Verstärkungswirkungen unter Grundrechten [1 ed.] 9783428556618, 9783428156610

Bedingt durch Überschneidungen in den Gewährleistungsbereichen der Grundrechte wird in manchen Lebenssituationen mehr al

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German Pages 296 [297] Year 2019

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Verstärkungswirkungen unter Grundrechten [1 ed.]
 9783428556618, 9783428156610

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1405

Verstärkungswirkungen unter Grundrechten

Von

Julia Sandner

Duncker & Humblot · Berlin

JULIA SANDNER

Verstärkungswirkungen unter Grundrechten

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1405

Verstärkungswirkungen unter Grundrechten

Von

Julia Sandner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahr 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15661-0 (Print) ISBN 978-3-428-55661-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85661-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit entstand während der Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Verfassungstheorie und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Martin Borowski an der Universität Heidelberg. Sie wurde im Wesentlichen im November 2016 fertig gestellt, neuere Entwicklungen haben nur noch punktuell Berücksichtigung gefunden. Danken möchte ich zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Martin Borowski, für die vielfältige Förderung sowie die großzügige Einräumung von Freiräumen während der Tätigkeit an seinem Lehrstuhl, die die Anfertigung dieser Arbeit wesentlich begünstigt haben. Aus einem unserer ersten Gespräche ist mir noch der Satz in Erinnerung: „Stellen Sie ruhig alles in Frage“, dem der Hinweis folgte, aus praktischen Gründen wäre es allerdings klüger, nicht alles gleichzeitig in Frage zu stellen. Die Leserschaft mag selbst urteilen, ob die Befolgung beider Ratschläge gelungen ist. Weiterer Dank geht an Herrn Prof. Dr. Kube, LL. M. (Cornell) für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ein großer Dank gebührt darüber hinaus meinem Vater, Ass. jur. Rainer Sandner, der es auf sich genommen hat, die gesamte Arbeit gegenzulesen und dabei viele wertvolle Hinweise gegeben hat. Außerdem danke ich meinem Kollegen RaVG Dr. Philipp Wittmann für lange Lesestunden nach Feierabend und weitere reichhaltige und kluge Anmerkungen. Verbleibende Inkorrektheiten und Ungenauigkeiten sind selbstverständlich allein die meinigen. Weiter möchte ich ganz herzlich danken Herrn Ass. jur. Egas Bender de Moniz Bandeira und Frau Dr. Konstantina ­Papathanasiou für die Durchsicht größerer Teile der Arbeit sowie Frau Ass. jur. Xiao Zhang für erhellende Diskussionen während der gemeinsamen Zeit in Heidelberg. Weiterer Dank gilt Frau Dipl.-Inf. (FH) Sandra Bracholdt, M.Sc. für technische Unterstützung. Karlsruhe, im Juli 2018

Julia Sandner

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I.

Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

II.

Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

III.

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . 26 I.

Erscheinungsformen der Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Art. X in Verbindung mit Art. Y GG – die sogenannte Schutzbereichsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Vertikale und horizontale Belastungskumulation, additive Grundrechtseingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4. Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 5. Schwere des Gleichheitsverstoßes bei Freiheitsrechtsbezug . . . . . . . . . . . 33 6. Abgrenzung zu anderen Phänomenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

II.

Das Phänomen der Verstärkung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Schächten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Caroline von Monaco II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Gefangenenbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Mutterschaftsgeld I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5. Treppenlift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 6. Bioresonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

III.

Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Kritik an der Verstärkung und Gegenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Befürworter und Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

B. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I.

Grundrechtssystematisierungen und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

8

Inhaltsübersicht II.

Grundrechtskonkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Vorliegen einer Konkurrenzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Behandlung einer Konkurrenzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

III.

Abwägung von Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Abwägung und Prinzipientheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Eingriffsintensität und abnehmender Grenznutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I.

Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Erläuterung anhand des Verhältnisses von allgemeiner Handlungsfreiheit zu besonderen Freiheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Erweiterung der Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

II.

Dogmatische Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Lückenloser Grundrechtsschutz des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

III.

Die Aspekte der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Bestimmung der Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Katalog von Menschenwürdeaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Politische Teilhabe als Beispiel eines Menschenwürdeaspekts . . . . . . . . . 156

IV.

Verstärkungsfähigkeit aller Grundrechtsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Leistungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Nichtdiskriminierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

V.

Notwendigkeit einer Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

VI.

Grundrechtsschranken und Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. These des Schutzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. These des Schutzmaximums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Faktische Maßgeblichkeit der höheren Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4. Vermittelnde Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Irrelevanz von Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

Inhaltsübersicht

9

VII. Unterschiedlichkeitsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 VIII. Das Problem der willkürlichen Grenzziehung unter den Aspekten . . . . . . . . . 172 IX.

Weitere potentielle Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

X.

Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung unter drei oder mehr Grundrechten 175

XI.

Prinzipientheoretisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Abstraktes Gewicht: Aktive und inaktive Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Aspekte als eigentliche Prinzipien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Ausdruck in einer prinzipientheoretischen Abwägungsformel . . . . . . . . . 178

XII. Hypothetisches Alternativverhalten in der Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . 182 1. Beeinflussbarkeit der Betroffenheit und hypothetisches Alternativverhalten 182 2. Hypothetisches Alternativverhalten in der Gesamtabwägung . . . . . . . . . . 185 3. Beeinflussbarkeit der Betroffenheit als Schwerekriterium bei mangelnden Handlungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 XIII. Konsequenzen für den Prüfungsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 XIV. Prozessuale Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 XV. Neuschöpfung eines Grundrechts, Innominatfreiheitsrechte und idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 XVI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 XVII. Beispielsfällezur idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung . . . . . . . . . . . 191 1. Berufsmusiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Mephisto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten . . . . . . . . . 194 I.

Zusammenfassung des bisherigen Erkenntnisstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Verstärkungswirkung und Gleichheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Rechtfertigungsprüfung des allgemeinen Gleichheitsrechts . . . . . . . . . . . 197

II.

Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten . . . . . . . . . 203 1. Menschenwürdeaspekte als Grundlage der Vergleichbarkeit von Freiheitsund Gleichheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Konzept einer zweipoligen Abwägung beim Gleichheitsrecht . . . . . . . . . 210

III.

Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Besondere Gleichheitssätze und Menschenwürdeaspekte . . . . . . . . . . . . . 227 2. Abwägungsfähigkeit der Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . 229

10

Inhaltsübersicht 3. Schwere der Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4. Diskriminierung aufgrund mehrerer Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 5. Intersektionalität, Mehrfachdiskriminierung und additive Diskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 IV.

Menschenwürdeaspekte bei idealkonkurrierenden Freiheits- und Gleichheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

V.

Beispielsfall Solariumsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit . . . . . . . . . 242 I.

Rechtsprechungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

II.

Argumentationsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Symmetrie der Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Grundrechte Dritter als Teil der objektiven Rechtsordnung . . . . . . . . . . . 246 3. Schutzrichtung der Grundrechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Wille des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 5. Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

III.

Übertragung des Ansatzes der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung . . 249 1. Vorhandensein von Menschenwürdeaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Berücksichtigung der Menschenwürdeaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I.

Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

II.

Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

III.

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . 26 I.

Erscheinungsformen der Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Art. X in Verbindung mit Art. Y GG – die sogenannte Schutzbereichsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Vertikale und horizontale Belastungskumulation, additive Grundrechtseingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4. Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 5. Schwere des Gleichheitsverstoßes bei Freiheitsrechtsbezug . . . . . . . . . . . 33 6. Abgrenzung zu anderen Phänomenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Ausstrahlungswirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 c) Wechselwirkungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 d) Hebelwirkung bei Grundrechtsparallelität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

II.

Das Phänomen der Verstärkung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Schächten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Caroline von Monaco II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Gefangenenbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Mutterschaftsgeld I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5. Treppenlift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 6. Bioresonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

III.

Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Kritik an der Verstärkung und Gegenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

12

Inhaltsverzeichnis a) Argumente gegen eine Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Aufweichung der Schutzbereichsgrenzen und mangelnde Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 bb) Schrankendivergenz als Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 cc) Fehlende Wertsteigerung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 dd) Weitere Kritikpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Gegenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Schlichtes Nebeneinander ohne Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Enge Schutzbereichsauslegung und konkurrenzrechtliche Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Befürworter und Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Erklärungen auf Schutzbereichsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Erweiterung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Neuschöpfung eines Grundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 cc) Schwabes grundrechtlicher Wirkungsverbund . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Erklärungen auf Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Argumentativer Rückgriff auf das verdrängte Grundrecht . . . . . . . 56 cc) Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 dd) Maß der Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

B. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I.

Grundrechtssystematisierungen und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

II.

Grundrechtskonkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Vorliegen einer Konkurrenzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Grad der Tatbestandserfüllung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) Eröffnung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (1) Notwendigkeit einer Schutzbereichseröffnung . . . . . . . . . . . . 71 (2) Voraussetzungen einer Schutzbereichseröffnung . . . . . . . . . . 73 (3) Konkurrenzproblem als Schutzbereichsproblem? . . . . . . . . . . 73 bb) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (1) Notwendigkeit eines Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (2) Eingriffsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Konkurrenzfähigkeit aller Grundrechtsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Sachverhaltsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Kriterien der Sachverhaltsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Nachträgliche Sachverhaltserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Inhaltsverzeichnis

13

(1) Zweckidentität und Zweck-Mittel-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . 83 (a) Zweckidentität und Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . 83 (b) Zweck-Mittel-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Aufsitzende Grundrechte, Basisgrundrechte und Vorbereitungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (3) Sanktionsfälle und Bestätigungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . 86 (4) Grundrechtsverstoß und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (5) Vertikale Belastungskumulation und Vorbelastungen . . . . . . . 89 (a) Definitionen und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (b) Voraussetzungen einer Bewertungseinheit . . . . . . . . . . . . 91 (aa) Lücke: Selbes Grundrecht und selber Zweck . . . . . . 92 (bb) G. Kirchhof: Vergleichbarer Gegenstand . . . . . . . . . 92 (cc) Kluth: Selber Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (dd) Klement: Eingriffsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (6) Parallele zur Saldierung von Vor- und Nachteilen . . . . . . . . . . 95 (7) Erkenntnisgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (a) Kritik an Zweck und Wille – zum Zweckbegriff . . . . . . . 97 (b) Kritik am Funktionszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (c) Materieller Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Sachverhaltsabgrenzung bei Beteiligung von Leistungsgrundrechten 103 dd) Sachverhaltsabgrenzung bei Beteiligung von Gleichheitsrechten . . 104 2. Behandlung einer Konkurrenzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Anleihen aus dem Straf- oder Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Problemumgehung enge Schutzbereichsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Lex posterior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Abstrakte Rangordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Keine Rangordnung anhand der Schranken . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Exkurs: preferred freedoms Doktrin in den USA . . . . . . . . . . 109 (3) Existenz einer Rangordnung unter den Grundrechten . . . . . . . 110 (4) Irrelevanz einer Rangordnung für die Behandlung von Konkurrenzlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cc) Schrankendivergenz als Problem und Lösungsansatz . . . . . . . . . . 112 dd) Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 ee) Subsidiarität und Konsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 ff) Situative Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Meistbetroffenheitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Im Vordergrund stehendes Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

14

Inhaltsverzeichnis (3) Sachnäheres Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (4) Schwerpunkt der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (5) Objektive Zielrichtung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (6) Subjektives Eingriffsmotiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (7) Betroffenheit im Zentralbereich – Randbereich . . . . . . . . . . . 121 (8) Kritik an der situativen Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 d) Idealkonkurrenz statt Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 e) Besonderheiten beim Zusammentreffen von Freiheits- und Gleichheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III.

Abwägung von Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Abwägung und Prinzipientheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Eingriffsintensität und abnehmender Grenznutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I.

Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Erläuterung anhand des Verhältnisses von allgemeiner Handlungsfreiheit zu besonderen Freiheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Erweiterung der Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

II.

Dogmatische Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Lückenloser Grundrechtsschutz des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Grundrechte als punktuelle Einzelgewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Generalklausel allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Menschenrechtlicher Ursprung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

III.

Die Aspekte der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Bestimmung der Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Materielle Systematisierungen von Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Analyse der Verdrängungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Essentielle Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) H. L. A. Hart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) John Rawls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc) John Finnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Katalog von Menschenwürdeaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Inhaltsverzeichnis

15

b) Elternliebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Geselligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 e) Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 f) Transzendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 g) Persönlichkeitsentfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 h) Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 i) Politische Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 j) Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Politische Teilhabe als Beispiel eines Menschenwürdeaspekts . . . . . . . . . 156 a) Nationale und internationale Kodifizierungen des Rechts auf politische Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Droits civils und droits politiques . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Jellineks status activus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Preferred freedoms Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 e) Dienende Grundreche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 f) Menschenwürde und politische Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 g) Politische Teilhabe in Bestimmungen des Grundgesetzes . . . . . . . . . . 160 IV.

Verstärkungsfähigkeit aller Grundrechtsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Leistungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Nichtdiskriminierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

V.

Notwendigkeit einer Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

VI.

Grundrechtsschranken und Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. These des Schutzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. These des Schutzmaximums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Faktische Maßgeblichkeit der höheren Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4. Vermittelnde Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Irrelevanz von Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

VII. Unterschiedlichkeitsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 VIII. Das Problem der willkürlichen Grenzziehung unter den Aspekten . . . . . . . . . 172 IX.

Weitere potentielle Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

X.

Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung unter drei oder mehr Grundrechten 175

XI.

Prinzipientheoretisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

16

Inhaltsverzeichnis 1. Abstraktes Gewicht: Aktive und inaktive Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Aspekte als eigentliche Prinzipien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Ausdruck in einer prinzipientheoretischen Abwägungsformel . . . . . . . . . 178 a) Vorarbeiten anderer Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Unterschiedlichkeitsfaktor U . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Gesamtabwägungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 d) Exkurs: U < 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 XII. Hypothetisches Alternativverhalten in der Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . 182 1. Beeinflussbarkeit der Betroffenheit und hypothetisches Alternativverhalten 182 2. Hypothetisches Alternativverhalten in der Gesamtabwägung . . . . . . . . . . 185 3. Beeinflussbarkeit der Betroffenheit als Schwerekriterium bei mangelnden Handlungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 XIII. Konsequenzen für den Prüfungsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 XIV. Prozessuale Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 XV. Neuschöpfung eines Grundrechts, Innominatfreiheitsrechte und idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 XVI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 XVII. Beispielsfällezur idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung . . . . . . . . . . . 191 1. Berufsmusiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Mephisto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten . . . . . . . . . 194 I.

Zusammenfassung des bisherigen Erkenntnisstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Verstärkungswirkung und Gleichheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Rechtfertigungsprüfung des allgemeinen Gleichheitsrechts . . . . . . . . . . . 197 a) Willkürformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Neue Formel und neuere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

II.

Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten . . . . . . . . . 203 1. Menschenwürdeaspekte als Grundlage der Vergleichbarkeit von Freiheitsund Gleichheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Menschenwürdeaspekte der Gleichheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Irrelevanz der aktivierten Grundrechtsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Schweregrad der Beeinträchtigung gleitend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Konzept einer zweipoligen Abwägung beim Gleichheitsrecht . . . . . . . . . 210

Inhaltsverzeichnis

17

a) Differenzierungsgebot als materieller Gehalt des allgemeinen Gleichheitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Nahezu unendlich viele Vergleichsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Bestimmung der Intensität der Beeinträchtigung des Gleichheitsrechts 218 aa) Qualität der Adressatenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (1) Grad der Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (2) Weitere Sachnähemaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) Nähe zum Menschenwürdekern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 cc) Freiheitsrechte kein Kriterium der Schwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III.

Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Besondere Gleichheitssätze und Menschenwürdeaspekte . . . . . . . . . . . . . 227 2. Abwägungsfähigkeit der Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . 229 3. Schwere der Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4. Diskriminierung aufgrund mehrerer Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 5. Intersektionalität, Mehrfachdiskriminierung und additive Diskriminierungen 235

IV.

Menschenwürdeaspekte bei idealkonkurrierenden Freiheits- und Gleichheitsrechten 238

V.

Beispielsfall Solariumsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit . . . . . . . . . 242 I.

Rechtsprechungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

II.

Argumentationsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Symmetrie der Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Grundrechte Dritter als Teil der objektiven Rechtsordnung . . . . . . . . . . . 246 3. Schutzrichtung der Grundrechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Wille des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 5. Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

III.

Übertragung des Ansatzes der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung . . 249 1. Vorhandensein von Menschenwürdeaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Berücksichtigung der Menschenwürdeaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Institutionelle Grundrechtsgehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Grundrechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht Abs. Absatz AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Art. Artikel BAG Bundesarbeitsgericht BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Sammelbandreihe) BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Sammelbandreihe) BPersVG Bundespersonalvertretungsgesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Sammelbandreihe) BVerwG Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Sammelbandreihe) BVerwGE bzgl. bezüglich d. h. das heißt EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EL Ergänzungslieferung EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof Fn. Fußnote GenDG Gendiagnostikgesetz GG Grundgesetz GVG Gerichtsverfassungsgesetz h. M. herrschende Meinung in Verbindung mit i. V. m. KunstUrhG Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie m. w. N. mit weiteren Nachweisen OVG Oberverwaltungsgericht Rn. Randnummer SGB Sozialgesetzbuch SprAuG Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten StGB Strafgesetzbuch u. a. unter anderem Var. Variante VG Verwaltungsgericht

Abkürzungsverzeichnis VGH Verwaltungsgerichtshof VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WRV Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel z. B.

19

Einleitung Idealkonkurrierende Grundrechte eines Grundrechtsträgers können sich unter bestimmten Umständen gegenseitig verstärken. Diese These, die bereits in einigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts angedeutet und vom rechtswissenschaftlich Diskurs vereinzelnd aufgegriffen wurde, wird in dieser Arbeit untersucht und sowohl in ihren Voraussetzungen als auch mit ihren Konsequenzen in den Blick genommen.

I. Problemstellung Als die Grundrechte des Grundgesetzes im Jahr 1949 kodifiziert wurden, hatte jedes von ihnen bereits einen längeren ideengeschichtlichen Entwicklungsprozess hinter sich, in deren Verlauf sich jeweils typische Lebensumstände als besonders schutzbedürftig herausgestellt hatten.1 Diese nicht immer parallel verlaufenden Genesen der einzelnen Grundrechte führten jedoch dazu, dass die Schutzbereiche der Grundrechte nicht systematisch aufeinander abgestimmt sind,2 sondern sich mal mehr, mal weniger überschneiden.3 In vielen Situationen ist daher nicht nur ein Grundrecht anwendbar, sondern es sind mehrere gleichzeitig. Bedeutet eine größere Anzahl von einschlägigen Grundrechten auch einen stärkeren Schutz? Dies lässt sich rundweg ablehnen mit dem Hinweis, dass mehrere Grundrechte im Überschneidungsbereich einfach das selbe Schutzgut schützen, so dass man sich entweder auf das eine, oder auf das andere Grundrecht berufen könnte, eine Berufung auf mehrere Grundrechte aber keinen Vorteil bringe.4 Jedoch gehen einzelne Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zumindest implizit von einer Verstärkung aus. So hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil Schächten eine Verstärkung der Berufsfreiheit des beschwerdeführenden Metzgers durch die Religionsfreiheit angenommen.5 Auch in weiteren Entscheidungen geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass ein Grundrecht allein die Belastung des Bürgers nicht vollständig erfassen könnte. In der Entscheidung Caroline von 1

Nachweise, siehe Fn. 902. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland angestellte Bemühungen, die Schutzbereiche restriktiv auszulegen um Überschneidungen der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte zu vermeiden, schlugen fehl, siehe Abschnitt B. II. 2. b). 3 Plakativ Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 116: „Schutzbereichswirrwarr“. 4 Siehe Schwabes grundrechtlicher Wirkungsverbund, Abschnitt A. III. 2. a) cc). 5 Näher im Abschnitt A. II. 1. Genau genommen war es sogar die Religionsfreiheit von Dritten, siehe dazu Abschnitt E. 2

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Einleitung

Monaco II etwa wurde die spezifische elterliche Hinwendung zu den Kindern im allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Eltern in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 GG verortet.6 Ein anderes Beispiel sind die Entscheidungen zum Thema Gefangenenbriefe, in denen sogar ausdrücklich von einer „Verstärkung“ des Gebots der Achtung der Entfaltungsfreiheit im privaten Lebensbereich (Art. 2 Abs. 1 GG) durch den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) die Rede ist.7 Darüber hinaus legen alle Entscheidungen, in denen einzelne Grundrechte mit der Formulierung „in Verbindung mit“ verknüpft werden,8 eine Verstärkungswirkung zumindest nahe. Im rechtswissenschaftlichen Diskurs wird eine Verstärkung vor allem unter dem Stichwort der „Schutzbereichsverstärkung “9 diskutiert. Aber auch den Rechtsfiguren der „vertikalen und horizontalen Belastungskumulation “10 bzw. des „additiven Grundrechtseingriffs “11 liegt die Annahme einer Verstärkung im weiteren Sinn zugrunde. Verstärkungswirkungen sind jedoch nicht nur unter Freiheitsgrundrechten12 denkbar. Auch beim Zusammentreffen von Freiheits- mit Gleichheitsrechten wird zumindest unterschwellig eine Verstärkung angenommen. Dies kommt beispielsweise darin zum Ausdruck, dass eine Ungleichbehandlung für schwerwiegender erachtet wird, wenn gleichzeitig auch ein Eingriff in ein Freiheitsrecht vorliegt.13 Ungeachtet dieser eher punktuellen Erwähnungen einer Verstärkungswirkung steht eine systematische Betrachtung des Phänomens der Verstärkungswirkungen unter Grundrechten jedoch bislang noch aus. Eine Klärung der Voraussetzungen und Tragweite der Verstärkungswirkung unter Einordnung der jeweiligen Phänomene in einen gemeinsamen dogmatischen Gesamtkontext wird daher mit der vorliegenden Arbeit unternommen.

II. Lösungsansatz Die Grundrechte des Grundgesetzes stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Sie sind Ausdruck eines als lückenlos gedachten System14 des Grundrechtsschutzes, das in seinem Grundgedanken auf die Menschenwürde aufbaut und einzelne, aus ihr entwickelte überpositive Menschenrechte zu kodifizieren unternimmt. Eine Rückbesinnung auf diesen gemeinsamen Ursprung15 ermöglicht es, Übereinstim 6

Siehe A. II. 2. Nähere Besprechung in Abschnitt A. II. 8 Umfassende Zusammenstellung der Konstellationen mit „in Verbindung mit“ bei Meinke, Verbindung (2006). 9 Siehe Abschnitt A. I.1. 10 Siehe Abschnitt A. I.2. 11 Siehe Abschnitt A. I.2. 12 Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. 13 Siehe Abschnitt A. I. 5. 14 Siehe Abschnitt C. II. 1. 15 Siehe Abschnitt C. II. 2. 7

II. Lösungsansatz 

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mungen des materiellen Gehalts der formell unterschiedlichen Grundrechte aufzudecken und die jeweiligen Grundrechte so auf inhaltliche Überschneidungen hin zu untersuchen. Als möglichst inkongruente, grundrechtsrelevante und praktisch handhabbare Bestandteile bilden dabei einzelne – in einem nachfolgenden Kapitel noch zu entwickelnde – Menschenwürdeaspekte einen Bewertungsmaßstab für den Grad der inhaltlichen Überschneidung unter den Grundrechten.16 Mit einer Verstärkungswirkung unter Grundrechten kann sinnvollerweise nur gemeint sein, dass in einer rechtfertigenden Abwägung mit den Zwecken des staatlichen Handelns17 das Gewicht aller einschlägigen18 idealkonkurrierenden Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Betroffenen bei einer Gesamtbetrachtung schwerer wiegt, als bei einer jeweils einzelnen Betrachtung der Grundrechtspositionen. Eine solchermaßen definierte Gewichtsverstärkung ergibt sich bei idealkonkurrierenden Grundrechten eines Grundrechtsträgers, wenn sie unterschiedliche Aspekte der Menschenwürde schützen. Unterscheidet sich der Gehalt der idealkonkurrierenden Grundrechte jedoch nicht hinsichtlich ihrer Menschenwürdeaspekte bzw. der Art und Weise ihrer Betroffenheit,19 so kommt es nicht zu einer Verstärkung.20 Um diese idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung sachgerecht erfassen zu können, ist es erforderlich, sämtliche beeinträchtigten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte ihres Inhabers gemeinsam in einer Gesamtabwägung den zur Rechtfertigung angeführten Belangen gegenüberzustellen.21 Auch Gleichheitsrechte lassen sich auf den Schutz der Menschenwürde zurückführen, so dass auch in ihnen Aspekte der Menschenwürde erkannt werden können.22 Vordergründig scheinen einer gemeinsamen Betrachtung mit idealkonkurrierenden Freiheitsgrundrechten23 jedoch Unterschiede in der Rechtfertigungsprüfung insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit und Ausgestaltung einer Abwägung entgegen zu stehen. Während bei Freiheitsrechten die Schwere des Grundrechtseingriffs dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe gegenüber gestellt wird, sind bei den Gleichheitsrechten nach einem verbreiteten Verständnis die Schwere der Ungleichbehandlung, die Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen und die rechtfertigenden Gründe zum Ausgleich zu bringen, wobei die genaue Durchführung einer solchen dreipoligen Abwägung ungeklärt ist.24 Über den neu einzu-

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Siehe Abschnitt C. III. Definition Tun, Unterlassen und Handeln, siehe Abschnitt B. I. 18 Nach der hier zu Grunde gelegten Definition von Idealkonkurrenz setzt diese die tatbestandliche Einschlägigkeit der Grundrechte im Sinne eines positiv festgestellten Eingriffs in den eröffneten Schutzbereich voraus (siehe Abschnitte B. II. 1. a) aa) (1) und B. II. 1. a) bb) (3)). Die obige Formulierung dient nur der Klarstellung. 19 Siehe Abschnitt C. VII. 20 Siehe Abschnitt C. I. 21 Siehe Abschnitte C. V. und C. VI , sowie C. XI. 3. c), vgl. auch A. I. 3. 22 Siehe Abschnitt D. II. 1. 23 Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. 24 Siehe Abschnitt D. I. 2. c). 17

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Einleitung

führenden Topos der Qualität der Adressatenwahl25 kann die Unterschiedlichkeit und damit der Vergleich mit den Referenzpersonen objektiviert werden und so als eines von mehreren Kriterien der Schwere der Ungleichbehandlung (bzw. Gleichbehandlung) begriffen werden. Die Abwägung kann so auf eine zweipolige Prüfung reduziert werden, um damit eine Berücksichtigung der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung sowohl von Freiheits- als auch von Gleichheitsgrundrechten in der Gesamtabwägung zu ermöglichen.26 Der vorgenommene dogmatische Ausbau der Gesamtabwägung idealkonkurrierender Grundrechte ermöglicht es zudem, Phänomene zu berücksichtigen, deren Existenz bisher nur am Rande angedeutet wurde oder die bislang höchstens verdeckt in die Abwägung eingeflossen sind. So können in untergeordneter Weise beeinträchtigte Grundrechte berücksichtigt werden,27 Ungleichbehandlungen mit freiheitsrechtlicher Relevanz klar erfasst werden,28 oder der Problematik des hypothetischen Alternativverhaltens mit Grundrechtsrelevanz Rechnung getragen werden29.

III. Gang der Untersuchung Im Kapitel A. werden eingangs die verschiedenen Erscheinungsformen einer möglichen Verstärkung unter Grundrechten vorgestellt (A. I.) und daraufhin einige zentrale Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zusammengefasst, auf die später gelegentlich zurück gegriffen wird (A. II.). Sodann werden Kritik und vorhandenen Erklärungsansätze des wissenschaftlichen Diskurses dargelegt (A. III.). Im anschließenden Kapitel B. werden zunächst die für diese Untersuchung relevanten Begriffe der Grundrechtsdogmatik definiert (B. I.). Da die Gewichtsverstärkung eine spezielle Folge der Idealkonkurrenz mehrerer Grundrechte ist, dient der Abschnitt B. II. der Erörterung der Voraussetzungen (B. II.1.) und Konsequenzen (B. II. 2.) der grundrechtlichen Idealkonkurrenz. Dabei wird ein erster Schwerpunkt auf die Bestimmung des zugrunde zu legenden Rechtsfallausschnitts gelegt, um eine vollumfängliche Berücksichtigung verstärkungsrelevanter Sachzusammenhänge sicher zu stellen (B. II. 1. c)). Sodann erfolgt eine Auseinandersetzung mit denjenigen Ansichten, die eine Idealkonkurrenz von Grundrechten ablehnen und stattdessen Verdrängungsregeln für Grundrechtsmehrheiten aufstellen (B. II. 2. c)). Da eine Verstärkung unter Grundrechten sich auf die Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auswirkt, fasst ein weiterer Abschnitt B. III. den aktuellen Stand der Abwägungsdogmatik zusammen. 25

Siehe Abschnitt D. II. 2. c) aa). Siehe Abschnitt D. II. 2. 27 Siehe Abschnitt B. II. 2. d). 28 Siehe allgemein Abschnitt D. und speziell Abschnitte D. II. 2. c) cc) und D. IV. 29 Siehe Abschnitt C. XII. 26

III. Gang der Untersuchung 

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Das Kapitel C. dient der ausführlichen Darlegung des oben beschriebenen Modells der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten (C. I.). Ausgehend vom gemeinsamen Ursprung der Grundrechte in der Menschenwürde (C. II. 2.) und der Idee eines systematischen Zusammenhangs unter den Grundrechten, wie er in der Annahme vom lückenlosen Grundrechtsschutz zum Ausdruck kommt (C. II. 1.), werden grundlegende Aspekte der Menschenwürde vorgestellt (C. III.), aus denen sich ein Maßstab für den inhaltlichen Vergleich der Freiheitsgrundrechte ergibt. Anschließend wird erläutert, dass sich das gefundene Modell auf sämtliche Grundrechtsfunktionen übertragen lässt (C. IV.). Sodann wird die durch die idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung gebotene Gesamtabwägung vorgestellt (C. V.) und gegen Einwände verteidigt (C. VI.). Es folgen weitere Abschnitte zur genaueren Bestimmung des Grads der Unterschiedlichkeit der idealkonkurrierenden Grundrechte (C. VII.) sowie zu spezifisch prinzipientheoretischen Fragen der Darstellung (C. XI.). In einem weiteren Abschnitt werden die gefundenen Ergebnisse fruchtbar gemacht, um für das Problem des hypothetischen Alternativverhaltens eine Lösung vorzuschlagen (C. XII.). Schließlich werden noch die Themen Abgrenzung der Verstärkungswirkung zur Neuschöpfung eines Grundrechts (C. XV.), prozessuale Konsequenzen (C. XIV.) und Konsequenzen für den Prüfungsaufbau (C. XIII.) behandelt. Abschließend erfolgt eine Veranschaulichung der Ergebnisse anhand zweier Beispielsfälle (C. XVII.). Im Kapitel D. soll der im vorangegangenen Kapitel vorgestellte Ansatz auch auf Gleichheitsgrundrechte angewandt werden. Hierbei wird zunächst gezeigt, dass der Gewährleistungsgehalt der Gleichheitsgrundrechte ebenfalls auf die Menschenwürde und den Schutz einzelner Menschenwürdeaspekte zurückgeführt werden kann (D. II.). Im Anschluss wird dargelegt, warum die spezielle Struktur der Gleichheitsgrundrechte einer gemeinsamen Einstellung von Freiheits- und Gleichheitsgrundrechten in eine Gesamtabwägung nicht entgegensteht. Der hierbei neu vorgestellte Faktor der „Qualität der Adressatenwahl“ (D. II. 2. c) aa)) macht einen Vergleich mit einem konkreten Referenzsachverhalt in der Abwägung überflüssig und ermöglicht so, die Prüfung der Rechtfertigung einer Gleichbehandlung (bzw. Ungleichbehandlung) auf eine mit den Freiheitsgrundrechten kompatible, zweipolige Abwägung zurückzuführen (D. II. 2.). Im Abschnitt D. III. wird auf Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitsrechten eingegangen und nach einem Abschnitt über Besonderheiten des idealkonkurrierenden Zusammentreffens von Freiheitsund Gleichheitsrechten (D. IV.) wird zuletzt das gesamte Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung unter Beteiligung von Gleichheitsrechten anhand eines Beispielsfalls veranschaulicht (D. V.). Abschließend wird im Kapitel E. der Frage nach einer Gewichtsverstärkung durch Grundrechte Dritter, institutionelle Grundrechtsgehalte sowie sonstiges objektives Verfassungsrecht nachgegangen und in diesem Zusammenhang nachgewiesen, dass das Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung auch hier eine adäquate Erfassung und Bewertung der jeweiligen Verstärkungswirkung ermöglicht.

A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs Verstärkungswirkungen unter Grundrechten werden immer noch als neues Phänomen bezeichnet.30 Zwar ist der Großteil der Literatur zu diesem Thema erst in den letzten 15 Jahren erschienen, die Anfänge der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur reichen jedoch bis in die 1970er Jahre zurück, teilweise sogar noch weiter. Bereits Otto Bachof kann als Vertreter einer Verstärkung interpretiert werden, da er bemerkte, ein und dasselbe Verhalten könne dem Schutz verschiedener Grundrechte dergestalt unterfallen, dass die Schutzfunktionen sich überschnitten oder kumulierten.31 Während bisher noch keine tiefergehende monografische Bearbeitung vorliegt, gibt es viele Ausführungen kürzerer oder mittlerer Länge, die die Thematik in den verschiedensten Zusammenhängen aufgreifen. Nicht zuletzt eine uneinheitliche Begriffsverwendung verhinderte bislang die Herausbildung eines Systems. Der Themenkomplex „Verstärkungswirkungen unter Grundrechten“ wird unter mehreren Blickwinkeln untersucht. Ein erster Querschnitt stellt die Erscheinungsformen der Verstärkung dar und ordnet bei dieser Gelegenheit die Begrifflichkeiten (A. I.). In einem zweiten Querschnitt soll die Rechtsprechung zu Verstärkungswirkungen dargestellt werden, insbesondere zu der häufig anzutreffenden Formulierung „in Verbindung mit“ (II.). Ein dritter Querschnitt widmet sich den kritischen Äußerungen und Erklärungsversuchen der Literatur (III.). In dieser Arbeit geht es in erster Linie nur um die Verstärkung durch mehrere Grundrechte einer Person. Die ebenfalls diskutierten Verstärkungswirkungen durch Grundrechte Dritter, durch institutionelle Grundrechtsgehalte oder durch sonstiges objektives Verfassungsrecht können nur gestreift werden. Siehe dazu den Abschnitt E.

I. Erscheinungsformen der Verstärkung Eine Verstärkungswirkung unter idealkonkurrierenden Grundrechten eines Grundrechtsträgers wird bei verschiedenen grundrechtsdogmatischen Figuren angenommen oder jedenfalls erwogen. Diese Phänomene werden im folgenden Abschnitt dargestellt und sogleich von dogmatischen Figuren abgegrenzt, bei denen nur scheinbar eine Verstärkung vorliegt. 30 Peine, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 57, Rn. 53; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 2; Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu, 48. EL. (2016), § 90 BVerfGG, Rn. 167; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 58; vgl. Sachs, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Vor Art. 1, Rn. 136; Schaks, DÖV 2015, 817, 818. 31 Bachof, in: Grundrechte III/1 (1958), S. 155, 169.

I. Erscheinungsformen der Verstärkung 

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1. Art. X in Verbindung mit Art. Y GG – die sogenannte Schutzbereichsverstärkung Eine Verstärkungswirkung wird am häufigsten angenommen im Zusammenhang mit Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, die eine Konstruktion „Grundrecht X in Verbindung mit Grundrecht Y“ anführen.32 Angesichts der Fülle von Entscheidungen wird der Rechtsprechung bereits eine inflationäre Verwendung vorgeworfen.33 Was genau mit der Konstruktion jeweils ausgedrückt werden soll, bleibt in der Regel unklar; insbesondere in welchem Verhältnis beide Grundrechte zueinander stehen – abgesehen davon, dass sie offenbar beide auf den Fall anwendbar sind. Zu Recht wurde die Phrase „in Verbindung mit“ daher als „Unverständlichkeits-Tag“ bezeichnet.34 Viele Erklärungsversuche in der Literatur wurden dann auch durch entsprechende bundesverfassungsgerichtliche Urteile veranlasst, vor allem durch die Entscheidungen Caroline von Monaco II35 und Schächten36. Grob betrachtet lassen sich zwei unterschiedliche Typen von Verbindungen feststellen: Zum einen kann die Verkoppelung dazu dienen, objektive Rechtsprinzipien zu subjektivieren und sie damit zu justiziabilisieren.37 Dies soll hier nicht weiter interessieren, siehe dazu Abschnitt E. Zum anderen können damit mehrere Grundrechte aufgeführt werden. Dabei können wiederum, im Anschluss an die treffende Erläuterung von Carsten Bäcker,38 folgende Bedeutungsvarianten unterschieden werden: Mit der Formulierung „in Verbindung mit“ kann zum einen eine Auflistung ausgedrückt werden im Sinne eines schlichten Nebeneinanders von Normen39 oder eines Verweises auf eine zusätzliche externe Norm, beispielsweise eine der Weimarer Reichsverfassung.40 „In Verbindung mit“ hat dann die gleiche Bedeutung wie ein Komma oder ein „und“. Andererseits kann „in Verbindung mit“ auch für die Neuschöpfung eines Schutzgegenstandes stehen, beispielsweise beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht.41 32

Z. B. BVerfGE 96, 288 – Integrative Beschulung; BVerfGE 101, 361 – Caroline von Monaco II; BVerfG, NJW 2000, 2658, 2658 – Treppenlift; BVerfGE 104, 337 – Schächten. Siehe auch Abschnitt A. II. 33 Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 156. 34 Tiedemann, NVwZ 2012, 1031, 1031 f. 35 BVerfGE 101, 361 – Caroline von Monaco II; siehe den Abschnitt A. II. 2. Caroline von Monaco II. 36 BVerfGE 104, 337 – Schächten; siehe den Abschnitt A. II. 1. Schächten. 37 I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 572. 38 Bäcker, AöR 135 (2010), 78. 39 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 105: „grundrechtsneutrale Verwendung“; so auch Klement, AöR 134 (2009), 35, 52; z. B. BVerfGE 96, 288, 304 – Integrative Beschulung. 40 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 105. 41 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 106: „grundrechtsschöpfende Verbindung“; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190 f.; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 47. Siehe dazu Abschnitt A. III. 2. a) bb) und Abschnitt C. XV.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Schließlich kann auch eine grundrechtsmodifizierende Bedeutung gemeint sein, also eine Veränderung des Grundrechts oder seiner Wirkung durch ein anderes – darunter fiele eine Verstärkung.42 Zutreffend weist Bäcker darauf hin, dass es im Einzelfall schwierig sein kann, festzustellen, ob „in Verbindung mit“ mit (schlicht) grundrechtsmodifizierender oder grundrechtsschöpferischer Bedeutung benutzt wird.43 Eine mögliche gegenseitige Verstärkung der Grundrechte im Zusammenhang mit der Formulierung „in Verbindung mit“ wird in der Literatur am häufigsten unter dem Schlagwort „Schutzbereichsverstärkung“ diskutiert.44 Vereinzelt wird auch von „Schutzbereichskumulation“45, „Ergänzung des Schutzbereichs“46, „Schutzgehaltsverstärkung“47, „Schutzbereichserweiterung“48 oder „Grundrechtskumula­ tion“49 gesprochen. Christoph Spielmann nennt die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts im Urteil Schächten „Verstärkungsverbund“.50 Bereits Mitte der 1970er Jahre hatte Jürgen Schwabe sich Gedanken über das Verhältnis mehrerer idealkonkur­rierender Grundrechte zueinander gemacht und die Figur des „Wirkungsverbunds“51 bzw. „grundrechtlichen Wirkungsverbunds“52 geschaffen, 42 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 105, von ihm „schlicht grundrechtsmodifizierende Verbindung“ genannt. 43 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 106 Fn. 104. 44 Spranger, NJW 2002, 2074, 2075 verwendet den Begriff als Erster in seiner Besprechung des Schächt-Urteils, in welchem nur von „Schutz“ und „verstärkt“ die Rede ist; Höfling, in: FS Rüfner (2003), S. 329, 334, 335; Spielmann, JuS 2004, 371, 372; Kahl, AöR 131 (2006), 579, 601; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 545; Zippelius / Würtenberger, Staatsrecht, 32. Aufl. (2008), S. 204; Czerner, ZRP 2009, 233, 235; Riedel, NZS 2009, 260, 264; Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 115; Heimann, in: Verfassungsrecht (2010), S. 123, 128; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 201, Rn. 113; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 157; Huster / Rux, in: BeckOK GG, 18. EL (2016), Art. 20a GG, Rn. 46.1; A.-K.  Bauer, Kindeswohlgefährdung (2012), S. 115; Beyerbach, Unternehmensinformation (2012), S. 246; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 58. Der Begriff „Schutzbereichsverstärkung“ ist abzulehnen, da es nicht nur um eine Verstärkung des Schutzbereiches bzw. Gewährleistungsgehalts geht, sondern insgesamt der Schutz, den die Grundrechte gewähren, verstärkt wird. Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 442: in systematischer Hinsicht spräche gegen den Begriff „Schutzbereichsverstärkung“, dass es beim verstärkten Grundrecht um Gewichtungsfragen in der Abwägung gehe und beim verstärkenden Grundrecht um eine Schutzbereichs­ exklusion; Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 114: „modische Zauberformel“. 45 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 538. 46 Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 209. 47 Sydow, Jura 2002, 615, 619. 48 Kahl, AöR 131 (2006), 579, 601. Der Begriff „Schutzbereichserweiterung“ sollte vermieden werden, da die Schutzbereichserweiterung bereits im Patentrecht ein stehender Begriff mit vollkommen anderer Bedeutung ist, Gruber / Zumbusch / Haberl, Patentrecht, 7. Aufl. (2012), Rn. 15.26 ff. 49 Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 158; Bethge, in: Maunz /  Schmidt-Bleibtreu, 48. EL. (2016), § 90 BVerfGG, Rn. 167. 50 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 182. 51 Schwabe, JA 1979, 191, 193; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53. 52 Schwabe, Probleme (1977), S. 361, 367; sich anschließend Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 43.

I. Erscheinungsformen der Verstärkung 

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siehe dazu den Abschnitt III. 2. a) cc). Ein weiterer in diesem Zusammenhang erwähnter Begriff ist „Grundrechtsverbund“, der aber nicht einheitlich verwandt wird.53 Ebenfalls vereinzelt wird das Phänomen auch als „Verbundgrundrecht“ bezeichnet,54 worunter andernorts aber die Neuschöpfung eines Grundrechts verstanden wird.55 Bäcker benutzt für beides den Oberbegriff „Verbindungsgrundrecht“.56 Weitere einzelne Bezeichnungen sind „Zwittergrundrecht“57, „Synthesegrundrecht“58, „Grundrechtskonglomerat“59, „Grundrechtskombination“60 oder auch „Kombinationsgrundrecht“61. 2. Vertikale und horizontale Belastungskumulation, additive Grundrechtseingriffe Ebenfalls um die gleichzeitige Anwendung mehrerer Grundrechte geht es bei dem Phänomen der „Belastungskumulation“.62 Nach Michael Kloepfer, der als erster das Phänomen beschrieb, sind eine horizontale und eine vertikale Belastungskumulation zu unterscheiden63: Eine „horizontale Belastungskumulation“ liege vor, wenn mehrere Personen von gleichartigen, einzeln betrachtet zulässigen Eingriffen betroffen werden.64 Es geht also um eine Verstärkung durch Grundrechte Dritter. Dies soll nicht im Zentrum der Bearbeitung stehen. Näheres dazu in Abschnitt E.

53 Schwabe, JA 1979, 191, 193, 194 verwendet ihn als Synonym für seinen „Wirkungsverbund“; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 82 benutzt ihn als Oberbegriff für verschiedene Phänomene aus dem Bereich Grundrechtskonkurrenzen; Beyerbach, Unternehmensinformation (2012), S. 255 befürwortet einen „schutzergänzenden Grundrechtsverbund“; Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu, 48. EL. (2016), § 90 BVerfGG, Rn. 167 erwähnt nur, dass der Begriff etwas mit Verstärkung unter Grundrechten zu tun habe. 54 Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 157. 55 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 84 f.; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 538. 56 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 109 f. 57 Kahl, AöR 131 (2006), 579, 601. 58 Kahl, AöR 131 (2006), 579, 601. 59 Czerner, ZRP 2009, 233, 235. 60 Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015). 61 Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 254. 62 Beide Begriffe, Belastungskumulation und additiver Grundrechtseingriff, von Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 201; sich anschließend Klement, AöR 134 (2009), 35, 40; leicht enger fassend Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1472 ff., 1477; wie Kloepfer G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 734; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 553; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 671 wendet den stehenden Begriff „Belastungskumulation“ fälschlicherweise auch bei einem Fall mit nur einer staatlichen Handlung an. 63 Nicht zu verwechseln mit horizontaler Steuergerechtigkeit, welche mit dem hier zu untersuchenden Phänomen nichts zu tun hat. Siehe dazu BVerfGE 110, 412, 434 – Teilkindergeld; Tipke / J. Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. (2015), § 8 Rn. 80 m. w. N. 64 Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214; Klement, AöR 134 (2009), 35, 42.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Das Schlagwort „vertikale Belastungskumulation“ bezeichnet die Gesamtbelastung einer Person durch die Summierung mehrerer staatlicher Eingriffe.65 Mehrere, für sich allein genommen zulässige Eingriffe,66 könnten durch ihre Gesamtwirkung einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff darstellen.67 Diese Konstellation wird, neben anderen Bezeichnungen68, auch „additiver Grundrechtseingriff“69 genannt. Das Augenmerk liegt hierbei auf mehreren Eingriffen.70 Vereinzelt geblieben ist Jan Klement mit dem Vorschlag, unter dem Begriff „Belastungskumulation“ auch den durch die Kumulation von Einzelbelastungen erst erzeugten Eingriff zu verstehen.71 Die Frage, wann mehrere Eingriffe zusammen betrachtet werden, wird auch im traditionellen Bereich der Grundrechtskonkurrenzen gestellt. Aus konkurrenzrechtlicher Sicht mag es nötig sein, gelegentlich mehrere staatliche Handlungen zu einem Rechtsfallausschnitt zu verklammern, beispielsweise bei Sanktionsfällen oder den sogenannten „aufsitzenden Grundrechten“. Zu dieser Frage, und ob damit inhaltlich 65 Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214; Hufen, NJW 1994, 2913, 2916; Klement, AöR 134 (2009), 35, 40; vgl. Bernsdorff, SGb 2011, 121, 122; Lee, Instrumentenmix (2013), S. 96; Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 165; Schaks, DÖV 2015, 817, 817; Kaltenstein, SGb 2016, 365, 365. 66 Klement, AöR 134 (2009), 35, 51. 67 BVerfGE 112, 304, 319 f. – GPS; BVerfGE 123, 186, 265 – PKV-Basistarif; BVerfGE 130, 372, 392 – Maßregelvollzugszeiten; Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214; Hufen, NJW 1994, 2913, 2916; G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 735; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670; speziell zur Belastung mit mehreren Abgaben P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1980), 213, 238 ff.; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 261; S. Koch, ZfWG 2015, 325. 68 Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 201: „Eingriffsaddition“, „Kumulationen finanzieller Belastungen“, „Belastungsadditionen“, 210: „Überlastungen des Bürgers durch Eingriffsaddition“; daneben sind in Gebrauch Klement, AöR 134 (2009), 35, 64: „kumulativer Grundrechtseingriff“; Bronkars, Eigentumseingriffe (2007), S. 24; „kumulative Belastung“ bei Hufen, NJW 1994, 2913, 2916; G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 734; anders E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670, der darunter nur den Eingriff in mehrere Grundrechte durch eine staatliche Handlung versteht. 69 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1469; ohne speziell Lückes Konstrukt zu meinen Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 173 Fn. 434; an Lückes Begriff wird zum einen kritisiert, dass eine mathematische Addition der Belastung suggeriert werde, E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 409; Klement, AöR 134 (2009), 35, 42, 51; zum anderen wird bemängelt, dass eine kumulative Belastung nicht nur durch verschiedene Eingriffe entstehen könne, sondern auch durch sich ergänzende Begünstigungen von Konkurrenten G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 732 Rn. 9; Peine, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 57, Rn. 53; Bernsdorff, SGb 2011, 121, 121; Winkler, JA 2014, 881, 881–882; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 261 Fn. 65; F. Kirchhof, NZS 2015, 1, 7; Kaltenstein, SGb 2016, 365, 365; Begriff für die Verstärkung unter Grundrechten bei nur einem hoheitlichen Akt benutzt von A.-K. Bauer, Kindeswohlgefährdung (2012), S. 114; mittlerweile berücksichtigt auch das Bundesverfassungsgericht einen dort in Anführungszeichen gesetzten additiven Grundrechtseingriff, BVerfGE 112, 304, 320 – GPS; BVerfGE 114, 196, 247 – Beitragssicherungsgesetz; BVerfGE 123, 186, 265  – PKV-Basistarif; BVerfGE 130, 372, 392  – Maßregelvollzugszeiten. 70 Klement, AöR 134 (2009), 35, 51 f.; dazu zählen auch Gesetze Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen (2000), S. 804; deswegen besteht keine Ähnlichkeit mit dem „grundrechtlichen Wirkungsverbund“ Schwabes, a. A. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 173 Fn. 434. 71 Klement, AöR 134 (2009), 35, 42; Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 183.

I. Erscheinungsformen der Verstärkung 

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die gleiche Wertung nachvollzogen werden soll wie bei der Figur der „vertikalen Belastungskumulation“, siehe den Abschnitt B. II. 1. c) bb). Zum anderen geht es auch bei der vertikalen Belastungskumulation um eine gegenseitige Verstärkung mehrerer Rechtspositionen bzw. Grundrechtspositionen: Von den Befürwortern dieser Figur wird ausdrücklich bzw. (meist) nur implizit eine Verstärkung angenommen, da die Figur ohne eine Verstärkungswirkung überflüssig wäre. Die vorhandenen Erklärungsansätze zu einer Verstärkung werden im Abschnitt III. zusammen mit den sonstigen Erklärungen zu einer Verstärkung dargestellt. 3. Gesamtabwägung Auch bei der Diskussion um eine Gesamtabwägung wird eine gegenseitige Verstärkung mehrerer Grundrechte angenommen.72 Bei der herkömmlichen Einzelabwägung wird für jedes einschlägige Grundrecht gesondert bei der Eingriffsrechtfertigung die Verhältnismäßigkeit geprüft, wobei im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn die Schwere des Eingriffs in das Grundrecht abgewogen wird mit den für den Eingriff sprechenden öffentlichen Rechtsgütern und Interessen.73 Bei einer Gesamtabwägung wird auf Seiten des Grundrechtsträgers nicht nur das gerade zu prüfende Grundrecht angeführt, sondern auch alle seine anderen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte, in die zugleich eingegriffen wird.74 Gelegentlich werden sogar noch dazu für den konkreten Grundrechtsträger sprechende Rechtsgüter und Interessen Dritter75 sowie der Allgemeinheit76 mit einbezogen. Als Begründung wird hauptsächlich angeführt, dass es ansonsten einen Nachteil für den Bürger bedeute, wenn gegen ihn sämtliche öffentlichen Interessen geltend gemacht werden könnten, er sich aber jeweils nur auf ein Grundecht stützen 72

Wallerath, Bedarfsdeckung (1988), S. 240; Manssen, JuS 1992, L60-L63, L62; Calliess, Umweltstaat (2001), S. 582; Calliess, JZ 2006, 321, 330; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 547; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 174; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 6; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 260; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 60; Michael, in: Verhältnismäßigkeit (2016), S. 42, 46, von ihm wird das Stichwort „allseitige Abwägung“ genannt; Kaltenstein, SGb 2016, 365, 370, von ihm „Gesamtverhältnismäßigkeitsprüfung“ genannt. 73 Statt vieler Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 201, Rn. 72 ff. 74 Wittig, in: FS Gebhard Müller (1970), S. 575, 590; Schwabe, Probleme (1977), S. 368; Wallerath, Bedarfsdeckung (1988), S. 240; Manssen, JuS 1992, L60-L63, L62; E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 415 f.; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 550; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 671; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59. 75 Calliess, JZ 2006, 321, 330; E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 415 f.; Klement, AöR 134 (2009), 35, 50. 76 Schwabe, Probleme (1977), S. 368, 384; Calliess, Umweltstaat (2001), S. 582; Calliess, JZ 2006, 321, 330; E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 415 f.; Klement, AöR 134 (2009), 35, 50.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

könne.77 Auf weitere Für- und Gegenargumente wird in den Abschnitten III. 2. b) cc), C. V. und C. VI. eingegangen. Im Hinblick auf diesen Zweck hat eine Gesamt­ abwägung aber nur dann Sinn, wenn die Position des Grundrechtsträgers in der Abwägung stärker wäre, wenn er mehr Grundrechte geltend machen kann.78 Gäbe es keine gegenseitige Verstärkung unter den Grundrechten des Grundrechtsträgers, bräuchte man keine Gesamtabwägung;79 eine Einzelabwägung wäre ausreichend. 4. Aufladung Bei der „Aufladung“ wird ebenfalls eine Verstärkung unter Grundrechten angenommen. Der Begriff „Aufladung“ wird allerdings in mehreren Bedeutungsvarianten80 verwandt: Zum einen im Zusammenhang mit der Aufladung einfachen Rechts durch Grundrechte, beispielsweise bei Formulierungen wie „grundrechtlich aufgeladene Zuständigkeitsbestimmungen“81, „supranational grundrechtlich aufgeladene Rechte des Antragstellers“82, „verfassungsrechtliche Aufladung des Familienrechts durch Art. 1, 2, 3, 6 GG“83, „unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG“84. Hier interessiert die andere Bedeutungsvariante. Der Begriff wird nämlich auch gelegentlich in der Bedeutung der Aufladung von Grundrechten durch andere Grundrechte benutzt: Beispielsweise „Aufladung des Persönlichkeitsschutzes durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG“85, oder „Aufladung von Art. 14 GG durch Art. 4 GG“86. Inhaltlich geht es in diesen Fällen um eine Mitberücksichtigung eines weiteren Grundrechts bei der Grundrechtsanwendung. Eine solche Mitberücksichtigung hat nur dann einen Sinn, wenn damit auch eine – wie auch immer geartete – Verstärkung einher gehen soll, denn sonst wäre die Heranziehung überflüssig. Vom Anwendungsbereich her handelt es sich um die gleiche Situation wie bei der oben beschriebenen „Schutzbereichsverstärkung“. „Aufladung“ im Sinne einer 77

G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 25; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 175; Klement, AöR 134 (2009), 35, 50; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59; vgl. auch Schwabe, Probleme (1977), S. 369. 78 Nachweise, siehe Fn. 304. 79 Das übersieht Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 87. 80 Im Zivilrecht auch im Zusammenhang mit der Grundbuchvormerkung, Kohler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2013), § 885, Rn. 30. 81 VG Aachen, Beschl. v. 10.04.2014  – 7  L 250/14.A, Rn. 32; VG Aachen, Beschl. v. 21.03.2014 – 4 L 53/14.A, Rn. 20; VG Stuttgart, Urt. v. 28.02.2014 – A 12 K383/14, Rn. 23. 82 VG Düsseldorf, Beschl. v. 03.02.2014 – 24 L 68/14.A, Rn. 34. 83 Coester, FamRZ 2004, 87, 88. 84 BVerwGE 147, 8, Juris Rn. 24. 85 BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – 3 C 31/04, DVBl. 2006, 60–63, NVwZ 2006, 92–94, Juris Rn 27: „Aufladung von Art. 14 GG durch Art. 4 GG“; Bünnigmann, Esra (2013), S. 351. 86 BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – 3 C 31/04, DVBl. 2006, 60–63, NVwZ 2006, 92–94, Rn. 27 Juris.

I. Erscheinungsformen der Verstärkung 

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Verstärkung stellt nur einen weiteren, synonym verwandten Begriff dar. Da regelmäßig nicht klar wird, inwiefern und unter welche Bedingungen (Einschlägigkeit des Schutzbereiches? Vorliegen eines Eingriffs?) es zu einer Mitberücksichtigung kommt, sollte der Begriff als zu nebulös gemieden werden. 5. Schwere des Gleichheitsverstoßes bei Freiheitsrechtsbezug Außerdem gibt es noch eine weitere Konstellation, bei der unausgesprochen von einer Verstärkungswirkung ausgegangen wird: Bei Art. 3 Abs. 1 GG wird nach herrschender Meinung davon ausgegangen, dass die gleichzeitige Betroffenheit von Freiheitsrechten eine Verstärkung des Gleichheitsverstoßes bewirkt. Siehe dazu den Abschnitt D. II. 2. c) cc). 6. Abgrenzung zu anderen Phänomenen Gegenstand dieser Arbeit ist die Verstärkungswirkung unter den Grundrechten eines Grundrechtsträgers. Bei einigen der folgenden Konstellationen geht es zwar bei flüchtiger Betrachtung ebenfalls um eine Verstärkungswirkung im weiteren Sinn, tatsächlich sind sie aber keine Erscheinungsformen einer Verstärkungswirkung unter Grundrechten. a) Drittwirkung der Grundrechte Eine „Drittwirkung der Grundrechte“ liegt vor, wenn die Grundrechte Rechtsfolgen in Privatrechtsbeziehungen entfalten.87 In diesem Zusammenhang wird auch von einer „Horizontalrichtung der Grundrechte“ gesprochen.88 Eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte ist der Sache nach weitgehend anerkannt89; über die Sinnhaftigkeit der Begriffe und weitere Details wird gestritten.90 Die in den 1950er Jahren diskutierte unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte,91 also die unmittelbaren Geltung von Grundrechten unter Privaten, konnte sich nicht allgemein durchsetzen.92 Nur bei einzelnen Grundrechten, wie der Koalitionsfreiheit des 87

P. Kirchhof, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 181, Rn. 73. Rupp, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 31, Rn. 34. 89 Begründet von Dürig, in: HGrR II (1954), Freizügigkeit, S. 525; Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 7, 198 – Lüth; BVerfGE 34, 269, 280 – Soraya; BVerfGE 52, 131, 165–166 – Arzthaftungsprozeß. 90 Rupp, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 31, Rn. 34; Isensee, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 150, Rn. 111; Rüfner, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 197, Rn. 88. 91 Nipperdey, in: Bürgerliches Recht 1 (1959), 93 ff.; Nipperdey, Grundrechte (1961), S. 12 ff.; Schwabe, Drittwirkung (1971); BAGE 1, 185, 193; BAGE 4, 274, 276 f.. 92 Stellvertretend für viele Isensee, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 150, Rn. 109. 88

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Art. 9 Abs. 3 GG, wird eine unmittelbare Drittwirkung dem Verfassungswortlaut entnommen.93 Gegenstand dieser Untersuchung soll die Bindung der Staatsgewalt durch mehrere Grundrechte sein, gegebenenfalls auch durch Grundrechte mehrerer Personen.94 Die Drittwirkung der Grundrechte auf Privatrechtsbeziehungen wird nicht weiter betrachtet. b) Ausstrahlungswirkung der Grundrechte Seit der Lüth-Entscheidung95 des Bundesverfassungsgerichts wird unter dem Begriff „Ausstrahlungswirkung der Grundrechte“ der Einfluss der Grundrechte auf die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts diskutiert.96 Gemeint ist ebenfalls die Frage der Drittwirkung der Grundrechte, die hier nicht vertieft werden soll. c) Wechselwirkungslehre Nicht mit dem Verstärkungsphänomen zu verwechseln ist außerdem die sogenannte „Wechselwirkungslehre“97. Danach sind die „allgemeinen Gesetze“, die die Meinungsfreiheit einschränken können im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG, wiederum im Lichte der Meinungsfreiheit auszulegen.98 Auch dabei geht es nicht um eine Verstärkungswirkung unter Grundrechten. d) Hebelwirkung bei Grundrechtsparallelität Bei der sogenannten „Hebelwirkung bei Grundrechtsparallelität“ geht es um das Problem der Verfassungswidrigkeit einer staatlichen Maßnahme wegen Verstoßes gegen Grundrechte Dritter.99 Hierbei dreht sich die Diskussion um die Fragen der 93

Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 416 Fn. 19. Siehe Abschnitt E. 95 BVerfGE 7, 198, 207 – Lüth. 96 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 352; Spranger, NJW 2002, 2074, 2075; Isensee, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 150, Rn. 110; aus der Rspr. stellvertretend BVerfGE 84, 192, 194 f. – Offenbarung der Entmündigung; anders Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 257 f., der unter Ausstrahlungswirkung die Mitberücksichtigung tatbestandlich nicht einschlägiger Grundrechte versteht. 97 Nicht zu verwechseln mit der Wechselwirkungstheorie im Markenrecht, siehe dazu Fezer, in: Fezer, Markenrecht, 4. Aufl. (2009), § 14 MarkenG, S. 652 ff. 98 St. Rspr. seit BVerfGE 7, 198, Leitsatz 5 – Lüth; kritisch E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 399 f.: Die Wechselwirkungstheorie habe keinen anderen Inhalt als der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 99 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 176 ff.; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 42; Stern, in: Stern Staatsrecht IV/1 (2006), § 104, S. 921; Pieroth, AöR 115 (1990), 33, 39; Kube, JuS 2003, 111, 116; Böckenförde, Lage (1990), S. 16. 94

II. Das Phänomen der Verstärkung in der Rechtsprechung 

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prozessualen Rügefähigkeit, des Prüfungsmaßstabs und natürlich auch der materiellen Verfassungsmäßigkeit. Mit der Figur der horizontalen Belastungskumulation gibt es sehr große Überschneidungen.100 Der Unterschied zwischen der horizontalen Belastungskumulation und der Hebelwirkung bei Grundrechtsparallelität besteht darin, dass bei der Figur der Hebelwirkung (abgesehen vom Vorliegen eines Eingriffs beispielsweise in Art. 2 Abs. 1 GG) keine eigene Belastung geltend gemacht werden muss sondern nur die objektive Verfassungswidrigkeit, während bei der Belastungskumulation eine eigene Belastung vorliegt, zu der die der Dritten kumuliert wird. Auch bei der Hebelwirkung bei Grundrechtsparallelität geht es nicht um eine Verstärkungswirkung im hier zu betrachtenden Sinn, sondern um einen weiteren Grund für die Verfassungswidrigkeit einer staatlichen Maßnahme. Näheres im Abschnitt E.

II. Das Phänomen der Verstärkung in der Rechtsprechung In einem zweiten Querschnitt soll die Rechtsprechung zur Verstärkungswirkung unter idealkonkurrierenden Grundrechten vorgestellt werden. Aus der Fülle von Entscheidungen, bei denen es um eine Verstärkung geht oder eine solche jedenfalls diskutiert wird, können nur einige wenige repräsentative Beispiele herausgegriffen werden. Eine umfassende Zusammenstellung von bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen mit der Formulierung „in Verbindung mit“ bietet das gleichnamige Werk von Monika Meinke.101 Daneben gibt es noch zahlreiche andere Entscheidungen, bei denen ebenfalls weitere Grundrechte mitberücksichtigt werden, allerdings unter Verwendung von weicheren Formulierungen wie „tritt ergänzend hinzu“102 oder „sind in ihrer Bedeutung und Tragweite zu berücksichtigen“.103 Auch losgelöst von einer Verstärkung durch mehrere verschiedene Grundrechte wurde das Problem der Belastungskumulation in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits thematisiert.104 1. Schächten Die am meisten diskutierte Entscheidung zum Thema Verstärkungswirkung und zugleich diejenige, die Tade Spranger zur Schöpfung des Begriffs „Schutzbereichsverstärkung“ veranlasste105, ist das Urteil Schächten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 104, 337) aus dem Jahr 2002. 100

Siehe Abschnitte A. I. 2. und E. Meinke, Verbindung (2006). 102 Beispielsweise BVerfGE 100, 313, 388 – Telekommunikationsüberwachung I. 103 Beispielsweise BVerfGE 85, 360, 381 – Akademie-Auflösung. 104 Siehe bei Fn. 569. 105 Spranger, NJW 2002, 2074. 101

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Ein muslimischer Metzger hatte Verfassungsbeschwerde erhoben, weil ihm unter Hinweis auf das Tierschutzgesetz keine Ausnahmegenehmigung zum rituellen Schlachten von Tieren ohne Betäubung (Schächten) erteilt worden war. Da der Metzger kein deutscher Staatsbürger war, zog das Bundesverfassungsgericht zum Schutz der Berufsfreiheit Art. 2 Abs. 1 GG statt Art. 12 Abs. 1 GG heran.106 Außerdem sei nach dem Bundesverfassungsgericht die Religionsfreiheit zu beachten, da für den Metzger das Schächten nicht nur Mittel zur Gewinnung und Zubereitung von Fleisch für seine muslimischen Kunden und für sich selbst sei, sondern auch Ausdruck seiner religiösen Grundhaltung.107 Daher werde „der Schutz der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG durch den speziellen Freiheitsgehalt des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verstärkt“.108 Später spricht das Bundesverfassungsgericht sogar vom „Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2  GG“.109 Beim Rechtfertigungsmaßstab stellt das Bundesverfassungsgericht nur auf Art. 2 Abs. 1 GG ab und erklärt im Sinne eines einfachen Gesetzesvorbehalts jedes verfassungskonforme Gesetz zum tauglichen Schrankengesetz.110 Anschließend stellt es fest, dass das Tierschutzgesetz ein solches Schrankengesetz sei.111 Im Ergebnis hatte die Verfassungsbeschwerde Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen hatten das Tierschutzgesetz nicht verfassungskonform ausgelegt,112 indem sie zu strenge Anforderungen an die Tatbestandsmerkmale „Religionsgemeinschaft“ und „zwingende Vorschriften“ gestellt hatten.113 Als Hintergrundinformation ist noch anzuführen, dass damals der Tierschutz noch nicht verfassungsrechtlich verankert war. Zum Zeitpunkt der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung wäre es daher mit einigen konstruktiven Schwierigkeiten verbunden gewesen, zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die schrankenlos gewährleistete Religionsfreiheit den Tierschutz als allgemeines Verfassungsgut anzuführen.114 Art. 20a GG wurde erst im Nachgang zum Urteil Schächten zu seiner heutigen Fassung geändert.115 In weiteren Entscheidungen wurde sich dem Urteil angeschlossen.116 106

BVerfGE 104, 337, 346 – Schächten. BVerfGE 104, 337, 346 – Schächten. 108 BVerfGE 104, 337, 346 – Schächten. 109 BVerfGE 104, 337, 347 – Schächten. 110 BVerfGE 104, 337, 346 – Schächten. 111 BVerfGE 104, 337, 347 – Schächten. 112 BVerfGE 104, 337, 356 – Schächten. 113 BVerfGE 104, 337, 353 – Schächten. 114 Dies, so wird gemunkelt, sei der eigentliche Grund, warum das Bundesverfassungsgericht nur die durch allgemeine Gesetze einschränkbare allgemeine Handlungsfreiheit für einschlägig erachtete. 115 Art. 20a GG, aktuelle Fassung: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungs­ mäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ [Hervorhebung durch d. Verf.]. 116 BVerfG, NJW 2002, 1485 = EuGRZ 2002, 97 f. = NVwZ 2002, 984 – Schächten Bestätigung; BVerwGE 127, 183 – Zustimmung Schächten. 107

II. Das Phänomen der Verstärkung in der Rechtsprechung 

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In der Literatur wurde das Urteil fast ausnahmslos als dogmatisch unsauber abgelehnt.117 Kritisiert wurde, dass die Grenzen der Schutzbereiche verunklart wurden118 und die Religionsfreiheit einem einfachen Gesetzesvorbehalt unterworfen wurde.119 Auch stieß es auf Ablehnung, dass die Religionsfreiheit in der Abwägung heran gezogen wurde, obwohl das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich für den Beschwerdeführer nicht für eröffnet erklärt hatte.120 Kritisiert wurde auch, dass die Religionsfreiheit der Metzgerkunden „offensichtlich“ in der Abwägung mitberücksichtigt wurde,121 wobei in der entsprechenden Passage122 zudem nicht deutlich wurde, ob die Religionsfreiheit für sie für einschlägig erachtet wurde. Auch störte man sich ganz grundsätzlich an der ausdehnenden Auslegung der Religionsfreiheit.123 Obwohl einige anmerkten, im Urteil Schächten werde das neuartige Schutzgut des „religiös motivierten Berufs“ geschaffen,124 sehen doch die meisten in dem Urteil keine Neuschöpfung eines Grundrechts.125 An dogmatischen Erklärungsversuchen werden stattdessen zwei große Linien angeboten: Zum einen, das Bundesverfassungsgericht habe den Schutzbereich des Grundrechts erweitern wollen.126 Zum anderen, das Bundesverfassungsgericht habe die Religionsfreiheit als objektiv-rechtlichen Gehalt auf Rechtfertigungsebene bei der verfassungsmäßigen Ordnung des Art. 2 Abs. 1 GG mit einfließen lassen.127 Diesen Ansatz gibt es auch in der Variante, die Religionsfreiheit sei von der Berufsfreiheit verdrängt worden, danach aber über die Figur des argumentativen Rückgriffs auf das verdrängte Grundrecht

117 Volkmann, DVBl. 2002, 332, 332 ff.; Kästner, JZ 2002, 491, 492; Tillmanns, NuR 2002, 578, 578; Höfling, in: FS Rüfner (2003), S. 329, 331: Der Senat weiche in die „Nebulosität freischwebender Grundrechtslyrik“ aus.; Wittreck, Der Staat 42 (2003), 519, 531; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 534; Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 214; Goerlich / Zabel, JZ 2012, 1058, 1060; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 157; vgl. auch Huster /  Rux, in: BeckOK GG, 18. EL (2016), Art. 20a GG, Rn. 46.1. 118 Wittreck, Der Staat 42 (2003), 519, 531; Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 151; Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 24; H. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Art. 2, Rn. 4; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 255. 119 Faller, KJ 2002, 227, 232; vgl. Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 151; Zippelius / Würtenberger, Staatsrecht, 32. Aufl. (2008), S. 204. 120 Volkmann, DVBl. 2002, 332, 332 ff.; Tillmanns, NuR 2002, 578, 580; Pabel, EuGRZ 2002, 220, 231; Sydow, Jura 2002, 615, 619; Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 150; Spielmann, JuS 2004, 371, 372. 121 Volkmann, DVBl. 2002, 332, 332 ff. 122 BVerfGE 104, 337, 350 f. – Schächten. 123 Kästner, JZ 2002, 491, 493; Volkmann, DVBl. 2002, 332, 335. 124 Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 214; vgl. auch Heimann, in: Verfassungsrecht (2010), S. 123, 128. 125 Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 149; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190 f. 126 Spranger, NJW 2002, 2074, 2075. 127 Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 150; Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 219; vgl. auch Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 443; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 51; ausdrücklich ablehnend Spranger, NJW 2002, 2074, 2075.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

wieder in der Abwägung berücksichtigt worden.128 Das überwiegende Fazit ist, das Bundesverfassungsgericht habe ergebnisorientiert argumentiert.129 Weitere Anmerkungen zum Urteil Schächten finden sich in den Abschnitten B. II.  1. a) aa) (1) und E. I. 2. Caroline von Monaco II In der Entscheidung BVerfGE 101, 361 – Caroline von Monaco II – aus dem Jahr 1999 ging es um die Veröffentlichung von Fotografien Prominenter. Die Beschwerdeführerin, Caroline von Monaco, wandte sich dabei unter anderem gegen Fotografien, die sie zusammen mit ihren Kindern zeigten. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern falle in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.130 Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Eltern erfahre dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG.131 Diese Grundlinie wurde inzwischen einige Male bestätigt.132 Das Urteil hat überwiegend Zustimmung gefunden.133 Manche deuten die Entscheidung dahingehend, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin durch das Grundrecht eines Dritten, des Kinds, verstärkt worden sei.134 Andere Deutungen gehen dahin, dass der objektiv-rechtliche Gehalt des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG in die Prüfung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin eingeflossen ist.135 Auch bei der Auswirkung der Verstärkung sind zwei Ansätze denkbar: Zum einen die Variante „Ausdehnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ durch die Heranziehung von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG.136 Die andere Deutungsvariante wäre eine Stärkung der Position der Beschwerdeführerin in der Gesamtabwägung. Kritiker bemängeln, es wäre ausreichend gewesen, nur Art. 6 Abs. 1 GG für den Schutz der Eltern-Kind-Beziehung heranzuziehen.137

128

Faller, KJ 2002, 227, 232; vgl. auch Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 219. So deutlich Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 214. 130 BVerfGE 101, 361, 386 – Caroline von Monaco II. 131 BVerfGE 101, 361, 386 – Caroline von Monaco II. 132 BVerfGE 119, 1, 24 Rn 72 – Esra; BVerfGE 120, 180, Rn. 199 Rn. 48 – Caroline von Monaco III; vgl. auch BGH, NJW 2010, 1454, Rn. 9 – Bildberichterstattung über minderjährige Kinder Prominenter. 133 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 443; E.  Hofmann, Abwägung (2007), S. 409 f.; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 525 f.; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670; Stender-Vorwachs, NJW 2010, 1414, 1414 f.; Kaiser, in: Erbs / Kohlhaas, 208. EL (2016), § 33 KunstUrhG, Rn. 69. 134 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 443. 135 Vgl. Kupfer, Jura 2001, 169, 174. 136 Kupfer, Jura 2001, 169, 174. 137 Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 67 f. 129

II. Das Phänomen der Verstärkung in der Rechtsprechung 

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3. Gefangenenbriefe Gleich mehrere Entscheidungen138 beschäftigen sich mit der Thematik von Untersuchungsgefangenen, die Briefe an ihre Ehegatten bzw. Eltern schreiben, in denen sie Staatsanwälte, Richter oder Strafvollzugsbeamte beleidigen. Diese Briefe wurden jeweils bei der Briefkontrolle angehalten und teilweise beschlagnahmt. Das Bundesverfassungsgericht stellte eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG fest.139 In einer anderen Entscheidung erkannte es eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG, wobei das darin enthaltene Gebot der Achtung der Entfaltungsfreiheit im privaten Lebensbereich durch die Verfassungsgarantie von Ehe und Familie, Art. 6 Abs. 1 GG, eine besondere Verstärkung erfahre.140 In einer weiteren Entscheidung, in der es um einen Brief der Schwester an einen Strafgefangenen ging, stellt das Gericht fest, die Beschwerdeführerin sei in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt.141 4. Mutterschaftsgeld I Die Entscheidung BVerfGE 65, 104 – Mutterschaftsgeld I – ist repräsentativ für die kombinierte Heranziehung eines Gleichheitsrechts und eines Freiheitsrechts. Das Bundesverfassungsgericht überprüft ein Gesetz zum Mutterschaftsgeld auf seine Vereinbarkeit hin mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 GG. Prüfungsmaßstab sei vornehmlich Art. 3 Abs. 1 GG, da dieser die stärkere sachliche Beziehung zum Sachverhalt habe; im Rahmen von dessen Prüfung sei aber Art. 6 Abs. 4 GG zu beachten, so die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts.142 5. Treppenlift Das Besondere an der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung Treppenlift aus dem Jahr 2000143 ist die verstärkende Hinzuziehung des Rechts eines Dritten, welches obendrein ein Gleichheitsrecht war. Der Beschwerdeführer wollte auf eigene Kosten einen Treppenlift in das Mietshaus, in dem er zu Miete wohnte, einbauen lassen, damit seine querschnittsgelähmte Lebensgefährtin und Mitbewohne 138 BVerfGE 35, 35 – Untersuchungsgefangene; BVerfGE 42, 234 – Brief an Ehegatten aus der U-Haft; BVerfGE 57, 170 – Briefverkehr in der Untersuchungshaft. 139 BVerfGE 35, 35, 36 – Untersuchungsgefangene; BVerfGE 42, 234, 236 – Brief an Ehegatten aus der U-Haft. 140 BVerfGE 57, 170, 178 – Briefverkehr in der Untersuchungshaft. 141 BVerfGE 90, 255, 259 (Rn. 16) – Briefüberwachung. 142 BVerfGE 65, 104, 112 f. – Mutterschaftsgeld I. 143 BVerfG, NJW 2000, 2658, 2658 – Treppenlift.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

rin leichter zur Wohnung in den zweiten Stock käme. Die Vermieter verweigerten die Zustimmung zu dem Einbau. Das Bundesverfassungsgericht entschied, der Beschwerdeführer sei in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten mietvertraglichen Besitzrecht verletzt.144 Dieses sei „im Lichte der grundgesetzlichen Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu sehen“, welcher eine objektive Wertentscheidung beinhalte.145 6. Bioresonanz Die Entscheidung Bioresonanz146 ist ein Beispiel dafür, wie objektive Verfassungsbestimmungen über Art. 2 Abs. 1 GG zum Inhalt eines subjektiven Grundrechts werden können. Das Bundesverfassungsgericht entschied, vorrangiger Prüfungsmaßstab, ob die Kosten einer bestimmten Behandlungsform von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden, sei Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip.147 Eine nähere Analyse zeigt, dass es in dieser Entscheidung nicht um die Verstärkung zweier Grundrechte geht, möglicherweise noch nicht einmal um eine Verstärkung eines Grundrechts durch objektives Verfassungsrecht, sondern wohl nur um eine Konstruktion zur Einklagbarkeit objektiver Verfassungsbestimmungen.148 7. Zusammenfassung Insgesamt lässt sich feststellen, dass eine Verstärkungswirkung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht häufig, aber doch mit Regelmäßigkeit auftaucht.149 Die Formulierung, die am Rande betroffenen Grundrechte flössen durch Beachtung ihres objektiven Gehalts in die Prüfung des meistbetroffenen Grundrechts ein, ist wohl nur eine Floskel; dem Wortlaut nach prüft das Bundesverfassungsgericht in der Abwägung meist nur noch ein Grundrecht.150 Andererseits kann wiederum angenommen werden, dass (wie bei den meisten Abwägungen)151 nicht alle Gedankengänge der Richter während des Abwägungsvorgangs ihren Weg in die Urteilsbegründung gefunden haben. Zutreffend ist auch, dass das praktische Bedürfnis nach einer Schutzbereichsmodifikation bei der Bundesverfassungsgerichtsrecht-

144

BVerfG, NJW 2000, 2658, 2658, 2659 – Treppenlift. BVerfG, NJW 2000, 2658, 2658, 2659 – Treppenlift. 146 BVerfGE 115, 25 – Bioresonanz. 147 BVerfGE 115, 25, 41 – Bioresonanz; kritisch I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 573: stark ergebnisorientiert. 148 Siehe auch Abschnitt E. 149 Vgl. E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 527, 553. 150 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 531. 151 Vgl. Seybold / Sandner / Weiß, ARSP 101 (2015), 319. 145

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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sprechung öfters im Dunkeln bleibt.152 Nichtsdestotrotz ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vorbild für die Rechtsprechung der Instanzgerichte geworden.153

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur In diesem dritten und letzten Querschnitt soll die Behandlung des Phänomens der Verstärkungswirkung in der Literatur dargestellt werden. Zum einen soll die Kritik speziell an der Rechtsprechung und allgemein zur Verstärkungswirkung wieder­ gegeben werden. Zum anderen werden Gegenmodelle zur Behandlung idealkonkurrierenden Zusammentreffens von Grundrechten vorgestellt, die nicht auf eine Verstärkung hinauslaufen. Schließlich werden auch die Befürworter einer Verstärkung und ihre Erklärungsansätze dargestellt. 1. Kritik an der Verstärkung und Gegenmodelle Die Rechtsprechung zur Verstärkung unter idealkonkurrierenden Grundrechten eines Grundrechtsträgers wird vielfach abgelehnt154 und zum Teil heftig kritisiert als „Abdanken der Dogmatik“155, „Verfassungsgerichtsfreirecht“156, „Irrweg der Grundrechtsdogmatik“157, „unklare Normamalgamierungen“158 oder „modische Zauberformel“159. Den Einwänden gegen eine Verstärkung (a)) sowie alternativer Behandlungsmöglichkeiten (b)) ist der folgende Abschnitt gewidmet. a) Argumente gegen eine Verstärkung Angesichts des Urteils Schächten lässt es sich nicht leicht in Abrede stellen, wenn dem Bundesverfassungsgericht Ergebnisorientiertheit vorgehalten wird160 und ihm 152

Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 215. Z. B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.01.2003  – 19 A 4302/01  – Spiegelnder Grabstein, Rn. 24: Verstärkung der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, durch Art. 4 Abs. 1 GG. 154 Z. B. ohne Begründung Coelln, in: Studienkommentar GG, 2. Aufl. (2015), Vorbem., Rn. 90; Huster / Rux, in: BeckOK GG, 18. EL (2016), Art. 20a GG, Rn. 46.1; Pieroth / Schlink, Grundrechte, 12. Aufl. (1996), Rn. 373 (keine Stellungnahme mehr in den späteren Auflagen); Meinke, Verbindung (2006), S. 165; BVerfGE 57, 170, 212 – Briefverkehr in der Untersuchungshaft, Sondervotum Wand. 155 I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 581. 156 I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 581. 157 Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 53. 158 Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 156. 159 Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 114. 160 I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 573. 153

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

allgemein vorgeworfen wird, viele der über „in Verbindung mit“ geschaffenen Normkombinationen hätten sich besser durch eine sorgfältige Auslegung der beteiligten Grundrechte lösen lassen.161 Dieser Vorwurf betrifft die Normanwendung im Einzelfall, dem durch entsprechend sorgfältigeres Vorgehen in der Zukunft Rechnung getragen werden kann.162 Aber auch die meisten Argumente gegen die dogmatischen Grundlagen können entkräftet werden: aa) Aufweichung der Schutzbereichsgrenzen und mangelnde Vorhersehbarkeit Vor allem in der literarischen Rezeption des Schächt-Urteils wird bemängelt, die zuvor „klar definierten“ Schutzbereiche der Grundrechte würden verwischt.163 Wann ein Grundrechtseingriff zulässig sei, sei nicht mehr vorhersehbar.164 Dadurch würde letztlich die Positivität der Grundrechte relativiert werden.165 Dagegen ist einzuwenden, dass auch bei einzelnen Grundrechten in Grenzfällen noch im Fluss ist, was vom Schutzbereich erfasst ist, und was nicht.166 So war eine der eigentlich zentralen Fragen des Urteils Schächten, ob das rituelle Schlachten zum Nahrungsgewinn noch vom Schutzbereich der Religionsfreiheit umfasst ist oder nicht. Überdies wäre eine „Verwischung“ der Schutzbereichsgrenzen auch nicht schädlich, sollte sich herausstellen, dass dies ohne Einfluss auf die Falllösung bliebe. Wenn kritisiert wird, dass unklar bleibe, welcher Entscheidungs- und Gewichtsanteil auf welches Grundrecht entfalle,167 so handelt es sich dabei ohnehin um einen Vorwurf, dem sich jede Abwägung ausgesetzt sieht und der durch eine mittlerweile gefestigte Abwägungsdogmatik begegnet wird.168 In dem Maße, in dem über die Dogmatik der Verstärkung Klarheit gewonnen wird, wird sich auch die Vorhersehbarkeit erhöhen.

161

Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 40. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 192 f. 163 Spranger, NJW 2002, 2074, 2075; Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 151; Stern, in: Stern Staatsrecht IV/1 (2006), § 104, S. 980 f.; I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 543, 577; Zippelius / Würtenberger, Staatsrecht, 32. Aufl. (2008), S. 204; Stern, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 185, Rn. 149; Goerlich / Zabel, JZ 2012, 1058, 1060; H. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Art. 2, Rn. 4. 164 Kahl, AöR 131 (2006), 579, 601; I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 577; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 52. 165 Höfling, in: FS Rüfner (2003), S. 329, 334, 335. 166 Vgl. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 193. 167 Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 40. 168 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 193; siehe zum Stand der Abwägungsdogmatik den Abschnitt B. III. 162

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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bb) Schrankendivergenz als Problem Als häufigstes Gegenargument werden Probleme angeführt, die sich durch unterschiedliche Schranken der beteiligten Grundrechte ergeben sollen. Der Begriff „Schranken“ wird uneinheitlich verwendet. Von einigen wird er für sämtliche ein Grundrecht einschränkende staatliche Handlungen gebraucht, beispielsweise für ein eingreifendes Gesetz.169 Die kodifizierten Anforderungen an eine verfassungskonforme Einschränkung eines bestimmten Grundrechts werden dann als „Schranken-Schranken“ bezeichnet.170 Andere bezeichnen diese „Schranken-Schranken“ auch schlicht als „Schranken“. Gelegentlich wird der Begriff „Schranken“ auch noch in einem weiten Sinn für sämtliche Anforderungen an eine verfassungskonforme Einschränkung eines Grundrechts verstanden, wie zum Beispiel auch durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Im Folgenden soll von den kodifizierten Anforderungen an eine verfassungskonforme Einschränkung eines Grundrechts die Rede sein, die hier – entsprechend dem Sprachgebrauch der Literatur im Themenbereich der Grundrechtskonkurrenzen – schlicht als „Schranken“ bezeichnet werden. Gegen eine Verstärkung wird eingewendet, das System der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte würde aufgelöst werden, wenn sämtliche Grundrechte der Abwägung zugänglich würden.171 Dieses Argument beruht auf einem antiquierten Grundrechtsverständnis. Mittlerweile ist es allgemeine Meinung, dass auch die vor­behaltlos gewährleisteten Grundrechte eingeschränkt werden können, nämlich durch kollidierendes Verfassungsrecht.172 Im Rahmen einer Abwägung sind dann vorbehaltloses Grundrecht und kollidierendes Verfassungsrecht auszugleichen, also gegeneinander abzuwägen.173 Die meisten Kritiker bemängeln, durch die Verstärkungskonstruktionen würden die Schranken verunklart174 bzw. die vom Verfassungsgeber „bewusst ausdifferenzierte Schrankensystematik des Grundgesetzes“ unterlaufen.175 Dagegen ist einzuwenden, dass es dem Grundgesetz an einer nachvollziehbaren und vollentwickelten 169

Stellvertretend Pieroth / Schlink / Kingreen u. a., Grundrechte, 31. Aufl. (2015), Rn. 231. Wiederum stellvertretend Pieroth / Schlink / Kingreen u. a., Grundrechte, 31. Aufl. (2015), Rn. 293. 171 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53. 172 BVerfGE 84, 212, 228 – Aussperrung; BVerfGE 93, 1, 21 – Kruzifix; BVerfGE 100, 214, 223–224 – Gewerkschaftsausschluß; BVerfGE 108, 282, 297 – Kopftuch; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 48 m. w. N. 173 Z. B. BVerfGE 128, 1, 41  – Gentechnikgesetz; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 52 m. w. N. 174 Stern, in: Stern Staatsrecht IV/1 (2006), § 104, S. 980 f.; G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 25; v.  Münch / Kunig, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Vorbemerkung Art. 1–19 GG, Rn. 48; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 156. 175 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53; Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 151; Kahl, AöR 131 (2006), 579, 601; Zippelius / Würtenberger, Staatsrecht, 32. Aufl. (2008), S. 204; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Vorbemerkung vor Art. 1, Rn. 50. 170

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Schrankensystematik fehlt. Außerdem stellt die Verhältnismäßigkeitsprüfung mit der Abwägung den weitaus wichtigeren Teil der Rechtfertigungsprüfung dar.176 Weitere Gegenargumente beziehen sich darauf, dass nach jeweiliger Ansicht des Autors bei der Verstärkungskonstruktion fälschlicherweise die Schranken des schwächeren177 bzw. des stärkeren178 Grundrechts herangezogen würden. Ob dies jeweils falsch ist, hängt ebenfalls von der genauen Konstruktion der Verstärkungswirkung und ihrer prüfungstechnischen Konsequenzen ab. Diese Argumente sprechen aber nicht grundsätzlich gegen eine Verstärkungswirkung. Diese und sonstige Lösungen zu dem Thema werden im Abschnitt C. VI. näher untersucht. Siehe auch den Abschnitt B. II. 2. c) cc). cc) Fehlende Wertsteigerung der Grundrechte Auf einer grundsätzlicheren Ebene setzt eine andere Kritik an: Es gebe deswegen keine Verstärkungswirkung unter Grundrechten, weil ein menschliches Verhalten nicht deswegen schutzwürdiger sei, weil es vom Tatbestand mehrerer Grundrechte erfasst werde.179 Auch Aussagen wie, die Grundrechte seien nicht verschiedene Sektoren einer einheitlichen Freiheit,180 zielen in die selbe Richtung. Andere sehen einen Unterschied zwischen Argumenten und in Ausgleich zu bringenden Rechtsgütern: Die thematische Einschlägigkeit einer Vielzahl von Grundrechten in Bezug auf eine bestimmte Handlung führe nicht zu einem Mehr an „Gewicht“ auf der einen Seite einer imaginären Waage; sie erweitere allein den Kreis der in Ausgleich zu bringenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen.181 Letztlich kommt in diesen Aussagen das selbe Grundrechtsverständnis wie bei Schwabe182 zum Ausdruck, nämlich, dass die Grundrechtstatbestände sich überschnitten und ein Verhalten gleichzeitig von mehreren Grundrechten geschützt werden könne, ohne dass dies eine Auswirkung auf die Rechtfertigungsanforderungen 176

Siehe Abschnitt B. II. 2. c) cc) und Abschnitt C. VI. m. w. N. Höfling, in: FS Rüfner (2003), S. 329, 336: Die Kombination schrankendivergierender Grundrechtsbestimmungen führen zu einer verdeckten Schrankenleihe zu Lasten des „stärkeren“ Grundrechts; a. A. Berg, Konkurrenzen (1968), S. 80. 178 Spranger, NJW 2002, 2074, 2076. 179 Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 423; in diese Richtung auch Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1394, wobei die Formulierung „höherer Rang in der Abwägung“ eher hindeutet auf ein, in älteren Werken häufig anzutreffendes, fälschliches Abstellen auf das abstrakte Gewicht. Siehe zu den genauen Abwägungsparametern den Abschnitt B. III. 180 Wendt, AöR 104 (1979), 415, 437 ff.; vage in diese Richtung auch Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 158. 181 Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613, 617; dagegen Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 6, die nicht erkennen, dass die Nennung mehrerer Argumente auch taktischen Sinn haben kann. 182 Siehe Abschnitt A. III. 2. a) cc). 177

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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habe.183 Das ist eine mögliche Ansicht vom Verhältnis der Grundrechte zueinander. Es wird zu zeigen sein, dass es gute Gründe gibt, doch von einer einheitlichen Freiheit mit mehreren Bereichen auszugehen und im nächsten gedanklichen Schritt eine Verstärkung anzunehmen, wenn mehrere solche Sektoren betroffen sind. Siehe die Argumentation in Abschnitt C. dd) Weitere Kritikpunkte Ferner wird noch kritisiert, für eine „additive Steigerung des Grundrechtsschutzes“ gebe es keinen Anhalt im Grundgesetz.184 Dagegen wird wiederum eingewandt, die Verbindlichkeit des Wortlauts des Verfassungstexts sinke, je mehr gewichtige Gründe dafür sprechen.185 Dies geht allerdings etwas zu weit. Vielmehr ist gegen das Argument des mangelnden Anhalts im Grundgesetz vorzubringen, dass der Text des Grundgesetzes so abstrakt und damit offen genug formuliert wurde, dass er einer Verstärkungswirkung nicht entgegen steht. Eine grundrechtsdogmatisch nahegelegte Verstärkung kann daher in den Wortlaut jedes Grundrechts hineininterpretiert werden. Dass eine positive Anordnung dem Text nicht entnommen werden kann, schadet nicht.186 Bei vielen grundrechtsdogmatischen Konstruktionen ist der Anhalt im Grundgesetz auf den ersten Blick ebenfalls dürftig, so zum Beispiel bei der Rechtfertigung aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts.187 Auch wird argumentiert, eine Verstärkung könne nicht in der Form der Addition abstrakter Werte von Grundrechten erfolgen.188 In die gleiche Richtung geht Reinhold Heß’ argumentum ad absurdum: Würde jedes weitere hinzutretende Grundrecht den Schutz verstärken, wäre ein unter Verwendung künstlerischer Formensprache demonstrierender, parteilich organisierter Sekten-Guru einer der verfassungsrechtlich am besten abgesicherten Grundrechtsträger.189 Gegen dieses Argument wird zu Recht eingewandt, dass damit nur gezeigt wird, dass eine einfache Addition unsinnig ist.190 Auch Joachim Würkner bemerkt, es müsse auf die konkrete Betroffenheit der einzelnen Grundrechte abgestellt werden.191 Siehe dazu die genaue Konstruktion im Teil C.

183

Schwabe, Probleme (1977), S. 366. Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 158. 185 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 194. 186 Im Ergebnis ebenso Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 262. 187 Nachweise siehe Fn. 172. 188 Würkner, DÖV 1992, 150, 152. 189 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 87 f. 190 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 545; Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 217; vgl. Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 261. 191 Würkner, DÖV 1992, 150, 152. 184

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

b) Gegenmodelle Wie behandeln die Gegner einer Verstärkung die gleichzeitige Einschlägigkeit mehrerer Grundrechte? aa) Schlichtes Nebeneinander ohne Verstärkung Das am häufigsten vertretene Gegenmodell zu einer Verstärkung ist denkbar einfach: Anstatt dass es bei einer Idealkonkurrenz von Grundrechten zu einer Verstärkung käme, seien einfach alle Grundrechte nebeneinander anwendbar, ohne sich irgendwie zu beeinflussen.192 bb) Enge Schutzbereichsauslegung und konkurrenzrechtliche Verdrängung Bei anderen wird bereits die Situation der Idealkonkurrenz vermieden: Eine mittlerweile als veraltet einzuordnende Meinung versuchte, die Grundrechte allgemein oder einzelfallbezogen so auszulegen, dass sie sich nicht überschneiden. Auf die gleiche Wirkung zielt eine andere Methode, nämlich durch Anwendung verschiedener, mehr oder weniger komplizierter Verdrängungsregeln zur Anwendbarkeit von nur einem Grundrecht zu gelangen. Näheres zu beiden Ansichten wird in den Abschnitten B. II. 2. b) und B. II. 2. c) ausgeführt werden. 2. Befürworter und Erklärungsansätze Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verstärkungswirkung idealkonkurrierender Grundrechte eines Beschwerdeführers hat auch Befürworter gefunden. Häufig wird die Rechtsprechung in der Literatur jedoch einfach nur wiederholt, ohne sie weiter oder überhaupt zu hinterfragen.193 Andere Literaturstimmen gehen wiederum ohne Hinweis auf diese Rechtsprechung von einer Verstärkungswirkung aus, ohne eine nähere Begründung zu liefern,194 oder setzen sie implizit 192 Z. B. ausdrücklich Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 59; so auch Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 25; für gelegentliche Verstärkung allerdings Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 15. 193 Larenz, in: FS Klingmüller (1974), S. 235, 239; Kupfer, Jura 2001, 169, 174; Bünnigmann, Esra (2013), S. 351 f.; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 17b. 194 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 85, allerdings sei eine „Kumulierung der Schutzintensität“ wegen der Schranken praktisch nicht durchführbar; ohne diese Einschränkung Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 5; Rüfner, in: FS 25 Jahre BVerfG Bd. II (1976), S. 453, 476 f., 479, wobei er dies vor allem daran festzumachen scheint, dass bei Schrankendivergenz die Schranken des weniger einschränkbaren Grundrechts gelten sollen; Hubmann, Wertung (1977), S. 26; Berkemann, NVwZ 1982, 85, 87; F. Müller, Positivität, 2. Aufl. (1990), S. 50 f.: Aus Grundrechtsverbindungen könne sich eine Verstärkung grundrechtlichen Schutzes durch

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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voraus.195 Auch die Vertreter der Figur der vertikalen Belastungskumulation bzw. des additiven Grundrechtseingriffs behaupten zumeist einfach nur, es sei wichtig, die Gesamtbelastung in den Blick zu nehmen,196 ohne näher darauf einzugehen, warum und unter welchen Voraussetzungen eine Gesamtbelastung zu berücksichtigen ist. Über die inhaltlichen Gründe für eine Verstärkung ist insgesamt wenig zu erfahren. So heißt es häufig nur, der Rechtsgrund der grundrechtlichen Verstärkungswirkung liege in der gleichzeitigen Betroffenheit mehrerer Rechtsgüter.197 Zur Illus­tration wird eine Parallele zur strafrechtlichen Idealkonkurrenz angeführt, bei der die Verletzung mehrerer Rechtsgüter zu einer Verschärfung der Strafe führe.198 Dass es aber im Rahmen der Strafzumessung bei Idealkonkurrenz zu einer Verschärfung der Strafe kommt, heißt noch lange nicht, dass dies auch bei idealkonkurrierenden Grundrechten der Fall ist. Das Strafrecht und das Verfassungsrecht sind an dieser Stelle zu unterschiedlich, um einen aussagekräftigen Vergleich anstellen zu können.199 Grundsätze ergeben, die ihrerseits in aller Regel nur zum Teil grundrechtlich abgesichert seien und die nicht wie selbständige Grundrechtsnormen behandelt werden könnten. Manssen, JuS 1992, L60-L63, L62 ff.; Manssen, Staatsrecht I (1995), Rn. 647; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 88: Die Schutzverstärkung des Art. 8 GG durch Art. 21 GG sei jedoch durch das Maß des „stärksten“ Grundrechts beschränkt; Di Fabio, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 2 Abs. 1, Rn. 36; Czerner, ZRP 2009, 233, 235; Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 115; Kaiser, in: Erbs / Kohlhaas, 208. EL (2016), § 33 KunstUrhG, Rn. 69; Mager, Staatsrecht II, 6. Aufl. (2014), S. 136; Epping, Grundrechte, 6. Aufl. (2015), Rn. 264; Hufen, Staatsrecht II, 5. Aufl. (2016), § 46 Rn. 6; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 255 f. 195 Schwacke, Spannungslagen (1973), S. 108, die Grundrechte reicherten sich wechselseitig an und beide würden miteinander verbunden; nicht überzeugend Schmitt-Glaeser, AöR 113 (1988), 52, 64 f., der zum einen eine Verstärkung von Art. 5 Abs. 1 GG durch Art. 6 Abs. 1 GG annimmt, aber nicht zwischen Art. 5 Abs. 1 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, weil letztere unterschiedliche Verhaltensweisen schützten; Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 43, versteht den grundrechtlichen Wirkungsverbund etwas anders als Schwabe: manche Entscheidungen, die bei getrennter Prüfung jedes Grundrechts als verhältnismäßig gälten, könnten sich bei Anwendung des grundrechtlichen Wirkungsverbunds als unverhältnismäßig herausstellen; Brönneke, Umweltverfassungsrecht (1999), S. 280: „Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des Schutz verlangenden Prinzips ist, um so größer muß die Wichtigkeit der Erfüllung der gegenläufigen Prinzipien sein.“; G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 25, der eine Gesamtabwägung favorisiert. Aus Gründen der Schrankendivergenz wendet er sich aber explizit gegen die Verstärkung des Schutzbereichs eines Grundrechts durch ein anderes; Breuer, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 170, Rn. 126, der neben einer unverbundenen Idealkonkurrenz auch eine verbundene annimmt, bei der die zusammentreffenden Garantien inhaltlich verschränkt seien und zu einer einheitlichen Geltung verschmölzen; v. Münch / Kunig, in: v. Münch /  Kunig, 6. Aufl. (2012), Vorbemerkung Art. 1–19 GG, S. 48: Kumulation könne sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auswirken; Beyerbach, Unternehmensinformation (2012), S. 251 f. 196 G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 735; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120; vgl. auch Schiek, in: Schiek AGG (2007), § 4, Rn. 9. 197 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 545; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670. 198 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 545. 199 E.  Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 536 f.; vgl. auch Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 41.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

An anderer Stelle heißt es, die Verstärkungswirkung sei ein Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, und somit im Grundgesetz angelegt.200 Andere leiten das Verbot der Belastungskumulation aus der Wesensgehaltgarantie, Art. 19 Abs. 2  GG, ab201 oder aus Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG202. Was genau der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. die Wesensgehaltsgarantie bzw. das Verbot der Überbelastung der Steuerpflichtigen im Falle mehrerer Eingriffe fordern, ist aber gerade umstritten. Aus dem selben Grund zurückzuweisen sind die Argumente, der „Grundsatz der optimalen Durchsetzung der Grundrechte“ fordere eine Verstärkung,203 bzw., die Zielrichtung der Grundrechte sei auf Verstärkung, nicht Schwächung des Freiheitsschutzes angelegt.204 Auch Art. 103 Abs. 3 wird von einigen als ausdrückliche verfassungsrechtliche Anerkennung des Verbots der Belastungskumulation angesehen.205 Die Verhältnismäßigkeit einer Strafe ist jedoch ein dogmatischer Sonderfall, auf den viele der übrigen Überlegungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht übertragen werden können.206 Zudem verbietet Art. 103 Abs. 3 GG speziell Doppelbestrafungen, würde allerdings nicht einer sehr hohen Strafe wegen einer anderen Straftat im Wege stehen.207 Interessant, aber ebenfalls nicht entscheidend, ist der Gedanke, dass schon immer bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn eines Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 GG der Eingriff in den Zusammenhang der gesamten Verfassung gestellt worden sei.208 Da Klement für den Fall der horizontalen Belastungskumulation eine Verstärkung durch objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte vertritt,209 kann er außerdem zusätzlich das „erst-Recht-Argument“ anführen, wenn sogar die objektivrechtlichen Grundrechtsgehalte und die Grundrechte Dritter die Position des Grund 200

E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 525, 545, von Hofmann „Schutzbereichskumulation“ genannt. 201 Lee, Instrumentenmix (2013), S. 106; Schaks, DÖV 2015, 817, 818. 202 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1477; Lee, Instrumentenmix (2013), S. 105; Schaks, DÖV 2015, 817, 818; Kaltenstein, SGb 2016, 365, 366. 203 Bleckmann / Wiethoff, DÖV 1991, 722, 729, von ihnen als „Wertkumulation“ bezeichnet; Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 25. 204 Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 15; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 6; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 149; kritisch Hesse, Grundzüge, 20. Aufl. (1995), S. Rn. 72: „In dubio pro libertate“ sei mit dem Prinzip praktischer Konkordanz nicht in Einklang zu bringen; zum Streitstand siehe Hochhuth, Relativitätstheorie (2000), S. 187 ff. m. w. N. 205 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1477; Lee, Instrumentenmix (2013), S. 105; Schaks, DÖV 2015, 817, 818; Kaltenstein, SGb 2016, 365, 366. 206 Vgl. Huster, Rechte (1993), S. 140–141; Borowski, Grundrechte (1998), S. 388; Haller, Verrechnung (2007), S. 134. 207 Hier wird deutlich, dass das Vorliegen einer Belastungskumulation an unterschiedlichen Merkmalen festgemacht werden kann, z. B. am Zweck einer Maßnahme, oder schlicht hinsichtlich der Wirkung auf den Grundrechtsträger. Siehe dazu den Abschnitt B. II. 1. c). 208 Heimann, in: Verfassungsrecht (2010), S. 123, 128. 209 Klement, AöR 134 (2009), 35, 50 f.

