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German Pages 425 [426] Year 2015
Rafael Ball und Stefan Wiederkehr (Hrsg.) Vernetztes Wissen. Online. Die Bibliothek als Managementaufgabe
Vernetztes Wissen. Online. Die Bibliothek als Managementaufgabe
| Festschrift für Wolfram Neubauer zum 65. Geburtstag Herausgegeben von Rafael Ball und Stefan Wiederkehr
ISBN 978-3-11-044154-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-043581-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-043330-2 Set-ISBN 978-3-11-043582-5 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: ETH Zürich, Hauptgebäude, 2011. ETH Zürich/Marco Carocari Satz: PTP-Berlin, Protago-TEX-Production GmbH, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Grußwort des Vizepräsidenten für Personal & Ressourcen der ETH Zürich, Prof. Dr. Roman Boutellier, für Wolfram Neubauer zum 65. Geburtstag Frei ist der Anfang, und frei ist das Ende; was dazwischen liegt, ist notwendig. (Wilhelm Busch, Was ist Glauben)
Viele Notwendigkeiten haben sich in den letzten 20 Jahren in der Bibliothek der ETH Zürich geändert: Die Elektronik hat Einzug gehalten und mit ihr die Digitalisierung. Heute können wir auf rund 350 000 Bilder direkt zugreifen, knapp 30 000 Bücher-Raritäten stehen uns auf e-rara.ch online zur Verfügung und pro Jahr haben wir über alle Plattformen hinweg gesehen weit über 10 Millionen PDF-Downloads. Ja, all das gab es nicht, als Wolfram Neubauer 1996 vom Forschungszentrum Jülich an die ETH Zürich wechselte. Seine Ausbildung in exakten Naturwissenschaften – er studierte Mineralogie und Chemie an der Universität München – half ihm, wie er selber immer wieder betonte, die neuen Technologien rasch zu integrieren und auch standortübergreifende große Software-Projekte zu meistern, wie etwa die Integration der Kataloge der drei großen Zürcher Bibliotheken. Das Digitalisierungszentrum und die Fachstelle Digitaler Datenerhalt setzen nicht nur schweizweit Maßstäbe. Er hat aber nicht nur aufgebaut, sondern auch fokussiert. Unter dem Zwang der exponentiell wachsenden Preise der großen Verlage war er gezwungen, die Anzahl der abonnierten Zeitschriften um über 30 % zu senken. Er tat dies mit großer Rücksicht auf die echten Bedürfnisse seiner Kunden, aber auch mit viel Verhandlungsgeschick als Projektleiter des Konsortiums der Schweizer Hochschulbibliotheken. Keine einfache Aufgabe, will doch jede Hochschule ein Maximum an Leistung zu möglichst tiefen Kosten. Mit viel Diplomatie und hie und da auch etwas Nachdruck ist es Wolfram Neubauer immer wieder gelungen, die übertriebenen Preissteigerungen der Anbieter unter Kontrolle zu halten. An der ETH Zürich hat Wolfram Neubauer auch mit viel Initiative seine Organisation neu ausgerichtet: So sind heute die Graphische Sammlung, das Max Frisch-Archiv und auch das Thomas-Mann-Archiv unter zentraler Führung. Wissenschaftliche Beiräte beraten in strategischen Fragen und sichern die Qualität, die Bibliothek setzt die Wünsche der wissenschaftlichen Nutzer um: Eine anspruchsvolle Zusammenarbeit, die viel Gewandtheit erfordert und nicht immer ohne Reibung verläuft. Zu verschieden sind die Interessen, zu groß aber auch der Zwang, Kosten zu sparen und sich auf das Wesentliche zu beschränken. Wolfram
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Neubauer ist es bei der Integration von Sammlungen immer wieder gelungen, diese aus schwierigen Situationen in geordnete Bahnen zu lenken. Unter der Leitung von Wolfram Neubauer hat die ETH-Bibliothek in den letzten 19 Jahren entscheidende Schritte gemacht, um auch im digitalen Zeitalter ihre Rolle als unverzichtbare Wissensquelle zu erfüllen. Der schöne Sommer ging von hinnen, Der Herbst, der reiche, zog ins Land. Nun weben all die guten Spinnen So manches feine Festgewand. (Wilhelm Busch, Zum Herbst)
Wir danken Wolfram Neubauer für seinen unermüdlichen Einsatz als Leiter der größten Bibliothek unseres Landes und wünschen ihm einen interessanten Lebens-Herbst. Wir selber dürfen uns an vielen Früchten seiner Arbeit freuen und unsere „Bibliothek“, sein neu geschaffenes Informationszentrum, auf einer soliden Grundlage weiterführen.
Inhalt Grußwort des Vizepräsidenten für Personal & Ressourcen der ETH Zürich, Prof. Dr. Roman Boutellier, für Wolfram Neubauer zum 65. Geburtstag | V Rafael Ball Einführung | XI
Teil I: Was ist eine Bibliothek? Arlette Piguet Die ETH-Bibliothek Eine unentbehrliche Dienstleisterin für Forschung und Lehre | 3 Oliver Renn Können (wissenschaftliche) Bibliotheken weiterhin Bibliotheken heißen? Die Entwicklungskurven von Firmenbibliotheken und Universitätsbibliotheken im Vergleich | 17 Andreas Degkwitz „What about my Library?“ | 35 Wilma van Wezenbeek It is the Library. What Else. To Make the World a Better Place. | 39 Wolfgang Giella Der „Dritte Ort“ in einer wissenschaftlichen Bibliothek? | 45
Teil II: Strategie und Strategiebildung Andreas Brandtner Wandel – Krise – Transformation Herausforderungen für Universitätsbibliotheken am digitalen Informationsmarkt | 63 Beth Sandore Namachchivaya The Evolving Role of Libraries in the Academic Research Enterprise | 77
VIII | Inhalt
Rudolf Mumenthaler Herausforderungen für Bibliotheken | 85 Bruno Bauer Open Access in Österreich Von Einzelaktivitäten zu Kooperationen auf nationaler Ebene | 101 Konstanze Söllner Why not? Open Access in den Geisteswissenschaften | 121 Ulrich Hohoff Generationengerechtigkeit und wissenschaftliche Bibliothek Ein neues Konzept für die dauerhafte Nutzbarkeit der Publikationen aus Wissenschaft und Kultur | 135 Frank Scholze Schluss mit den ewigen Fragen? Langzeitverfügbarkeit als exemplarische Aufgabe der Informationsinfrastruktur | 153 Matthias Töwe Von Forschungsdaten zu e-journals und zurück Der Weg zum digitalen Datenerhalt an der ETH-Bibliothek | 159 Uwe Rosemann Die Stiftung Technische Informationsbibliothek und ihre Strategie 2015–2017 | 173 Stefan Wiederkehr Die Strategie 2015 bis 2020 für die Sammlungen und Archive der ETH Zürich | 181 Ulrike Eich Bibliotheksdienste für Natur- und Ingenieurwissenschaften | 189
Inhalt |
Teil III: Innovation und Marketing Ursula Georgy Erlebnisorientierte Lernorte Die Bibliothek als Brandland | 201 Erdmute Lapp Bibliothek und Innovation | 217 Lisa Ott und Franziska Regner Innovationsmanagement an der ETH-Bibliothek | 223 Marie-Christine Doffey Standards and Innovation in Libraries From Diverging to Converging | 233
Teil IV: Führung und Prozesse Joachim Kreische Von den bibliothekarischen Tugenden im 21. Jahrhundert | 243 Bernhard Mittermaier Qualitätsmanagement und Bibliotheken | 255 Bernard Bekavac, Rudolf Mumenthaler, Edzard Schade und Niklaus Stettler Ein Curriculum für die professionelle Ausbildung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren | 267 Lee Cheng Ean Continual Staff Development, Process and Service Improvement for Organizational Excellence | 275 Sylvia Yap Swee-beng National University of Singapore Libraries: Our Story | 287
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X | Inhalt
Teil V: Vernetzung und Kooperation Gerda Winkler und Paolo Buoso Innovation und Kooperationen in wissenschaftlichen Bibliotheken Ein Erfahrungsbericht der Universitätsbibliothek Bozen | 301 Wilfried Lochbühler Hauptbibliothek – Medizin Careum in Zürich Integrale Literaturversorgung für Medizin und Gesundheitsberufe | 313 Ulrich Niederer Lange Frist ohne Sauerstoff Die Kooperative Speicherbibliothek Schweiz in 39 Bildern | 327 Nicole Graf Crowdsourcing beim Swissair-Fotoarchiv | 343 Anne Lipp Von der Bibliotheksförderung zu wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen Eine Kurzbiografie zur Förderhistorie der Deutschen Forschungsgemeinschaft | 349 Dorothea Busjahn Damals war’s – eine kleine AGF-Geschichte | 359 Doru Radosav “Secret Collections” in Romanian Libraries in Early Communism: 1945–1948 | 363 Christian Koller Bibliotheksgeschichte als histoire croisée Das Schweizerische Sozialarchiv und das Phänomen des Exils | 371 Schriftenverzeichnis Wolfram Neubauer | 401 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren | 411
Rafael Ball
Einführung Die vorliegende Festschrift ehrt einen Kollegen, der wie kaum ein anderer im Bibliotheksmanagement Maßstäbe gesetzt und Erfolge gefeiert hat. Sie ist eine persönliche Gratulation an Dr. Wolfram Neubauer zu seinem 65. Geburtstag. Im September 2015 beendet er seine aktive Karriere im Bibliotheksdienst als Direktor der ETH-Bibliothek Zürich. Wolfram Neubauer hat in seinem fast 20-jährigen Wirken die ETH-Bibliothek in Zürich zu einem modernen und innovativen Dienstleister entwickelt und zukunftssicher aufgestellt. Nicht nur am Wissensplatz Zürich nimmt damit die ETHBibliothek die führende Rolle ein, sie ist auch für die Schweiz eine zentrale Institution und Leader vor allem bei technisch-innovativen Themen. Die ETH Bibliothek bietet dabei nicht nur umfassende Bestands- und Dienstleistungsangebote, sondern leistet auch eine Spitzenversorgung von Wissenschaft und Lehre im umfassenden Sinne des Wortes. Und das bei der kolossalen Bandbreite der Geschäftsbereiche der ETH-Bibliothek, die vom klassischen Kerngeschäft über Highend-Innovationen und nationale Bibliotheksaufgaben bis hin zu umfangreichen Sammlungen und Archiven reicht. Dabei war Wolfram Neubauer die Arbeit mit professionellen Performance-Indikatoren und Managementkennzahlen weder fremd noch verdächtig, hat er doch Bibliothek stets auch immer als „Betrieb“ verstanden, der effizient und effektiv geführt werden muss. Dies fiel ihm umso leichter, als das Umfeld der ETH Zürich im Sinne von Entrepreneurship stets einen Handlungsraum geboten hat, der frei war von den oft lähmenden (Beamten)Strukturen, wie sie in Teilen des Bibliothekswesens leider noch immer vorherrschen. Wolfram Neubauer hat jenen gestalterischen Freiraum, den man sich an der ETH Zürich nicht erkämpfen muss, sondern den man füllen darf, stets zum Wohle der ETH-Bibliothek und ihrer Kunden genutzt. Damit ist Wolfram Neubauer ein Macher im besten Sinne des Wortes, ein Manager fernab von akademischen Sonntagsreden und bibliothekarischer Warmluft. Der in der Bibliothekswelt oft behauptete Wandel ist an der ETH-Bibliothek nicht nur konsequent umgesetzt worden, sondern wird hier auch tatsächlich gelebt. So haben die Kolleginnen und Kollegen an der ETH-Bibliothek keine Angst vor Veränderung, sondern sie sind positiv von einer Change-Mentalität geprägt, weil sie wissen, dass nur derjenige bleibt, der sich ändert, und derjenige einen
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dauerhaft spannenden Arbeitsplatz hat, der bereit ist, ihn hin und wieder gegen einen anderen zu tauschen, sich fortzubilden und weiter zu qualifizieren. Nicht umsonst ist die Fort- und Weiterbildungsquote an der ETH-Bibliothek nahezu einmalig in Europa. Wolfram Neubauer hat die ETH-Bibliothek in seiner Amtszeit als Direktor nachhaltig geprägt und ein hochmotiviertes und bestqualifiziertes Team aufgestellt. Dabei positionierte er die ETH-Bibliothek nicht nur innerhalb der ETH als zentralen Dienstleister, sondern auch schweizweit als Innovationstreiber par excellence. Daneben waren internationale Engagements für ihn immer Ideengeber und Diskussionsgrundlage zugleich. Er war stets in nationalen und internationalen Gremien und Arbeitsgruppen engagiert und hat die ETH-Bibliothek entsprechend erfolgreich platziert. In der vorliegenden Festschrift haben wir deshalb eine breite Mischung aus fachlichen Beiträgen und persönlichen Reminiszenzen aus der ganzen Welt zusammengestellt. Sie sind der Beweis eines internationalen, professionellen Netzwerks das sich Wolfram Neubauer nicht nur aufgebaut hat, sondern das sich aus seinen vielfältigen Kontakten geradezu ergibt. Es ist zugleich Zeichen größter Anerkennung für einen Bibliotheksmanager, dessen Verständnis stets weit über die Vorstellung der Bibliothek als einer kulturellen Gedächtnisinstitution und einem Bewahrer von Kultur hinausging. Ich beglückwünsche meinen Kollegen und Vorgänger Wolfram Neubauer zu seinem 65. Geburtstag und danke ihm auch im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ETH-Bibliothek für seinen großartigen Einsatz und seine Verdienste um die Bibliothek der ETH Zürich, das Bibliothekswesen der Schweiz und die internationale Bibliothekscommunity. Zürich, September 2015
Rafael Ball
| Teil I: Was ist eine Bibliothek?
Arlette Piguet
Die ETH-Bibliothek Eine unentbehrliche Dienstleisterin für Forschung und Lehre
Einführung „Mit neuem Rollenverständnis in die Zukunft“: So kündigte sich der neue Direktor der ETH-Bibliothek, Dr. Wolfram Neubauer, im Herbst 1996 in der Publikation ETH-Intern¹ der wissenschaftlichen Community an. Wolfram Neubauer war überzeugt davon, dass die bereits angelaufenen und noch bevorstehenden Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb den Alltag in wissenschaftlichen Bibliotheken maßgeblich beeinflussen würden. Wolfram Neubauer stellte sich dann fast 19 Jahre lang den vielfältigen Herausforderungen einer Hochschulbibliothek im Internetzeitalter. Diese waren beeinflusst von gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen. Zu erwähnen sind etwa die technischen Entwicklungen, das Phänomen der Informationsflut oder auch die Veränderungsprozesse im Publikationsmarkt. Selbstverständlich haben bei der Entwicklung einer Hochschulbibliothek und ihrem Dienstleistungsportfolio immer auch das universitäre und das allgemein-politische lokale und auch nationale Umfeld mehr oder weniger großen Einfluss. Die konsequente Orientierung an den Kundenbedürfnissen war stets ein wesentliches Leitmotiv der zielführenden Aktivitäten von Wolfram Neubauer. Das Wohl der Mitarbeitenden und deren Förderung waren ihm aber ebenso ein wichtiges Anliegen. Es ist kaum möglich, in einem einigermaßen überschaubaren Artikel die Entwicklungen der ETH-Bibliothek zu einer modernen Hochschulbibliothek unter der Führung von Wolfram Neubauer aufzuzeigen und zu würdigen. Im Folgenden wird deshalb der Versuch unternommen, anhand weniger ausgewählter Themen die Entwicklungen in Richtung einer digitalen Bibliothek während der letzten knapp 20 Jahre exemplarisch zu skizzieren und hierbei einige der Erfolgsfaktoren der ETH-Bibliothek in der „Ära Neubauer“ herauszuschälen.
1 Schulleitung der ETH Zürich (Hrsg.): ETH-Intern. Forum für die Angehörigen der ETH Zürich (1996) Nr. 15a. S. 3.
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Die ETH-Bibliothek im Jahr 1997 Die ETH-Bibliothek ist Ende der 1990er Jahre mit einem Bestand von rund fünf Millionen Einheiten die größte und bedeutendste wissenschaftliche Bibliothek in der Schweiz. Hierzu zählen u. a. zwei Millionen Dokumente in Form von Mikrofichen, 270 000 Karten sowie rund 8300 laufende Zeitschriften in gedruckter Form. Die ETH-Bibliothek versorgt einerseits die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ETH Zürich mit Fachliteratur. Andererseits versteht sie sich auch als nationales Zentrum für naturwissenschaftlich-technische Information. Die ETH-Bibliothek ist eine Magazinbibliothek und unauffällig im Hauptgebäude der ETH Zürich untergebracht. Die Baubibliothek sowie die GeologieBibliothek sind als Fachbereichsbibliotheken in die Strukturen der ETH-Bibliothek integriert. Im Jahr 1997 werden rund 520 000 Ausleihen getätigt. Das fortgeschrittene technische Umfeld an der Hochschule sowie die Entwicklungen auf dem Informationsmarkt sind ideale Voraussetzungen für die zunehmend umfassendere Einführung von digitalen Informationsangeboten. Digitale Recherchemöglichkeiten für Fachliteratur sind in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre an der ETH-Bibliothek bereits einigermaßen etabliert. Eine große Auswahl an Fachbibliographien kann entweder an lokalen CD-ROM-Stationen in der ETH-Bibliothek oder über das ETH-LAN vom eigenen Arbeitsplatz aus via PC oder Mac abgefragt werden.² Ein Teil des Angebotes wird auch den anderen Institutionen des ETH-Bereichs zugänglich gemacht.³ Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können aber auch weiterhin den etablierten Online-Datenbankservice in Anspruch nehmen. Hierbei recherchiert spezialisiertes Fachpersonal der ETH-Bibliothek die in den letzten Jahren erschienenen Literaturhinweise zu einem bestimmten Thema in hunderten von online zugänglichen Fachdatenbanken bei kommerziellen Hosts. Die Suchabfrage wird in Zusammenarbeit mit dem Kunden unter Zuhilfenahme fachspezifischer Thesauri jeweils gut vorbereitet, denn zusätzlich zu den heruntergeladenen Zitaten ist auch die jeweilige Dauer der Abfrage kostenpflichtig. Die recherchierten bibliographischen Angaben mit Abstract kann sich der Wissenschaftler entwe-
2 Die ETH-Bibliothek betrieb damals einen sogenannten ERL (Electronic Reference Library)-Server. Mit dieser Client/Server-Lösung des CD-ROM-Verlegers SilverPlatter waren die auf dem Server geladenen Datenbanken via TCP/IP vom eigenen Arbeitsplatz aus an der Hochschule wie auch im Informationszentrum der ETH-Bibliothek abfragbar. 3 Dieses erweiterte Angebot wurde möglich durch die Gründung des Konsortiums für den ETHBereich im Jahr 1997. Hierzu gehören neben der ETH Zürich die EPF Lausanne sowie die vier Forschungsanstalten EAWAG, EMPA, WSL und PSI.
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der ausdrucken oder auf eine selbst mitgebrachte Diskette (im Format MS-DOS) abspeichern lassen. Auch die Einrichtung eines „Alert-Service“ ist möglich. Die aktuellen Literaturhinweise zu einem Forschungsthema werden hierbei dem Forschenden regelmäßig per E-Mail zugeschickt. Die ETH-Bibliothek ist als Hauptbibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich mit ihrer fachlichen Ausrichtung auf Naturwissenschaften und Technik in besonderer Weise auch prädestiniert für den Aufbau eines virtuellen Zeitschriftenbestandes. Alice Keller hält im Jahr 1997 in ihrer Publikation zum Thema „Elektronische Zeitschriften in Bibliotheken“ fest: – Die Zahl der relevanten Veröffentlichungen, insbesondere der Zeitschriftenartikel, in diesen Bereichen steigt unaufhaltsam. – Die Wissenschaftler haben ihr Kommunikations- und Informationsverhalten verändert und sind sehr daran interessiert, dass die benötigte Information rascher verfügbar ist und direkt an den Arbeitsort bzw. auf den Bildschirm geliefert wird. – Die Benutzer der Bibliothek sind am eigenen Arbeitsplatz computertechnisch gut ausgerüstet.⁴ Die ersten elektronischen Zeitschriften hat die ETH-Bibliothek im Frühjahr 1996 angeboten. Bis zum Jahresende erhöhte sich die Zahl auf 100. Ein Jahr später sind bereits 278 Titel online verfügbar. Die Mehrzahl der Online-Zeitschriften sind Parallelausgaben der gedruckten Form. In der „Virtuellen Bibliothek“ können die Benutzerinnen und Benutzer auf fachlich relevante Internetadressen zugreifen. Das Angebot wird von den Fachreferentinnen und -referenten zusammengestellt und laufend aktualisiert. „Modern“ mutet im Jahr 1997 auch die Abfrage des Verbundkataloges ETHICSplus⁵ an. Bereits im Herbst 1996 wurde das Bibliothekssystem mit einem innovativen Gesicht ausgestattet. Der Katalog kann neu über die in der Programmiersprache Java entwickelte grafische Benutzeroberfläche HotETHICS abgefragt werden⁶, die Bestellung der Dokumente erfolgt online. Dokumente, die vor 1976 katalo-
4 Vgl. hierzu: Keller, Alice: Elektronische Zeitschriften in Bibliotheken. In: nfd. Zeitschrift für Informationswissenschaft und -praxis (1997) Jg. 48. S. 131–136. 5 ETHICSplus (ETH Library Information Control System): das von der ETH-Bibliothek entwickelte Bibliothekssystem ETHICS wurde ab 1995 sukzessive in Betrieb genommen und vom wachsenden ETHICS-Verbund verwendet. Mit dem Beitritt der Zentralbibliothek Zürich (ZBZ) wurde das System zu „ETHICSplus“ ausgeweitet. Vgl. hierzu: Kirstein, Andreas u. Rudolf Nöthiger: Projekt „Neues Bibliothekssystem an der ETH Zürich“. Zürich: ETH-Bibliothek 2001. 6 Vgl. hierzu: Scherer, Erich u. Wolfram Neubauer: Von der Mainframe-Anwendung zur ClientServer-Lösung. In: ABI-Technik 18 (1998) H. 4. S. 378–385.
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gisiert wurden, müssen allerdings noch in den alphabetischen Fichenkatalogen recherchiert werden. Die wissenschaftshistorischen Sammlungen ergänzen das Informationsangebot der ETH-Bibliothek. In der Schweiz haben diese Sammlungen eine anerkannte Rolle als Kompetenzzentrum für Wissenschaftsgeschichte.
Die ETH-Bibliothek im Jahr 2015 Die ETH-Bibliothek verfügt über einen Bestand von 7,9 Millionen analogen Einheiten. Das Kartenmaterial umfasst knapp 336 000 Einheiten und wurde um Geodaten ergänzt. Die Zahl der abonnierten gedruckten Zeitschriften wird mit 5400 angegeben. U. a. ergänzen mehr als 2,2 Millionen Bilddokumente sowie knapp 4000 Laufmeter Archivgut die analogen Sammlungen. Die Angehörigen der ETH Zürich können darüber hinaus auf ein umfassendes und relevantes technisch-naturwissenschaftliches Medienangebot in elektronischer Form zugreifen. Das Portfolio an lizenzierten E-Books (rund 160 000), EJournals (rund 17 000) und Datenbanken (rund 140)⁷ wird ergänzt durch selektiv digitalisierte eigene Materialien, wie etwa Alte Drucke, Zeitschriften, Bilder, Graphiken oder Archivgut. Um die im eigenen Digitalisierungszentrum digitalisierten Bestände anbieten zu können, hat die ETH-Bibliothek geeignete Applikationen und Services aufgebaut.⁸ E-rara.ch⁹ und retro.seals.ch¹⁰ beispielsweise wurden als Kooperationsprojekte im Rahmen des Innovations- und Kooperationsprojektes „e-lib.ch: Elektronische Bibliothek Schweiz“ durchgeführt.¹¹
7 Zahlreiche elektronische Ressourcen werden über das Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken lizenziert. Diese Einrichtung wurde im Jahr 2000 im Rahmen eines nationalen Kooperationsprojektes gegründet. Die Vorarbeiten hierfür waren in hohem Maße geprägt vom Einsatz der ETH-Bibliothek. Die Geschäftsstelle des Konsortiums wurde dann auch der ETHBibliothek zugesprochen und ist seither hier angesiedelt. 8 Zum Angebot der Rechercheplattformen mit digitalisierten Inhalten sowie zu den digitale Sammlungen mit thematisch aufbereiteten Beständen und ausgewählten Highlights vgl. http://www.library.ethz.ch/de/Ressourcen/Digitale-Bibliothek (24.4.2015). 9 E-rara.ch (http://www.e-rara.ch/ [24.4.2015]): Online-Plattform für digitalisierte alte Drucke aus Schweizer Bibliotheken. 10 Retro.seals.ch (http://retro.seals.ch/ [24.4.2015]): Online-Plattform für retrodigitalisierte wissenschaftliche Zeitschriften mit besonderer Berücksichtigung regionaler Inhalte. 11 e-lib.ch ist ein Innovations- und Kooperationsprojekt der Schweizerischen Universitätskonferenz (SUK) mit Beteiligung des ETH-Rates und des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT). Es dauerte von 2008 bis 2012. 20 Teilprojekte wurden realisiert. Der ETH-Bibliothek
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Die Kundinnen und Kunden können große Teile der Bestände der ETH-Bibliothek bequem über das sogenannte Wissensportal abfragen.¹² Dieser integrierte Service steht auch als Web-App für die Abfrage via mobile Geräte zur Verfügung. Die elektronische Dokumentenlieferung liefert Kopien von Artikeln und Kapiteln aus Dokumenten des Bestandes der ETH-Bibliothek vor allem auch an jene Kundengruppen, die aus lizenzrechtlichen Gründen keinen Online-Zugriff auf die lizenzierten Ressourcen der ETH-Bibliothek haben. Um als öffentliche Bibliothek auch für die Zeit gerüstet zu sein, in der vor allem technisch-naturwissenschaftliche Informationen lediglich noch in elektronischer Form angeboten werden, initiierte die ETH-Bibliothek die Ausleihe von E-Books an Nicht-ETH-Angehörige. Über 50 000 Titel mehrerer kommerzieller Verlage können mittlerweile von der wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit zeitlich befristet und ortsunabhängig auf den eigenen Rechner geladen und lokal genutzt werden. Der ETH-Bibliothek sind vier Spezialbibliotheken angegliedert, von denen zwei erst in den letzten fünf bis zehn Jahren infolge Zusammenlegung mehrerer Institutsbibliotheken eröffnet wurden.¹³ Die Hauptbibliothek befindet sich nach wie vor im Hauptgebäude der ETH Zürich. Die Sammlungen und Archive umfassen mittlerweile unter anderem zwei Literaturarchive, das Bildarchiv, die Kulturgütersammlung der ETH Zürich und eine Materialsammlung für Architekten und Baufachleute.¹⁴ Zusätzlich zu diesen mehrheitlich klassischen Bibliotheksangeboten steht den ETH-Angehörigen eine Reihe weiterer Dienstleistungen zur Verfügung, die teilweise erst in den letzten Jahren aufgebaut wurden: Über die ETH E-Collection¹⁵ steht den Forschenden der ETH Zürich die Möglichkeit offen, eigene Arbeiten frei zugänglich über das Internet zu publizieren. Als offizielle DOI-Registrierungsstelle für den Schweizer Hochschul- und Forschungsbereich ist die ETHBibliothek auch in der Lage, für digitale Publikationen und andere Objekte einen Digital Object Identifier (DOI) zu vergeben. Informationen und Beratung zu rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Aspekten des Open-Access-
kam in diesem Programm eine Führungsrolle zu. Auch die Koordinationsstelle des Projektes war an der ETH-Bibliothek angesiedelt. 12 Das Wissensportal der ETH-Bibliothek bietet einen zentralen Zugang zu den Daten- und Metadatensammlungen sowie allen weiteren Dienstleistungen der ETH-Bibliothek unter einer Präsentationsoberfläche: http://www.library.ethz.ch (24.4.2015). 13 Die „Grüne Bibliothek“ für Agrar-, Lebensmittel- und Umweltwissenschaften wurde im Jahr 2005 eröffnet, die „GESS-Bibliothek“ für Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften im Jahr 2010. 14 Vgl. hierzu den Beitrag von Stefan Wiederkehr in diesem Band. 15 ETH E-Collection: http://www.e-collection.ethz.ch (24.4.2015).
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Publizierens komplettieren die Dienstleistungen rund um das E-Publishing. Darüber hinaus weist die Hochschulbibliographie ETH E-Citations die Publikationen der Angehörigen der ETH Zürich nach und dokumentiert damit den Outreach der Hochschule.¹⁶ Mit der zunehmenden Digitalisierung von Informationen ist die Frage der langfristigen Sicherung von digitalen Daten zentral geworden. Mit der seit dem Jahr 2014 im produktiven Betrieb geführten Fachstelle Digitaler Datenerhalt möchte die ETH-Bibliothek insbesondere auch den Forschenden der ETH Zürich umfassende Dienstleistungen für die längerfristige Sicherung ihrer Forschungsdaten anbieten. Das ETH Data Archive ist das von der ETH-Bibliothek betriebene digitale Langzeitarchiv für die ETH Zürich. Es steht für Forschungsdaten sowie für Dokumente und andere Daten der Bibliotheken, Sammlungen und Archive zur Verfügung.¹⁷ Das Marketing der ETH-Bibliothek ist schon vor mehreren Jahren professionalisiert worden und informiert seine Kundinnen und Kunden auch über moderne Informationskanäle wie etwa Social Media. Beim skizzierten Dienstleistungsportfolio der ETH-Bibliothek der Jahre 1997 sowie 2015 wurde eine Auswahl der wichtigsten Dienstleistungen erwähnt. Bereits diese knappe Übersicht zeigt, dass sich das Serviceportfolio der ETH-Bibliothek in den letzten knapp 20 Jahren stark in Richtung elektronische Bibliothek verändert hat. Es wurde einerseits viel investiert in den Ausbau der digitalen Informationsangebote sowie in die integrierte Abfrage. Auf der andern Seite wurden die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Kundengruppen verstärkt aufgegriffen. Dies führte dazu, dass Dienstleistungen aufgebaut wurden, die auch an das Personal der Bibliothek ganz neue Anforderungen stellen.
Drei exemplarische Entwicklungen In diesem Kapitel werden drei Entwicklungen der letzten rund 15 bis 20 Jahre exemplarisch herausgegriffen. Sie dokumentieren den Paradigmenwechsel der ETH-Bibliothek von der reinen Bestandsorientierung in Richtung Informationsvermittlung und konsequente Kundenorientierung. Sie sollen aber auch einige „Erfolgsrezepte“ aufzeigen, die zur Bewältigung der heterogenen Herausforderungen beigetragen haben.
16 ETH E-Citations: http://www.e-citations.ethz.ch (24.4.2015). 17 Vgl. hierzu den Beitrag von Matthias Töwe in diesem Band.
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Die ETH E-Collection – pragmatisches Vorgehen Bereits im Jahr 2000 griff die ETH-Bibliothek die Herausforderungen der aktiven Wissensvermittlung im digitalen Zeitalter auf. Ziel des damals initiierten Pilotprojektes „Dissertationen Online“ war es, mit dem Aufbau einer Publikationsplattform für Graue Literatur gezielt Erfahrungen in einem zukunftsweisenden Aufgabenbereich zu sammeln und gleichzeitig Benutzerinnen und Benutzern eine innovative Dienstleistung anzubieten. Die ersten elektronischen Dissertationen wurden zu Beginn des Wintersemesters 2000/2001 aufgeschaltet. Der Service wurde von Beginn an sowohl von den Autorinnen und Autoren als auch von den Benutzerinnen und Benutzern positiv aufgenommen. Nach sechs Monaten standen über die ETH E-Collection bereits 1300 Dissertationen mit zweisprachigen Abstracts zur Verfügung, 600 davon auch mit Volltext.¹⁸ Dies war erstaunlich, da die Promotionsordnung der ETH Zürich die Abgabe der Dissertation in elektronischer Form damals noch nicht vorsah¹⁹ und die Doktorierenden nach wie vor acht Exemplare ihrer Arbeit in gedruckter Form abliefern mussten. Mit diesem Angebot war der Grundstein gelegt für die in den Folgejahren zukunftsweisenden Entwicklungen im Bereich E-Publishing und Open Access. Im Vergleich zu ausländischen Projekten standen der ETH-Bibliothek für den Aufbau des Pilotprojektes keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung. Das Vorhaben musste somit mit minimalem Aufwand bearbeitet und in vertretbaren Grenzen gehalten werden. Erst ab 2001 wurde das Vorhaben im Rahmen des strategischen Großprojektes ETH World²⁰ zwei Jahre lang finanziell unterstützt. Auch die in den Folgejahren ergriffenen Maßnahmen der ETH-Bibliothek im Kontext der Open-Access-Bewegung waren pragmatischer Natur. Obwohl das Thema „Open Access“ lediglich bei der Minderheit der ETH-Wissenschaftler auf ein gewisses Interesse stieß, tätigte die Hochschule trotzdem einige Investitionen, um weitere Wissenschaftler dafür zu sensibilisieren und um qualifiziert an den weltweiten Diskussionen teilhaben zu können.
18 Ein Großteil der Abstracts und Volltexte wurde damals noch eingescannt. 19 Erst im Jahr 2013 wurde in den Ausführungsbestimmungen der Doktoratsverordnung der ETH Zürich verankert, dass die elektronische Datei der Doktorarbeit auf den Dokumentenserver der ETH-Bibliothek hochzuladen ist. 20 ETH World, die strategische Initiative der ETH Zürich, hatte die Entwicklung und Einführung von Technologien für die Kommunikation und Kooperation unabhängig von Zeit und Ort zum Ziel. Das Programm dauerte sechs Jahre. Vgl. hierzu: http://archiv.ethworld.ethz.ch/index_DE. html (19.4.2015).
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Die ETH Zürich unterzeichnete die Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen im März 2006. Die Schulleitung der ETH Zürich verabschiedete ihre Open-Access-Policy dann im Juli 2008 und bestätigte damit ihren Entschluss zur aktiven Umsetzung des Open-Access-Gedankens. Seither werden auch Open-Access-Publikationen in Zeitschriften zumindest teilweise von der ETH-Bibliothek finanziell unterstützt. Ein neues System, das den Anforderungen an einen vertrauenswürdigen Dokumentenserver in jeder Hinsicht genügte, wurde im Jahr 2008 implementiert²¹. Mit der Einrichtung einer Vergabe- und Registrierungsstelle für Digital Object Identifiers (DOI) im Jahr 2011 konnten DOIs für alle Dokumente auf der ETH E-Collection vergeben werden.²² Es standen damals bereits mehr als 10 000 Einzeldokumente, darunter auch Reports und weitere Publikationen online über die ETH E-Collection zur Verfügung. Aktuell hat man über den Dokumentenserver Zugriff auf rund 30 000 Dokumente. Im Jahr 2014 erfolgten mehr als 4,3 Millionen Volltext-Downloads. Mit diesen Kennzahlen positioniert sich das Angebot auch im internationalen Vergleich sehr positiv. Gegenwärtig läuft ein Ausschreibeverfahren für eine erneute Systemablösung. Ziel des Projektes E-Publications ist es, den Dokumentenserver ETH E-Collection und die Hochschulbibliographie ETH E-Citations zu einer integrierten Publikationsplattform für die ETH Zürich zusammenzuführen und um Workflows für die Dokumentation und Publikation von Forschungsdaten zu erweitern. Sämtliche Dienstleistungen im Kontext von Open Access wurden vor rund drei Jahren an der Fachstelle E-Publishing gebündelt. Der Open-Access-Gedanke ist definitiv auch in der Forschungscommunity der ETH Zürich ein beachtetes Thema geworden. Der pragmatische Ansatz für die Konzipierung und schrittweise Realisierung einer Vision ist sicherlich ein wichtiger Baustein des Erfolgsrezeptes der ETH-Bibliothek.
21 Das Projekt stellte eine der Maßnahmen für die Umsetzung der ICT-Strategie der ETH Zürich dar. Diese wurde im Mai 2006 mit folgendem Ziel verabschiedet: „Die ETH Zürich unterhält eine kohärente und umfassende Strategie für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) in allen Kern- und Supportprozessen der Hochschule.“ ICT-Strategie der ETH Zürich, Mai 2006. S. 1. 22 Die ETH-Bibliothek ist die zentrale Stelle zur Vergabe, Registrierung und Verwaltung von DOIs für Primär- und Sekundärdaten von Schweizer Hochschulen.
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Das Wissensportal – eine zeitgemäße Form der Informationsvermittlung Um die Jahrtausendwende waren die Ablösung des auf Großrechnern basierten Systems ETHICS durch Aleph sowie das große Retrokatalogisierungsprojekt bedeutende Vorhaben. Ziel des von 2000 bis 2005 durchgeführten Projektes „Nacherfassung der Literaturdokumente der ETH Zürich“ war es, den bis zu diesem Zeitpunkt nur analog vorliegenden Katalog der ETH-Bibliothek für die vor 1997 erworbenen Bestände zu migrieren sowie die Bestände der sogenannten „dezentralen“ Bibliotheken der ETH Zürich und der Spezialbibliotheken der ETH Zürich manuell zu katalogisieren.²³ Der vollständig über ein modernes Suchinstrument online abfragbare Bibliotheksbestand bildete dann die Basis für die weiteren Entwicklungen im digitalen Bereich. Wie oben bereits skizziert, hat die ETH-Bibliothek in den letzten Jahren ihr elektronisches Angebot auf der einen Seite mit der Lizenzierung elektronischer Verlagsprodukte massiv ausgebaut und auf der andern Seite auch ihre eigenen Bestände digitalisiert sowie Applikationen und Services für nutzerfreundliche Angebote aufgebaut. Bereits Anfang des neuen Jahrtausends begann die ETH-Bibliothek, sich mit der Personalisierung der digitalen Benutzerangebote zu beschäftigen und unterstrich damit bereits damals ihren Anspruch auf moderne kundenorientierte Informationsdienstleistungen. Das Projekt MyLibrary@ETH wurde im Jahr 2002 im Rahmen von ETH World²⁴ initiiert. Ziel des Vorhabens war es, den Benutzerinnen und Benutzern die Möglichkeit zu geben, sich einen persönlichen Zugangskanal zum elektronischen Angebot der ETH-Bibliothek einzurichten und diesen nach individuellen Wünschen zu gestalten.²⁵ Der bibliothekszentrierte Ansatz wurde damit verlassen und der Kunde ins Zentrum gerückt. Da das gleichzeitig laufende Projekt MyETH ähnliche Ziele verfolgte, wurde im Jahr 2004 MyLibrary in das Projekt MyETH integriert. Dieses Vorhaben verfolgte die Vision eines personalisierten Service-Angebotes für alle Angehörigen der ETH Zürich.²⁶
23 Vgl. hierzu: Esser, Rita u. Eva Ramminger: Akkumulieren – Identifizieren – Präsentieren. Retrokatalogisierung an der ETH-Bibliothek Zürich. Zürich: ETH-Bibliothek 2007. 24 Zu ETH World siehe Anm. 20. 25 Die Ziele des Projektes stützten sich auf eine vorgängig durchgeführte Benutzerumfrage. Das Vorhaben wurde von der ETH in das strategische Großprojekt ETH World aufgenommen. 26 Das Projekt MyETH wurde durch eine hochschulweite Arbeitsgruppe entwickelt, die sich dabei in wesentlichen Aspekten auf die in der bibliothekseigenen Anwendung MyLibrary gesammelten Erfahrungen stützte.
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MyLibrary stellte in der Folge ein zentrales Angebot innerhalb von MyETH dar. Jeder Nutzer konnte sich hier seine persönliche Rechercheoberfläche definieren und erhielt auf diese Weise individuellen Zugriff auf die für ihn jeweils relevanten Informationsangebote der ETH-Bibliothek, wobei ihm selbstverständlich auch nicht-bibliotheksspezifische Services zur Verfügung standen.²⁷ Auch wenn MyETH nach rund zwei Jahren Laufzeit aus unterschiedlichen Gründen wieder eingestellt wurde, waren die gewonnen Erfahrungen für zukünftige Aktivitäten in Richtung kundenzentrierter Online-Angebote äußerst wertvoll. Um den komplexen Zugang auf die mittlerweile noch umfassenderen heterogenen elektronischen Informationsangebote für die Kundinnen und Kunden zu vereinfachen, lancierte die ETH-Bibliothek im Jahr 2008 das Projekt Wissensportal.²⁸ Ziel dieses komplexen Vorhabens war es, den Benutzenden mittels moderner Suchmaschinentechnologie einen zentralen Zugang zu den Daten- und Metadatensammlungen sowie allen weiteren Dienstleistungen der ETH-Bibliothek unter einer Präsentationsoberfläche anzubieten.²⁹ Die Funktionalitäten des Wissensportals wurden auf Basis des Produktes „Primo“ der Firma ExLibris realisiert. Die damals aktuelle Website der ETHBibliothek wurde vollständig ersetzt und „Primo“ nahtlos integriert. Dies galt damals als Pionierleistung. Eine übergreifende Suchmöglichkeit über diverse Informationsressourcen stand nun zur Verfügung. Gemeinsam konnten nun unter anderem der Bibliothekskatalog, einzelne Kataloge der Bildplattform E-Pics und andere lokale Ressourcen sowie von der ETH-Bibliothek lizenzierte elektronische Produkte (elektronische Zeitschriften, Datenbanken, E-Books) abgefragt werden. Der Digital Article Database Service (DADS) des Technical Information Center of Denmark konnte dank einer Kooperation ebenfalls integriert und über einen separaten Tab angeboten werden. Auf die intuitive Bedienung des Portals wurde besonderes Augenmerk gelegt. Aus diesem Grund wurde unter frühem Einbezug der wichtigsten Zielgruppen ein aufwändiger User-Centered Design Prozess durchlaufen.
27 Vgl. hierzu Jahresbericht der ETH-Bibliothek (2004). http://dx.doi.org/10.3929/ethz-a004157606 (24.4.2015). 28 Auch dieses Projekt stellte eine der Maßnahmen für die Umsetzung der ICT-Strategie der ETH Zürich dar. 29 Beim Projekt handelte es sich damals um das umfassendste, je von der ETH-Bibliothek durchgeführte Projekt. Ein Großteil der Mitarbeitenden war in die Projektaktivitäten involviert. Vgl. hierzu auch: Neubauer, Wolfram u. Arlette Piguet: Das Wissensportal der Bibliothek der ETH Zürich. In: Handbuch Hochschulbibliothekssysteme. Leistungsfähige Informationsinfrastrukturen für Wissenschaft und Studium. Hrsg. von Konstanze Söllner u. Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 439–454.
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Das neue Wissensportal wurde im Sommer 2010 aufgeschaltet und von der wissenschaftlichen Community wie auch von den andern Zielgruppen auf Anhieb breit akzeptiert. In den letzten Jahren wurde das Angebot laufend weiterentwickelt. Neue Informationsquellen wurden integriert und zusätzliche Funktionalitäten implementiert. Auch ein konsequentes Responsive Design wurde realisiert und damit die Abfrage über mobile Geräte ermöglicht. Die Orientierung an international anerkannten technischen Standards war die Voraussetzungen für den heute kontinuierlichen Ausbau des Portals. Mit der Lancierung von MyLibrary griff die ETH-Bibliothek bereits sehr früh die nutzerorientierte Sichtweise von elektronischen Dienstleistungen auf und konnte wichtige Erfahrungen sammeln. Mit der Implementierung des Wissensportals unterstrich die ETH-Bibliothek ihren Anspruch, ein modernes Informationszentrum im Zeitalter leistungsfähiger Suchmaschinen zu sein, in besonderer Weise. Eine wichtige Voraussetzung für diese Zielerreichung war vor allem der konsequente Einsatz erheblicher personeller Ressourcen. Diese wurden auch für andere Vorhaben stets aus dem eigenen Personaletat rekrutiert.
Die betriebliche Entwicklungen – ein permanentes Überlebenstraining Der Aufbau einer digitalen Bibliothek mit kundenorientierten Dienstleistungen für Forschung und Lehre benötigt einige zentrale Voraussetzungen: – Vertiefte Kenntnisse des sich rasant verändernden Wissenschaftsbetriebs. – Vertiefte Kenntnisse der sich verändernden Nutzerbedürfnisse und des Nutzerverhaltens. – Mitarbeitende mit dem erforderlichen Fachwissen, neben bibliothekarischen Fragestellungen u. a. hinsichtlich IT-relevanten Themen, Projekt- und Prozessmanagement, Führungskompetenz. – Betriebsinterne Strukturen und Prozesse für die Entwicklung und Bearbeitung von Projekten und deren Überführung in den Routinebetrieb. – Finanzielle Mittel. An der ETH-Bibliothek wurden diese Voraussetzung vor allem in den letzten knapp 20 Jahren immer wieder neu hinterfragt und mit geeigneten Maßnahmen an die neuen Erkenntnisse und Bedürfnisse adaptiert. Hierzu gehörten u. a.:
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Die konsequente Weiterbildung der Mitarbeitenden. Die intensive Auseinandersetzung mit der Abwicklung von Projekten: der standardisierte Projektablauf wurde an der ETH-Bibliothek im Jahr 2006 eingeführt. Die Schaffung eines geeigneten Rahmens für die Entwicklung und Realisierung von Ideen. Mit dem Innovationsmanagement beschäftigte sich die ETHBibliothek erstmals im Jahr 2009. Die intensive Beschäftigung mit Prozessen: das Prozessmanagement wurde im Jahr 2010 professionalisiert. Die intensive Auseinandersetzung mit Produkten: das Produktmanagement wurde ebenfalls im Jahr 2010 professionalisiert. Aktives Aufgreifen der Möglichkeiten für das Beantragen von zusätzlichen finanziellen Mitteln auf unterschiedlichen Ebenen.
Diese Maßnahmen im Managementbereich wurden in den letzten 20 Jahren ergänzt durch kleinere und größere innerbetriebliche Reorganisationen. Die letzte große Reorganisation der ETH-Bibliothek wurde im Jahr 2010 durchgeführt. Die neue Organisationsstruktur schuf die Voraussetzungen, um den Wechsel zur digitalen Informationsversorgung schrittweise und umfassend zu vollziehen.³⁰ So konnten beispielsweise im Bereich der Medienbearbeitung die Integration der digitalen Medien in die Routineprozesse vollzogen und Schnittstellenprobleme behoben werden. Mit der Schaffung des Bereichs Innovation und Entwicklung im Jahr 2014 unterstrich die ETH-Bibliothek, dass sie in Zukunft noch intensiver systematisches Innovationsmanagement betreiben wird.
Schlussbemerkungen Die ETH-Bibliothek hat in den letzten 20 Jahren eine ausgewiesene Entwicklung von der Bestandsorientierung hin zur Kunden- und Serviceorientierung vollzogen. Das Serviceportfolio ist längst im digitalen Raum angekommen und hat die neuen Bedürfnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer technisch-naturwissenschaftlich orientierten Hochschule im Internetzeitalter aufgegriffen.
30 Vgl. hierzu: Neubauer, Wolfram: Fortschritt lebt von Veränderung: Die Reorganisation einer Grossbibliothek am Beispiel der ETH Zürich. In: Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Hrsg. von Andreas Degkwitz. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 63–80.
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Die ETH-Bibliothek darf heute als moderne wissenschaftliche Bibliothek bezeichnet werden, die in der Schweizer und auch in der internationalen Bibliotheksszene Akzente setzt. Wolfram Neubauer hat dies erreicht, indem er eine schlagkräftige Crew aufgebaut und geformt und den hiermit seetauglichen Frachter mit viel Navigationsgeschick in die wilden Gewässer der heutigen Bibliotheksaufgaben geführt hat. Die ETH-internen und externen Kundinnen und Kunden wissen dies zu schätzen.
Literatur Esser, Rita u. Eva Ramminger: Akkumulieren – Identifizieren – Präsentieren. Retrokatalogisierung an der ETH-Bibliothek Zürich. Zürich: ETH-Bibliothek 2007. ETH World. http://archiv.ethworld.ethz.ch/index_DE.html (19.4.2015). ICT-Strategie der ETH Zürich, Mai 2006. Jahresbericht der ETH-Bibliothek (2004). http://dx.doi.org/10.3929/ethz-a-004157606 (24.04.2015). Keller, Alice: Elektronische Zeitschriften in Bibliotheken. In: nfd. Zeitschrift für Informationswissenschaft und -praxis 48 (1997). S. 131–136. Kirstein, Andreas u. Rudolf Nöthiger: Projekt „Neues Bibliothekssystem an der ETH Zürich“. Zürich: ETH-Bibliothek 2001. Neubauer, Wolfram: Fortschritt lebt von Veränderung: Die Reorganisation einer Grossbibliothek am Beispiel der ETH Zürich. In: Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Hrsg. von Andreas Degkwitz. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 63–80. Neubauer, Wolfram u. Arlette Piguet: Das Wissensportal der Bibliothek der ETH Zürich. In: Handbuch Hochschulbibliothekssysteme. Leistungsfähige Informationsinfrastrukturen für Wissenschaft und Studium. Hrsg. von Konstanze Söllner u. Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 439–454. Scherer, Erich u. Wolfram Neubauer: Von der Mainframe-Anwendung zur Client-Server-Lösung. In: ABI-Technik 18 (1998) H. 4. S. 378–385. Schulleitung der ETH Zürich (Hrsg.): ETH-Intern. Forum für die Angehörigen der ETH Zürich (1996) Nr. 15a. S. 3.
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Können (wissenschaftliche) Bibliotheken weiterhin Bibliotheken heißen? Die Entwicklungskurven von Firmenbibliotheken und Universitätsbibliotheken im Vergleich Bibliotheken sind Einrichtungen, die es seit Jahrtausenden gibt und in denen Informationen und Wissen auf physikalischen Medien codiert gespeichert wurde und wird, um so unmittelbar für – auch künftige – Wissensarbeiter (Knowledge Worker)¹ verfügbar zu sein. Zur Blütezeit der mitteleuropäischen Klosterbibliotheken waren Bibliothekare – natürlich Mönche – oft gleichzeitig Ersteller, Verwalter und Bereitsteller der Informationen und des Wissens. Im berühmten Klosterplan von St. Gallen², entstanden vermutlich zwischen 819 und 826, einer Blaupause für ein ideales Kloster, welches nie gebaut wurde³, sind Skriptorium und Bibliothek im gleichen Gebäude untergebracht.⁴ Das Skriptorium befindet sich im Erdgeschoss, die Bibliothek im Obergeschoss.⁵ Der gesamte Prozess des Informations- und Wissensmanagements – wie man heute sagen würde – erfolgte also an einem Ort. Auch danach haben Bibliotheken immer wieder Blütezeiten erlebt, wie beispielsweise zur Zeit der Entstehung der Nationalbibliotheken seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Bibliotheken hatten über Tausende von Jahren kaum Mühe, ihre Rolle, ihre Aufgaben und ihre Notwendigkeit erklären zu müssen. Es war einfach klar, dass Bibliotheken wichtige Einrichtungen waren. Nicht nur für das Bildungsbürgertum, sondern später im Zuge der Entwicklung der Volksbibliotheken auch für die breite Bevölkerung. Gemeinsam war all diesen Bibliotheken, dass die Informatio-
1 Der Begriff Knowledge Worker wurde von Peter Drucker bereits 1959 geprägt und wird heute in der Industrie für die Beschäftigten verwendet, deren Arbeit und Wertschöpfung von Wissen abhängt. 2 Ein digitales Exemplar des Klosterplans ist in der e-codices – Virtuelle Handschriftenbibliothek der Schweiz unter http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/1092 digital verfügbar (1.5.2015). 3 Der Bau einer Klosteranlage nach dem Originalplan erfolgt seit 2013 in Oberschwaben. Informationen auf der Projektseite http://www.campus-galli.de/ (1.5.2015). 4 Siehe z. B. Schedl, Barbara: Der Plan von St. Gallen. Ein Modell europäischer Klosterkultur. Wien, Köln: Böhlau Verlag 2014. 5 Mehr Informationen finden sich auf der Website des „St. Gall Monastery Plan Project“ der University of Virginia: http://www.stgallplan.org/de/index_plan.html (1.5.2015).
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nen auf einem haltbaren Medium, bis dahin Pergament oder Papier, geschrieben oder gedruckt zur Nutzung bereitgehalten wurden, in einer Sprache, die zumindest den Gebildeten verständlich war. Die Bibliothek war anerkannt als Ort der Bücher – als Bücherspeicher.⁶ Es war klar, dass Bibliotheken Orte waren, in die man gehen musste, um dort – und nur dort – Informationen und Wissen zu erhalten. Die Nutzung der Informationsträger selbst war denkbar einfach: Blättern⁷ genügte. Die Erschließung besorgten Fachleute, nämlich Bibliothekare durch Kataloge. Auch die Nutzung der Kataloge war denkbar einfach. Die Chance, die gewünschte Information auffinden zu können, stieg und fiel mit den Fähigkeiten und dem Wissen der Bibliothekare. In dieser Zeit wurde das Erschließen der Literatur auch zu einer der wichtigsten Aufgaben von Bibliothekaren. Eine Aufgabe, die in den heutigen Curricula zur Ausbildung von Bibliothekaren sowie Fachfrauen/Fachmännern für Information und Dokumentation immer noch eine zentrale Rolle spielt. Heute, in den ersten Dekaden des 21. Jahrhunderts, sind Bibliotheken Orte, die zumindest gelegentlich infrage gestellt werden. Damit ist weniger die Tatsache gemeint, dass heute bildungsferne Schichten Bibliotheken gering schätzen – in Frankreich wurden, vorwiegend in den Banlieues, von 1996 bis heute insgesamt 72 Bibliotheken angezündet⁸ – sondern die Tatsache, dass Bibliotheken heute als historische Orte angesehen werden. Dies sei illustriert am Beispiel eines Cartoons, der im November 2014 im Blick am Abend⁹, einer der großen, kostenlosen Pendlerzeitungen in der Schweiz, abgebildet war.¹⁰ Auf der Zeichnung ist ein Schüler zu sehen, der am typischen Empfangstresen einer Bibliothek steht und zu einer Bibliothekarin sagt: „Unser Geschichtslehrer hat uns aufgegeben, dass wir einen historischen Ort besuchen sollen.“ Ist die Bibliothek also ein historischer Ort, ein Ort, der nicht mehr benötigt wird und nur noch musealen Charakter hat? Zwar wird Information immer noch codiert auf einem physikalischen Medium gespeichert, aber der Code – XML –
6 Das griechische Wort βιβλιοϑήϰη (biblio-theˊˉk¯e) bedeutet „Buch-Behälter“. 7 Den Wechsel zur Technologie „Blättern“ nach Erfindung des Buches zeigt sehr schön ein Video des norwegischen Fernsehsenders NRK, zu finden auf YouTube mit englischen Untertiteln unter http://www.youtube.com/watch?v=BNKjUaE54yI (1.5.2015). 8 Rühle, Alex: Schwelbrand der Republik. In: Süddeutsche Zeitung (14.2.2015), Feuilleton, Überregionale Ausgabe. S. 15. 9 Mediadaten unter http://www.ringier.com/de/produkte/schweiz/zeitungen/blick-am-abend (1.5.2015). 10 Über die Google Bildersuche konnte die eigentliche Quelle des Cartoons gefunden werden: Bizarro Comic Strip II (DU), von Dan Piraro, WashingtonPost.com am 24.3.2014. http://bizarro. com/?s=historical&submit=Search (1.5.2015).
