunimmt, weiter interpretiert und die ehedem justizfreien Reservate ent­ sprechend enger. Konsequent geht man daran, die nicht staatlich getragene, gesellschaftliche Machtausübung in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen, vgl. SCHMIDTAbmann, in: Maunz/Dürig/Herzog, Komm.z.GG, Stand: Jan. 1985, Art. 19 Abs. IV RdNr. 104 ff. 16 BVerfGE 54, 277(291).

Dieser Qualitätsstandard der staatlichen Gerichtsbarkeit (Artt. 97 ff. GG) ist - wie § 1025 ZPO belegt - im Grundsatz für die Parteien verzichtbar. Dennoch verbleibt auch bei Ausschluß der staatlichen Gerichtsbarkeit ein unverzichtbarer Kernbestand. Durch die Schiedsabrede darf sich die Qualität des rechtlichen Schutzes der von der Rechtsordnung dem einzelnen verlie­ henen subjektiven Rechte nicht derart ändern, daß dieser Schutz de facto ent­ fällt oder eine Partei einseitig benachteiligt wird, weil die andere nach einem Übergewicht strebt oder einseitig die Wahl der Waffen hat17. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten kann ausgeschlossen werden, sofern ein funk­ tionales Äquivalent für die Streitentscheidung bereitsteht. Die Ersatzeinrich­ tung muß in ihrem Kem denselben Anforderungen genügen wie ein staat­ liches Gericht mit Bezug auf die Organisation und das Verfahren. Wesentlich ist insbesondere das Fehlen eines Schiedszwanges sowie die Wahrung der Besetzungsparität18. Für die Verbandsschiedsgerichtsbarkeit sind die zugrundeliegenden Kon­ flikte schon in der Verbandsorganisation angelegt. Der einzelne hat bezüg­ lich des Ausschlusses des ordentlichen Rechtsweges keinen echten Verhand­ lungsspielraum und kaum Einfluß auf die Zusammensetzung des Schiedsge­ richts. Diese Bedenken sind durch eine Verfahrenskontrolle sowie eine In­ haltskontrolle des Schiedsspruchs auf Verstöße gegen das angewandte Sach­ recht auszuräumen. 2. Verfassungsrechtliche Verbürgung und Grenzen der Schiedsgerichtsbarkeit

Der Vertragsfreiheit des Privatrechts entspricht die Garantie der Selbst­ verwaltung eigener Angelegenheiten im Verbandsrecht. Sie findet ihre Grundlage in Art. 9 Abs. 1 GG sowie in § 25 BGB. Verfahrensrechtlich äu­ ßert sich die Selbstverwaltungsautonomie in der nur begrenzten Überprüf­ barkeit von Akten der Verbandsgewalt durch die staatlichen Gerichte19. Die 17 BGHZ 106, 336 (339) zu der Bestimmung, wonach sich eine Partei vor dem Schieds­ gericht nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen darf. Diese Klausel ist nach § 1034 Abs. 1 Satz 2 ZPO nichtig. 18 LG Frankfurt am Main ZIP 1989, 599 - FC Homburg/DFB. Im übrigen belegt diese Entscheidung den vereinnahmenden Zugriff der Verbandsgewalt, für den die Verbands­ schiedsgerichtsbarkeit in unzulässiger Weise instrumentalisiert wird. Die - vermeintliche Unlösbarkeit des Problems der Schiedsgerichtszusammensetzung unter Beteiligung aller Be­ troffenen hält BGHZ 132, 278 (287 ff.) in letzter Instanz von der Billigung der Schieds­ fähigkeit von GmbH-rechtlichen Beschlußfehlerklagen ab. 19 So der seit RGZ 147, 11 (14 ff.); BGHZ 13, 5 (11); 47, 381 (384 ff.) tradierte Grundsatz, der jedoch im Zuge der allgemeinen Verrechtlichung des inneren Verbandsrechts wesentliche Lockerungen hinsichtlich des Vereinsausschlusses erfahren hat. Ausschließungs­ entscheidungen in Monopolverbänden sowie in Verbänden mit einer überragenden Macht­ stellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich sind in erweitertem Umfange nachprüfbar,

Vereinsschiedsgerichtsbarkeit nimmt an dieser Gewährleistung teil20. Wie­ wohl sich die Artt. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3, 92 ff. GG zunächst an die staat­ lichen Gerichte wenden, geht das Grundgesetz doch von der Zweispurigkeit des Rechtsschutzsystems aus. Das Grundgesetz hat die Schiedsgerichtsbarkeit als festen Bestandteil des Rechtslebens vorgefunden und wollte sie nicht be­ schneiden. Die Justizgewährung durch staatliche Gerichte ist mit erheb­ lichem Aufwand verbunden. Die Schiedsgerichtsbarkeit verschafft der staat­ lichen Justiz Entlastung. Der Staat hat sich die Aufsicht über das Schiedswe­ sen reserviert21. Auszuüben ist sie im Verfahren nach §§ 1041, 1042 Abs. 2 ZPO, in welchem der Schiedsspruch einer Inhaltskontrolle in formeller und materieller Hinsicht unterliegt. Keinesfalls darf ein staatliches Gericht einem fehlerhaften Schiedsspruch zur Vollstreckbarkeit verhelfen. Das Verfahren vor dem Schiedsgericht muß einer fairen Verfahrensgestaltung entsprechen, das Entscheidungsergebnis darf nicht gegen die guten Sitten oder gegen die öffentliche Ordnung verstoßen. Insbesondere ist das Schiedsgericht an die Grundrechte gebunden (§ 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Für die weithin gebilligte Verbandsstrafgewalt ist zu fordern, daß ein Schiedsgericht nicht Sanktionen verhängen oder bestätigen darf, die das staatliche Gericht nur mit einer gesetzlichen Grundlage aussprechen dürfte. Dies betrifft alle Maßnahmen der autonomen Verbandsstrafgewalt, die ein Mitglied in seinen Gewährleistungen auf Freiheit, Eigentum und freie Be­ rufswahl berühren. Vor allem bei hauptberuflichen Sportlern maßt sich die Verbandsstrafgewalt die Verhängung langjähriger oder lebenslanger Sperren an, die faktisch ein Berufsverbot bewirken22. Die schiedsrichterliche Tätig­ keit darf nicht dahin fuhren, daß eine von den Vorgaben des materiellen Rechts gelöste Entscheidung ergeht und untergesetzliche Rechtsnormen wie Vereinsordnungen oder Verbandsrichtlinien auf diesem Wege eine Quasi-Ge­ setzeskraft erlangen23. Wenigstens im grundrechtsrelevanten Bereich sind die nämlich mit Bezug auf die Tatbestandsermittlung sowie die auf dieser Grundlage getroffene Rechtsanwendung. Damit findet - wenngleich vielfach unausgesprochen - der Rechtsge­ danke des § 27 GWB Eingang in das Verbandsrecht, der von seinem faktischen Hintergrund durchaus paßt. Die Ausschließungsfreiheit des Vereins ist Kehrseite seiner allgemeinen Auf­ nahmefreiheit, siehe MünchKomm-REUTER, BGB, 3. Aufl. 1993, § 25 RdNr. 32 ff.; DERS. ZHR 151 (1987), 355 (386 ff.). Zum Ausschluß aus einer Gewerkschaft BGHZ 102, 265 mit Besprechung Hadding/van Look ZGR 1988, 270. 20 Für eine aus der Privatautonomie abgeleitete Bestandsgarantie der Schiedsgerichts­ barkeit W. J. Habscheid KTS 1959, 113 (114); Stober NJW 1979, 2001 (2002). 21 W. J. Habscheid KTS 1959, 113. 22 Dies wurde spätestens im Fußballbundesligaskandal 1971 augenfällig; vgl. OLG Frankfurt am Main NJW 1973, 2208 mit Anm. H. P. Westermann; ders., Die Verbands­ strafgewalt und das allgemeine Recht, 1972, S. 13 ff.; Schlosser, Vereins- und Verbands­ gerichtsbarkeit, 1972, S. 17 ff. 23 Im gleichen Sinne OLG Frankfurt am Main NJW 1973, 2208 (2209), das solche Normen nicht der Verbandsautonomie zurechnet, sondern der Vertragsfreiheit - weil sich

Freiräume schiedsrichterlicher Tätigkeit erheblich eingegrenzt. Maßnahmen der Verbandsstrafgewalt sind nach modernem Verständnis nicht mehr nur auf schwere Formfehler, Gesetz- oder Sittenwidrigkeit oder grobe Unbillig­ keit überprüfbar24. In jedem Falle sind die Grundrechte zu beachten25. Die Verbandsgewalt bezieht aus der Verfassung ihre Absicherung ebenso wie ihre Begrenzung. Sie ist in diesem zweiseitigen Sinne in die Verfassungsord­ nung eingebettet26. Die Instrumente zur Umsetzung dieses Befundes sind im Verfahrensrecht vorhanden. Nach § 1040 ZPO steht der Schiedsspruch dem Urteil eines staatlichen Gerichts gleich. Dies gilt ebenso hinsichtlich der Verbindlichkeit einer schiedsgerichtlichen Entscheidung. Ein die oben genannten Grundsätze mißachtender Schiedsspruch unterliegt der Aufhebung und darf keine Voll­ streckbarerklärung erlangen. Seine Rechtskraft kann nach Maßgabe der §§ 579 ff. i.V.m. § 1041 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durchbrochen werden. Ein arg­ listig erschlichener Schiedsspruch hat zur Folge, daß die benachteiligte Partei auf Feststellung der Nichtigkeit aus § 826 BGB klagen und so dessen Rechtskraft beseitigen kann27. Ihre Schranken findet die Schiedsgerichtsbarkeit in den Grundrechten. Dies bezieht sich zunächst auf die Verfahrensgrundrechte, also auf das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 1034 Abs. 1 Satz 1 ZPO) oder auf das Recht, sich vor dem Schiedsgericht anwaltlichen Beistands zu bedienen (§ 1034 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Von den übrigen Grundrechten sind namentlich die Artt. 12, 14 und 9 GG zu beachten. Für das Spannungsverhältnis zwi­ schen Verbandsschiedsgerichtsbarkeit und Vereinigungsfreiheit hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen: Ging es im 19. Jahrhundert darum, die Ver­ einsautonomie gegen staatliche Einmischung zu schützen, so liegt der Akzent heute darauf, die Freiheitssphäre des einzelnen gegen eine extensive Aus­ übung der Verbandsgewalt abzuschirmen. Es geht mithin um die "innere” Vereinigungsfreiheit und um die Konkretisierung der Anforderungen an die Binnenstruktur der Verbände, die aus ihr folgen28. Nicht zu Unrecht hat man die Maßnahmen der Verbandsgewalt gegenüber den Mitgliedern als Lizenzfußballspieler in ihren jeweiligen Arbeitsverträgen deren Geltung unterwerfen - mit der Folge, daß eine Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Platz greift. 24 So aber die früher herrschende Meinung, vgl. etwa RGZ 147, 11 (14); BGHZ 13, 5 (11 ff.); 27, 297 (300 ff.). 25 Dezidiert in diese Richtung Burmeister DöV 1978, 1 ff. 26 Dazu sehr anschaulich am Beispiel des Sportverbandswesens Burmeister DöV 1978, 1 (5 ff.). 27 So RG JW 1928, 1853; dagegen ohne Begründung Schwab/Walter, Schieds­ gerichtsbarkeit, 5. Aufl. 1995, Kap. 24 I RdNr. 2. 28 Hierzu bereits sehr grundsätzlich Walter Schmidt ZRP 1977, 255 m.w.N.

"zivile Vereinsverwaltungsakte" bezeichnet29. Dieser subordinationsrecht­ liche Denkansatz muß jedoch allseitig übertragen werden: Der Verbandsge­ walt treten Grundrechte der Mitglieder gegenüber, deren Einhaltung entspre­ chend Art. 19 Abs. 4 GG sicherzustellen ist. Diese Kontrolle darf einem justizförmlich arbeitenden Schiedsgericht anvertraut werden. Entsprechend der staatsrechtlichen Gewaltenteilung muß eine Trennung von Exekutiv- und Jurisdiktionstätigkeit verwirklicht sein. Ein Vereinsschiedsgericht hat unabhängig von den Vereinsorganen, die den angegriffenen Akt gesetzt ha­ ben, Recht zu sprechen. Unabhängigkeit meint personelle Verschiedenheit und überparteiliche Amtsführung. Andernfalls liegt kein Schiedsgericht nach § 1025 ZPO vor, sondern ein schlichtes Vereinsgericht, das Vereinsorgan ist, und dessen Akte unterliegen der Überprüfung durch ein staatliches Gericht30.

II. Schiedsfähigkeit und Vergleichsbefugnis von Gesellschafterklagen Nach § 1025 Abs. 1 ZPO folgt die Schiedsfähigkeit eines Streitgegenstan­ des aus der Berechtigung der Parteien, ihren Streit vergleichsweise beizu­ legen. In Bezug genommen ist ein Prozeßvergleich gemäß § 779 BGB, also ein schuldrechtlicher Vertrag mit prozessualer Auswirkung, durch welchen der Streit oder die Ungewißheit unter den Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Auf den Vergleichsver­ trag finden die allgemeinen Bestimmungen über Verträge Anwendung, d.h., es herrscht zwar Vertragsfreiheit, jedoch gilt ebenso das Verbot von Verträ­ gen zu Lasten Dritter. 7. Die Vergleichsbefugnis im Gesellschaftsrecht

Das duale Konzept der Gesellschafterrechte ist nicht ohne Einfluß auf die Vergleichsberechtigung. Bei den vermögensrechtlichen Befugnissen des Mit­ glieds wie Gewinnbezug oder Anteil am Liquidationsüberschuß wirft die Vergleichsbefugnis keine Probleme auf, weil das Mitglied hier über aus­ schließlich eigene Rechte verfügt. Anders liegen die Dinge bei den Mitver­ waltungs- und Kontrollrechten, weil hier Belange der übrigen Gesellschafter sowie der Allgemeinheit tangiert sind. Uneingeschränkt dispositionsbefugt ist 29 Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, 1957, S. 75 ff.; Schlosser, Vereins- und Ver­ bandsgerichtsbarkeit, 1972, S. 38 ff.; Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 1970, S. 29. 30 RGZ 55, 326; 88, 395 (402); OLG Frankfurt am Main NJW 1970, 2250.

der Gesellschafter nur hinsichtlich seiner ungeteilten Berechtigung. Keine Dispositionsbefugnis hat die Gesellschaft und ihre Organe in bezug auf die Kontrolle, der sie unterstehen. Diese Erkenntnis darf nicht ohne Rückwir­ kungen auf die funktionale Verknüpfung von Vergleichsbefugnis und Schiedsfähigkeit bleiben. Um die Formel Vergleichsberechtigung gleich Schiedsfähigkeit richtig zu erfassen, ist ein zweckorientiertes Verständnis er­ forderlich. Die Parteien sollen nicht über Materien kontrahieren, die einer vertraglichen Regelung schlechthin entzogen sind oder den Status Dritter be­ rühren. Im gleichen Sinne sollen sie nicht andere auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts festlegen dürfen und damit über deren Zugangsrecht zu den ordentlichen Gerichten bestimmen. Die Vergleichsberechtigung ist für die Zwecke des § 1025 Abs. 1 ZPO nach zwei Richtungen zu beleuchten. Zu trennen sind objektive und subjek­ tive Vergleichsbefugnis31. Die objektive Vergleichsberechtigung besteht, wenn für den Streitgegenstand als solchen der Abschluß eines Vergleiches statthaft ist. Subjektive Vergleichsbefugnis meint, daß gerade die Parteien zum Vergleichsabschluß berechtigt sind32. Im Verbandsrecht wird nur die Vergleichsbefugnis der Beschlußmängelklage bei den Körperschaften bezweifelt33. In Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Verbotsnorm nach Art des § 1025a ZPO, müßte den Parteien eigentlich — ausgehend von § 1025 Abs. 1 - die Vergleichsbefugnis fehlen. Indes sind Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen sehr wohl einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, wie gerade das Phänomen der rechtsmißbräuchlichen Klagen bewiesen hat. Eine Klage, mit der die Aufhebung eines Beschlusses begehrt wird, ist nicht per se (objektiv) vergleichsunfähig34. Die 31 Bärmann, Festschrift für Friedrich Weber, 1975, S. 1 ff.; Kornmeier, Vergleichs­ befugnis und Schiedsfähigkeit, 1982, S. 40 ff., 56 ff.; ders. ZZP 94 (1981), 27; Timm, Festschrift für Fleck, 1988, S. 365 (377 ff.); nunmehr ebenso BGHZ 132, 278 (282 ff.). 32 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 1995, Kap. 4 RdNr. 2 ff. und 7 ff.; Kornmeier ZZP 94 (1981), 27 (45 ff.); abweichend in der Terminologie Bärmann (wie FN 31), S. 18 ff., der mit subjektiver Schiedsfähigkeit die Frage verbindet, wer als Schiedsrichter verpflichtet werden kann. 33 BGHZ 132, 278; BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937 mit Anm. Robert Fischer = MDR 1951, 674; BGH WM 1966, 1132; Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, §246 RdNr. 61; HÜffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 246 RdNr. 68. Konsequent müßte dann auch die außerhalb der §§241 ff. AktG aner­ kannte und als Feststellungsklage zu behandelnde positive Beschlußfeststellungsklage (vgl. BGHZ 76, 191 [197 ff.]) schiedsunfähig sein. Zum ganzen Fragenkreis auch EBENroth/Bohne BB 1996, 1393. 34 Die Schiedsfähigkeit der Anfechtungsklage gegen den Beschluß einer Wohnungs­ eigentümergemeinschaft nach §§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 23 Abs. 4 WEG bejaht BayObLGZ 1973, 1. Auch für die Beschlußanfechtungsklage im GmbH-Recht beginnt die Front der ablehnen­ den Stimmen allmählich zu bröckeln, vgl. nur Karsten Schmidt ZGR 1988, 523. Dennoch beharrt BGHZ 132, 278 auf einer gesetzlichen Grundlage, kritisch etwa EBENROTH/BOHNE BB 1996, 1393.

Vergleichsberechtigung unterliegt jedoch Einschränkungen, die sich aus dem Zweck der Gesellschafterrechte erklären. Ein Vergleich über die Ausübung dieser Rechte darf vor allem ihren Kontrollauftrag nicht verletzen und eine bestehende Rechtswidrigkeit nicht perpetuieren. Die subjektive Vergleichsberechtigung existiert ebenfalls mit Modifika­ tionen. Die Gesellschaft wird gerichtlich und außergerichtlich von ihrer Verwaltung vertreten. Bei der Beschlußanfechtung sind weder die Verwal­ tung noch die Gesellschaft selbst befugt, sich über den erhobenen Anspruch zu vergleichen. Das Gericht kann den Beschluß kassieren oder durch Abwei­ sung der Klage bestehen lassen, nicht aber kann ihn die Verwaltung im Wege eines Prozeßvergleichs gegenstandslos machen. Der bindende Ab­ schluß dieses Vergleichs ist der organschaftlichen Vertretungsmacht des Vor­ stands entzogen. Möglich ist dagegen ein Vergleich, den die Verwaltung ab­ schließt und den die Aktionäre mit Mehrheit ratifizieren. Diese durch die zwingende Verteilung der Organkompetenzen in der AG35 vorgegebene Konsequenz bedarf der Abstimmung auf die spezifisch prozessualen Instru­ mente zum Abschluß eines Vergleichs wie Anerkenntnis, Verzichtsurteil, bewußte Säumnis oder Rechtsmittel verzieht. Man kann nicht auf der einen Seite vertreten, daß es den Parteien des Anfechtungsprozesses verwehrt sei, die Nichtigerklärung oder anderweitige Beseitigung des Beschlusses durch Vergleich zu bewirken, andererseits jedoch für die unmodifizierte Geltung der allgemeinen Grundsätze des Zivilprozesses eintreten, wonach eine Ein­ wirkung auf den Beschluß durch Klageverzicht, Versäumnisurteil, Aner­ kenntnis, Geständnis oder Rechtsmittelverzieht ohne weiteres zulässig ist36. Erforderlich ist eine durchgehend konsistente Lösung37, die die rechts­ 35 Beschlußfassungskompetenz der Hauptversammlung (§ 119 Abs. 1 AktG) versus Ausführungspflicht der Verwaltung (§ 83 AktG). 36 So die ganz herrschende Meinung, vgl. statt vieler nur Zöllner, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 246 RdNr. 71 ff. Auf diesen letztlich nicht erklärbaren Wider­ spruch hat bereits Robert Fischer (Anm. zu BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937) hinge­ wiesen; richtig im Ansatz auch Schilling, in: Großkomm.z.AktG, 3. Aufl. 1972, § 246 Anm. 7, der das Versäumnisurteil anders behandeln will als das Anerkenntnis oder das ge­ richtliche Geständnis. Nach wie vor kann die herrschende Meinung nicht erklären, warum die aktienrechtliche Beschlußanfechtungsklage einerseits nicht schiedsfähig und nicht ver­ gleichsfähig sein soll, andererseits jedoch die Gestaltungsmittel des Prozeßrechts zur Erzie­ lung des gleichen Ergebnisses anwendbar bleiben dürfen. 37 Diese Konsistenz strebt namentlich Hachenburg/Ulmer, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 61 RdNr. 35 ff. für das GmbH-Recht an. Auch die Auflösungsklage ist gegen die Gesellschaft zu richten (§61 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), die durch ihre Geschäftsführung vertreten wird. Die Geschäftsführer haben jedoch (arg. § 60 Abs. 1 Nr. 2) keine Befugnis, über den Fortbestand der Gesellschaft im Prozeß zu disponieren. Ein Vergleich zwischen der Auflösungsklage nach §61 GmbHG und der Beschlußanfechtungsklage ergibt damit vom Standpunkt der herrschenden Meinung aus ein kurioses Bild: Die Auflösungsklage ist schiedsfähig, die Beschlußanfechtung dagegen nicht. Bei der Auflösungsklage geht es um die Existenz der gesamten Gesellschaft als Untemehmensträgerin und nicht nur um einen

geschäftlichen und die prozessualen Vergleichsformen umfaßt. Zwar haben Gesellschaft und klagender Gesellschafter keine Vergleichsberechtigung für die Gesellschaft aus eigenem Recht, wohl aber können sie sich vorbehaltlich der Zustimmung der Gesellschafter vergleichen. Wegen des Gleichlaufes von Vergleichsbefugnis und Schiedsfähigkeit kann dies nicht ohne Rückwir­ kungen auf die Schiedsfähigkeit dieser Materien bleiben38. Aus dem Gesag­ ten folgt also nicht die Vergleichsunfähigkeit schlechthin, sondern eine mo­ difizierte Vergleichsbefugnis dieser Gesellschafterklagen. Die Verfahrensbe­ teiligten sind allein nicht zu einem bindenden Vergleichsabschluß in der Lage. Erfolgt aber eine Beteiligung der nach materiellem Recht berufenen Entscheidungsträger, so ist die Gefahr einer Entscheidung zu Lasten Dritter beseitigt39. Dies geschieht durch deren Zustimmung, Beteiligung am Verfah­ ren sowie durch eine gerichtliche Aufsicht über den Streitgegenstand. Für die Vergleichsberechtigung folgt daraus, daß "Parteien” i.S.v. § 1025 Abs. 1 ZPO nicht nur die Beteiligten am Verfahrensrechtsverhältnis, sondern über­ dies die am Sachrechtsverhältnis beteiligten Personen sind40. 2. Schiedsfähigkeit

Bei konsequenter Anwendung der Formel Vergleichsberechtigung gleich Schiedsfähigkeit sind grundsätzlich alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten schiedsfähig41. Eine Schiedsvereinbarung ist namentlich statthaft für Aus­ schließungklagen nach § 140 HGB42, Auflösungsklagen gemäß §§ 133 HGB, 61 GmbHG43, Klagen auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis punktuell für das Verbandsleben wichtigen Beschluß. Im Falle der Auflösung steht zudem für Dritte mehr auf dem Spiele als bei der Überprüfung eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Der Gesamtkomplex der Schiedsfähigkeit bietet sich daher auf einer höheren Abstraktionsebene dar: Es geht um die Qualität des innerverbandlichen Rechtsschutzes und dessen Disponibilität, und dies jenseits der Rechtsformgrenzen. 38 Im gleichen Sinne für die GmbH Ulmer (vorige FN), RdNr. 37. 39 Vgl. BVerfGE 60, 7 (14 ff.): Das Gericht und nicht die Geschäftsführung muß die übrigen Gesellschafter informieren. 40 Ulmer (wie FN 37), RdNr. 37; Kornmeier ZZP 94 (1981), 27 (45 ff.); M. Becker ZZP 97 (1984), 314 (318 ff.). 41 Eine Ausnahme soll für das administrative Auflösungsrecht nach § 62 GmbHG gel­ ten, weil hier ein Hoheitsakt in Rede steht und weil die Verwaltungsbehörde nicht durch eine statutarische Schiedsklausel gebunden werden kann, so Vogel GmbHRdsch. 1952, 33 (34). Verwaltungsrechtliche Streitigkeiten sind jedoch nach §§ 168 Abs. 1 Nr. 5, 173 VwGO schiedsfähig. 42 Schlegelberger/Karsten Schmidt, Komm.z.HGB, 5. Aufl. 1992, § 140 RdNr. 73. 43 Für die Klage nach § 133 HGB: RGZ 71, 254 (256); Heymann/Emmerich, Komm.z.HGB, 2. Aufl. 1996, § 133 RdNr. 23. § 133 Abs. 3 HGB steht einer Schiedsver­ einbarung nicht entgegen. - Für die Klage nach § 61 GmbHG statt vieler LUTTER/HOMMELHOFF, Komm.z.GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 61 RdNr. 5.

oder der Vertretungsmacht nach §§ 117, 127 HGB44, Verfahren zur Erzwin­ gung des Auskunfts- und Einsichtsrechts aus § 51b GmbHG45 sowie die Ge­ sellschafterklagen zur Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft (actio pro socio). a) Die Ausnahme bilden die Beschlußmängelklagen bei den Körperschaf­ ten, die, obwohl eingeschränkt vergleichsfähig, der schiedsrichterlichen Ent­ scheidung schlechthin entzogen sein sollen46. Dies gilt im Aktienrecht47, bei der GmbH48 sowie bei der eingetragenen Genossenschaft49 ohne Rücksicht darauf, ob das Schiedsgericht durch Vereinbarung nach § 1025 oder in der Satzung nach § 1048 ZPO eingesetzt ist. Die angeführten Begründungen schwanken. Früher hat man das Ergebnis aus der ausschließlichen Zustän­ digkeit des Landgerichts nach § 246 Abs. 3 Satz 1 AktG hergeleitet50, heute

44 Baumbach/Hopt, Komm.z.HGB, 29. Aufl. 1995, §117 RdNr. 8; Robert Fischer, in: Großkomm.z.HGB, 3. Aufl. 1967, § 127 RdNr. 20. 45 Zutreffend Karsten Schmidt ZIP 1987, 218; Hachenburg/Hüffer, Komm.z.GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 51b RdNr. 24; a.A. OLG Köln GmbHRdsch. 1989, 207 (208); LG Mönchengladbach JZ 1987, 99 mit ablehnender Anm. Bork. 46 Der aktienrechtlichen Anfechtungsklage ähnliche Verfahren werden hingegen für schiedsfähig gehalten. Dies gilt namentlich für die arbeitsrechtliche Kündigungsschutzklage (vgl. Hueck/v.Hoyningen-Huene, Komm.z.KSchG, 11. Aufl. 1992, § 4 RdNr. 58) sowie für die verwaltungsgerichtlichen Klagen (vgl. Ehlers, in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, Komm.z.VwGO, Stand: April 1996, § 40 RdNr. 718 ff. sowie Redeker/v.Oertzen, Komm.z.VwGO, 12. Aufl. 1997, § 40 RdNr. 78 ff. je mit Nachwei­ sen). Alle drei Klagearten stehen in einer engen Verwandtschaftsbeziehung, so bereits G. Lüke JZ 1960, 203; M. Becker AcP 188 (1988), 24 (52 ff.). Diesen Klagen ist das Pro­ blem der subordinationsrechtlichen Beziehung der Beteiligten eigen. Der jeweils Schwächere muß einen Akt angreifen, den der andere Teil gesetzt hat. Dies kann rechtsstaatlich einwand­ frei nur gelingen, wenn nicht auch das Prozeßrechtsverhältnis von der Vormachtstellung der stärkeren Partei geprägt wird. Hierin liegt das Problem der Schiedsfähigkeit dieser Streit­ gegenstände, nicht hingegen in der Frage der Vergleichsbefugnis des Streitstoffes. Auf der Unterscheidung Gleichordnung-Subordination beruhen namentlich die §§ 4, 101 ff. ArbGG. In diesem Sinne ist der Rückgriff in § 1025 Abs. 1 ZPO auf die Vergleichsberechtigung zu verstehen, weil ein Vergleich auch nur Verbindlichkeit erlangt, wenn er einen ausgewogenen Interessenausgleich verwirklicht. 47 HÜFFER, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 246 RdNr. 68; BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937; aus der älteren Rechtsprechung bereits OLG Colmar DJZ 1909, 1335; OLG Rostock OLG-Rspr. 27 (1913), 385. 48 BGH NJW 1966, 2055; 1979, 2567 (2569); OLG Hamm NJW-RR 1987, 1319. Für schiedsfähig hält BGH NJW 1979, 2567 die Feststellungsklage eines Gesellschafters gegen den anderen auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses. Für die Schiedsfähigkeit der GmbH-rechtlichen Anfechtungsklage Kornmeier, Vergleichsbefugnis und Schieds­ fähigkeit, 1982, S. 135 ff., der entscheidend auf die Einhaltung der Form des § 1027 Abs. 1 ZPO abstellt; Karsten Schmidt ZGR 1988, 523; inzident auch Ulmer (wie FN 37), § 61 RdNr. 37. 49 OLG Stuttgart JW 1927, 1111 mit Anm. NUSBAUM; Klaus Müller, Komm.z.GenG, 1980, §51 RdNr. 118; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, Komm.z.GenG, 12. Aufl. 1983, § 51 RdNr. 29. 50 OLG Stuttgart JW 1927, 1111 (1112); BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937.