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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rechtsträgers verstärken könnten, dann gelte dies erst recht von weiteren eigenen Grundrechten.210 Einige wenige Autoren bieten jedoch auch nähere dogmatische Erklärungs­ ansätze zur Verstärkungswirkung. Die Ansätze können grob eingeteilt werden in solche auf Schutzbereichsebene (a)) und solche auf Rechtfertigungsebene (b)). a) Erklärungen auf Schutzbereichsebene Soweit Erklärungen auf Schutzbereichsebene ansetzen, wird zum einen eine Erweiterung des Schutzbereichs vertreten (aa)), zum anderen die Neuschöpfung eines Grundrechts (bb)). Ein besonders früher Vorschlag stammt von Schwabe, der die Rechtsfigur eines grundrechtlichen Wirkungsverbunds vertritt (cc)). aa) Erweiterung des Schutzbereichs Vereinzelt wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so gedeutet, dass losgelöst von einer Abwägung der Schutzbereich eines der Grundrechte durch das andere erweitert und dadurch verstärkt werde.211 Wie es durch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs eines Grundrechts allerdings zu einer Verstärkung kommen soll, ist schleierhaft. Als Motiv für ein solches Vorgehen könnte vermutet werden, dass damit der Anwendungsbereich des vermeintlich stärkeren212, weil schwieriger einschränkbaren Grundrechts ausgedehnt werden soll. Es handelt sich daher um die Frage, welche Situationen noch in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, und damit letztlich um Tatbestandsinterpretation. Dazu ist die hinzu Zitierung eines weiteren Grundrechts nicht nötig. Auch hätte eine solche Konstruktion keinen Mehrwert im Vergleich zu einer einfachen Anwendung aller einschlägigen Grundrechte nebeneinander. Sie ist daher als überflüssig abzulehnen. bb) Neuschöpfung eines Grundrechts Eine andere auf Schutzbereichsebene ansetzende Erklärung ist, dass mit „i. V. m.“ ein neues Grundrecht geschaffen wird.213 In der Literatur dominiert dafür der Begriff 210

Klement, AöR 134 (2009), 35, 53. Näheres zur Verstärkung mit objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten und Grundrechten Dritter im Abschnitt E. 211 Spranger, NJW 2002, 2074, 2075; Beyerbach, Unternehmensinformation (2012), S. ­255–256; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 21 f., 43, die darin allerdings keine Verstärkung sieht. 212 Siehe dazu den Abschnitt B. II. 2. c) cc). 213 Meinke, Verbindung (2006), S. 238, 246: Ablehnung einer Verstärkung, allerdings könne ein neuer Schutzgegenstand geschaffen werden.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

„Kombinationsgrundrecht“214, allerdings sind auch die Begriffe „Gesamtgrundrecht“215, „Synthese-Grundrecht“216, „Grundrechtsverbindung“217 oder „Verbundgrundrecht“218 in Gebrauch. Prominentestes Beispiel und Archetyp ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.219 Ob es neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht noch andere Kombinationsgrundrechte gibt, ist umstritten. Das liegt daran, dass keine Einigkeit besteht, ob es überhaupt neue Grundrechte geben kann und wenn ja, welchen Anforderungen sie genügen müssen. Die Frage, ob überhaupt neue Grundrechte geschaffen bzw. vom Bundesverfassungsgericht erkannt werden können, ist eng verwandt mit der Frage, ob es unbenannte Grundrechte, insbesondere Freiheitsrechte gibt, die sogenannten „Innominatfreiheitsrechte“. Siehe dazu den Abschnitt C. XV. Manche fordern nur, dass die beteiligten Grundrechte besonders eng „geknüpft“ werden,220 andere fordern eine gewisse dogmatischen Verfestigung221 bzw. eine „präjudizielle Verfestigung“.222 Das sei der Fall, wenn eine Fallgruppe in der Rechtsprechung hinreichend ausgeprägte dogmatische Strukturen erhalten habe; dabei sei in quantitativer Hinsicht nötig, dass der Freiheitsbereich ausreichend oft Gegenstand von Entscheidungen geworden sei; in qualitativer Hinsicht müssten diese Entscheidungen, sowie flankierend die Literatur, den betroffenen Freiheitsbereich dogmatisch durchdrungen haben.223 Außer der Anerkennung durch Rechtsprechung und Literatur werden aber auch inhaltliche Anforderungen gestellt. Während die sprachliche Verselbständigung eher untergeordnet ist (eine griffige Bezeichnung

214 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 84 f.; Schmalz, Grundrechte, 4. Aufl. (2001), Rn. 360; Aubel, Mutterschutz (2003), S. 73; Meinke, Verbindung (2006), S. 239; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190 f.; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 47; in diese Richtung auch Richter, in: Konkordanzkommentar, 2. Aufl. (2013), Kapitel 9, Rn. 77; anders Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 108, der diesen Begriff weiter fasst; vgl. auch Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 254, bei dem unklar ist, ob er die Neuschöpfung eines Grundrechts damit meint. 215 Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 47. 216 Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 47. 217 Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 47. 218 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 538; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 84–85 219 I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 543; Meinke, JA 2009, 6, 11; Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 106; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 47. Erstmals erwähnt wurde ein allgemeines Recht der Persönlichkeit in RGZ 41, 43, 49 ff. – Urheberrecht an Briefen?, und in den Entscheidungen BGHZ 13, 334 – Schacht-Brief und BGHZ 26, 349 – Herrenreiter aus der neuen Verfassung abgeleitet. Während das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 4, 7, 15 – Investitionshilfe sich noch nicht festlegte, wurde das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach weiteren inhaltlichen Ausführungen in BVerfGE 6, 32, 41 – Elfes schließlich in BVerfGE 27, 1, 6 f. – Mikrozensus anerkannt. Ausführlich zur historischen Entwicklung und mit weiteren Nachweisen Kube, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 148, Rn. 20 ff. 220 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 84 f. 221 Meinke, Verbindung (2006), S. 67 f. 222 Alexy, Theorie (1985), S. 335, 352. 223 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 100.

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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wird sich wohl meist finden lassen)224, wird eine gewisse inhaltliche Eigenständigkeit gefordert:225 Es solle ein ohne die Verbindung nicht vorhandener Schutzgegenstand geschaffen werden.226 Im Ergebnis geht die Tendenz dahin, neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht keine weiteren Kombinationsgrundrechte anzuerkennen. Vereinzelt geblieben sind daher die Befürworter der Kombinationsgrundrechte „Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 4 GG“227, Recht auf religiöse Kindererziehung aus Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG,228 oder einem Recht auf Zulassung zu einem Hochschulstudium eigener Wahl aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip229. Selbst das „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“230 wird zumeist nur als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begriffen.231 So wurde dann auch nach herrschender Meinung im Urteil Schächten232 kein neues Grundrecht auf „religions­bezogene Berufsausübung“ geschaffen.233 An einer Deutung von Grundrechtsverbindungen als Grundrechtsneuschöpfungen wird von Meinke als positiv erachtet, dass auf diese Weise ein Bedeutungswandel bzw. eine Schwerpunktverschiebung immer möglich sei; so habe das Grundgesetz mit vergleichsweise wenigen Änderungen ein halbes Jahrhundert überdauern können.234 Daran ist zu kritisieren, dass Unbestimmtheit aus rechtsdogmatischer Sicht keinen Vorteil darstellt.235 An der dogmatischen Erklärung als Neuschöpfung eines Grundrechts wird kritisiert, sie sei keine geeignete Lösung für das Problem idealkonkurrierender Grundrechte, da sie Veränderungen auf Tatbestandsebene brächte, während es eigentlich ein Problem der Rechtsfolgen sei.236 Dieser Einwand ist zurückzuweisen. Die 224 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190. Eher missglückt ist die Namensfindung beim „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“, BVerfGE 120, 274 – Online-Durchsuchungen. 225 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190 f. 226 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 106. 227 Aubel, Mutterschutz (2003), S. 73, bezogen auf BVerfGE 65, 104 – Mutterschaftsgeld I. 228 Meinke, Verbindung (2006), S. 158. 229 Meinke, JA 2009, 6, 11. 230 BVerfGE 120, 274 – Online-Durchsuchungen. 231 Murswiek / Rixen, in: Sachs, 8. Aufl (2018), Art. 2 GG, Rn. 73c; H. Hofmann, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Henneke, 14.  Aufl (2018), Art.  2 Abs.  1  GG, Rn.  14, 17; Britz, DÖV 2008, 410, 413; Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009, 1014; Sachs / Krings, JuS 2008, 481, 483. 232 Siehe Abschnitt A. II. 1. 233 Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 149; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190 f. 234 Meinke, Verbindung (2006), S. 252, 254. 235 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 104 Fn. 95. 236 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 538; Hillgruber sieht das anders, nach ihm erfolgt auch beim Kombinationsgrundrecht die eigentliche Schutzverstärkung bei der verfassungsrecht­ lichen Rechtfertigung des Eingriffs in das Gesamtgrundrecht, Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 47.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Deutung als Neuschöpfung eines Grundrechts ist eine mögliche Lösung. Es ist gerade eine Frage, ob schon eine Veränderung auf Schutzbereichsebene vorliegt. Die Übergänge von der Annahme einer Verstärkung zur Neuschöpfung eines Grundrechts sind fließend.237 Zur Abgrenzung siehe den Abschnitt C. XV. cc) Schwabes grundrechtlicher Wirkungsverbund Im Ergebnis geht Schwabe von einer Verstärkungswirkung aus, betreibt aber zuvor eine ungewöhnlich extensive Tatbestandsauslegung. Schwabe nimmt an, dass es zwischen Grundrechten Tatbestandsüberschneidungen gebe, also teilidentische Schutzbereiche.238 Der institutionelle Gehalt, den ein Grundrecht habe, könne auch bei dem jeweils anderen, partiell überschneidenden Grundrecht verortet werden.239 Dies sei zum Beispiel der Fall bei der Tätigkeit des Berufsmusikers mit Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 GG.240 Beide Aspekte (im Fall des Berufsmusikers die künstlerische Tätigkeit und das Verdienen des Lebensunterhalts) seien vom Schutzbereich eines jeden einzelnen Grundrechts umfasst.241 In der Güterabwägung seien beide schützenswerte Aspekte zu berücksichtigen.242 Insbesondere seien sie in der Abwägung gemeinsam den den Eingriff rechtfertigenden Gemeinwohlinteressen gegenüberzustellen.243 Da in jedem der Grundrechte beide Aspekte enthalten seien, sei es bei richtiger Vorgehensweise ausreichend, nur eines der beiden Grundrechte zu prüfen, da die Prüfungsmaßstäbe identisch seien.244 Die Zweiteilung eines Grundrechts sei eine Formalität, die beiden verletzten Grundrechte könne man sich auch als ein einziges vorstellen, z. B. als die Freiheit des Berufskünstlertums.245 Aus Klarstellungsgründen hält es Schwabe aber für vorzugswürdig, einen „grundrechtlichen Wirkungsverbund“246 aus beiden Grundrechten zu bilden.247 Der „grundrechtliche Wirkungsverbund“ sei zwar nicht effektiver oder abwehrstärker als ein Grundrecht allein, aber er bringe alle einschlägigen Grundrechtsbestimmungen zur Geltung, ohne dass die bei der Hintereinanderverwendung beider Grundrechte „unvermeidliche und nutzlose Doppelprüfung“ geschehe.248

237

Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 106 Fn. 104. Schwabe, Probleme (1977), S. 327. 239 Schwabe, Probleme (1977), S. 365 f. 240 Schwabe, Probleme (1977), S. 361. 241 Schwabe, Probleme (1977), S. 363. 242 Schwabe, Probleme (1977), S. 361. 243 Schwabe, Probleme (1977), S. 368. 244 Schwabe, Probleme (1977), S. 366. 245 Schwabe, Probleme (1977), S. 368. 246 Schwabe, Probleme (1977), S. 394, von ihm auch „Wirkungseinheit“ genannt. 247 Schwabe, Probleme (1977), S. 367; zustimmend Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 43; Manssen, JuS 1992, L60-L63, L62. 248 Schwabe, Probleme (1977), S. 367. 238

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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Schwabe geht davon aus, eine Verbotsverfügung sei für einen Berufskünstler belastender als für einen Hobbykünstler, der seinen Lebensunterhalt anderweitig verdiene.249 Dies bedeutet umgekehrt, dass Schwabe den Grundrechtsschutz für den Berufskünstler für stärker erachtet, als den für den Hobbykünstler. Allerdings sieht er diesen stärkeren Schutz schon durch ein einzelnes Grundrecht für gegeben an: Das professionelle Malen sei von Art. 5 Abs. 3 GG erfasst wie auch das Berufskünstlertum von Art. 12 GG erfasst sei. Daneben möchte Schwabe auch einen grundrechtlichen Wirkungsverbund für Fälle der Idealkonkurrenz ohne partielle Tatbestandsidentität bilden: Nur so könne der im jeweils anderen Grundrecht geschützte Aspekt in der Güterabwägung mit Gesamtschau aller betroffenen Güter berücksichtigt werden.250 Als Beispiel für eine Situation von Idealkonkurrenz ohne partielle Tatbestandsidentität nennt Schwabe allerdings ein Verbot der Grundrechtsausübung, das mit dem Eingriff in ein anderes Grundrecht sanktioniert wird.251 Da genau genommen zwei staatliche Handlungen vorliegen, ist in diesem Beispiel jedoch kein Fall der Idealkonkurrenz gegeben, sondern einer der vertikalen Belastungskumulation252. Allerdings sind staatliche Handlungen denkbar, die gleichzeitig in zwei verschiedene Grundrechte eingreifen, deren Schutzbereiche sich nicht überschneiden. Schwabe gibt zu, dass solche Fälle selten sind,253 was nach der zuerst von ihm betriebenen weiten Tatbestandsauslegung nicht verwundert. Für einen solchen Fall würde durch Schwabes grundrechtlichen Wirkungsverbund eine Verstärkungswirkung eintreten. Schwabes Konzept ist überwiegend auf Ablehnung gestoßen. Vor dem Hintergrund, dass bis in die 1990er Jahre hinein die Thematik „Grundrechtskonkurrenzen“ fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Anwendbarkeit spezifischer Grundrechtsschranken diskutiert wurde,254 nehmen die meisten Einwände ebenfalls auf diesen Themenkomplex Bezug. So wird Schwabe vorgeworfen, dass er die unterschiedlichen Schranken der besonderen Grundrechte nicht ernst nehme, wenn er alle Grundrechte einem „totalen und radikalen Güterabwägungsvorbehalt“ unterwerfe.255 Er verstoße damit gegen das System der Gesetzesvorbehalte.256 Auch sei die Annahme einer „Stärkeidentität“ aller Grundrechte falsch (wobei unter „Stärke“ der Grundrechte verstanden wird, wie schwierig diese einzuschränken sind, gemessen an den Anforderungen des Schrankenvorbehalts).257 Die Grenzen zulässiger 249

Schwabe, Probleme (1977), S. 361. Schwabe, Probleme (1977), S. 382. 251 Schwabe, Probleme (1977), S. 382. 252 Näheres dazu im Abschnitt B. II. 1. c) bb) (3). 253 Schwabe, Probleme (1977), S. 382. 254 Siehe dazu den Abschnitt B. II. 2. c) cc). 255 Schnapp, NJW 1978, 803, 804; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53. 256 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 83 f. Dazu, dass es kein System der Schranken gibt, siehe Abschnitt B. II. 2. c) cc). 257 Schnapp, NJW 1978, 803, 804; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 83 f. 250

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Verfassungsinterpretation seien überschritten.258 Es werde gegen positives Verfassungsrecht verstoßen, wenn den Schranken keine Bedeutung beigemessen werde.259 Auf Tatbestandsebene der Grundrechte wird kritisiert, dass nach Schwabes Konzept die allgemeine Handlungsfreiheit ausreichen würde und spezielle Grundrechtsgewährleistungen überflüssig wären.260 Wenn der Verfassungstext unterschiedliche Grundrechtsbestimmungen vorsehe, müsse damit auch etwas unterschiedliches gemeint sein.261 Die Gleichsetzung von Anwendungs- und Regelungsbereich einer Grundrechtsnorm bewirke eine nicht intendierte Nivellierung aller Grundrechte.262 Andere Kritik wendet sich gegen die Abwägung: Da es nach Schwabes Konzept keine konkreten Kriterien für die Abwägung gäbe, führe dies zu Rechtsunsicherheit und Situationsjurisprudenz; anderseits aber auch zu einer Blankovollmacht für Freiheitsbeschränkungen des Staates.263 Zugunsten des Modells von Schwabe wird andererseits eingewandt, dieses leugne nicht die Maßstäblichkeit von Grundrechtsbestimmungen in der Abwägung, sondern die exklusive Zuordnung dieser Maßstäbe zu einem bestimmten Grundrecht.264 Schwabe vertritt außerdem, es sei im Ergebnis unerheblich, die Schranken welchen Grundrechts angewandt würden,265 was ebenfalls heftig kritisiert wird. Dazu und zur Kritik siehe den Abschnitt  C. VI. Zur Bedeutung der unterschiedlichen Schranken, siehe den Abschnitt B. II. 2. c) cc). Die übrigen Argumente, die auf die Abwägung Bezug nehmen, sind letztlich eine Kritik an der Justiziabilität der Abwägung im Allgemeinen, denen im Abschnitt B. III. begegnet werden wird. b) Erklärungen auf Rechtfertigungsebene Die meisten dogmatischen Erklärungen für eine Verstärkung setzen auf Rechtfertigungsebene an, insbesondere bei der Abwägung. Es werden Erklärungen über die Figur der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte vorgeschlagen (aa)), über einen „argumentativen Rückgriff auf das verdrängte Grundrecht“ (bb)), oder unter Abstellen auf eine Gesamtabwägung (cc)). Anschließend wird von einigen die Frage nach dem Maß der Verstärkungswirkung aufgeworfen (dd)).

258

Degen, Pressefreiheit (1981), S. 306. Schnapp, NJW 1978, 803, 804; Degen, Pressefreiheit (1981), S. 306; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 83; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 87. 260 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 83 f.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 88: „höchst problematisch“. 261 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 88. 262 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 88 f. 263 Degen, Pressefreiheit (1981), S. 306. 264 Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 41 f.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 88. 265 Schwabe, Probleme (1977), S. 420. 259

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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aa) Objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte Ein Erklärungsversuch für die Verstärkungswirkung (sowohl unter Freiheitsrechten als auch zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten) führt über die objektiven Grundrechtsgehalte:266 Das verstärkende Grundrecht flösse mit seinem objektivrechtlichen Gehalt in die Abwägung ein.267 Deswegen seien auch nicht die gleichen Anforderungen an Schutzbereichseröffnung und Eingriff zu stellen, wie beim verstärkten Grundrecht.268 Auch bei der Figur der vertikalen Belastungskumulation wird versucht, dies vage über die objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte zu begründen.269 Besonders hervorzuheben sind die Erläuterungen Spielmanns: Er vertritt einen „Verstärkungsverbund“270 zwischen einem Grundrecht, in das eingegriffen wurde, und einem lediglich beeinträchtigten Grundrecht.271 Unterhalb der Schwelle eines Eingriffs nach dem modernen Eingriffsbegriff gebe es noch eine weitere Art grundrechtlich relevanter Beeinträchtigung, die dem Staat zurechenbar sei.272 Dies sei der Fall, wenn das staatliche Verhalten zumindest kausal für die Grundrechtsbeeinträchtigung sei und keine gänzlich atypische oder unvorhersehbare Fernwirkung vorliege.273 Läge eine zurechenbare Beeinträchtigung vor, flösse das solchermaßen beeinträchtigte Grundrecht mit seinem objektiv-rechtlichen Gehalt in die Prüfung ein.274 Wegen der schwächeren Zurechenbarkeit gälten die harten Rechtfertigungskriterien des Grundrechts nicht.275 Es sei nur ein weiterer, verstärkender Abwägungsfaktor, der ein anderes Grundrecht des Grundrechtsträgers verstärkt, in das im klassischen oder modernen Sinn eingegriffen worden sei.276 Dieses Zusammenwirken nennt Spielmann einen „Verstärkungsverbund“.277 Beim „Verstärkungsverbund“ verbessere sich die Position des Grundrechtsträgers, da mehr argumentatives Material für die Abwägung zur Verfügung stehe.278 Die Anerkennung einer Verstärkungswirkung

266 Kingreen, Stellung (1995), S. 127; Spielmann, JuS 2004, 371, 374; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 175; a. A. Spranger, NJW 2002, 2074, 2075. 267 Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 219; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 188. 268 Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 219; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 188. 269 Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214. 270 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 182 ff., 189, 351. 271 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186 ff. Spielmann gibt zu, dass der „Verstärkungsverbund“ ergebnisäquivalent sei mit der ebenfalls von ihm vertretenen Gesamtabwägung (von ihm „Abwägungsverbund“ genannt), sofern das verstärkende Grundrecht keine definitive Positivrechtsfolge ausspreche, sondern eine Abwägung nötig mache, Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 189. 272 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186 ff. 273 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 188. 274 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 188. 275 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 188. 276 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190. 277 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 189, 351. 278 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 182.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

sei eine konsequente Fortentwicklung des modernen Eingriffsbegriffs.279 Auch ohne dass notwendig die Eingriffsschwelle erreicht sei, könnte eine Gefährdung der Freiheit vorliegen; durch den Verstärkungsverbund könnte dies berücksichtigt werden.280 Spielmann wendet sich dagegen, einen Verstärkungsverbund auch dann anzunehmen, wenn ein Eingriff im klassischen oder modernen Sinne vorläge, denn es sei eine Schwächung der normativen Kraft einer Grundrechtsnorm, wenn sie nur noch mit ihrem Rechtsgedanken in die Abwägung einfließe.281 Sei ein Grundrecht hingegen noch nicht einmal seinem sachlichen Schutzbereich nach einschlägig, bestehe auch kein Grund, es in der Abwägung zu berücksichtigen.282 Speziell gegen Spielmann ist einzuwenden, dass es keine Notwendigkeit zur Einführung eines weiteren Eingriffsbegriffs gibt. Der moderne Eingriffsbegriff umfasst nach herrschender Meinung jedes staatliche Verhalten, dass dem Einzelnen ein in den Schutzbereich eines Grundrechts fallendes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht oder erheblich erschwert.283 Dieser Eingriffsbegriff ist bereits weit genug, denn er umfasst alle relevanten Grundrechtsbeeinträchtigungen. Damit beinhaltet er auch solche Eingriffe, die Spielmann nur von seinem neuen Eingriffsbegriff umfasst sieht. Unterhalb der Schwelle des modernen Eingriffsbegriffs anzusiedelnde Beeinträchtigungen sind nicht mehr relevant, so dass kein Bedürfnis für einen noch weiter gefassten Eingriffsbegriff besteht. Darüber hinaus sind die Argumentationen über objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte zu kritisieren, weil sie nur an der Oberfläche bleiben. Sie suchen eine methodische Begründung im „Werkzeugkasten“ der Grundrechtsdogmatik, ohne sich die Frage zu stellen, ob vom materiellen Gehalt der Grundrechte her überhaupt eine Verstärkung möglich ist. Eine solche Erklärung können die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte nicht liefern, da es bei ihnen nur um das Auffinden von Parametern für die Abwägung geht284 und sie ihrerseits in ihrem materiellen Gehalt umstritten sind.285 bb) Argumentativer Rückgriff auf das verdrängte Grundrecht Eine weitere dogmatische Figur, bei der eine Verstärkung unter Grundrechten angenommen wird, ist der „argumentative Rückgriff auf das verdrängte Grundrecht“. Dabei wird die Grundrechtskonkurrenzlehre der Verdrängung kombiniert mit der Verstärkung. 279

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186. 281 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 183. 282 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 184. 283 Stellvertretend Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 89. 284 Spranger, NJW 2002, 2074, 2075. 285 Stern, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 185, Rn. 52, 70. Mehr zu objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten im Abschnitt E. 280

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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Vom Bundesverfassungsgericht und weitgehend der Literatur wird angenommen, dass es bei den Grundrechtskonkurrenzen auch eine Verdrängung aus materiellen Gründen286 gebe, bei der das sachnähere Grundrecht andere Grundrechte verdränge.287 Für diese Konstellation wird von einigen angenommen, die verdrängten Grundrechte seien „als grundlegende Wertentscheidung“ im nachfolgenden Prüfungsschritt der Abwägung dann doch wieder zu berücksichtigen und verstärkten den Schutz aus dem primären Grundrecht.288 Mancherorts wird noch differenziert, das verdrängte Grundrecht sei nur dann anzuwenden, wenn die Betroffenheit des Schutzbereichs von einigem Gewicht sei.289 Die zu dieser Auffassung zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betreffen allerdings nur Fälle des Zusammentreffens des allgemeinen Gleichheitsrechts mit einem Freiheitsrecht,290 was wegen der Ausfüllungsbedürftigkeit des abstrakten Gleichheitssatzes nicht unbedingt als Verstärkung verstanden werden muss291, aber kann292. Einzige Ausnahme ist das ebenfalls zitierte Urteil Schächten, bei dem ein Freiheitsrecht durch ein Freiheitsrecht verdrängt wird und später wieder aufgegriffen wird.293 Diese Entscheidung wird aber als dogmatisch so misslungen bewertet,294 dass sie als Einzelfallentscheidung und nicht als prägend für ein Rechtsinstitut verstanden werden sollte. An der Figur des argumentativen Rückgriffs auf das verdrängte Grundrecht ist schon die Annahme einer Verdrängung zu kritisieren (Näheres im Abschnitt B. II.  2. c) ff) (8)). Wenn es aber unter bestimmten Umständen eine Verdrängung gäbe, so ist nicht erklärbar, warum das verdrängte Grundrecht in der Abwägung wieder 286

Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 12. Aufl. (2012), Vorb. vor Art. 1, Rn. 18a, anders in akt. Aufl.; Spielmann, JuS 2004, 371, 374. Siehe den Abschnitt B. II. 2. c) ff). 287 Antoni, in: Nomos Kommentar, 11. Aufl. (2016), Einführung, Rn. 17; vgl. auch Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 150; Kloepfer, Grundrechte (2010), S. § 52 Rn. 5; vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 17a. Mehr zu den Voraussetzungen B. II. 2. c) ff) (3). 288 Beyerbach, Unternehmensinformation (2012), S. 246; vgl. auch Spielmann, JuS 2004, 371, 374 über die Rspr. des Bundesverfassungsgerichts; Klement, AöR 134 (2009), 35, 52; Kloepfer, Grundrechte (2010), § 5 Rn. 5; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 58; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 17a; Antoni, in: Nomos Kommentar, 11. Aufl. (2016), Einführung, Rn. 17, wobei Antoni von der „Auslegung der primären Norm“ spricht; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 86 ff. nennt die Konstruktion „Begrenzungskombination“, lehnt sie aber ab. 289 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 58. 290 BVerfGE 13, 290, 296 ff. – Ehegatten-Arbeitsverhältnisse; BVerfGE 39, 210, 237 – Mühlenstrukturgesetz, mit dem umgekehrten Fall der Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Freiheitsrecht; BVerfGE 65, 104, Rn. 113 – Mutterschaftsgeld I. 291 Siehe zum Gleichheitsrecht Abschnitt D. II. 1. 292 Siehe allgemein zum Gleichheitsrecht Abschnitt D. und speziell Abschnitt D. II. 2. c) cc) und Abschnitt D. IV. 293 BVerfGE 104, 337, 345 f. – Schächten. 294 Statt vieler Kästner, JZ 2002, 491, 492; Volkmann, DVBl. 2002, 332, 332 ff.; Tillmanns, NuR 2002, 578, 580; Höfling, in: FS Rüfner (2003), S. 329, 331; Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 214; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 157.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

relevant werden sollte.295 Wenn beide Grundrechte Prüfungsmaßstab für den Sachverhalt sind, sollten beide vollständig anwendbar sein. Ist eines von beiden kein Prüfungsmaßstab, so kann es die Abwägung auch nicht mehr beeinflussen. Die Figur des argumentativen Rückgriffs auf das verdrängte Grundrecht ist daher abzulehnen. Im Vorgriff auf die späteren Ausführungen ist die Existenz der Figur des „argu­ mentativen Rückgriffs auf das verdrängte Grundrecht“ so zu erklären, dass unter Annahme eines Konzepts von grundrechtlichen Einzelabwägungen (im Gegensatz zum Konzept der Gesamtabwägung296) sichergestellt werden soll, dass in der Abwägung innerhalb der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs alle relevanten Umstände des Falls berücksichtigt werden. Flankierend zur Einzelabwägung kommt nach herrschender Meinung die Meistbetroffenheitstheorie zur Anwendung, wonach unter mehreren idealkonkurrierenden Grundrechten dasjenige auszusuchen ist, dass die meisten dieser Umstände abdeckt.297 Dabei bleiben in einige Fällen Umstände außen vor, deren Nichtberücksichtigung Zweifel hervorruft. Der argumentative Rückgriff auf das verdrängte Grundrecht wurde daher wohl von manchen gewählt, um diesem Missstand zu begegnen.298 Während sich diese Figur formell betrachtet nicht in die herkömmliche Grundrechtsdogmatik einfügt, so ist ihr materielles Anliegen berechtigt. Der hier vorgeschlagene Weg über die Gesamtabwägung ist jedoch der konstruktiv überzeugendere. cc) Gesamtabwägung Viele erklären die Verstärkungswirkung unter Grundrechten über die Methode der Gesamtabwägung.299 Unter einer Gesamtabwägung versteht man, dass alle einschlägigen300 idealkonkurrierenden Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Betroffenen gemeinsam abgewogen werden gegen die für die staatliche Maßnahme sprechenden Belange.301 Für die Gesamtabwägung gilt dann: „Je höher der Grad der Nichterfüllung des einen Prinzips ist, desto größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung der anderen sein.“302 Für eine Gesamtabwägung wird argumentiert, dass auch auf Seiten des Staates alle für die Maßnahme sprechenden Belange kumulativ aufgeführt werden, so 295

Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53. Siehe Abschnitte C. V. und C. VI., vgl. auch A. I. 3. 297 Siehe Abschnitt B. II. 2. c) ff) (1). 298 Kloepfer, Grundrechte (2010), S. § 52 Rn. 5. 299 Siehe bereits das Phänomen der Gesamtabwägung in Abschnitt A. I. 3. 300 Siehe Fn. 18. 301 Vgl. Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 443; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59, von ihnen „holistischer Ansatz“ genannt; ablehnend Pieroth / Schlink / Kingreen u. a., Grundrechte, 31. Aufl. (2015), Rn. 229. 302 Calliess, Umweltstaat (2001), S. 583; Calliess, DVBl. 2003, 1096, 1103; Calliess, JZ 2006, 321, 330. 296

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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dass es ohne die Figur zu einer Asymmetrie zulasten des Grundrechtsträgers käme.303 Getrennte Abwägungen für jedes Grundrecht hätten zur Folge, dass das geschützte Grundrecht dem Eingriffsinteresse strukturell unterlegen wäre, da auf Seiten des Eingriffs jeweils das volle Interesse streiten würde.304 Eine Gesamtabwägung ist aber nur dann sinnvoll, wenn auch eine gegenseitige Verstärkung von Grundrechten angenommen wird:305 Inhaltlich gleichlaufende Belange verstärken sich gegenseitig.306 Ohne gegenseitige Verstärkung könnte man die Grundrechte des Grundrechtsträgers auch separat hintereinander prüfen und würde zum selben Ergebnis kommen. Alle Befürworter einer Gesamtabwägung sind damit zugleich auch Befürworter einer Verstärkung unter Grundrechten. Würde es nämlich keinen Unterschied machen, wenn ein Grundrechtsträger mehr als ein Grundrecht geltend machen könnte, könnte man es auch bei der herkömmlichen Einzelabwägung bei jedem Grundrecht belassen und bräuchte keine Gesamtabwägung. Laut Julia Gerhards scheine auch die Mehrheit der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen zur „Schutzbereichsverstärkung“ von einer Erklärung über die Berücksichtigung mehrerer Grundrechte im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auszugehen.307

303

G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 25; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 175, von ihm „Abwägungsverbund“ genannt; Klement, AöR 134 (2009), 35, 53; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 28, von ihnen „Grundrechtsholismus“ genannt; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 153; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 260, der ebenfalls vom „Abwägungsverbund“ spricht. 304 Klement, AöR 134 (2009), 35, 53; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59. 305 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 60; zurückhaltender Morlok, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 4, Rn. 190: eine Schutzbereichsverstärkung finde nicht statt, wohl aber könne im Rahmen der Herstellung praktischer Konkordanz bzw. der Verhältnismäßigkeit die Bedeutung weiterer Verfassungsrechtsgüter Berücksichtigung finden.; ebenso zurückhaltend bereits Heinig / Morlok, JZ 2003, 777, 782; dafür ebenfalls Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 6, deren Bezugnahme auf eine argumentationstheoretische Sinnhaftigkeit aber nebulös bleibt. 306 Wallerath, Bedarfsdeckung (1988), S. 240: Grundrechte strahlten aufeinander aus; Beisel, Kunstfreiheitsgarantie (1997), S. 129, nicht ganz durchdacht erscheint der bei ihm in einem Nebensatz erwähnte Gedanke, durch eine Überspannung könne auch das Gegenteil einer Verstärkung eintreten; Calliess, Umweltstaat (2001), S. 580, 582; Calliess, JZ 2006, 321, 330 mit dem Beispiel grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG und Gemeinwohl aus Art. 20a GG bzgl. des Ziels „Luftreinhaltung“; Clérico, Verhältnismäßigkeit (2001), S. 179: „Vermutung für ein abstrakt höheres Gewicht“; Kluth, in: FS Rüfner (2003), S. 459, 459, 477; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 443, 562 allerdings einschränkend, es komme nicht immer zu einer Verstärkung; dies sei anhand substantieller Kriterien zu ermitteln, wobei offen gelassen wird, um welche Kriterien genau es sich handle; Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 15: durch Art. 2 Abs. 1 GG könne es gelegentlich zu einer Aufwertung und Verstärkung im Rahmen der Güterabwägung kommen; gegen eine Verstärkung allerdings Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 25; Kahl kritisierend Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 216 Fn. 887; vgl. auch A.-K.  Bauer, Kindeswohlgefährdung (2012), S. 115; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 57. 307 Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 216.

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Einige der angebotenen Formulierungen nehmen den Eingriff in den Blick und sehen die Verstärkungswirkung darin, dass sich die „Eingriffstiefe“ erhöhe, wenn in mehrere Grundrechte zugleich eingegriffen werde, bzw. die „Eingriffsintensität“ steige308 oder eine „besondere Schwere des Eingriffs“ vorliege.309 Andere gehen dahin, das Gewicht eines Grundrechts im Rahmen der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern sich erhöhen würde.310 Ohne inhaltlichen Unterschied ist auch die Formulierung, eine Verstärkung gebe es dadurch, dass eine erhöhte Rechtfertigungslast bestehe.311 Zur Gesamtabwägung wird ausführlich in den Abschnitten C. V. und C. VI. Stellung genommen. dd) Maß der Verstärkung Ein weiteres Problem ist die Bestimmung des Maßes der Verstärkung. Ganz im Allgemeinen wirft dies die Frage nach den Auswirkungen der Verstärkungswirkung auf die Falllösung auf. Nach Gerhards soll dem Kriterium der Betroffenheit mehrerer Grundrechte innerhalb der Abwägungsentscheidung eine gleichgeordnete, keine herausgehobene Stellung gegenüber anderen Abwägungsparametern eingeräumt werden.312 So pauschal kann dem nicht zugestimmt werden. In manchen Situationen kann die Verstärkungswirkung stark sein.313 Diese Aussage ist beispielhaft für die unterschwellig bei vielen Autoren zum Ausdruck kommendes Ansicht, dass die Verstärkungswirkung so wichtig nicht sein könne, da sonst bisher viele Rechtsfälle falsch gelöst worden wären. Dass durch die Anerkennung einer Verstärkungswirkung nicht die komplette Grundrechtsrechtsprechung überholt ist, liegt allerdings daran, dass der Effekt der Verstärkung zum einen häufig nicht sonderlich groß ist, und er zum anderen wohl bisher meist unausgesprochen berücksichtigt wurde, beim so genannten „apokryphen Abwägen“314. 308

Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 60. Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 218; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 6; vgl. Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 792; vgl. Jakobs, Verhältnismäßigkeit (1985), S. 27. 310 Wendt, AöR 104 (1979), 415, 465; Jakobs, Verhältnismäßigkeit (1985), S. 27; Ronellenfitsch, JÖR 44 (1996), 167, 182 bezieht dies genau genommen auf „additive Grundrechte“ und meint damit wohl das von ihm postulierte „Grundrecht auf Mobilität“; seine Gedanken können aber auch allgemein verstanden werden; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 525, 545, von ihm „Schutzbereichskumulation“ genannt; vgl. auch Effer-Uhe, Bindungswirkung (2008), S. 52; vgl. auch Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 201, Rn. 113, der die Figur aber ausdrücklich als dogmatisch nicht überzeugend ablehnt; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 53. 311 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 174; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 6. 312 Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 217. 313 Siehe Teil C. 314 Zum apokryphen Abwägen mit fiskalischen Nebeneffekten in der Erforderlichkeitsprüfung, siehe Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 64; Clérico, Verhältnismäßigkeit (2001), S. 126; zum apokryphen Abwägen durch Anhänger der Willkürtheorie beim Gleichheitssatz, siehe Huster, Rechte (1993), S. 240. 309

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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Zuzustimmen ist Horst Dreier darin, dass es eine „krude, mechanistische Vorstellung [ist], daß mit der puren Anzahl betroffener Grundrechtssphären auch die Intensität des Schutzes für das betroffene Individuum zunehmen müßte“.315 Eine Verstärkungswirkung dürfe nicht schematisch rechnerisch gesehen werden.316 Dem ist beizupflichten. Damit wird auf das Problem der Inkommensurabilität von Rechtspositionen aufmerksam gemacht.317 Einig ist man sich darin, dass die Verstärkungswirkung meist geringer anzusetzen sei als eine Addition.318 Ein linearer Anstieg des Schutzes führe nach Meinung vieler zu wenig plausiblen Ergebnissen.319 Zaghafte erste Ansätze zur Bestimmung des Maßes der Verstärkung gehen dahin, durch eine „Zusammenschau der Gewichte der im einzelnen tangierten Rechtsgüter“ den jeweiligen Grad der Verstärkung des Grundrechtsschutzes zu ermitteln.320 Nach welchen Maßstäben diese Zusammenschau geschehen soll, bleibt allerdings im Dunkeln. Daniel Effer-Uhe ist der Ansicht, dass bei einer Abwägung, bei der mehrere Prinzipien für ein und dieselbe Lösung sprechen, diese zwar insgesamt einen stärkeren Einfluss auf das Abwägungsergebnis haben könnten, als es selbst das stärkste Prinzip für sich hätte, dass aber gleichzeitig der Einfluss jedes einzelnen Prinzips abnehme, je mehr Prinzipien für eine Lösung sprechen.321 Dieser Effekt wird später von Maike Breckwoldt und Michael Kleiber als „Dämpfungseffekt“ bezeichnet.322 Effer-Uhe schlägt zur Abbildung des Effekts die Bildung einer algebraischen Summe vor,323 gibt aber keine Erklärung, warum ausgerechnet diese, und nur diese Art des logischen Zusammenhangs zwischen den Grundrechten die Verstärkungswirkung materiell korrekt abbildet. Nach Michael Jakobs könne Grund für die Verstärkung zum einen sein, dass das betrachtete staatliche Handeln von vornherein in die jeweils spezifischen Schutzgehalte unterschiedlicher Grundrechte eingreife, zum anderen könne die Ursache darin liegen, dass sich die Gewährleistungsbereiche bestimmter Grundrechte „von 315

Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 158; ebenso Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613, 617; kritisch auch Würkner, DÖV 1992, 150, 152, der allerdings von einer abstrakten Rangordnung unter Grundrechten ausgeht. 316 Gerhards, Verschlüsselung (2010), S. 217. 317 Siehe dazu stellvertretend Klatt / Meister, Der Staat 51 (2012), 159, 175; Petersen, Verhältnismäßigkeit (2015), S. 56. 318 Jakobs, Verhältnismäßigkeit (1985), S. 27; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 545; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670; in Ansätzen schon bei E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 409 f.; vgl. Bernsdorff, SGb 2011, 121, 123; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 12; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 226; nur zweifelnd Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 791. 319 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 545; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670. 320 Wendt, AöR 104 (1979), 415, 465; Calliess, Umweltstaat (2001), S. 582; Jakobs, Verhältnismäßigkeit (1985), S. 27. 321 Effer-Uhe, Bindungswirkung (2008), Rn. 72. Zu Effer-Uhes Ansatz, dies in einer logischen Formel auszudrücken, siehe Abschnitt C. XI. 3. a). 322 Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 15. 323 Genaueres siehe unten, Abschnitt C. XI. 3. a).

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Haus aus“ überlappten.324 Damit hatte Jakobs 1985 bereits die beiden wichtigsten Hintergründe der Verstärkungswirkung erkannt, obwohl er sie fälschlicherweise in ein Alternativverhältnis setzte. Wie noch näher auszuführen sein wird, gibt es Verstärkungswirkungen, weil staatliches Handeln gelegentlich in mehr als ein Grundrecht eingreift; für das Ausmaß der Verstärkung ist wichtig, dass sich die Gewährleistungsbereiche der Grundrechte überschneiden.325 Der Gedanke von Überschneidungen wurde später wieder aufgegriffen. Bei Nichtberücksichtigung der Überschneidungen von Grundrechten komme es nach Robert Alexy zu einer Verfälschung des Abwägungsergebnisses, da bei der Addition sich überschneidende Grundrechte doppelte Berücksichtigung fänden.326 Seien die Grundrechte, beziehungsweise die Prinzipien heterogen, sei eine einfache Addition möglich, um die Verstärkung auszudrücken.327 Zum Beispiel seien das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit heterogen zu den anderen Grundrechten.328 Die allgemeine Handlungsfreiheit sei beispielsweise aber nicht heterogen zu anderen Grundrechten, da sie in diesen enthalten sei.329 Die absolute Heterogenität zweier Prinzipien sei die Ausnahme, den Regelfall bilde eine zumindest teilweise Homogenität, das heißt eine Überschneidung der Prinzipien.330 Materielle Überschneidungen von Grundrechten seien dabei durch Auslegung und Abgrenzung der Grundrechtstatbestände zu ermitteln.331 Einen genau entgegen gesetzten Ansatz vertreten Lothar Michael und M ­ artin Morlok: Eine gegenseitige Verstärkung von Grundrechten käme allenfalls bei sachlich oder funktionell verwandten Grundrechten in Betracht.332 Sachlich verwandt seien beispielsweise das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 10 GG, und Art. 13 GG.333 Funktionell verwandt seien zum Beispiel die politischen Grundrechte der Art. 5 Abs. 1 GG, Art 8 GG und gegebenenfalls Art. 9 GG, oder die wirtschaftlichen Grundrechte Art. 12 GG, Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 1 GG.334 Schon die Abgrenzung zwischen sachlicher und funktioneller Verwandtschaft scheint zweifelhaft. Auf einer grundsätzlicheren Ebene erliegen Michael / Morlok wohl einer 324

Jakobs, Verhältnismäßigkeit (1985), S. 27; später ohne Bezugnahme Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 792; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 13. 325 Abschnitt C. I.1. 326 Alexy, in: GS  Sonnenschein (2003), S. 771, 792; Joerden, Logik (2010), S. 351; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 25. 327 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 792; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 13. 328 Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 25. 329 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 792. 330 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 792; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 14. 331 Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 23; Wiederholung in Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 235–237, ohne nähere Erläuterungen. 332 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 60. 333 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 60. 334 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 60.

III. Das Phänomen der Verstärkung in der Literatur 

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Verwechslung der Vorbelastungsproblematik mit der eigentlichen Verstärkungsproblematik. Bei der Vorbelastung werden bei der Beurteilung der Belastung durch die streitgegenständliche neue Maßnahme noch fortwirkende Belastungen mit­ berücksichtigt, die auf staatlichem Handeln in der Vergangenheit beruhen. Damit eine Vorbelastung berücksichtigungsfähig ist, muss der Grundrechtsträger durch beide Maßnahmen in einem materiell gleichen oder vergleichbaren Grundrechtsbereich betroffen sein, wie noch zu zeigen sein wird.335 Bei der Verstärkungswirkung geht es darum, ob es einen intensiveren Schutz für den Grundrechtsträger gibt, wenn er sich noch auf ein weiteres Grundrecht berufen kann. Insofern ist Alexy und Breckwoldt / Kleiber zuzustimmen, dass eine solche Verstärkung gerade dann am ehesten naheliegt, wenn die beteiligten Grundrechte vollständig heterogen sind, nicht umgekehrt. Der Anwendungsbereich der Verstärkungslehre ist aber nicht nur auf die Idealkonkurrenz mehrerer Abwehrrechte beschränkt: Christian Calliess vertritt für das Zusammentreffen von Abwehrrechten und Schutzpflichten (von ihm „mehrpoliges Verfassungsrechtsverhältnis“ genannt336) eine Gesamtabwägung,337 bei der das Übermaßverbot des Abwehrrechts auf der einen Seite und das Untermaßverbot der Schutzpflicht auf der anderen Seite einen Korridor bildeten, innerhalb dessen der Gesetzgeber mit dem ihm eingeräumten Spielraum eine Abwägung zu treffen habe.338 Inhaltlich gleichlaufende Belange verstärkten sich dabei gegenseitig.339 Auch eine Verstärkungswirkung zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten wird diskutiert.340 Nach Winfried Rohloff kommt es nur dann zu einer Verstärkungswirkung zwischen einem Freiheitsrecht und dem Gleichheitssatz, wenn es sach­ bereichsspezifische Erwägungen des Gleichheitssatzes gebe, die über den Gehalt des Freiheitsrechts hinausgingen.341 Heß, auf der anderen Seite, lehnt eine Verstärkung zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten ab, da beide einen eigenständigen

335

Zur Vorbelastungsproblematik, siehe den Abschnitt B. II. 1. c) bb) (5). Calliess, Umweltstaat (2001), S. 577; Calliess, JZ 2006, 321, 326. 337 Calliess, Umweltstaat (2001), S. 579; ablehnend Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 314 f., der bei Abwehrrecht und Schutzpflicht von unterschiedlichen staatlichen Maßnahmen ausgeht. 338 Calliess, Umweltstaat (2001), S. 457 f.; Calliess, JZ 2006, 321, 329. 339 Calliess, Umweltstaat (2001), S. 580, 582; Calliess, JZ 2006, 321, 330 mit dem Beispiel grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG und Gemeinwohl aus Art. 20a GG bzgl. des Ziels Luftreinhaltung. 340 Rohloff, Zusammenwirken (1992), S. 221; dafür: E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 548; Spielmann, JuS 2004, 371, 372; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 58; Hufen, Staatsrecht II, 5. Aufl. (2016), § 46 Rn. 6; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 255 f.; bei Teilhabegrundrechten: Riedel, NZS 2009, 260, 264; ablehnend Aubel, Mutterschutz (2003), S. 76: ein Wirkungsverbund mit dem allgemeinen Gleichheitsrecht sei entbehrlich (bezogen auf Art. 6 Abs. 4 GG). 341 Vgl. Rohloff, Zusammenwirken (1992), S. 223. 336

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A. Verstärkungswirkungen im grundrechtsdogmatischen Diskurs 

Gewährleistungsgehalt hätten.342 Die einzige Art der wechselseitigen Beeinflussung sei, dass sich die Prüfungsdichte beim Gleichheitssatz erhöhe, wenn gleichzeitig ein Freiheitsrecht nachteilig betroffen sei.343 Interessant ist hier der Gedanke, diese Fälle der Anwendbarkeit der „Neuen Formel“ ließen sich als Verstärkungswirkung rekonstruieren.344 Ob dies zutrifft, wird zu untersuchen sein.345

342

Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 248. Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 248. 344 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 58; vgl. Riedel, NZS 2009, 260, 264. 345 Siehe Abschnitt D. 343

B. Theoretische Grundlagen I. Grundrechtssystematisierungen und Definitionen Über Verstärkungswirkungen unter Grundrechten lässt sich schwer sprechen, ohne die Unterschiede zwischen den verschiedenen Grundrechten zu berücksichtigen. Unter Grundrechten sind primär die im Abschnitt „I. Die Grundrechte“ im Grundgesetz aufgeführten Verfassungsverbürgungen zu verstehen.346 Rechte, die den Grundrechten ähneln, aber nicht im Grundrechtsabschnitt der Verfassung kodifiziert sind, werden als grundrechtsgleiche Rechte bezeichnet. Es sind die auch in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG aufgezählten Art. 20 Abs. 4, Art. 33, Art. 38, Art. 101, Art. 103, Art. 104 GG.347 Eine größere Untergruppe der grundrechtsgleichen Rechten stellen die Justizgrundrechte dar, auch Prozessgrundrechte genannt,348 verstanden als Rechte auf gerichtliches Verfahren und Rechte im gerichtlichen Verfahren.349 Zu ihnen zählen die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG), das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), der Grundsatz keine Strafe ohne Gesetz (Art. 103 Abs. 2 GG), das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG), der Grundsatz habeas corpus (Art. 104 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und andere Ausprägungen des Rechtstaatsprinzips (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG), wie beispielsweise die Unschuldsvermutung.350 Die einzelnen Grundrechte können auf vielfältige Art systematisiert werden. Im Folgenden werden nur die für den Zweck dieser Untersuchung notwendigen Einteilungen dargelegt. Erläuterungsbedürftig ist zunächst die Gruppierung anhand von Grundrechtsart oder -funktion. „Grundrechtsfunktion“ bezieht sich auf ähnliche, konkrete Grundrechtspositionen, die aus einem Grundrecht folgen.351 Die meisten Grundrechte haben mehrere Grundrechtsfunktionen.352 Der Begriff „Grundrechtsdimension“ wird meist synonym zu „Grundrechtsfunktion“ gebraucht.353 Die Unter 346

Zum materiellen Grundrechtsbegriff Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 92–98. Statt vieler Sachs, in: Stern Staatsrecht III/1 (1988), § 63, S. 359 f. 348 Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 17. Zu Justizgrundrechten im Zusammenhang mit der Sachverhaltsabgrenzung, siehe den Abschnitt B. II. 1. c) bb) (4). 349 Uhle, in: Hdb Grundrechte V (2013), Rn. 3. 350 Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 17. 351 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 209. 352 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 354. 353 Vgl. Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 209; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 82. 347

66

B. Theoretische Grundlagen

scheidung nach Grundrechtsarten orientiert sich an der dominanten Funktion eines Grundrechts.354 An Grundrechtsfunktionen können die Abwehrfunktion, die Leistungsfunktion im weiteren Sinn und die Nichtdiskriminierungsfunktion unterschieden werden. Respektive dazu gibt es die Grundrechtsarten Abwehrrechte, Leistungsrechte im weiteren Sinn und Gleichheitsrechte.355 Mit der Abwehrfunktion können hoheitliche Einwirkungen im Schutzbereich des betreffenden Grundrechts abgewehrt werden.356 In Abgrenzung zur Leistungsfunktion kann mit der Abwehrfunktion primär ein Unterlassen des Staates gefordert werden, mit der Leistungsfunktion im weiteren Sinn primär ein positives Tun.357 Diese handlungstheoretische Unterscheidung hilft aber in Zweifelsfällen nicht weiter, da sich letztlich jeder Anspruch auf staatliche Leistungen in einer abwehrrechtlichen Anspruch umformulieren lässt und umgekehrt.358 Obwohl Abwehrfunktion und Leistungsfunktion nicht immer einfach abzugrenzen sind, kann sinnvollerweise auf die Kategorisierung nicht verzichtet werden, da sonst der Abwehr- und der Eingriffsbegriff vollkommen konturlos würden.359 Es ist vielmehr nach materiellen, nicht nach formellen Kriterien festzustellen, welche Grundrechtsfunktion aktualisiert wird.360 Mit der Abwehrfunktion wird primär ein Unterlassen verlangt.361 Mit der Leistungsfunktion wird primär ein Tun verlangt.362 Tun (im Sinne von positivem Handeln) ist die kausale Änderung von Zuständen oder Prozessen in der Wirklichkeit.363 Unterlassen ist die Nichtänderung trotz Möglichkeit.364 Durch die einfachrechtliche Rechtsordnung, insbesondere durch Verbote mit Erlaubnisvorbehalten, treten jedoch perspektivische Verzerrungen auf.365 Zur Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen ist das unterverfassungsrechtliche Recht daher auszublenden.366 Im Folgenden werden die Begriffe „Handeln“ und „Handlung“ als Oberbegriffe zu „Tun“ und „Unterlassen“ verwendet. Über den genauen Inhalt des Begriffs des „Leistungsrechts“ besteht keine Einigkeit. In den 1970er Jahren verstand man unter „Leistungsrechten“ speziell solche367

354

Jarass, AöR 120 (1995), 345, 354. Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 209; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 64. 356 Stellvertretend Jarass, AöR 120 (1995), 345, 348. 357 Statt vieler Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 210. 358 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 209 f. Fn. 4. 359 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 351. 360 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 224. 361 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 215 f. 362 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 216. 363 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 212. 364 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 212. 365 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 215 f. 366 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 216. 367 Der Begriff „soziale Grundrechte“ wird auch häufig für Menschenrechte der zweiten Generation, wie das Recht auf Arbeit, verwendet. 355

I. Grundrechtssystematisierungen und Definitionen 

67

sozialen Grundrechte,368 die auf die Gewährung faktischer Freiheit abzielen.369 Ab etwa den 1990er Jahren wird der Begriff meist weiter verstanden und umfasst alle Grundrechte, die Ansprüche auf ein positives Tun des Staates gewähren.370 Hier soll der Begriff Leistungsrecht in diesem weiten Sinn verstanden werden, als Ober­ begriff zu Teilhaberechten, Schutzpflichten und gegebenenfalls Organisations- und Verfahrensrechten. Der Begriff des „Teilhaberechts“ wird häufig synonym zu dem oben beschriebenen Begriff des Leistungsrechts im weiteren Sinn verstanden.371 Gelegentlich bezeichnet er aber auch nur Grundrechte, die eine Teilhabe an der politischen Willensbildung des Staates gewährleisten.372 Wo der Begriff des Teilhaberechts nötig ist, soll er in diesem engen Sinn verstanden werden. Schutzpflichten oder Schutzrechte373 sind Rechte des Einzelnen gegen den Staat auf Schutz seiner grundrechtlich geschützten Güter und Interessen vor Gefahren durch Dritte374 oder durch Naturgewalten. Daneben wird als weitere Funktion noch vertreten die Drittwirkung beziehungsweise Ausstrahlungswirkung, die nach herrschender Meinung aber für einen Unterfall der Schutzfunktion gehalten wird.375 Umstritten ist, ob es auch eine eigene Organisations- bzw. Verfahrensfunktion gibt, oder ob dies nur ein Unterfall anderer Funktionen ist.376 Dies kann hier nicht vertieft werden. Die Einordnung der Justizgrundrechte hinsichtlich Grundrechtsart und Grundrechtsfunktion ist ebenfalls schwierig. Nach herrschender Meinung werden Justizgrundrechte als Leistungsrechte eingeordnet, da sie auf ein staatliches Tun gerichtet sind.377 Mit Blick beispielsweise auf den Grundsatz habeas corpus (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG) ist jedoch zumindest in einzelnen Fällen auch die Qualifizierung als Abwehrrecht möglich. Von der Abwehr- und Leistungsfunktion im weiteren Sinn wird gelegentlich noch die Nichtdiskriminierungsfunktion378 unterschieden, also die den Gleichheitsrechten zugeordnete Funktion379. Ihr Unterscheidungsmerkmal soll sein, dass sie einen Vergleich verschiedener Personen, Personengruppen oder Sachverhalte 368

Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43. Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 225. 370 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 350. 371 Murswiek, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 192, Rn. 6. 372 Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43, 82. 373 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 294. 374 Alexy, Theorie (1985), S. 410; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 293. 375 Statt vieler Jarass, AöR 120 (1995), 345, 352 f. 376 Vgl. Stern, in: Stern Staatsrecht III/1 (1988), § 69, S. 953 ff.; gegen Eigenständigkeit Jarass, AöR 120 (1995), 345, 353; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 209 Fn. 2. 377 Jarass, AöR 110 (1985), 363, 350. 378 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 348 f. 379 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 209. 369

68

B. Theoretische Grundlagen

voraus­setzen.380 Ein Verständnis des Art. 3 Abs. 1 GG als reines Willkürverbot bzw. ein alleiniges Abstellen auf das verbotene Differenzierungskriterium bei Art. 3 Abs. 3 GG ist abzulehnen.381 Gleichheitsrechte können auch eine abwehrrechtliche Dimension haben,382 beispielsweise bei den Teilhaberechten und der Wettbewerbsgleichheit.383 Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG wirken auch als flankierender Freiheitsschutz hinsichtlich besonders gefährdeter Eigenschaften und Verhaltensweisen.384 Darüber hinaus haben Gleichheitsrechte auch eine Leistungsfunktion.385 Konstruktiv umstritten ist dabei, ob sich der Leistungsanspruch entweder primär aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des jeweiligen Freiheitsrechts ergibt, der durch Art. 3 Abs. 1 GG subjektiviert wird,386 oder ob er direkt aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt.387 Auch Schutzpflichten er­geben sich beispielsweise aus Art. 3 Abs. 2 GG.388 Auf der anderen Seite kann auch bei Abwehr- bzw. Freiheitsrechten in unter­ geordneter Weise eine Nichtdiskriminierungsfunktion verortet werden.389 Was unter den Begriff des „Freiheitsrechts“ fällt, unterscheidet sich von Autor zu Autor. Einige verstehen „Freiheitsrecht“ als Synonym zu Abwehrrecht.390 Andere wollen „Freiheitsrecht“ als Oberbegriff zu Abwehrrechten und Leistungsrechten verstehen, und damit als Komplementärbegriff zu „Gleichheitsrechten“.391 Auch bei Gleichheitsrechten können aber Abwehr- und Leistungsfunktionen entdeckt werden.392 „Freiheitsrecht“ soll hier als Komplementärbegriff zu Gleichheitsrecht verstanden werden und damit sowohl Abwehr- als auch Leistungsrechte umfassen. Für diese Arbeit ist die Unterscheidung in Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte am wichtigsten, da die Gleichheitsrechte hinsichtlich ihrer Abwägungsprüfung im Gegensatz zu den Freiheitsrechten einige strukturelle Besonderheiten aufweisen. Sofern nötig, wird auch zwischen der Abwehr- und der Leistungsfunktion differenziert werden.

380

Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 228. Siehe Abschnitt D. 382 Osterloh / Nußberger, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Art. 3, Rn. 38. 383 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 766. 384 Osterloh / Nußberger, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Art. 3, Rn. 236. 385 Rohloff, Zusammenwirken (1992), S. 225; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 778; a. A. Friesenhahn, DJT 50 (1974), 2, S. 21. 386 Sachs, Grenzen (1987), S. 29; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 3 Abs. 1, Rn. 32. 387 Boysen, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 48. 388 BVerfGE 89, 276, 286 – § 611a BGB; Osterloh / Nußberger, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Art. 3, Rn. 261. 389 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 366; P. Kirchhof, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 181, Rn. 63; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 763. 390 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 354. 391 Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 15; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 64. 392 Statt vieler Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 18, 67. 381

II. Grundrechtskonkurrenzen 

69

II. Grundrechtskonkurrenzen Obwohl die Frage nach der Verstärkung tatsächlich eine Frage nach dem Wesen und der Natur der Grundrechte ist,393 so ist sie doch eng mit den Grundrechtskonkurrenzen verknüpft, stellen doch die Konkurrenzen eine Vorfrage der Verstärkung dar. Voraussetzung einer möglichen Verstärkung ist nämlich eine Konkurrenzlage mindestens zweier Grundrechte. Begrifflich zu unterscheiden ist die Grundrechtskonkurrenz von der Grundrechtskollision.394 Eine Grundrechtskollision liegt vor, wenn sich verschiedene Grundrechtsträger für ihre widerstreitenden Interessen auf Grundrechte berufen, so dass diese Grundrechte sich widersprechen.395 Grundrechtskonkurrenz hingegen liegt vor, wenn mehrere Grundrechte eines Grundrechtsträgers gleichzeitig durch eine staatliche Handlung „beeinträchtigt“396 werden.397 Grundrechtskollision und Grundrechtskonkurrenz können unter dem Oberbegriff „Grundrechtskonflikte“ zusammengefasst werden.398 Der Oberbegriff „Grundrechtskonkurrenzen im weiteren Sinn“ ist wegen Verwechselungsgefahr zu vermeiden.

393

Siehe Abschnitt C. II. Die gelegentlich anzutreffende Begriffsverwirrung scheint zurückzugehen auf F. Klein, in: v. Mangoldt / Klein, 2. Aufl. (1957), Vorbemerkungen, B XV 2b, S. 125 f., der als einer der ersten zur Problematik der Grundrechtskonkurrenz Stellung nahm, dafür aber den sprachlich weniger treffenden Begriff „Grundrechtskollision“ verwandte; vgl. auch Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1369. 395 Lepa, DVBl. 1972, 161, 161: „gegeneinander“; Rüfner, in: FS 25 Jahre BVerfG Bd. II (1976), S. 453, 453; Schwabe, Probleme (1977), S. 90; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 54–55; Bleckmann / Wiethoff, DÖV 1991, 722, 722; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 346; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 18; Antoni, in: Nomos Kommentar, 11. Aufl. (2016), Einführung, Rn. 18; Coelln, in: Studienkommentar GG, 2. Aufl. (2015), Vorbem., Rn. 86; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 82, S. 657 unterscheidet davon die unechte Grundrechtskollision, bei der Grundrechte mit anderen Verfassungsrechtsgütern kollidieren; anders Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 1: die Kollision von Grundrechten mit anderen Verfassungsgütern sei nicht umfasst; zutreffend weist Bethge, in: Hdb Grundrechte III (2009), Rn. 28 auf die semantische Ambivalenz des Begriffes „Konkurrenz“ hin; die Bedeutung des Begriffs „Grundrechtskonkurrenz“ ist mittlerweile allerdings gefestigt. 396 Zum Streit um den Eingriffsbegriff, siehe Abschnitt B. II. 1. a) bb) (2). 397 Lepa, DVBl. 1972, 161, 161: „nebeneinander“; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 51; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 346; Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 11; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 16 f.; weitere, synonym für „Grundrechtskonkurrenz“ gebrauchte Begriffe sind „Schutzbereichskonkurrenz“ bei Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 115; gelegentlich wird auch von „Kumulation von Grundrechten“ gesprochen, Klement, AöR 134 (2009), 35, 51; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1368 f.; auch von „kumulativer Betroffenheit“ wird gesprochen Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 88. Letzteres sollte vermieden werden, da der ähnliche Begriff „Grundrechtskumulation“ für ein verstärkendes Zusammenwirken gebraucht wird, siehe Abschnitt A. I.1. 398 Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 7–8; dagegen Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1368. 394

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B. Theoretische Grundlagen

Bei Grundrechtskonzertierungen schließlich geht es um die gleichgerichtete, kollektive Ausübung von Grundrechten.399 Hierbei kann unterschieden werden zwischen der Ausübung des gleichen Grundrechts (beispielsweise Art. 4 GG bei Gottesdiensten) und der verschiedener Grundrechte (zum Beispiel Lehrfreiheit durch den Dozenten und Lernfreiheit durch die Studierenden).400 Gelegentlich wird in Anlehnung an das Strafrecht zwischen echter und unechter Konkurrenz unterschieden.401 Im Strafrecht versteht man unter „echter Konkurrenz“ Fälle der Ideal- und Realkonkurrenz (Tateinheit402 respektive Tatmehrheit403), während unter „unechter Konkurrenz“ Verdrängung verstanden wird (auch genannt „Gesetzeseinheit“ oder „Gesetzeskonkurrenz“, mit den Unterfällen Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion).404 Bei Grundrechten wird dementsprechend unter „echter Konkurrenz“ die Idealkonkurrenz verstanden.405 Idealkonkurrenz bedeutet, dass die Grundrechte nebeneinander anwendbar sind.406 Ob sie sich gegenseitig in irgendeiner Weise beeinflussen, ist damit noch nicht gesagt.407 Ein Pendant zur Realkonkurrenz gibt es bei Grundrechten nicht.408 Diese Kategorie ist im Strafrecht für die Gesamtstrafenbildung relevant,409 für die es in der Grundrechtsdogmatik keine Entsprechung gibt. Die Begriffe „Gesetzeskonkurrenz“ oder „unechte Konkurrenz“ werden auch in der Grundrechtsdogmatik verwendet und bezeichnen die Situation, dass von zwei einschlägigen Grundrechten eines das andere verdrängt.410 Eine Verstärkungswirkung unter Grundrechten ist eine der möglichen Folgen einer Konkurrenzlage. Zunächst müssen aber die Voraussetzungen einer Konkurrenzlage gegeben sein, also die gleichzeitige Anwendbarkeit mindestens zweier Grundrechte. Es ist umstritten, welche Anforderungen an die Tatbestandserfüllung eines Grundrechts zu stellen sind, damit es für die Grundrechtskonkurrenz relevant wird – ob der Schutzbereich eröffnet oder nur beeinträchtigt sein muss 399

Kloepfer, Grundrechte (2010), S. § 52 Rn. 7. Kloepfer, Grundrechte (2010), S. § 52 Rn. 7. 401 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 525. 402 K. Weber / Creifelds / Cassardt, in: Rechtswörterbuch (2014), S. 751. 403 K. Weber / Creifelds / Cassardt, in: Rechtswörterbuch (2014), S. 751. 404 Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 2; K. Weber / Creifelds / Cassardt, in: Rechtswörterbuch (2014), S. 751. 405 Coelln, in: Studienkommentar GG, 2. Aufl. (2015), Vorbem., Rn. 88. 406 Stellvertretend Klement, AöR 134 (2009), 35, 52; Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 115; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Vorbemerkung vor Art. 1, Rn. 50; Coelln, in: Studienkommentar GG, 2. Aufl. (2015), Vorbem., Rn. 88 407 A. A. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 351, der unter Idealkonkurrenz nur die Fälle versteht, bei denen sich die Grundrechtsnormen nicht gegenseitig beeinflussen. 408 Herzog, in: Maunz / Dürig GG, 67. EL. (2013), Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 31a; a. A. Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 201, Rn. 108. 409 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1373; Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 23. 410 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1373; Klement, AöR 134 (2009), 35, 52; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 12. Aufl. (2012), Vorb. vor Art. 1, Rn. 18, nicht mehr in akt. Aufl.; Coelln, in: Studienkommentar GG, 2. Aufl. (2015), Vorbem., Rn. 88. 400

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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(Abschnitt 1. a) aa)), wann ein konkurrenzrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist und ob überhaupt einer vorliegen muss, oder beispielsweise eine „Beeinträchtigung“ ausreicht (Abschnitt 1. a) bb)). Auch ist umstritten, wann zwei Grundrechte gleichzeitig einschlägig sind  – dies betrifft die richtige Wahl des Rechtsfallausschnitts (siehe Abschnitt  1. c)). Erst wenn nach Überprüfung dieser Punkte eine Konkurrenzlage feststeht, stellt sich die Frage, ob es aus irgendwelchen Gründen eine Verdrängung eines oder mehrerer Grundrechte durch ein anderes gibt (Abschnitt 2. c)). Wenn danach noch mehrere anwendbare Grundrechte vorliegen, ist eine Situation der Idealkonkurrenz gegeben. Erst hier wird dann die Frage relevant, ob die Grundrechte nun einfach „nebeneinander“ gelten, oder ob sie im Zusammenwirken eine Verstärkung erfahren. 1. Vorliegen einer Konkurrenzlage a) Grad der Tatbestandserfüllung der Grundrechte Umstritten ist, welchen Grad der Tatbestandserfüllung die beteiligten Grundrechte aufweisen müssen, damit es zu einer Konkurrenzlage kommt. Sowohl hinsichtlich der Eröffnung des Schutzbereichs als auch bezüglich des Eingriffs in diesen gibt es jeweils Stimmen, die einem Grundrecht auch dann Bedeutung zusprechen, wenn es einen der Punkte nicht (vollständig) erfüllt. Richtigerweise ist ein Grundrecht jedoch nur dann konkurrenzrechtlich relevant, wenn sowohl sein Schutzbereich eröffnet ist (aa)), als auch ein Eingriff vorliegt (bb)). Traditionell wird der Tatbestand eines Grundrechts unterteilt in „Eröffnung des Schutzbereichs“411 und „Eingriff“.412 Während mit der „Eröffnung des Schutzbereichs“ der Anwendungsbereich eines Grundrechts abgefragt wird, dient die Figur des Eingriffs der wertenden Zuordnung eines benachteiligenden Verhaltens zum Staat.413 aa) Eröffnung des Schutzbereichs (1) Notwendigkeit einer Schutzbereichseröffnung Angeregt durch das Urteil Schächten414 des Bundesverfassungsgerichts ent­ wickelte sich eine Debatte darüber, ob überhaupt die Eröffnung des Schutzbereichs 411 Hoffmann-Riem (2010), S. 407, 412 schlägt vor, den Begriff „Schutzbereich“ durch „Gewährleistungsgehalt“ zu ersetzen; nach Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 226 werden die Begriffe „Gewährleistungsbereich“ und „Schutzbereich“ vom Bundesverfassungsgericht bedeutungsgleich verwendet. 412 Statt vieler Jarass, AöR 120 (1995), 345, 367. 413 Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 221. 414 BVerfGE 104, 337 – Schächten. Siehe dazu Abschnitt A. II. 1.

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B. Theoretische Grundlagen

nötig ist, damit ein Grundrecht konkurrenzrechtlich bzw. für die Falllösung relevant ist. Obgleich das Urteil nicht eindeutig formuliert ist, wurde es überwiegend in dem Sinne gedeutet, dass die Religionsfreiheit verstärkend herangezogen werde, obwohl zuvor die Eröffnung ihres Schutzbereichs abgelehnt worden sei.415 Die relevante Passage lautet: „Das Schächten ist allerdings für den Beschwerdeführer nicht nur Mittel zur Gewinnung und Zubereitung von Fleisch für seine muslimischen Kunden und für sich selbst. Es ist vielmehr nach seinem in den angegriffenen Entscheidungen nicht in Zweifel gezogenen Vortrag auch Ausdruck einer religiösen Grundhaltung, die für den Beschwerdeführer als gläubigen sunnitischen Muslim die Verpflichtung einschließt, die Schächtung nach den von ihm als bindend empfundenen Regeln seiner Religion vorzunehmen […]. Dem ist, auch wenn das Schächten selbst nicht als Akt der Religionsausübung verstanden wird, dadurch Rechnung zu tragen, dass der Schutz der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG durch den speziellen Freiheitsgehalt des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verstärkt wird.“416

Die Formulierung „Schächten selbst nicht als Akt der Religionsausübung“ deutet darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Eröffnung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit ablehnt. Ganz eindeutig ist die Stelle aber nicht. Als deutliches Indiz dafür, dass keine Eröffnung des Schutzbereichs angenommen wurde, kann aber dienen, dass die Religionsfreiheit nur im Rahmen der Prüfung der Berufsfreiheit417 berücksichtigt wurde, statt sie gleichberechtigt neben ihr zu prüfen und dann gegebenenfalls Ausführungen zur Konkurrenz zu tätigen. Wenn und soweit das Urteil im Sinne einer Heranziehung der Religionsfreiheit ohne Eröffnung von deren Schutzbereich gedeutet werden kann, wurde dies mit guten Gründen abgelehnt.418 Ein Grundrecht, dessen sachlicher Schutzbereich nicht eröffnet ist, ist für die Falllösung irrelevant.419 Es hat weder für die Konkurrenzen Bedeutung, noch beeinflusst es in irgendeiner Art und Weise die (Gesamt-)Abwägung. Dies gilt auch für den persönlichen Schutzbereich.420

415

So gedeutet von Sydow, Jura 2002, 615, 619; Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 150; Spielmann, JuS 2004, 371, 372; Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 115; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 157 deutet das Urteil, als sei die Frage offen gelassen worden; Pabel, EuGRZ 2002, 220, 231 deutet die Schutzbereichseröffnung ebenfalls als offen gelassen. 416 BVerfGE 104, 337, 346 – Schächten. 417 Im konkreten Fall wurde die Berufsfreiheit wegen der Eigenschaft des Beschwerdeführers als Nicht-Deutscher über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. 418 Spranger, NJW 2002, 2074, 2076; Sydow, Jura 2002, 615, 619; Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 150; Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 115; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 157. 419 Höfling, in: FS Rüfner (2003), S. 329, 331; Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 150; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 444; vgl. auch Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 122, 184; vgl. auch Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 115. 420 A. A. Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 180, die jedenfalls speziell eine Verstärkung auch bei nicht eröffnetem persönlichem Schutzbereich für möglich hält.

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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(2) Voraussetzungen einer Schutzbereichseröffnung Der Schutzbereichs ist eröffnet, wenn ein Grundrecht der Sache nach einschlägig ist und es auch in persönlicher Hinsicht auf den konkreten Grundrechtsträger anwendbar ist.421 Ein Schutzbereich kann nur entweder eröffnet oder nicht eröffnet sein.422 (3) Konkurrenzproblem als Schutzbereichsproblem? Die Ansicht, zum Prüfungspunkt „Eröffnung des Schutzbereichs“ gehöre schon die Berücksichtigung von Grundrechtskonkurrenzen,423 insbesondere die Frage einer möglichen Verdrängung, ist abzulehnen. Dafür spräche zwar, dass ein Grundrecht dann letztlich nicht anwendbar ist, wenn es aus konkurrenzrechtlichen Gründen wieder verdrängt wird. Die besseren Gründe sprechen aber dafür, die Konkurrenzfrage losgelöst von der Eröffnung des Schutzbereichs zu betrachten. Sie bei der Prüfung des Schutzbereichs zu berücksichtigen wäre prüfungstechnisch unglücklich, da ein Eingriff vorliegen muss424, damit ein Grundrecht konkurrenzrechtlich relevant wird,425 der Eingriff aber noch nicht geprüft wurde. Die Meinung, ein Grundrecht könne allein durch seine thematische Einschlägigkeit, also ohne dass ein Eingriff vorliegt, eine konkurrenzrechtliche Verdrängung entfalten („Sperrwirkung nicht einschlägiger Grundrechte bezüglich allgemeinerer“),426 ist abzulehnen.427 Es wird vereinzelt behauptet, in manchen Grundrechten werde ein Themengebiet, eine Lebenssituation, derart abschließend geregelt, dass bei Nichteröffnung des Schutzbereichs endgültig feststehe, dass überhaupt keine Grundrechtsverletzung vorliege. Dies wird vor allem für die Konstellation „Deutschengrundrechte und Ausländer“ diskutiert.428 Aber auch unfriedliche Versammlungen werden häufig als Beispiel genannt.429 Einen entsprechenden Streit gibt es dann einen Prüfungsschritt weiter, ob es eine Verdrängungswirkung gibt, wenn der Schutzbereich eines Grundrechts einschlägig ist, aber kein Eingriff vorliegt, bei-

421

Allgemeine Ansicht, stellvertretend Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 36. Sydow, Jura 2002, 615, 619. 423 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 359. 424 Siehe Abschnitt B. II. 1. a) bb) (3). 425 Vorbehaltlich des nachfolgend dargestellten Streits. 426 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 359; Schwarz, JZ 2000, 126, 130; nur für Deutschengrundrechte bejahend Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1401 f. 427 Bleckmann / Wiethoff, DÖV 1991, 722, 724; Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 13; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 218; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 349; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 16; Epping, Grundrechte, 6. Aufl. (2015), Rn. 586. 428 Siehe eingehend zu diesem Problem Abschnitt C. III. 1. b). 429 Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 11. 422

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B. Theoretische Grundlagen

spielsweise keine berufsregelnde Tendenz bei Art. 12 Abs. 1 GG.430 Für einen so weitgehenden Willen des Verfassungsgebers gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.431 Zudem spricht das Konzept des lückenlosen Grundrechtsschutzes im Grundgesetz dagegen.432 Ein weiteres Argument besteht darin, dass es viel klarer ist, zunächst einmal die tatbestandliche Einschlägigkeit der Grundrechte festzustellen und in einem weiteren Schritt zu untersuchen, welche Folgen dies nach sich zieht. Es ist eine Frage der Definition ist, ob man unter Eröffnung des Schutzbereichs auch die Verdrängung wegen Konkurrenz behandelt. Letztlich wird eine Verdrängung ohnehin nur in wenigen Fällen relevant sein, da die Fälle logischer Verdrängung selten sind und eine Verdrängung aus materiellen Gründen abzulehnen ist.433 Die Eröffnung des Schutzbereichs wird häufig pauschal mit der Anwendbarkeit eines Grundrechts gleichgesetzt.434 Diese Aussage ist zu präzisieren in eine prima facie Anwendbarkeit, das heißt eine vorläufige Anwendbarkeit, ohne eine mögliche konkurrenzrechtliche Verdrängung bereits zu berücksichtigen. bb) Eingriff Ebenfalls umstritten ist, ob und in welcher Form ein „Eingriff“ o. ä. vorliegen muss, damit es zu einer Konkurrenzlage kommt. (1) Notwendigkeit eines Eingriffs Manche verzichten für eine Konkurrenzlage auf einen Eingriff jeglicher Art, und erklären es für ausreichend, wenn der Schutzbereich eröffnet ist.435 Das Bundesverfassungsgericht hatte in dem Beschluss „Anwaltsdaten“ über die Sicherstellung und Beschlagnahme von Daten auf dem Kanzleicomputer eines Rechtsanwalts zu entscheiden.436 Zwar wurde ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG verneint, allerdings darauf hingewiesen, dass die mittelbare Beeinträchtigung der Be-

430 Für Verdrängung Butzer / Epping, Arbeitstechnik, 3. Aufl. (2006), S. 20; a. A. noch Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 12. Aufl. (2012), Vorb. vor Art. 1, Rn. 18; a. A. H. Lang, in: BeckOK GG (2016), Art. 2, Rn. 30. 431 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 218; Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 13; vgl. Bleckmann / Wiethoff, DÖV 1991, 722, 724. 432 Epping, Grundrechte, 6. Aufl. (2015), Rn. 586. Zum System des lückenlosen Grundrechtsschutzes siehe C. II. 1. 433 Siehe Abschnitt B. II. 2. c). 434 Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 2. 435 Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 115: denkbare Erfüllung des Schutz­ bereichs reiche; Epping, Grundrechte, 6. Aufl. (2015), Rn. 264 für Art. 12 Abs.1 GG; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 256. 436 BVerfGE 113, 29, 48 f. – Anwaltsdaten.

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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rufsfreiheit zu berücksichtigen sei.437 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschwerde­ führers sei dann der „objektiv-rechtliche Gehalt der ‚freien Advokatur‘“ zu beachten.438 (2) Eingriffsbegriffe Bei den Anforderungen an den Eingriff wird Verschiedenes vorgeschlagen. Neben der Debatte über den richtigen Eingriffsbegriff an sich gibt es auch speziell für die Grundrechtskonkurrenz vorgeschlagene Lösungen. Nach dem klassischen Eingriffsbegriff ist ein Eingriff gekennzeichnet durch Finalität, Unmittelbarkeit, Rechtsförmigkeit und Imperativität (Befehl und Zwang).439 Diese Definition wird überwiegend als zu eng angesehen, um alle grundrechtsrelevanten Handlungsformen des Staates zu erfassen, insbesondere faktisches Handeln des Staates440 sowie faktisch-mittelbare Grundrechtsauswirkungen. Es konnte aber bis heute keine Einigkeit erzielt werden, auf welche Art die Definition zu erweitern sei. Die verschiedenen Ansätze lassen sich in zwei grobe Gruppen zusammenfassen: Zum einen gibt es den Ansatz, an den Kategorien des klassischen Eingriffsbegriffs festzuhalten aber nicht die Einschlägigkeit aller Merkmale zu verlangen, beispielsweise, indem ein Eingriff angenommen wird, wenn mindestens eines der Kriterien des klassischen Eingriffsbegriffs erfüllt ist.441 Der andere Ansatz löst sich vollkommen von den Merkmalen des klassischen Eingriffsbegriffs und nimmt die Wirkung auf den Grundrechtsträger in den Blick: Nach dem „modernen Eingriffsbegriff“ ist ein Eingriff jedes staatliche Verhalten, dass ein in den Schutzbereich eines Grundrechts fallendes Verhalten des Einzelnen ganz oder teilweise unmöglich macht oder erheblich erschwert.442 Erwähnenswert sind noch ältere Ansätze, die den Eingriffsbegriff abhängig vom jeweiligen Grundrecht bestimmen, zum Beispiel über das zusätzliche Merkmal „berufsregelnde Tendenz“ bei Art. 12 Abs. 1 GG.443 Gegen ein zu großzügiges Eingriffsdenken wird argumentiert, es überfordere den

437

BVerfGE 113, 29, 48 f. – Anwaltsdaten. BVerfGE 113, 29, 54 f. – Anwaltsdaten. 439 BVerfGE 105, 279, 300 – Osho; statt vieler Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 89. 440 Gallwas, Beeinträchtigungen (1970), S. 100; Ramsauer, Beeinträchtigungen (1980), S. 24; Roth, Eingriffe (1994), S. 31. 441 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 496. 442 Stellvertretend Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 89. 443 Seit langem st. Rspr., vgl. BVerfGE 128, 1, 82 – Gentechnikgesetz; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 12, Rn. 15 m. w. N. Mittlerweile reichen aber auch mittelbare oder tatsächliche Auswirkungen auf die Berufsfreiheit aus, wenn sie nach Zielsetzung und Wirkung einem Eingriff gleichkommen, BVerfGE 116, 202, 222 – Tariftreueerklärung; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 12, Rn. 17. 438

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B. Theoretische Grundlagen

Gesetzgeber, da jeder Grundrechtseingriff wegen des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Grundlage bedürfe.444 Die Begrifflichkeiten in diesem Bereich sind nicht gefestigt. Manche wollen den Begriff des „Eingriffs“ für die Abwehrfunktion eines Grundrechts reservieren und den Begriff der „Beeinträchtigung“ für sonstige Grundrechtsfunktionen verwenden.445 Das Bundesverfassungsgericht benutzt den Begriff der „Beeinträchtigung“ in der Entscheidung Osho für unterhalb der Schwelle der oben diskutierten Eingriffsbegriffe einzuordnendes staatliches Verhalten.446 Zum Teil wird der Begriff der „Einwirkungen“ als noch offener im Vergleich zu „Beeinträchtigung“ angesehen,447 oder der Begriff der „Grundrechtsstörung“ als Begriff für rein faktische Grundrechtseingriffe verwendet.448 Seit das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen Osho449 und Glykol 450 staatlichen Warnungen bzw. staatlichem Informationshandeln zwar die Eingriffsqualität, aber nicht die Grundrechtsrelevanz abgesprochen hatte, wird diskutiert, ob es unterhalb der Schwelle des modernen Eingriffsbegriffs (wie auch immer man diesen bestimmt) noch eine weitere, grundrechtlich relevante Art staatlichen Verhaltens gibt.451 Speziell zum Thema Verstärkung schlägt Christoph Spielmann einen weiteren Eingriffsbegriff unterhalb des Zurechnungsniveaus des modernen Eingriffsbegriffs vor: Eine hinreichend zurechenbare Beeinträchtigung reiche aus.452 In diesem Fall würde das Grundrecht nicht mit seinem subjektiven Abwehrgehalt, sondern nur mit seinem objektiven Grundrechtsgehalt als weiterer Abwägungsfaktor verstärkend zu einem anderen Grundrecht hinzutreten, in das regulär eingegriffen wurde.453 Diese Konstruktion sei notwendig, um den Grundrechtsschutz zu effektuieren und stelle eine konsequente Fortentwicklung des modernen Eingriffsdenkens dar.454 Der Vorteil der Lösung sei, dass eine starre Alles-oder-nichts-Lösung vermieden werde.455

444 Sodan, DÖV 1987, 858, 863; Calliess, JZ 2006, 321, 325; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186; Hoffmann-Riem (2010), S. 407, 427; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 256 f. 445 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 367. Im Folgenden wird der Begriff „Beeinträchtigung“ verwendet für Situationen der tatbestandlichen Einschlägigkeit eines Grundrechts, bei der unklar ist, ob ein Eingriff im eigentlichen Sinne vorliegt. Vgl. für Gleichheitsrechte Fn. 1326. 446 BVerfGE 105, 279, 300 – Osho. 447 Jarass, AöR 120 (1995), 345, 362. 448 Hufen, Staatsrecht II, 5. Aufl. (2016), § 8 Rn. 10. 449 BVerfGE 105, 279 – Osho. 450 BVerfGE 105, 252 – Glykol. 451 Z. B. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186; allgemein Murswiek, NVwZ 2003, 1; Holoubek, in: Grundfragen (2007), S. 17; Zott, Informationen (2016), S. 149. 452 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186. 453 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 188; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 257 f., der dies „Ausstrahlungswirkung der grundrechtlichen Wertgehalte“ nennt. 454 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186. 455 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 189.

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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Auch wird mit einer Parallele zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht argumentiert.456 (3) Stellungnahme Die Ansicht, die für das Vorliegen einer Konkurrenzlage gar keinen irgendwie gearteten Grundrechtseingriff verlangt, ist abzulehnen. Ein Grundrecht entfaltet nur dann Rechtswirkungen, wenn ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt,457 da nur dann eine Zurechnung zum Staat vorliegt. Dies gilt sowohl für das Vorliegen einer Konkurrenzlage als auch für eine Verstärkungswirkung. Der Sinn des Prüfungspunkts „Eingriff“ besteht in einer wertenden Zuordnung eines benachteiligenden Verhaltens zum Staat.458 Eine Grundrechtsschmälerung durch sonstige Personen ist unerheblich, sofern sie nicht dem Staat zurechenbar ist. Um diese Funktion der wertenden Zuordnung übernehmen zu können, muss der Eingriffsbegriff auch ein Element der Wertung enthalten. Reine Kausalität genügt nicht, da vollkommen unvorhersehbare Kausalverläufe ausgeschieden werden müssen. Auch das eigenverantwortliche Dazwischentreten Dritter lässt die Zuordnung in der Regel entfallen (und eine Schutzpflicht relevant werden). Hier sind Anleihen zur Figur des Zweckveranlassers im Polizeirecht denkbar, wo die Finalität und / oder die Verwirklichung einer zwangsläufigen Folge gefordert werden.459 An den weiten Eingriffsbegriffen wird kritisiert, ein zu großzügiges Eingriffsdenken überfordere letztlich den Gesetzgeber wegen des Gesetzesvorbehalts.460 Spielmann ist sogar der Ansicht, der Gesetzesvorbehalt gelte nicht für das verstärkende Grundrecht im Grundrechtsverbund.461 Dies ist abzulehnen, da nicht sinnvoll zwischen verstärkten und verstärkenden Grundrechten unterschieden werden kann.462 Vielmehr kann erwogen werden, bei Eingriffen geringerer Intensität die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts zu relativieren.463 Ein Bagatellvorbehalt464 erscheint demgegenüber nicht sinnvoll: Zwar mag es lästig für einen Staat werden, wenn Bürger jede kleinste Beeinträchtigung ihrer Grundrechte rügen können. Bagatelleingriffe werden in der Regel aber leicht zu rechtfertigen sein, da bereits Rechtfertigungsgründe von geringem Gewicht ausreichen.465 456

Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 257 f. Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 444; vgl. auch Pabel, EuGRZ 2002, 220, 231. 458 Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 221; vgl. Jarass, AöR 120 (1995), 345, 362. Daher ist es auch unerheblich, ob die Eingriffe von verschiedenen Hoheitsträgern ausgehen (vgl. auch Schaks, DÖV 2015, 817, 821). 459 VGH Baden-Württemberg, DÖV 1996, 83  – 1  S 442/95; VGH Baden-Württemberg, VBlBW 2003, 68; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl. (2005), Rn. 448. 460 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186. 461 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 186 f. 462 Siehe Teil C. 463 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 447. 464 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 447. 465 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 447. 457

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B. Theoretische Grundlagen

In dieser Untersuchung kann nicht unternommen werden, den Eingriffsbegriff in seinen problematischen Randbereichen in allen Einzelheiten definitiv festzulegen. Bei den Grundrechtskonkurrenzen geht es um mehrere subjektive Rechte gegenüber dem Staat, die erst bei einem Eingriff aktiviert werden.466 Abgesehen von der Frage der „Sperrwirkung nicht einschlägiger Grundrechte bezüglich allgemeinerer“467 sind Grundrechte konkurrenzrechtlich nicht relevant, wenn kein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt. Im Urteil Anwaltsdaten hatte das Bundesverfassungsgericht wohl eine Verstärkungswirkung wegen der Heterogenität der einschlägigen Menschenwürdeaspekte wahrgenommen, sich aber nicht anders zu helfen gewusst, als eines der konkurrierenden Grundrechte für nicht anwendbar zu erklären und seine Wertungen dann inzident bei der Prüfung des verbliebenen Grundrechts zu berücksichtigen.468 Dies war im Ergebnis richtig. Zur Begründung hätte das Gericht aber besser einen Eingriff in beide Grundrechte annehmen und beide nebeneinander anwenden sollen, um dann in der Gesamtabwägung die Gesamtbelastung des Anwalts in seinen Grundrechten höher anzusetzen gegenüber dem Gewicht der die Maßnahme rechtfertigenden Gründen.469 Es ist nicht nötig, für die Problematik der Verstärkung einen weiteren Eingriffsbegriff zu schaffen. Spielmanns unterhalb der Schwelle des modernen Eingriffsbegriffs angesiedelter Eingriffsbegriff speziell für Verstärkungen ist daher abzulehnen. Der moderne Eingriffsbegriff ist ausreichend, um alle konkurrenzrechtlich relevanten Fallgestaltungen zu erfassen. b) Konkurrenzfähigkeit aller Grundrechtsarten Eine weitere Frage besteht darin, ob es aus logischen Gründen zwischen bestimmten Arten von Grundrechten keine Konkurrenzlage geben kann. So heißt es, Abwehr- und Leistungsgrundrechte könnten nicht zueinander in Konkurrenz treten, weil die Widerspruchsfähigkeit der Rechtsfolgen nötig sei.470 Diese Ansicht ist zurückzuweisen.471 Ein Widerspruch der Rechtsfolgen ist nicht erforderlich für 466

Zu Auswirkungen objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte, siehe den Abschnitt E. Siehe Abschnitt B. II. 1. a) aa) (3). 468 BVerfGE 113, 29, 48 f. – Anwaltsdaten. 469 Zur dogmatischen Konstruktion der Verstärkungswirkung siehe Teil C. Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Menschenwürdeaspekt „Persönlichkeitsentfaltung“ in seiner speziellen Ausprägung „Privatsphäre“ schützt, und die Berufsfreiheit den Aspekt „Besitz“, gibt es auch keine materiellen Überschneidungen, die einem Verstärkungseffekt entgegenstünden. Die vorgenommene Zuordnung der Menschenwürdeaspekte ist die naheliegendste. Würde man alternativ den Aspekt „Persönlichkeitsentfaltung“ ebenfalls bei der Berufsfreiheit für aktiv erachten, müsste man diese Überschneidung über den Unterschiedlichkeitsfaktor in der Gesamtabwägung berücksichtigen. 470 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56. 471 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 351. 467

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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eine Konkurrenzlage, da wegen der Möglichkeit einer Verstärkung auch identische Rechtsfolgen besondere Aussmerksamkeit erfordern können.472 Konkurrenzlagen zeichnen sich nicht dadurch aus, dass ein Widerspruch der Rechtsfolgen besteht, sondern bereits dadurch, dass zwei Normen auf einen Sachverhalt anwendbar sind. Es wird gesagt, da ein Abwehrrecht regelmäßig nur bei einem positiven Tun akti­ viert werde, und eine Schutzpflicht bei einem Unterlassen, handele es sich nicht um den gleichen Prüfungsgegenstand,473 so dass keine Konkurrenzlage entstehe. Allerdings ist bei mehreren Grundrechten absolut identisches Tun selten. Zudem wird der relevante Sachverhaltsausschnitt auch nach materiellen Kriterien bestimmt.474 Es ist daher auch zwischen Abwehr- und Leistungsrechten475 eine Konkurrenzlage möglich. Bei den Justizgrundrechten hält Kloepfer Überschneidungen mit anderen Grundrechten für kaum vorstellbar, weil die Schutzintentionen und Schutzgüter so speziell seien.476 Auch hierdurch ist aber logisch nicht ausgeschlossen, dass es einmal zu einem Fall der Konkurrenz kommen könnte. Freiheits- und Gleichheitsrechte sind nach einhelliger Meinung nebeneinander in Idealkonkurrenz477anzuwenden, zwischen ihnen kann also eine Konkurrenzlage bestehen. Im Ergebnis kann zwischen allen Grundrechtsarten und -funktionen eine Konkurrenzlage bestehen. c) Sachverhaltsabgrenzung Wann sind zwei Grundrechte wirklich gleichzeitig einschlägig? Das ist einfach in dem Fall, in dem beispielsweise eine religiöse Versammlung verboten wird: Es liegt eine staatliche Handlung vor und eine Handlung des / der Grundrechtsberechtigten, durch die zwei verschiedene Grundrechte gleichzeitig ausgeübt werden. Schwieriger wird es schon, wenn einem Journalisten die Veröffentlichung eines Beitrags aus Staatsschutzgründen verboten wird und er nach Zuwiderhandlung wegen Landesverrats zu einer Haftstrafe verurteilt wird. Und ob noch Gleichzeitigkeit vorliegt, wenn einer Rechtsanwältin mit der selben Post sowohl ein Bescheid über den Widerruf ihrer Anwaltszulassung als auch eine Bescheid über die Nachzahlung von Einkommenssteuern zugestellt wird, ist sehr fraglich.

472

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 39. Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 314 f. (zu einem Kollisionsfall). 474 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (c). 475 Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 370. 476 Kloepfer, Grundrechte (2010), § 52 Rn. 6. 477 Die überwältigend h. M. geht von Idealkonkurrenz aus, stellvertretend für sie Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 140. 473

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B. Theoretische Grundlagen

Den Vorgang, bei dem die relevanten Ereignisse des Lebenssachverhalts zusammengefasst werden und von unabhängig davon zu beurteilenden Teilen abgegrenzt werden, wird „Sachverhaltsabgrenzung“, „Sachverhaltszerlegung“478, „Sach­verhaltszergliederung“479 oder „Tatbestandsabgrenzung“480 genannt. Der juristisch relevante Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit wird als „Rechtsfallausschnitt“ bezeichnet.481 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Hauptanwendungsfall: der Konkurrenzlage zwischen zwei Abwehrrechten. Zu Konkurrenzlagen unter Beteiligung von Leistungs- oder Gleichheitsrechten, siehe Abschnitte cc) und dd). aa) Kriterien der Sachverhaltsabgrenzung Der grundrechtsrelevante Lebenssachverhalt muss in zeitlicher und sachlicher Hinsicht zerlegt werden.482 Koinzidenz, das Kriterium des engen zeitlichen Zusammenhangs, ist aber nicht alleine ausschlaggebend. Sonst könnte nicht berücksichtigt werden, dass eine Belastung durch einen zeitlich deutlich früher gelagerten Hoheitsakt noch andauern kann. Auch können Ereignisse rein zufällig zusammentreffen, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben und daher auch nicht zusammen zu beurteilen sind, wie im vorgenannten Beispiel der Rechtsanwältin. Bei der Sachverhaltszerlegung ist entscheidend, dass eine rechtliche, nicht dass eine natürliche Handlungseinheit vorliegt.483 Daher muss der Zerlegungsvorgang normativ gesteuert werden.484 Der maßgebliche Rechtsfallausschnitt wird durch einen wechselwirkenden Präzisierungsprozess zwischen dem Sachverhalt und den ihn potentiell kontrollierenden Normen gewonnen.485 Rückgriffe auf Konzepte der Sachverhaltsabgrenzung in anderen Gebieten taugen dabei nicht zur Lösungsfindung: Mit dem Begriff des „Tatbestandskomplexes“ aus dem Strafrecht wird zwar auch die Abgrenzung des relevanten Sachverhalts verfolgt. Da es dabei aber um Tat­einheit- und Tatmehrheit (§ 52, § 53 StGB), und damit letztlich um Gesamt­ strafenbildung geht, können die Wertungen nicht in das Verfassungsrecht übertragen werden.