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ist nicht mehr allen verständlich, und der Ort, an dem die – geleaste! – Information gespeichert wird, dürfte in den meisten Fällen eine gemietete Serverfarm von Amazon sein. Diese Bibliothek ist also auch kein Ort mehr im Sinne der Definition des „Dritten Ortes“¹¹, denn die Information ist für den Nutzer virtuell und kann von überall aus genutzt werden. Firmenbibliotheken, als Einrichtung von profitgetriebenen Unternehmen naturgemäß stärkerem Wettbewerb ausgesetzt, sind heute – zumindest in den forschungs- und entwicklungsintensiven Branchen – virtuell. Selbst Bibliotheken großer Kanzleien oder Rechtsabteilungen großer Unternehmen werden heute virtuell betrieben – obwohl Juristen doch lange die treuesten Verfechter des gedruckten Mediums waren. Blickt man zum Beispiel in die Pharma- und Chemieindustrie, gibt es keine Bibliotheken mehr, denn die Bestände an gedruckter Information wurden schlicht eliminiert oder ausgelagert, wie z. B. an die British Library. Es gibt zwar weiter Funktionen, die die Aufgabe haben, sich um die Bereitstellung wissenschaftlicher, technischer und medizinischer (STM) Information zu kümmern. Aber die mit dieser Aufgabe betrauten Einrichtungen besitzen eben keine Bücher mehr, auch keine sonstigen gedruckten Informationen und heißen auch nicht mehr Bibliothek. Der Name Bibliothek verschwand, weil die ganze Einrichtung als nutzloser Bücherspeicher betrachtet wurde, der im Zeitalter des Internets und Intranets nur Kosten verursacht und teure Fläche benötigt. Bibliotheken wurden vom Senior Management oft als nicht mehr notwendig angesehen, da ja alles online verfügbar war oder zumindest online bestellt und geliefert werden konnte. Zu vermitteln, dass eine wie auch immer zu nennende Bibliotheksfunktion im Zeitalter des XML-Codes ja noch viel wichtiger geworden ist, gelang nicht immer. Bibliotheken waren in der Erfahrung der Entscheider einfach zu sehr bekannte Orte der Vergangenheit – nämlich Orte des Blätterns, des Lesens und Kopierens –, um schnell und erfolgreich einen Imagewechsel gelingen zu lassen und um ein Verständnis für die neuen Möglichkeiten aufzubauen. Mit den Möglichkeiten des Vorliegens der Information in XML und der rapide wachsenden Fähigkeit, Informationen durch Software analysieren und „minen“ zu können, müsste einer Bibliothek im eigentlichen, eingangs erwähnten Sinne – nämlich der Schöpfung von Wissen und Information – ein viel höherer Stellenwert zukommen. Denn statt der Technik „Blättern“ stehen viel weitreichendere Technologien zur Verfügung. Diese Entwicklung wurde aber oft durch den Namen „Bibliothek“ erschwert, ja verhindert, sodass Anfang 2000 in Pharmafirmen eine Vielzahl neuer Namen für diese Einrichtung kreiert wurde, mit denen das
11 Oldenburg, Ray. The great good places. New York: Paragon House 1989.
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vermeintlich verstaubte Image der Bibliotheken abgelegt werden sollte. Trotz modern klingender Namen wie – Global R&D Information – Global Scientific Intelligence – Information & Knowledge Center – Information & Knowledge Integration – Information & Knowledge Services – Information and Document Services – Information Center – Information Science – Knowledge & Information Center – Knowledge Management – Research Information Management – Scientific Information & Library Services – Scientific Information Center – Scientific Information Services sprachen die Nutzer dieser Einrichtungen aber meist immer noch von „der Bibliothek“. Bei den großen Pharmaunternehmen existierte zuletzt nur noch eine Einrichtung, die den Namen Bibliothek trug, nämlich die Novo Nordisk Library. Aber 2013 legte auch diese Einrichtung den traditionellen Namen ab und nannte sich fortan GLIA – Global Information & Analysis. Die Frage, ob es möglich gewesen wäre, den Begriff „Bibliothek“ auch im 21. Jahrhundert mit neuen, weiterreichenden Aufgaben zu assoziieren, wird deshalb zumindest für den Corporate Bereich nicht beantwortet werden können. Bibliotheken in der Industrie, im folgenden Corporate Information Centers genannt, insbesondere solche im STM-Bereich, erkannten früher als andere die neuen Möglichkeiten und Aufgaben dieser Einrichtung und fokussierten – ob freiwillig oder gezwungen – auf diese neuen Bereiche und Services mit wesentlich höherer Wertschöpfung. Dies insbesondere in Unternehmen, welche frühzeitig ihre gedruckten Bestände an große akademische oder nationale Bibliotheken abgegeben hatten und die über Service-Level-Agreements den Zugang zur Information sicherten. Information wurde nicht mehr vorrätig gehalten, sondern kostenpflichtig – just-in-time und on-demand – geliefert. Denn neue Firmen bzw. Services wie beispielsweise ReprintsDesk konnten sicherstellen, dass die benötigte Information bzw. Publikationen in Minutenschnelle den Knowledge Workern im Unternehmen online zur Verfügung gestellt werden konnten. Zwar waren anfangs die von den Verlagen eingesetzten Digital Rights Management (DRM)-Systeme dem Wechsel zur just-in time-Bereitstellung aus externen Quel-
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len hinderlich, nicht nur für die gewöhnliche Anwendung – das Lesen –, sondern auch für neue Technologien wie Text Analytics (Textmining) oder Knowledge Discovery.¹² Was das DRM betrifft, gelang es aber der Pharmaindustrie, vertreten durch den P-D-R¹³, ein gemeinsames Verständnis zu erzielen¹⁴ und mit den Verlagen Lösungen zu erarbeiten. Einige Jahre später konnten auch für den zunehmend wichtiger werdenden Bereich Textmining Annährungen erzielt und Lösungen gefunden werden. Technologien wie Textmining sind für Unternehmen im biomedizinischen Bereich besonders wichtig, weil es in vielen Fachbereichen einfach zu viele Informationen bzw. Publikationen gibt, als dass diese durch reines Lesen genutzt werden könnten. Sucht man beispielsweise in PubMed nach cancer, erhält man 3 111 487 Abstracts. Sucht man nach Alzheimer, erhält man 79 391 Abstracts. Sucht man nach gene und Alzheimer, sind es immer noch 11 077 Dokumente.¹⁵ Bei einer Suche in Scopus findet man für Alzheimer 149 461 Publikationen, für gene und Alzheimer 25 348 Dokumente. In einer Industrie, in der man sich immer wieder neu einen Überblick über ein weites Forschungsgebiet aneignen muss und wo – laut einer Stellenanzeige aus dem Jahr 2014¹⁶ – 90 % der neuen Targets aus der Literatur kommen, ist deshalb die Notwendigkeit, Texte „minen“ zu können, um neues Wissen zu erschließen, unerlässlich. Der P-D-R organisierte darum mehrere Veranstaltungen, bei denen Verlage (und auch deren Juristen), die Pharmaindustrie und die Softwareanbieter sich austauschen und ein gemeinsames Verständnis über Textmining erarbeiten konnten.¹⁷ Nach einigen Jahren war dann aber der Weg zwar nicht unbedingt frei, aber
12 Text Mining und Text Analytics sind keine klar definierten Begriffe. Hier ist kein einfaches Retrieval gemeint, sondern Knowledge Discovery from Text, unter Einbeziehung computerlinguistischer Methoden. 13 P-D-R, Pharma Documentation Ring, ist eine 1958 gegründete Vereinigung, deren Mitglieder das Informationsmanagement in den führenden internationalen, forschenden Pharmaunternehmen repräsentieren, http://www.p-d-r.com (1.5.2015). 14 (a) P-D-R Special Meeting 2008: Beyond the Model License: Pharma Libraries on the Move – Easy Access & Use of Publishers’ Content Through Multiple Channels: E-License, DocDel, PPV. Print. 28.–29.2.2008. La Grande Motte, Frankreich. (b) P-D-R Special Meeting 2009: Publisher Meeting on Marketing Use of Scholarly Publications. 26.–27.3.2009. Reims, Frankreich. 15 Suche in PubMed und Scopus am 2.5.2015 (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed, http:// www.scopus.com). 16 „90 % of all new drug targets evaluated by Novo Nordisk are identified from analyses of literature and patent information“ (Screenshot im Besitz des Autors). 17 (a) P-D-R Special Meeting 2011: Text Mining STM Content. 9.–11.11.2011. Brugge, Belgien. (b) P-D-R Special Meeting 2013, Text Mining STM Content: New Perspectives, Emerging Solutions 28.–29.11 2013. Brugge, Belgien.
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geebnet, um legal in der Flut biomedizinischer Literatur im Sinne von Knowledge Discovery neue Zusammenhänge entdecken zu können.¹⁸ Neben STM und ALPSP verabschiedeten nun auch große Verlage, wie beispielsweise Elsevier, eine Text and Data Mining License¹⁹, die insbesondere den Wissenschaftlern in der akademischen Forschung weitgehende Nutzungsrechte ermöglichte. Allerdings wird diese Technologie der neuen Erkenntnisgewinnung in der Forschung an Universitäten bisher noch kaum genutzt – im Gegensatz zur Industrie, wo diese Technologien nun etabliert sind, nicht nur in Forschung und Entwicklung, sondern auch in Marketing und Sales (Sentiment Analysis, Opinion Mining). Über solche Projekte wird aber naturgemäß kaum publiziert. Hinweise lassen sich nur in Programmen von Veranstaltungen finden, die von den Anbietern von Softwarelösungen im Bereich Text- und Datamining selbst organisiert werden und von denen Kunden berichten. Diese neuen Aufgaben, nämlich die Bereitstellung von Tools zur Analyse von Information und zur Entdeckung von bisher nicht bekannten Zusammenhängen, die aufgrund des im STM-Bereichs eklatanten information overload durch schieres Lesen nicht hätte gefunden werden können, verlangen natürlich eine ganz andere Qualifikation der Mitarbeiter. Nämlich in der Regel die eines Fachwissenschaftlers in der jeweiligen Disziplin plus Kenntnisse als Informatiker/Informationswissenschaftler/Computerlinguist. Dies gilt auch für Aufgaben wie die Erschließung firmeneigenen Wissens (z. B. durch Wikis), die Integration interner Datenbanksysteme in externe Analysesysteme²⁰ und die Erstellung von unternehmensspezifischen Taxonomien und Ontologien. Nur so können, in Ergänzung oder auch parallel zu STM-Verlagen, Tools beziehungsweise Produkte entwickelt werden, die – über das Lesen von wissenschaftlichen Publikationen hinaus – Wissenschaftlern einen Mehrwert und einen Wettbewerbsvorsprung geben. Naturgemäß dringt – wie bereits oben erwähnt – über solche Projekte in der vom Wettbewerb getriebenen und vom Patentschutz abhängigen industriellen Forschung nur wenig nach außen.
18 Pressemitteilung P-D-R: http://www.p-d-r.com/content/e7/e1428/PDRtextminingPRESSRE LEASEfinal201209112.pdf (2.5.2015). 19 http://www.elsevier.com/about/policies/content-mining-policies/elsevier-tdm-license (2.5.2015) 20 Siehe z. B. Elsevier and Roche Collaborate to Integrate Proprietary Chemistry Data in Reaxys. http://www.elsevier.com/about/press-releases/science-and-technology/elsevier-and-rochecollaborate-to-integrate-proprietary-chemistry-data-in-reaxys (1.5.2015)
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Eine Blaupause für ein ideales Corporate Information Center in einem Pharmaoder Chemieunternehmen wurde jedoch 2012 in Nature Reviews Drug Discovery publiziert.²¹ Bibliotheken im Unternehmensbereich sind also akademischen Bibliotheken in der Nutzung der Möglichkeiten des heutigen Information Retrieval, Information Management und Knowledge Discovery weit voraus – aus den erwähnten Gründen. Und im Gegensatz zu akademischen Bibliotheken haben Firmenbibliotheken den Sammlungs- und Archivierungsauftrag mittlerweile verloren, da dort alles, was nicht wettbewerbsrelevant ist oder kompetitive Vorteile ermöglicht, heute in der Regel ausgelagert oder vernichtet wird. Akademischen Bibliotheken und diesen Corporate Information Centers ist aber ein Problem gemeinsam: Nur ein sehr kleiner Kreis der Nutzer ist in der Regel information savvy und kennt diese Tools und die neuen Möglichkeiten und nutzt sie aktiv. Für die meisten gilt immer noch: Über eine Stichwortsuche (meist mit weniger als drei Begriffen, eine Phrasensuche ist oft ganz unbekannt) ein einziges oder wenige Paper finden, diese überfliegen, um die Information zu nutzen oder sich gleich auf ein information snippet aus einer Datenbank beschränken, insbesondere wenn ein Direktexport als managementtaugliche PowerPoint-Folien integriert ist. So kann auch der Wissenschaftler – just-in-time – noch kurz vor dem Projektmeeting seine Präsentation generieren.
Der Verlust von Serendipity und die Folgen Diese Entwicklung des Suchens hat – nach Meinung des Autors – allerdings zwei Nachteile: Die Kultur des konzentrierten Lesens, die ein Eindringen in die Materie und damit neue Entdeckungen ermöglicht, wird zurückgedrängt. Bei der Vielzahl der Tools und Datenbanken – alleine für den Bereich der Molekularbiologie gibt es über 1500²² – konzentriert man sich auf das, was man kennt, unter Umständen eben nur Google, und sucht nach dem, was man schon weiß. Die unknown unknowns findet man so nicht. Zufallsentdeckungen bleiben auf der Strecke. Seren-
21 Renn, Oliver, Michael Archer, Carmen Burkhardt, Jeanette Ginestet, Henning P. Nielsen u. Joanna Woodward: A blueprint for an ideal corporate information centre. In: Nature Reviews Drug Discovery 11 (2012). S. 497–499. Eine erweiterte Vorversion findet sich unter http://www. p-d-r.com/content/e7/e1419/BlueprintICIC_P-D-RHomepage2.pdf. 22 Nucleic Acid Communications 43 (2015): Database Issue, January 2015. http://nar.oxfordjournals.org/content/43/D1/D1.abstract (2.5.2015).
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dipity, verantwortlich für viele wichtige Entdeckungen, oft im Rahmen der heute häufig recht gering geschätzten Grundlagenforschung, wird so immer seltener.²³ Es bleibt zu hoffen, dass zumindest im akademischen Bereich der Grundlagenforschung weiter die entsprechende Bedeutung zukommt. Wie löst man dieses Problem, dass nur ein Teil der Möglichkeiten genutzt wird? Auch die Funktionen von Microsoft Word werden meist nur zu 5 % genutzt. 95 % der Nutzer verwenden Word ohnehin nur als moderne Schreibmaschine, sodass die Nichtnutzung dieser Funktionen keinen Nachteil hat. Anders ist es bei den Möglichkeiten der Nutzung wissenschaftlicher Information. Hier kann Nichtwissen im besten Fall nur Zeit kosten. Zeit, die für andere Dinge hätte sinnvoll genutzt werden können. Es können jedoch auch Dinge übersehen werden, die Innovation und Fortschritt verhindern oder im Fall der biomedizinischen Forschung die Gesundheit gefährden. Wie ermöglicht man also, im Bewusstsein der Tatsache, dass gerade der Bereich Information Retrieval und Discovery sich am schnellsten entwickelt und verändert, eine Continuing Education, wie es in der Medizin, als Continuing Medical Education (CME)²⁴, Pflicht ist?
Die Notwendigkeit von Continuing Education Unternehmen haben seit einigen Jahren den demographischen Wandel entdeckt und damit auch die Notwendigkeit der Continuing Professional Education. Leider ist in diesen Programmen eine information education nur selten enthalten – auch weil Bibliotheken bei den Verantwortlichen immer noch mit den eingangs erwähnten Vorurteilen zu kämpfen haben. Hinzu kommt, dass Schulungen von Bibliotheken gerne einen akademischen Ansatz haben und das traditionelle Erschließen im Vordergrund steht, oft auch ein so-einfach-wie-ihr-denkt-ist-dasnicht. Außerdem hat sich die Fachsprache von Bibliothekaren und Nutzern weit auseinander bewegt und Begrifflichkeiten von Bibliothekaren werden kaum mehr verstanden oder wirken eben historisch.
23 Z. B. de Rond, Mark u. Iain Morley (Hrsg.): Serendipity: Fortune and the Prepared Mind. Cambridge: University Press 2010. 24 In den USA ist in vielen Staaten CME Pflicht, in Deutschland seit 2004, siehe z. B. http://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/beschlussprotokolle-ab-1996/107-daet2004/top-v-fortbildung/muster-satzungsregelung-fortbildung-und-fortbildungszertifikat/ (1.5.2015).
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Es ist also notwendig, das Wissen um die Information an die Lebenswirklichkeit der Zielgruppe angepasst zu vermitteln, ohne sich anzubiedern, und auf eine Weise, die den Mehrwert und die Kompetenz der Vermittler deutlich macht. Schulungen, die auf die fehlende Informationskompetenz der Zielgruppe hinweisen, haben naturgemäß eine geringe Resonanz. Denn wer möchte sich schon als inkompetent hinstellen lassen? Schulungen, die länger als eine Stunde dauern, sind in der heutigen Zeit auch kaum frequentiert. Selbst im universitären Umfeld können oder wollen Studierende, angehende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selten mehr als eine Stunde investieren. Und nicht zuletzt ist auch der Begriff Schulung oft negativ besetzt – gerade wenn es um knappe Zeitbudgets geht. Wenn, wie kürzlich in der Süddeutschen Zeitung zu lesen war²⁵, eine viel beschäftigte Unirektorin auf der Mikrowelle statt 2:00 oder 3:00 Minuten lieber 2:22 oder 3:33 drückt, weil dreimal die gleiche Zahl drücken eben etwas schneller geht und wertvolle Zeit spart, dann wird klar, dass Education & Training kurz, unterhaltsam und wirkungsvoll sein muss. An der ETH Zürich hat im Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften, aber auch im Department Biologie und Materialwissenschaft, die Ausbildung in der Informationskompetenz – ein besseres Wort wäre freilich kritisches Denken, auch wenn das natürlich nur einen Teilbereich abdeckt – eine lange und erfolgreiche Tradition. Dort sind Veranstaltungen bzw. Vorlesungen des Informationszentrums Chemie | Biologie | Pharmazie²⁶, des Nachfolgers der früheren Chemiebibliothek, fest in das Curriculum integriert. Gerade in der Chemie hat Information eine hohe Bedeutung, erkennbar nicht zuletzt an der Tatsache, dass es seit langem den Begriff Chemieinformation gibt, der darüber hinaus auch eine lange Erfolgsgeschichte vorzuweisen hat. Mit dem Einzug der -omics bzw. tics-Disziplinen in den Biowissenschaften ist auch dort die Bedeutung von Information und der information overload gestiegen. Eine Mathematikinformation oder Architekturinformation gibt es nicht. Die seit Jahren erfolgreich stattfindende Ausbildung hat sich also etabliert und bewährt. Bachelor-Studenten erhalten in den ersten Semestern eine Einführung in die für sie wichtigen Tools und in Scholarly Communication im Allgemeinen, die in den folgenden Semestern fortgesetzt wird. Allerdings zeigen sich schon im Masterstudium Unterschiede. Masterstudenten, die von anderen Universitäten kommen, können in der Regel nicht auf dieser Grundlage aufbauen. Dies verstärkt sich naturgemäß bei Doktorierenden und Post-Docs, die oft bzw. in der Regel von
25 Meyer, Verena: Die Krone der Erschöpfung. In: Süddeutsche Zeitung (21.4.2015), Literatur, Überregionale Ausgabe, S. 14. 26 http://www.infozentrum.ethz.ch (1.5.2015)
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anderen Hochschulen kommen. Und nicht zuletzt besteht auch bei Senior Scientists und Professoren die Gefahr des Status quo in punkto Informations- und Wissensmanagement. Denn Continuing Professional Development (oder Continuing Professional Education) wird – wie erwähnt – zwar in Firmen als immer wichtiger erachtet und auch im Bereich Life Sciences/Biomedizin durch gemeinsame Projekte mit der EU²⁷ gefördert, ist in der Praxis in Firmen aber fast nie im Sinne einer CME verankert. An Universitäten, die ja per Definition und Selbstempfinden Orte der regelmäßigen Bildung und Weiterbildung sind, sind Education & Training durch Dritte im Bereich Wissenschaftlicher Information entsprechend schwierig zu etablieren. Aus diesem Grund hat das Informationszentrum Chemie | Biologie | Pharmazie an der ETH Zürich verschiedene neue Formate für Professional Development – darunter fällt auch die Ausbildung von Studierenden – entwickelt.
Coffee Lectures Ein Format, bei dem zusätzlich auch die Awareness²⁸ im Vordergrund steht, sind die Coffee Lectures des Informationszentrums Chemie | Biologie | Pharmazie (ICBP). Die Coffee Lectures wurden Ende 2013 gestartet und sind kurze, maximal zehnminütige Präsentationen über Datenbanken, Tools oder ähnliches, während denen ein kostenloser Kaffee oder Tee getrunken werden kann. Die Veranstaltungen finden in einem Seminarraum des ICBP statt und werden spontan, auf Zuruf, entweder in Deutsch oder Englisch gehalten. Es ist keine Anmeldung erforderlich. Der Launch der Coffee Lectures wurde durch ein Video unterstützt, welches auf dem YouTube-Kanal der ETH Zürich verfügbar ist.²⁹ Eine Serie geht über drei Wochen, mit insgesamt neun Coffee Lectures, immer dienstags, mittwochs und donnerstags, die individuell besucht werden können. Im März 2015 wurde bereits die fünfte Serie durchgeführt.³⁰ Referenten sind in der Regel Mitarbeiter des ICBP oder der ETH-Bibliothek. Es werden aber auch Studenten und Wissenschaftler
27 Beispielsweise durch on-course.eu, ein online-Portal auch für Continuing Professional Development, http://www.on-course.eu. Payton, Antony, Christa Janko, Oliver Renn u. Michael Hardman: EMTRAIN consortium. on-course® : a tool for in-service training and career development for biomedical scientists. In: Drug Discovery Today 18 (2013). S. 803–806. Siehe auch http:// www.imi.europa.eu/content/pharmatrain, http://www.imi.europa.eu/content/safescimet und http://www.imi.europa.eu/content/emtrain (1.5.2015). 28 Ein treffendes deutsches Wort existiert nach Auffassung des Verfassers nicht, deshalb wird im Folgenden der Anglizismus verwendet. 29 Video unter http://youtu.be/pioJPo-IPAo (1.5.2015). 30 http://www.infozentrum.ethz.ch/dienstleistungen/education-training/ (1.5.2015).
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ermuntert, ihr Wissen in zehn Minuten zu teilen. Den Coffee Lectures kommt so potentiell auch eine Rolle des Wissensaustausches zu. Das Format ist 2014 publiziert worden³¹ und wird nun bereits anderswo, z. B. am KIT Karlsruhe³², ebenfalls erfolgreich durchgeführt.
Research Group Menus Ergänzt werden die Coffee Lectures seit 2015 durch ein weiteres Format, die Research Group Menus. Da mit den Coffee Lectures nicht alle erreicht werden konnten und in den Einheiten Beispiele gewählt werden mussten, die eine breite, heterogene Zielgruppe ansprechen (eine Anmeldung ist ja nicht erforderlich), wurde ein weiteres Format konzipiert, welches sich direkt an einzelne Forschungsgruppen wendet. Dadurch können die Inhalte der Veranstaltung exakt auf die Forschungsthemen der Forschungsgruppe abgestimmt werden – und der Wert einer Datenbank, eines Tools oder eines „Tricks“ wird unmittelbar erfassbar. Klar ist jedoch, dass eine Anfrage für eine Schulung durch das ICBP, die „Bibliothek“, bei einer Forschungsgruppe in der Regel unbeantwortet bleiben würde. Es galt also ein Format zu entwickeln, welches das Massgeschneiderte für die Forschungsgruppe assoziiert und auch zeigt, dass neue Wege beschritten werden. Auswahl, Vergnügen und Genuss – der Gedanke an eine Speisekarte lag nahe. Die möglichen Inhalte für Professional Development im Bereich Wissenschaftliche Information wurde deshalb auf ihre Eignung als Vorspeise, Hauptgericht, Dessert oder „Special“ geprüft und entsprechend zusammengestellt. Eine vierseitige Karte, wie eine Speisekarte gestaltet, wurde auf Karton gedruckt und mit der Ankündigung der Eröffnung des neuen „Restaurants“ Ende 2014 per Hauspost (nicht per E-Mail) an alle ca. 60 Forschungsgruppen im Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften verschickt. Die Nachfrage war groß, limitiert nur durch die Kapazität der Mitarbeitenden. Auch Research Group Menus werden nun bereits andernorts eingesetzt. Für Doktorierende, die mehr Zeit und mehr Interesse haben, gibt es seit dem Herbstsemester 2014 außerdem eine Vorlesung: Scientific Information Retrieval & Management in Life Sciences and Chemistry (1 ECTS). Diese Vorlesung, auch offen für Studierende der Universität Zürich, ist bewusst keine Vertiefung in Datenbankrecherchen im Sinne einer Chemieinformation für Fortgeschrittene. Sie orientiert
31 Renn, Oliver: „Anwenderschulung zur computergestützten Informationsbeschaffung für Fortgeschrittene“ oder doch lieber in die Coffee Lectures? In: Information – Wissenschaft & Praxis 65 (2014). S. 190–194. DOI: 10.1515/iwp-2014-0038. 32 http://www.bibliothek.kit.edu/cms/coffee-lectures.php (2.5.2015).
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Abb. 1: Die „Speisekarte“ für das Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Titelseite.
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Abb. 2: Die „Speisekarte“ für das Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Seite 2.
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sich vielmehr am Kreislauf wissenschaftlichen Arbeitens: Von der Idee (oft aus der Literatur) über erfolgreiche Experimente idealerweise zur Publikation – die dann wieder neue Ideen bzw. weitere Arbeiten und Publikationen ermöglicht. Diesen Forschungsschritten werden in der Vorlesung entsprechende Prozesse der Informationsbeschaffung, -analyse, -verwaltung und -erzeugung gegenübergestellt. Dazu gehört selbstverständlich auch die kritische Bewertung von Literatur und Quellen.
Neue und alte Aufgaben für Bibliotheken Bibliotheken im Firmenumfeld haben ihren Sammlungsauftrag verloren, und die publizierte wissenschaftliche Information wird – wie beschrieben –, ebenso wie technische Informationen oder Marktdaten, eingekauft und von Externen bereitgestellt in dem Moment, in dem diese gebraucht wird. Diese Bibliotheken sind deshalb auch keine Orte mehr, auch wenn es natürlich Mitarbeitende gibt, die Bürofläche brauchen. Dagegen haben akademische Bibliotheken weiterhin einen Sammlungsauftrag, der auch erhalten werden sollte, denn es muss unbedingt Orte geben, an denen die Information sicher und zuverlässig von unabhängigen Dritten – und das sind Verlage oder Aggregationen nicht – aufbewahrt und verfügbar gehalten wird. Für Bibliotheken im Firmenumfeld ist es wichtig, die Entwicklung und Nutzung von fortgeschrittenen Methoden von Text und Data Mining zu fördern, die sich zunehmend nicht mehr nur auf publizierte Informationen beschränken. Dazu gehören auch der Einsatz computerlinguistischer Verfahren zur Verbesserung interner Workflows und die Integration von externen und internen Informationen. Solche Entwicklungen sind allerdings in der Regel proprietär, und Informationen darüber sind weder publiziert noch öffentlich. Da akademische Forschungsgruppen meist inhaltlich sehr viel fokussierter und weniger interdisziplinär arbeiten als solche in der Industrie, spielen derzeit Technologien wie Text und Data Mining im akademischen Umfeld noch keine große Rolle. Es ist aber zu erwarten, dass dies alles auch zunehmend in der akademischen Forschung an Bedeutung gewinnen wird. Ob akademische Bibliotheken in die Entwicklung von Tools zum Informations- und Wissensmanagement, zur Informationsanalyse und ins Knowledge Discovery sinnvoll einsteigen können, wird in hohem Maße von den handelnden Personen und dem Umfeld der Einrichtungen abhängen. Bisher sind neue Tools zum Informationsmanagement und zur Informationsanalyse nicht von Bibliothekaren entwickelt worden. Vielmehr haben dies Wissenschaftler in die Hand
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genommen: als Beispiel seien genannt Papers, Mendeley, Reflect, Utopia Reader, Quertle, iHop, ChemSpider und ResearchGate. Künftig werden Apps die entscheidende Rolle spielen und Websites an Bedeutung verlieren. So wie Kataloge kaum noch verwendet werden, werden auch Bibliothekswebsites an Bedeutung verlieren, und Bibliotheken jeden Typs werden sich darauf vorbereiten müssen, in anderer Weise mit den Nutzern zu agieren. Dazu werden Bibliotheken eine bedeutend aktivere Rolle spielen müssen, denn der Nutzer wird nicht mehr selbst hin kommen, weder in die physische noch in die virtuelle Einrichtung. Bibliotheken in der Industrie haben die Rolle des „Dritten Ortes“ verloren – falls sie diese Rolle jemals hatten, denn nach der Definition von Ray Oldenburg³³ ist der zweite Ort die Arbeitswelt/Schule (der erste Ort das Zuhause). Nur in wenigen Firmen gab es Bibliotheken, die wirklich als unabhängige Dritte Orte fungierten, trotz der Bereitstellung durch den Arbeitgeber. Akademische Bibliotheken, die sich als Lern- und Studienort sehen, haben weiterhin diese Rolle des Dritten Ortes, angepasst an die heutigen Anforderungen, nämlich die hohe Aufenthaltsqualität. Dies beinhaltet z. B. nicht nur lange Öffnungszeiten, sondern auch eine angemessene Ausstattung etwa mit Sofas und Liegen.
Bibliotheken als „Vierter Ort“ Mit den erweiterten Möglichkeiten der Informationsnutzung und -analyse haben sich die Aufgaben von Bibliotheken, gerade in solchen mit Kunden aus den Bereichen Life Sciences, der Medizin und in der Chemie, stark geändert. Denn diese sind Wissenschaftsdisziplinen, in denen der Informationszuwachs und Erkenntnisgewinn stetig und rapide anwächst und es mittlerweile so viele Möglichkeiten gibt, wissenschaftliche Informationen zu analysieren, zu verarbeiten, zu visualisieren und in neue Bezüge zu setzen, dass – anders als früher – kaum ein Wissenschaftler noch die ganze Breite der Möglichkeiten zu überschauen vermag. Auch finden kommerzielle und frei verfügbare Tools oft gar nicht mehr ihren Weg über die klassische Bibliothek in die Arbeitsprozesse der Studierenden und Wissenschaftler. Für wissenschaftliche Bibliotheken – egal ob im akademischen Umfeld oder in der forschenden Industrie – ist es deshalb nicht länger ausreichend, Informationsressourcen zu lizenzieren und zu hoffen, dass diese auch gefunden und genutzt werden. Eine wichtige Aufgabe einer wissenschaftlichen Bibliothek kann
33 Oldenburg, Great good places (wie Anm. 11).
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und muss es sein, dafür zu sorgen, dass lizenzierte, vor allem aber auch frei verfügbare Datenbanken und Tools³⁴ bei Studierenden und Wissenschaftlern bekannt sind und, kritisch bewertet, für passende Fragestellung effizient und effektiv eingesetzt werden. Diese Vermittlerrolle, ja Beraterrolle, wird idealerweise von solchen Wissenschaftlern der jeweiligen Fachdisziplinen übernommen, die ihren Schwerpunkt im Bereich Informations- und Wissensmanagement haben. Denn in der Regel kann nur ein Wissenschaftler der jeweiligen Disziplin ermessen, ob das Tool oder die Datenbank sinnvoll und nützlich ist – idealerweise mit dem Erfahrungshintergrund der eigenen Forschung. In anderen Fachbereichen ist dies sicherlich oft immer noch mit sehr guten fachlichen Kenntnissen, womöglich einfach mit einer sehr guten Allgemeinbildung, möglich. Die Vermittlung dieser Möglichkeiten könnte zu einer der wichtigsten Aufgaben der „neuen“ Bibliothek werden – eine Aufgabe, die sowohl Corporate Information Centers als auch akademische Bibliotheken gemeinsam haben und in der auch eine Zusammenarbeit möglich ist: bilden doch die Universitäten überwiegend diejenigen Personen aus, die später als Knowledge Worker in der Industrie arbeiten. Für die erfolgreiche Umsetzung dieser wichtigen Aufgabe sind zwei Dinge unerlässlich: Die Mitarbeitenden in diesen Einrichtungen müssen über eine gänzlich andere Qualifikation verfügen als bisher, auch über andere soft skills. Voraussetzung ist zweitens der Aufbau eines Scoutings, das die Vielzahl der neuen Möglichkeiten aufspürt – so wie in manchen Firmen die Corporate Information Center bereits die Aufgabe übernommen haben, neue Technologien zu scouten. Im nächsten Schritt muss dann eine kritische Evaluierung und Bewertung erfolgen. Hier sind auch Entwicklungspartnerschaften möglich und sinnvoll und im abschließenden Schritt die Vermittlung, die Dissemination, die über viele Kanäle und Kommunikationsformen erfolgen muss. Auch dafür braucht es eine andere Qualifikation und skill sets. Wird dies alles erfolgreich umgesetzt, hat die Bibliothek eine wichtige neue Rolle. Nicht als „Dritter Ort“, sondern als „Vierter Ort“, der – passend zur heutigen mobilen Wissensgesellschaft – ein gleichzeitig virtueller und physischer Ort ist, der es den Knowledge Workern ermöglicht, den Rohstoff Information auch im 21. Jahrhundert vollumfänglich zu nutzen. Dieser „Vierte Ort“ wäre eben der Ort, an dem Information Consultants, die idealerweise selbst Wissenschaftler sind, Wissenschaftler der Einrichtung beim
34 Das Infozentrum hat auf seiner Website http://www.infozentrum.ethz.ch mit den beiden dynamischen Modulen „Tools“ und „Datenbanken“ einen neuen Weg beschritten, um Kunden an die passende Lösung heranzuführen.
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Einsatz von Informationstechnologie beraten und fortbilden – und die einen vollständigen, kritischen Überblick über die gesamte Palette der Möglichkeiten haben. Mit der wachsenden Bedeutung von Information- und Wissensgesellschaft wird dieses Wissen um Information früher oder später ein Wettbewerbsvorteil sein. Es gibt also noch sehr viel zu tun, um Bibliotheken nicht definitiv zu historischen Orten werden zu lassen. Gleichzeitig ist es ein Privileg, in diesem dynamischen Umfeld, in dem nur der Wandel sicher ist, aktiv mitwirken zu können. Bleibt die Frage nach dem Namen der Einrichtung. In der akademischen Welt ist Bibliothek noch weit verbreitet. Denkt man sich Bibliothek weniger als Bücherspeicher, sondern als Ort für Informationsnutzung und Wissensgenerierung – die sie immer war – und trägt diese Idee auch heute – mit anderen Methoden und Technologien – weiter, spricht nichts gegen den Namen Bibliothek. Es ist immerhin ein starke und bekannte Marke, auf die man aufbauen kann.
Literatur Campus Galli (Projektseite). http://www.campus-galli.de (1.5.2015). „Coffee Lectures“ des Informationszentrums Chemie | Biologie | Pharmazie. http://youtu.be/ pioJPo-IPAo (1.5.2015). de Rond, Mark u. Iain Morley (Hrsg.): Serendipity: Fortune and the Prepared Mind. Cambridge: University Press 2010. Elsevier and Roche Collaborate to Integrate Proprietary Chemistry Data in Reaxys. http:// www.elsevier.com/about/press-releases/science-and-technology/elsevier-and-rochecollaborate-to-integrate-proprietary-chemistry-data-in-reaxys (1.5.2015). Elsevier Text and Data Mining (TDM) License. http://www.elsevier.com/about/policies/ content-mining-policies/elsevier-tdm-license (2.5.2015). Karlsruher Institut für Technologie. Coffee Lectures. http://www.bibliothek.kit.edu/cms/ coffee-lectures.php (2.5.2015) Meyer, Verena: Die Krone der Erschöpfung. In: Süddeutsche Zeitung (21.4.2015), Literatur, Überregionale Ausgabe, S. 14. (Muster-)Satzungsregelung Fortbildung und Fortbildungszertifikat der Bundesärztekammer. http://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/beschlussprotokolle-ab-1996/107-daet2004/top-v-fortbildung/muster-satzungsregelung-fortbildung-und-fortbildungszertifikat/ (1.5.2015). Nucleic Acid Communications 43 (2015): Database Issue, January 2015. http://nar.oxfordjournals. org/content/43/D1/D1.abstract (2.5.2015). Oldenburg, Ray. The great good places. New York: Paragon House 1989. Payton, Antony, Christa Janko, Oliver Renn u. Michael Hardman: EMTRAIN consortium. oncourse® : a tool for in-service training and career development for biomedical scientists. In: Drug Discovery Today 18 (2013). S. 803–806.
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Andreas Degkwitz
„What about my Library?“ Eigentlich sollten Bibliotheken weniger Fragen aufwerfen als vielmehr beantworten. Andernfalls könnten sich viele fragen, warum es eigentlich Bibliotheken gibt. Da hilft auch kein Hinweis auf Defizite der persönlichen Informationskompetenz. Denn in Bibliotheken – unabhängig davon, ob virtuell oder nicht – will man Fragen einfach beantwortet wissen und mehr zunächst nicht. Wenn ich in Bibliotheken keine Antworten auf meine Fragen bekomme, frage ich mich jedoch nicht als erstes, warum es Bibliotheken gibt, sondern vielmehr in welche Richtung sie sich entwickeln sollten, damit sie meine Fragen beantworten können. Damit habe ich in Bibliotheken offenbar Glück. Denn ich bekomme so viele Antworten, dass ich zumindest in dieser Hinsicht verstehe, warum es so viele Bibliotheken gibt: Informationsinfrastruktur, virtuelle Forschungsumgebungen, Forschungsdatenmanagement, Open Access-Publizieren, Lizenzierung von E-Ressourcen, Hybrid and Blended Libraries, Retro-Digitalisierung, Lernräume, Dritter Ort, Informationskompetenzentwicklung, Kommunikations- und Medienzentren, Discovery-Systeme, Langzeitarchivierung, Hostingangebote, Automatisierung, RFID, Patron Driven Acquisition etc. etc. Angesichts dieser Fülle an Antworten, deren Spektrum ich nicht als vollständig bezeichnen will, möchte ich allerdings gerne wissen, wo und in welchem Kontext Bibliotheken meine Fragen beantworten. Denn um ehrlich zu sein, ich habe noch nie verstanden, was eine virtuelle Forschungsumgebung eigentlich ist, bei Informationsinfrastruktur denke ich nur an die Deutsche Bahn, mit OPACs sind offenbar weder Herzschrittmacher noch schattige Plätze gemeint, mit E-Ressourcen sehe ich mich in Atomkraftwerken platziert, Discovery-Systeme lassen Abenteuer vermuten, da brauche ich meine Boots, mit Digitalisaten fühle ich mich um den Finger gewickelt, Lizenzierung hat etwas Fesselndes, Restriktives, analoge Materialien stehen offenbar im Regal und sind Open Access, aber nicht nach den Prinzipien des Open Access veröffentlicht, Forschungsdatenmanagementpläne hören sich irgendwie indiskret und deshalb sehr spannend an und Informationskompetenzentwicklung erweist sich mehr als Betreuungsangebot denn als Erwachsen werden und in der Informationsflut bestehen. Wo auch immer ich frage, in welche Richtung sich Bibliotheken entwickeln, lächelt mich wissend ein Bibliothekar an, als wolle er mir zu verstehen geben, dass bis vor wenigen Tagen ihm selbst noch nicht bewusst gewesen sei, dass wir uns hier und heute an einem „Dritten Ort“ befinden, was nicht von der Leitung des Hauses angeordnet, sondern allein in der digitalen Transformation begründet ist. Dieser offensichtlichen Aufforderung zum Glücklichsein kann ich nicht wider-
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stehen und frage ziemlich banal, wie ich denn zu den Büchern komme. Analoge Inhalte finden sich im Regal, erwidert man mir – und ich möchte fast sagen – enttäuscht: „Haben Sie sich bereits mit unserer WEB-Site befasst?“ Was nach dem ersten Eindruck als Ablenkungsmanöver erscheint, ist auf den zweiten Blick der Weg in die richtige Richtung. Denn der entschlossene Blick, der einen der zahlreichen Bildschirme anvisiert, vermittelt mir unmissverständlich, dass ich gleich erfahre, wo es hier lang geht, und ich mich bitte nicht mit Analogem aufhalten soll, wo sich mir doch das Digitale unmittelbar „at my fingertips“ offenbart. Schade nur, dass mir das digitale Paradigma den von mir gewünschten „content“ offenbar nicht zu vermitteln vermag – leider ein „bug“ oder ein schlichtes Ressourcenproblem! Also frage ich wieder: „Wo geht es hier zum Buch?“ Auf dem Weg dorthin begreife ich endlich, was Lernräume und Forschungsumgebungen sind: Lernräume sind „physisch“, Forschungsumgebungen sind „virtuell“. Das hat offenbar damit zu tun, dass die akademische Weiterentwicklung mit dem Verlust von Bodenhaftung zusammenhängt. Studierende sitzen an einem Tisch und kommunizieren qua Facebook, ohne sich in die Augen zu sehen. Forschende sind überwiegend im Netz präsent und finden sich vorzugsweise qua Videokonferenz. Da fragt man sich schon, auf welcher „cloud“ es bequemer ist. Doch so langsam verstehe ich, dass Informationsinfrastruktur nicht ausschließlich mit der Deutschen Bahn in Zusammenhang steht – da stehe ich endlich vor dem Regal und siehe da: „Ihr Buch“, wie mir mein bibliothekarischer Mentor sagt, „am besten leihen Sie es unten an unseren Automaten aus.“ Das ist schon Fortschritt, sage ich mir, und strebe stracks auf einen „Selbstverbucher“ zu, der mich mit einem „Herzlich willkommen!“-Icon begrüßt. Der Sprachmodus ist abgeschaltet, weil auch eine Maschine in einer Bibliothek nicht reden darf. Das Icon zwinkert mir zu und verzieht seine Miene in Richtung „Bitte positionieren Sie die Bücher mit dem Rücken ganz links und ziehen es über das Pad nach rechts!“ Der Bildschirm piept, doch es passiert nichts. Das Icon zwinkert mir wieder zu und verknautscht seine Miene erneut: „Bitte versuchen Sie es doch noch einmal!“ – und erneut passiert nichts. Dritter Versuch – und wieder ergebnislos: „Wenden Sie sich bitte an unser Servicepersonal!“, signalisiert der Automat, ohne zu ahnen, dass „unser Servicepersonal“ im Augenblick nicht verfügbar ist, wie mir ein handgeschriebenes Blatt am Ausleihtresen unmissverständlich vermittelt, . . . tja, sage ich mir, dann will ich mir mal von meinem iPad mitteilen lassen, wie ein RFID-Gerät funktioniert und finde „mein Buch“ bei Amazon, wo ich es zu einem durchaus vertretbaren Preis als E-Book und als Hardcopy erwerben kann. Bibliotheken werfen in der Tat viele Fragen auf und geben nicht zuletzt die Antworten darauf, wie und wohin sich Bibliotheken entwickeln oder verändern wollen. Sind Bibliotheken „business cases“? Als „technische Ungeheuer“ habe
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ich Bibliotheken bereits erlebt. Vermutlich sollen sie dann innovativer werden. Mit angelegter blauer Krawatte wende ich mich an die Bibliothek und erhalte erneut beinahe so viele Antworten, wie es Bibliotheken gibt: von Mission Statements über Key Performance Indicators zur Business Strategy, top down oder bottom up via SWOT-Analysen zum Change Management, Balanced Score Card, Process Engineering und Re-Design, Soft Skill Portfolio und Lean Management etc. etc. Trotz angelegter Krawatte fällt mir ein solches Verständnis von Bibliothek recht schwer. Denn auch hier frage ich mich aufs Neue, wohin dieser Weg Bibliotheken führt. Haben doch Mission Statements oft den Charakter von Glaubensbekenntnissen, Changemanagement ist so etwas wie Konversion, Key Performance Indicators beantworten meine Fragen nur quantitativ, Qualitätsmanagement ist gleichfalls sehr statistikbesessen und ob mit der Balanced Score Card wirklich zusammen wächst, was da zusammengehört, können auch SWOTAnalysen nicht erklären, die das Beichtgeheimnis nicht kennen und im Regelfall keine Offenbarungen sind, Business Re-Design ist – ob top down oder bottom up – oft nicht mehr als das Versprechen, dass alles ganz neu und anders wird, doch am Ende des Tages mehr oder weniger alles beim Alten bleibt. Schöne neue Welten – effizienzgetrieben und 100 % effektiv – sehe ich in den Augen der Führungskraft leuchten, die mir erklärt, dass es so etwas wie Bibliotheken eigentlich gar nicht mehr gibt, sondern heute nur noch von Information Providern und Knowledge Brokern die Rede ist. Mit einem neuen Leitbild sei, was früher Bibliothek hieß, zu einem Content-Warehouse geworden, in dem nicht mehr von Lesern und Nutzern, sondern konkret von Kunden gesprochen wird. Aktuell wird vom Benutzerausweis zur Kundenkarte mit Payback-Funktion migriert: Wer die öffentlichen Computerplätze nicht nutzt, erhält halbjährlich ein iTunes-Abonnement zum halben Preis. Der seither deutlich steigende RemoteAccess habe zwar die Bewirtschaftungs- und Investitionskosten für die Gebäude gesenkt, jedoch nicht zu größerer Akzeptanz der Zielgruppe 30 plus geführt – hier ist man nun dabei, interaktive Incentives zu generieren. Erstaunlicherweise habe die Gamifizierung des WEB-Angebots aller Erwartung zum Trotz noch nicht zum Erfolg geführt. Nach anfänglich hohen Zugriffsraten gehe das Interesse daran deutlich zurück. Zugleich zeige sich eine massive Inanspruchnahme des Ticketsystems, was zwar temporär zu hoher Belastung der Helpdesks führe, doch insgesamt die konsequente Nachfrageorientierung „unseres“ Serviceportfolios bestätigt – das lasse sich mit „harten“ Zahlen belegen. Insofern seien die Spitzenwerte im Ranking kein Zufall, sondern vielmehr ein klarer Beweis für das erfolgreiche Re-Design, das die neue Business-Strategie verlangt. Der Redefluss dieser enthusiastischen Konjunktive lässt mich etwas sprachlos zurück. Das technikgetriebene „Bibliotheksungeheuer“ hat ein „business oriented mindset“, das mich nicht an Sinn und Zweck von Bibliotheken, sondern an
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Ausrichtung und Zielen ihrer Weiterentwicklung zweifeln lässt. Wenige andere Einrichtungen, die sich der Bewahrung und Bereitstellung öffentlicher Kulturgüter verpflichtet sehen, sind dem „Memory of the World“ so verpflichtet wie es Bibliotheken sind – da wirkt Tradition schon nach. Zugleich ist kaum eine andere Einrichtung, die sich dem kulturellen Erbe widmet, so sehr mit dem offenkundigen Medienwandel befasst wie Bibliotheken – da steht die Zukunft längst in der Tür! Die Gleichzeitigkeit der Nutzungserwartungen an Bücher- und Medienbestände vollkommen ungleichzeitiger Medienepochen ist ein herausforderungsvoller Spagat, der Kompetenz, Tatkraft, einen klaren Verstand und nicht zuletzt Mut erfordert. Denn offenbar werfen Bibliotheken viel mehr Fragen auf, als sie beantworten können, und ganz offensichtlich ist das eine Eigenschaft von Bibliotheken, die sie grundsätzlich charakterisiert. Dass Bibliotheken auch Fragen beantworten können, die gar nicht an sie gestellt worden sind, ist nicht die andere Seite der Medaille, sondern widerlegt den weit verbreiteten Irrtum, dass Bibliotheken ausschließlich dem Lesen und Arbeiten dienlich sind – dem ist nicht so! Vor diesem Hintergrund ist „Discovery“ dann gänzlich anders und neu zu verstehen, da trennen Regale nicht, sondern verbinden, da kommt es zu einem Informations- und Wissenstransfer ganz anderer Art und schließlich gelingt viel häufiger als gedacht, dass virtuelle Lebensträume sich außerordentlich physisch manifestieren. Mit anderen Worten: Hätten wir Bibliotheken nicht, wir müssten Bibliotheken erfinden – und das sofort!
Wilma van Wezenbeek
It is the Library. What Else. To Make the World a Better Place. Introduction On special occasions it is important to sit back and think of what has been accomplished and what is still to be completed. On the occasion of retirement, the mind understandably goes to the past. And I want to take this opportunity to revisit something out of my own recent past. I have been working at the TU Delft Library for nine years, four of which as Director. A few years ago, I wrote a weblog, inspired by The Richard Dimbleby Lecture (Nurse 2012), Ken Robinson’s TED talk on Changing the Education Paradigms (Robinson 2012), Steven Johnson’s Where Good Ideas Come From (Johnson 2010) and Thomas Friedman’s That Used To Be Us (Friedman and Mandelbaum 2011). As sometimes happens when you are working in a flow, the writing was done within one hour, but I did not post the actual blog until months later.¹ I gladly take the opportunity to make a proper print version of the weblog I posted back then, and commemorate the discussions we, including Dr Wolfram Neubauer, had at our Techlib meetings.²
The Question What is it that science, scientists, students, our research & development people in industry, and anyone else involved in science and research need in order to make this world a better place? Let us assume that they work or study in an environment where the basics are taken care of, such as lab facilities, IT infrastructure, and things as their salary and for students their exams and classes. But what could make the difference?
1 Weblog was published on December 20, 2012. http://dx.doi.org/10.4233/uuid:0c516747-d7da479c-bde7-889d719475c6 2 Techlib – an informal group of Library representatives from DTU (Copenhagen, Denmark), TIB (Hannover, Germany), ETH (Zurich, Switzerland), TU Delft Library (Delft, The Netherlands) and more recently Imperial College (London, UK) getting together once a year.
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Access First, they all need access to see what already has been done, if they are to proceed where no-one has gone before and to understand what could go wrong along the way. They need access to study as new learners, to gain deeper insights in new fields, or in the process of lifelong learning. Others need access to their production and products (articles, lab data, software, experimental settings, videos, images, blogs) too, so that they and/or their institutes or companies get recognition. Access also includes viewing the latest web lectures from wherever they have decided is the best place to carry out their research, thinking, or talking, or that simply offers the best study places.
To Dig Deeper And access alone will not do: real science means the possibility to dig deeper, to understand more, to repeat your experiments, to link to possible bypasses and go on. That takes time, it takes patience, it takes talent and it costs something. It means thoroughness and depth, posing and opposing theories and getting fundamental discussions that might end nowhere, and it sometimes means all of that. It means reading and learning from your set books, but on finding that this is not enough, doing extra assignments, taking up special projects, and being proud to be curious. Knowing that you can find your stuff in journals, via databases, and e-books, but enriching your playground with other inspiration via TV, film, podcasts, music, websites or magazines.
To Meet Up And nobody can make the world a better place all on their own. You need others, you need criticism, you need serendipity, you need to meet your peers. Of course you can travel to congresses, but you also need this meeting point nearby. It is a sort of access point, but a physical one. You can drink your coffee, tea, juice, go through some magazines, talk and meet with both the PhD or colleague you know from your department, as well as the people you accidently bump into, the lecturer you finally can ask that one question, to attend “just-nice-to-know” or “hey-isn’t-that-sort-of-what-I-am-doing” events and watch the news, not on your
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stand-alone tablet, but sharing the experience with others. You might get some advice from experts, e.g. about writing or publishing or how things work with intellectual property at that place. Any doubts you might have on ethical issues in your research or other practice can be shared with peers and debates are encouraged. You also use this space to see your business relations and vice versa. And will it make the world a better place? The best ideas know their origin in places like these. Let’s call it interaction. A healthy economy is not just driven by greater efficiency, but also by people inventing new products and services. And people need inspiration to come to innovation.
To Make Progress So we have had access, depth, and interaction as basics needs for science to prosper. Let’s add one final thing to this, and this is progress. That is what science, and the people working on and in it, add to the world, right? And when we think of the right support to accommodate this, what is it we think about? Who might be able to provide access to the latest results, and can help you gain visibility? To make sure that the research can be done thoroughly? Facilitate a space to meet up with your study, business or research acquaintances? Hear and see what you have not heard before? Where everything breathes progress? It is the Library. What else. To make the world a better place.
Epilogue The whole idea is that we are all working to make the world a better place. Surely we are, as people working in science. And good science needs good, sustainable support. The Library can give the support our users need. Isn’t that great? In the past decades a lot of librarians have worked on realising this. I feel honoured to contribute in this Festschrift my modest share.
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References Friedman, Thomas and Mandelbaum, Michael. 2011. That Used To Be Us: How America Fell Behind in the World It Invented and How We Can Come Back. New York: Farrar, Straus and Giroux. Johnson, Steve. 2010. Where Good Ideas Come From. Retrieved from http://www.ted.com/ talks/steven_johnson_where_good_ideas_come_from (last access 1 May 2015). Nurse, Paul. 2012. The Wonder of Science. The Richard Dimbleby Lecture. Broadcast BBC, 28 February. Robinson, Ken. 2012. Changing Education Paradigm. Retrieved from http://www.ted.com/ talks/ken_robinson_changing_education_paradigms (last access 1 May 2015).
Impressions@tudelftlibrary All photos by Marcel Krijger. Copyright TU Delft Library
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Wolfgang Giella
Der „Dritte Ort“ in einer wissenschaftlichen Bibliothek? Debatten über einen bevorstehenden Medientod gab es beim Aufkommen sowohl neuer Medientypen wie Kino, Fernsehen oder Internet als auch Medienarten wie Kassetten, Schallplatten oder CD-ROMs und E-Books immer wieder. Im Jahre 1995 veröffentlichte Nicholas Negroponte sein Buch Being Digital¹ und löste damit eine weitere Diskussion über den „Tod“ des Buches aus. Diesmal betraf die Diskussion nicht nur den gesamten Buchhandel, sondern auch die Bibliotheken. In ihrer „klassischen“ Existenz wurden sie ausschließlich mit Büchern in Verbindung gebracht. Dennoch wurden in der Schweiz nie so viele Bibliotheken gebaut, umgebaut und eröffnet wie in der letzten Dekade. Ist diese Diskussion also spurlos an den Bibliotheken vorbeigegangen? Mitnichten. Neue Dienstleistungskonzepte und der „Dritte Ort“ prägen die Diskussionen bis heute. Sie beeinflussen sogar Bauvorhaben, was am Beispiel der Hochschulbibliothek (HSB) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur gut zu belegen ist. Baut man heute Bibliotheken, so sind diese Debatten omnipräsent. Die simple Frage nach der künftigen Quantität des Printbestands, zum Beispiel im Jahre 2025, zielt auf die Wesenheit des Wissens in ihrer physischen Form. Eine einfache Antwort wie vor dreißig oder vierzig Jahren ist nicht mehr möglich. Wer weiß heute schon, wie sich die E-Medien weiter ausbreiten und ob sie das gedruckte Werk gänzlich, teilweise oder gar nicht ersetzen werden? Zudem entwickeln sich Bibliotheken in Bezug auf ihre Dienste weiter weg vom Bestand. Der Bestand und seine Bewirtschaftung bleiben zwar zentrales Augenmerk bibliothekarischen Arbeitens und binden entsprechend Ressourcen, aber schon seit einigen Jahrzehnten bauen Bibliotheken weitere Dienstleistungen auf und aus. Man könnte diese Entwicklungen anhand dreier bibliothekstypologischer Schlagwörter so umschreiben: Bestandsbibliothek: Der Arbeitsfokus liegt auf dem Bestand. Bibliotheken sammeln und erschließen Bestände, die nicht nur aus Büchern bestehen und die nur für einen kleinen, ausgewählten Benutzerkreis (z. B. der Fürst einer Fürstenbibliothek oder bestimmte Bürger eines Gemeinwesens) zugänglich sind. Ziel ist es, den Bestand zur Repräsentation oder zur gezielten Nutzung einer Gruppe einer Gemeinschaft aufzubauen und bereitzustellen.
1 Negroponte, Nicholas: Being Digital. New York: Knopf 1995.
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Servicebibliothek: Der Arbeitsfokus liegt auf dem Benutzenden als Kunden und als Servicekonsumenten. Bibliotheken erweitern obige Dienstleistungen für breitere Publikumsschichten und definieren sogar zusätzlich spezielle Zielgruppen. Sie ermöglichen Ausleihen, vermitteln, schulen und bauen sukzessive neue Dienste auf und aus. Entwicklungsbibliothek: Der Arbeitsfokus liegt auf dem Kunden, dem Unterhaltsträger oder auch anderen Bibliotheken und Institutionen als Servicekonsumenten und Partner. Bibliotheken bieten selbstentwickelte und innovative Dienste an. Diesen Typus Bibliothek gab es schon vor der Einführung von EDV-Systemen (also vor den Sechzigerjahren), aber die EDV beziehungsweise die IT und vor allem das Internet haben die Serviceentwicklung, die entweder dem Endkunden oder anderen Bibliotheken zugutekommt, massiv beschleunigt. Gerade heute beobachtet man einen Trend zur Eigenentwicklung bei Themen wie Open Access, Open Science oder Bibliothekssystemen und Resource Discovery Systemen (RDS). Ebenfalls neue Entwicklungen sind die Verarbeitung von Texten und Daten zu neuen Informationsprodukten wie Indizes und Linked Open Data (LOD).