führt man die fehlende Vergleichsbefugnis ins Feld51. Beide Argumente sind unzutreffend. Inhalt der (schieds-)gerichtlichen Entscheidung kann die Auf­ rechterhaltung oder die Kassierung des Beschlusses sein, und dasselbe Er­ gebnis läßt sich unter Beteiligung der zuständigen Gesellschaftsorgane ebenso im Vergleichswege erreichen52. Es ist wohl unbestritten, daß sich die Parteien dahingehend vergleichen können, daß der Anfechtungskläger seine Klage zurücknimmt. Als Gegenleistung darf dem Aktionär von Seiten der AG die gesetzlich erlaubte Kompensation zur Ablösung seines Anfechtungs­ rechts geboten werden. Prozessual läßt sich dasselbe Ergebnis durch Ver­ zichtsurteil (§ 306 ZPO) erzielen. Umgekehrt könnte die Gesellschaft den gegen sie erhobenen Anspruch anerkennen (§ 307 ZPO). Eine inhaltliche Prüfung darauf, ob Anerkenntnis oder Verzicht mit der tatsächlichen Rechtslage in Einklang stehen, findet nicht statt53. Eine Abschichtung nach dem Umfang der Dispositionsbefugnis der Parteien wird nicht getroffen54. Nur bei den statusklärenden Streitverfahren des Familienrechts ist der Streit­ gegenstand der direkten Parteiherrschaft entzogen55. Dies wird aber für die Gesellschafterklagen nicht gefordert. Ein Vergleich mit den vom deutschen Recht stark beeinflußten Ländern ergibt, daß die Schiedsunfähigkeit von Be­ schlußmängelklagen keineswegs selbstverständlich ist56. b) Der Schiedsfähigkeit von Beschlußmängelstreitigkeiten steht ferner nicht entgegen, daß die Entscheidung eines Schiedsgerichts nicht die von

51 BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937; ZÖLLNER, in: Kölner Komm.z.AktG, 1970/85, § 246 RdNr. 61; HÜFFER, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm.z.AktG, 1984, § 246 RdNr. 68. Das Ergebnis der herrschenden Meinung kann sich für einen Aktionär fatal auswirken, der die Schiedsklausel beim Wort nimmt und seine Klage zum Schiedsgericht er­ hebt. Nach herrschender Meinung wahrt dies die einmonatige Anfechtungsfrist nicht, und das Schiedsgericht kann den Rechtsstreit nicht mit fristwahrender Wirkung an das zuständige ordentliche Gericht verweisen. Fragen des Vertrauensschutzes bleiben ausgeklammert. 52 Ebenso bereits Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 272 Anm. 2a mit einer feinsinnigen Unterscheidung zwischen der vergleichsweisen Einwirkung auf den Beschluß der Hauptver­ sammlung und der Einwirkung auf das Anfechtungsrecht der Aktionärs. 53 BGHZ 107, 142 (147); MünchKommZPO-MusiELAK, 1992, § 307 RdNr. 22 mit Nachweisen. 54 Hiergegen wandte sich im Ansatz schon Robert Fischer in seiner Anmerkung zu BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937. 55 Vgl. §§ 612 Abs. 4, 616, 617, 640 Abs. 1 ZPO. 56 Das ergibt eine rechtsvergleichende Umschau: in der Schweiz wird die Rechtslage in Deutschland aufmerksam zur Kenntnis genommen, die Schiedsfähigkeit jedoch bejaht, vgl. Stauffer SJZ 1947, 213. Das einzige Hindernis soll in Art. 706 Abs. 5 OR liegen, wonach - entsprechend § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG - das einen Beschluß der Generalversammlung aufhebende Urteil für und gegen alle Aktionäre wirkt. - In Österreich gilt noch heute das deutsche Aktiengesetz von 1937 in einer geringfügig bereinigten Fassung fort. Dort hält man die Anfechtungsklage bei AG und GmbH für schiedsfähig ohne Rücksicht darauf, daß der Bundesgerichtshof noch zu § 199 AktG 1937 die genau entgegengesetzte Ansicht vertrat, vgl. Schönherr GesRZ 1980, 184; OGH 3.6.1950 SZ 23/184 für eine GmbH.

§ 248 Abs. 1 Satz 1 AktG angeordnete Wirkung zu entfalten vermag57. Die Entscheidung eines Schiedsgerichts bindet alle Beteiligten im gleichen Um­ fange wie die Entscheidung des ordentlichen Gerichts. Dies ist für die Auflö­ sungsklage nach § 61 GmbHG ebenfalls anerkannt58. § 1040 ZPO verleiht dem Schiedsspruch zwischen den Parteien dieselben Wirkungen wie dem rechtskräftigen Urteil eines staatlichen Gerichts. Hierin liegt nur eine schein­ bare Unvereinbarkeit mit § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG. Zu bedenken ist, daß § 1040 ZPO von der Warte des § 1025 ZPO formuliert und zu verstehen ist, also für vertraglich inthronisierte Schiedsgerichte. Beim vertraglich einge­ setzten Schiedsgericht fallen die Parteien der Schiedsvereinbarung mit den Verfahrensparteien zusammen. Bei statutarischer Zuständigkeitsbegründung über § 1048 ZPO ist dies regelmäßig anders. Doch ordnet § 1048 die ent­ sprechende Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO an. Das ist so zu verstehen, daß "Parteien" i.S.v. § 1040 die satzungsmäßig an die Schiedsabrede Ge­ bundenen sind. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs solange unproblematisch, als sie vom Schweben des Schiedsverfah­ rens Kenntnis erhalten und sich hieran beteiligen können. Das Beteiligungs­ recht des Dritten als streitgenössischer Nebenintervenient ist wegen der Ur­ teilserstreckung zwingend und steht nicht im freien Ermessen des Schieds­ gerichts59. Die Rechtskraft selbst tritt ein, wenn der Schiedsspruch rechts­ kräftig für vollstreckbar erklärt ist. Vereinzelt wird behauptet, die schiedsrichterliche Streitentscheidung müsse daran scheitern, daß nur ein staatliches Gericht die Kassationsbefugnis bezüglich eines Hauptversammlungsbeschlusses habe60. Auch dieses Argu­ 57 In diesem Sinne SCHLEGELBERGER/QUASSOWSKI, Komm.z.AktG, 3. Aufl. 1939, §199 Anm. 4 unter Hinweis auf § 200 AktG 1937 = § 248 AktG 1965. Ebenso bereits Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 272 Anm. 2a. 58 Der Schiedsspruch hat inter partes zwar die Wirkungen eines rechtskräftigen gericht­ lichen Urteils. Gestaltungsschiedssprüche entfalten ihre Bindungswirkung erga omnes aber nur mit Vollstreckbarerklärung. Zur Registereintragung der Auflösung einer Gesellschaft durch Urteil verlangte die Rechtsprechung einen rechtskräftig für vorläufig vollstreckbar er­ klärten Schiedsspruch, BayObLGZ 1984, 45; zustimmend Karsten Schmidt ZGR 1988, 523 (535 ff.); MünchKommZPO-MAlER, 1992, § 1042 RdNr. 2; anderer Ansicht Vollmer BB 1984, 1774; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 1995, Kap. 21 I 6 (S. 195); Stein/Jonas/Schlosser, Komm.z.ZPO, 20. Aufl. 1980, § 1042 RdNr. 2; Lindacher ZGR 1979, 201 (209). Entsprechend ist für die Beschlußmängelklage zu ent­ scheiden. Die Auffassung der Rechtsprechung verdient Zustimmung: Erst mit der Voll­ streckbarerklärung erlangt ein Schiedsspruch hinreichende Beständigkeit, die als Grundlage einer Handelsregistereintragung zu fordern ist. 59 § 1034 Abs. 2 ZPO bedarf demnach mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG einer verfas­ sungskonformen Auslegung. Dies folgt aus BVerfGE 60, 7 (14 ff.). Im gleichen Sinne Karsten Schmidt ZGR 1988, 523 (532 ff.). 60 Hierzu aus dem älteren Schrifttum die überaus instruktive Kontroverse zwischen Brodmann (LZ 1925, 182; ders., GmbH-Gesetz, 2. Aufl. 1930, §61 Anm. 1g) und Dietz (LZ 1925, 178).

ment ist aus der Diskussion der Schiedsfähigkeit der Auflösungsklage nach §61 GmbHG hinlänglich bekannt und heute im Sinne der Schiedsfähigkeit dieser Klage entschieden. Dennoch würde selbst eine Differenzierung nach den möglichen Urteilsinhalten eines ordentlichen Gerichts bzw. eines Schiedsgerichts nichts am Ergebnis der Zulässigkeit schiedsrichterlicher Streiterledigung ändern. Selbst wenn man den Standpunkt einnimmt, daß nur ein staatliches Gericht einen Hauptversammlungsbeschluß für nichtig erklä­ ren kann, ließe sich der entsprechende Rechtsschutz durch ein Schiedsgericht auf einem konstruktiven Umweg erzielen: Die Schiedsvereinbarung wäre da­ hin umzudeuten, daß der Klagende die übrigen Gesellschafter auf Abgabe einer Willenserklärung in Anspruch nimmt, die auf die Herbeiführung der Gestaltungswirkung zielt. Dies wäre die rechtsgeschäftliche Nachformung der Umgestaltung des Rechtsverhältnisses mit Vollstreckbarkeit aus § 894 ZPO. Auf diese Figur läßt sich jede unechte Gestaltungsklage zurückfuhren, da deren Wesen in der Ersetzbarkeit der (schieds-)richterlichen Gestaltung durch Rechtsgeschäft liegt61. c) Gegen die Schiedsfähigkeit von Beschlußmängelstreitigkeiten läßt sich endlich nicht die Satzungsstrenge nach §§ 23 Abs. 5 AktG, 18 Satz 2 GenG vorbringen62. Dies folgt aus dem teleologischen Verständnis dieser Bestim­ mungen. § 23 Abs. 5 AktG bezweckt die Einhaltung der durch das Aktien­ gesetz zwingend geordneten Organkompetenzen. Hierauf bauen die Regeln über die betriebliche Mitbestimmung und die Schutzrechte der Aktionäre auf, die die AG kapitalmarktfähig machen. Über die Frage der alternativen Justizgewähr durch ein staatliches Gericht oder durch ein Schiedsgericht trifft die Bestimmung keine Aussage. § 23 Abs. 5 AktG wäre zudem der falsche Standort für ein Verbot schiedsrichterlicher Entscheidungstätigkeit im Aktienrecht, da die Norm nur die Satzung anspricht, also die Zuständigkeits­ begründung über § 1048 ZPO. Alternativ zulässig müßte trotz § 23 Abs. 5 AktG die vertragliche Vereinbarung eines Schiedsgerichts nach § 1025 ZPO zwischen allen Aktionären, Verwaltungsmitgliedern und der AG bleiben, die bei kleinen Gesellschaften noch darstellbar ist. Überdies sind in § 23 Abs. 5 AktG zwei Regelungsbereiche zu trennen: Das Abweichungsverbot mit Zu­ 61 Näher M. Becker ZZP 97 (1984), 314 (322 ff.). Zum Begriff des nachgeformten Rechtsgeschäfts Kaser, Das Römische Privatrecht, 2. Aufl. 1971, § 8 III (S. 40). 62 So insbesondere Karsten Schmidt ZGR 1988, 523 (537 f.), der die Schiedsfähig­ keit aktienrechtlicher Anfechtungsklagen im Ergebnis hieran scheitern lassen will. § 23 Abs. 5 AktG verbietet allenfalls ein Schiedsgericht, das keine echten Streitentscheidungen zu tref­ fen hat, sondern als neues Gesellschaftsorgan neben Hauptversammlung, Vorstand und Auf­ sichtsrat tritt und mit einer Art Stichentscheidungsbefugnis ausgestattet ist (vgl. BGHZ 43, 261 [264]). Dies würde in der Tat eine von § 23 Abs. 5 untersagte Verschiebung im Gefüge der aktienrechtlichen Organkompetenzen bedeuten, so Hommelhoff ZHR 143 (1979), 288 (312 f.).

lassungsvorbehalt (Satz 1) sowie die Ergänzungsermächtigung mit Verbots­ vorbehalt (Satz 2). Eine unzulässige Abweichung vom Regelwerk des Akti­ engesetzes nach § 23 Abs. 5 Satz 1 setzt einen gesetzlichen Verbotstatbe­ stand voraus. Fehlt dieser, so ist Satz 1 unanwendbar und eine Sperre nur noch nach Satz 2 zu beachten. Ergänzungen bleiben zulässig, sofern nicht das Aktiengesetz eine abschließende Regelung enthält. Die Satzungsgestal­ tung steht demnach unter Gesetzes vorbehalt. Fehlt eine gesetzliche Rege­ lung, so bewendet es bei der Satzungsautonomie63. d) Sind die abgehandelten Bedenken gegen die Schiedsfähigkeit demnach nicht durchgreifend, so verdienen die vielleicht unausgesprochen dahinter­ stehenden Wertungen doch, ernst genommen und transparent gemacht zu werden. Dies einmal aus Gründen der Methodenehrlichkeit. Zum anderen könnte sich ein Weg ergeben, der ein Festhalten an der Schiedsfähigkeit als Ausfluß der Vertrags- und Satzungsautonomie gestattet, wenn es gleichzeitig gelingt, den Prozeß schiedsrichterlicher Entscheidungsfindung mit Siche­ rungen zu versehen, derart, daß am Ende des Verfahrens eine Entscheidung steht, die dem Vergleich mit dem Gütesiegel des Urteils eines ordentlichen Gerichts standhält. Der wichtigste und im gegenwärtigen Diskussionsstand nicht ausreichend reflektierte Einwand liegt in der Vereinbarkeit einer Schiedsentscheidung mit dem spezifischen Kontrollauftrag des Rechtsbehelfs der Beschlußmängelklage. Die ordnungspolitische Zwecksetzung ist der Zu­ lässigkeit nach Prozeß- oder Verbandsrecht vorauszudenken. Der Staat hat für die Erfüllung dieses Auftrages Sorge zu tragen. Muß er sich deswegen aber ein Justizgewährungsmonopol vorbehalten? Mit derselben Problematik ist das Kartellrecht seit jeher konfrontiert. Die Reserve gegenüber der Kar­ tellschiedsgerichtsbarkeit erklärt sich mit der unbedingten Durchsetzung der staatlichen Kartellpolitik64. Dieser Argwohn ist bis heute in § 91 GWB sichtbar. Bei wettbewerbsrechtlichen Streitgegenständen hat die Schiedsab­ rede nur relative Verbindlichkeit. Obwohl § 91 GWB auf scharfe Kritik ge­ stoßen ist65, könnte das Regelungsmodell in der Verbandsschiedsgerichts­ 63 Dazu schon M. Becker ZGR 1986, 383 (393): in dubio pro statuto. 64 Kritisch gegenüber der Kartellschiedsgerichtsbarkeit Kronstein, Das Recht der in­ ternationalen Kartelle, 1967, S. 212 ff., 321 ff.; Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, 1973, S. 300 ff.; RIESENKAMPFF, in: Westrick/Loewenheim, Komm.z.GWB, Stand: Jan. 1991, § 91 RdNr. 5 ff. 65 Vor allem Karsten Schmidt, Festschrift für Pfeiffer, 1988, S. 765 ff.; D. Zimmer, Zulässigkeit und Grenzen schiedsgerichtlicher Entscheidung von Kartellrechtsstreitigkeiten, 1991, S. 111 ff. Die Kritik an §91 GWB ist in dieser Form überzogen. Die Norm entspricht den tragenden Konzepten des GWB namentlich in §§ 1, 13. Es ist eine unzulässige Verkürzung der Problematik, wenn man annimmt, daß für eine inhaltliche Durchsetzung der zwingenden Regeln des GWB in der Kartellschiedsgerichtsbarkeit bereits über § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO durch die Gerichtspraxis hinreichend gesorgt ist. Denn dies ist nur eine Säule von § 91 GWB. In § 91 kommt noch ein ganz anderes Anliegen des

barkeit brauchbare Dienste leisten. Denn durch das in § 91 GWB verbriefte Optionsrecht fände der zweite Haupteinwand gegen die Schiedsgerichtsbar­ keit, nämlich die automatische Unterwerfung unter die Schiedsklausel, seine Erledigung. Bei Publikumsgesellschaften mit Anteilserwerb über den offenen Kapitalmarkt ist die Einsetzung eines Schiedsgerichts praktisch nur durch Satzungsbestimmung (§ 1048 ZPO) möglich. Das hierin liegende Legitima­ tionsdefizit ist behoben, wenn jeder Unterworfene bei Entstehung des Strei­ tes seine volle Entscheidungsfreiheit zurückgewinnt und durch rügelose Ein­ lassung auf die Verhandlung vor dem Schiedsgericht die Verbindlichkeit der Schiedsklausel für sich bestätigt. Die vorgetragenen Bedenken gegen die Schiedsfähigkeit der Beschlußmängelklage erweisen sich damit als insgesamt ausräumbar und sprechen jedenfalls nicht zwingend und ausnahmslos gegen die Schiedsfähigkeit66. e) Nach wie vor verbietet BGHZ 132, 278 die schiedsrichterliche Aburtei­ lung von Beschlußmängelklagen selbst bei personalistischen Gesellschaften. § 1030 des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrens­ rechts67 gibt sich hingegen schiedsfreundlicher. Das Gericht stellt ab auf die Bindungswirkung des Schiedsspruchs entsprechend § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. auf das Recht des ersten Schiedsklägers auf Mitwirkung bei der Zusammensetzung der Richterbank. Diese Bedenken haben an sich Gewicht, sprechen aber nicht zwingend gegen eine Schiedsfähigkeit von Beschlußfeh­ lerklagen, selbst wenn für dieses Verfahren die §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1, 246 Abs. 3 AktG gelten. Denn dieselben Fragen stellen sich bei allen übrigen Gesellschafterklagen - etwa bei der Auflösungsklage, die aus der Sicht der Gesellschaft, der Gesellschafter sowie der Gesellschafts­ gläubiger viel einschneidendere Wirkungen hat als die Aufhebung eines Be­ schlusses —, für die die Rechtsprechung aber wiederholt auf Schiedsfähigkeit erkannt hat. Das zeigt aber nur, daß in BGHZ 132, 278 Bedenken gegen bestimmte Praktiken in der Verbandsschiedsgerichtsbarkeit Gesetzes zum Tragen: Das GWB - insbesondere die §§ 1, 13 - verleiht dem reuigen Kartellmitglied die Rolle eines private attomey general. Er setzt die auf Diskretion bedachte Kartellpraxis dem Licht der Öffentlichkeit aus durch die Option eines Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, bei dem die Öffentlichkeit zugelassen ist, die Entscheidung u.U. veröffentlicht wird und die Kartellbehörden das Beteiligungsrecht nach § 90 GWB haben. Das ist die verfahrensrechtliche Flankierung der §§ 1, 13 GWB, wo es ebenfalls darum geht, das Mitglied von den Fesseln der Kartelldisziplin zu befreien. Diese zentrifugalen Kräfte stellt das Privatrecht bewußt für außerprivatrechtliche Zwecke, nämlich Reinigung des Wettbewerbs von kartellbedingten Verzerrungen, zur Verfügung. 66 Großzügiger mit Recht Karsten Schmidt, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1995, § 246 RdNr. 121 ff., der jetzt wenigstens für die der GmbH typologisch verwandte "kleine AG" zur Schiedsfähigkeit gelangt. 67 Bundesministerium der Justiz, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schieds­ verfahrensrechts, Stand: 1. Juli 1995, S. 102 ff.; Bericht der Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, 1994, S. 90 ff.

insgesamt formuliert sind. Das Optionsrecht in § 91 GWB hilft bei der Ausräumung der Bedenken: Es hält jedem subjektiv Betroffenen den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit offen, und es diszipliniert jede Seite, die andere bei der Konstituierung des Schiedsgerichts nicht zu Übervorteilen68. Mit diesen Sicherungen versehen sind grundsätzlich alle verbandsrechtlichen Streitigkeiten unter Einschluß der Beschlußmängelklage69 schiedsfähig. Jedenfalls aber wäre das Legitimationsdefizit beseitigt, wenn die Zusammensetzung des Schiedsgerichts durch eine neutrale Instanz bestimmt würde.

III. Form und Bindungsumfang der Schiedsabrede 1. Die Schiedsvereinbarung im Verbandsrecht folgt den allgemeinen Re­ geln. Schiedsrichterliche Entscheidungszuständigkeit ist durch Vereinbarung (§ 1025 Abs. 1) begründbar oder einfacher über § 1048 ZPO in der Ver­ bandssatzung70. Zwar folgt dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 1048 ZPO, wohl aber aus dem gewohnheitsrechtlich gewachsenen Ver­ ständnis der Norm. "Verfügung" i.S.v. § 1048 ist auch ein statutarischer Oktroi. Die Rechtsgrundlage ist echter Satzungsbestandteil und darf nicht in einer Nebenordnung bestehen71. Mit dem Erwerb der Mitgliedschaft tritt die Bindung uno actu ohne zusätzlichen Unterwerfungsakt ein.

2. Die notwendige Ergänzung mit Bezug auf die Bindungswirkung liegt in § 91 Abs. 1 Satz 1 GWB, der eine vergleichbare Konstellation behandelt. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ist ein Schiedsvertrag nichtig, sofern er nicht jedem Beteiligten das Recht gibt, im Einzelfalle statt der Entscheidung durch das 68 § 91 GWB gehört ungeachtet des Standorts und der Kritik, die der Norm widerfahren ist, zum Allgemeinen Teil des Verfahrensrechts (Allgemeine Prozeßrechtslehre) und ist auf drei Anliegen zugeschnitten, die auch im Kontext der Verbandsschiedsgerichtsbarkeit eine Rolle spielen: Verfahrensdurchführung im öffentlichen Interesse (public interest litigation), Durchsetzung zwingenden Verfahrens- und Sachrechts (Eingriffsnormen) und Schutz der schwächeren Partei vor einem unkontrollierten Verlust des Zugangs zur staatlichen Ge­ richtsbarkeit. 69 So insbesondere Bork ZHR 160 (1996), 374; Timm ZIP 1996, 445; in der Tendenz auch schiedsfreundlich gegenüber der Beschlußmängelklage im GmbH-Recht Roth/Altmeppen, Komm.z.GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 47 RdNr. 132. 70 Soll ein Schiedsgericht über die Rechtmäßigkeit einer gegen ein Mitglied verhängten Vereinsstrafe befinden, bedarf die Schiedsklausel nach einer vordringenden Meinung der Form des § 1027 Abs. 1 ZPO, so insbesondere van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstra­ fen, 1990, S. 154 ff. mit Nachweisen. 71 BGHZ 47, 172 (177); 88, 314 (316); 105, 306 (313 ff.); abweichend Reuter ZHR 1948 (1984), 523 (529); Grunewald ZHR 152 (1988), 242 (247 ff.). Zur Formproblema­ tik näher v.Trotha DB 1988, 1367.

Schiedsgericht eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlan­ gen. Eine statutarische Schiedsverfügung hat vor § 91 Abs. 1 Satz 1 GWB nur Bestand, wenn die Satzung selbst alle wesentlichen Punkte festlegt. Hierzu zählt insbesondere die Besetzung der Richterbank und die Modalitä­ ten über Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter. Das Wahlrecht ist Be­ standteil der Schiedsklausel, damit jeder potentielle Kläger über seine Mög­ lichkeiten im Bilde ist72. Eine Schiedsklausel ohne Hinweis auf das Wahl­ recht ist unheilbar nichtig73. Für die Auslegung von § 91 GWB sind die all­ gemeinen Wertungsgrundlagen des deutschen Kartellrechts maßgeblich: Es versteht sich als ein Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das in § 1 GWB vom Grundsatz des Kartellverbots ausgeht. Die Zuflucht in die Schiedsgerichtsbarkeit ist nicht unproblematisch, weil die Kartellbehörden und die staatlichen Gerichte zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts beru­ fen sind74. Die Wahrnehmung gerichtlicher Aufgaben bedeutet das Wachen über dem Gesetz und die Erhaltung der Institution des Wettbewerbs, nicht die Erzwingung der inneren Kartelldisziplin. Ursprünglich hatte die Kartell­ schiedsgerichtsbarkeit ein diametral anderes Selbstverständnis. Als Kartelle noch erlaubt waren, fand die Schiedsgerichtsbarkeit Verwendung als Vehikel zur Beschränkung des Wettbewerbs und zur Aufrechterhaltung des inneren Kartellorganisationszwanges. Die der Schiedsgerichtsbarkeit eigene Klandestinität leistete dem noch Vorschub. Ebenso wie §§ 1, 13 GWB jedem Mitglied ein sanktionsloses Ausscheren aus dem Kartell ermöglichen, soll durch die konkurrierende Zuständigkeit nach § 91 GWB der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen gehalten wer­ den. Das Kartellrecht schützt seinen unbedingten Geltungsanspruch durch eine Doppelsicherung: Am Eingang steht das Optionsrecht jedes Beteiligten. Kommt es danach noch zu einer schiedsrichterlichen Entscheidung, unterliegt diese der Kontrolle durch das staatliche Gericht im Vollstreck­ barerklärungsverfahren. Dieses hat die Vereinbarkeit des Schiedsspruches mit dem materiellen Kartellrecht unter Einschluß des europäischen Wettbe­ werbsrechts zu prüfen75. Die Prüfungskompetenz erstreckt sich darüber hin­ aus auf das Verfahren des Schiedsgerichts76. 72 § 91 GWB gilt auch für die satzungsmäßigen Schiedsklauseln des § 1048 ZPO, vgl. BGH WuW/E BGH 2052 (2053 f.) = BGHZ 88, 314 - "Abonnentenwerbung”; Karsten Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, Komm.z.GWB, 2. Aufl. 1992, § 91 RdNr. 6. 73 OLG Frankfurt am Main WuW/E OLG 3015 (3016) - "Motorradsport"; a.A. Karsten Schmidt (vorige FN), § 91 RdNr. 20. 74 Eingehend zur ratio von § 91 GWB, Karsten Schmidt (wie FN 72), § 91 RdNr. 1 ff. 75 Karsten Schmidt (wie FN 72), § 91 RdNr. 42, 46. 76 Karsten Schmidt (wie FN 72), § 91 RdNr. 45.

§ 91 GWB ist seinem Rechtsgedanken nach in das Verbandsrecht über­ tragbar. Wie im Kartellrecht geht es hier um eine Fragestellung mit institu­ tionellem und indiviualrechtlichem Gehalt. Zum einen soll die Bindung an eine Schiedsklausel, die nur auf Unterwerfung beruht, vermieden werden, zum anderen ist auch im Schiedsverfahren der elementare Rechtssatz von der Betätigung aller Verbandsgewalt nur im Rahmen von Gesetz und Statuten umzusetzen. Die Gemeinsamkeit des normativen Hintergrundes liegt in der Kontrolle wirtschaftlicher und sozialer Machtstellungen. Auf die Beschluß­ mängelklage übertragen bedeutet dies: das Wahlrecht steht jedem Beteiligten zu. Beteiligte sind der Kläger und die Gesellschaft, aber auch jeder, der sich dem Verfahren als streitgenössischer Nebenintervenient auf der Aktiv- oder Passivseite anschließt. Das Wahlrecht muß unmißverständlich formuliert sein. Eine Vorabklärung unter den Beteiligten über die Gerichtszuständigkeit ist möglich, aber erst bindend, wenn die Streitigkeit entstanden ist. Mit der vorschnellen Annahme vorprozessualer Vertrauensbeziehungen darf das Wahlrecht nicht zunichte gemacht werden77. Die Verletzung einer begrün­ deten Erwartung führt nicht zum Untergang des Wahlrechts, mag aber zum Schadensersatz wegen etwa entstandener Kosten (entsprechend § 93b Abs. 1 ZPO) führen. In jedem Falle wahrt eine Klageerhebung vor dem Schiedsge­ richt die Frist nach § 246 Abs. 1 AktG, selbst wenn der Rechtsstreit schließ­ lich vor dem ordentlichen Gericht verhandelt wird.