478

E. Hofmann, Jura 2008, 667, 668. Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1379 f. 480 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1379 f. 481 Fohmann, Konkurrenzen (1978), S. 33; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 28. 482 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1380. 483 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1381. 484 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1381; vgl. auch Winkler, JA 2014, 881. 485 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 30. 479

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Nach dem strafprozessualen Tatbegriff, der unter anderem für das Verbot der Doppelbestrafung wichtig ist (Art. 103 Abs. 3 GG), liegt eine Tat vor bei einem nach allgemeiner Lebensauffassung einheitlichen Lebensvorgang, der bei getrennter Aburteilung unnatürlich aufgespalten würde.486 Dies wird in der Faustregel konkretisiert, dass eine Tat grundsätzlich bei Tateinheit vorliegt, aber grundsätzlich nicht bei Tatmehrheit, wobei beides mal Ausnahmen möglich sind.487 Diese Definition ist zu vage, als dass sie im hier zu untersuchenden Zusammenhang weiterhelfen würde. Der Streitgegenstandsbegriff des Verwaltungsprozessrechts hilft in Grenzfällen auch nicht weiter, da er sich nach herrschender Meinung aus Antrag und dazugehörigem Lebenssachverhalt zusammensetzt488 und damit zum einen nur einen von mehreren Verwaltungsakten erfassen würde, und es zum anderen in Verfassungsrechtsfällen nicht immer einen Antrag gibt.489 Sich bei Grundrechtskonkurrenzen zur Abgrenzung des relevanten Sachverhalts an den Tatbeständen der Grundrechte zu orientieren,490 ist eine zutreffende, aber zu allgemeine Forderung, als dass sie im konkreten Fall weiterhelfen würde. In der Konkurrenzdogmatik wird diskutiert, ob bei Bestimmung des maßgeblichen Rechtsfallausschnitts auf Handlungen des Staates, des Grundrechtsträgers, oder beider491 abzustellen ist.492 Zum Streitstand kann weitgehend auf die von Spielmann herausgearbeiteten Grundsätze zurückgegriffen werden: Die ältere Literatur will auf die Handlungen des Grundrechtsträgers abstellen,493 da das menschliche Verhalten schutzbereichsbestimmend sei.494 Dagegen wird eingewandt, nicht alle Abwehrnormen schützten Verhaltensweisen, sondern es gebe

486

Kindhäuser, Strafprozessrecht, 4. Aufl. (2016), § 25 Rn. 15 m. w. N. Kindhäuser, Strafprozessrecht, 4. Aufl. (2016), § 25 Rn. 14. 488 Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 14. Aufl. (2014), Rn. 604. 489 Z. B. bei der gutachterlichen Betrachtung der zukünftigen Verfassungsrechtslage im Gesetzgebungsprozess. Natürlich sollte der verwaltungsprozessuale Streitgegenstandsbegriff so gefasst sein, dass die Fälle der Verstärkungswirkung von ihm komplett erfasst und nicht zerteilt werden. Auf die verwaltungsprozessualen Konsequenzen der hier vorgeschlagenen Sachverhaltsabgrenzung kann aus Gründen der Schwerpunktsetzung allerdings nicht eingegangen werden. 490 Schwabe, Probleme (1977), S. 324: so sei bei einem Korrespondenzverbot eines Gefangenen zwischen einem Korrespondenzverbot mit dem Ehepartner und einem mit anderen Personen zu unterscheiden, um eine Konkurrenz von Art. 6 Abs. 1 GG mit Art. 5 Abs. 1 G zu vermeiden. 491 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56. 492 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 91 f. 493 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 7; Lepa, DVBl. 1972, 161, 161; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1381; Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 417; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 53, 55; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 289; Herzog, in: Maunz / Dürig GG, 67. EL. (2013), Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 31. 494 Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 417. 487

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B. Theoretische Grundlagen

auch Integritätssphären und dem Grundrechtsträger zugeordnete Rechtsinstitute.495 Die Grundrechte ordneten nicht Handlungen, sondern allgemein Umstände dem Grundrechtsträger zu.496 Richtigerweise wird vor allem in der jüngeren Literatur anhand der Handlung497 des Staates abgegrenzt, nämlich ob dadurch in mehrere Grundrechte gleichzeitig eingegriffen wird.498 Ob ein Verhalten des Grundrechtsberechtigten unter mehrere Grundrechte fällt, ist nämlich noch nicht problematisch. Erst wenn der Staat in die Ausübung beider eingreift, kommt es zum Problem der Grundrechtskonkurrenzen.499 Im Gegensatz zu einem Handeln des Grundrechtsträgers liegt ein staatliches Handeln auch zwingend immer vor, da ein Eingriff in ein Grundrecht Voraussetzung einer Konkurrenzlage ist.500 Zurückzuweisen501 ist das Argument, durch den modernen Eingriffsbegriff werde die Ermittlung des Rechtsfallausschnitts erschwert502: Wenn der moderne Eingriffsbegriff als Tatbestandsmerkmal klar genug ist, ist er auch klar genug, um einen Rechtsfallausschnitt (mit) zu bestimmen. Gegen das Konzept wird weiter eingewandt, diese Unterscheidung sei nur bei Einzelfallentscheidungen sinnvoll, nicht bei Eingriffen durch Gesetz, da Gesetze nicht immer konkret genug seien um einen Eingriff darzustellen.503 Dagegen ist zu argumentieren, dass die Norm über den zu entscheidenden Rechtsfall präzisiert wird.504 bb) Nachträgliche Sachverhaltserweiterung Um alle normativ in einer Bewertungseinheit505 zusammen gehörigen Umstände zu erfassen, kann es nötig sein, den Sachverhaltsausschnitt nachträglich zu erweitern.506 Eine staatliche Handlung507 wird dabei mit einer weiteren staatlichen Handlung „verklammert“508. Grund dafür ist, dass nur so eine Gesamtschau der 495

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 92. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 92. 497 Handlung als Oberbegriff zu Tun und Unterlassen begriffen, siehe Definition im Abschnitt B. I. 498 Schwabe, Probleme (1977), S. 324; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56; Manssen, JuS 1992, L60-L63, L61; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 92, 122; Battis / Gusy, Einführung, 5. Aufl. (2011), Rn. 487. 499 Schwabe, Probleme (1977), S. 325 f. 500 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 92. 501 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 93. 502 So Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 54 f. 503 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1381; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 54. 504 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 93. 505 Begriff von Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 119. 506 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 119, von ihm „Ausschnittsausweitung“ genannt. Er befürwortet Anleihen an das Strafrecht; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 53. 507 S. o., Abschnitt B. II. 1. c) aa). 508 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56. 496

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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Belastungen erfolgen kann.509 Letztlich wird damit auch der Umfang der Gesamtabwägung bestimmt. Der Vorschlag, die Konzepte der „Handlungseinheit“ und „Handlungsmehrheit“ aus dem Strafrecht in den Bereich der Grundrechtskonkurrenzen als „Eingriffseinheit“ und „Eingriffsmehrheit“ zu übertragen,510 ist abzulehnen. Die Begriffe „Handlungseinheit“ und „Handlungsmehrheit“ haben im Strafrecht die Funktion, das Vorliegen von Tateinheit und Tatmehrheit mitzubestimmen.511 Sie sind im Strafrecht aber tatsächlich nicht geklärt, sondern weiterhin umstritten.512 Das Verfassungsrecht kommt daher um eigene Wertungen nicht herum. Wann und nach welchen Kriterien eine solche Ausschnittsausweitung erfolgen soll, ist unklar. Natürlich muss ein „innerer Zusammenhang“513 bestehen. Bei Gleichzeitigkeit oder einem engen zeitlichen Zusammenhang liegt ein einheitlicher Lebensvorgang nahe.514 In solchen Situationen muss eher gefragt werden, ob der Sachverhalt ausnahmsweise nicht einheitlich zu betrachten ist. Abgesehen davon ist aber umstritten, wann eine „Verklammerung“ erfolgen soll. Dies wird im Allgemeinen diskutiert, meist aber anhand der folgenden Fallgruppen. (1) Zweckidentität und Zweck-Mittel-Verhältnis Zahlreiche Ansätze, die eine Gesamtschau der Belastungen durch mehrere staatliche Handlungen diskutieren, wollen anhand des Zwecks der Maßnahmen bestimmen, ob diese zusammen zu betrachten sind. Dabei gibt es zwei Varianten: Während nach der einen Betrachtung die Zweckidentität verlangt wird ((a)), stellt die andere auf ein Zweck-Mittel-Verhältnis zwischen den Maßnahmen ab ((b)). (a) Zweckidentität und Wille des Gesetzgebers Eine Gesamtschau der Belastungen durch mehrere staatliche Maßnahmen soll nach einer Betrachtung bei Zweckidentität der Maßnahmen stattfinden. Dienten zwei Maßnahmen dem gleichen Zweck, würde die Handlungen zu einem einheitlichen Lebensvorgang verklammert.515 Es wird also eine finale Verknüpfung gefordert.516 509

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120. Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1381; Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 12 Fn. 64; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 119; tendenziell auch Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 53. 511 Heintschel-Heinegg, in: MüKo StGB, 3. Aufl. (2016), § 52, Rn. 9. 512 Heintschel-Heinegg, in: MüKo StGB, 3. Aufl. (2016), § 52, Rn. 10. 513 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 176. 514 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 7 f. 515 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120; Kaltenstein, SGb 2016, 365, 369. 516 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56. 510

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B. Theoretische Grundlagen

Da der Zweckbegriff sehr weit ist, kann auch bei einem generellen Willen des Entscheidungsträgers, ein bestimmtes Ziel zu fördern, von einem identischen Zweck ausgegangen werden. Manche wollen daher gleich auf den einheitlichen Willensentschluss des Gesetzgebers abstellen. Dieser liege vor, wenn der selbe Zweck verfolgt werde.517 Vergleichbar sei dies mit der strafrechtlichen Figur der fortgesetzten Handlung.518 Die Forderung, auf einen „Zweck-Willens-Zusammenhang“ abzustellen,519 unterscheidet sich hiervon nur semantisch. (b) Zweck-Mittel-Verhältnis Nach einem anderen, sehr populären Lösungsansatz wird auf eine Zweck-Mittel-Verbindung abgestellt.520 Als Grund wird auch hier der einheitliche Willensentschluss angegeben.521 Dabei ist auf eine Zweck-Mittel-Verbindung durch den Staat abzustellen. Zur Grundrechtsnutzung durch den Bürger im Rahmen eines Zweck-Mittel-Verhältnis, siehe Abschnitt (2). Die von Lothar Fohmann angeführten Anreise-Fälle, bei denen Demonstranten durch sogenannte „Vorfeldmaßnahmen“522, zum Beispiel schleppenden Polizeikontrollen,523 daran gehindert werden, zu einer Versammlung zu gelangen,524 sind als Beispiel allerdings ungeeignet. Es handelt sich um Fälle des gleichzeitigen Eingriffs in mehrere Grundrechte, hier Art. 2 Abs. 1 GG525 und Art. 8 GG, und damit nicht um einen Sonderfall der Verklammerung. Ein verklammerndes Mittel-Zweck-Verhältnis wird jedoch bei Untersuchungshaft und strafgerichtlicher Verurteilung angenommen.526 Umstritten ist der Fall, ob das Aufbrechen der Wohnungstür und die Durchsuchung der Wohnung zusammen zu beurteilen sind. Die Befürworter argumentieren, es seien beides Mittel zum Zweck, Beweismittel zu erlangen.527 Auch hier stellt sich wieder das Problem der Schwierigkeit der Zweckbestimmung.528

517

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120; Klement, AöR 134 (2009), 35, 43. Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1471; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120 m. w. N. 519 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 7 f. 520 Lepa, DVBl. 1972, 161, 164; Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 419; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 433; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120, zusätzlich zur Zweckidentität. 521 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120. 522 Zur Vorfeldwirkung der Versammlungsfreiheit BVerfGE 69, 315 – Brokdorf; BVerfGE 84, 203, 209; Wittmann, in: Ridder / Breitbach VersR (2018), § 15 VersG – Polizeifestigkeit der Versammlung (i. E.). 523 BVerfGE 69, 315, 349 – Brokdorf. 524 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56. 525 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56 hält Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG für einschlägig. 526 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120. 527 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1382; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120; a. A. Schwabe, Probleme (1977), S. 324; Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 418 f.; Bumke /  Voßkuhle, Casebook, 5. Aufl. (2008), S. 53. 528 Eingehender zum Zweckbegriff, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (a). 518

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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(2) Aufsitzende Grundrechte, Basisgrundrechte und Vorbereitungshandlungen Mit dem Schlagwort „aufsitzende Grundrechte“ wird die Fallgruppe erfasst, dass manche Grundrechte („Basisgrundrechte“) Voraussetzung für die Ausübung anderer Grundrechte („aufsitzende Grundrechte“) sind.529 Beispielsweise ist das Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) Voraussetzung aller anderer Grundrechtsausübungen, und das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, 104 GG) Voraussetzung vieler anderer Grundrechtsausübungen.530 Gelegentlich wird das „aufsitzende Grundrecht“ auch als „zweckbestimmendes Grundrecht“ und das „Basisgrundrecht“ als „Hilfsrecht“ bezeichnet.531 Diese Fallgruppe ähnelt der des Zweck-Mittel-Verhältnisse. Dort geht es aber um Grundrechtseingriffe, die in einem Zweck-Mittel-Verhältnis stehen, und hier um Grundrechtsausübungen in einem solchen Verhältnis. Besonders häufig anzutreffende Basisgrundrechte sind höchstpersönliche Grundrechte. So soll auch dann eine Konkurrenzlage bestehen, wenn in höchstpersönliche Grundrechte eingegriffen wird, die Mittel zur Ausübung eines anderen Grundrechts sind, beispielsweise Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit für die Ausübung der Berufsfreiheit.532 Höchstpersönliche Grundrechte seien auch Mittel zur Ausübung der anderen Grundrechte.533 Nach Schwabe schützt die Basisfreiheit grundsätzlich auch die Zwecke, zu denen man diese Freiheit nützen könnte, also schütze zum Beispiel Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG auch den Theaterauftritt (Art. 5 GG) mit.534 Nach Schwabe ist im Regelfall nur das Basisgrundrecht zu berücksichtigen, mit dem aufsitzenden Grundrecht besteht nur eine Konkurrenzlage bei atypisch intensiver Belastung.535 Grund dafür sei, dass schon im Basisgrundrecht eine durchschnittliche Hinderung an der Ausübung anderer Grundrechte mitberücksichtigt sei.536 Ähnlich sieht das Thorsten Koch: Bei konsekutiven Beeinträchtigungen werde durch die Einschränkung eines Grundrechts die Möglichkeit zur Ausübung eines weiteren Grundrechts eingeschränkt.537 Beispielsweise werde bei Freiheitsentzug die physische Bewegungsfreiheit eingeschränkt, wodurch auch Berufsausübung, das Eheleben und Versammlungsteilnahmen eingeschränkt würden.538 Da die Ein 529 Schwabe, Probleme (1977), S. 178 f.; vgl. auch Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 261, der ebenfalls eine Berücksichtigung sukzessiver Grundrechtseingriffe befürwortet. 530 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 171. 531 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 108. 532 Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 20. 533 Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 20. 534 Schwabe, Probleme (1977), S. 438 f. 535 Schwabe, Probleme (1977), S. 439; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 171. 536 Schwabe, Probleme (1977), S. 439. 537 T. Koch, Grundrechtsschutz (2000), S. 205 f. 538 T. Koch, Grundrechtsschutz (2000), S. 205 f.

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B. Theoretische Grundlagen

schränkung des Primärgrundrechts zwangsläufig und notwendig auch die Unmöglichkeit der anknüpfenden potentiellen Grundrechtsausübungen zur Folge habe, sei die konsekutive Beeinträchtigung bereits im primär beeinträchtigen Grundrecht berücksichtigt.539 Konsekutive Beeinträchtigungen hätten damit keine eigenständige grundrechtliche Relevanz.540 In Richtung einer Ausweitung in den Zeitraum vor der eigentlichen Grundrechtsausübung geht Ingo Erberich. Nach Erberich sind auch Vorbereitungshandlungen bei „engem Zusammenhang“ vom Hauptfreiheitsrecht umfasst zu sehen, zum Beispiel der Kauf von Farben durch den Künstler.541 Für die Frage der Verklammerung würde das bedeuten, dass dann eine staatliche Verhinderung des Kaufs und eine Verhinderung der Kunstausübung gemeinsam zu betrachten wären. Auch Rupert Scholz’ Ansatz fällt in diese Kategorie: Wenn sich zwei Grundrechte im Verhältnis Zweck und Mittel gegenüberträten, bilde sich nach Scholz eine „momentane funktionelle Geltungseinheit“.542 Dabei verwirkliche sich ein grundrechtlich vorgegebener Zweck (Inhaltsrecht) durch die Ausübung eines anderen Grundrechts (Ausübungsrecht).543 Diese Situation sei gegeben, wenn sich der Bürger zur Verwirklichung eines Grundrechtszwecks der Handlungsform eines anderen Grundrechts bediene, so dass eines der Grundrechte zweckbestimmend sei und das andere nur Hilfsrecht.544 Die gedankliche Zusammenfassung von Freiheitsnutzungsmöglichkeiten oder Vorbereitungshandlungen mit der Kern-Grundrechtsausübung hat nicht nur Aus­ wirkungen auf die Bestimmung des Schutzbereichs des Grundrechts. Die Ausführungen der Autoren legen auch nahe, dass Einschränkungen beider Bereiche im Hinblick auf das Grundrecht gemeinsam zu betrachten sind. Staatliche Maßnahmen in beiden Bereichen wären also wegen der Beeinträchtigung des selben Grundrechts zu verklammern. (3) Sanktionsfälle und Bestätigungsverhältnisse Eine andere Fallgruppe ist die der „Sanktionsfälle“. Dabei wird wegen einer vorausgegangenen Grundrechtsausübung eine Sanktion verhängt, die wiederum in ein weiteres Grundrecht eingreift.545 Fohmann nennt dies einen Anknüpfungseingriff.546 539

T. Koch, Grundrechtsschutz (2000), S. 206. T. Koch, Grundrechtsschutz (2000), S. 210. 541 Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 20. 542 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 109 f. 543 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 109 f.; Scholz, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 9, Rn. 111; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56: „Ausübungseinheit“. 544 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 108; zustimmend Schwabe, Probleme (1977), S. 179; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 171. 545 Schwabe, Probleme (1977), S. 328; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56. 546 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56. 540

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Beispiel547: Ein Künstler wird wegen einer künstlerischen Tätigkeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Art. 5 Ab. 3 Satz 1 GG und Art. 104 Abs. 1 GG seien dann zusammen anwendbar. Nur in Nuancen unterscheiden sich von den Sanktionsfällen die Bestätigungsverhältnisse, bei denen es um Verbot und Sanktion des Verstoßes gegen das Verbot geht.548 Es sei eine Gesamtschau vorzunehmen zwischen dem Grundrechtseingriff durch das Verbot der Grundrechtsausübung und dem Strafurteil, das das in der Strafnorm liegende Verbot bestätige und vertiefe.549 Hier wird eine Ähnlichkeit mit der strafrechtlichen Figur der iterativen Begehung gesehen.550 Spielmann lehnt die Figur des Anknüpfungseingriffs und die Gruppe der Sanktionsfälle ab, da maßgeblich auf die Handlungen des Grundrechtsträgers abgestellt wird.551 Stattdessen sei die Sanktion als maßgeblicher Einzeleingriff zu sehen, der in zwei Grundrechte gleichzeitig eingreife.552 Spielmann hat damit nicht Unrecht, betrachtet aber nur eine der Prüfungssituationen. Außerdem kann ohne große inhaltliche Änderungen auf die staatlichen Maßnahmen abgestellt werden. Es sind vielmehr zwei Zeitpunkte der Betrachtung, zwei prozessuale Situationen zu unterscheiden:553 Ist bereits eine Sanktion erfolgt, müssen Verbot der Grundrechtsausübung und Belastung durch die Sanktion zusammen betrachtet werden. Die Belastung des Bürgers würde nicht vollständig erfasst werden, wenn nur die Sanktion betrachtet wird und nicht dazu noch die Belastung durch das Verbot der Grundrechtsausübung. Beispiel: Es würde der Situation nicht gerecht werden, nur die Belastung des Künstlers durch die Geldstrafe zu betrachten, ohne zu berücksichtigen, dass sie wegen der Ausübung der Kunstfreiheit verhängt wurde. Dazu kann auch noch folgende Erklärung gegeben werden: Die Intensität eines Grundrechtseingriffs steigt, je weniger beeinflussbar ist, ob man selbst von der Regelung betroffen wird. Eine Abnahme der Beeinflussbarkeit ist denkbar bis hin zur Unmöglichkeit der Abwendung wegen Unzumutbarkeit des Alternativverhaltens.554 Bezogen auf die Sanktionsfälle bedeutet dies, dass die Intensität des Eingriffs durch die Sanktion steigt, je weniger beeinflussbar ist, ob man ihr ausweichen kann. Das Alternativverhalten, durch das man ausweichen könnte, wäre der Verzicht auf die Grundrechtsausübung. Ein Verbot der Grundrechtsausübung könnte in jener Situation aber verfassungswidrig sein, so dass das Alternativverhalten unzumutbar würde.555

547

Nach Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 56. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120. 549 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120. 550 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120. 551 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 121 f. 552 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 121 f. 553 Hierbei wird übrigens auf die staatlichen Handlungen abgestellt. 554 Nähere Ausführungen zur Beeinflussbarkeit der Betroffenheit siehe Abschnitt C. XII. 555 Auch unterhalb der Schwelle der Verfassungswidrigkeit beeinflusst der Grad der Einschränkung des (vom Verbot betroffenen) Grundrechts die Intensität der Sanktionswirkung 548

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B. Theoretische Grundlagen

Eine Verklammerung der Sachverhalte Verbot und Sanktion ist daher in der expost-Perspektive unumgänglich. Eine andere Situation liegt vor, wenn noch keine Sanktion erfolgt ist und nur generell eine Aussage über die Zulässigkeit des Verbots der Grundrechtsausübung zu treffen ist, beispielsweise im Rahmen einer Normenkontrolle. Ist dabei die Schwere der Sanktion mit zu berücksichtigen? Hält der Betroffene sich an das Verbot, wird er nicht durch die Sanktion belastet. Man könnte es daher für ausreichend erachten, nur die Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Verbot zu betrachten. Andererseits besteht ein enger Zusammenhang, weil die Sanktion an das Verbot anknüpft. Rein praktisch gesehen beeinflusst die Schwere der Sanktion die Wahrscheinlichkeit, mit der das Verbot befolgt wird. Die Grundrechtsträger stehen vor der Wahl, entweder die Einschränkung des einen Grundrechts durch das Verbot hinzunehmen, oder sich über das Verbot hinweg zu setzen und die Grundrechtseinschränkung durch die Sanktion in Kauf zu nehmen. Bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Verbots ist daher zur vollständigen Erfassung der Situation der Bürger die Grundrechtseinschränkung durch den hypothetischen Verstoß gegen das Verbot mit zu berücksichtigen. Dieses hypothetisch relevante Alternativverhalten ist mit einem geringeren Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen, wie noch gezeigt wird.556 Der Rechtsfallausschnitt ist daher bei Sanktionsfällen entsprechend zu erweitern. (4) Grundrechtsverstoß und Rechtsschutz Eine weitere Fallkonstellation, bei der eine Verklammerung in Betracht kommt, ist die von Grundrechtsverstoß und anschließendem Verstoß gegen ein prozessuales Grundrecht bei dem Versuch, den ersten Verstoß zu rügen.557 Diese Fallgruppe ähnelt den Sanktionsfällen. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass bei Sanktionsfällen vom Staat ausgehend der erste Grundrechtsverstoß durch eine Sanktion noch einmal aufgegriffen wird. Bei der Bestätigungsrelation sucht der Grundrechtsträger von sich aus Rechtsschutz gegen den ersten Grundrechtsverstoß. Nähere dogmatische Ausführungen zu dem Problem sind nicht aufzufinden. Es gibt zwei Standardsituationen, in denen die Frage relevant wird: Im Europarecht wird angenommen, dass ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht des Art. 267 Abs. 3 AEUV unselbständig gegenüber dem Verstoß gegen die Grundfreiheit ist und nicht eigenständig zu einer Haftung führt.558 Ein materiell selbstständiger Schutz durch das prozessuale Recht wird dort also verneint. Dies könnte man (hinsichtlich des von der Sanktion betroffenen Grundrechts). Da in dieser Arbeit eine Gesamtabwägung favorisiert wird, muss der Effekt aber nicht einzelnen Grundrechten zugeordnet werden. Siehe Teil C. 556 Siehe Abschnitt C. XII. 557 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120. 558 Obwexer, EuZW 2003, 718, 727; Gundel, EWS 2004, 8, 9; Wegener / Held, Jura 2004, 479, 484.

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dogmatisch damit begründen, dass Verfahrensrechte wegen ihres Hilfscharakters keinen eigenständigen materiellen Gehalt schützen, sondern den gleichen materiellen Gehalt desjenigen Rechts schützen, dessen Durchsetzung sie im konkreten Fall dienen. Spricht man dem Verfahrensverstoß jede eigenständige materielle Relevanz ab, und sieht ihn als Vertiefung der Verletzung des streitgegenständlichen Rechts, liegt eine Verklammerung nahe. In diese gedankliche Richtung fügt sich auch § 46 VwVfG ein, der anordnet, dass Verstöße gegen Verfahrens- und Formvorschriften nur relevant sind, wenn sie die Entscheidung in der Sache beeinflusst haben. Freilich handelt es sich dabei nicht zwingend um Verstöße gegen Justizgrundrechte. Im Strafprozess wird andererseits eine überlange Verfahrensdauer als strafmildernd berücksichtigt.559 Das Recht auf Entscheidung über die zur Last gelegte Tat in angemessener Zeit folgt aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 20 Abs. 3 GG.560 Im Strafprozess macht der Betroffene zwar keine Grundrechtsverletzung geltend, so dass es sich nicht um eine Konstellation „Grundrechtsschutz und Rechtsschutz“ handelt. Das Phänomen zeigt aber, dass auch den Verfahrensrechten eigenständige materielle Gehalte zugeschrieben werden, die relevant werden, wenn kein sonstiges vom Justizgrundrechtsträger gerügtes Grundrecht im Raum steht.561 Eine umfassendere Untersuchung der materiellen Gehalte von Verfahrensrechten kann in dieser Arbeit aus Gründen des Umfangs nicht erfolgen. Hinsichtlich der Verklammerung gilt aber folgendes: Sieht man durch die Justizgrundrechte materiell den selben Grundrechtsgehalt geschützt an, wie durch das Freiheits- bzw. Gleichheitsrecht, ist die Verletzung des Justizgrundrechts nur eine weitere Verletzung des streitgegenständlichen Grundrechts. Um die Belastung in diesem Grundrecht angemessen zu erfassen, ist eine Verklammerung beider Sachverhalte nötig. Sieht man aber im Verstoß gegen das Justizgrundrecht einen materiell eigenständigen Grundrechtsverstoß, ist eine Verklammerung nicht nötig (vorbehaltlich sonstiger Gründe, die eine Verklammerung gebieten). (5) Vertikale Belastungskumulation und Vorbelastungen Auch bei der Figur der vertikalen Belastungskumulation bzw. des additiven Grundrechtseingriffs sowie bei der Diskussion um berücksichtigungsfähige Vor 559

BGH, NStZ-RR 2011, 239; Heintschel-Heinegg, in: MüKo StGB, 3. Aufl. (2016), § 52, Rn. 58 ff. 560 Zusammenfassend BVerfG, NJW 2003, 2897; zur strafrechtlichen Umsetzung Fischer, in: Fischer StGB, 63. Aufl. (2016), § 46, Rn. 121 ff. 561 Spitzfindig könnte man zwar zu behaupten versuchen, der Angeklagte verteidige im Strafprozess seine Ehre und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, welche durch die Anschuldigung verletzt worden sei. Prozessual gesehen geht der Angeklagte aber nicht gegen eine staatliche Handlung vor, sondern umgekehrt der Staat gegen den Angeklagten.

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belastungen geht es darum, wann verschiedene staatliche Maßnahmen hinsichtlich ihrer Belastung gemeinsam zu betrachten sind. Insofern wird dort auch Sachverhaltsabgrenzung betrieben. (a) Definitionen und Abgrenzungen Bei der Figur der vertikalen Belastungskumulation562 bzw. des additiven Grundrechtseingriffs563 wird diskutiert, wann mehrere, für sich allein genommen zulässige Eingriffe durch ihre Gesamtwirkung einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff darstellen.564 Damit können sowohl gleichzeitige als auch zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgende staatliche Maßnahmen gemeint sein. Entscheidend ist im letzteren Fall nur, dass die Belastung zum Zeitpunkt des Eintritts der neuen Maßnahme noch andauert.565 Die Fälle zweier gleichzeitig eintretender staatlicher Maßnahmen werden zwar selten unter die Figur der vertikalen Belastungskumulation gefasst. Sie auszunehmen würde aber schwierige Abgrenzungsfragen aufwerfen, wann zwei Maßnahmen wirklich gleichzeitig eintreten. Es stellen sich auch inhaltlich die selben Fragen, so dass keine Notwendigkeit einer Abgrenzung besteht. Eine vertikale Belastungskumulation liegt damit immer dann vor, wenn ein Bürger in einem bestimmten Zeitpunkt durch mindestens zwei staatliche Maßnahmen gleichzeitig belastet wird. Geht es um zwei zu verschiedenen Zeitpunkten eintretende Maßnahmen, entspricht die vertikale Belastungskumulation der Figur der Vorbelastung durch staatliche Maßnahmen. Der Begriff „Vorbelastungen“ ist zweideutig. Es kann zwischen Vorbelastungen durch staatliche Maßnahmen und „natürlichen“ Vorbelas­tungen unterschieden werden. Eine „natürliche Vorbelastung“ liegt vor bei einer durch andere als staatliche Ursachen negativ vom Durchschnitt abweichende Befähigung zur Grundrechtsnutzung. Beispielsweise trifft einen Strafgefangenen, der Analphabet ist, ein Verbot von Radio- und Fernsehgeräten in den Zellen stärker, als einen Gefangenen, der die noch erlaubten Zeitungen lesen kann. Aufgrund des Sozial­staatsgebot oder bestimmter Grundrechte (im Gefangenenbeispiel die Informationsfreiheit) kann es gegebenenfalls geboten sein, diese natürlichen Vorbelastungen zu berücksichtigen (hier die Belastung durch Analphabetismus).566 Die richtige Behandlung 562

Zur horizontalen Belastungskumulation, siehe Abschnitt E. Der Begriff „additiver Grundrechtseingriff“ sollte gemieden werden, vgl. Fn. 69. 564 BVerfGE 112, 304, 319 f. – GPS; Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214; Hufen, NJW 1994, 2913, 2916; G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 735; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 120; Klement, AöR 134 (2009), 35, 51; speziell zur Belastung mit mehreren Abgaben P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1980), 213, 238 ff.; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 261. Siehe auch die Abgrenzung im Abschnitt A. I. 2. 565 Vgl. Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 186. 566 Das Problem der faktischen Vorbelastung und deren Berücksichtigung ist auch eng verwandt mit der Frage nach einem Gebot faktischer Gleichheit, siehe dazu Hesse, AöR 77 (1951/52), 167, 208 ff.; Zacher, AöR 93 (1968), 341, 241 ff.; Scholler, Interpretation (1969), S. 15; 563

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natürlicher Vorbelastungen kann hier nicht weiter vertieft werden. Für die Frage der Sachverhaltserweiterung sind nur die Vorbelastungen aufgrund staatlichen Handelns interessant, weil sich nur dann die Frage stellt, wann zwei staatliche Handlungen gemeinsam zu betrachten sind. Im Folgenden soll unter „Vorbelastung“ nur eine solche Vorbelastung durch staatliche Maßnahmen verstanden werden. Die Debatte wird in der Literatur eher unter dem Stichwort „(vertikale) Belastungskumulation“ geführt als explizit „Belastungskumulation unter Berücksichtigung von Vorbelastungen“. Nichtsdestotrotz geht es inhaltlich um die gleiche Fragestellung. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Begriffe „vertikale Belastungskumulation“ und „Vorbelastungen“ die Gesamtbelastung durch mehrere, einzelne staatliche Maßnahmen meinen. (b) Voraussetzungen einer Bewertungseinheit Kloepfer gilt als der Schöpfer der Figur der Belastungskumulation. Sein Aufsatz lenkte erstmals die Aufmerksamkeit auf die Problematik, enthält aber keine Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen genau es zu einer Belastungskumulation kommt.567 Die Belastungskumulation wurde inzwischen vielfach anerkannt,568 wobei detailliertere Ausführungen allerdings selten anzutreffen sind. Vom Bundesverfassungsgericht wurde die Problematik der Belastungskumulation inhaltlich aufgegriffen mit dem Halbteilungsgrundsatz des Steuerrechts.569 Ausdrücklich erwähnt wird der additive Grundrechtseingriff in der Entscheidung GPS, bei der es um die Nutzung von GPS-Daten als Beweis im Strafprozess ging: „[M]it Rücksicht auf das dem ‚additiven‘ Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotential“ seien besondere Anforderungen an das Verfahren zu beachten.570 Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen eine Bewertungseinheit zu bilden ist, fehlen allerdings. Podlech, Gleichheitssatz (1971), S. 200 ff.; Kloepfer, Gleichheit (1980), S. 43 f.; Leisner, Gleichheitsstaat (1980), S. 143 ff.; Starck, in: FS Leibholz 1982 (1982), S. 51, 56 f.; Alexy, Theorie (1985), S. 380 ff.; Robbers, DÖV 1988, 749, 747 ff.; Schoch, DVBl. 1988, 863, 869; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 15; Huster, Rechte (1993), S. 413; Martini, Rechtsgleichheit (1997), S. 247 f.; Stein, in: AK-GG, 1. EL., 3. Aufl. (2001), Art. 3 Abs. 1 GG, Rn. 74; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 399. 567 Vgl. Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201. 568 Hufen, NJW 1994, 2913, 2916; Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen (2000), S. 804; Calliess, Umweltstaat (2001), S. 409; Holoubek, in: Grundfragen (2007), S. 17, 33; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 553; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 671; vgl. Michael, in: Prinzipientheorie (2007), S. 123, 144 f.; kritisch Rodi, ZG 2000, 231, 237; Kaltenstein, SGb 2016, 365, 369 f. 569 BVerfGE 93, 121 – Halbteilungsgrundsatz;; dazu im hiesigen Zusammenhang Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214; Lee, Instrumentenmix (2013), S. 111 ff. 570 BVerfGE 112, 304, 320 – GPS.

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In der Literatur finden sich zum einen Ansätze, die maßgeblich auf die Verfolgung des selben Zwecks abstellen, zum anderen solche, die eine sachliche Verwandtschaft der belasteten Grundrechte fordern. (aa) Lücke: Selbes Grundrecht und selber Zweck Nach Jörg Lücke liegt ein additiver Grundrechtseingriff nur dann vor, wenn zum einen das selbe Grundrecht betroffen sei.571 Zum anderen müssten die Akte „im Wesentlichen“ der Verfolgung des selben Zwecks dienen.572 Sonst läge nur ein zufälliges Zusammentreffen der Maßnahme vor, welche grundrechtlich irrelevant sei.573 Ein gemeinsamer Zweck sei beispielsweise bei Abwasserabgaben der Schutz der Gewässer574 oder im Steuerrecht die Erzielung von Einnahmen, es sei denn, diese sei nur Nebenzweck.575 Gegen die Bedingung des selben Grundrechts wendet Sven Jesse ein, dass so die Ausdifferenzierung der Grundrechte zu einer Grenze des Grundrechtsschutzes führen würde, obwohl gerade kumulierende Belastungen besonders problematisch sein könnten.576 Auch Jesse hält jedoch die Verfolgung des selben Zwecks für erforderlich, um die Verhältnismäßigkeit einer Gesamtbelastung zu überprüfen.577 Belastungen bei divergierenden Zwecken seien höchstens über die Wesensgehaltsgarantie und die Schutzpflichten zu beachten.578 Eun-Kyung Lee fordert ebenfalls einen Eingriff in das selbe Grundrecht, lässt allerdings „eine gewisse Zwecküberschneidung“ genügen.579 Jens Kaltenstein fordert zusätzlich zum gleichen Zweck alternativ den Eingriff in das gleiche Grundrecht oder die Beeinträchtigung im gleichen Gegenstand bzw. vergleichbaren Lebensbereich.580 (bb) G. Kirchhof: Vergleichbarer Gegenstand Für Gregor Kirchhof ist es für die Annahme einer vertikalen Belastungskumulation unerheblich, ob Eingriffe in das gleiche oder in verschiedene Grundrechte vorliegen.581 Eine grundrechtserhebliche kumulative Belastung erfordere aber, dass 571 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1474, 1477; sich anschließend Lee, Instrumentenmix (2013), S. 99; ablehnend Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 188. 572 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1470, 1472 f.; kritisch Bronkars, Eigentumseingriffe (2007), S. 95 f. 573 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1470. 574 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1472. 575 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1475 f. 576 Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 188. 577 Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 192. 578 Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 192. 579 Lee, Instrumentenmix (2013), S. 143. 580 Kaltenstein, SGb 2016, 365, 369 f. 581 G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 27 f.; vgl. auch G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 734.

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der Grundrechtsträger in vergleichbaren Gegenständen betroffen werde.582 Unter „vergleichbaren Gegenstand“ versteht G. Kirchhof, dass der Grundrechtsträger in der gleichen „Normwirklichkeit“ betroffen ist.583 Die Enteignung wirke beispielsweise in einer anderen Normwirklichkeit als die Raumüberwachung.584 Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Postgeheimnis und Freiheit der Wohnung gehörten zur Normwirklichkeit des privaten Bereichs; diese sei von den Normwirklichkeiten des Berufs und der des Eigentums grundsätzlich zu trennen.585 Klar zu trennende Gegenstände seien auch der Schutz des Lebens und der des Eigentums.586 Enteignungen würden auch nur in Ausnahmefällen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verschärfen.587 In die Richtung einer sachlichen oder funktionellen Verwandtschaft argumentieren auch Michael / Morlok.588 (cc) Kluth: Selber Adressatenkreis Winfried Kluth fordert für eine Kumulation aus Gründen der praktischen Handhabbarkeit, dass die Maßnahmen auf den selben Adressatenkreis zielen müssen.589 Dagegen spricht, dass so gerade die gesteigerte Belastung einer Person, die sich innerhalb der Schnittmenge zweier Adressatenkreise bzw. Regelungsbereiche befindet, nicht berücksichtigt werden würde.590 In der Grundrechtsprüfung stellt denn auch sonst üblicherweise die Einzelperson den Bezugspunkt dar.591

582 G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 734; G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 28; eine Diskrepanz zwischen beiden Schriften ist nicht feststellbar, so aber Klement, AöR 134 (2009), 35, 64 Fn. 129. Außerdem verlangt G.  Kirchhof, dass die Maßnahmen gleichzeitig wirkten und die gleiche Person belastet werde. Diese Punkte sind aber nach der Definition der Figur selbstverständlich. Ablehnend Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 187. 583 G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 734; G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 28; sich anschließend Bronkars, Eigentumseingriffe (2007), S. 89, die dies mit denselben Lebenssachverhalt betreffend bezeichnet; als zu unbestimmt ablehnend Lee, Instrumentenmix (2013), S. 138 f. 584 G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 735. 585 G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 28 f. 586 G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 734. 587 G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 29. 588 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 60; Michael, in: Grundlagen Verwaltungsrecht, Bd. II (2012), S. 1639, Rn. 119. 589 Kluth, ZHR 162 (1998), 657, 674. 590 Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 187. 591 Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 187.

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(dd) Klement: Eingriffsumfeld Klement lehnt die Figur der vertikalen Belastungskumulation wegen der damit angestellten Gesamtbetrachtung ab.592 Das Phänomen möchte er aber in den Einzelabwägungen als Teil des Eingriffsumfelds berücksichtigen.593 Klement befürchtet eine „Freiheitsgesamtbilanz“, eine globale Kosten-NutzenAbwägung in der Verhältnismäßigkeitsprüfung.594 Die Gesamtschau erschwere außerdem die praktische Rechtsanwendung.595 Klement will die Belastungskumulation stattdessen auf diffizileren Wegen beachten: Die Belastungskumulation würde sich in den Einzelabwägungen durch das Eingriffsumfeld auswirken und sei nur dort zu berücksichtigen.596 Auf Seiten der Maßnahme beeinflusse das Eingriffsumfeld die Wirksamkeit der Maßnahme (Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen) sowie den Grad der Förderung, indem gefragt werde, wie sehr der Zweck bereits ohne die streitgegenständliche Maßnahme erreicht würde.597 Auf Seiten des Grundrechts beeinflusse das Eingriffsumfeld den Grad der Belastung; die neue Maßnahme könne der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringe.598 Klement wendet damit nicht gegen eine Belastungskumulation an sich, sondern nur gegen ihre Berücksichtigung in einer Gesamtbetrachtung und möchte sie stattdessen in den Einzelabwägungen berücksichtigen. Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Verklammerung empfindet Klement es als systemfremd, dazu auf das „subjektive Kriterium“ des gleichen Zwecks abzustellen, denn dies sei veraltet für den Eingriffsbegriff.599 Auch sei der Zweck ein irrationales Abgrenzungskriterium, da der Zweck einer Maßnahme sehr abstrakt beschrieben werden könne.600 Ferner sei unklar, wie mit Zweckbündeln und gestuften Zwecken umzugehen sei.601 Klement bietet selbst aber keine Lösung an, wann andere staatlichen Maßnahmen berücksichtigungsfähig sind im Sinne des „Eingriffsumfelds“.

592

Klement, AöR 134 (2009), 35, 64. Die von ihm (S. 59 f.) vorgeschlagenen Auslegungsregeln zur Vermeidung von Belastungskumulationen sind abzulehnen, da Vermeidungsregeln immer fragwürdig sind und auch hier kein Grund die Vermeidung der Beschäftigung mit Belastungskumulationen rechtfertigt. 593 Klement, AöR 134 (2009), 35, 71 ff. 594 Klement, AöR 134 (2009), 35, 65; sich anschließend Winkler, JA 2014, 881, 882; vgl. auch Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 171. 595 Klement, AöR 134 (2009), 35, 64. 596 Klement, AöR 134 (2009), 35, 71 ff. 597 Klement, AöR 134 (2009), 35, 71 ff. 598 Klement, AöR 134 (2009), 35, 73 f. 599 Klement, AöR 134 (2009), 35, 64. 600 Klement, AöR 134 (2009), 35, 64–65. Siehe zum Problem der Zweckbestimmung Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (a). 601 Klement, AöR 134 (2009), 35, 65.

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(6) Parallele zur Saldierung von Vor- und Nachteilen Ein Vergleich ist auch möglich mit der Argumentation zur Frage der Saldierung von Vor- und Nachteilen in der Abwägung. Die Frage, ob Vor- und Nachteile zu saldieren sind, braucht hier nicht abschließend entschieden werden. Hier interessiert nur, für welche Sachverhaltskonstellationen eine Saldierung vertreten wird. Dass nicht alles mit allem saldiert werden kann, liegt auf der Hand. Denn dann käme es in der Tat zu der befürchteten „Freiheitsgesamtbilanz“.602 Unter dem Schlagwort „Freiheitsgesamtbilanz“ wird eine allumfassende Betrachtung sämtlicher Pflichten und Lasten, Ansprüche, Leistungen und Vergünstigungen verstanden, die ein Bürger staatlicherseits im Laufe seines Lebens erfährt. Eine solche Gesamtschau würde offensichtlich unerfüllbare Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung stellen und würde aufgrund des Umfangs der zu berücksichtigenden Sachverhalte zu nicht mehr rational nachvollziehbaren, allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen führen. Auch bei einer Saldierung muss daher abgegrenzt werden zwischen Situationen, die so eng miteinander verbunden sind, dass eine Saldierung vorzunehmen ist, und solchen bei denen keine Saldierung vorzunehmen ist. Anwendungsumfeld einer Saldierung ist vor allem der Gleichheitssatz sowie Art. 14 GG, thematisch finden sich zum Steuerrecht die meisten Ausführungen. Dort ist eine Saldierung, also eine Gegenüberstellung der steuerlichen Lasten mit den steuerlichen Vergünstigungen, vergleichsweise einfach, da sich rein finanzielle Auswirkungen leicht verrechnen lassen.603 Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird das Gewicht eines Eingriffs gemindert durch daraus erwachsende Vorteile.604 Das Bundes­ verfassungsgericht entschied in Jahresarbeitsverdienstgrenze sogar auch für Freiheitsrechte, dass die Belastung durch eine Versicherungspflicht teilweise durch anderweitige Vorteile kompensiert werde.605 Dabei reicht es, dass Vor- und Nachteile typischerweise zusammentreffen.606 Der Zusammenhang besteht in dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Anknüpfung an die selbe Maßnahme. Im Abgabenrecht wird für Sonderabgaben angenommen, dass eine spezifische Sachnähe zwischen belasteter Gruppe und zu finanzierender Aufgabe bestehen müsse, so dass die Belastung gruppennützig erscheine.607 602

Klement, AöR 134 (2009), 35, 65. Voßkuhle, Kompensationsprinzip (1999), S. 23. 604 BVerfGE 29, 221, 237 – Jahresarbeitsverdienstgrenze; vgl. auch BVerfGE 12, 151, 167– 168 – Ehegattenfreibetrag; BVerfGE 15, 328, 333; BVerfGE 23, 327, 343; BVerfGE 82, 126, 148 – Kündigungsfristen für Arbeiter; BVerfGE 96, 1, 8 – Weihnachtsfreibetrag; zustimmend Hubmann, Wertung (1977), S. 28; Wendt, AöR 104 (1979), 415, 465. 605 BVerfGE 29, 221, 237 – Jahresarbeitsverdienstgrenze. 606 BVerfGE 23, 327, 343. 607 Friauf, in: FS Jahrreiß 80. Geb. (1974), S. 45, 56; BVerfGE 124, 348, Rn. 57 – Wertpapierhandel Sonderabgabe. 603

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B. Theoretische Grundlagen

Nach Johanna Hey, die sich mit Saldierungen beim Gleichheitsrecht auf dem Gebiet des Steuerrechts beschäftigt, bedürfe es für eine Saldierung eines Legitimationszusammenhangs zwischen dem zu rechtfertigenden Nachteil und dem heran­gezogenen Vorteil eines rechtssystematischen Zusammenhangs.608 Dies sei der Fall, wenn ein zwingender, unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Vorteil einerseits und dem Nachteil andererseits bestehe.609 Eine rein argumentative Verknüpfung durch die Gesetzesbegründung reiche nicht.610 Der Zusammenhang müsse sich aus der Gesetzessystematik ergeben.611 Für Andreas Voßkuhle ist Merkmal einer Kompensation im Allgemeinen der Funktionszusammenhang zwischen defizitärem Rechtszustand und Kompensationsleistung.612 Die Anforderungen an den Funktionszusammenhang ergäben sich aus dem Äquivalenzprinzip.613 Nach Eckart Klein könne gefährdete Freiheit nur grundrechtsintern kompensiert werden, da Freiheit kein austauschbares Gut sei.614 Es wird also die Identität des Grundrechts gefordert. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch im Zusammenhang mit einer Saldierung von Vor- und Nachteilen das Problem einer grundrechtsübergreifenden Bewertung bemerkt und unterschiedlich gelöst wird. Jenseits von einer Identität des Grundrechts wird in unterschiedlichen Abstufungen ein funktioneller Zusammenhang gefordert. (7) Erkenntnisgewinn Es gibt viele Fallkonstellationen, für die eine nachträgliche Sachverhaltserweiterung diskutiert wird, und die Ansätze sind entsprechend vielgestaltig. Dennoch lassen sich gemeinsame Muster erkennen, wann eine solche Verklammerung angezeigt ist. Zum einen wird oft auf den selben Zweck abgestellt (siehe Fallgruppen „Zweckidentität“615, „vertikale Belastungskumulation“616), oder, ähnlich, auf den Willen des Gesetzgebers (bei „Zweckidentität“). Andere stellen auf ein Zweck-Mittel-Verhältnis617 ab. Wieder andere fordern einen Funktionszusammenhang (bei „vertikale 608

Hey, AöR 128 (2003), 226, 245 f. Hey, AöR 128 (2003), 226, 246. 610 Hey, AöR 128 (2003), 226, 246. 611 Hey, AöR 128 (2003), 226, 246. 612 Voßkuhle, Kompensationsprinzip (1999), S. 50. 613 Voßkuhle, Kompensationsprinzip (1999), S. 50. 614 E. Klein, DVBl. 1981, 661, 666. 615 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (1) (a). 616 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (5). 617 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (1) (b). 609

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Belastungskumulation“618 oder „Saldierung“619) oder einen „zwingenden, unmittelbaren Zusammenhang“ (bei „Saldierung“620). Schließlich fordern einige, dass das gleiche Grundrecht betroffen ist (bei „vertikaler Belastungskumulation“621, „Saldierung“622), oder abgestuft „vergleichbare Gegenstände“ („vertikale Belastungskumulation“623). Letztlich gibt es auch noch die Gruppe der Zusammenbetrachtung wegen eines materiellen Grunds (Sanktionsfälle624, Grundrechtsverstoß und Rechtsschutz unter Annahme eines materiell unselbständigen Justizgrundrechtsgehalts625). (a) Kritik an Zweck und Wille – zum Zweckbegriff Der Zweck ist als Kriterium der Verklammerung abzulehnen. Für den Zweck als Kriterium spricht zwar, dass es vom Gesetzgeber verlangbar erscheint, den Überblick über alle zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks eingeleiteten Maßnahmen zu behalten und die Gesamtbelastung eines Grundrechtsträgers durch sie zu beachten. Problematisch ist an dieser Herangehensweise allerdings die Konturlosigkeit des Zweckbegriffs. Das Wort „Zweck“ bezeichnete ursprünglich einen Nagel (vgl. Reißzwecke); im 15. und 16. Jahrhundert wurde daraus der Nagel, an dem die Zielscheibe aufgehängt wurde oder der in der Mitte der Zielscheibe sitzt, wo­raus sich dann die Bedeutung ‚Zielpunkt‘ und übertragen ‚Absicht, Sinn‘ entwickelte.626 Zwecke lassen sich nicht immer bis ins einzelne präzisieren.627 Manche wollen allgemeinplatzartige Zwecke wie „Funktionieren der Rechtspflege“ oder „der freie Welthandel“ als Zwecke ausscheiden, da diese nicht den Anforderungen der Verhältnismäßigkeitsprüfung genügten.628 Andere wollen umgekehrt den Zweck möglichst weit fassen, damit die Wertungsprobleme, wie das der negativen Auswirkungen auf sonstige staatliche Zwecke oder das der Belastung des Haushalts, gelöst werden können.629 Wird der Zweck zu eng gefasst, werden Wertungen ausgeblendet, wird der Zweck jedoch zu weit gefasst, verliert er seine steuernde Wirkung.630 Gesucht

618

Michael / Morlok, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (5) (b) (bb). Voßkuhle, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (6). 620 Hey, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (6). 621 Lücke, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (5) (b) (aa). 622 Klein, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (6). 623 G. Kirchhof, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (5) (b) (bb). 624 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (3). 625 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (4). 626 Wermke / Kunkel-Razum / Scholze-Stubenrecht, Duden Herkunftswörterbuch, 4. Aufl. (2007), S. 954. 627 Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 51 Fn. 33. 628 Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 146 f. 629 Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 168 f. 630 Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 163 ff.; Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 53 f. 619

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B. Theoretische Grundlagen

ist daher ein mittelmäßig genauer Zweck .631 Dem Gesetzgeber ist es erlaubt, weitgehend selbst Zwecke zu bestimmen, zu redefinieren oder für unwichtig zu erklären.632 Die Verfassung enthält insoweit wenig Vorgaben.633 Problematisch am Abstellen auf den Zweck ist auch, dass meist mehrere Zwecke gleichzeitig verfolgt werden.634 So können Hauptzwecke und Nebenzwecke unterschieden werden.635Auch können naheliegende Zwecke und fernliegendere Zwecke unterschieden werden636 (letztere werden dann auch Fernziele637 genannt). Zwecke sind häufig auch Mittel zur Verfolgung weiterer Zwecke.638 Zweck und Mittel werden daher oft für austauschbar gehalten.639 Obwohl die obigen Überlegungen zur Bestimmung des Zwecks hauptsächlich im Umfeld der Verhältnismäßigkeitsprüfung, genaugenommen bei der Erforderlichkeitsprüfung, angestellt werden, führt es auch nicht weiter, einen eigenen Zweckbegriff für die Konkurrenzproblematik zu entwickeln. Sollten eigene wertende Kriterien zur Bestimmung, wann eine Gesamtschau mehrerer Belastungen erforderlich ist, nötig sein, wäre es nur ein Umweg, sie im Gewand eines konkurrenzrechtlichen Zweckbegriffs zu verpacken; dann können auch gleich offen die wertenden Kriterien angewandt werden.

631

Schlink, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 445, 450. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen (2000), S. 881 ff.; Schlink, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 445, 450. 633 Z. B. verbietet Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG den Zweck, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. Auch können sich aus qualifizierten Gesetzesvorbehalten bestimmte Anforderungen an den Zweck ergeben (Reimer, in: Verhältnismäßigkeit (2016), S. 60, 64). Mit der Befugnis zur Zwecksetzung geht in der Regel auch die Befugnis einher, zu bestimmen, welcher Grad der Zweckerfüllung anzustreben ist. Gelegentlich gibt es Zwecke, deren vollständiger Realisierung andere Zwecke entgegen stehen. Die Kompetenz des Gesetzgebers zur Zwecksetzung und zur Festlegung des Grades der anzustrebenden Zweckerfüllung beinhaltet auch die Kompetenz, bei solchen Zweckkollisionen den Vorrang eines Zwecks festzulegen. Bedingung ist, dass ihm auch für den kollidierenden Zweck die Kompetenz zusteht. Wenn aus den konkreten Umständen nicht geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber einen Zweckvorrang anordnen wollte, so ist davon auszugehen, dass mehrere Zwecke gleichzeitig verfolgt werden. Dabei kann ein Zweck für die eingreifende Maßnahme sprechen, ein anderer für deren Unterlassung. Beide Zwecke sind mit ihren dazugehörenden Prinzipien in die Gesamtabwägung einzustellen (siehe Abschnitt C. V.). Leicht anders Hotz, Notwendigkeit (1977), S. 160, der allein die Zwecke gegeneinander abwägt. 634 BVerfGE 30, 292, 318 – Mineralölbevorratung; Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 53 f.; Hoffmann-Riem, EuGRZ 2006, 492, 494–495. Zu versteckten Zwecken BVerfGE 85, 191, 206 – Nachtarbeitsverbot; BVerfGE 97, 35, 43 – Hamburger Ruhegeldgesetz; BVerfGE 114, 357, 364 – Aufenthaltserlaubnis; BVerfGE 121, 241, 254. Siehe auch Fn. 633. 635 BVerfGE 30, 292, 318 – Mineralölbevorratung; Hotz, Notwendigkeit (1977), S. 160. 636 Clérico, Verhältnismäßigkeit (2001), S. 132. 637 Eine Unterscheidung zwischen Zwecken und Zielen ist aufgrund der Konturlosigkeit des Zweckbegriffs „zwecklos“. So unterscheidet auch das Bundesverfassungsgericht nicht zwischen Zwecken und Zielen, z. B. BVerfGE 30, 292, 317–318 – Mineralölbevorratung. 638 Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 53 f. Siehe auch die Bemerkung in Fn. 633. 639 Calliess, Umweltstaat (2001), S. 570 f. 632

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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Schließlich muss bedacht werden, dass es sich bei Fällen der Verklammerung wegen des Zwecks um zeitlich auseinanderfallende Maßnahmen handeln kann, die in völlig verschiedene Grundrechte eingreifen. Wenn sie einzig der Zweck verbindet, liefe dies auch wieder auf eine Freiheitsgesamtbilanz640 hinaus. Der Eingriffsbegriff dient gerade dazu, die Komplexität der Realität zu reduzieren.641 Diese Filterfunktion würde aufgegeben, wenn im Wege der Konkurrenzen über einen diffusen Zweckbegriff wieder eine ganzheitliche Betrachtung der Belastungen, denen ein Bürger ausgesetzt ist, angestellt werden müsste. Nicht minder problematisch ist es, auf den Willen des Entscheidungsträgers abzustellen, wann zwei Maßnahmen als zusammen gehörig zu betrachten sind. Zum einen ist es schwierig den einen Willen des Gesetzgebers festzustellen.642 Dies kann letztlich nur ein formalisierter Wille sein. Zum anderen kann der Entscheidungsträger eine grundrechtliche Implikation schlicht übersehen haben. Oder sie kann zufällig eingetreten und deswegen nicht in seinen Willen aufgenommen sein. Um dem zu begegnen, müsste man den „Willen“ von vornherein objektivieren und negative grundrechtliche Auswirkungen pauschal als nicht gewollt unterstellen.643 Zum anderen ist der Wille des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Die Grundrechte bestehen unabhängig von einem Willen des Gesetzgebers. Sie schützen gerade auch vor dem Gesetzgeber. Der Gesetzgeber kann daher nicht darüber disponieren, wann eine Gesamtschau zu erfolgen hat. Vielmehr sind es die Grundrechte selbst, die gebieten, unter bestimmten Umständen eine Gesamtschau anzustellen.644 Der Wille des Gesetzgebers taugt daher allenfalls mit erheblichen Modifikationen dazu, den Umfang der Gesamtschau zu bestimmen. Durch diese Modifikationen werden so viele wertende Kriterien eingeführt, dass der Wille dahinter zurücktritt. Statt vom Willen des Gesetzgebers zu sprechen, kann man daher auch gleich diese wertenden Kriterien anwenden, um den Umfang der Gesamtbetrachtung zu bestimmen. Zweck oder Wille des Gesetzgebers sind somit als Kriterium für eine Verklammerung abzulehnen. Auch die Forderung eines Zweck-Mittel-Zusammenhangs645 kann nicht überzeugen. Die Bezeichnung „Zweck-Mittel-Zusammenhang“ ist erklärungsbedürftig, beispielsweise für den Fall, in dem in das Freiheitsrecht nur versehentlich beziehungsweise nebenbei eingegriffen wird. Genau betrachtet ist der Grundrechtseingriff nämlich nie das Mittel, um den Zweck zu erreichen. Vielmehr ist das, was

640

Siehe zum Begriff „Freiheitsgesamtbilanz“ Abschnitt B. II. 1. c) bb) (6). Klement, AöR 134 (2009), 35, 39. 642 Seybold / Sandner / Weiß, ARSP 101 (2015), 319, 328. 643 Jakobs, Verhältnismäßigkeit (1985), S. 23. 644 Siehe sogleich. 645 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (1) (b). 641

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B. Theoretische Grundlagen

staat­licherseits durch den Grundrechtseingriff gewonnen wird, in der Regel das Mittel. Der Freiheitseingriff ist meist nur in Kauf genommene Nebenfolge.646 Ein Zweck-Mittel-Zusammenhang ist abzulehnen, da auch in dieser Variante der Zweck zum einen zu diffus als Kriterium ist und zum anderen nicht als materielle Begründung für eine Verklammerung taugt. (b) Kritik am Funktionszusammenhang Sowohl von Michael / Morlok im Zusammenhang mit der vertikalen Belastungskumulation,647 als auch von Voßkuhle bei der Saldierung von Vor- und Nachteilen,648 wird ein Funktionszusammenhang gefordert. Die Anforderungen an den Funktionszusammenhang ergäben sich aus dem Äquivalenzprinzip.649 Ähnlich äußert sich Hey, die für die Saldierung von Vor- und Nachteilen einen zwingenden, unmittelbaren Zusammenhang fordert. Falls damit ein materiell aus den beteiligten Grundrechten begründbarer Zusammenhang gemeint ist, entspricht dies der hier vertretenen Auffassung. Ansonsten sind Funktionszusammenhang und „zwingender, unmittelbarer Zusammenhang“ als zu unbestimmt für eine Sachverhaltserweiterung abzulehnen. (c) Materieller Grund Die Kriterien, wann eine Bewertungseinheit zu bilden ist, sind aus dem Grund für die Bildung einer Bewertungseinheit abzuleiten. Anlass der Prüfung ist die Frage, ob eine bestimmte staatliche Maßnahme grundrechtskonform ist. Die zur Prüfung stehenden Grundrechte müssten daher gebieten, den zu betrachtenden Sachverhaltsausschnitt so zu erweitern, dass noch andere Tatsachen mit erfasst werden, die zunächst bei der Sachverhaltsabgrenzung650 außen vor gelassen wurden. Der Grund für die Bildung einer Bewertungseinheit ist daher in den Grundrechten selbst zu suchen. Auch die Kriterien für die Sachverhaltsabgrenzung ergeben sich deshalb aus den Grundrechten. Diese Erkenntnis stimmt überein mit der im Abschnitt „Kriterien der Sachverhaltsabgrenzung“ genannten Forderung, die Wahl des Rechtsfallausschnitts normativ zu steuern und von den beteiligten Grundrechten abhängig zu machen. Tatsächlich können die Schritte „Sachverhaltsabgrenzung“ und „nachträgliche Sachverhaltserweiterung“ nicht so klar auseinandergehalten werden, wie diese Gliederung nahelegt. 646

Schlink, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 445, 450. Siehe Fn. 588. 648 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (6). 649 Voßkuhle, Fn. 613. 650 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) aa). 647

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Einige der oben aufgeführten Fallgruppen der Verklammerung sind denn auch ausschließlich über materielle Erwägungen erklärbar: Zu nennen sind zum einen die Sanktionsfälle.651 Beispiel: Einem Künstler wird wegen der in einer bestimmten Situation verbotenen Kunstausübung eine Haftstrafe als Sanktion auferlegt. Ist die Sanktion Prüfungsgegenstand, so kann nicht nur der Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG durch die Sanktion betrachtet werden. Es muss mitberücksichtigt werden, dass die Sanktion gerade wegen der Ausübung der Kunstfreiheit erfolgte. Wie bereits oben ausgeführt, kann dieses oft zum Ausdruck gebrachte Rechtsgefühl damit dogmatisch begründet werden, dass die Intensität der Belastung in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG dadurch steigt, dass dem Grundrechtsträger ein Vermeiden der Sanktion weniger zumutbar ist, weil er dadurch die Einschränkung seiner Kunstfreiheit hinnehmen müsste. Die Einschränkung der Kunstfreiheit durch das Verbot muss daher bei der Prüfung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG zwingend mitgeprüft werden. Der relevante Sachverhaltsausschnitt muss deshalb so ausgeweitet werden, dass das Verbot der Kunstausübung und die verbotene Kunstausübung miterfasst werden.652 Eine weitere Fallgruppe ist die von Grundrechtsverstoß und Rechtsschutz.653 Unter der (hier nicht näher untersuchten) Ansicht von der materiellen Unselbständigkeit der Justizgrundrechte müssten streitgegenständlicher Grundrechtseingriff und Verletzung des Justizgrundrechts gemeinsam betrachtet werden, da die Verletzung des Justizgrundrechts nur dann materiell eine Vertiefung des streitgegenständlichen Grundrechtsverstoßes darstellt. Auch die Verklammerung in der Fallgruppe der aufsitzenden Grundrechte und Vorbereitungshandlungen654 beruht auf materiellen Erwägungen. Bei den aufsitzenden Grundrechten wird bei genauerer Betrachtung ein bestimmter nachge­ lagerter Sachverhalt vom grundrechtlichen Schutzbereich mit umfasst. Wird das Hauptgrundrecht eingeschränkt, ist grundsätzlich mit in den Blick zu nehmen, zu welchen weiteren Grundrechtsausübungen das Hauptgrundrecht genutzt werden kann. Im Regelfall sind diese Nutzungen jedoch bereits im Hauptgrundrecht berücksichtigt.655 Bei der Fallgruppe der Vorbereitungshandlungen werden auch diese vom Schutzbereich umfasst. Um die Auswirkung einer Beeinträchtigung der Vorbereitungshandlung zu erfassen, ist nicht nur das die Vorbereitungshandlung direkt schützende Grundrecht (zum Beispiel Art. 2 Abs. 1 GG für den Erwerb von Künstlerbedarf)  zu betrachten, sondern auch das Grundrecht, zu dessen Zweck die Vorbereitungshandlung ausgeführt wird (Kunstfreiheit). Wird umgekehrt die Haupthandlung (Kunstausübung) beeinträchtigt, ist auch die Vorbereitungshandlung (Erwerb von Künstlerbedarf) einzubeziehen, da die Dauer und der bisherige 651

Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (3). Zur Verarbeitung in der Gesamtabwägung, siehe Abschnitt C. XII. 653 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (4). 654 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (2). 655 Nachweis siehe Fn. 536. 652

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B. Theoretische Grundlagen

Aufwand für die Haupthandlung bei der Intensität der Einschränkung zu berücksichtigen sind. Zusammenfassend beruht die Verklammerung in der Fallgruppe der aufsitzenden Grundrechte und Vorbereitungshandlungen auf mitgeschützten Grundrechtsausübungen. Bei vielen Fallgruppen der Verklammerung wird von einzelnen Autoren gefordert, dass das gleiche Grundrecht betroffen ist. So verlangen sowohl Klein bei der Saldierung von Vor- und Nachteilen als auch Lücke und Lee bei der vertikalen Belastungskumulation zusätzlich zum gleichen Zweck, dass das gleiche Grundrecht betroffen ist. Auch der Ansatz über das gleiche Grundrecht bezieht den Grund der Verklammerung aus dem Grundrecht selbst. Bei der Intensität des Eingriffs in ein Grundrecht ist auf die Einzelperson abzustellen.656 Wie dargelegt wurde,657 lässt sich die Theorie vom abnehmenden Grenznutzen658 auch auf die Grundrechts­ einschränkung übertragen: Wessen Grundrecht bereits drastisch eingeschränkt ist, der wird eine weitere Grundrechtseinschränkung als schlimmer empfinden als eine andere Person, die sich noch des vollen Umfangs der Grundrechtsausübung erfreut. Noch andauernde Einschränkungen des selben Grundrechts sind daher zu berücksichtigen alsVorbelastungen. Die entsprechenden Sachverhalte sind zu verklammern. Etwas weiter ist die Auffassung G. Kirchhofs, der genügen lässt, dass es sich um eine Einschränkung im „vergleichbaren Gegenstand“ handeln muss.659 Als Beispiel, wann ein vergleichbarer Gegenstand vorliegt, nennt G. Kirchhof die „Normwirklichkeit des privaten Bereichs“, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Post­ geheimnis und die Freiheit der Wohnung umfasse. Außerdem gebe es die Normwirklichkeiten des Berufs, des Eigentums und des Schutzes des Lebens. Diese Beispiele lassen aber nicht erkennen, wie man den vergleichbaren Gegenstand sicher abstrakt bestimmen kann. Der „vergleichbare Gegenstand“ ist daher als zu unscharf abzulehnen. Es besteht auch keine Notwendigkeit, die Verklammerung wegen des gleichen Grundrechts auszudehnen auf ähnliche Grundrechte. Unter Berücksichtigung der Weite des Art. 2 Abs. 1 GG und bei sorgfältiger Beachtung mitgeschützter Sachverhalte, bleiben keine relevanten Sachverhalte außen vor. Beispielsweise ist in dem von G. Kirchhof genannten Beispiel der „Normwirklichkeit des privaten Bereichs“ bei richtiger Auslegung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowohl der Schutz der Wohnung als auch das Postgeheimnis mit umfasst.660 Das weite allgemeine Persönlichkeitsrecht wirkt verklammernd, so dass zum Beispiel eine Postkontrolle und eine Wohnungsüberwachung im Hinblick auf die Gesamtbelastung für die Persönlichkeitsentfaltung zusammen zu betrachten 656

Auch bei der abstrakten Normenkontrolle ist auf eine abstrakte Einzelperson abzustellen. Schlink, Abwägung (1976), S. 167 f.; Klement, AöR 134 (2009), 35, 72 f.; vgl. Alexy, Theorie (1985), S. 147; in diese Richtung auch BVerfGE 125, 260, 323 f. – Vorratsdatenspeicherung. 658 „Gossen’sches Gesetz“, vgl. Gossen, Entwicklung (1854/1987). 659 Nachweise siehe oben, Abschnitt B. II. 1. c) bb) (5) (b) (bb). 660 Da Art. 10 GG und Art. 13 GG in ihrem jeweiligen Bereich die konkreteren Ausführungen enthalten und das allgemeines Persönlichkeitsrecht keine weiteren Anforderungen enthält, fällt dies in anderen Fällen praktisch nicht auf. 657

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sind. Findet sich kein materieller Grund, warum ein bestimmter, für ein anderes Grundrecht relevanter Sachverhalt miteinbezogen werden soll, so ist er eben nicht einzubeziehen. Was genau Klement mit seinem Eingriffsumfeld meint,661 bleibt demgegenüber unklar. Da er aber maßgeblich auf das einzelne Grundrecht abstellt und dazu auffordert, die Auswirkungen auf dieses Grundrecht genau zu betrachten, scheint sein Ansatz ähnlich, wie der hier vertretene. cc) Sachverhaltsabgrenzung bei Beteiligung von Leistungsgrundrechten Bei Leistungsnormen kann bei der Sachverhaltsabgrenzung weder auf eine Handlung des Grundrechtsträgers noch auf eine des Staates abgestellt werden.662 Ersteres nicht, weil Leistungsnormen in der Regel nicht auf die Bewahrung von Handlungsspielräumen, sondern von Rechtsgütern und Integritätssphären abzielen.663 Letzteres nicht, da es um ein Unterlassen geht.664 Zwar wird „Handlung“ oft als Ober­begriff für „Tun“ und „Unterlassen“ verstanden; dies hilft aber bei der Eingrenzung nicht weiter, da beim Unterlassen beliebig viele andere Handlungen unterlassen werden.665 Bei Leistungsgrundrechten taugt zur Eingrenzung des Rechtsfallausschnitts nur ein bestimmtes unterlassenes Tun,666 welches sich wiederum aus einer Handlungspflicht des Staates ergibt. Daher wird unter Leistungsnormen zur Bestimmung des relevanten Rechtsfallausschnitts auf das Begehren des Grundrechtsträgers abgestellt.667 Es heißt, mehrere Einzelbegehren könnten zu einem Gesamtbegehren zusammengeführt werden, wenn sie zweckidentisch seien oder zwischen ihnen ein funktionaler Zusammenhang bestehe.668 Letzteres sei insbesondere bei der verfahrensrechtlichen Sicherung von materiell leistungsrechtlichen Positionen der Fall.669 Dem kann nicht gefolgt werden. Wie sich aus den zur Sachverhaltserweiterung bei Abwehrrechten dargestellten Gründen ergibt,670 ist ein materieller, aus den beteiligten Grundrechten begründeter Zusammenhang zu fordern.

661

Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (5) (b) (dd). Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 94. 663 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 94. 664 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 94. 665 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 94. 666 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 94. 667 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 94. 668 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 269. 669 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 269. 670 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (c).

662

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B. Theoretische Grundlagen

dd) Sachverhaltsabgrenzung bei Beteiligung von Gleichheitsrechten Unter Gleichheitsnormen ist der Rechtsfallausschnitt bei ungleicher Belastung wie bei Abwehrnormen zu bestimmen, bei ungleich vorenthaltener Begünstigung wie unter Leistungsnormen.671 Für die nachträgliche Sachverhaltserweiterung ist ebenfalls ein materiell aus dem Grundrecht herrührender Grund zu fordern.672 Hierbei sind die im Abschnitt „Gleichheitsrecht“ näher dargelegten Gesichtspunkte zu berücksichtigen.673 Auch für den Bereich der Gleichheitsrechte wird diskutiert, mehrere verschiedene Diskriminierungshandlungen in ihrer Gesamtwirkung zu betrachten.674 Hier ist ebenfalls nach einem materiell aus den Grundrechten fließenden Grund zu fragen, warum ein anderer Sachverhalt betreffend eine andere diskriminierende Maßnahme oder eine Freiheitsbeeinträchtigung hinzugezogen werden muss. So kommt es zu einer Sachverhaltserweiterung in dem bereits oben675 angesprochenen Fall, wenn die Intensität einer Grundrechtseinschränkung zu beurteilen ist und dabei ein ein anderes Grundrecht einschränkendes Alternativverhalten möglich ist. Über die Frage der Beeinflussbarkeit der Betroffenheit wird dabei die Intensität der Grundrechtseinschränkung beeinflusst.676 Daher ist der Sachverhalt zur Einbeziehung dieses Alternativverhaltens auszuweiten. Der Fall, dass eine Ungleichbehandlung auf mehreren Differenzierungskriterien beruht, ist kein Fall der Sachverhaltserweiterung,677 sondern kann im Rahmen der normalen Prüfung des Gleichheitssatzes berücksichtigt werden.678 In einem ersten Beispiel wird einer Person aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts die Baugenehmigung verweigert. Im zweiten Beispiel wird Arbeiterinnen die Nachtarbeit verboten, weiblichen Angestellten und Männern nicht.679 Spielmann hält beide Konstellationen für konstruktiv verschieden: In Beispiel 1 läge nur eine Einzeldiskriminierung im Sinne einer „kumulativen Ungleichbehandlung“ vor.680 Im Beispiel 2 läge demgegenüber eine „doppelte Ungleichbehandlung“ vor, eine Ungleichbehandlung in zwei Relationen, nämlich als Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts und als Ungleichbehandlung wegen des arbeitsrechtlichen Status.681 Diese Sonderstellung der Konstellation wird flankiert von soziologisch geprägten 671

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 95. Zur näheren Begründung siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (c). 673 Siehe Abschnitt D. 674 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 212 f.; vgl. Makkonen, Discrimination, S. 10. 675 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (c). 676 Nähere Erläuterung im Abschnitt C. XII.; siehe auch B. II. 1. c) bb) (7) (c). 677 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 212. 678 Siehe Abschnitte D. III. 4. bis D. IV. 679 Vgl. BVerfGE 85, 191 – Nachtarbeitsverbot. 680 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 212. 681 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 212 f. 672

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Ansichten aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis, die darauf abstellen, dass die Diskriminierung von Personen im Schnittfeld zweier benachteiligter sozialer Gruppen qualitativ andersartig und schwerer sei als die, denen Personen ausgesetzt sind, die nur einer benachteiligter Gruppe angehören (zum Beispiel schwarze Frauen). Siehe dazu den Abschnitt zur Intersektionalität.682 Beide von Spielmann genannten Beispiele sind aber keine verschiedenen Fallkonstellationen, sondern konkurrenzrechtlich die selbe, nur aus verschiedenen Blickwinkeln: Sie sind abstrakt formulierbar in „Personen mit Merkmal X und Merkmal Z erhalten keine Baugenehmigung“ und „Personen mit Merkmal X und Merkmal Z dürfen nachts nicht arbeiten“. Bei oberflächlicher Betrachtung des Gesetzes in Beispiel 2 ist nicht sofort offensichtlich, welche die entscheidenden Merkmale sind, da dafür der Kontext (Unterscheidung Arbeiter-Angestellte, Nichtgeltung der Regelung für diese Personen) bekannt sein muss. Dies macht daraus aber keine gesonderte Fallgruppe. Eine Sachverhaltsausweitung, wie Spielmann sie annimmt,683 muss daher nicht vorgenommen werden. Ausführungen zu möglichen Verstärkungswirkungen bei Ungleichbehandlungen in mehreren Merkmalen finden sich in dem Abschnitt D. III. 4. 2. Behandlung einer Konkurrenzlage Während die Rechtsprechung zu Fällen der Grundrechtskonkurrenz in aller Regel nur oberflächlich und formelhaft Stellung nimmt,684 beschäftigt sich die Literatur seit Anfang der 1950er Jahre mit dem Phänomen.685 Dabei hat vor allem die Diskussion von Konstellationen mit Schrankendivergenz breiteren Raum eingenommen, als ihrer Relevanz entspräche, so dass beispielsweise die Frage einer Wirkungsverstärkung erst spät erkannt und daher bislang wenig diskutiert wurde. An möglichen Lösungen für eine Konkurrenzlage gibt es nur zwei: Entweder, es kommt zu einer Verdrängung des einen Grundrechts durch das andere, oder beide sind nebeneinander anwendbar.

682

Siehe Abschnitt D. III. 5. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 212 f. 684 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1384; berühmtestes Negativbeispiel dazu ist wohl BVerfGE 104, 337 – Schächten. 685 Peters, in: FS Messner (1961), S. 363; Koebel, JZ 1961, 521; Schnur, VVDStRL 22 (1963), 101; Ridder, Freiheit (1963); v. Mangoldt / F. Klein, in: v. Mangoldt / Klein, 2. Aufl. (1966), Vorbemerkung; Berg, Konkurrenzen (1968); Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41. 683

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B. Theoretische Grundlagen

a) Anleihen aus dem Straf- oder Zivilrecht Der Blick ins Strafrecht, der wegen der dort ausgefeilteren Konkurrenzdogmatik häufig unternommen wird, ist letztlich nicht zielführend:686 Bei der Frage der Grundrechtskonkurrenzen geht es um die Verfassungsmäßigkeit staatlichen Handelns, während es im Strafrecht um das Strafmaß geht. So gibt es für die Realkonkurrenz687die bei der Gesamtstrafenbildung wichtig ist,688 keine Entsprechung im Verfassungsrecht.689 Im Zivilrecht sind folgende Begrifflichkeiten gebräuchlich: Bei Gesetzeskonkurrenz verdrängt eine Norm die andere.690 Bei alternativer oder elektiver Konkurrenz stellt das Gesetz mehrere Ansprüche wahlweise zur Verfügung.691 Bei der Anspruchskonkurrenz liegen mehrere materiell-rechtliche Ansprüche vor, obwohl die Leistung in gleicher Weise und nur einmal zu erbringen ist.692 Bei der Anspruchsnormenkonkurrenz liegt ein einziger materiell-rechtlicher Anspruch vor.693 Anleihen aus den Konkurrenzlösungen des Zivilrechts sind allerdings auch nicht zielführend, da letztlich Einigkeit herrscht, dass nur ein gleichartiger Anspruch vollstreckt werden darf und somit keinerlei Verstärkungswirkung eintritt.694 Im Gegensatz zum Zivilrecht und zum Strafrecht ist die Lage im Öffentlichen Recht vielschichtiger; Rechtsfragen beziehen sich sowohl auf Ansprüche als auch auf staatliches Handeln im weiteren Sinn (zum Beispiel Erlass eines Verwaltungsakts oder Parlamentsgesetzes); auch sind Konkurrenzen unterschiedlicher Normtypen denkbar, beispielsweise von Anspruchs-, Befugnis- oder Zuständigkeitsnormen.695 b) Problemumgehung enge Schutzbereichsauslegung Früher wurde versucht, Grundrechtskonkurrenzsituationen gar nicht erst auftreten zu lassen, indem die Schutzbereiche restriktiv gegeneinander abgegrenzt wurden696 (sog. „Ausgrenzungsthese“697). 686

E.  Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 536 f.; vgl. v.  Münch / Kunig, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Vorbemerkung Art. 1–19 GG, Rn. 48. 687 Auch „Tatmehrheit“ genannt. 688 Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 23. 689 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1373; Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 2. 690 Larenz, AT, 7. Aufl. (1989), § 18 Rn. 19. 691 Larenz, AT, 7. Aufl. (1989), § 18 Rn. 24. 692 Larenz, AT, 7. Aufl. (1989), § 18 Rn. 40. 693 Larenz, AT, 7. Aufl. (1989), § 18 Rn. 35. 694 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 535. 695 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 29. 696 Wehrhahn, AöR 82 (1957), 250, 273; Ridder, Freiheit (1963), S. 18 ff.; Schnur, VVDStRL 22 (1963), 101, 138 f.; 144 f.; Gallwas, AöR 95 (1970), 329, 329. 697 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53.

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Dagegen spricht, dass so bereits bei der Festlegung des Schutzbereichs eine Art Abwägung unter zweckfunktionalen Gesichtspunkten erfolgen müsste.698 Eine offene Beschäftigung mit dem Problem „Grundrechtskonkurrenz“ ist schutzbereichsver­ engenden Freiheitsbeschränkungen mit willkürlichen Grenzziehungen vorzuziehen.699 c) Verdrängung Abgesehen von der Nebeneinandergeltung (Idealkonkurrenz, siehe unten) ist die Verdrängung eines der Grundrechte die andere Möglichkeit zur Behandlung einer Konkurrenzlage. Für die Frage, welches von zwei Grundrechten verdrängt werden soll, gibt es mehrere Vorschläge, die zum Teil auch kumulativ vertreten werden. Ganz allgemein kann eine Verdrängung logisch, normativ oder pragmatisch begründet sein.700 aa) Lex posterior Eine der klassischen Konkurrenzregeln ist lex posterior derogat legi priori: Das jüngere Gesetz hebt die älteren auf. Dieser Satz hilft im Bereich der Grundrechtskonkurrenzen aber nicht weiter,701 da die Grundrechte in der Regel gleichzeitig kodifiziert wurden.702 Abgesehen davon lässt sich argumentieren, dass die Grundrechte aufgrund ihrer menschenrechtlichen Wurzel702a überzeitliche Geltung haben und der zufällige Zeitpunkt ihrer schriftlichen Kodifizierung nichts über ihr Verhältnis zueinander aussagt, vgl. auch die „Verantwortung für die künftigen Generationen“ in Art. 20a GG. bb) Abstrakte Rangordnung Ein weiterer Ansatz besteht darin, unter Annahme einer abstrakten Wertrangordnung der Grundrechte im Fall der Idealkonkurrenz das höherrangige Grundrecht dem niederrangigen vorgehen zu lassen.703 Bei einer abstrakten Rangordnung wird den Grundrechten losgelöst vom Einzelfall ein unterschiedliches Gewicht zugeordnet. Daneben wird der Begriff Rangordnung auch für das Ergebnis der 698

I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 579. Siehe  Berg, Konkurrenzen (1968), S. 75; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1379, 1383; Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 429; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 134, 349. 700 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 43, 347, von ihm „Vorrangentscheidung“ genannt. 701 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1372; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 157. 702 E. Hofmann, Jura 2008, 667, 668 f.; Beyerbach, Unternehmensinformation (2012), S. 235. 702a Siehe Abschnitt C. II. 1. c). 703 Lepa, DVBl. 1972, 161, 164; Berg, Konkurrenzen (1968), S. 91 f. 699

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Abwägung im Einzelfall im Sinne einer konkreten Rangordnung der Grundrechte verwendet. Um eine solche konkrete Rangordnung soll es im Folgenden Abschnitt nicht gehen, da die Frage der Auflösung einer Idealkonkurrenz sinnvollerweise vor einer aufwändigen Abwägung zu klären wäre. Ansätze, eine abstrakte Rangordnung der Grundrechte aufzustellen, gehen auf die 1950er und 1960er Jahre zurück.704 Zunächst waren die Überlegungen zur Lösung von Kollisionsfällen gedacht.705 Erst später wurde erkannt, dass sich allgemein-gültige, abstrakte Aussagen über Kollisionsfälle nur im Ausnahmefall treffen lassen. Praktisch immer ist ein Fall denkbar, bei dem aufgrund eines untypisch schweren Gewichts des abstrakt „niederrangigen“ Grundrechts dieses gegenüber dem abstrakt „höherrangigen“ in der vorzunehmenden Abwägung obsiegt.706 Aufgrund der thematischen Ähnlichkeit und der von Friedrich Klein ausgelösten Begriffsverwirrung um „Kollision“ und „Konkurrenz“,707 erfolgen Ausführungen zum Rang auch im Zusammenhang mit einer Grundrechtskonkurrenzlage. Ein unterschiedlicher Rang einzelner Grundrechte wurde und wird im Wesentlichen an den unterschiedlichen Schranken festgemacht.708 Eingriffsvorbehalte geringeren Umfangs seien ein Zeichen, dass die Grundrechtsnorm wichtiger für den Schutz der intim-individuellen Sphäre sei und damit einen höheren Rang habe:709 „Je individueller und intimer das Schutzobjekt der einzelnen Grundrechtsnorm ist und je geringere Einschränkungsvorbehalte bestehen, desto wertvoller ist ein Grundrecht auch in der Reihe der übrigen.“710 Bei Gleichrangigkeit wird zur weiteren Unterscheidung zum Teil auf die thematische Nähe zur Menschenwürde abgestellt.711 An erster Stelle der Rangordnung stehe die Menschenwürde, deren besondere Bedeutung durch ihren Schutz durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG untermauert werde, danach kämen die nicht an den Deutschen-Status anknüpfende Rechte;712 dann kämen die Deutschengrundrechte, weil sie einschränkbarer seien; dann folgten die Freiheitsgarantien mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt; dann die, die unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze stünden; und dann die, die durch jedes formelle Gesetz eingeschränkt werden könnten; an letzter 704 F. Klein, in: v. Mangoldt / Klein, 2 (1957), Vorbemerkungen, S. 125; Peters, in: FS Messner (1961), S. 363, 364; Hippel, Grenzen (1965), S. 39; Großkreutz, Normwidersprüche (1966), S. 34, 38. 705 F.  Klein, in: v. Mangoldt / Klein, 2 (1957), Vorbemerkungen, S. 125; besonders deutlich Gern, DÖV 1986, 462, 466; Wipfelder, BayVBl. 1982, 162, 164 f. 706 Alexy, Theorie (1985), S. 139–140; Sachs, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 81, S. 563. 707 F. Klein, in: v. Mangoldt / Klein, 2 (1957), Vorbemerkungen, B XV 2b – S. 125; ablehnend Berg, Konkurrenzen (1968), S. 6. 708 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 91, 109; Lepa, DVBl. 1972, 161, 167; Blaesing, Grundrechtskollisionen (1974), S. 149 f.; Schneider, Güterabwägung (1979), S. 154, 247; in diese Richtung Wendt, AöR 104 (1979), 415, 438: „gewisse Indizwirkung“. 709 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 109. 710 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 109. 711 Blaesing, Grundrechtskollisionen (1974), S. 143, 151. 712 Von Blaesing „Menschenrechte“ genannt.

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Stufe stünde Art. 2 Abs. 1 GG, was sich aus seiner Natur als Auffanggrundrecht und seinem weiten Gesetzesvorbehalt ergebe.713 Zu kritisieren ist daran, dass der Rang eines Grundrechts an der jeweiligen Schranke festgemacht wird ((1)). Auch der Ansatz zur Bildung einer Rangordnung durch Rekurs auf die preferred freedoms Doktrin der USA ist abzulehnen ((2)). Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine abstrakte Rangordnung unter den Grundrechten aufzustellen ((3)). Schließlich ist es abzulehnen, das Phänomen der Grundrechtskonkurrenz über eine Rangordnung zu lösen ((4)). (1) Keine Rangordnung anhand der Schranken Zu kritisieren ist an einer Rangordnung anhand der Schranken, dass es sehr zweifelhaft ist, ob die geschriebenen Schranken ein hinreichender Indikator sind, die das Aufstellen einer abstrakten Rangordnung erlauben.714 Zwar gibt es durch die unterschiedlichen Schranken eine unterschiedliche Intensität des Schutzes; dies ist aber weder ihre einzige noch ihre primäre Funktion; das Fehlen eines Gesetzesvorbehalts deutet nicht ohne weiteres auf eine erhöhte Schutzwürdigkeit des gewährleisteten Rechts hin.715 Zudem ist unklar, inwieweit auch die immanenten Schranken der Grundrechte zu berücksichtigen sind.716 Alle Gewichtsdifferenzierungen unter den Grundrechten anhand der Schranken ähneln dem Vergleich von Äpfel und Birnen, da es von Grundrecht zu Grundrecht unterschiedliche kollidierende eingriffslegitimierende Gründe gibt, und die Angabe der gleichen einschränkenden Gründe bei allen Grundrechten nicht sinnvoll ist.717 Auch gibt es keine Anhaltspunkte, dass das Grundgesetz die Grundrechte nach den unterschied­ lichen Schranken differenziert. Schließlich führt das Aufstellen einer Rangordnung anhand der Schranken zu der wenig plausiblen Konsequenz, dass die schrankenlos gewährleistete Religionsfreiheit einen prinzipiellen Vorrang vor dem Recht auf Leben hätte.718 (2) Exkurs: preferred freedoms Doktrin in den USA In den USA wird unter dem Stichwort preferred freedoms ebenfalls ein abstrakter Vorrang bestimmter Grundrechte diskutiert. In den 1930er bis 1950er Jahren ver 713

Blaesing, Grundrechtskollisionen (1974), S. 149 f. Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 42; Lücke, Berufsfreiheit (1994), S. 46; Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 33. 715 Hesse, Grundzüge, 20. Aufl. (1995), Rn. 316. 716 Schwabe, Probleme (1977), S. 318. 717 Schwabe, Probleme (1977), S. 307. 718 Blaesing, Grundrechtskollisionen (1974), S. 151 f. Fn. 4, der die Menschenwürde bemüht, um dieses ungewollte Ergebnis zu vermeiden; ablehnend daher Schwabe, Probleme (1977), S. 318–319. 714

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B. Theoretische Grundlagen

trat der US Supreme Court, die kommunikativen Freiheiten des 1. Zusatz­artikels stünden in einer preferred position, so dass der Gesetzgeber nur bei Vorliegen besonders dringender öffentlicher Interessen in sie eingreifen dürfte.719 Für diese Doktrin wurde der Begriff preferred freedoms prägend.720 Der selbe strikte Prüfungsmaßstab wird auch bei Gleichheitsrechten bei rassischen oder sonst verdächtigen Unterscheidungen angewandt, so dass für alle diese Konstellationen der Begriff preferred right verwendet wurde.721 Mittlerweile hat der US Supreme Court diese Terminologie wieder aufgegeben, ohne aber den strikten Prüfungsmaßstab für manche Rechte fallen zu lassen.722 Eine Übertragung der preferred freedoms Doktrin ins deutsche Verfassungsrecht ist abzulehnen.723 Entwickelt wurde die Doktrin als Auslegungs- und Kollisionsregel und nicht als Konkurrenzregel.724 Inhaltlich lassen sich keine bedeutenden Erkenntnisse gewinnen, weil sie in ihrer ursprünglichen Form keine Anwendung mehr findet.725 Auch soweit ihr Geist in andere dogmatischen Grundsätze eingeflossen ist, wie, dass Eingriffe in manche besonders wichtige fundamental rights der Rechtfertigungsprüfung nach dem Maßstab der strict scrutiny zu unterziehen sind, lässt sich daraus für die Frage nach einer Rangordnung der Grundrechte nichts ableiten,726 da die Unterscheidung im Wesentlichen zweipolig ist, was sie ungeeignet zur Erstellung einer abstrakten Rangordnung unter den Grundrechten macht. (3) Existenz einer Rangordnung unter den Grundrechten Auch jenseits der Schrankendiskussion gibt es Ansätze, eine abstrakte Rangordnung der Grundrechte durch die Nähe zur Menschenwürde als Grundwert zu gewinnen.727 So stehe das Leben in der Rangordnung der Rechtsgüter oben, da es 719 Epstein / Walker, Constitutional Law, 8. Aufl. (2013), S. 214; US Supreme Court, (1943) 319 U. S. 105, 115  – Murdock v. Pennsylvania; US  Supreme Court, (1945) 323 U. S. 516, 529 f. – Thomas v. Collins; vgl. Brugger, Grundrechte (1987), S. 223 Fn. 28. Siehe auch Abschnitt C. III. 3. 720 Epstein / Walker, Constitutional Law, 8. Aufl. (2013), S. 214; Brugger, Grundrechte (1987), S. 223 Fn. 28. 721 Brugger, Grundrechte (1987), S. 223 Fn. 28; vgl. zum strikten Prüfungsmaßstab US Supreme Court, (1938) 304 U. S. 144, 152, Fn. 4 – United States v. Carolene Products Co.; US Supreme Court, (1973) 411 U. S. 677, 682 – Frontiero v. Richardson; US Supreme Court, (2016) 579 U. S. ___ – Fisher v. University of Texas at Austin. 722 Epstein / Walker, Constitutional Law, 8. Aufl. (2013), S. 214; Kommers, Southern California Law Review 53 (1980), 657, 668; Brugger, Grundrechte (1987), S. 223 Fn. 28. 723 Stern, in: Stern Staatsrecht I (1984), 134. 724 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1374 m. w. N. 725 Epstein / Walker, Constitutional Law, 8. Aufl. (2013), S. 214. 726 Epstein / Walker, Constitutional Law, 8. Aufl. (2013), S. 214; zum substantive due process Grundsatz Wittmann, Privatsphäre (2014), S. 41 ff. m. w. N. 727 Dietel, DVBl. 1969, 569, 575.

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der Würde am nächsten sei.728 Ansonsten könnten „nur eindeutige, jedermann überzeugende und für jedermann verbindliche Abgrenzungskriterien“ maßgebend sein, beispielsweise Leben vor Gesundheit, Gesundheit vor Bewegungsfreiheit, Bewegungsfreiheit vor allgemeiner Handlungsfreiheit.729 Die Wertigkeit der Grundrechte bestimme sich auch aus ihrer Relevanz für die Demokratie und den Rechtsstaat, so seien die demokratischen Grundrechte, wie zum Beispiel Meinungsäußerungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, und Petitionsrecht, der allgemeinen Handlungsfreiheit überzuordnen.730 Auch der Grad der Gemeinschaftsrelevanz sei wichtig.731 Außerdem werden Formeln wie „Personengutwerte gehen vor Sachgutwerten“ vertreten.732 Überwiegend wird eine abstrakte Rangordnung der Grundrechte jedoch abgelehnt.733 Die Grundrechte seien von abstrakt gleichem Rang.734 Sie seien untereinander nicht kommensurabel, also ohne gemeinsames Maß, anhand dessen sie verglichen werden könnten, so dass keine Rangordnung gebildet werden könne.735 Hierarchische Bezüge zwischen verschiedenen Grundrechtsnormen, welche beispielsweise unter Voranstellung von Art. 1 und Art. 20 GG oder von Art. 2 GG als generellen Normen im Unterschied zu anderen Normen als spezielle Vorschriften gewonnen würden, seien Ergebnisse einer wertenden, nicht einer logisch-systematischen Auslegung.736 Das Bundesverfassungsgericht hat die besondere Bedeutung einzelner Grundrechte in manchen Entscheidungen zwar besonders betont, dadurch wurde aber keine konsequente Rangordnung aller verfassungsrechtlichen Werte aufgestellt.737 Häufig wird eine Ausnahme eingeräumt für Art. 1 GG, da dieser Artikel durch Art. 79 Abs. 3 GG vor Abänderung geschützt wird.738 Das Argument, das Grund 728

Dietel, DVBl. 1969, 569, 575; vgl. Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 46. Dietel, DVBl. 1969, 569, 576. 730 Dietel, DVBl. 1969, 569, 576; Gern, DÖV 1986, 462, 467. 731 Gern, DÖV 1986, 462, 467. 732 Ablehnend Blaesing, Grundrechtskollisionen (1974), S. 148. 733 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 111; Grimmer, Demokratie (1980), S. 118; Hermes, Leben (1987), S. 252 f., andererseits S. 256: eine unterschiedliche Bedeutsamkeit der Grundrechte könne nicht gänzlich geleugnet werden; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1375; E.  Hofmann, Jura 2008, 667, 668 f.; Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 116; vgl. auch Koebel, JZ 1961, 521, 525. 734 Koebel, JZ 1961, 521, 525; Ossenbühl, in: FS 25 Jahre BVerfG Bd. I (1976), S. 458, 507; Alexy, Theorie (1985), S. 139; E.  Hofmann, Jura 2008, 667, 668 f.; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 160. 735 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 111. 736 Grimmer, Demokratie (1980), S. 118 f. 737 Für die Menschenwürde: BVerfGE 30, 173, 193 – Mephisto; Freiheit der Person: BVerfGE 58, 208, 219 – Baden-Württembergisches Unterbringungsgesetz; Meinungsfreiheit: BVerfGE 25, 256, 263 f. – Blinkfüer; Versammlungsfreiheit: BVerfGE 69, 315, 341 – Brokdorf; Unverletzlichkeit der Wohnung: BVerfGE 75, 318, 326 – Sachverständiger; vgl. Sachs, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 81, S. 562 m. w. N. 738 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1375; Sachs, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 81, S. 563. 729

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gesetz enthalte keinen Hinweis auf eine abstrakte Rangordnung,739 ist wegen der herausgehobenen Stellung, die Art. 1 GG in Art. 79 Abs. 3 GG eingeräumt wird, auch abzulehnen. Allerdings werden außer Art. 1 GG in Art. 79 Abs. 3 GG keine weiteren Grundrechte explizit genannt, sodass sich aus Art. 79 Abs. 3 GG keine ausdifferenzierte und damit hilfreiche Rangordnung ergäbe. (4) Irrelevanz einer Rangordnung für die Behandlung von Konkurrenzlagen Selbst wenn man auf sinnvolle Art und Weise eine Rangordnung unter den Grundrechten aufstellen könnte, wäre sie irrelevant für die Lösung von Grundrechtskonkurrenzfällen.740 Eine Rangordnung der Grundrechte ist nur als Bündel von Gesichtspunkten zu verstehen und bietet Argumentationshilfe für Konflikte.741 Der konkrete Wert eines Grundrechts und sein Rang im Vergleich zu anderen Rechtsgütern sollte aber erst bei der konkreten Gegenüberstellung, also bei der Abwägung, ermittelt werden,742 und nicht bereits bei der Frage, welche Grundrechte überhaupt anwendbar sind. Zudem ist kein Grund ersichtlich, warum das niederrangige Grundrecht (egal wie man es bestimmt) keinen Einfluss mehr auf die Falllösung haben sollte. cc) Schrankendivergenz als Problem und Lösungsansatz Ein weiterer Diskussionsstrang, der ebenfalls auf eine Verdrängung hinausläuft, stellt maßgeblich auf die unterschiedlichen Grundrechtsschranken ab. Der Begriff „Schranken“ bezeichnet hier kodifizierten Grenzen der Einschränkbarkeit eines Grundrechts.743 Das Problem unterschiedlicher Grundrechtsschranken wird vor allem in der älteren Literatur beim Thema „Grundrechtskonkurrenzen“ diskutiert.744 Lange Zeit sah man die unterschiedlichen Grundrechtsschranken, mit dem Schlagwort „Schrankendivergenz“ bezeichnet, als Hauptproblem der Grundrechtskonkurrenzen, wenn nicht 739

Grimmer, Demokratie (1980), S. 118; Hermes, Leben (1987), S. 252 f. Peter Wittig, in: FS Gebhard Müller (1970), S. 575, 585; vgl. auch Michael, JÖR 48 (2000), 169, 197 f. 741 Hochhuth, Meinungsfreiheit (2007), S. 182. 742 Vgl. Schwabe, Probleme (1977), S. 405; Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 424. 743 Siehe zum Begriff Abschnitt A. III. 1. a) bb). 744 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 110; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1367; Spielmann, JuS 2004, 371, 373; Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 13, 48; Bethge, in: Hdb Grundrechte III (2009), Rn. 28; Sachs, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Vor Art. 1, Rn. 137; vgl. auch Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670; Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 108; dagegen E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 349: Die These von der besonderen Problematik der Konkurrenz schrankendiver­ genter Grundrechte könne nicht überzeugen. 740

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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sogar als das einzige.745 Zu einem Teil erfolgt die Diskussion um die Schranken­ divergenz ebenfalls mit dem Ziel, aus unterschiedlich wahrgenommenen „Stärken“ des Grundrechtsschutzes eine abstrakte Wertrangordnung der Grundrechte zu erstellen, um dann nur das ranghöhere anzuwenden.746 Zu einem anderen Teil wird dabei auch lediglich gefragt, welche Schranken auf Rechtfertigungsebene heranzuziehen sind, womit impliziert wird, dass die Grundrechte grundsätzlich nebeneinander anwendbar sind. Bei dem weitaus größten Teil der Literatur jedoch wird das Problem diskutiert, ohne das Ziel deutlich zu benennen. Bei diesen Autoren bleibt unklar, ob Gesetzeskonkurrenz oder Idealkonkurrenz angenommen wird.747 Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass das Problem divergierender Schranken nur ein Zusatzproblem der Grundrechtskonkurrenzen darstellt748 und keinesfalls das Hauptproblem.749 Nach der These des Schutzminimums ist die „niedrigere“750 Schranke maßgeblich bzw. das Grundrecht mit der „niedrigeren“ Schranke allein anzuwenden.751 Nach der These des Schutzmaximums ist die „höhere“ Schranke maßgeblich bzw. allein das Grundrecht mit der „höheren“ Schranken anzuwenden.752 Außerdem gibt es noch vereinzelt gebliebene Sonderkonstruktionen, die Anleitung zur Findung einer „Kompromiss-Schranke“ zwischen höheren und niedrigeren geben.753 Eine Auflösung der Konkurrenzlage über die unterschiedlichen Schranken ist mittlerweile überholt. Zwar können einige Kernkriterien der Schranken identifiziert werden, beispielsweise wird die verfassungsmäßige Ordnung in Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 2 GG sowie in Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG als Schranke bzw. Schutz­ bereichseinschränkung genannt, die freiheitlich demokratische Grundordnung in 745 Erbel, Kunstfreiheitsgarantie (1965), S. 124; Berg, Konkurrenzen (1968), S. 99; Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 110; Venanzoni, ZSR 98 I n. F. (1979), 267, 268; Rohrer, Beziehungen (1982), S. 20; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1367; Lücke, Berufsfreiheit (1994), S. 41; Manssen, Staatsrecht I (1995), Rn. 644; Ronellenfitsch, JÖR 44 (1996), 167, 182; Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 15; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 91 f.; Spielmann, JuS 2004, 371, 373; Bethge, in: Hdb Grundrechte III (2009), Rn. 28; Sachs, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Vor Art. 1, Rn. 137; noch Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 249. 746 Siehe oben, Abschnitt B. II. 2. c) bb). 747 Dies kritisierend Degen, Pressefreiheit (1981), S. 98 f., 305. 748 Schwabe, Probleme (1977), S. 394. 749 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 349; E.  Hofmann, Jura 2008, 667, 670; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 289: der Blick auf eine sachgerechte Lösung werde verstellt; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 201, Rn. 112; Bumke /  Voßkuhle, Casebook, 7. Aufl. (2015), S. 73. 750 Die Attribute „niedrig“ und „hoch“ bzw. „stark“ und „schwach“ bzw. „eng“ und „weit“ werden von der Literatur nicht einheitlich in der gleichen Richtung gebraucht, vgl. Schwabe, Probleme (1977), S. 356 Fn. 2. Hier wird mit der überwiegenderen Ansicht unter „niedrigen Schranken“ die Schranken von „leicht“ einschränkbaren Grundrechten verstanden, z. B. mit einfachem Gesetzesvorbehalt. „Höhere Schranken“ sind entsprechend Schranken von „schwer“ einschränkbaren Grundrechten, z. B. solche ganz ohne Gesetzesvorbehalt. 751 Siehe dazu Abschnitt C. VI. 1. 752 Siehe dazu Abschnitte C. VI. 2. und C. VI. 3. 753 Siehe dazu Abschnitt C. VI. 4.