Der „Dritte Ort“ Ray Oldenburgs als normative Anleitung? Die Dienste und die Arbeiten um das Buch sind spätestens in der Entwicklungsbibliothek nur eines von vielen anderen Arbeitsfeldern. In der strategischen Betrachtung spielen sie deshalb eine untergeordnete Rolle. Anders verhält es sich bei den Diensten und Entwicklungen. Die meisten Bibliotheken – auch diejenigen mit sehr großem Bestand – bewegen sich irgendwo zwischen der Service- und der Entwicklungsbibliothek. Es ist daher folgerichtig, wenn Konzepte aus der Soziologie, aus der Arbeitspsychologie und aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen, die vordergründig nichts mit Bibliotheken zu tun haben, in Bibliotheken diskutiert und teilweise umgesetzt werden. Aus der Stadtsoziologie fand der Begriff „Dritter Ort“ Eingang in die bibliothekarische Diskussion. Der „Dritte Ort“ wurde von Ray Oldenburg in seinem Buch The Great Good Place aus dem Jahre 1989 als Terminus geprägt. Man darf sicher straflos behaupten, dass er als Leitidee oder Modell wertvolle Dienste beim Gestalten bibliothekarischer Räume leistete und noch leistet. Aber es ist erstaunlich, wie ein Begriff bibliothekarischen Zwecken dient, obschon die ursprüngliche Begriffsentwick-
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lung das genaue Gegenteil dessen zu erlangen sucht, was man in Bibliotheken tunlichst vermeiden möchte; die Förderung der Konversation. Schon die „idealen“ Dritte Orte, die er im Untertitel seines Buches nennt und auf die er in seinem zweiten Kapitel referenziert, sind klassische „Anti“bibliotheken: . . . As one’s investigations cross the boundaries of time and culture, the kinship of the Arabian coffeehouse, the German bierstube, the Italian taberna, the old country store of the American frontier, and the ghetto bar reveals itself.²
Oldenburg schrieb das Buch, weil ihm auffiel, wie in den Jahren und Jahrzehnten zuvor in den USA der öffentliche Raum, der Austausch und Diskussionen ermöglicht, vermehrt verschwand. Er verweist mehrfach auf Europa, wo dieser „Dritte Ort“ existierte und heute noch existiert. Sein Buch ist also in erster Linie als politischer Appell zu lesen, in dem er sich einen neuen und zivilisierteren Umgang der Bürger und Politiker seines Landes untereinander wünscht. Wenn wir in Europa den „Dritten Ort“ noch nicht verloren haben, warum müssen dann ausgerechnet unsere Bibliotheken zu einem „Dritten Ort“ werden? Ray Oldenburg beschreibt sein Konzept des „Dritter Ortes“ am treffendsten in der Zusammenfassung am Ende des zweiten Kapitels: Third places exist on neutral ground and serve to level their guests to a condition of social equality. Within these places, conversation is the primary activity and the major vehicle for the display and appreciation of human personality and individuality. Third places are taken for granted and most have a low profile. Since the formal institutions of society make stronger claims on the individual, third places are normally open in the off hours, as well as at other times. The character of a third place is determined most of all by its regular clientele and is marked by a playful mood, which contrasts with people’s more serious involvement in other spheres. Though a radically different kind of setting from the home, the third place is remarkably similar to a good home in the psychological comfort and support that it extends. Such are the characteristics of third places that appear to be universal and essential to a vital informal public life. I’ve noted each of them in turn without attempting to describe any net effects that these several chracteristics may combine to produce.³
Der „Dritte Ort“ ermöglicht das Gespräch, den verbalen Austausch. Hierfür nennt er die Bedingungen, die das ermöglichen. Viele Bibliotheken und ein sehr großer Teil ihrer Nutzenden haben aber gar kein Interesse daran, laute Gespräche zuzulassen. Die räumlichen Bedingungen fehlen in den meisten Einrichtungen. So gesehen könnte man von einem großen begrifflichen Missverständnis ausgehen
2 Oldenburg, Ray: The Great Good Place. Cafés, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons, and Other Hangouts at the Heart of a Community. New York: Marlow & Company 1999. S. 20. 3 Oldenburg, Great Good Place (wie Anm. 2), S. 42.
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und für einzelne mag das auch zutreffen. Aber Konversation ist ebenso wie Lesen eine Form der Kommunikation. Einmal handelt es sich um zwei oder mehrere Personen, ein anderes Mal um eine Person und einen Informationsträger. Auf dieser abstrakten Betrachtungsebene ist es durchaus sinnvoll, Kriterien aus dem Konzept des „Dritten Ortes“ in die Bibliotheksplanung einfließen zu lassen. Und soweit man sehen kann, haben diese Kriterien – ob richtig oder falsch verstanden – spannende Bibliotheksräume inspiriert. Aber es sind nicht wirklich viele Kriterien des „Dritten Ortes“, die man bibliothekarisch unbeschadet umsetzen kann. Am besten geht das in den öffentlichen Bibliotheken (Tab. 1). Tab. 1: Die Umsetzung der Kriterien für den „Dritten Ort“ in öffentlichen Bibliotheken Oldenburgs Kriterium
In öffentlichen Bibliotheken⁴ umgesetzt
Neutraler Boden
Für Stammnutzer und auch Laufpublikum
Nivellierung sozialer Unterschiede
Oft, aber nicht immer möglich⁵
Konversation als Hauptaktivität zulassen
Nur in Kinder- und Jugendbuchabteilung sowie im Café zugelassen
Ort, der als selbstverständlich verstanden wird und meist eine niedrige Abgrenzung hat
Trifft in kleineren und somit einfacher gestaltenden Bibliotheken schneller zu als in großen
Öffnungszeiten
Meist nur Geschäftszeiten und keine Angebote zu off hours
Stammkundschaft
Trifft zu
Eine verspielte Stimmung
Trifft teilweise zu
Eine Art psychologisch verlängerte Komfortzone des eigenen Zuhause
Trifft teilweise zu
Die klassischen Hochschulbibliotheken beziehen ihre Stammkundschaft von den Campus. Sie waren lange Zeit alles, nur keine transitorischen Räume zwischen Arbeit und Zuhause. Das war nicht notwendig, denn sie galten allen Campusangehörigen als Teil ihres Arbeitsplatzes. Es brauchte also keinen „Gemütlichkeitsfaktor“.
4 Diese Beurteilung ist nur kategorisch zu verstehen und somit auf die einzelne Bibliothek übertragen lückenhaft. 5 Wenn eine Kommune sozial Schwächeren entsprechende Vergünstigungen zur Benutzung der Bibliothek anbietet, z. B. durch einen Sozialpass, ist die Nivellierung leichter umsetzbar.
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Aber die Diskussion ist auch bei den wissenschaftlichen Bibliotheken angekommen. In den angelsächsischen Ländern, in Fernost und Skandinavien wurden bei Neu- und Umbauprojekten von Bibliotheken vermehrt zusätzliche Raumfunktionen eingeführt. Leicht verzögert entstanden auch im deutschsprachigen Raum neuartige Bibliotheken für Universitäten, Fachhochschulen oder andere Institutionen. Viele der von Ray Oldenburg genannten Kriterien entziehen sich den Zielbedürfnissen der Bibliothekskundschaft wissenschaftlicher Bibliotheken, andere hingegen schärfen und konkretisieren neue Raumbedarfe. Wie kann obige Tabelle für eine wissenschaftliche Bibliothek (Tab. 2) aussehen? Tab. 2: Die Umsetzung der Kriterien für den „Dritten Ort“ in wissenschaftlichen Bibliotheken Oldenburgs Kriterium
In wissenschaftlichen Bibliotheken umgesetzt
Neutraler Boden
Nur für Campusangehörige und somit nur teilweise erfüllt
Nivellierung sozialer Unterschiede
Trifft zu
Konversation als Hauptaktivität zulassen
Trifft nur in wenigen Zonen zu, falls vorhanden
Ort, der als selbstverständlich verstanden wird und meist eine niedrige Abgrenzung hat
Trifft nicht zu. Wäre das erfüllt, bräuchte es keine Einführungsveranstaltungen, Schulungen und bibliothekarisch geschultes Benutzungspersonal mehr
Öffnungszeiten
Normale Geschäftszeiten und oft auch Bereiche zu off hours zugänglich
Stammkundschaft
Trifft zu
Eine verspielte Stimmung
Trifft nicht zu
Eine Art psychologisch verlängerte Komfortzone des eigenen Zuhause
Trifft nur eingeschränkt in neuen Bibliotheken zu, wird dort aber meist in differenzierten Raumzonenkonzepten umgesetzt
Sicher ist diese Bewertung diskutierbar. Der „Dritte Ort“ als Konzept ist gleichwohl in der wissenschaftlichen Bibliothek angekommen, alleine schon die Bologna-Reform des Hochschulstudiums verlangt nach anderen Lernformen und in der Bibliothek werden diese räumlich umgesetzt. Doch seine perfekte Umsetzung ist kaum machbar. Wissenschaftliche Bibliotheken brauchen eine oder mehrere weitere Konzeptkomponenten.
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Ein „hybrider“ Ansatz für die neue HSB Oldenburgs Beispiele des „Dritten Ortes“, also Bars, Friseure, Marktplätze, Speaker Corners und andere für den Bibliotheksbetreiber doch sehr ungewohnte Dezibelschleudern, können keine geeigneten Vorbilder für Bibliotheksbauten sein. In wissenschaftlichen Bibliotheken müssen die passenden Kriterien des „Dritten Ortes“ – losgelöst von der Motivation Oldenburgs – um andere Konzepte oder Kriterien ergänzt werden. So können sie Eingang in eine Zonenplanung finden und unter gewissen Umständen darf man auch davon sprechen, „den Dritten Ort in seiner Bibliothek verwirklicht zu haben“⁶ .
Der Anfang Die Planungen für den neuen Standort der Winterthurer HSB begannen 2010. Die fünf Teilbibliotheken der Departemente in Winterthur, also Architektur, Wirtschaft, Angewandte Linguistik, Gesundheit und Technik, sollten zusammengezogen werden. Eine interne Raumstudie⁷ beschreibt die Winterthurer Ist-Situation für den Campus des alten Technikums und des heutigen ZHAW-Departements School of Engineering sowie der HSB. Basierend auf Planungszahlen von 2009 bis 2012 wurde damals ein Soll extrapoliert. Diese gute Arbeit lieferte die Basis für eine Bibliotheksplanung, aber erst einmal ohne genaue Vorstellungen über Raum und Beschaffenheit eines möglichen Gebäudes. Somit war vieles am Anfang unklar und verunmöglichte eine konkrete Planung. Diese Unklarheiten wurden zusätzlich durch weitere Informationen verstärkt, von denen man nicht sicher wusste, wie sie zu bewerten waren. So verwies diese Raumstudie beispielsweise auf einen Evaluationsbericht von Alice Keller und Wolfram Neubauer aus dem Jahre 2003. Die Verfasser empfahlen dort einen bibliothekarischen Mitarbeiterstand von 3,7 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) an Bibliotheksmitarbeitenden pro 1000 Studierende für eine zentral geführte Bibliothek. Die HSB bildet aber ein dezentrales System. Der Wert müsste also höher sein. Doch die HSB wies damals pro 1000 Studierende einen VZÄ-Wert von 2,5 auf, ad-
6 Wir reden ebenfalls bewusst davon, weil einige Aspekte des Kriteriums bezüglich Ausweitung eines Zuhause-Konzeptes (home away from home) umgesetzt wurden. 7 Hänsli, René, Nils Hug u. Michaela Aeschlimann: Entwicklung Campus Technikumstrasse. Organisation, Ressourcen, Leistungsaufträge. Ist-Situation und Ausblick. Version 02. Winterthur 22. Januar 2010.
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dierte man noch die Wissenschaftler der ZHAW hinzu, fiel er auf 2,3. Wie sollte das eingeplant werden? Die HSB war und ist nicht die einzige Bibliothek, die diesen Idealwert nicht erreicht. Für die Planung war dies nur eines der vielen kleinen Nebenprobleme, welche große Auswirkung auf die Flächenberechnung hatten. Das Baukompendium⁸ und die DIN⁹ sind eine gute Basis für das Berechnen von Varianten. Aber man muss sich bewusst sein, dass diese Zahlen aus einer anderen Zeit stammen und es tückisch ist, basierend auf ihnen den Raum für ein modernes Konzept vorzubereiten. Die vorliegende Unterlage aus der Schweiz war sehr karg. Ursprünglich waren für 500 studentische Arbeitsplätze 1000 m2 vorgesehen gewesen, was der alten Zahl der Berechnungsgrundlagetabelle für FH- und Schulbibliotheken¹⁰ entsprach. Die DIN¹¹ empfiehlt größere und flexiblere Plätze, nämlich für Einzelarbeitsplätze für konzentriertes Arbeiten 3 m2 , für Einzelarbeitsplätze mit besonderen Funktionen sogar 4 bis 6 m2 und für Plätze zum Anlesen oder zur Kurzrecherche 1,5 bis 2 m2 . Dies erklärt aus Schweizer Sicht die gefühlte Großzügigkeit deutscher Um- und Neubauten, selbst von Bibliotheken, deren Planung in die frühen Achtzigerjahre zurückreicht. Ende 2010 wurde bekannt, dass die neue HSB der ZHAW im Gebäude 87 auf dem Sulzerareal in Winterthur realisiert werden soll. Zu diesem Zeitpunkt war das Gebäude noch eine Eventhalle. Es ist ein sehr eindrückliches Gebäude und wird von Adrian Mebold wie folgt beschrieben: Im Prinzip ist die Halle 87 eine eingepackte Kranbahn. Im Detail besteht sie aus sechs nebenund übereinander gestapelten Kranbahnen und einem Erschliessungsturm, alles mit roten Eternitplatten verkleidet (. . . ) Weil die Mauern keine tragende Funktion mehr haben (darum nennt man sie auch „curtain wall“ oder „Vorhangwand“) und nur noch als Hülle gegen Wind und Wetter dienen, sind grosse Fensterflächen möglich. Der Rundbau ist am auffälligsten, wo die Fassade vom niedrigen Betonsockel an bis auf einen Eternitstreifen unter der Dachkante total verglasst ist. Diese gestalterische und konstruktive Kühnheit setzt sich auf der
8 Bibliotheksbau. Kompendium zum Planungs- und Bauprozess. DBI-Materialien 131. Berlin 1994. Internetausgabe. http://www.bibliotheksportal.de/fileadmin/user_upload/content/themen/ architektur/dateien/baukompendium.pdf (12.5.2015.) 9 DIN-Fachbericht 13. Bau- und Nutzungsplanung von Bibliotheken und Archiven. Ausgabe 2009. Berlin: Beuth Verlag GmbH 2009. 10 Expertengruppe für Baufragen an Berufsschulen. Bibliothek-Mediothek. Berechnungsgrundlagen. Genehmigt durch das BIGA. Abteilung Berufsbildung. Amt für Bundesbauten. Sektion Gutachten. Mai 1992. 11 Vgl. DIN-Fachbericht (wie Anm. 9), S. 45.
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hohen und langen Fassade im Süden gegen den Gleiskorridor fort. Dort sind es drei Fensterbänder, während es gegen Norden noch zwei sind. Es ist beeindruckend, wie praktisch von allen Seiten das Licht in die drei unterschiedlichen hohen Stockwerke einfällt.¹²
Auch die Maße sind eindrücklich: Die Länge des Gebäudes beläuft sich auf rund hundert, die Steighöhe auf achtzehn Meter. Diese Höhe entspricht etwa einem vier- oder fünfstöckigen Mehrfamilienhaus. Der konvexe Rundbau ist an der breitesten Stelle gut vierzig Meter tief.
Die Planungs- und Bauphase Die Bauphase begann mit einer Machbarkeitsplanung und dem Vorprojekt des Bau- und Ausführungsprojekts. Diese Arbeiten beanspruchten das ganze Jahr 2011. Auch im folgenden Jahr wurde noch nicht gebaut, sondern weiter intensiv geplant. Das Baubewilligungsverfahren wurde im März 2012 eröffnet. Denkmalschutz, Stadtplanung und der Heimatschutz wurden in das Verfahren involviert und die Projektierung wurde vorgestellt und diskutiert. Das Gebäude steht unter integralem Denkmalschutz. Der Grund ist in seiner Einzigartigkeit zu suchen: „Für die Gestaltung zeichnete der Winterthurer Architekt Lebrecht Völki (1879 bis 1937) verantwortlich. Der Bau, welcher 1931 fertig gestellt wurde, ist ein hervorragender Zeuge des Neuen Bauens in Winterthur.“¹³ Die Zeit war knapp, denn die Ausführungspläne sollten Ende 2012 stehen, im Januar 2013 musste mit der Realisierung des Grundausbaus und der Spezialausbauten begonnen werden. Das Jahr 2012 glich einem Pingpong-Spiel zwischen Projektleitungsteam, Architekten, Denkmalpflege und Stadtplanung sowie Heimatschutz. Es mussten Pläne vorgelegt werden, die Veränderungen wurden peinlichst genau dokumentiert und kommentiert. Vereinfacht und fast schon banalisierend kann man festhalten, dass sich alle Parteien sehr pragmatisch verhalten haben, indem man mehr oder minder alles veränderte, was die Bausubstanz nicht beeinträchtigte und was ohne deren Beschädigung jederzeit wieder rückbaubar ist. Das ist zwar nicht ganz korrekt, spiegelt aber die Leitplanken, innerhalb dieser Entscheide gefällt werden konnten, wider.
12 Mebold, Adrian. Halle 87: Von der Rohrschlosserei zur Hochschulbibliothek. In: Winterthurer Jahrbuch (2015). S. 28 f. 13 Piotrowski, Stefan u. Jean-Marc Bovet: Die ZHAW-Bibliothek im Gebäude 87 auf dem Sulzerareal. In: ZHAW Halle 87. Ausbau Hochschulbibliothek Einweihung. Zürich: Kanton Zürich, Baudirektion Hochbauamt 2015. S. 16.
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Der alte Baubestand der Halle wurde von den Winterthurer Architekten Stefan Piotrowski und Jean-Marc Bovet architektonisch kongenial trotz vieler Auflagen und Schwierigkeiten in die neue Funktion überführt. Das Erdgeschoss besteht aus einer Kranhalle von rund zehn Metern Höhe, in die zwei Zwischengeschosse eingezogen wurden. Hier befindet sich die Bibliothek, das erste Obergeschoss beherbergt Unterrichtsräume der ZHAW School of Management and Law sowie einen Schulungsraum der HSB, im zweiten Obergeschoss liegt die sogenannte Lernlandschaft.
Die Lernlandschaft – ein „Dritter Ort“ in einer „Smart Library“? Die Herausforderung bestand darin, das zweite Obergeschoss zu gestalten. Dort sollten keine Printmedien stehen, dort sollte gearbeitet und gelernt werden. In der Bibliothek im Erdgeschoss selbst befinden sich sehr viele bestandsnahe Arbeitsplätze. So konnte ein ganzes Stockwerk von immerhin rund 1700 m2 „papierlos“ verplant und verbaut werden. Es stellte sich anfangs die Frage, wie beziehungsweise was man aus dem Konzept „Dritter Ort“ in einer wissenschaftlichen Bibliothek umsetzen kann. Es war 2012 bald schon klar, dass es einen reinen „Dritten Ort“ nicht geben kann. Aber am Konzeptkriterium, „the third place is remarkably similar to a good home in the psychological comfort and support that it extends“¹⁴, wurde festgehalten. Ziel war es, die unterschiedlichen und individuellen Bedarfe zu erfassen und so einem möglichst breiten Konsens von Privatheit entsprechen zu können. Dabei wurde Privatheit ganz einfach als „persönliches Verhalten im öffentlichen Raum“ verstanden. Dieses Verhalten ändert sich je nach öffentlichem Kontext und je nach Aktivität in diesem Kontext. Es hängt zudem stark von der Einzelperson ab, was sie zulassen möchte und was nicht. Der Schlüssel des Wohlbefindens beim Lernen oder Studieren, Pausieren und Austausch mit anderen liegt in der Privatheit. Aber wie kann man Privatheit, die von allen ganz unterschiedlich gedeutet wird, überhaupt erfassen? Es traf sich gut, dass an der ZHAW in Wädenswil mit dem Institut für Facility Management (IFM) genau die richtigen Forschenden für exakt diese Fragestellungen existieren. Einer der Forschungs- und Beratungsschwerpunkte des IFM sind arbeitsplatzpsychologische Fragen und der Themenbereich Work Space Research.
14 Oldenburg, Great Good Place (wie Anm. 2), S. 42.
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Die Erfahrungen aus Beratungen verschiedener Großraumbüroprojekte des IFM halfen sehr dabei, die richtigen Fragestellungen zu finden. Nach wenigen Treffen wussten die für die Studie Verantwortlichen genau, worum es uns ging. Das Vorgehen war neben der üblichen Art und Weise des Beobachtens, eine mehrstufige Studie. Methodisch war folgender Ablauf geplant: – Eine Online-Befragung (Zielgruppe: Studierende der ZHAW Winterthur). – Workshops (Zielgruppe: Studierende, Dozierende und Bibliotheksmitarbeitende). – Begehungsstudien (Erhebung und Erfassung verschiedener Datenpunkte an den alten fünf Standorte in Winterthur). – Ergebnisauswertung und Umsetzung der Erkenntnisse in ein erstes Raumkonzept, welches mit Dozierenden und Professoren aus Fachkommissionen der ZHAW diskutiert und kritisiert wurde. Die neuen Kritikpunkte wurden aufgenommen und das definitive Raumkonzept erarbeitet. An der Umfrage beteiligten sich 760 Studierende, die Begehungsstudie erbrachte zusätzliche 1292 Datenpunkte. Nun wusste man genauer Bescheid über Pausenund Arbeitsgewohnheiten der künftigen Kunden, einige Arbeitsplatztypen – zum Beispiel das Gegenüberstellen von Tischen – wurden sogar als gewünscht bestätigt, die man vielleicht persönlich als eher unangenehm empfunden hätte und die heute in der Tat zu den erstbenutzten Plätzen in der Anfangsbelegungsphase des Tages zählen. Natürlich konnten wir einen Teil der Erkenntnisse auch in die Bibliothek im Erdgeschoss und deren Arbeitsplätze einfließen lassen. Das IFM zeigte zudem auf, dass die von uns fokussierte „Privatheit“ zwar wichtig, aber kaum kollektiv definierbar ist. Aber mit einem guten Raumkonzept für aktivitätsbezogene Zonen konnte dieses Manko kompensiert werden. Das IFM erarbeitete einen Vorschlag, den die Verantwortlichen „Smart Learning“ nannten. Dabei bildet das Smart-Learning-Konzept eine Art Dreieck, in dessen Mitte der Lern- oder Forschungserfolg des Benutzenden stehen muss. Die drei Eckpunkte mögen als basale Selbstverständlichkeit erscheinen, und zwar Fläche-Komfort-Medien/IT. Jedem Punkt müssen geeignete Angebote zugeordnet werden, um von den Benutzenden geschätzt zu werden. Der Punkt Komfort deckt dabei die Ansprüche oder Kriterien des „Dritten Ortes“ am weitesten ab, nämlich durch Attraktivität/Wohlbefinden, Umweltfaktoren und Privatsphäre. Die Fläche kommt dem „Dritten Ort“ durch die Funktionsaufteilung ebenfalls nahe, wobei der Bereich „Kollaboration“ kongruent ist, stilles Arbeiten und Pause nicht. Aufgrund des IFM-Konzepts und Abschlussberichts entstand ein Raumkonzept, welches durch die Innenarchitektin Françoise Chevalier erstellt wurde. Es musste sichergestellt werden, dass die Konzeption raumakustisch umsetzbar ist. Als das klar war, konnte mit der Möblierungsplanung begonnen werden. Obgleich
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die Lernlandschaft getrennt von der Bibliothek geplant wurde, wurde ein übergeordnetes Konzept, das man vielleicht als „Smart Library“ bezeichnen kann, umgesetzt. Man kann „Smart Library“ als Knotenpunkt wissenschaftlichen Lebens und Arbeitens verstehen, der durch die Vielfältigkeit der Angebote¹⁵ entsteht. Die Möblierungsplanung ist eine entscheidende Prämisse für das Entstehen einer „Smart Library“: Die Studierenden nutzen so beim Lernen, Diskutieren und in der Pause die Angebote, die ihnen gerade am besten entsprechen.
Fazit Unser Bauprojekt zeigt deutlich auf, dass der „Dritte Ort“ als Konzept gute Dienste leistet. Umsetzbar ist er in seiner ursprünglichen Idee nur in geringen Teilen. Die Kraft liegt in der Kombination verschiedener Konzepte. „Smart Learning“, „Smart Library“ und „Dritter Ort“ waren unsere Schlüssel zum Erfolg. Dass man ein solches Projekt dergestalt umsetzen kann, liegt indes weniger an den Begrifflichkeiten. Der Raum, die Architektur, die Bausubstanz sind weitaus wichtiger. Doch die größte Bedeutung haben die Beteiligten. Ein Bauprojekt ist eine gemeinsame Lebensphase, die man mit unterschiedlichen Partnern, die manchmal auch Gegner sein können, durchschreitet. Sachzwänge wie Finanzen und Auflagen, Vorstellungen und Ideen von Architekten, Bibliotheksmitarbeitenden, Nutzenden, Hochschulverantwortlichen und in unserem Fall auch denkmalpflegerischen Behörden lassen sich nicht immer kohärent und gütlich umsetzen. Jeder muss verzichten. Die Kunst besteht darin, auf das Richtige verzichten zu können, damit das Konzept als Einheit letztendlich doch umgesetzt werden kann. Der Verzicht darf am Ende des Projekts nicht spür- und sichtbar sein. Am 6. Februar 2015 wurde die neue Bibliothek offiziell eröffnet. Seit diesem Zeitpunkt erfreut sie sich eines schnell wachsenden Zuspruchs. Die Rückmeldungen sind sehr gut. Ein australischer Studierender lobte die Lernlandschaft im Vergleich mit den Bibliotheken in Sydney mit den Worten: „This is the best facility I’ve ever seen!“ Und dann sagte er noch, dass er sich hier wie zu Hause fühle.
15 Dies ist ganz in Anlehnung an den „Smart Libraries“ zu verstehen, wie er zum Beispiel von Hermann Romer am 23. Oktober 2010 in Muri vorgetragen wurde. (https://www.ag.ch/media/ kanton_aargau/bks/dokumente_1/kultur/fachstelle_oeffentliche_bibliotheken/bibliothekstag/ BKSAK_bibliothekstag10_privates_leben.pdf (13.5.2015, vgl. Folie 14).
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Impressionen Bildrechte: Wolfgang Giella/Hochschulbibliothek der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Abb. 1: Plan der Lernlandschaft im 2. Obergeschoss
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Foto 1: Gruppenräume in der Lernlandschaft
Foto 2: Eingangsbereich mit Blick auf Zwischengeschosse
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Foto 3: Arbeitsplätze für konzentriertes Arbeiten im offenen Bereich
Foto 4: Blick in den Empfangsbereich der Bibliothek im Erdgeschoss
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Foto 5: Lernlandschaft Pause kollaborativ (Nachtsicht)
Literatur Bibliotheksbau. Kompendium zum Planungs- und Bauprozess. DBI-Materialien 131. Berlin 1994. Internetausgabe. http://www.bibliotheksportal.de/fileadmin/user_upload/ content/themen/architektur/dateien/baukompendium.pdf (12.5.2015.) DIN-Fachbericht 13. Bau- und Nutzungsplanung von Bibliotheken und Archiven. Ausgabe 2009. Berlin: Beuth Verlag GmbH 2009. Expertengruppe für Baufragen an Berufsschulen. Bibliothek-Mediothek. Berechnungsgrundlagen. Genehmigt durch das BIGA. Abteilung Berufsbildung. Amt für Bundesbauten. Sektion Gutachten. Mai 1992. Hänsli, René, Nils Hug u. Michaela Aeschlimann: Entwicklung Campus Technikumstrasse. Organisation, Ressourcen, Leistungsaufträge. Ist-Situation und Ausblick. Version 02. Winterthur 22. Januar 2010. Mebold, Adrian. Halle 87: Von der Rohrschlosserei zur Hochschulbibliothek. In: Winterthurer Jahrbuch (2015). S. 22–33. Negroponte, Nicholas: Being Digital. New York: Knopf 1995. Oldenburg, Ray: The Great Good Place. Cafés, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons, and Other Hangouts at the Heart of a Community. New York: Marlow & Company 1999. Piotrowski, Stefan u. Jean-Marc Bovet: Die ZHAW-Bibliothek im Gebäude 87 auf dem Sulzerareal. In: ZHAW Halle 87. Ausbau Hochschulbibliothek Einweihung. Zürich: Kanton Zürich, Baudirektion Hochbauamt 2015. S. 16. Romer, Hermann: Privates Leben in öffentlichen Bibliotheken – Raumentwürfe für zukunftsgerichtete Bibliothekskonzepte. Braucht die Bibliothek der Zukunft noch einen Ort? Muri, 23. Oktober 2010. https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/bks/dokumente_1/kultur/ fachstelle_oeffentliche_bibliotheken/bibliothekstag/BKSAK_bibliothekstag10_privates_ leben.pdf (13.5.2015).
| Teil II: Strategie und Strategiebildung
Andreas Brandtner
Wandel – Krise – Transformation Herausforderungen für Universitätsbibliotheken am digitalen Informationsmarkt
Wandel und Krise Universitätsbibliotheken befinden sich in einer Krise, Tendenz steigend. Dennoch verfügen sie aktuell noch über ausreichend Handlungsspielräume und Entscheidungskompetenzen, die es ihnen erlauben, mit dieser Krise unterschiedlich umzugehen. Manche Bibliotheken ignorieren sie und versuchen sich in einer Fortschreibung des Status quo, manche flüchten in Resignation und einen apokalyptischen Diskurs, manche wiederum begreifen die Krise als Chance – und damit im eigentlichen Wortsinn als Situation der Entscheidung – und engagieren sich für eine Bewältigung der mit ihr einhergehenden herausfordernden Situation. Insofern eine Krise – im Sinn einer zugespitzten Entscheidungssituation – Strategie verlangt und damit verstärktes Organisationsbewusstsein und -aktivität, sind hier vor allem die Bibliotheksleitungen gefordert, ihre Organisationen erfolgreich durch den digitalen Wandel zu führen. Inwieweit das gelingen wird, ist gegenwärtig unklar. Dabei hatte es für die Bibliotheken so gut begonnen. Während des Übergangs vom spätem Mittelalter zur frühen Neuzeit wurden die Voraussetzungen und Fundamente für ihre glänzende Karriere als zentrale Informationsspeicher und -versorger geschaffen.¹ Diese Karriere sollte in Europa über ein halbes Jahrtausend anhalten und bis heute unmittelbar augenscheinlich in zahlreichen Prachtbauten ihren materiellen Ausdruck erfahren. In der Folge der typographischen Medienrevolution begann sich Literalität als gesellschaftliche Norm mittels sozial-, medien- und diskurshistorischer Prozesse durchzusetzen. Als eine der maßgeblichen Institutionen dieser verallgemeinerten standardisierten Schriftlichkeit konnte sich die Bibliothek in Neuzeit und Moderne zu einer gesamtgesellschaftlich funktionalen Institution der Informationsspeicherung und -versorgung ausbilden. In stetig steigendem Ausmaß verantwortete sie für wich-
1 Vgl. Brandtner, Andreas: Bibliothek: Neuzeit und Moderne. In: Natalie Binczek, Till Dembeck u. Jörgen Schäfer (Hrsg.): Handbuch Medien der Literatur. Berlin, Boston: De Gruyter 2013. S. 560– 568.
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tige gesellschaftliche Bereiche die Erwerbung, Erschließung, Bereitstellung und Bewahrung von Information. Doch scheint die uns vertraute Institution Bibliothek ein genuines Phänomen der Gutenberg-Galaxis zu sein. Mit dem neuzeitlichen Beginn dieser Welt des Buches² hat sie sich gesellschaftlich etabliert, über die wissenschaftsorientierte Aufklärung wurde sie zu einem erfolgskritischen Element europäischer Gelehrsamkeit und Bildung, mit den sozialen Emanzipationsbewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurde sie demokratisiert und öffnete sich für bislang bildungsferne Bevölkerungsschichten. Allerdings transformieren seit dem späten 20. Jahrhundert die elektronische Datenverarbeitung, das Internet und seine mobile Verfügbarkeit den Informations- und Kommunikationsmarkt. Information ist digital zeit- und ortsunabhängig zugänglich, das alteuropäische Leitmedium Buch grundlegend relativiert. Insofern schließt sich im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert die Gutenberg-Klammer mit einer weiteren Medienrevolution, der elektronisch-digitalen. Und das führt die Bibliotheken in eine scheinbar paradoxe Situation: Obwohl die bibliothekarische Gemeinschaft konform mit den Grundwerten der Informations-, Wissens- bzw. Mediengesellschaft agiert, begünstigt die Entwicklung hin zu diesen neuen Gesellschaftsformen keineswegs den Organisationstyp Bibliothek. Vielmehr stellt dieser informationstechnologisch motivierte Medienbruch von analog auf digital die Bibliotheken und das Bibliothekswesen vor gänzlich neue Herausforderungen. Besetzten die Bibliotheken bislang ein Quasi-Monopol als Informationsspeicher und -versorger, befinden sie sich nun in einer Marktsituation, die sich durch disruptive Innovation, harte Konkurrenz und hochgradige Rasanz auszeichnet.
Die Bibliotheken und der Markt Mit dem Thema „Markt“ scheint ein entscheidender Punkt für das aktuelle Selbstverständnis der Universitätsbibliotheken angesprochen zu sein: Akzeptieren die Bibliotheken als Einrichtungen des öffentlichen Dienstes, dass sie sich in einer Marktsituation befinden, die sich durch Angebot, Nachfrage und Konkurrenz auszeichnet? Und wenn ja, wie positionieren sie sich? Aufschlussreich erscheint ein rezenter Aufsatz von Ulrich Naumann, ehemals Direktor der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin. Als Zusammenfassung seiner Überlegungen hält er fest:
2 Vgl. McLuhan, Marshall: The Gutenberg Galaxy. Toronto, Buffalo, London: University of Toronto Press 1962.
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Ausgehend von dem Marktmodell, in dem Bibliotheken arbeiten, kommen wir zu der Feststellung, dass Bibliotheken in der relativ günstigen Position sind, auf ihrem engeren Markt als oligopolistisch oder sogar monopolistisch organisierte Anbieter ihrer Dienstleistungen auftreten zu können. Sie sind damit keinem starken Wettbewerbsdruck einer Marktnebenseite ausgesetzt und müssen ihr Verhalten und ihre Produkte wie im Wettbewerbsmarkt nicht unbedingt der Nutzernachfrage anpassen. Wir sehen deshalb die Bereitschaft zur Veränderung des betrieblichen Geschehens und der Anpassung und Ausweitung der angebotenen Dienstleistungen entscheidend abhängig von der Position der Bibliothek im Markt. Da wir es nicht mit einem Wettbewerbsmarkt zu tun haben, fehlt ein entsprechender Anpassungsdruck und damit auch die Einsicht in die Notwendigkeit, intensive Bemühungen um eine Ausweitung der angebotenen Dienstleistungen, des Portfolios, zu unternehmen.³
Wie Naumann zu dieser erstaunlichen, ja irritierenden Ansicht kommen konnte, erklärt eines der Beispiele, das seine These bekräftigen soll: „Aber auch wer in Berlin studienunterstützend ein Lehrbuch ausleihen möchte, ist in der Regel auf ,seine‘ Bibliothek angewiesen, da ihm die Lehrbuchsammlungsbestände anderer Universitäten am Ort verschlossen sind, obwohl er grundsätzlich dort als Nutzer zugelassen werden kann.“⁴ Naumann denkt in seinem Aufsatz zwar konsequent in Marktkategorien, übersieht allerdings die sich vollziehende digitale Transformation des Informationsmarkts, die freilich auch an den universitären Lehrbuchsammlungen nicht vorbeigeht. Das physische Exemplar in der von einer Universitätsbibliothek konkret geführten Lehrbuchsammlung wird sekundär gegenüber einem digitalen Angebot, das nicht notwendigerweise über den Informations-Gateway Bibliothek zugänglich sein muss. Gerade aktuell begegnen uns vermehrt Angebote von Vertreibern von digitalen Lehrmedien, die sich direkt an die Endkunden wenden und damit die Intermediationsrolle der Bibliotheken unterlaufen.⁵ Gänzlich anachronistisch wird Naumanns Rettungsversuch mit seinem institutionellen Postulat einer „Bestehensgarantie“: Hinzu kommt für die wissenschaftlichen institutionsgebundenen Bibliotheken eine Bestehensgarantie. Wissenschaftliche Bibliotheken, die unverzichtbarer Bestandteil der Hochschulinfrastruktur sind, werden unabhängig von ihrem Marktverhalten mangels unmittelbarer Konkurrenz vor Ort solange existieren, wie die Hochschule existiert.⁶
3 Naumann, Ulrich: Serviceportfolios von Bibliotheken im Umbruch: Herausforderungen an Management und Organisation. Ein Überblick zur Thematik aus betriebswirtschaftlicher Sicht. In: Andreas Degkwitz (Hrsg.): Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur 2013 (Bibliothek: Monographien zu Forschung und Praxis 2). S. 22. 4 Naumann, Serviceportfolios (wie Anm. 3), S. 17. 5 Vgl. z. B. http://booktex.de/ (10.6.2015). 6 Naumann, Serviceportfolios (wie Anm. 3), S. 17.
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Naumanns Schlussfolgerung von der Persistenz der Universitätsbibliotheken ist nicht nur zurückzuweisen, weil sie sachlich falsch ist, sondern auch weil sie zu Beschwichtigung und Indifferenz einlädt und den Bibliotheken eine Existenzsicherheit vorspielt, die längst nicht mehr gegeben ist. Die massiven medialen Veränderungen und Umbrüche der letzten beiden Jahrzehnte – mit den markanten Stationen: World Wide Web (WWW), Google, Wikipedia und Smartphone – haben eindringlich evident gemacht, dass die Bibliothek als gesellschaftlich funktionale Organisation kein ahistorisches Phänomen ist, sondern ein historisches Faktum, das auf der Basis bestimmter Voraussetzungen ausdifferenziert wurde. Und das heißt auch, dass die Bibliothek in der uns gegenwärtig bekannten Form einen Anfang hatte und ein Ende haben wird. Wie bereits festgestellt, korrespondiert ihre heute noch ersichtliche Ausprägung vermutlich mit der Gutenberg-Galaxis. Denn in der postmodernen bzw. postindustriellen Informationsgesellschaft ist mit dem Entstehen eines digitalen Informationsmarkts, auf dem die Bibliotheken ihr Informationsmonopol angesichts ausgeprägter Konkurrenz verloren haben, der traditionelle bibliothekarische Geltungsanspruch nachhaltig relativiert. Auf die zusehends auf digitale Dienstleistungen umstellenden Universitätsbibliotheken wirkt es sich dabei besonders markant aus, dass die Zugänge zur digitalen Information immer weniger an institutionelle Gatekeeper gebunden sind und folglich nicht notwendigerweise über Bibliotheken führen müssen. Insofern wird die oligopolistische und teilweise monopolistische Stellung der Universitätsbibliotheken auf ihrem Primärmarkt mittel- bis langfristig unterlaufen. Forschende, Lehrende und Studierende sind tendenziell nicht mehr darauf angewiesen, „ihre“ Universitätsbibliothek zu nutzen, um ihren universitären Aufgaben und Verpflichtungen erfolgreich nachzukommen. Diese veränderte Marktsituation motiviert mittlerweile einige Hochschulbibliotheken, sich die Chancen und Risiken, die die digitale Wende für sie bringt, zu vergegenwärtigen und ihre traditionelle strategische Positionierung zu überprüfen. Diese wurde in der Regel aus einem Set von Funktionen abgeleitet, die als die klassischen Kernaufgaben der Universitätsbibliotheken als Dienstleister für Forschung, Lehre und Studium gelten: Demnach bestehen ihre Hauptaufgaben in der Versorgung der Universitätsangehörigen mit analoger und digitaler Information sowie der Bereitstellung von physischen und virtuellen Rauminfrastrukturen. Zudem engagieren sie sich in der Vermittlung von Informationskompetenz, um den Umgang ihrer Nutzerinnen und Nutzer mit Information zu professionalisieren. Nun ist davon auszugehen, dass zunehmend konkurrierende Anbieter in den wissenschaftlichen Informationsmarkt drängen, die als reine Informationsdienstleister und Infrastrukturlieferanten eventuell über durchschlagende Wettbewerbsvorteile verfügen. Hier sind standortübergreifende, zentralisierende
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Kooperationen, externe Konkurrenten und – sehr allgemein formuliert – die Dienste des WWW als mögliche Bedrohungen auszunehmen, die die Funktionen der lokalen Hochschulbibliotheken substituieren könnten. Insofern stehen Universitätsbibliotheken auch vor der Aufgabe, in Koppelung mit ihrer Marktanalyse ihre eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren und darauf aufbauend eine gezielte Organisations- und Kompetenzentwicklung zu betreiben, die sowohl der bestmöglichen Unterstützung ihrer primären Nutzergruppen als auch dem Überleben der eigenen Einrichtung gewidmet ist.⁷ Da sich der Informationsmarkt in der digitalen Transformation fundamental ändert, ist es für Universitätsbibliotheken erforderlich, ihre strategische Positionierung grundlegend zu diskutieren, um auch unter den erneuerten Umweltbedingungen zu reüssieren. Das bedeutet auch, dass die Umsetzung von Best-Practice-Niveau in allen Organisationsbereichen nicht den entscheidenden Beitrag zum Organisationserfolg leisten kann. Vielmehr ist die strategische Positionierung als solche explizit zu machen, zu prüfen und zu aktualisieren. Angelehnt an das Strategiemodell des US-amerikanischen Ökonomen Michael E. Porter ließe sich formulieren, dass die Erreichung von operativer Exzellenz nicht genügt, um am Markt Wettbewerbsvorteile zu generieren.⁸ Sie versteht sich als Mindestanforderung, verlangt aber die strategische Positionierung, die ein abgestimmtes Gesamtsystem von Aufgabenfeldern und Tätigkeiten herstellt. Alle organisationalen Aktivitäten sind dann auf diese Strategie hin auszurichten, um einen nur aufwendig kopierbaren Mehrwert für die primären Zielgruppen darzustellen und sich von der Konkurrenz zu unterscheiden. Nicht einzelne Bereiche sind nachhaltig zu optimieren, sondern das gesamte Unternehmen ist für den Wettbewerb am Markt zu positionieren.
Von der Selbstreferenz zum Marketing Ein kurzer Blick in die Geschichte soll die schwierigen organisatorischen Voraussetzungen für eine Marktorientierung der wissenschaftlichen Bibliotheken zumindest andeuten: Die Universitätsbibliotheken im deutschsprachigen Raum haben sich im 19. Jahrhundert professionalisiert und berufsständisch institutio-
7 Vgl. Brandtner, Andreas: Auf den Schultern von Bibliotheken. Warum koordiniert die Universitätsbibliothek Mainz das Projekt ,Akademische Integrität‘ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz? In: Information – Wissenschaft & Praxis 65 (2014). S. 33–39. 8 Vgl. Porter, Michael E.: What is Strategy? In: Harvard Business Review 74 (1996) H. 6. S. 61–78.
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nalisiert.⁹ Im Rahmen dieser funktionalen Differenzierung löste sich die Bibliothek von der Wissenschaft ab, mit der sie bis in die Anfänge der Modernisierung des Wissenschaftssystems unmittelbar verbunden war. Mit der Entstehung der bürgerlichen Öffentlichkeit hatten sich die Bibliotheken zu gesellschaftlich zentralen Gedächtnis- und Informationseinrichtungen formiert. Dem erhöhten Aufgabendruck konnte nun die einsetzende Professionalisierung mit einer spezifisch bibliothekarisch gesteuerten Ökonomie begegnen. Die Bibliothekare wurden in den staatlichen Verwaltungsapparat integriert, und die Zugangsvoraussetzungen wurden über eine Institutionalisierung der Ausbildung reglementiert, sodass ein eigener Berufsstand entstehen konnte, der sich zwar aus dem Wissenschaftssystem rekrutierte, aber einer spezifischen Berufslogik folgte. Bibliothekswissenschaftliche Fachpublikationen, Kongresse und Lehrstühle konstituierten den disziplinären Diskurs, der die systematische Selbstreflexion verantwortete. Erstmals wurden genuin bibliothekarische Regeln für die Erwerbung, Erschließung, Aufbewahrung und Bereitstellung der Medien kodifiziert und von hauptamtlichen Berufsbibliothekaren exekutiert.¹⁰ Fortan folgten die Bibliotheken ihrer eigenen Dynamik und interagierten mit dem Wissenschaftssystem nur mehr mittelbar. Einerseits hatte diese Herstellung einer kleinen bibliothekarischen Binnenökonomie damit einen bedeutenden Fortschritt erzielt, der es im besten Fall ermöglichte, Organisationen effizient und effektiv zu betreiben, unabhängig von den partikularen und mitunter idiosynkratischen Einflüssen der Wissenschaft. Andererseits hatte sich das wissenschaftliche Bibliothekswesen seiner wichtigsten Kundengruppe systemisch verschlossen. Dies musste dazu führen, dass die Bibliotheken ihre Prozesse aus ihrer Eigendynamik selbstreferentiell entwickelten und die Kundeninteressen nicht mehr direkt die bibliothekarische Produkt- und Serviceerstellung steuerten. Insofern sich der bibliothekarische Apparat als hochgradig spezialisiertes Expertensystem emphatisch versteht, wurde konsequent an der weiteren autonomen Selbstorganisation gefeilt. Daraus resultierten bibliothekarische Regelwerke und Praktiken, die der Systemlogik der Bibliotheken entsprachen, aber nicht auf die Benutzerbedürfnisse abgestellt waren. Aus geisteswissenschaftlicher Sicht wurde diese Konstellation am prominentesten vom Münsteraner Anglisten Bernhard Fabian in seiner im Jahr 1983 erschienenen Studie Buch, Bibliothek und
9 Vgl. Brandtner, Andreas: Bibliotheken als Laboratorien der Literaturwissenschaft? Innenansichten analoger, digitaler und hybrider Wissensräume. In: Stefan Alker u. Achim Hölter (Hrsg.): Literaturwissenschaft und Bibliotheken. Göttingen: V&R unipress (im Druck) (Bibliothek im Kontext 2). 10 Vgl. Buzás, Ladislaus: Deutsche Bibliotheksgeschichte der neuesten Zeit (1800–1945). Wiesbaden: Reichert 1978 (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 3).
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geisteswissenschaftliche Forschung als unbehagliche strukturelle Asymmetrie zwischen Bibliothek und Forschung moniert. Nach Fabian zielten die mit dem Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Reformen des Bibliothekswesens zwar „auf bibliothekstheoretisch ideale, aber vom Standpunkt der Forschung nicht praxisgerechte Lösungen“¹¹ und führten zu einer „Trennung von Bibliothek und Wissenschaft“.¹² Ende des 20. Jahrhunderts konstatierte Fabian mit Blick auf den bibliothekarischen Bestandsaufbau eine „prinzipielle Inkompatibilität zwischen Forschungsabsicht und Bibliotheksbestand“.¹³ Eben zu diesem Zeitpunkt, nämlich ab dem ausgehenden 20. Jahrhundert, holen die wissenschaftlichen Bibliotheken den Nutzer in ihr Blickfeld zurück und nobilitieren ihn zum Kunden bzw. zum Stakeholder. Von nun an werden die Bibliotheken beharrlich beteuern, dass der Benutzer kein Bittsteller oder gar Feind, sondern ein Anspruchsberechtigter ist. Der bibliothekarische Diskurs begleitet diese euphorische Praxisbekundung seitdem stereotyp mit dem Postulat eines Paradigmenwechsels von der Bestands- hin zur Kundenorientierung. Doch muss gerade diese durchgängig selbstaffirmative Formulierung skeptisch stimmen. Das in der Praxis mitunter hartnäckige und subtil argumentierte Festhalten an bibliothekarischen Traditionen und Solipsismen fern vom Kundennutzen zeigt,¹⁴ dass die Bewegung hin zum Kunden doch einen längeren Prozess darstellt, als es manche Schlagworte der bibliothekarischen Selbstwahrnehmung glauben machen wollen. Um die Diskussion der Marktorientierung aus den eventuell betriebsintern notwendigen Selbstlegitimationen zu befreien und für eine grundsätzliche strategische Positionierung zu öffnen, ist der klassische Artikel Marketing Myopia des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Theodore Levitt noch immer instruktiv und anregend.¹⁵ Anschaulich wird hier dargestellt, dass nur Unternehmen, die sich an ihren Kundinnen und Kunden orientieren und nicht an ihren Produkten, auf Dauer Produkte herstellen können, die am Markt absetzbar sind. So begründet Levitt die Firmenzusammenbrüche amerikanischer Eisenbahngesell-
11 Fabian, Bernhard: Buch, Bibliothek und geisteswissenschaftliche Forschung. Zu Problemen der Literaturversorgung und der Literaturproduktion in der Bundesrepublik Deutschland. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983 (Schriftenreihe der Stiftung Volkswagenwerk 24). S. 56. 12 Fabian, Buch (wie Anm. 11), S. 211. 13 Bernhard Fabian: Forschung und Bibliothek. In: Bibliothek und Wissenschaft 30 (1997). S. 13. 14 Vgl. die entsprechenden Beispiele bei Brandtner, Andreas, Hubertus Neuhausen: Berndt Dugall, Direktor der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg – Goethe-Universität Frankfurt am Main, im Interview. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare 65 (2012) H. 3–4. S. 473–476. 15 Vgl. Levitt, Theodore: Marketing Myopia. In: Harvard Business Review 38 (1960) H. 4. S. 45–56.
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schaften mit ihrer starren Produktorientierung. Ihr Kardinalfehler bestand darin, die Grenzen ihres Geschäfts zu eng zu stecken und ihre Branche falsch zu definieren. Statt als Unternehmenszweck den Transport – und damit das zugrundeliegende Kundenbedürfnis Mobilität – zu sehen, gingen sie davon aus, dass ihr Geschäftsfeld das Betreiben von Eisenbahnen sei. Die Folge war, dass neue Wettbewerber wie Busunternehmen und Flugzeuglinien, die das gleiche Bedürfnis nach Mobilität teilweise besser befriedigen konnten, die Eisenbahnen substituierten. Um ein solches Scheitern zu vermeiden, sollten sich Unternehmen nach Levitt die grundsätzliche Frage „What Business Are You Really In?“ aus der Perspektive des Bedarfs ihrer Kundinnen und Kunden stellen und die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen. Für wissenschaftliche Bibliotheken bedeutet dies einerseits, ihr aktuelles Produktportfolio zu sichten und zu evaluieren sowie gegebenenfalls am sich ändernden Marktgeschehen neu auszurichten. Denn die digitale Medienrevolution hat zur Folge, dass sich die klassischen Kernaufgaben von Bibliotheken – Bestandsaufbau, Bestandsbearbeitung sowie -nachweis, Bestandsbenutzung und Bestandserhaltung – grundlegend verändern. Andererseits bedeutet dies, dass die Bibliotheken ihre Aktivitäten am Informationsmarkt diversifizieren und neue Geschäftsmodelle entwickeln.¹⁶ Als Motor der Gestaltung des Produktportfolios werden heute eher selten systematische Markt- und Wettbewerbsanalysen angewendet,¹⁷ mancherorts wird auf Innovationsmanagement gesetzt.¹⁸ Um die relevanten zukunftsträchtigen Themen zu identifizieren, spielen Trendreports eine ausgeprägte Rolle. Im bibliothekarischen Fachdiskurs populär und gerne zitiert ist der „Horizon Report“, der untersucht, wie sich Schlüsseltrends, signifikante Herausforderungen und neue Technologien auf wissenschaftliche Bibliotheken auswirken. Er soll die erheblichen Herausforderungen aufzeigen, denen sich die Bibliotheken stellen müssen, wenn sich die aufgewiesenen Technologien in der Praxis erfolgreich etablieren. Liest man die aktuelle Version des „Horizon Report“,¹⁹ begegnet man der ganzen Bandbreite gegenwärtig diskutierter Themen.
16 Vgl. Hobohm, Hans-Christoph: Strategisches Informationsmarketing – Ziele und Strategien im strategischen Marketing und ihre Umsetzung im operativen Marketing. In: Ursula Georgy u. Frauke Schade (Hrsg.): Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 231–255. 17 Vgl. Seidler-de-Alwis, Ragna: Markt- und Wettbewerbsanalyse für Bibliotheken. In: Georgy, Schade: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing (wie Anm. 16), S. 135–157. 18 Vgl. Mumenthaler, Rudolf: Produkt- und Innovationsmanagement. Praxisbeispiel aus der ETH-Bibliothek Zürich. In: Andreas Degkwitz u. Frank Klapper (Hrsg.): Prozessorientierte Hochschule. Allgemeine Aspekte und Praxisbeispiele. Bad Honnef: Bock + Herchen 2011. S. 167–180. 19 NMC Horizon Report 2014 – Edition Bibliotheken. Austin/Texas: The New Media Consortium (NMC) 2014.
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So werden als sich weiter verhärtende Trends diagnostiziert: Forschungsdatenmanagement und Data Mining, Priorisierung von mobilen Inhalten, Entwicklung der wissenschaftlichen Kommunikation von Print-Monografien zu webbasierten Publishing Plattformen, Zugänglichkeit von Forschungsinhalten (Open Access), Wechsel von physischen Beständen zu elektronischen Ressourcen, Zunahme neuer Formen interdisziplinärer Forschung, Einbindung von Bibliotheken ins Curriculum (Informationskompetenz) und digitale Langzeitarchivierung. Als wichtige technologische Entwicklungen werden angesehen: elektronisches Publizieren, mobile Apps, Bibliometrie- und Zitationsanalysen, Open Content, Internet der Dinge sowie Semantic Web und Linked Data.
Organisationsentwicklung und Transformation Nun ist es freilich wichtig und unverzichtbar, aktuelle Trends zu verfolgen, gegebenenfalls als Chancen für wissenschaftliche Bibliotheken zu interpretieren und in der Folge als konkrete Handlungsfelder bzw. Aufgaben in der Organisation zu bearbeiten. Erfolg wird sich dadurch alleine nicht einstellen. Wollen Bibliotheken im digitalen Wandel zukunftssicher agieren und ihren Aktionsradius gestalten, ist der Auf- und Ausbau organisatorischer Souveränität unerlässlich. Dazu verlangt es eine gezielte und konsequente Organisations- und Personalentwicklung, die permanent betrieben wird. Das kann auf unterschiedliche Weise erfolgen und wurde und wird auch von mehreren Bibliotheken mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen praktiziert. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet seit geraumer Zeit die Bibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Und großen Anteil daran hatte ihr langjähriger Direktor Wolfram Neubauer. Er war es auch, der mit zahlreichen Publikationen und Präsentationen Einblick in den Organisationsentwicklungsprozess gegeben hat und die ETH-Bibliothek damit zum Benchmark zumindest im deutschsprachigen Raum gemacht hat. Gut erinnere ich mich noch an seinen Vortrag Warum Veränderung und warum jetzt? Ein Beispiel aus der Schweiz aus dem Jahr 2003 in Bozen. Im Rahmen der Tagung „Die lernende Bibliothek“ erläuterte Neubauer den Reformprozess, den seine Bibliothek eben durchlaufen hat und durchläuft.²⁰ Ausgehend von der Beobachtung, dass sich die
20 Vgl. Neubauer, Wolfram: Warum Veränderung und warum jetzt? Ein Beispiel aus der Schweiz [Tagungsvortrag „Die lernende Bibliothek“ an der Universität Bozen, 2003]. http://www.unibz.it/it/library/about/events/Documents/Biblioteca_apprende/relazioni_ presentazioni_GER/2003-09_learninglibrary_neubauer-folien.ppt (10.6.2015).