IV. Organisation und Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts Das Schiedsgericht soll gleichwertig anstelle der staatlichen Gerichte Recht sprechen. Dazu muß das Schiedsgericht organisatorischen Minimal­ standards genügen, zumal wenn es über Rechtsfragen entscheidet, an denen auch ein gesamtgesellschaftliches Interesse besteht. Zum anderen hängt die Gleichwertigkeit davon ab, ob das Schiedsgericht über eine ausreichende Ju­ risdiktionsgewalt verfugt, um das ihm unterbreitete Rechtsschutzbegehren zu erfüllen.

1. Anforderungen an die Schiedsgerichtsverfassung

Für das Amt des Schiedsrichters kommt jede geschäftsfähige Person in Frage. Auch für das schiedsrichterliche Verfahren gilt der Grundsatz der

77 Zur Vorabklärung in der Kartellschiedsgerichtsbarkeit siehe zutreffend Karsten Schmidt (wie FN 72), § 91 RdNr. 24.

überparteilichen Rechtspflege78. Parteistellung und Richteramt sind danach streng zu trennen. Mit diesem Postulat gerät die Verbandsschiedsgerichts­ barkeit leicht in Konflikt, da sie von jeher danach strebt, das Mitglied auf eine verbindliche Entscheidung durch die Verbandsinstanzen festzulegen und bestimmenden Einfluß auf die Besetzung der Richterbank zu nehmen. Die fatalen Wechselwirkungen zwischen Gerichtsbesetzung und Rechtsschutz­ qualität sind bei den litigation committees des amerikanischen Gesellschafts­ rechts deutlich sichtbar geworden79. Erlaubt man den Gesellschaften, diese Ausschüsse, deren Votum den Verfahrensausgang determiniert, mit eigenen Gewährsmännern zu beschicken, so führt dies erfahrungsgemäß zur Bedeu­ tungslosigkeit der derivative suit. Ebensowenig wie eine Partei Richter in ei­ gener Sache sein darf, kommt dies für ihren gesetzlichen Vertreter in Be­ tracht, zumal wenn er seinem Prinzipal ungeteilte Loyalität schuldet. Ver­ bandsorgane und ihre Mitglieder müssen deshalb als Schiedsrichter ausschei­ den80. Da die §§ 1025 ff. ZPO alleine nicht ausreichen, sind sie um Normen aus der Gerichtsverfassung der staatlichen Gerichte anzureichem. Dies erfolgt im Interesse der Überparteilichkeit der Schiedsrichter sowie der Sicherung der Unabhängigkeit des Schiedsgerichts81. Nach § 1032 Abs. 1 ZPO kann ein Schiedsrichter aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Scheinbar gibt es danach keinen Ausschluß vom Richteramt nach § 41 ZPO. Die Ab­ lehnung eines Schiedsrichters ohne zusätzliche Flankierungen ist unzurei­ chend. Denn eine Richterablehnung wirkt nicht ipso iure, sondern setzt die Abgabe einer prozessualen Gestaltungserklärung voraus. Davon mag eine Partei aber aus Unwissenheit oder aus Furcht vor Repressalien absehen. Das Vorliegen eines Ausschlußgrundes können die Parteien hingegen nicht durch rügelose Einlassung überspielen. § 41 ZPO ist eine besondere Ausprägung des Verbots des Richtens in eigener Sache und nimmt an der Institutsgarantie des Art. 97 GG teil. Ein Schiedsgericht übt zwar keine hoheitlichen Befug­ 78 BVerfGE 21, 139 (145 ff.); BGHZ 65, 59 (62); Schwab/Walter, Schiedsgerichts­ barkeit, 5. Aufl. 1995, Kap. 9 II RdNr. 5 ff.; Kornblum, Probleme der schiedsrichter­ lichen Unabhängigkeit, 1968, S. 105 ff. 79 Siehe oben § 7 II 6. 80 So mit Recht Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 1995, Kap. 9 II 3 RdNr. 6 ff. Zu großzügig verfahrt BGHZ 65, 59 (63 ff.) = JZ 1976, 245 mit zustimmender Anm. Schlosser in diesem sensiblen Punkt. Das Verbot des Richtens in eigener Sache soll erst eingreifen, wenn das gesamte Vertretungsorgan als Schiedsgericht amtieren soll. Hierin liegt eine entschiedene Überbetonung der Privatautonomie, die funktional zu begrenzen ist. Die Unterschiede zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht nehmen in dem Maße ab, in dem öffentliche Belange berührt sind. 81 Hierzu eingehend Kornblum (wie FN 78), S. 105 ff.

nisse aus, spricht jedoch Recht im materiellen Sinne. Die Beachtung der Trennlinie zwischen unverzichtbaren (§ 41) und verzichtbaren (§ 42 ff. ZPO) Hinderungsgründen hinsichtlich der Ausübung des Richteramtes hat auch für das Schiedsverfahren ihre Berechtigung. Wenigstens für Streit­ gegenstände mit öffentlichem Bezug gilt § 41 ZPO entsprechend, so daß die Parteien nicht über die Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters dispo­ nieren können. Über § 41 ZPO hinaus ist zu fordern, daß von der Wahr­ nehmung schiedsrichterlicher Funktionen ausgeschlossen ist, wer an der Set­ zung des vor dem Schiedsgericht zu verhandelnden Aktes mitgewirkt hat. Außerdem ist die Besorgnis der Befangenheit stets begründet, wenn der Schiedsrichter dem Vertretungsorgan des streitbeteiligten Verbandes ange­ hört82. Die Sicherung der Unabhängigkeit des Schiedsgerichts verlangt, daß nicht eine Partei einen übermäßig bestimmenden Einfluß auf seine Zusammenset­ zung nehmen darf. Dies kann bereits zur Unwirksamkeit der Schiedsklausel gemäß §§ 138 BGB, 1025 Abs. 2 ZPO führen; denn dem einzelnen Mitglied steht kaum ein Verhandlungsspielraum oder eine Möglichkeit der Beeinflus­ sung der Gerichtsbesetzung zur Verfügung. Eine unabhängige gerichtliche Überprüfung, die den Schutz der schwächeren Partei bezweckt und das An­ sehen der Schiedsgerichtsbarkeit bewahrt, ist aus diesen Gründen unerläß­ lich. Sofern eine Person als Schiedsrichter am Verfahren teilnimmt, die von der Ausübung dieses Amtes als Mitglied eines staatlichen Gerichts ausge­ schlossen wäre, darf der Schiedsspruch gemäß § 1041 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO keine Anerkennung finden. Das gleiche gilt, wenn sich eine Seite bei der Bildung des Schiedsgerichts ein unerlaubtes Übergewicht verschafft hat. 2. Jurisdiktionsge^alt des Schiedsgerichts Kognitionsbefugnis und Entscheidungsinhalte folgen weitgehend dem, was ein staatliches Gericht aussprechen kann. Bei der Beschlußmängelklage darf das Schiedsgericht den Beschluß kassieren oder bestehen lassen, nicht jedoch inhaltlich verändern. Gesonderter Betrachtung bedürfen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im schiedsrichterlichen Verfahren sowie die Berücksichtigung eines Schiedsspruches im Registerverkehr. a) Nach ganz herrschender Meinung ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes dem Schiedsgericht entzogen und stets Sache des staatlichen 82 Dies ordnet § 54 Abs. 2 und 3 VwGO mit guten Gründen im Verwaltungsprozeß an. Für die Übernahme dieser Bestimmungen sowie von § 41 ZPO im schiedsrichterlichen Ver­ fahren überhaupt tritt Kornblum (wie FN 78), S. 63 ff. ein. Dagegen die ganz herrschende Meinung, vgl. Schwab/Walter (wie FN 78), Kap. 9 II 2 (S. 82) mit Nachweisen zum Streitstand.

Gerichts83. Richtiger Ansicht nach hat man zu unterscheiden zwischen Ar­ rest und einstweiliger Verfügung84. Beiden Sicherungsformen ist gemein­ sam, daß sie das Gesetz im selben Sachzusammenhang behandelt und daß die Arrestbestimmungen grundsätzlich auch für die einstweilige Verfügung gel­ ten. Dennoch überwiegt beim Arrest der zwangsvollstreckungsrechtliche Einschlag. Gegen die Schiedsfähigkeit eines Gesuchs auf Erlaß einer einst­ weiligen Verfügung läßt sich nicht pauschal einwenden, daß die private Schiedsgerichtsbarkeit mit dem Wesen des einstweiligen Rechtsschutzes un­ vereinbar sei85. § 937 Abs. 1 ZPO ordnet für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung die Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache an. Die Haupt­ sache ist der zu sichernde Anspruch oder das zu regelnde Rechtsverhältnis. Die Schiedsunfähigkeit folgt weder aus § 1025 Abs. 1 noch aus §§ 935 ff. ZPO. Nach den obigen Ausführungen hindern die durchweg ausschließlichen Gerichtsstände des Zwangsvollstreckungsrechts (§ 802 ZPO) eine schieds­ richterliche Entscheidung ebenfalls nicht. Es ist kein zwingender Grund er­ sichtlich, warum die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch ein Schiedsgericht unterbleiben soll, wenn die Beteiligten dies so wünschen86. Im Gegenteil liegt es im Interesse der Prozeßökonomie und des Entschei­ dungseinklanges, einen Gleichlauf von einstweiligem Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren herzustellen. Andernfalls wäre die einstweilige Verfü­ gung vom ordentlichen Gericht zu erlassen, während die Hauptsache vor dem Schiedsgericht zu verhandeln ist. Es erscheint fraglich, ob das Schieds­ gericht die einstweilige Verfügung des ordentlichen Gerichts überhaupt auf­ heben kann. Einstweiliger Rechtsschutz läßt sich im schiedsgerichtlichen Verfahren wenigstens im Wege der sog. Nachformung verwirklichen, d.h. Verurteilung des Schuldners zur Abgabe einer Willenserklärung, die den Er­

83 So die ganz herrschende Meinung in der Rechtsprechung, vgl. RGZ 30, 319 (322); 31, 370 (374 f.); BGH ZZP 71 (1958), 427 (436); OLG Frankfurt am Main NJW 1959, 1088; LG Frankfurt am Main NJW 1983, 761 (763); zustimmend Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 1995, Kap. 7 I 3 RdNr. 7 ff.; Schwab, Festschrift für f. Baur, 1981, S. 627 ff. Anderer Auffassung f. Baur, Neuere Probleme der privaten Schieds­ gerichtsbarkeit, 1980, S. 22 ff.; Erman, Festschrift für Möhring, 1965, S. 3 ff.; G. Lüke, Festschrift 150 Jahre Landgericht Saarbrücken, 1985, S. 297 (310 ff.); Lindacher ZGR 1979, 201; Nicklisch RIW 1978, 633 (638 ff.); G. Brinkmann, Schiedsgerichtsbarkeit und Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1977, S. 48 ff. 84 Anders als die einstweilige Verfügung ist der Arrest unmittelbar auf seine anschlie­ ßende Vollstreckung angelegt und damit selbst schon Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Unmöglich wegen Art. 104 Abs. 2 GG wäre die schiedsrichterliche Anordnung eines per­ sönlichen Arrests (§§ 918, 933 ZPO). 85 So aber Schwab, Festschrift für f. Baur, 1981, S. 627 (638 ff.). 86 So arbeitet Lindacher ZGR 1979, 201 (210 ff.) mit einer konkurrierenden Zustän­ digkeit: Eine allgemein gefaßte Schiedsabrede beläßt den Parteien das Recht, einstweiligen Rechtsschutz beim staatlichen Gericht oder beim Schiedsgericht zu beantragen.

folg der einstweiligen Verfügung unmittelbar herbeifuhrt87. Geht es z.B. um einen Hauptversammlungsbeschluß, so kann das Schiedsgericht einstweiligen Rechtsschutz dahingehend gewähren, daß bei absehbarer Aufhebung des Be­ schlusses der Verwaltung seine Anmeldung zum Handelsregister oder jeder sonstige Vollzug untersagt wird. Hat der Beschluß im umgekehrten Falle voraussichtlich Bestand, so ist dem Kläger zu verbieten, im Registerverfah­ ren gegen den Beschluß vorzugehen und die Registersperre auszulösen88. Bei den Beschlußmängelstreitigkeiten ist die Effizienz des einstweiligen Rechts­ schutzes für beide Seiten von großer Bedeutung. Die ordentliche Gerichts­ barkeit wird den Anforderungen der Praxis - vor allem bezüglich des vor­ läufigen Rechtsschutzes zugunsten der Gesellschaft - nicht gerecht. Hier darf sich die Schiedsgerichtsbarkeit einer Bewährungsprobe stellen89. b) Alle Überlegungen zur Verwertbarkeit schiedsrichterlicher Entschei­ dungen müssen den Registerverkehr berücksichtigen. Viele Eintragungen ha­ ben konstitutive Wirkung. Dies erklärt das Interesse am einstweiligen Rechtsschutz auf beiden Seiten. Die §§ 16 HGB, 127 FGG haben die Ent­ scheidung des Prozeßgerichts bezüglich der dem Eintragungsantrag zugrun­ deliegenden Rechtsverhältnisse im Auge. Es ist fraglich, ob schiedsrichter­ liche Entscheidungen im Registerverfahren Beachtung finden können90. Die Frage ist umstritten, muß aber dahingehend beantwortet werden, daß das Registerrecht im Hinblick auf seine Regelungsfunktion nicht über die Schiedsfähigkeit entscheiden kann. Davon abgesehen ist es möglich, den einstweiligen Rechtsschutz im Vorfeld des eigentlichen Registerverfahrens anzusiedeln, nämlich auf der Stufe der verfahrenseinleitenden bzw. -hem­ menden Erklärungen der Beteiligten. Gewinnt das Schiedsgericht im einst­ weiligen Rechtsschutzverfahren nach summarischer Prüfung die Überzeu­ gung, daß die Anfechtungsklage Erfolg hat, so ist einstweiliger Rechtsschutz dahingehend möglich, daß der Gesellschaft die Anmeldung des angefochte­ nen Beschlusses zum Handelsregister zu untersagen ist. Ohne wirksame An­ 87 Zur Statthaftigkeit der Anordnung einer Interimsregelung Erman, Festschrift für Möhring, 1965, S. 3 (13 ff.); STEIN/JONAS/SCHLOSSER, Komm.z.ZPO, 20. Aufl. 1980, § 1034 RdNr. 38; SCHLOSSER ZZP 99 (1986), 241 (249 ff.). 88 Dieses Phänomen bezeichnet Erman (vorige FN), S. 16 ff. als "Vorwegfeststellung". Damit ist indes nicht gemeint, daß das Schiedsgericht die Hauptsacheentscheidung vor­ wegnimmt. Die Verfügungsentscheidung bleibt ihrer Natur nach vielmehr eine einstweilige. 89 Zutreffend bemerkt Erman (wie FN 87), S. 14, daß eine einstweilige Verfügung durch ein Schiedsgericht im Gegensatz zu dem Verfahren vor einem staatlichen Gericht (§§ 936, 921 Abs. 1 ZPO) nicht ohne Anhörung des Gegners erlassen werden darf. Im schiedsgerichtlichen Verfahren ist den Beteiligten zwingend rechtliches Gehör zu gewähren, § 1034 Abs. 1 Satz 1 ZPO. 90 So BayObLGZ 1984, 45 (48): Ein (Gestaltungs-)Schiedsspruch kommt als Grundlage einer Handelsregistereintragung nur in Betracht, wenn er rechtskräftig für vorläufig voll­ streckbar erklärt ist.

meldung fehlt es an einer wesentlichen Eintragungsvoraussetzung. Gelangt das Schiedsgericht hingegen zu der Überzeugung, daß die Klage keine Er­ folgsaussichten bietet, so hält es den Kläger dazu an, dem Eintragungsantrag der Gesellschaft nicht im Rahmen des Registerverfahrens entgegenzutreten. Wird der Gesellschaft auf diesem Wege einstweiliger Rechtsschutz erteilt, kann sie das Eintragungsverfahren betreiben und die etwa von § 16 Abs. 2 AktG geforderte Negativerklärung abgeben.

V. Schiedsrichterliches Verfahren und Urteil Für das Verfahren des Schiedsgerichts sind - abgesehen von einer ge­ sondert vereinbarten Schiedsordnung - zunächst die in den §§ 1025 ff. ZPO niedergelegten Regeln maßgeblich. Wie die entsprechenden Bestimmungen für das Erkenntnisverfahren vor den staatlichen Gerichten sind diese Vor­ schriften stark auf den kontradiktorischen Zweiparteienstreit zugeschnitten, der der Durchsetzung der subjektiven Rechte der Beteiligten dient. Was aber gilt, wenn das Verfahren den traditionellen Rahmen sprengt?

1. Anwendbares Verfahrensrecht

Das anwendbare Verfahrensrecht hat sich am Verfahrenszweck auszu­ richten. Sofern die §§ 1025 ff. ZPO dem nicht entsprechen, müssen sie zu­ rücktreten. Erst recht trifft dies auf eine Schiedsordnung zu. Zwingende Be­ teiligungsrechte Dritter, die im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zu beachten wären, müssen im Schiedsverfahren ebenso Berücksichtigung fin­ den. Dies setzt einer Parteivereinbarung oder dem schiedsrichterlichen Er­ messen hinsichtlich der Verfahrensleitung (§ 1034 Abs. 2 ZPO) Schranken. Dasselbe gilt bezüglich der Beteiligungsrechte von Behörden wie etwa des Bundeskartellamtes nach §90 GWB in der Kartellschiedsgerichtsbarkeit91.

91 Anders die herrschende Meinung, die diesem Konflikt kaum Beachtung schenkt, wie die Behandlung des Beteiligungsrechts der Kartellbehörde aus § 90 GWB zeigt. Die herr­ schende Meinung wendet § 90 auf die Kartellschiedsgerichtsbarkeit nicht an, siehe nur Karsten Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, Komm.z.GWB, 2. Aufl. 1992 § 90 RdNr. 5 sowie § 91 RdNr. 38 m.w.N.; dagegen mit beachtenswerten Gründen Altenmüller (wie FN 64), S. 173 ff. Die Übertragung der Entscheidung auf ein Schiedsgericht darf nicht dazu führen, daß die Beteiligten die Geltung des formellen oder materiellen Kartellrechts beseiti­ gen. Auch § 90 GWB bezweckt die Implementierung der staatlichen Kartellpolitik. Das Be­ teiligungsrecht ist nicht verfahrensakzessorisch, sondern nur im Zusammenhang mit der Ef­ fektivierung der behördlichen Kartellaufsicht zu begreifen. Die Parteien der Schiedsabrede dürfen nicht über die gesetzlich festgelegte Rolle des Bundeskartellamtes als Vertreter des öffentlichen Interesses disponieren. Die Aufdeckung von Wettbewerbsbeschränkungen ist der notwendige erste Schritt auf dem Weg zu ihrer Beseitigung.

Zwingende Verfahrensregeln enthält nicht nur das Prozeß- und das Gerichts­ verfassungsrecht, sondern z.T. das Gesellschaftsrecht selbst. Bei der aktienrechtlichen Beschlußmängelklage beinhalten die §§241 ff. AktG zwingende Vorgaben für das gerichtliche Verfahren, die dem vorste­ hend beschriebenen Konflikt Rechnung tragen. Weder die Schiedsklausel noch eine spezielle Schiedsordnung dürfen hiervon abweichen; wohl aber könnten sie noch weitere das Verfahren betreffende Abreden treffen, die dem zwingenden Verfahrensrecht nicht widersprechen. Zu den auch im Schiedsverfahren unbedingt zu beachtenden Verfahrensnormen gehört die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 244 Satz 2 AktG. Ebenfalls zwingend ist § 246 Abs. 3 Satz 2 hinsichtlich der gerichtlichen Terminierung. Das Schiedsgericht darf vor Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist keinen Verhandlungstermin anberaumen. Diese Verfahrensgestaltung dient der Ge­ winnung eines Überblickes über alle eingehenden Anfechtungsklagen und die vorgebrachten Anfechtungsgründe. Der Anfechtungsprozeß ist konzentriert durchzuführen. Zwecks Vermeidung divergierender Entscheidungen hat ein Schiedsgericht mehrere Anfechtungs- oder mehrere Nichtigkeitsprozesse ent­ sprechend §§ 246 Abs. 3 Satz 3, 249 Abs. 2 Satz 1 zu verbinden. Mehrere Nichtigkeits- und Anfechtungsprozesse kann es nach seinem pflichtgemäßen Ermessen verbinden (§ 249 Abs. 2 Satz 2). Wesentlich für das schiedsgerichtliche Verfahren ist schließlich die Be­ kanntmachungspflicht nach § 246 Abs. 4 AktG. Der Vorstand hat die Erhe­ bung der Klage und den Termin zur mündlichen Verhandlung unverzüglich in den Gesellschaftsblättem bekannt zu machen. Diese Vorschrift hat nicht bloß verfahrensrechtlichen Gehalt92. An der Bekanntmachungspflicht des Vorstands hängt die ordnungsgemäße Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Gericht. Die Verpflichtung folgt aus der Natur des Verfahrens und nicht daraus, vor welchem Gericht es stattfindet. Auslösendes Moment ist die Kla­ geerhebung als prozessualer Akt. Die Öffentlichkeit soll darüber in Kenntnis gesetzt werden, daß aufgrund der Klageerhebung mit der Nichtigerklärung des Beschlusses zu rechnen sein kann. Daher sollen andere anfechtungsbe­ fugte Personen Gelegenheit erhalten, dem Rechtsstreit auf der einen oder an­ deren Seite als streitgenössische Nebenintervenienten beizutreten. Die Be­ kanntmachung der Klageerhebung vor dem Schiedsgericht muß einen Hin­ 92 Die Einhaltung der Bekanntmachungsverpflichtung ist durch Zwangsgeld nach § 407 Abs. 1 AktG sanktionsbewehrt. Außerdem macht sich der Vorstand der Gesellschaft gegen­ über nach § 93 AktG und den Aktionären gegenüber nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 Abs. 4 AktG schadensersatzpflichtig. § 246 Abs. 4 ist Schutzgesetz gegenüber den Aktio­ nären und Gesellschaftsgläubigem, vgl. Zöllner, in: Kölner Komm.z. AktG, 1970/85, § 246 RdNr. 103. Allgemeiner zum rechtlichen Gehör der nichtstreitbeteiligten Gesell­ schafter M. Becker ZZP 97 (1984), 314 (333 ff. mit FN 76).

weis auf das Wahlrecht jedes Beteiligten geben. Als Ausfluß seiner Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs hat das Schiedsgericht darüber zu wa­ chen, daß alle materiell von seinem Spruch Betroffenen informiert werden93. In gleicher Weise hat der Vorstand seinen Mitteilungspflichten gegenüber dem Handelsregister aus § 248 AktG nachzukommen. Im Schiedsverfahren hat ferner die Streitwertfestsetzung nach § 247 AktG zwingenden Charakter. Diese Vorschrift ist für den Schutz des klagenden Aktionärs als der i.d.R. schwächeren Partei von zentraler Bedeutung. Ein Grundgedanke des Anfechtungsrechts ist, daß die Erzwingung einer gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung nicht dem Druck der wirtschaftlich stärkeren Partei weichen darf. Die durch § 247 geschaffene Anreizstruktur zur Klageerhebung muß für ein Schiedsverfahren erhalten bleiben. § 247 AktG nimmt Beschlußmängelstreitigkeiten mit guten Gründen von der gerichtlichen Streitwertfestsetzung nach freiem Ermessen (§3 ZPO) aus wegen der asymmetrischen Interessenlage der Parteien.

2. Anwendbares Sachrecht

Im allgemeinen hat ein Schiedsgericht dasselbe Sachrecht anzuwenden wie ein staatliches Gericht. Die Parteien dürfen das Schiedsgericht jedoch von seiner Bindung an das materielle Recht in der Schiedsabrede befreien. Das Schiedsgericht trifft seine Entscheidung alsdann nach Billigkeit in den Gren­ zen der guten Sitten und der öffentlichen Ordnung94. Eine Billigkeitsarbi­ trage ist indessen nicht für alle schiedsfähigen Streitgegenstände statthaft. Hat der Schiedsspruch zugleich zwingende Normen durchzusetzen, die im öffentlichen Interesse erlassen sind, scheidet eine Billigkeitsentscheidung aus. Dies gilt namentlich für kartellrechtliche Streitigkeiten95 wie für die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen. Das Schiedsgericht ist gleich einem ordentlichen Gericht an die zwingenden Bestimmungen betref­ fend die Klagebefugnis (§ 245 AktG), betreffend die Anfechtungsfrist (§ 246 93 Hierzu die lehrreiche Entscheidung BVerfGE 60, 7 (14 ff.). Die Entscheidung gibt zu der Prüfung Anlaß, ob die Bekanntmachungspflicht aus § 246 Abs. 4 AktG alleine ausreicht, um die gerichtliche Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zu erfüllen. Ungeachtet der Bekanntmachungspflicht behält das (Schieds-)Gericht die Auf­ sicht über die tatsächliche Gewährung des Gehörs; denn wenn das rechtliche Gehör nicht ordnungsgemäß gewährt ist, leidet das Verfahren an einem wesentlichen Mangel. Die Ein­ schaltung des Prozeßgerichts in die ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtung nach § 246 Abs. 4 AktG erscheint auch deshalb unerläßlich, weil die Erzwingung mittels Zwangsgeldes nach § 407 Abs. 1 AktG in den Händen des Registergcrichts liegt. 94 Nachweise bei Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 1995, Kap. 19 III (S. 179 f.). 95 Karsten Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, Komm.z.GWB, 2. Aufl. 1992, § 91 RdNr. 42; Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitig­ keiten, 1973, S. 182 ff.

Abs. 1 AktG) und die Einordnung eines Mangels als tauglichen Nichtigkeits­ oder Anfechtungsgrund nach §§ 241, 243 AktG gebunden. Zusätzlich muß das Schiedsgericht das immer stärker vordringende Richterrecht auf dem Ge­ biete des Gesellschaftsrechts zur Kenntnis nehmen96. Das Schiedsgericht mag sich sogar vor die Aufgabe gestellt sehen, das geltende Recht aus Anlaß seiner Entscheidung fortzubilden. Hierbei wird es nicht zuletzt einen Blick auf die Rechtslehre werfen. Ob eine Rechtsfortbildung, die ihr von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen beachtet hat, unterliegt der richterlichen Nachprüfung im Verfahren um die Vollstreckbarerklärung des Schieds­ spruchs. 3. Vorlageberechtigung

Da das Schiedsgericht das nationale Gesellschaftsrecht anwendet, hat es wie jedes staatliche Gericht zu prüfen, ob dieses mit dem höherrangigen Recht in Einklang steht. Dies gilt mit Bezug auf das Verfassungsrecht und mit Bezug auf die Vereinbarkeit nationalen Rechts mit dem Gemeinschafts­ recht. Die Prüfung der Verträglichkeit einer nachkonstitutionellen Rechts­ norm mit dem Grundgesetz geschieht durch Aussetzung des Verfahrens vor dem erkennenden Gericht und Einholung einer Entscheidung des Bundesver­ fassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG97. Immer mehr Bereiche des nationalen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts beruhen auf der Umsetzung von EU-Richtlinien. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EWGV ermöglicht die Kontrolle, ob das Gemeinschaftsrecht durch die mit­ gliedstaatlichen Behörden und Gerichte richtig angewendet und vom natio­ nalen Gesetzgeber richtlinienkonform transformiert worden ist. Diese Frage spielt in der Gerichtspraxis ebenfalls eine immer wichtigere Rolle98. Die Brauchbarkeit einer schiedsrichterlichen Entscheidung erweist sich nicht zu­ letzt daran, ob das Schiedsgericht eine Vorabentscheidung nach Art. 100 Abs. 1 GG, Art. 177 Abs. 2 EWGV herbeifuhren kann. Die herrschende Meinung vertritt für beide Vorlage verfahren den Standpunkt, daß nur ein

96 Dies gilt vor allem für diejenigen Leitentscheidungen zum Gesellschafts- und Kon­ zemrecht, die man zum ordre public des deutschen Verbandsrechts zählen muß: BGHZ 65, 15 - "ITT"; 71, 40 - "Kali+Salz"; 83, 122 - "Holzmüller"; 95, 330 - "Autokran"; 107, 7 - "Tiefbau"; 115, 187 - "Video"; 122, 123 - "TBB". 97 So etwa zu § 15 UmwG 1956 durch BVerfGE 14, 263 (273 ff.) - "Feldmühle". 98 Siehe etwa BGHZ 107, 296 (304 ff.) - "Kochs Adler" zur Frage der gemeinschafts­ konformen Umsetzung der EG-Verschmelzungsrichtlinie; EuGH 16.7.1992, Rs. C-83/91, "Meilicke ./. ADV-ORGA”, Sig. 1992 I 4871 = EuZW 1992, 546 (Vorlagebeschluß LG Hannover RIW 1991, 348) zur Vereinbarkeit von "verdeckten Sacheinlagen" mit dem Ge­ meinschaftsrecht. Hierzu eingehend W. Meilicke, Die "verschleierte" Sacheinlage, 1989, S. 13 ff., 93 ff.

staatliches Gericht eine Vorabentscheidung erwirken kann". Der Wortlaut beider Bestimmungen gebietet dieses Ergebnis allerdings nicht zwingend. Schiedsgerichte sind den staatlichen Gerichten grundsätzlich gleichgestellt. Deswegen darf ihre von der Rechtsordnung anerkannte Arbeit nicht ohne zwingende Gründe behindert werden. Die Funktion beider Vorlage verfahren hat einen höheren Stellenwert als die Qualifikationsentscheidung, was "Gericht” im Sinne der genannten Bestimmungen ist. Es geht jeweils um die Reinhaltung und die Wahrung der Einheit der Rechtsordnung. Gemessen daran ist es unerheblich, wer die Prüfung einer Rechtsnorm anstößt. Der Hinweis der Gegenansicht, daß die Vorlage bei der Vollstreckbarerklärung durch das staatliche Gericht nachholbar sei, verfängt nicht, weil dies gegen den Grundsatz einer prozeßwirtschaftlichen Verfahrensführung verstößt und den Verfahrensfortgang ungebührlich verzögern würde. Schon im Stadium der Verhandlung vor dem Schiedsgericht läßt sich über die gerichtliche Aus­ hilfe nach § 1036 Abs. 1 ZPO Abhilfe schaffen99 100. Das staatliche Gericht veranlaßt auf Ersuchen des Schiedsgerichts die Vorlage. Einsehbar ist dieser Umweg indes nicht. 4. Veröffentlichung des Schiedsspruchs Die Veröffentlichung eines Schiedsspruchs in Deutschland ist eher selten. Zu den Ausnahmen zählen die Entscheide der Parteigerichte, sofern man das für politisch opportun erachtet, es der Selbstdarstellung dient oder eine Streitfrage die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit gefunden hat101. Zum Wesen des Schiedsverfahrens gehört der Ausschluß der Öffent­ lichkeit und die Nichtveröffentlichung des Entscheidungsergebnisses. Dieser verständliche Wunsch nach vertraulicher Behandlung verdient jedoch nur solange Respekt, als der Schutz der Interessen der Schiedsparteien selbst auf dem Spiele steht102. 99 Für das Verfahren nach Art. 177 Abs. 2 EWGV: EuGH 23.3.1982 - Rs. 102/81 ("Nordsee ./. Reederei Mond"), Sig. 1982, 1095 (1109 ff.); Wohlfahrt, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Stand: Nov. 1988, Art. 177 RdNr. 43. Anderer An­ sicht Karsten Schmidt, Festschrift für Pfeiffer, 1988, S. 765 (782); RIESENKAMPFF, in: Westrick/Loewenheim, Komm.z.GWB, Stand: Jan. 1991, § 91 RdNr. 31. Für das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG: Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Komm.z. GG, Stand: Aug. 1971, Art. 100 RdNr. 28; im gleichen Sinne Ulsamer, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Komm.z.BVerfGG, Stand: Sept. 1979, § 80 RdNr. 188; Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, 1991, § 22 II 1 a (RdNr. 703). 100MünchKommZPO-MAlER, 1992, § 1036 RdNr. 1. 101 Siehe etwa die Entscheidung des CDU-Bundesparteigerichts NVwZ 1982, 159 mit Anm. Henke NVwZ 1982, 84. 102 Die fehlende Publizität von Parteigerichtsentscheidungen bemängelt Henke NVwZ 1984, 82 mit sehr einleuchtenden Argumenten. Das dort Gesagte gilt aber bei weitem nicht nur für Parteigerichte im Sinne des Parteiengesetzes.