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B. Theoretische Grundlagen

Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 11 Abs. 2 GG, sowie in Art. 18 GG. Der allgemeine Gesetzesvorbehalt in Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 2 GG, Art. 10 Abs. 2 GG und Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG wird zwar gelegentlich als „schwache“ Schranke eingestuft. Tatsächlich würde wohl aber niemand ernsthaft behaupten, dass es sich bei der Meinungsfreiheit oder der Versammlungsfreiheit um leicht einschränkbare Grundrechte handelt. So bewirkt insbesondere die zur Meinungsfreiheit entwickelte Wechselwirkungslehre,754 dass sich die Meinungsfreiheit tatsächlich nur sehr schwer einschränken lässt. Auch können die Schranken nicht sinnvoll verglichen werden, ohne die geschriebenen Einschränkungen der Grundrechte auf Tatbestandsebene zu berücksichtigen. Zusätzlich zu den Schranken gibt es bei manchen Grundrechten noch bedeutsame Einschränkungen des Schutzbereichs in der Verfassungsnorm, beispielsweise „friedlich und ohne Waffen“ in Art. 8 Abs. 1 GG. Bei manchen Verfassungsbestimmungen ist auch unklar und umstritten, ob es sich um Einschränkungen auf Schutzbereichsebene oder Anforderungen an ein einschränkendes Gesetz handelt (zum Beispiel Art. 9 Abs. 2 GG755). Insgesamt betrachtet sind die Schranken der einzelnen Grundrechte sehr unterschiedlich und können nur sehr schwer in Kategorien von mehr oder weniger Schutzgewährung, von „schwach“ oder „stark“, miteinander verglichen werden.756 Spielmann hat überzeugend dargelegt, dass alle Grundrechte schrankendivergent sind, wenn man die jeweiligen Besonderheiten der Rechtfertigungsprüfung auch als Schranken ansieht.757 Zudem liegt den Schranken der Grundrechte kein System zugrunde,758 aus dem man eine Rangordnung der Grundrechte ablesen könnte. So ist es nicht einleuchtend, warum die Religionsfreiheit als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht ausgestaltet wurde,759 die zum Erhalt der Staatsform Demokratie aber so wichtige Pressefreiheit einem einfachen Gesetzesvorbehalt unterliegt. Des Weiteren wurde bei den geschriebenen Schranken überhaupt nicht berücksichtigt, dass Grundrechte verschiedener Grundrechtsträger ziemlich häufig kollidieren. Dies spricht gegen ein durchdachtes System.760 Stattdessen herrscht ein „Schrankenwirrwarr“.761 754

Siehe Abschnitt A. I. 6. c). Höfling, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Art. 9, S. 40 m. w. N. 756 Schwabe, Probleme (1977), S. 307: „Vergleich von Äpfeln und Birnen“; Bleckmann /  Wiethoff, DÖV 1991, 722, 724; Hesse, Grundzüge, 20. Aufl. (1995), Rn. 316; v. Münch, in: v. Münch /  Kunig, 5. Aufl. (2000), Vorbemerkungen zu den Art. 1–19, Rn. 48. 757 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 114. 758 Bettermann, Grenzen (1968), S. 3; Quaritsch, VVDStRL 28 (1970), 129, 129; Merten, JuS 1976, 345, 347; Schwabe, Probleme (1977), S. 445; Bethge, Grundrechtskollisionen (1977), S. 260; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 529; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 145; siehe auch die Argumente im Abschnitt C. VI. 759 Mittlerweile fordert eine gewichtige Anzahl Stimmen die Anwendung der WRV-Bestimmungen auf die Glaubensfreiheit. Zusammenfassung des Streitstands m. w. N. bei Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 487 ff. 760 Hingegen zum „System des lückenlosen Grundrechtsschutz“, siehe Abschnitt C. II. 1. 761 Bettermann, Grenzen (1968), S. 3; Quaritsch, VVDStRL 28 (1970), 129, 129; Merten, JuS 1976, 345, 347; Schwabe, Probleme (1977), S. 445; Bethge, Grundrechtskollisionen (1977), S. 260; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 529; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 145. 755

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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Der Diskussion um Schrankendivergenz als Lösung für die Grundrechtskonkurrenz liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Wahl der Schranke die entscheidende Weichenstellung für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit sei.762 Das Abstellen auf die Schranken ist eine Abkürzung der Prüfung unter der Prämisse, dass es auf die anderen Grundrechte nicht mehr ankäme, wenn nur das Grundrecht mit der entscheidenden Schranke geprüft wird. Dabei wird aber zum einen übersehen, dass wegen der Verstärkungswirkung grundsätzlich alle einschlägigen Grundrechte relevant sind.763 Zum anderen sind die Grundrechtsschranken nur von untergeordneter Bedeutung für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich in Fällen der Schrankendivergenz wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips praktisch kaum sehr unterschiedliche Ergebnisse ergeben.764 Divergierende Schranken sind in der praktischen Anwendung nicht besonders divergent.765 Dieses Argument wird so weit geführt, dass es für unerheblich erklärt wird, ob die Schranken des einen oder des anderen Grundrechts angewandt würden: im konkreten Fall würden sich die Stärkedifferenzen zwischen „starken“ und „schwachen“ Grundrechten durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes völlig einebnen.766 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei die eigentliche Schranke der Grundrechte.767 Es dürfe daher nicht auf die abstrakte Grundrechtsstärke abgestellt werden, sondern auf die konkret-individuelle Entscheidungsnorm.768 Es ginge etwas zu weit, die Schranken für komplett irrelevant zu erklären. Aller­ dings spielen die Schrankenvorbehalte der Grundrechte bei der Feststellung von Verfassungswidrigkeit praktisch keine große Rolle. Beispielsweise die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG als vorbehaltslos gewährtes Grundrecht ist kein Grundrecht, in das nur unter erschwerten Bedingungen eingegriffen werden kann. Viele einfache Gesetze schränken die Kunstfreiheit ein, zum Beispiel § 303 Abs. 2 StGB, der das Besprühen von Gebäuden mit Graffiti unter Strafandrohung stellt. Bei der ebenfalls vorbehaltlos gewährleisteten Religionsfreiheit gibt es Einschränkungen beispielsweise durch das Baurecht bei der Errichtung von Gotteshäusern. Faktisch

762

Berg, Konkurrenzen (1968), S. 99. Siehe Teil C. 764 Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 155 m. w. N.; ebenfalls in diese Richtung tendierend Münch / Kunig, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Vorbemerkung Art. 1–19 GG, Rn. 48. 765 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 113; Andeutungen schon bei Bachof, in: Grundrechte III/1 (1958), S. 155, 171. 766 Schwabe, JA 1979, 191, 194 f.; v. Münch, in: v. Münch / Kunig, 5. Aufl. (2000), Vorbemerkungen zu den Art. 1–19, Rn. 48; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 113; vgl. schon Bachof, in: Grundrechte III/1 (1958), S. 155, 171; a. A. Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 48. 767 Wendt, AöR 104 (1979), 415, 422; ablehnend Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 48. 768 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53. 763

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B. Theoretische Grundlagen

unterliegen die Kunstfreiheit769 und die Religionsfreiheit einem einfachen Gesetzesvorbehalt.770 Auf der anderen Seite gibt es Grundrechte mit einfachem Gesetzesvorbehalt, bei denen ein Eingriff nur unter hohen Anforderungen erlaubt ist. Beispielsweise wird bei der Meinungsfreiheit die Schranke der allgemeinen Gesetze, Art. 5 Abs. 2 GG, so interpretiert, dass es Gesetze zum Schutz eines höheren Rechtsguts sein müssen und sie sich zudem nicht gegen eine bestimmte Meinung richten dürfen; außerdem muss das einfache Gesetz wiederum im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden („Wechselwirkungslehre“).771 Geschriebene Schranken oder deren Abwesenheit dürfen nicht überbewertet werden. Weitaus wichtiger für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit ist die Abwägung mit Grundrechten oder kollidierenden Verfassungsgütern. Das Abstellen auf unterschiedliche Schranken ist somit keine taugliche Lösung für den Umgang mit einer Grundrechtskonkurrenzlage. dd) Spezialität In anderen Rechtsgebieten wird eine Verdrängung durch Spezialität angenommen, wenn der Tatbestand einer Norm alle Tatbestandsmerkmale einer anderen Norm enthält und noch mindestens ein zusätzliches.772 Oder anders ausgedrückt, wenn jeder Eingriff in den Schutzbereich des speziellen Grundrechts zugleich auch einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Grundrechts bedeutet.773 Außerdem müssen sich die Rechtsfolgen unterscheiden.774 Anders als im Zivil- und Strafrecht sind die Tatbestände der Grundrechte jedoch sehr abstrakt und daher in weitem Umfang der Interpretation offen. Die Spezialitätsregel führt deshalb nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen wird die Spezialität im Grundrechtsbereich von der herrschender Meinung anerkannt, so bei Art. 2 Abs. 1 GG beim Zusammentreffen mit anderen Freiheitsrechten, vorausgesetzt, dass die allgemeine Handlungsfreiheit keinen eigenständigen thematischen Aspekt schützt.775 769

Vgl. Herrmann, Fernsehen (1975), S. 212; Bettermann, Grenzen (1968), S. 8, der die Glaubens- und Gewissensfreiheit für das einzige unbeschränkte Grundrecht hält. 770 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 540. 771 BVerfGE 7, 198, 208–210 – Lüth. 772 Stellvertretend Dietz, Anspruchskonkurrenz (1934), S. 22; Stern, Gebietskörperschaften (1966), S. 56; Berg, Konkurrenzen (1968), S. 127; Schwabe, Probleme (1977), S. 327. 773 Dietz, Anspruchskonkurrenz (1934), S. 23; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 159. 774 Larenz / Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. (1995), S. 88 f. 775 Stellvertretend Badura / Rittner / Rüthers, Mitbestimmungsgesetz (1977), S. 193; Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 420; Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 42; Kahl, JuS 2008, 499, 500; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 163; Cornils, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 168, Rn. 63. Ein anderer Ausnahmefall ist nach h. M. Art. 3 Abs. 1 GG beim Zusammentreffen mit speziellen Gleichheitsrechten, stellvertretend Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 17. Auch im Hinblick auf das Verhältnis von Glaubens- zu Gewissensfreiheit wird eine echte Spezialität diskutiert, Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 4, Rn. 44; a. A. Mager, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 4, Rn. 59.

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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In der Vielzahl der übrigen Fälle ist Spezialität keine hilfreiche Regel zur Bewältigung von Konkurrenzlagen.776 In der Konkurrenzdogmatik wird gelegentlich von der Spezialität im oben beschriebenen Sinn (dann „logische Spezialität“ genannt777) eine „materiale“778 oder „normative Spezialität“779 unterschieden. Darunter wird verstanden, dass eine Norm vorzuziehen sei,780 weil sie eine abschließende, sachnähere Regelung treffe,781 was durch inhaltliche Überlegungen zu ermitteln sei.782 Da sich hinter dieser Art der wertenden Argumentation783 eigentlich der Gedanke an eine Subsidiarität verbirgt,784 wird diesen Ansätzen im Abschnitt „Subsidiarität“ nachgegangen. ee) Subsidiarität und Konsumtion Ein weiteres klassisches Institut der Konkurrenzlehre ist die Verdrängung durch Gesetzeskonkurrenz, auch „Gesetzeseinheit“785 oder „unechte Konkurrenz“786 genannt787. Im Strafrecht werden darunter (neben der Spezialität) Fälle der Subsidiarität und Konsumtion verstanden.788 Subsidiarität liegt vor, wenn eine Norm die andere verdrängt, weil dies entweder ausdrücklich vom Gesetz so angeordnet ist, oder vom Sinn und Zweck her erkennbar ist, dass die eine Norm nur hilfsweise zur Anwendung kommen soll.789 Konsumtion liegt vor, wenn die Tatbestandsmerkmale einer Norm zur Gänze in 776

Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1372; vgl. auch Schwabe, Probleme (1977), S. 428. 777 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 144, 149; Epping, Grundrechte, 6. Aufl. (2015), Rn. 267. 778 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 57. 779 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 144, 149; Epping, Grundrechte, 6. Aufl. (2015), Rn. 266. 780 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 35; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6.  Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 292. 781 Epping, Grundrechte, 6. Aufl. (2015), Rn. 266. 782 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 57. 783 Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 62. 784 Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 58 sieht Unterschiede zwischen seiner „materialen Spezialität“ und einer „logischen Subsidiarität“ im Positivanwendungsfeld. 785 Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 26. 786 Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 12. Aufl. (2012), Vorb. vor Art. 1, Rn. 18, anders in akt. Auflage. 787 Butzer / Epping, Arbeitstechnik, 3. Aufl. (2006), S. 18 verwenden auch den Begriff „konsumtive Normenkonkurrenz“. 788 Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 2; K. Weber / Creifelds / Cassardt, in: Rechtswörterbuch (2014), S. 751. 789 Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, 32. EL (2016), § 52, Rn. 11 ff., der zwischen ausdrücklicher und materieller Subsidiarität unterscheidet; erstere sei ausdrücklich durch Gesetz angeordnet; vgl. auch Epping, Grundrechte, 6. Aufl. (2015), Rn. 266, der dies allerdings als „normative Spezialität“ bezeichnet.

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B. Theoretische Grundlagen

einer anderen dergestalt enthalten sind, dass sie regelmäßig zugleich dessen Tat­ bestandsmerkmale sind.790 Die Merkmale des anderen Tatbestands müssen also nicht logisch zwingend erfüllt sein, sind es aber typischerweise, so dass deren typische Erfüllung vom Gesetzgeber schon bei der Rechtsfolge mitberücksichtigt wurde, beispielsweise im Strafrecht die Sachbeschädigung beim Einbruchsdiebstahl.791 Sowohl die Figur der Subsidiarität als auch die der Konsumtion erfordern bereits Wertungen.792 Dies birgt die Gefahr, dass Grundrechte vorschnell ausgeblendet werden, bevor sie überhaupt richtig geprüft werden. Angesichts der Gefahren für den effektiven Grundrechtsschutz sind die Kategorien Subsidiarität und Konsumtion für den Bereich der Grundrechtskonkurrenzen daher nicht geeignet.793 ff) Situative Verdrängung Neben der Verdrängung durch Gesetzeskonkurrenz wird insbesondere durch die Rechtsprechung eine weitere Art der Verdrängung angenommen, deren Fallgruppen unter dem Stichwort „situationsbezogene Verdrängung“794 zusammengefasst werden können. Die (nicht immer klar gegeneinander abgrenzbaren) Fallgruppen sind die sogenannte „Meistbetroffenheitstheorie“, Verdrängung durch das im Vordergrund stehende Grundrecht, Heranziehung des sachnäheren Grundrechts, Entscheidung nach dem Schwerpunkt der Maßnahme, sowie Entscheidung nach der objektiven Zielrichtung des Eingriff oder dem subjektiven Eingriffsmotiv, und die nach Betroffenheit im Zentral- oder Randbereich. Auch zu den bereits vorgestellten Figuren der Subsidiarität und Konsumtion sind die Übergänge fließend und weitgehend Definitionsfrage.

790

Für Grundrechte Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1398; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 250; für das Strafrecht Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, 32. EL (2016), § 52, Rn. 14. 791 Zur bisher h. M. Petra Wittig, in: BeckOK StGB (2016), § 243, Rn. 33; vgl. aber auch BGH, NStZ 2001, 642. 792 Vgl. Degen, Pressefreiheit (1981), S. 69. 793 E.  Hofmann, Jura 2008, 667, 668 f.; vgl. auch Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu /  Klein, 13. Aufl. (2014), Vorbemerkung vor Art. 1, Rn. 50; a. A. Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1373; allerdings auch kritisch zur Konsumtion in Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1398. 794 Begriff von Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Vorbemerkung vor Art. 1, Rn. 50; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 12. Aufl. (2012), Vorb. vor Art. 1, Rn. 18a: „situationsbezogene Subsidiarität“, nicht mehr in akt. Aufl.; Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53: „material verstandener Spezialitätsbegriff“; Butzer / Epping, Arbeitstechnik, 3. Aufl. (2006), S. 18 „konsumtive Normenkonkurrenz“.

II. Grundrechtskonkurrenzen 

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(1) Meistbetroffenheitstheorie Die sogenannte „Meistbetroffenheitstheorie“795 (die eigentlich keine Theorie ist, sondern nur Bezeichnung einer Fallgruppe) besagt, dass bei Grundrechtskonkur­ renz dasjenige Grundrecht die anderen verdrängt, das „nach seinem spezifischen Sinngehalt die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt hat“.796 Der Begriff wird aber nicht einheitlich verwendet, gelegentlich wird er auch als Oberkategorie für die Fallgruppen des im Vordergrund stehenden Grundrechts, des sachnäheren Grundrechts sowie des Schwerpunkts des Eingriffs verstanden.797 Dogmatische Erklärungsversuche gehen dahin, dass eine „schwächere Norm­ berührung“, also wohl eine Einschlägigkeit geringeren Grads, auch einen schwächeren grundrechtlichen Schutz auslösen müsse.798 Eventuell sei das verdrängte Grundrecht in abgeschwächter Form in der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen.799 (2) Im Vordergrund stehendes Grundrecht Nach dieser Argumentation verdrängt das im Vordergrund stehende Grundrecht die anderen Grundrechte.800 (3) Sachnäheres Grundrecht Eine andere Begründung zur Verdrängung von Grundrechten ist die von der Heranziehung des sachnäheren Grundrechts.801 Ähnlich ist der Ansatz der Entscheidung nach dem „Sinnzusammenhang der verschiedenen Grundrechte für den konkreten Lebenssachverhalt“ bzw. nach dem Schwerpunkt des Verhaltens.802

795

So zuerst Schneider, Güterabwägung (1979), S. 112, der sich wiederum auf Bachof bezieht. Spielmann, JuS 2004, 371, 373. 797 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1385 f. 798 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1407; Faller, KJ 2002, 227, 231. 799 Spielmann, JuS 2004, 371, 374. Allgemein zum argumentativen Rückgriff auf das verdrängte Grundrecht siehe Abschnitt A. III. 2. b) bb). 800 Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 17. 801 Kloepfer, Grundrechte (2010), S. § 52 Rn. 5; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 17a; Antoni, in: Nomos Kommentar, 11. Aufl. (2016), Einführung, Rn. 17; Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 13, 25, der hilfsweise das stärker geschützte Grundrecht heranziehen will; ebenso Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 155; zwar unter dem Begriff „Meistbetroffenheitstheorie“, aber inhaltlich das gleiche sagend Spielmann, JuS 2004, 371, 373; ausdrücklich ablehnend Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 63 f. 802 Ronellenfitsch, JÖR 44 (1996), 167, 182; Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 220. 796

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B. Theoretische Grundlagen

(4) Schwerpunkt der Maßnahme Andere wollen das anwendbare Grundrecht nach dem Schwerpunkt der Maßnahme bestimmen.803 (5) Objektive Zielrichtung des Eingriffs Ein wiederum anderer Ansatz möchte über die objektive Zielrichtung des Eingriffs das verdrängende Grundrecht bestimmen.804 Dabei soll es wohl maßgeblich auf die „intersubjektive Vorhersehbarkeit der freiheitsbeeinträchtigenden Wirkung“ ankommen.805 Am Abstellen auf Finalität wird kritisiert, dass Finalität schon das maßgebliche Kriterium für das Vorliegen eines Eingriffs in das Grundrecht sei und damit nicht ebenfalls Kriterium für die Grundrechtskonkurrenz sein könne.806 Außerdem sei das Ziel häufig nicht sicher zu ermitteln.807 (6) Subjektives Eingriffsmotiv Andere wollen stattdessen auf das subjektive Eingriffsmotiv abstellen um zu bestimmen, welches Grundrecht anzuwenden sei.808 Dagegen wird eingewandt, auf das Motiv des Eingriffs könne es nicht ankommen,809 Motive seien austauschbar810, es gebe meistens mehrere811 und sie seien letztlich schwer ermittelbar812.

803

Hain / Unruh, DÖV 2003, 147, 150; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 156; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 54; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 17a; so die Rspr. des BVerfG interpretierend Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 52 f.; ablehnend Ronellenfitsch, JÖR 44 (1996), 167, 181 f. 804 Schwark, Begriff (1970), S. 128; W.  Müller, Wirkungsbereich (1974), S. 84; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 350; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 201, Rn. 110. 805 Vgl. Degen, S. 85 m. w. N. 806 Degen, Pressefreiheit (1981), S. 85. 807 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 531; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 669. 808 Herzog, in: Maunz / Dürig GG, 67. EL. (2013), Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 37 in 1977er Auflage, zitiert nach Schwabe, Probleme (1977), S. 413. 809 Eichmann, GRUR 1964, 57, S. 58, 64; Schwacke, Spannungslagen (1973), S. 54, 67; W. Müller, Wirkungsbereich (1974), S. 84 ff.; Schwabe, Probleme (1977), S. 415. 810 W. Müller, Wirkungsbereich (1974), S. 84 ff. 811 Schwabe, Probleme (1977), S. 413. 812 E. Hofmann, Jura 2008, 667, 669.

II. Grundrechtskonkurrenzen 

121

(7) Betroffenheit im Zentralbereich – Randbereich Zurückgehend auf Wilfried Berg813 wird eine Verdrängung auch dann angenommen, wenn ein Grundrecht nur im Randbereich betroffen ist, während ein anderes im Zentralbereich betroffen ist.814 Diesen Ansatz gibt es auch in der Formulierungsvariante, ein Grundrecht werde verdrängt bei nur äußerer, zufälliger Verbindung mit diesem,815 bzw. bei nur marginaler Normberührung,816 bzw. wenn etwas nicht in Ausübung, sondern nur bei Gelegenheit der Grundrechtsausübung geschehe.817 Dafür spreche, dass dem Verfassungsgeber bei Schaffung der Grundrechte wohl Prototypen vor Augen gestanden hätten, die in den vollen Genuss des Grundrechtsschutzes kommen sollten, während solche mit nur marginalem Bezug zu den Prototypen weniger Schutz verdienen könnten.818 Kritisiert wird daran, Bergs Unterscheidung, ob etwas in Ausübung des Grundrechts oder nur bei Gelegenheit der Grundrechtsausübung geschehe, sei nicht praktikabel.819 (8) Kritik an der situativen Verdrängung Die Kategorie der situativen Verdrängung mit all ihren zugehörigen Figuren ist herrschende Meinung in Rechtsprechung und Kommentaren und wird nur vereinzelt kritisiert.820 Sie ist aber aus den folgenden Gründen abzulehnen. Alle Figuren der situativen Verdrängung arbeiten mit stark wertenden Kriterien.821 So lässt sich ein meistbetroffenes Grundrecht nicht ohne Wertung bestimmen.822 Auch das Kriterium der Sachnähe lässt dem Interpreten viel Spielraum, aus dem Rechtsfallausschnitt das heraus zu lesen, was vorher hineingelesen wurde.823 813

Berg, Konkurrenzen (1968), S. 134 ff., der zwischen Kernbereich, Außenbereich und Indifferenzbereich eines Grundrecht unterscheiden will, und unter Kernbereich allerdings die freie Entfaltung der Persönlichkeit im Sinne seiner speziellen Auffassung von Art. 2 Abs. 1 GG versteht. 814 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1407; Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 426 ff.; Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 13; ablehnend Faller, KJ 2002, 227, 231; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 142. 815 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 140; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 291, 293. 816 Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1407. 817 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 138; ablehnend Gallwas, AöR 95 (1970), 329, 331. 818 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 546. 819 Gallwas, AöR 95 (1970), 329, 331. 820 Jüngst jedoch Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 251 f. 821 Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Vorbemerkung vor Art. 1, Rn. 50; vgl. auch Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 251: es bleibe offen, wie der größere sachliche Bezug festgestellt werden solle. 822 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 531; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 669. 823 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 166.

122

B. Theoretische Grundlagen

Inhaltlich werden dabei Teile der Angemessenheitsprüfung vorgezogen.824 Die Angemessenheitsprüfung wäre aber der richtige Prüfungsort, um festzustellen, ob beispielsweise ein Grundrecht in seinem Zentral- oder Randbereich betroffen ist.825 Die Regeln der situativen Verdrängung mit inzidenter Berücksichtigung des betroffenen Grundrechts in der Abwägung wurden wohl nur deswegen gewählt, weil das Verfahren der Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Verstärkung zwischen idealkonkurrierenden Grundrechten noch nicht entwickelt war. d) Idealkonkurrenz statt Verdrängung Die Kritik richtet sich auch gegen die Verdrängung im Allgemeinen. Bei einer vorgelagerten Prüfung besteht die Gefahr, dass Grundrechte vorschnell ausgeblendet werden.826 Es ist vorzugswürdig, zunächst grundsätzlich alle konkurrierenden Grundrechtsnormen anzuwenden,827 da es schlicht an positivierten konkurrenz­ lösenden Normen fehlt.828 Dafür spricht auch der Umkehrschluss, dass an bestimmten Stellen (Art. 17a GG, Art. 18 GG, Art. 139 GG) die Verdrängung an sich einschlägiger Grundrechtsnormen ausdrücklich angeordnet ist und an anderen nicht.829 Viele der Verdrängungsregeln sind darauf angelegt, Grundrechte auszusondern, die sich mit dem „wichtigeren“ Grundrecht materiell überschneiden. Die dabei angewandten Regeln sind aber zu grob und stellen nur Faustregeln für typische Sachverhalte dar. Ohne eine nähere Betrachtung der materiellen Schutzgehalte im konkreten Fall, der Menschenwürdeaspekte,830 ist eine Überschneidung nicht sicher feststellbar. Diese Betrachtung ist am Besten im Schritt der Gesamtabwägung anzustellen, genauer im Prüfungspunkt Unterschiedlichkeitsfaktor,831 da bei der Gesamtabwägung ohnehin eine tiefgehende Betrachtung geboten ist. Bei einer vorschnellen „Aussortierung“ eines Grundrechts über eine Verdrängungsfaustregel könnten untergeordnete, aber nur dort enthaltene Aspekte unbedacht aus der Prüfung ausgeblendet werden. Vorzugswürdig ist es daher, eine Idealkonkurrenz aller einschlägigen Grundrechte anzunehmen und materielle Überschneidungen später zu berücksichtigen.832 824

Faller, KJ 2002, 227, 231; Spielmann, JuS 2004, 371, 375. Faller, KJ 2002, 227, 231. 826 Faller, KJ 2002, 227, 231; vgl. auch Ronellenfitsch, JÖR 44 (1996), 167, 181 f. 827 Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 424; Erberich, in: Staatsrecht II (1997), Rn. 23; Sachs, Grundrechte, 2. Aufl. (2003), S. 161 f.; Bumke / Voßkuhle, Casebook, 5. Aufl. (2008), S. 54. 828 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 135; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 251. 829 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 136. 830 Siehe Abschnitt C. 831 Siehe Abschnitt C. XI. 3. b), zu den materiellen Grundlagen, siehe Abschnitt C. VII. 832 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 525 nennt seine „Schutzbereichskumulation“ denn auch einen Sonderfall der Idealkonkurrenz, der eintrete, wenn sich „Schutzbereiche in Bezug auf bestimmte Aktivitäten überschneiden, und wenn ein und dasselbe Verhalten unter verschiedene, sich nicht überschneidende Schutzbereiche fällt“. 825

III. Abwägung von Grundrechten 

123

Praktisch gesehen ist zunächst eine genaue Sachverhaltsabgrenzung durchzuführen.833 Danach kann eine gedankliche Schutzbereichsabgrenzung durchgeführt, die in der Regel nicht zu einem Ausscheiden eines Grundrechts führen wird. Sodann ist zu klären, ob einer der seltenen Fälle einer eindeutigen Spezialität vorliegt. Im Regelfall gelangt man so zu mehreren idealkonkurrierenden Grundrechten.834 Dann schließt sich die Frage an, ob sich die idealkonkurrierenden Grundrechte in der Gesamtabwägung gegenseitig verstärken. e) Besonderheiten beim Zusammentreffen von Freiheits- und Gleichheitsrechten Auch bei Freiheits- und Gleichheitsrechten wird gelegentlich eine Verdrängung unter dem Gesichtspunkt der „Meistbetroffenheit“ angenommen.835 Meist wird aber von Idealkonkurrenz zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten ausgegangen.836 Auch hier ist es besser, Idealkonkurrenz anzunehmen ohne Verdrängungen.

III. Abwägung von Grundrechten Jeder Eingriff in ein Grundrecht837 muss gerechtfertigt sein, sonst wäre die eingreifende Maßnahme verfassungswidrig. Neben den speziellen Anforderungen des jeweiligen Grundrechts und allgemeinen formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeitsanforderungen an eine Maßnahme, wie die Einhaltung von Kompetenz- und Verfahrensvorschriften,838 muss eine Maßnahme auch verhältnismäßig sein. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist eine Abwägung durchzuführen.

833

Vgl. auch Bumke / Voßkuhle, Casebook, 7. Aufl. (2015), S. 72. Vgl. auch E. Hofmann, Jura 2008, 667, 668 ff., der allerdings die situative Verdrängung mitberücksichtigt. 835 BVerfGE 13, 290, 296 – Ehegatten-Arbeitsverhältnisse; BVerfGE 36, 321, 330 – Schallplatten; BVerfGE 38, 61, 79  – Leberpfennig; BVerfGE 64, 229, 238 f.  – 1 BvR  1025/79; BVerfGE 67, 186, 195 f. – 1 BvL 44/80; Wallerath, Bedarfsdeckung (1988), S. 243. 836 Schwabe, Grundkurs, 5. Aufl. (1995), S. 117; Kloepfer, Grundrechte (2010), § 52 Rn. 3; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 140; H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Art. 3, Rn. 93; Pieroth / Schlink / Kingreen u. a., Grundrechte, 31. Aufl. (2015), Rn. 357–359; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 4; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 55. 837 Ungeachtet des Streits, ob man von einem Eingriff in das Gleichheitsrecht sprechen kann, gilt dies auch bei tatbestandlicher Einschlägigkeit eines Gleichheitsrechts, siehe Abschnitt D. 838 Zu allgemeinen formellen und materiellen Anforderungen Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 240 f. 834

124

B. Theoretische Grundlagen

1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz839 ergibt sich aus den Grundrechten,840 bzw. nach anderer Ansicht aus dem Rechtstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG.841 Auch eine Begründung aus der Wesensgehaltsgarantie wird vertreten.842 Das Verhältnismäßigkeitsgebot fordert, dass eine Maßnahme mindestens einem legitimen Zweck dient,843 geeignet und erforderlich844 ist, diesen zu fördern,845 und verhältnismäßig im engeren Sinn (proportional, angemessen) ist.846 In diesem letzten Schritt, der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn, wird eine Abwägung durchgeführt zwischen der Schwere des Grundrechtseingriffs und der Wichtigkeit des verfolgten Zwecks. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung (für die zwar schon auf Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts verwiesen wird,847 die aber erst durch die Verbürgung von Grundrechten ihre heutige dogmatische Ausschärfung erlangen konnte)848, wurde erst unter dem Grundgesetz nach und nach entwickelt und aus-

839 Der Begriff „Verhältnismäßigkeit“ wurde bis in die frühe Bundesrepublik hinein auch anders verstanden, nämlich nur im Sinne der heutigen Erforderlichkeitsprüfung, Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 16; vgl. Krauss, Verhältnismässigkeit (1955), S. 17; Lerche, Übermaß (1961), S. 20, insbes. Fn. 4. Gelegentlich wird auch als Synonym für die Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn der Begriff „Übermaßverbot“ verwendet. Allerdings wird dieser Begriff auch für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn und sogar die Erforderlichkeit benutzt, Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 21. In dieser Arbeit wird er daher nicht weiter verwendet. Wenn von Verhältnismäßigkeit die Rede ist, ist hier immer die Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn gemeint. 840 Alexy, Theorie (1985), S. 100–104; Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 90; Huster, Rechte (1993), S. 467. 841 Ipsen, AöR 78 (1952–1953), 284, 314 Fn. 46; Krauss, Verhältnismässigkeit (1955), S. ­25–26; BVerfGE 30, 1, 20 – Abhörurteil. 842 BGH, DVBl. 1953, 471, 472–473; Krauss, Verhältnismässigkeit (1955), S. 51; Zippelius, DVBl. 1956, 353, 354. 843 Gentz, NJW 1968, 1600, 1602. Zur Bestimmung des Zwecks, siehe auch Abschnitt B. II.  1. c) bb) (7) (a). 844 Der Begriff „Erforderlichkeit“ wurde bis in die frühe Bundesrepublik hinein anders verstanden, siehe Fn. 839. Mit Erforderlichkeit im technischen Sinn ist heute nach h. M. eine relative Erforderlichkeit gemeint. „Absolute Erforderlichkeit“ liegt vor, wenn ein Mittel im umgangssprachlichen Sinn erforderlich ist, d. h. ob „es sich lohnt“ in einem wirtschaftlichen Sinn. Für „Erforderlichkeit“ ist auch das Synonym „Notwendigkeit“ in Gebrauch. Dieser ist aber außer Mode gekommen und ist wegen seines umgangssprachlichen Anklangs leichter mit der absoluten Erforderlichkeit verwechselbar. Der Begriff „Notwendigkeit“ wird in dieser Arbeit daher nicht verwendet. 845 BVerfGE 30, 292, 316 – Mineralölbevorratung; Gentz, NJW 1968, 1600, 1603; Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 51. 846 Stellvertretend Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 21. 847 Heinsohn, Verhältnismäßigkeit (1997), S. 39 ff.; vgl. Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 9, 353 – Kreuzberg. 848 Krauss, Verhältnismässigkeit (1955), S. 42; Remmert, Jura 2003, 13, 183 ff.

III. Abwägung von Grundrechten 

125

gebaut.849 Im Lüth-­Urteil850 hat das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal eine vollständige Abwägung durchgeführt. In dieser Frühphase der Entwicklung traten viele der Abwägung skeptisch bis ablehnend gegenüber. Es wurde und wird kritisiert, die Judikative beschneide die Kompetenzen der Legislative und Exekutive.851 Die Abwägung sei nicht rational sondern dezisionistisch, da es an eindeutig anwendbaren Maßeinheiten für Rechtsgüter fehle.852 Am prominentesten ist die Gegenauffassung Bernhard Schlinks, wonach keine Abwägung und keine Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn zu prüfen seien, sondern stattdessen nur die „Wahrung einer Mindestposition“ untersucht werden solle.853 Ebenfalls in der Frühphase der jungen Bundesrepublik wurde vertreten, man könne Kollisionen zwischen Verfassungsgütern über abstrakte Rangordnungen lösen.854 Mit Ausnahme der unantastbaren Menschenwürdegarantie, Art. 1 Abs. 1 GG, gibt es aber keine abstrakte Vorrangordnung unter den Verfassungsgütern im Fall von Grundrechtskollisionen. Es ist für jeden Einzelfall im Rahmen einer Abwägung festzustellen, welches Gut im konkreten Fall gewichtiger ist. Versuche, die Abwägung mithilfe der Heranziehung ökonomischer oder mathematischer Modelle855 zu rationalisieren, konnten sich nicht durchsetzen. Sie scheiterten alle letztlich daran, dass sich der Wert von Grundrechten sowie deren Beeinträchtigungen nicht auf einer intersubjektiv verbindlichen Skala metrisieren lässt.856 Es wird daher auch in Zukunft keine Computersoftware geben, die nach Eingabe aller Fakten das Abwägungsergebnis ausgibt.857

849

§ 4 UZwG Hessen 1950; § 9 VwVG 1953; BGH, DVBl. 1953, 471, 472 f.; BVerfGE 3, 383, 399 – Gesamtdeutscher Block; zu Gründen für diese Entwicklung Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 11 f.; Krauss, Verhältnismässigkeit (1955), S. 15 formuliert als erster das Erfordernis einer „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn“, die sich von der Erforderlichkeit unterscheidet; vgl. auch BVerfGE 7, 377 – Apothekenurteil; VG München, NJW 1947/48, 78. 850 BVerfGE 7, 198 – Lüth. 851 Berg, Konkurrenzen (1968), S. 91; Böckenförde, in: Staat (1992), S. 159, 185. 852 Habermas, Faktizität (1992), S. 316 Fn. 33; Schlink, EuGRZ 1984, 457, 462; Schlink, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 445, 460. 853 Schlink, Abwägung (1976), S. 79; zustimmend Kröger, Grundrechtstheorie (1978), S. 22; ablehnend Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 175; Calliess, Umweltstaat (2001), S. 568. 854 Insbesondere bei der Kollision oder Konkurrenz von Grundrechten, siehe B. II. 2. c) bb). 855 Hubmann, in: FS Schnorr (1972), S. 173, 179; E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 9 ff. 856 Larenz, in: FS Klingmüller (1974), S. 235, 247 f.; Schlink, Abwägung (1976), S. 134 ff.; Alexy, Theorie (1985), S. 141 f.; Stelzer, Wesensgehaltsargument (1991), S. 221 f.; Ziekow, Freizügigkeit (1997), S. 423; Borowski, JÖR 50 (2002), 301, S. 320 Fn. 103; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 83. Zu Problemen der Skalierung, siehe auch BVerwG, NJW 1997, 602, 603 – Indizierung schwer jugendgefährdender Schriften. 857 Vgl. M. Weber, Soziologie, 5. Aufl. (1980), S. 826.

126

B. Theoretische Grundlagen

2. Abwägung und Prinzipientheorie Die Abwägung ist dennoch rationalisierbar. Die umfangreichste, in sich stimmige Dogmatik der Abwägung findet sich bei den Prinzipientheoretikern. Damit wird zwar nicht in allen, aber in einer ausreichenden Zahl von Fällen eine rationale Lösung gefunden.858 Während die Grundüberlegungen der Abwägungsdogmatik, die in dieser Arbeit aufgegriffen werden, dem breiten rechtswissenschaftlichen Diskurs entnommen werden können, soll in tiefer gehenden Fragen gelegentlich auf Überlegungen aus dem Umfeld der Prinzipientheorie zurückgegriffen werden. Die Prinzipientheorie basiert auf Alexys Hauptwerk „Theorie der Grundrechte“859 und wurde von ihm und seinen Anhängern in weiteren Schriften verfeinert.860 Nach der Prinzipientheorie können Normen unterschieden werden in Regeln und Prinzipien.861 Prinzipien sind Optimierungsgebote, die je nach rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten in unterschiedlichem Grad erfüllt oder nicht erfüllt werden können.862 Regeln sind demgegenüber Normen, die nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden können.863 Ein Grundrecht wird durch eine Grundrechtsnorm gewährt.864 Das Grundrecht selbst ist aber keine Norm.865 Es ist ein Prinzip.866 Die Zwecke, mit denen in Grundrechte eingreifende staatliche Maßnahmen gerechtfertigt werden, sind ebenfalls Prinzipien oder lassen sich auf Prinzipien zurück­ führen, beispielsweise der Gesundheitsschutz der Bevölkerung auf das Prinzip des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 GG. In der Abwägung werden die widerstreitenden Prinzipien gegeneinander ab­ gewogen um zu bestimmen, ob die Maßnahme verfassungsmäßig ist.867 Je nach den Umständen des Einzelfalls haben die Prinzipien ein unterschiedliches konkretes Gewicht in der Abwägung.868 Das konkrete Gewicht eines Prinzips869 in der Abwägung setzt sich zusammen aus den Faktoren abstraktes Gewicht des Prinzips, 858

Alexy, in: Theory (2010), S. 388, 402. Alexy, Theorie (1985). 860 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771; Alexy, in: Theory (2010), S. 388; Sieckmann, Regelmodelle (1990); Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007); Sieckmann (Hrsg.), Prinzipien­ theorie (2007); Klatt / Schmidt, Spielräume (2010); Klatt (Hrsg.), Institutionalized Reason (2012); Klatt (Hrsg.), Prinzipientheorie (2013). 861 Alexy, Theorie (1985), S. 71. 862 Alexy, Theorie (1985), S. 75 f. 863 Alexy, Theorie (1985), S. 76. 864 Alexy, Theorie (1985), S. 39. 865 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 58. 866 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 32. 867 Alexy, Theorie (1985), S. 146. 868 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 778. 869 Notiert als: Pi. Das tiefgestellte i bedeutet, dass es um das bestimmte Prinzip i geht. Weitere Prinzipien erhalten andere Indizes wie z. B. k, a, b, c. Alle Bezeichnungen nach Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 778 ff. 859

III. Abwägung von Grundrechten 

127

Intensität des Eingriffs und Sicherheit der Bewertung der zugrundeliegenden epistemischen und normativen Prämissen.870 Jedem Prinzip bzw. Grundrecht kann ein abstraktes Gewicht zugeordnet werden.871 Das abstrakte Gewicht ist relativ zu anderen Prinzipien und unabhängig von der konkreten Situation.872 Viele Grundrechte haben mehr oder weniger das selbe abstrakte Gewicht; ein eher niedriges abstraktes Gewicht hat die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, ein eher hohes das Recht auf Leben, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 GG.873 Gegen den Faktor „abstraktes Gewicht“ könnte man einwenden, es gäbe keine Rangfolge unter Grundrechten, abgesehen vielleicht von einer Vorrangstellung der Menschenwürde (s. o.), so dass die allermeisten Grundrechte abstrakt das selbe Gewicht hätten. Dann, so könnte man überlegen, sei der Faktor abstraktes Gewicht beim Vergleich des Gewichts der Grundrechte überflüssig. Der Faktor abstraktes Gewicht hat aber durchaus seine Daseinsberechtigung. Zum einen wäre es eine ungenaue Vergröberung, das Gewicht eines Grundrechtsprinzips nur über die Intensität des Eingriffs zu beschreiben und dabei inzident das abstrakte Gewicht vorauszusetzen. Logisch gesehen handelt es sich um zwei verschiedene Kom­ponenten, die das konkrete Gewicht bestimmen. Im Sinne des Anliegens von Transparenz der Argumentation ist es vorzugswürdig, abstraktes Gewicht und Intensität des Eingriffs zu unterscheiden. Zum anderen haben die einzelnen Grundrechte je nach Aktualisierung (aber nicht notwendigerweise Beeinträchtigung) der dort enthaltenen Menschenwürdeaspekte auch abstrakt unterschiedliche Gewichte, wie zu zeigen sein wird.874 Mit dem Faktor Intensität875 wird ausgedrückt, wie sehr das Grundrecht im konkreten Fall beeinträchtigt ist.876 Statt von der Eingriffsintensität kann auch vom Grad der Nichterfüllung des Prinzips gesprochen werden.877 Für das gegenläufige, rechtfertigende Prinzip kann ebenfalls von Eingriffsintensität gesprochen werden.878 Es wird geprüft, wie intensiv der hypothetische Nichteingriff in das erste Prinzip in das gegenläufige Prinzip eingreifen würde.879 Zur Bestimmung der Schwere kann auf die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden.880 870

Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, S. 778, 789. Notiert als Gi. 872 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 778. Vgl. jedoch Abschnitt C. XI. 1. 873 Alexy, in: Theory (2010), S. 388, 406; Borowski, German Yearbook of International Law 56 (2013), 385, 408. 874 Siehe Abschnitt C. XI. 1. 875 Notiert: Ii. 876 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 778. 877 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 778. 878 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 781. 879 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 780. 880 Siehe im Zusammenhang mit dem Gleichheitsrecht Abschnitt D. II. 2. c). 871

128

B. Theoretische Grundlagen

Der Faktor Sicherheit881 drückt aus, wie hoch der Grad der Sicherheit der normativen und empirischen Annahmen darüber ist, was die jeweils zu beurteilende Maßnahme für die Nichtrealisierung des einen und die Realisierung des anderen Prinzips bedeutet.882 Die Annahme dahinter ist: „Je schwerer ein Eingriff in ein Grundrecht wiegt, desto größer muß die Gewißheit der den Eingriff tragenden Prämissen sein.“883 Dabei steigen die Anforderungen an die Sicherheit überproportional, je intensiver der Grundrechtseingriff ist.884 Diese Argumentationsweise ist im Polizeirecht etabliert: Dort ist die Sicherheit der Tatsachenlage ein Gesichtspunkt der Adressatenwahl.885 Die Anforderungen an die Tatsachenermittlung und Verfahrens­richtigkeit werden umso mehr abgeschwächt, je eiliger und unvorbereiteter die polizeiliche Entscheidung getroffen werden muss.886 Die Abwägungsfaktoren abstraktes Gewicht, Intensität der Beeinträchtigung und Sicherheit der Bewertung werden in der Gewichtsformel zusammengeführt. Das dahinter stehende Abwägungsgesetz lautet: „Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, desto größer muß die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein.“887 In einem weiteren Ausbauschritt, der erweiterten Gewichtsformel, wird berücksichtigt, dass in manchen Fällen auf Seiten der staatlichen Maßnahme mehrere Prinzipien in Rechnung zu stellen sind.888 In der vollständig erweiterten Gewichtsformel wird schließlich abgebildet, dass auch auf Seiten des Grundrechtsberechtigten mehrere Prinzipien einschlägig sein können.889 Von den Anhängern der Prinzipientheorie wird bei der Darstellung eine Notation aus der Aussagelogik verwendet, die die Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Komponenten der Abwägung mit Logikoperatoren abbildet. Um diese Arbeit einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, wurde auf diese Art der Darstellung verzichtet. Im Abschnitt C. XI. findet sich jedoch eine Zusammenfassung der zuvor dargelegten These in der prinzipientheoretischen Notation.

881

Notiert: Si. Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 789. 883 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 789 „epistemisches Abwägungsgesetz“; Alexy, in: Theory (2010), S. 388, 418; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 279; Borowski, German Yearbook of International Law 56 (2013), 385, 410; vgl. auch BVerfGE 115, 118, 154 ff. – Luftsicherheitsgesetz. 884 Borowski, German Yearbook of International Law 56 (2013), 385, 410. Siehe zur Theorie des abnehmenden Grenzwerts bei der Eingriffsintensität Abschnitt B. III. 3. 885 Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl. (2005), Rn. 505. 886 Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl. (2005), Rn. 506. 887 Alexy, Theorie (1985), S. 146. Die klassische Gewichtsformel besteht aus den Variablen „Eingriffsintensität“ und „abstraktes Gewicht des Prinzips“. Später kam noch die Variable „Sicherheit der Bewertung“ hinzu, Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 790. 888 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 791: Gi,j-n = (Ii ∗ Gi ∗ Si) / (Ij ∗ Gj ∗ Sj + … In ∗ Gn ∗ Sn). 889 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, S. 791 Fn. 39: Gi-m,j-n = (Ii ∗ Gi ∗ Si + … Im ∗ Gm ∗ Sm) / (Ij ∗ Gj ∗ Sj + … In ∗ Gn ∗ Sn). 882

III. Abwägung von Grundrechten 

129

3. Eingriffsintensität und abnehmender Grenznutzen

Rechtfertigungsanforderungen

Die Theorie vom abnehmenden Grenznutzen, auch Gossen’sches Gesetz genannt,890 besagt, dass der Nutzenzuwachs eines Gutes, wenn jemand mehr von diesem Gut erhält, dann am höchsten ist, wenn diese Person insgesamt wenig hat und in einer abflachenden Kurve abnimmt, je mehr von diesem Gut bereits vorhanden ist. Wie dargelegt wurde,891 lässt sich die Theorie vom abnehmenden Grenznutzen auch auf die Grundrechtseinschränkung übertragen: Wer sich einer nahezu uneingeschränkten Grundrechtsausübungsfreiheit erfreut, dem bringt es wenig Zusatznutzen, wenn auch noch die letzten Schranken fallen. Oder umgekehrt: Wessen Grundrecht bereits drastisch eingeschränkt ist, der wird eine weitere Grundrechtseinschränkung als schlimmer empfinden als eine Person, die sich zuvor noch des vollen Umfangs der Grundrechtsausübung erfreuen durfte. Das kann so beschrieben werden: Das Verhältnis zwischen zunehmender Eingriffsintensität und zunehmenden Rechtfertigungsanforderungen ist nicht proportional, sondern die Anforderungen an die Rechtfertigung steigen überproportional.892

Eingriffsintensität Abb.: Überproportionale Steigerung der Rechtfertigungsanforderungen

Dieser Effekt ist bei der Bestimmung der Eingriffsintensität zu berücksichtigen, insbesondere wenn es – wie in dieser Untersuchung – um Gesamtbelastungen bei Eingriffen in idealkonkurrierende Grundrechte geht.893

890

Gossen, Entwicklung (1854/1987), S. 4 f. Schlink, Abwägung (1976), S. 167 f.; Klement, AöR 134 (2009), 35, 72 f.; vgl. Alexy, Theorie (1985), S. 147. 892 Alexy, Theorie (1985), S. 147, 271; Stelzer, Wesensgehaltsargument (1991), S. 228; Höfling, Jura 1994, 169, 172; Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 785; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 96 Fn. 164, S. 278. 893 Zu praktischen Folgen, siehe die Bemerkungen im Abschnitt D. III. 5. 891

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten Zwischen idealkonkurrierenden Freiheitsgrundrechten894 eines Grundrechtsträgers kommt es unter bestimmten Umständen zu einer Verstärkung895 ihres Gewichts in der Abwägung. Durch ein staatliches Handeln wird in einer Vielzahl von Fällen nicht nur in ein Grundrecht eines Grundrechtsträgers eingegriffen, sondern in mehrere gleichzeitig.896 Da es unter den Grundrechten große inhaltliche Überschneidungen gibt, folgt aus der formellen Einschlägigkeit mehrerer Grundrechte nicht notwendigerweise auch materiell eine größere Belastung des Grundrechtsträgers. Um die materielle Gesamtbelastung des Grundrechtsträgers korrekt zu erfassen, darf kein materieller Gehalt doppelt berücksichtigt werden.897 Daher ist es notwendig, die Gewährleistungsgehalte der verschiedenen Grundrechte miteinander auf materielle Überschneidungen hin zu vergleichen. Mit dem bereits vorgestellten „grundrechtlichen Wirkungsverbund“ war Schwabe der Erste, der diese Verstärkungswirkung berücksichtigte.898 Schwabes Vorschlag, das Verhalten des Grundrechtsträgers in allen Fällen jeweils von jedem der beteiligten Grundrecht als erfasst anzusehen,899 ist letztlich zwar eine Frage der Auslegung der einzelnen Grundrechtstatbestände, in diesem Ausmaß aber wohl zu weitgehend. Woran es bislang fehlt, ist eine Antwort auf die Frage, wann die Grundrechte sich materiell überschneiden und daraus folgend ein Maßstab, anhand dessen sich ihre Gewährleistungsgehalte miteinander vergleichen lassen.

I. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung Die Grundrechte des Grundgesetzes sind keine beziehungslos nebeneinander stehenden Einzelverbürgungen. Sie sind vielmehr Ausdruck eines übergeordneten Systems des umfassenden, lückenlosen Schutzes des Einzelnen vor dem Staat und gleichzeitigt durch den Staat.900 Dieses abstrakte Anliegen, für das unsere gesamte Verfassung steht, wurde in den besonderen Grundrechten zu konkreti 894

Definition, siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. Definition, siehe Abschnitt A. II. bei Fn. 17. 896 Siehe Abschnitt B. II. 2. d). 897 Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 792; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 96 Fn. 64. 898 Siehe Abschnitt A. III. 2. a) cc). 899 Schwabe, Probleme (1977), S. 366. 900 Vgl. Abschnitt C. II. 1. 895

I. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung 

131

sieren versucht. Die besonderen Grundrechte wurden aber nicht systematisch mit klar gegeneinander abgegrenzten Schutzbereichen kodifiziert,901 sondern letztlich aus historischen Zufälligkeiten für besonderes anfällige und daher für besonders schutzbedürftig empfundene Bereiche.902 Das Ergebnis ist ein „Schutzbereichswirrwarr“903 von sich mal mehr oder mal weniger überschneidenden Grundrechten. Um zwischen mehreren formell einschlägigen Grundrechten904 eine Verstärkung zu erkennen, muss gefragt werden, inwiefern sie materiell den gleichen Aspekt905 eines übergeordneten Schutzgedankens schützen. Dieser übergeordnete Bezugsrahmen ist der gemeinsame gedankliche Ursprung der Grundrechte in der Menschenwürde.906 1. These Die These dieser Arbeit lautet: Eine Gewichtsverstärkung unter idealkonkurrierenden Grundrechten gibt es nur, wenn und soweit sie sich in ihren einschlägigen Menschenwürdeaspekten unterscheiden. Wird dagegen der gleiche Aspekt geschützt, überschneiden sich die Gewährleistungsgehalte der Grundrechte, ohne dass es zu einer Gewichtsverstärkung kommt. Eine „Gewichtsverstärkung“ ist dabei die Erhöhung des Gewichts der Position des Grundrechtsträgers in der Abwägung im Vergleich zu den zur Rechtfertigung des staatlichen Handelns angeführten Gründe. Eine Verstärkung im Sinne einer Potenzierung ist damit jedoch nicht gemeint. Das Höchstmaß einer denkbaren Gewichtsverstärkung ist die Summe der Gewichte der beteiligten Grundrechte, die jedoch nur höchst selten auftreten wird, weil die beteiligten Grundrechte dafür maximal unterschiedlich sein müssten.907 Ferner kann es auch dann zu einer Gewichtsverstärkung kommen, wenn bei den formell verschiedenen Grundrechten zwar die gleichen Menschenwürdeaspekte einschlägig sind, diese aber in einer unterschiedlichen Art und Weise beeinträchtigt sind. 901 Bestrebungen in den Anfangsjahren des Grundgesetzes, die Schutzbereiche restriktiv auszulegen um Überschneidungen der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte zu vermeiden, überzeugen nicht, siehe Abschnitt B. II. 2. b). 902 Gierke, Laband, 2. Aufl. (1961), S. 37 f.; Giacometti, ZSR 74 (1955), 149, 164 (für die Schweizer Verfassung); Scheuner, VVDStRL 22 (1963), 1, 44 ff.; Kunert, Pressekonzentration (1971), S. 99 f.; Scholz, AöR 100 (1975), 80, 88; Hesse, Grundzüge, 20. Aufl. (1995), Rn. 428; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 155; H. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Art. 2, Rn. 79. 903 Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 116. 904 Im Sinne von „Eröffnung des Schutzbereichs“ und „Eingriff“. 905 Schwabe, Probleme (1977), S. 382 spricht ebenfalls von „Aspekten“ der Grundrechte. 906 Siehe Abschnitt C. II. 2. 907 Eine Addition der Grundrechte wird daher zur Recht seit jeher skeptisch gesehen, siehe Abschnitt A. III. 1. a) dd). Genaueres zur Bestimmung des Unterschiedlichkeit der beteiligten Grundrechte, siehe im Abschnitt C. VII.

132

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Dieses Modell der Bestimmung der Gewichtsverstärkung bei idealkonkurrierenden Grundrechten nach Menschenwürdeaspekten wird im Folgenden „idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung“ genannt. 2. Erläuterung anhand des Verhältnisses von allgemeiner Handlungsfreiheit zu besonderen Freiheitsrechten Ohne auf den großen übergeordneten Bezugsrahmen der Menschenwürde abstellen zu müssen, kann das Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung für die Freiheitsgrundrechte908 allein auch in den bekannten Kategorien der allgemeinen Handlungsfreiheit näher erläutert werden. Die besonderen Freiheitsrechte sind nach herrschender Meinung Ausprägungen der allgemeinen Handlungsfreiheit,909 so dass die besonderen Freiheitsgrundrechte die allgemeine Handlungsfreiheit als gemeinsamen Bezugsrahmen haben. Umgekehrt schützt aber auch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1  GG unterschiedliche materielle Schutzgehalte. Dies zeigt sich beispielsweise bei der Frage der Grundrechtskonkurrenzen. Wenn ein besonderes Freiheitsrecht einschlägig ist, wird die allgemeine Handlungsfreiheit für verdrängt erachtet, es sei denn, sie schützt einen zusätzlichen sachlichen Gesichtspunkt, für welchen Fall Idealkonkurrenz angenommen wird.910 Es werden also verschiedene materielle Gehalte der allgemeinen Handlungsfreiheit unterschieden. Auch bei dem Problem des Grundrechtsschutzes für Ausländer bei thematischer Einschlägigkeit von Deutschengrundrechten werden bestimmte materielle Schutzgehalte in Art. 2 Abs. 1 GG identifiziert. Zum einen wird nach herrschender Meinung anderen Bürgern der Europäischen Union der inhaltlich gleiche Schutz, den die Deutschengrundrechte bieten, über Art. 2 Abs. 1 GG gewährt.911 Aber auch für den Grundrechtsschutz von Ausländern aus Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören, werden bestimmte, sonst von Deutschengrundrechten geschützte Inhalte, in Art. 2 Abs. 1 GG verortet.912 Es ist also bereits anerkannt, bestimmte materielle Gehalte der allgemeinen Handlungsfreiheit zu unterscheiden. Sind unterschiedliche materielle Gehalte der allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen, ist dies als besondere Schwere des Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit zu werten. Nichts anderes gilt, wenn diese materiellen Gehalte separat in besonderen Freiheitsrechten kodifiziert wurden. Schützen die einschlägigen besonderen Freiheitsrechte verschiedene materielle 908

Begriffsdefinition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. Allgemeine Ansicht, stellvertretend BVerfGE 30, 292, 336 – Mineralölbevorratung. 910 Nachweise, siehe Fn. 775. 911 Nachweise, siehe Fn. 1001. 912 Siehe Nachweise unten in Fn. 1000. 909

II. Dogmatische Prämissen 

133

Gehalte, ist dies im Sinne einer Verstärkung des Gewichts der Position des Grundrechtsträgers in der Abwägung zu berücksichtigen. Wenn nominell zwei besondere Freiheitsrechte tatbestandlich einschlägig913 sind, muss daher gefragt werden, ob sie auch materiell zwei unterschiedliche Bereiche der allgemeinen Handlungsfreiheit schützen. Um es bildlich auszudrücken: Es muss gefragt werden, ob von dem einen Kuchen der Freiheit nicht nur ein Stück, sondern zwei Stücke abgeschnitten werden. Ist das der Fall, ist der Einzelne stärker betroffen. Die Grundrechtseingriffe insgesamt wiegen schwerer. Damit das staatliche Handeln gerechtfertigt ist, muss die Schwere der Eingriffe hinsichtlich beider Grundrechte insgesamt gerechtfertigt sein, das staatliche Handeln muss höheren Rechtfertigungsanforderungen genügen. Insofern verstärken sich beide Grundrechte, als dass eine isolierte Rechtfertigung hinsichtlich eines Grundrechtseingriffs nicht ausreicht – der Einzelne ist im Ergebnis stärker geschützt. 3. Erweiterung der Perspektive Das beschriebene Verhältnis der besonderen Freiheitsrechte zum Bezugsrahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit entspricht dem Verhältnis der Grundrechte zum Bezugsrahmen der Menschenwürde. Auch bei der Menschenwürde lassen sich verschiedene materielle Gehalte als Aspekte der Menschenwürde identifizieren. Bei idealkonkurrierenden Grundrechten kommt es dann zu einer Gewichtsverstärkung, wenn unterschiedliche Menschenwürdeaspekte oder diese in unterschiedlicher Art und Weise betroffen sind (idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung).

II. Dogmatische Prämissen Das vorgeschlagene Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten beruht auf zwei Voraussetzungen, zum einem der Gewähr lückenlosen Grundrechtsschutzes durch das Grundgesetz (1.), und zum anderen, damit zusammenhängend, der Vorstellung von der Menschenwürde als gemeinsamen Ursprung aller Grundrechte (2.).

913

Im Sinne von „Eröffnung des Schutzbereichs“ und „Eingriff“.

134

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

1. Lückenloser Grundrechtsschutz des Grundgesetzes Es gibt zwei fundamental entgegengesetzte Auffassungen zur Vollständigkeit der Verfassung: Zum einen die des lückenlosen Grundrechtsschutzes.914 Zum anderen die, dass die Grundrechte nur punktuelle Einzelgewährleistungen seien.915 Nur mit dem Verständnis von einem prinzipiell lückenlosen Grundrechtsschutz lassen sich die Grundrechte sinnvoll auf Überschneidungen und Unterschiede im Hinblick auf einen gemeinsamen Bezugsrahmen vergleichen. a) Grundrechte als punktuelle Einzelgewährleistungen Nach der Auffassung von den Grundrechten als punktuelle Einzelgewährleistungen gibt es kein systematisches Konzept, das ihrer Aufnahme in die Verfassung zugrunde lag:916 Die verschiedenen Grundrechte seien aus historischen Gründen für besonders wichtige oder besonders gefährdete Lebensbereiche kodifiziert worden.917 Die Vorstellung eines Systems der Grundrechte stamme aus dem ziviljuristischen Denken des 19. Jahrhunderts und könne nicht auf die Grundrechte übertragen werden.918 In der Tat muss man angesichts des „Schrankenwirrwarrs“919 jedenfalls bezweifeln, dass es ein System der Schranken gibt. Ob daraus folgt, dass es darüber hinaus schon gar kein System der Grundrechte gibt, bleibt diskutierbar. Aber auch wenn man die Grundrechte nur als punktuelle Einzelgewährleistungen betrachtete, wäre das zwar ein starkes Argument dafür, schlösse aber nicht denknotwendig aus, dass das Grundgesetz dennoch materiell einen lückenlosen Grundrechtsschutz gewährt. b) Generalklausel allgemeine Handlungsfreiheit Viel aufschlussreicher ist in historischen Perspektive, dass die allgemeine Handlungsfreiheit vom parlamentarischen Rat bewusst als Generalklausel der Grundrechte konzipiert wurde.920 Garantiert wurde „die allgemeine Freiheit, die alles in 914

Giacometti, ZSR 74 (1955), 149, 171; Dürig, in: (1958/2003), Art. 1, Rn. 5 ff., 13, 87 f.; Bachof, in: Grundrechte III/1 (1958), S. 155, 168; BVerfGE 7, 198, 205 – Lüth; Schwabe, Probleme (1977), S. 365; Arnauld, Freiheitsrechte (1999), S. 53; Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 34, vgl. aber auch S. 49; Kahl, JuS 2008, 499, 500; Cornils, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 168, Rn. 71. 915 Scheuner, VVDStRL 22 (1963), 1, 37 f., 44, 53; Rüfner, in: FS 25 Jahre BVerfG Bd. II (1976), S. 453, 461–462; Hesse, Grundzüge, 20. Aufl. (1995), Rn. 426 ff.; BVerfGE 80, 137, Sondervotum Grimm S. 164 – Reiten im Walde. 916 Merten, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 56, Rn. 116; vgl. auch Starck, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 155. 917 Nachweise, siehe Fn. 902. 918 Scheuner, VVDStRL 22 (1963), 1, 44. 919 Siehe Fn. 761. 920 Hillgruber, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 2 Abs. 1, Rn. 11 m. w. N.

II. Dogmatische Prämissen 

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sich schließt“.921 Dieser Anspruch der Universalität kommt auch in den Entwurfsfassungen zum Ausdruck. Der Entwurf des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee lautete: „(1) Alle Menschen sind frei. (2) Jedermann hat die Freiheit, innerhalb der Schranken der Rechtsordnung und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet.“922 Der Redaktionsausschusses des Parlamentarischen Rats schlug daraufhin die Fassung vor: „Jedermann hat die Freiheit, zu tun und zu lassen, was die Rechte anderer nicht verletzt.“923 Lediglich aus sprachlichen, nicht inhaltlichen Gründen einigte man sich schließlich auf die heutige Fassung.924 Auch heute wird die allgemeine Handlungsfreiheit weit überwiegend als Auffanggrundrecht verstanden. Aus der positiven Verfassungsordnung selbst spricht daher ein starkes Argument für einen lückenlosen Grundrechtsschutz. c) Menschenrechtlicher Ursprung der Grundrechte Lückenloser Grundrechtsschutz wird materiell begründet aus der Idee unveräußerlicher, vorstaatlicher Menschenrechte, die weder vom Staat gewährt werden, noch auf Staatsangehörige beschränkt sind.925 Danach enthält die Verfassung „die eine Garantie der unteilbaren Freiheit“.926 Jegliches menschliches Handeln ist dabei als Freiheitsausübung anzusehen.927 Da die eine Garantie der Freiheit unteilbar ist, kann sie auch nicht lediglich lückenhaft gewährleistet werden. Nach diesem Konzept sind die kodifizierten Grundrechte nur Nachvollzug schon anderweitig vorgegebener Rechtspositionen und konstituierten diese nicht erst.928 Sie stellen nur die Transformation moralischer Menschenrechte auf die verfassungsrechtliche Ebene dar.929 Im Gegensatz dazu geht Georg Wilhelm Friedrich Hegel davon aus, alle wirkliche Freiheit sei konstituiert.930 Ähnlich zu Grundrechten steht beispielsweise Peter Häberle, nach dem alle Freiheitsgrundrechte auf freiheitskonstituierende staatliche Tätigkeit angewiesen seien.931 Eine vermittelnde Position vertritt etwa Lübbe-Wolff, 921

v. Mangoldt, nach Hillgruber, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 2 Abs. 1, Rn. 11 m. w. N. Hillgruber, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 2 Abs. 1, Rn. 1 m. w. N. 923 v. Mangoldt, in: v. Mangoldt, GG (1953), Art. 2, S. 46. 924 Hillgruber, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 2 Abs. 1, Rn. 9, 13 m. w. N. 925 Schmitt, Verfassungslehre (1928), S. 126, 158; H.-G. Müller, Menschenrechte (1946), S. 5; Giacometti, ZSR 74 (1955), 149, 150; Peters, in: FS Messner (1961), S. 363, 364; Arnauld, Freiheitsrechte (1999), S. 50; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 154; Richter, in: Konkordanzkommentar, 2. Aufl. (2013), Kapitel 9, Rn. 4. 926 Cornils, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 168, Rn. 65. 927 Vgl. Hillgruber, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 2 Abs. 1, Rn. 8. 928 Dürig, in: (1958/2003), Art. 1, Rn. 85; Ossenbühl, NJW 1976, 2100, 2101; v. Münch / Kunig, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Vorbemerkung Art. 1–19 GG, Rn. 46. 929 Dazu sogleich. 930 Hegel (1986), § 502 Anm.. 931 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, 3. Aufl. (1983), S. 98, 145 ff., 152. 922

136

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

nach der zwischen natürlichen Freiheiten, wie zum Beispiel der Meinungsfreiheit, und konstituierter Freiheit, wie beispielsweise dem Recht auf Schulbildung, unterschieden werden kann.932 In welchem Verhältnis die Grundrechte zu den Menschenrechten stehen, ist umstritten, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass die Menschenrechte selbst ihrer Natur und ihrem Gewährleistungsgehalt nach umstritten sind. Zur Frage, ob die Grundrechte aus den Menschenrechten herrühren, lassen sich drei Grundpositionen identifizieren:933 Nach der einen Auffassung vom starken objektiven Zusammenhang kodifizieren die Grundrechte des Grundgesetzes die überpositiven Menschenrechte.934 Danach sind nur solche Grundrechte im formellen Sinn auch solche im materiellen Sinn, die objektiv eine Transformation der Menschenrechte in das positive Verfassungsrecht darstellen. Auf der anderen Seite ist eine Verfassung lückenhaft, die die Menschenrechte nicht vollständig als grundrechtliche Positionen umsetzt.935 Nach einem anderen Ansatz ist nur von einem subjektiven Zusammenhang zwischen Grundrechten und Menschenrechten auszugehen. Danach liegen nur Grundrechte im materiellen Sinn vor, wenn diese mit dem Willen kodifiziert wurden, die Menschenrechte zu positivieren. Das hat zum einen die Konsequenz, dass mangelhaft aus den Menschenrechten transformierte Grundrechte nicht ihre Eigenschaft als Grundrechte im materiellen Sinn verlieren, solange nur der Wille zur Transformation bestanden hat. Zum anderen wären Grundrechte keine Grundrechte im materiellen Sinn, wenn dieser Wille zur Transformation bei ihrer Kodifizierung nicht bestanden hätte, und dass selbst dann, wenn diese Grundrechte objektiv eine gelungene Transformation der Menschenrechte darstellten.936 Es erscheint plausibel, zumindest einen schwachen objektiven Zusammenhang zwischen den Menschenrechten und den Grundrechten des Grundgesetzes auszugehen. Danach sind die Grundrechte Rechte, die mit dem Ideal bzw. dem Anspruch in die Verfassung aufgenommen worden sind, die Menschenrechte in das positive Verfassungsrecht zu transformieren.937 Die Grundrechte haben danach eine Doppel­ natur aus Positivität auf der einen Seite und auf der anderen Seite die ideale und kritische Dimension, mit ihrem Anspruch auf moralische Richtigkeit.938 In diesem Sinne ist von einer Idee von moralischen Menschenrechten auszugehen, die man erkennen kann, und die hinter der Auslegung der Grundrechte stehen. 932

Lübbe-Wolff, Grundrechte (1988), S. 85. Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 92 ff. 934 Stellvertretend für viele Dürig, in: (1958/2003), Art. 1, Rn. 85; Maurer, JZ 1999, 689, 693. 935 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 92 f. 936 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 93 f. 937 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 94; Alexy, in: Enzyklopädie (2010), S. 949, 1.2. 938 Alexy, in: FS Koch (2014), S. 15, 19 f.; Alexy, in: FS Schmidt-Jortzig (2011), S. 3, 13; Alexy, in: Enzyklopädie (2010), S. 949, 1.2. 933

II. Dogmatische Prämissen 

137

Dafür spricht, dass sich die Eltern des Grundgesetzes deutlich zum Naturrecht bekannt haben.939 Ausdruck dieser Intention der Verfassungsgebenden ist Art. 1 Abs. 2 GG. Im Bekenntnis zu den Menschenrechten in Art. 1 Abs. 2 GG wird von natürlichen, vorstaatlichen Rechten ausgegangen.940 Auch ist beispielsweise in Art. 6 Abs. 2 GG von dem „natürlichen Recht der Eltern“ die Rede, womit ebenfalls auf einen naturrechtlichen Hintergrund angespielt wird.941 Ideengeschichtliche Vorgänger des deutschen Grundgesetzes wie die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 beriefen sich ebenfalls bereits auf die natürlichen Rechte des Menschen.942 Aber auch wenn auf vorstaatlicher Ebene ein lückenloser Schutz des Einzelnen besteht, muss dies im kodifizierten Recht nicht zwingend ebenfalls so sein. „Die Lücke im Gesetz muss von der Lücke im Recht unterschieden werden.“943 Das entspricht der Unterscheidung, ob eine Verfassung Grundordnung oder Rahmenordnung ist.944 Eine Verfassung enthält notwendigerweise nur punktuelle ausdrückliche Gewährleistungen. Vorläufig festgestellte „Lücken“ können sich tatsächlich als nicht vorhanden herausstellen, weil Auffanggrundrechte nicht ausdrücklich geregelte Lebensbereiche abdecken. Die Frage nach der „Lückenlosigkeit der Verfassung“ stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Problem der Verdrängung des Art. 2 Abs. 1 GG bei thematischer Einschlägigkeit eines besonderen Freiheitsrechts, obwohl der sachliche oder persönliche Schutzbereich des besonderen Freiheitsrechts nicht eröffnet ist.945 Vielen erscheint es nicht überzeugend, dass Ausländer bei thematischer Einschlägigkeit von Deutschengrundrechten schutzlos gestellt wären.946 Andere wollen dies als Entscheidung der Verfassung hinnehmen.947 Die Lösung dieses Problems ist gerade davon abhängig, ob man von einem Konzept des lückenlosen Grundrechtsschutzes ausgeht, oder nicht. Daher können aus der Lösung dieses Streits keine Argumente für oder gegen die Lückenlosigkeit abgeleitet werden. Die Funktion eines Auffanggrundrechts übernimmt für das Grundgesetz im Bereich der Freiheitsrechte die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG.948 939

Peters, in: FS Messner (1961), S. 363, 363; Starck, Verfassungsstaat (1995), S. 156; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 106 ff.; Brugger, Menschenwürde (1997), S. 7. 940 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 214 Fn. 21. 941 Peters, in: FS Messner (1961), S. 363, 363. 942 Vgl. Giacometti, ZSR 74 (1955), 149, 166 f. 943 Richter, in: Konkordanzkommentar, 2. Aufl. (2013), Kapitel 9, Rn. 2. 944 Alexy, in: Theory (2010), S. 388, 390. 945 Siehe zum Streitstand Cornils, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 168, S. 65 ff. m. w. N. 946 Stellvertretend Cornils, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 168, S. 68. 947 Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 22 ff. 948 Dürig, JZ 1957, 169, 170; Bachof, in: Grundrechte III/1 (1958), S. 155, 168; Bachof, in: Grundrechte III/2 (1959), 168; Nipperdey, in: Grundrechte IV/2 (1962), S. 741, 758: „Hauptfreiheitsrecht“, „Mutter oder Vater der tätigkeitsbezogenen Grundrechte“; H. H. Klein, Der Staat 10 (1971), 145, 164; Bethge, in: Hdb Grundrechte III (2009), Rn. 25 „materielles Hauptfreiheitsrecht“; Richter, in: Konkordanzkommentar, 2. Aufl. (2013), Kapitel 9, Rn. 9.

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C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Alternative Vorschläge für diese Funktion umfassen das allgemeine Persönlichkeitsrecht,949 die Menschenwürde selbst950oder Art. 19 Abs. 4 GG.951 Sie konnten sich jedoch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG durchsetzen.952 Der bereits als Generalklausel konzipierte953 Art. 2 Abs. 1 GG wird spätestens seit dem Elfes-Urteil als umfassende Freiheitsgewährleistung begriffen.954 Die Auffassung, wonach Art. 2 Abs. 1 GG nur Verhaltensweisen mit besonderer Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung schützt,955 konnte keine größere Anhängerschaft gewinnen. Für den Bereich der Gleichheitsrechte übernimmt Art. 3 Abs. 1 GG die Auffangfunktion. Diskutiert wird aber auch eine allgemeine Auffangfunktion des Willkürverbots des Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich aller Grundrechte.956 Als Vorbild dient dazu die Schweiz, in der das allgemeine Gleichheitsrecht des Art. 8 Abs. 1 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft957 sogar als ganz allgemeines Auffanggrundrecht verstanden wird.958 Auffanggrundrechte spielen deswegen praktisch eine große Rolle, da mit ihnen eine allgemeine Verfassungsmäßigkeitskontrolle nach dem Elfes-Kontrollmaßstab verlangt werden kann. Außerdem kann der Schutz sich neu bildender Lebensbereiche über sie erreicht werden, beispielsweise bei dem Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.959 Dass es neben Art. 2 Abs. 1 GG spezielle Grundrechte gibt, spricht dabei nicht gegen die Konstruktion eines allgemeinen Freiheitsrechts.960 Schwabe geht sogar soweit, die Unterscheidung in einzelne Grundrechte als reine Formalität zu be­ 949

BGHZ 24, 72, 78; Peters, in: FS Laun (1953), S. 669, 677; H. H. Klein, Der Staat 10 (1971), 145, 164. 950 I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 574 „Supergrundrecht“. 951 Bethge, in: Hdb Grundrechte III (2009), Rn. 25. 952 BVerfGE 6, 32, 37–38 – Elfes; BVerfGE 63, 45, 60; BVerfGE 70, 1, 25 – Orthopädietechniker-Innungen; BVerfGE 80, 137, 152–999 – Reiten im Walde; statt vieler Scholz, AöR 100 (1975), 80, 119; Arnauld, Freiheitsrechte (1999), S. 49: mittlerweile unbestritten; Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165, 188; Merten, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 27, Rn. 18; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6.  Aufl. (2010), Art.  2, Rn.  49; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 56. 953 Siehe Abschnitt C. II. 1. b). 954 BVerfGE 6, 32, 36–37 – Elfes; BVerfGE 80, 137, 152 – Reiten im Walde. 955 Peters, in: FS Laun (1953), S. 669; BVerfGE 80, 137, Sondervotum Grimm S. 165 – Reiten im Walde. 956 Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41, 45; G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 42. 957 „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“, Stand 18.4.1999; vgl. den Wortlaut der Vorgängerversion Art. 4 Satz 1 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1848 „Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich.“. 958 Giacometti, ZSR 74 (1955), 149, 160; Venanzoni, ZSR 98 I n. F. (1979), 267, 270; Rinck, DVBl. 1961, 1, S. 2, 4; Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41, 45; G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 38; vgl. auch Dworkin, Bürgerrechte (1984), S. 429 ff.. 959 BVerfGE 120, 274, 302 – Online-Durchsuchungen. Zu den Voraussetzungen der „Neuschöpfung“ eines Grundrechts, siehe Abschnitt C. XV. 960 So aber Klement, AöR 134 (2009), 35, 43.

II. Dogmatische Prämissen 

139

zeichnen.961 Das Grundgesetz zerlegt die allgemeine, schlechthin gewährte Freiheit in einzelne, spezielle Freiheitsbereiche, die kodifizierten Freiheitsrechte.962 Insgesamt lässt sich feststellen: Trotz formaler Lückenhaftigkeit ist das Grundgesetz auf sachliche Lückenlosigkeit angelegt.963 2. Die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte Die Grundrechte lassen sich ganz bzw. jedenfalls sehr weitgehend auf die Menschenwürde zurückzuführen.964 In diesem „Muttergrundrecht“ oder „Grundwert“ ist „die eine unteilbare Freiheit“965 kodifiziert als ursprüngliche, grundsätzliche Rechtsposition des Einzelnen gegenüber dem Staat, aus der sich dann die verschiedenen, im Grundgesetz genannten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte ausdifferenziert haben.966 Die Menschenwürde beinhaltet sowohl die personale Selbstbestimmung, als auch die personale Gleichheit.967 Sie gilt daher auch als Höchstwert der Verfassung.968 Auch im internationalen Vergleich berufen sich beispielsweise die Schweizer969, Finnen,970 Polen971 und Slowaken972 auf die Menschenwürde als erstes, vom Staat zu schützendes Recht. Das schließt es im Übrigen nicht aus, die Menschenwürde auch als Grundrecht anzusehen.973 Unter dem Gesichtspunkt von 961 Schwabe, Probleme (1977), S. 368; dagegen wird eingewandt, mit den unterschiedlichen Verfassungsbestimmungen müsse auch Unterschiedliches gemeint sein Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 88; bereits allgemein Dürig, JZ 1957, 169, 170. 962 Grabitz, Rechtstheorie 1977, 1, 16; Kimminich, in: FS Raschhofer (1977), S. 105, 120; Schneider, Güterabwägung (1979), S. 107; Grimm, Zukunft (1991), S. 69 ff.; a. A.  Scheuner, DÖV 1967, 585, 590; Scholz, AöR 100 (1975), 80, 114; Stern, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 185, Rn. 58; F. Müller / Christensen, Methodik, 11. Aufl. (2013), Rn. 62. 963 Vgl. Giacometti, ZSR 74 (1955), 149, 171. 964 Dürig, in: (1958/2003), Art. 1, Rn. 81; Hilgendorf, Jahrbuch für Recht und Ethik 7 (1999), 137, 149; Maurer, JZ 1999, 689, 693; Häberle, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 22, Rn. 57 m. w. N.; Di Fabio, JZ 2004, 1, 6; Turegg, NJW 1954, 96, 97; Zippelius, in: Bonner Kommentar, 179. EL (2016), Art. 1 Abs. 1 u. 2 GG, Rn. 13 eingeschränkt: „zahlreiche“; einschränkend Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 1, Rn. 162 ff.; zu Kriterien zur Bestimmung des Menschenwürdegehalts der einzelnen Grundrechte, Stern, in: Stern Staatsrecht IV/1 (2006), 86 ff.; vgl. auch Alexy, Theorie (1985), S. 350, der von materialen Unterprinzipien der Menschenwürde spricht. 965 Siehe Abschnitt C. II. 1. c) bei Fn. 926. 966 Siehe Abschnitt C. II. 1. 967 Dietel, DVBl. 1969, 569, 575. 968 Statt vieler Dietel, DVBl. 1969, 569, 575; Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 32; I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 574. 969 Art. 7 BV Schweiz, erster Artikel im Kapitel „Grundrechte“. 970 § 1 Abs. 2 S. 2 Verfassung Finnland. 971 Art. 30 Verfassung Polen: Menschenwürde als Quelle von Freiheiten und Rechten. 972 Art. 12 Verfassung Slowakei. 973 BVerfGE 1, 332, 343 – Strafvollstreckung eines DDR-Urteils in der BRD; BVerfGE 61, 126; Zippelius, in: Bonner Kommentar, 179. EL (2016), Art. 1 Abs. 1 u. 2 GG, Rn. 28; I. Augsberg / S. Augsberg, AöR 132 (2007), 539, 574; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6.  Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 31; a. A. Dürig, in: (1958/2003), Art. 1, Rn. 4 f.; Bettermann, Grenzen (1968), S. 5 f.; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 1, Rn. 125.

140

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Kongruenz und Abwägung kann sämtlichen Grundrechten mindestens ein Aspekt der Menschenwürde zugeordnet werden, den sie schützen (III.).

III. Die Aspekte der Menschenwürde Um feststellen zu können, wann Grundrechte sich inhaltlich überschneiden, ist auf die unterschiedlichen Teilgehalte der Menschenwürde abzustellen. In Anlehnung an Schwabe, der bereits im Rahmen der Erläuterung seines grundrechtlichen Wirkungsverbunds den Begriff „Aspekt“ verwendete,974 werden diese Teilgehalte hier „Aspekte der Menschenwürde“ genannt. Einige Aspekte der Menschenwürde haben gleich in mehreren Grundrechten ihren Ausdruck gefunden – daher das Potential zu Überschneidungen. Auf der anderen Seite beinhalten die meisten Grundrechte mehr als einen Aspekt der Menschenwürde. Nicht alle Menschenwürdeaspekte eines Grundrechts sind jedoch in jedem Fall einschlägig. Je nach Kontext kann ein Aspekt gerade nicht einschlägig sein, während ein anderer, sonst untergeordneter Aspekt, im Mittelpunkt steht.975 1. Bestimmung der Aspekte Es heißt, um die Menschenwürde zu erklären, bedürfe es anthropologischer, theologischer, philosophischer und naturrechtlicher Deutungen.976 Ein normatives Konzept aus der Menschenwürde heraus zu entwickeln erscheint daher als schwieriges Unterfangen. Stattdessen wird im Wege einer kritischen Rekonstruktion heraus gearbeitet werden, was implizit im dogmatischen Material, in den Normen der Verfassung, ihrer Auslegungspraxis und in den breiten Strömungen der wissenschaftlichen Interpretation bereits in verschiedenen Zusammenhängen an Unterscheidungen getroffen wird. In grundrechtsdogmatischer Hinsicht gibt es Ansätze, die Grundrechte nach ihren materiellen Schutzgehalten zu systematisieren (a)). Ferner sind die bereits im Kapitel Grundrechtskonkurrenzen977 angesprochenen Verdrängungskonstellationen aufschlussreich (b)). Schließlich stellen rechtsphilosophische und sonstige Erwägungen zu essentiellen menschlichen Gütern eine wertvolle Erkenntnisquelle dar (c))

974

Schwabe, Probleme (1977), S. 361. Siehe Abschnitt C. XI. 1. 976 Stern, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 184, Rn. 117. 977 Siehe Abschnitt B. II. 975

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

141

a) Materielle Systematisierungen von Grundrechten Einige Autoren haben es unternommen, die Menschenrechte bzw. Grundrechte zu systematisieren.978 Wie bereits ausgeführt, können die Grundrechte in vielerlei Hinsicht kategorisiert werden.979 Hier interessieren nur Einteilungen im Hinblick auf materiell verschiedene Schutzgehalte.980 Jede identifizierte Gruppe könnte für einen eigenen Menschenwürdeaspekt stehen. Häufig ist die Einteilung der Grundrechte in Freiheiten, Gleichheitssatz und (gleichrangig) Eigentum anzutreffen.981 Daneben gibt es auch die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und ideellen Grundrechten,982 wie zum Beispiel in der Schweiz.983 Diese zweigliedrigen und dreigliedrigen Einteilungen sind aber zu grob für den hier verfolgten Zweck, der Identifizierung grundlegender Menschenwürdeaspekte. Eine mehr auf den Effekt bezogene Unterteilung nimmt Spielmann vor, der die Grundrechte in die Kategorien Handlungsfreiräume, natürliche Integritätssphären und durch die Rechtsordnung geschaffene Einrichtungen einordnet.984 Damit richtet sich seine Systematisierung mehr auf die Auswirkung, und nicht auf den Geltungshintergrund der Grundrechte, so dass sie ebenfalls für das vorliegende Unterfangen nicht weiterführend ist. Dieter Grimm widmet sich einer inhaltlichen Unterscheidung und identifiziert vier Gruppen von Grundrechten: Die erste sichere die Freiheit von Person und Privatsphäre (persönliche Freiheit, Aufhebung jedes privaten Herrschaftsverhältnisses, Freiheit vor willkürlicher Verhaftung und Bestrafung, Schutz des privaten Lebensraums), die zweite Gruppe schütze die Kommunikationssphäre (Gewissensfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit), die dritte Gruppe betreffe das Wirtschaftsleben (Eigentums-, Vertrags und Gewerbefreiheit), die vierte Gruppe sei auf Gleichheit gerichtet.985 Ingo von Münch und Ute Mager legen ebenfalls eine Gruppierung der Grundrechte nach ihrem Schutzgegenstand vor. Die Freiheitsrechte ließen sich gruppieren in (1) körperliche und geistig-seelische Integrität, (2) Privatsphäre, (3) Selbstbestimmung hinsichtlich Fortbewegung und Aufenthalt, (4) Kommunikation und offene 978 Ablehnend gegenüber einer solchen Vorgehensweise Sachs, in: Stern Staatsrecht III/1 (1988), § 64, S. 469: eine Einteilung der Grundrechte anhand des sachlichen Gegenstands sei wegen der breiten Deutungsmöglichkeiten der Vorschriften undurchführbar. 979 Siehe Abschnitt B. I. 980 Zu anderen Einteilungen siehe Abschnitt B. I. 981 Z. B. Bleckmann, Struktur (1995), S. 44. 982 Die wirtschaftliche Tätigkeit ist nach dieser Einteilung grds. leichter einschränkbar als die ideelle, vgl. in Deutschland Idealverein und wirtschaftlicher Verein. 983 Stalder, Preferred Freedoms (1977), S. 142; Rohrer, Beziehungen (1982), S. 115 f. 984 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 105. 985 Grimm, Zukunft (1991), S. 69.

142

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Gesellschaft, (5) wirtschaftliche Freiheit (6) sowie die allgemeine Handlungsfreiheit als Auffanggrundrecht.986 Die Gleichheitsrechte ließen sich untergliedern in die strikteren spezielleren Diskriminierungsverbote und den allgemeinen Gleichheitssatz.987 Daneben gebe es Justizgrundrechte.988 Auch von Münch / Mager sehen also wie Grimm die Gleichheitsrechte als eine eigenständige Kategorie. Die bei Grimm eine herausgehobene Stellung einnehmenden Schutzgüter Kommunikation und Wirtschaftsleben sind bei ihnen aber nur einzelne unter mehreren anderen Freiheitsausübungen. Als solche werden sie aber auch von von Münch / Mager als eigenständige Gruppe aufgeführt. Auffällig ist die separate Hervorhebung der Justizgrundrechte. Von Interesse sind daneben auch Systematisierungen der Menschenrechte nach materiellen Gesichtspunkten. Dieses Unterfangen ist mit der Schwierigkeit befrachtet, dass die Menschenrechten in Umfang und Ausgestaltung umstritten sind. Als Beispiel sei Gustavo Arosemena genannt, der die Menschenrechte in folgende größere Gruppen einteilt: Es gebe die Gruppe der Integritätsrechte (darunter das Recht auf Leben und das Recht auf Freiheit von Folter und unmenschlicher und entwürdigender Behandlung), Freiheitsrechte (darunter das Recht auf Eigentum), politische Rechte, sozio-ökonomische Rechte, Gleichheits- und Antidiskriminierungsrechte, das Recht auf faires Verfahren und Rechtsschutz.989 Zwar im Zuschnitt anders, aber auf bereits bei den anderen Autoren vorgefundene Topoi abstellend, ist diese Einteilung denen bei Grundrechten ähnlich. Schließlich ist auch die Gruppierung der Grundrechte in der EU-GrundrechteCharta von 2000 aufschlussreich, die von vielen für gelungen erachtet wird.990 Die Grundrechte sind dort eingeordnet unter den Titeln „Würde des Menschen“, „Freiheiten“, „Gleichheit“, „Solidarität“, „Bürgerrechte“ und „Justizielle Rechte“. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die Anzahl der Unterteilungen und die Zuordnungen im Detail variieren je nach Autor. Dennoch gibt es einige Gruppen, die regelmäßig als eigenständige genannt werden. Dies sind Integrität der Person, Privatsphäre, Kommunikationsrechte und Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung. Seltener werden die Gruppen politische Betätigung / Bürgerrechte und Justizgrundrechte aufgeführt. Demgegenüber werden die Gleichheitsrechte durchgehend als eine separate Gruppe angesehen.

986

Mager, Staatsrecht II, 6. Aufl. (2014), Rn. 45. Mager, Staatsrecht II, 6. Aufl. (2014), Rn. 45. 988 Mager, Staatsrecht II, 6. Aufl. (2014), Rn. 45. 989 Arosemena, in: Introduction (2014), Kapitel 12.6. 990 Stellvertretend Jarass, EU-Grundrechte (2005), S. 48. 987

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

143

b) Analyse der Verdrängungskonstellationen Auch mittels Analyse der Grundrechtskonstellationen, in denen Verdrängung angenommen wird, können Menschenwürdeaspekte aufgespürt werden. Oft besteht nämlich der unausgesprochene Grund für die Annahme einer Verdrängung unter tatbestandlich einschlägigen Grundrechten darin, dass beide das selbe Schutzgut abdecken. Bei der Spezialität liegt schon per Definition eine inhaltliche Überschneidung vor. Hier ist der Grund für die Verdrängung der doppelte Schutz und damit verbunden, dass es dann unnötig ist, beide Grundrechte aufzuführen. Allerdings umfassen die Fälle allgemein anerkannter Spezialität nur das Verhältnis von Art. 2 Abs. 1 GG zu anderen Freiheitsrechten,991 gegebenenfalls auch das Verhältnis des allgemeinen Gleichheitsrechts zu besonderen Gleichheitsrechten.992 Andere Paarungen, wie zum Beispiel religiöse Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG zur Vereinigungsfreiheit in Art. 9 GG, leiden an der Umstrittenheit des genauen Umfangs der jeweiligen grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte. Im Hinblick auf Menschenwürdeaspekte ist jedoch bei diesen Zusammentreffen diejenige Konstellation interessant, bei der gerade nicht von einer inhaltlichen Überschneidung zwischen besonderem Freiheitsrecht und allgemeiner Handlungsfreiheit ausgegangen wird. Art. 2 Abs. 1 GG wird nämlich idealkonkurrierend neben dem besonderen Freiheitsrecht angewendet, wenn die allgemeine Handlungsfreiheit einen neuen, im besonderen Freiheitsrecht nicht enthaltenen „sachlichen Gesichtspunkt“ schützt.993 Dieser „sachliche Gesichtspunkt“ entspricht in jenem Zusammenhang einem Menschenwürdeaspekt. Präzedenzfälle für die Annahme einer solchen Idealkonkurrenz sind jedoch selten. Eine Idealkonkurrenz von Art. 2 Abs. 1 GG mit einem besonderen Freiheitsrecht wurde vom Bundesverfassungsgericht etwa angenommen im Urteil Kirchenbausteuer. Dort war die Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG einschlägig, außerdem gab es eine Ungleichbehandlung juristischer Personen gegenüber nicht-rechtsfähigen Personengesellschaften994 im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG und darüber hinaus wurde Art. 2 Abs. 1 GG für verletzt erachtet 991

Siehe bei Fn. 775. Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 249–250. 993 BVerfGE 19, 206, 225 – Kirchenbausteuer; BVerfGE 30, 292, 336 – Mineralölbevorratung; BVerfGE 78, 179, 196–197 – Heilpraktikergesetz; vgl. BVerfGE 58, 358, 363 – Strafaussetzung zur Bewährung; Scholz, AöR 100 (1975), 80, 115; Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 42 f.; vgl. Lerche, in: Hdb Staatsrecht V (1992), § 121, Rn. 14; Lerche, in: Hdb Staatsrecht V (1992), § 122, Rn. 46; vgl. auch die etwas andere Konstellation bei BVerfGE 13, 290, 296 – Ehegatten-Arbeitsverhältnisse; Di Fabio, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 2 Abs. 1, Rn. 24; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 249. 994 Interessant ist an diesem Fall außerdem, dass auch für Art. 3 Abs. 1 GG ein sachlicher Gesichts­punkt gesucht und identifiziert wurde, statt den Gleichheitssatz einfach „außer Konkurrenz“ zu stellen. Dies impliziert die Annahme des Schutzes von sachlichen Gesichtspunkten, d. h. Menschenwürdeaspekten, auch bei Art. 3 Abs. 1 GG. Zu den Menschenwürdeaspekten bei Art. 3 Abs. 1  GG siehe Abschnitt D. II. 1. a). 992

144

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

wegen der „Unvereinbarkeit der Kirchenbausteuerpflicht juristischer Personen mit der durch das Grundgesetz festgelegten Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche“.995 In Art. 2 Abs. 1 GG wurde daher ein weiterer inhaltlicher Schutzgehalt verortet, der nicht bereits von Art. 4 Abs. 1 GG abgedeckt ist, nämlich die durch das Grundgesetz festgelegte Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche.996 Dieser sehr spezielle Gesichtspunkt dürfte zu spezifisch sein, um einen eigenen Menschenwürdeaspekt zu begründen.997 Die Vorgehensweise lässt sich aber auf andere Fälle übertragen. So sind sich auch diejenigen einig, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht als besonderes Freiheitsrecht sondern als Ausprägung des Art. 2 Abs. 1 GG erkennen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht durch besondere Freiheitsrechte verdrängt wird.998 Weiteres Anschauungsmaterial bietet das Problemfeld Grundrechtsschutz für Ausländer bei thematischer Einschlägigkeit von Deutschengrundrechten. Um Ausländer nicht frei von Grundrechtsschutz zu stellen werden bestimmte materielle Schutzgehalte in Art. 2 Abs. 1 GG identifiziert. So wird die Einhaltung des Vorbehalts des Gesetzes als ein im Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG eigenständiger Schutzgehalt begriffen, der über Art. 2 Abs. 1 GG auch von einem Ausländer gerügt werden kann.999 Bei ausländischen Bürgern der Europäischen Union verlangen die europäischen Grundfreiheiten sowie Art. 18 AEUV, dass sie gegenüber Deutschen nicht diskriminiert werden, also dass ihnen der inhaltlich gleiche Grundrechtsschutz gewährt wird. Nach herrschender Meinung wird daher anderen Bürgern der Europäischen Union der inhaltlich gleiche Schutz, den die Deutschengrundrechte bieten, über Art. 2 Abs. 1 GG gewährt.1000 Aber auch bei Ausländern aus Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören, wird ein gewisser Gehalt der von den Deutschengrundrechten geschützten Inhalte in Art. 2 Abs. 1 GG verortet.1001 Auch in diesen Fällen müssen Erwägungen 995

BVerfGE 19, 206, 225 – Kirchenbausteuer. BVerfGE 19, 206, 225 – Kirchenbausteuer. 997 Im Ergebnis irrelevant ist, dass es sich in dem Beispiel um eine juristische Person gehandelt hat, die keine Menschenwürde hat. Über Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit der vorzugswürdigen Lehre vom personalen Substrat ist auf die hinter der juristischen Personen stehenden natürlichen Personen abzustellen. 998 Di Fabio, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 2 Abs. 1, Rn. 25. 999 BVerfGE 78, 179, 196–197 – Heilpraktikergesetz. 1000 H. Bauer / Kahl, JZ 1995, 1077, 1083; Störmer, AöR 123 (1998), 541, 542 ff.; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 17 m. w. N.; kritisch Hain, DVBl. 2002, 148, 156. Ein anderer Lösungsweg sieht vor, den Begriff „Deutsche“ in den Deutschengrundrechten so auszulegen, dass darunter auch ausländische EU-Bürger fallen. 1001 BVerfGE 35, 382–09, 399–400 – Palästinenserbeschluss; BVerfGE 78, 179, 196 f. – Heilpraktikergesetz; BVerfGE 80, 81, 95–96 – Volljährigenadoption I; BVerfGE 96, 10, 21 – Räum­ liche Aufenthaltsbeschränkung; BVerfGE 104, 337, 346 – Schächten; Cornils, in: Hdb Staats 996

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

145

angestellt werden, welche materiellen Schutzgüter in den besonderen Freiheitsrechten geschützt werden, und welche in Art. 2 Abs. 1 GG, und wo es Überschneidungen im Schutzgehalt gibt.1002 Zu dieser Fallgruppe sind Präzedenzfälle selten und umfassen vor allem die Erwerbstätigkeit, wie sie von dem Deutschengrundrecht Art. 12 Abs. 1 GG geschützt wird,1003 daneben auch die Freizügigkeit (vgl. Art. 11 GG).1004 Eine Verdrängung wird – wie bereits im Kapitel Grundrechtskonkurrenzen erläutert1005 – außerdem angenommen bei den stark wertenden Figuren der Subsidiarität, Konsumtion und der „situationsbezogenen Verdrängung“. Bei der Figur der situationsbezogenen Verdrängung wird das Grundrecht mit dem größeren Bezug zum Fall auserwählt und alle anderen für verdrängt erklärt. Eine inhaltliche Überschneidung schwingt dabei nicht mit. Bei den (nicht klar abgrenzbaren1006) Figuren der Subsidiarität und Konsumtion hingegen geht es sehr wohl um Überschneidungen und die inhaltliche Abgrenzung von Grundrechten zueinander. Bei diesen Verdrängungsfiguren, die gelegentlich irreführenderweise auch als „Spezialität“ bezeichnet werden,1007 geht es darum, dass ein Grundrecht einen bestimmten Sachverhalt abschließend regelt und daher andere, inhaltlich ähnliche Grundrechte verdrängt werden.1008 Beispiele finden sich vor allem beim Zusammentreffen von Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und oder Pressefreiheit. So heißt es, Art. 8 GG verdränge als „spezielleres“ Grundrecht Art. 5 Abs. 1 GG, wenn Art. 8 GG als kollektive

recht VII (2009), § 168, Rn. 68; Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49, 80; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 2, Rn. 7; i. E. auch Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 48; a. A. Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 200, Rn. 44; Bleckmann, Grundrechtslehren, 2. Aufl. (1985), S. 112. Dass dieser Schutz inhaltlich hinter dem durch Art. 12 Abs. 1 GG zurück bleibt (Cornils, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 168, 68), hat sich bis jetzt noch nicht gezeigt. Die ausdrücklich normierten Schranken der besonderen Freiheitsrechte sind jedenfalls praktisch für die Prüfung der Verfassungswidrigkeit nicht besonders wichtig, so dass sie sich nicht auswirken (siehe die Abschnitte B. II. 2. c) cc) und C. VI.). Berechtigung haben Unterscheidungen zwischen Staatsangehörigen und Fremden jedoch zumindest bei allen Grundrechten, die den Menschenwürdeaspekt politische Teilhabe beinhalten, z. B. beim Wahlrecht oder beim Recht auf gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt (vgl. Di Fabio, in: Maunz /  Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 2 Abs. 1, Rn. 28). Zum Recht auf Mitgestaltung ist nämlich grundsätzlich eine Mitgliedschaft im jeweiligen Verband erforderlich. Eine Mitgestaltung durch Außenstehende, die nicht dem Verband angehören, ist höchstens bei Fragen möglich, die nicht zum Kern des Verbandzwecks gehören (Schäfer, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2013), § 709, Rn. 98. Zur Kernbereichslehre im Gesellschaftsrecht BGHZ 20, 363; Seidel / Wolf, BB 2015, 2563). 1002 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch eine neuere Entscheidung des Bundes­ verfassungsgerichts, wonach eine Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger – unter dort nicht näher dargelegten Umständen  – einer Unterscheidung nach den in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmalen nahe kommen kann und danach erhöhten Rechtfertigungsanforderungen unterläge, BVerfGE 240, 240, 255 – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz. 1003 BVerfGE 104, 337, 346 – Schächten. 1004 BVerfGE 35, 382–09, 399 – Palästinenserbeschluss. 1005 Siehe Abschnitt B. II. 1006 Siehe Abschnitt B. II. 2. c) ee). 1007 Zur Definition von Spezialität siehe B. II. 2. c) dd). 1008 Nachweise siehe B. II. 2. c) ee).