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Umwelten der Bibliotheken in den letzten Jahren stark verändert haben (technologische Neuerungen, Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb, Kostendruck auf Bibliotheken, Konkurrenzdruck), Bibliotheken allerdings äußerst stabil bzw. nur reaktiv geblieben sind, wurde an der ETH-Bibliothek ein Change Management Prozess eingeleitet. Orientiert hat sich dieser Prozess in seiner Grundstruktur an dem dreistufigen Veränderungsmodell des Psychologen Kurt Lewin, das vorsieht, in der ersten Phase die Veränderung vorzubereiten (Unfreeze/Auftauen), in der zweiten durchzuführen (Move/Bewegen) und in der dritten wird der veränderte Zustand stabilisiert (Refreeze/Einfrieren).²¹ Darüber hinausgehend wurde damit in der Bibliothek ein kontinuierlicher Veränderungsprozess installiert, der von der Skizzierung des Ist-Zustands ausgeht, Messgrößen bestimmt, den Prozess reflektiert, die Performance misst und daraus wiederum Verbesserungen identifiziert und implementiert. Mit betriebswirtschaftlichen Methoden, Leistungsmessung, Projektmanagement, Prozessmanagement und Innovationsmanagement sind nur wenige Stichworte genannt, die die erfolgreiche Vorgehensweise der ETH-Bibliothek charakterisieren.²² Ganz anders und ebenfalls erfolgreich hatten wir es an der Universitätsbibliothek Wien angelegt. Dem tiefgreifenden Strukturwandel des Informationsmarkts stellten wir uns an der UB Wien mit einem Strategieentwicklungsprozess,²³ der im Jahr 2009 begonnen wurde und den ich als damaliger stellvertretender Leiter der UB Wien maßgeblich mitgestalten konnte. Ein wichtiges Element dieses stark partizipatorisch angelegten Prozesses waren die sogenannten Prototypen. Bei der Implementierung von Prototypen in den Strategieentwicklungsprozess folgten wir der Theorie U des Management- und Organisationstheoretikers Claus Otto Scharmer.²⁴ Damit sollte eine Methode eingesetzt werden, die alle am Veränderungsprozess beteiligte Individuen und Gruppen unterstützt, Muster der Vergangenheit loszulassen, eine im Entstehen begriffene Zukunftsmöglichkeit wahrzunehmen und aus dieser Wahrnehmung heraus zu handeln. Scharmer geht davon aus, dass das Neue zuerst vielleicht nur in einem Bild oder einem Satz erscheint. Damit das Neue realisiert werden kann, muss es sich zu einem konkreten Bild verdichten, das in einem ersten Prototyp möglichst rasch in die Tat umgesetzt wird, noch nicht
21 Vgl. Lewin, Kurt: Frontiers in Group Dynamics. Concept, Method and Reality in Social Science; Social Equilibria and Social Change. In: Human Relations 1 (1947). S. 5–41. 22 Vgl. Neubauer, Wolfram: Fortschritt lebt von Veränderung: Die Reorganisation einer Großbibliothek am Beispiel der Bibliothek der ETH Zürich. In: Degkwitz, Personal- und Organisationsentwicklung (wie Anm. 3), S. 175–196. 23 Vgl. Seissl, Maria, Wolfram Seidler: Strategieentwicklung und Innovation an der Universitätsbibliothek Wien. In: Degkwitz, Personal- und Organisationsentwicklung (wie Anm. 3), S. 197–202. 24 Vgl. Scharmer, C. Otto: Theorie U. Von der Zukunft her führen. Heidelberg: Auer 2009.
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perfekt, sondern ausbau- und entwicklungsfähig. Es ist notwendig, zügig ins Handeln zu kommen und einen neuen Gedanken umzusetzen und in die bestehende Praxis einzubetten. Mit dieser unkonventionellen Arbeitsform sollte es möglich werden, Dinge auszuprobieren, ohne dem Druck des Erfolges ausgesetzt zu sein. Denn Prototypen können bei einem negativen Ergebnis auch wieder verworfen werden. Der Schwerpunkt bei der Prototypenentwicklung liegt auf dem Erkunden und dem Learning by Doing. Die Beschäftigung mit den Prototypen forcierte damit auch die Entwicklung völlig neuer Formen des Arbeitens und Lernens. Die Ausprägung dieser neuen Formen wurde dann auch zu einem entscheidenden Ergebnis des eingeleiteten Prozesses, der sich vor allem positiv auf die Organisationskultur auswirkte. An der Universitätsbibliothek Mainz stehen wir heute am Anfang eines Change Prozesses. Nachdem wir in den letzten Jahren zahlreiche, auch tiefgreifende Modernisierungen in Gang gebracht und auch zu einem guten Teil erfolgreich umgesetzt haben, scheint nun der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um einen strukturierten Veränderungsprozess zu starten. Manche Umrisse – sowohl formale als auch inhaltliche – sind schon zu erkennen. So wollen wir daran arbeiten, dass unsere Organisationskultur ihre bürokratische Genese endlich vergisst und zu Offenheit, zum spielerischen Experiment und zu Kooperation einlädt. Hierarchische Organisationsstrukturen sollen tendenziell abgebaut und in flexible Netzwerke überführt werden, vor allem im Front Office, wo wir direkt unsere universitären Kundinnen und Kunden unterstützen bzw. mit ihnen partnerschaftlich interagieren. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen dafür ausgeprägte Handlungs- und Entwicklungsspielräume und auch die Fähigkeiten, diese verantwortlich und konstruktiv zu nutzen. Wir wollen neugierig, abenteuerlustig sowie mutig sein und ängstlichen Perfektionismus und unkreative Autoritätsorientierung abbauen. Wir lassen uns durch die hilflose Aussage, „das war schon immer so“, nicht entmutigen und riskieren es auch, ungesicherte Wege einzuschlagen. Denn nur auf diese Weise können wir produktiv mit unseren sich rasch und teilweise unberechenbar ändernden Umwelten umgehen. Aus diesem kurz skizzierten Zielsystem wird klar, dass sich unser Change-Vorhaben intensiv mit unserer Organisationskultur beschäftigen wird. Organisation wird dabei grundlegend als Prozess und (eigen-)dynamisches System begriffen. Zudem ist unser Veränderungsunternehmen explizit partizipatorisch angelegt und beansprucht, in die gesamte Bibliothek zu wirken. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zur aktiven Beteiligung eingeladen. Unseren Erfolg messen wir daran, dass sich unsere Organisationsentwicklung im konkreten Leben der Bibliothek und Universität realisiert und nicht in davon abgehobenen, wohl formulierten Papieren.
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Literatur Brandtner, Andreas: Bibliothek: Neuzeit und Moderne. In: Natalie Binczek, Till Dembeck u. Jörgen Schäfer (Hrsg.): Handbuch Medien der Literatur. Berlin, Boston: De Gruyter 2013. S. 560–568. Brandtner, Andreas: Auf den Schultern von Bibliotheken. Warum koordiniert die Universitätsbibliothek Mainz das Projekt ,Akademische Integrität‘ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz? In: Information – Wissenschaft & Praxis 65 (2014). S. 33–39. Brandtner, Andreas: Bibliotheken als Laboratorien der Literaturwissenschaft? Innenansichten analoger, digitaler und hybrider Wissensräume. In: Stefan Alker u. Achim Hölter (Hrsg.): Literaturwissenschaft und Bibliotheken. Göttingen: V&R unipress (im Druck) (Bibliothek im Kontext 2). Brandtner, Andreas, Hubertus Neuhausen: Berndt Dugall, Direktor der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg – Goethe-Universität Frankfurt am Main, im Interview. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare 65 (2012) H. 3–4. S. 465–476. Buzás, Ladislaus: Deutsche Bibliotheksgeschichte der neuesten Zeit (1800–1945). Wiesbaden: Reichert 1978 (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 3). Fabian, Bernhard: Buch, Bibliothek und geisteswissenschaftliche Forschung. Zu Problemen der Literaturversorgung und der Literaturproduktion in der Bundesrepublik Deutschland. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983 (Schriftenreihe der Stiftung Volkswagenwerk 24). Fabian, Bernhard: Forschung und Bibliothek. In: Bibliothek und Wissenschaft 30 (1997). S. 12–25. Hobohm, Hans-Christoph: Strategisches Informationsmarketing – Ziele und Strategien im strategischen Marketing und ihre Umsetzung im operativen Marketing. In: Ursula Georgy u. Frauke Schade (Hrsg.): Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 231–255. Levitt, Theodore: Marketing Myopia. In: Harvard Business Review 38 (1960) H. 4. S. 45–56. Lewin, Kurt: Frontiers in Group Dynamics. Concept, Method and Reality in Social Science; Social Equilibria and Social Change. In: Human Relations 1 (1947). S. 5–41. McLuhan Marshall: The Gutenberg Galaxy. Toronto, Buffalo, London: University of Toronto Press 1962. Mumenthaler, Rudolf: Produkt- und Innovationsmanagement. Praxisbeispiel aus der ETHBibliothek Zürich. In: Andreas Degkwitz u. Frank Klapper (Hrsg.): Prozessorientierte Hochschule. Allgemeine Aspekte und Praxisbeispiele. Bad Honnef: Bock + Herchen 2011. S. 167–180. Naumann, Ulrich: Serviceportfolios von Bibliotheken im Umbruch: Herausforderungen an Management und Organisation. Ein Überblick zur Thematik aus betriebswirtschaftlicher Sicht. In: Andreas Degkwitz (Hrsg.): Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur 2013 (Bibliothek: Monographien zu Forschung und Praxis 2). S. 13–44. Neubauer, Wolfram: Fortschritt lebt von Veränderung: Die Reorganisation einer Großbibliothek am Beispiel der Bibliothek der ETH Zürich. In: Andreas Degkwitz (Hrsg.): Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur 2013 (Bibliothek: Monographien zu Forschung und Praxis 2). S. 175–196.
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Neubauer,Wolfram: Warum Veränderung und warum jetzt? Ein Beispiel aus der Schweiz [Tagungsvortrag „Die lernende Bibliothek“ an der Universität Bozen, 2003]. http://www.unibz.it/it/library/about/events/Documents/Biblioteca_apprende/relazioni_ presentazioni_GER/2003-09_learninglibrary_neubauer-folien.ppt (10.6.2015). NMC Horizon Report 2014 – Edition Bibliotheken. Austin/Texas: The New Media Consortium (NMC) 2014. Porter, Michael E.: What is Strategy? In: Harvard Business Review 74 (1996) H. 6. S. 61–78. Scharmer, C. Otto: Theorie U. Von der Zukunft her führen. Heidelberg: Auer 2009. Seidler-de-Alwis, Ragna: Markt- und Wettbewerbsanalyse für Bibliotheken. In: Ursula Georgy u. Frauke Schade (Hrsg.): Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 135–157. Seissl, Maria u. Wolfram Seidler: Strategieentwicklung und Innovation an der Universitätsbibliothek Wien. In: Andreas Degkwitz (Hrsg.): Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur 2013 (Bibliothek: Monographien zu Forschung und Praxis 2). S. 197–202.
Beth Sandore Namachchivaya
The Evolving Role of Libraries in the Academic Research Enterprise Introduction The nature of research in academic institutions is undergoing a fundamental shift. So too has the practice and communication of scholarship, and the role of the research library in the creation, acquisition, access to and curation of the scholarly research record. These profound changes in how research is performed and how it is communicated present new challenges and opportunities for research libraries – challenges in collecting, providing access, preserving, and developing service programs. Research libraries have a unique opportunity to develop both content and services that are relevant to the current interests and to anticipate the future needs of research communities. Further, the nature of library work is changing considerably, to incorporate additional functional roles that support the research process. This paper examines emerging roles for research libraries and library professionals in the context of a rapidly evolving environment of research and scholarly communications. The author’s choice of topic is intended to build upon the substantial contributions of Dr. Wolfram Neubauer during his career as both a scientist and a library and information science professional. Through his leadership of several major research libraries in both Germany and Switzerland, Dr. Neubauer has made important forward-looking changes in the rapidly evolving research and practice of library and information science professionals. These changes in practice have resulted in library services and programs that directly enhanced the work of numerous scholars. Dr. Neubauer’s leadership also had a profound, positive, and lasting impact on the library and information science profession in Europe, and internationally.
Background The nature of scholarship and the ways in which it is communicated is undergoing profound change. The factors influencing this change are far-reaching, with the potential to shape societal change. They include the following:
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The impact and pace of technological change; The increase in interdisciplinary research and its attendant new needs; Computing and collaboration capabilities supported by high-performance networks; The focus on data- and content-driven research across the disciplines; Shifts in the support infrastructure and funding for research – in some countries a decline in federal support, and an uptick in philanthropic funding.¹
As Clifford Lynch (2014) notes, these changes, which are evident in a growing number of disciplines, “ . . . need to go hand-in-hand with changes in the communication and documentation of scholarship.” For example, in most disciplines, ejournals have replaced print journals. Publication release dates may be at the article, rather than the issue level. Further, a growing number of researchers communicate their ideas and perspectives as they develop using social media, such as blogs and Twitter. These informal yet widely-subscribed communication vehicles promote scholarly interaction around developing ideas on a global scale – interactions that were previously serial, therefore occurring on a slower timescale, as opposed to synchronous, occurring now almost instantaneously. And, as increasingly evidence-based, scholars are publishing their process data, and research becomes related visualizations, either as stand-alone publications or in conjunction with articles. In the recent OCLC report on the Evolving Scholarly Record, Lavoie et al. (2014) suggest that as a result of the fundamental shift in the way that research is carried out, the way in which research is documented in the scholarly record is evolving and changing in unanticipated and new ways. Because of the near impossibility of defining research output across a rapidly changing landscape, Lavoie et al. instead propose a framework to help scholars, libraries, publishers and other stakeholders to conceptualize what is scholarly output in an area of study, and to better understand how it is evolving. In addition to the evolution of the scholarly record, the ways in which libraries and researchers interact have the potential to change fundamentally, or to be replaced by research support from different quarters.
1 A recent report of the US National Research Council (2014) points out that while federal funding supports the bulk of US research, philanthropic funding has increased from 6 % to 12 % of the total US research funding from 1953–2011. While the report notes that the infrastructure and drivers that support research globally vary widely, it indicates that the premier academic research institutions are an important ingredient in the overall assessment of competitive research edge.
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Indicators of Change What does this mean for academic research libraries and for library and information science professionals? Let us consider this question in the context of an overall population of research institutions. The results of the 2012 ITHAKA S+R Faculty Survey (Housewright et al. 2013), which has tracked the attitudes and practices of faculty at US colleges and universities on a triennial basis since 2000, provide valuable perspective. ITHAKA carried out a similar survey of colleges and universities in the United Kingdom (Housewright et al. 2013a) as well, which was released shortly after the US survey in 2013. The faculty survey was designed to assist colleges, universities, and their libraries to understand the changing perspectives of their faculty members and to plan for the future. It is particularly useful in its coverage of key issues for libraries, such as discovery and access, collections and collecting, the value of the library, and publishing. Additional topics covered in the 2012 ITHAKA survey included faculty perceived need of support services associated with changing research methods, data preservation, dissemination of research, undergraduate instruction, and the role of the e-book in research and teaching. Several key findings of the ITHAKA survey have direct bearing in the conversation about changing roles of research libraries. While the survey confirms that faculty view the library’s primary role as that of collecting, archiving, and making content accessible, the perception that the library holds most of the content needed for their research has declined slightly from the 2009 survey. ITHAKA researchers noted in both the US and the UK 2012 surveys an increased perceived value among faculty of the gateway function of libraries’ digital discovery systems that provide access to research publications. Both surveys articulate the importance faculty across the disciplines place on publishing in peer-reviewed, high-impact journals. Faculty perspectives on libraries supporting activities such as publishing and author’s rights, faculty website development, research methods and use of digital tools, and data curation, although they appeared, were not highly ranked in the 2012 survey. This feedback is not surprising, given that these are emerging services. What the surveys do reveal, however, is that faculty are aware of emerging trends and new practices in scholarly communications and publishing, research data management and curation, and they recognize library involvement in these activities.
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New Roles to Support the Research Life Cycle Over the past decade, professionals in research libraries are shifting from a focus primarily on information acquisition, provision, and retention to a model that embraces different roles in the research process: supporter, partner, and initiator. The key point of focus is the scholar who is engaged in the research life cycle. Rational as it sounds, identifying the library’s place in supporting the research process is complicated. The research life cycle involves numerous phases – the process of inquiry, the production of new or re-purposed knowledge, the publication and dissemination of the results and the data itself, and the management, curation, and long-term access to the output of the research. This depends further on the needs of a discipline, and the major focus areas of research at individual institutions. In a recent report prepared for the Association of Research Libraries (ARL), Jaguszewski and Williams (2013) articulate the role of the liaison librarian, focused on supporting researchers in the planning and management of their research. Jaguszewski and Williams articulate a “hybrid model” combining the subject expertise of a liaison librarian with functional expertise, such as a digital humanities librarian. Similarly, research libraries are exploring ways of supplementing subject liaisons’ expertise with additional staff that have functional expertise in desired areas. The roles of GIS specialist, research data curator, and digital publishing specialist are examples of functional expertise that research libraries seek increasingly to integrate into library services and programs. The New Media Consortium’s (NMC) 2014 Library Edition report (Johnson et al. 2014) identified an increased focus on research data management to support the publication of research data as one of the “fast trends” that is influencing technology adoption in libraries over the next one–two years. The New Media Consortium’s (NMC) 2014 Library Edition report was notable for two reasons – it was the first to focus on library issues, and the report was spearheaded by librarians from institutions in Switzerland and Germany that are at the nexus of library services focused on technology, basic research, and applied research – the University of Applied Sciences (HTW) Chur, the Technische Informationsbibliothek (TIB) Hannover, and the ETH-Bibliothek Zürich. The report further identified two mid-range trend areas in libraries that will continue to drive technology adoption. The first of these is characterized as the evolving nature of the scholarly record – the fact that scholarly works encompass a multitude of “final products,” such as research data, visualizations, executable software programs, or digital lab notebooks, to name a few examples. Libraries play a critical role in ensuring that these distinctly different forms of scholarship are discoverable, that they remain
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accessible over time, and that they can be aggregated and re-purposed where appropriate by future scholars. The second mid-range trend identified by the NMC 2014 Library Edition report that relates to research programs is the move toward increased access to research outputs (published and otherwise), by government agencies (e.g., the UK’s Research Excellence Framework; the US National Science Foundation), and by private foundations as well. The report also identifies the increase in multidisciplinary digital scholarship as a long-range trend (five or more years) that will drive technology adoption in libraries. It is also clear that these trends are already seeding the establishment of new hybrid and functional specialist roles in research libraries.
The Institutional Focus on Research and Library Service Development As research libraries strive to provide services that meet the needs of scholars, they perform assessment and applied research that focuses on improving services, facilities, and the systems that provide access to the content scholars seek to integrate into their research. For example, the study of end-user searching in bibliographic systems has proven to be of immense help in driving user-centered development of commercial access systems, and will continue to help shape Webscale discovery systems and their successors (Markey 2007). Librarians at a number of institutions are productively engaged in the analysis of online user searching behaviors to enhance the design of Web-scale discovery systems (Mischa et al. 2012). The recent focus on User Experience (UX) research (Walton 2015), where libraries apply ethnographic research methods in order to tailor services, content, and interactions to user needs, recognizes that libraries compete for the attention of researchers who have alternate means of obtaining access to research materials. As libraries develop research data curation services, library professionals are contributing to the knowledge base about research data formats, and the potential for preserving file formats for future re-use. Similarly, librarians play an important role in the design of effective data repository architectures and curation workflows as they develop new skills and apply knowledge of information organization and curation in this area (Salo 2010). Similarly, as academic institutions increase their focus on research metrics and the identification of new sources of funding, academic libraries are becoming involved in tracking research outputs and the corresponding metrics of their institutions’ scholars.
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There are and will continue to be numerous external inputs into the development of programs that support research across a spectrum of activities. Library research support programs and services are being developed on the essential foundation principles of librarianship, integrating technology, and responding to the evolving needs of individual researchers and scholarly communities. As Auckland’s 2012 analysis of subject specialist roles in UK researcher libraries suggests, librarians need to develop professional skills in several key areas in order to support researchers’ needs: managing researchers’ information; the expertise necessary to support data manipulation and presentation; and understanding the scholar’s typical experience, the different stages of their work and the overall research workflow. Research by Kennan et al. (2014) also identified the need for librarians to increase professional skills in the areas of research data curation and management, as well as bibliometric analysis. As research libraries move forward, the most valuable guiding principles in this process will continue to be the needs of researchers.
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Rudolf Mumenthaler
Herausforderungen für Bibliotheken Im vorliegenden Beitrag werden aktuelle und mögliche künftige Herausforderungen für Bibliotheken auf der Grundlage der Ergebnisse des Horizon Report 2014 Edition Bibliotheken¹ dargestellt und interpretiert. Im Horizon Report wurden je sechs Trends, relevante Technologien sowie Herausforderungen für wissenschaftliche Bibliotheken ermittelt und beschrieben. Bei den Trends wird nach kurzfristigen (1–2 Jahre), mittelfristigen (3–5 Jahre) und langfristigen (über 5 Jahre) unterschieden. Bei den technologischen Entwicklungen werden drei unterschiedliche Zeithorizonte betrachtet, in denen diese Entwicklungen für Bibliotheken wirksam werden sollen: ein Jahr, 2–3 Jahre und 4–5 Jahre. Eine andere Differenzierung findet sich bei den Herausforderungen: Hier wird zwischen lösbaren, schwierigen und komplexen Herausforderungen unterschieden. Für diesen Beitrag werden diese Ebenen gemischt und miteinander verknüpft, denn aus den Trends lassen sich oft auch Herausforderungen für Bibliotheken ableiten. Zudem werden die Inhalte nach persönlichem Gutdünken und mit Blick auf wissenschaftliche Bibliotheken im deutschen Sprachraum ausgewählt, gewichtet und interpretiert. Dies entspricht durchaus der Zielsetzung des Horizon Reports: Seine Ergebnisse sollen als Diskussionsgrundlage in der Community und in den einzelnen Bibliotheken dienen. Letztlich ist es Aufgabe der einzelnen Bibliothek, die Anregungen des Reports aufzunehmen und auf die eigene Situation zu übertragen. Der Beitrag soll hierzu Hinweise für eine weitere Konkretisierung liefern, trotz des Wissens um die kurze Halbwertszeit von Aussagen in diesem dynamischen Umfeld.
Trends und Herausforderungen Forschungsdaten als Trend und Herausforderung Die Thematik Forschungsdaten wird im Horizon Report mehrfach angesprochen: über die beiden Trends „zunehmender Fokus auf das Forschungsdatenmanagement“ und „zunehmende Zugänglichkeit von Forschungsinhalten“ sowie die Her-
1 Johnson, Larry, Samantha Adams Becker, V. Estrada u. A. Freeman: Horizon Report 2014. Library Edition. Austin, Texas: The New Media Consortium 2014. http://www.nmc.org/ publications/2014-horizon-report-library (5.5.2015).
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ausforderung „Erfassung und Archivierung digitaler Forschungsergebnisse“. Zudem besteht ein direkter Bezug zur neuen Rolle von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, da für diese Aufgabe neues Know-how gefordert wird. Die Erfahrung von Bibliotheken, die sich bereits auf diesem Gebiet engagieren, hat gezeigt, dass die Forschungscommunity nicht auf die Bibliotheken gewartet hat und dass sich auf diesem Feld schon viele Akteure tummeln. Für Bibliotheken besteht eine anspruchsvolle Herausforderung darin, sich die nötige Anerkennung als Partner beim Forschungsdatenmanagement zu verschaffen. Die Ausgangslage erschwert sich dadurch, dass Forschungsdatenmanagement eher fachspezifisch organisiert ist und weniger innerhalb einer einzigen Hochschule. Dies kommt den Bibliotheken, die in der Regel gerade umgekehrt auf die eigene Hochschule und weniger auf die Fachgemeinschaft ausgerichtet sind, nicht entgegen. Dabei haben Bibliotheken durchaus Kompetenzen vorzuweisen, die im Kontext Forschungsdatenmanagement gefordert sind. Es sind dies zum einen die Organisation und Standardisierung von Metadaten und zum andern die Langzeitarchivierung. Wobei das entsprechende Know-how oft noch nicht wirklich vorhanden ist, da die Data Librarians noch eher dünn gesät sind.
Herausforderung Langzeitarchivierung Wie schon angesprochen, befassen sich Bibliotheken traditionell mit der Archivierung von Medien, seit einiger Zeit auch mit der Archivierung von digitalen Medien. Der Schreibende hat die Entwicklung an der ETH Zürich in diesem Bereich zum Teil direkt, zum Teil mittelbar miterlebt. Hier hat sich gezeigt, dass neben der archivarischen und informationstechnischen Fachkompetenz auch viel Geduld gefragt war, bis sich die Bibliothek an der Hochschule als anerkannter Partner von IT und Forschung etablieren konnte.² Es besteht eine gewisse Zuversicht, dass dies auch beim Thema Forschungsdatenmanagement möglich sein wird. In der Bibliothekswelt wurde das Thema Langzeitarchivierung zunächst hinsichtlich der eigenen Digitalisate aktuell. Die mit nicht unbeträchtlichem Einsatz von Ressourcen digitalisierten Bibliotheksbestände (z. B. Fotos, Bücher) sollten langfristig gesichert werden. Hinzu kamen die lizenzierten und gekauften elektronischen Publikationen, für die es mittlerweile erfolgreiche internationale Kooperationen gibt (z. B. LOCKSS, Portico).³ Die auf diesen Gebieten gemachten Erfahrungen und das erworbene Wissen können nun auch auf die Forschungs-
2 Vgl. dazu https://www.library.ethz.ch/ms/Digitaler-Datenerhalt-an-der-ETH-Zuerich (5.5.2015). 3 Mehr zu LOCKSS: http://www.lockss.org (5.5.2015)
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daten angewandt werden. Wobei sich gerade angesichts der wirklich großen Datenmengen eine internationale Zusammenarbeit mit Forschenden und ITDienstleistern aufdrängt. Ich erinnere mich an einen Vortrag an der Tagung OAI8 von Tim Smith vom CERN über Big Data und die Folie „How big is big“?⁴ Es versteht sich von selbst, dass diese wirklich großen Datenmengen nur in einer internationalen Kooperation gespeichert und ausgewertet werden können. Und doch spielt hier auch die Bibliothek des CERN eine Rolle, nicht zuletzt bei der Langzeitarchivierung.
Trend und Herausforderung: Open Content Der freie Zugang zu Publikationen beschäftigt die Bibliothekswelt schon seit einiger Zeit. Doch das Thema offene Inhalte geht über Open Access hinaus: Die Forderung nach freiem Zugang bezieht sich mittlerweile auch auf digitale Objekte, wie digitalisierte Bücher oder Fotografien, auf Forschungsdaten, Lehrinhalte (Open Educational Resources) oder auf Metadaten. Gerade die relativ junge Disziplin Digital Humanities verlangt nach „Big Open Data“: große Datenbestände, die frei zugänglich sind und ohne Einschränkung genutzt werden können. Bibliotheken verfügen mit ihren digitalisierten Altbeständen über solche Inhalte, die für die historische Forschung (und andere Forschungsrichtungen) interessant sind. Doch in der Praxis zeigt sich, dass diese Daten, auch die zugehörigen Metadaten, häufig nicht eindeutig offen publiziert sind. An sogenannten Hackathons, an denen mit offen zugänglichen Datenbeständen neue Anwendungen programmiert werden, stößt man schnell auf diese Hürde.⁵ Häufig scheitert ein Versuch mit Bibliotheksdaten schon am unklaren Status der Metadaten oder an einschränkenden Nutzungsbedingungen. Bibliotheken sind hier gefordert, indem sie eine konsequente Open Data Policy verfolgen und die von ihr digitalisierten Objekte und ihre Metadaten unter einer Creative Commons-Lizenz (CC0 oder CC-BY) veröffentlichen.⁶ Vor demselben Hintergrund läuft aktuell eine europaweite Diskussion um die Freigabe von Zeitschrifteninhalten für die Forschung: Von den Verlagen und Betreibern von Repositories wird gefordert, dass sie ihre Inhalte für Text Mining
4 Smith, Tim: Working with Big Data. Contribution at OAI8 conference in Geneva. CERN, Geneva 2014. https://indico.cern.ch/event/211600/session/8/contribution/15/material/slides/1.pdf (5.5.2015). 5 Mehr dazu siehe Anm. 10. 6 Grundsätzliche Information gibt es bei http://creativecommons.org (5.5.2015), eine konkrete Umsetzung an der ETH-Bibliothek: https://www.library.ethz.ch/ms/Open-Access-an-der-ETHZuerich/Was-ist-Open-Access/Open-Research-Data (5.5.2015).
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frei zur Verfügung stellen. Am 6. Mai 2015 wurde die Hague Declaration on Knowledge Discovery in the Digital Age veröffentlicht.⁷ Mir scheint ein weiterer Aspekt im Kontext Open Content und Open Access wichtig: Bibliotheken sollten sich auch den Lehrmaterialien annehmen, die sie bisher nicht als Teil ihrer Aufgabe verstanden haben. Ich vermute als Grund, dass die Lehrinhalte in der Regel nicht öffentlich zugänglich, sondern meist auf die Nutzung innerhalb einer Lehrveranstaltung ausgerichtet waren. Da machte eine Integration in einen öffentlichen Bibliothekskatalog natürlich wenig Sinn. Unter dem Stichwort Open Educational Resources (OER) werden nun jedoch Lehrmaterialien im großen Stil weltweit und offen zugänglich gemacht. Die OER-Portale scheinen im Vergleich zu den etablierten Publikations- und den Forschungsdatenrepositorien noch einigen Nachholbedarf in Bezug auf standardisierte Metadaten, Schnittstellen oder Verlässlichkeit aufzuweisen. Hier öffnet sich ein Aufgabengebiet, in das sich Bibliotheken einbringen könnten.⁸
Trend und Herausforderung: Kollaboration Viele der bisher angesprochenen Trends enthalten das Element Zusammenarbeit. Bei OER muss z. B. mit Lehrenden, Didaktikstellen, E-Learning-Fachstellen und anderen zusammengearbeitet werden. Multidisziplinär ausgerichtete Forschung, wie z. B. in den Digital Humanities, bedingt eine fächerübergreifende Kooperation. Viele der elektronischen Dienstleistungen kann eine einzelne Bibliothek gar nicht betreiben – und wenn es technisch möglich wäre, macht es inhaltlich wenig Sinn: digitale Langzeitarchivierung, Repositorien, Digitalisierungsplattformen, Lizenzierung und vieles mehr wird heute schon in Form von Verbünden, Konsortien oder Netzwerken betrieben und den Nutzern angeboten. Cloudbasierte Infrastrukturen werden diesen Trend noch verschärfen und die Grundsatzfrage aufwerfen, was man in welcher Form gemeinsam betreiben kann oder muss. Das Konzept von Linked Open Data verlangt nach koordinierter Zusammenarbeit – und so wird sich die Katalogisierung in naher Zukunft komplett verändern. International agierende Unternehmen oder Organisationen (wie z. B. OCLC oder ExLibris) richten ihre Produkte auf diese weltweite Kooperation aus, und es stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß Bibliotheken die Entwicklung mitgestalten
7 http://thehaguedeclaration.com/ (11.5.2015). 8 Vgl. dazu Ebner, Martin, Sandra Schön, Lambert Heller u. Rudolf Mumenthaler: Editorial: Wie gestalten wir die Zukunft mit Open Access und Open Educational Resources? Open Access und Open Educational Resources. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung 8 (2013) H. 4. S. I–X. http://www.zfhe.at/index.php/zfhe/article/download/631/573 (5.5.2015).
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werden oder diese den kommerziellen Vorreitern überlassen. Die verstärkte Zusammenarbeit bedeutet, dass Bibliotheken Aufgaben kooperativ übernehmen oder zentral bearbeiten lassen. Dadurch verändern sich die Profile der einzelnen Bibliotheken, die sich auf kundennahe Dienstleistungen konzentrieren können. Als Herausforderungen sehe ich hier unter anderem die Sicherheit und den Datenschutz, der bei zentralen, eventuell international betriebenen Services ein wichtiges Thema sein dürfte. Bibliotheken müssen dafür Sorge tragen, dass sie eine ihrer großen Stärken, nämlich die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit, nicht einer gesteigerten Effizienz opfern. Auch gilt es Abhängigkeiten zu vermeiden, die sich gerade dann ergeben können, wenn Kernaufgaben an externe Dienstleister oder Firmen delegiert werden. Zusammenarbeit war 2014 der Metatrend, dem die Association of College & Research Libraries alle übrigen Themen unterordnete: „This year, after numerous discussions and literature reviews, the committee decided upon a unifying theme for current trends: deeper collaboration.“⁹ Um die notwendige neue Form und Dimension der Zusammenarbeit zu betonen wird auch von radikaler Kollaboration gesprochen. Doch die Zusammenarbeit beschränkt sich nicht auf Bibliotheken untereinander, sondern bezieht sich auch auf andere Institutionen, wie diese zum Beispiel in der GLAM-Bewegung (Galleries, Libraries, Archives, Museums) zum Ausdruck kommt. Im Rahmen sog. Hackathons nutzen IT-Spezialisten und IT-affine Forschende offene Bestände dieser Kultur- und Gedächtnisinstitutionen, um neue Anwendungen und Applikationen zu entwickeln.¹⁰
Trend und Herausforderung: Linked Open Data Die große Herausforderung bei Linked Open Data besteht meines Erachtens darin, dass das Wissen um die Funktion und das Potential von LOD mit bibliothekarischem Fachwissen und der Bereitschaft zu einem grundsätzlichen Überdenken der bisherigen Praxis kombiniert werden muss. Schon seit einigen Jahren wird der Einsatz von LOD in Bibliothekskatalogen propagiert und mittlerweile in verschiedenen Fällen auch umgesetzt. Normdaten werden offen als verlinkte Daten
9 ACRL Research Planning and Review Committee: Top trends in academic libraries. In: College & Research Libraries News 75 (2014) H. 6. S. 294–302. http://crln.acrl.org/content/75/6/294. full (5.5.2015). 10 Beispiele hierfür sind im deutschen Sprachraum die Aktion „Coding Da Vinci“ (http:// codingdavinci.de [5.5.2015]), die 2015 zum zweiten Mal durchgeführt wird, oder der First Swiss Open Cultural Data Hackathon in der Schweizer Nationalbibliothek (http://make.opendata.ch/ wiki/event:2015-02 [5.5.2015]).
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publiziert, wie zum Beispiel die GND.¹¹ Besonders OCLC hat sich dem Thema angenommen und scheint auf eine konsequente Umsetzung hinzuarbeiten.¹² Gerade in einem weltweiten Katalog oder Nachweis- und Suchinstrument wie dem WorldCat drängt sich der Einsatz von LOD auf. Neue Bibliotheksstandards und Katalogformate wie RDA und BIBFRAME bieten eine Grundlage für die Neuausrichtung der Kataloge, doch werden sie oft noch in traditionellem Sinn eingesetzt. Mit Hilfe von LOD können die Metadaten aus den Silos der Bibliothekskataloge befreit werden. Und sie sind dann beliebig kombinierbar mit anderen Daten aus der LOD-Wolke. Die Konsequenzen für Bibliotheken dürften einschneidend sein: Es wird künftig nicht mehr darum gehen, die eigenen Bestände nachzuweisen und über einen Katalog bereitzustellen, sondern darum, Daten zu verknüpfen und anzureichern. Anstatt Monographien unzählige Male mehrfach zu katalogisieren, wird man auf von einer Institution erfasste und zentral bereitgestellte Metadaten und Daten verlinken. Aufgabe einzelner Bibliotheken kann es dann sein, spezifische Metadaten in Form von Ontologien zu sachlichen oder regionalen Spezialgebieten zu pflegen und bereitzustellen. Aus Nutzersicht bietet dies vor allem für die Verbesserung der Suchresultate ungeahnte neue Möglichkeiten.¹³ Das Discovery-System wird zum Wissensvermittler.
Trend und Herausforderung: neue Aufgaben und Rollen für Bibliothekarinnen und Bibliothekare Angesichts der oben beschriebenen großen bevorstehenden Veränderungen erstaunt es nicht, dass die neuen Anforderungen an die Mitarbeitenden in Bibliotheken eine der oft genannten Herausforderungen sind. Gerade die Veränderungen im Kerngeschäft wirken sich nachhaltig auf die Aufgaben und Rollen von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren aus:
11 Vgl. den Linked Data Service der Deutschen Nationalbibliothek: http://www.dnb.de/DE/ Service/DigitaleDienste/LinkedData/linkeddata_node.html (5.5.2015). 12 Vgl. https://www.oclc.org/data.en.html (5.5.2015). 13 Vgl. dazu These 9 von Tochtermann, Klaus: 10 Thesen zum zukünftigen Profil von wissenschaftlichen Informations/Infrastruktureinrichtungen mit überregionaler Bedeutung. August 2013. http://www.zbw-mediatalk.eu/2013/08/klaus-tochtermann-zehn-thesen-zum-zukunftigenprofil-von-wissenschaftlichen-informationsinfrastruktureinrichtungen-mit-uberregionalerbedeutung/ (5.5.2015).
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die Katalogisierung wird zentralisiert (Kataloge in der Cloud) und in vielen Bibliotheken massiv reduziert werden; die Sachkatalogisierung verändert sich in Richtung Pflege von Ontologien (Metadaten als LOD); die Nähe zu Nutzerinnen und Nutzern, die Beratung und Wissensvermittlung werden an Bedeutung zunehmen. Neue Rollen wie Liaison Librarian oder Embedded Librarian deuten in diese Richtung; didaktische Fähigkeiten werden für die Informations- und Wissensvermittlung zentral; Bibliothekarinnen und Bibliothekare müssen sich mit neuen Technologien auseinandersetzen und sich in deren Anwendung auskennen; Themen wie Forschungsdatenmanagement oder digitale Langzeitarchivierung verlangen nach spezifischem Know-how.
Und immer wieder stellt sich die Frage, inwiefern Bibliothekarinnen und Bibliothekare diese neuen Aufgaben tatsächlich erfüllen können und ob man ihnen dies auch zutraut. Schon heute beobachten wir den Trend, dass neue Aufgaben in Bibliotheken nicht von Bibliothekarinnen, sondern von Mediendidaktikerinnen, Event Managern oder Informatikern übernommen werden. Dies stellt auch die Aus- und Weiterbildung vor große Herausforderungen: Es geht darum, die richtigen Leute mit den richtigen Fähigkeiten zu finden (aus Sicht der Bibliotheken) oder auszubilden (aus Sicht der Hochschulen). Aktuell scheint der Beruf Bibliothekarin/Bibliothekar bei Jugendlichen nicht besonders attraktiv zu sein: der Berufsstand hat ein Image-Problem. Hier werden Berufsverbände, Hochschulen und Bibliotheken gemeinsam Anstrengungen unternehmen müssen, um die Berufslehre, das Studium und die Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten. Sonst fehlen künftig die Berufsfachleute mit den für die kommenden Herausforderungen nötigen Kompetenzen und Kenntnissen.
Trend und Herausforderung: Change Die Herausforderung „Bereitschaft zu radikalem Wandel“ betrifft sowohl die Institution Bibliothek wie auch die Mitarbeitenden. Bibliotheken befinden sich in einem höchst dynamischen Umfeld, denn Entwicklungen in der Informationstechnologie betreffen Bibliotheken unmittelbar. Das fordert Bibliotheken sowohl auf der Ebene der Dienstleistungen als auch der internen Organisation. Der radikale Wandel im Außen bedeutet, dass neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle entwickelt werden müssen, um sich den veränderten Anforderungen anzupassen. Im Innern bedeutet dies, neue Strukturen zu entwickeln und neue Methoden
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des Managements einzuführen. Die Bereitschaft, sich neu zu erfinden, neue Geschäftsfelder zu erschließen und die Form der Zusammenarbeit zu erneuern, ist eine der größten Herausforderungen. Zumal gerade auch die interne Organisation von Bibliotheken noch weitgehend linear und hierarchisch ausgerichtet ist. Agile Formen der Produktentwicklung, dynamische Organisationsformen und die Partizipation von Mitarbeitenden und Nutzern werden künftig diese traditionellen Strukturen aufweichen.
Trend und Herausforderung: alternative Suche Das Problem ist seit einiger Zeit bekannt, das Rezept noch nicht gefunden: Den Bibliotheken ist eine wohl übermächtige Konkurrenz als wichtigste Informationsvermittler erwachsen. Mit Google Scholar bietet der Suchmaschinenriese auch eine spezifische Suche nach wissenschaftlichen Ressourcen an, Forschungsund Austauschplattformen sind entstanden, auf denen Wissenschaftler Informationen austauschen und sich vernetzen (z. B. ResearchGate oder Mendeley). Musste man früher für die Konsultation einer Enzyklopädie die Bibliothek aufsuchen, macht man das heute online über Wikipedia. Verschiedenste Branchen haben diesen Paradigmenwechsel nicht überlebt oder stecken in einer großen Krise: Videotheken, Reisebüros, CD-Shops etc. Werden die Bibliotheken den Turnaround schaffen? Welchen Mehrwert können Bibliotheken gegenüber diesen Konkurrenten bieten? Ich vermute, dass die Spezialisierung auf Kernbereiche und auf die persönliche Vermittlung von Information künftig an Bedeutung gewinnen wird. Die Verbesserung der Suchresultate durch den Einsatz von semantischen Technologien wird nötig sein, um einigermaßen Schritt zu halten, denn die großen Suchmaschinenanbieter setzen bereits auf diese Technologien.¹⁴ Nach wie vor genießen Bibliotheken großes Vertrauen, und dies dürfte künftig im Zusammenhang mit dem Datenschutz eine wichtige Rolle spielen. Auch die Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen ist ein Pluspunkt für Bibliotheken, gerade wenn die Suchergebnisse kommerzieller Unternehmen in den Verdacht geraten beeinflussbar zu sein. Die Vermittlung von Information Literacy bildet ein Aufgabengebiet von Bibliotheken, das möglicherweise immer wichtiger wird angesichts der wachsenden Informationsflut. Eine aktuelle und künftige Herausforderung besteht darin, dass Studierende und Dozierende den Bibliotheken diese Rolle zugestehen und ihnen zutrauen, dass sie die für das jeweilige Fachgebiet benötigten Kompetenzen und Fähigkeiten vermitteln können. 14 Mit dem neuen Suchportal Livivo hat die ZB MED im April 2015 diesen Schritt vollzogen: http://www.livivo.de (5.5.2015).
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Abb. 1: Persönliche Vermittlung als Mehrwert von Bibliotheken
Das von Sarah McIntyre für eine Bibliothekskampagne in den USA geschaffene Plakat mit dem Slogan „A trained Librarian is a powerful Search Engine with a Heart“ (Abb. 1) gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die persönliche Vermittlung einen echten Mehrwert darstellt.¹⁵
15 Das Poster kann hier frei bezogen werden: http://jabberworks.livejournal.com/525413.html (5.5.2015).
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Trend und Herausforderung: mobile Inhalte Das Thema Bereitstellung mobiler Inhalte hat es 2014 nochmals in die wichtigsten kurzfristigen Trends des Horizon Reports geschafft. Mittlerweile setze ich das Thema als bekannt und umgesetzt voraus, jedenfalls was die Anpassung der Websites an die vorwiegend mobile Internetnutzung betrifft. Websites müssen heute selbstverständlich mobilfreundlich sein und in Responsive Design gestaltet werden, das Motto lautet sogar „mobile first“.¹⁶ Nachholbedarf sehe ich allerdings immer noch bei den elektronischen Angeboten, den Plattformen für E-Ressourcen und bei den elektronischen Dokumenten. Oft ist schon bei den Plattformen Schluss mit mobilfreundlich, bei den Dokumenten gibt es wenige löbliche Ausnahmen. Die Regel ist immer noch der Zeitschriftenartikel oder das Buchkapitel als PDF-Dokument, meist ohne integrierte Metadaten und mobil kaum lesbar. Bibliotheken sollten mit gutem Beispiel vorangehen und ihre eigenen Publikationen oder die Veröffentlichungen der eigenen Hochschule auch im Format EPUB anbieten. Hier sehe ich für Bibliotheken die Chance, beim E-Publishing eine Vorreiterrolle zu spielen und gleichzeitig mit dem offenen Zugang auch nutzerfreundliche Formate anzubieten. Neu rückt für mich die Barrierefreiheit von Bibliotheksangeboten in den Vordergrund: Trotz entsprechender gesetzlicher Grundlagen bleibt der barrierefreie Zugang zu elektronischen Angeboten noch oft eine nicht erfüllte Forderung. Bibliotheken sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen und für ihre Websites und ihre Digitalen Bibliotheken umsetzen. Im Bereich der Kataloge, der E-Journals und E-Books bleibt noch viel zu tun.¹⁷
Trend und Herausforderung: Bibliothek als Raum In die Ausgabe 2014 des Horizon Report Library Edition hat es das Thema neue Funktionen der Bibliothek als Raum nicht geschafft. Doch die oben geschilderten Veränderungen wirken sich unmittelbar auch auf die Raumgestaltung aus. Oder anders herum lässt sich sagen, dass sich Bibliotheken im Raum neue Funktionen erschließen müssen, da sich die traditionellen Geschäftsbereiche und Nutzungs-
16 Als Beispiel sei hier das Wissensportal der ETH-Bibliothek genannt, dessen Redesign im Blog der ETH-Bibliothek beschrieben worden ist. ETH-Bibliothek: Responsives Design und mehr – Barrierefreiheit für das Wissensportal. Zürich 2014. http://blogs.ethz.ch/innovethbib/2014/12/18/ responsives-design-und-mehr-barrierefreiheit-fur-das-wissensportal/ (5.5.2015). 17 Vgl. dazu Baudisch, Susanne, Elke Dittmer u. Thomas Kahlisch: Barrierefreiheit zur Routine machen – Praxisfall Digitale Bibliothek. In: Informationspraxis 1 (2015) H. 1. S. 1–43.
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formen verändern. Mittlerweile stehen viele Bibliotheken vor der Frage, wie sie Bestände, die im Alltag weniger wichtig werden und deshalb in dezentralen Speichern gelagert werden, in ihren Räumen weiterhin sichtbar machen. Oder anders gefragt: Können Bibliotheken es sich leisten, nur noch als Arbeits- und Lernort zu wirken und sich komplett von den Medien zu lösen? Wie wichtig sind Bücher als Umgebung zum Lernen, als greifbare Medien zum Studieren? Oder können die neuen Lernzonen genauso gut vom Facility Management angeboten und betrieben werden? Umfragen bestätigen regelmäßig, dass Bibliotheken sehr beliebte Orte zum Lernen und Arbeiten sind. Tatsache ist, dass die Nutzungsformen und die Ansprüche der Nutzerinnen und Nutzer vielfältiger werden. Mit dem großen Lesesaal zum ruhigen Studieren deckt man heute nur noch einen kleinen Teil der Anforderungen ab. Gefragt sind unterschiedliche Zonen, um alleine oder in Gruppen leise oder laut zu lernen und zu arbeiten. Oder Zonen zum Entschleunigen. Hinzu kommen neue Funktionen wie die Vermittlung neuer Technologien in Makerspaces oder DigiLabs. Für die Öffentlichen Bibliotheken haben dänische Kollegen das Modell der Four Spaces entwickelt.¹⁸ Welche Bedeutung hat dieses Modell für Wissenschaftliche Bibliotheken? Wie wichtig sind spielerische Erfahrung oder Experimentieren mit neuen Technologien für die Zielgruppen? Das führt uns zum nächsten Trend, der es 2014 (noch) nicht in die engste Wahl geschafft hat.
Trend und Herausforderung: Makerspaces in Bibliotheken Hier sehe ich die Herausforderung, das Konzept Makerspace als neues didaktisches Konzept zur Wissensvermittlung zu verstehen und auf die Bedürfnisse der eigenen Zielgruppe zu adaptieren. Ein Makerspace bedeutet nicht, einen Raum mit einem 3D-Drucker anzubieten oder Schulungen zu veranstalten. Makerspace bedeutet viel mehr einen Raum anzubieten, der zum Experimentieren, Ausprobieren und Basteln einlädt. Inhaltlich können die Angebote vom Häkeln über Multimedia-Produktion, Roboterbauen bis hin zum 3D-Modellieren und Printen reichen. Makerspaces funktionieren bottom-up, das heißt, man kann sie nicht einrichten und bespielen wie eine Ausstellung. Wichtig ist der Freiraum und gleichzeitig eine kompetente Begleitung oder Animation. Bei vielen Makerspaces hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen und Fachleuten entscheidend für den Erfolg ist. An Hochschulen drängt sich die Zusammenarbeit
18 Jochumsen, Henrik, Casper Hvenegaard Rasmussen u. Dorte Skot-Hansen: The four spaces – a new model for the public library. In: New Library World 113 (2012) H. 11–12. S. 586–597. http:// www.emeraldinsight.com/doi/abs/10.1108/03074801211282948 (5.5.2015).
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mit Fachgruppen auf, die ein Bedürfnis haben, ihre Fähigkeiten auch nach außen zu vermitteln. Hier gibt es zum Beispiel Fachleute für 3D-Modellierung, die dies einem breiteren Publikum oder anderen Studierenden vermitteln wollen.¹⁹ Und wiederum stellt sich die Frage, welche Rolle Bibliothekarinnen und Bibliothekare dabei einnehmen können.
Trend und Herausforderung: Gaming in Bibliotheken Gaming und Gamification behauptet sich seit rund zehn Jahren in der Liste der aktuellen Trends im Horizon Report Higher Education.²⁰ Gamification ist also eine Art „Geheimtipp“ – ein angekündigter Trend, der den Durchbruch noch nicht wirklich geschafft hat. Es gibt verschiedene Gründe dafür, dieses Thema als wichtig zu betrachten: Games haben sich als fester Bestandteil der Freizeitgestaltung von Jugendlichen etabliert und bilden einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor. Während viele Eltern, Erzieherinnen und Erzieher das Suchtpotential von Gaming kritisch betrachten, staunen andere über die enorme Motivationskraft von Spielen und über den Lernerfolg durch Spielen. Meistens meint man dies – der Erfolg des spielerischen Lernens –, wenn man über die Bedeutung von Gamification in anderen Bereichen spricht. Welche Rolle können nun Games in Bibliotheken spielen?²¹ Zum einen gibt es die Games als Medium, die von der Bibliothek angeboten werden können. Doch im Zeitalter der Online-Games (und der Massively Multiplayer Online Games), die nicht mehr über einen Datenträger verbreitet werden, nimmt die Bedeutung des physischen Mediums auch hier dramatisch ab. Vor allem in Öffentlichen Bibliotheken versucht man über Games und GameEvents ein ansonsten schwer zu erreichendes Zielpublikum, die männlichen Jugendlichen, anzusprechen und für die Bibliothek zu gewinnen. Dieses Zielpublikum verkehrt durchaus auch als Studierende in den Wissenschaftlichen Bibliotheken – das Durchschnittsalter der Gamer liegt deutlich über dem Teenager. Denkbar sind also entsprechende Angebote (Game Night, Game-Turnier etc.) auch in Wissenschaftlichen Bibliotheken als eine Form von Event, um neue Nut-
19 Als Beispiel sei hier der Makerspace der SLUB Dresden genannt: http://www.slub-dresden. de/service/arbeitsplaetze-arbeitsraeume/makerspace/ (5.5.2015). 20 Mumenthaler, Rudolf: Mit Expertenwissen zu Aussagen über künftige Entwicklungen – der Horizon Report Higher Education. In: LIBREAS. Library Ideas (2014) H. 24. http://libreas.eu/ ausgabe24/03mumenthaler/ (5.5.2015). 21 Vgl. zum Thema: Deeg, Christoph: Gaming und Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur 2014. http://www.degruyter.com/view/product/205480 (5.5.2015).
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zerkreise anzusprechen oder sich als innovativer und cooler Ort der Unterhaltung und der Erholung zu positionieren.
Trend und Herausforderung: Internet of Things Das Internet of Things (IoT) hat es als langfristiger Trend in die Liste der für Bibliotheken relevanten Technologien geschafft. Landläufig verbinden wir mit dem Konzept IoT den intelligenten Kühlschrank, der selber merkt, wenn die Milch aufgebraucht oder das Datum abgelaufen ist und gleich im Online-Shop Nachschub bestellt. Doch was haben die vernetzten und intelligenten Dinge mit Bibliotheken zu tun? Das Konzept des IoT besteht darin, dass Objekte vernetzt werden und über eine IP-Adresse angesprochen werden können. In Bibliotheken kann dies bedeuten, dass Medien vernetzt werden, was sie mittels der RFID-Technologie schon an vielen Orten sind. Genutzt werden kann dies zur Inventarkontrolle, zur Kontrolle, ob die Medien richtig eingereiht sind – oder wie in der Bibliothek Sitterwerk in St. Gallen für die dynamische Ordnung.²² Im Materialarchiv können Metadaten zu den mit RFID ausgestatteten Objekten direkt am Bildschirm angezeigt werden, wenn sie auf eine entsprechende Stelle mit Empfänger gelegt werden.²³ Diese zwei Beispiele geben eine Vorstellung möglicher Einsatzgebiete. OCLC hat sich in einer kürzlich erschienen Publikation dem Thema Internet of Things und Bibliotheken gewidmet und einige mögliche Anwendungsgebiete skizziert: Inventarkontrolle, mobile Bezahlung, Registrierung, Zugangskontrolle und Authentifizierung, Steuerung des Raumklimas, Navigation im Raum, Verfügbarkeit von Ressourcen (Medien, Räume), intelligente Bücher, Gaming, augmented reality sowie assistive Technologie.²⁴
Fazit Bibliotheken stehen in einem sehr dynamischen Umfeld und müssen sich ständig wandeln und weiterentwickeln. Es gilt, neue Technologien zu prüfen und gegebenenfalls zu adaptieren. Das heißt, dass neue Entwicklungen beobachtet und auf ihre Anwendbarkeit in der jeweiligen Bibliothek – vor dem Hintergrund ihres Auf-
22 http://www.sitterwerk.ch/kunstbibliothek/dynamische-ordnung.html (5.5.2015). 23 http://www.materialarchiv.ch/ (5.5.2015). 24 NextSpace 24 (2015): Libraries & the Internet of Things. http://www.oclc.org/publications/ nextspace/articles/issue24/librariesandtheinternetofthings.en.html (5.5.2015).
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trags, ihrer Strategie, den Bedürfnissen ihrer Zielgruppen etc. – geprüft werden müssen. Nicht alle Trendthemen müssen übernommen werden, aber man sollte sich mit ihnen auseinandergesetzt haben und sich bewusst für oder gegen ihren Einsatz in der Bibliothek entscheiden. Die Herausforderungen stellen sich nicht nur im Kontext neuer Technologien und neuer Dienstleistungen. Auch die Strukturen, Prozesse und die Betriebskultur müssen überprüft, optimiert und eventuell verändert werden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit anderen Bibliotheken oder Institutionen. Gewisse Herausforderungen kann eine einzelne Bibliothek nicht alleine bewältigen, und die technische Entwicklung bereitet den Weg für weitergehende Aufgabenteilung und Kooperation. Schließlich gilt auch für die einzelnen Mitarbeitenden, was hier zu den Bibliotheken als Institutionen gesagt wurde: Auch sie müssen sich ständig weiterentwickeln – wobei ich lieber sage, dass sich Bibliotheksmitarbeitende verändern und weiterentwickeln dürfen, da ich dies durchaus positiv sehe und sich dadurch viele Chancen und interessante Perspektiven eröffnen. Dieser Veränderungsbedarf wiederum stellt die Aus- und Weiterbildungsstätten für bibliothekarisches Fachpersonal vor neue Herausforderungen. Die Hochschulen sind aufgefordert, ihren Studierenden jene Kompetenzen und jenes Fachwissen zu vermitteln, die sie im Berufsalltag befähigen, die Veränderungen mitzugestalten.
Literatur ACRL Research Planning and Review Committee: Top trends in academic libraries. In: College & Research Libraries News 75 (2014) H. 6. S. 294–302. http://crln.acrl.org/content/75/6/ 294.full (5.5.2015). Baudisch, Susanne, Elke Dittmer u. Thomas Kahlisch: Barrierefreiheit zur Routine machen – Praxisfall Digitale Bibliothek. In: Informationspraxis 1 (2015) H. 1. S. 1–43. Bibliothek Sitterwerk: Dynamische Ordnungsstrukturen dank RFID-Technologie. http://www. sitterwerk.ch/kunstbibliothek/dynamische-ordnung.html (5.5.2015). „Coding Da Vinci“. http://codingdavinci.de (5.5.2015). Creative Commons. http://creativecommons.org (5.5.2015). Deeg, Christoph: Gaming und Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur 2014. http://www. degruyter.com/view/product/205480 (5.5.2015). Digitaler Datenerhalt an der ETH Zürich. https://www.library.ethz.ch/ms/Digitaler-Datenerhaltan-der-ETH-Zuerich (5.5.2015). Ebner, Martin, Sandra Schön, Lambert Heller u. Rudolf Mumenthaler: Editorial: Wie gestalten wir die Zukunft mit Open Access und Open Educational Resources? Open Access und Open Educational Resources. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung 8 (2013) H. 4. S. I–X. http://www.zfhe.at/index.php/zfhe/article/download/631/573 (5.5.2015). ETH Bibliothek: Open Research Data. https://www.library.ethz.ch/ms/Open-Access-an-derETH-Zuerich/Was-ist-Open-Access/Open-Research-Data (5.5.2015).