Das Gesellschaftsrecht ist heute neben dem Arbeitsrecht das Hauptanwen­ dungsfeld der richterlichen Rechtsfortbildung. Rechtssetzung durch Richter­ recht muß sich genauso im Lichte der Öffentlichkeit vollziehen wie ein förmliches Gesetzgebungsverfahren. Eine Entscheidung, die das Recht fort­ bildet, hat sich der fachwissenschaftlichen Diskussion zu stellen. Diese kann nur in Gang kommen, wenn der Schiedsspruch in der Fachpresse veröffent­ licht wird. Rechtswissenschaft und Rechtsprechung leben vom publizierten Fallmaterial. Es geht hier um prinzipielle Aspekte der Rechtsbildung, die nicht vom Belieben der Beteiligten abhängen darf: Recht bildet sich u.a. als Produkt eines Prozesses, dessen wesentlicher Bestandteil der freie Dialog von Wissenschaft und Praxis ist. Die Entscheidung der Parteien zugunsten der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit darf diesen gesamtgesellschaftlich be­ deutsamen Vorgang nicht behindern. Das Gesellschaftsrecht und das Kon­ zernrecht verfeinern sich traditionsgemäß anhand richtungweisender Ge­ richtsfälle. Hierzu muß der fortwährende Austausch von Wissenschaft und Praxis gewahrt bleiben, da sich die Rechtsfortbildung in erster Linie an der bewährten Lehre orientiert103. Zwischen Theorie und Praxis existiert daher eine echte Symbiose und keine einseitige Nutznießerschaft. So wie sich die Rechtsprechung nur anhand der bewährten Lehre weiterentwickeln kann, ist die Lehre ihrerseits auf das Anschauungsmaterial aus der Praxis angewiesen. Der Widerstreit des Veröffentlichungsinteresses der Fachwelt mit dem Inte­ resse der Parteien am Schutz ihrer persönlichen und geschäftlichen Bezie­ hungen findet durch einen anonymisierten Urteilsabdruck seinen Ausgleich. Jenseits des Schutzes der eigenen Privatsphäre haben auch die Parteien eines Schiedsverfahrens keinen rechtlich schutzwürdigen Anspruch auf PublizitätsVermeidung104. Schiedssprüche sind daher genau wie die Urteile staatlicher Gerichte in anonymisierter Form zu veröffentlichen. Die Durchsetzung der Veröffent­ lichung obliegt den staatlichen Gerichten aus Anlaß der Vollstreckbarerklä­ rung. Zu veröffentlichen ist der Schiedsspruch am zweckmäßigsten in der Gestalt, die er durch die Vollstreckbarerklärung angenommen hat. In Einzel­ fällen mag eine Veröffentlichung unter voller Namensnennung in Betracht 103Dieser Zusammenhang offenbart sich in Art. 1 Abs. 2 und 3 des Schweizer ZGB (entsprechend Art. 1 Abs. 1 und 2 türkisches ZGB): "(2) Kann dem Gesetze keine Vorschrift entnommen werden, so soll der Richter nach Ge­ wohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die er als Ge­ setzgeber aufstellen würde. (3) Er folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.” 104Zur Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz der Parteien und dem Unterrich­ tungsanspruch der Öffentlichkeit OLG München OLGZ 1984, 477; BVerwG NJW 1988, 1746; dazu Hirte NJW 1988, 1698 (1700 ff.), der die Schiedsgerichtsbarkeit aber durch­ gängig als Instrument zur Vermeidung von Publizität anerkennen will.

kommen, wie dies die §§ 18 AGBG, 23 UWG, 103 UrhG vorsehen105. Dort berührt der Streit Gesichtspunkte, die über die Bestimmungsmacht der Par­ teien in besonderer Weise hinausgehen. Ein Verletzer muß die Breiten- und Prangerwirkung der Veröffentlichung hinnehmen, weil der Informationsan­ spruch der Öffentlichkeit stärker wiegt als seine informationelle Selbstbe­ stimmung.

VI. Fazit Die Schiedsfähigkeit der Gesellschafterklagen wie der gesamte Komplex der Verbandsschiedsgerichtsbarkeit ist systematisch neu zu ordnen und mit einer einheitlichen Konzeption zu versehen. Das bezieht sich auf die Ver­ waltungs- und auf die Kontrollrechte der Gesellschafter, die mit Ausnahme der Beschlußmängelklage als schiedsfähig gelten. Die bisher gebotenen Gründe für dieses Ergebnis überzeugen nicht; die wahren Gründe sind als solche kaum angesprochen. Sie liegen vornehmlich in der Unzulänglichkeit der §§ 1025 ff. ZPO, die mit dem Zweck der Anfechtungsklage nicht kom­ patibel sind. Daraus folgt aber nicht die völlige Schiedsunfähigkeit, solange eine erfolg versprechende Nachbesserung des Schiedsverfahrensrechts mög­ lich ist. Dies kann ohne großen Aufwand geschehen. Das Verfahren ist stär­ ker an rechtsstaatlichen Grundsätzen auszurichten106, anwendbar ist das zwingende materielle Recht107, die Beteiligten haben entsprechend § 91 GWB ein Wahlrecht, und der Schiedsspruch unterliegt der Inhaltskontrolle anläßlich seiner Vollstreckbarerklärung108. Dem Wahlrecht kommt zum 105Sind die von §§18 AGBG, 23 UWG, 103 UrhG behandelten Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht zu verhandeln, so gilt die Veröffentlichungsbefugnis ohne Einschränkung. Die zitierten Normen, die zwingender Natur sind, werden weder durch die §§ 1025 ff. ZPO noch durch die Schiedsabrede abgeschwächt. 106 Im amerikanischen Recht markiert die Entscheidung Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, 473 U.S. 614, 105 S.Ct. 3346 (1985) die Wende zur Schieds­ fähigkeit von kartellrechtlichen Streitigkeiten. Die Gegner der neuen Linie verweisen darauf, daß die Schiedsgerichtsbarkeit für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten nur rudimentäre Verfahrensregeln bereithält und nur begrenzt Möglichkeiten der gerichtlichen Korrektur eines Schiedsspruchs zu bieten hat im Vergleich zu einem Verfahren vor dem staatlichen Gericht, vgl. die von den Richtern Brennan und Marshall insoweit unterstützte abweichende Meinung des Richters Stevens, 473 U.S. 614 (656); zu dieser Entscheidung näher D. Zimmer (wie FN 65), S. 29 ff. 107 Die Berücksichtigung des zwingenden Rechts ist Vorbedingung für die Lockerung von Schiedsverboten; denn ob diese sog. Eingriffsnormen und die zwingenden Verfahrens­ standards vom Schiedsgericht beobachtet worden sind, läßt sich immer noch im Rahmen der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs prüfen, Einzelheiten bei M. Becker RabelsZ 60 (1996), 691 (710 ff.). 108Aus diesem Grunde kann nicht wirksam vereinbart werden, daß der Schiedsspruch ohne Entscheidungsgründe abzufassen ist (vgl. § 1041 Abs. 2 ZPO). Eine solche Vereinba­ rung unterliefe zudem die Pflicht zur Veröffentlichung des Schiedsspruchs.

Zwecke der Behebung des Legitimationsdefizits, das eine satzungsmäßig ok­ troyierte Schiedsklausel hinterläßt, erhebliche Bedeutung zu. Es muß umfas­ send sein, weil kein Beteiligter die übrigen auf eine schiedsgerichtliche Ent­ scheidung festlegen darf. Soweit die herrschende Meinung in Deutschland auf der Schiedsunfähig­ keit von Beschlußmängelklagen beharrt, ist auf die konträre Rechtslage in anderen vom deutschen Recht beeinflußten Ländern hinzuweisen. Sofern es darum geht, daß sich der Staat auf diesem Gebiet ein Rechtsprechungsmono­ pol reservieren will, ist unverständlich, warum dieses sich nicht gleicherma­ ßen auf die Einzelklage (actio pro socio) erstreckt, die komplementäre Funktionen zu erfüllen hat. Insgesamt ist der Bann der Schiedsgerichts­ barkeit eine Reaktion im Übermaß, zumal es ausreicht, die schiedsrichter­ liche Tätigkeit in geordnete Bahnen zu lenken, indem man sie auf die spezi­ fische Ordnungsfunktion der Rechtsbehelfe abstimmt. Auf dem Prüfstand stehen damit letztlich die Rahmenbedingungen, unter denen die Justizgewähr als genuin staatliche Aufgabe überhaupt privatisierbar ist.

4. Teil Erträge und Perspektiven Die vorstehenden Überlegungen legen Grund für eine rechtsvergleichende und rechtssystematische Summe. Die behandelten Fragestellungen lassen sich nach Verbands- wie nach Verfahrensrecht auf gemeinsame und trag­ fähige Fundamente zurückführen. Materielles Verbandsrecht und Ver­ fahrensrecht stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Der Allgemeine Teil des Gesellschaftsrechts (rechtsformübergreifendes Verbandsrecht) findet seine Entsprechung in einem verfahrensübergreifenden Prozeßrecht (Allge­ meine Prozeßrechtslehre). Die Mitgliederrechte sind in die Verbands- wie in die Verfahrensordnung eingebettet. Soweit die Verfahrensordnung im Interesse der Effektivität, der Drittbezogenheit und des öffentlichen Inte­ resses an der Prozeßführung zwingend ist, gilt dies ebenso für eine Streiter­ ledigung dieser Materien im schiedsrichterlichen Verfahren. Angebliche Wi­ dersprüche zwischen den Mitgliederkontrollrechten und dem Leitungsan­ spruch der Verwaltung bzw. der Bestimmungsgewalt der Mitgliedermehrheit finden in der Verbandsordnung ihren Ausgleich.

§ 23 Fazit und Ausblick Spektakuläre Fälle aus der jüngeren Vergangenheit haben die Frage nach der Aufsicht in den Verbänden und über die Verbände, namentlich soweit diese auf Erwerb gerichtet sind, auf die Agenda des Gesetzgebers gesetzt. Jene Fälle betrafen zunächst die Entscheidung über die Verwendung unter­ nehmensgebundener Ressourcen. Sie gewinnen spätestens dann soziale Rele­ vanz, wenn der Einsatz öffentlicher Mittel notwendig wird, um Arbeitsplätze und wirtschaftliche Infrastrukturen zu erhalten. Der Streit um die ‘'richtige" Wirtschaftspolitik und ihre Konzepte ist nicht Gegenstand des Gesellschafts­ rechts im engeren Sinne. Die Einrichtungen des Privatrechts sind keineswegs politisch-ökonomisch neutral. Viele der hier aufgeworfenen Fragen hängen auf das Engste zusammen mit der Kontrolle wirtschaftlicher und sozialer Machtstellungen. Diese Aufgabe ist dem Privatrecht selbst gestellt, das die institutionellen Voraussetzungen für das Entstehen solcher Machtstellungen schafft1. Die Vereinigungsfreiheit ermöglicht die Zusammenfassung von Pri­ vatrechtssubjekten zu Organisationen, die mit privatrechtlichen Mitteln auf geschützte Freiheitspositionen anderer Privatrechtssubjekte einwirken kön­ nen. Im inneren Verbandsrecht geschieht dies durch das Mehrheitsprinzip oder durch die Leitungsmacht der Verwaltung. Die hieraus resultierenden Konflikte sind mit den Instrumenten und in den Formen des Privatrechts zu bewältigen. Die subjektiven Rechte der Mitglieder sind der Aufgabenstellung vollauf gewachsen, wenn man ihnen den notwendigen Raum zur Entfaltung läßt. Ihre besonders bei den Kontrollrechten hervortretende überschießende, d.h. der Mehrheit oder der Verwaltung in den Arm fallende Wirkung ist durch die Verbandsordnung bzw. durch den Organisationszweck zu begren­ zen. Verfahrensrechtlich ist der Streit bezüglich der Ausübung der Kontroll­ rechte der Zivilgerichtsbarkeit zugewiesen, obwohl der zugrundeliegende Kontrollauftrag auch öffentliche Bezüge aufweist und obwohl das Zivilver­ fahrensrecht zur Erreichung dieses Zweckes zum Teil auf Ergänzungslö­ sungen angewiesen ist, wie man sie in Deutschland besonders in den Prozeß­ ordnungen des öffentlichen Rechts antrifft.

1 Hierzu vor allem aus kartellrechtlichem Blickwinkel Mestmäcker RabelsZ 60 (1996), 58.

I. Die Aktiengesellschaft als Paradigma verbandsrechtlicher Reformen Das Gesagte läßt sich am besten anhand des Aktienrechts und seiner fort­ währenden Reformen nachvollziehen. Die Aktiengesellschaft gerät zum Prüfstein für die Stimmigkeit der Reformbestrebungen bei allen Verbänden, weil sich in ihr kapitalmarkt-, verbands- und unternehmensrechtliche Kon­ zepte gleichermaßen bewähren müssen. Die AG tritt an den Kapitalmarkt heran, sie ist Trägerin von Großunternehmungen und sie kann herrschendes oder abhängiges Unternehmen sein. Die Problematik der Aufsicht in und über die Aktiengesellschaft (corporate govemance) behandelt man zumeist als die Frage nach der zweckmäßigen Kompetenzverteilung zwischen den obligatorischen Gesellschaftsorganen Vorstand und Aufsichtsrat. Die Haupt­ versammlung spielt eine Nebenrolle. Der einzelne Aktionär, der ebenfalls Funktionsträger2 und nicht bloß vermögensmäßig Beteiligter ist, gerät über dem Denken in den überkommenen Organstrukturen völlig in Vergessen­ heit3. Die Einbeziehung des einzelnen Aktionärs bedeutet nicht, die Gesell­ schaft an notorische Querulanten auszuliefern, da sich der Aktionärskreis in vielen Publikumsgesellschaften bedingt durch Veränderungen auf den inter­ nationalen Kapitalmärkten gewandelt hat. Kleinaktionäre treten zugunsten institutioneller Investoren (Pensionskassen, Investmentfonds, etc.) mehr und mehr in den Hintergrund. Unternehmenskrisen und -Zusammenbrüche hat man in der jüngsten Ver­ gangenheit dem Versagen des Aufsichtsrates zugeschrieben. Man meint, die Probleme lösen sich gleichsam von selbst, sofern es nur gelingt, die Arbeitseffizienz dieses Gesellschaftsorgans zu steigern, etwa durch eine Ver­ schärfung der Berichtspflichten des Vorstands4. Die Hauptversammlung bzw. die in ihr gesellschaftsrechtlich organisierten Aktionäre spielen bei den Reformüberlegungen eine nur untergeordnete Rolle. Dies bestätigt die unge­ brochene Tendenz der Zurückdrängung der Aktionäre als wirtschaftliche Ei­ gentümer der Aktiengesellschaft. Die Entwicklung ist verbandsrechtlich be­ denklich, von § 118 Abs. 1 AktG nicht gedeckt und mit Art. 9 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Die Garantie der Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. In 2 Siehe nur §§ 131, 245 Nr. 1 AktG. 3 Den Aktionär nicht zu vergessen, mahnt auch Zöllner AG 1994, 336 mit Recht an. 4 Im Gespräch ist eine stärkere ex ante-Kontrolle des Aufsichtsrats hinsichtlich der künftigen unternehmerischen Tätigkeit des Vorstands. Aus der Diskussion siehe nur Lutter ZHR 159 (1995), 287 (290 ff.); GÖTZ AG 1995, 337 (344 ff.); Frerk AG 1995, 212; Hommelhoff, in: Picot (Hrsg.), Corporate govemance - Unternehmensüberwachung auf dem Prüfstand, 1995, S. 1.

ihrem Mittelpunkt stehen die Mitglieder, die sich keine Entmündigung ge­ fallen lassen brauchen. Art. 9 Abs. 1 GG impliziert andererseits eine Pflicht, die Betätigung der Verbände zu überwachen und insbesondere für eine geset­ zes- und statutengerechte Verwaltung zu sorgen und einer Äußerung des Verbandswillens jenseits dieser Grenzen entgegenzutreten5. Der einzelne Aktionär hat ein subjektives und klagbares Recht auf Befolgung der gesetz­ lichen und statutarischen Bestimmungen seitens der Gesellschaft. Dieses Recht geht der durch § 118 Abs. 1 AktG angeordneten Vergemeinschaftung der Aktionärsrechte zwingend vor6. Bedienen sich die Mitglieder hauptamt­ licher Funktionäre in den Leitungsorganen, so können sie sich dieser Pflich­ ten niemals vollständig entledigen. Die Pflichtendelegation ist - insbeson­ dere in auf Arbeitsteilung angelegten Großorganisationen - zulässig, beläßt den Mitgliedern aber einen residualen Bestand nicht delegierbarer Überwa­ chungspflichten. Entsprechend tragen die Mitglieder die letzte Verantwor­ tung für Mängel in der verbandlichen Organisation7. Die angesprochene Kontrollfrage wirkt indes nicht nur nach Außen, sondern hat ebenso einen Binnenbezug. Es ist ein Grundprinzip des Rechts der Stellvertretung, daß der Vertretene vor dem Vertreter zu schützen ist, zumal wenn der Vertretene — wie bei der organschaftlichen Stellvertretung - für seinen Schutz nicht selbst sorgen kann. Diesen elementaren Rechtssatz hat die Rechtsprechung für die gesetz­ liche Vertretung des Minderjährigen formuliert8, er gilt jedoch für die organschaftliche Vertretung nicht minder. Jede Form der Fremdbestimmung muß für den Vertretenen rational begrenzbar sein, um vor der Verfassung wie vor dem einfachen Recht Bestand zu haben. Die Vertretung muß vom Vertreter unter Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertretenen wahrge­ nommen werden, und sie muß für den Vertretenen beendbar sein. Die Aus5 Grundlegend für die Aktiengesellschaft bereits Reichsoberhandelsgericht 20.10.1877, ROHGE 23, 273 (275); 9.9.1879, ROHGE 25, 307 (310); für die GmbH siehe RGZ 85, 311 (313): Das Prinzip ist dort nicht, wie in den §§ 241 ff. AktG kodifiziert, es gilt aber als Bestandteil des Allgemeinen Teils des Verbandsrechts. Ebenso für die Schweiz Bundes­ gericht 19.10.1894, BGE 20, 940 (947); 17.12.1897, BGE 23 II 1825 (1830). Zum ameri­ kanischen Recht im gleichen Sinne Dodge v. Woolsey, 1 U.S. 284, 291 ff. (18 Howard 331), 15 L.Ed. 401 (1855). 6 Grundlegend ROHGE 25, 307 (310) unter Bezugnahme auf den früheren Art. 224 ADHGB = § 118 Abs. 1 AktG 1965. 7 Arg. § 396 AktG, siehe oben § 4 I 6. 8 Dazu BVerfGE 72, 155 (171 ff.). Aus Gründen der Beschwerlichkeit eines Widerrufs der Vertretungsmacht bzw. der Überwachbarkeit der organschaftlichen Vertreter durch den Aufsichtsrat oder die Eigentümer, die nicht beständig vor Ort sind, werden Ergänzungs­ lösungen notwendig: Bei der gesetzlichen Vertretung in Gestalt des Vormundschaftsgerichts, bei der organschaftlichen Vertretung sind die Klagerechte der Mitglieder entsprechend fort­ zubilden. Diese Klagerechte sind für die Aktiengesellschaft durch § 118 Abs. 1 AktG nicht versperrt und werden von den Ordnungsprinzipien des Privatrechts gefordert.

Wirkungen dieses Rechtssatzes auf die Leitungsmacht des Vorstands in § 76 Abs. 1 AktG sind vorerst nicht abschließend geklärt. Bei der organschaft­ lichen Stellvertretung ist der Vertretene dem Vertreter noch wehrloser aus­ geliefert, da dort das Vormundschaftsgericht als Aufsichtsinstanz fehlt und da die Mitglieder der Publikumskorporation in der Regel weit verstreut und unorganisiert sind, was ihr einvernehmliches Zusammenwirken bei der Kon­ trolle der Leitungsorgane erschwert. Die Konsequenz liegt in einer zweckentsprechenden Aktivierung der Aufsichtsträgerschaft: In dem Maße, in dem die eigentlichen Aufsichtsgremien ihre Aufgaben nicht zu bewältigen vermögen, müssen sich andere an dieser Aufgabe beteiligen dürfen, die ein natürliches Interesse daran haben, daß eine Schädigung des Vertretenen un­ terbleibt. Nach Lage der Dinge sind dies im verbandsrechtlichen Kontext die Mitglieder wie die Gesellschaftsgläubiger. Das Aktiengesetz weist u.a. in seinen §§ 147, 117, 309 Abs. 4, 317 Abs. 4 in diese Richtung, ohne daß sich die Mitwirkungsrechte der Aktionäre auf die dort behandelten Rechtsbe­ helfe beschränken müßten. Auch der zweite natürliche Interessenträger, die Gesellschaftsgläubiger, ist über §§ 93, 147, 117, 309 AktG - soweit ihre Interessen reichen und berührt sind — in diese Aufgabe einbezogen. Das amerikanische Vorbild der derivative suit lehrt, daß das Beteiligungskonzept dynamisch sein muß, um hinreichend flexibel auf die Konfliktlagen reagieren zu können.

II. Wettbewerb und Effizienz der Aufsichtsmittel Mit der Erforderlichkeit und Tauglichkeit von subjektiven Rechten ist noch nicht dargetan, daß sie zur Erreichung ihres Zieles in jedem Konflikt­ falle und für jeden Verbandstyp gleichermaßen geeignet sind. Möglicher­ weise erreichen andere Aufsichtsformen dieselben Ergebnisse einfacher und billiger bei einer geringeren Eingriffsintensität; mithin würde das die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der anzuwendenden Mittel aufwerfen. Wie­ derum präsentiert die Publikums-Gesellschaft den Wettstreit der Kontroll­ systeme am deutlichsten. Eine Evaluierung der Aufsichtsmittel verlangt Klarheit hinsichtlich der Aufsichtszwecke und -ziele. Dem Verbandsrecht ist vorgegeben, daß die Betätigung des Gesellschaftswillens im Rahmen der durch Gesetz und Statut konstituierten Grundordnung zu erfolgen hat9. Hin­ zuzufugen ist, daß bei der Umsetzung dieses Willens auf der Ebene der Exe­ kutivkompetenzen diese Schranken ebenfalls zu beachten sind. Das Gesagte 9 ROHGE 23, 273; 25, 307; grundsätzlich zustimmend KNOBBE-KEUK, Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 239; überhaupt gegen einen Anspruch des Aktionärs auf gesetz- und statutenmäßiges Verhalten der Gesellschaft Zöllner ZGR 1988, 392 (421 ff.).