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C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Meinungsäußerungsfreiheit angesehen werde.1009 Auch sei die Kunstfreiheit gegenüber der Meinungsfreiheit spezieller.1010 Art. 4 Abs. 1 GG sei bei religiös geprägten Meinungsäußerungen lex specialis zu Art. 5 GG.1011 Bei religiös geprägten Versammlungen sei Art. 4 Abs. 1 GG spezieller als Art. 8 GG und Art. 9 Abs. 1 GG.1012 Bei solchen Aussagen ist zu beachten, dass es entscheidend auf die Auslegung der Gewährleistungsgehalte der einzelnen Grundrechte ankommt, ob eine materiale Überschneidung vorliegt, oder eben nicht.1013 Dieser ist in den Randbereichen bei vielen Grundrechten umstritten, weil der knappe, abstrakte Wortlaut der Grundrechte viel Interpretationsspielraum lässt. Wann im Einzelfall eine Spezialität nach herrschender Meinung angenommen wird, ist daher weniger interessant als die Tatsache, dass die Bearbeiter dieses Themenkomplexes gezwungen sind, sich die Frage zu stellen, welche materialen Schutzgüter hinter den Grundrechten jeweils stecken. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Analyse der Verdrängungskonstellationen nur dürftige Ergebnisse liefert. Zwar besteht ein breiter Konsens, dass die genannten Argumentationsmuster anzuerkennen sind. Allerdings hat die Judikatur kaum Fälle hervorgebracht, anhand derer sich eine größere Debatte hätte entzünden können. c) Essentielle Güter Verschiedentlich wurde bereits unternommen, essentielle Güter zu bestimmen, die für das menschliche Wohlergehen notwendig sind. Besonders weite Anerkennung hat der sozialpsychologische Ansatz Abraham Maslows gefunden, der eine Hierarchie der Bedürfnisse aufgestellt hat.1014 In ihrer endgültigen Fassung stehen an erster Stelle physiologische Bedürfnisse, dann Sicherheitsbedürfnisse, dann soziale Bedürfnisse und dann Individualbedürfnisse. Danach folgen kognitive Bedürfnisse, ästhetische Bedürfnisse, Selbstverwirklichung und Transzendenz.1015 Auch aus rechtsphilosophischer Sicht wurde die Frage nach essentiellen Gütern des Menschen gestellt. Da die Menschenwürde auch den Schutz essentieller menschlicher Güter umfasst, sind die essentiellen Güter zumindest auch als Aspekte der Menschenwürde anzusehen. Ob es über die essentiellen Güter hinaus noch weitere Aspekte der Menschenwürde geben kann, soll vorerst zurückgestellt werden.1016 1009

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 160. BVerfGE 30, 173, 200 – Mephisto. 1011 Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 250. 1012 Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 250. 1013 Vgl. Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 23. 1014 Maslow, Psychological Review 50 (1943), 370. 1015 Maslow, Farther Reaches of Human Nature, 4. Aufl. (1973). 1016 Siehe dazu Abschnitt C. III. 2. 1010

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

147

Essentielle Güter sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ihrerseits nicht wieder Teil eines weiteren Guts sind. Sie stellen sozusagen den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ dar. Außerdem wird unterschieden zwischen einem Gut, dass ein Ziel ist, und einem solchen, dass Mittel ist, ein weiteres erstrebtes Gut zu erlangen. Den im Folgenden aufgeführten Autoren ist gemeinsam, dass sie versuchen solche Rechtsgüter zu bestimmen, die nicht nur Mittel zur Erlangung eines weiteren Rechtsguts sind, sondern die um ihrer selbst willen erstrebenswert sind. aa) H. L. A. Hart Herbert Lionel Adolphus Hart untersucht in seinem Werk The Concept of Law von 1961 unter anderem natürliche Fakten und Ziele bzw. Wahrheiten des mensch­ lichen Daseins. Dies geschieht unter dem Blickwinkel von materiellen und psychologischen Bedingungen, unter denen Menschen ihre Ziele verfolgen. Als essentielles Rechtsgut erkennt Hart nur ein einziges als Ziel an: Überleben, bzw. Leben.1017 Daraus entwickelt er seine Wahrheiten des gesellschaftlichen Zusammenlebens, nämlich Leben,1018 Gleichheit,1019 begrenzter Altruismus,1020 individuelles Eigentum1021 und Sanktionen bei Regelverstößen1022. Die Aufnahme von begrenztem Altru­ismus begründet Hart damit, dass die Menschen nicht primär egoistisch seien, sondern auch ein Interesse am Überleben und Wohlergehen ihrer Mitmenschen hätten.1023 Individuelles Eigentum führt Hart deswegen an, weil die Ressourcen zur Befriedigung natürlicher Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Schutz nicht ubiquitär vorhanden seien, so dass eine minimale Form institutionalisierten Eigentums nötig sei, mit dem der Einzelne andere von der Nutzung seiner Ressourcen ausschließen könne.1024 Sanktionen bei Regelverstößen seien deswegen nötig, damit die Mehrheit derjenigen, die sich freiwillig den Restriktionen der Regeln des Zusammenlebens unterwerfen, nicht von Einzelnen ausgenutzt würden, die sich nicht an die Regeln hielten.1025 bb) John Rawls Auch John Rawls hat in verschiedenen Werken von 1971 bis 2001 ausgehend von essentiellen menschlichen Gütern eine Aufzählung essentieller Verbürgungen entwickelt. 1017

Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 192. Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 194 f. 1019 Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 195. 1020 Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 196. 1021 Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 196. 1022 Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 197. 1023 Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 196. 1024 Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 196. 1025 Hart, Concept of Law, 3. Aufl. (2012), S. 198. 1018

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C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Rawls sieht Freiheit, Möglichkeit, Vermögen und Selbstwertgefühl als primäre Güter an.1026 Jedoch führt er diese Güter nicht deswegen an, weil er sie für primäre Ziele des menschlichen Lebens hält, sondern weil es rational sei, diese Güter zu erstreben, da sie im Allgemeinen notwendig seien, um einen rationalen Plan des Lebens zu fassen und auszuführen.1027 Daraus konzipiert Rawls eine Liste von Grundgütern, die als soziale Hintergrundbedingungen und Allzweckmittel dazu nötig seien, moralisches Vermögen entwickeln und nach einer Konzeption des Guten handeln zu können.1028 Grundgüter seien die ‚Grundrechte und Grundfreiheiten‘, Freizügigkeit und Berufsfreiheit, Befugnisse und Vorrechte, die mit öffentlichen Ämtern und Positionen verbunden seien, Einkommen und Vermögen, sowie die sozialen Grundlagen der Selbstachtung.1029 An anderer Stelle erläutert er sein Verständnis von Grundfreiheiten näher: Als Grundfreiheiten seines ersten Prinzips der Gerechtigkeit listet Rawls auf: Gedankenund Gewissensfreiheit, die politischen Freiheiten, die Vereinigungsfreiheit, sowie die Freiheiten, die durch die Freiheit und Integrität der Person spezifiziert werden.1030 Zudem möchte er auch „die Rechte und Freiheiten, die vom Rechtsstaatsprinzip abgedeckt werden“ einbeziehen1031 sowie das Recht auf persönliches Eigentum.1032 cc) John Finnis John Finnis hat in seinem Werk Natural Law & Natural Rights von 1980 ebenfalls den Versuch unternommen, essentielle Güter zu identifizieren, die nicht ineinander rückgeführt werden können. Er unterscheidet sieben Grundformen menschlicher Güter, die für das menschliche Wohlbefinden nötig seien: Leben, Wissen, Spiel, ästhetische Erfahrung, Geselligkeit / Freundschaft, praktische Vernunft und Religion.1033 Leben, Religion und Geselligkeit / Freundschaft bedürfen als Schlagworte keiner weiteren Erklärung. Unter Wissen versteht Finnis das Streben nach Wissen um seiner selbst willen, nicht als Mittel, um damit andere Güter erlangen zu können.1034 Unter Spiel versteht Finnis Aktivitäten, die keinen anderen Sinn haben, als die Aktivität selbst durchzuführen. Zur Begründung führt er an, dass nach anthropologischen Erkenntnissen spielerische von ernsthaften Aktivitäten unterschieden 1026

Rawls, Theory of Justice (1971), S. 433. Rawls, Theory of Justice (1971), S. 433. 1028 Rawls, Political Liberalism, 4. Aufl. (1993), S. 75 f., 178 ff., 307; Rawls, Justice as Fairness (2001), S. 57 f. 1029 Rawls, Political Liberalism, 4. Aufl. (1993), S. 76, 181, 308 f.; Rawls, Justice as Fairness (2001), S. 58 f. 1030 Rawls, Political Liberalism, 4. Aufl. (1993), S. 291. 1031 Rawls, Political Liberalism, 4. Aufl. (1993), S. 291. 1032 Rawls, Political Liberalism, 4. Aufl. (1993), 298. 1033 Finnis, Natural Law, 2. Aufl. (2011), S. 85 ff. 1034 Finnis, Natural Law, 2. Aufl. (2011), S. 87. 1027

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

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werden könnten und Spiel ein großes Element menschlicher Kultur sei.1035 Unter ästhetischer Erfahrung versteht Finnis eine solche, die um ihrer selbst gesucht wird, ohne ein Teil des Strebens nach ‚Spiel‘ zu sein.1036 Unter praktischer Vernunft wiederum versteht Finnis, die eigene Intelligenz effektiv einzusetzen um seine Handlungen und seinen Lebensstil zu wählen und seinen Charakter zu formen.1037 Für Finnis sind dies die essentiellen Güter, aus denen sich alle menschlichen Ziele ergäben. Ausdrücklich wendet er sich beispielsweise dagegen, das Streben nach Fortpflanzung als ein eigenes Gut aufzufassen. Eine solchermaßen motivierte Handlung sei eine, die der Realisierung der Güter Leben, Spiel und oder Freundschaft in unterschiedlichen Anteilen dienen könne.1038 2. Katalog von Menschenwürdeaspekten Unter Anlehnung an die zuvor genannten Ansätze soll unternommen werden, innerhalb des Bezugsrahmens der Menschenwürde einzelne Menschenwürdeaspekte der Grundrechte zu isolieren. Diese inhaltliche Untersuchung geschieht unter der Maßgabe, zum einen die Bandbreite aller grundrechtlich geschützten Lebenssachverhalte möglichst umfassend zu erfassen, ohne dass sich andererseits die einzelnen gefundenen Gewährleistungsgehalte mehr als unvermeidbar überschneiden. Zum anderen geschieht dies mit der Zielsetzung, durch diese Abgrenzung einen praktisch tauglichen Maßstab zum Vergleich der grundrechtlichen Gewährleistungs­ gehalte zu erstellen. Ein Abstellen auf die rein essentiellen Güter, wie sie insbesondere von Finnis, aber auch Rawls aufgelistet wurden, wäre zwar denkbar. Diese sind aber vom Abstraktionsgrad her noch so nahe an der Menschenwürde selbst, dass mit ihnen keine ausreichende Differenzierung im Hinblick auf den hier verfolgten Zweck, mithilfe der Argumentationsfigur der Menschenwürdeaspekte materielle Überschneidungen zwischen Grundrechtsgewährleistungen aufzudecken, möglich ist. Vielmehr ist eine weitere Ausdifferenzierung und begriffliche Schärfung in Richtung der konkreteren Grundrechtsebene erforderlich. Dies verlangt auch weitergehende Überlegungen zu essentiellen Gütern im Hinblick auf verfassungsrechtliche Mindestgewährleistungen. Finnis’ essentielle Güter umfassen nämlich nur Bedürfnisse eines Individuums in seinem Urzustand, aber berücksichtigen keine weiteren Anforderungen, die durch das menschliche Zusammenleben in einem Verfassungsstaat entstehen. Dass das menschliche Zusammenleben die Anerkennung gewisser weiterer Mindestgüter erfordert, erkennen Hart und Rawls, indem sie (Hart) mit Gleichheit, begrenztem Altruismus, individuellem 1035

Finnis, Natural Law, 2. Aufl. (2011), S. 87. Finnis, Natural Law, 2. Aufl. (2011), S. 87 f. 1037 Finnis, Natural Law, 2. Aufl. (2011), S. 88 f., 100 ff. 1038 Finnis, Natural Law, 2. Aufl. (2011), S. 86. 1036

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C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Eigentum und Sanktionen bei Regelverstößen, bzw. (Rawls) Befugnisse und Vorrechte, die mit öffentlichen Ämtern und Positionen verbunden sind, Vermögen bzw. Eigentum und politischen Freiheiten weitere essentielle Güter nennen, die sich nur durch Anforderungen menschlichen Zusammenlebens erklären lassen. Ferner ist der Anspruch, Gehalte zu nennen, die nicht ihrerseits wieder Teil anderer Gehalte sind – also der Anspruch der Nicht-Ineinander-Rückführbarkeit – zwar nicht aufzugeben, aber punktuell aufzuweichen. Da die Menschenwürdeaspekte ein praktisches Werkzeug sein sollen, ist es auch geboten, dass sie klar benennbare und im breiten Diskurs anerkannte Argumentationsgegenstände berücksichtigen. Dadurch wird eine Fruchtbarmachung von Präjudizien und Äußerungen des rechtswissenschaftlichen Diskurses ermöglicht. Dies ist hier mit dem Aspekt Privatsphäre geschehen, der seinerseits Teil des Aspekts Persönlichkeitsentfaltung ist, aber eine gewisse argumentative Eigenständigkeit erreicht hat. Entsprechendes gilt für Geselligkeit, Wissen, Ästhetik und Transzendenz, die in gewisser Weise als Persönlichkeitsentfaltung begriffen werden können, aber ebenfalls argumentativ eigenständig sind. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Ansätze lassen sich die im Folgenden aufgeführten Aspekte der Menschenwürde identifizieren. Bei der Verortung der Menschenwürdeaspekte in bestimmten Grundrechten wurde, soweit deren Schutzbereichsausdehnung umstritten ist, die herrschende Meinung zugrunde gelegt. Die gefundenen Aspekte können in die beiden Gruppen biologische Grundvoraussetzungen und höhere Güter des Menschen als vernunftbegabtes Wesen unterschieden werden. In die Gruppe der Grundvoraussetzungen wären die Aspekte Leben sowie Elternliebe und Geselligkeit einzuordnen. In die Gruppe der höheren Güter ebenfalls Geselligkeit sowie alle noch nicht aufgeführten Aspekte. Die höheren Güter können wiederum in bürgerliche und staatsbürgerliche Rechte unterteilt werden. Mit bürgerlichen Rechten sind dabei die Rechte des bourgeois gemeint, in Abgrenzung zu den Rechten des citoyen, den staatsbürgerlichen Rechten.1039 Der Schutz staatsbürgerlicher Rechte findet sich in dem Aspekt „politische Teilhabe“ wieder.1040 Alle anderen Aspekte höherer Güter finden ihre Entsprechung in den bürgerlichen Rechten. Eine weitere Systematisierung kann mit der Abgrenzung rein individueller Bedürfnisse und Bedürfnisse im Rahmen menschlichen Zusammenlebens getroffen werden. Zu den erst im Rahmen menschlichen Zusammenlebens relevanten Aspekten gehören Privatsphäre, politische Teilhabe und Besitz. Alle sonstigen Aspekte, sowie der eine Zwitterstellung einnehmende Aspekt Privatsphäre gehören zu den rein individuellen Bedürfnissen.

1039 Sachs, in: Stern Staatsrecht III/1 (1988), § 64, S. 466; Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 1; vgl. auch die Unterscheidung in Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG. 1040 Siehe Abschnitt C. III. 3.

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

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a) Leben Der Aspekt Leben ist zunächst einmal selbsterklärend. Er umfasst die wichtigen Unterfälle der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit. Die Bedeutung dieses Aspekts ist offensichtlich. Leben wird beispielsweise von Hart als das einzige essentielle Rechtsgut überhaupt angesehen.1041 Dieser Aspekt hat Ausdruck gefunden im Recht auf Leben, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vergleichbar Art. 2 EMRK), teilweise ist er auch enthalten im Auslieferungsverbot, Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG, in der Abschaffung der Todesstrafe, Art. 102 GG, sowie auch im Verbot der Folter, Art. 3 EMRK. Ein weiterer Unterfall des Aspekts Leben stellt das Recht auf Lebensmittel wie Nahrung, Wasser, Luft, dar. Dieser Teilaspekt findet als Sicherung des Lebensunterhalts auch Ausdruck in der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1  GG; mittelbar ist er auch enthalten im Verbot der Zwangsarbeit, Art. 12 Abs. 2, 3 GG (vergleichbar Art. 4 Abs. 2, Abs. 3 EMRK), außerdem entfernt auch in der Eigentumsfreiheit, Art. 14 GG, dem Erbrecht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und der Vereinigungsfreiheit, Art. 9 GG bezüglich wirtschaftlicher Vereinigungen (vgl. Art. 11 EMRK). Ein weiterer Unterfall des Aspekts Leben ist das Recht auf Schutz vor Natureinflüssen und vor anderen Lebewesen, also insbesondere das Recht auf einen geschützten Schlafplatz. Dieser Teilaspekt findet neben Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch Ausdruck im Recht auf Eigentum an Immobilien, Art. 14 GG, und dem Schutz der Wohnung, Art. 13 GG, und wird in der Leistungsdimension bei den Obdachlosenunterbringungsfällen relevant. b) Elternliebe Unter Elternliebe ist das Bedürfnis zu verstehen, dem eigenen oder als eigen empfundenen Nachwuchs Fürsorge und Schutz angedeihen zu lassen. Dieser Bereich menschlichen Verhaltens wurde von Finnis den Gütern Leben und Geselligkeit zugeordnet. Gegen eine Einordnung Teil des Aspekts Leben spricht, dass es bei der Elternliebe nicht um den Erhalt des eigenen Lebens im Sinne des eigenen Ichs geht, sondern um den Erhalt des Lebens eines anderen. Die Idee des Transports des eigenen Erbguts in die nächste Generation, um dort in einer sehr mittelbaren Weise weiterzuleben, worauf Finnis abstellt, ist als zu anspruchsvoll und wegen des nur mittelbaren Zusammenhangs zum eigenen Leben abzulehnen. Die Elternliebe unterscheidet sich auch zu sehr von dem Aspekt Geselligkeit, um sie als reinen Teilaspekt davon zu begreifen. Der Aspekt Elternliebe umfasst mehr als die emotionale Verbundenheit und Interaktion mit einem anderen Menschen. Vergleiche mit den Verhaltensweisen anderer Säugetiere geben überwältigende Hinweise auf einen biologisch tief sitzenden Instinkt, dem eigenen Nachwuchs Schutz und Fürsorge zu bieten. Bei dem daraus häufig folgenden selbstaufopferungsvollen Verhalten werden die eigenen Bedürfnisse gegenüber den Bedürfnissen des Kindes zurückge 1041

Siehe Abschnitt C. III. 1. c) aa).

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C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

stellt. Dies lediglich so einzuordnen, dass das Elternteil dabei sein eigenes Bedürfnis an Geselligkeit befriedigt, würde die Wirklichkeit nicht hinreichend abbilden. Der Aspekt Elternliebe findet seinen Ausdruck im Schutz der Familie, Art. 6 GG, besonders deutlich dabei in Art. 6 Abs. 2 GG: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern“ (vgl. Art. 12 und Art. 8 EMRK), hinsichtlich der religiösen Kindererziehung auch in Art. 7 Abs. 2 GG (vgl. Art. 8 EMRK), und mittelbar auch im Erbrecht, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Weitere verwandte Verhaltensweisen, wie die Kindererziehung im Sinne einer Charakterformung oder der Weitergabe moralischer Werte, transzendentaler Einsichten oder schlicht von Wissen, fallen zusätzlich auch unter die entsprechenden weiteren Aspekte. Denkbar ist es, den Aspekt Elternliebe weiter zu fassen als „Familiensinn“. Dafür spräche, dass die Fürsorge der Kinder für ihre Eltern umgekehrt auch als Gut anerkannt ist, beispielsweise als kindliche Pietät im Konfuzianismus. Allerdings beruht dies wohl auf gesellschaftlicher Konvention und breiter Anerkennung als moralischem Gebot, nicht weil es sich dabei um einen biologischer Instinkt handelt. Daher wird hier die Fürsorge und Verbundenheit von Kindern zu ihren Eltern und unter Verwandten im Allgemeinen nur unter dem Aspekt Geselligkeit eingeordnet bzw., bei einem moralischen Pflichtgefühl, auch den Aspekten Transzendenz und Persönlichkeitsentfaltung. Überzeugend erscheint es, das Ausleben der eigenen Sexualität ebenfalls nicht als von der Elternliebe umfasst anzusehen. Hier ist Finnis zu folgen, der dies unter Geselligkeit sowie Spiel erfasst, wobei Spiel in hiesigen Katalog ein Teil der Persönlichkeitsentfaltung ist. Ein davon unabhängiges, so empfundenes moralisches Gebot zur Fortpflanzung wäre dem Aspekt Transzendenz zuzuordnen, oder, als Lebensweise verstanden, dem Aspekt Persönlichkeitsentfaltung. c) Geselligkeit Der allgemeinen Meinung dürfte es entsprechen, den Menschen als ein in einem Sozialverband lebendes Wesen einzuordnen, welches grundsätzlich nach Gemeinschaft mit anderen Menschen strebt. Der Aspekt der Geselligkeit kann daher bereits der Ebene der Grundbedürfnisse zugeordnet werden. Er geht aber weit über den Umfang eines etwaigen biologischen Grundbedürfnisses hinaus und umfasst sämt­liche Interaktionsmöglichkeiten und Gefühle der Verbundenheit mit anderen Menschen. Ein Beispielsfall, in dem dieser Aspekt relevant wurde, ist die Entscheidung Kontaktsperre-Gesetz1042, in der es um eine weitgehende Isolationshaft für RAF-Terroristen ging. 1042

BVerfGE 49, 24 – Kontaktsperre-Gesetz.

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

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Der Aspekt Geselligkeit findet sich bei Finnis als das essentielle Gut Geselligkeit / Freundschaft. Bei Rawls kann es als Teil seiner Vereinigungsfreiheit verortet werden. Bei Maslow stehen soziale Bedürfnisse auf der dritten Stufe seiner Hierarchie der Bedürfnisse. Beispielsweise bei Grimm entspricht Geselligkeit weitgehend der Kommunikationssphäre, bei von Münch / Mager der Gruppe Kommunikation und offene Gesellschaft. Ausdruck gefunden hat dieser Aspekt in der Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. Art. 10 EMRK), der Medienfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GG (vgl. Art. 10 EMRK), der Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG (vgl. Art. 11 EMRK) und der Vereinigungsfreiheit, Art. 9 GG, im Hinblick auf gesellige Vereinigungen (vgl. Art. 11 EMRK). Ferner kommt er als Recht darauf, Teil der Gemeinschaft der Bundesrepublik Deutschlands zu sein, auch zum Ausdruck im Schutz vor Ausbürgerung, Art. 16 Abs. 1 GG und im Auslieferungsverbot, Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG. d) Wissen „Erkennen was die Welt im Innersten zusammenhält“. Der Aspekt Wissen beinhaltet das Streben nach Erkenntnis im Sinne von Wissensdurst, Forscherdrang und Neugier. Das Streben nach Wissen um seiner selbst wegen, nicht als Mittel zur Befriedigung anderer Bedürfnisse, wird unter anderem von Finnis als essentielles Gut anerkannt. Bei Maslow findet es sich im kognitiven Bedürfnis. Enthalten ist dieser Aspekt beispielsweise in der Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. Art. 10 EMRK), in der Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, und unterhalb der Schwelle der Wissenschaft als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG. e) Ästhetik Ästhetik umfasst die ästhetische Erfahrung in aktiver oder passiver Weise. Ästhe­ tik ist in diesem Zusammenhang sehr weit zu verstehen und umfasst nicht nur klassische Schönheit sondern  – wie der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte offene Kunstbegriff1042a – auch als abstoßend Empfundenes. Den Ästhetik-Schaffenden und den Ästhetik-Genießenden steht es frei, einen inneren Sinn zu erkennen und diese einem individuellen Konzept von Ästhetik zuzuordnen. Ästhetik findet sich bei Finnis als essentielles Gut und bei Maslow als ästhetisches Bedürfnis auf der sechsten Stufe seiner Bedürfnishierarchie. Der Aspekt Ästhetik ist vor allem in der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, enthalten, kann im konkreten Fall aber auch bei anderen grundrechtlich geschützten Handlungen relevant werden. 1042a BVerfGE 30, 173, 188 f.; 119, 1, 20 f. – Esra.

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C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

f) Transzendenz Der Aspekt Transzendenz umfasst die Suche nach einem höheren bzw. tieferen Sinn des eigenen Daseins im Sinne von Spiritualität, Religiosität, Weltanschauung. Transzendenz findet sich bei Finnis als Religion, bei Maslow in dem Bedürfnis nach Transzendenz und bei Rawls als Teil der Gedanken- und Gewissensfreiheit. Der Aspekt Transzendenz ist beispielsweise enthalten in den Grundrechten Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit, Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG, in Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG (vgl. Art. 9 EMRK). g) Persönlichkeitsentfaltung Der Aspekt Persönlichkeitsentfaltung stellt einen Auffangaspekt dar. Während die Verwirklichung von Geselligkeit, Wissen, Ästhetik und Transzendenz in gewisser Weise auch zur Persönlichkeitsentfaltung führen, gibt es weitere Verhaltensweisen, die allein unter dem Schutz des Aspekts der Persönlichkeitsentfaltung stehen. Der Aspekt Persönlichkeitsentfaltung findet sich als praktische Vernunft bei Finnis. Bei Rawls entspricht er dem Gut der sozialen Grundlagen der Selbstachtung. Bei Maslow ist er im Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, aber auch als Individualbedürfnis abgebildet. Unter dem Grundgesetz findet dieser Aspekt Ausdruck im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und ganz allgemein in der allgemeinen Handlungsfreiheit. h) Privatsphäre Privatsphäre ist ein Teil des umfangreicheren Aspekts Persönlichkeitsentfaltung und stellt gewissermaßen dessen Ergänzung in der öffentlichen Sphäre dar. Die freie Persönlichkeitsentfaltung erfordert mitunter einen geschützten Raum, um ungestört von gesellschaftlichen Anforderungen „selbst“ sein zu können. Relevanz erlangt dieser Teilaspekt daher auch nur im Kontext des menschlichen Zusammenlebens. Privatsphäre kann als Mittel zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Persönlichkeitsentfaltung begriffen werden. Diese Liste verfolgt das Anliegen, einen Katalog nicht ineinander rückführbarer Teilgehalte der Menschenwürde aufzustellen zum Zwecke der Feststellung einer inhaltlichen Überschneidung von Grundrechten. Unter dieser Prämisse wäre die Privatsphäre hier nicht gesondert als Aspekt aufzuführen. Folgende Gründe sprechen aber dafür, es dennoch zu tun:1043

1043

Zum Folgeproblem der willkürlichen Grenzziehung siehe Abschnitt C. VIII.

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

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Der Aspekt Persönlichkeitsentfaltung ist der umfangreichste Aspekt in dieser Liste. Um deren argumentative Handhabbarkeit sicher zu stellen, ist grundsätzlich eine weitere Ausdifferenzierung geboten. Die inhaltliche Besonderheit des Teilaspekts Privatsphäre stellt die Weiterentwicklung des essentiellen Guts der Persönlichkeitsentfaltung im Kontext des zwischenmenschlichen Zusammenlebens dar. Zugleich ist die Privatsphäre in zwei besonderen Freiheitsrechten als zentrales Schutzgut erkennbar, so im Briefgeheimnis, Art. 10 GG (vgl. Art. 8 EMRK) und im Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG (vgl. Art. 8 EMRK). Jüngst hat die Privats­phäre auch im Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationsver­ arbeitender Systeme, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG, besondere Anerkennung erfahren. Durch die Kodifizierung in Art. 10 GG und Art. 13 GG sowie die Anerkennung in Rechtsprechung und wissenschaftlichen Diskurs hat der Teilaspekt eine gewisse Institutionalisierung und einen abgrenzbaren Gehalt erlangt. Außer in den bereits genannten grundrechtlichen Bestimmungen findet sich der Aspekt Privatsphäre auch im allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG, und mittelbar ist er auch durch das Recht auf Eigentum an Immobilien geschützt, Art. 14 GG.

i) Politische Teilhabe Der Aspekt politische Teilhabe wird ausführlich beschrieben im Abschnitt 3.

j) Besitz Im Anschluss an Harts Wahrheit des individuellen Eigentums ist auch ein Aspekt Besitz, verstanden als ein Basiskonzept von Mein und Dein, auszumachen. Zwar ist Besitz vielfach nur ein Mittel zur Befriedigung weiterer Ziele, beispielsweise Besitz an Nahrung um später seinen Hunger und letztlich den Aspekt Leben zu befriedigen. Aus der begrenzten Verfügbarkeit von Ressourcen sowie dem Konzept der persönlichen Identität ergibt sich aber die Notwendigkeit für das menschliche Zusammenleben in Gruppen, eine minimale Form institutionalisierten Eigentums anzuerkennen, mit dem der Einzelne andere von der Nutzung „seiner“ Ressourcen ausschließen kann. Es handelt sich also auch um einen Aspekt, der erst mit dem menschlichen Zusammenleben in einer sozialen Gruppe relevant wird. Wegen seiner Beschränkung auf eine Minimalanforderung dürfte er wohl auch übergreifend zu sämtlichen politischen Anschauungen akzeptabel sein. Inhaltlich ist dabei der Aspekt Besitz nicht gleichzusetzen mit dem rechtstechnischen Begriff Besitz im Sinne von §§ 854 ff. BGB. Bei Rawls findet sich dieser Aspekt in dem Gut Vermögen bzw. dem Recht auf persönliches Eigentum.

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C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Im Grundgesetz hat dieser Aspekt in Art. 14 GG Ausdruck gefunden. Als Schutz des Erwerbsvorgangs ist er auch in Art. 12 Abs. 1 GG zu verorten. 3. Politische Teilhabe als Beispiel eines Menschenwürdeaspekts Ein deutlich konturierter Aspekt der Menschenwürde ist der der politischen Teilhabe an der Staatsgewalt, die die Menschenwürde garantiert. Dieser Aspekt ist deswegen besonders erwähnenswert, weil er selbst kein individuelles Grundbedürfnis des Menschen in seinem Urzustand widerspiegelt, sondern der Notwendigkeit gewisser Mindestregeln des menschlichen Zusammenlebens in einer Gemeinschaft entspringt. Ein Recht auf politische Teilhabe wird von einigen Verfassungen ausdrücklich garantiert und findet sich in einer Vielzahl internationaler Vereinbarungen (a)). Gleich mehrere grundrechtsdogmatische Figuren stellen auf einen grundrechtsübergreifenden Schutzgehalt der politischen Teilhabe ab (b), c), d), e)). Die solchermaßen weitreichend anerkannte Verbürgung der politischen Teilhabe lässt sich direkt der Menschenwürde entnehmen (f)). Sie wurde in verschiedenen Bestimmungen des Grundgesetzes kodifiziert und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungs­ gerichts als Schutzgehalt anerkannt (g)). a) Nationale und internationale Kodifizierungen des Rechts auf politische Teilhabe Während sich im Grundgesetz keine ausdrückliche Garantie eines Rechts auf politische Teilhabe findet,1044 ist es in anderen Verfassungen eigenständig kodifiziert. Ein eigenes Recht auf politische Mitbestimmung wird ausdrücklich statuiert in den Verfassungen mancher Bundesländer, so in Art. 9 thüringischer Verfassung1045 oder in Art. 21 Abs. 1 brandenburgischer Verfassung1046. Auch in den Verfassungen anderer Länder Europas findet es ausdrückliche Erwähnung, beispielsweise in Art. 48 Abs. 1 der Verfassung Portugals1047 oder Art. 39 der Schweizer Verfassung. International ist ein Menschenrecht auf politische Teilnahme weitgehend anerkannt mit seinen beiden wesentlichen Ausprägungen, dem Recht auf Teilnahme an regelmäßigen Wahlen und dem Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern.1048 Entsprechende Verbürgungen finden sich im Titel V „Bürgerrechte“ in der

1044

Vgl. aber Abschnitt C. III. 3. g). S. 1: „Jeder hat das Recht auf Mitgestaltung des politischen Lebens im Freistaat.“ 1046 „Das Recht auf politische Mitgestaltung ist gewährleistet.“ 1047 „Todos os cidadãos têm o direito de tomar parte na vida política e na direcção dos assuntos públicos do país, directamente ou por intermédio de representantes livremente eleitos.“ 1048 Kälin / Künzli, Menschenrechtsschutz, 3. Aufl. (2013), Rn. 1411 ff. 1045

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

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EU-Grundrechtecharta, wo der inhaltliche Unterschied zu den bürgerlichen Freiheiten herausgestellt wird. Das Recht auf freie Wahlen wird von Art. 3 des 1. Zusatzprotokoll zur EMRK von 1952 garantiert. In der Rechtsprechung des EGMR ist eine pluralistische, demokratische Regierungsform Bestandteil des ordre public.1049 Ferner findet sich das Recht auf politische Teilhabe in Art. 21 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, in Art. 5 Buchstabe c der UN-Rassendiskriminierungskonvention von 1965, in Art. 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966, in Art. 23 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention von 1969, in Art. 13 der Afrikanischen Charter der Menschenrechte und der Rechte der Völker von 1981 und in Art. 24 I-4 der Arabischen Charta der Menschenrechte von 2004. b) Droits civils und droits politiques Der Gedanke eines Rechts auf politische Teilhabe kann auf eine langwährende ideengeschichtliche Entwicklung zurückblicken. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts war die Unterteilung in „menschliche“, bürgerliche Rechte einerseits und staatsbürgerliche, politische Rechte andererseits, anerkannt.1050 Sie geht zurück auf die Trennung von droits civils und droits politiques, wie sie bereits dem Entwurf der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 zugrunde lag.1051 Dort und im weiteren Verlauf der Verfassungsgeschichte wurde diese Einteilung vor allem unter dem Gesichtspunkt der Inhaberschaft relevant, da nicht alle Inhaber der droits civils auch automatisch die droits politiques haben sollten.1052 Auch heute noch schlägt sich diese Diskussion nieder in der Unterscheidung zwischen Deutschengrundrechten und Jedermann-Grundrechten, wobei der Kreis der Deutschengrundrechte weiter reicht als der der politischen Mitbestimmungsrechte.1053 c) Jellineks status activus Jenseits des Felds der Politik war es dann vor allem Georg Jellinek, der dem Aspekt der politischen Teilhabe im deutschen grundrechtsdogmatischen Diskurs Kontur und Gewicht verlieh. Jellinek erkannte mit seinem status activus das Recht auf Mitwirkung an der Staatsgewalt als wichtige Verfassungsgarantie an und stellte ihn dem status negativus (Freiheit vom Staat), dem status positivus (Forderungen

1049

EGMR – United Communist Party of Turkey v. Turkey, 30.01.1998, Rep. 1998-I, Rn. 45. Jordan, Staatsrecht (1828), S. 409 zitiert nach Sachs; Sachs, in: Stern Staatsrecht III/1 (1988), § 64, S. 399 m. w. N. 1051 Sachs, in: Stern Staatsrecht III/1 (1988), § 64, S. 400 m. w. N. 1052 Sachs, in: Stern Staatsrecht III/1 (1988), § 64, S. 400. 1053 Vgl. auch oben Fn. 1001. 1050

158

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

an den Staat) und status passivus (Leistungen an den Staat) gegenüber.1054 Neben dem Wahlrecht zählte Jellinek allerdings auch die Rechte der Abgeordneten und die Rechte der Beamten zum status activus.1055 Nach modernem Verständnis gehören die Rechte des Abgeordneten jedoch nicht zu den Grundrechten und grundrechtgleichen Rechten, sondern sind, da sie einem Amtsträger zustehen, Organrechte und folglich dem Organisationsteil der Verfassung zuzuordnen.1056 Ähnlich verhält es sich mit den Rechten der Beamten. Nur der Zugang zum Amt unter gleichen Voraussetzungen (heute Art. 33 Abs. 2 GG) stellt ein grundrechtsgleiches Recht dar, da es einer natürlichen Person zukommt, die Rechte des Beamten im Innenverhältnis jedoch nicht.1057 d) Preferred freedoms Doktrin In der bereits erwähnten US-amerikanischen preferred freedoms Doktrin wurde dem Recht auf politische Teilhabe ebenfalls eine besondere Bedeutung zuerkannt.1058 In den 1940er Jahren vertrat der US Supreme Court, die kommunikativen Frei­ heiten des 1. Zusatzartikels stünden in einer preferred position, so dass der Gesetzgeber nur bei Vorliegen besonders dringender öffentlicher Interessen in sie eingreifen dürfte.1059 Die preferred freedoms des 1. Zusatzartikels1060 lassen sich grob zusammenfassen als Religionsfreiheit, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, sowie ein Petitionsrecht.1061 Begründet wurde dies mit der Grundentscheidung der Verfassung für eine freiheitliche Demokratie1062 und der überragenden Bedeutung dieser Rechte für den demokratischen Staat.1063 Bei einer Verkürzung dieser Rechte werde der demokratische Prozess an seiner Quelle beeinträchtigt.1064

1054

Jellinek, System, 2. Aufl. (2011), S. 87, 94 ff., 114 ff., 136 ff.; vgl. auch Brugger, AöR 136 (2011), 1. 1055 Jellinek, System, 2. Aufl. (2011), S. 87. 1056 Vgl. H. H. Klein, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 38, Rn. 193. 1057 Pieroth, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 33, Rn. 2a, 11, 28, 40 ff., 45. 1058 Siehe Abschnitt B. II. 2. c) bb) (2). 1059 Brugger, Grundrechte (1987), S. 223 Fn. 28; Rohrer, Beziehungen (1982), S. 106. Siehe Abschnitt B. II. 2. c) bb) (2). 1060 Stalder, Preferred Freedoms (1977), S. 69; Rohrer, Beziehungen (1982), S. 105. 1061 „Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.“ 1062 Rohrer, Beziehungen (1982), S. 105. 1063 Rohrer, Beziehungen (1982), S. 85; Brugger, Grundrechte (1987), S. 223; dissenting vote Justice Douglas in US Supreme Court, 341 U. S. 494 (1951), 584 – Dennis v. United States. 1064 Rohrer, Beziehungen (1982), S. 106.

III. Die Aspekte der Menschenwürde 

159

e) Dienende Grundreche Die eigenständige Bedeutung der Verbürgung politischer Teilhabe wird in der Grundrechtsdogmatik daraus ersichtlich, dass Grundrechte mit diesem Gehalt häufig in der Kategorie der „dienenden Grundrechte“ zusammengefasst werden.1065 Gelegentlich wird auch der Begriff „Funktionsgrundrechte“ verwandt.1066 Damit einhergehend wird ihnen ein besonderer Wert zugesprochen.1067 Dieser besondere Wert kann mit der hinzutretenden extrinsischen Begründung des Grundrechts wegen seiner Bedeutung für die Realisierung eines institutionellen Grundrechtsgehalts begründet werden.1068 Verwandt ist dieser Argumentationstopos mit der Wechselwirkungslehre. Auch die Wechselwirkungslehre1069, die die Auslegung der einschränkenden Gesetze im Lichte der Bedeutung von Meinungs- und Pressefreiheit fordert, wird mit der großen Bedeutung der Meinungsfreiheit für die demokra­tische Willensbildung begründet.1070 Noch weiter geht die „demokratisch-funktionale Grundrechtstheorie“, wonach die Grundrechte sogar alle1071 von ihrer politischen Funktion her zu betrachten seien und die demokratiebezogenen Grundrechte im Mittelpunkt stünden.1072 Bis auf die Religionsfreiheit, die nicht zu den „dienenden Grundrechte“ gezählt wird, stimmt diese Gruppe mit denen der preferred freedoms Doktrin überein. f) Menschenwürde und politische Teilhabe Im rechtsphilosophischen Diskurs wird debattiert, ob sich ein Recht auf politische Teilhabe direkt der Menschenwürde entnehmen lässt. Insbesondere Peter Häberle geht davon aus, dass der Menschenwürde ein Grundrecht auf Demokratie entspringt.1073 Dies wurde von Ernst-Wolfgang Böckenförde mit dem Argument angegriffen, der normative Gehalt des Art. 1 Abs. 1 GG sei zu unspezifisch, als dass sich 1065 BVerfGE 57, 295, 320 – Rundfunkentscheidung III; Rupp, JZ 2001, 271, 271; Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 35 ff. 1066 Stock, Funktionsgrundrecht (1985); Flitsch, Funktionalisierung (1998); vgl. Rupp, JZ 2001, 271, 272; wobei darunter auch anderes verstanden wird, vgl. Rupp. 1067 BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth: Meinungsfreiheit als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt; BVerfGE 12, 113, 125 – Schmid-Spiegel: erhöhte Bedeutung der Meinungsfreiheit; BVerfGE 20, 56, 97 – Parteienfinanzierung I: für eine demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend; BVerfGE 69, 315, 344 f. – Brokdorf; vgl. Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 35 ff. 1068 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 223 ff. Zu institutionellen Grundrechtsgehalten, siehe Abschnitt E. 1069 Siehe Abschnitt A. I. 6. c). 1070 BVerfGE 42, 163, 169 – Herabsetzende Werturteile; BVerfGE 54, 129, 136 – Kunstkritik. 1071 Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1535. 1072 Smend, in: Abhandlungen (1968), S. 309, 316; Krüger, Staatslehre, 2. Aufl. (1966), S. 542 f.; H. H. Klein, Grundrechte (1974), S. 27 ff.; vgl. Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1534 f. 1073 Stellvertretend Häberle, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 22, Rn. 67 ff.

160

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

daraus ein konkreter Gehalt der Demokratie ergebe.1074 Es genügt allerdings, dass der Aspekt der politischen Teilhabe als Gehalt der Menschenwürde begriffen wird, eine voll ausgeformte Rechtsposition wird vom hier vertreten Ansatz nicht gefordert. Es ist daher unschädlich, dass sich aus Art. 1 Abs. 1 GG nicht ergibt, in welchem Umfang der Einzelne konkret am Staatswesen mitwirken kann (sondern aus anderen Grundrechten),1075 und auch keine bestimmte Demokratieform vorgegeben wird.1076 Anerkannt ist, dass die Würde des Menschen in der vernunftgeleiteten Herrschaft über sich selbst begründet liegt.1077 Das Staatsvolk setzt sich aus vielen Menschen mit je einer eigenen solchen Würde zusammen.1078 Da jeder Mensch die selbe anzuerkennende Würde hat, kann die Gemeinschaftsrechtsordnung nur auf gleichberechtigte Mitwirkung aller gegründet werden.1079 Die Volkssouveränität hat daher in der Menschenwürde ihren ersten und einzigen Grund.1080 Die individuelle Freiheit, welche bereits als Gehalt der Menschenwürde aufgezeigt wurde (II.1), wird durch die politische Freiheit, also die politische Teilhabe, geschützt.1081 Zwischen der Menschenwürde und den politischen Gestaltungsrechten des Bürgers ist daher ein gewisser Zusammenhang anzuerkennen.1082 Dies spiegelt sich wieder in der weitreichenden internationalen Anerkennung als Menschenrecht, die das Recht auf politische Teilhabe gefunden hat.1083 Die politische Teilhabe kann somit als Menschenwürdeaspekt rekonstruiert werden. g) Politische Teilhabe in Bestimmungen des Grundgesetzes Anders als andere Verfassungen führt das Grundgesetz das politische Mitbestim­ mungsrecht nicht eigenständig auf.1084 Dadurch wird es erforderlich, das Recht auf politische Mitbestimmung in andere Verfassungsbestimmungen hinein zu interpretieren.1085 1074 Böckenförde, in: Philosophie (1998), S. 233, 236 f.: Demokratie sei kein Menschenrecht; Funke, AöR 46 (2007), 395, 400 m. w. N. 1075 Vgl. Gassner, Der Staat 34 (1995), 429, 444. 1076 Gassner, Der Staat 34 (1995), 429, 444; Häberle, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 22, Rn. 68. 1077 Zippelius, in: Bonner Kommentar, 179. EL (2016), Art. 1 Abs. 1 u. 2 GG, Rn. 6–7; Gassner, Der Staat 34 (1995), 429, 443. 1078 Häberle, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 22, Rn. 65. 1079 Gassner, Der Staat 34 (1995), 429, 444. 1080 Häberle, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 22, Rn. 65. 1081 Kelsen, Demokratie, 2. Aufl. (1981), S. 4, 10; Böckenförde, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 24, Rn. 37; Funke, AöR 46 (2007), 395, 416. Auch bei Rawls findet sich die politische Teilhabe als essentielles menschliches Gut der politischen Freiheit, siehe Abschnitt C. III. 1. c) bb). 1082 Häberle, in: Hdb Staatsrecht II (2004), § 22, Rn. 66; Funke, AöR 46 (2007), 395, 400. 1083 Siehe Abschnitt C. III. 3. a). 1084 Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 3; zu den anderen Verfassungen siehe sogleich, Abschnitt C. III. 3. e). 1085 Rupp, in: Hdb Grundrechte II (2006), § 36, Rn. 3, 6.

IV. Verstärkungsfähigkeit aller Grundrechtsfunktionen 

161

In der Entscheidung Brokdorf hat sich auch das Bundesverfassungsgericht zu einem naturrechtlichen Ursprung der Versammlungsfreiheit als Ausdruck der Volkssouveränität und als demokratisches Bürgerrecht zur aktiven Teilnahme am politischen Prozess bekannt.1086 Wiederaufgegriffen und konkretisiert wird der Gedanke eines demokratischen Bürgerrechts in den Urteilen Maastricht und Lissabon, als das Bundesverfassungsgericht in Art. 38 Abs. 1 GG ein Recht auf politische Mitbestimmung anerkannte.1087 Art. 38 GG garantiere nicht nur das Wahlrecht, sondern die Verbürgung erstrecke sich auch auf den grundlegenden demokratischen Gehalt dieses Rechts: „Gewährleistet wird den wahlberechtigten Deutschen das subjektive Recht, an der Wahl des Deutschen Bundestages teilzunehmen und dadurch an der Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk auf Bundesebene mitzuwirken und auf ihre Ausübung Einfluß zu nehmen.“1088 In der grundrechtsdogmatischen Literatur wird von vielen Autoren bei einer Aufzählung der Grundrechte eine eigene Gruppe der politischen Grundrechte anerkannt.1089 Neben dem bereits angesprochenen Recht auf politische Mitbestimmung findet der Menschenwürdeaspekt der politischen Teilhabe seinen Ausdruck im aktiven und passiven Wahlrecht (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG), im Abstimmungsrecht (Art. 29 Abs. 2 bis 6 GG) und im Petitionsrecht (Art. 17 GG). Ferner als ein Aspekt neben anderen bei der Meinungsfreiheit (Art.  5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GG),1090 der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG), der Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG),1091 der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG),1092 und der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG), soweit im konkreten Fall ein politischer Bezug besteht. Auch bei dem Recht auf gleichen Zugang zu einem Amt (Art. 33 Abs. 2 GG), geht es um die Teilnahme an der Staatsgewalt.

IV. Verstärkungsfähigkeit aller Grundrechtsfunktionen Das vorgestellte Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten ist von seiner Konstruktion her nicht auf das idealkonkurrierende Zusammentreffen von Abwehrrechten beschränkt.

1086

BVerfGE 69, 315, 343–345 – Brokdorf. BVerfGE 89, 155, 171–172 – Maastricht; BVerfGE 123, 267, 330 – Lissabon. 1088 BVerfGE 89, 155, 171–172 – Maastricht. 1089 Dietel, DVBl. 1969, 569, 576; Ossenbühl, Der Staat 10 (1971), 53, 78; Alexy, in: Philosophie (1998), S. 244, 250 f. 1090 BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth. 1091 BVerfGE 20, 56, 97 – Parteienfinanzierung I. 1092 BVerfGE 69, 315, 343–344 – Brokdorf. 1087

162

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

1. Leistungsfunktion Bislang wurde bewusst im Sinne der eingangs vorgenommenen Definition der umfassendere Begriff der Freiheitsrechte verwendet,1093 der hier als Oberbegriff zu Abwehrrechten und Leistungsrechten und damit als Komplementärbegriff zu Gleichheitsrechten verstanden wird. Denn auch beim idealkonkurrierenden Zusammentreffen von Leistungsrechten ist eine Verstärkungswirkung konstruktiv anzunehmen. Spielmann geht zwar davon aus, dass es beim Zusammentreffen von Abwehrund Leistungsnormen keine Verstärkung gebe, weil die Leistungsnorm nur mit ihrem objektiven Gehalt einfließe und zwar dann, wenn es zu einem Eingriff in den Schutzgehalt nicht gereicht habe.1094 Wie bereits dargelegt, ist Spielmanns Verständnis von einem unterhalb der Schwelle des modernen Eingriffsbegriffs angesiedelten Eingriffsbegriffs jedoch abzulehnen.1095 Einer Anwendbarkeit des Modells der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung steht zunächst nicht entgegen, dass es schwierig ist, Sachverhalte zu finden, bei denen eindeutig sowohl ein Abwehrrecht als auch ein Leistungsrecht idealkonkurrierend einschlägig sind. Dies liegt zu einem Großteil daran, dass weiterhin kein Konsens über die genaue Abgrenzung zwischen der Abwehrfunktion und der Leistungsfunktion der Grundrechte besteht. Eingangs wurde die populäre Abgrenzung vorgeschlagen, danach zu differenzieren, ob primär ein Tun oder ein Unterlassen gefordert wird. Beispielsweise bei einer Gefängnisstrafe kann man jedoch zum einen auf das Unterlassen der weiteren Freiheitsentziehung abstellen oder andererseits die Freilassung als Tun begreifen. Was davon die primäre, im Vordergrund stehende, begehrte Handlung ist, ist eine angreifbare Wertungsfrage. Daneben sind bekanntlich noch andere Arten der Abgrenzung zwischen Abwehr- und Leistungsrechten denkbar.1096 Hinzu kommt, dass der Gewährleistungsgehalt der einzelnen Grundrechte, gerade wenn es um die Leistungsfunktion geht, in den Details umstritten ist. Jegliche Beispiele würden daher daran leiden, dass bereits bei der Feststellung einer Situation der Idealkonkurrenz unter Beteiligung eines Leistungsrechts bezweifelt werden kann, ob tatsächlich die Leistungsfunktion des Grundrechts aktiviert wird oder ob es nicht doch seine Abwehrfunktion ist. Abstrakt betrachtet ist es jedoch nicht denklogisch ausgeschlossen, dass eine Situation der Idealkonkurrenz von Abwehrrechten und Leistungsrechten eines Grundrechtsträgers auftreten kann. Aber auch materiell gibt es keinen Grund, der eine idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung unter Abwehr- und Leistungsgrundrechten prinzipiell ausschlösse. Vielmehr wird diese Konstellation ebenfalls von vornherein vom konstruktiven Ansatz der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürde­aspekten 1093

Siehe zu den Definitionen Abschnitt B. I. bei Fn. 392 und 370. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 351. 1095 Siehe Abschnitte B. II. 1. a) bb) (2) und B. II. 1. a) bb) (3). 1096 Siehe dazu Abschnitt B. I. 1094

IV. Verstärkungsfähigkeit aller Grundrechtsfunktionen 

163

miterfasst. Die Grundrechtsfunktionen beziehen sich auf ähnliche, konkrete Grundrechtspositionen,1097 die gleich einer Rechtsfolge jeweils in einer konkreten Situation aus einem Grundrecht folgen. Der gewählte Ansatz über einen Vergleich der Menschenwürdegehalte der Grundrechte setzt so tief am Grundrechtskern an, dass die (Rechtsfolgen gleichenden) Grundrechtsfunktionen für seine Anwendung bedeutungslos sind. Denn es wird lediglich die tatbestandliche Einschlägigkeit der Grundrechte – das Vorliegen eines Eingriffs in den Schutzbereich – verlangt. Ob wegen der Art der Handlung (Tun oder Unterlassen) in der Folge die Abwehroder die Leistungsfunktion des Grundrechts aktiviert wird, ist unerheblich für das Vorliegen eines Eingriffs, da ein Eingriff sowohl durch ein Tun als auch durch ein Unterlassen erfolgen kann. Stehen Eingriffe in idealkonkurrierende Grundrechte fest, werden die materiellen Schutzgüter dieser beteiligten Grundrechte auf der Abstraktionsebene der Menschenwürdegehalte miteinander verglichen. Auf die einschlägige Grundrechtsfunktion kommt es dabei nicht an. Für den konstruktiven Ansatz der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten ist es darum nicht von Bedeutung, welche Grundrechtsfunktion durch die Art des Eingriffs aktiviert wird. Es kann daher auch bei einer Idealkonkurrenz von Abwehrmit Leistungsrechten zu einer idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung kommen. 2. Nichtdiskriminierungsfunktion Während eine eindeutige Situation der Idealkonkurrenz eines Abwehr- mit einem Leistungsgrundrecht höchst ungewöhnlich sein dürfte, tritt eine Situation der Idealkonkurrenz von Gleichheitsrechten mit Abwehr- oder mit Leistungsrechten (also mit Freiheitsrechten)1098 sehr häufig auf. Je nach tatbestandlichem Verständnis vom allgemeinen Gleichheitssatz kann sogar argumentiert werden, dieser sei bei jedem Eingriff in ein Freiheitsrecht idealkonkurrierend einschlägig, da jeder Eingriff in ein Freiheitsrecht zugleich eine Gleichbehandlung oder eine Ungleichbehandlung gegenüber irgendeinem Referenzsachverhalt darstelle. So viel sei bereits vorweg gegriffen, wie bei der Leistungsfunktion1099 setzt auch die Nichtdiskriminierungsfunktion auf einem nachgeordneten Niveau der Grundrechtsgehalte an, so dass auch hier die Einschlägigkeit dieser Funktion konstruktiv einem Vergleich der Gewährleistungsgehalte der Grundrechte auf der Abstraktionsebene der Menschenwürdegehalte nicht entgegen steht. Aufgrund der praktisch ungleich höheren Bedeutung der Situation der Idealkonkurrenz von Freiheits- und Gleichheitsrechten sowie der strukturellen Eigenarten der Gleichheitsrechte wird ihnen jedoch ein eigener Abschnitt D. gewidmet.

1097

Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 209. Freiheitsrechte verstanden als Oberbegriff zu Abwehr- und Leistungsgrundrechten, siehe die Definition in Abschnitt B. I. bei Fn. 392. 1099 Siehe den vorherigen Abschnitt C. IV. 1. 1098

164

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

V. Notwendigkeit einer Gesamtabwägung Bei einer Gesamtabwägung werden alle einschlägigen1100 idealkonkurrierenden Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Betroffenen gemeinsam abge­ wogen gegen die für die staatliche Maßnahme sprechenden Belange.1101 Auch das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff „Gesamtabwägung“ bereits gelegentlich benutzt, meinte damit aber jeweils, dass mehrere öffentliche Interessen angeführt werden, und gerade nicht mehrere Grundrechte des Beschwerdeführers.1102 Gegen eine Gesamtabwägung wird eingewandt angeführt, es blieben einzeln betrachtet verfassungswidrige, schwere Grundrechtseingriffe in der Gesamtabwägung unsichtbar, wenn das „Gesamtpaket“ wegen geringfügiger Effektivitätssteigerung verhältnismäßig sei.1103 Lücke will deswegen die Gesamtabwägung nur zusätzlich zu den Einzelabwägungen durchführen.1104 Solche Fallkonstellationen sind zwar abstrakt denkbar, dürften aber praktisch sehr selten vorkommen. Abstrakt ist zudem einzuwenden, wenn aus materiellen Gründen eine Gesamtbetrachtung beider Maßnahmen angezeigt ist, so ist es nur folgerichtig, auf das „Gesamtpaket“, also auf das kumulierte Gewicht der rechtfertigenden Gründe abzustellen. Dies kann in letzter Konsequenz bedeuten, dass die kumulierten rechtfertigenden Gründe so schwer wiegen, dass sie in der Gesamtbetrachtung die Grundrechtseingriffe rechtfertigen, obwohl diese einzeln betrachtet verfassungswidrig wären. Für eine Gesamtabwägung spricht, dass auch auf Seiten des Staates alle für die Maßnahme sprechenden Belange kumulativ aufgeführt werden.1105 Getrennte Abwägungen für jedes Grundrecht wären asymmetrisch, da auf Seiten des Eingriffs jeweils das volle Interesse mit gegebenenfalls mehreren zu fördernden Zwecken

1100

Siehe Fn. 18. Siehe Abschnitt A. III. 2. b) cc). 1102 BVerfGE 30, 292, 316 f. – Mineralölbevorratung; BVerfGE 39, 210, 234 – Mühlenstrukturgesetz; BVerfGE 68, 193, 219 – Zahntechniker-Innungen; BVerfGE 81, 156, 189 – Arbeitsförderungsgesetz 1981; BVerfGE 83, 1, 19; BVerfGE 90, 145, Leitsatz 2b, 173 – Cannabis; BVerfGE 103, 293, 308 f. – Urlaubsanrechnung; BVerfGE 106, 181, 191 f. – Facharztbezeichnungen; abweichend BVerfGE 121, 317, 357 – Rauchverbot in Gaststätten, wo Grundrechte Dritter auf Seiten des Beschwerdeführers ins Feld geführt werden; demgegenüber führt der EuGH öfters eine „multipolare Interessenabwägung“ durch, die allerdings der europarechtlichen Konstellation geschuldet ist, siehe dazu E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 512. 1103 Klement, AöR 134 (2009), 35, 65 f.; Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1476; Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 181 f. 1104 Lücke, DVBl. 2001, 1469, 1476; sich anschließend Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 181 f. 1105 G. Kirchhof, Grundrechte (2007), S. 25; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 175, von ihm „Abwägungsverbund“ genannt; Klement, AöR 134 (2009), 35, 53; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 28, von ihnen „Grundrechtsholismus“ genannt; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 260, von ihm ebenfalls „Abwägungsverbund“ genannt. 1101

V. Notwendigkeit einer Gesamtabwägung 

165

streiten würde.1106 Dies hätte zur Folge, dass das geschützte Grundrecht dem Eingriffsinteresse strukturell unterlegen wäre.1107 Für die Anhänger der Berücksichtigung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte, wie Wolf-Rüdiger Schenke, liegt die Durchführung einer Gesamtabwägung auf der Hand.1108 Aus Sicht von Schwabe spricht für eine Gesamtabwägung auch, dass bei Deutschengrundrechten den Ausländern stattdessen Art. 2 Abs. 1 GG gewährt würde, und dass es bei Betroffenheit mehrerer Deutschengrundrechte nicht angehe, dass diese bei den Deutschen getrennt geprüft würden und bei den Ausländern zusammen in Art. 2 Abs. 1 GG.1109 Dem Einwand, für eine Gesamtabwägung gebe es keinen Anhalt im Grundgesetz, ist zu entgegnen, dass es vielmehr begründungsbedürftig ist, warum auf Seiten des Grundrechtsträgers nur ein Grundrecht berücksichtigt werden soll, wenn auf Seiten der staatlichen Maßnahme das volle Eingriffsinteresse streitet.1110 Eine Gesamtabwägung ist aber nur dann sinnvoll, wenn auch eine gegenseitige Verstärkung von Grundrechten angenommen wird.1111 Umgekehrt erfordert die Annahme idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung auch die Vornahme einer Gesamtabwägung, denn nur durch eine Gesamtabwägung kann der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung in der Prüfung Rechnung getragen werden. „Den Eingriff nur einem von mehreren betroffenen Rechtsgütern entgegenzustellen und folglich nur an einem Grundrecht zu messen, hieße ihn künstlich zu zerteilen und damit in unzulässiger Weise zu bagatellisieren.“1112 Der Einwand, schwere verfassungswidrige Eingriffe in einzelne Grundrechte könnten in der Gesamtabwägung „unter den Tisch fallen“, wenn nur die Maßnahme insgesamt verfassungsgemäß sei, ist zurückzuweisen. Diese Konstellationen dürften zum einen extrem selten sein, zum anderen ist bei einem solchen Ergebnis zu bezweifeln, ob die Abwägung korrekt durchgeführt worden ist. Da die normale Einzelabwägung die Verstärkungswirkung unter Grundrechten nur über umständliche Inzidentprüfungen verarbeiten kann, ist bei Annahme einer Verstärkungswirkung, wie hier mit dem Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung, auch eine Gesamtabwägung vorzunehmen.1113 1106 Klement, AöR 134 (2009), 35, 53; E.  Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 550; Michael /  Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59. 1107 Klement, AöR 134 (2009), 35, 53; E.  Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 550; Michael /  Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59. 1108 Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 260. 1109 Schwabe, Probleme (1977), S. 369; mehr zu Ausländern und Deutschengrundrechten im Zusammenhang mit Grundrechtskonkurrenzen in Abschnitt C. III. 1. b). 1110 Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 262. 1111 Nachweise, siehe Fn. 305. 1112 Schwabe, Probleme (1977), S. 386. 1113 Im Ergebnis ebenfalls für eine Gesamtabwägung Schwabe, Probleme (1977), S. 367 f.; Calliess, Umweltstaat (2001), S. 579; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 443; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 173 ff.; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 547; Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 6; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 59 f.; andeutungsweise Peter Wittig, in: FS Gebhard Müller (1970), S. 575, 590; E.  Hofmann,

166

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Für eine Gesamtabwägung mit mehreren den Eingriff rechtfertigenden Gütern wurde das folgende Abwägungsgesetz formuliert: „Je höher der Grad der Nichterfüllung des einen Prinzips, desto größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung der anderen sein.“1114 Für eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung mehrerer Grundrechte auf Seiten des Grundrechtsträgers ist dies umzuformulieren in: Je höher der Grad der Nichterfüllung der Prinzipien auf der einen Seite, desto größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung der Prinzipien auf der anderen Seite sein. Zu den praktischen Konsequenzen für den Prüfungsaufbau, siehe den Ab­schnitt XIII.

VI. Grundrechtsschranken und Gesamtabwägung Bei der Idealkonkurrenz mehrerer Grundrechte können Grundrechte mit unterschiedlichen geschriebenen Schranken beteiligt sein. Mit dem Begriff „Schranken“ werden hier die kodifizierten Anforderungen an eine verfassungskonforme Einschränkung eines bestimmten Grundrechts bezeichnet.1115 Im Zuge der Diskussion um Grundrechtskonkurrenzen wurde von vielen Autoren bereits ausführlich das Verhältnis der einzelnen grundrechtlichen Schranken zueinander erörtert. Dabei wurden für die Situation der Idealkonkurrenz verschiedene Lösungen vorgeschlagen, welche Schranke nun anwendbar sei. Da diese Lösungen auf Einzelprüfungen und -abwägungen von Grundrechten basieren, führt dies immer dazu, dass die Schranken eines Grundrechts bei einem anderen angewandt werden. Dies wird „Schrankenübertragung“1116 oder „Schrankenleihe“1117 genannt, und ist zu unterscheiden von dem mittlerweile nur noch historischen Konzept der „Schrankenübertragung“ bzw. „Schrankenleihe“, bei dem auf vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte die Schranken anderer Grundrechte übertragen werden sollten. Andere Ansätze stammen wiederum speziell aus dem Umfeld der Diskussion um die „Schutzbereichsverstärkung“. Die verschiedenen Lösungsvorschläge können gruppiert werden in These des Schutzminimums (1.), These des Schutzmaximums (2.), Faktische Maßgeblichkeit der höheren Schranken (3.), Vermittelnde Lösungen (4.) und Irrelevanz von Schranken (5.). Eine abschließende Stellungnahme erfolgt im Abschnitt (6.). Abwägung (2007), S. 415 f.; vorsichtig befürwortend Manssen, JuS 1992, L60-L63, L62; ebenfalls so deutbar Jakobs, Verhältnismäßigkeit (1985), S. 25; A.-K. Bauer, Kindeswohlgefährdung (2012), S. 115. Für weitere Argumente, siehe auch das Eingangskapitel A. III. 2. b) cc). 1114 Calliess, Umweltstaat (2001), S. 583; Calliess, DVBl. 2003, 1096, 1103; Calliess, JZ 2006, 321, 330; vgl. bereits Brönneke, Umweltverfassungsrecht (1999), S. 280; beide in Weiterentwicklung des allgemeinen Abwägungsgesetzes von Alexy, Theorie (1985), S. 146. 1115 Siehe Abschnitt A. III. 1. a) bb). 1116 Schwabe, Probleme (1977), S. 394 f.; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 91; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 116; vgl. Sachs, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Vor Art. 1, Rn. 137 „übertragen“. 1117 Faller, KJ 2002, 227, 232; Höfling, in: FS Rüfner (2003), S. 329, 336; inhaltlich ablehnend Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 349.

VI. Grundrechtsschranken und Gesamtabwägung 

167

1. These des Schutzminimums Nach der These des Schutzminimums1118 sollen die Schranken des leichter einschränkbaren Grundrechts maßgeblich sein.1119 Klein hält die Schranken des „schwächeren“ Grundrechts für eine „systematische sachliche Gewährleistungsschranke“ des „stärkeren“.1120 Auch Wolfgang Rüfner begründet seine Auffassung damit, dies sei Konsequenz der Einordnung der Grundrechte in die allgemeine Rechtsordnung.1121 Die Schranken des anderen Grundrechts seien „allgemeine Gesetze“ des ersteren.1122 Es wird argumentiert, ein Mehr an gesellschaftlichen Kontakt- und Konfliktmöglichkeiten durch Nutzung mehrerer Grundrechte führe zu einem Mehr an Beschränkungsmöglichkeiten.1123 Gegen die These des Schutzminimums wird eingewendet, das Mehr an genutzter Grundrechtsgewährleistung gestatte kein Mehr an Grundrechtsschranken.1124 Hingegen führen die Anhänger des Grundsatzes „Im Zweifel für die Freiheit“ eben diesen als Gegenargument an.1125 Auch wird eingewandt, das Ergebnis der These des Schutzminimums, je zahlreicher die Grundrechtsgarantien, desto schwächer der Grundrechtsschutz, sei absurd.1126 2. These des Schutzmaximums Nach der verbreiteteren1127 These des Schutzmaximums1128 sollen die strengsten Schranken für die Rechtfertigung maßgeblich sein.1129 1118 Bezeichnung von Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53; alternativ auch genannt „Schrankenaddition“, Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 110. 1119 F. Klein, in: v. Mangoldt / Klein, 2 (1957), Vorbemerkungen, S. B XV 2b – S. 125, 127; Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41, 54, mit Ausnahmen für den Kernbereich, S. 60 f.; Herrmann, Fernsehen (1975), S. 97 f., 210 ff., 369 f. 1120 F. Klein, in: v. Mangoldt / Klein, 2 (1957), Vorbemerkungen, B XV 2b – S. 125, 127. 1121 Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41, 54. 1122 Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41, 58, der die allgemeinen Gesetze als Schranke aller Grundrechte ansieht. 1123 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 110; vgl. Berg, Konkurrenzen (1968), S. 108. 1124 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 111. 1125 Lepa, DVBl. 1972, 161, 164. 1126 Lepa, DVBl. 1972, 161, 164. 1127 Diese Ansicht dürfte wohl nicht mehr als h. M. zu bezeichnen sein, so aber noch Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53 Fn. 36; Schwabe, Grundkurs, 5. Aufl. (1995), S. 117; Spielmann, JuS 2004, 371, 373; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 670. 1128 Bezeichnung von Fohmann, EuGRZ 1985, 49, 53 Fn. 36; Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 111: „Schrankensubtraktion“; Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 86: „Begrenzungskombination“; Schwabe, Probleme (1977), S. 395, 407: „Schrankenaddition“ bzw. „-kumulation“, auch „Erstarkung“, „Erweiterung“ oder „Schrankenbeschränkung“ genannt. 1129 Lerche, Übermaß (1961), S. 128; Schramm, Staatsrecht 2 (1971), S. 110; Lepa, DVBl. 1972, 161, 164 f.; Rüfner, in: FS 25 Jahre BVerfG Bd. II (1976), S. 453, 477; F. Müller, Positivität, 2. Aufl. (1990), S. 52; Würkner, DÖV 1992, 150, 152; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1406; Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 47; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Vorbemerkung vor Art. 1, Rn. 50.

168

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Als Begründung wird ein Vergleich mit dem Zivilrecht angeführt: Die Abwehrrechte seien wie Anspruchsgrundlagen, im Zivilrecht dürfe man sich die weiter reichende aussuchen, diese allgemeine Regel für konkurrierende Ansprüche gelte auch bei Grundrechten.1130 Außerdem wird argumentiert, die Grundrechte zielten auf Verstärkung des Freiheitsschutzes und bereits deswegen sollen diejenigen Schranken angewandt werden, die den höchsten Grundrechtschutz böten.1131 Schwabe weist zu Recht darauf hin, dass die auf das Schrankenproblem fixierte Konkurrenzliteratur keine Stellung zu folgender Frage nimmt: Wenn die Schranken des stärkeren Grundrechts auch für das schwächere gälten, worin würden sich Spezialität und Konkurrenz noch unterscheiden und was bliebe von dem schwächeren Grundrecht übrig?1132 3. Faktische Maßgeblichkeit der höheren Schranken Ein anderer Ansatz führt zum gleichen Ergebnis, wie die These des Schutzmaxi­ mums, stützt sich aber auf eine andere Begründung: Danach sind die Grundrechte nebeneinander anzuwenden.1133 Dies führe faktisch zu einer Anwendung der stärksten Schranken.1134 Demgegenüber wird vereinzelt aber auch vertreten, bei der Nebeneinanderanwendung mehrerer Grundrechte seien letztlich die niedrigeren Schranken maßgeblich.1135 4. Vermittelnde Lösungen Daneben gibt es noch einige vermittelnde Lösungen, die einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Schranken suchen. Jörg Lücke möchte aus den Schranken der beteiligten Grundrechte eine ganz neue Schranke formen, die er „Konkurrenzschranke“ nennt.1136 Die zu bildende Konkurrenzschranke solle sich aus einer Aufwertung der höchsten Schranke der 1130

Lepa, DVBl. 1972, 161, 164 f. Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 15 f. 1132 Schwabe, Probleme (1977), S. 356; vgl. auch Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 80. 1133 Degen, Pressefreiheit (1981), S. 308 f., 344, der allerdings Schranken nur für „Argumentationslastregeln“ hält; von Heß, Grundrechtskonkurrenzen (2000), S. 89 „Schrankenverbund“ genannt. 1134 Vgl. Schwabe, Probleme (1977), S. 395, der als erster diese Möglichkeit erwähnte; vertreten von Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 25; Siekmann / Duttge, Grundrechte, 3. Aufl. (2000), Rn. 1053; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 1, Rn. 291, 293, mit einer Ausnahme bei nur zufälliger Berührung des „stärkeren“ Grundrechts; Hillgruber, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 201, Rn. 112; Mager, Staatsrecht II, 6. Aufl. (2014), Rn. 136; vgl. Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 258 f. 1135 Höfling, in: FS Rüfner (2003), S. 329, 336. 1136 Lücke, Berufsfreiheit (1994), S. 41, 45. 1131

VI. Grundrechtsschranken und Gesamtabwägung 

169

beteiligten Grundrechte ergeben, wenn die Schutzbereiche sämtlicher idealkonkurrierender Grundrechte zentral berührt seien („schutzbedingte Idealkonkurrenz“); sie solle sich aus einer Abwertung der höchsten beteiligten Schranke ergeben, wenn das Nebeneinander der Grundrechte auf Schwierigkeit oder der Nachlässigkeit der Verfassungsgebers beruhe, die Schutzbereiche der beteiligten Grundrechte von­ einander zu trennen („ungewollte Idealkonkurrenz“); und schließlich solle sie gleich der höchsten der rivalisierenden Schranken sein, wenn es sich um einen sonstigen Fall der Idealkonkurrenz handele.1137 Bäcker will durch Abstellen darauf, welches Grundrecht im konkreten Fall stärker betroffen ist, den Rechtfertigungsmaßstab flexibel zwischen der schwächsten und der stärksten Schranke bestimmen.1138 Andere wollen schlicht die Schranke desjenigen Grundrechts nehmen, das schwerpunktmäßig betroffen ist1139 bzw. das „die Basis der Kombinationsgrundrechts“ darstelle.1140 Wiederum andere wollen die Schranken nach der Gefahrenlage auswählen, um deren Bekämpfung es im konkreten Fall gerade gehe.1141 Die Grundrechte schützten jeweils vor bestimmten Gefahrenlagen, beispielsweise sei das Verbot einer Versammlung wegen einer dort zum Ausdruck gebrachten Meinung ein Problem der Meinungsfreiheit, während das Verbot einer Versammlung wegen einer Seuchengefahr versammlungsspezifisch sei und nicht meinungsspezifisch.1142 Nach Scholz verbänden sich zwei Grundrechte zu einer momentanen „funktionalen Geltungseinheit“, wenn sie in einem Zweck-Mittel-Verhältnis zueinander stünden.1143 Dann dürfe die Beschränkung des Inhaltsrechts nicht weiter gehen, als dieser funktionale Wirkungszusammenhang reiche.1144 Die Schranken des Inhaltsrechts dürften nur innerhalb der konkreten Zweck-Mittel-Relation Einfluss auf das Ausübungsrecht nehmen.1145 Auch die Beschränkung des Ausübungsrechts dürfe nicht weiter gehen, als der funktionale Wirkungszusammenhang sachlich reiche.1146 Das Übermaßverbot solle letztlich sicher stellen, dass „die Finalität des […] Inhaltsrechts“ nicht unmöglich werde. Scholz’ Ansatz wird zu Recht als unklar kritisiert.1147

1137

Lücke, Berufsfreiheit (1994), S. 47. Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 109 f. 1139 Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 13. 1140 Meinke, JA 2009, 6, 239. 1141 Herzog, in: Maunz / Dürig GG, 67. EL. (2013), Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 38. 1142 Herzog, in: Maunz / Dürig GG, 67. EL. (2013), Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 38. 1143 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 107 ff. 1144 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 113. 1145 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 107 ff., insbes. 114. 1146 Scholz, Koalitionsfreiheit (1971), S. 114. 1147 Schwabe, Probleme (1977), S. 418 f. 1138

170

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

5. Irrelevanz von Schranken Nach Schwabe sei es letztlich unerheblich, welches Grundrecht bzw. die Schranken1148 welchen Grundrechts herangezogen würden, da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum selben Ergebnis führe.1149 Nur für den Grundrechtsschutz von Ausländern sei wegen der Deutschengrundrechte von Relevanz, welches Grundrecht herangezogen werde.1150 6. Stellungnahme Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht allein entscheidend für die Verfassungswidrigkeit. Es kann Gesetze geben, die beispielsweise taugliche Schranken­ gesetze im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG sind, aber nicht im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG.1151 Auf die Prüfung der Schranken kann daher bei Idealkonkurrenz nicht verzichtet werden. Da sie sich auch ausdrücklich aus dem Wortlaut der Verfassung ergeben, können nicht einfach die „höheren“ oder die „niedrigeren“ Schranken ignoriert werden. Auch die Konzepte zur Bildung von „Kompromiss-Schranken“ überzeugen nicht, da dadurch ebenfalls ausdrücklich normierte Schranken unterlaufen werden. Um der Bedeutung des Wortlauts der Verfassung Rechnung zu tragen ist folgende Vorgehensweise anzuraten: Die speziellen Schranken der Grundrechte sind jeweils nach Möglichkeit vor Eintritt in die Gesamtabwägung bei der Prüfung des einzelnen Grundrechts zu prüfen.1152 Die Gesamtabwägung selbst ist dann die praktische Umsetzung der wichtigsten Grundrechtsschranke im weiteren Begriffssinn, des kollidierenden Verfassungsrechts. Was passiert nun, wenn ein Eingriff schon aufgrund der Schranke eines Grundrechts verfassungswidrig ist, aber mit der Schranke des anderen Grundrechts in Einklang steht? Dann ist der Eingriff eben insgesamt verfassungswidrig. Es ist unerheblich, ob die Schranken der zusätzlich betroffenen Grundrechte dem nicht entgegenstehen. Solange der Eingriff nach nur einer Schranke verfassungswidrig ist, ist er verfassungswidrig. Diesbezüglich ist der Wortlaut der Verfassung klar. Bei manchen Grundrechtsschranken ist jedoch eine abschließende Beurteilung ihrer Tatbestandsmerkmale nicht ohne Abwägung möglich, beispielsweise bei der Erforderlichkeit zur Gefahrbekämpfung in Art. 11 Abs. 2 GG. Bei solchen Schranken ist auszulegen, welche Anforderungen sie an einen verfassungsmäßigen Eingriff stellen. Die Anforderungen sind dann an der passenden Stelle der Gesamtabwägung 1148

Schwabe, Probleme (1977), S. 420. Schwabe, Probleme (1977), S. 410; vgl. auch Bumke, Grundrechtsvorbehalt (1998), S. 218 ff. 1150 Schwabe, Probleme (1977), S. 410. 1151 Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 43. 1152 Vgl. auch Jesse, Instrumentenverbund (2014), S. 188. 1149

VII. Unterschiedlichkeitsgrad 

171

zu berücksichtigen. Beispielsweise gibt Art. 11 Abs. 2 GG Zwecke vor, die mindestens mitverfolgt1153 werden müssen, und verlangt außerdem Erforderlichkeit und Angemessenheit diesbezüglich. Dies ist bei der Gesamtabwägung maßgeblich in Rechnung zu stellen. Diesen Anforderungen muss die staatliche Maßnahme genügen, unabhängig davon, ob auch noch in andere Grundrechte eingegriffen wird.1154

VII. Unterschiedlichkeitsgrad Wie gezeigt, schützen die Grundrechte Aspekte der Menschenwürde, wobei jedes Grundrecht meist mehrere Aspekte schützt und umgekehrt jeder Menschenwürdeaspekt meist in mehreren Grundrechten geschützt wird. Im konkreten Fall kann es daher vorkommen, dass mehrere Grundrechte einschlägig sind, die den gleichen Menschenwürdeaspekt schützen. Man könnte auch sagen: die Schutzbereiche der Grundrechte überlappen sich teilweise. In der Gesamtabwägung darf das konkrete Gewicht eines Menschenwürdeaspekts nicht doppelt berücksichtigt werden. Sonst würde dem Gesamtgewicht der Belastung des Grundrechtsträgers ein zu hohes formelles Gewicht zukommen, das nicht dem eigentlichen materiellen Gewicht entspräche.1155 In der Gesamtabwägung muss daher der Grad der Unterschiedlichkeit der beteiligten Grundrechte berücksichtigt werden. Nur bei vollkommen heterogenen Grund­rechten kommt es zu einer Addition der Gewichte. Andernfalls bleibt das Gesamtgewicht hinter der Summe der Einzelgewichte zurück. Neben der Frage, ob unterschiedliche Aspekte betroffen sind, gibt es zusätzlich weitere Umstände, die den Unterschiedlichkeitsgrad zweier Grundrechte in noch diffizilerer Weise beeinflussen. Bei der Bestimmung des konkreten Gewichts eines Grundrechts kann unterschieden werden zwischen abstraktem Gewicht, Intensität der Beeinträchtigung und Sicherheit der Bewertung.1156 Die Grundrechte müssen in jedem dieser Punkte miteinander verglichen werden, ob zum einen die gleichen Menschenwürdeaspekte und diese zum anderen in der gleichen Art und Weise 1153

Str. Von einigen wird aus dem Wortlaut „nur“ gefolgert, dass die in Abs. 2 aufgezählten Schranken – und damit auch die Zwecke – abschließend seien (Frenzel, JuS 2011, 595, 598 f.; Sachs, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 81, S. 523; Gusy, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 11, Rn. 53). Andere halten nach den allgemeinen Grundsätzen eine Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht für möglich, z. B. bei Beschränkungen der Freizügigkeit Minderjähriger durch das Art. 6 Abs. 2 GG zuzuordnende elterliche Aufenthaltsbestimmungsrecht nach § 1631 Abs. 1, § 1800 BGB, Durner, in: Sachs GG, 7. Aufl. (2014), Art. 11, Rn. 160 ff. m. w. N.; Schoch, Jura 2005, 34, 39. 1154 Abgesehen davon darf nicht vergessen werden, dass das Urteil der Verfassungswidrigkeit auch allein darauf gegründet werden kann, dass ein staatliches Handeln sich in der Gesamtabwägung als unverhältnismäßig herausstellt, so dass die Gesamtabwägung losgelöst von den kodifizierten Schranken durchgeführt werden kann, vgl. Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot (1989), S. 43. Zu Konsequenzen für den Prüfungsaufbau siehe Abschnitt C. XIII. 1155 Siehe zur Konstruktion von Zusammenwirken und Verstärkung von Grundrechten Abschnitt C. I. 1. irgendwo oben. 1156 Siehe Abschnitt B. III. 2.

172

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

betroffen sind. So wird beim abstrakten Gewicht relevant, ob bei den Grundrechten unterschiedliche Aspekte aktiviert sind.1157 Bei der Intensität ist zu beachten, ob die gleichen Aspekte der Grundrechte auch in der gleichen Intensität beeinträchtigt sind. Daneben ist zu berücksichtigen, ob die Aspekte jeweils in der gleichen oder in einer anderen Art und Weise betroffen sind. Vor allem bei den Menschenwürdeaspekten mit großem Umfang, zum Beispiel Persönlichkeitsentfaltung oder Geselligkeit, ist eine Beeinträchtigung in einer anderen Art denkbar. Bei der Sicherheit der Bewertung ist einzustellen, ob ein bereits berücksichtigter Aspekt mit größerer Sicherheit betroffen ist1158, oder wie sicher ein neu hinzutretender Aspekt betroffen ist. Gibt es Unterschiede, ist der Unterschiedlichkeitsgrad höher und es kommt zu einer größeren Verstärkung. Zur Abbildung in der prinzipientheoretischen Abwägungsformel wird hier der Unterschiedlichkeitsfaktor U vorgeschlagen. Dazu und zu Alternativen siehe den Abschnitt XI. 3. b).

VIII. Das Problem der willkürlichen Grenzziehung unter den Aspekten Als Einwand gegen die hier vorgestellte These der Verstärkungswirkung könnte vorgebracht werden, dass die Grenzziehung zwischen den Aspekten der Menschenwürde willkürlich sei. Da die Annahme idealkonkurrentieller Gewichtsverstärkung an die Einschlägigkeit verschiedener Aspekte geknüpft ist, wäre somit auch das Eintreten einer Verstärkungswirkung willkürlich. Bei der Suche nach verschiedenen Menschenwürdeaspekten und bei der Verstärkungswirkung muss für die Abwägung das Gesamtgewicht der betroffenen Rechtsgüter des konkreten Grundrechtsträgers festgestellt werden. Es gibt Aspekte, bei denen wohl sofort einleuchtet, dass es sich um verschiedene handelt (zum Beispiel Transzendenz und politische Beteiligung). Es wird aber auch solche geben, bei denen die Abgrenzung angezweifelt werden kann, beispielsweise – wie bereits ausgeführt – bei Persönlichkeitsentfaltung und Privatsphäre. Eine eindeutige Antwort zu finden wäre zwar erstrebenswert, in Zweifelsfällen kann aber auch die Unsicherheit bei der Abgrenzung bei der Gewichtsbestimmung berücksichtigt werden: Wenn zwei Aspekte sehr ähnlich sind, ist auch ihr summiertes Gewicht nicht viel höher, als wenn nur der einzelne Aspekt betrachtet wird. Demnach ist der Effekt der Verstärkung geringer, je schwieriger die Grenzziehung zwischen den Aspekten ist, also je ähnlicher die Aspekte einander sind. Die Kontrollfrage, ob es Aspekte gibt, 1157

Siehe Abschnitt C. XI. 1. Ob ein Aspekt mit geringerer Sicherheit betroffen ist, ist irrelevant, weil es immer auf die best-feststellbare Sicherheit ankommt. Beim neu hinzu tretenden Grundrecht kann sich das Gewicht der Gesamtbelastung des Grundrechtsträgers immer nur erhöhen, nicht reduzieren, weil nicht hinter dem Schutz durch ein Grundrecht zurück geblieben werden kann. 1158

IX. Weitere potentielle Gegenargumente 

173

zwischen denen eine Grenzziehung ausgesprochen schwer ist, obwohl sie unähnlich sind, ist negativ zu beantworten. Die Schwierigkeit der Grenzziehung beruht gerade und ausschließlich auf der Ähnlichkeit. Dieser Gedanke kann ausgedrückt werden in folgender Regel: Je ähnlicher die Aspekte einander sind, desto mehr bleibt das kumulierte Gewicht hinter der hypothetisch gebildeten Summe des Gewichts der einzelnen Aspekte zurück. Im Einzelfall kann der Effekt der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung daher gegen Null tendieren.1159 Andererseits ist bei maximaler Verschiedenheit der Aspekte das Gewicht der beteiligten Aspekte der einschlägigen Grundrechte zu addieren. Es ist folglich ergebnisirrelevant, ob zwei ähnliche Lebensbereiche als geschützt in einem weiten, übergeordneten Aspekt angesehen werden (und dieser Aspekt dann entsprechend schwer gewichtet wird), oder ob für jeden Lebensbereich formell ein eigener Aspekt eingeteilt wird (und das konkrete Gewicht beider Aspekte jeweils als gering bewertet wird, was durch die Verstärkungswirkung zu einem insgesamt schweren Gewicht führt). Wenn so letztlich doch eine gleitende Skala der Verschiedenheit besteht und sich die idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung auf einer Skala von „kein Effekt“ bis zu „Summe der Einzelgewichte“ äußert, was ist dann überhaupt gewonnen? Bewusstere Rechtsanwendung und Transparenz, woraus wiederum Überprüfbarkeit und Vorhersehbarkeit und schließlich Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit folgen.1160 Wo werden diese Überlegungen im Prüfungsaufbau relevant? Wenn es um die Abgrenzung von verschiedene Aspekten eines Grundrechts geht, so beeinflusst dies das abstrakte Gewicht1161 des Grundrechts. Geht es (auch) um die Ähnlichkeit zu Aspekten eines anderen Grundrechts des Grundrechtsträgers, so sind die Erwägungen beim Unterschiedlichkeitsgrad1162 anzustellen.

IX. Weitere potentielle Gegenargumente Daneben sind weitere Einwände gegen die idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung denkbar, die aber alle entkräftet werden können. Zum einen wäre da das Schrankenargument zu nennen: Verschiedene Schranken müssten auch Verschiedenes bedeuten. Die Verschiedenheit der Schranken wird 1159 Wenn er mit „Null“ anzusetzen wäre, läge tatsächlich nur eine Betroffenheit im selben Aspekt vor, bzw. umgekehrt formuliert, es gibt keine Verstärkungswirkung, wenn der selbe Aspekt betroffen ist. 1160 Zum rechtsstaatlichen Wert juristischer Begründungen Seybold / Sandner / Weiß, ARSP 101 (2015), 319. 1161 Siehe Abschnitt C. XI. 1. 1162 Siehe Abschnitt C. VII.

174

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

jedoch berücksichtigt, indem die unterschiedlichen Schranken bei jedem Grundrecht noch vor Eintreten in die Gesamtabwägung geprüft werden.1163 Bei einem anderen möglichen Gegenargument wird der positive Text der Verfassung hervorgehoben: Das Grundgesetz normiert verschiedene, besondere Grundrechte; eine Verstärkungswirkung wird nirgends erwähnt. Dass die Grundrechte ausdrücklich normiert sind, bedeutet aber nicht, dass die Aufzählung abschließend ist.1164 Genauso wenig bedeutet die Nicht-Erwähnung der Verstärkungswirkung, dass es definitiv keine gibt. Weiter könnte man Rechtsunsicherheit durch eine Gesamtabwägung befürchten. Die ist das gleiche Argument, dass der Abwägung im Allgemeinen entgegen gehalten wird. Die Abwägung beinhaltet zwar Wertungen, sie ist aber rationalisierbar.1165 Auch wird vorgebracht, „Verbundlösungen“ führten zu einem Verlust an Struktur.1166 Dagegen ist zu erwidern, dass ohne „Verbundlösung“ noch weniger Struktur vorhanden ist. Um der Verstärkungswirkung wenigstens teilweise gerecht zu werden, gibt es eine Vielzahl wenig ausgearbeiteter Vorschläge von willkürlichen Grundrechtsabgrenzungen und Verdrängungsargumentationen, Schutzbereichsverstärkungen, Grundrechtsneuschöpfungen oder gar einem „argumentativen Rückgriff auf das verdrängte Grundrecht“.1167 Diese Vorschläge sind in Voraussetzungen und Wirkung inhaltlich unklar und verlassen nur selten die Ebene formaler Argumentation. Mit dem Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung wird im Gegenteil Struktur eingeführt, wo zuvor Unordnung herrschte. Auch wird wohl bereits häufig, ohne dies jedoch kenntlich zu machen, eine Verstärkung apokryph in der Abwägung berücksichtigt.1168 Der hiesige Vorschlag führt daher auch zu mehr Transparenz. Schließlich lässt sich auch der Einwand vorhersehen, wenn es eine Verstärkungswirkung wirklich gäbe, hätte man diese bereits früher erkannt. Wie dargelegt,1169 wurde eine Verstärkung unter Grundrechten von verschiedenen Autoren immer mal wieder in Betracht gezogen. So finden sich bereits bei Bachof in den 1950er Jahren Bemerkungen zu einer Verstärkung unter Grundrechten.1170 Zudem ist der Effekt der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung meist auch nicht sonderlich groß1171 bzw. wird in der bisherigen Falllösung bereits insgeheim durch Annahme eines stärkeren Eingriffs in das einzige Grundrecht berücksichtigt (siehe „apokryphes Abwägen“1172). 1163

Siehe Abschnitt C. VI. Siehe Abschnitt C. II. 1. 1165 Siehe Abschnitt B. III. 1166 Kahl, AöR 131 (2006), 579, 601. 1167 Siehe dazu A. III. 2. 1168 Schwabe, Probleme (1977), S. 369 f. Zum apokryphen Abwägen siehe auch die Nachweise Fn. 314. 1169 Siehe Abschnitt A. 1170 Siehe Fn. 31. 1171 Schwabe, Probleme (1977), S. 369. 1172 Siehe Abschnitt A. III. 2. b) dd). 1164

XI. Prinzipientheoretisches 

175

X. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung unter drei oder mehr Grundrechten Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkungen sind nicht auf das Zusammentreffen zweier Grundrechte beschränkt, sondern sind auch unter drei oder mehr Grundrechten möglich. Hinsichtlich der materiellen Begründung und formellen Prüfungsstruktur verstehen sich die obigen Ausführungen auch für Fälle der Idealkonkurrenz von drei oder mehr Grundrechten. In diesen Konstellationen muss ebenfalls festgestellt werden, welche Menschenwürdeaspekte insgesamt durch alle nominell einschlägigen Grundrechte geschützt werden. Anschließend muss bei der Einstellung in die Gesamtabwägung berücksichtigt werden, wie unterschiedlich die beteiligten Grundrechte hinsichtlich der Art der aktivierten Menschenwürdeaspekte und des Grads ihrer Einschränkung sind, so dass auch hier das Gesamtgewicht der Belastung angemessen und nicht überhöht abgebildet wird.

XI. Prinzipientheoretisches Vorauszuschicken ist, dass der Unterschiedlichkeitsfaktor U und die sogleich zu nennende Gesamtabwägungsformel nur eine andere Art und Weise der Notation sind, um den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bestandteilen der Abwägung im Detail darzustellen. Mithilfe von mathematischen Darstellungen wird ausgedrückt, was zuvor in Worten beschrieben wurde, wobei hier keinesfalls eine Metrisierung von Grundrechtspositionen gefordert wird.1173 Neue inhaltliche Überlegungen finden sich in diesem Abschnitt nur zum abstrakten Gewicht im Sinne der Prinzipientheorien, zu dessen Bestimmung angesichts der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung noch ein paar genauere Ausführungen getätigt werden können. 1. Abstraktes Gewicht: Aktive und inaktive Aspekte Manche Grundrechte schützen schon von vornherein bestimmte Aspekte nur in fernliegender Weise, andere Aspekte befinden sich im Zentrum ihres Gewährleistungsgehalts. Dies kann bereits bei der Bestimmung des abstrakten Gewichts berücksichtigt werden. Enthält ein Grundrecht – wie meist – mehrere Aspekte, können diese im konkreten Fall einschlägig, nur am Rande einschlägig oder gar nicht einschlägig sein. Zwar soll das abstrakte Gewicht eines Grundrechts gerade losgelöst vom Einzel­fall bestimmt werden und in dieser Art in die Bestimmung des konkreten Gewichts eines Grundrechts einfließen.1173a Dadurch, dass die Schutzbereiche mancher Grundrechte aber sehr „weitläufig“ sind und nicht immer vollständig ein 1173

Zu diesem Thema, siehe Abschnitt B. III. 1. bei Fn. 856. Vgl. Fn. 872.

1173a

176

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

schlägig sind, erscheint es nicht sinnvoll, ein abstraktes Gewicht eines Grundrechts zu bestimmen, ohne zu berücksichtigen, welche Teilbereiche des Schutzbereichs überhaupt berührt sind. Beispiel: Bei Versammlungen mit reinem Spaß-Charakter,1174 wie beispielsweise Autokorsos anlässlich von Fußballspielen, sind nur die Aspekte Geselligkeit und Persönlichkeitsentfaltung (durch Kommunikation) aktiv, der Aspekt politische Beteiligung allerdings nicht.1175 Dies rührt daher, dass die Grundrechte für typische Situationen kodifiziert wurden, in denen typischerweise eine bestimmte Kombination schützenswerter Menschenwürdeaspekte einschlägig ist.1176 In atypischen Fällen kann aber nur ein Teil des Schutzumfangs aktiv sein und damit nur einige der Aspekte. Welche Aspekte gerade bei einem Grundrecht aktiv oder inaktiv sind, beeinflusst dessen konkretes Gewicht. Dies ähnelt Bergs Aufteilung nach Betroffenheit im Kernbereich, Randbereich oder Indifferenzbereich.1177 Zwar könnte man den Gesichtspunkt der aktiven und inaktiven Menschenwürde­ aspekte auch bei der Bestimmung der Intensität berücksichtigen. Jedoch ist nicht jeder aktive Aspekt eines Grundrechts auch notwendigerweise durch den streitgegenständlichen Eingriff negativ betroffen. Vielmehr muss unterschieden werden zwischen Aspekten, die in dem Grundrecht im Allgemeinen enthalten sind, Aspekten, die in der konkreten Situation aktiviert sind und aktivierten Aspekten, die durch die Maßnahme negativ betroffen sind. Mit der hier vorgestellten Definition des abstrakten Gewichts wird zwar bei seiner Bestimmung auf den konkreten Fall rekurriert. Andererseits geschieht das wiederum ohne den konkreten Eingriff in den Blick zu nehmen, was erst bei der Bestimmung der Intensität erfolgt. Der hier angesprochene Gesichtspunkt der aktiven und inaktiven Menschenwürdeaspekte ist weder eindeutig abstrakt, noch eindeutig konkret. Bei herkömmlicher Vorgehensweise wird die nur teilweise Berührung des Schutzbereichs eines Grundrechts – soweit dies feststellbar ist – wohl bei der Inten­

1174

Nach h. M. ist der Beitrag einer Versammlung zur politischen Willensbildung sogar so wesentlich für das Grundrecht, dass Versammlungen, die diese Komponente nicht aufweisen (was nach der h. M. bei reinem Spaß-Veranstaltungen der Fall sei) nicht dem Schutzbereich des Art. 8 GG unterfallen sollen. Dazu BVerfGE 69, 315, 343 – Brokdorf; a. A. Depenheuer, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 8, Rn. 47. 1175 Hierbei könnte wiederum hinterfragt werden, ob es Versammlungen geben kann, die überhaupt gar nichts zur politischen Willensbildung beitragen. 1176 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 546, spricht davon, dem Verfassungsgeber hätten bei Schaffung der Grundrechte wohl Prototypen vor Augen gestanden, die in den vollen Genuss des Grundrechtsschutzes kommen sollten, während solche mit nur marginaler Normberührung weniger Schutz verdienten. 1177 Berg, Konkurrenzen (1968), wobei Berg, der die Unterscheidung zwischen abstraktem Gewicht und Intensität nicht kennt, diese Differenzierung beim Eingriff trifft; kritisch dazu E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 546.