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ETH-Bibliothek: Responsives Design und mehr – Barrierefreiheit für das Wissensportal. Zürich 2014. http://blogs.ethz.ch/innovethbib/2014/12/18/responsives-design-und-mehrbarrierefreiheit-fur-das-wissensportal/ (5.5.2015). First Swiss Open Cultural Data Hackathon in der Schweizer Nationalbibliothek. http://make. opendata.ch/wiki/event:2015-02 (5.5.2015). The Hague Declaration Knowledge Discovery in the Digital Age. http://thehaguedeclaration. com (11.5.2015). Jochumsen, Henrik, Casper Hvenegaard Rasmussen u. Dorte Skot-Hansen: The four spaces – a new model for the public library. In: New Library World 113 (2012) H. 11–12. S. 586–597. http://www.emeraldinsight.com/doi/abs/10.1108/03074801211282948 (5.5.2015). Johnson, Larry, Samantha Adams Becker, V. Estrada u. A. Freeman: Horizon Report 2014. Library Edition. Austin, Texas: The New Media Consortium 2014. http://www.nmc.org/ publications/2014-horizon-report-library (5.5.2015). Linked Data Service der Deutschen Nationalbibliothek. http://www.dnb.de/DE/Service/ DigitaleDienste/LinkedData/linkeddata_node.html (5.5.2015). LOCKSS. http://www.lockss.org (5.5.2015). Materialarchiv. http://www.materialarchiv.ch/ (5.5.2015). Mumenthaler, Rudolf: Mit Expertenwissen zu Aussagen über künftige Entwicklungen – der Horizon Report Higher Education. In: LIBREAS. Library Ideas (2014) H. 24. http://libreas. eu/ausgabe24/03mumenthaler/ (5.5.2015). NextSpace 24 (2015): Libraries & the Internet of Things. http://www.oclc.org/publications/ nextspace/articles/issue24/librariesandtheinternetofthings.en.html (5.5.2015). OCLC: Data strategy and linked data. Helping libraries thrive on the web. https://www.oclc.org/ data.en.html (5.5.2015). SLUB Dresden: Makerspace. http://www.slub-dresden.de/service/arbeitsplaetzearbeitsraeume/makerspace/ (5.5.2015). Smith, Tim: Working with Big Data. Contribution at OAI8 conference in Geneva 2014. https://indico.cern.ch/event/211600/session/8/contribution/15/material/slides/1.pdf (5.5.2015). Tochtermann, Klaus: 10 Thesen zum zukünftigen Profil von wissenschaftlichen InformationsInfrastruktureinrichtungen mit überregionaler Bedeutung. August 2013. http://www.zbwmediatalk.eu/2013/08/klaus-tochtermann-zehn-thesen-zum-zukunftigen-profilvon-wissenschaftlichen-informationsinfrastruktureinrichtungen-mit-uberregionalerbedeutung/ (5.5.2015). ZB MED: Livivo. http://www.livivo.de (5.5.2015).
Bruno Bauer
Open Access in Österreich Von Einzelaktivitäten zu Kooperationen auf nationaler Ebene¹
Open Access in Österreich 2003–2012 Mit der 2003 veröffentlichten „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“², die mittlerweile von mehr als 500 Institutionen weltweit unterstützt wird, wurde eine Entwicklung im wissenschaftlichen Publikationswesen eingeleitet, die in ihren Auswirkungen zunehmend auch die Bibliotheken bzw. deren Kernaufgabe, eine optimale Literatur- und Informationsversorgung für Wissenschaft und Lehre zu leisten, betrifft. Während in vielen Ländern schon sehr früh konkrete Open Access-Initiativen und Aktivitäten auf nationaler Ebene gesetzt worden sind, beteiligten sich in Österreich in der ersten Dekade nach der „Budapester Open Access Initiative“ und der „Berliner Erklärung“, den beiden internationalen Schlüsseldokumenten der Open AccessEntwicklung, nur wenige Institutionen an dieser Entwicklung.³ Die bereits 2003 bzw. 2004 erfolgte Unterzeichnung der „Berliner Erklärung“ durch die Repräsentanten des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und der österreichischen Universitätenkonferenz blieben zunächst Grundsatzbekenntnisse, denen keine konkreten Maßnahmen folgten.
Open Access-Initiativen und Aktivitäten einzelner Institutionen In den ersten Jahren nach der „Berliner Erklärung“ wurde die Open Access-Entwicklung in Österreich vor allem von drei Institutionen, dem Fonds zur Förde-
1 Der vorliegende Beitrag stellt die überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags dar, den der Autor zum Thema „Open Access in Österreich – eine Aufgabe (auch) für den Österreichischen Bibliothekenverbund“ im Rahmen des 11. Verbundtages am 6. Mai 2015 an der Universität Linz gehalten hat. 2 Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen. Stand: 22.10.2013. http://openaccess.mpg.de/68053/Berliner_Erklaerung_dt_Version_07-2006.pdf (1.5.2015). 3 Vgl. Bauer, Bruno u. Kerstin Stieg: Open Access Publishing in Österreich 2010. In: Bibliotheksdienst (2011) H. 7. S. 700–710.
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rung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien, geprägt.⁴
Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) Der FWF, die wichtigste Forschungsförderungsorganisation in Österreich, hat seit 2004 schrittweise eine Open Access Policy entwickelt, die 2008 zu einem der ersten Mandate einer Förderorganisation weltweit führte. Seither verpflichtet der FWF in seinem Förderprogramm alle Projektnehmerinnen und -nehmer dazu, ihre Publikation durch Open Access im Internet frei zugänglich zu machen; nur wenn eine Open Access-Veröffentlichung aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, werden Abweichungen von dieser Vorgabe akzeptiert.⁵ Zur Förderung des Grünen Weges besteht seit 2010 eine Kooperation des FWF mit UK PubMedCentral (UKPMC). 2011 wurde auch ein Förderprogramm für Open Access bei Monografien gestartet und die FWF E-Book-Library etabliert. Die Umstellung bzw. Gründung von geistes- und sozialwissenschaftlichen Open AccessZeitschriften wird durch ein 2012 entwickeltes Förderprogramm und die Bereitstellung von Mitteln als Anschubfinanzierung ermöglicht.⁶
Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Nachdem die ÖAW, die größte außeruniversitäre Forschungsträgerin in Österreich, bereits seit 2005 implizit eine Open Access Policy verfolgt hatte, wurde vom Präsidium der ÖAW 2011 eine explizite Open Access Policy beschlossen.
4 Vgl. Bauer, Bruno, Michael Katzmayr, Karlo Pavlovic u. Kerstin Stieg: Open Access in Österreich – Anmerkungen zur aktuellen Entwicklung und zu den Perspektiven für einen Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Publikationswesen. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 155–166. 5 Vgl. Reckling, Falk: Eine freie Wissenschaft braucht die freie Zirkulation ihrer Erkenntnisse: Zur aktuellen Entwicklung von Open Access aus der Perspektive des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). In: Klaus Niedermair (Hrsg.): Die neue Bibliothek: Anspruch und Wirklichkeit. 31. Österreichischer Bibliothekartag. Innsbruck, 18.–21.10.2011. Graz, Feldkirch: Neugebauer 2012. S. 102–112 (Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 11). 6 Vgl. Reckling, Falk: Open Access – Aktuelle internationale und nationale Entwicklungen. FWF. 20.2.2013. http://www.fwf.ac.at/fileadmin/files/Dokumente/News_Presse/News/FWF_OA2013.pdf (1.5.2015).
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Wesentliche Open Access-Maßnahmen bisher waren die Etablierung von EPUB.OEAW, einem eigenen Repositorium für die Selbstarchivierung der wissenschaftlichen Publikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖAW, sowie die Positionierung des Verlags der ÖAW als Romeo Green Publisher.⁷
Universität Wien Die Universität Wien, die größte österreichische Universität, hat beim Thema Open Access unter den österreichischen Universitäten schon sehr früh eine Sonderstellung eingenommen. Der Goldene Weg zu Open Access wird durch die Übernahme der Publikationskosten bei BioMed Central und SpringerOpen gefördert, der Grüne Weg durch den Aufbau und Betrieb von Phaidra als institutionelles Repositorium.⁸ Darüber hinaus engagiert sich die Universität Wien traditionell sehr stark in internationalen Projekten und Kooperationen, wie openaccess.net, COAR, Tempus, OpenAIRE, OpenAIREplus und Europeana Libraries.⁹ Die Universität Wien hat auch als erste Universität in Österreich Open Access organisatorisch und strukturell sehr stark verankert.¹⁰ Eingerichtet wurden ein Open Access Office, das Informationsveranstaltungen, Beratungen und Unterstützung beim Open Access-Publizieren anbietet, ein Open Access Board als strategisches Gremium, in dem das Rektorat, die Universitätsbibliothek und weitere Serviceeinrichtungen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vertreten sind, sowie eine Arbeitsgruppe Open Access. In diesem bereits 2008 eingerichteten Gremium sind neben dem Open Access Office auch verantwortliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Forschungsdokumentation, Repositorium, e-Ressource Management, Konsortialmanagement sowie für nationale und inter-
7 Vgl. Nentwich, Michael, Herwig Stöger u. Vittorio Muth: Open Access und die Österreichische Akademie der Wissenschaften. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 178–186. 8 Vgl. Schmidt, Nora u. Wolfram Seidler: Auf dem Grünen Weg. Das Institutionelle Repositorium der Universität Wien. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 218–221. 9 Vgl. Blumesberger, Susanne u. Gerda McNeill: Open Access-Aktivitäten der Universitätsbibliothek Wien. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 187–199. 10 Vgl. Blechl, Guido u. Susanne Blumesberger: Open Access an österreichischen Universitätsbibliotheken. In: Bruno Bauer, Christian Gumpenberger u. Robert Schiller (Hrsg.): Universitätsbibliotheken im Fokus – Aufgaben und Perspektiven der Universitätsbibliotheken an öffentlichen Universitäten in Österreich. Graz, Feldkirch: Neugebauer 2013. S. 310–327 (Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 13).
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nationale Projekte im Kontext von Open Access vertreten. Bei dieser Fülle an Maßnahmen und Aktivitäten ist es nur folgerichtig, dass die Universität Wien 2010 als erste und für längere Zeit einzige Universität in Österreich die „Berliner Erklärung“ unterschrieben hat.
Frühe Open Access-Initiativen auf nationaler Ebene Strategie 2020 des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) Eine frühe starke Positionierung für Open Access auf nationaler Ebene findet sich in der „Strategie 2020“, die der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), dessen Hauptaufgabe in der systematischen, unabhängigen und fundierten Beratung der österreichischen Bundesregierung in allen Fragen der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik (FTI) liegt, 2009 veröffentlicht hat: Der Rat betrachtet es als Bringschuld von Wissenschaft und FTI – vor allem jener, die mit öffentlichen Mitteln finanziert wird –, die Gesellschaft breit und umfassend über ihr Tun und Handeln sowie über ihre Erkenntnisse und Entwicklungen zu informieren. Dazu gehört unter anderem, dass bis zum Jahr 2020 alle öffentlichen Forschungsergebnisse in Österreich (vor allem Publikationen, Forschungsprimärdaten etc.) frei im Internet zugänglich sind – Stichwort: Open Access.¹¹
Empfehlungen der Universitätenkonferenz Auch von der Universitätenkonferenz wurde fast zeitgleich ein bemerkenswertes hochschulpolitisches Zeichen gesetzt, als 2010 die „Empfehlungen der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko) zu einer Open Access-Politik der Universitäten“ beschlossen wurden: „Die Österreichische Universitätenkonferenz empfiehlt ihren Mitgliedern, ein Bewusstsein für Open Access unter ihren Studierenden, Projektmitarbeiter/innen, wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen und Professoren/innen zu schaffen und somit den Übergang zum Open Access-Paradigma zu unterstützen.“¹² 11 Siehe: Austrian Council/Rat für Forschung und Technologieentwicklung: Strategie 2020. Wien: Austrian Council 2009. S. 31. http://test.fluidtime.com/project/austriancouncil/website/ tl_files/uploads/Strategie/090824_FINALE%20VERSION_FTI-Strategie2020.pdf (1.5.2015). 12 Siehe: Österreichische Universitätenkonferenz (uniko). Empfehlungen der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko) zu einer Open-Access-Politik der Universitäten. Beschluss vom 12. Jänner 2010. http://www.uniko.ac.at/upload/Uniko-Empfehlungen_Open_Access_01_2010. pdf (1.5.2015).
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Neben der Errichtung von Repositorien und der Erschließung entsprechender Finanzierungsquellen für Open Access-Publikationen wurde den in der Universitätenkonferenz vertretenden 21 öffentlichen Universitäten empfohlen, internationale Standards bei der Qualitätssicherung zu etablieren und die Verabschiedung von Open Access Policies durch die jeweiligen Universitätsleitungen anzustreben. Die Universitätenkonferenz kann zwar Empfehlungen für Open Access aussprechen, diese haben allerdings – aufgrund der im Universitätsgesetz 2002 geregelten Autonomie der österreichischen Universitäten – nur unverbindlichen Charakter, sodass deren konkrete Umsetzung im Entscheidungsbereich einer jeder einzelnen Universität liegt.
Novelle zum Universitätsgesetz Bis 2012 wurde ein einziges konkretes Open Access-Projekt von nationaler Bedeutung konzipiert, aber nicht umgesetzt. Eine vom Forum Universitätsbibliotheken Österreichs (ubifo) unterstützte Initiative konnte bei der Novellierung des Universitätsgesetzes 2002 (2009) erreichen, dass der Aufbau eines „digitalen Repositoriums“ beschlossen worden ist. Diese nationale Repositoriumslösung bot eine exzellente Perspektive für den Grünen Weg zu Open Access auf nationaler Ebene: „Zur Dokumentation der wissenschaftlichen Leistungen an österreichischen Universitäten ist eine zentrale Datenbank für wissenschaftliche Veröffentlichungen von Angehörigen der Universität (digitales Repositorium) zu errichten.“¹³ Noch ehe dieses Projekt, in dem der Österreichischen Bibliotheksverbund und Service GmbH (OBVSG) vom Gesetzgeber eine tragende Rolle zuerkannt worden war, gestartet werden konnte, erfolgte die Streichung der entsprechenden Abschnitte der Novelle im Zuge der durch die Wirtschaftskrise verursachten Budgetbegleitgesetze des Jahres 2010.¹⁴
Open Access-Umfrage 2012 2012 wurde vom Forum Universitätsbibliotheken Österreichs unter Bezugnahme auf die „Empfehlungen der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko) zu einer Open Access-Politik der Universitäten“ eine Umfrage zur Bestandsaufnahme
13 Novelle zum Universitätsgesetz 2002 (2009), Z. 121. § 85 (2). 14 Vgl. Pauser, Josef: Error! – „Zentrale Datenbank für wissenschaftliche und künstlerische Arbeiten“ wurde Ende 2010 wieder beerdigt. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2011) H. 1. S. 120–124.
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der Open-Access-Aktivitäten an den 21 öffentlichen Universitäten, die in ihrer Gesamtheit den größten Akteur in der österreichischen Forschungslandschaft darstellen, durchgeführt.¹⁵ In der Erhebung wurde deutlich, dass Open Access an den meisten der öffentlichen Universitäten kein oder nur ein marginales Thema war. Auf die Frage nach der Wahrnehmung von Open Access als wichtiges Thema an den Universitäten wurden an zehn Universitäten die Antwortmöglichkeiten „völlig zutreffend“ bzw. „zutreffend“ gewählt, an elf Universitäten die Antwortmöglichkeiten „weniger zutreffend“ bzw. „gar nicht zutreffend“. Ein weiteres Indiz für die relativ schwache Verankerung von Open Access an den Universitäten lieferten die Antworten auf die Frage nach dem Vorhandensein einer institutionellen Open Access Policy: an keiner einzigen der 21 öffentlichen Universitäten in Österreich war zum Zeitpunkt der Durchführung der Umfrage eine Open Access Policy veröffentlicht worden. Zusammenfassend kann über die Ergebnisse der Umfrage festgehalten werden, dass Open Access im Jahr 2012 nur an einzelnen Universitäten thematisiert und in Ansätzen unterstützt wurde, sieht man von der Vorreiterrolle der Universität Wien ab.¹⁶
Open Access in Österreich seit 2012 Zehn Jahre nach der „Budapester Open Access Initiative“ (2002) und der „Berliner Erklärung“ (2003) wurden mit der Etablierung des Open Access Network Austria (2012) und der Bewilligung des Hochschulraum-Strukturmittelprojektes eInfrastructures Austria (2013) zwei zukunftsweisende Kooperationen initiiert, die das Thema Open Access auch in Österreich nachhaltig etablieren könnten.¹⁷ Die
15 Vgl. Bauer, Bruno, Christian Gumpenberger, Ingrid Haas, Michael Katzmayr, Eva Ramminger u. Doris Reinitzer: Open Access an den österreichischen Universitäten 2012: Umfrage im Auftrag des Forums Universitätsbibliotheken Österreichs. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 213–217. 16 Vgl. Bauer, Bruno: Open Access Publishing in Österreich 2012. In: GMS Medizin Bibliothek Information (2012) H. 3. Doc19; Bauer, Bruno, Christian Gumpenberger, Ingrid Haas, Michael Katzmayr, Eva Ramminger u. Doris Reinitzer: Open Access Bestandsaufnahme an österreichischen Universitäten: Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag des Forums Universitätsbibliotheken Österreichs (UBIFO). In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2013) H. 3–4. S. 535–558. 17 Vgl. Bauer, Bruno: Open-Access-Kooperationen in Österreich: Open Access Network Austria und E-Infrastructures Austria – aktuelle Entwicklungen seit 2012. In: GMS Medizin Bibliothek
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Kooperation E-Medien Österreich hat sich in jüngster Zeit als ein weiterer wichtiger Akteur von-Open Access positioniert (2015).
Open Access Network Austria (OANA) Konstituierung von OANA Unter Bezugnahme auf die „Empfehlungen der österreichischen Universitätenkonferenz“ und die Förderpolitik des FWF erfolgte im November 2012 unter der Schirmherrschaft der Universitätenkonferenz und des FWF die Konstituierung von OANA (http://www.oana.at).¹⁸ Im Kernteam von OANA engagieren sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forschungsstätten (Universitäten, Österreichische Akademie der Wissenschaften), der Forschungsförderer (FWF) und der Forschungspolitik (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft). Neben der Abstimmung der Open Access-Aktivitäten der im Netzwerk vertretenen Institutionen sind die gemeinsame Positionierung gegenüber den Informationsanbietern, insbesondere den Verlagen, sowie die Etablierung von Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern und die Bereitstellung von Informationsquellen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, für Forschungsstätten und für die Forschungspolitik zentrale Ziele von OANA. Bereits 2013 wurde ein Netzwerk von Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern aus möglichst vielen Universitäten, Fachhochschulen und sonstigen Forschungseinrichtungen, von Fördereinrichtungen und der Forschungspolitik (derzeit sind 49 Institutionen in OANA vertreten) aufgebaut und eine Website erstellt. Eine Informationsveranstaltung über Open Access Policies und Repositorien, die im Rahmen der Open Access Week 2013 durchgeführt worden ist, auch um OANA in der Öffentlichkeit zu präsentieren, erwies sich als Initialzündung für weitere Aktivitäten von OANA.¹⁹
Information (2014) H. 3. Doc 22; Bauer, Bruno: Innovationen an wissenschaftlichen Bibliotheken in Österreich: Status und Perspektiven aktueller Kooperationsprojekte. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 1. S. 11–27. 18 Vgl. Bauer, Bruno: Konstituierung von OANA (Open Access Netzwerk Austria) am 21.11.2012. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 362–365. 19 Vgl. Bauer, Bruno: 10 Jahre nach der Berliner Erklärung: 1. Informationsveranstaltung des Open Access Network Austria (OANA) im Rahmen der Open Access Week (Wien, 22.10.2013). In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2013) H. 3–4. S. 650–659.
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Arbeitsgruppen von OANA 2014 wurden zentrale Open Access-Themen speziell aus dem Blickwinkel der österreichischen Forschungs- und Hochschullandschaft in fünf Arbeitsgruppen bearbeitet: – Open Access Policy – Finanzierung von Open Access – Rechtliche und politische Rahmenbedingungen – Publikationsmodelle – Einbindung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Auf einer im Januar 2015 durchgeführten Informationsveranstaltung wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorgestellt, die die Akteurinnen und Akteure des Wissenschaftssystems dabei unterstützen sollen, eine effiziente Open AccessStrategie zu entwickeln.²⁰ In einzelnen OANA-Arbeitsgruppen konnten schon während der Bearbeitung der genannten Themen erste Erfolge – von der Verabschiedung von Open Access Policies an einzelnen Universitäten bis hin zur Initiierung konkreter Vertragsverhandlungen mit Verlagen zur Transformation von subskriptionsbasierten zu Open Access-Zeitschriften – erreicht werden. Wurde in der 2012 an den öffentlichen Universitäten durchgeführten Open Access-Umfrage noch festgestellt, dass an keiner einzigen Universität eine Open Access Policy verabschiedet worden war, so haben mittlerweile bereits fünf Universitäten Open Access Policies veröffentlicht: die Universität Graz (Sept. 2013)²¹, die Universität Salzburg (April 2014)²², die Universität Wien (Juni 2014)²³, die Uni-
20 Vgl. Buschmann, Katrin u. Katharina Rieck: Bericht zur 2. Informationsveranstaltung des Open Access Network Austria (OANA) am 21.1.2015. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2015) H. 1. S. 162–172. 21 Karl Franzens Universität Graz. Open Access Policy der Universität Graz. https://public.sharepoint.unigraz.at/sites/ub/OeffentlicheDokumente/Open%20Access%20 Policy%20der%20Universit%C3%A4t%20Graz.pdf (1.5.2015); vgl. Schilhan, Lisa: Open Access an der Karl-Franzens-Universität Graz: von einer Top-Down Initiative zu einer Bottom-Up Policy. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2013) H. 3–4. S. 670–673. 22 Open Access Leitbild der Paris-Lodron-Universität Salzburg. April 2014. http://www.ubs.sbg. ac.at/open-access/open-access-leitbild-plus.pdf (1.5.2015). 23 Universität Wien. Open Access Policy der Universität Wien. http://openaccess.univie.ac.at/ policy/ (1.5.2015).
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versität Klagenfurt (Juli 2014)²⁴ und die Akademie der bildenden Künste Wien (Mai 2015)²⁵. Mit dem IST Austria verfügt seit Februar 2014 ein bedeutendes Forschungsinstitut über eine Open Access Policy.²⁶ 2015 werden zwei der bereits 2014 etablierten OANA-Arbeitsgruppen ihre Arbeit fortsetzen: – Einbindung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – Publikationskosten. Neu eingerichtet wurden OANA-Arbeitsgruppen zu folgenden Themen: – Urheberrecht – Nationale Open Access-Strategie – Open Access/Open Science und Scholarly Communications.
e-Infrastructures Austria Rahmenbedingungen als Hochschulraum-Strukturmittelprojekt In der 2012 durchgeführten Erhebung über die Open Access-Aktivitäten an den 21 öffentlichen Universitäten wurde die Frage, ob die Universität über die notwendigen Ressourcen (finanziell und personell) sowie über das entsprechende Knowhow verfügt, um die gewünschten Open Access-Services zu erbringen, von keiner Universität mit „völlig zutreffend“ bzw. „zutreffend“ beantwortet, zwölf Universitäten wählten die Antwort „weniger zutreffend“, sechs die Antwort „gar nicht zutreffend“. Diese Situation veränderte sich zum Positiven, als mit den HochschulraumStrukturmitteln vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) im Rahmen eines 2013 durchgeführten Wettbewerbes eine Anschubfinanzierung für universitäre Kooperationsvorhaben zur Verfügung gestellt worden ist. Zu den förderwürdigen Projekten dieses Programms gehört auch das vom Forum Universitätsbibliotheken Österreichs initiierte Projekt „e-Infrastructures Austria“ (http://www.e-infrastructures.at/), an dem sich 25 In-
24 Die Policy der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt für Open Access. (Stand: 9.7.2014). Beilage 1 zum Mitteilungsblatt, 1. Stück – 2014/2015, 1.10.2014. http://www.uniklu.ac.at/rechtabt/ downloads/mbl1b1_14_15.pdf (1.5.2015). 25 Richtlinie des Rektorats zur Open Access-Strategie der Akademie der bildenden Künste Wien. https://www.akbild.ac.at/Portal/kunst-forschung/open-access/akademie_open%20access% 20richtlinie.pdf/attachment_download/file (14.5.2015). 26 IST Austria. Open Access Policy. http://ist.ac.at/open-access/open-access-policy/ (1.5.2015).
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stitutionen, darunter 20 Universitäten, beteiligen. 1 375 748 Euro der gesamten Projektkosten in Höhe von 4 127 244 Euro werden als Fördermittel des BMWFW bereitgestellt. Das Kooperationsprojekt, das eine Laufzeit von drei Jahren aufweist (2014–2016), bietet optimale Bedingungen, um für zwei zukunftsweisende Themen (Open Access und Forschungsdaten), die bisher mangels Finanzierungsmöglichkeiten weitgehend Desiderate in der österreichischen Bibliotheks- und Informationsinfrastruktur dargestellt haben²⁷, tragfähige Lösungen auf nationaler Ebene zu entwickeln.
Teilprojekte und Ziele von e-Infrastructures Austria e-Infrastructures Austria gliedert sich in die drei Teilprojekte Aufbau von lokalen Dokumentenservern (Teilprojekt A), Konzeption und Aufbau von RepositorienInfrastrukturen für Forschungsdaten und andere komplexe Datenbestände (Teilprojekt B) sowie Aufbau des Wissensnetzwerks e-Infrastructures Austria (Teilprojekt C).²⁸ Die Projektziele werden in zwölf Work Packages bearbeitet, wofür jeweils Arbeitsgruppen, bestehend aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten Projektpartnerinstitutionen, eingerichtet wurden: Monitoring und Austausch zum Aufbau von Dokumentenservern in den lokalen Einrichtungen (Cluster A), Planung und Durchführung eines „National Survey“ zu Forschungsdaten (Cluster B), Aufbau eines Wissensnetzwerks: Erarbeitung eines Referenzmodells für den Aufbau von Repositorien (Cluster C), Aufbau Infrastruktur (Cluster D), Legal and Ethical Issues (Cluster E), Open Access (Cluster F), Visuelle Datenmodellierung – Generierung von Wissenschaftsräumen (Cluster G), Life Cycle Management (Cluster H), Metadatenkomplex (Cluster I), Dauerhafte Sicherung der Daten (aus nicht-technischer & technischer Sicht) (Cluster J), Daten aus wissenschaftlichen und künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsprozessen (Entwicklung und Erschließung der Künste) (Cluster K) und Projektübergreifende Fragen (aus nichttechnischer & technischer Sicht) (Cluster L).²⁹
27 Vgl. Bauer, Bruno: Braucht Österreich eine Schwerpunktinitiative „Digitale Information“? Status quo und Perspektiven für die Hochschulbibliotheken. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 3–4. S. 394–415. 28 Vgl. Sánchez Solís, Barbara: e-Infrastructures Austria. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2014) H. 2. S. 195–204. 29 Vgl. Bauer, Bruno, Paolo Budroni, Andreas Ferus, Raman Ganguly, Eva Ramminger u. Barbara Sánchez Solís: e-Infrastructures Austria 2014: Bericht über das erste Jahr des Hochschulraumstrukturmittelprojektes für den koordinierten Aufbau und die kooperative Weiterentwicklung von
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Als ein wichtiges Ziel verfolgt e-Infrastructures Austria durch den Aufbau von lokalen Repositorien die Stärkung des Grünen Weges zu Open Access. In der 2012 durchgeführten Umfrage zu Open-Access wurde an 18 Universitäten die Frage nach dem Vorhandensein eines Hochschulschriftenservers für die Archivierung von Diplomarbeiten und Masterthesen verneint, an drei Universitäten waren zum Zeitpunkt der Umfrage Hochschulschriftenserver in Betrieb; ein internationalen Standards entsprechendes Repositorium war zum Zeitpunkt der Umfrage überhaupt nur an einer Universität etabliert. Bereits im ersten Projektjahr von e-Infrastructures Austria erhöhte sich die Zahl der Repositorien in Österreich von drei auf sechs, weitere sollen 2015 folgen.
Kooperation E-Medien Österreich (KEMÖ) Aufgaben und Ziele der KEMÖ Die bereits 2005 errichtete Kooperation E-Medien Österreich (KEMÖ; https:// www.konsortien.at) ist ein Zusammenschluss von öffentlichen Universitäten, Privatuniversitäten, Fachhochschulen, Landesbibliotheken, der Österreichischen Nationalbibliothek sowie sonstiger öffentlicher und privater Informations-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen mit Sitz in Österreich. Ihr Zweck ist der koordinierte Kauf- und Lizenzerwerb von Datenbanken, elektronischen Zeitschriften und Büchern sowie die koordinierte Administration dieser Ressourcen. Im aktuellen Kooperationsvertrag für die Laufzeit 2015 bis 2017 wurde erstmals festgehalten, dass auch „die gemeinsame Mitwirkung an nationalen und internationalen Open Access Initiativen“ eine der zentralen Aufgaben der KEMÖ, deren Geschäftsstelle als eine Abteilung der Österreichischen Bibliothekenverbund und Service GmbH (OBVSG) fungiert, darstellt. Bereits in der abgelaufenen Vertragsperiode waren KEMÖ bzw. OBVSG an mehreren Open Access-Aktivitäten beteiligt – von SCOAP3³⁰ bis zu Vertragsverhandlungen mit ausgewählten Verlagen, die dazu beitragen sollen, dass in Konsortialverträgen auch eine Open AccessKomponente enthalten ist.
Repositorieninfrastrukturen. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2015) H. 1. S. 91–118. 30 Vgl. Stieg, Kerstin: Kooperation E-Medien Österreich als Partner für Universitätsbibliotheken. In: Bauer, Gumpenberger, Schiller, Universitätsbibliotheken im Fokus (wie Anm. 10), S. 257–266.
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Open Access-Pilotvereinbarungen mit Verlagen Seit 2014 konnten die KEMÖ und die von ihr vertretenen Mitglieder in Zusammenarbeit mit dem FWF Open Access-Pilotvereinbarungen mit den Wissenschaftsverlagen IOPscience bzw. Taylor & Francis mit der Zielsetzung abschließen, den Anteil der Open Access-Publikationen österreichischer Autorinnen und Autoren in den Zeitschriften dieser Verlage zu steigern und parallel dazu eine Reduktion der Subskriptionspreise für die betreffenden Zeitschriften zu erreichen. IOPscience beschreibt die wesentlichen Aspekte des beispielhaften Übereinkommens, das eine Laufzeit von 2014 bis 2016 aufweist, wie folgt: The Austrian Science Fund (FWF), the Austrian Academic Consortium (Kooperation EMedien Österreich), the Austrian Central Library for Physics at the University of Vienna and IOP Publishing have today announced a new pilot project that will provide advance funding for Austrian researchers to publish on a hybrid open access basis in IOP’s subscription journals and which will offset that funding against subscription and licence fees paid by the Austrian Academic Consortium for access to IOP’s journals. As a result of a new funding arrangement, researchers funded by the FWF now have the opportunity to publish on an open access basis with IOP Publishing and have their article publication charge (APC) paid by the FWF. The funding arrangement also extends to the fully open-access titles, New Journal of Physics and Environmental Research Letters. Furthermore, authors publishing in one of IOP’s subscription journals on a hybrid open access basis will have their article publication charges offset against subscription and licence fees paid by the Austrian Academic Consortium for access to IOP’s journals.³¹
Mit derselben Zielsetzung wurde auch mit Taylor & Francis für die Jahre 2015 und 2016 ein Abkommen abgeschlossen: The Austrian Science Fund (FWF), the Austrian Academic Consortium (Kooperation E-Medien Österreich, KEMÖ), and Taylor & Francis Group have today announced a two year pilot which will offset article publishing charges paid by the Austrian Science Fund against subscription costs for KEMÖ members. This offset amount will be used by the Austrian Academic Consortium members to reduce the costs of their new or existing subscriptions. In so doing, the agreement allows Taylor & Francis Group to fully acknowledge the funding provided by FWF for researchers to publish on an open access basis in the hybrid journals that make up Taylor & Francis Group’s Open Select program.³²
31 Website IOPscience: New open access funding pilot for Austria. Updated February 2014. http://iopscience.iop.org/info/page/openaccess-austria (1.5.2015). 32 Website Taylor & Francis: New open access offset agreement for Austria announced. January 2015, Oxford. http://newsroom.taylorandfrancisgroup.com/news/press-release/new-openaccess-offset-agreement-for-austria#.VU-of2ccQ7U (1.5.2015).
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Die zunehmende Bedeutung von Open Access auch im Bereich von Verhandlungsabschlüssen mit bisher ausschließlich auf die Herausgabe von subskriptionsbasierten Zeitschriften fokussierten Verlagen spiegelt sich auch in den jüngsten drei Meldungen auf der Website der KEMÖ wider, wo neben der Information über die Verlängerung des Kooperationsvertrages zwei Meldungen mit Open Access-Bezug platziert sind: „Taylor and Francis: Richtungsweisende OA-PilotVereinbarung reduziert Abo-Kosten“ bzw. „IOPscience extra: Wegweisende Vereinbarung für Open Access ohne Mehrkosten“.³³
Perspektiven für Open Access in Österreich Mit der Etablierung des Open Access Network Austria (2012), der finanziellen Förderung des Kooperationsprojektes e-Infrastuctures Austria (2014) und der Berücksichtigung von Open Access als zusätzliche Aufgabe im aktuellen Kooperationsvertrag der Kooperation E-Medien Österreich (2015) wurden optimale Rahmenbedingungen geschaffen, um Open Access in der österreichischen Forschungslandschaft nachhaltig zu verankern und möglicherweise bevorstehende Veränderungen des Publikationssektors aktiv mitgestalten zu können. Die drei oben genannten Akteure – ein Netzwerk, ein Hochschulraum-Strukturmittelprojekt und eine Kooperation – haben sich mittlerweile als wichtige Akteure von Open Access in Österreich etabliert.³⁴
Open Access Policies Das Open Access Network Austria konnte erfolgreich dazu beitragen, dass das Desiderat einer Open Access Policy an österreichischen Universitäten behoben wurde. Bereits fünf Universitäten und Forschungsinstitute verfügen nunmehr über eigene Open Access Policies, an weiteren Universitäten befinden sie sich in Vorbereitung. Parallel dazu haben im Netzwerk vertretene Institutionen weitere Maßnahmen gesetzt, um die politischen Rahmenbedingungen für eine Open AccessEntwicklung auf nationaler Ebene zu stärken (siehe Kapitel „Open Access Network Austria (OANA)“).
33 Website Kooperation E-Medien Österreich: Letzte Meldungen. https://www.konsortien.at/ssl/ (1.5.2015). 34 Vgl. Buschmann, Katrin, Stefan Kasberger, Peter Kraker, Katja Mayer, Falk Reckling, Katharina Rieck u. Michela Vignoli: Open Science in Österreich: Ansätze und Status. In: Information. Wissenschaft & Praxis (2015) H. 2–3. S. 137–145.
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Eine wichtige Initiative des zuständigen Bundesministeriums stellt die Aufnahme des Themas Open Access in die Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten für die Jahre 2013 bis 2015 dar.³⁵ Die entsprechenden Vereinbarungen finden ihren Niederschlag auch in den Strategiepapieren einzelner Universitäten. So hat die Universität Wien in ihrem Entwicklungsplan, der die Entwicklungsperspektive der Universität bis 2015 beschreibt, Open Access als strategisches Ziel festgehalten: „Die Universität Wien unterstützt die wissenschaftspolitische Forderung nach offenem Zugang (Open Access) zu wissenschaftlichen Publikationen. Sie beteiligt sich in Kooperation mit nationalen und internationalen Einrichtungen aktiv an der diesbezüglichen Diskussion.“³⁶ In ähnlicher Weise hat sich auch die Universität Klagenfurt klar für Open Access positioniert: Die AAU bekennt sich ausdrücklich zu den Zielen von Open Access und will in der kommenden Leistungsperiode korrespondierend zu den Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene ein Open Access-Konzept entwickeln und umsetzen. In diesen Prozess sollen die forschenden Einheiten, aber auch andere Organisationseinheiten, wie z. B. die Universitätsbibliothek, eingebunden werden.³⁷
Ein weiteres Indiz für die Stärkung von Open Access an einzelnen österreichischen Universitäten ist die zuletzt gestiegene Anzahl an österreichischen Unterzeichnern der „Berliner Erklärung“ aus dem universitären Bereich. Neben der Universität Wien (Januar 2010) haben in jüngster Zeit die Universität Graz (September 2013), die Universität Salzburg (März 2014), die Universität Innsbruck (Juni 2014), die Universität Linz (März 2015) und die Technische Universität Graz (März 2015) diese bedeutendste Open Access-Deklaration unterzeichnet. Weiter zählt neben der Universitätenkonferenz (November 2004) und dem FWF (November 2003) auch der Österreichische Wissenschaftsrat (Februar 2015) mittlerweile zu den Unterzeichnern der „Berliner Erklärung“.
35 Vgl. Rohsmann, Katarina u. Martin Baumgartner: Open Access in Leistungsvereinbarungen österreichischer Forschungseinrichtungen. FFG. 28.3.2013. http://rp7.ffg.at/upload/ medialibrary/_bersicht_OA_Leistungsvereinbarungen_2013-2015_FINAL.pdf (1.5.2015). 36 Siehe: Universität Wien 2015. Entwicklungsplan auf Vorschlag des Rektorats nach Zustimmung durch den Senat der Universität Wien am 19. Jänner 2012 vom Universitätsrat der Universität Wien am 27. Jänner 2012 einstimmig genehmigt. http://public.univie.ac.at/fileadmin/user_ upload/public/pdf/Entwicklungsplan_interaktiv.pdf (1.5.2015). 37 Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Entwicklungsplan 2013–2015. Stand 3. Dezember 2012. Beilage 1 zum Mitteilungsblatt, 8. Stück – 2012/2013, 9.1.2013. http://www.uni-klu.ac.at/rechtabt/ downloads/mbl8b1_12_13.pdf (1.5.2015).
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Goldener Weg zu Open Access Beschränkten sich die konkreten Open Access-Maßnahmen einzelner Institutionen im Bereich des Goldenen Weges zunächst auf die institutionelle Mitgliedschaft etwa bei BioMed Central (FWF, IMP, IST Austria, Technische Universität Graz, Technische Universität Wien, Universität für Bodenkultur Wien, Universität Wien), so wurden 2014 auch Open Access-Publikationsfonds (Universität Salzburg³⁸, Universität Wien³⁹) eingerichtet. Nachdem sich bei SCOAP3, das die globale Umstellung etablierter Subskriptionszeitschriften aus dem Bereich Hochenergiephysik auf ein Open-Access-Modell im Sinne des Goldenen Weges zum Ziel hatte, mehrere österreichische Universitäten gemeinsam in ein internationales Open Access-Projekt erfolgreich hatten einbringen können, wurden unter Beteiligung der KEMÖ zwei Open Access-Pilotprojekte mit IOP bzw. Francis & Taylor initiiert, bei denen Article Processing Charges (APCs), die für österreichische Autorinnen und Autoren bezahlt werden, zu einer entsprechenden Reduktion der Subskriptionspreise führen (siehe Kapitel „Open Access Network Austria (OANA)“). Die Verankerung von Open Access als zusätzlichem Tätigkeitsschwerpunkt der KEMÖ bietet die Möglichkeit, diesen Aspekt in zukünftigen Lizenzverhandlungen noch stärker zu berücksichtigen. Die neue, viel stärkere Fokussierung der KEMÖ auf Open Access sollte auch im Österreichischen Bibliothekenverbund seinen Niederschlag finden. Neben einer Forcierung der Erschließung von Open Access-Publikationen in den bibliothekarischen Nachweissystemen sollten auch Wege gefunden werden, um die Administration der Open Access-Kosten (APCs) im Umfeld des Bibliotheksverbundsystems abwickeln zu können.
Grüner Weg zu Open Access Auch das Kooperationsprojekt e-Infrastructures Austria kann bereits Erfolge bei der Förderung des Grünen Weges zu Open Access vorweisen. Betrieben bei Projektbeginn nur drei der Projektpartner ein Repositorium, so hat sich deren Zahl
38 Vgl. Website Open Access-Publikationsfonds der Universität Salzburg. http://www.unisalzburg.at/index.php?id=67089 (1.5.2015). 39 Vgl. Website Open Access an der Universität Wien: Zentraler Publikationsfonds – Förderantrag. http://openaccess.univie.ac.at/foerderungen/zentraler-publikationsfonds/foerderantrag/ (1.5.2015).
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mittlerweile auf sechs erhöht, an weiteren Universitäten laufen Vorbereitungen für die Implementierung (siehe Kapitel „e-Infrastructures Austria“). Die Bedeutung von e-Infrastructures Austria spiegelt sich in der großen Beteiligung und dem nach wie vor zunehmenden Interesse wider. Wurde das Hochschulraum-Strukturmittelprojekt ursprünglich von den Bibliotheken initiiert, so sind mittlerweile auch Rechenzentren, Forschungssupport und Rechtsabteilungen der beteiligten Institutionen involviert. Auch das externe Interesse ist ungebrochen: zu den ursprünglich 25 Projektpartnern sind mittlerweile fünf externe assoziierte Partner hinzugekommen (Austrian Institute of Technology, FWF, Donau-Universität Krems, Institut für Höhere Studien, Österreichisches Staatsarchiv).
Perspektive der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Die Rahmenbedingungen für Open Access haben sich in Österreich seit 2012 nachweislich deutlich verbessert. Aber wie stehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Thema Open Access? In einer vom FWF in Auftrag gegebenen und im Jahr 2013 durchgeführten Umfrage wurden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diesbezüglich unter anderem folgende Fragen gestellt: – –
Welchen Bedarf sehen Sie für die Förderung des freien Zugangs zu wissenschaftlichen Publikationen und Daten (Open Access) für das österreichische Wissenschaftssystem? Inwieweit wird der Bedarf für die Förderung des freien Zugangs zu wissenschaftlichen Publikationen und Daten (Open Access) für das österreichische Wissenschaftssystem aus Ihrer Sicht durch das Förderangebot des FWF gedeckt?⁴⁰
67,9 Prozent aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beantworteten die Frage nach der Bedeutung von Open Access mit „Wichtig“ bis „Sehr wichtig“, bei den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sogar 79,5 Prozent. Diese Werte wurden sogar noch übertroffen in der mit EU-Mitteln finanzierten SOAPStudie, die zwischen 2009 und 2011 durchgeführt worden ist. Die Frage „Do you think your research field benefits, or would benefit from journals that publish open
40 iFQ – Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung: Befragung des wissenschaftlichen Personals an österreichischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen: Im Auftrag des Österreichischen Wissenschaftsfonds. Tabellenband. Berlin, März 2014. https://www.fwf.ac.at/fileadmin/files/Dokumente/Ueber_den_FWF/Publikationen/ FWF-Selbstevaluation/iFQ-FWF-Umfrage-Tabellenband.pdf (1.5.2015).
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access articles?” fand bei 89 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Österreich (wie übrigens auch in Deutschland) Zustimmung.⁴¹ Inwieweit dieser Einschätzung Pro Open Access der überwiegenden Zahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Österreich Rechnung getragen werden kann, wird in einem entscheidenden Maß davon abhängen, ob dem sowohl auf nationaler Ebene als auch im europäischen Kontext erfolgten klaren Bekenntnis der Politik zu Open Access auch die Bereitstellung der für den Aufbau von Open Access-Infrastruktur erforderlichen zusätzlichen Ressourcen folgen wird, insbesondere auch für die Transformation von bestehenden Subskriptions-Zeitschriften zu Open Access-Zeitschriften. Ohne Bereitstellung der entsprechenden finanziellen Mittel werden die entscheidenden Schritte in diese Richtung von forschungs- und publikationsstarken Universitäten und Forschungseinrichtungen nicht gesetzt werden können.⁴²
Literatur Akademie der bildenden Künste Wien. Richtlinie des Rektorats zur Open Access-Strategie. https://www.akbild.ac.at/Portal/kunst-forschung/open-access/akademie_open%20 access%20richtlinie.pdf/attachment_download/file (14.5.2015). Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Entwicklungsplan 2013–2015. Stand 3. Dezember 2012. Beilage 1 zum Mitteilungsblatt, 8. Stück – 2012/2013, 9.1.2013. http://www.uni-klu.ac.at/ rechtabt/downloads/mbl8b1_12_13.pdf (1.5.2015). Austrian Council / Rat für Forschung und Technologieentwicklung: Strategie 2020. Wien: Austrian Council 2009. http://test.fluidtime.com/project/austriancouncil/website/tl_files/ uploads/Strategie/090824_FINALE%20VERSION_FTI-Strategie2020.pdf (1.5.2015). Bauer, Bruno: Kommerzielle Open Access Publishing-Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand: ökonomische Zwischenbilanz der „Gold Road to Open Access“ an drei österreichischen
41 Vgl. Bauer, Bruno: Österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Goldene Weg zu Open Access. Ergebnisse aus der „Study of Open Access Publishing“ (SOAP). In: Mitteilungen der Vereinigung Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2011) H. 3–4. S. 413–428. 42 Vgl. Bauer, Bruno: Kommerzielle Open Access Publishing-Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand: ökonomische Zwischenbilanz der „Gold Road to Open Access“ an drei österreichischen Universitäten. In: GMS Medizin Bibliothek Information (2006) H. 3. Doc32. http://www.egms.de/ static/en/journals/mbi/2007-6/mbi000050.shtml (1.5.2015); Bauer, Bruno: It’s economy stupid! – Anmerkungen zu ökonomischen Aspekten des goldenen und des grünen Weges beim Open Access Publishing. In: Information. Wissenschaft & Praxis (2009) H. 5. S. 271–278; Schmidt, Nora: Der Goldene Weg des Open Access zum funktionalen Publikationswesen. Handlungsoptionen für die Universität Wien. Report. Wien 2014. S. 94. https://uscholar.univie.ac.at/view/o:337723 (1.5.2015).
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Universitäten. In: GMS Medizin Bibliothek Information (2006) H. 3. Doc32. http://www. egms.de/static/en/journals/mbi/2007-6/mbi000050.shtml (1.5.2015). Bauer, Bruno: It’s economy stupid! – Anmerkungen zu ökonomischen Aspekten des goldenen und des grünen Weges beim Open Access Publishing. In: Information. Wissenschaft & Praxis (2009) H. 5. S. 271–278. Bauer, Bruno: Österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Goldene Weg zu Open Access. Ergebnisse aus der „Study of Open Access Publishing“ (SOAP). In: Mitteilungen der Vereinigung Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2011) H. 3–4. S. 413–428. Bauer, Bruno: Braucht Österreich eine Schwerpunktinitiative „Digitale Information“? Status quo und Perspektiven für die Hochschulbibliotheken. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 3–4. S. 394–415. Bauer, Bruno: Innovationen an wissenschaftlichen Bibliotheken in Österreich: Status und Perspektiven aktueller Kooperationsprojekte. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 1. S. 11–27. Bauer, Bruno: Konstituierung von OANA (Open Access Netzwerk Austria) am 21.11.2012. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 362–365. Bauer, Bruno: Open Access Publishing in Österreich 2012. In: GMS Medizin Bibliothek Information (2012) H. 3. Doc19. Bauer, Bruno: 10 Jahre nach der Berliner Erklärung: 1. Informationsveranstaltung des Open Access Network Austria (OANA) im Rahmen der Open Access Week (Wien, 22.10.2013). In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2013) H. 3–4. S. 650–659. Bauer, Bruno: Open-Access-Kooperationen in Österreich: Open Access Network Austria und E-Infrastructures Austria – aktuelle Entwicklungen seit 2012. In: GMS Medizin Bibliothek Information (2014) H. 3. Doc22. Bauer, Bruno u. Kerstin Stieg: Open Access Publishing in Österreich 2010. In: Bibliotheksdienst (2011) H. 7. S. 700–710. Bauer, Bruno, Christian Gumpenberger, Ingrid Haas, Michael Katzmayr, Eva Ramminger u. Doris Reinitzer: Open Access an den österreichischen Universitäten 2012: Umfrage im Auftrag des Forums Universitätsbibliotheken Österreichs. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 213–217. Bauer, Bruno, Michael Katzmayr, Karlo Pavlovic u. Kerstin Stieg: Open Access in Österreich – Anmerkungen zur aktuellen Entwicklung und zu den Perspektiven für einen Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Publikationswesen. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 155–166. Bauer, Bruno, Christian Gumpenberger, Ingrid Haas, Michael Katzmayr, Eva Ramminger u. Doris Reinitzer: Open Access Bestandsaufnahme an österreichischen Universitäten: Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag des Forums Universitätsbibliotheken Österreichs (UBIFO). In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2013) H. 3–4. S. 535–558. Bauer, Bruno, Paolo Budroni, Andreas Ferus, Raman Ganguly, Eva Ramminger u. Barbara Sánchez Solís: e-Infrastructures Austria 2014: Bericht über das erste Jahr des Hochschulraumstrukturmittelprojektes für den koordinierten Aufbau und die kooperative Weiterentwicklung von Repositorieninfrastrukturen. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2015) H. 1. S. 91–118.
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Graz, Feldkirch: Neugebauer 2012. S. 102–12 (Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 11). Reckling, Falk: Open Access – Aktuelle internationale und nationale Entwicklungen. FWF. 20.2.2013. http://www.fwf.ac.at/fileadmin/files/Dokumente/News_Presse/News/FWF_ OA-2013.pdf (1.5.2015). Rohsmann, Katarina u. Martin Baumgartner: Open Access in Leistungsvereinbarungen österreichischer Forschungseinrichtungen. FFG. 28.3.2013. http://rp7.ffg.at/upload/medialibrary/ _bersicht_OA_Leistungsvereinbarungen_2013-2015_FINAL.pdf (1.5.2015). Sánchez Solís, Barbara: e-Infrastructures Austria. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2014) H. 2. S. 195–204. Schilhan, Lisa: Open Access an der Karl-Franzens-Universität Graz: von einer Top-Down Initiative zu einer Bottom-Up Policy. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2013) H. 3–4. S. 670–673. Schmidt, Nora: Der Goldene Weg des Open Access zum funktionalen Publikationswesen. Handlungsoptionen für die Universität Wien. Report. Wien 2014. S. 94. https://uscholar.univie. ac.at/view/o:337723 (1.5.2015). Schmidt, Nora u. Wolfram Seidler: Auf dem Grünen Weg. Das Institutionelle Repositorium der Universität Wien. In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (2012) H. 2. S. 218–221. Stieg, Kerstin: Kooperation E-Medien Österreich als Partner für Universitätsbibliotheken. In: Bruno Bauer, Christian Gumpenberger u. Robert Schiller (Hrsg.): Universitätsbibliotheken im Fokus – Aufgaben und Perspektiven der Universitätsbibliotheken an öffentlichen Universitäten in Österreich. Graz, Feldkirch: Neugebauer 2013. S. 257–266 (Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 13). Universität Wien 2015. Entwicklungsplan auf Vorschlag des Rektorats nach Zustimmung durch den Senat der Universität Wien am 19. Jänner 2012 vom Universitätsrat der Universität Wien am 27. Jänner 2012 einstimmig genehmigt. http://public.univie.ac.at/fileadmin/ user_upload/public/pdf/Entwicklungsplan_interaktiv.pdf (1.5.2015). Universität Wien. Open Access Policy der Universität Wien. http://openaccess.univie.ac.at/ policy/ (1.5.2015). Website IOPscience: New open access funding pilot for Austria. Updated February 2014. http://iopscience.iop.org/info/page/openaccess-austria (1.5.2015). Website Kooperation E-Medien Österreich: Letzte Meldungen. https://www.konsortien.at/ssl/ (1.5.2015). Website Open Access-Publikationsfonds der Universität Salzburg. http://www.uni-salzburg.at/ index.php?id=67089 (1.5.2015). Website Open Access an der Universität Wien: Zentraler Publikationsfonds – Förderantrag. http://openaccess.univie.ac.at/foerderungen/zentraler-publikationsfonds/foerderantrag/ (1.5.2015). Website Taylor & Francis: New open access offset agreement for Austria announced. January 2015, Oxford. http://newsroom.taylorandfrancisgroup.com/news/press-release/newopen-access-offset-agreement-for-austria#.VU-of2ccQ7U (1.5.2015).
Konstanze Söllner
Why not? Open Access in den Geisteswissenschaften If the future brings newspapers without news, journals without pages, and libraries without walls, what will become of the traditional book?¹
Digitales Publizieren in den Geisteswissenschaften Das wissenschaftliche Publikationswesen befindet sich aufgrund der Digitalisierung der wissenschaftlichen Kommunikation massiv im Umbruch. Die Geisteswissenschaften, die stärker in der Printkultur verankert sind als andere Wissenschaftsfelder, vollziehen diesen Prozess mit. Die Entwicklung verläuft dabei auf mehreren Ebenen: der Digitalisierung der herkömmlichen Printpublikationen, dem noch weitgehend experimentellen Entstehen erweiterter Publikationen (enhanced publications) sowie der Entwicklung von Open Access-Verwertungs- und Geschäftsmodellen sowohl für traditionelle geisteswissenschaftliche Publikationsformen als auch für die neuentstehenden Formate. Es gibt folglich eine Gleichzeitigkeit bei der Migration der Formate und bei der Migration der Geschäftsmodelle. Während in den Naturwissenschaften Zeitschriftenbeiträge die primäre Informationsquelle sind, haben sie in den Geisteswissenschaften geringere Bedeutung und tragen weniger zu einer wissenschaftlichen Karriere bei als die wissenschaftliche Monographie. Allerdings sind die Produktionskosten für Bücher signifikant höher als für Zeitschriftenartikel. Folglich scheint die Entwicklung funktionierender Geschäftsmodelle für Open Access-Monographien ebenso schwierig wie letztlich entscheidend für Open Access in den Geisteswissenschaften zu sein. Vergleicht man etwa die Publikationsgebühr (APC), die beim Springer-Verlag für einen Zeitschriftenbeitrag zu entrichten ist (3000 USD) mit den Kosten für eine Open Access-Monographie bei Palgrave Macmillan (17 500 USD zuzgl. Steuern), so liegt die Monographie beim Siebenfachen der Kosten. Im Vergleich zu den APCs der Non Profit-Verlage können die Kosten für ein Buch sogar leicht das Zehn- bis Fünfzehnfache erreichen. Die Mehrheit der Open Access-Journals finanziert sich
1 Darnton, Robert: The New Age of the Book. In: The New York Review of Books 46 (1999) H. 5.
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allerdings nicht über Gebühren, so dass sich die Monographie ohnehin in einer völlig anderen Ausgangssituation befindet.² Eine eingehendere Untersuchung der technischen und ökonomischen Möglichkeiten und Voraussetzungen liegt mit Martin Eves Open Access and the Humanities inzwischen vor.³ Trotz der schwierigen Kostenstruktur bieten immer mehr Verlage ihren Autoren die Möglichkeit, Monographien im Open Access zu publizieren. So legte etwa die University of California Press ein neues Programm Luminos für Open Access-Monographien auf. Für die Entwicklung des Web-basierten Workflow Management-Systems, das für Luminos zum Einsatz kommen soll, erhalten die University of California Press und die California Digital Library 750 000 USD Fördermittel von der renommierten Andrew W. Mellon Foundation. Für eine vergleichbare Plattform zur Publikation und Archivierung von geisteswissenschaftlichen Monographien wird die University of Michigan Press mit 899 000 USD von der Stiftung unterstützt. 1 200 000 USD erhält die Stanford University Press, um eine Publikationsplattform für genuin digitale Wissenschaft (digital-born scholarship) und digital angereicherte, interaktive geisteswissenschaftliche Monographien zu entwickeln. Die Cambridge University Press geht aktuell mit einem Open Access Monograph Publishing Service an den Start. Die Kosten für die Publikation eines Buchs im Open Access sollen zunächst 6500 GBP betragen. Auch in DFG-Projekten wie den an der Humboldt-Universität beheimateten Future Publications in the Humanities (Fu-PusH)⁴ werden im Basismodell Open-Access-Szenarien und Publikationsfonds von vornherein als Geschäftsund Verwertungsmodelle für future publications mitgedacht. Haben allerdings US-amerikanische Universitätsverlage bereits entschieden, auf die Veränderungen nicht nur zu reagieren, sondern prägende Innovationen selbst zu gestalten, so stellen technikgetriebene Entwicklungen von Wissenschaftseinrichtungen oder Universitätsverlagen aus deutschsprachigen Ländern noch eher die Ausnahme dar. Ein Beispiel ist das Monograph Publication Tool (MPT), das für den Heidelberger Exzellenzcluster Asia and Europe in a Global Context auf der Basis der Open Source Software Open Monograph Press (OMP) entwickelt wurde. Das im Februar 2015 gestartete Pilotprojekt OAPEN-CH des Schweize-
2 Solomon, David J. u. Bo-Christer Björk: A study of open access journals using article processing charges. In: Journal of the American Society for Information Science and Technology 63 (2012) H. 8. S. 1485–1495. 3 Eve, Martin Paul: Open access and the humanities. Contexts, controversies and the future. Cambridge: Cambridge University Press 2014. 4 Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin: DFG-Projekt: Future Publications in den Humanities (Fu-PusH). https://www.ub.hu-berlin.de/de/ueber-uns/projekte/fu-push-1/ dfg-projekt-future-publications-in-den-humanities-fu-push (12.4.2015).