ist zwar für die AG formuliert worden, es ist indessen nicht zweifelhaft, daß es sich dabei um einen Rechtssatz aus dem Inventar des Allgemeinen Teils des Verbandsrechts handelt, der auf alle Personenzusammenschlüsse zu­ trifft10. Mit welchen Mitteln aber läßt sich dieses ordnungspolitische Anlie­ gen in allen Verbänden am besten verwirklichen? 1. Auf der Suche nach Lösungsansätzen stößt man gegenwärtig allenthal­ ben auf den Kapitalmarkt als Aufsichtsinstanz11. Zu implizieren ist dabei, was im Recht regelmäßig zu kurz kommt, daß nur ein effizienter Markt diese Aufgabe erfüllen kann, sofern also kein Marktversagen vorliegt. Ein Markt ist vollkommen, wenn auf ihm keine Öffentlichen Güter gehandelt werden, keine Informationsasymmetrien existieren und die Marktstruktur nicht mo­ nopolistisch oder oligopolistisch ist. Nur unter diesen Voraussetzungen lei­ stet der Markt mehr als ein bloßes Schlagwort. Der Markt bewertet Verhal­ tensweisen nach seinen eigenen Gesetzen, die nicht deckungsgleich oder gleichgerichtet sind mit den Ziel Vorstellungen des Rechts. Der Markt als Kontrollinstanz oder Garant des Anlegerschutzes erscheint nicht durchgängig geeignet, die zugedachte Aufgabe zu bewältigen. Der Markt als Kontrollin­ stanz versagt einmal dann, wenn ein Rechtsverstoß der Gesellschaft nützlich ist und sie bereichert. Die Mehrzahl der Marktteilnehmer verhält sich in die­ ser Situation opportunistisch, d.h. sie kaufen oder zeichnen Anteile, erzeu­ gen Nachfrage und erhöhen damit die Attraktivität einer Gesellschaft, anstatt sie durch ein Verhalten im gegenteiligen Sinne abzustrafen. Das Gebot der gesetzes- und statutengerechten Verwaltung darf aber nicht darauf schauen, ob eine Betätigung des Gesellschaftswillens in welchen Formen auch immer effizient, gewinnmaximierend oder bloß nützlich ist. Ein Akt der autonomen Verbandsgewalt mag sittlich oder wirtschaftlich zu billigen sein; ist er aber Statuten- oder gesetzwidrig, so wird er nicht dadurch zulässig, daß die frag­ liche Maßnahme nützlich und sittlich oder sozial geboten ist12. Eine wirk­ 10 Eingehend oben § 5. 11 Umfassend hierzu Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapital­ markt, 1995, besonders S. 154 ff. 12 So die klassische Formulierung von RG 12.7.1897, RGZ 40, 33 (35). Aus der ame­ rikanischen Rechtsprechung siehe Gall v. Exxon Corp., 418 F.Supp. 508 (S.D.N.Y. 1976) sowie Rosengarten v. Intern. Tel. & Tel., 466 F.Supp. 817 (S.D.N.Y. 1979). Dem shareholder der amerikanischen Corporation wird bei Verstößen dieser Art allerdings die Be­ fugnis zur Erhebung einer derivative suit vorenthalten. Die rechtspolitischen Hintergründe dieser Entscheidungen - die in diesem Zusammenhang nur anzudeuten, aber aus parallelen Diskussionen in der Bundesrepublik ohne weiteres verständlich sind - machen die ver­ bands- und verfassungsrechtlichen Potentiale der derivative suit deutlich, und sie belegen, was richtig angewandtes Privatrecht zur Kontrolle wirtschaftlicher und politischer Macht beitragen kann. Ihnen lagen Streitigkeiten um Spenden an politische Parteien oder um die Bestechung von Beamten, beides zu Lasten des Gesellschaftsvermögens und zum Zwecke ei­ ner Auftragsvergabe an die zuwendende Gesellschaft, zugrunde. Dies ist ein Thema von

same Aufsicht durch den Kapitalmarkt setzt überdies voraus, daß die Gesell­ schaft, um deren Beaufsichtigung es geht, tatsächlich zu ihrer Refinanzierung auf den Kapitalmarkt angewiesen ist. Für die USA ist dieser Pfeiler in der Tat stärker untermauert als in der Bundesrepublik. Der amerikanische Kapitalmarkt ist durch das hoch entwickelte Recht der Securities Regulation stärker verrechtlicht als die europäischen Märkte13. Die besser funktionierenden Märkte für Unternehmensbeteiligungen und Managementserviceleistungen besitzen ein beträchtliches Kontrollpotential. Bezeichnenderweise überläßt jedoch das amerikanische Recht dem Markt diese wichtige Aufgabe jedenfalls nicht allein, sondern hat daneben stets an einem durchgebildeten System von subjektiven Mitgliederrechten und den korrespondierenden Klagebefugnissen - allen voran in Gestalt der derivative suit — festgehalten. Die ökonomische Analyse des Rechts hat also selbst im Mutterland dieser Disziplin nie dazu geführt, eine Hegemonie der Ökonomie gegenüber dem Recht hervorzubringen. Ökonomische Analyse des Rechts und rechtliche Fundierung der Ökonomie leben in Symbiose. Für die Bundesrepublik wie für viele europäische Staaten verbietet sich eine unbesehene Übertragung der Aufsichtsfunktion der Kapitalmärkte aus einer Vielzahl von Gründen. Zunächst sind die Kapitalmärkte hier nicht der­ art entwickelt, und dies weder in rechtlicher noch in ökonomischer Hin­ sicht14. Viele deutsche Unternehmen, die an sich börsenfähig sind, scheuen einstweilen den Gang an die Börse, jedenfalls aber meiden sie das Markt­ segment des amtlichen Handels. Das in der Bundesrepublik geltende Börsen­ recht, das in seiner Konzeption um die Jahrhundertwende entstanden ist, ist nicht von einer derart strengen Publizität flankiert wie das amerikanische Recht. Ein wichtiger Unterschied in den Rahmenbedingungen liegt darin, daß nach deutschem Aktienrecht die Hauptversammlung grundsätzlich keine Kompetenzen bei der Aufstellung und Billigung des Jahresabschlusses hat. Dafür ist vielmehr die Verwaltung zuständig, die sich auf diese Weise von der Kontrolle des Kapitalmarktes freistellen kann, indem sie sich aus thesau­ rierten Unternehmensgewinnen refinanziert. Dieser - nicht zuletzt volks­ Privatrecht (satzungsgemäßer Einsatz von Gesellschaftsmitteln) und von Verfassungsrecht (Gesetzesbindung der Verwaltung; Transparenz politischer Entscheidungen und ihrer parla­ mentarischen Kontrolle). Deshalb sind hier die Mittel beider Rechtsgebiete kumulativ zum Einsatz zu bringen. Wenn amerikanische Gerichte gegen die Bestechung italienischer Beam­ ten nicht einschreiten, werden auch italienische Gerichte nicht gegen die Bestechung ameri­ kanischer Beamten vorgehen. Die internationale Korruption läßt sich aber nur international bekämpfen. 13 Siehe zur Securities Regulation in den USA M. Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 755 ff. 14 Vgl. hierzu die Darstellung der Kapitalmarktordnungen ausgewählter europäischer Staaten mit ökonomischer Kapitalmarktanalyse in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenre­ form, 1997.

wirtschaftliche - Konflikt ist bei allen Aktienrechtsreformen in Deutschland eingehend erörtert, jedoch nie behoben worden15. 2. Im Annex zur Aufsichtstauglichkeit des Kapitalmarktes erwägt man, ob nicht die Banken eine wirksame Kontrollinstanz abgeben können, insbeson­ dere da diese über hinreichend sachverständiges Personal verfügen. Ohne die grundsätzliche Problematik der Macht und des Einflusses der Banken an die­ ser Stelle ausbreiten zu können, ist der Unterschied zum amerikanischen Bankrecht zu betonen16. Dort gibt es kein Allfinanzbankensystem, sondern trotz gewisser Lockerungen eine Spartentrennung in der Kreditwirtschaft, insbesondere eine Trennung von finance banking und Investment banking. Die Banken sind in den USA nicht am Prozeß der Mehrheitsbildung in den Anteilseignerversammlungen der Publikumskorporation beteiligt. Die proxy machinery liegt vielmehr in den Händen der Verwaltungen, die jedoch ein Korrektiv besitzt in den strengen Publizitätsregeln auf der Grundlage von § 14 Sec.Exch.Act17 im Falle einer Einforderung von Stimmrechtsvoll­ machten18. Der Einfluß der Banken in den USA ist im wesentlichen auf die Funktion des Kreditgebers begrenzt. In Deutschland besteht demgegenüber eine mehrfache Verflechtung und Abhängigkeitsbeziehung von Banken und Gesellschaften. Diese liegt begründet im Bankendepotstimmrecht, im eige­ nen Industrieanteilsbesitz der Banken — auch über hauseigene Investment­ fonds - sowie in ihrer Funktion als Intermediär bei der Beschaffung von Ei­ gen- und Fremdkapital. Dieses Interessengeflecht schließt die wirksame, an objektiven Kriterien orientierte Aufsicht nachgerade aus. Es fehlt schon an den gesetzlichen Grundlagen, die Bankenvertreter in den Aufsichtsräten dazu anhalten würden, ihre Aufsichtsfunktionen in einem das bankeneigene Inte­ resse übersteigenden Maße auszuüben. Der unüberhörbare Ruf nach einer Beschränkung dieses Einflusses muß es wenigstens als zweifelhaft erscheinen lassen, daß Banken wirksamer beaufsichtigen können als andere. 3. Zu untersuchen bleibt, ob sich ein anderer Lösungsansatz über die Stel­ lung und die Aufgaben des Abschlußprüfers gewinnen läßt. Vorgeschlagen wird zur Steigerung der Kontrolleffizienz eine Intensivierung der Zusam­

15 Gerade aus ökonomischer Sicht Stützel, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 20/11 n.F., hrsg. von Arndt, 1960, S. 907 (914 ff.). 16 Dazu monographisch Baums, Verbindungen von Banken und Unternehmen im ame­ rikanischen Wirtschaftsrecht, 1992. 17 15 U.S.C. § 78n. Siehe ferner Rule 14a-9, 17 C.F.R. § 240.14a-9. 18 Dazu oben § 12 I 4b.

menarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlußprüfer19. Zudem soll die Haftung des Abschlußprüfers nach § 323 HGB eine überaus heilsame Wir­ kung entfalten. Dennoch ist das Leistungsvermögen des Abschlußprüfers in der corporate govemance nüchtern zu bewerten: Er ist seiner Aufgabenstel­ lung nach kein Ombudsmann für die Gesellschaft, die Gesellschaftsgläubi­ ger, die Minderheitsaktionäre oder gar für die Allgemeinheit. Er wirkt an der Erstellung des Jahresabschlusses mit und hat kein Wächteramt hinsicht­ lich der gesetzes- und statutenkonformen Verwaltung der Gesellschaft. Ge­ genstand des Prüfungsauftrages ist gemäß § 317 HGB die Rechnungslegung der Gesellschaft unter Einschluß ihrer dem Jahresabschluß zugrundeliegen­ den Buchführung. Der Bestätigungsvermerk soll insbesondere Aufschluß darüber erbringen, daß der Jahresabschluß unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entspre­ chendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesell­ schaft vermittelt (§ 322 Abs. 1 HGB). Das Tätigwerden eines Abschlußprü­ fers setzt voraus, daß die Gesellschaft prüfungspflichtig ist im Sinne der §§ 267, 316 Abs. 1 HGB. Insgesamt sind die Kontrollmöglichkeiten des Ab­ schlußprüfers und die Wirksamkeit der gegen ihn gerichteten Haftung mit Zurückhaltung zu beurteilen. Zum einen besitzt der Abschlußprüfer nicht die nötige Unabhängigkeit. Er verdankt sein Amt letztlich der Mitgliedermehr­ heit (§ 318 Abs. 1 HGB), und er ist abberufbar. Das Kontrollpotential des Abschlußprüfers wäre zu steigern, sofern es gelingt, ihm eine unabhängigere Stellung zu verschaffen. Dazu wären die Bestellungs- bzw. die Abberu­ fungskompetenzen aus § 318 HGB zu modifizieren. Es müßte sichergestellt sein, daß die Gesellschaft sich nicht einen ihr "genehmen" Prüfer aussuchen kann, sondern daß dieser aufgrund eines ex ante festliegenden Prüfungsver­ teilungsplans zu seinem Prüfungsauftrag kommt analog zur Einrichtung des gesetzlichen Richters. Die Verantwortlichkeit des Abschlußprüfers nach § 323 HGB ändert an diesem Befund nichts, insbesondere macht sie den Ab­ schlußprüfer nicht zum Garanten für eine gesetzes- und statutengerechte Ge­ schäftsführung über die Rechnungslegung und Buchführung hinaus. Durch § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB ist die Einstandspflicht von vornherein begrenzt20. Ganz davon abgesehen ist ein Ersatzanspruch - wiewohl er versicherbar

19 Aus dem neueren Schrifttum Hopt, Festschrift für Mestmäcker, 1996, S. 909 (913 f.); Lutter NJW 1995, 1133; DÖRNER/OSER DB 1995, 1085; Frerk AG 1995, 212 (217 f.); Funke ZIP 1996, 1602; Forster AG 1995, 1. 20 Vgl. Baumbach/Hopt, Komm.z.HGB, 29. Aufl. 1995, § 323 RdNr. 9: unangemes­ sen niedrige Haftungsobergrenze in Abs. 2; daher keine Erstreckung auf konkurrierende Deliktsansprüche im Wege der Analogie. Im übrigen steht § 324 Abs. 4 HGB einer Ver­ sicherung des Haftungsrisikos des Abschlußprüfers nicht entgegen.

ist21 - für den Geschädigten immer nur so viel wert wie die Bonität des je­ weils zum Ersatz verpflichteten Schuldners. Außerdem trifft den Ersatzgläu­ biger die Last, seinen Schaden quantifizieren zu müssen.

4. Zu denken ist schließlich an eine Aufsicht durch staatliche Behörden. Dieses Model dominierte in der Tat bei den Aktiengesellschaften und Genos­ senschaften im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Es stand allerdings für ein heute überholtes System der Körperschaftsbildung, die sich nicht frei und unter Geltung von Normativbedingungen vollziehen konnte, sondern von ei­ ner staatlichen Konzessionserteilung abhing. Unter der Geltung des Konzes­ sionssystems glaubte sich der Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts erfolg­ reich der Konkurrenz wirtschaftlich oder sozial mächtiger Korporationen er­ wehren zu können. Auch wenn dieses Konzept mittlerweile überwunden ist, halten sich doch noch Relikte dieser staatlich-administrativen Aufsicht über die Verbände. Zu nennen sind hier nur das Kartellrecht oder das Börsen- und Kapitalmarktrecht mit dem neu errichteten Wertpapieraufsichtsamt (§§ 3 ff. WpHG), das der amerikanischen Securities and Exchange Commission nach­ empfunden ist. Die Existenz von staatlich-administrativen Aufsichtsinstan­ zen fordert die Frage heraus, ob diese Aufsicht neben die Kontroll- und Kla­ gerechte von Mitgliedern bzw. Anlegern tritt oder ob sie die subjektiven Rechte zu schützender Betroffener nicht überhaupt ersetzen soll. Das ameri­ kanische Recht hat sich mit Vorbedacht für die erste Alternative entschieden. Die Aufsichts- und Klagebefugnisse sollen den Schutz der Kapitalanleger verbessern, deren privatrechtliche Ausgleichsansprüche im übrigen aber un­ berührt lassen. Allerdings mußte der Supreme Court gewissen Versuchen und Versuchungen, die privaten Klagerechte - vor allem die implied causes of action im amerikanischen Recht der Securities Regulation22 - ins Ufer­ lose auszudehnen, ihre Grenzen aufzeigen23, ohne jedoch die Idee der pri­ vaten Klagerechte in ihrer institutionellen Relevanz in Zweifel zu ziehen. Bemerkenswert ist, daß das amerikanische Recht für diese privaten Klage­ rechte stets auch die adäquaten Klageformen ausgeprägt hat. Im Gesell­ 21 § 54 der Wirtschaftsprüferordnung verpflichtet Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, eine Berufshaftpflichtversicherung gegen die Zufügung von Vermögensschäden, die mit dem berufstypischen Tätigkeiten im Zusammenhang stehen, abzuschließen; Einzel­ heiten bei Land, Wirtschaftsprüferhaftung gegenüber Dritten in Deutschland, England und Frankreich, 1996, S. 104 ff. 22 Zur Entwicklung siehe M. Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 755 (856 ff.). 23 Gemeint ist die Prozeßlawine, die auf die Gerichte in den siebziger Jahren zugerollt ist mit Rule 10b-5 als Anspruchsgrundlage; zum Ganzen Cort v. Ash, 422 U.S. 66, 95 S.Ct. 2080 (1975) sowie Virginia Bankshares, Inc. v. Sandberg, 501 U.S. 1083, 111 S.Ct. 2749 (1991).

schaftsrecht war das die derivative suit, im Kapitalmarkt- und im Wettbe­ werbsrecht konnte man auf die im Deliktsrecht bewährte dass action zurück­ greifen. Die parallele Entwicklung im deutschen Recht bleibt einstweilen ab­ zuwarten. Das WpHG verhält sich gegenüber den privaten Klagerechten der Anleger nicht sehr aufgeschlossen. Die Normen des neuen Gesetzes sollen nach verbreiteter Auffassung keine materielle Schutzgesetzqualität im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB besitzen24. Dadurch ist ihre Durchschlagskraft nicht nur im Interesse der Geschädigten vermindert25. Konkret beurteilen läßt sich die Effizienz der staatlich-administrativen Aufsicht in einem Randbereich des deutschen Verbandsrechts, nämlich im Stiftungsrecht. Dort hat man das mit­ gliedschaftsgetragene Aufsichtsmodel praktisch preisgegeben. Es herrscht eine Staatsaufsicht bewehrt durch eine Staatshaftung anstatt einer Aufsicht durch die Begünstigten (Destinatärsaufsicht) bewehrt durch eine Haftung der privatrechtlich Verantwortlichen26. Dieser verhängnisvolle Ausbruch aus dem privatrechtlichen Kreislauf läßt sich nicht unter Hinweis auf das Wesen der Stiftung rechtfertigen. Die Vorenthaltung jeglicher Klagerechte zugun­ sten der Stiftungsdestinatäre ist nicht von der Konzeption des BGB-Stiftungs­ rechts gedeckt27.

5. Vom Stiftungsrecht abgesehen stehen durch alle Verbände hindurch ohne Rücksicht auf den Verbandstypus und die Rechtsform die Mitgliederrechte als Kontrollinstrumente zur Verfügung. Die hier behandelten Verbände sind ausnahmslos Veranstaltungen des Privatrechts. Die andauernde Debatte um die Verantwortlichkeit der unternehmenstragenden Gesellschaften für Ar­ beitsplätze, Industriestandorte oder Infrastrukturen ändert daran nichts. Das 24 ASSMANN/CRAMER, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), Komm.z.WpHG, 1995, § 14 RdNr. 107 ff. 25 Der Zusammenhang zwischen Klagebefugnis, Klagenorm und Verfahrensrahmen wird mustergültig herausgearbeitet von Buxbaum, Die private Klage als Mittel zur Durchsetzung wirtschaftspolitischer Rechtsnormen, 1972, besonders S. 30 ff. Im deutschen Schrifttum hat diese Abhandlung leider nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit gefunden. 26 Siehe dazu nur BGHZ 68, 142. Trotz der Staatsaufsicht mit der Folge der Staatshaf­ tung aus Art. 34 GG in Verbindung mit § 839 BGB bei nicht gehöriger Stiftungsaufsicht und adäquat kausaler Schädigung der Stiftung muß diese sich nach Auffassung der Recht­ sprechung auf ihren Amtshaftungsanspruch ein Verschulden der Stiftungsorgane anrechnen lassen gemäß §§ 254, 86, 31 BGB. Diese paradoxe Auffassung bewirkt, daß der Stiftung ein Organverschulden zugerechnet wird, obwohl nur das Einschreiten der staatlichen Aufsichts­ behörde die Schädigung überhaupt abwenden kann, kritisch auch Hof, in: Seifart (Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts, 1987, § 11 RdNr. 328 ff. mit Nachweisen. Zum Konzept der exklusiven Staatsaufsicht paßt schließlich die Vorenthaltung jedweder Klagebefugnisse der Destinatäre zugunsten der Stiftung. 27 Anders aber BGHZ 99, 344, wonach es vom jeweils anwendbaren Landesrecht bzw. vom Stifterwillen abhängen soll, ob den Destinatären Klagerechte hinsichtlich der Verwal­ tung des Stiftungsvermögens oder wegen einer Schädigung der Stiftung zustehen.

Bestimmungsrecht der Mitglieder und der von ihnen bestellten Funktionäre verankert die Aktiengesellschaft im Privatrecht unbeschadet der Arbeit­ nehmermitbestimmung in den Aufsichtsräten. Die aus der Vereinigungsfrei­ heit resultierenden Konflikte bleiben sich in ihren Grundstrukturen gleich, mögen auch ihre Beschreibungen oder Äußerungen variieren28. Am besten ist das bei der (Publikums-)Aktiengesellschaft verifizierbar, wo die wider­ streitenden Interessen am entschiedensten aufeinanderprallen. Im Kontext der Mitgliederrechte manifestiert sich die Frage nach dem Standort der Aktien­ gesellschaft und nach der corporate govemance in den vielgestaltigen Versu­ chen, die AG von ihrem mitgliedschaftlichen Substrat abzuheben. Die nach­ haltigste Bestrebung dieser Art ist die Figur eines Unternehmens an sich29, die den Einfluß der Aktionäre dadurch eliminieren will, daß sie das Unter­ nehmen von seinem Träger löst. In den USA hat es die Versuche der Abhebung der Corporation von den Shareholders ebenfalls in Zeiten des wirtschaftlich-gesellschaftlichen Um­ bruchs gegeben30. Es ist kein Zufall, daß das Abrücken vom Denken in pro­ perty rights immer dann Platz greift, wenn das Vertrauen in das Steuerungs­ vermögen des Marktes oder in die Gestaltungskraft der privatrechtlichen In­ stitutionen schwindet oder wenn die Aktiengesellschaft in die Dienste der Kriegswirtschaft gestellt werden soll, wie in Deutschland während des Ersten Weltkrieges. Die kriegswirtschaftlichen Bedürfnisse jener Zeit haben solche Bestrebungen in Deutschland früher aufgedeckt als in den USA. Dieselben Tendenzen sind unter verschiedenen Vorzeichen aufgetreten: ging es in Deutschland um die Verlagerung der Produktion von Konsum- auf Rüstungsgüter, so ging es in den USA um die Definition einer corporate social responsibility. In den USA, wo man die Corporation stets als einen Anwendungsfall des Trustprinzips verstanden hat, lautete die Rechtsfrage, zu wessen Gunsten die Trustbeziehung besteht31. Dessenungeachtet ist das Recht der Publikumskorporation in den USA immer privatrechtszentriert geblieben. Zu erinnern ist nur an den von der Rechtsprechung an der Wiege des modernen Korporationenrechts aufgestellten Satz, daß die Corporation ein Vertrag zwischen den Gründern und dem sie - nach früherem Verständ­ nis - konzessionierenden Staat ist. In die Rechtsbeziehungen der Gründer

28 Dazu oben § 16 II 2. 29 Zusammenfassend Riechers, Das "Unternehmen an sich”, 1997, besonders S. 147 ff. zur Kritik an diesem Ansatz. 30 Berle/Means, The Modem Corporation and Private Property, New York 1932 (Nachdrucksausgabe 1982), S. 127 ff. 31 Dodd, For Whom are Corporate Managers Trustees?, 45 Harv.L.Rev. 1145 (1932); Berle, For Whom Corporate Managers are Trustees, 45 Harv.L.Rev. 1365 (1932).

darf die staatliche Regulierung nicht nach Belieben eingreifen32. Der privat­ rechtliche Kern hat sich bis heute erhalten und findet seine Bestätigung in der ökonomischen Analyse der Corporation, die diese gedanklich und erkennt­ nistheoretisch in ein Netzwerk von vertraglichen Einzelbeziehungen zerlegen will. Trotz aller in der Wissenschaft vorgetragenen Versuche, die Publi­ kumskorporation einer besonderen Allgemeinwohlbindung zu unterwerfen und soziale Gruppen wie Arbeitnehmer, Verbraucher oder Kreditgläubiger an den Entscheidungsprozessen in der Corporation zu beteiligen, hat die Rechtsprechung daran festgehalten, daß es Aufgabe der auf Erwerb angeleg­ ten Corporation ist, der Wohlfahrtsmehrung ihrer Shareholders zu dienen33. Entsprechend hat der shareholder einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Gewinnausschüttung und kann eine Entscheidung angreifen, wonach der er­ wirtschaftete Gewinn zum Bau von Sozialeinrichtungen für die Belegschaft zu verwenden ist, sofern hierfür keine satzungsmäßige Grundlage existiert. Gegenwärtig versucht man, die Mitgliederrechte durch Einführung eines Mißbrauchsvorbehalts zurückzudrängen34, wobei eine Bindung dieser Miß­ brauchskonzepte an Verhältnismäßigkeitskriterien kaum in Erwägung gezo­ gen wird. Dabei gestaltet sich die Grenzziehung zwischen Gebrauch und Mißbrauch nicht in der Schärfe, wie dies die herrschende Meinung vorgibt. Es entsteht eine gefährliche Grauzone, weil die Standards verwischen. Ver­ einzelt wird jetzt vorgeschlagen, daß schon treuwidrig erhobene Anfech­ tungsklagen unstatthaft sind35. Die Flucht in die Generalklausel der gesell­ schaftlichen Treupflicht ist hier besonders verhängnisvoll, zumal die Miß­ brauchsrechtsprechung sie nicht gebietet. Die Treupflicht verlangt in diesem Zusammenhang von jedem Gesellschafter entsprechend seinen Möglich­ keiten, der Gesellschaft keinen Schaden zuzufügen oder solchen von ihr ab­ zuwenden. Für das letztere ist ihm aber das Anfechtungsrecht gerade an die Hand gegeben. Die Lösung des Konflikts muß nicht zwingend in einer Aberkennung der Klagebefugnis bestehen, wie § 16 Abs. 3 UmwG jetzt zeigt36. Hier beweist sich die Wichtigkeit des Beitrags des Verfahrensrechts. Schließlich verdeutlicht die amerikanische Praxis im Umgang mit den strike suits37 die VorzugsWürdigkeit einer verfahrensrechtlichen Lösung, die dort nicht in einer Verfahrenseingangskontrolle, sondern in einer Ausgangs­ 32 Trustees of Dartmouth College v. Woodward, 4 Wheaton (U.S.) 518, 627 ff. (1819). 33 Grundlegend Dodge v. Ford Motor Co., 170 N.W. 668, 3 A.L.R. 413 (Mich. 1919). 34 BGHZ 107, 296 - “Kochs Adler“ und die Folgerechtsprechung zu den mißbräuch­ lichen Anfechtungsklagen. 35 Karsten Schmidt, in: Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. 1995, § 245 RdNr. 52; weiter­ gehend Werner, Festschrift für Semler, 1993, S. 419 (425 ff.). 36 Zu § 16 Abs. 3 UmwG 1994 siehe oben § 21 V 3b. 37 Oben § 7 I 2 sowie § 9 IV.

kontrolle besteht. Danach steht die wirksame Verfügung über das Prozeßfüh­ rungsrecht hinsichtlich eines einmal eingeleiteten Verfahrens unter der für­ sorglichen Aufsicht des Prozeßgerichts38. Das materielle Klagerecht bleibt damit unangetastet. Dem öffentlichen Bezug des Rechtsbehelfs wird Rech­ nung getragen, die Belange der Gesellschaftsgläubiger und der Gesellschaft, aus deren Recht sich die Klagebefugnis ableitet, bleiben gewahrt. Das deut­ sche Lösungsmodell des Rechtsmißbrauchs des Anfechtungsrechts39 ist im Vergleich dazu erheblich unflexibler, zumal es Vergleichsmöglichkeiten zwi­ schen Kläger und Gesellschaft weitgehend verstellt40. Die Suche nach dem effizientesten und verhältnismäßigsten Aufsichtsmo­ del präsentiert die Mitgliederrechte in einem facettenreichen Licht. Viele Funktionen, die scheinbar zufällig nebeneinander stehen, erweisen sich bei näherer Betrachtung als aufeinander bezogen. Das Mitglied nimmt mit der Ausübung seiner verbandlichen Individual- und Klagerechte nicht nur seine persönlichen Belange wahr, sondern handelt zugleich in Verfolgung der In­ teressen des Verbandes sowie im Interesse der Gesamtrechtsordnung, die die Existenz des Verbandes letztlich garantiert und deren Maßgaben er sich un­ terzuordnen hat41. Diese überindividuelle, fremdnützige Komponente be­ grenzt die eigennützigen Berechtigungsausschnitte der mitgliedschaftlichen Rechte, die jedoch den unverzichtbaren Anreiz für das Mitglied schaffen, die Bürde der Rechtsverfolgung auf sich zu nehmen42. Die dualistische Konzep­ tion hat Weiterungen, die erheblich über das Privatrecht hinausragen, des­ halb aber mit seinen Zielen nicht inkompatibel sind. Diesem Verständnis der Mitgliederrechte kommt eine gleichsam basisdemokratische Legitimation für die Kontrolle von Machtausübung im Verband und von einer Machtausübung durch den Verband zu. Die Vorzugs Würdigkeit eines mitgliedschaftsvermit­ telten Kontrollansatzes bestätigt sich ferner in der ökonomischen Analyse des Rechts: In deren Sicht stehen sich die rivalisierenden Prinzipien des Marktes (des Austauschvertrages) und der Organisation (des Unternehmens) gegen­ über. Die Organisation entzieht wirtschaftliche Prozesse dem Markt mit sei­ nen Steuerungs- und Aufsichtsmechanismen. Die Mitgliederrechte sind ge­ eignet, eine Brücke zwischen Markt und Organisation zu schlagen, weil

38 Näher zum court approval oben § 9 I. 39 BGHZ 107, 296 - "Kochs Adler". 40 Eingehend oben § 21 III. 41 KNOBBE-KEUK, Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 239 (255 am Ende). 42 Zum Problem der Anreizstrukturen, die im deutschen Recht regelmäßig vernachläs sigt bleiben, Guntz, Treubindungen von Minderheitsaktionären, 1997, S. 272 ff.

durch sie dem zentralisierten Management eine dezentrale Aufsichtsinstanz gegenübertritt43.