XI. Prinzipientheoretisches 

177

sität berücksichtigt.1178 Das abstrakte Gewicht eines Grundrechts korrespondiert aber strukturell eher mit dem Schutzbereich, die Intensität der Beeinträchtigung hingegen eher mit dem Eingriff. Um diese gedankliche Struktur aufrecht zu erhalten, ist es sinnvoll, bei nur teilweiser Einschlägigkeit eines Schutzbereichs dies bereits beim abstrakten Gewicht zu berücksichtigen. Dies spricht dafür, den Gesichtspunkt der aktiven, einschlägigen Menschenwürdeaspekte bei der Bestimmung des abstrakten Gewichts zu berücksichtigen. 2. Aspekte als eigentliche Prinzipien? Das Schutzgut eines jeden Grundrechts setzt sich aus Menschenwürdeaspekten zusammen. Es ist weitgehend Zufall der Verfassungsgeschichte, ob die Menschenwürdeaspekte in verschiedenen Grundrechten zusammengefasst worden sind, oder in einem kodifiziert wurden. Sind nun die Menschenwürdeaspekte die eigentlichen Prinzipien im Sinne der Alexy’schen Prinzipientheorie?1179 Die hier vorgestellten Menschenwürdeaspekte sind ebenfalls Optimierungsgebote. Welche Aspekte im konkreten Fall betroffen sind und wie sehr sie beeinträchtigt werden, bestimmt das konkrete Gewicht der Position des Grundrechtsträgers in der Abwägung. Man könnte daher bei der Gewichtsformel statt der Grundrechte als Prinzipien gleich die betroffenen Aspekte in die Abwägung einstellen. Dann wäre unerheblich, in welchen Grundrechten sie verortet werden. Auch die Bestimmung einer Unterschiedlichkeit unter den Grundrechten wäre überflüssig, weil die Aspekte gerade darauf angelegt sind, dass sie sich inhaltlich nicht überschneiden, und sie bereits offen vorliegen.1180 Dies wäre eine Möglichkeit der Darstellung und führt bei richtiger Anwendung zu keinem Ergebnisunterschied. Mit dieser Vorgehensweise würde man sich jedoch vollkommen vom Text der Verfassung lösen. Es entspricht dem Wortlaut der Verfassung besser und ist leichter vermittelbar, wenn die Grundrechte als Prinzipien in die Gesamtabwägung eingestellt werden. Dies bringt auch den weiteren praktischen Vorteil, dass auf das bisherige dogmatische Material aus Rechtsprechung und Literatur ohne Umstellung zurückgegriffen werden kann. Zudem werden die Anliegen der Transparenz und Klarheit von Entscheidungen für Rechtsanwender und Rechtsunterworfene besser realisiert, was letztlich zu mehr Akzeptanz führt.

1178

Einen Ergebnisunterschied gibt es dadurch nicht. Siehe Abschnitt B. III. 2. 1180 Mit Ausnahme der Aspekte Persönlichkeitsentfaltung und Privatsphäre, siehe dort. 1179

178

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

3. Ausdruck in einer prinzipientheoretischen Abwägungsformel Alexy, Effer-Uhe und Breckwoldt / Kleiber haben es unternommen, die Verstärkungswirkung in einer prinzipientheoretischen Abwägungsformel auszudrücken. Das Konzept der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung kann ebenfalls in einen solchen formalen Ausdruck gebracht werden.1181 a) Vorarbeiten anderer Autoren Mit seiner „vollständig erweiterten Gewichtsformel“ veranschaulicht Alexy den einfachsten Fall einer schlichten Addition zweier vollständig heterogener Prinzipien:1182  . Oder ausführlicher:  . Nach Effer-Uhe nimmt der Einfluss jedes einzelnen Prinzips ab, je mehr Prinzipien in die Abwägung eingestellt werden.1183 Zur Abbildung dieses „Dämpfungseffekts“1184 will Effer-Uhe eine algebraische Summe bilden, also eine Rechenoperation, bei der von der Summe des Gewichts zweier Grundrechte deren Produkt abgezogen wird.1185 Dies ergebe folgende Formel:1186  . Warum ausgerechnet eine algebraische Summe diesen Effekt abbilden soll, wird von Effer-Uhe nicht begründet und ist auch nicht ersichtlich. Bei dieser Rechenoperation wird davon ausgegangen, dass der Grad der Unterschiedlichkeit der beteiligten Grundrechte in jedem einzelnen Fall dem einer algebraischen Summe entspricht. Das wird jedoch der vielgestaltigen Wirklichkeit nicht gerecht.1187 Breckwoldt / Kleiber untersuchen die Einführung eines „Reduktionsfaktors“ H, der den Grad der Heterogenität der zu kumulierenden Grundrechte ausdrücken 1181

Zur Bedeutung der Symbole siehe den Abschnitt B. III. 2. Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, S. 791 Fn. 39. 1183 Effer-Uhe, Bindungswirkung (2008), S. 52. Siehe auch oben, Abschnitt A. III. 2. b) dd). 1184 Begriff von Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 15. 1185 Effer-Uhe, Bindungswirkung (2008), S. 46 ff. 1186 Nach Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 16. 1187 Vgl. Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 17. Ferner ist die von ­EfferUhe verwandte kardinale Skalierung kritisiert worden und vorgeschlagen worden, eine triadische Skalierung zu verwenden; diese führe aber wieder zu dem unerwünschten Ergebnis, dass eine negative Zahl als Abwägungsergebnis möglich sei, Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 15 f. 1182

XI. Prinzipientheoretisches 

179

soll.1188 Der Reduktionsfaktor soll Werte zwischen 0 und 1 annehmen können und werde mit der Summe der Prinzipien multipliziert.1189 Je geringer die substantiellen Überschneidungen, je größer also der Grad der Heterogenität, desto stärker tendiere der Wert des Reduktionsfaktors gegen 1.1190 Dies drücke sich in folgender Formel aus:1191 .   Der Reduktionsfaktor sei aber im Ergebnis abzulehnen, weil ab Unterschreitung eines Schwellenwerts der Faktor zu einer gegenseitigen Schwächung der Prinzipien führe.1192 Breckwoldt / Kleiber schlagen stattdessen einen „Heterogenitätssubtrahenden“ H vor, der je nach Heterogenität und abstrakter Intensität des Eingriffs in die beteiligten Grundrechte auf einer dreistufigen Skala zwischen 0 und dem Wert des verstärkenden Prinzips liege und von der Summe der Prinzipien abgezogen werde.1193 Dieser sei folgendermaßen in der Abwägung zu verwenden:1194  . Mit dieser simplen Methode wird eine Begrenzung der Summenbildung erreicht und die Unterschiedlichkeit des neu hinzutretenden Prinzips Pz zu dem bereits eingestellten Prinzip Pq in der Formel repräsentiert. Offen bleibt aber, wie zu verfahren ist, wenn mehr als zwei Prinzipien summiert werden. Soweit ersichtlich wird H von Breckwoldt / Kleiber nicht speziell dem Prinzip Pz zugeordnet, da H nicht mit einem Index versehen ist. Daraus kann geschlossen werden, dass H die Heterogenität aller Summanden zueinander ausdrücken soll. Schon bei drei zu summierenden Prinzipien Pq, Pz und Pr wäre die Bestimmung eines Werts für H recht kompliziert. So müsste H auf einer Skala zwischen 0 und dem Wert der Summe der beiden verstärkenden Prinzipien Pz und Pr liegen. Bei seiner Bestimmung wäre nicht nur zu berücksichtigen, wie sehr sich Pz von Pq unterscheidet, sondern auch wie sehr sich Pr von Pq unterscheidet und wie sehr sich Pz und Pr untereinander unterscheiden. Diese Schwierigkeiten vergrößern sich noch, wenn mehr Prinzipien summiert werden sollen. Zudem würden wesentliche Weichenstellungen der Gewichtsbestimmung bei der Festlegung eines Werts für den Faktor H getroffen werden, ohne dass die Art und Weise dieser Wertfestlegung von Breckwoldt / Kleiber näher beschrieben wird. Ein so verstandener „globaler“1195 Heterogenitätssubtrahend H ist daher abzulehnen. 1188

Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 18 ff. Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 18. 1190 Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 18. 1191 Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 18. 1192 Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 19 f. 1193 Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 20 ff.; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 234. 1194 Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 20. 1195 Bezogen auf die Summe der Prinzipien. 1189

180

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

b) Unterschiedlichkeitsfaktor U Um bei der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung den Unterschiedlichkeitsgrad der Prinzipien in der Gesamtabwägungsformel abzubilden, wird hier der Unterschiedlichkeitsfaktor U vorgeschlagen. U wird multipliziert mit jedem Prinzip, das zugunsten des Grundrechtsträgers angeführt wird. U kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Der Wert 0 hat den Effekt, dass kein weiteres konkretes Gewicht zum vorgehenden Prinzip addiert wird. Der Wert 1 hat den Effekt, dass eine volle Addition des konkreten Gewichts des nächsten Prinzips zu dem konkreten Gewicht des vorgehenden Prinzips durchgeführt wird. U’s Wert ist so zu bestimmen, dass bei 0 das vorgehende1196 und das aktuelle Prinzip vollkommen deckungsgleich sind hinsichtlich der einschlägigen Menschenwürdeaspekte und des Gewichts ihrer Beeinträchtigung. Bei 1 sind die Grundrechte vollkommen verschieden, das nächste Grundrecht wird daher mit seinem vollen konkreten Gewicht addiert. Bei einem Wert zwischen 0 und 1 gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim konkreten Gewicht der Grundrechte. Dabei sind die Erwägungen zu berücksichtigen, die oben zum Unterschiedlichkeitsgrad angestellt wurden.1197 Vorteilhaft am Vergleich des nächsten mit den vorgehenden Grundrechten ist, dass sich so der Unterschiedlichkeitsgrad auch bei drei oder mehr sich kumulierenden Grundrechten bestimmen lässt. Jedem hinzutretenden Grundrecht ist sein eigener Unterschiedlichkeitsfaktor zuzuordnen, der den Unterschied zum Gewicht aller bereits eingestellten Grundrechte anzeigt. Auf diese Weise wird die Bestimmung des Unterschiedlichkeitsfaktors transparent und nachvollziehbar. Da mit dem Unterschiedlichkeitsfaktor auch nur der Unterschied eines Prinzips zu einem anderen ausgedrückt wird und keine absolute Rangordnung der Prinzipien aufgestellt wird, greifen auch die herkömmlichen Einwände gegen eine kardinale Skalierung1198 nicht durch.1199 Beim (beliebig zu wählenden)1200 ersten Grundrecht der Gesamtabwägung hat U den Wert 1, da etwas vollkommen Neues in die Gesamtabwägung eingestellt wird. Beim zweiten einzustellenden Prinzip muss dieses mit dem ersten verglichen werden, ob ein zusätzlicher Menschenwürdeaspekt betroffen ist oder ein bereits aufge-

1196

Bzw. „die vorgehenden“. Siehe Abschnitt C. VII. 1198 Alexy, Theorie (1985), S. 141; Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 783; Alexy, in: Grundrechte (2009), S. 21, 38. 1199 A. A.  Breckwoldt / Kleiber, in: Prinzipientheorie (2013), S. 1, 16 f.; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 233. 1200 In der Tat: beliebig. Falls bei einem nachfolgenden Grundrecht ein intensiverer Eingriff vorliegt als bei dem vorausgehenden, wird dies dadurch abgebildet, dass bei dem hinzutretenden Grundrecht der entsprechende bzw. die entsprechenden Menschenwürdeaspekt(e) stärker betroffen sind. Dies führt wiederum dazu, dass eine hohe Unterschiedlichkeit zu dem vorausgehenden Grundrecht anzunehmen wäre. Im Extremfall könnte das neu hinzutretende Grundrecht mit seinem vollen Gewicht hinzuzuaddieren sein. 1197

XI. Prinzipientheoretisches 

181

führter in intensiverer oder sichererer Weise beeinträchtigt ist.1201 Beim dritten und jedem weiteren einschlägigen Prinzip zugunsten des Grundrechtsträgers muss das neu hinzutretende Prinzip mit allen vorhergehenden Prinzipien verglichen werden. Die Abbildung der Unterschiedlichkeit des Gewichts des neu hinzutretenden Grundrechts zu den bereits eingestellten Prinzipien ist die Hauptfunktion des Unterschiedlichkeitsfaktors. Daneben hat er aber auch die Funktion, bei ähnlichen Menschenwürdeaspekten sicher zu stellen, dass ihr Gesamtgewicht nicht höher ist, als das, welches sie hätten, würde man sie in einem übergeordneten Aspekt zusammen fassen.1202 Insbesondere ist bei der Prüfung zu berücksichtigen, dass in dieser Arbeit ein vom Aspekt der Persönlichkeitsentfaltung separater Aspekt der Privatsphäre vertreten wird.1203 Es muss genau darauf geachtet werden, dass beim Grundrecht mit dem Aspekt Persönlichkeitsentfaltung nicht bereits ein besonderes Gewicht wegen eines Privatsphäreanteils eingeflossen ist. Unerheblich ist ferner, ob der Unterschiedlichkeitsfaktor auf das abstrakte Gewicht, oder das abstrakte Gewicht und die Intensität, oder insgesamt auf das konkrete Gewicht des Grundrechts bezogen wird.1204 U wirkt als Faktor auf das komplette Produkt ein. Materiell bestimmt er sich danach, ob der gleiche Menschenwürdeaspekt einschlägig ist und ob er in der selben Intensität mit der selben Sicherheit betroffen ist. Da der Unterschiedlichkeitsfaktor U jedes Prinzips abhängig von den Eigenschaften des Prinzips und dessen Unterschied zu den vorausgegangenen ist, kann er nur auf äußerst umständliche Art mit einem abstrakten Index versehen werden. Verständlicher in der Darstellung ist es, ihm den gleichen Index wie dem jeweiligen Prinzip zuzuordnen und für die Bestimmung nach oben zu verweisen. Die Formel zur Bestimmung des konkreten Gewichts der für den Grundrechtsträger einschlägigen Prinzipien lautet: Ui ∗ Pi + Uk ∗ Pk … + Un ∗ Pn .

Wobei 0 ≤ U ≥ 1 und Ui = 1.

Noch ausführlicher ausgedrückt: Ui ∗ Gi ∗ Ii ∗ Si + Uk ∗ Gk ∗ Ik ∗ Sk … + Un ∗ Gn ∗ In ∗ Sn . 1201

Wenn ein bereits aufgeführter Menschenwürdeaspekt ein weiteres Mal, aber weniger stark betroffen ist, führt das nicht zu einer Abnahme des konkreten Gesamtgewichts. Es tritt einfach nur keine weitere Beschwer dazu. U wäre 0. Auf keinen Fall würde U deswegen einen negativen Wert annehmen. Das gleiche gilt entsprechend für den gleichen Menschenwürdeaspekt, dessen Beeinträchtigung in gleicher Weise weniger sicher ist. 1202 Zur materiellen Begründung siehe Abschnitt C. VIII. 1203 Siehe Abschnitt C. III. 2. h). 1204 Vgl. Assoziativgesetz (math.).

182

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

c) Gesamtabwägungsformel Um alle in diesem Kapitel angesprochenen Gesichtspunkte formal darzustellen, ist Alexys vollständig erweiterte Gewichtsformel weiter zu präzisieren. Die Gesamtabwägungsformel lautet:  . Noch detaillierter:  .

d) Exkurs: U < 0 U wird hier definiert als 0 ≤ U ≥ 1. Würde man U kleiner 0 ansetzen, bekäme das ganze konkrete Gewicht des Prinzips ein negatives Vorzeichen. Das heißt, es würde vom konkreten Gewicht der anderen Prinzipien subtrahiert werden. Dies kann zur prinzipientheoretischen Darstellung bestimmter, hier nicht untersuchter Phänomene dienen, beispielsweise wenn eine Maßnahme, die einen Grundrechtseingriff darstellt, dem Grundrechtsträger im Hinblick auf ein anderes Grundrecht einen Vorteil bringt. Dies wäre eine Möglichkeit, die Saldierung von Vor- und Nachteilen in der Gesamtabwägungsformel zu berücksichtigen. Auch falls Dritte mit ihren Grundrechten berücksichtigt werden sollen, wäre dies eine Möglichkeit der Darstellung. Siehe im Allgemeinen dazu den Abschnitt E.

XII. Hypothetisches Alternativverhalten in der Gesamtabwägung Die gleichzeitige Berücksichtigung des Gewichts mehrerer Grundrechte des Grundrechtsträgers in der Gesamtabwägung erlaubt es, grundrechtsrelevantem hypothetischen Alternativverhalten Rechnung zu tragen. 1. Beeinflussbarkeit der Betroffenheit und hypothetisches Alternativverhalten Ein weiteres anerkanntes Kriterium für die Intensität des Eingriffs ist das der Beeinflussbarkeit der Betroffenheit.1205 Beeinflussbarkeit der Betroffenheit bedeutet, 1205 BVerfGE 111, 160, 169–170 – Kindergeld an Ausländer; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, S. 32; Pieroth / Schlink / Kingreen u. a., Grundrechte, 31. Aufl. (2015), Rn. 314; Britz, NJW 2014, 346, 348.

XII. Hypothetisches Alternativverhalten in der Gesamtabwägung 

183

ob und mit welchem Aufwand es für den Grundrechtsträger vermeidbar ist, negativ von der Regelung betroffen zu werden; bzw. bei positiven Maßnahmen, ob und mit welchem Aufwand es ihm möglich ist, in deren Genuss zu kommen.1206 Angesichts der aufgezeigten Durchführbarkeit einer Gesamtabwägung, bei der mehrere idealkonkurrierende Grundrechte des Grundrechtsträgers verarbeitet werden können, kann das Kriterium präzisiert werden. Bei der Beeinflussbarkeit der Betroffenheit geht es letzten Endes um hypothetische, alternative Verhaltensweisen. Dies ist erläuterungsbedürftig. Beeinflussbarkeit bedeutet zunächst, ob der Grundrechtsträger überhaupt die tatsächliche Möglichkeit hat, durch Änderung seines Verhaltens die Betroffenheit von der Regelung zu beeinflussen. Paradefälle sind intertemporale Regelungen, die an eine Entscheidung in der Vergangenheit anknüpfen, die nicht mehr rückgängig zu machen ist, so dass ein Eingriff daher schwer wiegt.1207 Bei genauer Betrachtung ist aber sehr vieles tatsächlich möglich. So kann man einen Kredit aufnehmen, um ein umweltschonenderes Auto zu kaufen, um nicht vom Fahrverbot betroffen zu werden; auswandern und sich in einem anderen Land einbürgern lassen, um die Anknüpfung an das Merkmal deutsche Staatsangehörigkeit zu vermeiden; oder gar sein Geschlecht ändern, um eine Ehe mit einer Person des vormals gleichen Geschlechts einzugehen. An diesen bewusst extrem gewählten Beispielen wird deutlich, dass ein tatsächlich mögliches Alternativverhalten von einiger Grundrechtsrelevanz sein kann. Dies kann so weit reichen, dass ab einem bestimmten Punkt eine Unzumutbarkeit des Alternativverhaltens anzunehmen ist, ab der dann auch von einer rechtlichen Unmöglichkeit gesprochen werden kann. In der Regel1208 ist die Entscheidung gegen ein Verhalten grundrechtlich geschützt als negative Freiheit. Art. 2 Abs. 1 GG schützt beispielsweise als Auffanggrundrecht die negative Freiheit, eine bestimmte Alternativhandlung nicht zu ergreifen. Je schwerer die prüfungsgegenständliche Maßnahme wiegt, desto eher werden Grundrechtsträger gedrängt, das Alternativverhalten zu wählen, um der Maßnahme zu entgehen.

1206 Vgl. Britz, NJW 2014, 346, 350, die – allerdings speziell für das Gleichheitsrecht – näher darlegt, dass zwischen den beiden in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwandten Kriterien „Verfügbarkeit“ und „Beeinflussbarkeit“ kein relevanter Unterschied besteht. 1207 Stellvertretend BVerfGE 11, 139, 145 f. – Kostenrechtsnovelle; BVerfGE 72, 200, 241 f. – Einkommensteuerrecht; Zusammenfassung der Rechtsprechung der beiden Senate bei Grzeszick, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 20, Rn. 76 ff. Siehe zum ähnlichen Problem der Gleichheit in der Zeit Fn. 1470. 1208 Eine Ausnahme ist laut Bundesverfassungsgericht die Vereinigungsfreiheit, Art. 9  GG, die keine negative Freiheit sei im Hinblick auf die Zwangsmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Körperschaften, BVerfGE 10, 89, 102 – Erftverband; BVerfGE 38, 281, 297 f. – Arbeitnehmerkammern; BVerfG, DVBl. 2007, 248–253, 251 – Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaft; a. A. Cornils, in: BeckOK GG (2016), Art. 9, Rn. 10.1; Pieroth / Schlink / Kingreen u. a., Grundrechte, 31. Aufl. (2015), Rn. 814.

184

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Eine Fallgruppe sind die oben bereits beschriebenen Sanktionsfälle (B. II. 1. c)  bb) (3)), in denen ein bestimmtes grundrechtlich geschütztes Verhalten verboten wird und für den Fall der Zuwiderhandlung eine Sanktion verhängt wird, die in das gleiche oder ein anderes Grundrecht eingreift. Der Betroffene hat die Wahl, entweder auf die Grundrechtsausübung zu verzichten (was einen Grundrechtseingriff darstellen würde), oder sich entgegen dem Verbot zu verhalten und die Sanktion in Kauf zu nehmen (was einen Grundrechtseingriff durch die Sanktion nach sich zöge). Im Moment der Entscheidung zwischen beiden Verhaltensweisen sind für ihn beide potentiellen Grundrechtseingriffe gleich relevant. Gerade bei zwei hypothetischen, alternativen Grundrechtseingriffen gibt es keine sinnvollen Kriterien, anhand derer eine einzige prüfungsgegenständliche Maßnahme ausgewählt werden kann. Es würde auch materiell der komplexen grundrechtlichen Situation nicht gerecht, würde man einen von beiden Grundrechtseingriffen bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit komplett ausblenden. So ist auch bei einem Gesetz oft nicht einfach festzustellen, welches Verhalten nun das eigentliche (zu prüfende) ist, und welches das Alternativverhalten. Gerade bei der abstrakten Überprüfung von Gesetzen kann es vorkommen, dass weder die unmittelbare Rechtsfolge noch die des Alternativverhaltens bereits eingetreten ist.1209 Beide wären dann gleich aktuell. Beispiel: Ein Gesetz verpflichtet Unternehmer, einen bestimmten Anteil von Menschen mit Behinderung in ihrem Betrieb zu beschäftigen, andernfalls wäre eine Sonderabgabe zu zahlen. Um sich rechtmäßig zu verhalten, kann ein Unternehmer entweder Arbeitnehmer mit Behinderung einstellen (Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG1210) oder die Sonderabgabe zahlen (Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG1211). Die Schwere der Belastung des Unternehmers würde nicht richtig bewertet werden, wenn nur eine der möglichen Verhaltensweisen mit ihren grundrechtlichen Implikationen in den Blick genommen würde. Auch wäre kritisch zu hinterfragen, ob nicht bereits durch Einwirken auf die Entscheidungsfreiheit ein Grundrechtseingriff vorliegt.1212 Diese Überlegungen gelten auch für den Fall des Zusammentreffens eines aktuellen und eines hypothetischen Grundrechtseingriffs. Auch dort würde die Schwere 1209 Solange eine Unmittelbarkeit der Betroffenheit im Sinne der Verfassungsbeschwerde vorliegt, können auch noch nicht aktualisierte Normen vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. 1210 Abhängig von den genauen Details eines konkreten Sachverhalts wäre es wohl auch denkbar, eine berufsregelnde Tendenz abzulehnen. Auf den Streit um den genauen Eingriffsbegriff bei Art. 12 Abs. 1 GG kann hier aus Gründen der Schwerpunktsetzung nicht näher eingegangen werden. 1211 Zum Vermögensbegriff des Art. 14 GG Papier, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 14, Rn. 160, 165 ff. 1212 Dies ist ein Problem des Eingriffsbegriffs, dem hier aus Gründen der Schwerpunktsetzung nicht näher nachgegangen werden kann. Siehe allgemein zum Streit um den Eingriffsbegriff den Abschnitt B. II. 1. a) bb) (2).

XII. Hypothetisches Alternativverhalten in der Gesamtabwägung 

185

des tatsächlich erfolgten Grundrechtseingriffs nicht vollständig erfasst werden, wenn nicht berücksichtigt würde, welche Auswahlmöglichkeiten mit welchen potentiellen grundrechtlichen Folgen dem Grundrechtsträger bei seiner Entscheidung offen gestanden haben. Das Grundrecht, das in seiner negativen Ausprägung vor dem Zwang zur Wahl des Alternativverhaltens schützt, ist daher in beiden Fallgruppen zu berücksichtigen. Dieser aufgezeigte materielle Grund ist der Grund, der gebietet, die von Fohmann und Spielmann befürwortete Sachverhaltserweiterung bei Sanktionsfällen vorzunehmen.1213 Auch die Befürworter einer Sachverhaltserweiterung in den Fällen der „aufsitzenden Grundrechte“ setzen diese materielle Begründung implizit voraus, insoweit sich ihre Ausführungen auch auf lediglich hypothetische weitere Grundrechtsausübungen beziehen.1214 2. Hypothetisches Alternativverhalten in der Gesamtabwägung Der grundrechtliche Schutz der Freiheit, sich nicht für das Alternativverhalten zu entscheiden, ist in die Gesamtabwägung einzustellen. Dies kann auf zwei Wegen geschehen: Entweder, indem der Eingriff in das Grundrecht des Alternativverhaltens inzident in der Schwere des durch das Primärverhalten beeinträchtigten Grundrechts als Beeinflussbarkeit berücksichtigt wird. Andererseits ist auch die Berücksichtigung als eigener Faktor der Gesamtabwägung denkbar. Bei der Variante der inzidenten Berücksichtigung könnte das Eingriffsschwerekriterium „Grad der Beeinflussbarkeit“1215 daran gemessen werden, wie sehr das Alternativverhalten in grundrechtlich geschützte Freiheiten eingreifen würde. Für diese Variante spricht, dass es sich um einen hypothetischen, alternativen Grundrechtseingriff handelt, der noch nicht stattgefunden hat – im Gegensatz zu der prüfungsgegenständlichen Maßnahme. Für eine separate Einstellung des hypothetisch betroffenen1216 Grundrechts in die Gesamtabwägung spricht, dass auf diese Weise umständliche Inzidentprüfungen vermieden werden. Dies dient dem Anliegen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Dass es sich beim Alternativverhalten um einen hypothetischen Grundrechtseingriff handelt, der gegebenenfalls noch nicht stattgefunden hat,1217 kann über die Eingriffsschwere berücksichtigt werden.

1213

Siehe Erläuterungen und Nachweise im Abschnitt B. II. 1. c) bb) (3). Dazu und für Nachweise, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (2). 1215 S. o., eingangs des Abschnitts C. XII. 1. 1216 Gemeint ist „das Grundrecht, in das hypothetisch eingegriffen wird“. 1217 Vorbehaltlich den obigen Ausführungen. 1214

186

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

In den meisten Fällen wurde das hypothetische Alternativverhalten bisher bereits mehr oder weniger offen in der Abwägung berücksichtigt.1218 Die gleichzeitige Berücksichtigung des Gewichts mehrerer Grundrechte des Grundrechtsträgers in der Gesamtabwägung erlaubt es, folgende Präzisierungen einzuführen: Häufig wird das Alternativverhalten nur durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sein. Werden Primärverhalten und Alternativverhalten durch das gleiche Freiheitsrecht geschützt, beispielsweise durch Art. 2 Abs. 1 GG, ist es ausreichend, das Freiheitsrecht mit seinen betroffenen Menschenwürdeaspekten einmal in die Gesamtabwägung einzustellen und beide Möglichkeiten bei der Intensität entsprechend zu berücksichtigen. Beispiel: Für die Benutzung der Autobahn wird von Fahrern bestimmter Fahrzeuge eine Maut erhoben. Ein Fahrer kann entweder die Maut zahlen (Art. 2 Abs. 1 GG), oder sich entscheiden, die Autobahn nicht zu benutzen (ebenfalls Art. 2 Abs. 1 GG).1219 Eine andere Konstellation ist die, dass durch das Alternativverhalten ein anderes Freiheitsrecht betroffen ist, als durch das primär betroffene Verhalten. Beispiel: Sonderabgabe für Arbeitgeber bei Nicht-Erfüllung der Behindertenquote (s. o.).1220 Durch das Gebot zur Einstellung von Arbeitnehmern mit Behinderung wird in Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen.1221 Das Alternativverhalten, die Sonderabgabe zu zahlen, ist über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt und muss auch in der Gesamtabwägung als idealkonkurrierendes Grundrecht berücksichtigt werden.1222 Bei der Bestimmung der Intensität des Eingriffs ist wiederum zu berücksichtigen, dass es sich nur um einen hypothetischen Eingriff handelt. Mit diesem Konzept können (im teilweisen Vorgriff auf Kapitel D.) auch weitere Problemkonstellationen der Grundrechtsdogmatik einer Lösung zugeführt werden, wie das, dass eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung an einen Unterschied zwischen zwei Personen anknüpft, der erst durch selbstbestimmte Grundrechtsausübung entstanden ist.1223 Um nicht von der Differenzierung betroffen zu werden müsste die Person auf ihr grundrechtsrelevantes Verhalten verzichten. Dieser Verzicht als hypothetisches Alternativverhalten würde einen Grundrechtseingriff darstellen. In die Gesamtabwägung ist dieses nur hypothetisch betroffene Grundrecht ebenfalls einzustellen. Seine Auswirkung auf die Gewichtsverstärkung wird dadurch etwas gemildert, dass kein tatsächlicher, sondern nur ein hypothetischer Eingriff vorliegt.1224 1218

Stellvertretend BVerfGE 104, 337, 346 – Schächten; BVerfGE 111, 160, 169 – Kindergeld an Ausländer: Berücksichtigung innerhalb der Gleichheitsprüfung. 1219 Außerdem wäre noch Art. 3 Abs. 1 GG wegen der Auswahl der zahlungspflichtigen Fahrer zu prüfen. Siehe zum Gleichheitsrecht im Allgemeinen Abschnitt D. 1220 Siehe Abschnitt C. XII. 1. 1221 Siehe die Bemerkung Fn. 1210. 1222 Zur Einschlägigkeit von Art. 3 Abs. 1 GG bei sämtlichen Regelungen und zu Fällen offensichtlicher Rechtfertigung, siehe Abschnitt D. II. 1223 Das Problem aufwerfend Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 714 f. 1224 Vermutlich wird das Problem des „hypothetisch“ in der Praxis dadurch verdeckt, dass sich nicht die Mühe gemacht wird, explizit festzustellen, ob ein Eingriff in das Freiheitsrecht

XIII. Konsequenzen für den Prüfungsaufbau 

187

3. Beeinflussbarkeit der Betroffenheit als Schwerekriterium bei mangelnden Handlungsalternativen Ist das eingangs erwähnte1225 Kriterium der Beeinflussbarkeit der Betroffenheit nun ein überflüssiges Kriterium, um die Schwere eines Grundrechtseingriffs festzustellen? Die Antwortet lautet: Nein, das Kriterium der Beeinflussbarkeit ist weiterhin von Relevanz. Es erfüllt dann einen eigenen Zweck, wenn es keine tatsächliche Möglichkeit gibt, die Betroffenheit von der Regelung zu beeinflussen. In diesen Fällen ist kein weiteres Freiheitsrecht betroffen, da es kein Alternativverhalten gibt. Gleichzeitig liegt eine besondere Schwere vor. Bei der Prüfung der Beeinflussbarkeit ist daher nur zu fragen, ob es eine tatsächliche Möglichkeit gibt, der Regelung zu entgehen. Wenn nicht, ist dies als Faktor besonderer Schwere zu berücksichtigen. Wenn ja, handelt es sich um einen hypothetischen Grundrechtseingriff und alles Nähere ist beim entsprechenden Freiheitsrecht abzuhandeln, das bevorzugt als eigenes Prinzip in die Gesamtabwägung einzustellen ist.1226

XIII. Konsequenzen für den Prüfungsaufbau Die idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung erfordert nur punktuelle Änderungen der herkömmlichen Prüfungsweise, um die Gesamtabwägung aller Grundrechte, in die eingegriffen wird, zu integrieren. Eine Möglichkeit besteht darin, innerhalb der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn eines Grundrechts die anderen Grundrechte inzident zu prüfen und sodann eine Gesamtabwägung durchzuführen. Dies ist aber sehr unübersichtlich und daher nicht empfehlenswert.1227 Vorzugswürdig ist es demgegenüber, die Grundrechte jeweils mit allen ihren Besonderheiten, wie besonderen Eingriffsbegriffen, Schrankenvorbehalten etc., so weit wie möglich getrennt zu prüfen, also inklusive der Prüfungspunkte legitimes Ziel, Geeignetheit und Erforderlichkeit der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn. Die Einzelabwägung der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn wird aber ausgespart.1228 Nachdem alle einschlägigen Grundrechte solchermaßen geprüft wurden, ist eine abschließende Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Ver-

vorliegt und wodurch. Herkömmlich wird einfach nur darauf verwiesen, dass die gleichzeitige Betroffenheit von Freiheitsrechten die Schwere der Ungleichbehandlung erhöhe. Siehe zur Gesamtabwägung von Freiheits- und Gleichheitsrechten den Abschnitt D. 1225 Siehe am Anfang des Abschnitts C. XII. 1. 1226 Diese Ausführungen gelten übrigens sowohl für die Prüfung des Gleichheitsrechts, als auch für die Prüfung von Freiheitsrechten. 1227 So der Vorschlag von Bleckmann / Wiethoff, DÖV 1991, 722, 729; ablehnend Manssen, JuS 1992, L60-L63, L62; Schmalz, Grundrechte, 4. Aufl. (2001), S. 356. 1228 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 538 f.; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 671.

188

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

stärkungswirkung durchzuführen („verkürzte1229 Verhältnismäßigkeitsprüfungen mit anschließender Gesamtabwägung“).1230 Für jedes Grundrecht vorab eine Einzelabwägung durchzuführen, ist möglich, aber nur dann wegen Entscheidungserheblichkeit nützlich, wenn dabei die Verfassungswidrigkeit des staatlichen Handelns festgestellt wird.1231 Außerdem ist die Vorgehensweise denkbar, wenn offensichtlich ist, dass es wegen vollständiger materieller Überschneidung nicht zu einer Verstärkungswirkung unter den beteiligten Grundrechten kommt. Die Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Maßnahme andererseits steht erst nach positivem Ergebnis der Gesamtabwägung fest.

XIV. Prozessuale Konsequenzen Die idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung wirft keine speziellen prozessualen Probleme auf. Lediglich bei der Bestimmung des Streitgegenstands ist die vollständige Heranziehung des relevanten Rechtsfallausschnittes zu beachten. Nach Ekkehard Hofmann gebe es jedoch ex ante keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Berücksichtigung einer Verstärkungswirkung im Rahmen einer Gesamtabwägung.1232 Das liege an der Begründbarkeitskontrolle als verfassungsgerichtliche Kontrolldichte.1233 Die Verstärkungswirkung habe nur eine Vorwirkung auf das Verhalten von Verwaltung und Rechtsetzung.1234 Dem ist zu widersprechen. Die Kontrolldichte beeinflusst nicht den materiellen Gehalt, sondern der materielle Gehalt besteht unabhängig von seiner gerichtlichen Überprüfbarkeit. Die Verstärkungswirkung beeinflusst das Ergebnis von Abwägungen. Sie ist genauso justiziabel, wie auch sonst Abwägungen justiziabel sind. Fällt sie positiv für den Grundrechtsträger aus, besteht ein Anspruch.

XV. Neuschöpfung eines Grundrechts, Innominatfreiheitsrechte und idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung Neue staatliche Machtäußerungen können für den Einzelnen Eingriffe in solche Rechte darstellen, die bisher nicht praktisch relevant waren und daher in der Verfassung auch nicht ausdrücklich garantiert wurden.1235 Da die Auffanggrundrechte 1229

Begriff von Petersen, Verhältnismäßigkeit (2015), S. 68. Manssen, JuS 1992, L60-L63, L62; Calliess, DVBl. 2003, 1096, 1102 f.; Calliess, JZ 2006, 321, 329 f.; E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 415 f.; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 538 f.; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 671. 1231 Im Ergebnis so empfohlen von Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 60. 1232 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 543. 1233 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 543. 1234 E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 544. 1235 Giacometti, ZSR 74 (1955), 149, 154. 1230

XV. Neuschöpfung eines Grundrechts 

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dazu dienen, die anzustrebende Lückenlosigkeit des Grundrechtsschutzes sicherzustellen, „fehlt“ es allerdings nicht an Grundrechtsschutz in diesen Bereichen.1236 Freiheitsrechte, die im Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt sind, im Diskurs aber inhaltlich so konkretisiert wurden, dass sie als eigenes Recht identifizierbar sind, werden „Innominatfreiheitsrechte“ oder „Innominatgleichheitsrechte“ genannt.1237 Sie beziehen sich in der Regel auf Konfliktsituationen, die sich erst neu ergeben haben oder auf internationaler Ebene diskutiert werden, in Deutschland bislang aber unproblematisch waren oder sind. Zu den diskutierten Innominatfreiheitsrechten gehören das Recht auf Wasser,1238 das Recht auf Fortpflanzung (in Art. 12 EMRK kodifiziert), das Recht, eine Rechtspersönlichkeit zu sein, das Verbot der Sklaverei (in Art. 4 Abs. 1 EMRK kodifiziert) oder Kinderrechte (vgl. Art. 24 EU-Grundrechtecharta). Nach einer bereits eingangs erwähnten Auffassung drücke die Formulierung „in Verbindung mit“ aus, dass ein neues Grundrecht geschaffen würde.1239 Dies wirft die Frage auf, wie die Verstärkungswirkung von der Neuschöpfung eines Grundrechts abzugrenzen ist. Unter den diskutierten Neuschöpfungen eines Grundrechts hat bislang nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1  GG i. V. m. Art. 1  GG weitgehend Anerkennung gefunden. Bei anderen Konstrukten aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist umstritten, ob dadurch wirklich ein neues Grundrecht „geschaffen“ oder ob nur ein Teil des Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 1 GG näher konkretisiert wird. Umstrittene Fälle sind beispielsweise das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, welches das Bundesverfassungsgericht in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, nach anderer Ansicht als neues, eigenes Grundrecht erkannt hat. Für die Neuschöpfung eines Grundrechts wird eine gewisse Akzeptanz und dogmatische Festigkeit gefordert.1240 Akzeptanz und auch dogmatische Festigkeit können als formelle Anerkennung zusammengefasst werden. Höchste formelle Anerkennung wird einem neuen Grundrecht dann zu Teil, wenn es als eigenes Grundrecht durch Verfassungsänderung in den Grundrechtskatalog aufgenommen wird. Eine formelle Anerkennung geringerer Art kommt einem neuen Grundrecht durch Anerkennung in der (bundesverfassungsgerichtlichen) Rechtsprechung zu. Aber auch beispielsweise durch Aufführung in der (als einfaches Bundesrecht geltenden) EMRK erlangt ein Grundrecht formelle Anerkennung. 1236

Siehe Abschnitt C. II. 1. Siehe Fn. 1537. 1238 Laskowski, Wasser (2010); Gawel / Bretschneider, AöR 137 (2012), 321–259. 1239 Siehe Abschnitt A. III. 2. a) bb). 1240 Bäcker, AöR 135 (2010), 78, 106 Fn. 104; a. A.  Beyerbach, Unternehmensinformation (2012), S. 248 ff., der fordert, dass die fragliche Verhaltensweise von beiden Grundrechten geschützt wird. 1237

190

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

Wann ein Grundrecht vorliegt, kann aber auch nach materiellen Kriterien bestimmt werden. Nach dem materiellen Grundrechtsbegriff wird das Vorliegen eines Grundrechts nach inhaltlichen Kriterien bestimmt, und zwar nach der objektiv oder subjektiv erfolgten Transformation der Menschenrechte in das Recht.1241 Grundrechte im materiellen Sinn sind daher auch die außerhalb des Grundrechtsteils im Grundgesetz aufgeführten Rechte, welche in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG aufgelistet sind.1242 Für die Neuschöpfung eines Grundrechts aus zwei bekannten Grundrechten ist materiell zu fordern, dass ein Teilbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit oder eines anderen Grundrechts so wichtig ist, dass er speziellen Schutz verdient und dieser Schutz ihm dort nicht in ausreichendem Maße zukommt oder seine Bedeutung nicht so herausgestellt wird, wie es ihm angemessen wäre. Zusammengefasst ist die plausible Darlegung einer Gefährdungslage erforderlich.1243 Wenn diese materiellen Vorgaben vorliegen, sollte das Grundrecht auch formell anerkannt werden. Wenn ein Grundrecht formell anerkannt ist, kommt andererseits zum materiellen Gewicht die formelle Bedeutung hinzu, was faktisch zu einem höheren abstrakten Gewicht führen wird.1244 Unter Anwendung dieser Grundsätze unterscheidet sich die Zusammenbetrachtung mehrerer Grundrechte wegen der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung dadurch von der Neuschöpfung eines Grundrechts, dass bei der Gewichtsverstärkung ad hoc die idealkonkurrierenden Grundrechte zusammen betrachtet werden. Bei der Neuschöpfung eines Grundrechts handelt es sich demgegenüber um eine dauerhafte Verbindung mehrerer Grundrechte, mit der ein besonderer, als allgemein schutzbedürftig erkannter Gehalt gekennzeichnet wird. Bei der Neuschöpfung eines Grundrechts muss es darüber hinaus nicht notwendigerweise zu einer Gewichtsverstärkung unter den beteiligten Grundrechten kommen.

XVI. Zusammenfassung Zu einer Verstärkungswirkung unter Grundrechten kommt es im Rahmen der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung. Deren Eintreten und Auswirkungen sind anhand der in den Grundrechten enthaltenen Menschenwürdeaspekte zu bestimmen.

1241

Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 92 ff. m. w. N. Statt vieler Sachs, in: Stern Staatsrecht III/1 (1988), § 63, S. 359 f. 1243 Vgl. Diesterhöft, Medialer Neubeginn (2014), S. 90 m. w. N. 1244 Auch ein Grundrecht auf etwas so Banales wie Taubenfüttern würde dadurch an Gewicht gewinnen, dass es in der Verfassung kodifiziert wird. Es könnte so die ein Taubenfütterungsverbot rechtfertigenden Gründe, wie Sauberkeit öffentlicher Anlagen und Hygiene, in der Abwägung überwiegen. 1242

XVII. Beispielsfälle 

191

XVII. Beispielsfällezur idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung Eine Schwierigkeit beim Erstellen von Beispielsfällen zur idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung besteht darin, dass bei vielen Grundrechten der Umfang des Gewährleistungsgehalts im Detail umstritten ist. Nur wenn aber feststeht, welche Verhaltensweisen von welchen Grundrechten umfasst sind, können die Grundrechte in einem zweiten Schritt auf materielle Überschneidungen hin überprüft werden.1245 Bei den folgenden Beispielsfällen wurde die herrschende Meinung zugrunde gelegt, bei starken abweichenden Ansichten wurde darauf hingewiesen. 1. Berufsmusiker Gewichtsverstärkung (Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG und Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG) Ein oft in der konkurrenzrechtlichen Literatur herangezogenes Beispiel ist der „Trompeterfall“:1246 T ist Berufsmusiker und übt jeden Tag mehrere Stunden lang Trompete in seiner Wohnung. Nachbar N zieht vor Gericht. Wären seine Erfolgschancen größer, wenn T nur Hobbymusiker wäre? Zugunsten des T sind sowohl die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG), als auch die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) tatbestandlich idealkonkurrierend einschlägig. Die Kunstfreiheit schützt den Aspekt der Ästhetik, untergeordnet auch den der Persönlichkeitsentfaltung. Die Berufsfreiheit schützt die Freiheit, einer Tätigkeit nachzugehen, die zum Lebensunterhalt beiträgt, welche die Menschenwürdeaspekte Leben, Besitz und untergeordnet auch Persönlichkeitsentfaltung anspricht. Die in beiden Grundrechten aktiven Menschenwürdeaspekte sind nicht völlig deckungsgleich. Daher kommt es zu einer idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung zwischen der Kunstfreiheit und der Berufsfreiheit des T. T ist im vorliegenden Fall stärker geschützt als im Alternativfall, wenn er nur Hobbykünstler wäre und sich allein auf die Kunstfreiheit stützen könnte.1247 1245 Viele der sich in den frühen 1950er Jahren herausgebildeten restriktiven Auslegungen der Schutzbereiche wurden wohl unter dem Eindruck damals vorherrschender konkurrenzrechtlicher Ansichten gerade zur Vermeidung von Idealkonkurrenzen entwickelt (siehe Abschnitt B. II.). Im Lichte der Verarbeitungsmöglichkeiten durch die Gesamtabwägung und die idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung sollten diese engen Auslegungen neu hinterfragt werden. 1246 Schwabe, Probleme (1977), S. 361; Bleckmann / Wiethoff, DÖV 1991, 722, 729; Würkner, DÖV 1992, 150, 150; Stern, in: Stern Staatsrecht III/2 (1994), § 92, S. 1407 Fn. 181; Erberich, in: Staatsrecht II (1997), 25; Beisel, Kunstfreiheitsgarantie (1997), S. 129; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 152. 1247 I. E. auch Schwabe, Probleme (1977), S. 361, wobei dieses Schutzniveau bei ihm aus einer sehr speziellen Definition des Schutzbereichs der Berufsfreiheit folgt. Schwabe sieht vom Gewährleistungsgehalt der Berufsfreiheit auch die „Freiheit des Berufskünstlertums“ umfasst

192

C. Verstärkungswirkungen unter Freiheitsrechten

2. Mephisto Keine Gewichtsverstärkung (Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG und Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Sachverhalt:1248 Autor A hat einen Roman geschrieben, in dem die steile Karriere eines Schauspielers während der Zeit des Nationalsozialismus dargestellt wird. Der Charakter des Schauspielers wird als krankhaft ehrgeizig, eitel und unmoralisch gezeichnet. S ist objektiv in der Figur des Schauspielers erkennbar und möchte die Veröffentlichung verhindern. S kann sich auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1  GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen. A verurteilt mit dem Roman implizit das Verhalten von Personen, die das nationalsozialistische Regime in Deutschland mittelbar durch ihr Engagement im öffentlichen Leben unterstützten. Dies stellt eine Meinung dar; ein Veröffentlichungsverbot des Romans würde in die Meinungsfreiheit eingreifen. Gleichzeitig fällt der Roman auch in den Schutzbereich der Kunstfreiheit. Herkömmlich würde man bei dieser Idealkonkurrenz von Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit auf Seiten des A voraussichtlich eine Verdrängung der Meinungsfreiheit durch die Kunstfreiheit wegen einer behaupteten „Spezialität“1249 der Kunstfreiheit annehmen.1250 Es ist jedoch vorzugswürdig, Idealkonkurrenz anzunehmen.1251 Die Meinungsfreiheit schützt den Menschenwürdeaspekt der Geselligkeit, zu dem auch die Kommunikation gehört. Zusätzlich wird hier eine politische Meinung geäußert, so dass auch der Aspekt politische Teilhabe aktiviert ist. Die Kunstfreiheit schützt vor allem den Aspekt der Ästhetik. Viele Künstler kommunizieren auch über ihre Kunstwerke mit den Kunstkonsumenten und wollen deren Denken beeinflussen. Auch im vorliegenden Fall will der Künstler zum Thema „Kunst im Nationalsozialismus“ eine Meinung kommunizieren. Der Aspekt Geselligkeit mit dem Unterfall der Kommunikation ist daher auch bei der Kunstfreiheit aktiviert. Außerdem ist ebenfalls der Aspekt politischen Teilhabe aktiviert, da es sich um eine politische Meinung handelt. Über die Kunstfreiheit werden also die Menschenwürdeaspekte Ästhetik, Geselligkeit und politische Teilhabe aktiviert, während bei der Meinungsfreiheit die Aspekte Geselligkeit und politische Teilhabe einschlägig sind. Da es sich bei der Belastung in den Aspekten Geselligkeit und politische Teilhabe jeweils nicht nur um eine Belastung in dem selben Aspekt, sondern auch beides Mal um eine Belastung der selben Art handelt, überschneiden sich die Grundrechte (S. 368). Nach seiner Schutzbereichsdefinition würde die Berufsfreiheit also zusätzlich ebenfalls den Aspekt Ästhetik schützen. Den von der Berufsfreiheit geschützten Menschenwürdeaspekten würde durch die zusätzliche Berücksichtigung der Kunstfreiheit nichts neues hinzugefügt werden. 1248 Nach BVerfGE 30, 173 – Mephisto; siehe auch den vergleichbaren Fall BVerfGE 75, 369 – Strauß-Karikatur. 1249 Zur „Pseudo-Spezialität“ siehe Abschnitt B. II. 2. c) dd). 1250 BVerfGE 30, 173, Rn. 200 – Mephisto; BVerfGE 75, 369, Rn. 377 – Strauß-Karikatur. 1251 Siehe Abschnitt B. II. 2. c) dd).

XVII. Beispielsfälle 

193

in diesem materiellen Schutzgehalt im konkreten Fall. Die Aspekte Geselligkeit und politische Teilhabe dürfen daher bei der Bestimmung des Gesamtgewichts der grundrechtlichen Belastung des A in der Gesamtabwägung nicht doppelt berücksichtigt werden, was über den Unterschiedlichkeitsfaktor sichergestellt wird. Im Ergebnis kommt es daher zu keiner Verstärkung unter den Grundrechten der Kunstfreiheit und der Meinungsfreiheit im konkreten Fall, da über die zusätzliche Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein weiterer materieller Gehalt in die Gesamtabwägung eingestellt wird. Dies entspricht dem Ergebnis der herkömmlichen Vorgehensweise, wonach die Meinungsfreiheit auf konkurrenzrechtlicher Ebene für verdrängt erklärt wird und zur Lösung des Falles nur auf die Kunstfreiheit abgestellt wird.

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten Das Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürde­ aspekten kann auch zur Erklärung einer Verstärkungswirkung unter Gleichheitsrechten sowie zwischen Freiheitsrechten1252 und Gleichheitsrechten herangezogen werden. In der auch in diesen Situationen durchzuführenden Gesamtabwägung kann es unter bestimmten Umständen ebenfalls zu einer idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung der Grundrechte kommen, so dass das Gesamtgewicht der Eingriffe in Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte eines Betroffenen schwerer anzusetzen ist, als dies jeweils bei einer Einzelabwägung seiner Grundrechtspositionen der Fall wäre. Ein großes Hindernis bei der Übertragung des Modells der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung auf Gleichheitsrechte besteht darin, dass hinsichtlich des materiellen Gehalts des allgemeinen Gleichheitsrechts unsicher ist, welchen Umfang dieser genau hat und insbesondere, ob er im Hinblick auf die Schutzgewährung mit den Freiheitsrechten verglichen werden kann oder ob der Schutz durch das Gleichheitsrecht so andersartig ist, dass ein Vergleich von vornherein ausgeschlossen ist. Ein weiteres Hindernis besteht darin, dass mittlerweile zwar überwiegend davon ausgegangen wird, dass auch bei der Rechtfertigung eines Gleichheitsverstoßes eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist, dass aber über die genaue Art und Weise der Durchführung, insbesondere der Abwägung in der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn, noch größere Unklarheiten bestehen. Eine Hauptschwierigkeit einer Übertragung der für Freiheitsrechte entwickelten Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Gleichheitsrechte ist in konstruktiver Hinsicht daran festzumachen, dass bei Freiheitsrechten eine zweipolige Abwägung zwischen der Schwere des Grundrechtseingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe vorzunehmen ist, während bei Gleichheitsrechten nach herkömmlichen Verständnis eine Abwägung zwischen den drei Faktoren des Grads der Unterschiedlichkeit des Vergleichspaares, des Gewichts des rechtfertigenden Grunds und der Schwere der Ungleichbehandlung durchzuführen ist.1253 Eine Gesamtabwägung von Freiheits- und Gleichheitsrechten scheint bereits aus diesem Grund auf den ersten Blick unmöglich.

1252

Begriffsdefinition, siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. Vgl. etwa Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 35.4; siehe näher Abschnitt D. I. 2. c). 1253

I. Zusammenfassung des bisherigen Erkenntnisstands 

195

Im Folgenden soll jedoch dargelegt werden, dass sich auch der materielle Gehalt der Gleichheitsrechte über Menschenwürdeaspekte beschreiben lässt, so dass diese auch bei Gleichheitsrechten zur Bestimmung der Unterschiedlichkeit der idealkonkurrierenden Grundrechte herangezogen werden können, wie es das Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung1254 erfordert. Der erste potentielle Einwand gegen eine Übertragbarkeit des im vorstehenden Kapitel für Freiheitsgrundrechte entwickelten Ansatzes auf Gleichheitsgrundrechte wird sich damit als gegenstandslos erweisen. Zudem soll ein Modell dargelegt werden, wie unter Zusammenführung der Abwägungspole „Grad der Unterschiedlichkeit“ und „Schwere der Ungleichbehandlung“ auch die Abwägung zur Rechtfertigung eines Gleichheitsverstoßes auf eine zweipolige Abwägung zurückgeführt werden kann, so dass eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung von Freiheits- und Gleichheitsrechten ermöglicht wird. Dieser Abschnitt dient indessen nicht dazu, die schier unüberschaubare Fülle an Literatur und Rechtsprechung aufzuarbeiten, um den Inhalt des Gleichheitsrechts abschließend bestimmen zu können. Um auch ein Modell zur Bestimmung der Verstärkungswirkung unter Beteiligung von Gleichheitsrechten vorstellen zu können, wird im Folgenden lediglich der Nachweis erbracht, dass es möglich ist, den Inhalt des Gleichheitsrechts so aufzufassen, wie er dem noch vorzustellenden Modell zugrunde gelegt wird. Nach einer kurzen Zusammenfassung des bisherigen Erkenntnisstands zur Verstärkungswirkung unter Beteiligung von Gleichheitsrechten und zur Art und Weise der Rechtfertigungsprüfung des allgemeinen Gleichheitsrechts (D. I.), folgt die Übertragung des in Abschnitt C. vorgestellten Modells der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung auf die Gleichheitsrechte (II.). Dabei ist eine dogmatisch innovative Annäherung an das Gleichheitsrecht, die eine Einstellung in eine Gesamtabwägung mit Freiheitsrechten ermöglicht, besonders hervorzuheben (II. 2.). Auf Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitsrechten wird in einem eigenen Abschnitt eingegangen (III.), wobei im Anschluss die dort gefundenen Menschenwürdeaspekte denen bei idealkonkurrierenden Freiheitsrechten gegenüber gestellt werden (IV.). Schließlich werden die gefundenen Ergebnisse an einem Beispielsfall verdeutlicht (V.).

I. Zusammenfassung des bisherigen Erkenntnisstands Zur Erläuterung des vorzustellenden Modells ist ein kurzer Blick auf den bisherigen Erkenntnisstand in Rechtsprung und Literatur sowohl hinsichtlich der Verstärkungswirkung (I. 1.) als auch der Rechtfertigungsprüfung beim Gleichheitsrecht (I. 2.) zu werfen. 1254

Siehe Abschnitt C.

196

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

1. Verstärkungswirkung und Gleichheitsrechte Hinsichtlich des bisherigen Erkenntnisstands zur Verstärkungswirkung unter Beteiligung von Gleichheitsrechten kann im Wesentlichen auf Abschnitt A. verwiesen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird eine Verstärkungswirkung bei Beteiligung von Gleichheitsrechten nur punktuell angenommen. So wurde in der bereits vorgestellten Entscheidung Mutterschaftsgeld I1255 implizit von einer Verstärkungswirkung ausgegangen, indem im Rahmen der Prüfung von Art. 3 Abs. 1 GG der Art. 6 Abs. 4 GG verstärkend herangezogen wurde. Der Sache nach wird eine Verstärkung auch dadurch durch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass beim Rechtfertigungsmaßstab eines Gleichheitsverstoßes im Fall von nachteiligen Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Freiheitsgrundrechten der strengere Maßstab der Neuen Formel1256 angewendet wird.1257 Eine eigenständige Dogmatik hat sich zur Frage der Verstärkungswirkung unter Beteiligung von Gleichheitsrechten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch noch nicht herausgebildet. In der Literatur sind Äußerungen speziell zu einer Verstärkungswirkung unter Beteiligung von Gleichheitsrechten selten. Sofern in der Literatur zum Gleichheitsrecht überhaupt ein Verstärkungsphänomen thematisiert wird, handelt es sich darum, dass zur Bestimmung der Schwere der Ungleichbehandlung1258 ideal­ konkurrierende Freiheitsrechte herangezogen werden.1259 Die spezielle Literatur zur Verstärkungswirkung wiederum verhält sich ebenfalls nicht zu Gleichheitsrechten. Nur gelegentlich finden sich einzelne Bemerkungen, wie beispielsweise, es sei denkbar, dass überhaupt erst die Ungleichbehandlung eine Freiheitsbeeinträchtigung bewirke, die bei isoliert freiheitsrechtlicher Betrachtung nicht feststellbar sei, weil sie spezifisch auf der Benachteiligung Einzelner gegenüber anderen Personen beruhe.1260 Wegen der Argumente zur Begründung oder Ablehnung einer Verstärkungswirkung im Allgemeinen kann im Übrigen auf Abschnitt A. verwiesen werden.

1255

Siehe Abschnitt A. II. 4. Siehe dazu Abschnitt D. I. 2. b). 1257 BVerfGE 82, 126, 146 – Kündigungsfristen für Arbeiter; BVerfGE 88, 87, 96 – Trans­ sexuelle II; H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Art. 3, Rn. 93. 1258 Bzw. gegebenenfalls auch Gleichbehandlung, siehe dazu Abschnitt D. II. 2. a). 1259 Siehe Abschnitte A. I. 5. und D. II. 2. c) cc). 1260 Britz, NJW 2014, 346, 349 unter Hinweis auf BVerfGE 59, 59, 87 – Sukzessivadoption, allerdings im Weiteren eine Verstärkung zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten verneinend. 1256

I. Zusammenfassung des bisherigen Erkenntnisstands 

197

2. Rechtfertigungsprüfung des allgemeinen Gleichheitsrechts Der Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG hat in der Rechtsprechung eine jahrzehntelange Entwicklung durchgemacht, von der weiten „Willkürformel“ (a)), über die strengere „neue Formel“ bis hin zu neuesten Formeln und gleitenden Übergängen (b)). Diese Entwicklungsschritte wurden nicht alle von der Literatur nachvollzogen. Im Ergebnis wird jedoch überwiegend davon ausgegangen, dass der allgemeine Gleichheitssatz nicht lediglich ein Willkürverbot umfasst, sondern bei Vorliegen einer tatbestandlichen Ungleichbehandlung (oder Gleichbehandlung1261) eine mehr oder weniger differenzierte Verhältnismäßigkeitsprüfung erfordert. Einzelheiten – insbesondere im Hinblick auf die Intensität der Verhältnismäßigkeitsprüfung – sind jedoch auch weiterhin umstritten.1262 a) Willkürformel Nach der Willkürformel ist zur Rechtfertigung einer Gleichbehandlung bzw. Ungleichbehandlung nur irgendein sachlicher Grund nötig.1263 Das Bundesverfassungsgericht formuliert dazu im 1. Band: „Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß.“1264 Zunächst wurde davon ausgegangen, dass Art. 3 Abs. 1 GG nur das Willkürverbot enthält.1265 Das Willkürverbot verlangt materielle Gerechtigkeit1266 und ist unabhängig von einem Vergleichspaar.1267 Die Befürworter einer Verortung des Willkürverbots in Art. 3 Abs. 1 GG argumentieren, bei willkürlicher Rechtsanwendung liege auch eine Ungleichbehandlung gegenüber allen rechtmäßig behandelten Fällen vor,1268 seien sie auch nur hypothetisch.1269 Aus dem Willkürverbot wurde 1261

Zum Differenzierungsgebot, siehe Abschnitt D. II. 2. a). Siehe Abschnitte D. I. 2. b) und D. I. 2. c). 1263 BVerfGE 1, 14, 52  – Südweststaat; zur sachlichen und terminologischen Entwicklung vom Gerechtigkeitsgebot über den Willkürbegriff zum sachlichen Grund, siehe Huster, Rechte (1993), S. 53. 1264 BVerfGE 1, 14, 52 – Südweststaat. 1265 Leibholz, Gleichheit, 2. Aufl. (1959), S. 87. 1266 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 394. 1267 Rohloff, Zusammenwirken (1992), S. 21; Lindner, Theorie (2005), S. 546. 1268 Jarass, NJW 1997, 2545, 2548. 1269 Damit würde Art. 3 Abs. 1 GG zu einem allgemeinen Auffanggrundrecht für den Schutz gegen rechtswidriges staatliches Handeln. In der Schweiz wird das allgemeine Gleichheitsrecht tatsächlich so verstanden, vergleichbar dem deutschen Art. 2 Abs. 1 GG (Rinck, DVBl. 1961, 1, 2; Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41, 45; G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 38). Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung von der Existenz eines Willkürverbots in Art. 3 Abs. 1 GG aus (st. Rspr. BVerfGE 89, 1, 13 – Besitzrecht des Mieters; BVerfGE 96, 189, 1262

198

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

die oben genannte Willkürformel entwickelt, welche maßgeblich auf den Bundesverfassungsrichter Gerhard Leibholz zurückgeht.1270 Im Zusammenspiel mit der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers hat die Willkürformel den Effekt, dass selten ein Gleichheitsverstoß durch ein Gesetz festgestellt wird.1271 Kritisiert1272 wird außerdem, dass eine Beschränkung des Inhalts des allgemeinen Gleichheitssatzes auf ein Willkürverbot seinen eigenständigen Gehalt leugnen würde, da das Willkürverbot sich schon aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebe.1273 Vermutet wird zudem, dass auch bei Anwendung der Willkürformel abgewogen werde, nur eben nicht offen.1274 Wegen dieser Punkte geriet die Willkürformel immer weiter in die Kritik. Als letzter großer Befürworter hat Stefan Huster 1993 für bestimmte Anwendungsfälle eine Beschränkung des Prüfungsmaßstabs auf die Willkürformel gefordert.1275 b) Neue Formel und neuere Entwicklungen Seit 1980 wendet das Bundesverfassungsgericht zusätzlich zur „Willkürformel“ die sogenannte „neue Formel“ an.1276 Danach ist Art. 3 Abs. 1 GG „vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“1277 (auch genannt „Normadressatenformel“1278). Mit der Neuen Formel wird der strengere Verhältnismäßigkeitsmaßstab nun auch beim Gleichheitssatz angewandt.1279 203 – Fink; BVerfG, EuGRZ 2014, 691–698 – 2 BvR 2782/10). Die Literatur hingegen verortet es eher im Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG (Kloepfer, Gleichheit (1980), S. 60; Maaß, NVwZ 1988, 14, 19–20; Huster, Rechte (1993), S. 51; Koenig, JuS 1995, 313, 315; Rüfner, in: Bonner Kommentar, 179. EL (2016), Art. 3, Rn. 16) oder auch in den Abwehrechten (Alexy, Theorie (1985), S. 364). 1270 Leibholz, Gleichheit, 2. Aufl. (1959), S. 72 ff., 87, 245; bereits Leibholz, Gleichheit, 1. Aufl. (1925), S. 87: Willkürliches Handeln liege vor, wenn „für den staatlichen Akt (Rechtssatz, Urteil, Verwaltungsakt) schlechterdings überhaupt kein oder doch jedenfalls nur ein in der Hauptsache unvernünftiger Grund angeführt werden kann“. 1271 Vgl. Huster, JZ 1994, 541, 542. 1272 Schoch, DVBl. 1988, 863, 874; G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 44. 1273 Wendt, NVwZ 1988, 778, 780. 1274 Huster, Rechte (1993), S. 240. 1275 Huster, Rechte (1993), S. 50 f. 1276 BVerfGE 55, 72, 88 – Präklusion I; bereits Abstellen auf Angemessenheit in BVerfGE 51, 1, 24 – Rentenversicherung im Ausland; Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 13. 1277 BVerfGE 55, 72, 88, 91 – Präklusion I. 1278 Rohloff, Zusammenwirken (1992), S. 21; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 688; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 413 f. 1279 BVerfGE 81, 208, 224 – Urheberrecht; Huster, Rechte (1993), S. 61 f.; Hesse, in: FS Lerche (1993), S. 121, 131; Britz, NJW 2014, 346, 349; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 799.

I. Zusammenfassung des bisherigen Erkenntnisstands 

199

Die Willkürformel wurde vom Bundesverfassungsgericht allerdings nicht vollständig aufgegeben. Zunächst wollte das Bundesverfassungsgericht die Anwendung der Neuen Formel auf Fälle der personenbezogenen Ungleichbehandlung beschränken und Fälle der sachbezogenen Ungleichbehandlung weiterhin nach der Willkürformel entscheiden.1280 Personenbezogene Merkmale seien solche, die sich durch ihre tatsächliche oder rechtliche Unveränderbarkeit auszeichneten,1281 beispielsweise solche, die den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nahe kämen.1282 Bald wurde aber festgestellt, dass diese Abgrenzung untauglich ist.1283 Das Bundesverfassungsgericht entwickelte die Ausnahmen, dass bei sachbezogenen, aber mittelbar personenbezogenen Ungleichbehandlungen auch die neue Formel anwendbar sei1284 und dass bei nachteiliger Auswirkung auf die Wahrnehmung von Grundrechten auf jeden Fall die neue Formel angewendet werde.1285 Auch die Fallgruppe der verhaltensbezogenen Differenzierungen wurde eingeführt, bei der der Prüfungsmaßstab davon abhängen soll, wie sehr die Betroffenen durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Unterscheidungsmerkmale vermeiden können.1286 Kritisiert wurde an diesen Abgrenzungsregeln, dass jede sachbezogene Ungleichbehandlung am Ende Personen betreffe, und daher immer eine personenbezogene Ungleichbehandlung vorliege.1287 Auch sei immer zumindest Art. 2 Abs. 1 GG betroffen, was auch die Ausnahme der Grundrechtsbetroffenheit untauglich mache.1288 Es sei daher nicht klar, wann das Bundesverfassungsgericht welche Formel anwenden wolle.1289 Vorgeschlagen wurden stattdessen sehr differenzierte Abstufungen zwischen den Prüfungsmaßstäben.1290 Nach einigen Entwicklungsschritten bildete das Bundesverfassungsgericht einen gleitenden Prüfungsmaßstab vom Willkürverbot bis zur modifizierten Verhältnismäßigkeitsprüfung heraus:1291 Nach der sogenannten 1280 BVerfGE 55, 72, 88 ff. – Präklusion I; Rohloff, Zusammenwirken (1992), S. 233; Jarass, NJW 1997, 2545, 2546; Britz, NJW 2014, 346, 347. 1281 Jarass, NJW 1997, 2545, 2547; Sachs, JuS 1997, 124, 128. 1282 Sachs, JuS 1997, 124, 128; Bryde / Kleindiek, Jura 1999, 36, 43 f. 1283 Sachs, JuS 1997, 124, 127 f. 1284 BVerfGE 88, 87, 96 – Transsexuelle II. 1285 BVerfGE 82, 126, 146 – Kündigungsfristen für Arbeiter; BVerfGE 88, 87, 96 – Transsexuelle II; H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Art. 3, Rn. 93. 1286 BVerfGE 88, 87, 96 – Transsexuelle II. 1287 Bryde / Kleindiek, Jura 1999, 36, 40; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 22; vgl. Britz, NJW 2014, 346, 348. 1288 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 3, Rn. 11; a. A. Jarass, NJW 1997, 2545, 2547: Allgemeine Handlungsfreiheit reiche nicht aus; ebenso Kokott, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 127, 136. 1289 Hesse, in: FS Lerche (1993), S. 121, 128 f.; Kokott, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 127, 162. 1290 Kokott, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 127, 162; Albers, JuS 2008, 945, 945. 1291 Detailliert zur unterschiedlichen Entwicklung in der Rechtsprechung beider Senate Britz, NJW 2014, 346, 346 ff. m. w. N.

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

Stufenlos-Formel1292 oder Neuesten Formel ergeben sich „[a]us dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die stufenlos von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen können“.1293 Innerhalb des durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgesteckten Maßstabsrahmens wird das Willkürverbot dabei als besonders großzügige Rechtfertigungsanforderung verstanden,1294 die mit einem korrespondierenden, besonders weiten Spielraum des Gesetzgebers begründet wird.1295 Insgesamt wurde die Rechtsprechungsänderung weitgehend von der Literatur begrüßt,1296 war aber auch Kritik ausgesetzt. Bemängelt wird an der neuen Formel, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht zum Gleichheitssatz passe.1297 Die Anerkennung einer Rechtfertigung durch Unterschiede, die rechtfertigen können, sei ein Zirkelschluss.1298 Auch wird die neue Formel für überflüssig gehalten, da neben Art. 3 Abs. 1 GG sowieso immer Freiheits- oder Justizgrundrechte einschlägig seien, so dass die angegriffene Maßnahme daher ohnehin stets einer Verhältnis­ mäßigkeitsprüfung unterliege.1299 c) Verhältnismäßigkeitsprüfung Die genaue Art und Weise der Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist unter den Befürwortern der „Neuen Formel“ umstritten.1300 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beruht auf einer Zweck-Mittel-Relation: die Beeinträchtigung muss 1292

Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 28; vgl. Britz, NJW 2014, 346, 347. BVerfGE 129, 49, 69 – Mediziner-BAföG; BVerfGE 130, 131, 142 – Hamburgisches Passivrauchgesetz; Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 30; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 32; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 26. 1294 Britz, NJW 2014, 346, 347. 1295 Englisch, in: Stern / Becker, 2. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 12. Über eine vom Bundesverfassungsgericht vertretene Beschränkung des Prüfungsmaßstabs beim Differenzierungsgebot auf die Willkürformel wird spekuliert, Englisch, in: Stern / Becker, 2. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 12 unter Hinweis auf BVerfGE 118, 1, 26 f. – Begrenzung der Rechtsanwaltsvergütung. Eine solche wurde bislang jedoch nicht ausdrücklich judiziert. Die zu beobachtende Anwendung nur des Willkürmaßstabs geht jedenfalls auf den aus strukturellen Gründen beim Differenzierungsgebot vorhanden weiten Spielraum des Gesetzgebers zurück. 1296 Stellvertretend Maaß, NVwZ 1988, 14, 21. 1297 Lerche, Übermaß (1961), S. 29 f.; Rohloff, Zusammenwirken (1992), S. 231; Stein, in: AK-GG, 1. EL., 3. Aufl. (2001), Art. 3 Abs. 1 GG, Rn. 36. 1298 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 108; bereits Fuss, JZ 1959, 329, 331. 1299 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 3, Rn. 11. Dieses Argument ist zurückzuweisen, da – wie nachfolgend aufgezeigt wird – die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Art. 3 Abs. 1 GG Gesichtspunkte enthält, die bei anderen Grundrechten nicht geprüft werden, siehe Abschnitt D. II. 2. 1300 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht gibt es zu dieser Frage wenig Hinweise. Englisch, in: Stern / Becker, 2. Aufl. (2016), Art. 3, S. 13, geht sogar noch davon aus, das Bundesverfassungsgericht habe die volle dreistufige Verhältnismäßigkeitsprüfung erst zweimal 1293

I. Zusammenfassung des bisherigen Erkenntnisstands 

201

als Mittel geeignet, erforderlich und angemessen sein, um einen Zweck zu erreichen.1301 Um den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf den Gleichheitssatz zu übertragen, muss dieser auch als Zweck-Mittel-Relation begriffen werden.1302 Dieses Schlüsselproblem1303 der Prüfung von Gleichheitsrechten beschäftigt die Literatur seit geraumer Zeit. Einige Autoren gehen davon aus, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung gar nicht auf Gleichheitsrechte übertragen werden könne.1304 Andere Autoren nehmen an, dass sie übernommen werden könne, allerdings nur mit Modifikationen.1305 Als Hauptargument gegen das Vorliegen einer Zweck-Mittel-Relation beim Gleichheitssatz wird angeführt, dass die Verhältnismäßigkeit auf einer Abwägung von Ziel und Mittel basiere, während der Gleichheitssatz einen Vergleich zwischen mehreren Tatbeständen hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede verlange.1306 Auch beim Gleichheitssatz gibt es jedoch ebenfalls eine Zweck-MittelRelation.1307 Der gesuchte Zweck ist der Zweck des staatlichen Handelns.1308 So wie bei Freiheitsrechten der Grundrechtseingriff das Mittel im Sinne der gesuchten „Zweck-Mittel-Relation“ ist,1309 so ist bei den Gleichheitsrechten die Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung das gesuchte Mittel. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, die Ungleichbehandlung1310 sei meist nur ungewollte Nebenfolge staatlichen Handelns.1311 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Freiheitsrechten ist nämlich genauso sehr oder wenig eine Zweck-Mittel-Relation, wie die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bei Gleichheitsrechten: In beiden Fällen wird das Grundrecht eingeschränkt, um einen spezifischen Zweck zu erreichen bzw. zu fördern, wobei sich die Grundrechtseinschränkung in beiden Fällen regelmäßig nur als Nebenfolge des Mittels darstellt. durchgeführt, nämlich in den Entscheidungen BVerfGE 113, 167, 231 ff. – Risikostrukturausgleich; BVerfGE 138, 136 – Erbschaftsteuer. 1301 Siehe Abschnitt B. III. 1. 1302 Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 34. 1303 Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 34. 1304 Lübbe-Wolff, Grundrechte (1988), S. 258 ff.; Heun, in: Hdb Grundrechte II (2006), Rn. 44; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 146 ff. 1305 Michael, Gleichheitssatz (1997), S. 263; Albers, JuS 2008, 945, 947; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 796 ff.; a. A. Sachs, JuS 1997, 124, 129: gar nicht übertragbar; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Vorbemerkung, Rn. 152. 1306 Lerche, Übermaß (1961), S. 29 ff.; G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 41; Sachs, JuS 1997, 124, 129. 1307 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 799. 1308 Auch bei Freiheitsrechtseingriffen ist der verfolgte Zweck bei genauerer Betrachtung ebenfalls selten eindeutig. Es können Zwischenzwecke und Endzwecke unterschieden werden, Hauptzwecke und Nebenzweck (Hotz, Notwendigkeit (1977), S. 160; Clérico, Verhältnismäßigkeit (2001), S. 120), sowie Zwecke, die nur Mittel zur Verfolgung entfernterer Zwecke sind. Zum Zweckbegriff, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (a). 1309 Zur Zweck-Mittel-Relation, siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (a). 1310 Bzw. Gleichbehandlung. 1311 Vgl. Pietzcker, in: Hdb Grundrechte V (2013), Rn. 69; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 35.1.

202

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

Entscheidend für die Abwägung ist sowohl bei Freiheits- als auch bei Gleichheitsrechten die Intensität der Einschränkung. Eine Ungleichbehandlung1312 ist zulässig, wenn die Ungleichbehandlung geeignet und erforderlich ist, den Zweck zu erreichen und wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zu der durch sie bewirkten Belastung des Grundrechtsberechtigten steht.1313 Darüber hinaus ist umstritten, welche Gesichtspunkte in der anzustellenden Abwägung miteinander in Ausgleich zu bringen sind. Einige Lösungen, wie die Steins, stellen nur auf das rechte Verhältnis der Differenzierungskriterien zum Zweck ab und lehnen es ab, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn auf die Gleichheitsprüfung anzuwenden.1314 Für andere ist der Zweck der staatlichen Handlung für die Rechtfertigung allenfalls von untergeordneter Bedeutung, sie suchen nach einem sachlichen Grund für die Wahl der Unterscheidungsmerkmale.1315 Zum einen kommt es sicherlich darauf an, wie sehr die zu vergleichenden Sachverhalte sich unterscheiden, also auf den Grad der Unterschiedlichkeit.1316 Dies legt bereits der Wortlaut der Neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts nahe, wonach Art. 3 Abs. 1 GG vor allem dann verletzt ist, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können.1317 Je größer die Unterschiede zwischen den Vergleichspersonen sind, desto eher ist also eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Eine Gleichbehandlung wiederum ist eher gerechtfertigt, je kleiner die Unterschiede sind. Zum anderen ist davon auszugehen, dass auch die Schwere einer Ungleichbehandlung1318 eine Rolle bei der Rechtfertigung spielt.1319 Dies wird beispielsweise daran deutlich, dass es heißt, eine Ungleichbehandlung wiege besonders schwer, wenn das Unterscheidungsmerkmal einem der in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten ähnele1320 oder wenn gleichzeitig 1312

Bzw. Gleichbehandlung. Vgl. Wendt, NVwZ 1988, 778, 782 ff.; Schoch, DVBl. 1988, 863, 874; Hesse, in: FS Lerche (1993), S. 121, 131; Jarass, NJW 1997, 2545, 2549; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 142 f. 1314 Stein, in: AK-GG, 1. EL., 3. Aufl. (2001), Art. 3 Abs. 1 GG, Rn. 42; ähnlich z. B. ­Michael /  Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 804, die aber eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführen. Zum Begriff „Differenzierungskriterien“ siehe auch Abschnitt D. II. 2. b). 1315 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 187; Kischel, in: BeckOK GG, 21. Ed. (2016), (Art. 3), Rn. 35.2. Dabei werden auch Mischformen vertreten, z. B.  Britz, NJW 2014, 346, 350 setzt Zweck und Differenzierungsgrund gleich. 1316 Zur Ablehnung einer Unterscheidung nach der „Wesentlichkeit“ einer Gleichheit, siehe Abschnitt D. II. 2. b). 1317 BVerfGE 55, 72, 88, 91 – Präklusion I. 1318 Bzw. Gleichbehandlung. 1319 Eingehend zum Schweregrad Abschnitt D. II. 1. c). 1320 BVerfGE 92, 26, 51 f. – Zweitregister; BVerfGE 97, 169, 180 f. – Kleinbetriebsklausel I; BVerfGE 101, 275, 291 – Fahnenflucht; BVerfGE 103, 310, 319 – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 124, 199, 220 – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 38; Britz, NJW 2014, 346, 249. Siehe dazu den Beispielsfall D. V. 1313

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

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ein Freiheitsrecht betroffen sei.1321 Damit wird ein anderer Gesichtspunkt angesprochen, als mit dem Grad der Unterschiedlichkeit. Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der vom Staat mit seinem Handeln verfolgte Zweck nicht vollkommen belanglos ist, sondern eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag. Es können also drei Komponenten der Abwägung identifiziert werden. Während der Zweck der Maßnahme in der Regel für die Maßnahme spricht und andererseits die Schwere der Ungleichbehandlung1322 meist für die Position des Grundrechtsträgers, ist unklar, wie der Grad der Unterschiedlichkeit zu berücksichtigen ist. Einige wollen die Unterscheidungsmerkmale zur Rechtfertigung der Maßnahme anführen.1323 Andere argumentieren damit auf Seiten des Grundrechtsträgers. Dies liegt daran, dass der Grad der Unterschiedlichkeit – wie bereits angesprochen – eine ambivalente Komponente ist: Er kann sowohl die Maßnahme rechtfertigen als auch gegen ihre Verfassungsmäßigkeit sprechen. Ferner ist zu bedenken, dass der Grad der Unterschiedlichkeit auch als ein die Schwere der Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung beeinflussender Faktor verstanden werden könnte. Im Ergebnis lassen sich also bei der Rechtfertigungsprüfung des Gleichheitsrechts drei „Faktoren“ identifizieren, die im Rahmen der Abwägung miteinander in Ausgleich zu bringen sind: die Schwere der Ungleichbehandlung, der Grad der Unterschiedlichkeit der Vergleichssachverhalte und der Zweck der Ungleichbehandlung.

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten Der Übertragung des für Freiheitsrechte1324 entwickelten Modells der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten auf Situationen der Idealkonkurrenz unter Beteiligung von Gleichheitsrechten stehen zwei Hürden entgegen: Zum einen das inhaltliche Problem, ob die Gleichheitsrechte ihrem Inhalt nach überhaupt eine Verstärkung des Gewichts der Freiheitsrechte bewirken können. Zum anderen das methodische Problem, wie die im Falle einer Verstärkungswirkung zwingend gebotene1325 Gesamtabwägung von Freiheits- und Gleichheitsrechten durchgeführt werden kann. Wie im Abschnitt  (1.). dargelegt werden wird, lässt sich auch der Inhalt des Gleichheitsrechts auf den Schutz bestimmter Menschenwürdeaspekte zurückführen, so dass sein Schutzgehalt mit den Freiheitsgrundrechten vergleichbar wird. Auch kann die Prüfung der Rechtfertigung einer Beeinträchtigung1326 des Gleich 1321

Stellvertretend Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 31; Britz, NJW 2014, 346, 249. Bzw. Gleichbehandlung. 1323 Gusy, NJW 1988, 2505, 2507 f. 1324 Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. 1325 Dazu, siehe Abschnitt C. V. 1326 Umstritten ist, ob der Tatbestand des Art. 3 Abs. 1 GG nur vor Ungleichbehandlungen oder auch vor Gleichbehandlungen schützt, siehe dazu Abschnitt D. II. 2. a). Auch die Frage, ob es 1322

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

heitsrechts auf eine zweipolige Abwägung zurückgeführt werden, so dass auch in methodischer Hinsicht eine gemeinsame Behandlung der Freiheits- und Gleichheitsrechte in der durchzuführenden Gesamtabwägung möglich ist (2.). Das in jenem Abschnitt eingeführte Schwerekriterium der „Qualität der Adressatenwahl“ wird im Abschnitt (2. c) aa)) näher erläutert und zu anderen Kriterien der Bestimmung der Schwere einer Beeinträchtigung in Art. 3 Abs. 1 GG in Beziehung gesetzt. Die vorgestellten Erwägungen gelten im Grundsatz auch für das idealkonkurrierende Zusammentreffen mehrerer Gleichheitsrechte. Zu Einzelheiten wird auf den Abschnitt „Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitsrechten“ verwiesen (III.). 1. Menschenwürdeaspekte als Grundlage der Vergleichbarkeit von Freiheits- und Gleichheitsrechten Treffen mehrere Freiheits-1327 und Gleichheitsrechte idealkonkurrierend zusammen,1328 so kann in der tatbestandlichen Einschlägigkeit1329 des allgemeinen Gleichheitsrechts eine zusätzliche Beschwer liegen, die nicht bereits durch die Freiheitsrechte abgebildet wird. Die Gleichheitsrechte lassen sich – wie die Freiheitsrechte1330 – auf eine gemeinsame Wurzel in der Menschenwürde zurückführen. Auch in den Gleichheitsrechten lassen sich jene, als Menschenwürdeaspekte bezeichneten Gehalte der Menschenwürde identifizieren, die bereits1331 in den Freiheitsgrundrechten festgestellt wurden (a)). Obwohl ihre Mechanismen der Schutzwirkung unterschiedlich sind, sind Freiheits- und Gleichheitsrechte daher dennoch in ihren Schutzgehalten miteinander vergleichbar. Der Maßstab der Menschenwürdeaspekte ermöglicht es, die Schwere der Beeinträchtigung von Freiheits- und Gleichheitsrechten festzustellen und diese zueinander in Beziehung zu setzen. Werden durch die konkret idealkonkurrierenden Freiheits- und Gleichheitsrechte unterschiedliche Menschenwürdeaspekte oder die selben Menschenwürdeaspekte in unterschiedlicher Art oder unterschiedlichem Grad betroffen, so erhöht sich das Gewicht der Position des Grundrechtsträgers in

einen Eingriff in Art. 3 Abs. 1 GG geben kann, ist nach wie vor umstritten (siehe einerseits befürwortend z. B. Kloepfer, Gleichheit (1980), S. 64 f.; Alexy, Theorie (1985), S. 390 f. Fn. 91; Huster, Rechte (1993), S. 226; Roth, Eingriffe (1994), S. 402 ff.; Jarass, AöR 120 (1995), 345, 362; Borow­ski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 410 ff. und andererseits ablehnend z. B. Lübbe-Wolff, Grundrechte (1988), S. 258. Zum Ganzen P. Kirchhof, NJW 1987, 2354, 2356; Schoch, DVBl. 1988, 863, 874). Im Folgenden wird für die Erfüllung des Tatbestands des Art. 3 Abs. 1 GG, sowohl hinsichtlich des Gleichbehandlungsgebots als auch des Ungleichbehandlungsgebots, der Einfachheit halber der Begriff „Beeinträchtigung“ verwendet. 1327 Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. 1328 Zu den Voraussetzungen einer Idealkonkurrenz, siehe Abschnitt B. II. 1329 Siehe Fn. 1326. 1330 Siehe Abschnitt C. II. 2. 1331 Siehe Abschnitt C. III.

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

205

der Abwägung gegenüber den die staatliche Handlung rechtfertigenden Zwecken. Es tritt dann die idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung ein. Auch im Zusammenhang mit Gleichheitsrechten gebietet die idealkonkurrentielle Gewichtsverstär­ kung die Durchführung einer Gesamtabwägung, um das Gesamtgewicht der Beschwer des Grundrechtsträgers adäquat abzubilden.1332 a) Menschenwürdeaspekte der Gleichheitsrechte Der materielle Gehalt der Gleichheitsrechte ist umstritten. Im Folgenden soll es zunächst um den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gehen, während den speziellen Gleichheitsrechten ein eigener Abschnitt vorbehalten ist (III.). Der allgemeine Gleichheitssatz wird oft auf die Formel gebracht, er sei das Gebot, Gleiches gleich zu behandeln.1333 Diese Feststellung ist allerdings trivial, da sie nichts darüber aussagt, was Gleichbehandlung bedeutet.1334 Über den allgemeinen Gleichheitssatz wurde daher gesagt, er habe keine materielle Substanz,1335 er sei nur eine Methodennorm,1336 er habe keinen Wert an sich, sondern verwirkliche außerhalb seiner selbst liegende Ziele.1337 Er sei also eine Art Hilfsrecht zur Durchsetzung anderer Grundrechte. Dies geht so weit, dass behauptet wird, das Gleichheitsrecht sei nur ein allgemeiner moralischer Standpunkt und kein Grundrecht.1338 Etwas weniger kritisch heißt es von anderen, der allgemeine Gleichheitssatz sei inhaltsleer, da er den Maßstab für gerechte Unterscheidungskriterien nicht vorgebe.1339 Dadurch stünden auch die absurdesten Prinzipien mit dem Gleichheitssatz im Einklang, wenn sie nur konsequent durchgeführt werden.1340 Um dem entgegen zu wirken, müsse immer auf die Wertungen in anderen Grundrechten bzw. anderen Verfassungsnormen zurückgegriffen werden.1341 Dies ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gleichheitsrecht ist sehr abstrakt for 1332

Zur Gesamtabwägung, siehe Abschnitt C. V. Zur Frage, ob das allgemeine Gleichheitsrecht auch das Gebot beinhaltet, Ungleiches ungleich zu behandeln, siehe Abschnitt D. II. 2. a). 1334 Huster, Rechte (1993), S. 41; Martini, Rechtsgleichheit (1997), S. 115. 1335 Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 17. 1336 Diese Möglichkeit vertretend Michael, JuS 2001, 866, 869. Der Gleichheitssatz ist zwar wohl auch eine Methodennorm, das schließt aber nicht aus, dass es sich auch um ein Grundrecht handelt. 1337 Gusy, NJW 1988, 2505, 2507. 1338 Auf diese Lesart hindeutend Huster, Rechte (1993), S. 106. 1339 Podlech, Gleichheitssatz (1971), S. 84; P.  Kirchhof, StuW 1984, 297, 303; Sachs, JuS 1997, 124, 124 f.; Kokott, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 127, 129; Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 5. 1340 Kriele, Gerechtigkeit (1963), S. 92. 1341 Starck, in: FS Leibholz 1982 (1982), S. 51, 64; J. P. Müller, VVDStRL 39 (1982), 53, 46; Gusy, NJW 1988, 2505, 2508; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 3, Rn. 17; Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 4 f.; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 17, 32. 1333

206

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

muliert und bedarf daher der Auslegung.1342 Auch andere abstrakten Grundrechte müssen durch weitere Verfassungsbestimmungen konkretisiert werden. So enthält Art. 2 Abs. 1 GG keine Aussage darüber, wann genau die freie Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen schützenswert und wann sie einschränkbar ist.1343 Um seinen konkreten Inhalt zu bestimmen muss daher auch bei Art. 2 Abs. 1 G auf externe Wertungen zurückgegriffen werden.1344 Das allgemeine Gleichheitsrecht ist direkt auf die Menschenwürde zurückführbar.1345 Die „personale Würde“ als „Grundwert“ des Grundgesetzes setzt sich zusammen aus den gleichrangigen Werten der personalen Selbstbestimmung und der personalen Gleichheit.1346 Der Gleichheitsgedanke ist daher eng mit der Garantie der Menschenwürde und dem Recht der Persönlichkeitsentfaltung verbunden.1347 Ursprung des Gleichheitssatzes ist die Gleichheit der Würde des Menschen.1348 Aus diesem Ursprung entfaltet sich der materielle Gehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes.1349 Das in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene allgemeine Recht auf rechtliche Gleichbehandlung stellt einen Wert an sich dar.1350 Diese Gleichbehandlung hat einen Eigenwert im Hinblick auf die Würde, Selbstachtung und Persönlichkeit.1351 Das Gleichheitsrecht kann daher als ein Persönlichkeitsrecht aufgefasst werden.1352 Es gewährt einen individuellen Achtungsanspruch,1353 einen Anspruch auf Achtung des Menschen in seiner Individualität,1354 der durch eine Ungleichbehandlung1355 verletzt werden kann.1356 Dies entspricht der Dogmatik des allgemeinen Gleich 1342

H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, 13. Aufl. (2014), Art. 3, Rn. 93. Vgl. Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 446. 1344 Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 17. 1345 Sachs, DÖV 1984, 412, 417. 1346 Dietel, DVBl. 1969, 569, 575. 1347 Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 3 Abs. 1, Rn. 67 f.; Damm, Menschenwürde (2006), S. 381 ff.; Desens, AöR 133 (2008), 404, 426; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 16; vgl. Britz, NJW 2014, 346, 348. 1348 Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 3 Abs. 1, Rn. 67. 1349 Sachs, NWVBl. 1988, 295, 299; Huster, Rechte (1993), S. 226; Michael, JuS 2001, 866, 869; Boysen, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 203; für Inhaltsleere Kokott, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 127, 129; Berg, in: Hdb Grundrechte III (2009), § 71, Rn. 17. 1350 Sachs, DÖV 1984, 412, 417; Sachs, NWVBl. 1988, 295, 300; Sachs, in: FS Friauf (1996), S. 309, 318; Borowski, Grundrechte (1998), S. 358; Sachs, Grundrechte, 2. Aufl. (2003), S. 231; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 401; Desens, AöR 133 (2008), 404, 426; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 75. 1351 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 75. 1352 Salzwedel, in: FS Jarreiss 70. Geb. (1964), S. 339, 346; Sachs, NWVBl. 1988, 295, S. 299 Fn. 79; Sachs, in: FS Friauf (1996), S. 309, 319; Desens, AöR 133 (2008), 404, 427. 1353 Desens, AöR 133 (2008), 404, 427. 1354 Robbers, DÖV 1988, 749, 758; vgl. Huster, Rechte (1993), S. 225. 1355 Oder Gleichbehandlung. 1356 Rawls, Theory of Justice (1971), S. 534 ff.; Desens, AöR 133 (2008), 404, 426. Dass dies nur ein Anspruch auf Berücksichtigung und Achtung der Position in der Gesellschaft sein soll (Desens, AöR 133 (2008), 404, 427; Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 40), greift wohl zu kurz. Der Achtungsanspruch besteht unabhängig davon, ob und welchen Platz jemandem in der Gesellschaft von ihr eingeräumt wurde. 1343

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

207

heitssatzes in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.1357 Abstrahiert von allen Details lässt sich der Rechtfertigungsmaßstab des Bundesverfassungs­ gerichts so zusammenfassen, dass umso höhere Anforderungen an den rechtfertigenden Grund gestellt werden, desto persönlicher die Merkmale der Unterscheidung sind, also desto mehr Relevanz sie für die Persönlichkeitsentfaltung haben.1358 Dies wird noch deutlicher bei den speziellen Gleichheitssätzen.1359 Art. 3 Abs. 3 und Abs. 2 GG schützen die Freiheit des Menschen, sich selbst als individuelle und eben nicht stereotype Persönlichkeit darstellen zu können.1360 Der Mensch und seine vorgegebenen, unbeeinflussbaren Merkmale gehören zum Kern seiner Individualität.1361 Die arbeitsgerichtliche Judikatur spricht im Fall von geschlechtsbezogenen Diskriminierungen folgerichtig Schmerzensgeld ausdrücklich wegen Persönlichkeitsverletzungen zu.1362 Im Zusammenhang mit den Gleichheitsrechten wird auch von Identitäts-Kategorien1363 oder multiplen Identitäten gesprochen.1364 Aus dem Schadensersatzrecht des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes stammt denn auch die Aussage, dass eine Mehrfachdiskriminierung gegenüber einer „ledig­lich“ einfachen Diskriminierung einen stärkeren Eingriff in die Persönlichkeitssphäre darstelle.1365 Dies deutet auf eine verfassungsrechtlich radizierte Grundwertung hin. Als in den Gleichheitsrechten enthaltener Menschenwürdeaspekt kann daher vor allem der Aspekt Persönlichkeitsentfaltung1366 ausgemacht werden. Eine situative Verortung weiterer Aspekte im Gleichheitsrecht ist im Regelfall abzulehnen, da der Bezug zur Achtung der Individualität und damit zum Schutzgehalt des Art. 3 Abs. 1 GG zu entlegen ist.1367 Beispiel 1: Das Pflegeversicherungsgesetz unterscheidet bei der Beitragsbemessung nach der Anzahl der eigenen Kinder. Hier ist Art. 3 Abs. 1 GG nur mit dem Persönlichkeitsentfaltungsaspekt anzusetzen. Eine „Identität als Person mit keiner oder bestimmter Kinderanzahl“ wäre zu weit vom Persönlichkeitskern entfernt, um bei Art. 3 Abs. 1 GG zusätzlich noch den Aspekt der Elternliebe zu aktivieren. Dieser wird allein über Art. 6 Abs. 1 GG in der Gesamt­abwägung berücksichtigt.