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rischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) will gemeinsam mit interessierten Wissenschaftsverlagen Erfahrungen zum Open Access-Publikationsprozess sowie Daten zur Nutzung von Open Access-Buchpublikationen und zu deren Herstellungskosten gewinnen. Der Aufwand, sei es bei der Erprobung der Prozesse gemeinsam mit traditionellen Publikationsverlagen oder noch unmittelbarer bei der Entwicklung eigener neuer Plattformen, scheint auf den ersten Blick enorm hoch, ist mit Blick auf die positive Entwicklung des Publikationsaufkommens aber gerechtfertigt. Schließlich ist die Zahl der jährlich erscheinenden Buchtitel – nicht nur in den Geisteswissenschaften – nicht etwa rückläufig, sondern steigt weiter.⁵
Die Kontroverse um Open Access und ihre Protagonisten Gegen die im April 2013 erlassene Open Access Policy der britischen Research Councils UK (RCUK) erhob sich rasch deutlicher Widerspruch, unter anderem von dem renommierten englischen Althistoriker und Gräzisten Robin Osborne, Fellow des King’s College und Professor für Alte Geschichte an der Universität Cambridge. Osborne sprach sich damals grundsätzlich gegen alle Formen von verpflichtendem Open Access aus: The issue under debate is not whether a scholar should be allowed to make their work available OA – if it were I would be fighting for that possibility. The issue is whether scholars are going to be compelled to make their work available OA however unsatisfactory the OA options are for them.⁶
Dabei handelt es sich durchaus nicht um eine abweichende Einzelmeinung, wie Martin Eve gezeigt hat. „Why not Open Access?“ ist die Frage, die in der durch Polemik geprägten Debatte gern übergangen wird. Eve hat in dieser Debatte vier strittige Punkte identifiziert:
5 Die Zahl der Neuerscheinungen aus den Geisteswissenschaften stieg in Nordamerika von 48 597 im Jahr 2009 auf 51 789 im Jahr 2012, wobei der Anteil geisteswissenschaftlicher Titel am Gesamtaufkommen sogar von 45,1 auf 42,9 Prozent sank, das Gesamtaufkommen also im Verhältnis noch deutlicher wuchs. American Academy of Arts & Sciences: Academic Publishing. http://www.humanitiesindicators.org/content/indicatorDoc.aspx?i=88 (12.4.2015). 6 Poynder, Richard: Robin Osborne on the state of Open Access. Where are we, what still needs to be done? http://poynder.blogspot.de/2013/12/robin-osborne-on-state-of-open-access. html (23.12.2013).
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(a) grundsätzliche Einwände gegen Open Access, insbesondere aus Sicht der Wissenschaftler, die die Rezipierbarkeit durch ein größeres Publikum außerhalb der eigentlichen Fachcommunity grundsätzlich in Frage stellen – zu diesen gehört Robin Osborne, (b) Einwände gegenüber verschiedenen Umsetzungsformen (insbesondere Publikationsgebühren und offenen Lizenzen), (c) Einwände aus Sicht der Verlage als kommerzielle Wirtschaftsunternehmen sowie (d) Einwände, die einen möglichen Bedeutungsverlust der Bibliotheken vorhersagen. Einwände aus Sicht der Verlage als Wirtschaftsunternehmen sowie Einwände, die einen möglichen Bedeutungsverlust der Bibliotheken vorhersagen, können unberücksichtigt bleiben, da fachliche Unterschiede hierbei keine oder kaum eine Rolle spielen. Ein Teil der Kritik aus der britischen Fachwissenschaft ist sicherlich auf die Verwirrung zurückzuführen, die sowohl in der Wissenschaft als auch bei den Verlagen infolge der neuen Open Access-Policies entstanden war: Of concern to most learned societies, especially within the arts, humanities and social sciences but also visible within STEM disciplines, was the confusion surrounding the RCUK policy [. . . ] Some of the reasons cited for this were confusion over different approaches taken by publishers, who themselves suffer from the confusion caused by different approaches by HEIs; inaccessible terminology and ‘obtuse’ guidelines; the differing policies of the national funding bodies and RCUK; and the differing internal policies within institutions towards open access.⁷
Darüber hinaus gab es auch sehr konkrete Kritik aus den Geisteswissenschaften gegenüber einer verpflichtenden CC-BY-Lizenz für Open Access-Publikationen.⁸ Die geisteswissenschaftliche Community kritisierte, dass diese Lizenzvorgabe sich an der Publikationspraxis biomedizinischer oder naturwissenschaftlicher Forschung orientiere, nicht aber geeignet sei für geisteswissenschaftliche Forschungsergebnisse. Häufig enthalten geisteswissenschaftliche Veröffentlichungen urheberrechtlich geschütztes Material, für dessen Verwendung eigens die Erlaubnis beim Urheber eingeholt werden muss. Wenn der Autor zur CC-BY-Lizenz verpflichtet ist, wird es ihm unmöglich, dem Urheber die Zusicherung zu geben,
7 Research Councils UK (RCUK): Review of the implementation of the RCUK Policy on Open Access. http://www.rcuk.ac.uk/RCUK-prod/assets/documents/documents/Openaccessreport.pdf (14.4.2015), S. 15. 8 RCUK, Review (wie Anm. 7), S. 18.
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dass geschütztes Material geschützt bleibt. Auch wenn diese Problematik nicht allein bei Monographien auftritt, so hat sie bei der umfangreicheren Monographie doch einen höheren Stellenwert. Insbesondere bei wissenschaftlichen Editionen liegen die Rechte häufig bei Dritten, enorme Kosten und hoher organisatorischer Aufwand für die Rechteeinholung im Falle der Open Access-Publikation könnten die Folge sein. Betrachtet man die fachliche Zugehörigkeit allein von Open Access-Journals, so verteilt sich die Nutzung der CC-Lizenzen über die Fächer hinweg auch jetzt schon sehr ungleichmäßig, wie zuletzt von Ulrich Herb ermittelt: 100%
Kein CC/Keine Angabe CC-BY-ND CC-BY-NC-SA CC-BY-NC-ND CC-BY-NC CC-BY-SA CC-BY
90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Science
Technology
Medicine
Social Sciences
Philosophy (General)
History (General)
Language & Literature
Abb. 1: Nutzung einzelner Varianten der CC-Lizenzen in ausgewählten Fächern⁹
So nutzen in den Naturwissenschaften 32 Prozent der Journale die CC-BY- oder CC-BY-SA-Lizenz, in den Geisteswissenschaften jedoch nur neun Prozent.¹⁰ Dieser Unterschied ist zweifellos beträchtlich, aber auch in den Naturwissenschaften ist der Anteil der Zeitschriften, die nicht explizit nach CC-BY oder CC-BY-SA lizenzieren, also nicht nach den beiden als offen geltenden Lizenzen,¹¹ mit fast 70 Prozent
9 Herb, Ulrich: Creative-Commons-Lizenzen und Open-Access-Zeitschriften. In: JurPC Web-Dok. (2015) H. 5. Abs. 24. 10 Herb, Creative-Commons-Lizenzen (wie Anm. 9), Abs. 25. 11 Die CC-Lizenzen CC-BY und CC-BY-SA genügen der Open Definition der Open Knowledge Foundation. Open Knowledge Open Definition Group: Conformant Licenses – Open Definition – Defining Open in Open Data, Open Content and Open Knowledge. http://opendefinition.org/ licenses/ (25.4.2015).
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überraschend hoch. Somit bestehen zwar fachliche Unterschiede, was den Verbreitungsgrad offener Lizenzen angeht, es ist aber dennoch keineswegs so, dass offene Lizenzen in irgendeinem Fach schon als Standard von Open Access-Publikationen anzusehen sind. Die Kritik der geisteswissenschaftlichen Communities an einer Verpflichtung zu offenen Lizenzen bedeutet also nicht, dass sich die Lizenzierungspraxis der Geisteswissenschaften vollständig von der anderer Fächer unterscheidet. Vielmehr bestehen graduelle Unterschiede, die verschiedene Ursachen haben können, welche nicht unbedingt in den Eigenheiten der Fächer liegen müssen. Diese können auch in der unterschiedlichen Finanzierungsstruktur und in fachlich unterschiedlicher Verbindlichkeit von Open Access-Policies liegen: Es wäre möglich, dass sich in den besser ausgestatteten STM-Disziplinen eher kommerzielle und APC-basierte Open-Access-Journale finden, die stärker (offene) CC-Lizenzen nutzen, da die Publikationskosten (gegebenenfalls inklusive eines Gewinns für den Verlag) bereits durch APC-Zahlungen vergleichsweise solventer STM-Wissenschaftler gedeckt werden können. Weiterhin könnte die stärkere Verbreitung der Lizenzen in den STM-Fächern dem Umstand geschuldet sein, dass namhafte und förderintensive Forschungsförderungseinrichtungen wie der Wellcome Trust, die im Falle der APC-finanzierten Publikation projektbezogener Werke eine Lizenzierung unter CC-BY zwingend vorschreiben, dem STMSpektrum entstammen.¹²
Die Osborne-Kontroverse zeigt aber auch, dass die Integrität der eigenen Publikationen in den geisteswissenschaftlichen Fachkulturen einen hohen Stellenwert genießt, was zu einer tendenziellen Vermeidung offener Lizenzen führen könnte. Wie hoch aber der jeweilige Anteil dieser möglichen Ursachen an der grundsätzlich selteneren Verwendung offener Lizenzen durch Geisteswissenschaftler ist, kann nur schwer bestimmt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es nicht nur eine Ursache dafür gibt, und dass sich Open Access-Fachkulturen und die Ausgestaltung von Open Access-Policies möglicherweise wechselseitig beeinflussen oder sogar gegenseitig bedingen („Henne-Ei-Problem“). Bei der Gestaltung der Regelwerke für verpflichtenden Open Access ist daher darauf zu achten, dass aus falsch bewerteten fachkulturellen Unterschieden keine Praxis festgeschrieben wird, die sich anschließend hemmend auf die Entwicklung des digitalen Publizierens auswirkt. So könnte es für die betroffenen Wissenschaftler und Verlage langfristig auch einen Wettbewerbsnachteil bedeuten, wenn unnötig strikte Lizenzen oder Embargos stärker den fachlichen Austausch einengen, als die Rechte der Urheber zu schützen.
12 Herb, Creative-Commons-Lizenzen (wie Anm. 9), Abs. 37.
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Policies für die Geisteswissenschaften Der Transformationsprozess zu einem offenen System der Wissenschaftskommunikation verläuft in den Geisteswissenschaften langsamer als etwa in den Naturund Lebenswissenschaften. So sind verpflichtende Mandate der Förderorganisationen bislang auch noch selten. Seit dem Sommer 2014 verlangt beispielsweise der Schweizerische Nationalfonds (SNF) bei von ihm mitfinanzierten Buchpublikationen, dass diese nach einer Sperrfrist von längstens 24 Monaten auf einem institutionellen oder fachspezifischen Repositorium frei zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig fördert der SNF eine Open Access-Monographie (enriched E-Book) großzügig mit bis zu 20 000 CHF. Die Förderung des SNF für geisteswissenschaftliche Open-Access-Publikationen liegt somit deutlich über den vorher bereitgestellten Druckkostenzuschüssen, und die geförderten Buchpublikationen müssen auch erst zwei Jahre nach dem Erscheinungstermin im Open Access zugänglich sein. Infolge der Ankündigung wurde eine Petition¹³ veröffentlicht, in der „Schweizer Verlage im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften“ an Forschende appellieren, den SNF dazu zu bewegen, von der neuen Regelung Abstand zu nehmen. Eine ähnliche Open Access-Regelung gab es beim österreichischen FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) allerdings schon deutlich früher. Der FWF etablierte 2013 eines der weltweit ersten Programme für Open-Access-Buchpublikationen, die über die FWF-E-Book-Library frei zugänglich gemacht werden. Das Förderprogramm des SNF war zwar nach vorherigen Konsultationen mit Verlegern aufgelegt worden, während aber Verlage wie de Gruyter, Brill oder Böhlau frühzeitig auf die Nachfrage nach mehr Open Access-Monographien reagierten, zeigt die Petition der „Schweizer Verlage“, dass Widerstände gegen eine Umstellung der Geschäftsmodelle noch an der Tagesordnung sind. Aber nicht nur die Wissenschaftsverlage haben noch einige Jahre der Anpassung an die Open Access-Policies der Förderorganisationen vor sich. Auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind mit einer Vielzahl von mehr oder weniger spezifischen Open Access-Policies der verschiedenen Förderorganisationen konfrontiert. Häufig führt schon die Bestimmung der konkreten Sperrfrist zu Konfusion: Beginnt diese mit dem Datum der Online-Publikation oder dem formalen Publikationsdatum (das Monate oder Jahre später sein kann)? Oder beginnt
13 Fonds national suisse de la recherche scientifique FNS-SNF: L’édition académique en danger! Die akademischen Verlage sind in Gefahr! http://www.scienceeurope.org/uploads/ PressReleases/270415_Open_Access_New_Principles.pdf (27.4.2015).
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sie mit dem Datum der Annahme zur Publikation, und wo ist dieses verzeichnet? Und was bedeutet Annahme im Falle einer Monographie? Kopfzerbrechen bereitet auch die Qualitätssicherung bei der Verlagsproduktion, etwa die Sicherstellung der Indexierung in gängigen Suchmaschinen, Datenbanken und Indizes. Im Falle von Open Access-Zeitschriften sichern StandardDatenbanken wie das Directory of Open Access Journals (DOAJ), Web of Science, Scopus oder PubMed, dass Artikel indexiert werden. Das ist bei Büchern noch keine Selbstverständlichkeit. Darum verzichtete etwa Science Europe, die Vereinigung von 50 führenden europäischen Forschungs- und Förderorganisationen, bei ihrer Definition neuer erweiterter Prinzipien für Open Access-Publikationen aus wissenschaftlichen Verlagen darauf, die Indexierung von Buchtiteln verpflichtend vorzuschreiben. Stattdessen legte sie als Mindestanforderung lediglich fest: „In the case of books, collected volumes, proceedings and other academic publishing venues, basic technical information and peer review procedures have to be transparent on the website of the publishing venue.“¹⁴ Unter der Überschrift „Copyright and Re-use“ wurden Anforderungen an die verwendeten Lizenzen beim Open Access definiert. Hier wurde auf eine fachliche Differenzierung bzw. Differenzierung nach Medienarten aber verzichtet: Authors hold copyright of their publication with no restrictions. All publications shall be published under an open license, preferably the Commons Attribution CC BY (https: //creativecommons.org/licenses/by/4.0/). In any case, the license applied should fulfill the requirements defined by the Berlin Declaration (http://openaccess.mpg.de/BerlinerErklaerung).¹⁵
Damit ist allerdings noch nicht wirklich klar, ob durch den Hinweis auf die Berliner Erklärung, die auf die Creative-Commons-Lizenzen noch keinen Bezug nimmt, die Verwendung der CC-BY-Lizenz als freigestellt anzusehen ist. Schließlich stellte die Nachfolgekonferenz der Budapest Open Access Initiative 2011 fest: „We recommend CC-BY or an equivalent license as the optimal license for the publication, distribution, use, and reuse of scholarly work.“¹⁶ Im Falle eines Bezugs auf den Wortlaut der „Berliner Erklärung“ wären umfassende Nachnutzungsmöglichkeiten mit standardisierter Rechteübertragung von Science Europe noch nicht
14 Science Europe: New Science Europe Principles on Open Access Publisher Services. http://www.scienceeurope.org/uploads/PressReleases/270415_Open_Access_New_Principles. pdf (3.5.2015). 15 Science Europe, New Science Europe Principles (wie Anm. 14). 16 Budapest Open Access Initiative: Ten years on from the Budapest Open Access Initiative: setting the default to open. http://www.budapestopenaccessinitiative.org/boai-10-recommendations (4.5.2015).
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verpflichtend formuliert. Diese Ausnahme wird aber pauschal für alle Fächer ausgesprochen, nicht nur für die Geisteswissenschaften. Unterschiedlich gehen die Förderorganisationen derzeit auch noch mit dem Thema Compliance um. Beim FWF gibt es seit 2008 eine Verpflichtung zu Open Access. In einer mehrjährigen Übergangsphase wurde auf eine flächendeckende Überprüfung der Compliance jedoch zunächst verzichtet. Ab dem 1. Januar 2016 werden nun nur noch Endberichte abgenommen, in denen alle referierten Publikationen als Open Access-Publikationen ausgewiesen sind. Ähnlich ist die Situation in Großbritannien. Der Higher Education Funding Council of England (HEFCE) wird für die nächste Runde der regelmäßigen Überprüfung der Forschungsqualität an britischen Hochschulen 2020 (Research Excellence Framework – REF) nur noch Open Access-Artikel berücksichtigen. Diese bilden dann die Basis für die Festlegung der regulären Finanzunterstützung der jeweiligen Hochschule. 2014 veröffentlichte der HEFCE eine „Policy for open access in the post-2014 Research Excellence Framework“.¹⁷ Dieses Regelwerk gilt nun für sämtliche Zeitschriftenartikel und Konferenzbeiträge aus Publikationen mit International Standard Serial Number (ISSN), die vom 1. April 2016 an zur Veröffentlichung angenommen werden. HEFCE geht von einer unverzüglichen Verzeichnung der Publikation auf dem institutionellen Publikationenserver aus („no later than one month after deposit“ bzw. „no later than one month after the end of the embargo period“), lässt aber Embargofristen von einem bzw. sogar zwei Jahren in den Geistes- und Sozialwissenschaften bis zur tatsächlichen Veröffentlichung der Publikation auf dem Grünen Weg zu. Das Einräumen besonders großzügiger Embargofristen hat seinen Grund: Fachgesellschaften in den Geistes- und Sozialwissenschaften sind von den Veränderungen beim wissenschaftlichen Publizieren doppelt betroffen. Wissenschaftler verfügen einerseits nicht über ausreichende Mittel, um Publikationsgebühren zu bezahlen, andererseits finanzieren die Gesellschaften ihre Aktivitäten über Einnahmen aus den Subskriptionszeitschriften. Die Umstellung auf Open Access könnte zu einem Defizit führen. Die großzügigen Sperrfristen für den Grünen Weg könnten allerdings zur Folge haben, dass dieser absichtlich oder unabsichtlich als Königsweg für die Geistes- und Sozialwissenschaften propagiert wird. Und dies, obwohl sich diese Festlegung an Zeitschriftenartikeln und Konferenzbeiträgen orientiert und nicht etwa an der geisteswissenschaftlichen Monographie, dem Medium, das für die wissenschaftliche Reputation von Forschern noch immer die weitaus größere Bedeutung hat. 17 Higher Education Funding Council of England (HEFCE): Policy for open access in the post2014 Research Excellence Framework. http://www.hefce.ac.uk/media/hefce/content/pubs/2014/ 201407/HEFCE2014_07.pdf (4.5.2015).
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Der HEFCE hat folgerichtig in Zusammenarbeit mit dem Arts and Humanities Research Council und dem Economic and Social Research Council das umfangreiche HEFCE monographs and open access project aufgesetzt, das von Geoffrey Crossick, Distinguished Professor of the Humanities an der School of Advanced Study der University of London, ehemals Rektor der University of London und Leiter des renommierten Goldsmiths-College, durchgeführt wurde. Im Rahmen des Projekts sollten Möglichkeiten ausgelotet werden, wie Förderorganisationen, Forschungseinrichtungen, Verlage und Wissenschaftler im Falle der Open Access-Monographie vorgehen sollten. Crossick legte im Januar 2015 mit seinem Abschlussbericht eine hochdifferenzierte Untersuchung vor, die den jeweiligen Rollen nicht nur der Wissenschaftler, Fachgesellschaften oder Verlage, sondern auch der Universitäten, Bibliotheken und Universitätsverlage umfangreich Rechnung trägt und jeweils sehr konkrete Perspektiven aufzeigt.¹⁸ Crossick untersuchte dabei handhabbare und unmittelbar praktikable „policy implications“ in großer Anzahl, verteilt über unterschiedliche Entwicklungsstadien eines möglichen Open Access-Regelwerks, das Monographien ausdrücklich mit einschließt. Parallel dazu betont Crossick die Bedeutung, die der wissenschaftlichen Monographie in den Geisteswissenschaften unverändert zukomme, sowie das daraus resultierende hohe Engagement und besondere Interesse von Geisteswissenschaftlern in Bezug auf die Open Access-Monographie. Das vom HEFCE mit dem Bericht über die Implementierungsphase der RCUKOpen-Access-Policy betraute Panel sprach im Ergebnis dann auch folgende positive Empfehlung aus: „The panel recommends that monographs may be an appropriate area of focus for a future review of RCUK policy implementation, in line with any future work the UK funding bodies may do on policy in this area.“¹⁹
Open Access-Modelle und die Rolle der Monographie Modelle für Open Access in den Geisteswissenschaften gibt es schon eine ganze Reihe. So nutzen jetzt schon Forscher mit stark interdisziplinärer Arbeitsweise, wie etwa Medizinethiker oder Psychologen, die etablierten Open Access-Publi-
18 Crossick, Geoffrey: Monographs and Open Access. A report to HEFCE. http://www.hefce. ac.uk/media/hefce/content/pubs/indirreports/2015/Monographs,and,open,access/2014_ monographs.pdf (5.5.2015). 19 RCUK, Review (wie Anm. 7), S. 15.
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kationskanäle der benachbarten Disziplinen, in diesem Falle der Medizin. Das DOAJ verzeichnet aktuell 659 Open Access-Zeitschriften aus den Sprach- und Literaturwissenschaften (davon zwei, die APCs erheben) sowie 1100 Zeitschriften aus den Sozialwissenschaften (davon erheben fünf APCs). Aus dem Bereich der großen Wissenschaftsverlage sind allerdings nur für Springer und de Gruyter nennenswerte Aktivitäten bei der Entwicklung von Open Access-Zeitschriften im DOAJ dokumentiert. Neuerdings kommen geisteswissenschaftliche Open AccessMegajournals auf den Markt, etwa Brill Open Humanities (BOH), eine interdisziplinäre Zeitschrift, die APCs in Höhe von 495 EUR für den Beitrag erhebt. Auch das neue Megajournal Heliyon vom eher naturwissenschaftlich-medizinisch ausgerichteten Verlag Elsevier will Geisteswissenschaftler ebenso wie Astrophysiker oder Pflanzenbiologen ansprechen. Ein völlig anderes Finanzierungsmodell liegt der Open Library of Humanities (OLH) zugrunde, einem interdisziplinären Open Access-Megajournal für die Geisteswissenschaften nach dem Vorbild der Public Library of Science (PLoS), das im Dezember 2014 erstmals zur Einreichung von Beiträgen aufrief. Die Finanzierung dieser Overlay-Zeitschrift²⁰ beruht im Unterschied zu PLoS und den anderen Megajournals nicht auf Publikationsgebühren, sondern auf einem Mitgliedschaftsmodell für Bibliotheken (Library Partnership Subsidies – LPS). OLH will ein Alternativmodell für geisteswissenschaftliche Forschung sein, die häufig ohne Drittmittel oder eine andere dezidierte Förderung auskommen muss. Außerdem soll das Mitgliedschaftsmodell garantieren, dass die Publikationsplattform dauerhaft und sicher zur Verfügung steht. Neben einer Reihe von britischen und US-amerikanischen Universitäten gehören auch das GALILEO-Konsortium, die Andrew W. Mellon Foundation und der Wellcome Trust zu den Unterstützern. Darüber hinaus wurden Partnerschaften mit Jisc und LYRASIS abgeschlossen. Die Mitgliedschaftsbeiträge für OLH sind moderat und belaufen sich etwa für LYRASIS-Mitglieder auf maximal 1000 USD: Tab. 1: Mitgliedsbeiträge im Rahmen des OLH Library Partnership Subsidy programme von LYRASIS 0–4999 FTE (including 2-year colleges, special, and public libraries)
$ 500
5000–9999 FTE
$ 750
10 000+ FTE
$ 1000
20 Overlay-Journals arbeiten nach einem sehr schnellen und effizienten Verfahren der nachgelagerten Begutachtung. Sie nutzen Open Access-Repositorien als Infrastruktur, die Begutachtung erfolgt erst nach der Publikation.
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OLH bietet außerdem Subskriptionszeitschriften Unterstützung bei der Transformation ihrer Geschäftsmodelle in eine Open Access-Umgebung. OLH soll künftig aber auch die Publikation von Monographien ermöglichen, was als Schlüssel für einen erfolgreichen Übergang geisteswissenschaftlichen Publizierens in die Open Access-Umgebung angesehen wird. Die retrospektive Open Access-Publikation ist Gegenstand eines Förderprogramms der US-amerikanischen National Endowment for the Humanities (NEH) und der Andrew W. Mellon Foundation. Im Rahmen eines Pilotprojekts sollen unter besonderer Berücksichtigung der für die Geisteswissenschaften charakteristischen Rechteproblematik vergriffene Werke aus Universitätsverlagen unter einer CC-Lizenz zugänglich gemacht werden. Das Humanities Open Book program ist Teil der Initiative The Common Good, die die Bedeutung der Geisteswissenschaften für das öffentliche Leben steigern soll. Das Humanities Open Book program ist nicht die einzige Open Access-Initiative, die sich auf die Infrastruktur der großen Universitätsverlage stützt. Auch der Bericht von Geoffrey Crossick verweist auf die Rolle der Universitätsverlage bei der Etablierung von Open Access in den Geisteswissenschaften: It is perhaps in response to the above drivers that universities and their librarians, in the UK and other countries, are showing an increased interest in curating and disseminating the outputs of the research that their academics undertake. Here is a possible role for both libraries and university presses, and it is interesting to note that in the USA there are early signs that the latter are beginning to be moved into the former . . . ²¹
Werden Universitätsverlage künftig die nachhaltige Infrastruktur für die traditionelle Monographie und somit die eigentlichen Universitätsbibliotheken bilden? Im Zeitalter von Open Access scheint dies eine konsequente Entwicklung zu sein, zumindest was die geisteswissenschaftliche Monographie betrifft. Open Access setzt sich in der Scientific Community in dem Maße durch, wie die Qualitätssicherung gelingt, fokussiert aber noch immer auf Zeitschriftenartikel. Der Publikationsoutput der Institutionen ist dabei aber bei weitem nicht umfasst, weil die Rolle der verschiedenen Publikationsformate und disziplinäre Besonderheiten ignoriert werden. Mag für bestimmte Fächer und Formate Open Access am effektivsten und kostensparendsten auf dem Wege einer internationalen Koalition von Partnern umgesetzt werden können, die bereit sind, den vollständigen Umstieg von Subskriptionszeitschriften auf Open Access mit den großen Wissen-
21 Crossick, Monographs (wie Anm. 18), S. 53.
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schaftsverlagen auszuhandeln²², so gelten für die Open Access-Monographie andere Regeln. Institutionelle Hosts wie die Bibliotheken oder die Universitätsverlage, die die Infrastruktur für die Redaktion, Verbreitung und Archivierung von Open Access-Publikationen bereitstellen, könnten eine neue Rolle im Publikationsprozess übernehmen. Dabei könnte sich die Monographie zu einem entscheidenden Hebel für geisteswissenschaftlichen Open Access entwickeln.
Literatur American Academy of Arts & Sciences: Academic Publishing. http://www.humanitiesindicators. org/content/indicatorDoc.aspx?i=88 (12.4.2015). Budapest Open Access Initiative: Ten years on from the Budapest Open Access Initiative: setting the default to open. http://www.budapestopenaccessinitiative.org/boai-10recommendations (4.5.2015). Crossick, Geoffrey: Monographs and Open Access. A report to HEFCE. http://www.hefce.ac. uk/media/hefce/content/pubs/indirreports/2015/Monographs,and,open,access/2014_ monographs.pdf (5.5.2015). Darnton, Robert: The New Age of the Book. In: The New York Review of Books 46 (1999) H. 5. http://www.nybooks.com/articles/archives/1999/mar/18/the-new-age-of-the-book/ (12.4.2015). Eve, Martin Paul: Open access and the humanities. Contexts, controversies and the future. Cambridge: Cambridge University Press 2014. Fonds national suisse de la recherche scientifique FNS-SNF: L’édition académique en danger! Die akademischen Verlage sind in Gefahr! http://www.scienceeurope.org/uploads/ PressReleases/270415_Open_Access_New_Principles.pdf (27.4.2015). Herb, Ulrich: Creative-Commons-Lizenzen und Open-Access-Zeitschriften. In: JurPC Web-Dok. (2015) H. 5. Abs. 1–38. DOI: 10.7328/jurpcb20153011. Higher Education Funding Council of England (HEFCE): Policy for open access in the post-2014 Research Excellence Framework. http://www.hefce.ac.uk/media/hefce/content/pubs/ 2014/201407/HEFCE2014_07.pdf (4.5.2015). Open Knowledge Open Definition Group: Conformant Licenses – Open Definition – Defining Open in Open Data, Open Content and Open Knowledge. http://opendefinition.org/ licenses/ (25.4.2015). Poynder, Richard: Robin Osborne on the state of Open Access. Where are we, what still needs to be done? http://poynder.blogspot.de/2013/12/robin-osborne-on-state-of-openaccess.html (23.12.2013).
22 Schimmer, Ralf, Kai Karin Geschuhn u. Andreas Vogler: Disrupting the subscription journals’ business model for the necessary large-scale transformation to open access. A Max Planck Digital Library Open Access Policy White Paper. http://dx.doi.org/10.17617/1.3 (9.5.2015).
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Research Councils UK (RCUK): Review of the implementation of the RCUKPolicy on Open Access. http://www.rcuk.ac.uk/RCUK-prod/assets/documents/documents/ Openaccessreport.pdf (14.4.2015). Schimmer, Ralf, Kai Karin Geschuhn u. Andreas Vogler: Disrupting the subscription journals’ business model for the necessary large-scale transformation to open access. A Max Planck Digital Library Open Access Policy White Paper. http://dx.doi.org/10.17617/1.3 (9.5.2015). Science Europe: New Science Europe Principles on Open Access Publisher Services. http://www.scienceeurope.org/uploads/PressReleases/270415_Open_Access_New_ Principles.pdf (3.5.2015). Solomon, David J. u. Bo-Christer Björk: A study of open access journals using article processing charges. In: Journal of the American Society for Information Science and Technology 63 (2012) H. 8. S. 1485–1495. Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin: DFG-Projekt: Future Publications in den Humanities (Fu-PusH). https://www.ub.hu-berlin.de/de/ueber-uns/projekte/fu-push1/dfg-projekt-future-publications-in-den-humanities-fu-push (12.4.2015).
Ulrich Hohoff
Generationengerechtigkeit und wissenschaftliche Bibliothek Ein neues Konzept für die dauerhafte Nutzbarkeit der Publikationen aus Wissenschaft und Kultur Viele Architekten und Bauplaner haben in den letzten Jahren die Themen generationengerechtes Bauen und generationengerechtes Wohnen entdeckt. Sie bieten Häuser und Wohnungen an, die auf den speziellen Bedarf bestimmter Altersgruppen zugeschnitten sind. Meistens sind es Angebote für jene älteren Menschen, die in der Werbesprache häufig die Generation 50 plus genannt werden. Auch für Bibliotheken sind generationengerechte Angebote von Servicedienstleistungen ein wichtiges Thema. So gelten etwa in der Benutzung vor Ort Arbeitsräume für die Gruppenarbeit mit einem tolerablen Geräuschpegel sowie mobile Services als attraktive Angebote für die aktuell Studierenden.
Der Begriff „Generationengerechtigkeit“ Mit Benutzungsfragen beschäftigt sich dieser Beitrag jedoch nicht. Denn der Begriff Generationengerechtigkeit im Titel bezeichnet nicht dasselbe wie „generationengerecht“, sondern etwas Anderes und Grundsätzlicheres. Generationengerechtigkeit ist jene Gerechtigkeit, die sich durch den Vergleich zwischen den Generationen ermitteln lässt. Sie betrifft gleichzeitig lebende, also einander überlappende, aber auch aufeinander folgende Generationen. Der zuletzt genannte Fall, die intergenerationelle Gerechtigkeit, bildet den Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen. Ihr Thema ist das Verhältnis der heute lebenden Generationen in der Wissenschaft und der Kultur zu den später folgenden Generationen. „Generationengerechtigkeit“ ist in Deutschland erstmals in den 1980er-Jahren in der politischen Debatte über die Zukunft des Sozialstaats als wichtiges Thema der Gesellschaft erkannt worden. Seinerzeit hatte die Debatte sich an der Frage entzündet, ob die Altersrente langfristig sicher sei. Sie legte einen Generationenkonflikt zwischen älteren und jüngeren Bürgern offen. Später avancierte „Generationengerechtigkeit“ zum zentralen Begriff in der Debatte um eine nachhaltige Politik, welche die natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt. Etwa seit dem Jahr 2002 fand er erstmals Eingang in die Programme politischer Parteien.
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Die folgende Definition von Jörg Tremmel aus dem „Handbuch Generationengerechtigkeit“ (2003) ist ein Resultat dieser Entwicklung. „Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Chancen nachrückender Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse mindestens so groß sind wie die der ihnen vorangegangenen Generationen.“¹ Diese Definition geht auf den sogenannten Nachhaltigkeits-Imperativ von 1987 zurück. Damals hatte der „BrundtlandBericht“ der UNESCO-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung ihn erstmals verwendet.² Im Prinzip erstreckt Generationengerechtigkeit sich auf sämtliche Generationen in der Zukunft und auf deren jeweilige Angehörige. Dadurch konfrontiert sie die Politik mit großen Herausforderungen; hier ist ein Beispiel dafür: „Es darf also z. B. nicht die heute mittlere Generation die heute junge besser stellen um den Preis, dass es der nächstfolgenden schlechter als beiden geht.“³
Generationengerechtigkeit und nachhaltige natürliche Ressourcen Generationengerechtigkeit ist ein Konzept von grundsätzlicher Bedeutung. Es wendet den Grundsatz, dass die Bürger eines Landes dieselben Rechte haben, auch auf die Zukunft dieses Landes an. Daher kann Generationengerechtigkeit sogar zum Leitbild für eine Gesellschaft werden, die Gegenwart und Zukunft als gleichwertig ansieht und die Bürger beider Zeiträume jeweils in ihren Rechten respektiert. Der Erfolg des Konzepts zeigte sich rasch in der Diskussion über die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Schon im Jahr 1994 ist es gelungen, Nachhaltigkeit in Verbindung mit Generationengerechtigkeit an prominenter Stelle gesetzlich zu verankern. Sie wurde damals in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Art. 20a GG lautet: „Der Staat schützt auch in Ver-
1 Tremmel, Jörg: Generationengerechtigkeit – Versuch einer Definition. In: Stiftung für die Rechte künftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit. Bearbeitet von Jörg Tremmel. 2., verb. Aufl. München: ökom Verlag 2003. S. 35. 2 Dort heißt die Formulierung: „Nachhaltigkeit ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der heutigen Generation erfüllt, ohne den künftigen Generationen die Möglichkeit zu nehmen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen.“ Weltkommission für Umwelt und Entwicklung: Unsere gemeinsame Zukunft (Brundtland-Bericht). Mit einem neuen Vorwort zur deutschen Ausgabe. Hrsg. von Volker Hauff. Greven: Eggenkamp Verlag 1987. Nr. 27. 3 Tremmel, Generationengerechtigkeit (wie Anm. 1), S. 35.
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antwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung . . . “. Generationengerechtigkeit genießt also im Hinblick auf den Natur- und Umweltschutz bereits Verfassungsrang. Trotz offener Fragen ist Generationengerechtigkeit in den Bemühungen um eine nachhaltige Ressourcenpolitik ein weltweites Topthema geworden. Das zeigt sich etwa daran, dass der Club of Rome sich dafür einsetzt. „Grenzen des Wachstums“ hieß der Aufsehen erregende erste Bericht an den Club of Rome von 1972. Dieser Buchtitel hat als Begriff Karriere gemacht. Zuletzt erschien 2009 die überarbeitete und aktualisierte dritte Version des Berichts. Darin ist Generationengerechtigkeit als eine Hauptforderung zur Rettung der natürlichen Lebensgrundlagen aufgeführt. Im abschließenden Kapitel „Rüstzeug für den Übergang zur Nachhaltigkeit“ wird sie als unverzichtbarer Bestandteil einer verantwortungsvollen Ressourcenpolitik gewürdigt. Um diese zu realisieren, richtet der Bericht an den Club of Rome folgende Forderung an die Politik: „Politische Strukturen, die ein Gleichgewicht zwischen kurzfristigen und langfristigen Überlegungen erlauben: die Möglichkeit, jetzt zugunsten unserer Enkel politischen Druck auszuüben.“⁴ Als Konzept umfasst Generationengerechtigkeit aber weit mehr als diesen Teilbereich des Zusammenlebens. Wenn versucht wird, sie in die Praxis umzusetzen, sind jeweils gewichtige Fragen zu klären. Die möglichen Lösungen sind Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher und politischer Fachdiskussionen. Einige der zu lösenden Probleme betreffen nicht nur den Umweltschutz und den Naturschutz, sondern jeden Lebensbereich, der Generationengerechtigkeit anstrebt: – die Begriffsklärung: Wer ist z. B. mit „Generation“ gemeint? – die Verbindlichkeit: Wer schließt mit wem darüber Vereinbarungen (und für welchen Zeitraum sollen sie gelten)? – die Verschriftlichung von Bedürfnissen zukünftiger Generationen: Wer kennt sie und wer verantwortet ihre Formulierung? – die Prognose-Unsicherheit: Wie werden zentrale Faktoren wie das Klima und der Ressourcenbedarf sich entwickeln?
4 Meadows, Donella, Joergen Randers u. Dennis Meadows: Grenzen des Wachstums. Das 30Jahre-Update. Signal zum Kurswechsel. Aus dem Englischen von Andreas Held. 3. Aufl., mit einem Geleitwort von Prinz El Hassan Bin Talal, Präsident des Club of Rome. Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2009. S. 284.
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das Motivationsproblem: Welcher Antrieb ist stark genug, um Menschen heute zum Lösen von Problemen zu veranlassen, die weit in der Zukunft liegen?⁵
Generationengerechtigkeit und nachhaltige Ressourcen in Kultur und Wissenschaft Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Generationengerechtigkeit zu erreichen, besteht darin, die für nachfolgende Generationen wichtigen Güter zu bewahren und sie für die Zukunft bereitzustellen. Sie bilden einen erheblichen Teil des Erbes für die Zukunft. Zu diesen Gütern, die einige Autoren auch als Kapitalien bezeichnen, gehören zunächst, wie wir sahen, die Güter der Natur. Eine Folge des neuen Umweltbewusstseins war z. B. das „grüne Bauen“ auch für Kultur und Wissenschaft. Es verwendet natürliche Materialien und hilft, die Umweltbelastung zu vermindern, etwa durch einen minimalen Energieverbrauch. Daneben gelten noch weitere Güter als unverzichtbares Erbe für künftige Generationen: soziale Güter (darunter die Institutionen in der Gesellschaft), menschliche Güter (darunter Bildung und Wissen) sowie kulturelle Güter (darunter das kulturelle Erbe).⁶ Folgt man diesem Ansatz, dann sind Institutionen wie die wissenschaftliche Bibliothek und die Universität sowie das dort vorhandene Erbe an Wissenschaft und Kultur wichtige Bausteine im Konzept der Generationengerechtigkeit. Die Umsetzung beginnt jeweils damit, dass die wichtige Option auf Zukunftsfähigkeit für diese Güter ernst genommen wird. Eine rechtliche Verpflichtung auf dieses Konzept wird sich allerdings kaum erreichen lassen. Daher stellt sich die Frage, welchen Grad an Verbindlichkeit die Orientierung des Handelns am Bedarf der folgenden Generationen erreichen kann. Auf der Suche nach einer Antwort kann man auf andere Regelungen in der Gesellschaft verweisen, die ebenfalls keine Fixierung des Wortlauts in Verträgen im Wortsinn kennen. Ein Beispiel: „Generationenverträge sind die einzigen Verträge, die von den Vertragspartnern nicht unterschrieben sind.“⁷ Entscheidend ist, dass sie trotzdem gelten, solange die Gesellschaft von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Ein weiteres Beispiel ist das Renten5 Diese und weitere Punkte erörtert Markus Vogt: Prinzip Nachhaltigkeit. Ein Entwurf aus theologisch-ethischer Perspektive. München: ökom Verlag 2009. S. 386 ff. 6 Tremmel, Generationengerechtigkeit (wie Anm. 1), S. 37. 7 Woestmeyer, Martin: Generationengerechte Kulturpolitik. In: Handbuch Generationengerechtigkeit (wie Anm. 1), S. 297.
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system: Eine Generation zahlt ein, die nächste finanziert daraus ihre Rente. Das funktioniert, weil die einzahlende Generation darauf vertrauen kann, dass sie ihre eigene Rente später aus den Zahlungen der vorigen Generation erhalten wird. In Wissenschaft und Kunst ist die Ausgangssituation anders, weil dort kein staatliches Sicherungssystem (wie eine Rentenversicherung) existiert. Trotzdem funktioniert auch hier das Prinzip der Weitergabe von Gütern an die nächste Generation gut. Denken wir in der Wissenschaft etwa an die anerkannte Feststellung des Wissenschaftssoziologen Robert K. Merton, wonach Wissenschaftler auf den Schultern von Riesen stehen. Dort oben sehen sie weiter als ihre Vorgänger und können dadurch neue wissenschaftliche Leistungen erbringen. Sie nutzen das ihnen überlieferte Wissen und bauen auf diesem Wissen Neues auf. Oder denken wir in der Kultur an die entscheidend wichtige Rolle der Tradition. Das lateinische Wort bezeichnet den Vorgang der Überlieferung. Die Tradition sichert uns den Zugriff auf überkommene Kulturschätze und kulturelle Errungenschaften der Vergangenheit; sie prägt zugleich den Umgang mit ihr. Durch Tradition gehen diese Güter auch an die nächste Generation über. Die beteiligten Personen nehmen hier die Rolle von Treuhändern für die Kultur ein. In ihrem Handeln sind sie sich der Zustimmung durch die Gesellschaft sicher. Auch in der Wissenschaft spielt das intergenerationelle Weitergeben von Wissen eine erhebliche Rolle. In der Forschung spiegelt sie sich z. B. in dem besonderen Verhältnis zwischen Dozenten („Lehrer“) und ihren habilitierten ehemaligen Studierenden („Schüler“) wieder, aber auch in der Rolle, welche die „Schule“ eines Wissenschaftlers bzw. einer Wissenschaftlerin für die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse spielt. Da die Wissenschaften und die Kultur die Weitergabe von Wissen an die folgende Generation laufend wahrnehmen, macht diese Funktion sie zu natürlichen Wegbereitern von Generationengerechtigkeit. Legen wir die zitierte Definition von Generationengerechtigkeit zugrunde, dann lautet die Kernfrage für die Umsetzung dieses Konzepts: Wie können wir heute dazu beitragen, dass die Chancen der Nachkommen auf Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht schlechter sind als jetzt? Mit Sicherheit lässt sich schon sagen, dass eine generationengerechte Kulturpolitik nicht weniger als einen Paradigmenwechsel erfordert. Denn: „Kulturelles Handeln richtet sich traditionell an den Interessen früherer Generationen aus. Kulturelles Handeln und Politik an den Interessen der Nachkommen auszurichten, könnte auch zu einem bewussteren Umgang mit dem schöpferischen Prozess in der Gegenwart führen.“⁸ Das würde bedeuten, dass Nachhaltigkeit bereits in der Gegenwart als Leitmotiv des kulturellen Handelns Geltung erlangen müsste. In einer Reihe von Wissenschafts-
8 Woestmeyer, Kulturpolitik (wie Anm. 7), S. 306.
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fächern haben Traditionen einen so hohen Stellenwert, dass sie auch in Zukunft als unentbehrlich angesehen werden. Das gilt etwa für geisteswissenschaftliche Fächer, für das Recht und für die Mathematik. Aber welche Chancen hat Nachhaltigkeit für lange Zeit in Forschungsgebieten, die heute auf immer kürzere Innovationszyklen der digitalen Welt rasch reagieren müssen? In den noch weitgehend textbasierten Wissenschaftsfächern dürfte eine positive Antwort darauf eher zu finden sein als in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern sowie in der Medizin. Aber auch dort ist die Grundlagenforschung ein entscheidender Teil des Wissenschaftssystems. Außerdem ist die Motivation, sinnvolle Anwendungen für kommende Generationen zu entwickeln, hier häufig sehr stark. Selbst Disziplinen mit raschen Innovationszyklen sollten daher in der Lage sein, Zukunftsfähigkeit zu einem Grundprinzip ihrer Arbeit zu machen. Denn nur ein Planungshorizont, der sich auf längere Zeiträume erstreckt, wird sicherstellen, dass Grundlagenforschung sich in Anwendungen umsetzen lässt und dass das Wissen dieser Fächer auch der nächsten Generation zur Verfügung steht. Ein Vordenker des Konzepts der Generationengerechtigkeit, Jörg Tremmel, schlug in seiner 2012 publizierten „Theorie der Generationengerechtigkeit“ angesichts der erheblichen Umsetzungsprobleme (einige hatten wir oben genannt) bereits vor, in der Frage, was von heute nach morgen weiterzugeben ist, besser nicht mehr von Gütern (oder Kapitalien; beide Begriffe werden in einem sehr weiten Sinn gebraucht) zu sprechen. Denn die Praxis zeige, dass deren Wünschbarkeit, Definition, Berechnung und Substituierbarkeit große Probleme darstellten. Andere Diskutanten lehnten diesen Schritt als voreilig ab. Ein Alternativvorschlag von Tremmel, stattdessen auf die internationale Ebene zu wechseln und das menschliche Wohl ausschließlich nach dem Human Development Index der UNESCO (HDI) zu berechnen, stößt ebenfalls auf heftige Kritik. Im HDI werden nämlich nur wenige Eigenschaften berücksichtigt (vor allem Lebenserwartung, Bildungsdauer und Einkommen). Auch wird z. B. die Unterscheidung zwischen arm und reich in einen Land im HDI nicht abgebildet.⁹ Daher ist der Versuch, das Konzept der Generationengerechtigkeit auf die „Güter“ Wissenschaft und Kultur sowie auf wissenschaftliche Bibliotheken als anerkannte Vermittlungsinstanzen für diese Güter zu beziehen, vielversprechend. Zu fragen ist hier, inwiefern Nachhaltigkeit auf lange Zeit für Kultur und Wissenschaft gegeben oder herstellbar ist. Einige Probleme, die sich der wissen-
9 Tremmel, Jörg: Eine Theorie der Generationengerechtigkeit. Münster: mentis Verlag 2012. S. 119–210. Vgl. die Rezensionen von Anja Karnein (Deutsche Zeitschrift für Philosophie 61 [2013] H. 5–6. S. 837–840) und Johannes Rohbeck (Zeitschrift für politische Theorie 5 [2014] H. 1. S. 121– 124).
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schaftlichen Bibliothek auf dem Weg zu einem generationengerechten Umgang mit den Gütern der Wissenschaft und der Kultur stellen werden, sollen kurz erörtert werden.
Ein generationengerechter Umgang mit nicht digital vorliegenden Beständen Es gibt zunehmend Stimmen, die davor warnen, dass Printbestände bzw. nicht digital vorliegende Materialien in einer immer stärker durch den digitalen Zugriff bestimmten Gesellschaft – zumindest im Bereich der Kultur – bereits ins Hintertreffen geraten seien: „Der Systemwechsel vom analogen zum digitalen kulturellen Gedächtnis hat sich in den letzten drei Jahrzehnten unaufhörlich beschleunigt. Er ist dem Prinzip nach vollzogen. Eine offene Diskussion darüber, ob und in welcher Form das kulturelle Gedächtnis - Literatur, bildende Kunst, historische Dokumente, Filme, Fotografien - den zukünftigen Generationen am besten überliefert werden sollte, wurde nicht geführt.“¹⁰ Es ist abzusehen, dass die Ubiquität medialer Speicherung sich auf das Ziel der Generationengerechtigkeit in zweierlei Hinsicht negativ auswirken dürfte. Am Beispiel des Kulturguts sei die Situation kurz skizziert. Eine künftige Generation, die überliefertes Kulturgut nur in digitaler Form kennlernt und erfährt, würde erstens den Zugang zu den Originalen verlieren. Damit würde ihre Entscheidungsfreiheit wesentlich beschnitten; sie hätte nicht mehr die Möglichkeiten der vorherigen Generation. Viele Erfahrungsbereiche gingen verloren, darunter die Erfahrung der Materialvielfalt und der spezifischen Formen von Information auf vielfältigen nicht digital vorliegenden Trägermedien, die optischen und haptischen Möglichkeiten und der Blick für den intrinsischen Wert der Originale. Der Überblick darüber, welcher Anteil aller Originale digital verfügbar ist, ginge ebenfalls verloren. Noch fataler sei es, so wird argumentiert, dass die nächste Generation von der Tradition abgeschnitten würde. Eines der wesentlichen Argumente für Nachhaltigkeit im Sinn von Generationengerechtigkeit ist bisher die Reziprozität des Erbes: Die künftige Generation soll den Zugang zur Tradition erhalten, weil die
10 So der Kulturwissenschaftler Bernhard Serexhe: Skizzen zum Systemwechsel des kulturellen Gedächtnisses. In: Der Vergangenheit eine Zukunft. Eine Publikation der deutschen Digitalen Bibliothek. Hrsg. von Ellen Euler u. Paul Klimpel. Berlin: iRights.Media 2015 (ohne Seitenzahlen). http://irights-media.de/webbooks/dervergangenheiteinezukunft/chapter/ skizzen-zum-systemwechsel-des-kulturellen-gedaechtnisses/ (25.5.2015).
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jetzige Generation diesen Zugang auch von ihrer Vorgänger-Generation erhalten hat. Dieses Prinzip würde außer Kraft gesetzt, wenn nur noch digitalisierte Inhalte zugänglich blieben, die Medien, auf denen die Inhalte über lange Zeit überliefert wurden, aber nicht. Es ist hilfreich, sich in dieser Diskussion zu vergewissern, dass für das Konzept der Generationengerechtigkeit die Alternativlosigkeit des kulturellen Gedächtnisses in digitaler Form ja weder zwingend noch eigentlich akzeptabel ist. Wenn die künftige Generation digitale Angebote bevorzugt und darauf mobil zugreift, muss natürlich bald ein sehr breites digitales Angebot geschaffen werden. Es sollte so weit wie möglich offen zugänglich sein. Daneben ist aber nicht zu vergessen, dass Originale, die der Forschung zur Verfügung stehen, weiterhin notwendig sind, also auch deren Bestandserhaltung und langfristige Verfügbarkeit. Denn nicht alle gedruckten und analog produzierten Medien werden in den nächsten Jahrzehnten digital verfügbar sein. Dafür sprechen materialspezifische, sammlungsspezifische, rechtliche und finanzielle Gründe. Außerdem haben die Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre gezeigt, dass es gerade wegen der raschen Weiterentwicklung von Technologien nicht akzeptabel ist, ein vor langer Zeit erstelltes Digitalisat als einzige digitale Qualität für Jahrzehnte zur Nutzung anzubieten. Vielmehr werden immer wieder Originale gebraucht, um verbesserte neue Technologien der Digitalisierung überhaupt anwenden zu können. Viele Wissenschaften sind auf Quellen angewiesen, die zum kulturellen Gedächtnis gehören. Auch diese Wissenschaftsfächer müssen und werden – in einem Umfang, der sich vielleicht verändern wird – für lange Zeit noch auf Originale zurückgreifen. Im Jahr 2009 formulierte die „Allianz Schriftliches Kulturgut erhalten“, eine Gruppe von Leiterinnen und Leitern großer Bibliotheken und Archive mit historischen Beständen aus Deutschland, eine Denkschrift, welche die Bundesregierung und die Bundesländer an ihre Aufgabe erinnerte, ein nationales Konzept für die dauerhafte Bestandserhaltung zu erarbeiten.¹¹ Das Konzept liegt im Frühjahr 2015 noch nicht vor. Neben Pflichten zur Erhaltung, die sich aus den Interessen der Nachkommen ergeben, kennt die Naturethik auch Pflichten zur Erhaltung und Überlieferung, die sich aus unserem gegenwärtigen Umgang mit natürlichen Ressourcen ergeben. Der interessante Punkt für die Bibliotheksarbeit daran ist: Diese Ansätze „lassen sich nahezu bruchlos auf überkommene kulturelle Güter wie Bücher, die
11 Zukunft bewahren. Eine Denkschrift der Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts. Hrsg. von Barbara Schneider-Kempf. Text: Thomas Bürger u. a. Berlin: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz 2009.
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Bestände von Archiven und Museen, Bauwerke und die übrigen Erzeugnisse des menschlichen Geistes aus Vergangenheit und Gegenwart anwenden“.¹² Hierfür wurden laut dem Philosophen Dieter Birnbacher¹³ bisher drei Ansätze entwickelt. Der erste ist bedürfnisorientiert. Er fordert, das Kulturgut zu erhalten, weil wir heute denken, die Gesellschaft werde es auch viel später noch benötigen. Aus der Geschichte wissen wir, dass Bedürfnisse sich ändern. Heute wenig gebrauchtes Kulturgut kann später eine Renaissance erfahren. Wir dürfen die Möglichkeit der Auswahl daher nicht begrenzen. Der zweite Ansatz zur Erhaltung ist bewertungsorientiert und ebenfalls für Kulturgut geeignet. Demnach ist Kulturgut zu erhalten, weil es für uns einen inhärenten Wert hat, der von der Nutzung unabhängig ist, etwa einen ästhetischen Wert oder einen Bildungswert. Die Sozialwissenschaften bezeichnen ihn auch als Optionswert, als Existenzwert und als Vermächtniswert. Der dritte und anspruchsvollste Ansatz spricht dem Kulturgut einen intrinsischen Wert zu, d. h. einen Eigenwert, der ihm unabhängig vom Nachweis einer Wertschätzung zukommt. Vor allem die Archive haben hierzu nähere Definitionen erarbeitet. Der intrinsische Wert (von lat.: intrinsecus – Im Innern, inwendig) ist durch Kriterien bestimmt, bei denen ein enger innerer Zusammenhang zwischen der Aussage und der vorhandenen Form der Überlieferung, bzw. den Zusammenhängen der jeweiligen Überlieferung besteht. Er bezieht sich z. B. auf Archivalien, die eine besondere, einzigartige oder ungewöhnliche äußere Form (etwa besonderes Papier, Wasserzeichen, Aufdrucke, Tinte, Vermerke etc.) aufweisen, die bei einer Konversion auf einen anderen Informationsträger nicht überliefert werden können. In solchen Fällen ist der intrinsische Wert hoch . . . .¹⁴
Noch ist nicht geklärt, welcher dieser Ansätze gewählt werden soll oder ob sie zu kombinieren sind. Zusätzlich gibt es noch zwei enger begrenzte Fälle, in denen Kulturgut für die Zukunft unbedingt zu erhalten ist – sozusagen ein Pflichtprogramm. Es umfasst den Fall, in dem ein Verlust irreversibel wäre, und den Fall, in dem das Kriterium der Seltenheit erfüllt ist. Bei Bibliotheksgut sind in der Regel Recherchen erforderlich, um zu klären, ob diese Fälle vorliegen.