III. Mitgliederpartizipation und Leitungsgewalt Das Konzept der Mitglieder- und Kontrollrechte ist mit der Leitungskom­ petenz der Verwaltung in Einklang zu bringen, insbesondere ist der Frage nachzugehen, wem das letztverbindliche Entscheidungsrecht zusteht und in welchem Umfange Maßnahmen justitiabel sind. Im deutschen44 wie im ame­ rikanischen Recht45 wird dazu im wesentlichen übereinstimmend behauptet, der Verwaltung solle ein Bewertungs- und Letztentscheidungsvorrecht zuste­ hen, weil sie letztlich besser Bescheid wisse: Dafür spreche die entspre­ chende berufliche Vorbildung der Manager, die Erfahrung in geschäftlichen Angelegenheiten und die permanente Vertrautheit mit dem Stand der Ge­ schäfte vor Ort. Dieses Argument hat auf den ersten Blick viel Anziehungs­ kraft, dennoch verfehlt es den Kern der Dinge. Das Entscheidungsvorrecht gründet sich nicht auf eine überlegene Sachkompetenz, sondern auf die Be­ troffenheit von einer Entscheidung. Unternehmerische Richtungsentschei­ dungen sind vielfach Prognoseentscheidungen, die nur beschränkt rational sind und Risikofaktoren abwägen müssen. Vielfach reichen solche Entschei­ dungen in den Bereich des Spekulativen. Über ein Risiko aber soll derjenige befinden, der es letztendlich zu tragen hat. Wie nach allgemeinem bürger­ lichen Recht gilt, daß der Inhaber eines Rechts oder eines Gutes — nach ob­ jektiven Maßstäben - selbst unvernünftig über dessen Gebrauch entscheiden darf. Die Verwaltung ist Beauftragter oder Trustee der Mitglieder. Des­ wegen gilt der Grundsatz des § 665 BGB: Die Funktionäre haben sich der Bestimmungsgewalt der Eigentümer unterzuordnen, nicht umgekehrt. Das ist die Quintessenz aus Art. 9 Abs. 1 GG. Entsprechend Art. 20 Abs. 2 GG geht alle Verbandsgewalt von den Mitgliedern aus. Die Art. 9 Abs. 1 GG, § 25 BGB gewähren den Mitgliedern das unantastbare Recht, sich in die ver­ bandlichen Angelegenheiten einmischen zu dürfen. Aus § 76 Abs. 1 AktG und § 27 Abs. 1 GenG folgt nichts anderes, weil sich diese Normen dem dargelegten Prinzip ungeachtet ihres Wortlauts beu­ 43 Näher Vanberg, Markt und Organisation, 1982, S. 76 ff.; P. Behrens, Die öko­ nomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 254 ff. 44 In Deutschland hat die Diskussion dieser Fragen im Gefolge von BGH ZIP 1997, 883 - "ARAG/Garmenbeck" gerade begonnen. Aus der Literatur Hopt, Festschrift für Mest­ mäcker, 1996, S. 909 (919 ff.); Nirk, Festschrift für Boujong, 1996, S. 393 mit weiterfüh­ rendem Schrifttum in FN 4. 45 Zusammenfassend American Law Institute, Principles of Corporate Govemance: Analysis and Recommendations, Band 2, 1994, § 7.

gen müssen. Für die Grundlagenkompetenzen der Aktionäre ist dies aner­ kannt. Über den Katalog des § 119 Abs. 1 AktG hinaus existieren unge­ schriebene Hauptversammlungszuständigkeiten46. Das Leitungsermessen der Verwaltung kann die Aktionäre nicht verdrängen. Die Bestimmungsgewalt der Mitglieder hat das stärkere Recht gegenüber dem Leitungsermessen der Verwaltung und setzt sich diesem gegenüber durch. Das betrifft namentlich den Grundlagenbereich, wie etwa Verschmelzungen, wo die Verwaltung das Entscheidungsrecht der Mitglieder nicht präjudizieren darf47. Es gibt dem­ nach einen Entscheidungsbereich, der durch unternehmerisches Ermessen gekennzeichnet und legitimiert ist, und ein Reservat treuhänderisch gebunde­ ner Entscheidungszuständigkeiten. Dies gilt für das deutsche wie für das amerikanische Recht, welches den gleichen Fragenkomplex unter der business judgment rule abhandelt48. Die Zusammenfassung von unternehme­ risch eingesetztem Kapital und dessen Verwendung auf sich rasch wandeln­ den Märkten durch ein zentralisiertes Management bedingen diesen kauf­ männischen Ermessensspielraum, der die Verwaltung davor bewahrt, zum Garanten des wirtschaftlichen Erfolges zu werden. Abweichend von den all­ gemeinen Grundsätzen ist das Ermessen der verbandlichen Entscheidungsträ­ ger bezüglich der Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu beurteilen49. Das rechtliche Können ist von den Korporationsgesetzen50 stark betont; den­ noch erlaubt es keine Gleichsetzung mit dem rechtlichen Dürfen. Entspre­ chend ist die Vertretungsmacht der Verwaltungsorgane zu begrenzen. Ins Außenverhältnis schlägt die Begrenzung durch bei kollusivem Gebrauch oder bei einem für den Dritten erkennbaren Mißbrauch bzw. im Falle eines offen­ sichtlichen Überschreitens der Vertretungsmacht51. Im Bereich der Grund­ lagenkompetenzen greift diese Beschränkung erst recht Platz angesichts der unabdingbaren Mitwirkungsbefugnisse der Mitglieder. Für das deutsche Recht ist ebenfalls von einem Freiraum für unternehme­ rische Ermessensentscheidungen auszugehen, selbst wenn die Organisations­ gesetze diesen nicht definieren. Er folgt aus der Natur der Sache. Ob es zu­ 46 BGHZ 83, 122 (130 ff., 137 ff.) - "Holzmüller". 47 Sehr anschaulich lassen sich diese Zusammenhänge im amerikanischen Recht der Cor­ poration nachweisen anhand der Entscheidung Jewel Companies v. Pay Less Drug Stores Northwest, 741 F.2d 1555 (9th Cir. 1984), wo im genau gegenteiligen, falschen Sinne ent­ schieden wurde; richtig hingegen Buxbaum, The Internal Division of Powers in Corporate Govemance, 73 Calif.L.Rev. 1671, 1698-1709 (1985); im übrigen siehe oben § 11 II. 48 Zum Ganzen oben §11. 49 Großzügig das amerikanische Recht, das einem independent litigation committee weitreichenden Ermessensschutz zugesteht (oben § 7 II 6), deutlich enger dagegen für das deutsche Recht BGH ZIP 1997, 883 - "ARAG/Garmenbeck". 50 8 Del.Code § 141; § 76 Abs. 1 AktG. 51 Allgemein BGHZ 50, 112 = NJW 1968, 1379.

trifft, daß die business judgment rule des amerikanischen Rechts den board of directors besser stellt als die Verwaltung von AG und GmbH in Deutsch­ land, mag dahinstehen52. Auffallend ist jedenfalls, daß es in Deutschland in der Vergangenheit keine annähernd vergleichbare Anzahl von Haftungspro­ zessen gegen Verwaltungsmitglieder gegeben hat, was wohl eher dafür zu sprechen scheint, daß man die Anforderungen an das Verhalten eines or­ dentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters — trotz seiner Entlastungs­ pflicht gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG53 — großzügiger auslegt54. Vielleicht hängen die Unterschiede zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Recht in puncto Geschäftsleiterermessen einfach damit zusammen, daß das amerikanische Recht bezüglich der Rechtsdurchsetzung weniger zaghaft ist55. Es entspricht einer alten Erfahrung, daß der Grad der Differenziertheit der Verhaltensmaßstäbe davon abhängt, ob die korrespondierenden Sank­ tionen wirklich greifen. Für das amerikanische wie für das deutsche Recht gilt, daß kein Ermessensschutz besteht, sofern sich ein Verwaltungsmitglied außerhalb seiner gesetzlichen oder statutarischen Kompetenzen bewegt oder gesetzwidrig handelt.

IV. Der geeignete Verfahrensrahmen Die sensible Frage der Justitiabilität unternehmerischer Ermessensent­ scheidungen verbindet sich mit der Suche nach dem geeigneten Verfahrens­ rahmen. Im amerikanischen Gesellschaftsrecht ist das Trustdenken ein Ga­ rant für die sichere Bewältigung der durch die Mitgliederrechte zu lösenden Konflikte. Dies gilt einmal für die Bindung der Verwaltung nach materiellem Recht: Die Verwaltung hat eine Aktionsberechtigung (power of manage­ ment) über fremde Vermögensberechtigung (right of enjoyment)56. Die im Außenverhältnis überschießende Rechtsmacht der Verwaltung ist im Innen­ 52 In diesem Sinne Hopt, Festschrift für Mestmäcker, 1996, S. 909 (920 f.). 53 Zum Diskussionsstand Goette ZGR 1995, 648 mit einer ausführlichen Analyse der Rechtsprechung von RG und BGH. 54 Wenn man einem namhaften deutschen Großbankier, der selbst in vielen Aufsichts­ räten saß, Glauben schenken darf, ist es unter der Geltung deutschen Rechts einfacher, eine Sau am eingeseiften Schwanz zu packen, als ein pflichtvergessenes Aufsichtsratsmitglied er­ folgreich auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. 55 Im amerikanischen Recht gewährt die business judgment rule dem Boardmitglied zwar einen safe harbor. Die richtungweisende Entscheidung Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del. 1985) hat indessen gezeigt, daß der sichere Hafen erst erreicht sein will und keinesfalls ein bequemes Ruhekissen bietet. 56 Siehe dazu Jahr, Gedächtnisschrift für Kunkel, 1984, S. 69 (74 ff.); Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 1969, S. 53 ff., besonders für die Aktiengesellschaft S. 193 ff.

Verhältnis fiduziarisch gebunden. Eine Überschreitung dieser fiduziarischen Bindungen setzt den trustee verschiedenen privatrechtlichen Sanktionen aus. Die Rechtsbehelfe stehen dem beneficiary als dem natürlichen Interessenträ­ ger zu. Dabei handelt es sich um ein allgemeines und weittragendes Struk­ turprinzip des amerikanischen Rechts. Es gilt für sämtliche Trustbezie­ hungen, für die Corporation, die partnership, die rechtliche Stellung des Insolvenzverwalters (trustee in bankruptcy) zur Konkursmasse sowie für die Stiftung in seinen jeweiligen Ausprägungen und ohne Rücksicht darauf, ob andere Instanzen oder Aufsichtsträger — beispielsweise die staatliche Stif­ tungsaufsicht oder die Kapitalmarktaufsichtsbehörde SEC - gleichgerichtete Befugnisse besitzen oder geltend machen. Im allgemeinen Trustrecht ist das die surcharge action. Sie verdeutlicht eine immanente Schranke der Trust­ konzeption: Die Verdrängung des beneficiary aus der Verwaltung durch den trustee darf niemals soweit reichen, daß die Aktionsberechtigung dem trustee einen breach of trust ermöglicht, der infolge der Kompetenzverteilung sank­ tionslos bliebe. Eine Verletzung der fiduciary duties bewirkt, daß der benefi­ ciary gleichsam aus seinem Schatten hervortritt und Vertretungsbefugnis für das Trustvermögen gewinnt. Das Gesellschaftsrecht bedient sich mit gering­ fügigen Modifikationen der gleichen Mittel: Die Kompetenzen der Verwal­ tungsorgane bzw. der Majorität sind treuhänderisch begrenzt. Die fiduzia­ rische Bindung ist flankiert durch Klagebefugnisse, im Gesellschaftsrecht speziell in Gestalt der derivative suit. Das amerikanische Beispiel zeigt mustergültig auf, wie materielles Recht und Verfahrensordnung Hand in Hand gehen müssen. Im deutschen Recht sind diese Zusammenhänge einstweilen nicht in glei­ cher Weise geordnet oder wissenschaftlich durchdrungen. Dies ist nur zum Teil darauf zurückzuführen, daß der Trust als Institution des bürgerlichen Rechts unbekannt ist und daß sich die kontinentaleuropäischen Rechtsord­ nungen im Umgang mit dem Trust insgesamt schwer tun. Das im 19. Jahr­ hundert in Großbritannien und vor allem in den USA gewachsene Recht der Corporation moderner Prägung hat die Institution des Trust vorgefunden und sie in die Dienste des Gesellschaftsrechts stellen können. Dennoch ist das deutsche Recht im Begriff, eine ähnliche Richtung einzuschlagen mit den Treubindungen und Treupflichten, die wegen des andersartigen dogma­ tischen Umfeldes trustfrei zu entwickeln sind57. Für das deutsche Recht trifft es gleichermaßen zu, daß die Wirksamkeit und die Durchschlagskraft der 57 Siehe hierzu die programmatischen Urteile RGZ 132, 149 (163); BGHZ 103, 184 "Linotype" sowie 129, 136 - "Girmes" für die Aktiengesellschaft; zum Recht der GmbH BGHZ 65, 15 - "ITT" = NJW 1976, 191 mit Anm. Ulmer. Die letzte Entscheidung arbeitet die Zusammengehörigkeit von materiellem Recht und Verfahrensrahmen besonders anschaulich heraus.

materiellrechtlichen Standards ganz wesentlich vom zugehörigen prozes­ sualen Rahmen abhängen, in welchem die Kontrollrechte durchzusetzen sind. Die Anforderungen an diesen Verfahrensrahmen bleiben sich gleich, ob ein staatliches oder ob ein Schiedsgericht entscheidet. Eine schiedsrichterliche Entscheidungstätigkeit ist grundsätzlich zu fördern, weil sie zum verband­ lichen Selbstverwaltungsprinzip paßt. Das Schiedsverfahren gewinnt um so mehr an Attraktivität, je mehr Schiedsverbote fallen werden58. In dem Maße, in dem sich die Schutzzwecke auf anderem Wege erreichen lassen, darf man die Schiedsverbote zurücknehmen. Die Alternativen zum Schieds­ verbot bestehen u.a. in einem Optionsrecht entsprechend § 91 GWB59, in ei­ ner stärkeren Verrechtlichung des Schiedsverfahrens sowie in einer Inhalts­ kontrolle des Schiedsspruchs im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfah­ rens darauf, ob zwingende Verfahrens- und Sachnormen vertretbar ange­ wandt sind. Ebenso wie die Zukunft der Verbandsrechtsdogmatik dem rechtsformneu­ tralen Gesellschaftsrecht gehört, ist die Quelle für die Ausfüllung des Ver­ fahrensrahmens im Allgemeinen Teil des Verfahrensrechts bzw. in einer Allgemeinen Prozeßrechtslehre zu suchen60. Der Allgemeine Teil des Ver­ bandsrechts und die Allgemeine Prozeßrechtslehre ergänzen einander. Ein Kernstück dieses Allgemeinen Teils bilden de lege lata die §§ 241 ff. AktG, die jene rechtsformübergreifenden Ansätze in materiell- und in verfahrens­ rechtlicher Hinsicht bereits aufweisen. Das neue Umwandlungsgesetz liefert einen schlagenden Beweis für die Existenz jenes Allgemeinen Teils des Ver­ bandsrechts im Bewußtsein des Gesetzgebers. Hier sind zentrale Einrich­ tungen des Verbandsrechts etwa die Verschmelzung, die Ausgliederung und die Umwandlung in ihren Grundlagen rechtsformneutral kodifiziert. Das be­ trifft insbesondere die Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungs­ beschluß61. Der Allgemeine Teil als Kodifikationstechnik hat sich demnach in einer wichtigen verbandsrechtlichen Kodifikation konkret niedergeschla­ gen. Die Bedeutung des Verfahrensrechts und des geeigneten Verfahrensrah­ mens für die Effizienz der Gesellschafterrechte ist herausragend. Das ameri­ kanische Beispiel weist die Wichtigkeit der privaten Klagerechte als ein In­ 58 Zum amerikanischen Recht Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, 413 U.S. 614, 105 S.Ct. 3346 (1985); für das deutsche Recht siehe den vorgeschlagenen § 1030 Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Stand: 1. Juli 1995) sowie den Bericht der Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, 1994, S. 90 ff. 59 Vgl. oben § 22 II 2d und e. 60 Eindrucksvoll G. Lüke ZZP 107 (1994), 145. 61 Zweifelnd Timm ZGR 1996, 247 (254 ff.).

strument für die Durchsetzung ordnungspolitischer Interessen an vielen Stel­ len nach. Bei der Produkthaftung, beim Anlegerschutz und im Kartell- und Wettbewerbsrecht hat die dass action den Normen des materiellen Rechts erst zu ihrer eigentlichen Wirkungskraft verholfen, indem sie den zur Klage entschlossenen Geschädigten zum private attorney general gemacht hat. Die derivative suit ist das funktionsverwandte Gegenstück hierzu im Gesell­ schaftsrecht. Die parallelen Entwicklungen im deutschen Recht hinken einstweilen nach. Obwohl das subjektive Recht des Mitglieds, eine gesetzes- und statuten­ gerechte Betätigung des Verbandswillens zu verlangen, zum Allgemeinen Teil des Verbandsrechts gehört und im Zivilrechtsweg zu verfolgen ist, fin­ det sich sein verfahrensrechtlicher Rahmen nicht ausschließlich in der ZPO, sondern ist verstreut wie die konstitutiven Elemente jenes Allgemeinen Ver­ bandsrechts, die in mehreren Organisationsgesetzen beheimatet sind. Das ist nicht zuletzt deshalb so, weil verbandsrechtliche Aufsichtsstreitigkeiten, wie etwa solche um Beschlußmängel, Amtspflichtsverletzungen oder Kompetenz­ übergriffe, keine gewöhnlichen kontradiktorischen Streitigkeiten sind, für die der Ablauf des traditionellen Zweiparteienzivilprozesses ausreicht. Der Klä­ ger verwirklicht zwar seine subjektiven Rechte und seine persönlichen Präfe­ renzen, er erfüllt jedoch zugleich einen institutionellen Auftrag, nämlich die Erzwingung der Gesetzes- und Vertragsgemäßheit der Verwaltung. Hierin wird deutlich, daß die Prozeßführung ganz unterschiedliche Interessen be­ rührt, namentlich die solcher Personen, die nicht notwendig am Verfahren beteiligt sind. Die daraus resultierenden Konflikte lassen sich mit dem über­ kommenen Drittbeteiligungskonzept der §§66 ff. ZPO alleine nicht mehr bewältigen, weil sie nicht in jedem Falle für die notwendige Gewährleistung des rechtlichen Gehörs von Beteiligten am materiellen Streitverhältnis. sor­ gen62. Weiterhelfen mag hier die Allgemeine Prozeßrechtslehre, die davon ausgeht, daß jedem materiell Betroffenen auch verfahrensrechtlich eine sei­ ner Berechtigung entsprechende Stellung einzuräumen ist und daß notfalls, sofern die Parteien nicht selbst darauf hinwirken, das Gericht die Beteiligten von Amts wegen zu informieren oder sogar beizuladen hat63. Solche das Zivilverfahrensrecht ergänzenden Lösungen sind in den Verfahren des Ver­ bandsrechts bereits angelegt. Im übrigen sind sie aus dem öffentlichen Recht hinlänglich bekannt. Deutlich wird das in den §§ 241 ff. AktG, die nicht zu­ fällig Entsprechungen in den Klagearten des Verwaltungsprozeßrechts haben. Denn auch die Prozeßordnungen des öffentlichen Rechts besitzen jene janus­ köpfige Gestalt, die den Kontrollrechten eigen ist, nämlich einerseits die 62 Dazu BVerfGE 60, 7. 63 Vgl. BVerfGE 60, 7. Im übrigen siehe § 246 Abs. 4 AktG.

Verwirklichung der eigenen subjektiven Rechte des Klägers und andererseits die Erzwingung einer Verwaltungstätigkeit im Einklang mit Recht und Ge­ setz. Die letztere Funktion hebt diese Verfahren von den gewöhnlichen kon­ tradiktorischen Streitigkeiten ab und erfordert jene Ergänzungslösungen gegenüber dem positiven Normenbestand. Geht es in den Verfahrensord­ nungen des öffentlichen Rechts um die Kontrolle hoheitlicher Gewalt, so hat es der Verbandsprozeß zu tun mit der Kontrolle wirtschaftlicher und sozialer Machtstellungen sowie mit der Einhaltung der Grenzen verbandlicher Selbst­ verwaltung. Dies alles begründet die Analogiebasis. Als wesentliche Eckpunkte des Verbandsprozeßrechts lassen sich u.a. zu­ sammentragen: Rechtsanspruch auf schnelle Befassung durch das angerufene Gericht (Terminierungspräferenz) 64 wenigstens bei strukturverändernden Maßnahmen, Beschränkungen in der Dispositionsfreiheit der Parteien bezüg­ lich des Streitgegenstandes65, zwingende Gehörgewähr für die am materiel­ len Streitverhältnis Beteiligten durch das Gericht66, eine dem Verfahrens­ zweck angeglichene und über § 91 ZPO hinausgehende Prozeßkostentra­ gung67, Rechtskraftreichweite entsprechend § 248 AktG sowie bei schieds­ richterlicher Entscheidungszuständigkeit - die zu fördern ist - ein Options­ recht nach dem Vorbild von § 91 GWB68. Im einzelnen bedeutet das: die Drittbeteiligung ist unverzichtbar, um die Beteiligungsverhältnisse nach materiellem Recht mit denen nach Prozeßrecht zur Deckung zu bringen. Die wegen Art. 103 Abs. 1 GG erforderliche Drittbeteiligungskonzeption ist aber nicht der einzige Prüfstein für die Soli­ dität des Verfahrensrahmens. Zu einem passenden Verfahrensrahmen gehört wenigstens noch eine befriedigende Regelung der Kostentragung sowie eine stimmige Ordnung des einstweiligen Rechtsschutzes. Das gesamte System der Prozeßkostentragung ist für verbands- und kontrollrechtliche Streitigkei­ ten ebenfalls nur bedingt tauglich. Daraus zieht § 247 AktG die Folgerung, daß das Prozeßkostenrisiko für den Kläger beschränkt sein muß, damit er nicht von der Prozeßführung abgehalten wird69. Diese Abmilderung reicht aber noch nicht: Wenn der Kläger unterliegt, darf es nicht bei der rein pro­ zessual ausgerichteten Kostentragung des § 91 ZPO bewenden. Zu prüfen ist, ob dem Kläger nicht unter Umständen eine materiellrechtliche Kostener­ 64 Oben § 21 V 1. 65 Oben § 21 V 2. 66 BVerfGE 60, 7. 67 Siehe § 17 IV 4b und § 19 J V. 68 Oben § 22 II 2d. 69 Entsprechend § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG mit einer Regelstreitwerthöhe von 8000 DM für den Verwaltungsprozeß. Allerdings will BGH AG 1992, 320 den § 247 Abs. 1 AktG nicht im Vereinsrecht anwenden.

stattung zusteht, wenn er zwar unterliegt, der Gesellschaft aber dennoch einen Dienst erwiesen hat, indem er eine Streitfrage im Interesse aller Betei­ ligten einer endgültigen gerichtlichen Klärung zugeführt und damit Rechts­ frieden geschaffen hat. Der einstweilige Rechtsschutz im Verbandsprozeß kann ebenfalls aus den Verfahrensordnungen des öffentlichen Rechts Honig saugen. Hinzuweisen ist auf die hier vorgeschlagene Anlehnung an § 80 Abs. 5 VwGO70. Diese Richtung hat § 16 Abs. 3 UmwG 1994 eingeschla­ gen, ohne daß aber das strukturelle Verwandtschaftsverhältnis zu § 80 Abs. 5 VwGO erkannt ist. Überdies wäre von der Beachtung der Verwaltungs­ rechtsprechung zu § 80 Abs. 5 VwGO eine wertvolle Hilfestellung für die Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs in § 16 Abs. 3 Satz 2 Fall 3 UmwG zu erwarten71. Es kennzeichnet das Wesen der Allgemeinen Prozeßrechtslehre, daß sich ihre Einzelbausteine nicht in einer Verfahrensordnung wiederfinden, sondern daß zu ihrer Gewinnung eine wertende Zusammenschau in verschiedenen Prozeßordnungen notwendig wird. Für den Typus des Verbandsprozesses verstanden als justizförmiger Austragungsort für Streitigkeiten um innere Verbandskontrollkonflikte — sind zahlreiche Anleihen im Verwaltungspro­ zeß nötig und legitim im Hinblick auf die gemeinsamen Anliegen und Pro­ blemstellungen. Die VwGO als pars pro toto für die Prozeßordnungen des öffentlichen Rechts belegt, wie sich der Auftrag des materiellen öffentlichen Rechts (Kontrolle der Verwaltung) in den Verfahrensmaximen konkret nie­ derschlägt. § 65 VwGO zeigt, wie die Drittbeteiligung mit Blick auf die Gewähr rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verfassungskonform zu gestalten ist. Diese Aufgabe ist dem Verbandsprozeß ebenfalls gestellt, in welchem die Klagebefugnisse des Klägers nicht kongruent sind mit seiner Berechtigung nach materiellem Recht. Denn die Prozeßführung tangiert wenigstens mittelbar ebenso die Rechtsstellung anderer Mitglieder. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Verbands- und Verwaltungsprozeß tut sich in § 114 VwGO auf, nämlich in der Überprüfung von Entscheidungen von Organen, die ein besonderes Bewertungsvorrecht (business judgment) in An­ spruch nehmen. Die beschränkte Justitiabilität von Akten der verbandlichen Selbstverwaltung ist zwar verfahrensrechtlich nicht in einer Norm nach dem Muster von § 114 VwGO thematisiert, sie folgt aber dennoch aus Art. 9 Abs. 1 GG, § 25 BGB und ist prozessual entsprechend umzusetzen72. Hinter 70 Siehe oben § 21 V 3a. 71 Zur Kritik am Abwägungsmaßstab des § 16 Abs. 3 Satz 2 Fall 3 UmwG 1994 vgl. §21 V 3b. 72 Zur beschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit von Maßnahmen der verbandlichen Selbstverwaltung schon RGZ 127, 11 und BGHZ 13, 5. Beide Urteile betreffen den Aus­ schluß von Mitgliedern aus dem Verein, sie stehen indes stellvertretend für Maßnahmen der

§114 VwGO steht die Begrenzung der Zweckmäßigkeitskontrolle und der Ausschluß der Entscheidungssubstitution73. Es ist möglich, dem business judgment der Verwaltung und der Majorität — soweit dieses reicht - Rech­ nung zu tragen und den Mitgliederkontrollrechten ihren Raum zu geben. Schließlich enthalten die Prozeßordnungen des öffentlichen Rechts gute An­ sätze für eine befriedigende, weil interessenausgleichende Regelung des einstweiligen Rechtsschutzes, wo sich das Verbandsrecht vorläufig noch auf schwankendem dogmatischen Boden befindet. Im Verbandsrecht hängt daran die Registersperre bei den eintragungspflichtigen Grundlagenmaßnahmen und im weiteren die gesamte Problematik der rechtsmißbräuchlichen Anfech­ tungsklagen, die durch § 16 Abs. 3 UmwG 1994 nicht endgültig gelöst ist74.

V. Schlußblick Die Rückbesinnung auf die Funktionen und Potentiale der Gesellschafter­ rechte muß niemanden schrecken, insbesondere deshalb nicht, weil sie die Verbände und Gesellschaften nicht Nörglern, Besserwissern, räuberischen Aktionären oder notorischen Querulanten ausliefem. Die Aufgabe besteht darin, dem Gesellschaftsrecht als einem wirtschaftlich wichtigen Teil des Privatrechts die ungeschmälerte Bedeutung der subjektiven Rechte der Mit­ glieder zu erhalten und diese nicht pauschal vermeitlich wichtigeren Belan­ gen unterzuordnen oder zu opfern wie dem unternehmerischen Handlungs­ ermessen der Verwaltung, das kein Selbstzweck ist. Eine Erstreckung des Prinzips der Staatsraison - wonach der Zweck die Mittel heiligt oder der Nutzen die Geltungskraft der Rechtsnormen begrenzt - auf das Verbands­ recht ist abzulehnen. Auf die verfassungsrechtlichen Bezüge dieser Fragen war wiederholt hinzuweisen. Die Partizipation der Mitglieder bzw. die Kon­ trolle der Verwaltung verbindet sich im übrigen auf das Engste mit dem Stellenwert und der Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland, vor allem für die internationalen institutioneilen Investoren75, die in Deutschland keine anderen Standards hinsichtlich ihrer Rechte akzeptieren wollen als in anderen autonomen Verbandsgewalt. Sie belegen, daß die Ermessenskontrolle im gerichtlichen Ver­ fahren älter als § 114 VwGO und kein Spezifikum des Verwaltungsrechts ist, obwohl sie dort typischerweise zum Tragen kommt. Viel grundsätzlicher geht es um ein Gewaltentei­ lungsproblem im weiteren Sinne: Die beschränkte Justitiabilität erklärt sich aus dem Ent­ scheidungsvorrecht, das sich auf das Engste mit dem Selbstverwaltungsprivileg verbindet. Sie gilt nur für die Zweckmäßigkeitsentscheidung im Rahmen gegebener Rechtmäßigkeit der gewählten Handlungsalternative. 73 BGH ZIP 1997, 883 (885) erwähnt § 114 VwGO ganz beiläufig. 74 Hierzu oben § 21 V 3. 75 BAUMS/BUXBAUM/HOPT (Hrsg.), Institutional Investors and Corporate Govemance, 1994 oder Buxbaum, Festschrift für Steindorff, 1990, S. 7.