1357

Britz, NJW 2014, 346, 348. Beispielhaft BVerfGE 88, 87, 96  – Transsexuelle II; vgl. Desens, AöR 133 (2008), 404, 427; Britz, NJW 2014, 346, 348. Siehe zum Prüfungsmaßstab der Rechtfertigung Abschnitt D. I. 2. 1359 Zur genaueren Natur der Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, siehe Abschnitt D. III. 1360 Naguib, SJZ 2010, 233, 241. 1361 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 190. 1362 Z. B. BAG, NJW 1990, 65–67; Sachs, in: FS Friauf (1996), S. 309, S. 319 f. Fn. 42. 1363 Crenshaw 43 (1991), 1241, 1242; Baer / Bittner / Göttsche, Mehrdimensionale Diskriminie­ rung (2010), S. 25. 1364 Fredman, EuZAntidiskriminierung 2005, 13, 13. 1365 Meinel / Heyn / Herms, in: Meinel / Heyn / Herms AGG, 2. Aufl. (2010), § 4, Rn. 6. 1366 Siehe Abschnitt C. III. 2. g). 1367 Siehe allgemein zu der Problematik den Abschnitt C. VIII. 1358

208

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

Beispiel 2: Auch der Fall eines Künstlers würde nicht dazu führen, dass wegen seiner Identität als Künstler bei Art. 3 Abs. 1 GG zusätzlich der Menschenwürdeaspekt Ästhetik anzusetzen wäre. Dieser würde allein über Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in die Gesamtabwägung einfließen. Die speziellen Gleichheitsrechte enthalten zusätzlich weitere Menschenwürdeaspekte, auf die gesondert eingegangen wird (III. 1.). b) Irrelevanz der aktivierten Grundrechtsfunktion Gegen eine irgendwie geartete Vergleichbarkeit der Freiheitsrechte1368 mit den Gleichheitsrechten wird eingewandt, diese seien in ihrer Schutzrichtung so verschieden, dass ihr Schutz nicht miteinander vergleichbar sei.1369 Wie bereits im Zusammenhang mit dem Leistungsfunktionen der Freiheitsgrundrechte ausgeführt,1370 setzt der konstruktive Ansatz der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten jedoch auf einer so abstrakten Ebene der Grundrechtsbetrachtung an, dass die im konkreten Fall aktivierten Grundrechtsfunktionen keine Rolle spielen: Die Grundrechtsfunktionen beziehen sich auf ähnliche, konkrete Grundrechtspositionen,1371 die gleich einer Rechtsfolge jeweils in einer konkreten Situation aus einem Grundrecht folgen. Dies gilt auch für die Nichtdiskriminierungsfunktion. Auch mit ihr wird letztlich eine konkrete Rechtsposition ausgedrückt, die in einer konkreten Situation aus einem bestimmten Grundrecht (beispielsweise, aber nicht nur, aus dem allgemeinen Gleichheitsrecht) folgt. Der gewählte Ansatz über einen Vergleich der Menschenwürdegehalte der Grundrechte setzt aber auf einer abstrakteren Betrachtungsebene an, bei der nicht die konkrete Grundrechtsfunktion, sondern der materielle Schutzgehalt betrachtet wird, der hinter der ausgelösten Grundrechtsfunktion steht. Sind die idealkonkurrierenden Grundrechte tatbestandlich einschlägig, werden die materiellen Schutzgüter dieser beteiligten Grundrechte auf der Abstraktionsebene der Menschenwürdegehalte miteinander verglichen. Für den konstruktiven Ansatz der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten ist es nicht von Bedeutung, wie es zur tatbestandlichen Einschlägigkeit des Grundrechts kam und welche Grundrechtsfunktion dadurch aktiviert wird. Die Einschlägigkeit der Nichtdiskriminierungsfunktion steht darum konstruktiv einem Vergleich der Gewährleistungsgehalte der Grundrechte auf der Abstraktionsebene der Menschenwürdegehalte nicht entgegen. Es kann daher auch bei einer Idealkonkurrenz mit Grundrechten, bei denen die Nichtdiskriminierungsfunktion aktiviert ist, zu einer idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung kommen. 1368

Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. Huster, Rechte (1993), S. 106. 1370 Siehe Abschnitt C. IV. 1. 1371 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 209. 1369

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

209

c) Schweregrad der Beeinträchtigung gleitend Die Intensität einer Beeinträchtigung1372 der Gleichheitsrechte ist schließlich auch nach dem selben Maßstab bestimmbar wie bei den Freiheitsrechten. Die für eine Gesamtabwägung erforderliche Vergleichbarkeit ist daher auch insoweit gegeben. Wie sich aus den vorstehenden Äußerungen ergibt, wird eine für Art. 3 Abs. 1 GG tatbestandlich relevante Gleich- oder Ungleichbehandlung1373 nicht lediglich zweigliedrig in den beiden Zuständen „ist vorhanden“ oder „ist nicht vorhanden“ bemessen.1374 Vielmehr können unterschiedliche Schweregrade der Beeinträchtigung1375 in Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt werden. Sowohl vom Bundesverfassungsgericht1376 als auch in der Literatur ist die Argumentation mit unterschiedlichen Schweregraden einer Ungleichbehandlung anerkannt.1377 Dem entspricht, dass – wie bereits ausgeführt1378 – nach der „Neuen Formel“ eine Abwägung durchgeführt wird. Deren Anwendung impliziert, dass die Position des Grundrechtsträgers unterschiedlich stark sein kann, also unterschiedliche Schweregrade seiner Beeinträchtigung1379 ausgemacht werden können. So muss nach dem Bundesverfassungsgericht der Grad der Ungleichbehandlung des Grundrechtsträgers in einem angemessenen Verhältnis zum Rechtfertigungsgrund stehen.1380 Es ergäbe keinen Sinn, von einem „Grad“ und von einer „Abwägung“ zu sprechen, wenn Art. 3 Abs. 1 GG immer nur entweder „beeinträchtigt“ oder „nicht beeinträchtigt“ sein könnte. Zudem existieren einige Konzepte, wie die Schwere der Beeinträchtigung1381 des Grundrechtsträgers festgestellt werden kann. Neben dem bereits erwähnten Grad der Ungleichbehandlung (eingehend dazu Abschnitt 2.) wird nach der Nähe zum Menschenwürdekern differenziert (2. c) bb)) sowie danach, wie stark gleichzeitig in Freiheitsrechte eingegriffen wird (2. c) bb)). Für die speziellen Gleichheitsrechte wird dies im Rahmen der für Art. 3 Abs. 3, Abs. 2 GG vertretenen Lehre vom Anknüpfungsverbot mit zum Teil beachtlichen Argumenten anders gesehen, siehe dazu die Auseinandersetzung in Abschnitt III. 2. 1372

Siehe dazu Fn. 1326. Siehe dazu Abschnitt D. II. 2. a). 1374 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 145 ff. 1375 Siehe Fn. 1326. 1376 Stellvertretend BVerfGE 102, 68, 87 – Krankenversicherung der Rentner; vgl. Englisch, in: Stern / Becker, 2. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 12 f. m. w. N. 1377 Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 25; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 32, der allerdings nicht mit der Eingriffsintensität, sondern mit höheren Anforderungen an die Rechtfertigung argumentiert. In der Sache ergeben sich hieraus jedoch keine Unterschiede, da eine höhere Rechtfertigungsbedürftigkeit mit einer stärkeren Tatbestandsbeeinträchtigung korrelieren muss. 1378 Siehe Abschnitt D. I. 2. b). 1379 Siehe dazu Fn. 1326. 1380 St. Rspr., stellvertretend BVerfGE 99, 165, 178 – Elternunabhängige Ausbildungsförderung; BVerfGE 102, 68, 87 – Krankenversicherung der Rentner. 1381 Siehe Fn. 1326. 1373

210

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

2. Konzept einer zweipoligen Abwägung beim Gleichheitsrecht Gegen eine Gesamtabwägung zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten und damit auch gegen eine Verstärkungswirkung wird in methodischer Hinsicht eingewandt, eine solche sei unmöglich wegen ihrer unterschiedlich „gepolten“ Verhältnismäßigkeitsprüfungen. Bei den Freiheitsrechten werden üblicherweise in einer zweipoligen Prüfung die Rechtsgüter des Grundrechtsträgers gegen die rechtfertigenden öffentlichen Interessen abgewogen.1382 Bei der Rechtfertigungsprüfung beim Gleichheitsrecht werden nach herkömmlicher Auffassung allerdings drei „Faktoren“ miteinander in Ausgleich gebracht: die Schwere der Ungleichbehandlung, der Grad der Unterschiedlichkeit der Vergleichsgruppen1383 und der Zweck der Ungleichbehandlung.1384 Hieraus folgt, dass eine – für die adäquate Erfassung der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung unter Grundrechten stets erforderliche  – Gesamtabwägung unter Einbeziehung von Freiheits- und Gleichheitsrechten nur dann gelingen kann, wenn auch die herkömmlich dreipolige Rechtfertigungsprüfung bei Gleichheitsbeeinträchtigungen in das bei der Prüfung von Eingriffen in Freiheitsgrundrechte übliche zweipolige Schema überführt werden kann. Keine Schwierigkeiten bereitet dabei auf Seiten des Grundrechtsträgers die Zuordnung der Schwere eines Freiheitseingriffs zur Schwere der Ungleichbehandlung,1385 welche dem Zweck1386 des staatlichen Handelns1387 gegenübergestellt wird. Einzig der Grad der Unterschiedlichkeit der Vergleichsgruppen ist nicht eindeutig als für das staatliche Handeln oder für die Position des Grundrechtsträgers sprechend einzuordnen. Dies liegt daran, dass bei einer Ungleichbehandlung ein hoher Grad der Unterschiedlichkeit für das staatliche Handeln spricht, ein niedriger Grad für die Position des Grundrechtsträgers. Im Fall einer Gleichbehandlung spricht respektive ein niedriger Grad der Unterschiedlichkeit für das staatliche Handeln, ein hoher Grad für die Position des Grundrechtsträgers. Um losgelöst vom Einzelfall ein abstraktes Schema für die Abwägung zu entwickeln, ist der Grad der Unterschiedlichkeit in der nachfolgend dargestellten Weise zu verobjektivieren. 1382

Siehe Abschnitt B. III. 1. Siehe zum Streit, ob Paare zu bilden oder Gruppen miteinander zu vergleichen sind, Fn. 1418. 1384 Siehe Abschnitt D. I. 2. c). 1385 Oder der Gleichbehandlung, siehe Abschnitt D. II. 2. a). 1386 Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 370; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 25; die Differenzierung zwischen Grund und Zweck ist müßig, da der Grund der Differenzierung ihr Zweck ist. Andere rechtfertigende Gründe sind z. B. die Gründe zur Rechtfertigung einer Typisierung. Diese können auch wiederum als Teil des Zwecks der Maßnahme begriffen werden. Der Zweck wird auch genannt Differenzierungsziel (Schoch, DVBl. 1988, 863, 874; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 207) bzw. Regelungsziel (G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 49–50; Jarass, NJW 1997, 2545, 2549). 1387 „Handeln“ wird hier verstanden als Oberbegriff zu Tun und Unterlassen, vgl. auch Abschnitt B. I. 1383

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

211

Wie unten (a)) noch näher begründet wird, beinhaltet der Schutzgehalt des Art. 3 Abs. 1 GG nach herrschender Meinung sowohl ein Gleichbehandlungsgebot als auch ein Ungleichbehandlungsgebot (Differenzierungsgebot). Das Gleich­ behandlungsgebot lässt sich formulieren als das Gebot, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln.1388 Das Differenzierungsgebot fordert demgegenüber, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.1389 Zudem gilt der Gleichheitssatz nicht nur für ein nach bestimmten Kriterien auszusuchendes Vergleichspaar, sondern beansprucht in sämtlichen denkbaren Vergleichsbeziehungen Geltung (siehe unten b)). In Zusammenschau dieser Geltungsansprüche ergibt sich ein nahezu unendlicher objektiver Geltungsbereich: In sämtlichen denkbaren Vergleichsbeziehungen wird sowohl die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem, als auch die Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem gefordert. Aktualisiert und zugleich fokussiert wird diese immense Forderung durch das zur Prüfung stehende staatliche Handeln. Personenbezogen ist die Forderung dadurch, dass mit dem staatlichen Handeln Grundrechtsträger direkt oder mittelbar adressiert werden.1390 Seine Richtung bekommt das staatliche Handeln schließlich durch die Ausrichtung auf die Förderung des Zwecks. Im Hinblick auf die potentiell adressierbaren Personen beinhaltet der Gleichheitssatz, dass das konkrete staatliche Handeln sowohl der Forderung, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, als auch der Forderung, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gerecht werden muss. Zu betrachten ist dabei die relevante1391 Gleichheit bzw. Ungleichheit im Hinblick auf die Förderung des 1388

Stellvertretend BVerfGE 98, 365, 385 – Versorgungsanwartschaften; Jarass, in: Jarass /  Pieroth GG, 12. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 7 m. w. N.; Huster, Rechte (1993), S. 41. 1389 Stellvertretend BVerfGE 98, 365, 385 – Versorgungsanwartschaften; Jarass, in: Jarass /  Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 8 m. w. N. 1390 Welcher Grad der Mittelbarkeit noch ausreichend ist, kann hier aus Gründen der Schwerpunktsetzung nicht näher erörtert werden. Die Debatte wird analog zu der zum mittelbar-faktischen Eingriffsbegriff bei Freiheitsrechten geführt, siehe dazu Abschnitt B. II. 1. a) bb) (2). Bei staatlichem Handeln, dass in keinster Weise Personen betrifft ist das Gleichheitsrecht als subjektives Recht nicht einschlägig, so dass diese Konstellation hier irrelevant ist. Auf den Sonderfall der Geltung des Gleichheitssatzes als objektives Verfassungsprinzip bzw. als methodisches Prinzip auch für öffentlich-rechtliche Verbände im weitesten Sinn kann hier ebenfalls nicht eingegangen werden. 1391 Zwei Personen sind nie hinsichtlich aller Eigenschaften gleich, sonst wären sie identisch (Huster, Rechte (1993), S. 31 f.). Gleichheit ist daher immer Abstraktion von gegebener Ungleichheit (Hesse, in: FS Lerche (1993), S. 121, 121; Rüfner, in: FS Kriele (1997), S. 271, 272; vgl. P. Kirchhof, NJW 1987, 2354, 2354). Unterschieden werden kann ein normatives und ein deskriptives Verständnis von Gleichbehandlung: Bei einem normativen Verständnis wird nach der Legitimität eines Maßstabs gefragt; bei einem deskriptiven Verständnis bedeutet Gleichheit eine identische Rechtsfolge (Huster, Rechte (1993), S. 20 f.). Der Unterschied wird relevant z. B. bei Steuern: Der gleiche Prozentsatz des Einkommens entspräche einem normativen Verständnis von Gleichheit, der gleiche absolute Betrag einem deskriptiven Verständnis. Es ist vorzugswürdig, unter „Gleichbehandlung“ die identische Rechtsfolge zu verstehen, also von einem deskriptiven Verständnis auszugehen, anstatt den Begriff „Gleichbehandlung“ schon normativ aufzuladen, so dass Probleme vorverlagert werden (Huster, Rechte (1993), S. 20). Gleichbehandlung ist daher als identische Behandlung, zu verstehen auch genannt „schematische“ oder „absolute Gleichbehandlung“ (Huster, Rechte (1993), S. 18).

212

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

Zwecks, da dieser die Richtung des staatlichen Handelns vorgibt. Die Forderungen des Gleichbehandlungsgebots und des Ungleichbehandlungsgebots können daher in der Weise zusammengefasst werden, dass der Gleichheitssatz für das staatliche Handeln bezüglich der potentiell adressierbaren Personen fordert, den bestmöglichen Adressaten im Hinblick auf die Zweckverfolgung auszuwählen. Dieses Konzept, das als objektiv-rechtlicher Gehalt des Gleichheitssatzes bezeichnet werden kann, wird dadurch subjektiviert, dass der Grundrechtsträger für das Vorhandensein eines subjektiven Rechts in einer ihn einbeziehenden Vergleichsbeziehung beeinträchtigt1392 sein muss.1393 Der so gebildete objektive Maßstab, der schlagwortartig als „Qualität der Adressatenwahl“ umschrieben werden kann, kann verwendet werden, um die Schwere der Beeinträchtigung1394 des Grundrechtsträgers in Art. 3 Abs. 1 GG zu beurteilen. Auf die näheren Details dieses Maßstabs, insbesondere, nach welchen Kriterien der bestmögliche Adressat zu bestimmen ist, wird im Abschnitt c) aa). eingegangen. Durch die Heranziehung eines objektiven Maßstabs wird vermieden, einen Vergleich mit einem oder mehreren (nach bestimmten Kriterien ausgewählten1395) konkreten Dritten in der Abwägung durchzuführen. Stattdessen ist die Schwere der Beeinträchtigung1396 des Grundrechtsträgers in Art. 3 Abs. 1 GG dem Gewicht der das staatliche Handeln rechtfertigenden Zwecke gegenüber zu stellen. Dies entspricht der zweipoligen Struktur der Abwägung bei den Freiheitsgrundrechten. Eine Einstellung sowohl der beeinträchtigten Freiheitsrechte als auch der Gleichheitsrechte in die gleiche Gesamtabwägung wird auf diese Weise methodisch ermöglicht. In der Gesamtabwägung kann dann der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten Rechnung getragen werden. Einiges spricht dafür, dass die Schwere der Beeinträchtigung1397 in Art. 3 Abs. 1  GG zusätzlich noch durch die „Nähe zum Menschenwürdekern“ beeinflusst wird, siehe dazu Abschnitt c) bb). Die Schwere des gleichzeitigen Eingriffs in Freiheitsrechte sollte jedoch vorzugsweise nicht in die Bestimmung der Schwere der Beeinträchtigung1398 in Art. 3 Abs. 1 GG mit einfließen (c) bb)). Im Folgenden werden noch die beiden Prämissen näher dargelegt, die zur Begründung des objektiven Maßstabs der Qualität der Adressatenwahl herangezogen wurden, nämlich das Differenzierungsgebot als materieller Gehalt von Art. 3 1392

Siehe Fn. 1326. Eine solche lässt sich wohl fast immer konstruieren, was der Natur des Art. 3 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht entspricht (siehe Abschnitt C. II. 1.). 1394 Siehe Fn. 1326. 1395 Siehe dazu Fn. 1418. 1396 Siehe Fn. 1326. 1397 Siehe Fn. 1326. 1398 Siehe Fn. 1326. 1393

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

213

Abs. 1 GG (a)) und der Geltung des Art. 3 Abs. 1 GG für nahezu unendlich viele Vergleichsbeziehungen (b)). a) Differenzierungsgebot als materieller Gehalt des allgemeinen Gleichheitsrechts Art. 3 Abs. 1 GG enthält das Gebot, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln.1399 Umstritten ist, ob er auch das Gebot enthält, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, das sogenannte „Differenzierungsgebot“ bzw. „Ungleichbehandlungsgebot“.1400 Dieser, vom Bundesverfassungsgericht bereits im 1. Band1401 angenommene und in ständiger Rechtsprechung bestätigte1402 Gehalt geht auf die Vorarbeiten Gerhard Leibholz’ zurück1403 und fand überwiegend Zustimmung in der Literatur.1404 Trotz einiger ernstzunehmender Gegeneinwände spricht jedoch viel dafür, dass das Bundesverfassungsgericht und die herrschende Meinung das Differenzierungsgebot zu Recht als vom Schutzgehalt des Art. 3 Abs. 1 GG umfasst ansehen. Die Kritiker des Differenzierungsgebots berufen sich darauf, das Differenzierungsgebot sei überflüssig, da sich alle Fälle einer ungerechtfertigten Gleichbehandlung als Fälle einer Ungleichbehandlung formulieren ließen, wenn man nur die richtigen Vergleichsgruppen wählte.1405 Dieses formal-logische Argument kann nicht überzeugen.1406 Eine solche Umformulierung der Vergleichsgruppen ist in vielen Fällen nur mit „Verrenkungen“ möglich und ihre Auswahl geht letztlich an den

1399

Stellvertretend Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 8 m. w. N.. Für Differenzierungsgebot die st. Rspr. BVerfGE 1, 14, 52  – Südweststaat; BVerfGE 13, 46, 53; BVerfGE 98, 365, 385  – Versorgungsanwartschaften; BVerfGE 103, 310, 318  – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 112, 268, 279  – Kinderbetreuungskosten; BVerfGE 116, 164, 180  – Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte; Berfürworter aus der Literatur z. B.  Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 115, 129 f.; Huster, Rechte (1993), S. 230; Boysen, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 64 ff.; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 25. 1401 BVerfGE 1, 14, 52 – Südweststaat. 1402 Siehe Fn. 1400. 1403 Leibholz, Gleichheit, 2. Aufl. (1959), S. 45. 1404 Hirschberg, Verhältnismäßigkeit (1981), S. 115; Huster, Rechte (1993), S. 230; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 25; Boysen, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 66; dagegen Sachs, in: Stern Staatsrecht IV/2 (2011), § 120, S. 1477 ff.; Rüfner, in: Bonner Kommentar, 179. EL (2016), Art. 3, Rn. 9; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 791. 1405 Podlech, Gleichheitssatz (1971), S. 59; Rüfner, in: Bonner Kommentar, 179. EL (2016), Art. 3, Rn. 10; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 69; Kingreen / Poscher, Grundrechte, 32. Aufl. (2016), Rn. 491. 1406 Podlech, Gleichheitssatz (1971), S. 53; Huster, Rechte (1993), S. 230; Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 402 ff.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 197; Boysen, in: v. Münch /  Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 66; Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 69; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 8. 1400

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

vom Sachverhalt aufgeworfenen Fragen vorbei.1407 Dazu sei ein Beispiel H ­ usters wiedergegeben: „Wenn zehn Schüler eine Mathematikarbeit schreiben, wobei neun Schüler keine Aufgabe lösen, ein Schüler dagegen alle Aufgaben löst, und nun alle zehn Schüler die Note ‚ungenügend‘ erhalten, ist der zehnte Schüler zu Unrecht mit seinen Klassenkameraden gleichbehandelt worden; ihm steht eine andere, nämlich bessere Bewertung als ihnen zu. Wie soll er diese Ungerechtigkeit nun durch die Wahl einer anderen Vergleichsgruppe als das Problem einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung formulieren? Man kann natürlich sagen, er werde in dem Sinne ungleich behandelt, daß in anderen Klassen Schüler in seiner Situation tatsächlich eine bessere Note bekommen o.ä. Aber dies ist nicht unproblematisch, weil der Lehrer in seiner pädagogischen Freiheit kaum an die Notengebung seiner Kollegen gebunden ist […]; jedenfalls lenken derartige Verrenkungen von dem eigentlichen Problem nur ab: daß er zu Unrecht die gleiche Note wie seine Klassenkameraden erhalten hat.“1408

Zum anderen wird eingewandt, das Ungleichbehandlungsgebot solle aus Art. 3 Abs. 1 GG herausgenommen und allenfalls in anderen Verfassungsnormen ver­ortet werden, um die Ausrichtung von Art. 3 Abs. 1 GG auf die Gleichheit aufrecht zu erhalten.1409 Die Existenz eines Ungleichbehandlungsgebots in Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich jedoch nicht mit einer systematischen oder teleologischen Interpretation einer Ausrichtung des Art. 3 Abs. 1 GG „auf die Gleichheit“ verneinen.1410 Es handelt sich vielmehr um eine tiefschürfende inhaltliche Frage,1411 die hier nicht zum eigenständigen Untersuchungsgegenstand gemacht werden kann. Überzeugende Gründe sprechen dafür, das Ungleichbehandlungsgebot als Kehrseite des Gleichbehandlungsgebots zu begreifen, so dass eine Trennung abzulehnen ist.1412 Nach Ernst Forsthoff sind beide Gebote „Ausdruck eines und desselben rechtsethischen Gedankens und lassen sich in theoretischer Sicht nicht trennen“.1413 Beide Gebote entspringen dem aristotelischen Gedanken der Gleichheit als geometrischer Proportionalität.1414 Dieser besagt, dass durch die rechtliche Differenzierung zwischen den Vergleichspersonen das gleiche Verhältnis zum Ausdruck gebracht wird, wie durch die relevanten Unterschiede zwischen den Personen.1415 Das Gleichbehandlungsgebot verlangt daher keine absolute Gleichbehandlung, sondern lediglich die

1407 Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 69; Boysen, in: v. Münch /  Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 66. 1408 Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 69 Fn. 133. 1409 Sachs, in: Stern Staatsrecht IV/2 (2011), § 120, S. 1477 ff.; Rüfner, in: Bonner Kommentar, 179. EL (2016), Art. 3, Rn. 9. 1410 Boysen, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 66. 1411 Boysen, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 66. 1412 Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 70; Boysen, in: v. Münch /  Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 66. 1413 Forsthoff, Rechtstaat, 2. Aufl. (1976), S. 177. 1414 Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 70; Boysen, in: v. Münch /  Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, Rn. 66. 1415 Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 67 m. w. N.

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

215

Gleichbehandlung von in der maßgeblichen Hinsicht1416 Gleichem. Akzeptiert man diese Einschränkung, entspricht es jedoch ebenfalls der geometrischen Proportionalität, ein Differenzierungsgebot anzunehmen und in maßgeblicher Hinsicht Ungleiches ungleich zu behandeln.1417 b) Nahezu unendlich viele Vergleichsbeziehungen In der herkömmlichen Lehre wird die Bestimmung einer Ungleichbehandlung so beschrieben, dass ein Paar von Vergleichsgruppen1418 zu bilden sei, wobei der Grundrechtsträger Mitglied der einen Gruppe sei und die andere Gruppe rechtlich1419 anders behandelt werde.1420 Die Vergleichsgruppen seien so zu wählen, dass sie unter einen möglichst engen Oberbegriff (genus proximum, tertium comparationis) fallen und sich hinsichtlich möglichst weniger Differenzierungskriterien (differentia specifica) unterscheiden.1421 Dies soll sicher stellen, dass es sich um vergleichbare Sachverhalte handelt, die wesentlich gleich sind.1422 Ob dies ferner bedeuten soll, dass andere Vergleichsgruppenpaare tatbestandlich nicht dem Gleichbehandlungsgebot unterstellt sein sollen, bleibt oft unklar.1423 Jedenfalls ist diese herkömmliche Bestimmung einer Ungleichbehandlung unnötig komplex1424 und 1416

Auch formuliert als „wesentlich Gleiches“, siehe zur Schwierigkeit der Bestimmung einer solchen Wesentlichkeit Abschnitt D. II. 2. b). 1417 Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 70. 1418 Umstritten ist, ob Gruppen zu vergleichen sind, oder Einzelpersonen. Das Bundesverfassungsgericht spricht von Personengruppen (stellvertretend BVerfGE 102, 68, 87 – Krankenversicherung der Rentner) und auch in der Literatur werden überwiegend Vergleichsgruppen heran gezogen (Jarass, NJW 1997, 2545, 2549; vgl. Baer / Bittner / Göttsche, Mehrdimensionale Diskriminierung (2010), S. 17). Dafür spricht, dass so eine Abstrahierung vom Einzelfall vorgenommen wird (vgl. Hesse, in: FS Lerche (1993), S. 121, 121). Materiell steht der Anspruch auf Gleichbehandlung aber dem Einzelnen zu, und er besteht auch dann, wenn nur eine andere Person eine Begünstigung erfährt (vgl. Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 56). Dass ein Gesetz nur dann verfassungswidrig ist, wenn eine relevante, ins Gewicht fallende Gruppe Betroffener vorhanden ist anstatt eines atypischen Einzelfalls (Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 28), ist abzulehnen. Es sind daher grundsätzlich Personen und nicht Gruppen zu vergleichen (Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 56). Es ist zu vermuten, dass mit dem Abstellen auf eine Gruppe unterschwellig eine Verstärkung durch die Anzahl der Betroffenen berücksichtigt werden soll. Dies ist aber eine Frage, die offen gestellt werden sollte. Siehe dazu den Abschnitt E. 1419 Ob der Gleichheitssatz auch faktische Gleichheit verlangt, ist umstritten. Siehe dazu m. w. N. Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 680 ff. 1420 Vgl. Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 24 f. 1421 Stellvertretend Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 24 f.; Kingreen / Poscher, Grundrechte, 32. Aufl. (2016), Rn. 485 ff. 1422 Vgl. Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 24 f.; Kingreen / Poscher, Grundrechte, 32. Aufl. (2016), Rn. 485 ff. 1423 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 48. 1424 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 47 f.; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 25.

216

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

lädt bereits den Tatbestand mit Wertungsfragen auf bezüglich der Bestimmung der „wesentlichen Gleichheit“ beziehungsweise „Vergleichbarkeit“.1425 In jüngeren Bearbeitungen zum Gleichheitsrecht wird daher ein von Wertungsfragen befreites Verständnis einer tatbestandlichen Ungleichbehandlung1426 zu Grunde gelegt.1427 Das Gleichbehandlungsgebot gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln.1428 Das Differenzierungsgebot verlangt, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.1429 Gesucht ist also zunächst ein Referenzsachverhalt, der rechtlich1430 anders1431 behandelt wird.1432 Mit „wesentlich gleich“ kann allerdings kein vollständig gleicher Referenzsachverhalt gemeint sein, denn dies wäre ein identischer.1433 Vielmehr ist „wesentlich gleich“1434 als Relativierung zu verstehen und meint einen möglichst ähnlichen1435 Referenzsachverhalt, was sich wiederum nach den für den Zweck des staatlichen Handelns relevanten Eigenschaften bestimmt.1436 Je ähnlicher1437 der Referenzsachverhalt zum Ausgangssachverhalt im Hinblick auf diese Eigenschaften ist, desto schwieriger ist die Ungleichbehandlung1438 in der Abwägung zu rechtfertigen.1439 Ob eine Rechtfertigung letztlich gelingt, kann allerdings erst nach Durchführung der Abwägung1440 mit den Rechtfertigungsgründen festgestellt werden.1441 Das Merkmal „wesentliche Gleichheit“1442 ist daher abhängig 1425 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 43 f., 47 f.; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 18. 1426 Die gilt entsprechend für eine Gleichbehandlung (vgl. Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 16). Im Folgenden werden der besseren Lesbarkeit wegen die das Differenzierungsgebot betreffenden Aussagen in den Fußnoten wiedergegeben. 1427 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 182 ff.; Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 53; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 49 ff.; kritisch gegenüber der herkömmlichen Vorprüfung („nicht logisch zwingend“) Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 791, die diese aber dennoch empfehlen; vgl. Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 15.2. 1428 Siehe Fn. 1399. 1429 Nachweise und Erläuterungen, siehe Abschnitt D. II. 2. a). 1430 Str., siehe Fn. 1419. 1431 Bzw. gleich. 1432 Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 790; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 15. 1433 Huster, Rechte (1993), S. 30 f.; Hesse, in: FS Lerche (1993), S. 121, 121; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 15. 1434 Bzw. ungleich. 1435 Bzw. unterschiedlichen. 1436 Dies entspricht der in der herkömmlichen Lehre durchgeführten Bestimmung der differentia specifica. Dazu wird dort auch auf den Zweck des staatlichen Handelns abgestellt, Gusy, NJW 1988, 2505, 2507; Albers, JuS 2008, 945, 948. 1437 Bzw. ungleicher. 1438 Bzw. Gleichbehandlung. 1439 Siehe zur geometrischen Proportionalität Abschnitt D. II. 2. a). Daneben können noch andere Gesichtspunkte die Rechtfertigung beeinflussen, siehe dazu Abschnitt D. II. 2. c). 1440 Zur Art und Weise der Rechtfertigungsprüfung, siehe Abschnitt D. I. 2. 1441 Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 53 f. 1442 Bzw. Ungleichheit.

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

217

von den Rechtfertigungsgründen.1443 Die Festlegung, wann zwei Sachverhalte wesentlich gleich1444 sind, abstrakt im Vorfeld der Abwägung vorzunehmen, würde den Tatbestand mit Wertungen überfrachten und der Rechtfertigungsprüfung vorgreifen.1445 Außerdem besteht die Gefahr, dass wegen einer nur überschlägigen Prüfung auf Tatbestandsebene die eigentlich relevante, für den Grundrechtsträger erfolgsversprechendste Vergleichsbeziehung vorschnell ausgeblendet wird. Aus diesem Grund sollten nicht bereits schon auf Tatbestandsebene bestimmte Referenzsachverhalte verworfen werden.1446 Vielmehr wird mit allen denkbaren anders behandelten Referenzsachverhalten der Tatbestand des Art. 3 Abs. 1 GG verwirklicht, nur dürften die Ungleichbehandlungen1447 in der Mehrzahl der Fälle wegen einer großen Unterschiedlichkeit1448 offensichtlich gerechtfertigt sein.1449 Sowohl das Gleichbehandlungsgebot als auch das Differenzierungsgebot gelten daher tatbestandlich nicht nur für einen bestimmten Referenzsachverhalt, sondern in sämtlichen denkbaren Vergleichsbeziehungen.1450 Das staatliche Handeln ist nur dann verfassungsgemäß, wenn die Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung in jeder Vergleichsbeziehung gerechtfertigt ist.1451 Das oben beschriebene Verständnis von Art. 3 Abs. 1 GG führt dazu, dass bei jedem Sachverhalt von einer nahezu beliebigen Anzahl von Vergleichsbeziehungen auszugehen ist.1452 Bei der Überprüfung abstrakter Regelungen kann es zudem nötig sein, einen Vergleich mit einem rein hypothetischen Referenzsachverhalt anzustellen.1453 1443 So deutlich Schwabe, Probleme (1977), S. 393: Das Missverhältnis zwischen Belastung und Eingriffsgrund sei das entscheidende Merkmal an dem die Wesentlichkeit festzumachen sei. Ebenso z. B. Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 53; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 17. 1444 Bzw. ungleich sind. 1445 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 47 f.; Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 53; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 17; vgl. auch Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 791. Vgl. für das Steuerrecht BVerFGE 138. 136, 172 m. w. N 1446 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 58; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 17. 1447 Bzw. Gleichbehandlungen. 1448 Bzw. Ähnlichkeit. 1449 Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 53; Huster, in: Berliner Kommentar GG, 51. EL. (2016), Art. 3, Rn. 55; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 17 f.; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 791. Vgl. für das Steuerrecht BVerfGE 138, 136, 172 m. w. N. 1450 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 184; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 53 ff.; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 15.1, 18; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 791. 1451 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 183 f.; Eichberger, in: FS BFH (2019), Umdruckseite 10 (i. E.). 1452 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 184; vgl. Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 54. 1453 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 57; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 789.

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

c) Bestimmung der Intensität der Beeinträchtigung1454 des Gleichheitsrechts Die Intensität der Beeinträchtigung in Art. 3 Abs. 1 GG,1455 also die Schwere der Ungleichbehandlung1456 bzw. Gleichbehandlung, ist der wichtigste Prüfungspunkt der Abwägung, weswegen sie meist als einziges Abwägungselement auf Seiten des Grundrechtsträgers genannt wird. Die Intensität der Beeinträchtigung bestimmt sich danach, wie sehr der materielle Gehalt des Gleichheitsrechts betroffen ist. Der materielle Gehalt des Gleichheitsrechts ist so abstrakt und schwer fassbar, dass lange Zeit bezweifelt oder gar verneint wurde, dass es überhaupt einen solchen gibt.1457 Wie bereits beschrieben, hat das Gleichheitsrecht einen materiellen Wert, der auf die Menschenwürde zurückgeführt werden kann und im Allgemeinen durch den Menschenwürdeaspekt der Persönlichkeitsentfaltung repräsentiert wird, wobei je nach Fall noch weitere Menschenwürdeaspekte einschlägig sein können.1458 Wie sehr das Gleichheitsrecht beeinträchtigt wird, bemisst sich danach, wie sehr sein materieller Gehalt, also wie sehr die Menschenwürdeaspekte betroffen sind. Dazu gibt es im Wesentlichen die Kriterien der Nähe zum Menschenwürdekern (bb)), sowie der Qualität der Adressatenwahl (aa)). Das oft genannte Kriterium der gleichzeitigen Mitbetroffenheit von Freiheitsrechten ist im Lichte der Möglichkeiten von idealkonkurrentieller Gewichtsverstärkung und Gesamtabwägung nicht als Kriterium der Schwere der Ungleichbehandlung anzuerkennen (cc)). Daneben gibt es noch weitere allgemeine Kriterien, die je nach Fall eine Auswirkung haben können, wie die bereits angesprochene Beeinflussbarkeit der Betroffenheit,1459 oder die Art der Rechtsfolge1460. 1454

Siehe dazu Fn. 1326. Borowski, Grundrechte (1998), S. 370. 1456 BVerfGE 102, 68, 87 – Krankenversicherung der Rentner; G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 49–50; Jarass, NJW 1997, 2545, 2549; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 207; Oster­loh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 22; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, 25; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 803. 1457 Siehe Abschnitt D. II. 1. a). 1458 Siehe Abschnitt D. II. 1. a). 1459 Siehe Abschnitt C. XII. 1460 Es gibt zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten von Rechtsfolgen der Maßnahme: Die einer Belastung und die einer Begünstigung. Die Vorenthaltung einer Begünstigung ist milder als eine Belastung (Huster, Rechte (1993), S. 460). Nach Huster liegt das daran, dass bei bevorzugender Ungleichbehandlung die tatsächliche Last auf viele Schultern verteilt werde (Huster, Rechte (1993), S. 460). Dies weckt Assoziationen mit der umstrittenen Figur der horizontalen Belastungskumulation (Siehe Abschnitte A. I. 2. und E.) und verkennt, dass die Ungleich­ behandlung an sich eine Belastung darstellt. Es würde sicherlich niemand behaupten, dass bei der Gewährung einer Subvention aufgrund der Hautfarbe der leer ausgegangene Unternehmer nicht belastet sei. Der Grund, warum die Vorenthaltung einer Begünstigung im Ergebnis milder ist als eine Belastung, liegt vielmehr darin, dass im Regelfall bei der Vorenthaltung einer Begünstigung keine Freiheitsgrundrechte verletzt sind, deren Gewicht sonst zusätzlich in die Gesamtabwägung einzustellen wäre. Nur für den Fall der Begünstigung der Vergleichsperson wird zusätzlich als Kriterium der Intensität die Belastung des Staats durch die Maßnahme genannt 1455

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

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aa) Qualität der Adressatenwahl Das wichtigste und prüfungsmäßig umfangreichste Element der Intensität der Beeinträchtigung1461 in Art. 3 Abs. 1 GG ist das bereits oben beschriebene (2.) Kriterium der Qualität der Adressatenwahl.1462 Die Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots und des Ungleichbehandlungsgebots können in der Weise zusammengefasst werden, dass der Gleichheitssatz für das staatliche Handeln bezüglich der potentiell adressierbaren Personen fordert, den bestmöglichen Adressaten im Hinblick auf die Zweckverfolgung auszuwählen. Aus der nahezu unendlichen Zahl an möglichen Adressaten und der Wesentlichkeit ihrer jeweiligen Unterschiedlichkeit im Hinblick auf den Zweck wird ein Maßstab abstrahiert. An diesem Maßstab wird gemessen, wie gut die Auswahl des konkreten Grundrechtsträgers als Adressat beziehungsweise Nicht-Adressat ist. Die tatsächlich getroffene Adressatenauswahl wird dabei qualitativ bewertet. Die Qualität der Adressatenwahl im Hinblick auf den konkreten Grundrechtsträger beeinflusst dabei die Intensität der Beeinträchtigung1463 in Art. 3 Abs. 1 GG.1464 Eine Ungleichbehandlung ist nach Art. 3 Abs. 1 GG je eher gerechtfertigt, desto näher die Beziehung des Adressaten zum Zweck ist (Sachnähe).1465 Für die Rechtfertigung müssen die Unterschiede zum Zweck im richtigen Verhältnis stehen.1466 Sie müssen für den Zweck möglichst relevant sein.1467 Je weniger relevant ein Merkmal für die Zweckverfolgung ist, desto schwerer wiegt eine Ungleichbehandlung aufgrund dieses Merkmals, denn desto unwesentlicher ist der Unterschied zwischen den Vergleichspersonen. Dies gilt entsprechend für den Fall der Gleichbehandlung. Die bestmögliche Adressatenwahl im Hinblick auf die Zweckverfolgung fordert als oberstes Gebot die Geeignetheit der Adressatenwahl ((1)). Daneben gibt es weitere rationale Maßstäbe, mit denen sich eine Sachnähe des herangezogenen (Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 145 f.). Dem Vorteil der Vergleichsperson muss aber nicht der Nachteil des Gleichzubehandelnden entsprechen. Den Nachteil, den der Gleichzubehandelnde durch seine Steuerzahlungen erleidet, die letztlich der Vergleichsperson zugutekommen, ist zu mittelbar, um berücksichtigt zu werden. 1461 Siehe Fn. 1326. 1462 Alternativ könnte man diesen Prüfungspunkt auch als „Wahl des Differenzierungskriteriums“ bezeichnen. Dies wäre traditioneller. Es geht aber nicht nur um ein Differenzierungskriterium, sondern um mehrere. Außerdem ist die hier vorgeschlagene Prüfung sehr viel komplexer und unterscheidet sich deutlich von dem herkömmlichen Prüfungsprogramm, so dass dieser Unterschied auch in der Bezeichnung deutlich gemacht wird. 1463 Siehe Fn. 1326. 1464 Siehe Abschnitt D. II. 2. 1465 Vgl. Schoch, in: Bes. Verwaltungsrecht (2013), Rn. 203, der dies aber aus dem Freiheitsanspruch des Einzelnen ableitet. 1466 Vgl. Bonhage, Grund (2008), S. 175. 1467 BVerfGE 9, 124137, 129 – Armenrecht mit der weiteren Formulierung „Regelungszusammenhang“; Wendt, NVwZ 1988, 778, 782; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 3 Abs. 1, Rn. 80; falsch Götz, Polizeirecht, 15. Aufl. (2013), § 9 Rn. 88 nach dem jenseits von Geeignetheit alle sonstigen Kriterien im Ermessen liegen.

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

Adressaten begründen lässt ((2)). Jenseits der Sachnähe sind weitere Gesichtspunkte bei der Qualität der Adressatenwahl zu berücksichtigen, beispielsweise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,1468 eine Befugnis zur Typisierung,1469 oder (in begrenztem Umfang) Selbstbindungen des staatlichen Entscheidungsträgers durch in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen.1470 (1) Grad der Geeignetheit Der wichtigste Gesichtspunkt für die Inanspruchnahme einer bestimmten Person ist der Grad ihrer Geeignetheit1471 zur Zweckverfolgung.1472 Die Qualität der 1468 Im Steuerrecht geht die h. M. davon aus, dass es ein Leistungsfähigkeitsprinzip gebe, wonach nach Leistungsfähigkeit zu besteuern sei (BVerfGE 43, 108, 120 – Kinderfreibeträge). Damit ist die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemeint, nicht die Leistungsfähigkeit in Bezug auf die konkrete Gefahrbeseitigung, worauf meistens im Polizeirecht abgestellt wird (Giesberts, Lastenverteilung (1990), S. 71; Garbe, DÖV 1998, 632, 634; Erbguth / Stollmann, DVBl. 2001, 601, 608; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl. (2005), S. 504; Schenke, Polizeirecht, 8. Aufl. (2013), Rn. 286). Ein solches als materiellen Gehalt von Art. 3 Abs. 1 GG ablehnend Giesberts, Lastenverteilung (1990), S. 78; Schoch, Jura 2012, 685, 688 f. Das Problem hängt eng mit dem Streit zusammen, ob das Gleichheitsrecht ein Gebot faktischer Gleichheit enthält (siehe zur faktischen Gleichheit Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 680 ff. m. w. N.). 1469 Diese wird mit Erwägungen Praktikabilität und Rechtssicherheit gerechtfertigt. Näher dazu Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 3, Rn. 23; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 34. 1470 Zur Ablehnung einer Bindung des Gesetzgebers durch „Gleichheit in der Zeit“: Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 40; Dürig / Scholz, in: Maunz / Dürig GG, 70. EL. (2013), Art. 3 Abs. 1, Rn. 194 ff.: „Zeit als offene Flanke der Gleichheit“; vgl. den verfassungsrechtlichen Konservatismus bei Luhmann, Grundrechte (1965), S. 212: Alles kann geändert werden, aber nicht alles auf einmal, nicht ganz überraschend und nichts ohne Ersatz. Zu den Grundsätzen der „Systemgerechtigkeit“ BVerfGE 6, 55, 70 f. – Steuersplitting; BVerfGE 13, 290, 295 – Ehegatten-Arbeitsverhältnisse; BVerfGE 13, 331, 338 – Personenbezogene Kapitalgesellschaften; BVerfGE 26, 302, 312; Tipke, StuW 1971, 2; Tipke, BB 1973, 157; Tipke, Steuergerechtigkeit (1981); Aufgabe der Rechtsprechung in BVerfGE 59, 36, 49; BVerfGE 61, 138, 148 f.; BVerfGE 75, 382, 395 f.; BVerfGE 76, 130, 139 f., allgemein Degenhart, Systemgerechtigkeit (1976), S. 89; Kloepfer, Gleichheit (1980), S. 57; Schoch, DVBl. 1988, 863, 878; Huster, Rechte (1993), S. 390 f.; vgl. Denninger, JZ 1966, 767, 768. Zum Grundsatz der Folgerichtigkeit Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 145 f.; Kube, in: Verhältnismäßigkeit (2016), S. 157, 162. Zur Ermessensbindung einer Behörde BVerwGE 52, 193, 199; kritisch Maurer, Verwaltungsrecht, 18. Aufl. (2011), § 24 Rn. 22. 1471 Anteilig ist die enge Beziehung zum Zweck schon bei der Geeignetheitsprüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt. Wegen der Befugnis zur Typisierung (Nachweise Fn. 1469) ist es jedoch nicht möglich, die Geeignetheit eines Adressaten losgelöst von einer Abwägung abschließend zu beantworten. Auch die Inanspruchnahme von völlig ungeeigneten Adressaten kann über die Typisierungsbefugnis gerechtfertigt sein, wenn eine genauere Bestimmung der tatsächlich geeigneten Adressaten mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist und die Heranziehung der ungeeigneten Adressaten unter Abwägung mit dem Zweck noch verhältnismäßig ist. 1472 Kugelmann, Polizeirecht, 2. Aufl. (2012), Kap. 8 Rn. 75; Götz, Polizeirecht, 15. Aufl. (2013), § 9 Rn. 88; Geeignetheit fälschlicherweise nur als Option angesehen von Gusy, Polizeirecht, 9. Aufl. (2014), Rn. 370; Schoch, in: Bes. Verwaltungsrecht (2013), Rn. 229; Schenke, Polizeirecht, 8. Aufl. (2013), Rn. 285; Kingreen / Poscher, Polizeirecht, 8. Aufl. (2014), § 9 Rn. 88.

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

221

Adressatenwahl ist hoch, wenn die Differenzierungskriterien genau jenen Adressatenkreis beschreiben, dessen Heranziehung den gewählten Zweck optimal fördert. Beispiel:1473 Zur Begrenzung der Hundehaltung – mit dem Ziel der Verringerung der Belastungen durch Hundekot und Lärmemissionen zum Zweck des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung – wird jedem Hundehalter eine Hundesteuer auferlegt, deren Höhe abhängt von der Anzahl der gehaltenen Tiere. Hier ist der Adressatenkreis so gewählt, dass alle Personen erfasst sind, die zur Zweckerfüllung beitragen können, der Kreis aber nicht darüber hinausgezogen ist. Je nach Zweck kann beispielsweise die Schnelligkeit der Zweckerfüllung ein Gesichtspunkt der Geeignetheit sein, beispielsweise bei der Gefahrenbeseitigung. Auch die Nachhaltigkeit (Langfristigkeit) der Zweckerfüllung spielt in die Geeignetheit mit hinein. Manche Zwecke sind auch überhaupt nur förderbar, wenn eine bestimmte Mindestanzahl von Personen zu diesem Zweck adressiert wird und gleichzeitig handelt. Beispielsweise bei der Heranziehung zu Hand- und Spanndiensten1474 etwa zur Beseitigung eines Deichbruchs. Wenn die Mindestanzahl von Personen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht verfügbar ist, ist auch die Inanspruchnahme des konkreten Grundrechtsträgers nicht geboten, da seine Inanspruchnahme allein dann nicht geeignet ist den Zweck zu fördern. Schon allein deswegen, weil die Qualität der Adressatenwahl nur einer von mehreren, in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte ist, gilt das Gebot, die geeignetste Person zu adressieren, nicht absolut. Aber auch jenseits der Abwägung besteht konstruktiv ein Spielraum zur Abweichung auf weniger geeignete Personen. Hat der Entscheidungsträger nämlich die Befugnis, einen Zweck zu bestimmen oder zu konkretisieren, hat er in der Regel auch die Befugnis, den Grad der zu erreichenden Zweckerfüllung festzulegen.1475 In diesem Fall kann der Entscheidungsträger auch eine weniger geeignete Person adressieren, da diese dann durch die Herabsetzung der Anforderungen an die Geeignetheit zum Kreis der best-geeignetsten Personen gehört. Bei einer staatlichen Leistung ist das Begehren des Grundrechtsträgers regelmäßig1476 darauf gerichtet, ebenfalls in den Genuss der Vergünstigung zu kommen. Auch hier ist zu fragen, welche Adressaten die geeignetsten sind, und wie sehr sich

1473

Nach Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 35.1. Vgl. z. B. § 10 Abs. 5 GemO Baden-Württemberg. 1475 Siehe Abschnitt B. II. 1. c) bb) (7) (a) Fn. 633. 1476 Ob Art. 3 Abs. 1 GG – losgelöst von prozessualen Erwägungen – materiell auch vor gleichheitswidriger Bevorzugung schützt, also in altruistischer Absicht geltend gemacht werden kann, ist umstritten. Dafür Sachs, in: FS Friauf (1996), S. 309, 324 f.; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 19. Dagegen Salzwedel, in: FS Jarreiss 70. Geb. (1964), S. 339, 346; Kempny /  Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 72, 74; vgl. zur Kompensation von Vor- und Nachteilen Hey, AöR 128 (2003), 226, 238. 1474

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

die Geeignetheit des konkreten Grundrechtsträgers davon unterscheidet.1477 Zu beachten ist, dass es bei Zwecken, die durch Verteilung von Leistungen gefördert werden, regelmäßig große Spielräume gibt. So kann der Entscheidungsträger mit der Zwecksetzung auch den Grad der zu erreichenden Förderung festlegen. Außerdem ist die Ungleichbehandlung wegen der meist fehlenden Freiheitseingriffe in der Gesamtabwägung leichter zu rechtfertigen.1478 Ein weiteres Problem ist (nicht in allen, aber in vielen Fällen) das der „unend­ lichen Förderbarkeit“. Manche Zwecke sind nie erfüllt, sondern können unendlich gefördert werden. Beispielsweise kann das Ziel „Deckung des Finanzierungs­ bedarfs des Staates“ theoretisch bis hin zur totalen Enteignung gefördert werden. Zur Verfolgung solcher Zwecke kann auch der Adressatenkreis immer weiter ausgedehnt werden, wobei die Inanspruchnahme einiger näher liegt, während gegen die Inanspruchnahme anderer zunächst gute Gründe sprechen. Der Zweck der Maßnahme gebietet in den meisten Fällen, möglichst viele Personen mit der Maßnahme zu adressieren, um so auch die, die weniger gut oder weniger wahrscheinlich etwas beitragen können, einzubeziehen. Je gewichtiger das Ziel jedoch angesetzt wird, desto eher können auch diese weniger geeigneten Personen miteinbezogen werden. Die richtige Wahl des Adressatenkreises ist abhängig von der Gewichtigkeit des Zwecks. Ob „das kleine bisschen Mehr“ an Zweckförderung es noch rechtfertigt, ganz entfernt geeignete Adressaten heranzuziehen, ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Dies kann nicht eigenständig im Prüfungspunkt „Qualität der Adressatenwahl“ festgestellt werden, sondern nur im Rahmen einer Abwägung bestimmt werden, genauer: im Rahmen der Gesamtabwägung.1479 (2) Weitere Sachnähemaßstäbe Über die Geeignetheit1480 und die Beeinflussbarkeit der Betroffenheit1481 hinaus ist es Zeichen einer guten Adressatenwahl, wenn das Unterscheidungsmerkmal in möglichst enger Beziehung zum Zweck steht. Die Relevanz des Unterscheidungsmerkmals für den Zweck wird oft auch als sachliche Nähe oder Sachlichkeitsgebot1482 bezeichnet. Einzelheiten zur Bestimmung der Sachnähe werden in der Litera­tur nur selten thematisiert. Bei der Sachnähe geht es um Rationalität.1483 Die 1477 Nach leicht anderer Ansicht wäre nach dem Grad der Geeignetheit zur Erreichung des Förderungszwecks bei der begünstigten Vergleichsperson zu fragen (Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 145 f.). Diese Frage ist auch zu stellen, aber eben nur für die Bildung des Maßstabs der Qualität der Adressatenwahl. 1478 Vgl. Fn. 1460. Zur Gesamtabwägung, siehe Abschnitt C. V. 1479 Siehe Abschnitt C. V. 1480 Siehe den vorangegangenen Abschnitt D. II. 2. c) aa) (1). 1481 Auch zum Schwere-Kriterium der Beeinflussbarkeit der Betroffenheit besteht eine Verbindung. Siehe dazu Abschnitt C. XII. 1482 Bonhage, Grund (2008), S. 175. 1483 Zur Rationalität als Rechtsmaßstab Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen (2000), S. 777 ff.

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

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Rationalität des Unterscheidungsmerkmals im Hinblick auf den Zweck hängt davon ab, welcher Maßstab zur Adressatenwahl herangezogen wurde1484 und wie naheliegend danach die Wahl des konkreten Grundrechtsträgers als Adressat ist. Den herkömmlichen Rationalitätsmaßstäben ist gemeinsam, dass sie alle auf Risikosphären abstellen.1485 Dies liegt darin begründet, dass beim Abstellen auf Risikosphären der Grundrechtsträger im Vergleich zu Dritten oder der Allgemeinheit in einer größeren Verantwortung zum Zweck steht.1486 Zur Bestimmung der Sachnähe kann auf Konzepte aus dem Polizeirecht zurückgegriffen werden,1487 wo die Frage nach der richtigen „Störerauswahl“ regelmäßig aufgeworfen wird und eine rationale Beantwortung fordert. So können der Eigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft an dem störenden Gegenstand als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden.1488 Auf dem Verursachergrundsatz beruht die polizeirechtliche Adressatenfigur des Verhaltensstörers,1489 wonach der Verursacher eines Missstands vorrangig vor anderen Personen oder der Allgemeinheit heranzuziehen ist.1490 Bei der Wahl des Adressaten nach dem Verschuldensgrundsatz1491 kommt es darauf an, ob und wie sehr der Grundrechtsträger den Missstand zu verschulden hat. Der Verschuldensgrundsatz ergibt sich verfassungsrechtlich aus der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip.1492 Es können beispielsweise die Verschuldensgrade der leichten, mittleren und groben Fahrlässigkeit1493 sowie Vorsatz, mit den Unterformen Eventualvorsatz, direkter Vorsatz und Absicht,1494unterschieden werden. Auch Schuldfähigkeit1495 und Entschuldigungsgründe1496 spielen hier eine Rolle. Außerdem kann ein Mitverschulden1497 relevant werden. 1484 Wenn – wie häufig – nicht aktenkundig ist, welcher Maßstab gewählt wurde, ist aus der Wahl des konkreten Grundrechtsträgers auf die Wahl des Maßstabs zu schließen, der diese Wahl am ehesten rechtfertigt. 1485 Vgl. Gusy, Polizeirecht, 9. Aufl. (2014), Rn. 329. 1486 Vgl. Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 3 Abs. 1, Rn. 80. 1487 Ossenbühl, DÖV 1976, 463, 463: „Polizeirecht als Prototyp der Eingriffsverwaltung“. 1488 Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl. (2005), Rn. 434; Schenke, Polizeirecht, 8. Aufl. (2013), Rn. 268. 1489 Schoch, in: Bes. Verwaltungsrecht (2013), Rn. 169. 1490 Schwerdtner, NVwZ 1992, 141, 142; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl. (2005), Rn. 504; Schenke, Polizeirecht, 8. Aufl. (2013), Rn. 241. Hinter dem Verursachergrundsatz steckt der Gedanke, dass die Person sich dadurch von anderen unterscheidet, dass sie – anders als andere bzw. die Allgemeinheit – den Missstand zu verantworten hat (vgl. Gusy, Polizeirecht, 9. Aufl. (2014), Rn. 327; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 3 Abs. 1, Rn. 80). 1491 Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl. (2005), Rn. 505; ablehnend Giesberts, Lastenverteilung (1990), S. 134. 1492 Nachweise in Fn. 1491. 1493 Fuchs, in: BeckOK BGB, 40. Ed. (2016), § 611, Rn. 94. 1494 Kudlich, in: BeckOK StGB, 32. Ed. (2016), § 15, Rn. 17. 1495 Eschelbach, in: BeckOK StGB, 32. Ed. (2016), § 20, Rn. 1 ff. 1496 Joecks, in: MüKo StGB, 2. Aufl. (2011), § 16, Rn. 137. 1497 Vgl. § 254 BGB, § 840 BGB.

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

Daneben werden weitere Grundsätze diskutiert, zum Beispiel der Grundsatz der eigenen Angelegenheit,1498 der Prioritätsgrundsatz,1499 die „Nähe zur Gefahr“,1500 oder der Grundsatz „bekannt und bewährt“1501. Zwischen den Maßstäben gibt es Qualitätsunterschiede. Beispielsweise ist der Verschuldensgrundsatz rationaler als der Verursachergrundsatz, da der Verschuldensgrundsatz mit dem individuellen Verschulden die Entscheidungsfreiheit des Adressaten und damit seine Individualität berücksichtigt.1502 Um beispielsweise aufwendige Tatsachenermittlungen zu vermeiden, kann aber auch die Wahl des Verursachergrundsatzes rechtmäßig sein. Die Wahl eines „irrationaleren“ Auswahlmaßstabs lässt die Intensität der Differenzierung steigen. Die Maßstäbe können auch kombiniert werden. Bei einer Kombination sprechen noch mehr rationale, sachliche Gründe für die Wahl des konkreten Grundrechtsträgers als Adressaten. Die Sachnähe steigt. Dies gilt aber nur dann, wenn die Maßstäbe voneinander verschieden sind und nicht in einem minus-maius-Verhältnis zueinander stehen, wie beispielsweise der Verursachergrundsatz und der Verschuldensgrundsatz. bb) Nähe zum Menschenwürdekern Eines der anerkannten Kriterien zur Bestimmung der Schwere einer Ungleichbehandlung ist die Nähe zum Menschenwürdekern des Gleichheitssatzes.1503 Als von Art. 3 Abs. 1 GG geschützter Menschenwürdeaspekt wurde bereits der Aspekt der Persönlichkeitsentfaltung identifiziert.1504 Eine Ungleichbehandlung (oder eine Gleichbehandlung) wiegt daher schwerer, je mehr auf persönliche Merkmale abgestellt wird, die der Betreffende nicht ändern kann.1505 Die in Art. 3 Abs. 3 GG aufgeführten Unterscheidungsmerkmale sind solche, die dem Menschenwürdekern besonders nahe stehen.1506 Werden Unterscheidungsmerkmale verwendet, die zwar nicht in Art. 3 Abs. 3 GG aufgeführt sind, ihnen aber ähneln, ist das ein Indiz besonderer Nähe zum Menschenwürdekern des Art. 3 Abs. 1 GG und da 1498

A. A.  Lindner, Adressatenpflichten (1997), S. 42. Auch dieser Grundsatz lässt sich als Unterfall der Einteilung nach Risikosphären begreifen. 1499 Bayerischer VGH, Beschl. v. 14.01.2008 – 4 CE 08.60, Juris. 1500 Lindner, Adressatenpflichten (1997), S. 42. 1501 VG Münster, Beschl. v. 30.07.2015 – 9 L 862/15, Juris. 1502 Zur verfassungsrechtlichen Herleitung des Schuldgrundsatzes BVerfGE 25, 269, 285 – Verfolgungsverjährung; BVerfGE 109, 133, 171  – Langfristige Sicherheitsverwahrung; BVerfGE 110, 1, 13 – Erweiterter Verfall. 1503 Hesse, in: FS Lerche (1993), S. 121, 131: Eingriff umso intensiver, je mehr die Ungleichbehandlung „Grundvoraussetzungen menschlicher Existenz und Betätigung verkürzt“. 1504 Siehe Abschnitt D. II. 1. a). 1505 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 190. 1506 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 3, Rn. 367; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 117. Näher dazu im Abschnitt D. III.

II. Idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung bei Gleichheitsrechten 

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mit für eine besondere Schwere der Ungleichbehandlung.1507 Die Schwere aufgrund einer besonderen Nähe der Differenzierungsmerkmale zum Menschenwürdekern tritt kumulativ neben die durch die Qualität der Adressatenwahl und andere Schwerekriterien.1508 cc) Freiheitsrechte kein Kriterium der Schwere Als weiteres Kriterium für die Schwere der Ungleichbehandlung1509 wird oft die gleichzeitige Betroffenheit von Freiheitsrechten1510 genannt.1511 So lautet eine stehende Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, dass sich für den Gesetzgeber aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen ergeben, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.1512 Einige Stimmen in der Literatur wollen die Freiheitsrechte aber nicht direkt zur Bestimmung der Schwere heranziehen, sondern es als Indiz für einen besonders intensiven Gleichheitseingriff werten, wenn eine inhaltliche Nähe zu Lebensbereichen besteht, die in den speziellen Freiheitsrechten geregelt sind.1513 Die Berücksichtigung idealkonkurrierender Freiheitsrechte inzident bei der Prüfung des Gleichheitsrechts ist dem Umstand geschuldet, dass unter den herkömmlich vertretenen Theorien der situativen Verdrängung1514 bei mehreren idealkonkurrierenden Grundrechten nur dasjenige angewandt wird, das den größeren Bezug zum Sachverhalt hat. Die inzidente Berücksichtigung von Freiheitsrechten als Schwerekriterium einer Ungleichbehandlung ist eine Behelfskonstruktion, um den gleichzeitigen Eingriff in Freiheitsrechte dennoch in Rechnung stellen zu können, wenn die Anwendung der Theorien der situativen Verdrängung zur ausschließlichen Einschlägigkeit des Gleichheitsrechts geführt hat.

1507 BVerfGE 92, 26, 51–52 – Zweitregister; BVerfGE 97, 169, 180–181 – Kleinbetriebsklausel I; BVerfGE 101, 275, 291 – Fahnenflucht; BVerfGE 103, 310, 319 – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 124, 199, 220  – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 38; Britz, NJW 2014, 346, 249. Siehe dazu den Beispielsfall D. V. 1508 Siehe dazu die Einleitung, Abschnitt D. II. 2. c). 1509 Oder Gleichbehandlung. 1510 Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. 1511 Stellvertretend Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 31; Britz, NJW 2014, 346, 249. 1512 BVerfGE 82, 126, 146 – Kündigungsfristen für Arbeiter; BVerfGE 88, 87, 96 – Transsexuelle II; BVerfGE 106, 166, 176 – Zählkindervorteil; BVerfGE 111, 160, 169 – Kindergeld an Ausländer. 1513 Borowski, Grundrechte (1998), S. 407; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 32; ähnlich Hesse, in: FS Lerche (1993), S. 121, 131: Je mehr Grundvoraussetzungen menschlicher Existenz und Betätigung verkürzt werden. 1514 Siehe Abschnitt B. II. 2. c) ff).

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

Die Theorien der situativen Verdrängung sind jedoch abzulehnen und stattdessen ist weitgehend von einer Idealkonkurrenz der tatbestandlich einschlägigen Grundrechte auszugehen.1515 Vor dem Hintergrund der aufgrund der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung ohnehin durchzuführenden Gesamtabwägung1516 ist die inzidente Berücksichtigung von Freiheitsrechten als Schwerekriterium einer Ungleichbehandlung1517 überflüssig und unnötig umständlich. Die Mitbetroffenheit von Freiheitsrechten hat zwar eine Auswirkung auf die Rechtfertigung der Maßnahme, nämlich, dass die Maßnahme höheren Rechtfertigungsanforderungen genügen muss.1518 Über die ohnehin durchzuführende Gesamtabwägung1519 von Freiheits- und Gleichheitsrechten kann die gleichzeitige Betroffenheit von Freiheitsrechten jedoch klarer und einfacher berücksichtigt werden. Die konkrete Belastung des Einzelnen setzt sich danach zusammen aus dem Gleichheitsverstoß und dem Eingriff in die Freiheitsrechte. In der Gesamtabwägung wird das konkrete Gewicht des betroffenen Freiheitsrechts zum Gewicht des Gleichheitsrechts addiert, wobei anhand des Maßstabs der Menschenwürdeaspekte im Rahmen der Bestimmung des Unterschiedlichkeitsgrads1520 sicher zu stellen ist, dass materielle Überschneidungen der betroffenen Grundrechtsgehalte nicht doppelt in Rechnung gestellt werden.1521

III. Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen Neben dem allgemeinen Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG gibt es weitere, spezielle Gleichheitssätze. Unter den speziellen Gleichheitssätzen gibt es solche, die eine Ungleichbehandlung aufgrund eines bestimmten Merkmals prima facie verbieten (zum Beispiel Art. 6 Abs. 5 GG). Andere verbieten eine Ungleichbehand­ lung in einer bestimmten Lebenssituation (zum Beispiel Art. 38 Abs. 1 GG). Und wiederum Dritte verbieten kombiniert die Ungleichbehandlung aufgrund eines 1515

Siehe Abschnitte B. II. 2. c) ff) (8) und B. II. 2. d). Siehe Abschnitt C. V. 1517 Bzw. Gleichbehandlung. 1518 Britz, NJW 2014, 346, 349. 1519 Siehe Abschnitt C. V. 1520 Siehe Abschnitte C. VII. und C. XI. 3. b). 1521 Es ist zwar konstruktiv denkbar, die Schwere der Ungleichbehandlung so zu definieren, dass dabei die Mitbetroffenheit von Freiheitsrechten berücksichtigt wird. Materiell besteht aber kein Unterschied zwischen der Schwere, die sich durch den Eingriff in das jeweilige Freiheitsrecht ergibt, und der Schwere durch die inzident beim Gleichheitsrecht berücksichtigte Einschränkung jenes Freiheitsrechts. Damit die Freiheitsrechte in der Gesamtabwägung nicht doppelt ins Gewicht fallen, müsste über den Unterschiedlichkeitsfaktor die Betroffenheit der Freiheitsrechte beim konkreten Gewicht des Gleichheitsrecht wieder heraus „gerechnet“ werden. Das ist unnötig umständlich und schwerer nachzuvollziehen. Durch die oben vorgeschlagene Vorgehensweise wird eine inzidente Prüfung von Freiheitsrechten beim Gleichheitsrecht erspart und der Unterschiedlichkeitsfaktor muss nicht herangezogen werden. Aus Gründen der Komplexität ist die gleichzeitige Einschränkung von Freiheitsrechten nicht als Kriterium der Schwere der Ungleichbehandlung zu definieren. 1516

III. Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen 

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bestimmten Merkmals in einer bestimmten Lebenssituation (zum Beispiel Art. 33 Abs. 2 GG).1522 Die speziellen Gleichheitssätze finden sich in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG, in Art. 6 Abs. 5 GG, in Art. 33 Abs. 1 bis Abs. 3 GG sowie in Art. 38 Abs. 1 GG und in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG (beides Wahlrechtsgleichheit). Daneben finden sich weniger diskutierte Gleichheitssätze in Art. 12 Abs. 2 GG1523, Art. 12a Abs. 2 Satz 21524, Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG1525 sowie in Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 und Abs. 2 WRV1526. Darüber hinaus wird gelegentlich in primär als Freiheitsrechte zu qualifizierende Grundrechte auch eine Gleichheitsfunktion hineingelesen.1527 Praktisch am bedeutsamsten sind die in Art. 3 Abs. 3 und Abs. 2 GG enthaltenen Gleichheitssätze, so dass sich die nachfolgende Betrachtung auf diese konzentrieren wird. Auf Besonderheiten bei den anderen Gleichheitssätzen wird bei Notwendigkeit hingewiesen. 1. Besondere Gleichheitssätze und Menschenwürdeaspekte Auch der Gehalt der speziellen Gleichheitssätze lässt sich auf den Schutz be­ stimmter Menschenwürdeaspekte zurückführen. Die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG charakterisieren Anwendungsfälle des Gleichheitsrechts, die sich historisch gesehen als besonders anfällig für Verletzungen erwiesen haben.1528 Bei ihnen besteht ein besonders enger Zusammenhang zur Menschenwürde.1529 Bei Art. 3 Abs. 3 GG kann inhaltlich unterschieden werden zwischen prinzipiell unabänderlichen menschlichen Eigenschaften, beispielsweise Abstammung, und solchen Persönlichkeitsmerkmalen, die – wie zum Beispiel Religion – auf grundrechtsgetragener Selbstbestimmung beruhen.1530 Die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG schützen die Freiheit des Menschen, sich selbst als individuelle – und eben nicht stereotype – Persönlichkeit darstellen zu können.1531 So gehören die unbeeinflussbaren Merkmale „Rasse“ oder „Herkunft“ 1522 Vgl. Sachs, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 182, Rn. 9 ff.; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 64 ff. 1523 Vgl. Schoch, DVBl. 1988, 863, 865 f. 1524 Gusy, JuS 1982, 30, 30. 1525 Schoch, DVBl. 1988, 863, 865 f. 1526 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 196 f. 1527 Kokott, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 127, 159; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 197; P. Kirchhof, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 181, Rn. 63; Michael / Morlok, Grundrechte, 5. Aufl. (2016), Rn. 763 sehen auch strikte Diskriminierungsverbote bei Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 4 GG, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG und Art. 9 Abs. 1 GG. Siehe dazu den Abschnitt B. I. 1528 Sachs, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 182, Rn. 40; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 703. 1529 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6. Aufl. (2010), Art. 3, Rn. 367. 1530 Sachs, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 182, Rn. 40. 1531 Naguib, SJZ 2010, 233, 241.

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

zum Kern der Individualität,1532 denn die individuelle Persönlichkeit bildet sich heraus in Auseinandersetzung mit diesen Merkmalen. Art. 3 Abs. 3 GG dient daher dem freiheitswahrenden Integrations- und Identitätsschutz.1533 Bei sämtlichen der in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale ist daher zuvorderst der Aspekt „Persönlichkeitsentfaltung“ der geschützte Menschenwürdeaspekt. Bei einzelnen Differenzierungsmerkmalen treten noch weitere Aspekte hinzu, wie etwa der Aspekt „Transzendenz“ bei Ungleichbehandlungen1534 aufgrund des Glaubens oder der religiösen Anschauungen, oder der Aspekt der „politischen Teilhabe“ bei Ungleichbehandlungen1535 aufgrund von politischen Anschauungen. Die anderen Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG, Rasse, Herkunft und so weiter, beinhalten außer der Persönlichkeitsentfaltung keine weiteren Menschenwürdeaspekte. Die Einschlägigkeit der sonstigen besonderen Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG bewirkt „nur“, dass das abstrakte Gewicht des Gleichheitsrechts sich erhöht.1536 Auch die „Innominatgleichheitsrechte“1537 aktivieren jeweils inhaltlich keinen neuen Menschenwürdeaspekt, bewirken aber eine Erhöhung des Gewichts des Gleichheitsrechts. Bei anderen besonderen Gleichheitsrechten stehen andere Menschenwürde­ aspekte im Vordergrund, beispielsweise der Aspekt der „politischen Beteiligung“ bei Art. 38 Abs. 1 GG, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, aber auch in Form der politischen Beteiligung durch aktive Mitwirkung am Staat im Staatsdienst bei Art. 33 Abs. 1 1532

Kischel, AöR 124 (1999), 174, 190. Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 245. 1534 Oder Gleichbehandlungen. 1535 Oder Gleichbehandlungen. 1536 Danach muss noch beim konkreten Gewicht festgestellt werden, wie sehr sie beeinträchtigt sind. Ein gleichwertiger Weg wäre, die Intensität der Ungleichbehandlung höher einzustufen. Siehe zum abstrakten Gewicht Abschnitt B. III. 2. 1537 Entsprechend der Debatte bei Freiheitsrechten (siehe Abschnitt C. XV.) werden auch bei Gleichheitsrechten sog. „Innominatgleichheitsrechte“ diskutiert. Besonders konturiert ist das Verbot einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, welches inzwischen bereits durch das Bundesverfassungsgericht anerkannt wurde (BVerfGE 133, 377, Rn. 78 – Ehegattensplitting bei Lebenspartnerschaft; vgl. Britz, NJW 2014, 346, 349). Im einfachen Gesetzesrecht wird die sexuelle Orientierung inzwischen als verbotenes Diskriminierungsmerkmal aufgezählt, z. B. in § 1 AGG, § 75 Abs. 1 BetrVG, § 67 Abs. 1 S. BPersVG, § 27 Abs. 1 SprAuG, § 9 BBG, § 36 Abs. 2 SGB III, § 19a S. 1 SGB IV, § 3 Abs. 1 SG. Auch in anderen Grundrechts- bzw. Menschenrechtskodifizierungen ist das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung anerkannt, z. B. in Art. 10 AEUV und Art. 21 EU-Grundrechtecharta. Ein weiteres mögliches Innominatgleichheitsrecht ist das Merkmal „Alter“. Dieses Merkmal wird durch Art. 1 der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie RL 2000/78/EG geschützt. Auch in Art. 21 EU-Grundrechtecharta wird es ausdrücklich erwähnt. Welchen Schutz das deutsche Grundgesetz vor Diskriminierungen aufgrund des Alters bietet, ist eine Debatte, die noch nicht abgeschlossen ist. Im einfachen Recht bieten § 1 AGG, § 75 Abs. 1 BetrVG, § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, § 27 Abs. 1 SprAuG, § 19a Satz 1 SGB IV Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Alters. In Zukunft wird wohl auch in Deutschland die Frage nach Schutz vor Diskriminierungen aufgrund genetischer Merkmale an Bedeutung gewinnen. Dieser Schutz wurde bereits in Art. 21 EU-Grundrechtecharta anerkannt, hat aber hierzulande noch keine größere verfassungsrechtliche Debatte ausgelöst. Einfachgesetzlich regelt § 4 GenDG ein Benachteiligungsverbot, das vor allem für den Versicherungssektor bedeutsam ist. 1533

III. Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen 

229

bis 3 GG.1538 Der dem Gleichheitsrecht zugrunde liegende Menschenwürdeaspekt der Persönlichkeit ist jedoch immer mitbetroffen bei jeder Differenzierung. 2. Abwägungsfähigkeit der Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG Das Einstellen der Gleichheitsrechte aus Art. 3 Abs. 3 GG in eine Gesamtabwägung erfordert zudem, dass diese Gleichheitsrechte überhaupt der Abwägung zugänglich sind. Diese Frage hängt eng mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 3 Abs. 3 GG zusammen und ist – wie dieser – nach wie vor umstritten. Die Bandbreite der Auffassungen reicht von absoluten Differenzierungsverboten auf der einen Seite bis zu wertungsoffenen Gleichbehandlungsgeboten auf der anderen Seite.1539 Die Position des Bundesverfassungsgerichts ist nicht sicher zu ermitteln.1540 Die drei hauptsächlich vertretenen Ansichten sind folgende: (1) Nach der Auffassung vom „Anknüpfungsverbot“ darf eine staatliche Maßnahme nicht nach den genannten Merkmalen unterscheiden.1541 (2) Nach der Auffassung vom „Begründungsverbot“ darf eine Maßnahme nicht ausschließlich über Unterschiede in den verbotenen Merkmalen begründbar sein; sie ist gerechtfertigt, wenn hinsichtlich anderer Merkmale Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen.1542 (3) Schließlich gibt es noch die Deutung, die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG markierten eine besondere Schwere der Ungleichbehandlung, die im Rahmen der Abwägung bei Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen sei. Eine an die in den speziellen Gleichheitsgrundrechten genannten Merkmale anknüpfende Ungleichbehandlung1543 kann nach dieser Auffassung daher – zumindest ausnahmsweise – gerechtfertigt sein, bedarf aber stets der besonderen Rechtfertigung bzw. besonders gewichtiger Rechtfertigungsgründe.

1538

Vgl. Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 3 Abs. 1, Rn. 20. Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, S. 239. 1540 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 198; Boysen, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 3, S. 129; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 120; a. A. Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 250: Bundesverfassungsgericht vertrete grundsätzliches Anknüpfungs­verbot; jeweils m. w. N. 1541 Sachs, Grenzen (1987), S. 244 ff., 390 ff.; Sachs, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 182, S. 62; Laskowski, KritV 2001, 83, 99; a. A. Heckel, in: FS Dürig (1990), S. 241; Huster, AöR 118 (1993), 109, 111; BVerfGE 114, 357, 364 – Aufenthaltserlaubnis; vgl. auch Huster, Rechte (1993), S. 321 ff. mit vermittelndem Ansatz; Kischel, in: BeckOK GG, 30. Ed. (2016), Art. 3, Rn. 212. 1542 Salzwedel, in: FS Jarreiss 70. Geb. (1964), S. 339, 346 f.; Podlech, Gleichheitssatz (1971), S. 91 f.; Schlink, Der Staat 15 (1976), 335, 349 f.; Gusy, JuS 1982, 30, 33; Kischel, AöR 124 (1999), 174, 190; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 703 ff., 716; Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 125. 1543 Oder Gleichbehandlung. 1539

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

Nach der Auffassung vom Anknüpfungsverbot (1) statuiert Art. 3 Abs. 3 GG ein absolutes Verbot der tatbestandlichen Anknüpfung an eines der genannten Merkmale.1544 Eine Möglichkeit zur Rechtfertigung besteht nicht. Dafür wird angeführt, dass durch klare Anknüpfungsverbote der Schutzzweck effektiver verfolgt werde.1545 Es gebe dann keinen Raum für relativierende Sachlichkeitsrechtfertigungen.1546 Dabei wird allerdings kein Vergleich mit einem Dritten angestellt. Diese Auffassung hat zur Folge, dass die Prüfung der besonderen Gleichheitsrechte ohne Vergleich mit einem Dritten auskommt, da die Verfassungswidrigkeit einer an die jeweiligen Merkmale anknüpfenden Ungleichbehandlung1547 allein aufgrund der Verwendung des verbotenen Merkmals feststeht. Deshalb wird gegen die Lehre vom Anknüpfungsverbot eingewandt, ein Vergleich sei bei allen Gleichheitsrechten nötig, sonst würde es sich nicht um Gleichheits-, sondern um Abwehrrechte handeln.1548 Dies ist aber kein Argument gegen einen so verstandenen Inhalt. Zum einen haben Gleichheitsrechte auch untergeordnete Abwehrfunktionen.1549 Zum anderen ist es eine Definitionsfrage, was unter Gleichheitsrechten zu verstehen ist. Gegen die Lehre vom Anknüpfungsverbot spricht jedoch, dass Fälle verdeckter Diskriminierung nicht erfasst werden.1550 Außerdem sind jene Fälle nicht über das Anknüpfungsverbot lösbar, bei denen nur scheinbar eine Differenzierung nach einem verdächtigen Merkmal vorliegt.1551 Beispielsweise, wenn eine Gebühr von einer Frau erhoben wird, die eine Bibliothek benutzt, aber nicht von einem Mann, der die Bibliothek nicht nutzt.1552 Hier wird die Ungleichbehandlung von einem anderen Unterschied (Nutzungsverhalten) getragen und es ist nur Zufall, dass sich die Vergleichspersonen in ihrem Geschlecht unterscheiden.1553 Eine nähere Betrachtung zeigt zudem, dass das Verständnis von den besonderen Gleichheitsrechten als Anknüpfungsverbote zu nicht geringen Teilen von der  – früher vorherrschenden  – Interpretation des Allgemeinen Gleichheitssatzes als reines Willkürverbot geprägt wird.1554 Wenn Beeinträchtigungen des Allgemeinen Gleichheitssatzes durch – weitgehend beliebige – sachliche Gründe gerechtfertigt werden können und keine individuelle Abwägung erforderlich ist, dann ist es naheliegend, den speziellen Gleichheitssätzen der Art. 3 Abs. 3 und Abs. 2 GG absolute 1544

Der Streit wird unter dem Stichwort „relative oder absolute Differenzierungsverbote“ geführt, Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 239; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 704, der außerdem eine moderne Konzeption eines absoluten Differenzierungsverbots skizziert. 1545 Sachs, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 182, Rn. 77. 1546 Sachs, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 182, Rn. 62; Laskowski, KritV 2001, 83, 99. 1547 Oder Gleichbehandlung. 1548 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 202 f. 1549 Siehe den Abschnitt B. I. 1550 Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 123. 1551 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 707. 1552 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 707; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 134. 1553 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 134. 1554 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 190, befürwortet beispielsweise, dass bei Art. 3 Abs. 3 und Abs. 2 GG eine Differenzierung gar nicht, oder nur unter bestimmten, voll nachprüfbaren Umständen erlaubt sei.

III. Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen 

231

Anknüpfungsverbote zu entnehmen, wenn ihnen eine reale Schutzwirkung zukommen soll. Probleme bereiteten dem Bundesverfassungsgericht in seinen frühen Entscheidungen unter dem Eindruck der Lehre vom absoluten Anknüpfungsverbot aber etwa die Sonderregelungen für Frauen betreffend die Arbeitszeiten1555 oder den Mutterschutz. Die wenig überzeugende Lösung des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung Frauenarbeitszeit war, unter formalem Festhalten am Anknüpfungsverbot die unterschiedliche Behandlung über die „objektiven biologischen oder funktionalen Unterschiede von Mann und Frau nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses“ zu rechtfertigen.1556 Verglichen mit dem Anknüpfungsverbot ist das Begründungsverbot (2) eine weniger strenge Auffassung. Im oben genannten Beispiel der Sonderregelungen für Frauen betreffend Arbeitszeiten rechtfertigt der im Rahmen der Lehre vom Begründungsverbot alternativ heranziehbare Grund „Schwangerschaft“ die Differenzierung. Gegen das Begründungsverbot wird allerdings gerade angeführt, es lasse die Differenzierungsmerkmale leer laufen, weil der Gesetzgeber regelmäßig einen anderen Grund für die Differenzierung werde geltend machen können.1557 Ob dadurch die Differenzierungsmerkmale wirklich leerlaufen, ist jedoch fraglich.1558 Es kommt nur auf die objektive Situation an; die – vorgeblichen – Motive des Gesetzgebers sind irrelevant.1559 Auch mittelbare Diskriminierungen werden daher erfasst, weil die Begründung dahingehend zu untersuchen ist, ob sie nur vorgeschoben ist.1560 Für die Auffassung (3) spricht, dass die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 und Abs. 2 GG nicht sinnvoll bestehen könnten, wären sie nicht abwägbar.1561 Daher nimmt auch das Bundesverfassungsgericht mittlerweile an, dass die Verwendung der aufgezählten Merkmale durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden kann.1562 Für eine Abwägbarkeit wird angeführt, die historisch bedingte Heterogenität der einzelnen Tatbestandsmerkmale spreche gegen eine kategorische Einheitslösung 1555

BVerfGE 5, 9 – Frauenarbeitszeit. BVerfGE 5, 9, 12 – Frauenarbeitszeit; vgl. auch BVerfGE 6, 389, 422 – Homosexuelle. 1557 Sacksofsky, Gleichberechtigung (1991), S. 145; Huster, AöR 118 (1993), 109, 111. 1558 Huster, AöR 118 (1993), 109, 111. 1559 Was sich der Entscheidungsträger bei der Entscheidung gedacht hat, ist unerheblich (Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 713; vgl. allgemein Eichmann, GRUR 1964, 57, 58; Schwark, Begriff (1970), S. 128; Schwacke, Spannungslagen (1973), S. 54; W. Müller, Wirkungsbereich (1974), S. 84 ff.; Schwabe, Probleme (1977), S. 415; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 669). Im Rahmen der Ermessensausübung ist jedoch bzgl. sachwidrigen Gedankengängen das Problem der materiellen Unrichtigkeit durch formelle Unrichtigkeit zu beachten, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann. 1560 Heun, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 3, Rn. 125. Inwieweit auch mittelbare Diskriminierungen von Art. 3 Abs. 1 GG erfasst werden, ist noch umstritten. Siehe dazu BVerfGE 97, 35, 43 – Hamburger Ruhegeldgesetz; Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, S. 255 ff. 1561 H. M., vgl. Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 254 Fn. 545; Jarass, AöR 120 (1995), 345, 379; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 135; gegen Abwägbarkeit Heckel, in: FS Dürig (1990), S. 241, 241 f.; Huster, Rechte (1993), S. 321; Ebsen (1994), Rn. 23 ff.; Rüfner, in: Bonner Kommentar, 179. EL (2016), Art. 3, Rn. 574 f. 1562 BVerfGE 92, 91, 109 – Feuerwehrabgabe; BVerfGE 114, 357, 364 – Aufenthaltserlaubnis. 1556

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

der Nicht-Abwägbarkeit.1563 Das Unterscheidungsmerkmal „Geschlecht“ beispielsweise sei in Dimension und Qualität nicht vergleichbar mit den Gefährdungslagen der anderen Merkmale.1564 Auch wird die in § 148 Satz 1 GVG „Die Gerichtssprache ist Deutsch“ enthaltene Diskriminierung nach Sprache seit je her mit dem Funktionieren der Rechtspflege gerechtfertigt.1565 Überzeugender ist jedoch, bei den Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3  GG Parallelen zu anderen vorbehaltslos gewährleisteten Grundrechten zu ziehen.1566 Obwohl anfänglich umstritten, ist mittlerweile auch bei den vorbehaltslos gewährleisteten Grundrechten anerkannt, dass sie durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden können und somit der Abwägung zugänglich sind.1567 Die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG unterliegen daher verfassungsimmanenten Grenzen, die über die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu konkretisieren sind.1568 Aus Gründen einer widerspruchsfreien Auslegung der Verfassung ist folglich auch eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 3 GG rechtfertigbar.1569 Mit der Kontrollintensität der Neuen Formel genügt auch nicht mehr jeder beliebige andere Grund, sondern es ist eine Abwägung durchzuführen.1570 Die Anhänger der Abwägungsthese sprechen daher nicht von „verbotenen“ Merkmalen, sondern von „verdäch­ tigen“ Unterscheidungsmerkmalen.1571 Wie genau die Abwägung gestaltet sein muss, hängt ab vom jeweiligen Verständnis von der beim Gleichheitssatz.1572 Diesbezüglich kann nach oben verwiesen werden.1573 Eine Gesundheitsschutzmaßnahme, die nach der Hautfarbe differenziert, kann daher unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein.1574 Verdeckte Diskriminierungen können so ebenfalls adäquat erfasst werden. 1563

Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 241. Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 242. 1565 Sachs, in: Hdb Staatsrecht VIII (2010), § 182, Rn. 25; leicht anders BVerfGE 64, 135, 156 f. – Gerichtssprache ist Deutsch. 1566 Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 254. 1567 St. Rspr., vgl. BVerfGE 28, 243, 261  – Dienstpflichtverweigerung; BVerfGE 30, 173, 193 – Mephisto; BVerfGE 32, 98, 108 – Gesundbeter; BVerfGE 47, 327, 369 – Hessisches Universitätsgesetz; BVerfGE 128, 1, 41 – Gentechnikgesetz. 1568 BVerfGE 114, 357, 364 – Aufenthaltserlaubnis; Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, S. 254; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 135. 1569 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 103; so im Ergebnis auch ein Vertreter des Anknüpfungsverbots, Sachs, in: Stern Staatsrecht IV/2 (2011), 1762; Sachs, in: Stern Staatsrecht IV/2 (2011), § 121, S. 1668. 1570 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 716. 1571 Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 712. 1572 Nach Borowski könne die These (1) der „absoluten Differenzierungsverbote“ dadurch schlüssig werden, indem man sie so deute, dass die Vergleichbarkeit der Vergleichsgruppen hinsichtlich des verbotenen Merkmals nur dann vorliege, wenn es kein anderes Merkmal gebe, dass die Ungleichbehandlung rechtfertigt, Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 710. Damit wäre dies im Ergebnis eine Untervariante des Verständnisses (2). 1573 Siehe Abschnitt D. I.2. 1574 Vgl. Solariumsfall, siehe Abschnitt D. V. 1564

III. Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen 

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Das Anknüpfungsverbot (1) sieht in seiner eigentlichen Konzipierung keine Abwägung vor. Nur über eine umständliche Interpretation des Anknüpfungsverbots, die zwar denkbar,1575 soweit ersichtlich aber von niemandem vertreten wird, käme man zu einer Abwägbarkeit. Das Anknüpfungsverbot ist daher als Interpretation des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG abzulehnen. Sowohl nach der Auffassung vom Begründungsverbot (2), als auch nach der Auffassung von den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als Indizien für eine besondere Schwere der Differenzierung (3) ist eine Abwägung durchzuführen.1576 3. Schwere der Beeinträchtigung Die in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufgezählten Merkmale zeichnen sich dadurch aus, dass sie von dem Einzelnen faktisch nur sehr schwer (Sprache) bis gar nicht (Abstammung, Rasse, Herkunft) beeinflussbar sind oder ein faktischer Zwang zur Änderung durch eine benachteiligende Regelung1577 stark in ein Freiheitsrecht eingriffe (Religion, politische Überzeugung). Typischerweise sind diese Merkmale für eine Person von erheblicher Persönlichkeitsrelevanz und prägen das eigene Selbstbild. Durch die hohe Persönlichkeitsrelevanz ist der Menschenwürdegehalt dieser Merkmale besonders hoch.1578 Weiterer Grund für die Auflistung dieser Merkmale ist die Überzeugung, dass die genannten Merkmale eine Ungleich­behandlung im Regelfall nicht begründen können.1579 Die Merkmale sind auch typischerweise besonders anfällig für unzulässige Diskriminierungen, wie die historische Erfahrung lehrt.1580 Aufgrund schwerwiegender Diskriminierungserfahrungen der Vergangenheit fühlen sich Inhaber mancher, den genannten Merkmalen zugeordneter Eigenschaften1581 auch typischerweise besonders schwer herabgesetzt bei einer negativen Ungleichbehandlung aufgrund dieser Eigenschaft.1582 Auch eine solche, in einer 1575

Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 709 ff. Begründungsverbot und das Verständnis von den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 und Abs. 2 GG als Indiz für einen besonders hohen Schweregrad der Ungleichbehandlung schließen sich nicht gegenseitig aus. Da nur die alleinige Begründung mit einem der verdächtigen Merkmale verboten ist, könnte die Lehre vom Begründungsverbot so aufgefasst werden, dass eine unter Abwägung mit den verfolgten Zwecken verhältnismäßige Ungleichbehandlung erlaubt ist, weil dann zusätzlich die Zwecke zur Begründung dienen. Ob das alle Vertreter des Begründungsverbots so sehen würden, ist unklar. Dies rechtfertigt, die Auffassung von den Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG Merkmalen als Indizien für besondere Schwere eigenständig aufzuführen. 1577 Zur Figur des hypothetischen Alternativverhaltens, siehe Abschnitt C. XII. 1578 Huster, Rechte (1993), S. 313 f.; Huster, AöR 118 (1993), 109, 110. 1579 Vgl. Huster, Rechte (1993), S. 313 f.; Huster, AöR 118 (1993), 109, 110. 1580 Osterloh, in: Sachs, 6. Aufl. (2011), Art. 3, Rn. 244. 1581 Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 83 sprechen von „Kategorien“ und „Eigenschaften“. 1582 Dies herausstellend Kempny / Reimer, Gleichheitssätze (2012), S. 83 ff., nach denen aber an die Negation einer solchen Eigenschaft angeknüpft werden darf. Vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 29.10.2012 – 7 A 10532/12.OVG zu Personenkontrollen durch die Polizei, denen der Kläger, eine Person mit schwarzer Hautfarbe, auffallend häufig unterzogen wurde. 1576

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D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

bestimmten Bevölkerungsgruppe aufgrund historischer Geschehnisse gegebenenfalls nur subjektiv als besonders schwer empfundene Belastung rechtfertigt es, die Verwendung der genannten Merkmale als besonders schwer rechtfertigbar anzusehen. Die Einschlägigkeit von Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG führt dazu, dass von einer besonders belastenden Ungleichbehandlung auszugehen ist, die nur unter besonders hohen Anforderungen rechtfertigbar ist. Wegen der besonderen Nähe der jeweiligen Merkmale zum Menschenwürdekern des Gleichheitsrechts, die in deren Auflistung in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG zum Ausdruck kommt, ist das abstrakte Gewicht des Gleichheitsrechts bei Einschlägigkeit eines der Merkmale zudem besonders erhöht.1583 Ob Merkmale in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich aufgezählt sind, spielt andererseits aber nur insofern eine Rolle, als durch die ausdrückliche Erwähnung der hohe Menschenwürdegehalt besonders deutlich zum Ausdruck kommt und daher praktisch einfacher geltend gemacht werden kann. Auch die Anknüpfung an nicht aufgezählte Merkmale kann bei besonderer Nähe zur Menschenwürde – indiziert durch eine inhaltliche Nähe zu den verfassungsrechtlich ausdrücklich missbilligten Merkmalen – genauso oder ähnlich schwer wiegen.1584 4. Diskriminierung aufgrund mehrerer Merkmale Diskutiert wird auch die Ungleichbehandlung aufgrund mehrerer Merkmale. Beispielhaft ist die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Nachtarbeitsverbot zu nennen, bei der Arbeiterinnen die Nachtarbeit verboten wurde, weiblichen Angestellten und Männern aber erlaubt blieb.1585 Es wurde dort also in negativer Weise sowohl an das Geschlecht angeknüpft, Art. 3 Abs. 3, Abs. 2 GG, als auch an den Arbeiterstatus allgemein, Art. 3 Abs. 1 GG. Weit überwiegend wird angenommen, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund mehrerer verdächtiger Merkmale schwerer wiegt.1586 Auch auf einfachgesetzlicher Ebene ordnet § 4 AGG an, dass eine Ungleichbehandlung aus mehreren der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verbotenen Diskriminierungsmerkmale nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Anwendung jedes einzelnen Diskriminierungsmerkmals gerechtfertigt ist. Bei der Bemessung der nach § 15 AGG forderbaren Entschädigung bzw. des Schadensersatzes sehen die Gesetzesmaterialien vor, dass ein höherer Betrag zu zahlen sei, wenn die Diskriminierung aufgrund mehrerer Merkmale erfolgte.1587 Dem ist die Kommentarliteratur meist unreflektierend ge 1583 Die schwierigere Rechtfertigbarkeit einer Ungleichbehandlung könnte man auch in der Weise im konkreten Gewicht des Gleichheitsrechts abbilden, dass entweder nur das abstrakte Gewicht oder nur die Intensität der Ungleichbehandlung für besonders schwer gehalten werden. Für beides sprechen gute Gründe. Zum abstrakten Gewicht, siehe Abschnitt C. XI. 1. 1584 Zu Innominatgleichheitsrechten, siehe Fn. 1537. 1585 BVerfGE 85, 191 – Nachtarbeitsverbot. 1586 Zinsmeister, Diskriminierung (2007), S. 44. 1587 BT-Drs. 15/4538 S. 35.

III. Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen 

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folgt.1588 Gelegentlich wird die Begründung angeführt, die Persönlichkeitsverletzung sei stärker bei Anwendung mehrerer Diskriminierungsmerkmale.1589 Hinsichtlich des Schwere-Kriteriums der Qualität der Adressatenwahl spielt die Anzahl der Merkmale, an die die zu rechtfertigende Ungleichbehandlung1590 anknüpft, konstruktiv keine Rolle.1591 Allerdings sind Art und Anzahl der aktivierten Merkmale für das weitere Schwerekriterium der Nähe zum Menschenwürdekern1592 relevant. Die Verwendung der in Art. 3 Abs. 3 und Abs. 2 GG aufgeführten Merkmale ist zwar nach hier vertretener Meinung grundsätzlich rechtfertigbar,1593 wiegt aber wegen ihrer Nähe zur Menschenwürde so schwer, so dass die Verwendung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein wird.1594 Wird gleich aufgrund mehrerer verdächtiger Merkmale diskriminiert, liegt die Hürde der Rechtfertigung noch höher.1595 5. Intersektionalität, Mehrfachdiskriminierung und additive Diskriminierungen Unter „Intersektionalität“ wird verstanden, dass eine Person wegen mehrerer Merkmale zugleich benachteiligt wird.1596 Paradebeispiele sind „die schwarze Frau“,1597 „der homosexuelle Schwarze“1598 oder „die behinderte Migrantin“1599. Dies wird gelegentlich auch als „Mehrfachdiskriminierung“1600 bezeichnet. Zu unterscheiden ist die Intersektionalität jedoch von der „additiven Diskriminierung“. Für dieses Phänomen wird ebenfalls der Begriff „Mehrfachdiskriminierung“ 1588 Schiek, in: Schiek AGG (2007), § 4, Rn. 9; Mallmann, AiB 2008, 212, 214; Mohr, in: Adomeit / Mohr AGG, 2. Aufl. (2011), § 4, Rn. 12; J.-H. Bauer / S. Krieger, in: Bauer / Krieger AGG, 4. Aufl. (2015), § 4, Rn. 7. 1589 Meinel / Heyn / Herms, in: Meinel / Heyn / Herms AGG, 2. Aufl. (2010), § 4, Rn. 6; Däubler, in: Däubler / Bertzbach AGG, 3. Aufl. (2013), § 4, Rn. 17; Wendeling-Schröder, in: WendelingSchröder / Stein AGG (2008), § 4, Rn. 3 will erst prüfen, ob die „Kränkung“ stärker geworden sei. 1590 Oder Gleichbehandlung. 1591 Siehe Abschnitt D. II. 2. 1592 Siehe Abschnitt D. II. 2. c) bb). 1593 Siehe Abschnitt D. III. 2. 1594 Siehe Abschnitt D. III. 2. 1595 Dies gilt übrigens unabhängig davon, ob die einschlägigen Merkmale verschiedene Menschenwürdeaspekte schützen, da allein durch die formale Anerkennung der Schutzwürdigkeit der Situation durch das Aufführen des Merkmals in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG eine besondere Schwere der Beeinträchtigung zumindest im Menschenwürdeaspekt der Persönlichkeitsentfaltung indiziert ist. Vgl. C. XV bei Fn. 1244. 1596 Zinsmeister, Diskriminierung (2007), S. 44 ff.; Naguib, SJZ 2010, 233, 234. 1597 Crenshaw, in: Theory (1991), S. 57; Crenshaw 43 (1991), 1241. 1598 Fredman, EuZAntidiskriminierung 2005, 13, 13. 1599 Fredman, EuZAntidiskriminierung 2005, 13, 14.  1600 Weitere, in diesem Zusammenhang gebrauchte Begriffe sind „Interdependenz“, „interdependente Kategorien“, „Achsen der Ungleichheit“ und (sozialwissenschaftlich) „Diskriminierung in zwei Dimensionen“, vgl. Naguib, SJZ 2010, 233, 235–236.

236

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

verwandt.1601 Während bei der Intersektionalität die Verfassungsmäßigkeit einer einzigen Handlung überprüft wird, geht es bei der additiven Diskriminierung um die Diskriminierung durch mehrere verschiedene Handlungen.1602 Das Phänomen der additiven Diskriminierung stellt daher die gleichheitsrechtliche Entsprechung des Problems der „additiven Grundrechtseingriffe“ dar, bei welchem eine Gesamtbetrachtung mehrerer, in der Regel zeitlich hintereinander erfolgender Freiheitseingriffe thematisiert wird.1603 In Übertragung der für additive Grundrechteingriffe gefundenen Lösung ist eine zeitlich vorangegangene Diskriminierung dann zu berücksichtigen, wenn ihre Wirkung noch andauert. Der Diskussion um die Intersektionalität liegt die These zugrunde, dass die Diskriminierung unter Verwendung von mehr als einem verdächtigen Merkmal einen über die Summierung der Belastung hinausgehenden Effekt hat. Von Kimberle Crenshaw stammt die Idee, zu unterscheiden, ob es sich um eine die Belastung verstärkende Diskriminierung aufgrund eines weiteren Merkmals handele1604 oder ob die Diskriminierung aufgrund zweier Merkmale zu einer „höchst speziellen Belastung“ führe, der Personen, die nur je eines der Merkmale aufweisen, nicht unterlägen.1605 Als Beispiel führt sie an eine höchst spezielle Belastung schwarzer Frauen im Unterschied zu schwarzen Männern oder weißen Frauen.1606 Das Problem der Intersektionalität wird vorwiegend in der Sozialwissenschaft diskutiert.1607 In der deutschen Rechtswissenschaft hat es im Wesentlichen nur im Rahmen der Kommentierung von § 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Beachtung gefunden. Für § 4 AGG wird vertreten, bei einer Summierung von Diskriminierungsmerkmalen käme es zu einer Erhöhung der Entschädigungssumme, bei intersektioneller Diskriminierung allerdings bleibe es nicht bei einer Addition der Nachteile, sondern es trete ein weiterer Verstärkungseffekt hinzu.1608 Susanne Baer, Melanie Bittner und Anna Göttsche1609 greifen den Gedanken Crenshaws ebenfalls 1601

Naguib, SJZ 2010, 233, 235. Naguib, SJZ 2010, 233, 235; vgl. auch Däubler, in: Däubler / Bertzbach AGG, 3. Aufl. (2013), § 4, Rn. 13; Baer / Bittner / Göttsche, Mehrdimensionale Diskriminierung (2010), S. 33. 1603 Siehe Abschnitt A. I. 2. 1604 Makkonen, Discrimination, S. 11 nennt dies „compound discrimination“. 1605 Crenshaw, in: Theory (1991), S. 57, 63 f.: „Black women can experience discrimination in ways similar to white women’s experiences; sometimes they share very similar experiences with Black men. Yet often they experience double-discrimination  – the combined effects of practices which discriminates on the basis of race, and on the basis of sex. And sometimes they experience discrimination as Black women – not the sum of race and sex discrimination, but as Black women.“; Fredman, EuZAntidiskriminierung 2005, 13, 14: „synergistic nature of multiple discrimination“; Makkonen, Discrimination, S. 11: „intersectional discrimination in a narrower sense“; Thüsing, Diskriminierungsschutz, 2. Aufl. (2013), Rn. 6; Zinsmeister, Diskriminierung (2007), S. 44 f., 113 f.. 1606 Siehe Fn. 1605. 1607 Naguib, SJZ 2010, 233, 233. 1608 Däubler, in: Däubler / Bertzbach AGG, 3. Aufl. (2013), § 4, Rn. 15; Schiek, in: Schiek AGG (2007), § 4, Rn. 9. 1609 Baer / Bittner / Göttsche, Mehrdimensionale Diskriminierung (2010), S. 53. 1602

III. Besonderheiten bei den speziellen Gleichheitssätzen 

237

auf und vertreten die Auffassung, alle Diskriminierungsmerkmale seien „interdependent“ und daher nicht trennbar in mehrere verschiedene, gleichzeitig vorliegende.1610 In grundrechtsdogmatischer Hinsicht habe dies zur Folge, dass eine solche Diskriminierung nicht nach unterschiedlicher Intensität gemessen werden könne, sondern allgemein eine Verletzung des Achtungsanspruchs sei.1611 Die Ausgangsbeobachtung Crenshaws erfolgte im Zusammenhang mit dem prozessual strikt kategorisierenden US-amerikanischen Antidiskriminierungsrecht, bei dem entweder eine Diskriminierung wegen der Hautfarbe oder wegen des Geschlechts geltend gemacht werden kann, die Geltendmachung einer Diskriminierung gleichzeitig in beiderlei Hinsicht jedoch nicht berücksichtigt wird.1612 Für die Grundrechtsdogmatik ist diese Beschreibung jedoch nicht weiterführend. Die daraus gezogene Schlussfolgerung, es handele sich um eine andere Art der Diskriminierung, ist dogmatisch für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Ungleichbehandlung nicht verarbeitbar. Für die Prüfung von Art. 3 Abs. 1 GG kommt es nicht darauf an, ob die intersektional diskriminierten Personen auf eine besondere Art und Weise diskriminiert werden, die Angehörige anderer Gruppen, die jeweils nur eines der verdächtigen Merkmale erfüllen, nicht trifft. Auch im Fall einer Intersektionalität liegt nämlich eine Ungleichbehandlung vor, deren Rechtfertigung zu prüfen ist. Unabhängig von diesen anderen Diskriminierungssituationen ist im konkreten Fall für die intersektional diskriminierte Person festzustellen, wie schwer die streitgegenständliche Ungleichbehandlung individuell für sie wirkt. Die Feststellung des individuellen Gewichts der Ungleichbehandlung stellt dabei nichts anderes als einen der üblichen Prüfungsschritte bei der Überprüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Dabei wird faustformelartig davon auszugehen sein, dass die Schwere der Ungleichbehandlung höher ist, wenn gleichzeitig aufgrund mehrerer verdächtiger Merkmale diskriminiert wird.1613 Dies ist jedoch für den konkreten Fall näher zu untersuchen. Hinsichtlich der beteiligten Menschenwürdeaspekte ist den meisten Diskriminierungsmerkmalen der Menschenwürdeaspekt „Persönlichkeitsentfaltung“ zuzuordnen.1614 Dieser kann leichter oder schwerer beeinträchtigt sein.1615 Bei der Verwendung mehrerer verdächtiger Diskriminierungsmerkmale besteht eine Vermutung dafür, dass der Menschenwürdeaspekt Persönlichkeitsentfaltung stärker betroffen ist.1616 Insoweit erweist sich auf einfachgesetzlicher Ebene die Faustformel als zutreffend, dass im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ein Anspruch auf eine größere Entschädigungssumme besteht, wenn aufgrund mehrerer verdächtiger Diskriminierungsmerkmale differenziert wird. Im Einzelfall muss 1610

Baer / Bittner / Göttsche, Mehrdimensionale Diskriminierung (2010), S. 53. Baer / Bittner / Göttsche, Mehrdimensionale Diskriminierung (2010), S. 53. 1612 Vgl. auch Däubler, in: Däubler / Bertzbach AGG, 3. Aufl. (2013), § 4, Rn. 19 ff. 1613 Siehe den vorherigen Abschnitt D. III. 4. 1614 Vgl. Abschnitt D. III. 1. 1615 Siehe Abschnitt D. II. 1. c). Auch die Diskriminierungsmerkmale des Art. 3 Abs. 3  GG sind der Abwägung zugänglich, siehe Abschnitt D. III. 2. 1616 Siehe Abschnitt D. III. 4. 1611

238

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

aber geprüft werden, wie schwer der Menschenwürdeaspekt der Persönlichkeitsentfaltung (und gegebenenfalls weitere Menschenwürdeaspekte) beeinträchtigt ist.1617 Dabei kommt es über den Grundsatz des abnehmenden Grenzwerts1618 dazu, dass eine Diskriminierung aufgrund eines weiteren Merkmals belastender wirkt, weil der Aspekt Persönlichkeitsentfaltung bereits1619 in anderer Weise betroffen ist und der durch die Gleichheitsrechte geschützte Achtungsanspruch schon gemindert ist. Ein über die maximal annehmbare Addition1619a hinausgehender, multiplizierender Effekt lässt sich konstruktiv jedoch nicht begründen. Daneben kann es sein, dass im konkreten Fall aufgrund der Art und des besonders schweren Gewichts der intersektionalen Diskriminierung überhaupt nur bestimmte Argumente geeignet sind, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen und andere übliche Argumente nicht herangezogen werden können. Die Bestimmung, welche Abwägungsgesichtspunkte im konkreten Fall welches Gewicht haben, bzw. ob sie überhaupt ein Gewicht haben, ist jedoch ebenfalls Teil der üblichen Rechtfertigungsprüfung einer Ungleichbehandlung und führt nicht dazu, dass der Fall einer intersektionalen Diskriminierung grundrechtsdogmatisch anders zu behandeln wäre.