12 Birnbacher, Dieter: Intergenerationelle Verantwortung und kulturelles Erbe. In: Michael Hollmann u. Andre Schüller-Zwierlein (Hrsg.): Diachrone Zugänglichkeit als Prozess. Kulturelle Überlieferung in systematischer Sicht. Berlin, München, Boston: De Gruyter 2014. S. 148 (Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft 4). 13 Für eine Diskussion der drei Ansätze vgl. z. B. Birnbacher, Verantwortung (wie Anm. 12), S. 148–153, dem dieser Abschnitt folgt. 14 Archivschule Marburg: Forschungsprojekt Intrinsischer Wert. http://archivschule.de/DE/ forschung/forschungsprojekte/intrinisischer-wert/forschungsprojekt-intrisischer-wert.html (1.6.2015).
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In Überlegungen zur Erhaltung der natürlichen Vielfalt spielt der Zwang entscheiden zu müssen, ob die ganze Gattung für die Zukunft zu erhalten sei oder nur einzelne Individuen (z. B. bei Tierarten nach dem Arche-Noah-Prinzip), eine wesentliche Rolle. Bei der Erhaltung von Kulturgut tritt diese schwierige Frage ebenfalls auf. Hierfür wurde vor einigen Monaten vorgeschlagen, in Analogie zum safe minimum standard in der bedrohten Tierwelt, auch von Kulturgut, das keinen intrinsischen Wert hat, nur sehr wenige Exemplare unbedingt dauerhaft zu erhalten.¹⁵ Dies könnten bei gedruckten Publikationen z. B. die nationalen Pflichtexemplare sein. In Deutschland könnten ggf. die regionalen Pflichtexemplare, Werke aus den fünf Sammlungen Deutscher Ducke sowie ausländische Literatur aus den Sondersammelgebiets-Bibliotheken der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die bis 2013 existierten, ergänzend hinzukommen. Unabhängig davon bleibt die Frage zu klären: Inwieweit bezieht sich der Anspruch späterer Generationen auf das kulturelle Erbe aus Vergangenheit und Gegenwart auch auf ganze Sammlungen in Bibliotheken, z. B. auf solche mit bestimmten Provenienzen und auf weitere Sondersammlungen (historische, wertvolle, seltene, aus besonderen Materialarten bestehende, archivalische, museale, kuriose usw.). Hierzu wie zu vielfältigen weiteren Materialarten außerhalb der gedruckten Bibliotheksbestände fehlt noch weitgehend eine fachliche Expertise. Nur für wenige Materialarten, etwa für mittelalterliche Handschriften und für Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten (Wissenschaftler, Schriftsteller, Musiker, bildende Künstler) liegt sie vor. Weitere Expertise müsste aufgebaut werden, um verantwortlich Vorsorge für Überlieferungsfragen treffen zu können.
Ein generationengerechter Umgang mit elektronischen „Beständen“ und „Sammlungen“ Im Frühjahr 2015 wies der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, darauf hin, dass digitale Dokumente und Materialien viel kurzlebiger sind, als gedruckte Dokumente es waren. Sie können deshalb auch schneller in Vergessenheit geraten. „Ohne überzeugende Strategien zur Bewahrung digitaler Objekte – auch für die Langzeitbewahrung von komplexen digitalen Objekten – besteht die Gefahr, dass die Digitalisate innerhalb von 10 bis 15 Jahren
15 So Birnbacher, Verantwortung (wie Anm. 12), S. 154.
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nicht mehr nutzbar und ein Großteil der Daten verloren sind.“¹⁶ Der nächsten Generation könnten dann nur sehr wenige ausgewählte Informationen aus Wissenschaft und Kultur der Gegenwart (und Vergangenheit) zur Verfügung stehen. Der größte Teil des heutigen Wissens stünde ihr nicht mehr zur Verfügung. Auf viele elektronische Publikationen in Verlagen kann schon heute aus wirtschaftlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr zugegriffen werden. Auch sind bereits Open-Access-Zeitschriften nachträglich hinter einer paywall versteckt worden. Weiter kennen wir – wie im analogen Bereich – Trägermedien für Informationen, die jetzt nicht mehr lesbar sind, z. B. Lochstreifen und verschiedene Arten von Disketten. Sicherlich gibt es inzwischen Angebote von IT-Firmen, die heute in der Lage sind, dauerhafte und umfassende Informationsspeicher in der cloud für heutige digitale Formate anzubieten. Doch dieses Angebot wird nur solange gelten, wie es Einnahmen generiert, die deutlich über den Kosten liegen und damit den Betrieb des Speichers sichern. Aufgrund dieser Erfahrungen ist für den Zugriff kommender Generationen als unverzichtbare öffentliche Aufgabe zu fordern, dass eine Infrastruktur für ein verteiltes Langzeitarchiv elektronischer Dokumente aus Wissenschaft und Kultur aufgebaut wird. Nur auf diesem Weg lässt sich zuverlässig Vorsorge dafür treffen, dass kommende Generationen die Materialien weiterhin auffinden und nutzen können. Diese Infrastruktur könnte zusätzlich die Aufgabe wahrnehmen, die für Wissenschaft und Kultur relevanten Informationen von bereits veralteten Trägermedien zu digitalisieren und sie in dieser Form für kommende Generationen verfügbar zu machen (z. B. von analogen Tonbändern, Filmen, Fotos, Schallplatten aus Vinyl). Leider setzt in Deutschland das geltende Urheberrecht sogar der notwendigen Überführung in das digitale Medium inakzeptable Grenzen. Das Urheberrecht behindert die Digitalisierung und damit eine spätere freie Nutzung von Materialien aus Wissenschaft und Kultur in der Zukunft auch in anderen Aufgabenfeldern der Bibliotheken. Entscheidend ist es, Möglichkeiten zu schaffen, durch welche die kommende Generation die Informationen aus Wissenschaft und Kultur auch selbst nutzen kann. „Wie die bloße Existenz eines Informationsobjekts nicht ausreicht, Zugänglichkeit zu schaffen, reicht auch die bloße Persistenz eines Informationsobjekts über die Zeit hinweg nicht aus, um Informationen zugänglich zu halten.“¹⁷ Diese Bedingung gilt für dauerhaft gespeicherte elektronische Dokumente und für origi-
16 Parzinger, Hermann: Kulturelles Erbe und Digitalisierung. In: Der Vergangenheit eine Zukunft (wie Anm. 10). 17 Hollmann, Michael u. Andre Schüller-Zwierlein: Einleitung. Formationsprozesse der kulturellen Überlieferung. In: Hollmann, Schüller-Zwierlein, Diachrone Zugänglichkeit (wie Anm. 12), S. 1 f. (Hervorhebung im zitierten Band).
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nale physische Objekte gleichermaßen. Sie macht deutlich: Das Erhaltungsmanagement für Wissenschaft und Kultur ist nicht als einmalige Maßnahme, sondern als ein dauerhafter Prozess zu konzipieren und zu realisieren, der über eine lange Zeit laufen muss. Da die Anforderungen sehr komplex sind, reicht ein technologischer Ansatz dafür nicht aus. Denn wer Materialien aus wissenschaftlichen Bibliotheken über sehr lange Zeit erhalten will, der braucht unter anderem eine Vorstellung von den Bedürfnissen der anvisierten späteren Nutzergruppen. Von hier aus stellt sich dann die Frage nach den Auswahlkriterien aus dem Material. Außerdem ist eine Instanz aufzubauen, welche alle notwendigen Schritte unternimmt. Hierzu sind im Vorfeld z. B. die Fragen nach dem Konzept, der Zuständigkeit und der Finanzierung zu klären, ebenso jene nach den Arbeitspaketen und der Arbeitsverteilung, nach der Koordinierung, der Durchführung, der Erfolgskontrolle usw. In diesen Jahren setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass das Universum der digitalen Dokumente aus Wissenschaft und Forschung mindestens ebenso vielfältig sein wird wie bei den analogen Dokumenten. Ungleich größer ist es schon längst. Durch die Hyperlink-Strukturen sind komplexe Gebilde entstanden, die möglicherweise in ihrer heutigen Vollform nicht archivierbar und reproduzierbar sind. Damit würde späteren Generationen der Zugriff auf diese Materialien, welche die digitale Kultur in den Wissenschaften und in der Kultur inzwischen prägen, zumindest in Teilen entzogen. Insgesamt dürfte der Erhaltungsaufwand für den dauerhaften Zugriff auf die Vielfalt digitaler Materialien jedenfalls immens sein. Er wird vermutlich ein Mehrfaches der Erhaltungskosten für analoge Dokumente betragen. Ein erhebliches medienspezifisches Problem ist auch darin zu sehen, dass digitale Informationen und Dokumente nicht nur als separate Dokumente im herkömmlichen Sinn existieren, sondern durch ihren Prozesscharakter häufig nur in einem fließenden Strom von Daten greifbar sein werden. Man hat dort nicht mehr bestimmte Versionen, die man wie gewohnt als abgegrenzt, als vollendet und für die Zukunft speicherwürdig definieren kann. Die strengen Grenzen zwischen einer abgeschlossenen Arbeit und einer, die sich noch zur Publikation entwickelt oder durch Weiterschreiben einer Publikation etwas Neues wird, gelten nicht mehr durchgängig. In dieser Situation ist es wahrscheinlich, dass heutige Nutzer eine entscheidende Rolle für die künftige Überlieferung haben werden. Ihnen wächst damit eine erhebliche Verantwortung zu. „Die langfristige Zugänglichkeit von Inhalten ist unter den Bedingungen der digitalen Wissensgesellschaft demnach nur dann gesichert, wenn diese eine kontinuierliche (kommunikative) Reproduktion innerhalb der schriftmündlichen Sphäre
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des Internets erfahren [. . . ] durch die Aktivität der jeweils beteiligten Akteure.“¹⁸ Trotz der unübersichtlichen Lage müssen Akteure heute Szenarien für Zugriffe durch kommende Generationen entwickeln, damit diese später die Publikationen weiterhin nutzen können. Daher ist es wichtig, dass die einzelnen Fachgruppen in den Wissenschaften und der Kultur bald Kriterien zur Auswahl der jeweils langfristig zu erhaltenden Materialien entwickeln. Bibliothekare können hierbei wertvolle Erfahrungen einbringen. Für jeweils separate Texte, Abbildungen, Tabellen, Karten, Musikaufnahmen und Websites werden sich einfacher Kriterien finden lassen als für komplexere Publikationsformen – sei es, dass diese als Kombination dieser Medien vorliegen oder dass sie etwa Forschungsdaten und Filme enthalten, dreidimensionale Darstellungen, Simulationen oder auch „serious games“. Selbst bei den Forschungsdaten, um nur ein Aufgabenfeld für eine sichere Langzeitspeicherung zu nennen, besteht bisher keine Einigkeit darüber, in welchen Fällen es ausreicht, nur Forschungsdaten in öffentlichen Speichern zu archivieren, die bereits publiziert wurden, und wann es für die Wissenschaft notwendig wäre, zusätzlich auf jene Daten zurückzugreifen, die der Publikation zugrunde liegen, um das Ziel einer dauerhaften e-accessibility zu erreichen. In experimentellen Fächern wie Medizin, Pharmazie, Chemie, Biologie, Physik und in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern wäre es sehr wertvoll, neben den positiv verlaufenen Versuchsreihen auch die Prozessdaten fehlgeschlagener Versuche gut zu dokumentieren. Wissenschaftler hätten sie in späteren Jahren zur Verfügung und könnten aus dem Scheitern der Vorgänger lernen, wenn sie neue Versuche planen. Auch eine unsinnige Doppelförderung wäre so vermeidbar. Um die komplexen Fälle einer Langzeitsicherung zu lösen, sind Regelungen wie das „elektronische Pflichtexemplar“ bei weitem nicht ausreichend. Denn das Lizenzmodell, das heute mit sehr vielen digitalen Verlagspublikationen verbunden wird, verhindert bereits im Vorfeld, dass umfassende digitale Sammlungen, die von jedermann öffentlich über die Netze nutzbar sind, entstehen und für die Zukunft archiviert werden können. Anders als im analogen Bereich verfügen allein private Eigentümer über diese Publikationen aus Wissenschaft und Kultur. Ein weiteres Problem entsteht daraus, dass die digitale Welt stark durch Internationalität geprägt ist. Internationale Absprachen wären sinnvoll, um verbindlich abzuklären, welche Publikationen von wem und durch welche Kuratoren für die Zukunft nutzbar zu halten sind.
18 Pscheida, Daniela: Langzeitzugänglichkeit von Informationen unter den leitmedialen Bedingungen des Internets. In: Hollmann, Schüller-Zwierlein, Diachrone Zugänglichkeit (wie Anm. 12), S. 100.
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Wenn kommende Generationen das digitale Erbe unserer Wissenschaften und unserer Kultur zur Verfügung haben sollen, dann ist auch Vorsorge für die Formatierung der Daten zu treffen. Das gilt zunächst für die beschreibenden Metadaten zu den Objekten. Sie sollen in standardisierten Datenformaten vorliegen, die sich automatisiert verarbeiten lassen. Die Qualität sollte sehr hoch sein und eine Inhaltsbeschreibung enthalten, z. B. als Freitext, in Schlagworten und durch Anwendung einer Klassifikation. Da eine Nutzung in den Wissenschaften immer sehr detaillierte Beschreibungen von Objekten voraussetzt, sollten die Angaben in einem kontrollierten Verfahren durch Dritte erweiterbar sein. Erhebliche Probleme stellen sich auch bei den Datenformaten, in denen die digitalen Objekte vorliegen. Das Problembewusstsein dafür, welche Formate zukunftsfähig sind, sich für die langfristige Speicherung eignen und entwicklungsfähig sind, ist noch kaum ausgeprägt. Als prominentes Beispiel dafür lässt sich das für Aufsatz- und Buchpublikationen häufig verwendete pdf-Format anführen. PDF ist im privaten Eigentum der US-Firma Adobe Inc. Es organisiert das Layout einzelner Seiten für Publikationen, enthält aber fast keine Datenstrukturen, die sich automatisiert auswerten und weiterverarbeiten lassen. Kommende Generationen werden Materialien im pdf-Format nicht mehr lesen können. Es ist zur Langzeitspeicherung in unserem Sinn nicht geeignet. Um die notwendigen Klärungen für einen Zugang kommender Generationen zur geistigen Produktion der gesamten Wissenschaft und Kultur in Gang zu bringen, sind im Vorfeld Arbeiten erforderlich, die Ende 2014 für den Teilbereich kulturelle Überlieferung so umrissen wurden: „Dauerhafte Zugänglichkeit erfordert einen wirksamen Überlieferungsdiskurs, eine systematische Überlieferungsplanung und eine interdisziplinäre Überlieferungswissenschaft.“¹⁹ Keine der drei Bedingungen ist heute erfüllt. Die hier geforderte „Überlieferungswissenschaft“ könnte für das Konzept der Generationengerechtigkeit eine Reihe unentbehrlicher Voraussetzungen erarbeiten: – Entwicklung einer Ethik für die Überlieferung der Materialien aus den Wissenschaften und der Kultur – Entwicklung wissenschaftlich abgesicherter Methoden der Überlieferung (einschließlich Auswahlkriterien, Technologien, Datenformate) – Entwicklung von Kostenmodellen und Risikoabschätzungen (auch als Grundlage für die politische Diskussion) – Entwicklung internationaler arbeitsteiliger Verfahrensweisen.
19 Hollmann, Michel u. Andre Schüller-Zwierlein: Epilog: Grundlagen zukünftiger Zugänglichkeit. In: Hollmann, Schüller-Zwierlein, Diachrone Zugänglichkeit (wie Anm. 12), S. 455.
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Zusammenfassung Das Konzept der Generationengerechtigkeit fordert das bisherige Selbstverständnis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren heraus. Es kommt in der Praxis einem Gebot gleich, den Zugang zur Beständen und Sammlungen nicht nur kurzfristig an aktuellen Fragen auszurichten. Bei Planungsfragen zur Überlieferung des wissenschaftlichen und kulturellen Wissens in die Zukunft kann es für eine langfristige Orientierung Rückhalt geben. Politisch wendet sich das Konzept nicht nur an die Wissenschafts- und Kulturpolitik. Es lässt sich auch gut in einer Politik für mehr Nachhaltigkeit umsetzen, die Maßnahmen zur Vorsorge für die junge Generation trifft. Nicht zuletzt führt das Konzept die beiden Ziele einer dauerhaften Nutzung von analogen Dokumenten (Bestandserhaltung) und von digitalen Dokumenten (Langzeitsicherung) unter einer gemeinsamen Perspektive zusammen. Im Einsatz für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen hat das Konzept der Generationengerechtigkeit sich als attraktiv und sehr erfolgreich erwiesen. Dieses Resümee zog der Physiker und Zukunftsforscher Rolf Kreibich schon 2003: „Ich bin überzeugt, dass das Leitbild der Generationengerechtigkeit einige Eigenschaften aufweist, die beim heutigen Stand der Erkenntnis für Orientierung und zukunftsfähiges Handeln stehen: Die wohl bedeutendste Qualität liegt darin, dass es für die wichtigsten Krisenpotenziale zwischen den Generationen echte Lösungsperspektiven aufzeigt.“²⁰ Viele Überlegungen aus diesem Bereich treffen auf Wissenschaft und Kultur ebenfalls zu. Auch hier könnte das Konzept der Generationengerechtigkeit neue Potentiale für die notwendige Langzeitsicherung digitaler und analoger Materialien und für den Zugriff durch kommende Generationen entfesseln, wenn es eine breite Basis bekäme. Wer soll auf den Feldern von Wissenschaft und Kultur Initiativen im Interesse der kommenden Generationen ergreifen? Vieles spricht dafür, dass die Wissenschaft und ihre Bibliotheken aufgrund ihrer Betroffenheit und ihrer Kompetenzen zum Kreis der geeigneten Träger und Garanten zur Lösung dieser Aufgaben gehören. In einem ersten Schritt sollten die wissenschaftlichen communities und die Bibliotheken sich für das Konzept der Generationengerechtigkeit näher interessieren.
20 Kreibich, Rolf: Generationengerechtigkeit im Zeitalter globaler Umweltkrisen. In: Handbuch Generationengerechtigkeit (wie Anm. 1), S. 238.
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Literatur Archivschule Marburg: Forschungsprojekt Intrinsischer Wert. http://archivschule.de/DE/ forschung/forschungsprojekte/intrinisischer-wert/forschungsprojekt-intrisischer-wert. html (1.6.2015). Birnbacher, Dieter: Intergenerationelle Verantwortung und kulturelles Erbe. In: Michael Hollmann u. Andre Schüller-Zwierlein (Hrsg.): Diachrone Zugänglichkeit als Prozess. Kulturelle Überlieferung in systematischer Sicht. Berlin, München, Boston: De Gruyter 2014. S. 141–155 (Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft 4). Hollmann, Michael u. Andre Schüller-Zwierlein: Einleitung. Formationsprozesse der kulturellen Überlieferung. In: Michael Hollmann u. Andre Schüller-Zwierlein (Hrsg.): Diachrone Zugänglichkeit als Prozess. Kulturelle Überlieferung in systematischer Sicht. Berlin, München, Boston: De Gruyter 2014. S. 1–11 (Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft 4). Hollmann, Michel u. Andre Schüller-Zwierlein: Epilog: Grundlagen zukünftiger Zugänglichkeit. In: Michael Hollmann u. Andre Schüller-Zwierlein (Hrsg.): Diachrone Zugänglichkeit als Prozess. Kulturelle Überlieferung in systematischer Sicht. Berlin, München, Boston: De Gruyter 2014. S. 455–483 (Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft 4). Karnein, Anja: Ohne eigene Opfer das Wohl künftiger Generationen sichern? [Rezension zu Tremmel, Generationengerechtigkeit, 2013]. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 61 (2013) H. 5–6. S. 837–840. Kreibich, Rolf: Generationengerechtigkeit im Zeitalter globaler Umweltkrisen. In: Stiftung für die Rechte künftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit. Bearbeitet von Jörg Tremmel. 2., verb. Aufl. München: ökom Verlag 2003. S. 221–241. Meadows, Donella, Joergen Randers u. Dennis Meadows: Grenzen des Wachstums. Das 30Jahre-Update. Signal zum Kurswechsel. Aus dem Englischen von Andreas Held. 3. Aufl., mit einem Geleitwort von Prinz El Hassan Bin Talal, Präsident des Club of Rome. Stuttgart: Hirzel Verlag 2009. Parzinger, Hermann: Kulturelles Erbe und Digitalisierung. In: Der Vergangenheit eine Zukunft. Eine Publikation der deutschen Digitalen Bibliothek. Hrsg. von Ellen Euler u. Paul Klimpel. Berlin 2015 (ohne Seitenzahlen). http://irights-media.de/webbooks/ dervergangenheiteinezukunft/chapter/skizzen-zum-systemwechsel-des-kulturellengedaechtnisses/ (25.5.2015). Pscheida, Daniela: Langzeitzugänglichkeit von Informationen unter den leitmedialen Bedingungen des Internets. In: Michael Hollmann u. Andre Schüller-Zwierlein (Hrsg.): Diachrone Zugänglichkeit als Prozess. Kulturelle Überlieferung in systematischer Sicht. Berlin, München, Boston: De Gruyter 2014. S. 83–102 (Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft 4). Rohbeck, Johannes: Rezension: Tremmel, Jörg: „Eine Theorie der Generationengerechtigkeit“ 2012. In: Zeitschrift für politische Theorie 5 (2014) H. 1. S. 121–124. Serexhe, Bernhard: Skizzen zum Systemwechsel des kulturellen Gedächtnisses. In: Der Vergangenheit eine Zukunft. Eine Publikation der deutschen Digitalen Bibliothek. Hrsg. von Ellen Euler u. Paul Klimpel. Berlin 2015 (ohne Seitenzahlen). http://irights-media.de/ webbooks/dervergangenheiteinezukunft/chapter/skizzen-zum-systemwechsel-deskulturellen-gedaechtnisses/ (25.5.2015).
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Tremmel, Jörg: Generationengerechtigkeit – Versuch einer Definition. In: Stiftung für die Rechte künftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit. Bearbeitet von Jörg Tremmel. 2., verb. Aufl. München: ökom Verlag 2003. S. 27–79. Tremmel, Jörg: Eine Theorie der Generationengerechtigkeit. Münster: mentis Verlag 2012. Vogt, Markus: Prinzip Nachhaltigkeit. Ein Entwurf aus theologisch-ethischer Perspektive. München: ökom Verlag 2009. Weltkommission für Umwelt und Entwicklung: Unsere gemeinsame Zukunft (BrundtlandBericht). Mit einem neuen Vorwort zur deutschen Ausgabe. Hrsg. von Volker Hauff. Greven: Eggenkamp Verlag 1987. Woestmeyer, Martin: Generationengerechte Kulturpolitik. In: Stiftung für die Rechte künftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit. Bearbeitet von Jörg Tremmel. 2., verb. Aufl. München: ökom Verlag 2003. S. 295–309. Zukunft bewahren. Eine Denkschrift der Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts. Hrsg. von Barbara Schneider-Kempf. Text: Thomas Bürger u. a. Berlin: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz 2009.
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Schluss mit den ewigen Fragen? Langzeitverfügbarkeit als exemplarische Aufgabe der Informationsinfrastruktur Wissenschaftliche Bibliotheken haben viele Baustellen – angefangen bei ihrer grundlegenden Stellung und Bedeutung in einer digitalen oder zumindest sich rasch digitalisierenden Wissenschaft und Gesellschaft über Fragen der Organisation, des Personaleinsatzes und der Finanzierung bis hin zur Entwicklung neuer Dienstleistungen in den Bereichen Forschungsdaten, elektronisches Publizieren oder soziale Netzwerke.¹ Erstaunlich ruhig ist es um das einst heiß diskutierte Thema der digitalen Langzeitarchivierung (LZA) bzw. Langzeitverfügbarkeit geworden.² Ist das Problem also gelöst? Es existieren ein allgemein akzeptiertes Konzeptmodel (OAIS), Softwarelösungen im produktiven Einsatz (u. a. an der BSB München, der SLUB Dresden und auch an der ETH Zürich) und in Deutschland das Kompetenznetzwerk nestor.³
Organisation Irritierend mag dabei höchstens sein, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zwei Ausschreibungen zu dieser Thematik unternahm, die ergebnislos blieben. Auf der Basis des DFG-Positionspapiers „Weiterentwicklung der Bibliotheksverbünde als Teil einer überregionalen Informationsinfrastruktur“ hatte die DFG am 12. Januar 2012 die Ausschreibung „Neuausrichtung überregionaler Informationsservices“ veröffentlicht.⁴ Sie zielte darauf ab, einen umfassenden Umstrukturierungsprozess anzustoßen, in dessen Verlauf die derzeit vorrangig
1 Exemplarisch Bonte, Achim: Wissenschaftliche Bibliotheken der nächsten Generation. Sind die Institutionen und ihre Mitarbeiter für die Zukunft gerüstet? In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliografie 61 (2014) H. 4–5, S. 239–242, http://dx.doi.org/10.3196/18642950146145114 (7.6.2015). 2 Rothenberg, Jeff: Ensuring the Longevity of Digital Documents. In: Scientific American 272 (1995) H. 1. S. 42–47. 3 http://www.langzeitarchivierung.de (7.6.2015). Die folgenden Betrachtungen beziehen sich im Wesentlichen auf Deutschland. 4 http://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/ausschreibung_ ueberregionale_informationsservices_121015.pdf (7.6.2015).
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regional orientierten Informationsangebote zu nationalen aber auch international vernetzten, funktional definierten, nachhaltigen Services weiter entwickelt werden. Die Ausschreibung sprach explizit die „Langzeitverfügbarkeit“ an. Dieses Themenfeld erbrachte als einziges kein förderfähiges Projekt; daher wurde es am 15. November 2013 erneut ausgeschrieben – wiederum ohne Ergebnis.⁵ Eignet sich das Thema möglicherweise nicht für strukturelle Reformen, die ja das erklärte Ziel der ersten Ausschreibung waren? Betriebswirtschaftlich gibt es kaum einen Bereich in Bibliotheken oder Archiven, der eine schlechtere Kosten-Nutzen-Relation aufweisen würde als die digitale Langzeitverfügbarkeit. Volkswirtschaftlich, kultur- und gesellschaftspolitisch ist der Nutzen beinahe unermesslich, aber doch indirekt, da nicht jederzeit und für jeden sofort fühlbar, sondern erst ex negativo definiert. Gerade darum bietet sich dieses Handlungsfeld für Strukturreformen an wie kein zweites. Nur eine kleine Gruppe leistungsfähiger Institutionen kann dieses Spannungsfeld aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Betrachtungsweise erfolgreich bestreiten. Auch eine Raumstation wird nicht jeder bauen können und wollen. Daher bleibt die Frage, ob die Selbststeuerungsfähigkeit im Bereich der Informationsinfrastruktur in Deutschland nur zu Kompetenznetzwerken reicht, d. h. dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Oder sprechen wir lieber von einem Ökosystem, bei dem zwar alle Teile in einer Beziehung zueinander stehen, aber auch die Mechanismen der Evolution (Anpassung und Selektion) gelten? Nicht umsonst betont Norbert Lossau im Vorwort zum Sammelband Evolution der Informationsinfrastruktur⁶ die Notwendigkeit der engen Partnerschaft bei gleichzeitigem Herausbilden vorteilhafter Eigenschaften. Die Aufgaben der Informationsinfrastruktur für die Wissenschaft werden zunehmend komplexer, während die Umgebungstechnologien und Konzepte eine rasche Entwicklung durchlaufen. Dies kann nur in größeren Partnerschaften bzw. Zusammenschlüssen bewerkstelligt werden. Hier ist die Evolutionsmetapher auf die Herausbildung komplexer Organismen zu beziehen, die enger und intensiver inter- und damit erfolgreicher agieren. Damit ist die Grenze des Vergleiches jedoch ebenfalls aufgezeigt. Menschen und Institutionen sind an sich bereits komplexe Organismen und es sind hier zwei grundlegende Fragen zu beantworten. Wie eng binden sich Akteure der Informationsinfrastruktur aneinander und wie groß ist die Fertigungstiefe, d. h. der Grad der Externalisierung – kurz gesagt, wer ist wie
5 http://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/ausschreibung_ ueberregionale_informationsservices_131115.pdf (7.6.2015). 6 Neuroth, Heike, Norbert Lossau u. Andrea Rapp (Hrsg.): Evolution der Informationsinfrastruktur: Kooperation zwischen Bibliothek und Wissenschaft. Glückstadt: vwh-Verlag 2013. http:// dx.doi.org/10.3249/webdoc-39006 (7.6.2015).
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Teil des Gesamtsystems und wo verlaufen die Grenzen „nach außen“?⁷ Trotz vielfältiger fachlicher und politischer Aktivitäten in den vergangenen Jahren, die 2014 mit der Einsetzung eines Rates für Informationsinfrastrukturen durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK)⁸ eine sichtbare strukturelle Ausprägung erhielten, sind wir immer noch am Anfang der Beantwortung der oben gestellten Fragen. Es wäre verfehlt, vom Rat für Informationsinfrastrukturen zu erwarten, dass er die Strukturen reformiert oder das Ökosystem ordnet. Er sollte sich jedoch soweit von sachfremden politischen Erwägungen frei machen, dass er als Evolutionskatalysator wirkt und einen Kulturwandel hin zu einem stärker interorganisationalen Netzwerk einleitet, das gleichsam wie „ein Unternehmen“ agiert. In Bezug auf das Thema Langzeitverfügbarkeit bedeutet dies, engere Partnerschaften oder auch Integrationen relevanter Akteure zu entwickeln, offener mit Fehlern und Ungelöstem umzugehen und Konzepte und Technologien nochmals zu überdenken.
Konzept Martin Klein und seine Kollegen vom Digital Library Research and Prototyping Team am Los Alamos National Laboratory⁹ untersuchten vor wenigen Monaten einen Korpus von rund 3,5 Millionen STM-Zeitschriftenaufsätzen aus den Jahren 1997 bis 2012 auf die Verfügbarkeit der referenzierten Webquellen. Dabei prüften sie nicht nur die Originalquelle, sondern auch eine Reihe von Langzeitverfügbarkeitssystemen wie das British Library Web Archive u. a. Als Resultat zeigte sich, dass ein Fünftel der Aufsätze nicht mehr auflösbare Referenzen enthielt. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit wissenschaftlichen Arbeitens ein katastrophaler Befund. Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass, wenn womöglich alle Archive der Welt mit eingebunden gewesen wären, dieser Anteil noch geringer wäre. Dies ist jedoch Teil des konzeptionellen Problems. Elektronische Langzeitverfügbarkeitssysteme und ihre Inhalte müssen, wenn auf sie schon – aus Sicherheitsgründen o. Ä. – nicht
7 Grundlegend zur Frage der Organisationsform von Akteuren in Netzwerken und zur Fertigungstiefe Sydow, Jörg: Strategische Netzwerke: Evolution und Organisation. Wiesbaden: Gabler 1992. S. 103 ff. 8 http://www.gwk-bonn.de/themen/uebergreifende-wissenschafts-und-forschungspolitischethemen/informationsinfrastruktur/ (7.6.2015). 9 Klein, Martin, Herbert Van de Sompel, Robert Sanderson, Harihar Shankar, Lyudmila Balakireva et al.: Scholarly Context Not Found: One in Five Articles Suffers from Reference Rot. In: PLoS ONE 9 (2014) H. 12: e115253. DOI: 10.1371/journal.pone.0115253.
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direkt zugegriffen werden kann (dark archive), so doch zumindest in der digitalen Infrastruktur bekannt sein. Bekannt bedeutet dabei nicht intellektuell, sondern maschinell. Das hiberlink-Projekt¹⁰ gibt eine mögliche Antwort darauf, indem es versucht, Langzeitverfügbarkeitssysteme in wissenschaftliche Prozesse zu integrieren, z. B. in Literaturverwaltungsprogramme, die beim Schreiben eines Artikels eingesetzt werden. Wie stark diskutieren wir in Deutschland das Zusammenwirken aller LZA-Systeme im Hinblick auf ihre Einbindung in digitale wissenschaftliche Workflows? Oder genügt uns die Deutsche Digitale Bibliothek?
Technik Gordon Moore, Mitbegründer von Intel, schrieb, dass sich Speicherkapazität annähernd exponentiell entwickeln werde, bereits 1965.¹¹ Die Bezeichnung „Mooresches Gesetz“ wurde um 1970 von Carver Mead, einem US-amerikanischen Pionier der modernen Mikroelektronik geprägt. Heute geht man davon aus, dass sich alle 18 Monate die Datenmenge verdoppelt, die sich auf einem gängigen Festplattenlaufwerk speichern lässt. Speichertechnologien werden sich in den nächsten Jahren grundlegend wandeln. Schon aus Performance-Gründen sind neue Wege gefragt. Denn die Steigerung der speicherbaren Datenmenge genügt nicht – Daten müssen auch in angemessener Zeit verarbeitet werden. Aus Sicht der traditionellen Wissenschaftskommunikation ist dies jedoch kein grundsätzliches technisches Problem. Auch bei einer Zuwachsrate von rund 3 % pro Jahr und einer großzügigen Auslegung von Umfang und Artikelgröße benötigt der Gesamtkorpus aller wissenschaftlichen Aufsätze Speicherplatz im niedrigen dreistelligen Terrabyte-Bereich.¹² Moderne Rechenzentren sind bereits in der Exabyte-Speicherung aktiv oder bereiten diese vor.¹³
10 http://hiberlink.org/developments.html (7.6.2015). 11 Moore, Gordon E.: Cramming more components onto integrated circuits. In: Electronics 38 (1965) H. 8. S. 114–117. 12 Daten der World Bank. http://data.worldbank.org/indicator/IP.JRN.ARTC.SC?page=1 (7.6.2015). 13 http://www.zdnet.com/article/worlds-1st-exabyte-storage-system/ (7.6.2015). Vgl. auch bwDataArchiv http://www.scc.kit.edu/forschung/9645.php (7.6.2015).
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Und es geht noch weiter. Wissenschaftler der ETH haben kürzlich erste Ergebnisse einer Speicherung digitaler Dokumente mittels DNA veröffentlicht.¹⁴ Für diese Art der Speicherung sind, je nach Lagerungsbedingungen, experimentell Standzeiten zwischen 2000 und einer Million Jahre ermittelt worden. Im Vergleich dazu lassen sich Daten auf Mikrofilm nur für schätzungsweise 500 Jahre bewahren.¹⁵ Um diese Dauerhaftigkeit zu erreichen, verkapselten die Forschenden die informationstragenden DNA-Stücke zum einen in Siliziumdioxid (Glas). Zum anderen verwendeten sie einen Algorithmus, um Fehler in den ausgelesenen Daten zu korrigieren. Da der Einschluss in Siliziumdioxid ungefähr demjenigen in fossilen Knochen entspricht, konnten die Forschenden auf diese prähistorischen Daten über die Langzeitstabilität von verkapselter DNA zurückgreifen. Theoretisch, so behaupten die Wissenschaftler, könne ein einziges Gramm DNA 455 Exabyte, also 455 Milliarden Gigabyte an Informationen speichern.¹⁶ Wo also liegt das Problem? Darin, dass technische Invention noch keine Innovation im Sinne einer umfassend eingesetzten und erfolgreichen Anwendung darstellt.¹⁷ Invention macht lediglich Potentiale sichtbar, zeigt mögliche Wege auf. Dies gilt für DNA-Speicher ebenso wie für das hiberlink-Projekt. Erst die Verbindung von Technik, Konzept und Organisation kann die Frage nach der Langzeitverfügbarkeit digitaler Informationen (ebenso wie andere komplexe Aufgaben der wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur) lösen. Es liegt also einmal mehr an uns, den Akteuren in Wissenschaft, Informationsinfrastruktur und Politik, über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinauszugehen und organisatorisch mehr zu schaffen als ein Kompetenznetzwerk oder technisch mehr als nur Insellösungen.
14 Grass, Robert, Reinhard Heckel, Michaela Puddu, Daniela Paunescu u. Wendelin Stark: Robust Chemical Preservation of Digital Information on DNA in Silica with Error-Correcting Codes. In: Angewandte Chemie International Edition 54 (2015) H. 8. S. 2552–2555. DOI: 10.1002/anie. 201411378. 15 Focke, Frauke: Datenspeicherung – Für die Ewigkeit. In: Spektrum der Wissenschaft März 2009. http://www.spektrum.de/news/fuer-die-ewigkeit/985077 (7.6.2015). 16 Geier, Moritz: Ein Stück DNA kann digitale Daten für mehr als zwei Millionen Jahre speichern. In: Wired Februar 2015. https://www.wired.de/collection/latest/ein-bisschen-dna-speichertdaten-besser-als-jede-festplatte (7.6.2015). Im Wesentlichen hängt die Speicherdichte von der Redundanz der gespeicherten Information ab, konservative Ansätze gehen von 700–750 Terabyte pro Gramm aus. Vgl. Church, George M., Yuan Gao u. Sriram Kosuri: Next-Generation Digital Information Storage in DNA. In: Science 337 (2012) H. 6102. S. 1628. DOI: 10.1126/science.1226355. 17 Schumpeter, Joseph A.: Business Cycles. A Theoretical, Historical, and Statistical Analysis of the Capitalist Process. New York: McGraw-Hill 1939.
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Literatur Bonte, Achim: Wissenschaftliche Bibliotheken der nächsten Generation. Sind die Institutionen und ihre Mitarbeiter für die Zukunft gerüstet? In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 61 (2014) H. 4–5. S. 239–242, http://dx.doi.org/10.3196/18642950146145114 (7.6.2015). Church, George M., Yuan Gao u. Sriram Kosuri: Next-Generation Digital Information Storage in DNA. In: Science 337 (2012) H. 6102. S. 1628. DOI: 10.1126/science.1226355. Deutsche Forschungsgemeinschaft: Ausschreibung „Neuausrichtung überregionaler Informationsservices“ vom 12.01.2012. http://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/ lis/ausschreibung_ueberregionale_informationsservices_121015.pdf (7.6.2015). Deutsche Forschungsgemeinschaft: Ausschreibung „Langzeitverfügbarkeit im Rahmen der „Neuausrichtung überregionaler Informationsservices“ vom 15.11.2013. http://www. dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/ausschreibung_ueberregionale_ informationsservices_131115.pdf (7.6.2015). Focke, Frauke: Datenspeicherung – Für die Ewigkeit. In: Spektrum der Wissenschaft (März 2009). http://www.spektrum.de/news/fuer-die-ewigkeit/985077 (7.6.2015). Geier, Moritz: Ein Stück DNA kann digitale Daten für mehr als zwei Millionen Jahre speichern. In: Wired (Februar 2015). https://www.wired.de/collection/latest/ein-bisschen-dnaspeichert-daten-besser-als-jede-festplatte (7.6.2015). Gemeinsame Wissenschaftskonferenz: Rat für Informationsstrukturen. http://www.gwkbonn.de/themen/uebergreifende-wissenschafts-und-forschungspolitische-themen/ informationsinfrastruktur (7.6.2015). Grass, Robert, Reinhard Heckel, Michaela Puddu, Daniela Paunescu u. Wendelin Stark: Robust Chemical Preservation of Digital Information on DNA in Silica with Error-Correcting Codes. In: Angewandte Chemie International Edition 54 (2015) H. 8. S. 2552–2555. DOI: 10.1002/anie.201411378. hiberlinks. http://hiberlink.org/developments.html (7.6.2015). Klein, Martin, Herbert Van de Sompel, Robert Sanderson, Harihar Shankar, Lyudmila Balakireva et al.: Scholarly Context Not Found: One in Five Articles Suffers from Reference Rot. In: PLoS ONE 9 (2014) H. 12: e115253. DOI: 10.1371/journal.pone.0115253. Moore, Gordon E.: Cramming more components onto integrated circuits. In: Electronics 38 (1965) H. 8. S. 114–117. Neuroth, Heike, Norbert Lossau u. Andrea Rapp (Hrsg.): Evolution der Informationsinfrastruktur: Kooperation zwischen Bibliothek und Wissenschaft. Glückstadt: vwh-Verlag 2013. http://dx.doi.org/10.3249/webdoc-39006 (7.6.2015). Nestor. http://www.langzeitarchivierung.de (7.6.2015). Rothenberg, Jeff: Ensuring the Longevity of Digital Documents. In: Scientific American 272 (1995) H. 1. S. 42–47. Schumpeter, Joseph A.: Business Cycles. A Theoretical, Historical, and Statistical Analysis of the Capitalist Process. New York: McGraw-Hill 1939. Sydow, Jörg: Strategische Netzwerke: Evolution und Organisation. Wiesbaden: Gabler 1992.
Matthias Töwe
Von Forschungsdaten zu e-journals und zurück Der Weg zum digitalen Datenerhalt an der ETH-Bibliothek Wie andere wissenschaftliche Bibliotheken beschäftigt sich die ETH-Bibliothek mit der Langzeitarchivierung von digitalen Inhalten und Forschungsdaten. Sie hat dazu in den vergangenen Jahren die Fachstelle Digitaler Datenerhalt aufgebaut und betreibt das ETH Data Archive. Dieser Beitrag zeichnet in groben Zügen die durchaus nicht geradlinige Entwicklung nach, die an der ETH Zürich wie auch an anderen Hochschulen den heutigen Aktivitäten vorausgegangen ist. Unter anderem hat sich dabei in der Diskussion die Gewichtung von Forschungsdaten im Vergleich zu anderen Inhalten mehrfach verschoben.
Rückblende: Report der Task Force Als Startpunkt der Bemühungen um die digitale Langzeitarchivierung wird häufig der umfassende Bericht Preserving Digital Information¹ der Task Force on Archiving of Digital Information aus dem Jahr 1996 aus den USA zitiert. Diese Arbeitsgruppe wurde von der Commission on Preservation and Access (CPA) und von der Research Library Group (RLG) beauftragt. Die Selbstbeschreibung der von 1986–1997 bestehenden CPA lautete: „The Commission on Preservation and Access was established in 1986 to foster and support collaboration among libraries and allied organizations in order to ensure the preservation of the published and documentary record in all formats and to provide enhanced access to scholarly information.“²
1 Garrett, John [u. a.]: Preserving Digital Information. Report of the Task Force on Archiving of Digital Information. Commissioned by The Commission on Preservation and Access and The Research Libraries Group 1996. http://www.oclc.org/content/dam/research/activities/digpresstudy/ final-report.pdf (8.5.2015). 2 Council on Library and Information Resources: The Commission on Preservation and Access Newsletter Archive, CPA Newsletter #1, Jun 1988. http://www.clir.org/pubs/archives/cpanews/ cpanl01.html (8.5.2015).
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Die RLG existierte als eigenständiger Zusammenschluss wissenschaftlicher Bibliotheken von 1974–2006 und entwickelte unter anderem einen Verbundkatalog und weitere gemeinsam betriebene Dienste für ihre Mitglieder.³ Der Bericht der Task Force ist auch heute noch lesenswert, nicht zuletzt beeindruckt die Breite der Betrachtung, die sehr viele technische, organisatorische und Kostenfragen auf grundsätzlicher Ebene anspricht. Selbst dieser frühe Bericht konnte bereits zahlreiche ältere Quellen zitieren und sich schon mit einem detaillierten Kostenmodell⁴ der Yale-University auseinandersetzen. Angesichts der klaren Verankerung der Auftraggeber in der Bibliothekswelt könnte auf den ersten Blick erstaunen, dass der Bericht sich eher am Rande explizit mit digitalen Publikationen beschäftigt. Die betreffenden Abschnitte erinnern allerdings schnell daran, dass elektronische Zeitschriften 1996 noch in den Kinderschuhen steckten. Mit Bezug auf die American Physical Society (APS) heißt es: Moreover, after careful study, the Society has recently decided to embark on a systematic program that would lead it to build complete digital archives of its publications, past and present, and to maintain them into the future.⁵
Im selben Zusammenhang werden auch die Pläne der Association for Computing Machinery (ACM) erwähnt: Like the APS, other professional associations are actively reconsidering how economically to preserve their key information assets in digital form. The Association for Computing Machinery (ACM), for example, has also embarked on a[n] ambitious program designed to place the entire ACM literature in an online digital library [. . . ].⁶
In einer Anmerkung wird schließlich noch JSTOR als Projekt genannt.⁷ Abgesehen von diesen wenigen Erwähnungen beschäftigt sich der Bericht überwiegend mit digitaler Information in einem umfassenden, gleichzeitig aber auch abstrakten Sinn. Der formale Publikationsprozess für eine traditionelle Publikation wird dabei hervorgehoben als ein Weg zur Etablierung der definitiven Version eines literarischen Werkes und seiner Provenienz. Damit verbunden wird der Hinweis, dass eine vergleichbar stabile Dokumentation der Provenienz in einer digitalen Umgebung auf Probleme stößt.⁸
3 OCLC Research: History of the OCLC Research Library Partnership. http://www.oclc.org/ research/partnership/history.html?urlm=160971 (8.5.2015). 4 Garrett, Information (wie Anm. 1), Appendix 2, S. 60–64. 5 Garrett, Information (wie Anm. 1), S. 38. 6 Garrett, Information (wie Anm. 1), S. 38. 7 Garrett, Information (wie Anm. 1), S. 51. 8 Garrett, Information (wie Anm. 1), S. 16.
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Vergleichsweise detailliert ist der Bezug zu wissenschaftlichen Rohdaten oder statistischen Datensammlungen und es werden einige Beispiele zitiert, bei denen Datenverluste drohten oder eintraten. Dazu gehören die Daten des 1960 Census in den USA, deren Bedrohung und Rettung offenbar an anderer Stelle zumindest verzerrt wiedergegeben wurde,⁹ das Land Use and Natural Resources Inventory Project (LUNR) des New York State Department of Commerce und der Cornell University in den späten 1960er Jahren¹⁰ sowie Satellitenaufnahmen der 1970er Jahre.¹¹ Es wird allerdings nicht explizit die Forderung erhoben, dass Bibliotheken sich um Forschungsdaten kümmern sollten, sondern sie werden als Teil möglicher umfassenderer Lösungen gesehen. Bemerkenswert ist die hellsichtige Bewertung der Wirkung des 1996 noch jungen World Wide Web: Today, information technologies that are increasingly powerful and easy to use, especially like those that support the World Wide Web, have unleashed the production and distribution of digital information. Such information is penetrating and transforming nearly every aspect of our culture.¹²
Der Gesamteindruck ist, dass Bibliotheken sich zu dieser Zeit bewusst wurden, dass die Handhabung digitaler Informationen und vor allem deren Erhaltung sie zukünftig vor erhebliche Herausforderungen stellen würden. Eigene Aktivitäten blieben zu dieser Zeit zwar auf wenige Bibliotheken und Arbeitsgruppen beschränkt. Wegen ihres klaren Archivauftrags und ihrer zum Teil bereits umfassenden Sammelverpflichtung engagierten sich in dieser Phase zwar vor allem Nationalbibliotheken. Das Thema war aber für Bibliotheken und Archive insgesamt gesetzt. Es hat seither stetig an Aufmerksamkeit gewonnen und auch immer mehr kleinere Institutionen erreicht.
Das OAIS-Modell Das Referenzmodell für ein Open Archival Information System (OAIS)¹³ wurde erstmals 1999 vorgelegt und 2003 als ISO Standard¹⁴ anerkannt. Es geht auf Bemü9 Garrett, Information (wie Anm. 1), S. 2 f. 10 Garrett, Information (wie Anm. 1), S. 3. 11 Garrett, Information (wie Anm. 1), S. 3. 12 Garrett, Information (wie Anm. 1), S. 3. 13 Consultative Committee for Space Data Systems (CCSDS): Reference Model for an Open Archival Information System (OAIS) – Recommended Practice (Magenta Book). Washington DC: CCSDS Secretariat 2012. http://public.ccsds.org/publications/archive/650x0m2.pdf (8.5.2015). 14 Die aktuelle Version ist ISO 17421:2012.
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hungen verschiedener Raumfahrtagenturen zurück und wird von deren Consultative Committee for Space Data Systems (CCSDS) gepflegt. Das OAIS-Modell hat seine Wurzeln somit in dem Bemühen, die Nutzbarkeit wissenschaftlicher (Roh-) Daten langfristig zu sichern. Die Zielsetzung wird jedoch wesentlich allgemeiner formuliert: This document is a technical Recommended Practice for use in developing a broader consensus on what is required for an archive to provide permanent, or indefinite Long Term, preservation of digital information. This Recommended Practice establishes a common framework of terms and concepts which make up an Open Archival Information System (OAIS). It allows existing and future archives to be more meaningfully compared and contrasted. It provides a basis for further standardization within an archival context and it should promote greater vendor awareness of, and support of, archival requirements.¹⁵
Nur so ist auch die enorme Resonanz auf das OAIS-Referenzmodell in Bibliotheken und Archiven zu verstehen. Sie stützen sich bei ihren Aktivitäten weitgehend auf die funktionalen Beschreibungen des Modells. Darüber hinaus hat es für sie die wichtige Aufgabe erfüllt, die Terminologie der digitalen Langzeitarchivierung zu vereinheitlichen. Allein schon dieser Umstand hat zu einer wesentlichen Vertiefung und Verbreiterung der Überlegungen beigetragen und in etlichen Institutionen wurde so erst die Basis für eine inhaltliche Diskussion geschaffen. Zugleich lag mit dem OAIS-Referenzmodell eine in sich geschlossene Darstellung dessen vor, was ein vertrauenswürdiges digitales Langzeitarchiv würde leisten müssen. Innerhalb des dadurch definierten Bezugsrahmens bewegten sich praktisch alle nachfolgenden Aktivitäten. Die Diskussion über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der digitalen Langzeitarchivierung erfasste um die Jahrtausendwende herum nach den Nationalbibliotheken immer mehr auch wissenschaftliche Bibliotheken, da zu diesem Zeitpunkt die Lizenzierung und Bereitstellung von elektronischen OnlineZeitschriften bereits zu einem Massengeschäft geworden war. Im Jahr 2000 gründeten die Schweizer Hochschulbibliotheken zunächst noch als Projekt mit einer Anschubfinanzierung des Bundes ein Konsortium, um die Lizenzverhandlungen für wichtige Produkte gemeinschaftlich zu führen.¹⁶ In der Folge konnte das Angebot an elektronischen Informationsressourcen in den teilnehmenden Einrichtungen erheblich erweitert werden.
15 CCSDS, Reference (wie Anm. 13), S. iii. 16 Neubauer, Wolfram u. Arlette Piguet: The Long Road to Becoming a „Consortium of Swiss University Libraries“. In: Liber Quarterly 11 (2001). S. 87–97. http://www.digizeitschriften.de/dms/ resolveppn/?PPN=PPN514854618_0011 (10.5.2015).
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Solange die elektronischen Ausgaben zunächst von den Verlagen zusätzlich zu und zusammen mit den Druckexemplaren von Zeitschriften angeboten wurden, war die digitale Langzeitarchivierung der Inhalte für wissenschaftliche Bibliotheken nicht vordringlich. Schnell begann jedoch auch die Diskussion darüber, ob es sinnvoll wäre, Zeitschriften nur noch in elektronischer Form zu beziehen.¹⁷ Mit der Zeit wurden im Detail weitere Herausforderungen für Anbieter und Kunden sichtbar. So führte etwa die Verschiebung von Zeitschriftentiteln von einem Verlag zu einem anderen nicht selten zu Zugriffsproblemen und Unklarheiten über die weitere Ausübung einmal erworbener Nutzungsrechte. Diese Erfahrungen mündeten 2008 in der ersten Version des Transfer Code of Practice¹⁸ für den Transfer von Zeitschriften zwischen Verlagen und die begleitende Kommunikation. Dies soll lediglich als Hinweis darauf dienen, dass Maßnahmen zur Langzeitarchivierung und zum Post Cancellation Access (PCA), also zum fortgesetzten Zugriff auf einmal erworbene Inhalte über das Ende der laufenden Zugriffslizenz hinaus, durchaus nicht als alleinige Lösungen für die Herausforderungen der wachsenden Abhängigkeit von elektronischen Informationsressourcen gesehen wurden. Bei Verlagen und Bibliotheken bedurften zahlreiche Prozesse der Anpassung an die veränderten Gegebenheiten, die zunehmend die digitale Publikations- und Nutzungsform zum zentralen Medium machten.
Die ETH-Bibliothek und die Langzeitarchivierung Aufgrund ihrer Ausrichtung auf die technisch-naturwissenschaftliche Informationsversorgung konnte und musste die ETH-Bibliothek früh den Ausbau des Angebotes elektronischer Zeitschriften vorantreiben. Entsprechend schnell wuchs auch das Unbehagen, in wachsendem Umfang wichtige Ressourcen nur noch beim jeweiligen Anbieter zu nutzen, ohne sie dauerhaft dem eigenen Bestand einverleiben zu können. Nach der Jahrtausendwende zeichnete sich zwar ab, dass die jeweiligen Nationalbibliotheken sich durchaus in der Pflicht sahen, die Langzeitarchivierung der in ihrem Verantwortungsbereich erscheinenden digitalen Zeitschriften vor-
17 Piguet, Arlette: E-only: ein Zukunftsmodell auch für die Schweizer Hochschulbibliotheken? In: medizin – bibliothek – information 4 (2004) H. 2. S. 32–37. http://lib.consortium.ch/external_ files/piguet%20-%20E-only%20Zukunftsmodell.pdf (10.5.2015). 18 UKSG Transfer Working Group: Transfer. http://www.uksg.org/transfer (10.5.2015).
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anzutreiben und dass diese Aufgabe wo nötig auch durch Erweiterungen ihres gesetzlichen Auftrages abgesichert werden würde.¹⁹ Dabei handelt es sich aber in der Regel ausschließlich um die Langzeitarchivierung zur Sicherung des kulturellen Erbes mit sehr restriktiven Nutzungsmöglichkeiten, die meist einen physischen Besuch in der Nationalbibliothek zur Vor-Ort-Nutzung voraussetzen. Der Post Cancellation Access konnte so nicht abgedeckt werden. In Ermangelung auf dem Markt verfügbarer Lösungen wäre der Aufbau eines digitalen Langzeitarchivs als Eigenentwicklung für die ETH-Bibliothek nicht zu leisten gewesen. Da sich alle Schweizer Hochschulbibliotheken mit den gleichen Fragen konfrontiert sahen, wurde die weitere Entwicklung des Themas auch beim Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken beobachtet. Die ETH-Bibliothek nahm daher in den Folgejahren an mehreren Projekten unter dem Dach des Konsortiums teil, das seinerseits seinen Sitz an der ETH-Bibliothek hat. Trotz des Fehlens eigener Archivlösungen wurde in den Lizenzverhandlungen bereits versucht, wann immer möglich auch Klauseln für ein dauerhaftes Zugriffs- und Archivrecht einmal erworbener Inhalte durchzusetzen. Wiederholt wurden auch die zunächst als Projekte gestarteten Initiativen Portico²⁰ und LOCKSS²¹ geprüft, die sich mit gegensätzlichen Konzepten und unterschiedlicher Gewichtung der Langzeitarchivierung und dem Post Cancellation Access zunächst von elektronischen Zeitschriften widmen. Die Langzeitarchivierung digitaler Forschungsdaten war für die Schweizer Hochschulbibliotheken in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende kein Thema, das realistisch hätte bearbeitet werden können. Sie wurde daher bei den Überlegungen zum weiteren Vorgehen zunächst praktisch vollständig ausgeklammert.
Projekt E-Archiving Von 2002–2008 führte das Konsortium das Projekt E-Archiving durch, das Teilprojekte zu Dokumentenservern bzw. zu einem Metadatenserver, zur Retrodigitalisierung, zum Hosting einmal erworbener Verlagszeitschriften sowie insgesamt
19 Exemplarisch für die Königliche Bibliothek der Niederlande: Oltmans, Eric: Legal deposit of digital materials. In: Liber Quarterly 13 (2003). S. 281–289. http://dspace.library.uu.nl:8080/ handle/1874/2973 (10.5.2015). 20 ITHAKA: Portico Digital Preservation Service. http://www.portico.org (8.5.2015). 21 Stanford University: LOCKSS – Lots of Copies Keep Stuff Safe. http://www.lockss.org (8.5.2015).