Staaten. Für diese Anlegergruppe darf man sicher ausschließen, daß sie aus querulatorischen Motiven Klagerechte ausüben und die Ausführung unter­ nehmerisch notwendiger Maßnahmen blockieren. Vielmehr tritt mit dieser Anlegergruppe den Verwaltungen ein Sachverstand gegenüber, der dem ei­ genen ebenbürtig ist. Gerade das Beispiel der institutionellen Anlegerschaft zeigt, daß sich der Wert der Mitgliederrechte nicht allein aus der Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem bzw. zwischen Mitglied und Verband er­ messen läßt, sondern daß ordnungspolitische Bewertungsgesichtspunkte hin­ zutreten, die die Fragestellung nicht auf die Mißbrauchsgefahren oder die unternehmerischen Effizienzverluste reduzieren. Bei Hinzunahme dieser weiteren Beurteilungsperspektive wird sehr schnell offenkundig, daß das sich im Sozialbereich engagierende Mitglied auch Bindungen eingeht, mit denen ein Mißbrauch kanalisierbar wird. Schon durch das Verfahrensrecht verän­ dert sich seine Stellung einschneidend. Als Kläger hat das Mitglied keine un­ umschränkte Herrschaft über den Streitgegenstand mehr, sobald die Prozeß­ führung Rechtsfragen jenseits der eigenen Beziehungen zum Verband tan­ giert. Materiellrechtlich unterliegt das klagende Mitglied vermöge seiner ex­ ponierten Stellung gesteigerten Treubindungen, die eine Schadensersatz­ pflicht sowie andere Sanktionen auslösen können. Soweit man die Potentiale der Gesellschafterrechte nutzen will, sollte man sich jedoch nicht mit bloß kosmetischen Korrekturen am positiven Normen­ bestand begnügen. Geht es etwa um die Geltendmachung von Ersatzansprü­ chen gegen die Verwaltung oder wegen der Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft im Aktienrecht (§ 117 AktG), so schafft eine Absenkung des Mindestanteilsbesitzes von jetzt 10% auf künftig 5% (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG) keine durchgreifende Besserung76. Erforderlich ist ein Bekenntnis zur umfassenden Einzelklage des Mitglieds, die von § 147 und § 118 AktG nicht verstellt ist77. Denn § 147 AktG ist eine der AG aufgezwungene Klage, die die Gesellschaft in die Klägerrolle drängt, wirkliche Abhilfe wäre indes nur von einer echten Einzelklage nach anglo-amerikanischem Vorbild zu erwar­ ten78. 76 Siehe hierzu den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbereich (KonTraG) zur Absenkung des Quorums in § 147 Abs. 1 AktG, vgl. AG-Sonderheft August 1997. Auch eine Schwelle von 5% ist für den einzelnen Aktionär kaum erreichbar. Man denke nur daran, wie die Gesellschaften durch Kapitalerhöhungen das Quorum heraufsetzen können. 77 Siehe oben § 19 E II. 78 Der Unterschied dieser beiden Ansätze tritt im positiven Recht beim Strafprozeß am deutlichsten hervor: § 147 AktG entspricht dem Klageerzwingungsverfahren gemäß §§ 172 ff. StPO, welches das Akkusationsmonopol bei der Staatsanwaltschaft beläßt. Der verbandsrechtlichen Einzelklage entspricht dort das Privatklageverfahren nach §§ 374 ff. StPO, wo der Privatkläger in die Rolle der Anklagebehörde schlüpft.

Die inneren Zusammenhänge zwischen den Rechten der Mitglieder, dem Leitungsermessen der Verwaltung und dem zugehörigen Verfahrensrahmen werden deutlich bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltung, die der Gesellschaft zustehen. Im Aktienrecht vertritt der Auf­ sichtsrat die Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern (§112 AktG). Bestehende Ersatzansprüche hat der Aufsichtsrat grundsätzlich im Namen der AG geltend zu machen79, ohne sich hierbei auf einen besonderen Ermessensspielraum berufen zu können80. Diese Rechtslage gibt viele Rätsel auf: Ist vom Organ Aufsichtsrat, noch dazu wenn dieser gespalten über die Beurteilung der Vorfälle ist, eine sachgerechte Entscheidungsfindung und Vertretung zu erwarten? Ist der Aufsichtsrat überhaupt das geeignete Ver­ tretungsorgan eingedenk des bekannt hohen Verflechtungsgrades der Ver­ waltungen von Publikumsgesellschaften in Deutschland? Viele Aufsichtsräte in einer AG sind Vorstandsmitglieder einer anderen und vice versa, so daß sich ein überschaubarer Kreis von Managern gegenseitig überwacht. Ist an­ gesichts dessen die Gefahr nicht zu groß, daß eine wirksame Anspruchsreali­ sierung am Ende an einem falsch verstandenen Korpsgeist scheitern kann? Aufsichtsräte neigen dazu, die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen den Vorstand als "peanuts" abzutun. Das mag für die Höhe der Summe gemessen am Betriebsergebnis der Gesellschaft zutreffen. Von der ordnungspolitischen Warte ist eine Belangung gleichwohl unverzichtbar, um den Vorstand prä­ ventiv zu sorgfältiger Amtsführung anzuhalten. Was gilt schließlich, wenn Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft haftbar sind? Man denke nur an den Fall, daß der Aufsichtsrat einmütig — aber zu Unrecht — von der An­ spruchsverfolgung absieht und die AG dadurch schädigt. Die RechtsVergleichung lenkt den Blick schnell auf die richtige Lösung: Im amerikanischen Recht81 wie in vielen anderen Rechtsordnungen82 werden solche Ersatzansprüche gegen die Verwaltung im Wege der derivative suit von Aktionären für die Gesellschaft verfolgt, weil die Interessenkonflikte, in denen sich die Verwaltung befindet, keine sachgemäße Geschäftsführung gewährleisten. Die derivative suit hat den Aufstieg der USA zur stärksten Wirtschaftsnation der Erde nicht verhindert und keine Paralyse der Corpora­ tion bewirkt, jedoch einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle wirtschaftlicher Macht geleistet. Die parallele Diskussion in Deutschland klammert den Ak­

79 BGH ZIP 1997, 883 - "ARAG/Garmenbeck”. 80 Für einen enger gezogenen Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die pro­ zessuale Realisierung Timm EWiR 1994, 629; für einen weiter gesteckten Entscheidungs­ spielraum Dreher ZHR 158 (1994), 614 (637 ff.); Rittner EWiR 1995, 629. 81 Siehe oben § 7 I. 82 Zum japanischen Recht Hayakawa, Festschrift für Mestmäcker, 1996, S. 891.

tionär als den natürlichen Interessenträger systematisch aus83. Unterschiede im Verfassungsaufbau zwischen der amerikanischen Corporation und der deutschen Aktiengesellschaft gebieten kein anderes Ergebnis84. Die Corpora­ tion folgt dem zweistufigen Modell mit board of directors und Shareholders’ meeting als den obligatorischen Gesellschaftsorganen. Der board of directors als das alleinige Verwaltungsorgan ist de facto unabsetzbar und hält die proxy machinery, die die Verhandlungen der Generalversammlung präjudi­ zieren kann, in Händen. Es fehlt ein Aufsichtsrat, der den Vorstand abbe­ rufen könnte. Bei dieser Konstellation ist der rechtspolitische Bedarf für die derivative suit unabweisbar. Der shareholder, der die Ersatzansprüche der Corporation verfolgt, handelt als Quasi-Organ. Die faktische Teilung des board in inside und outside directors, die mittlerweile in vielen Gesellschaf­ ten gebräuchlich ist85, hat an der Existenzberechtigung der derivative suit nichts geändert. In Deutschland gibt es demgegenüber eine dreigliedrige Organstruktur, doch darf die Bedeutung des Aufsichtsrats bei der Durchset­ zung von Ersatzansprüchen der AG nicht überschätzt werden. Eine effektive Geltendmachung von Ersatzansprüchen setzt voraus, daß der Repräsentant der Gesellschaft losgelöst vom Einfluß des Schuldners agieren kann. Der Aufsichtsrat ist in diesem Sinne aber nicht gegnerfrei. Zudem fehlt eine Minderheitenvertretung im Aufsichtsrat86. Die Aktionärseinzelklage ist ge­ eignet, die Interessenkollision abzustellen. Sie ist der aufwendigen Kon­ struktion einer exklusiven Aufsichtsratskompetenz für die Verfolgung von Ersatzansprüchen ergänzt um ein Intraorganstreitverfahren zur Erzwingung des Tätigwerdens eindeutig vorzuziehen. Für das deutsche Recht empfiehlt sich eine Unterscheidung zwischen den Befugnissen des Organs Hauptversammlung (§ 147 AktG) und den Rechten des einzelnen Aktionärs. Angesichts der Wichtigkeit der Aufgabe ist der Kreis der Aufsichtsträger zu erweitern. Dem Aufsichtsrat sollte sein unter­ nehmerischer Ermessensspielraum grundsätzlich erhalten bleiben. Es ist nicht zwingend geboten, diesen zu beschneiden, um die Geltendmachung begrün­ deter Ersatzansprüche zu gewährleisten, weil insoweit kein Zielkonflikt exi­ stiert. Mit der Zulassung anderer Aufsichtsträger - besonders der Aktionäre 83 Siehe nur Lutter NJW 1995, 1133 (1134); ebenso Hommelhoff (wie FN 4), S. 13. Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch den einzelnen Aktionär erlaubt keine Vermengung mit den rechtsmißbräuchlichen Anfechtungsklagen, weil die abgeleitete Haftungsklage keinen Maßnahmenvollzug der Gesellschaft blockiert, insbesondere keine Registersperre nach sich zieht. 84 Schmey, Aktie und Aktionär im Recht der Vereinigten Staaten, 1930, S. 431 ff. 85 Zur Entwicklung siehe etwa Cohen/Loeb (Hrsg.), Duties and Responsibilities of Outside Directors, New York 1978, S. 21 ff., 41 ff. 86 Anders § 87 Abs. 1 des österreichischen AktG.

oder der Gesellschaftsgläubiger - wäre zu vermeiden, daß die Ermessens­ entscheidung des Aufsichtsrats zu einer gebundenen wird. Durchgreifende Veränderungen auf diesem Sektor lassen sich insgesamt nur erzielen, sofern man in neuen Bahnen zu denken bereit ist.

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Note [ohne namentlich genannten Verfasser], Defenses in Shareholders' Derivative Suits Who May Raise Them, 66 Harv.L.Rev. 342 (1952) Note, Individual Pro Rata Recovery in Stockholders’ Derivative Suits, 69 Harv.L.Rev. 1314 (1956) Note, The Nonratification Rule and the Demand Requirement: The Case for Limited Judi­ cial Review, 63 Columb.L.Rev. 1086 (1963) Note, Corporate Opportunity — Entscheidungsanmerkung zu Burg v. Hom, 380 F. 2d 897 (2d Cir. 1967), 43 N.Y.U.L.Rev. 187 (1968) Note, Procedures and Remedies in Limited Partners' Suits for Breach of the General Partner's Fiduciary Duty, 90 Harv.L.Rev. 763 (1977) Note, Lock-Up Options: Toward a State Law Standard, 96 Harv.L.Rev. 1068 (1983) Olson, Mancur, The Logic of Collective Action, Cambridge, Mass./London 1965 O'Neal, F. Hodge, Molding the Corporate Form to Particular Business Situations: Optio­ nal Charter Clauses, 10 Vand.L.Rev. 1 (1956) O'Neal, F. Hodge/Thompson, Robert B., O'Neal's Oppression of Minority Sharehol­ ders, Loseblattausgabe, 2. Aufl. Deerfield, II. 1985 ff. Ott, Walter, Die Problematik einer Typologie im Gesellschaftsrecht, Bem 1972 Paschke, Marian, Die fehlerhafte Korporation, ZHR 155 (1991), 1 Pehle, Rudolf/Stimpel, Walter, Richterliche Rechtsfortbildung, 1969 Pelto, Thomas C., False Halo: The Business Judgment Rule in Corporate Control Con­ tests, 66 Tex.L.Rev. 843 (1988) Pflüger, Klaas Hinrich, Neue Wege der Verwaltungskontrolle im Aktienrecht, 1969 Pflugradt, Michael, Leistungsklagen zur Erzwingung rechtmäßigen Vorstandsverhaltens in der Aktiengesellschaft, 1990 Priester, Hans-Joachim, Die Unversehrtheit des Stammkapitals bei der Eintragung der GmbH - ein notwendiger Grundsatz?, ZIP 1982, 1141 Prütting, Hanns/Weth, Stephan, Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln, 2. Aufl. 1994 Prunty, Bert S., The Shareholders' Derivative Suit: Notes on its Derivation, 32 N.Y.U.L.Rev. 980 (1957) Radtke, Günther, Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse, BB 1960, 1045 Raiser, Ludwig, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Summum ius summa iniuria, 1963, S. 145 (auch in: Die Aufgabe des Privatrechts, 1977, S. 124) Raiser, Thomas, Mitbestimmungsgesetz-Kommentar, 2. Aufl. 1984 Raiser, Thomas, Das Recht der Gesellschafterklagen, ZHR 153 (1989), 1 Raiser, Thomas, Organklagen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, AG 1989, 185 Raiser, Thomas, Recht der Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. 1992 Rathenau, Walter, Vom Aktienwesen - eine geschäftliche Betrachtung, 1917 Redeker, Konrad/Oertzen, Hans-Joachim von, Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, 12. Aufl. 1997 Reichert, Bernhard/Dannecker, Franz J., Handbuch des Vereins- und Verbands­ rechts, 5. Aufl. 1993 Reinhardt, Rudolf/Schultz, Dietrich, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1981 Reuschlein, Harold Gill, Limited Partner Derivative Suits, 9 St.Mary's L.J. 443 (1978) Reuschlein, Harold Gill/Gregory, William A., Agency and Partnership, 2. Aufl. St. Paul, Minn., 1990 Reuter, Dieter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973 Reuter, Dieter, Richterliche Kontrolle der Satzung von Publikums-Personengesell­ schaften?, AG 1979, 321 Riehmer, Klaus, Körperschaften als Stiftungsorganisationen, 1993 Roitzsch, Frank, Der Minderheitenschutz im Verbandsrecht, 1981 Rosenberg, David, Class Actions for Mass Torts: Doing Individual Justice by Collective Means, 62 Ind.L.J. 561 (1987) Rosenberg, Leo/Gaul, Hans Friedhelm/Schilken, Eberhard, Zwangsvollstreckungs­ recht, 10. Aufl. 1987 Rosenberg, Leo/Schwab, Karl Heinz/Gottwald, Peter, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993 Roth, Günter H., Das Treuhandmodell des Investmentrechts, 1972

Roth, Günter H./Altmeppen, Holger, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit be­ schränkter Haftung (GmbHG) mit Erläuterungen, 3. Aufl. 1997 Rowedder, Heinz, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)-Kommentar, bearbeitet von Hans Fuhrmann, Hans-Georg Koppensteiner u.a., 3. Aufl. 1997 Ruhwedel, Edgar, Die Partenreederei, 1973 Säcker, Franz Jürgen, Probleme der Repräsentation von Großvereinen, 1986 Sauter, Eugen/Schweyer, Gerhard, Der eingetragene Verein, bearbeitet von Wolfram Waldner und Diana Röseler, 15. Aufl. 1994 ScHiEßL, Maximilian, Die Informationsrechte der Personenhandelsgesellschafter im Lichte der GmbH-Novelle 1980, GmbHRdsch. 1985, 109 Schlegelberger, Franz, Handelsgesetzbuch-Kommentar, begründet von Franz Schlegelberger, bearbeitet von Emst Geßler, Wolfgang Hefermehl u.a., 5. Aufl. 1986 ff. Schlegelberger, Franz/Quassowski, Leo, Kommentar zum Gesetz über Aktienge­ sellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30. Januar 1937, bearbeitet von Franz Schlegelberger, Leo Quassowski, Gustav Herbig, Emst Geßler und Wolfgang Hefermehl, 3. Aufl. 1939 Schlosser, Peter, Die lange deutsche Reise in die prozessuale Moderne, JZ 1991, 599 Schlurmann, Christa, Die Class action im Recht der USA, Diss. Köln 1978 Schmey, Fritz Ernst, Aktie und Aktionär im Recht der Vereinigten Staaten, 1930 Schmidt, Jürgen, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 1969 Schmidt, Karsten, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984 Schmidt, Karsten, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984 Schmidt, Karsten, Die Beschlußanfechtungsklage bei Vereinen und Personengesellschaf­ ten, in: Festschrift für Stimpel, 1985, S. 217 Schmidt, Karsten, Rechtsschutz des Minderheitsgesellschafters gegen rechtswidrige ab­ lehnende Beschlüsse, NJW 1986, 2018 Schmidt, Karsten, Nichtigkeitsklagen als Gestaltungsklagen, JZ 1988, 729 Schmidt, Karsten, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, 1990 Schmidt, Karsten, Die Dogmatik des Informationsrechts als Grundlage der Konkretisie­ rung des § 51a GmbHG, in: Festschrift für Kellermann, 1991, S. 389 Schmidt, Karsten, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997 Schmidt, Karsten, Die Vereinsmitgliedschaft als Grundlage von Schadensersatzansprü­ chen, JZ 1991, 157 Schmidt, Karsten, Mehrseitige Gestaltungsprozesse bei Personengesellschaften, 1992 Schmitz-Herscheidt, Friedhelm, Kooperationstheorie und Gruppenstruktur im Ge­ sellschaftsrecht, 1981 Schneider, Uwe H., Die Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen, ZGR 1978, 1 Schneider, Uwe H., Geheime Abstimmung im Aufsichtsrat, in: Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 727 Schoch, FRiEDRiCH/SCHMiDT-AßMANN, Eberhard/Pietzner, Rainer, Verwaltungsge­ richtsordnung-Kommentar, Loseblatt 1996 ff. SCHOCKENHOFF, Martin, Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung beim Bezugsrechts­ ausschluß, 1988 Scholz, Franz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, bearbeitet von Georg Crezelius, Volker Emmerich u.a., 8. Aufl. 1993/95 Schubert, Werner (Hrsg.), Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, herausgegeben und mit einer Einlei­ tung versehen von Werner Schubert, 1985 Schubert, Werner/Hommelhoff, Peter, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985 Schubert, Werner/Hommelhoff, Peter (Hrsg.), Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987 Schulz, Wolf, Die masselose Liquidation der GmbH, 1986 Schulz-Gardyan, Olaf, Die sogenannte Aktionärsklage, 1991 Schwab, Karl Heinz/Walter, Gerhard, Schiedsgerichtsbarkeit-Kommentar, 5. Aufl. 1995 Seidl, Otto, Richterliche Rechtsfortbildung und Verfassungsrecht, ZGR 1988, 296 Shulman, Harry, Civil Liability and the Securities Act, 43 Yale L.J. 227 (1933)

Soergel, Hans Theodor, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungs­ gesetz und Nebengesetzen, begründet von Hans Theodor Soergel, herausgegeben von Wolfgang Siebert, bearbeitet von Jürgen F. Baur, Jürgen Damrau u.a., 12. Aufl. 1987 ff. Stauber, Eric F., Das Recht des Aktionärs auf gesetz- und statutenmässige Verwaltung, Zürich 1985 Staudinger, Julius von, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, bearbeitet von Karl-Dieter Albrecht, Hermann Amann u.a., 12. Aufl. 1978 ff. Stein, Friedrich/Jonas, Martin, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl. 1984 ff., bearbeitet von Wolfgang Grunsky, Dieter Leipold u.a. sowie 21. Aufl. 1992 ff., bearbeitet von Reinhard Bork, Wolfgang Brehm u.a. Stein, Ursula, Das faktische Organ, 1984 Stodolkowitz, Heinz Dieter, Gerichtliche Durchsetzung von Organpflichten in der Aktiengesellschaft, ZHR 154 (1990), 1 StÜrner, Rolf, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1976 Stützel, Wolfgang, Aktienrechtsreform und Konzentration, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, herausgegeben von Helmut Arndt, Schriften des Vereins für Socialpolitik 20/11 n.F. (1960), S. 907 Suhr, Dieter, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, 1966 Teichmann, Arndt, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970 Tietze, Jörg, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 1985 Timm, Wolfram, Die Aktiengesellschaft als Konzemspitze, 1980 Timm, Wolfram, Zur Sachkontrolle von Mehrheitsentscheidungen im Kapitalgesell­ schaftsrecht, ZGR 1987, 403 Timm, Wolfram, Beschlußanfechtungsklage und Schiedsfähigkeit im Recht der personali­ stisch strukturierten Gesellschaften, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 365 Timm, Wolfram (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990 Tipke, Klaus/Lang, Joachim, Steuerrecht, 15. Aufl. 1996 Tuhr, Andreas von, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band 1, 1910 Ulmer, Peter, Anmerkung zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5.6.1975 - II ZR 23/74 (BGHZ 65, 15), NJW 1976, 192 Ulmer, Peter/Brandner, Hans Erich/Hensen, Horst-Diether, AGB-Gesetz. Kommentar zum Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedin­ gungen, 7. Aufl. 1993 Veasey, E. Norman/Finkelstein, Jesse A./Shaughnessy, Robert J., The Delaware Takeover Law: Some Issues, Strategies and Comparisons, 43 Bus.Lawyer 865 (1988) Vollmer, Lothar, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 1970 Walz, W. Rainer, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, 1980 Walz, W. Rainer, Anmerkung zu dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 25.6.1984 - GrS 4/82 (BFHE 141, 405), JZ 1985, 192 Wander, Herbert S./LeCoque, Alain G., Boardroom Jitters: Corporate Control Transactions and Today’s Business Judgment Rule, 42 Bus.Lawyer 29 (1986) Wank, Rolf, Richterliche Rechtsfortbildung und Verfassungsrecht, ZGR 1988, 314 Weitnauer, Hermann, Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht. Kommentar bearbeitet von Hermann Weitnauer, Maria Hauger, Wolfgang Lüke und Heinz-Peter Mansel, 8. Aufl. 1995 Werner, Winfried, Zuständigkeitsverlagerungen in der Aktiengesellschaft durch Rich­ terrecht?, ZHR 147 (1983), 429 Westermann, Harry, Rechtsstreitigkeiten um die Rechte aus § 90 AktG, in: Festschrift für Bötticher, 1969, S. 369 Westermann, Harry, Die unternehmerische Leitungsmacht des Vorstandes der Genossen­ schaft nach geltendem und zukünftigem Genossenschaftsrecht im Vergleich zur Lei­ tungsmacht des Vorstandes der AG, in: Festschrift für Reinhardt, 1972, S. 359

Westermann, Harry, Die Bedeutung der Anerkennung der "Grundsatzzuständigkeit'’ der Mitgliederversammlung bezüglich der Geschäftsführung der AG durch richterliche Rechtsfortbildung für das Genossenschaftsrecht, in: Freundesgabe für Erik Boettcher, 1984, S. 203 Westermann, Harm Peter, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Per­ sonengesellschaften, 1970 Westermann, Harm Peter, Individualrechte und unternehmerische Handlungsfreiheit im Aktienrecht, ZHR 156 (1992), 203 Westermann, Harm Peter, Handbuch der Personengesellschaften, herausgegeben und bearbeitet von Harm Peter Westermann u.a., Loseblattausgabe, 4. Aufl. 1994 ff. Wiedemann, Herbert, Rechtsethische Maßstäbe im Unternehmens- und Gesellschafts­ recht, 1979 (geringfügig verändert in ZGR 1980, 147) Wiedemann, Herbert, Gesellschaftsrecht I, 1980 Wiedemann, Herbert, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988 Wiedemann, Herbert, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktienge­ sellschaft, 1989 Wiethölter, Rudolf, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerika­ nischen und deutschen Recht, 1961 Winter, Martin, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988 Wöhe, Günter, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Band II/l, 5. Aufl. 1990 Wohlleben, Hermann Peter, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989 Wood, Franklin S., Survey and Report regarding Stockholders' Derivative Suits, New York 1944 Wüst, Günther, Vom Präjudiz zur Prinzipienbildung bei der Publikums-Kommanditge­ sellschaft, ZHR 152 (1988), 215 Zitelmann, Ernst, Der Wert eines "allgemeinen Teils" des bürgerlichen Rechts, GrünhutsZ 33 (1906), 1 Zöllner, Wolfgang, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963 Zöllner, Wolfgang, Zur positiven Beschlußfeststellungsklage im Aktienrecht, ZGR 1982, 623 Zöllner, Wolfgang, Die sogenannten Gesellschafterklagen im Kapitalgesellschaftsrecht, ZGR 1988, 392 Zöllner, Wolfgang/Noack, Ulrich, Geltendmachung von Beschlußmängeln im GmbHRecht, ZGR 1989, 525 Zweigert, Konrad/Kötz, Hein, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996

Entscheidungsregister Aufgeführt sind nur die wesentlichen ausländischen Entscheidungen, über die sich ein Zugriff auf zentrale Sachfragen eröffnet. Die Basisziffer bezeichnet den Paragraphen, die exponierte Ziffer verweist auf die Fußnote.

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

23.03.1982: 2299 16.07.1992: 2298 Frankreich

Cour d'Appel de Paris 26.06.1990: 17116, 18147 Großbritannien

Foss v. Harbottle 73 General Assembly of Free Church of Scotland v. Overtoun 19265 In re Brazilian Rubber Plantations and Estates, Ltd. 1117 In re City Equitable Fire Insurance Company, Ltd. 1110 Salomon v. Salomon & Co. 1243 Österreich

Oberster Gerichtshof 03.06.1950: 2256 16.12.1980: 1534, 17127

Schweiz

Bundesgericht 19.10.1894: 529, 531, 533, 7152, 235 17.12.1897: 529, 235 30.06.1900: 529, 530 22.06.1901: 529 24.06.1941: 622 21.03.1950: 535 06.07.1965: 622 14.09.1981: l20 09.03.1986: 460, 461 26.09.1989: 2114, 2157 13.10.1989: 460

USA

Alford v. Shaw 7114, 1040 Auerbach v. Bennett 7111 Blaustein v. Pan American Petroleum 862, 863 Board of Trustees of Dartmouth College v. Woodward 1222, 2332 Brown v. Tenney 746, 1480 Burg v. Hom 843, 844, 851 , 856, 864 Clarke v. Greenberg 780, 910, 912, 1080, 1448, 2156 Cort v. Ash 2323 Dodge v. Ford Motor Co. 614, 822, 1131, 1133, 122, 2333 Dodge v. Woolsey 523, 76, 7151, 235 Donahue v. Rodd Elektrotype Co. of New England, Inc. 628, 634, 635, 832, 107 Erie Railroad Co. v. Tompkins 653, 7144 Emst & Emst v. Hochfelder 664 Gall v. Exxon 470, 82, ll8, 2312 Galler v. Galler 341, 4103, 644, 855, 956, 957, 1450 Guth v. Loft 845, 846

Hawes v. Oakland 773 J.I. Case Comp. v. Borak 4107, 1255 Jewel Companies v. Pay Less Drug Stores Northwest ll48, 1225, 134, 135, 166, 2347 Johnston v. Greene 839, 850, 861 Jones v. H.F. Ahmanson & Co. 636, 726, 835 Kamen v. Kemper Financial Services, Inc. 654, 7101, 7145 Kamin v. American Express Company 1038, ll33 Kardon v. National Gypsum Co. 4105, 658 Lane v. Abel-Bey 961 , 975, 976, 978 Meinhard v. Salmon 629, 634, 639, 832, 1018, 1470 Mills v. Electric Auto-Lite Co. 4107, 7123, IO83, 1084, 1258 Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth 962, 22 106, 2358 Moran v. Household International, Inc. ll54 Norlin Corp. v. Rooney, Pace Inc. 1153 Paramount Communications v. Time 213, ll37, ll54, ll62 Perlman v. Feldmann 726, 827, 1081, 19365

Rosenfeld v. Fairchild Engine and Airplane Corp. 1492 Rosengarten v. Intern. Tel. & Tel. Corp. 470, 82, ll8, 2312 Shearson/American Express, Inc. v. McMahon 967, 1276 Shlensky v. Wrigley 7128, 823, ll7, ll30, ll32, ll63 Smith v. Atlantic Properties 340, 614, 628 Smith v. Van Gorkom 763, 868, 872, ll9, 2355 Surowitz v. Hilton Hotels Corp. 988, 989 Tenney v. Rosenthal 761, 764, 767 Virginia Bankshares, Inc. v. Sandberg 4107, IO83, 1258, 2333 Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc. 628, 633, 637 Zapata Corp. v. Maldonado 789, 790, 71 12, 931, 1040, ll26 Zidell v. Zidell 638, 830, 848

Sachregister Die jeweils erste Ziffer verweist auf den betreffenden Paragraphen; hochgestellte Ziffern beziehen sich auf die Fußnoten.