IV. Menschenwürdeaspekte bei idealkonkurrierenden Freiheits- und Gleichheitsrechten IV. Menschenwürdeaspekte bei Idealkonkurrenz Viele der in Gleichheitsrechten enthaltenen Aspekte sind gleichzeitig auch in Freiheitsrechten1620 enthalten, beispielsweise der Aspekt Transzendenz in Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 3 GG. In entsprechenden Fallgestaltungen sind dann auch in der Regel sowohl das Freiheitsrecht als auch das entsprechende Gleichheitsrecht idealkonkurrierend einschlägig. Eine Abgrenzung, wann ein Menschenwürdeaspekt dann beim besonderen Freiheitsrecht aktiv ist, wann beim Gleichheitsrecht und wann bei beiden, ist möglich,1621 aber müßig, da die Grenzen fließend sind und eine Doppelerfassung der materiellen Belastung ansonsten mit Hilfe des Instruments des Unterschiedlichkeitsgrads1622 wieder „herausgerechnet“ werden müsste. Zu beachten ist aber, dass die Regelung so beschaffen sein kann, dass beispielsweise der Aspekt der Transzendenz (oder der politischen Teilhabe) in unterschiedlicher Weise bei dem Gleichheitsrecht und bei dem Freiheitsrecht betroffen ist. Dann ist 1617

Siehe dazu die im Abschnitt D. II. 2. c) aufgestellten Kriterien. Vgl. C. I. 1. 1618 Siehe Abschnitt B. III. 3. 1619 Nicht in zeitlicher Hinsicht, sondern im Sinne einer Prüfungsreihenfolge. 1620 Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. 1621 Hier lässt sich die Faustformel heranziehen, wenn es um den Tatbestand geht, dann ist der Aspekt „Transzendenz“ über Art. 3 Abs. 3 GG aktiv, wenn es um die Rechtsfolge geht, dann über Art. 4 Abs. 1 GG (siehe das Beispiel sogleich). 1622 Siehe Abschnitt C. VII. 1619a

IV. Menschenwürdeaspekte bei Idealkonkurrenz 

239

bei der Bestimmung des Unterschiedlichkeitsfaktors darauf zu achten, dass die Beeinträchtigung des Aspekts sich unterscheidet, da sie auf unterschiedlichen Umständen beruht. Das Gewicht der Beeinträchtigung summiert sich dann, da der Aspekt insgesamt stärker betroffen ist. Beispiel: Allen Muslimen wird verboten, Tiere rituell zu schächten.1623 Anhänger anderer Religionen dürfen weiterhin rituell schächten. Hier wird der Aspekt „Transzendenz“ über Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 GG relevant, da der Tatbestand des Verbots an die Religionszugehörigkeit anknüpft. Außerdem wird bei der Rechtsfolge durch das Verbot rituellen Schlachtens in Art. 4 Abs. 1 GG eingegriffen. Dadurch wird ebenfalls der Aspekt „Transzendenz“ betroffen, aber in einer anderen Weise. Es wäre nämlich eine Regelung denkbar, die entweder nur im Tatbestand auf die Religionszugehörigkeit abstellt, oder nur mit der Rechtfolge des Schächtverbots die Religionsausübung betrifft.1624 Hier wird der Aspekt Transzendenz zweimal betroffen. Die Belastungen im Aspekt Transzendenz sind nicht dabei kongruent, sondern summieren sich.1625 Eine weitere Frage ist, ob bei Nicht-Erreichen der Schwelle für einen Eingriff in ein Freiheitsrecht der entsprechende Aspekt des Freiheitsrechts trotzdem beim Gleichheitsrecht relevant wird. Zu denken ist hierbei an Subventionen und Vergabe öffentlicher Aufträge, eventuell auch an staatliche Informationstätigkeit und Warnungen oder staatliche wirtschaftliche Betätigung, also Fälle staatlicher Leistungen im weiteren Sinn, wenn die Schwelle für einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG nicht erreicht wird.1626 Die wichtige Rolle des Gleichheitssatzes in solchen Situationen freiheitsrechtlicher Irrelevanz wird oft hervorgehoben.1627 Den genannten Fallgruppen ist gemeinsam, dass bei ihnen die Schwelle des Eingriffsbegriffs von einigen als zu hoch erachtet wird. Die eigentliche Frage ist, ob die Berufsfreiheit auch unterhalb dieser Schwelle bereits Schutzwirkungen erzeugt. Es wäre falsch, einer Lösung 1623 Um des Beispiels Willen sei davon auszugehen, dass das rituelle Schlachten eine Form der Religionsausübung sei. 1624 Auch sind die Betroffenen der Rechtsfolge nicht ausschließlich über das gewählte Tatbestandsmerkmal zu identifizieren. 1625 Ferner kann nicht gesagt werden, Art. 3 Abs. 1 GG stelle nur inhaltliche Anforderungen an den Tatbestand. Tatbestand und Folgen des Art. 3 Abs. 1 GG lassen sich hinsichtlich ihrer Diskriminierungswirkung nicht auseinander halten. Eine Unterscheidung ist nur sinnvoll, um sich über gleichartige und ungleichartige Belastung in verschiedenen Aspekten Klarheit zu verschaffen. Bei Freiheitsrechten gibt es einen Eingriff nur durch die Rechtsfolge. Werden Freiheitsrechte allein im Tatbestand relevant (z. B. bei Gewährung einer Vergünstigung), sind sie über die Beeinflussbarkeit und das hypothetische Alternativverhalten zu erfassen. Siehe Abschnitt C. XII. 1626 BVerfGE 116, 135, 151 – Gleichheit im Vergaberecht; vgl. zur Abgrenzung von berufs­ regelnder Tendenz zu nicht geschützten Wettbewerbssituationen BVerfGE 46, 120, 137 – Direkt­ ruf; BVerfGE 82, 209, 224 – 1 BvR 355/86; BVerfGE 106, 275, 298 ff. – Arzneimittelfestbeträge; BVerwGE 39, 329, 336 f. – Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden auf dem Gebiet des Bestattungswesens; Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456, 481 ff.; Brüning, JZ 2009, 29; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Art. 3, Rn. 20; vgl. auch Löwer, VVDStRL 60 (2001), 416, 445 f. mit weitem Eingriffsverständnis. 1627 Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456, 478 ff.; Lindner, Theorie (2005), S. 420.

240

D. Verstärkungswirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten 

des Problems aus dem Weg zu gehen, indem die in Art. 12 Abs. 1 GG enthaltenen Menschenwürdeaspekte einfach beim Gleichheitssatz aktiviert werden. Dies verschleiert lediglich die Problematik und bewirkt letztlich nur eine Verlagerung der selben Fragestellung in den Gleichheitssatz. Vorzugswürdig erscheint es daher, das Problem direkt bei der Berufsfreiheit anzugehen.

V. Beispielsfall Solariumsverbot Sachverhalt:1628 Natürlich Hellhäutigen wird die Benutzung von Solarien gesetzlich verboten. Zweck des Gesetzes ist die Vermeidung von Hautkrebs, also der Gesundheitsschutz, und letztlich die Vermeidung von Kosten für die öffentlichen Gesundheitssysteme. Dunkelhäutigen Personen (ab einem bestimmten natürlichen Pigmentierungsgrad)  ist die Benutzung von Solarien weiterhin gestattet, da der Gesetzgeber aufgrund verschiedener Studien davon ausgeht, dass das Hautkrebsrisiko ab einem gewissen natürlichen Pigmentierungsgrad durch die Solariumsnutzung nur in vernachlässigbarer Weise zunimmt. Die von Natur aus hellhäutige H, Stammkundin im Sonnenstudio, geht gegen die Regelung vor. Lösungsvorschlag: Es liegen idealkonkurrierend eine Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1  GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1  GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1  GG) der H vor. Beim Gleichheitsrecht wird das abstrakte Gewicht dieses Grundrechts mangels Einschlägigkeit von Art. 3 Abs. 3 GG nur durch den Menschenwürde­ aspekt der Persönlichkeitsentfaltung bestimmt. Bei der Bestimmung der Nähe zur Menschenwürde ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Unterscheidungsmerkmal „Hautfarbe“ dem in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmal „Rasse“ sehr ähnlich ist, daher eine große Nähe zum Menschenwürdekern des Grundrechts besteht, was in einer besonderen Intensität der Ungleichbehandlung resultiert.1629 Zudem ist eine Beeinflussbarkeit nicht gegeben, da H ihre natürliche Hautfarbe nicht ändern kann. Auch dies begründet eine erhebliche Belastung. Bei den sachlichen Gründen für die Adressierung ist der hypothetisch bestmögliche Adressat eines Solariumsverbots zum Zweck des Schutzes vor Hautkrebs eine hellhäutige Person, da bei ihr das Hautkrebsrisiko am größten ist, wenn sie ein Solarium besucht.1630 Der Gesetzgeber hat also den bestmöglichen Adressaten mit seiner Regelung angesprochen. Dadurch 1628

Angelehnt an BVerfG, NJW 2012, 1062 – Sonnenstudioverbot. Allenfalls zu diskutieren wäre die grundsätzliche Frage, ob wegen eines auf den Schutz von Minderheiten gerichteten Zwecks der Norm des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG bei einer Anknüpfung an eines der dort genannten Merkmale und einer daraus resultierenden negativen Rechtsfolge für Angehörige der Mehrheitsgesellschaft eine Ungleichbehandlung weniger intensiv wirkt. Dies würde sich auch auf ähnliche Merkmale wie „Hautfarbe“ auswirken. 1630 Bei einem Solariumsverbot auch für Personen mit mittlerer natürlicher Pigmentierung ist der Zweck der Hautkrebsvermeidung nicht mehr so gut erreichbar, da das Hautkrebsrisiko mit dem Pigmentierungsgrad abnimmt. Dies wäre in Form eines geringeren Grads an Geeignetheit zu berücksichtigen. 1629

V. Beispielsfall Solariumsverbot 

241

ergibt sich also keine zusätzliche Beschwer. Wegen der Schwere der anderen beiden Komponenten ist die Intensität des Gleichheitsverstoßes dennoch insgesamt als hoch anzusehen. Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt ebenfalls den Menschenwürdeaspekt der Persönlichkeitsentfaltung. Während beim Gleichheitsrecht dieser Aspekt jedoch durch die tatbestandliche Anknüpfung beeinträchtigt wird, liegt bei Art. 2 Abs. 1 GG eine andersartige Belastung der Persönlichkeitsentfaltung vor, nämlich eine durch die Rechtsfolge.1631 Durch die streitgegenständliche Regelung wird in das Recht der H eingegriffen, frei zu entscheiden, wie sie ihren Körper äußerlich gestalten möchte und welche Gesundheitsrisiken sie dafür in Kauf nehmen möchte.1632 Diese Belastung des Aspekts der Persönlichkeitsentfaltung ist eine andere, als jene, die bereits mit dem Gleichheitsrecht in die Gesamtabwägung eingestellt wird. Es liegt daher keine Überschneidung des Gleichheitsrechts und der allgemeinen Handlungsfreiheit im Menschenwürdeaspekt der Persönlichkeitsentfaltung vor,1633 so dass es zu einer Verstärkungswirkung in der Gesamtabwägung kommt. Zur Bestimmung des konkreten Gewichts dieses Eingriffs wären weitere Informationen dazu erforderlich, welche Alternativmöglichkeiten für H bestehen, die gewünschte Bräune zu erreichen und mit wie viel Aufwand diese für H verbunden wären. Ferner ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht der H betroffen, indem ihr die Gestaltung ihres äußeren Erscheinungsbilds nach eigenen Vorstellungen verwehrt wird. Dadurch wird ebenfalls der Menschenwürdeaspekt der Persönlichkeitsentfaltung betroffen. Es handelt sich dabei jedoch um die selbe Art und das selbe Gewicht der Betroffenheit, wie jene bei der allgemeinen Handlungsfreiheit, so dass durch die zusätzliche Heranziehung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kein weiterer materieller Gehalt in die Gesamtabwägung eingestellt wird.1634 Auf Seiten der Maßnahme streiten demgegenüber der Gesundheitsschutz (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und das Prinzip der Schonung öffentlicher Kassen. Deren konkretes Gewicht wäre unter Heranziehung weiterer Tatsachen zu den gesundheit­ lichen und finanziellen Folgen einer unregulierten Solariumsnutzung zu bestimmen. Vorbehaltlich dessen erscheint das Solariumsverbot derzeit gegenüber der H in der Gesamtabwägung unter Abwägung aller bekannten Gesichtspunkte nicht als gerechtfertigt.

1631 Warum die Belastung durch die Rechtsfolge der streitgegenständlichen Regelung nicht schon bei Art. 3 Abs. 1 GG berücksichtigt wird, siehe den Abschnitt D. IV. 1632 Vgl. BVerfG, NJW 2012, 1062, 1063 – Sonnenstudioverbot. 1633 Der Unterschiedlichkeitsfaktor ist daher mit 1 anzusetzen. 1634 Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung Sonnenstudioverbot das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur als weiteren Belang aufgeführt, der im Rahmen der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit zu berücksichtigenden sei, BVerfG, NJW 2012, 1062, Rn. 34 – Sonnenstudioverbot.

E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit Die vorliegende Arbeit befasst sich im Kern mit der Verstärkung unter den idealkonkurrierenden Grundrechten eines Grundrechtsträgers. Diskutiert wird aber auch, ob es eine Verstärkung mit Grundrechten Dritter, institutionellen Grundrechts­ gehalten oder auch mit rein objektivem Verfassungsrecht gibt. Es fragt sich, ob die Position des konkreten Grundrechtsträgers in der Abwägung dadurch gestärkt wird, dass gleichzeitig auch Grundrechte Dritter oder objektives Verfassungsrecht beeinträchtigt werden. In Abgrenzung zur vertikalen Belastungskumulation wird dieses Problem auch als horizontale Belastungskumulation bezeichnet.1635 Gelegentlich wird auch von Grundrechtsparallelität gesprochen,1636 was sich aus der umfassenden Perspektive erklärt, die eingenommen wird. Auch fällt in diesem Zusammenhang der Begriff der „Hebelwirkung“, worunter hauptsächlich verstanden wird, dass über den „Hebel“ des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit der „Elfes-Konstruktion“ die Einhaltung objektiven Verfassungsrechts und die Grundrechtskonformität auch bezüglich der Grundrechte Dritter eingefordert werden kann.1637 Die Verstärkung mit Grundrechten Dritter kann als ein Unterfall der Verstärkung mit objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten begriffen werden. Aus der Perspektive des konkreten Grundrechtsträgers handelt es sich bei Grundrechten Dritter nämlich um objektives Verfassungsrecht. Aus einer auf die Menschenwürde abstellenden Perspektive enthalten Grundrechte Dritter jedoch auch Menschenwürdeaspekte.1638

1635

Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214; Klement, AöR 134 (2009), 35, 42. Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 346. 1637 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 176 ff.; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 42 Fn. 188 m. w. N. zur Verwendung des Begriffs „Hebel“. 1638 Wobei dem objektiven Verfassungsrecht möglicherweise nicht immer Menschenwürdeaspekte zu Grunde liegen. Näheres in Abschnitt E. II. 2. 1636

I. Rechtsprechungsüberblick 

243

I. Rechtsprechungsüberblick In der wechselhaften1639 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird eine Verstärkung durch Grundrechtsgehalte Dritter mal berücksichtigt,1640 mal wird darauf nicht eingegangen1641. Im Urteil Schächten (2002)1642 hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem thematisiert, ob der von einem Schächtverbot betroffene Metzger ein Recht seiner gläubigen Kunden auf den Verzehr religionskonform geschlachteten Fleischs geltend machen kann. Bei der Beurteilung der Schwere des Grundrechtseingriffs führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Das Verbot trifft nicht nur den muslimischen Metzger, sondern auch seine Kunden. Wenn sie Fleisch geschächteter Tiere nachfragen, beruht dies ersichtlich auch auf der Überzeugung von der bindenden Kraft ihres Glaubens, anderes Fleisch nicht essen zu dürfen. Von ihnen zu verlangen, im Wesentlichen dem Verzehr von Fleisch zu entsagen, trüge den Essgewohnheiten in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht hinreichend Rechnung. […] Diesen Konsequenzen für gläubige muslimische Metzger und ihre ebenfalls gläubigen Kunden steht gegenüber, dass […].“1643 Hier stellt das Bundesverfassungsgericht zur Beurteilung der Schwere des Grundrechtseingriffs also nicht nur auf den beschwerdeführenden Metzger ab, sondern zusätzlich auch auf die nichtbeschwerdeführenden Kunden. Ob damit tatsächlich irgendeine Verstärkungswirkung einhergeht, lässt sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen. In der Entscheidung Caroline von Monaco II (1999) urteilte das Bundesverfassungsgericht, der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Eltern erfahre eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, soweit es um die Veröffentlichung von Abbildungen gehe, die die spezifische elterliche Hinwendung zu ihren Kindern zum Gegenstand habe.1644 Das Bundesverfassungsgericht stellt deutlich auf das Recht des Kindes ab, indem es ausführt: „Es ist aber anerkannt, daß Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen […]. Dieses Schutzbedürfnis besteht auch hinsichtlich der Gefahren, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen. Deren Persönlichkeitsentfaltung kann dadurch empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen. Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muß deswegen umfas 1639

Kube, DVBl. 2005, 721, 722 m. w. N.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 178. Stellvertretend BVerfGE 34, 165, 200 – Förderstufe; BVerfGE 38, 281, 302 ff. – Arbeitnehmerkammern; BVerfGE 61, 82, 112 f. – Sasbach; BVerfGE 85, 191, 205 f. – Nachtarbeitsverbot; BVerfGE 109, 64, 89 ff. – Mutterschaftsgeld II. 1641 Stellvertretend BVerfGE 13, 230, 235 f. – Ladenschlussgesetz I; BVerfGE 17, 306, 313 ff. – Mitfahrzentrale; BVerfGE 77, 84, 101 – Arbeitnehmerüberlassung. 1642 BVerfGE 104, 337 – Schächten. Detaillierte Besprechung siehe Abschnitt A. II. 1., siehe auch Abschnitt B. II. 1. a) aa) (1). 1643 BVerfGE 104, 337, 350 f. – Schächten. 1644 BVerfGE 101, 361, 386 – Caroline von Monaco II. Siehe auch die Sachverhaltswidergabe in Abschnitt A. II. 2. 1640

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E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit 

sender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen.“1645 Später heißt es: „Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört […].“ In der Literatur wurde das Urteil gelegentlich so gedeutet, als ob das Recht der beschwerdeführenden Mutter durch das Recht des Kindes verstärkt werde.1646 Andere Deutungen gehen dahin, dass der objektiv-rechtliche Gehalt des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG in die Prüfung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin eingeflossen sei.1647 Ob auf das subjektive Recht der Tochter abgestellt wird oder ob das Schutzbedürfnis von Kindern im Allgemeinen nur objektiv-rechtlich zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG herangezogen wird, wird aus der Entscheidung nicht deutlich. In der Entscheidung Kennzeichenerfassung (2008) erwähnt das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Gewicht des Grundrechtseingriffs: „Werden Personen, die keinen Erhebungsanlass gegeben haben, in großer Zahl in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen, können von ihr auch allgemeine Einschüchterungseffekte ausgehen, die zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen können […].“1648 Hier wird also auch auf die Anzahl der außer dem Beschwerdeführer betroffenen Grundrechtsträger abgestellt, also auf die Breitenwirkung der Maßnahme. In der Entscheidung Treppenlift (2000)1649 wollte der beschwerdeführende Mieter erreichen, dass der Vermieter es ihm erlaubt, einen Treppenlift für die querschnittsgelähmte Lebensgefährtin des Mieters einzubauen. Das Bundesverfassungsgericht berücksichtigte im Rahmen der von § 242 BGB geforderten Beurteilung der widerstreitenden Interessen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Dabei stellte es deutlich auf das Recht des Mieters aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ab, dass einem Lebensgefährten Zugang zur Wohnung verschafft wird.1650 Das sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergebende Nutzungsrecht des Mieters sei im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu sehen und werde davon mitgeprägt.1651 Aus dieser Formulierung kann geschlossen werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ein konkretes, subjektives Recht der Lebensgefährtin abstellt, sondern der objektiv-rechtliche Gehalt des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG herangezogen wurde. In der Entscheidung Anwaltsdaten (2005) berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich „die fundamentale objektive Bedeutung der ‚freien Ad 1645

BVerfGE 101, 361, 386 – Caroline von Monaco II, Rn. 83. Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 443. 1647 Vgl. Kupfer, Jura 2001, 169, 174. 1648 BVerfGE 120, 378, 402 – Automatisierte Kennzeichenerfassung; vgl. auch BVerfGE 113, 29, 46 – Anwaltsdaten. 1649 BVerfG, NJW 2000, 2658, 2658 – Treppenlift. Zum Sachverhalt, siehe Abschnitt A. II. 5. 1650 BVerfG, NJW 2000, 2658, 2658, 2659 – Treppenlift. 1651 BVerfG, NJW 2000, 2658, 2658, 2659 – Treppenlift. 1646

II. Argumentationsansätze 

245

vokatur‘“.1652 Die objektiv-rechtliche Bedeutung der anwaltlichen Tätigkeit und des rechtlich geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant sei jedenfalls dann berührt, wenn wegen der Gefahr eines unbeschränkten Datenzugriffs ein Mandatsverhältnis von Anfang an mit Unsicherheiten hinsichtlich seiner Vertraulichkeit belastet wird.1653 Hier wird also ausdrücklich die freie Advokatur als objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalt berücksichtigt.1654

II. Argumentationsansätze Eine Verstärkung der Position des Grundrechtsträgers in der Gesamtabwägung durch gleichläufige individuelle Rechte Dritter und objektives Verfassungsrecht wird in der Literatur von einigen Autoren angenommen.1655 Hinsichtlich des stärker diskutierten Falls der Berücksichtigung von Grundrechten Dritter sind die Befürworter1656 einer Berücksichtigung sogar etwas zahlreicher als die Gegner1657. 1. Symmetrie der Argumentation Ein häufig genanntes Argument für die Berücksichtigung sowohl objektiven Verfassungsrechts als auch der Grundrechte Dritter zugunsten des konkreten Grundrechtsträgers ist die Symmetrie der Argumentation. Da das staatliche Eingriffsinteresse über den Schutz objektiven Verfassungsrechts und staatlicher Schutzpflichten gegenüber Dritten begründet werde, müssten diese, sofern sie gegen den Eingriff sprächen, auch auf Seiten des konkreten Grundrechtsträgers berücksichtigt werden.1658 1652

BVerfGE 113, 29, 49 – Anwaltsdaten. BVerfGE 113, 29, 49 – Anwaltsdaten. 1654 BVerfGE 113, 29, 49 – Anwaltsdaten. 1655 Schwabe, Probleme (1977), S. 384; Borowski, Gewissensfreiheit (2006), S. 443; für kollektive Güter Anderheiden, Gemeinwohl (2006), S. 437; E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 415 f.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190; E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 538 f.; E. Hofmann, Jura 2008, 667, 671; Schenke, in: FS Jarass (2015), S. 247, 261; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 195 ff.; ablehnend Kahl, Schutzergänzungsfunktion (2000), S. 27 ff.; Cornils, in: Hdb Staatsrecht VII (2009), § 168, Rn. 61; Kube, DVBl. 2005, 721, 725 deutet an, Rechte Dritter auf der anderen Seite der Gesamtabwägung geltend machen zu wollen, indem sie indirekt die Wertigkeit des Regelungsziels beeinflussten. 1656 Schwabe, Probleme (1977), S. 384; Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214; vgl. Calliess, Umweltstaat (2001), S. 580; vgl. Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 792; E. Hofmann, Abwägung (2007), S. 479; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 176 ff.; Klement, AöR 134 (2009), 35, 50 f.; Kunig, in: v. Münch / Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 2, Rn. 23; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 196. 1657 Kube, DVBl. 2005, 721, 723 ff.; Portocarrero Quispe, Grundrechtabwägung (2014), S. 89; Alexy, Theorie (1985), S. 356. 1658 E.  Hofmann, AöR 133 (2008), 523, 539; Klement, AöR 134 (2009), 35, 50: Der prozessführende Grundrechtsträger fungiere als Prozessstandschafter für die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte; vgl. Schwabe, Probleme (1977), S. 384; vgl. Alexy, in: GS Sonnenschein (2003), S. 771, 792. 1653

246

E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit 

2. Grundrechte Dritter als Teil der objektiven Rechtsordnung Grundrechte Dritter sind ebenfalls Teil der objektiven Rechtsordnung und müssen von den Entscheidungsträgern beachtet werden. Vielfach wird daher argumentiert, Grundrechte Dritter seien als Teil der objektiven Rechtsordnung im Sinne der „Elfes-Konstruktion“ mit zu berücksichtigen.1659 Nach der „Elfes-Konstruktion“1660 muss jeder Eingriff in Grundrechte mit der gesamten Verfassungsordnung in Einklang stehen.1661 Ein Grundrechtsverstoß kann daher bereits dann vorliegen, wenn gegen objektives Verfassungsrecht verstoßen wurde.1662 Dieses Modell wurde allerdings für Verstöße gegen Kompetenz- und Verfahrensnormen entwickelt. Ob es auch für Grundrechte Dritter gilt, ist die Frage. Die Befürworter argumentieren, es bestehe ein subjektives Abwehrrecht gegenüber objektiv rechtswidrigen Eingriffen in individuelle Grundrechtspositionen.1663 3. Schutzrichtung der Grundrechte Dritter Materiell stellt sich die Frage, ob die Grundrechte eines Dritten auch den konkreten Grundrechtsträger schützen. Nur, weil gleichzeitig auch ein Dritter belastet ist, wird jedenfalls die individuelle Freiheit des konkreten Grundrechtsträgers nicht stärker beschnitten.1664 Nach der dem Grunde nach auch auf das Verfassungsrecht übertragbaren1665 Schutznormtheorie ist eine objektive Norm dann individualschützend, wenn sie auch dazu bestimmt ist, dem Einzelnen Rechte zu gewähren.1666 Eine Berücksichtigung

1659 Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 280; E.  Hofmann, Abwägung (2007), S. 479; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 190; Klement, AöR 134 (2009), 35, 50–51. 1660 BVerfGE 6, 32 – Elfes. 1661 Zur Entwicklung der Rechtsprechung hin zu einer Übertragung der Elfes-Konstruktion auf andere Freiheitsgrundrechte als Art. 2 Abs. 1  GG, Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 176 Fn. 458 m. w. N. 1662 BVerfGE 40, 296, 310 ff. – Abgeordnetendiäten; BVerfGE 85, 191, 205 f. – Nachtarbeitsverbot. 1663 Böckenförde, Lage (1990), S. 43 f.: es gebe ein subjektives Recht auf Beachtung objektiver Gehalte in der Abwägung, da es ein subjektives Recht auf die objektive Verfassungsmäßigkeit von Eingriffsakten gebe. 1664 Vgl. Kube, DVBl. 2005, 721, 726; Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 196. Im Gegenteil, unter Annahme eines relativen Belastungsmaßstabs würde man wenn überhaupt die Belastung als geringer ansetzen, da bei jeder weiteren Person, die auch belastet wird, das Normalmaß an Belastung herauf gesetzt wird und somit die Belastung des konkreten Grundrechtsträgers gemessen am Durchschnitt weniger hoch ist. Die Belastung eines Grundrechtsträgers ist aber anhand eines absoluten Maßstabs festzustellen, da die Menschenwürde auch absolut und nicht relativ bezogen auf die gesellschaftlichen Umstände gilt. 1665 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 179. 1666 Huber, Konkurrenzschutz (1991), S. 100 ff.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 179.

II. Argumentationsansätze 

247

von Grundrechten Dritter wird daher von einigen abgelehnt,1667 weil Grundrechte Dritter relativ zu den Grundrechten des konkreten Grundrechtsträgers keine freiheitsschützende Wirkung hätten.1668 Dem Einzelnen stünden nur die auf ihn bezogenen Grundrechte zu, er habe keinen Anspruch auf einen unbeeinträchtigten grundrechtlichen Gesamtzustand.1669 Allerdings kann eine Verfassungsbeschwerde anerkanntermaßen wegen Verstoßes gegen Kompetenz- und Verfahrensnormen erfolgreich sein.1670 Daraus ergibt sich folgendes Argument Spielmanns: Für den Erfolg einer Verfassungsbeschwerde wegen Verstoßes gegen Kompetenz- und Verfahrensnormen sei eine individualschützende Wirkung der Kompetenz- und Verfahrensnormen nötig1671 und anerkannt.1672 Kompetenz- und Verfahrensnormen hätten aber keinen originär individualschützenden Gehalt.1673 Daher bleibe nur, den Individualschutz derivativ zu konstruieren, also als Erzeugungsvoraussetzung eines eingriffslegitimierenden Gesetzes.1674 Einzige Voraussetzung in diesem Zusammenhang sei ein Eingriff beim Grundrechtsträger in die allgemeine Handlungsfreiheit.1675 Diese Argumentation treffe auch auf Grundrechte Dritter zu, so dass man sie nicht anders behandeln dürfe als Kompetenz- und Verfahrensnormen. Grundrechte Dritter seien daher rügefähig.1676 4. Wille des Dritten Gegen eine Rügbarkeit von Grundrechten Dritter wird oft vorgebracht, der Dritte wolle vielleicht gar nicht den Grundrechtsverstoß geltend machen.1677 Dem wird wiederum entgegnet, ein Wille zur Aufrechterhaltung einer verfassungswidrigen Belastung sei zum einen kaum denkbar.1678 Zum anderen werde auch dann auf die 1667

Alexy, Theorie (1985), S. 356; Kube, DVBl. 2005, 721, 726 f. Alexy, Theorie (1985), S. 354; vgl. auch Poscher, Grundrechte (2003), S. 317; Kube, DVBl. 2005, 721, 726 f.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 181. 1669 Alexy, Theorie (1985), S. 355. 1670 Hillgruber, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 2 Abs. 1, Rn. 162 ff.; Stern, in: Stern Staatsrecht IV/1 (2006), § 104, S. 960 ff.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 179; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 6.  Aufl. (2010), Art.  2, Rn.  24; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 42 f. 1671 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 179. 1672 Alexy, Theorie (1985), S. 354; Dreier, in: Dreier GG, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 42. 1673 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 180. 1674 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 179 ff. 1675 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 181; gegen eine solche Begründung von Individualschutz Kube, JuS 2003, 111, 116. 1676 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 181. 1677 Alexy, Theorie (1985), S. 355; Ladeur, Freiheitsrechte (2000); Kube, DVBl. 2005, 721, 725. 1678 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 181 Fn. 492; vgl. Wernsmann, Steuergesetz (2000), S. 176. 1668

248

E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit 

Befindlichkeiten Dritter keine Rücksicht genommen, wenn schon das Gesetz gegen Grundrechte des konkreten Grundrechtsträgers verstoße.1679 Bezüglich des Willens des Dritten ist zu berücksichtigen, dass Grundrechte bzw. grundrechtsgleiche Rechte eine objektive Komponente haben, die nicht zur Disposition des Grundrechtsträgers steht und auf die er daher nicht verzichten kann.1680 Dies wird zum Beispiel bejaht beim Wahlgeheimnis.1681 Besteht keine Dispositionsbefugnis, ist der Wille des Dritten daher unbeachtlich. Falls eine Dispositionsbefugnis besteht, kann auf der anderen Seite eine wirksame Einwilligung eines Dritten in einen Grundrechtseingriff nicht bedeutungslos sein. Eine wirksame Einwilligung hat nach herrschender Meinung zur Folge, dass schon kein Grundrechtseingriff vorliegt.1682 In einem solchen Fall gibt es keinen Grund, das letztlich tatbestandlich nicht einschlägige Grundrecht des Dritten beim konkreten Grundrechtsträger zu berücksichtigen. Dem Willen des Dritten kommt daher nur in Fällen einer wirksamen Einwilligung in den Grundrechtseingriff Bedeutung zu. Bei fehlender Dispositionsbefugnis über das Schutzgut bzw. nicht vorhandener Willensäußerung verhindert das Argument des Willens des Dritten nicht die Berücksichtigung seiner Grundrechte. 5. Popularklage Gegen die Möglichkeit einer Berufung auf die Beeinträchtigung von Grundrechten Dritter wird ferner argumentiert, dass damit die unerwünschte Popularklage ermöglicht würde. Bei einer Popularklage macht der Kläger keine eigene Rechtsverletzung geltend, sondern macht sich „zum Anwalt des öffentlichen Interesses“.1683 Wegen der analogen Anwendung des Erfordernisses einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO auf nahezu sämtliche verwaltungsprozessualen Klagearten ist eine Popularklage derzeit nur in den seltenen Ausnahmefällen möglich, wo dies ausdrücklich angeordnet ist, so zum Beispiel bei den Verbandsklagemöglichkeiten nach § 8 BNatschG, § 13 BGG oder § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Das Hauptargument gegen die Popularklage ist die Befürchtung einer Überlastung der Justiz durch eine Klageflut. Eine Prozessstandschaft für Rechte Dritter oder das Allgemeininteresse wird daher

1679

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 181 Fn. 492. BVerwGE 115, 189, Rn. 63 – Laserdrome; VG Neustadt, NJW 1998, 93, 99 – Zwergenweitwurf; BVerwGE 64, 274, Rn. 22 – Peep-Show. 1681 H. H. Klein, in: Maunz / Dürig GG, 77. EL. (2015), Art. 38, Rn. 111. 1682 Stellvertretend Bethge, in: Hdb Staatsrecht IX (2011), § 203, Rn. 144 f.; Jarass, in: Jarass / Pieroth GG, 14. Aufl. (2016), Vorb. vor Art. 1, Rn. 36. Nach anderer Auffassung führt eine wirksame Einwilligung nur dazu, dass der Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Auch vor diesem Verständnis gibt es keinen Grund, den letztlich gerechtfertigten Grundrechtseingriff beim konkreten Grundrechtsträger zu berücksichtigen. 1683 Groscurth, Examenskurs VwGO (2014), Rn. 170. 1680

III. Übertragung des Ansatzes der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung  249

als unzulässig erachtet.1684 Bei alleiniger objektiver Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung eines Grundrechts eines Drittens würde sich der Beschwerdeführer zum Prozessstandschafter für diesen Dritten aufschwingen.1685 Die meisten Befürworter einer Verstärkungswirkung durch Grundrechte Dritter verlangen aber, dass zumindest auch ein Eingriff in ein eigenes Grundrecht des beschwerdeführenden Grundrechtsträgers vorliegt,1686 so dass keine Popularklage mehr gegeben sei.1687 Abgesehen davon folgt das Prozessrecht dem materiellen Recht auch in der Frage, ob Grundrechte Dritter rügefähig sind.1688 Die Gegenansicht der Lehre von der Kontrollnorm, wonach die Bindung des Gesetzgebers stellenweise weiter reiche, als die Kontrollmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts,1689 ist abzulehnen.1690

III. Übertragung des Ansatzes der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung Das Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten kann auch auf die Frage nach einer Verstärkung des individuellen Grundrechtsschutzes durch Grundrechte Dritter, institutionelle Grundrechtsgehalte oder sonstiges objektives Verfassungsrecht übertragen werden. Wie oben gezeigt, lässt sich bei einer grundsätzlichen Akzeptanz der Elfes-Rechtsprechung die Rügbarkeit auch von Verstößen gegen Grundrechte Dritter nicht mehr nachvollziehbar auszuschließen, da Grundrechte Dritter aus Sicht des Beschwerdeführers ebenfalls objektives Verfassungsrecht darstellen (Abschnitt II.2). Flankiert wird dies durch die Erwägung, dass auch auf Seiten des staatlichen Eingriffsinteresses der Schutz von Grundrechten Dritter argumentativ geltend gemacht wird (Abschnitt II.1.). Dem können die Einwände einer anderen Schutzrichtung der Grundrechte Dritter, des hypothetischen Willens der Dritten und der Gefahr von Popularklagen nichts Wesentliches mehr entgegen setzen (siehe zur Entkräftung dieser Argumente die Abschnitte II.3., II.4. und II.5.).

1684

Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 178. Klement, AöR 134 (2009), 35, 50. 1686 Manssen, Staatsrecht I (1995), Rn. 749; Wernsmann, Steuergesetz (2000), S. 176; Hillgruber, in: Umbach / Clemens (2002), Art. 2 Abs. 1, Rn. 183 ff.; Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 181, 190 mit einigen besonderen Anforderungen an den Eingriff. Dass der weite Art. 2 Abs. 1 GG als Grundrecht, in das eingegriffen wird, ausreicht, wird z. B. von Dieter Grimm bezweifelt. Zur Kritik an einem weiten Verständnis des Art. 2 Abs. 1 GG, siehe BVerfGE 80, 137, 167 f. – Reiten im Walde (Sondervotum Grimm). 1687 Spielmann, Konkurrenz (2008), S. 181; Klement, AöR 134 (2009), 35, 50. 1688 Kube, DVBl. 2005, 721, 725 f. 1689 Schoch, DVBl. 1988, 863, 876. 1690 Sachs, JuS 1997, 124, 125; Starck, in: Hdb Staatsrecht XII (2014), § 271, Rn. 15; Isensee, in: Hdb Staatsrecht XII (2014), § 268, Rn. 84. 1685

250

E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit 

Da das Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten über einen Vergleich der Menschenwürdegehalte auf einer sehr abstrakten Betrachtungsebene ansetzt, kann es auch auf ein idealkonkurrentielles Zusammentreffen so unterschiedlicher Rechtsgüter wie eigener Grundrechte des Beschwerdeführers, Grundrechte Dritter und sonstigem objektiven Verfassungsrecht übertragen werden. Sind die idealkonkurrierenden Grundrechte tatbestandlich einschlägig, werden die materiellen Schutzgüter dieser beteiligten Grundrechte auf der Abstraktionsebene der Menschenwürdegehalte miteinander verglichen. Für den konstruktiven Ansatz der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten ist es nicht von Bedeutung, wie es zur tatbestandlichen Einschlägigkeit der Grundrechte gekommen ist und welche Grundrechtsfunktion dadurch aktiviert wird.1691 Im Rahmen der Umsetzung des Modells ist jedoch zunächst zu fragen, ob Menschenwürdeaspekte in den Grundrechten Dritter und in den objektiven Verfassungsbestimmungen geschützt werden (1.), und in einem zweiten Schritt, inwieweit sich diese von den beim konkreten Grundrechtsträger einschlägigen Menschenwürdeaspekten unterscheiden (2.). 1. Vorhandensein von Menschenwürdeaspekten Die erste Frage ist für Grundrechte Dritter offensichtlich positiv zu beantworten, denn so wie die Grundrechte des konkreten Grundrechtsträgers Menschenwürdeaspekte enthalten, so ist dies auch bei Grundrechten Dritter der Fall. Schwieriger zu beantworten ist sie im Falle objektiven Verfassungsrechts. Dabei ist zwischen institutionellen Grundrechtsgehalten und sonstigen kollektiven Gütern sowie sonstigem objektiven Verfassungsrecht zu unterscheiden. Bei sonstigem objektiven Verfassungsrecht, das weder zu den institutionellen Grundrechtsgehalten noch zu den kollektiven Gütern zählt, ist zweifelhaft, ob darin ein eigenes materielles Schutzgut enthalten ist. Als Beispiele seien genannt reine Organisationsnormen wie die Kompetenzbestimmungen in Art. 70 ff. GG, aber auch manche Bestimmungen im Grundrechtsteil, wie zum Beispiel das Einzelfallgesetzverbot oder das Zitiergebot in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 GG. Bei ihnen kann daher das Vorhandensein von Menschenwürdeaspekten bezweifelt werden. Den genannten Grundgesetzbestimmungen ist gemeinsam, dass der Zusammenhang zur Menschenwürde nur sehr mittelbar ist. Beim Zitiergebot ist ein mittelbarer Zusammenhang zum wirksamen Grundrechts- und damit Menschenwürdeschutz noch relativ deutlich damit begründbar, dass das Zitiergebot das Bewusstsein für Grundrechtseingriffe beim Gesetzgeber fördert und dadurch die Grundrechte und die darin enthaltenen Menschenwürdeaspekte schützt. Bei Organisationsnormen ist 1691

Siehe die Abschnitte C. IV. und D. II. 1. b).

III. Übertragung des Ansatzes der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung  251

der Zusammenhang jedoch sehr viel mittelbarer. Er kann darin gesehen werden, dass Organisationsnormen letzten Endes der Funktionsfähigkeit des Staates dienen und damit mittelbar auch die Menschenwürde schützen, indem sie den Staat funktionsfähig erhalten, der die Menschenwürde garantiert. Dies allein könnte man ausreichen lassen, um den genannten Normen den Schutz jeweils konkret mittelbar betroffener Menschenwürdeaspekte zuzuweisen. Da der Zusammenhang aber nur sehr mittelbar ist, wäre an die Begründung eines praktisch relevanten Gewichts in der Abwägung einiges an Anforderungen zu stellen. Gegen ein solches Verständnis spricht zudem, dass bei diesen objektiven Verfassungsbestimmungen gerade der nötige Zusammenhang zu einem Individualinteresse verneint wird, welches zur Begründung eines subjektiven Rechts bekanntlich erforderlich ist. Es wäre implausibel, zunächst das Vorliegen einer subjektiven Rechtsposition zu verneinen und dann dennoch den Schutz individuell betroffener Menschenwürdeaspekte argumentativ geltend zu machen. Diejenigen Menschenwürdeaspekte, die mittelbar betroffen sind, wären letztlich auch diejenigen, die bereits in dem potentiell verstärkten Grundrecht, beispielsweise Art. 2 Abs. 1 GG, aktiviert wären. Es besteht daher kein Bedürfnis, Menschenwürdeaspekte in jenen objektiven Verfassungsbestimmungen zu finden zum Zweck der Berücksichtigung in der Abwägung, da damit kein neuer materieller Gehalt für eine Verstärkung gefunden werden kann. Ein weiterführendes Problem ist das der kollektiven Güter. Dabei ist zu unterscheiden zwischen solchen, die zugleich institutionelle Grundrechtsgehalte sind, und sonstigen kollektiven Gütern. Allgemein zeichnen sich kollektive Güter dadurch aus, dass einzelne nicht von ihrem Gebrauch ausgeschlossen werden können (Öffentlichkeit) und sie nicht auf einzelne Personen aufgeteilt werden können (Unteilbarkeit).1692 Nach der Lehre vom Doppelcharakter haben Grundrechte nicht nur subjektive, sondern auch objektive Gehalte,1693 die als „institutionelle Grundrechtsgehalte“ bezeichnet werden können.1694 Ein Beispiel für einen institutionellen Grundrechtsgehalt als kollektives Gut ist das in Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Institut der freien Presse.1695 Ein Beispiel für ein kollektives Gut, das nicht zugleich ein institutioneller Grundrechtsgehalt ist, ist der in Art. 20a GG aufgeführte Umweltschutz. Die institutionellen Grundrechtsgehalte einer Grundrechtsnorm nehmen potentiell die selben Menschenwürdeaspekte in Bezug, wie das Grundrecht als subjektives Recht. In ihrer konkreten Ausprägung ist es jedoch möglich, dass sie nur auf

1692 Huster, Rechte (1993), S. 94 unter Hinweis auf Rawls; ausführlich Anderheiden, Gemeinwohl (2006), S. 111 ff. 1693 Degen, Pressefreiheit (1981), S. 52; vgl. Spranger, NJW 2002, 2074, 2075. 1694 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, 3. Aufl. (1983), S. 70 ff.; eingehend zum institutionellen Gehalt, Mager, Einrichtungsgarantien (2003). 1695 Grundlegend BVerfGE 20, 162, 175 – Spiegel; vgl. auch Degen, Pressefreiheit (1981), S. 58 ff.

252

E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit 

einen Teilausschnitt des in dem jeweiligen Grundrecht enthaltenen Spektrums an Menschenwürdeaspekten zurückgehen. Bei sonstigen kollektiven Gütern ist der Zusammenhang zu einem Individualinteresse so mittelbar, dass er zur Begründung eines subjektiven Rechts nicht ausreicht.1696 Anders als in der oben behandelten Fallgruppe des sonstigen objektiven Verfassungsrechts ist ihnen jedoch ein eigener, von dem verstärkten Grundrecht verschiedener materieller Gehalt nicht abzusprechen. Ob kollektive Güter dennoch letztlich mittelbar ausschließlich individuelle Güter (des konkreten Grundrechtsträgers und Dritter) sind und damit vollständig auf den Schutz der Menschenwürde zurückführbar sind, ist umstritten. Denkbar ist auch, dass in kollektiven Gütern noch andere materielle Güter geschützt werden, die nicht vollständig mittelbar auf die individuelle Menschenwürde zurückzuführen sind. Worin genau der materielle Gehalt der kollektiven Güter besteht, ob und gegebenenfalls welche Menschenwürdeaspekte durch sie geschützt werden, muss näheren Untersuchungen zu den einzelnen kollektiven Gütern vorbehalten bleiben. Sollte sich dabei jedoch herausstellen, dass sie zumindest auch von der Menschenwürde verschiedene materielle Schutzgüter schützen, wäre es nahe liegend, diese verstärkend in der Gesamtabwägung zusätzlich zu den Menschenwürdeaspekten zu berücksichtigen.1697 2. Berücksichtigung der Menschenwürdeaspekte In Kapitel C. wurde ausgeführt, dass es nur dann zu einer idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung kommt, wenn eine Verschiedenheit zu den bereits in Rechnung gestellten Menschenwürdeaspekten hinsichtlich ihrer Art oder der Schwere ihrer Betroffenheit besteht.1698 Dies gilt auch für die Gewichtsverstärkung durch institutionelle Grundrechtsgehalte und Grundrechte Dritter. a) Institutionelle Grundrechtsgehalte Bei institutionellen Grundrechtsgehalten muss – nachdem die im objektiven Verfassungsgut enthaltenen Menschenwürdeaspekte identifiziert wurden – die Frage gestellt werden, ob sich diese Menschenwürdeaspekte nach Art und Grad ihrer Betroffenheit von den Menschenwürdeaspekten unterscheiden, die auf Seiten des Grundrechtsträgers über seine beeinträchtigten Grundrechte einschlägig sind. 1696 Im Gegensatz dazu wird bei institutionellen Grundrechtsgehalten regelmäßig zugleich ein Eingriff in das entsprechende, in der Grundrechtsnorm enthaltene subjektive Grundrecht vorliegen. 1697 Dies gilt ebenfalls für den unwahrscheinlichen aber nicht vollständig auszuschließenden Fall, dass in einzelnen institutionellen Grundrechtsgehalten ein weiteres materielles Schutzgut erkannt wird, dass von dem Schutz der Menschenwürde verschieden ist. 1698 Siehe Teil C.

III. Übertragung des Ansatzes der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung  253

Die institutionellen Grundrechtsgehalte enthalten zwar die selben1699 Menschenwürdeaspekte wie die entsprechenden Grundrechte. Dadurch, dass sie allerdings viel umfassender sind, werden an eine relevante Beeinträchtigung oder relevante Förderung höhere Anforderungen gestellt. Beispiel: Die Patientin A begehrt von ihrer gesetzlichen Krankenkasse die Übernahme der Kosten eines teuren Medikaments, das eine schnellere und zuverlässigere Heilung verspricht. Dies würde die Gesundheit und damit den Menschenwürdeaspekt Leben bei A fördern. Auch im Hinblick auf das kollektive Gut der Volksgesundheit mit dem Menschenwürdeaspekt Leben könnte über eine Förderung nachgedacht werden. Der Grad der Förderung bei einer einzigen zusätzlichen gesunden Person wäre jedoch bei einer Bevölkerung von über 80 Millionen Menschen verschwindend gering. Eine praktisch relevante Verstärkung der Position der A in der Abwägung durch die Heranziehung der Volksgesundheit würde daher schon nicht eintreten. Eine Berufung der A zusätzlich auf den institutionellen Gehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG würde ihr daher keine Vorteile bringen.1700 Wenn der Grad der Förderung der Volksgesundheit nur verschwindend gering ist und die Gesundheit des Einzelnen Teil der Volksgesundheit ist, müsste man dann insgesamt die Förderung des Menschenwürdeaspekts Leben für verschwindend gering ansetzen? Das ist zu verneinen. Perspektivisch steht nämlich die Grundrechtsträgerin A im Mittelpunkt. Ihr Menschenwürdeaspekt Leben wird stark gefördert. Deswegen ist dieser auch als Ausgangspunkt der Betrachtung zu nehmen und die Volksgesundheit zusätzlich zu bedenken.1701 Für ein weiteres Beispiel kann die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) näher betrachtet werden. Bei einem Eingriff in die Pressefreiheit besteht zwar eine Belastung des Grundrechtsträgers in seiner subjektiven Pressefreiheit. Wegen der regelmäßig von einem solchen Eingriff ausgehenden negativen Breitenwirkung liegt aber meist gleichzeitig auch ein schwerer Eingriff in den institutionellen Grundrechtsgehalt des Instituts der freien Presse vor. Es lässt sich sogar mit guten Gründen vertreten, dass in Fällen der Aktivierung der Pressefreiheit nur selten der Individualschutz 1699

Wenn auch gegebenenfalls nicht alle des Grundrechts, siehe den vorherigen Abschnitt E. III. 1. 1700 Im Gegenteil könnte das Argument der Volksgesundheit auch gegen eine Finanzierung des Medikaments ins Feld geführt werden, da dadurch weniger finanzielle Mittel für andere Kranke zur Verfügung stünden. Auch hierbei würde sich jedoch die Frage anschließen, ab welcher Größenordnung eine relevante Auswirkung eintritt. 1701 Beim Unterschiedlichkeitsfaktor in der Gesamtabwägung wurde gesagt, es wäre unerheblich, in welcher Reihenfolge die Güter aufgeführt werden (Abschnitt C. XI. 3. b)). Dies stimmt immer noch. Allerdings wäre, selbst wenn man mit der Volksgesundheit „beginnt“ und dann die Gesundheit der A „hinzutreten lässt“, der Unterschiedlichkeitsfaktor nicht mit Null, sondern höher anzusetzen, da bezogen auf die beschwerdeführende Grundrechtsträgerin A der Grad der Förderung hoch ist. Die Volksgesundheit und die Gesundheit der A unterschieden sich also dadurch, dass es eben die eigene Gesundheit der A ist. Dies ist bei der Bestimmung der Schwere zu berücksichtigen, da es gerade um ihren Individualschutz geht.

254

E. Verstärkungswirkungen in Grenzfällen individueller Betroffenheit 

im Vordergrund steht, sondern sogar meistens der Eingriff in das Institut der freien Presse ein weitaus größeres Bedürfnis nach Rechtfertigung auslöst. b) Grundrechte Dritter Die Behandlung von Grundrechten Dritter unterscheidet sich nur geringfügig von der Behandlung objektiven Verfassungsrechts. Relativ zum konkreten Grundrechtsträger verhalten sich ebenfalls betroffene Grundrechte Dritter so, wie objektives Verfassungsrecht. Dabei kommt der Anzahl der von einer Maßnahme betroffenen Personen Bedeutung zu.1702 Kloepfer sieht eine horizontale Belastungskumulation durch „den ausgedehnten Freiheitsverlust, der dadurch eintritt, daß breite Bevölkerungsteile von gleichartigen, in sich zulässigen Eingriffen betroffen werden“.1703 Auch die Intensität einer Ungleichbehandlung erhöhe sich, je mehr benachteiligte Personen es gebe.1704 Der Grund, warum die Position des Grundrechtsträgers in der Gesamtabwägung durch gleichläufige Grundrechte Dritter gestärkt wird, ist jedoch nicht eine höhere Belastung, sondern ein anderer: Nach der Lehre vom Doppelcharakter haben Grundrechte nicht nur subjektive, sondern auch objektive Gehalte.1705 Diese kann man auch als „institutionellen Gehalt“ bezeichnen.1706 Wird in das Grundrecht einer Person eingegriffen, ist zugleich der institutionelle Gehalt des Grundrechts betroffen. Im Regelfall hat es aber keine Auswirkungen, wenn neben dem Grundrechtseingriff beim konkreten Grundrechtsträger auch in das Grundrecht eines bestimmten Dritten eingegriffen wird, weil der institutionelle Gehalt des Grundrechts aufgrund seiner Größe in der Regel nur marginal angegriffen wird. Dies ändert sich aber, wenn eine kritische Anzahl von Personen betroffen ist. Wenn das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung Kennzeichenerfassung auf die große Anzahl betroffener Personen abstellt, wird daher auf den beschädigten institutionellen Gehalt der betroffenen Grundrechte Bezug genommen.1707 1702 BVerfGE 115, 320, 357  – Rasterfahndung II; BVerfGE 107, 299, 328  – Handy-Über­ wachung; Schwabe, Probleme (1977), S. 320; Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214; Huster, Rechte (1993), S. 459; a. A. Portocarrero Quispe, Grundrechtabwägung (2014), S. 89; Sondervotum Haas, in: BVerfGE 115, 320 – Rasterfahndung (a. a. O.). 1703 Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214. 1704 Huster, Rechte (1993), S. 459; a. A. Borowski, Grundrechte, 2. Aufl. (2007), S. 403: Anzahl der betroffenen Personen sei beim Gleichheitsrecht nur mittelbar von Bedeutung über den Vertrauensschutz. 1705 Degen, Pressefreiheit (1981), S. 52; vgl. Spranger, NJW 2002, 2074, 2075. 1706 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, 3. Aufl. (1983), S. 70 ff.; eingehend zum institutionellen Gehalt Mager, Einrichtungsgarantien (2003). 1707 Bereits Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201, 214 wies auf eine mögliche Lösung über eine objektive, institutionelle Grundrechtssicht hin; ähnlich Breckwoldt, Grundrechtskombinationen (2015), S. 195 ff., die aber dennoch eine Verstärkung im Grundsatz ablehnt; vgl. auch Winkler, JA 2014, 881, 883 f.

III. Übertragung des Ansatzes der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung  255

Wann eine solche kritische Anzahl von Personen betroffen ist, kann nicht abstrakt festgelegt werden, sondern richtet sich einerseits nach der Verletzlichkeit des institutionellen Gehalts und andererseits nach der Schwere des Eingriffs im konkreten Fall. Die objektiv-rechtlichen Gehalte der Grundrechte sind unterschiedlich verletzlich. Die Volksgesundheit als in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG repräsentierter institutioneller Gehalt ist beispielsweise bei einer einzigen kranken Person nicht bedroht. Bei der Meinungsfreiheit hingegen kann jedoch schon vom Eingriff bei einem Grundrechtsträger eine so negative Breitenwirkung ausgehen, dass die Schwere der Betroffenheit des institutionellen Gehalts der Meinungsfreiheit eine Rechtfertigung nahezu unmöglich macht.1708 Hinsichtlich des Unterschiedlichkeitsfaktors können folgende Aussagen getroffen werden: Wird der Dritte in der selben Weise (also hinsichtlich der selben Menschenwürde­ aspekte, nicht notwendigerweise in den selben Grundrechten) in seinen Grundrechten betroffen wie der konkrete Grundrechtsträger, so besteht der Unterschied nicht in der Andersartigkeit der betroffenen Menschenwürdeaspekte, sondern in der Intensität der Betroffenheit der selbigen. Die Betroffenheit der im institutionellen Gehalt repräsentierten Menschenwürdeaspekte wird hinzugefügt. Diese dürfte aber, wie oben ausgeführt, regelmäßig gering ausfallen. Wird der Dritte einem anderen Grundrechtseingriff ausgesetzt, wird gegebenenfalls ein unterschiedlicher Menschenwürdeaspekt aufgerufen. Da es aber nur um den im institutionellen Gehalt eines Grundrechts repräsentierten Menschenwürdeaspekt geht und der institutionelle Grundrechtsgehalt in der Regel nur ab einer sehr hohen Anzahl von Personen relevant betroffen wird, fällt dieser Zusatz ebenfalls in der Regel wenig ins Gewicht.

1708

Wie bei der Pressefreiheit lässt sich mit guten Gründen die Ansicht vertreten, dass in Fällen der Heranziehung der Meinungsfreiheit nur selten der Individualschutz im Vordergrund steht, sondern sogar meistens das kollektive Gut der freien Meinungsäußerung im Fokus steht.

Zusammenfassung Die Kodifizierung der einzelnen Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes im Jahr 1949 markiert einen Kulminationspunkt eines langen ideengeschichtlichen Entwicklungsprozesses. Im Schmiedefeuer immer wieder auftretender Konflikte Einzelner oder Gruppen von Individuen mit der Staatsgewalt hatten sich im Laufe der Geschichte bestimmte, besonders schutzbedürftige Lebensumstände herauskristallisiert, die unser Bild von den jeweils typischen grundrechtlichen Gewährleistungsgehalten noch heute prägen. Diese Idealtypen von Grundrechten standen den Eltern des Grundgesetzes vor Augen, als sie sich schließlich für den Grundrechtskatalog in seiner heutigen, auch nach fast 70 Jahren Wirkgeschichte im Wesentlichen unveränderten Fassung entschieden. Aufgrund der nicht immer parallel verlaufenden Genese der einzelnen Grundrechte handelt es sich jedoch um Rechtspositionen, die in ihrem Gewährleistungsgehalt nicht durchgehend aufeinander abgestimmt sind. Dies hat inhaltliche Überschneidungen unter den Grundrechten zur Folge, was wiederum dazu führt, dass in vielen Situationen nicht nur ein Grundrecht einschlägig ist, sondern mehrere gleichzeitig.1709 Diese inhaltlichen Überschneidungen im Gewährleistungsgehalt der Grundrechte bewirken, dass in manchen Situationen mehr als ein Grundrecht eines Grundrechtsträgers aktualisiert wird. Andererseits können auch deswegen in einer bestimmten Situation mehrere Grundrechte idealkonkurrierend einschlägig sein, weil die konkreten Umstände gerade den Gewährleistungsbereich unterschiedlicher Grundrechte herausfordern. Zu einer idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung – also einer Erhöhung des Gewichts der Belange des Grundrechtsträgers durch die Zusammenschau in einer Gesamtabwägung – kommt es jedoch nur dann, wenn inhaltlich unterschiedliche Gewährleistungsgehalte beeinträchtigt werden. Andernfalls kommt es nicht zu einer Gewichtsverstärkung.1710 Um festzustellen, ob sich die in einer bestimmten Situation aufgerufenen Grundrechte inhaltlich überschneiden, müssen ihre Gewährleistungsbereiche anhand eines gemeinsamen Maßstabs verglichen werden. Ein solcher Maßstab kann nur im Hinblick auf einen gemeinsamen Bezugsrahmen gebildet werden, auf den sich die Inhalte der Grundrechte zurückführen lassen. Da die Würde des Menschen den gemeinsamen Ursprung sämtlicher Grundrechte bildet,1711 aus dem sich das dem Grundgesetz zugrundeliegende System des lückenlosen Grundrechtsschutzes ent-

1709

Siehe Abschnitte B. II. 1. und B. II. 2. d). Siehe Abschnitt C. I. 1711 Siehe Abschnitt C. II. 2. 1710

Zusammenfassung

257

faltet,1712 stellt diese den geeigneten Bezugsrahmen für die erforderliche Maßstabsbildung dar.1713 Im weiteren Fortgang wurde es unternommen, innerhalb dieses Bezugsrahmens der Menschenwürde unter Rückgriff auf die Arbeiten von H. L. A. Hart, John Rawls und John Finnis einzelne Menschenwürdeaspekte der Grundrechte zu isolieren.1714 Diese inhaltliche Untersuchung geschieht unter der Maßgabe, zum einen die Bandbreite aller grundrechtlich geschützten Lebenssachverhalte möglichst umfassend zu erfassen, ohne dass sich andererseits die einzelnen gefundenen Gewährleistungsgehalte mehr als unvermeidbar überschneiden. Zum anderen erfolgt dies mit der Zielsetzung, durch diese Abgrenzung einen praktisch tauglichen Maßstab zum inhaltlichen Vergleich der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte zu erstellen.1715 Als solche Menschenwürdeaspekte werden Leben, Elternliebe, Geselligkeit, Wissen, Ästhetik, Transzendenz, Persönlichkeitsentfaltung, Privatsphäre, Besitz und politische Teilhabe vorgeschlagen.1716 Die adäquate Berücksichtigung der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung erfordert eine Gesamtabwägung, bei der alle für das staatliche Handeln sprechenden Belange sämtlichen einschlägigen1717 idealkonkurrierenden Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten des Betroffenen gegenübergestellt werden.1718 Der Maßstab der Menschenwürdeaspekte ermöglicht es dabei, die Grundrechte auf inhaltliche Gemeinsamkeiten hin zu untersuchen und eine Verstärkungswirkung – im Sinne einer Erhöhung des Gesamtgewichts der Position des Grundrechtsträgers im Rahmen der Abwägung – nur dann anzunehmen, wenn bei den idealkonkurrierenden Grundrechten unterschiedliche Menschenwürdeaspekte betroffen sind, oder die gleichen Menschenwürdeaspekte in unterschiedlicher Art oder Stärke aufgerufen werden.1719 Eine vollständige Abbildung des Gewichts der Position des Grundrechtsträgers in der Gesamtabwägung erfordert dabei die Berücksichtigung sämtlicher idealkonkurrierender Grundrechte, also neben den Freiheitsrechten1720 auch die Gleichheitsrechte.1721 Wie dargelegt, lassen sich die Gleichheitsrechte ebenfalls auf den Schutz bestimmter Menschenwürdeaspekte zurückführen,1722 welche zudem auf einer gleitenden Schwereskala beeinträchtigt sein können,1723 so dass der gemein 1712

Siehe Abschnitt C. II. 1. Siehe Abschnitte C. I. 1. und C. I. 3. 1714 Siehe Abschnitt C. III. 1. 1715 Siehe Abschnitt C. III. 2. 1716 Siehe Abschnitte C. III. 2. a) bis C. III. 2. j). 1717 Siehe Fn. 18. 1718 Siehe Abschnitt C. V. 1719 Siehe Abschnitt C. VII., vgl. auch Abschnitt C. XI. 1720 Definition siehe Abschnitt B. I. bei Fn. 392. 1721 Siehe Abschnitt D., vgl. auch Abschnitt C. IV. 1722 Siehe Abschnitte D. II. 1. a) und D. II. 1. b), vgl. auch B. I. 1723 Siehe Abschnitt D. II. 1. c). 1713

258

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same Maßstab der Menschenwürdeaspekte einen inhaltlichen Vergleich von Gleichheitsrechten mit Freiheitsrechten ermöglicht.1724 Die spezielle Struktur der Gleichheitsrechte stellt dabei kein Hindernis für den Vergleich und die gemeinsame Einstellung von Freiheitsrechten und Gleichheitsrechten in die Gesamtabwägung dar.1725 Es wurde gezeigt, dass die herkömmlich als dreipolige Abwägung zwischen dem Grad der Verschiedenheit der Vergleichspersonen, der Schwere der Ungleichbehandlung und dem Gewicht der rechtfertigenden Güter begriffene Prüfungsstruktur der Gleichheitsrechte in eine zweipolige Abwägung wie bei den Freiheitsrechten überführt werden kann: Durch eine Verobjektivierung des Vergleichs des Grundrechtsträgers mit der Referenzperson im Gesichtspunkt der Qualität der Adressatenwahl1726 kann diese als ein weiterer Unterpunkt der Bestimmung der Schwere der Ungleichbehandlung begriffen werden.1727 Die komplementären Forderungen des Gleichbehandlungsgebots und des Differenzierungsgebots,1728 die für sämtliche denkbaren Vergleichsbeziehungen Geltung beanspruchen1729 und so einen nahezu unendlich weiten objektiven Geltungsbereich eröffnen, können nämlich in der Weise zusammengefasst werden, dass der Gleichheitssatz für das staatliche Handeln bezüglich der potentiell adressierbaren Personen fordert, den bestmöglichen Adressaten im Hinblick auf die Zweckverfolgung auszuwählen. Der daraus gebildete Maßstab der Qualität der Adressatenwahl ermöglicht es, die Schwere der Beeinträchtigung des Grundrechtsträgers im Gleichheitsrecht zu bestimmen, ohne im Rahmen der Abwägung einen Vergleich mit einer konkreten Referenzperson anstellen zu müssen. Die Schwere der Beeinträchtigung im Gleichheitsrecht, die neben der Qualität der Adressatenwahl noch durch weitere Faktoren beeinflusst wird,1730 ist in der Abwägung den für das staatliche Handeln sprechenden Zwecken gegenüberzustellen. Die so gebildete zweipolige Abwägungsstruktur entspricht derjenigen bei den Freiheitsrechten, so dass beide Grundrechtsarten in eine gemeinsame Gesamtabwägung einbezogen werden können.1731 Somit wird eine adäquate Abbildung und Bewältigung des Phänomens der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung ermöglicht. Darüber hinaus ermöglicht das Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung in Kombination mit dem Verfahren der Gesamtabwägung1732 eine Lösung weiterer offener Probleme der Grundrechtsdogmatik, die hier allerdings nur angedeutet werden konnten. So können sowohl Grundrechte Dritter als auch institutionelle Grundrechtsgehalte auf Seiten des Grundrechtsträgers mit in die Gesamtabwä 1724

Siehe Abschnitt D. II. 1. Siehe Abschnitt D. II. 2. 1726 Siehe Abschnitt D. II. 2. c) aa). 1727 Siehe Abschnitt D. II. 2. c). 1728 Siehe Abschnitt D. II. 2. a). 1729 Siehe Abschnitt D. II. 2. b). 1730 Siehe Abschnitte D. II. 2. c) bb) und D. II. 2. c) cc). 1731 Siehe Abschnitt D. II. 2. 1732 Siehe Abschnitte C. V. und C. VI., vgl. auch A. I. 3. 1725

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259

gung eingestellt werden.1733 Zudem wird es möglich, die bei einem hypothetischen Alternativverhalten betroffenen Güter mit einem – ihrer nur hypothetischen Betroffenheit entsprechenden – Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen.1734 Auf diese Weise fügt sich das Modell der idealkonkurrentiellen Gewichtsverstärkung nach Menschenwürdeaspekten als ein weiterer Baustein in das Gebäude der Grundrechtsdogmatik ein.

1733

Siehe Abschnitt E. III. Siehe Abschnitt C. XII.

1734

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Sachverzeichnis Abwägung  123, 124, 125, 126, 128, 130, 131, 194 siehe auch Gesamtabwägung und Prinzipientheorie –– Abwägungsfähigkeit 229 –– Abwägungsformel siehe Gewicht: Gewichtsformel –– Abwägungsverbund 55 –– apokryphe Abwägung  60, 174 Abwehrfunktion siehe Grundrechtssystematisierung: Abwehrfunktion Abwehrrecht siehe Grundrechtssystematisierung: Abwehrrecht Addition  45, 61, 62, 131, 171, 178, 180, 236, 238 additiver Grundrechtseingriff siehe  Eingriff: additiver Grundrechtseingriff Adressat 219, 220, 221, 222, 223, 224, 240 –– Adressatenkreis  93, 221, 222 –– bestmöglicher  212, 219, 240, 258 –– Qualität der Adressatenwahl siehe Qualität der Adressatenwahl allgemeine Handlungsfreiheit siehe Handlungsfreiheit, allgemeine allgemeines Persönlichkeitsrecht siehe  Persönlichkeitsrecht, allgemeines Alternativverhalten, hypothetisches siehe hy­ pothetisches Alternativverhalten Angemessenheit 201 siehe Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn Anknüpfungseingriff siehe  Sachverhaltsabgrenzung: Anknüpfungseingriff Anknüpfungsverbot siehe  Gleichheitsrecht: Anknüpfungsverbot Anreise-Fälle siehe Sachverhaltsabgrenzung: Anreise-Fälle Anspruchskonkurrenz siehe Konkurrenz: Anspruchskonkurrenz Anspruchsnormenkonkurrenz siehe  Konkurrenz: Anspruchsnormenkonkurrenz Anwaltsdaten  74, 78, 244

argumentativer Rückgriff auf das verdrängte Grundrecht siehe Rückgriff (auf das verdrängte Grundrecht) Aspekt (der Menschenwürde) siehe Menschen­ würdeaspekte Ästhetik siehe  Menschenwürdeaspekte: Ästhetik Auffanggrundrecht  135, 137, 138, 142, 183, 188, 197 Aufladung 32 aufsitzende Grundrechte siehe Sachverhaltsabgrenzung: aufsitzende Grundrechte Ausgrenzungsthese siehe  Konkurrenz: Ausgrenzungsthese Ausstrahlungswirkung  34, 67 Ausübungsrecht siehe  Sachverhaltsabgrenzung: Ausübungsrecht Basisgrundrecht siehe  Sachverhaltsabgrenzung: Basisgrundrecht Beeinflussbarkeit 87, 104, 182, 183, 185, 187, 218, 222, 239, 240 Beeinträchtigung siehe Eingriff: Begriff Belastungskumulation  29, 30, 35, 48, 89, 90, 91, 92, 94, 97 –– horizontal  29, 35, 48, 218, 242, 254 –– vertikal  29, 30, 31, 47, 53, 55, 89, 90, 91, 92, 94, 96, 100, 102, 242 siehe auch Sachverhaltsabgrenzung und Eingriff: additiver Grundrechtseingriff Berufsfreiheit 36, 37, 72, 75, 78, 85, 148, 151, 191, 239 Berufsmusiker siehe Trompeterfall Besitz siehe Menschenwürdeaspekte: Besitz Bestätigungsverhältnis siehe Sachverhaltsabgrenzung: Bestätigungsverhältnis bestmöglicher Adressat siehe Adressat: bestmöglicher Bewertungseinheit siehe Sachverhaltsabgrenzung: Bewertungseinheit Bioresonanz 40

Sachverzeichnis Breitenwirkung  244, 253, 255 Caroline von Monaco II  27, 38, 243 Dämpfungseffekt  61, 178 demokratisch-funktionale Grundrechtstheorie 159 Deutschengrundrecht  73, 132, 137, 144, 157, 165, 170 dienende Grundrechte  159 Differenzierungsgebot siehe Gleichheitsrecht: Differenzierungsgebot Differenzierungsverbot siehe Gleichheitsrecht: Gleichbehandlungsgebot Diskriminierung siehe Gleichheitsrecht: Diskriminierung Diskriminierung, additive siehe Gleichheitsrecht: additive Diskriminierung Diskriminierungsmerkmal siehe Gleichheitsrecht: Diskriminierungsmerkmal Dritte (Grundrechte) siehe objektives Verfassungsrecht: Grundrechte Dritter Drittwirkung, mittelbare  33, 77 droits civils 157 droits politiques 157 Eingriff  92, 253 –– additiver Grundrechtseingriff  29, 30, 47, 89, 90, 92, 236 siehe auch Sachverhaltsabgrenzung und Belastungskumulation: vertikal –– Anknüpfungseingriff siehe  Sachverhaltsabgrenzung: Anknüpfungseingriff –– Beeinträchtigung  76, 200, 204, 209, 244 –– Begriff  55, 56, 74, 75, 76, 77, 78, 82, 94, 99, 162, 184, 187, 235, 239 –– Eingriffstiefe 60 –– Eingriffsumfeld siehe Sachverhaltsabgrenzung: Eingriffsumfeld –– Intensität  31, 60, 77, 87, 102, 104, 124, 127, 128, 129, 132, 133, 171, 176, 181, 182, 184, 185, 186, 187, 202, 203, 204, 209, 210, 218, 226, 228, 233, 234, 235, 253, 255 –– kumulativer Grundrechtseingriff siehe kumulativer Grundrechtseingriff Einschlägigkeit 131 siehe auch Schutzbereich: Eröffnung und Eingriff

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Einschränkung (eines Grundrechts) siehe Eingriff: Begriff Elfes  50, 138, 242, 246, 249 Elternliebe siehe Menschenwürdeaspekte: Elternliebe Endzweck siehe Zweck: Endzweck Erforderlichkeit  124, 187, 201 Eröffnung des Schutzbereichs siehe  Schutzbereich: Eröffnung essentielle Güter siehe Güter, essentielle Finnis  148, 149, 151, 152, 153, 154 Finnland 139 Freiheit, die eine unteilbare  139 Freiheitsgesamtbilanz  94, 95, 99 Freiheitsgrundrecht siehe  Grundrechtssystematisierung: Freiheitsrecht Freiheitsrecht siehe auch  Innominatgrundrecht: Innominatfreiheitsrecht funktionale Geltungseinheit siehe Schranken: funktionale Geltungseinheit Funktionszusammenhang siehe Sachverhaltsabgrenzung: Funktionszusammenhang Geeignetheit  124, 187, 201, 202, 220, 221, 222 Gefangenenbriefe 39 Geltungseinheit, funktionale siehe Schranken: funktionale Geltungseinheit Generalklausel (allgemeine Handlungsfreiheit)  134, 138 Gesamtabwägung  23, 24, 31, 32, 38, 55, 58, 59, 63, 78, 83, 88, 98, 122, 123, 164, 165, 166, 170, 171, 174, 175, 182, 183, 185, 186, 187, 188, 191, 193, 194, 195, 203, 205, 209, 210, 212, 218, 226, 229, 245, 252, 253, 256, 257, 258 Gesamtabwägungsformel  175, 180, 182 Gesamtbelastung  47, 91, 92 Gesamtgrundrecht 50 Geselligkeit siehe  Menschenwürdeaspekte: Geselligkeit Gesetzeseinheit siehe Konkurrenz: Gesetzeseinheit Gesetzeskonkurrenz siehe  Konkurrenz: Gesetzeskonkurrenz Gesetzesvorbehalt  43, 53, 77, 98, 109, 113, 114, 116 siehe auch Schranken

290

Sachverzeichnis

Gewährleistungsbereich 71 siehe auch Schutzbereich Gewährleistungsgehalt siehe  Schutzbereich: Begriff Gewicht –– abstraktes Gewicht  44, 126, 127, 128, 171, 172, 173, 175, 176, 181, 190, 228, 234 –– Gewichtsformel  128, 166, 172, 177, 178, 182 –– konkretes Gewicht 126, 127, 171, 173, 175, 177, 180, 181, 182, 226, 228, 234 Gewichtsverstärkung siehe  idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung Glaubensfreiheit 143 Gleichbehandlungsgebot siehe  Gleichheitsrecht: Gleichbehandlungsgebot Gleichheitsrecht  194, 195, 196, 197, 204, 210 –– additive Diskriminierung  235, 236 –– Anknüpfungsverbot  209, 229, 230, 231, 233 –– besondere Gleichheitsrechte  116, 143, 204, 205, 208, 209, 226, 228, 230 –– Differenzierungsgebot 200, 204, 211, 212, 213, 214, 216, 219 –– Differenzierungsgrund 210 –– Differenzierungsverbot siehe Gleichbehandlungsgebot –– Differenzierungsziel 210 –– Diskriminierung  105, 207, 228, 231, 232, 233, 234, 236, 237, 238 –– Mehrfachdiskriminierung  207, 235 –– verdeckte Diskriminierung  230, 232 –– Diskriminierungsmerkmal  234, 236, 237 –– Gleichbehandlung 163, 197, 201, 202, 203, 205, 206, 210, 211, 213, 214, 215, 217, 218, 219, 224 –– Gleichbehandlungsgebot 204, 211, 214, 215, 216, 219, 229, 232 –– Intensität der Ungleichbehandlung  33, 187, 194, 195, 196, 202, 203, 209, 210, 212, 218, 219, 225, 226, 229, 233, 237, 239, 254 –– Intersektionalität  105, 235, 236, 237 –– kumulative Ungleichbehandlung  104 –– neue Formel  197, 198, 199, 200 –– neueste Formel  197 –– Normadressatenformel 198 –– stufenlos-Formel 200

–– Ungleichbehandlung  104, 145, 163, 186, 196, 197, 199, 201, 202, 203, 206, 209, 210, 211, 213, 214, 215, 216, 218, 219, 222, 224, 225, 226, 228, 229, 230, 232, 233, 234, 235, 237, 238, 240 –– Vergleichsbeziehung  211, 212, 213, 215, 217 –– Referenzsachverhalt 163, 216, 217 –– Unterscheidungsmerkmal  67, 199, 202, 203, 222, 224, 232 –– Vergleichspaar  194, 197, 211 –– Willkürformel  197, 198, 199, 200 Grenznutzen  102, 129 Grenzziehung siehe Menschenwürdeaspekte: Grenzziehung Grundrecht, verdrängtes siehe  Konkurrenz: verdrängtes Grundrecht Grundrecht, zweckbestimmendes siehe Zweck: zweckbestimmendes Grundrecht Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme  51 Grundrechte, aufsitzende siehe Sachverhaltsabgrenzung: aufsitzende Grundrechte Grundrechte, dienende siehe dienende Grundrechte Grundrechte Dritter siehe objektives Verfassungsrecht: Grundrechte Dritter grundrechtlicher Wirkungsverbund siehe Wirkungsverbund Grundrechtsart siehe  Grundrechtssystematisierung: Grundrechtsart Grundrechtsdimension siehe Grundrechtssystematisierung: Grundrechtsfunktion Grundrechtseingriff siehe Eingriff Grundrechtseingriff, kumulativer siehe kumu­ lativer Grundrechtseingriff Grundrechtsfunktion siehe Grundrechtssystematisierung: Grundrechtsfunktion Grundrechtsgehalte, institutionelle siehe objektives Verfassungsrecht: institutionelle Grundrechtsgehalte Grundrechtsgehalte, objektiv-rechtliche siehe objektives Verfassungsrecht: objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte Grundrechtskollision  69, 108, 125 vergleiche auch Konkurrenz Grundrechtskombination 29

Sachverzeichnis Grundrechtskonflikte  29, 69 siehe auch Konkurrenz Grundrechtskonkurrenz siehe Konkurrenz Grundrechtskonzertierung 70 Grundrechtskumulation  28, 69 Grundrechtsparallelität, Hebelwirkung bei siehe Hebelwirkung Grundrechtsschranken siehe Schranken Grundrechtsschutz, lückenloser siehe lückenloser Grundrechtsschutz Grundrechtssystematisierung –– Abwehrfunktion  66, 162 –– Abwehrrecht  63, 66, 67, 68, 79, 80, 103, 161, 162, 168, 230, 246 –– Freiheitsrecht  33, 68, 130, 132, 135, 137, 139, 141, 142, 143, 144, 162, 163, 186, 187, 194, 195, 196, 201, 203, 204, 225, 226, 227, 239 –– Gleichheitsrecht siehe Gleichheitsrecht –– Grundrechtsart  65, 66, 67, 78, 79 –– Grundrechtsdimension 65 –– Grundrechtsfunktion  65, 66, 67, 76, 161, 163, 208, 250 –– Justizgrundrecht  65, 67, 79, 89, 101, 142 –– Leistungsfunktion  66, 67, 68, 162, 163, 208 –– Leistungsrecht 66, 67, 68, 78, 79, 103, 162, 163 –– Nichtdiskriminierungsfunktion 66, 67, 68, 163, 208 –– Organisationsnorm 250 –– Organisations- und Verfahrensfunktion  67 –– Organisations- und Verfahrensrechte  67 –– Prozessgrundrecht 65 –– Schutzpflicht  63, 67, 68, 77, 79, 92, 245 –– Teilhaberecht  67, 68 Grundrechtsverbindung siehe Neuschöpfung eines Grundrechts Grundrechtsverbund  29, 77 Güter, essentielle  146, 148, 149, 153, 155 Güter, kollektive siehe objektives Verfassungsrecht: kollektive Güter Handlungsfreiheit, allgemeine 54, 62, 111, 116, 127, 132, 133, 134, 135, 137, 142, 143, 153, 154, 190, 240, 241, 247 Handlungslehre siehe auch  Sachverhaltsabgrenzung: Handlungseinheit und Handlungsmehrheit

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–– faktisches Handeln  75 –– Handeln 63, 66, 106, 133, 210 –– Tun  66, 67, 79, 103, 162, 163, 210 –– Unterlassen  66, 79, 103, 162, 163, 210 Hart  147, 149, 151, 155 Hauptzweck siehe Zweck: Hauptzweck Hebelwirkung  34, 35, 242 Hierarchie siehe Rangordnung Hilfsrecht siehe Sachverhaltsabgrenzung: Hilfsrecht Horizontalrichtung (der Grundrechte)  33 hypothetisches Alternativverhalten  24, 87, 88, 104, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 239, 259 idealkonkurrentielle Gewichtsverstärkung  23, 24, 130, 131, 132, 133, 161, 162, 163, 165, 173, 175, 178, 180, 187, 188, 190, 191, 194, 203, 205, 208, 249, 250, 256, 258, 259 Idealkonkurrenz siehe Konkurrenz: Idealkonkurrenz in Verbindung mit  26, 27, 28, 35, 42, 49, 51, 155, 189, 227, 242 informationelle Selbstbestimmung, Recht auf siehe Recht auf informationelle Selbstbestimmung Inhaltsrecht siehe  Sachverhaltsabgrenzung: Inhaltsrecht Innominatgrundrecht –– Innominatfreiheitsrecht  50, 188, 189 –– Innominatgleichheitsrecht  189, 228 institutionelle Grundrechtsgehalte siehe  objektives Verfassungsrecht: institutionelle Grundrechtsgehalte Intensität siehe Eingriff: Intensität Intersektionalität siehe  Gleichheitsrecht: Intersektionalität iterative Begehung siehe Sachverhaltsabgrenzung: iterative Begehung Justizgrundrecht siehe  Grundrechtssystematisierung: Justizgrundrecht kollektive Güter siehe objektives Verfassungsrecht: kollektive Güter Kollision siehe Grundrechtskollision Kombinationsgrundrecht  29, 50, 51, 169

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Sachverzeichnis

Kompromiss-Schranke siehe Schranken: Kompromiss-Schranke Konkurrenz  30, 53, 57, 69, 70, 72, 73, 74, 75, 78, 79, 81, 82, 83, 99, 105, 106, 107, 108, 109, 112, 115, 118, 119, 120, 132, 140, 145, 166, 168 –– Anspruchskonkurrenz 106 –– Anspruchsnormenkonkurrenz 106 –– Ausgrenzungsthese 106 –– Betroffenheit im Randbereich  121, 122 –– Betroffenheit im Zentralbereich  121, 122 –– Gesetzeseinheit  70, 117 –– Gesetzeskonkurrenz  70, 106, 113, 117, 118 –– Grundrechtskollision vergleiche auch Grundrechtskollision –– Idealkonkurrenz 21, 46, 47, 53, 63, 70, 79, 107, 113, 122, 123, 130, 132, 143, 162, 163, 166, 169, 170, 175, 191, 196, 208, 226 –– im Vordergrund stehendes Grundrecht  119 –– Konkurrenzfähigkeit 78 –– Konkurrenzlage  69, 70, 71, 74, 77, 78, 79, 80, 82, 85, 105, 107, 112, 113, 117 –– Konkurrenzschranke 168 –– Konsumtion  70, 117, 118, 145 –– lex posterior 107 –– Meistbetroffenheitstheorie  58, 118, 119 –– Realkonkurrenz  70, 106 –– Sachnähemaßstab  118, 119, 121 –– Schwerpunkt der Maßnahme 118, 119, 120 –– situative Verdrängung  121, 122, 225, 226 –– Sperrwirkung  73, 78 –– Spezialität  70, 116, 117, 123, 143, 145, 146, 168, 192 –– logische 117 –– materiale 117 –– normative 117 –– Subsidiarität  70, 117, 118, 145 –– unechte Konkurrenz  70, 117 –– verdrängtes Grundrecht  56, 57, 58, 119 –– Verdrängung  46, 56, 57, 70, 73, 74, 105, 107, 112, 116, 117, 118, 119, 121, 122, 123, 137, 143, 145, 192, 225 –– Zielrichtung der Maßnahme  118, 120 kumulative Belastung siehe Belastungskumulation

kumulative Betroffenheit siehe  Belastungskumulation kumulative Ungleichbehandlung siehe Gleichheitsrecht: kumulative Ungleichbehandlung kumulativer Grundrechtseingriff  30 Kunstfreiheit 87, 101, 115, 146, 153, 191, 192 Leben siehe Menschenwürdeaspekte: Leben Lebensvorgang siehe Sachverhaltsabgrenzung: Lebensvorgang Legitimationszusammenhang siehe Saldierung von Vor- und Nachteilen Leistungsfunktion siehe Grundrechtssystema­ tisierung: Leistungsfunktion Leistungsgrundrecht siehe Grundrechtssystematisierung: Leistungsrecht lex posterior siehe Konkurrenz: lex posterior lex specialis siehe Konkurrenz: Spezialität logische Spezialität siehe  Konkurrenz: Spezialität: logische lückenloser Grundrechtsschutz  74, 133, 134, 135, 137 Lüth  34, 125 Maslow  146, 153, 154 materiale Spezialität siehe Konkurrenz: Spezialität: materiale Meinungsfreiheit  34, 39, 114, 116, 136, 145, 153, 159, 161, 169, 192, 255 Meistbetroffenheitstheorie siehe Konkurrenz: Meistbetroffenheitstheorie Menschenrechte  66, 135, 136, 137, 141, 142, 156, 157, 160, 190 Menschenwürde 108, 110, 127, 131, 133, 138, 139, 140, 144, 146, 149, 150, 154, 156, 159, 160, 204, 206, 218, 223, 227, 234, 235, 240, 242, 246, 250, 252 Menschenwürdeaspekte 23, 78, 122, 127, 131, 132, 133, 140, 141, 143, 145, 146, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 162, 171, 172, 173, 175, 177, 180, 181, 190, 195, 204, 205, 207, 208, 218, 224, 226, 227, 228, 235, 237, 238, 239, 242, 250, 251, 252, 253, 255, 257 –– Ästhetik 150, 153, 154, 191, 192, 208 –– Besitz  78, 150, 155, 191 –– Elternliebe 150, 151, 152, 207

Sachverzeichnis –– Geselligkeit  150, 151, 152, 153, 154, 172, 176, 192 –– Grenzziehung 107, 172 –– Leben 150, 151, 155, 191, 253 –– Persönlichkeitsentfaltung 78, 150, 152, 154, 155, 172, 176, 177, 181, 191, 207, 218, 224, 228, 235, 237, 240, 241 –– politische Teilhabe 145, 150, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 192, 228 –– Privatsphäre  78, 141, 142, 150, 154, 155, 172, 177 –– Transzendenz 146, 150, 152, 154, 172, 228, 238, 239 –– Wissen  150, 152, 153, 154 Mephisto 192 mildestes Mittel siehe Mittel, mildestes mittelbare Drittwirkung siehe  Drittwirkung, mittelbare Mutterschaftsgeld I  39, 196 Nachtarbeitsverbot 234 Nebenzweck siehe Zweck: Nebenzweck neue Formel siehe Gleichheitsrecht: neue Formel neueste Formel siehe  Gleichheitsrecht: neueste Formel Neuschöpfung eines Grundrechts  27, 29, 37, 49, 50, 51, 52, 188, 189, 190 Nichtdiskriminierungsfunktion siehe Grundrechtssystematisierung: Nichtdiskriminierungsfunktion Normadressatenformel siehe Gleichheitsrecht: Normadressatenformel normative Spezialität siehe Konkurrenz: Spezialität: normative Notwendigkeit siehe Erforderlichkeit objektives Verfassungsrecht  40, 242, 245, 246, 249, 250, 252, 254 –– Grundrechte Dritter  29, 31, 34, 38, 39, 48, 182, 242, 243, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 252, 254, 258 –– institutionelle Grundrechtsgehalte 159, 242, 249, 250, 251, 252, 253, 255, 258 –– kollektive Güter 250, 251, 252, 253, 255 –– objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte  48, 56, 165, 242, 245

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Organisationsnorm siehe  Grundrechtssystematisierung: Organisationsnorm Persönlichkeitsentfaltung siehe  Menschenwürdeaspekte: Persönlichkeitsentfaltung Persönlichkeitsrecht, allgemeines  27, 38, 39, 50, 51, 62, 89, 93, 102, 138, 144, 154, 155, 189, 192, 206, 240, 241, 243 Polen 139 politische Teilhabe siehe  Menschenwürde­ aspekte: politische Teilhabe Popularklage  248, 249 preferred freedoms 109, 110, 158 Pressefreiheit  114, 141, 145, 159, 253, 255 Prinzipien siehe Prinzipientheorie Prinzipientheorie  126, 128, 177 Privatsphäre siehe  Menschenwürdeaspekte: Privatsphäre Proportionalität siehe Verhältnismäßigkeit Prozessgrundrecht siehe Grundrechtssystema­ tisierung: Prozessgrundrecht Prüfungsaufbau  166, 173, 187 Qualität der Adressatenwahl 24, 204, 212, 218, 219, 220, 221, 222, 225, 235, 258 Randbereich, Betroffenheit im siehe Konkurrenz: Betroffenheit im Randbereich Rangordnung  107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 125, 146, 153 Rawls  147, 148, 149, 153, 154, 155 Realkonkurrenz siehe Konkurrenz: Realkonkurrenz Recht auf informationelle Selbstbestimmung  75, 78 Rechtfertigung 44, 45, 58, 123, 129, 131, 133, 171, 203, 209, 216, 217, 219, 226, 230, 255 Rechtsfallausschnitt siehe Sachverhaltsabgrenzung: Rechtsfallausschnitt Referenzsachverhalt siehe  Gleichheitsrecht: Vergleichsbeziehung: Referenzsachverhalt Regeln siehe Prinzipientheorie Religionsfreiheit 36, 37, 42, 72, 109, 114, 115, 158, 159 Rückgriff (auf das verdrängte Grundrecht)  37, 56, 57, 58, 80, 174

294

Sachverzeichnis

Sachnähemaßstab siehe  Konkurrenz: Sachnähemaßstab Sachverhaltsabgrenzung  79, 80, 81, 90, 100, 103, 104, 123 –– Anknüpfungseingriff  86, 87 –– Anreise-Fälle 84 –– aufsitzende Grundrechte  30, 85, 101, 185 –– Ausübungsrecht  86, 169 –– Basisgrundrecht 85 –– Bestätigungsverhältnis  86, 87, 88 –– Bewertungseinheit  82, 91, 100 –– Eingriffsumfeld  94, 103 –– Funktionszusammenhang  96, 100 –– Handlungseinheit  80, 83 –– Handlungsmehrheit 83 –– Hauptfreiheitsrecht 86 –– Hilfsrecht  85, 86, 205 –– Inhaltsrecht  86, 169 –– iterative Begehung  87 –– Koinzidenz 80 –– Lebensvorgang  81, 83 –– Rechtsfallausschnitt 30, 80, 81, 82, 88, 100, 103, 104, 121, 188 –– Sachverhaltsausschnitt  79, 82, 100, 101 –– Sachverhaltserweiterung  82, 91, 96, 100, 103, 104, 185 –– Sachverhaltszerlegung 80 –– Sanktionsfälle 30, 86, 87, 88, 97, 101, 184, 185 –– Tatbestandskomplex 80 –– Verklammerung  83, 84, 86, 88, 89, 94, 96, 97, 99, 100, 101, 102 –– Vorbelastung  63, 89, 90, 91, 102 –– Vorbereitungshandlung  85, 86, 101 –– Vorfeldmaßnahme 84 –– zweckbestimmendes Grundrecht  85 Saldierung von Vor- und Nachteilen  95, 96, 97, 100, 102, 182 Sanktionsfälle siehe Sachverhaltsabgrenzung: Sanktionsfälle Schächten  27, 35, 36, 37, 38, 41, 42, 51, 57, 71, 72, 243 Schranken  43, 44, 53, 54, 108, 109, 112, 113, 115, 116, 129, 134, 135, 145, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 173 siehe auch Gesetzesvorbehalt –– funktionale Geltungseinheit  169 –– Kompromiss-Schranke  113, 170

–– Konkurrenzschranke siehe  Konkurrenz: Konkurrenzschranke –– Schrankendivergenz  43, 105, 112, 115 –– Schrankenleihe  44, 166 –– Schranken-Schranken 43 –– Schrankenübertragung 166 –– Schutzmaximum  113, 166, 167, 168 –– Schutzminimum  113, 166, 167 Schutzbereich 61 –– Begriff 73 –– enge Schutzbereichsauslegung  106 –– Eröffnung  55, 71, 72, 73, 74 –– Schutzbereichsabgrenzung 123 –– Schutzbereichsergänzung 28 –– Schutzbereichserweiterung 28 –– Schutzbereichskumulation  28, 48 –– Schutzbereichsverstärkung  27, 28, 32, 35, 59, 166, 174 –– Schutzbereichswirrwarr 131 Schutzgehaltsverstärkung 28 Schutzpflicht siehe Grundrechtssystematisierung: Schutzpflicht Schwabe  21, 28, 44, 49, 52, 53, 54, 85, 130, 138, 140, 165, 168, 170 Schweiz  138, 139, 141, 156, 197 Schwere siehe Eingriff: Intensität Schwere der Ungleichbehandlung siehe Gleichheitsrecht: Intensität der Ungleichbehandlung Schwerpunkt der Maßnahme siehe  Konkurrenz: Schwerpunkt der Maßnahme Sicherheit (der Bewertung) 127, 128, 171, 172, 181 situative Verdrängung siehe Konkurrenz: situative Verdrängung Slowakei 139 Solariumsfall 240 Sperrwirkung siehe  Konkurrenz: Sperrwirkung Spezialität siehe Konkurrenz: Spezialität Spielmann 28, 55, 56, 76, 77, 78, 81, 87, 104, 114, 141, 162, 185, 247 Statuslehre –– status activus 157 –– status negativus 157 –– status positivus 157 Subsidiarität siehe Konkurrenz: Subsidiarität Synthesegrundrecht  29, 50

Sachverzeichnis Tatbestandsabgrenzung siehe  Sachverhaltsabgrenzung Tatbestandskomplex siehe Sachverhaltsabgrenzung: Tatbestandskomplex Tateinheit siehe Konkurrenz: Idealkonkurrenz Tatmehrheit siehe Konkurrenz: Realkonkurrenz Teilhabe, politische siehe Menschenwürdeaspekte: politische Teilhabe Teilhaberecht siehe Grundrechtssystematisierung: Teilhaberecht Transzendenz siehe Menschenwürdeaspekte: Transzendenz Treppenlift  39, 244 Trompeterfall  52, 191 Tun siehe Handlungslehre: Tun Typisierung 210

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–– im weiteren Sinn  63, 124, 169, 187 –– Übermaßverbot 124 Verklammerung siehe Sachverhaltsabgrenzung: Verklammerung Versammlungsfreiheit 111, 114, 141, 145, 153, 158, 161 Verstärkungsverbund  28, 55 Verstärkungswirkung  21, 23, 26, 27, 28, 29, 31, 32, 33, 35, 38, 39, 40, 41, 42, 45, 46, 47, 48, 49, 52, 53, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 81, 130, 131, 133, 162, 165, 172, 173, 174, 178, 189, 190, 194, 196, 203, 215, 236, 241, 242, 243, 245, 249, 257 Vorbelastung siehe Sachverhaltsabgrenzung: Vorbelastung –– faktische 90 Vorbereitungshandlung siehe Sachverhaltsabgrenzung: Vorbereitungshandlung Vorfeldmaßnahme siehe Sachverhaltsabgrenzung: Vorfeldmaßnahme

Übermaßverbot siehe  Verhältnismäßigkeit: Übermaßverbot Ungleichbehandlung siehe  Gleichheitsrecht: Ungleichbehandlung Ungleichbehandlungsgebot siehe Gleichheits­ recht: Differenzierungsgebot Unterlassen siehe Handlungslehre: Unterlassen Untermaßverbot 63 Unterschiedlichkeitsfaktor  78, 122, 172, 175, 180, 181, 193, 226, 239, 253, 255 Unterschiedlichkeitsgrad  171, 173, 180, 226, 238 USA 109

Wechselwirkungslehre  34, 114, 116, 159 Wertrangordnung siehe Rangordnung Wille (des Gesetzgebers)  74, 83, 84, 96, 97, 99, 136, 247, 248 Willkürformel siehe  Gleichheitsrecht: Willkürformel Wirkungsverbund  28, 49, 52, 130, 140 Wissen siehe Menschenwürdeaspekte: Wissen

Verbindung siehe in Verbindung mit Verbindungsgrundrecht 29 Verbundgrundrecht  29, 50 verdeckte Diskriminierung siehe Gleichheitsrecht: Diskriminierung: verdeckte Diskriminierung verdrängtes Grundrecht, argumentativer Rückgriff siehe  Rückgriff (auf das verdrängte Grundrecht) Verdrängung siehe Konkurrenz: Verdrängung Vereinigungsfreiheit  143, 148, 151, 153, 161, 183 Vergleichsbeziehung siehe  Gleichheitsrecht: Vergleichsbeziehung Verhältnismäßigkeit  194, 200, 201 –– im engeren Sinn  31, 48, 124, 125, 171, 187, 194, 202

Zentralbereich, Betroffenheit im siehe  Konkurrenz: Betroffenheit im Zentralbereich Zielrichtung siehe Konkurrenz: Zielrichtung der Maßnahme Zumutbarkeit siehe  Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn Zurechenbarkeit siehe Zurechnung Zurechnung  55, 77 Zweck  92, 94, 96, 97, 98, 99, 101, 102, 124, 171, 201, 203, 210, 211, 212, 216, 219, 221, 222 –– Begriff  48, 84, 97, 98, 99, 171, 201, 210, 216, 220, 233, 240 –– Endzweck 201 –– gestufte Zwecke  94 –– Hauptzweck  98, 201 –– Nebenzweck  92, 98, 201

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Sachverzeichnis

–– zweckbestimmendes Grundrecht siehe Sachverhaltsabgrenzung: zweckbestimmendes Grundrecht –– Zweckbündel 94 –– Zweckidentität  83, 84, 96

–– Zweck-Mittel-Verhältnis 83, 84, 85, 96, 99, 169, 200, 201 –– Zweckveranlasser 77 –– Zwischenzweck 201 Zwittergrundrecht 29