Abstimmungsverbot 17 IV 1b abuse of a corporate opportunity 7 12; 8 III Abwanderung 4 I 7 Abschlußprüfer 23 II 3 actio pro socio 19 B I 1; 19 B II 2 action for accounting 10 III agency 10 I Aktiengesellschaft — Ein-Mann-AG 4 III — Familien-AG 4 III — Hauptversammlung 5 III; 18 vor I — Kompetenzverteilung 16 II 2 — Organisation 19 E I — Publikums-AG 4 III — Überfremdung 4 13 Aktienrecht — Anfechtungsklage 17 III 2 — Beschlußfehler 17 I — Bezugsrechtsausschluß 17 IV 1b (3) — Einzelklage 19 E — Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit 20 II 4 — Mehrstimmrechte 4 I 3 — Schiedsfähigkeit 22 II — Schiedsverfahren 22 V 1 — Sondenechte 3 IV 2b — Unterlassungsansprüche 19 E VII Aktionäre — Aktionärsklagen 19 E — Beschlußanfechtungsbefugnis 17 IV 2 Aktionsberechtigung 19 B III 1 Allgemeines Beanstandungsrecht 18 II 3 Allgemeiner Teil — des Verbandsrechts 15 IV; 23 IV — des Verfahrensrechts 1; 23 IV American Rule 7 II 7 anfechtbare Beschlüsse 17 I Anfechtungsbefugnis 17 IV 2 — im Aktienrecht 17 IV 2a — Genossenschaft 1736

- GmbH-Recht 17 IV 2b (3) — Personengesellschaften 18 III 3 - Verein 18 III 1 — Verwaltung 17 IV 2b Anfechtungsklage — im Aktienrecht 17 IV — im amerikanischen Recht 12 14 — Aufsichtsratsbeschlüsse 18 12 — Gestaltungsklage 17 IV 4a — im Konzern 17 IV 2c — Nachschieben von Gründen 17 IV 3b (2) — Parteirollen 17 IV 4a — Prozeßkosten 17 IV 4b — Prozeßkostenhilfe 17 IV 3b (3) — Rechtsnatur 17 IV 4a — Schiedsfähigkeit 22 II — Streitwert 17 IV 4b — Urteilswirkung 17 IV 4c - Verfahren 17 IV 4 — Vorstandsbeschlüsse 18 13 Anfechtungsklagefrist — Aktienrecht 17 IV 3 - GmbH-Recht 17 IV 3c appraisal remedy 6 III Auerbach-RQge\ 7 II 6b (1) Auflösungsklage — partnership 10 III - GmbH 15 I 4 Aufsichtskosten 21 III 1 Aufsichtsrat 23 II Auskunftserzwingungsverfahren 20 II 4 Auskunftsrechte 20 II 1 Ausschließungsbeschluß 17 IV 3c Austrittsfreiheit 4 IV autorisiertes Kapital 18 I 3a beneficiary 6 IV

Beschlußanfechtung - siehe Anfechtungsklage

Anfechtungsfrist 12 II 3; 17 IV 3 Anfechtungsgründe 12 II 4; 17 IV 1 amerikanisches Recht 12 Ausdehnungsfähigkeit 18 Urteilswirkungen 12 III; 17 IV 4c Verfahrenskosten 17 IV 4b Vergleichsbefugnis 22 II 1 Wohnungseigentümergemeinschaft 18 III 2 Beschluß — anfechtbarer 17 I — Nichtbeschluß 17 I — nichtiger 17 I — unwirksamer 17 I Beschlußanfechtungsklage 17 IV Beschlußmängelpräklusion 17 IV 3 Besteuerungswahlrecht 15 III Betriebsgeschäfte 19 B II 2 und III 2b Beweisvereitelung 20 II 4 Bezugsrecht — im Aktienrecht 17 IV lb (3) - im GmbH-Recht 15 II; 17 IV lb (3) Bezugsrechtsausschluß - siehe Bezugsrecht board of directors - Anfechtungsverfahren 13 I — Rechtsschutz gegen Beschlüsse 13 I Börsenprospekthaftung 14 I business judgment rule — Beweislastverteilung 1112 — gerichtliche Nachprüfung 1113 — Grundlagengeschäfte 11 II — Haftungsmaßstab 1111

— — — — — — —

charitable Corporation 6 III Chicago School 6 V class action 7 13 — Fallgruppen 7 I 3 — Funktion 7 13 — Klagebefugnis 7 I 3 — Rechtsnatur 7 I 3 — securities regulation 9 III 3 — Schiedsfähigkeit 9 III 3 — Streitgegenstand 7 13 close Corporation 6 III — corporate opportunity 8 III 3 — fiduciary principle 8 III 2 — statutory close Corporation 6 III 2 collateral estoppel 8 II 3 common law 7 I lb; 20 II 1 contemporaneous share ownership 7 II 4; 91

contingent fee arrangement 7 II 7b corporate acquisitions 2 (1) corporate governance 2; 23 corporate misconduct action 7 II 2d; 7 II 4 corporate opportunity 8 III — fiduciary duties 8 III 1 — Konzemrecht 8 III 4 — Tatbestand 8 III 2 Corporation — Aktivparteirolle (derivative suit) 7 II 3 — Arten 6 III — Autonomie 7 II 5 — Besteuerung 6 III 2 — Haftung 6 II — Passivparteirolle 7 II 3 — Statutes 6 I 1 — Vertragsfreiheit 6 IV court approval 91; 10 IV 5 creditors’ derivative suit 7 II 2c declaratory relief 13 II deep rock-Doktrin 7 II 2c Delegiertenprinzip (eGen) 19 G I demand excused 7 II 5c demand on the board 7 II 5a demand on the Shareholders 7 II 5b Depotstimmrecht 12 I 4; 19 G I derivative suit — Abweisung 9 II — Arten 7 II 2b — Begründetheit 8 II — direct suit 7 I 2 — Doppelcharakter 9 IV — Effizienz 7 III — historische Grundlagen 7 I 1 — Körperschaftsrecht 19 A 5 — Parteiherrschaft 9 I — Parteirollen 7 II 3 — partnership 10 III — Schiedsfähigkeit 9 III 1 und 2 — secret settlement 9 I — Streitgegenstand 9 I — strike suit 7 I 2; 9 IV — Verfahrensrahmen 9 — Zulässigkeit 7 II D & O Insurance 8 IV 3 direct suit 7 I 2 disclosure 4 I doctrine of cy pres 6 III 1 Doppelbesteuerung 15 III double derivative suit 7 II 2b

— partnership 10 IV 2a duty of care 1112 duty of loyalty 1112 Eigentumsgarantie 16 III Einlagenrückgewähr 21 IV 2 Ein-Mann-Gesellschaft 12 I 4a; 17 IV 2b (4) Einsichtsrecht - siehe Informationsrecht Einzelantragsrecht -> siehe Einzelklagebefugnis in der Wohnungseigentümergemeinschaft Einzelklage 19 — Abweisung 19 J VII — Allgemeines 19 A — im Konzern 19 J VIII -Klagefrist 19 J II — Klagerecht 19 J I — Klagestattgabe 19 J VII — Kostentragung 19 J V — Rechtskraft 19 J VII — Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen 19 J III — Vorverfahren 19 J IV — Zwangsvollstreckung 19 J VII Einzelklagebefugnis — Aktienrecht 19 E — amerikanisches Recht 7; 10 — begleitende Klagebefugnis 19 J VI — Deliktsrecht 19 A 4 — gegen Dritte 19 B I 5; 19 D VI — Eignung als Kläger 7 II 4; 19 J VI — Klagebefugnis 7 II 1 und 2; 19 J I — im Konzern 7 II 2b; 19 J VII - GbR 19 B I — Genossenschaft 19 G — Gesellschafter 7 II 2a und 4; 19 J I 1 - GmbH 19 D - KG 19 B III - OHG 19 B II — Partenreederei 19 C — Rechtskraft 19 J VII — Stellung des Klägers 19 J VI — Verein 19 F — Wohnungseigentümergemeinschaft 19H II — Zwangsvollstreckung 19 J VII Einzelklage — Fallgruppen — Anspruchsverfolgung gegen Dritte 19 Bl 5; D VI — Ersatzanspruch gegen die Verwaltung 19 B I 2; D IV

— Ersatzanspruch gegen Mitglieder 19 B I 3; D IV — Unterlassungsanspruch 19 B I 4; D V 1; E VII — Vornahmeanspruch 19 B I 4; D V 2; EVI Elfes-Doktrin 5 II Entsendungsrechte 3 IV 2b Erfolgshonorar -> siehe contingent fee arrangement Ehe-Doktrin 6 V; 7 II 8c Ermessensentscheidung 11; 23 - siehe auch business judgment rule — Anfechtung 1113 — gerichtlicher Prüfungsumfang 1113; 23 III — Sorgfaltsmaßstab 11 I 1; 23 V equitable defenses 8 I equitable interest 7 II 2c equitable ownership 7 II 2a equitable power 4 IV equitable remedy 12 I 1 equitable Subordination 7 II 2c equity court 7 I la und b equity holder 7 II 2c equity-Rechtsprechung 2; 5 III; 8 I; 11 V equity-Verfahren 8 I extortionate suit -> siehe strike suit

faktischer Konzern — Haftung 2 — qualifizierter faktischer 4 11 — Sondervorteilsanfechtung 17 IV lb Federal Arbitration Act 9 III 3 federal common law 6 V federal Corporation law 6 V Feldmühle-Doktrin 21 V 3b; 16 III Feststellungsklage 17 IV 3 fiduciary duties 6 III; 8 III; 10 I fiduciary principle 12 11 Finanzierungsbedürfnis 17 IV lb (3) fingierte Sezession 19 F Förderpflicht (eGen) 19 G Folgenbeseitigungsanspruch 19 E VI forum shopping 7 II 8 Fusion 11 II

Geltendmachung von Ersatzansprüchen 19 E II 1 general partner 10 I Genossenschaft — actio pro socio 19 G — Aufsichtsrat 19 G I — Auskunftsrecht 20 III 7

— Beschlußanfechtung 18 III vor 1; 19 G I — Einzelklagebefugnis 19 G II — Förderprinzip 19 G I — Informationsrecht 20 III 7 — Prüfungsverband 19 G II 3 — Verfassungsaufbau 19 G I — Vertreterversammlung 19 G I Genossenschaftsprinzip 19 G I Gesamthänderklage, externe 19 B I 5 Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) — Einlageforderung 19 B I 1 — Einzelklagebefugnis 19 B I — Geschäftsführung 19 B I 2a — Informationsrechte 20 III 1 — Prozeßführung 19 B I 1c — Rechtsformspezifika 19 B I 2a — Widerspruchsrecht (§711 BGB) 19 B I 2a Gesellschafterbeschlüsse 12 I; 17 I Gesellschafterklagen — Schiedsfähigkeit 22 II 2 - Statthaftigkeit 7 I; 10 I; 11 IV; 12 I; 13; 17 III; 19 — Vergleichsbefugnis 22 II 1 Gesellschafterliste 14 VII Gesellschafter minderen Rechts 19 B I lb (1) Gesellschafterrechte 3; 21 I — Anfechtungsklage 21 I; 19 A; 17 I — Beschlußanfechtung 12; 17 — deutsches Recht 3 — Eigennützigkeit 21 VI — Schiedsfähigkeit 22 II — Verbandsordnung 4 - USA 6 I und IV gesellschaftsinternes Vorverfahren 19 B I 1(2) Gesellschafterversammlung — Einberufungsrecht 19 D IV 3 Gesetzesbindung der Verwaltung 5 II Gestaltungsklagen 17 IV 4a Gewaltenteilung 2 (3) Gewinnabführungsvertrag 17 IV lb (1) Gewinnverwendung 8 II; 21 IV 2 Gläubigerrechte — Befriedigung 8 II 1 — Informationsrecht 14 III 1; 20 II 2 - Klagebefugnis 7 II 2c; 19 J I; 17 IV 2b (4) — Vetorecht 7 II 2c Gleichbehandlungsgebot 17 IV lb (3) GmbH — Anfechtungsbefugnis 17 IV 2b (3)

— Anfechtungsfrist 17 IV 3c — Auflösungsklage 15 I 4 — Ausfallhaftung 15 14 — Beschlußablehnung 19 D IV 2 — Beschlußfassung 19 D IV 1 — Bezugsrecht 17 IV lb (3) Ein-Mann-GmbH 12 I 4; 17 IV 2b (4) — Einzelklage 19 D — Ersatzansprüche 19 D IV — Gesellschafterbeschluß 19 D IV — Gewinnausschüttung 19 D III — Informationsrechte 20 III 5 — masselose Liquidation 19 D VI — Minderheitenrechte 3 III — Mitgliedschaft 16 II — Sonderrechte 3 IV — Stammeinlage 19 D II — Typus 15 II — Unterlassungsklagen 19 D V 1 GmbH & Co. KG 1; 15 III; 20 III 3 golden parachute 11 IV Grundlagengeschäfte 11 II; 13 I; 16 II; 23 II Gruppenrechte — Allgemeines 3 II — Klagebefugnis 3 II Haftpflichtversicherung - siehe D & O Insurance Haftung — Corporation 6 II — partnership 6 II; 10 I Rule 10b-5 6 V Haftungsbeschränkung 6 II; 10 I 2 Haftungsimmunität 7 I lb Haftungsmaßstab — slight negligence 1111 — gross negligence 1111 Haftungssegmentierung 8 III 4 Holdingverein 18 III 1 Holzmüller-Doktrin 19 E I

Idealverein 412 — Beschlußanfechtung 18 III 1 — Einzelklagebefugnis 19 F — Informationsrecht 20 III 6 implied cause of action 4 V; 23 II 4 Indemnifizierungsabrede 8 IV 2 Individualrechte — Aktionäre 5 I — Allgemeines 3 I

— amerikanisches Recht 5 III — duale Ausrichtung 3 I Individualrechtsschutz 3 V Informationserzwingungsverfahren 20 II 4 und IV Informationsrecht — Aktienrecht 21 III 4 — besonderes Informationsbedürfnis 20 II 3 — Durchsetzung 14 IV; 20 II 4 - GbR 20 III 1 — Genossenschaft 20 III 7 - GmbH 20 III 5 - Inhalt 20 II 1 - KG 20 II 3 — Konzern 20 II 5 - OHG 20 III 2 — Schranken 20 II 3 - Verein 20 III 6 — Voraussetzungen 20 II 3 Inhaltskontrolle 4 IV — Gesellschaftsvertrag 4 IV — Kriterien 4 IV; 21 V 2 — Parteihandlungen 21 V 2 — Satzung 4 IV Innengesellschaft 15 I Interventionsbefugnis des Staates 5 I insider trading 14 vor I Institutionenbildung 15 IV Interessenkollision 7 I 2 Investmentmodell 4 I 5 isolierte Anfechtung 13 I joint proxy Statement 1252 joint venture 6 IV judicial self-restraint 11 14; 18 II Jurisdiktionsgewalt 22 I 2

Kapitalerhöhung 17 IV lb (3) Karteilschiedsgerichtsbarkeit 22 III 2 Klagebefugnis - Gesellschafter 7 II 2a; 17 IV 2; 19 JI 1 - Gläubiger 7 II 2c; 17 III 2; 19 E V und D VI — Konkursverwalter 7 II 2c; 19 E V — Verwaltungsmitglieder 7 II 2d; 17 IV 2b; 19 J I 2 Klageerzwingungsverfahren 19 E II; 3 III Kodifikationsprinzip 15 IV Körperschaftsbildung — Konzessionssystem 4 I 2

— Normativbedingungen 4 I 2 Körperschaftsteuer 15 III Kommanditgesellschaft - Aufbau 19 B III 1 - Einzelklage 19 B III 2 — Informationsrecht 20 III 3 - Publikums-KG 19 B III 3 — Treuhandskonstruktion 19 B III 3 Kommunalverfassungsstreitverfahren 18 II Konkurrenzverbot 10 I; 19 B II 2 Kontrollprämie 8 II 3 Kontrollrechte — (ehemalige) Mitglieder der Verwaltung 7 II 2d; 14 III 1; 17 IV 2b - Gesellschafter 7 II 2a; 14 III 1; 17 IV 2a; 19 J I 1 - Gläubiger 7 II 2c; 17 III 2; 19 D VI und E V Konzemaktionär 16 III Konzemrecht 8 III 1; 14 VI; 16 II und III — Einzelklagebefugnis 19 J VIII — Beschlußanfechtung 17 IV 2c — Informationsrecht 20 II 5 Konzessionssystem 4 I 2 Korporationsverfassungsstreitverfahren 12 I 2; 18 II Korrespondentreeder 19 C Kostenerstattung 7 II 7; 17 IV 4b; 19 J V Kündigungsschutzklage 17 IV 3a Legalitätsaufsicht 5 I und II limited liability Company 613 limited partner 10 I 2 limited partnership 10 I 2 — derivative suit 10 III — Gründung 6 12; 10 I 2 — Klagebefugnis 10 III litigation committee — derivative suit 7 II 6b — gerichtlicher Prüfungsumfang 7 II 6b — partnership 10 II lock-up Option 11 III Lösungsrechte 3 I managing partner 10 II und IV mandamus-Verfahren 12 II Markt als Aufsichtsinstanz 4 I und II; 23 II 1 Model Business Corporation Act (M.B.C.A.) 6 V Mehrheitsmacht 7 I Mehrheitsprinzip 17 vor I

Mehrstimmrechte - AG 4 13 — Klagebefugnis 4 13 — Zulässigkeit 4 I mehrstöckige Unternehmens Verbindungen 19 J VIII; 20 II 5 merger 11 II; 13 I 1 Minderheitenrechte 3 III — amerikanisches Recht 7 I 1c — bei der GmbH 3 III Mindestanteilsbesitzerfordemis 7 II 8; 19 Eil misconduct action -> siehe corporate misconduct action Mitgliedschaft 16 II 1 Mitgliedschaftsrechte — Aufsichtsfunktion 23 II 5 — Doppelfunktionalität 3 I Mitunternehmerschaft 15 III Mitverwaltungsrechte 3 V Modifizierungsrecht 13 I 1; 11 II multiple derivative suit 7 II 2b monitoring costs 21 III 1 Neutralitätspflicht der Verwaltung 2(1) Negativerklärung 21 V 3 Nichtbeschlüsse 17 I nichtige Beschlüsse 17 I Nichtigkeitsklage 17 III 2 nonprofit corporation/not-for-profit Corporation 6 III; 11 I 1 Notgeschäftsführungsrecht 8 II 1; 19 B I 2a numerus clausus der Sonderrechte 3 IV 2d

oppressive conduct 6 III; 7 I 1c Organbestellungsrecht 3 IV 1 und 2 Organisationsfreiheit 4 III und IV Organstreitverfahren 18 II

Paketzuschlag 8 II 3 parent 14 VI Parteirolle 3 V; 7 II 3; 17 IV 4 Partenreederei 19 C partnership — business judgment rule 10 II — derivative suit 10 III — fiduciary duties 10 I — general 10 I 1 — Informationsrechte 14 V — limited 10 I 2 — Strukturen 612; 10 I penalty clauses 11 II

pendent jurisdiction 7 II 8c; 12 III Personengesellschaften — Allgemeines 10 I; 19 B — Beschlußanfechtung 18 III 3 — Besteuerung 15 III — Einzelklagebefugnis 19 B I-III — Informationsrechte 20 III 1-3 — Mitgliedschaft 16 II lb Phasenvoreilungsphänomen 2(1) piercing the corporate veil 2 (3) poison pill 11 III Popularklage 5 II; 17 IV 2 positive Beschlußerzwingungsklage 19 D IV 2 positive Beschlußfeststellungsklage 17 IV 4c positive Stimmpflicht 17 IV lb (3); 18 III 4 power of management 19 B III 1; 23 IV Präklusion 17 IV 3a pre-trial discovery 7 II 4; 14 IV private attomey general 4 V; 22 II 2d privatrechtlicher Organstreit — Beschlußanfechtung 18 II — Informationsrechte 14 IV; 20 II 2 Prospekthaftung 2 (1) proxy contest 14 VII 1 proxy fight 11 II; 14 VII 1 proxy machinery 12 I 4b proxy regulation 6 V proxy solicitation 12 I 4b; 14 vor I proxy Statement 7 II 5b; 14 VII 1 Prozeßerlös - siehe auch recovery 8 II 2; 19 J VII Prozeßkosten — Beschlußanfechtung 17 IV 4b — derivative suit 7 II 7 — Einzelklage 19 J V Prozeßkostenhilfe 17 IV 3b (3) Prozeßmaximen 9 I und III; 17 IV 4a; 23 IV Prozeßstandschaft 19 B I lb Prozeßwirtschaftlichkeit 18 III 3d public Corporation 6 III — Anfechtung von Beschlüssen 12 III — derivative suit 7 II — Regulierung 6 I 1 und V; 7 I lb; 12 I 4b Publizitätspflichten 14 vor I Publikums-KG 15 I 2; 19 B III 3 quo warranto 12 II

race to the bottom 6 V

Ratifizierungsbeschluß 7 I la Ratifizierungsvorbehalt 13 I 1 real party in interest 8 II 2; 10 IV 3 Rechnungslegungsklage - siehe action for accounting Rechtsaufsicht 5 I und II Rechtsschutz —

Beschlußmängelklage 17 I

— board of directors 13 1 — business judgment rule 1113 — einstweiliger 21 V 3 - Einzelklage 7 I; 10 III; 19 A — Mehrstimmrechtsaktien 4 I 3 — Prozeßkostenhilfe 17 IV 3b (3) — Registerverfahren 21 V 3 — Schiedsgerichtsbarkeit 22 II Rechtsfortbildung 2 (3); 22 V 4 Rechtsmißbrauch 21 II — Abhilfekonzepte 21 V — gerichtliche Aufsicht 21 V 2 - Haftung 21 IV 3 — Rechtsfolgen 21 IV — Tatbestand 21 II Rechtsformverfehlung 4 12; 15 I und II Rechtstaatsprinzip 5 II Recht der verbundenen Unternehmen siehe Konzemrecht recovery — Arten 8 II 2 - Fallgruppen 8 II — individual pro rata recovery 8 II 3 Registersperre 21 V 3 registration Statement 14 I und II Reorganisationskonkurs 2 (1); 7 II 2c reporting Company 6 I 1 und V; 7 I lb; 12 I4b Restatement 6 V Revised Model Business Corporation Act (R.M.B.C.A.) 6 V right of enjoyment 19 B III 1; 23 IV Risikosegmentierung 6 II Rule 10b-5 6 V Rule 14a-9 6 V; 12 I 4b Satzungsautonomie — limitierte 2 (1); 15 I Satzungsgesellschafter 4 IV; 9 III 2 Satzungsstrenge 13 13 Schiedsfähigkeit — Aktienrecht 22 I — Beschlußmängelklage 22 II 2 - GmbH 22 II 2 — objektive 22 II 1

— Personengesellschaften 22 II 2 — subjektive 22 II 1 — Vergleichsbefugnis 22 II 1; 9 III Schiedsgericht — Gerichtsverfassung 22 IV 1 — Jurisdiktionsgewalt 22 IV 2 — Kartellsachen 22 III 2 — Rechtsschutz 22 IV 2 — Unabhängigkeit 22 IV 1 Schiedsgerichtsbarkeit — Optionsrecht 22 II 2d und e — Rechtsweg 22 I 1 — Schiedsspruch 9 III; 22 V 4 — Schranken 22 I 2; 9 III 1 — Verbote 22 vor I — Verfahren 22 V 1 - Vertrag 22 III — Vorbehaltsklausel 22 I 2 — Vorlagebefugnis 22 V 3 — Wesen 22 I Schiedsspruch — anwendbares Recht 22 V 2 — Inhaltskontrolle 22 V — Veröffentlichung 22 V 4 Schiedsunfähigkeit 22 II Securities Act von 1933 6 V; 9 III 3 Securities and Exchange Commission (SEC) 6 V Securities Exchange Act von 1934 6 V; 9 III 3 securities regulation 2(1); 6 V; 713 security for expenses 7 II 8 Selbstaufsicht 4 I 1; 16 III; 23 II 5 Selbstorganschaft 10 I und II; 18 III 3 Selbstverwaltungsgarantie im Verbandsrecht 22 I 1; 4 II Shareholders' derivative action — Abgrenzung 7 I 3 — amerikanisches Recht 7 I lb — Begründetheit 8 II und III — demand 7 II 5 — englisches Recht 7 I la — Entwicklung 7 I 1 — Kostentragung 7 II 7; 8 IV — litigation committee 7 II 6 — Mißbrauch 9 IV — Parteien 7 II 3 — rechtspolitische Bewertung 7 III — Schiedsfähigkeit 9 III — Verfahrensrahmen 9 I und II shark repellents 11 II short swing profits 7 I lb

Sittenwidrigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen 17 III lb Sonderrechte - AG 3 IV 2b — Bestandsschutz 3 IV 3 - eGen 3 IV 2c — Entziehung 3 IV 3 — Gesellschaftsvertrag 3 IV 1 - GmbH 3 IV 2a — numerus clausus 3 IV 2d — Zulässigkeit 3 IV 2d Sonderrechtstheorien 3 IV 1 Sonderorganschaftsrechte 3 IV 2a-c Sonderprüfung 20 II 1 Sozialanspruch 19 B I Sondervorteilsanfechtung 17 IV lb squeeze out 16 vor I Standing to sue - siehe Klagebefugnis Steuerrecht 6 II; 15 III Stiftung 4 I 4; 6 III 1 Stiftungsaufsicht 4 I 4 Stimmbindungsvertrag 9 III 2 Stimmrecht 17 vor I Stimmrechtssammlung - siehe proxy solicitation Stimmverbot 12 IV; 19 D I Streitwertbestimmung 17 IV 4b Streitwertherabsetzung 17 IV 4b strict scrutiny 6 III 2 strike suit 9 I und IV supplemental jurisdiction 6 V surcharge action 4 I 5 Suspensiveffekt - siehe Registersperre take over 11 II; 14 VII 1 tender offer 11 II Terminierungspräferenz 20 II 4; 21 V 1 Transaktionskosten 7 I 3; 9 IV Treuhandskonstruktion (KG) 19 B III 3 Treupflicht — close Corporation 6 III 2 — Minderheitsgesellschafter 17 IV lb (3); 18 III 4 — Konzemrecht 8 III 4 — partnership 10 I — Personengesellschaften 19 B I 1 triple derivative suit 7 II 2b Trust 6 IV —

constructive trust 91 1; 10 IV 6

— Trustvermögen 10 IV 1 Typus 15 I

Übernahmeabwehrmaßnahmen

11 III

ultra vires-Akte 7 II 5b; 12 12 unclean hands 8 I

Unconscionability 4 IV Uniform Limited Partnership Act 10 vor I Uniform Partnership Act 10 vor I Untätigkeitsklage 19 B III 3 Unterlassungsbegehren 19 G II und J III Unternehmen an sich 16 II 2; 23 II 5 Unternehmenspublizität

14 I

unwirksame Beschlüsse - siehe Beschlußanfechtung Umwandlung 21 V 3 Urteilsrechtskraft — Beschlußanfechtung 17 IV 4c — derivative suit 9 II Einzelklage 19 J VII Verbandsaufsicht administrativ 4 I 2 und 4 — bei der AG 4 11 und 3 Effizienz 4 V; 23 II — Ermessen 4 I 1 Kontrolle 4 vor I — Kosten 4 V — Mittel 4 I und II — rechtsvergleichend 4 I 1 staatlich 4 I 4; 23 II 4 — Wettbewerb 23 II 1 — verfassungsrechtliche Grundlagen 4 vor I Verbandsgewohnheitsrecht 5 II Verbandsrecht — Allgemeines 15 IV Besteuerung 15 III — richterliche Kontrolle 4 IV Selbstverwaltung 4 II; 22 I 1 — Typenlehre 15 I — Typenoffenheit 15 I — Verfassung 16 III Verbandsverfassungsstreitverfahren 18 II verbundene Unternehmen - siehe Konzemrecht Verbundverfahren 3 II verdeckte Gewinnausschüttung 19 D II; 21 IV 2a Verein - Idealverein 4 I 2; 18 III 1; 19 F; 20 III 6 — wirtschaftlicher Verein (§ 22 BGB) 4 I 2 Vereinigungsfreiheit — negative 4 IV

— Verfassungsrecht 16 III; 4 II Vereinsrecht — Beschlußfassung 18 III 1 — Einzelklagerecht 19 F — Informationsrecht 20 III 6 — Sonderrechte 3 IV 1 Verfristung 13 II Vergleichsbefugnis — Gesellschaftsrecht 22 II — und Schiedsfähigkeit 22 II 2 Vermögensberechtigung 19 B III 1 Verschmelzung -> siehe Fusion Verschmelzungsbeschluß 19 E VI; 21 V 3 Verschmelzungsvertrag 13 I 1 Vertragsfreiheit — Corporation 6 IV — Inhaltskontrolle 4 IV — partnership 10 I — Personenhandelsgesellschaften 4 IV — Schiedsklausel 22 I; 9 III 2 — bei Verbänden 4 IV Vertragsgesellschafter 3 I; 9 III 3 Verwässerungsschutz 17 IV lb (3) Verwaltungsmitglieder — Beschlußanfechtung 17 IV 2b — Einzelklagebefugnis 7 II 2d; 19 J I 2 — Organstreitverfahren 18 I 2a Vetorecht 3 IV 2; 6 IV; 7 II 2c Vinkulierungsbefugnis 6 II; 19 H I Vollstreckungsbescheid 17 IV 3c Vorlageverfahren 22 V 3 Vornahmeklage 19 B I 4, D V 2 und E VI Vorstandsbeschlüsse — Anfechtbarkeit 18 I 3b Vorverfahren, gesellschaftsinternes 7 II 5;

19 J IV Vorzugsaktie 7 II 2a voting stock 7 II 2a

Wahlanfechtung 12 II waste of corporate assets 7 12 Wettbewerb der Aufsichtsmodelle 23 II Wettbewerbsverbot 10 I 2; 19 B I 3 und II 1 Widerspruch - AG (§ 245 Nr. 1 AktG) 17 IV 2a - GbR (§711 BGB) 19 B I 2a - KG 19 B III 2b - OHG 19 B II 2 Williams Act 14 VII 2 Wohnungseigentümergemeinschaft — Beschlußanfechtung 18 III 2

Einzelklagebefugnis —Fallgruppen 19 H III — Struktur 19 H I — Wohnungseigentümerversammlung 19 HI WooD-Report 9 IV



Zapata-Regd 7 II 6b (2) Zivilprozeßrecht — Allgemeine Prozeßrechtslehre 23 IV — amerikanisches 7 II; 8 IV; 9 I-III — Kostenerstattung 17 IV 4b; 19 J V — Verfahrensmaximen 91; 21 V 2; 23 IV Zwangsauflösung juristischer Personen 4 16 Zwangsvollstreckung 19 J VII Zweiparteienzivilprozeß — Veränderung des Verfahrensrahmens 23 IV