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zur digitalen Langzeitarchivierung umfasste.²² Eine Bestandsaufnahme und Diskussion wichtiger Fragen zur Langzeitarchivierung aus Sicht der teilnehmenden Hochschulbibliotheken lieferte die Konzeptstudie E-Archiving²³. Diese Studie klammerte Forschungsdaten nochmals vollständig aus. Aus dem Projekt E-Archiving ging die seitdem kontinuierlich ausgebaute Plattform retro.seals.ch²⁴ für digitalisierte Zeitschriften aus der Schweiz hervor. Der Versuch, das Zeitschriftenpaket eines großen Verlages lokal für Post Cancellation Access und Langzeitarchivierung zu hosten (Arbeitstitel: E-Depot), verlief dagegen aus verschiedenen Gründen ausgesprochen zäh. Aus technischer Sicht wurde das Ziel zwar schließlich erreicht, der Zeit- und Kostenaufwand erwies sich aber als unverhältnismäßig für einen dauerhaften Betrieb, sodass die Lösung nicht in den Regelbetrieb überführt wurde.
Projekt Pilot Langzeitarchivierung Teilweise parallel zum Projekt E-Archiving führten die ETH-Bibliothek, das Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken und die Informatikdienste der ETH Zürich zwischen 2006 und 2009 ein Projekt Pilot Langzeitarchivierung durch, an dem auch die damalige Gruppe Archive und Nachlässe²⁵ der ETH-Bibliothek aktiv beteiligt war. Dieses Projekt betrachtete explizit wissenschaftliche Primärdaten und Sekundärdaten (Veröffentlichungen) sowie auch Geschäftsunterlagen der ETH Zürich. Neben der testweisen Installation eines möglichen Datenmanagementsystems wurde auch eine Umfrage bei ETH-Angehörigen durchgeführt. Gestützt auf diese thematische Breite wurden klare Handlungsempfehlungen erarbeitet. Im internen Schlussbericht werden unter anderem die Schaffung und der Betrieb eines digitalen Langzeitarchivs empfohlen, um auf das Strategieziel eines Datenmanagements über den gesamten Lebenszyklus aller Typen von digitalen Daten
22 Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken: Projektinformation E-Archiving (abgeschlossen). http://lib.consortium-test.ethz.ch/html_wrapper.php?src=earchiving-ea&dir=project &activeElement=2&ea=1%20 (10.5.2015). 23 Töwe, Matthias u. Arlette Piguet: Konzeptstudie E-Archiving (Version 1.2). Zürich: Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken 2005. http://dx.doi.org/10.3929/ethz-a-004990905 (10.5.2015). 24 ETH-Bibliothek: Digitalisierte Zeitschriften. http://retro.seals.ch (8.5.2015). 25 Heute: Hochschularchiv der ETH Zürich.
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hinweg hinzuarbeiten.²⁶ Im Schlussbericht werden auch erstmals die Idee einer Fachstelle Datenerhalt für die ETH Zürich formuliert und Dienstleistungen für Primär- und Sekundärdaten sowie für die elektronische Geschäftsverwaltung und die mittelfristige Speicherung beschrieben.²⁷ Ein wichtiger Nebeneffekt dieses Pilotprojekts war die Etablierung einer Zusammenarbeit zwischen Informatikdiensten und ETH-Bibliothek beim Themenkomplex Datenmanagement, Archivierung und Speicherung. Die Zusammenarbeit im Pilotprojekt hat wesentlich zur wechselseitigen Klärung der Begrifflichkeiten und Modelle beigetragen und in der Folge auch die Abgrenzung der Aufgaben erleichtert. In den Abschlussbericht sind zudem Resultate einer weiteren Studie eingeflossen, die im Auftrag der ETH-Bibliothek als Teilprojekt von e-lib.ch: Elektronische Bibliothek Schweiz erstellt wurde.²⁸ Ebenfalls im Rahmen von e-lib.ch wurde 2010 eine Umfrage an allen Schweizer Universitäten und den meisten Fachhochschulen durchgeführt, die die Dringlichkeit von Lösungen für die Langzeitarchivierung von Primärdaten der Forschung untermauerte. Von den Personen, die einen Bedarf nach Langzeiterhaltung von Primärdaten aus ihrem Zuständigkeitsbereich bejahten (85 % der Antwortenden), hieß es: Jeder Zweite (48 %) ist mit der Situation bei der Langzeiterhaltung von Forschungsdaten in seinem Zuständigkeitsbereich »eher« oder »sehr unzufrieden«. Zwar nennen neun von zehn Antwortenden (91 %) die spätere Sekundärnutzung ihrer Daten bzw. sieben von zehn (74 %) die spätere Überprüfbarkeit ihrer Forschungsresultate als einen Grund für ihren Bedarf an Langzeiterhaltung. Aber sieben von zehn (72 %) nennen diese beide Gründe zusammen. Also sehen nur gerade 16 % bzw. 6 % den einen bzw. anderen Grund als alleinigen Zweck der Langzeiterhaltung. [. . . ] Aus diesen Feststellungen ergibt sich ein Stimmungsbild, bei dem jede/r zweite Antwortende mit der Situation der Langzeiterhaltung der Forschungsdaten in ihrem/seinem Zuständigkeitsbereich unzufrieden ist, in acht von zehn Fällen keine verbindlichen Vorgaben existieren und die Zuständigkeiten für Entscheide und operative Aufgaben der Langzeiterhaltung mehrheitlich unklar und in fast vier von zehn Fällen gar nicht geregelt sind.²⁹
26 Aliesch, Patrick [u. a.]: Projekt „Pilot Langzeitarchivierung“ – Abschlussbericht 2. Projektphase 01.06.2007 bis 30.04.2009. Zürich: Informatikdienste der ETH Zürich, Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken und ETH-Bibliothek 2009 (interner Bericht). S. 23. 27 Aliesch, Projekt (wie Anm. 26), S. 25. 28 Keller-Marxer, Peter: Konzeptstudie zur Entwicklung eines Modells für eine zentrale Langzeitarchivierung von digitalen Primär- und Sekundärdaten der Forschung für die Schweiz. Bern: ikeep 2008. http://dx.doi.org/10.3929/ethz-a-006070903 (10.5.2015). 29 Keller-Marxer, Peter: Umfrage „Archivdienstleistungen dLZA für Primärdaten an den Schweizer Hochschulen“. Bericht zu den Resultaten der Umfrage. Bern: ikeep 2010 (interner Bericht). S. 6.
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Durch die beschriebenen Vorarbeiten war der Handlungsbedarf für die langfristige Erhaltung von Forschungsdaten immer deutlicher geworden. Parallel bemühten sich Zeitschriftenherausgeber vermehrt darum, Forschungsdaten als so genanntes Supplementary Material zu Publikationen zu erhalten und international forderten die ersten Einrichtungen der Forschungsförderung, dass öffentlich finanzierte Forschungsdaten frei zugänglich abgelegt werden sollten.³⁰
Digitaler Datenerhalt statt Langzeitarchivierung Im Jahr 2010 fiel nach Gesprächen mit der Schulleitung der ETH Zürich die Entscheidung, dass die ETH-Bibliothek sich aktiv für die digitale Langzeitarchivierung von Forschungsdaten und weiteren Inhalten engagieren sollte und für diesen Zweck zunächst ein Projektteam im Bereich Kundenservices und später eine Fachstelle gründen würde. Die Integration in den Bereich Kundenservices weist bereits darauf hin, dass die Dienstleistungen der Fachstelle sich auch an einzelne Forschende richten sollten und nicht nur als Hintergrunddienste geplant wurden. Die ETH-Bibliothek brachte in das Projekt 2,1 Vollzeitstellen ein, die zunächst durch eine IT-Stelle aus Projektmitteln der Schulleitung ergänzt wurden. Aus den Vorarbeiten war jedoch klar, dass der ohnehin problematische Begriff der Langzeitarchivierung im Kontext der Forschungsdaten und gegenüber den erwarteten Kunden aus der Forschung missverständlich wäre. Als Bezeichnung wurde daher neu der Begriff Digitaler Datenerhalt geprägt. Während Langzeitarchivierung am besten mit dem englischen Begriff Preservation wiedergegeben werden kann, soll Datenerhalt bewusst eine umfassendere Zielsetzung zum Ausdruck bringen, die eher der englischen Curation entspricht. Damit soll gegenüber Kunden deutlich gemacht werden, dass es sich nicht um eine Endlagerung handelt, die am Ende eines beliebigen Produktionsprozesses steht, sondern um einen aktiven Prozess, der idealerweise bereits vor und mit der Datenproduktion vorbereitet wird und diese begleitet. Damit verbunden ist das Ziel, die Daten im Archiv zu pflegen und nutzbar zu erhalten. Das Projekt Digitaler Datenerhalt begann noch 2010 und ging 2014 in den produktiven Betrieb als Fachstelle Digitaler Datenerhalt³¹ über. Ab Mitte 2015 gehören 3,9 Vollzeitstellen unmittelbar zur Fachstelle, während 1,8 Stellen im Team Bibliotheks-IT-Services den technischen Betrieb abdecken und zahlreiche weitere
30 OECD: OECD Principles and Guidelines for Access to Research Data from Public Funding. Paris: OECD Publications 2007. http://www.oecd.org/science/sci-tech/38500813.pdf (10.5.2015). 31 ETH-Bibliothek: Digitaler Datenerhalt. http://www.library.ethz.ch (10.5.2015).
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IT-Fragestellungen bearbeiten. Langfristiges Ziel ist ein umfassendes Dienstleistungsangebot zu wichtigen Phasen des Lebenszyklus von digitalen Daten. Eine Beratung zum Datenmanagement sollte idealerweise bereits vor der Datenproduktion in Anspruch genommen werden können, und dieses Angebot befindet sich noch im Aufbau. Während der wissenschaftlichen Datenproduktion, -bearbeitung und -analyse sind wissenschaftsnahe IT-Dienstleistungen gefragt, die von der Abteilung Scientific IT Services der Informatikdienste erbracht werden. Praktische Unterstützung beim Datenmanagement vor der Ablieferung an ein Langzeitarchiv soll wiederum von der Fachstelle Digitaler Datenerhalt geleistet werden. Als Langzeitarchiv wurde das ETH Data Archive³² auf der Basis von Rosetta (Ex Libris) aufgebaut. Für die Übergabe von Daten stehen verschiedene Wege zur Verfügung, die von einem manuellen Upload via Webformular bis hin zu weitestgehend automatischen Prozessen von einer Quellapplikation ins Langzeitarchiv reichen. Dazwischen sind Mischformen wie der Transfer von Metadaten in Tabellenform oder die Nutzung eines lokalen Viewers und Editors für die Vorbereitung der Übergabe möglich. Das ETH Data Archive steht ETH-Angehörigen zur Verfügung für die langfristige Aufbewahrung ihrer Daten. Metadaten und Inhalte können und sollen möglichst aus dem ETH Data Archive heraus für den Zugriff publiziert werden, dies ist aber keine Voraussetzung für die Ablieferung. Ebenso können Daten für eine mittelfristige, aber begrenzte Aufbewahrungsdauer von mindestens zehn Jahren abgelegt werden. Dauerhaft deponierte und veröffentlichte Daten erhalten einen Digital Object Identifier (DOI). Der Auftrag der Fachstelle bezieht wie im Pilotprojekt empfohlen die drei großen Inhaltsgruppen Forschungsdaten, Sekundärdaten/Bibliotheksinhalte und Geschäftsunterlagen/Nachlässe ein. Ihnen ist gemeinsam, dass es sich um Inhalte handelt, die nur an der ETH Zürich vorhanden sind und für die die ETHBibliothek daher eine besondere Verantwortung oder sogar einen gesetzlichen Auftrag hat. Ein wesentlicher Unterschied zu den Überlegungen kurz nach der Jahrtausendwende ist der vorläufige bewusste Verzicht auf eine Langzeitarchivierung lizenzierter Inhalte im ETH Data Archive. Stattdessen nutzt die ETH-Bibliothek wie auch andere Schweizer Hochschulbibliotheken sowohl LOCKSS als auch Portico. Sie verfolgt kontinuierlich die mit beiden Diensten gemeinsam erreichte Abdeckung und arbeitet wie auch das Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken darauf hin, die Beteiligung an mindestens einem der beiden Dienste in den Lizenzverträgen mit den Anbietern digitaler Inhalte zu verankern. Der
32 ETH-Bibliothek: ETH Data Archive. http://data-archive.ethz.ch/ (10.5.2015).
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Verzicht auf eine eigene Archivierung wurde dadurch erleichtert, dass sich das elektronische Publizieren bis auf einige organisatorische Probleme wie den Titeltransfer insgesamt seit mehr als zehn Jahren als stabil erwiesen hat. Zudem werden die publizierten Inhalte weltweit in einer so großen Zahl von Institutionen genutzt, dass sich gemeinschaftliche Lösungen aufdrängen. Es wird wesentlich von der mit den genannten Diensten erreichbaren Abdeckung der lizenzierten Titel abhängen, ob zusätzlich auch eigene Archivierungsmaßnahmen für lizenzierte Inhalte nötig werden. Die Aufgabenverteilung im Umgang mit den verschiedenen Arten von Inhalten variiert: Während die Fachstelle für Forschungsdaten derzeit die Hauptakteurin ist, werden Bibliotheksinhalte überwiegend als Dark Archive übernommen, d. h. die Nutzung erfolgt auf anderen Online-Plattformen. Das ETH Data Archive übernimmt lediglich die dauerhafte Archivierung ohne regelmäßigen Publikumszugriff. Für Geschäftsunterlagen hat das Hochschularchiv die Federführung über die Prozesse der Ablieferung, Bewertung usw. Die Fachstelle Digitaler Datenerhalt bietet hier vor allem technische Unterstützung und betreibt die benutzten Werkzeuge.
Wie geht es weiter? Allein mit der Produktionsaufnahme eines digitalen Langzeitarchivs ist die langfristige Verfügbarkeit von Daten noch nicht gesichert. Genau genommen beginnt die eigentliche Arbeit der Langzeitarchivierung damit erst. Viele Herausforderungen werden heute erst end of the pipe sichtbar, also beim Versuch, Daten aus ihrem früheren Kontext heraus ins Langzeitarchiv zu übertragen. Langfristig muss das Ziel sein, den Datenproduzenten früh im Lebenszyklus ihrer Daten genügend Know-how zur Verfügung zu stellen, damit sie wichtige Hindernisse für die langfristige Nutzbarkeit ihrer Daten selbst von Anfang an vermeiden können. Dabei geht es nicht einmal primär darum, einem unbekannten späteren Nutzer das Leben zu erleichtern, sondern vor allem können sich Forschende selbst Ärger ersparen, der bereits nach wenigen Jahren auf sie selbst zurückfallen kann. Die Unterstützung für die eigene Planung des Datenmanagements in den Forschungsgruppen wird darum einen wichtigen Teil der zukünftigen Arbeit der Fachstelle bilden.
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Für die Akzeptanz der angebotenen Applikationen ist eine möglichst sinnvolle Integration der bisher noch getrennten Workflows für Publikationen, Forschungsdaten und bibliographische Nachweise wichtig. Auch sie ist bereits in Arbeit. Die geschilderten Herausforderungen betreffen alle Hochschulen. Mehrere Schweizer Universitäten einschließlich der ETH Zürich haben darum im Rahmen des Programms Wissenschaftliche Information³³ einen gemeinsamen Antrag für ein Projekt zum Data Life-Cycle Management eingereicht. Ein wesentliches Ziel des vorgeschlagenen Projekts ist die erleichterte Nachnutzung bestehender Lösungen und ihre Übertragung auf neue Anwendungsfälle und Institutionen. Sofern der Antrag genehmigt wird, wird sich die ETH-Bibliothek vor allem bei der Sammlung und Erarbeitung von Materialien zur Unterstützung des Datenmanagements engagieren sowie bei der Pilotanbindung einer wissenschaftlichen Datenmanagementplattform über eine Schnittstelle zur Datenübergabe an ein Langzeitarchiv, exemplarisch an das ETH Data Archive.
Literatur Aliesch, Patrick [u. a.]: Projekt „Pilot Langzeitarchivierung“ – Abschlussbericht 2. Projektphase 1.6.2007 bis 30.4.2009. Zürich: Informatikdienste der ETH Zürich, Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken und ETH-Bibliothek 2009 (interner Bericht). Consultative Committee for Space Data Systems (CCSDS): Reference Model for an Open Archival Information System (OAIS) – Recommended Practice (Magenta Book). Washington, DC: CCSDS Secretariat 2012. http://public.ccsds.org/publications/archive/650x0m2.pdf (8.5.2015). Council on Library and Information Resources: The Commission on Preservation and Access Newsletter Archive, CPA Newsletter #1, Jun 1988. http://www.clir.org/pubs/archives/ cpanews/cpanl01.html (8.5.2015). ETH-Bibliothek: ETH Data Archive. http://data-archive.ethz.ch/ (10.5.2015). ETH-Bibliothek: Digitaler Datenerhalt. http://www.library.ethz.ch (10.5.2015). ETH-Bibliothek: Digitalisierte Zeitschriften. http://retro.seals.ch (8.5.2015). Garrett, John [u. a.]: Preserving Digital Information. Report of the Task Force on Archiving of Digital Information. Commissioned by The Commission on Preservation and Access and The Research Libraries Group 1996. http://www.oclc.org/content/dam/research/activities/ digpresstudy/final-report.pdf (8.5.2015). ITHAKA: Portico Digital Preservation Service. http://www.portico.org (8.5.2015).
33 swissuniversities: SUK-Programm 2013-2016 P-2 Wissenschaftliche Information: Zugang, Verarbeitung und Speicherung. http://www.swissuniversities.ch/de/organisation/projekte-undprogramme/suk-p-2-wissensch-information-zugang-verarbeitung-speicherung/ (10.5.2015).
Von Forschungsdaten zu e-journals und zurück |
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Keller-Marxer, Peter: Konzeptstudie zur Entwicklung eines Modells für eine zentrale Langzeitarchivierung von digitalen Primär- und Sekundärdaten der Forschung für die Schweiz. Bern: ikeep 2008. http://dx.doi.org/10.3929/ethz-a-006070903 (10.5.2015). Keller-Marxer, Peter: Umfrage „Archivdienstleistungen dLZA für Primärdaten an den Schweizer Hochschulen“. Bericht zu den Resultaten der Umfrage. Bern: ikeep 2010 (interner Bericht). Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken: Projektinformation E-Archiving (abgeschlossen). http://lib.consortium-test.ethz.ch/html_wrapper.php?src=earchivingea&dir=project&activeElement=2&ea=1%20 (10.5.2015). Neubauer, Wolfram u. Arlette Piguet: The Long Road to Becoming a „Consortium of Swiss University Libraries“. In: Liber Quarterly 11 (2001). S. 87–97. http://www.digizeitschriften.de/ dms/resolveppn/?PPN=PPN514854618_0011 (10.5.2015). OCLC Research: History of the OCLC Research Library Partnership. http://www.oclc.org/ research/partnership/history.html?urlm=160971 (8.5.2015). OECD: OECD Principles and Guidelines for Access to Research Data from Public Funding. Paris: OECD Publications 2007. http://www.oecd.org/science/sci-tech/38500813.pdf (10.5.2015). Oltmans, Eric: Legal deposit of digital materials. In: Liber Quarterly 13 (2003). S. 281–289. http://dspace.library.uu.nl:8080/handle/1874/2973 (10.5.2015). Piguet, Arlette: E-only: ein Zukunftsmodell auch für die Schweizer Hochschulbibliotheken? In: medizin – bibliothek – information 4 (2004) H. 2. S. 32–37. http://lib.consortium.ch/ external_files/piguet%20-%20E-only%20Zukunftsmodell.pdf (10.5.2015). Stanford University: LOCKSS – Lots of Copies Keep Stuff Safe. http://www.lockss.org (8.5.2015). swissuniversities: SUK-Programm 2013-2016 P-2 Wissenschaftliche Information: Zugang, Verarbeitung und Speicherung. http://www.swissuniversities.ch/de/organisation/projekteund-programme/suk-p-2-wissensch-information-zugang-verarbeitung-speicherung/ (10.5.2015). Töwe, Matthias u. Arlette Piguet: Konzeptstudie E-Archiving (Version 1.2). Zürich: Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken 2005. http://dx.doi.org/10.3929/ethz-a004990905 (10.5.2015). UKSG Transfer Working Group: Transfer. http://www.uksg.org/transfer (10.5.2015).
Uwe Rosemann
Die Stiftung Technische Informationsbibliothek und ihre Strategie 2015–2017 Hintergrund Mit seinem Schreiben vom 10.4.2015 hat der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil dem niedersächsischen Landtag den Entwurf eines Gesetzes über die Stiftung „Technische Informationsbibliothek (TIB)“ zur Erörterung und Verabschiedung übergeben. Dieses Gesetz sieht vor, dass die TIB zum 1.1.2016 in eine Stiftung des öffentlichen Rechts des Landes Niedersachsen überführt wird und von diesem Zeitpunkt an auch den Betrieb der Universitätsbibliothek der Leibniz Universität Hannover (LUH) übernimmt, die ihrerseits UB-Personalund Sachmittel an die Stiftung übergibt. Die Stiftung führt die Zusatzbezeichnungen „Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften“ und „Universitätsbibliothek“. Der folgende Beitrag beschreibt die Hintergründe dieser Entwicklung und stellt die aktuelle Strategie der Stiftung vor. Die Technische Informationsbibliothek wurde am 15. Juni 1959 durch den Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) als unselbstständige Anstalt des Landes Niedersachsen an der Technischen Hochschule Hannover auf Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) errichtet. Die TIB wird die Deutsche Zentralbibliothek für Technik sowie Architektur, Chemie, Informatik, Mathematik und Physik und übernimmt als Infrastruktureinrichtung neben angewandter Forschung und Beratungsdiensten vor allem Serviceaufgaben für die Wissenschaft. Die Hauptaufgabe der TIB war zunächst die umfassende Beschaffung, Bereitstellung und Archivierung konventioneller und nicht-konventioneller („grauer“) technischer und naturwissenschaftlicher Literatur, wozu auch die speziellen, schwer beschaffbaren und sprachlich schwer zugänglichen Neuerscheinungen zählten. Zielgruppen für diese Dienstleistungen waren die Forschung und Entwicklung nicht nur in den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, sondern auch in Industrie und Wirtschaft. Solange sie existierten, war die TIB ein wichtiger Partner im Sondersammelgebietssystem der überregionalen Literaturversorgung der DFG (SSG) in Deutschland und bediente im Rahmen der Fachinformationsprogramme der Bundesregierung die Fachinformationszentren mit Originalliteratur. Heute
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beteiligt sich die TIB erfolgreich an den Projekten der Fachinformationsdienste (FID) der DFG. Die Universitätsbibliothek Hannover bedient die Literaturversorgung der LUH seit Gründung der Hochschule im Jahr 1831. Anders als die TIB versorgt sie auch alle sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächer der Universität. Die UB hat auf der Basis ihres Versorgungsauftrages und durch die große Nähe zu ihren Nutzern ihre Entwicklungsschwerpunkte im Bereich der Informationskompetenz und der Gestaltung von Lernräumen, insbesondere für die Studierenden. Sie berät die Universität aber auch bei den aktuellen Themen Forschungsinformation und Management von Forschungsdaten, bietet Publikationsdienste an und fördert den Open Access-Gedanken. Die Kooperation von TIB und UB stellte schon immer eine Win-Win-Situation dar: Dem hohen Entwicklungspotential der TIB und ihren umfangreichen Beständen stellt die UB ihre Kompetenz in der Kenntnis von Nutzerbedarfen und wissenschaftlichen Kommunikationsprozessen an die Seite und bietet Schnittstellen zu weiteren Fachgebieten an. Die TIB wird vom Bund (30 %) und allen Bundesländern (70 %) gemeinsam finanziert und ist Mitglied in der Leibniz-Gemeinschaft. Sie wird alle sieben Jahre durch eine externe Gutachtergruppe umfänglich evaluiert – auf dieser Basis entscheidet die GWK (Gemeinsame Wissenschaftskonferenz) von Bund und Ländern regelmäßig über die Fortsetzung der Finanzierung der Einrichtung. Neben der ständigen Diskussion über die inhaltliche Weiterentwicklung der TIB wurde spätestens seit der Evaluierung der TIB im Jahre 2004 die Frage der Rechtsform der TIB und die Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek der LUH bei den Zuwendungsgebern im Bund (BMBF) und Land (MWK) erörtert. Seit ihrer Gründung arbeitet die TIB räumlich und organisatorisch eng mit der UB zusammen – für Besucher und Nutzer der Bibliothek ist eine Unterscheidung zwischen TIB und UB nicht möglich. Dennoch sind TIB und UB immer zwei Bibliotheken gewesen mit getrennten Finanzströmen und Personalstämmen. Die GWK fordert seit jeher für die Institute der Leibniz-Gemeinschaft die rechtliche Selbstständigkeit, damit diese Institute, die eine gesamtstaatliche Bedeutung und nationale Aufgaben haben, ihre Entwicklungsstrategien unabhängig von einem lokalen Standort formulieren und realisieren können. Folglich wurde eine Reform des Rechtsstatus der TIB gefordert. Die besondere Situation der engen Verknüpfung von TIB und UB und ihrer sehr erfolgreichen Zusammenarbeit durfte allerdings nicht aufgelöst werden: Es ist daher von den Zuwendungsgebern der TIB und der LUH die Entscheidung getroffen worden, die TIB in eine Stiftung des öffentlichen Rechts des Landes Niedersachsen umzuwandeln und die Universitätsbibliothek in diese Stiftung zu überführen. So kann auf Dauer gewährleistet werden, dass die Synergien der Zusammenarbeit dieser beiden Bibliotheken erhalten bleiben: Das hohe In-
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novationspotential der zukünftigen Stiftung in enger Zusammenarbeit mit einer Universität wird Garant für eine erfolgreiche dienstleistungsorientierte Forschung und Entwicklung sein. Das Ziel der Integration von TIB und UB vor Augen, wurde eine gemeinsame Strategie für die nächsten drei Jahre (2015–2017) entwickelt. Dabei steht im Hintergrund die Herausforderung, auch in Zukunft ein leistungsfähiges und attraktives Dienstleistungsangebot sicherzustellen und somit die Grundlagen für ihre Finanzierung durch Bund und Länder zu gewährleisten. Die folgenden Aspekte sind dabei maßgeblich: – Der generelle exponentielle Anstieg der wissenschaftlichen digitalen Information: In den letzten Jahren werden wissenschaftliche Publikationen in zunehmendem Maße auch oder ausschließlich elektronisch veröffentlicht. Hier sind die gesetzlichen Vorgaben des Urheberrechts, die für Dokumentlieferdienste relevant sind, ganz andere als bei Printvorlagen: Um ihre Aufgabe der Volltextversorgung weiterhin erfüllen zu können, muss die TIB Rechte (Lizenzen) für die Bereitstellung und Archivierung dieser elektronischen Materialien erwerben und neue Nutzungsmodelle entwickeln. Sie verhandelt außerdem Nationallizenzen für wissenschaftliche Publikationen und stellt diese über ihre Zugangssysteme zur Verfügung. Sie unterstützt mit ihren Diensten und Projekten den Open Access-Gedanken. – Die Diversifizierung der produzierten Medientypen und Formate: Während in der Vergangenheit Druckmedien (Text und Bild) vorherrschend waren, kommen zunehmend digitale, audiovisuelle Medien und Forschungsdaten aller Art hinzu. Hier betreibt die TIB ein Kompetenzzentrum für nicht-textuelle Materialien (KNM), welches sich aktuell mit AV-Medien, 3D-Objekten und dem allgemeinen Management von Forschungsdaten befasst. – Die wachsenden Anforderungen und Bedarfe der Kunden an Informationsdienste: Diese gehen konform mit ihren allgemeinen Internet-Erfahrungen – Informationen müssen schnell, barrierefrei, zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar sein. Einfluss nehmen auch der Umgang mit Web-2.0-Diensten, kollaborativen Netzwerken und sozialen Medien. Das geänderte Kommunikationsverhalten der Wissenschaftler wird in dem Forschungsverbund Science 2.0 der Leibniz-Gemeinschaft untersucht, in dem die TIB Mitglied ist. – Eigene angewandte Forschung betreiben: Die TIB ist eine nationale Infrastruktureinrichtung der wissenschaftlichen Informationsversorgung. Als solche hat sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Leibniz-Gemeinschaft die neue Aufgabe erhalten, selbst eine anwendungsorientierte Forschung aufzubauen, um neue Dienste im Kontext der oben beschriebenen Rahmenbedingungen zu entwickeln und alte Dienste zu optimieren.
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Die TIB wird daher 2015 eine erste Professur zusammen mit der LUH berufen, die sich mit dem Thema „Visual Analytics“ befassen wird. Dies ist ein Forschungsgebiet, das sich aus der Arbeit des Kompetenzzentrums für nicht-textuelle Materialien ableitet. Weiterhin wird die Nachfolge des jetzigen Direktors im Jahr 2016 durch eine weitere Professur an der LUH im Fachgebiet Informatik realisiert werden.
Die Strategie 2015–2017 Grundsätzlich ist die Entwicklung einer Strategie ein Top-down-Prozess, dessen Erfolg aber entscheidend von der Kompetenz und dem inhaltlichen Input durch die Fach-Expertinnen und -Experten aus den verschiedenen Bereichen des Hauses abhängt. Auf der Basis genereller Vorgaben, die sich aus den verschiedenen Aufgaben von TIB und UB ergeben, haben wir in einem Workshop mit mehr als 30 Kolleginnen und Kollegen gemeinsam Ideen zu strategischen Zielen der Bibliothek gesammelt. Daraus hat ein kleines Strategieteam aus Bibliotheksleitung und Marketing sieben strategische Leitlinien erarbeitet, aus denen jeweils einzelne Ziele und Handlungsfelder abgeleitet wurden. Bei der Beschreibung der Strategie steht nun TIB für die zukünftige Stiftung Technische Informationsbibliothek. Die Strategie 2015–2017 hat einen klassischen systematischen Aufbau: Vision, Mission, Werte und Strategische Leitlinien, die sich in weitere strategische Ziele und Handlungsfelder unterteilen. Im folgenden Text will ich nur auf die sieben strategischen Leitlinien etwas näher eingehen. Wissen für künftige Generationen bewahren: Die TIB bewahrt ihren weltweit einmaligen Bestand an technisch-naturwissenschaftlichen Fach- und Forschungsinformationen für zukünftige Generationen von wissenschaftlich Interessierten – unabhängig von seiner Form. Der vollständige und medienübergreifende Aufbau und Erhalt unserer Sammlungen ist somit unser wichtigstes Ziel. Gleichzeitig wird eine Infrastruktur für Forschungsdaten geschaffen. Unser Bestand wird archiviert und damit langfristig gesichert. So trägt die TIB zum Erhalt des kulturellen Erbes bei. Zugang zu Wissen ermöglichen: Die TIB bietet ihren Bestand so offen und einfach wie möglich an – im Rahmen gegebener rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Bedingungen. Wir wollen den Wert von Informationen für unsere Kunden steigern und sie in die Lage versetzen, ihren Informationsbedarf jederzeit und von jedem Ort aus decken zu können. Wir unterstützen Open Science und
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machen uns für eine nachhaltige und qualitätssichernde Open Access-Strategie stark. Mit den Goportis-Partnern etablieren wir ein Kompetenzzentrum für Lizenzierung, in dem unter anderem gemeinsam mit Autorinnen und Autoren sowie Verlagen neue Lizenzmodelle für den Zugang zu digitalem Content entwickelt werden. Forschung und Wissenschaft unterstützen: Als unverzichtbarer Bestandteil des nationalen Gefüges der Wissenschaftsinformationsversorgung unterstützt die TIB den Industrie- und Wissenschaftsstandort Deutschland. Sie stellt die effiziente Grund- und Spitzenversorgung samt entsprechender medienübergreifender, verlässlicher Forschungsinfrastruktur sicher. Damit bilden wir die Basis erfolgreicher Innovationen, die Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Als aktiver Partner im Goportis-Verbund sowie von Fach- und Forschungscommunities nehmen wir Impulse auf und entwickeln diese weiter. Unseren Kunden bieten wir passgenaue Dienstleistungen, der Gesellschaft machen wir Wissen in umfassender Form zugänglich. Außerdem unterstützt die Bibliothek Entwicklungen hin zu einem wissenschaftsfreundlichen Rechtsraum. Nationale und internationale Zusammenarbeit ausbauen: Strategische Allianzen und eine weltweite Vernetzung erweitern den Aktionsradius der TIB und sind wichtige Voraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit der Bibliothek. Im Rahmen unserer Internationalisierungsstrategie arbeiten wir mit wissenschaftlichen Bibliotheken und Forschungseinrichtungen projektbezogen sowohl an neuartigen als auch an der Weiterentwicklung bestehender Dienstleistungen. Als aktives Mitglied in Gremien, Netzwerken und Verbünden positionieren wir unsere Kernkompetenzen und Experten, schärfen unser Profil und setzen eigene Themen auf die wissenschaftspolitische Agenda. So gestalten wir zukünftige Entwicklungen mit. Eigene Forschung betreiben: Die TIB ist eine forschungsbasierte Bibliothek und verfolgt den Auf- und Ausbau eigener angewandter Forschung. Diese Aktivitäten werden sich durch die Berufung einer Professur an die Leitungsspitze verstärken und beschleunigen. Wir wollen die eigene Innovationsfähigkeit verbessern und Dienstleistungen für unsere Kunden nachhaltig optimieren. Dafür sind die entsprechenden Infrastrukturen und Ressourcen zu schaffen. Eine besondere Bedeutung hat für uns das Kompetenzzentrum für nicht-textuelle Materialien, in dem die Bedingungen für Zugang und Nutzung dieser Forschungsdaten grundlegend verbessert werden.
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Die Bibliothek für die Leibniz Universität Hannover gestalten: Die Angebote der TIB vor Ort richten sich primär an die Studierenden, Lehrenden und Forschenden der LUH, stehen aber jedermann offen. Wir beschaffen und erschließen Literatur und Informationen für alle Fächer nach den spezifischen Anforderungen der LUH. Neben ihrem Medienangebot ist die TIB ein physischer Raum zum Lernen, Arbeiten und Netzwerken – mit langen Öffnungszeiten, einem breiten und qualitativ hochwertigen Angebot an Arbeitsplätzen und einer guten Lernatmosphäre. Lernunterstützende Dienstleistungen sowie vielfältige Instrumente zur Stärkung der Informations- und Medienkompetenz der Angehörigen der LUH werden in Kooperation mit weiteren Partnern ausgebaut. Auch am Aufbau neuer Dienstleistungen zum Open Access-Publizieren und für das Management von Forschungsdaten ist die Bibliothek maßgeblich beteiligt. Die TIB zukunftsfähig aufstellen: Die Bibliothek begegnet bestehenden und zukünftigen Herausforderungen proaktiv: Kontinuierlich optimieren wir unsere Angebote und richten sie an den sich ändernden wissenschaftlichen Lern- und Arbeitsgewohnheiten aus. Für die mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die TIB ein attraktiver Arbeitgeber, der gesamtgesellschaftliche und soziale Verantwortung übernimmt und die Zukunftsfähigkeit der Institution und ihrer Angehörigen sichert. Voraussetzung für den Erhalt einer leistungsfähigen Organisation ist eine ganzheitliche und fortlaufende Personal- und Organisationsentwicklung. Aus Platzgründen verzichte ich hier auf eine weitere Detaillierung von Zielen und Handlungsfeldern, will aber noch kurz auf die operative Umsetzung der Strategie eingehen: Es ist natürlich ganz entscheidend, für die genannten Ziele konkrete Maßnahmen zu ergreifen, deren Wirksamkeit durch möglichst konkrete Kennzahlen hinterlegt werden muss, um den Erfolg – die Erreichung des Zieles – auch wirklich messen zu können. Zu diesem Zweck wird jedes Jahr ein Programmbudget erstellt, welches im Detail beschreibt, was in jedem Programmbereich, das heißt in den einzelnen Abteilungen der Bibliothek, an Projekten durchgeführt werden soll. Im Vorfeld werden in den einzelnen Abteilungen in Workshops Vorschläge für solche Maßnahmen entwickelt, die von den Verantwortlichen für die einzelnen Programmbereiche dann zusammengefasst und von dem Bibliotheksmanagement verabschiedet werden. Danach geht das Programmbudget in die Beratung durch den wissenschaftlichen Beirat und wird zukünftig durch den Stiftungsrat verabschiedet. Die Entwicklung der relevanten Kennzahlen wird regelmäßig überprüft. Um die Komplexität der zahlreichen internen eigenfinanzierten und externen drittmittelfinanzierten Projekte und Maßnahmen beherrschen und steuern zu können, hat die TIB ein umfangreiches Multiprojektmanagement implemen-
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tiert, welches insbesondere die Prioritäten des Ressourceneinsatzes, beispielsweise von IT-Personal, festlegt und überwacht. Parallel zur Vorbereitung auf die Stiftungsgründung hat die Bibliothek mit einer potentiell umfangreichen Überarbeitung ihrer Organisationsstruktur begonnen, die im Detail ebenfalls nicht Gegenstand dieses Beitrags sein kann. Es sei nur erwähnt, dass zum Beispiel die Generierung neuer Dienste aus Drittmittelprojekten und deren Überführung in eine Linienorganisation oder die Installation von Forschungsprofessuren interne Reorganisationsmaßnahmen notwendig werden lässt, die ihrerseits umfangreiche Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen nach sich ziehen. Dieses Thema mag der Gegenstand weiterer Beiträge sein. Zum Abschluss sei noch angemerkt, dass die Umsetzung einer globalen Strategie einer internationalen Vernetzung bedarf. Die TIB arbeitet mit vielen bedeutenden Kooperationspartnern zusammen – so auch mit der Bibliothek der ETH Zürich im Rahmen der TechLIB-Gruppe, zu der die TU Delft Library, die Danmarks Tekniske Universitet, Kopenhagen, und das Imperial College, London, gehören. Insbesondere mit der Bibliothek der ETH verbindet die TIB eine gute Zusammenarbeit; aktuell wurde von den beiden Bibliotheken zusammen mit der HTW Chur der Horizon Report „Libraries“ herausgegeben; eine Neuauflage für 2015 ist in Arbeit. Eine gute Basis der Kooperation mit der ETH ist die langjährige Mitgliedschaft von Dr. Wolfram Neubauer im TIB-Fachbeirat, in dem er vor dem Hintergrund seiner langjährigen Führungserfahrung die strategische Entwicklung der TIB begleitet und mitgestaltet hat. Dafür ist ihm der Dank der Technischen Informationsbibliothek gewiss.
Stefan Wiederkehr
Die Strategie 2015 bis 2020 für die Sammlungen und Archive der ETH Zürich Ein wegweisender Schulleitungsbeschluss Am 11. November 2014 verabschiedete die Schulleitung die Strategie 2015 bis 2020 für die Sammlungen und Archive der ETH Zürich.¹ Darüber hinaus erklärte sie ihre Bereitschaft, kombinierte Erschließungs- und Digitalisierungsprojekte sowie konservatorische Maßnahmen finanziell zu unterstützen. Schließlich beschloss sie auch organisatorische Verbesserungen. Mit diesen wegweisenden Entscheidungen minimierte die Schulleitung die Sicherheits- und Reputationsrisiken, die der ETH-Rat 2011 bei einem internen Audit festgestellt hatte. Ohne das große Engagement des Jubilars für das kulturhistorische Erbe im Besitz der ETH Zürich und sein Bewusstsein für die Bedeutung der naturwissenschaftlichen Objektsammlungen als Forschungsinfrastrukturen wäre es nicht zu diesem Beschluss gekommen. Die ETH-Bibliothek spielte bei der Entwicklung einer kohärenten Gesamtstrategie für die Sammlungen und Archive der ETH Zürich die zentrale Rolle. Denn sie erhielt von der Schulleitung nach dem Audit des ETH-Rats den Auftrag, eine solche Strategie auszuarbeiten. Die ETH-Bibliothek wiederum konnte mit Thilo Habel (Berlin) einen externen Sammlungsexperten gewinnen, der 2013 eine mehrmonatige Bestandsaufnahme machte. Der Verfasser dieses Beitrags arbeitete nach seinem Stellenantritt 2014 Habels Rohmaterial in die Publikation Sammlungen und Archive der ETH Zürich. Wissenschaftliches Erbe für die Forschung der Zukunft² um, auf deren Grundlage die Schulleitung ihre Beschlüsse fällte und die den Ausgangspunkt für die weiteren Planungen bildete und bildet.
1 Sammlungen und Archive der ETH Zürich: Strategie 2015 bis 2020. https://www.ethz.ch/ content/dam/ethz/main/campus/bibliotheken/Sammlungen-Archive_Strategie_2015-2020.pdf (4.4.2015). 2 Habel, Thilo u. Stefan Wiederkehr: Sammlungen und Archive der ETH Zürich. Wissenschaftliches Erbe für die Forschung der Zukunft. 2., durchges. Aufl. Zürich: ETH-Bibliothek 2015. DOI: 10.3929/ethz-a-010360372.
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Sammlungen und Archive von internationalem Rang Der deutsche Wissenschaftsrat verabschiedete 2011 Empfehlungen zu den wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen. Darin werden die vier wichtigsten, eng miteinander verbundenen Funktionen wissenschaftlicher Universitätssammlungen benannt: – die Nutzung in der Forschung – die Nutzung in der Lehre – die Wissenschaftsvermittlung gegenüber der breiteren Öffentlichkeit – die Bewahrung des kulturellen Erbes.³ Der erste Aspekt – die Nutzung in der Forschung – ist dem Selbstverständnis der ETH Zürich nach der wichtigste. Das Urteil, dass die Sammlungen und Archive der ETH Zürich in ihrer Gesamtheit internationalen Rang für sich beanspruchen können, gilt auch und gerade hier. Dies betrifft sowohl die Funktion als Referenzsammlungen für die aktuelle Forschung (Forschung in Sammlungen) als auch die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung (Forschung über Sammlungen). Objektsammlungen spielen in den Naturwissenschaften die Rolle von Referenzdatenbanken für die allgemeingültige Objektbestimmung. Die ETH Zürich besitzt im Botanischen Herbarium, im Mykologischen Herbarium, in der Entomologischen Sammlung und in den Erdwissenschaftlichen Sammlungen mehrere zehntausend Typusbelege aus den jeweiligen Disziplinen. Typusbelege sind diejenigen Exemplare, anhand derer die Erstbeschreibungen neuer Arten erfolgten. Im Hochschularchiv der ETH Zürich finden Wissenschaftler unikale Quellen, um die Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen und die Geschichte der ETH Zürich im Speziellen zu erforschen und so zum Verständnis der Gegenwart beizutragen. Wer die Entstehung der Werke von Max Frisch oder Thomas Mann studieren möchte, ist auf die verschiedenen Varianten von Originalmanuskripten und die originalen Korrespondenzen der beiden Schriftsteller angewiesen, die in den Literaturarchiven an der ETH Zürich liegen. Die Reihe der Beispiele könnte leicht auf die Graphische Sammlung, das Archiv für Zeitgeschichte und das gta Archiv am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) ausgeweitet werden, die für ihre jeweiligen Fächer einmalige Originale vorhalten.
3 Wissenschaftsrat (Hrsg.): Empfehlungen zu wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen. Berlin: Wissenschaftsrat 2011 (Drs. 10464–11). S. 33.
Die Strategie 2015 bis 2020 für die Sammlungen und Archive der ETH Zürich
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Neben die Forschung in den Sammlungen tritt die Forschung über Sammlungen und Archive. Objektsammlungen sind Wissensordnungen. Die Aufbewahrungssysteme bilden (historische) Fachsystematiken ab, die Aufnahmekriterien den Stand der Wissenschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt. In diesem Sinne sind Sammlungen manifest gewordene Wissenschaftsgeschichte.⁴ Ein besonders augenfälliges Beispiel hierfür ist das Mykologische Herbarium. Traditionellerweise wurden Pilzpräparate als Teile von Pflanzenherbarien gesammelt, so auch in Zürich. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden die Pilze systematisch vom Pflanzenreich abgesondert. An der ETH Zürich schuf man am Herbarium 1953 eine zweite Kuratorenstelle für die Kryptogamen, um dieser Gruppe eine eigene Bearbeitung zukommen zu lassen. Heute ist das Mykologische Herbarium eine eigenständige Größe unter dem Dach der Vereinigten Zürcher Herbarien und räumlich getrennt von den botanischen Herbarien. Die schrittweise Verselbstständigung des Mykologischen Herbariums ist somit auch ein Spiegel der Disziplinengeschichte der Biologie. In der Hochschullehre des 19. Jahrhunderts waren Sammlungen von eminenter Bedeutung. Die damals errichteten Universitätsgebäude wurden so konzipiert, dass die Lehr- und Forschungssammlungen an prominenter Stelle präsentiert werden konnten und einen großen Teil der Gebäudeflächen einnahmen. Einige gehen so weit zu sagen, dass die Gebäude um die Schausammlungen herum gebaut wurden. Das trifft auch auf die ETH Zürich zu: Schule und museale Schausäle bildeten im Semper-Bau (Hauptgebäude) oder im Gull-Bau (Gebäude NO) eine Einheit.⁵ Im 20. Jahrhundert verloren die plastischen Modelle an Boden, Bildprojektionen und andere Formen der Visualisierung gewannen an Bedeutung. Ins Gewicht fällt auch die Tatsache, dass die Lehrfächer Systematik und Biodiversität innerhalb des jeweiligen Lehrkanons an den Rand gedrängt wurden. Gleichwohl ist insbesondere das Typusmaterial nicht aus der Lehre wegzudenken. So bauen seit 2011 die ETH-Bibliothek und das Departement Architektur eine Materialsammlung für Zwecke der Lehre gemeinsam (wieder) auf. Damit korrigieren sie einen Fehler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nämlich die voreilige Auflösung einer umfangreichen Sammlung von Bau- und Dekorationsmaterialien.
4 Hassler, Uta u. Torsten Meyer: Die Sammlung als Archiv paradigmatischer Fälle. In: Kategorien des Wissens. Die Sammlung als epistemisches Objekt. Hrsg. von Uta Hassler u. Torsten Meyer. Zürich: vdf Hochschulverlag an der ETH Zürich 2014. S. 7–74; Abel, Günter: Sammlungen als epistemische Objekte und Manifestationen von Ordnungen des Wissens. In: ebd. S. 109–131; Förster, Larissa (Hrsg.): Transforming knowledge orders. Museums, collections and exhibitions. Paderborn: Fink 2014. 5 Hassler, Uta u. Christine Wilkening-Aumann: „den Unterricht durch Anschauung fördern“. Das Polytechnikum als Sammlungshaus. In: Hassler, Kategorien (wie Anm. 4), S. 75–95.
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Dabei nutzen sie die Chancen des digitalen Zeitalters zur Realisierung eines innovativen Konzepts, das mehrere physisch getrennte Sammlungen virtuell zusammenführt. Sammlungen und Archive werden von vielen renommierten Universitäten gezielt für die Selbstdarstellung und die Wissenschaftskommunikation in die breite Öffentlichkeit eingesetzt. In der Geschichte der ETH Zürich ist der Museumsbetrieb jedoch nie die wichtigste Funktion der Sammlungen und Archive gewesen. Die Nutzung der Sammlungen und Archive in Forschung und Lehre stand stets im Vordergrund. Die 2009 ins Leben gerufene erdwissenschaftliche Ausstellungseinrichtung focusTerra kann als – freilich unvollständige – Kurskorrektur interpretiert werden. Die nun verabschiedete Strategie lässt eine bessere Koordination und einen Ausbau der Ausstellungsaktivitäten erwarten. Die Mehrzahl der Sammlungen und Archive der ETH Zürich sind im Schweizerischen Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung⁶ aufgeführt. Die Pflege dieses Kulturguts ist eine nationale Aufgabe, zu der sich die ETH Zürich in ihrer strategischen Planung⁷ und nun auch mit den aktuellen Beschlüssen bekennt. Für das auf der Grundlage des Bundesgesetzes über die Archivierung gesammelte Archivgut des Hochschularchivs gilt ein zusätzlicher gesetzlicher Schutz.⁸ Es bedarf keiner weiteren Erklärung, dass daraus konservatorische Aufgaben und Pflichten hervorgehen.
Die Entwicklungen an der ETH Zürich im Kontext Das neu erwachte Interesse der ETH Zürich an ihren Sammlungen und Archiven ist Teil einer internationalen Entwicklung, die sich in der Zeit eines informationswissenschaftlichen Paradigmenwechsels vollzieht. Im Gegensatz zu den Hochschularchiven, die seit jeher anerkannte Institutionen innerhalb ihrer Trägereinrichtungen sind, entdecken die Universitäten ihre
6 Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS (Hrsg.): Schweizerisches Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung. Kulturgüterschutzverzeichnis gemäss Haager Abkommen vom 14. Mai 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. Ausgabe 2009. Bern: Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS, Fachbereich Kulturgüterschutz KGS 2010. 7 Schulleitung der ETH Zürich (Hrsg.): Strategie und Entwicklungsplan 2012–2016. Zürich: ETH Zürich 2011. S. 40; Schulleitung der ETH Zürich (Hrsg.): ETH Zürich. Strategische Ausrichtung. Zürich: ETH Zürich 2011. S. 19. 8 Reglement für das Archiv der ETH Zürich vom 3. Dezember 2002 (Stand: 1. April 2015). RSETHZ 420.1.
Die Strategie 2015 bis 2020 für die Sammlungen und Archive der ETH Zürich
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lange vernachlässigten Objektsammlungen in jüngster Zeit neu.⁹ Diese Aussage betrifft das mit den Sammlungen verbundene Potenzial ebenso wie die gegenwärtig oft unbefriedigende konservatorische Situation und Erschließung. Ausdruck dieses Trends sind nicht nur der bereits erwähnte Wissenschaftsratsbericht, die seit 2012 existierende Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland¹⁰ oder jüngst die Ausschreibung der Förderrichtlinien Vernetzen – Erschließen – Forschen. Allianz für universitäre Sammlungen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)¹¹, sondern auch eine Vielzahl von Veröffentlichungen, Tagungen und Netzwerkbildungen.¹² Die Unikate in Archiven und Sammlungen eignen sich, wie jetzt erkannt wird, um die Identität und Unverwechselbarkeit einer Universität zu stärken. Die (Wieder)entdeckung der Unikate hat freilich noch eine zweite, weitaus grundlegendere Ursache: die Konvergenz von Bibliothek, Archiv und Museum bzw. Sammlung im digitalen Zeitalter. Über Jahrhunderte hatten sich zuvor drei Institutionstypen auseinanderentwickelt: Bibliotheken und Archive beschäftigten sich mit Texten, erstere mit Drucken, also Kopien, letztere mit Unikaten. Museen und Sammlungen kümmerten sich um die nicht-textuellen, dreidimensionalen Objekte. Im Zuge der Professionalisierung entwickelten sich in diesen drei Institutionstypen eigene Regelwerke, Standards, Ausbildungsgänge, Verbände, Fachzeitschriften usw. Es kam zur Ausdifferenzierung dreier Berufsstände mit je eigener Identität und eigenem professionellem Ethos.¹³ Heute aber werden wir Zeugen – und aktive Gestalter – der gegenteiligen Entwicklung: In einer Zeit, in der immer mehr Digitalisate über das Internet zugänglich sind, verliert die Unterscheidung zwischen Original und Reproduktion allmählich ihren Sinn. Dreidimensionale Objekte lassen sich heute ebenso scannen und digital dar-
9 Für einen Überblick über die Geschichte der Universitätssammlungen in Europa vgl. Weber, Cornelia: Universitätssammlungen. In: Europäische Geschichte Online. Mainz: Leibniz-Institut für Europäische Geschichte 2012. http://www.ieg-ego.eu/weberc-2012-de (4.4.2015). 10 http://wissenschaftliche-sammlungen.de/de/ (4.4.2015). 11 Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung [vom 23.3.2015] von Förderrichtlinien „Vernetzen – Erschließen – Forschen. Allianz für universitäre Sammlungen“. http://www.bmbf.de/foerderungen/26611.php (4.4.2015). 12 U. a. hat sich 2013 auch ein Arbeitskreis Wissenschaftliche Sammlungen Schweiz konstituiert. http://www.wss-css.ch/ (4.4.2015). 13 Plassmann, Engelbert, Hermann Rösch, Jürgen Seefeldt u. Konrad Umlauf: Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland. Eine Einführung. 2., gründl. überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden: Harrassowitz 2011. S. 10–12; Mittler, Elmar: Die Bibliothek als Gedächtnisinstitution. In: Handbuch Bibliothek. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven. Hrsg. von Konrad Umlauf u. Stefan Gradmann. Stuttgart: Metzler 2012. S. 33–39.
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stellen wie „Flachware“. Bibliotheken, Archive und Sammlungen wachsen vor unseren Augen wieder zusammen.¹⁴
Eine Schlüsselrolle für die ETH-Bibliothek Bibliotheken im Allgemeinen und die ETH-Bibliothek im Speziellen haben früher als Archive und Sammlungen begonnen, ihre Bestände elektronisch zu inventarisieren, zu katalogisieren und dabei in Verbünden überregional zu kooperieren. Entsprechend größer ist ihre Erfahrung im Management von Metadaten, in der Standardisierung von Regelwerken und Formaten sowie in der kooperativen Pflege von Normdaten. Der Datenaustausch über Schnittstellen und die Übernahme von Daten in unterschiedlichen Austauschformaten gehören zum Routinegeschäft von Bibliotheken und ihren Verbünden. Dasselbe gilt für die Integration heterogener Ressourcen in Discovery-Systemen. Einen Vorsprung gegenüber Sammlungen und Archiven haben Bibliotheken insgesamt auch bei der Digitalisierung in hoher Qualität und Quantität sowie im Umgang mit Material, das ausschließlich in digitaler Form existiert. Dies trifft auch und gerade auf die nutzerfreundliche digitale Präsentation von Beständen zu. Die ETH-Bibliothek ist mit ihrem Know-how daher prädestiniert dazu, im digitalen Zeitalter eine Schlüsselrolle bei der Erschließung und Vermittlung der Bestände der Sammlungen und Archive der ETH Zürich zu übernehmen. Die Strategie 2015 bis 2020 ebnet den Weg dafür, dass die ETH-Bibliothek gemeinsam mit den Departementen Projekte durchführt, die den Sammlungen und Archiven der ETH Zürich die ihrer Bedeutung angemessene Sichtbarkeit in der digitalen Welt verschaffen.
14 Marty, Paul F.: An introduction to digital convergence. Libraries, archives, and museums in the information age. In: Museum Management and Curatorship 24 (2009) H 4. S. 295–298; Given, Lisa M. u. Lianne McTavish: What’s Old Is New Again. The Reconvergence of Libraries, Archives, and Museums in the Digital Age. In: Library Quarterly 80 (2010) H. 1. S. 7–32; Wefers, Sabine u. Thomas Mutschler: Konvergenz als Thema von Bibliotheken. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 60 (2013) H. 2. S. 55–61; Wefers, Sabine: Die Welt auf einen Blick. Konvergenz zwischen Bibliotheken und Museen. In: ebd. 61 (2014) H. 6. S. 348–353.
Die Strategie 2015 bis 2020 für die Sammlungen und Archive der ETH Zürich
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Ulrike Eich
Bibliotheksdienste für Natur- und Ingenieurwissenschaften Mit meinen Ausführungen schließe ich an eine kurze Darstellung zum Leistungsportfolio naturwissenschaftlicher Bibliotheken an und möchte meine dortige Schlussfolgerung aktualisieren und konkretisieren. Mein Fazit war: Angesichts der dynamischen Entwicklung im Bereich der naturwissenschaftlich relevanten Informationsdienste und der Konkurrenz der Akteure sind die Aufgaben und Angebote von Bibliotheken nur noch kurzfristig definierbar. Formulieren lässt sich aber das Prinzip, aus dem sie abzuleiten sein werden: Die Bibliothek kann Studierende und Wissenschaftler entlasten und ihnen direkt oder indirekt helfen, dass die Dinge, die nicht zu ihrem Kerngeschäft gehören, etwas schneller gehen.¹
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch Studierende der Natur- und Ingenieurwissenschaften finden die Informationsressourcen, die sie benötigen, überwiegend im Netz; sie nutzen Suchmaschinen anstelle von Katalogen und finden Daten und Publikationen in sozialen Netzwerken, virtuellen Forschungsumgebungen sowie in Lehr- und Lernplattformen. Dass sie den Zugriff auf die kommerziellen Produkte einer Bibliothek verdanken, welche diese lizenziert, ist ihnen oft nicht bekannt oder bewusst. Trotz dieser weitgehenden Selbstversorgung kann eine Bibliothek mit ihren professionellen Kompetenzen auf zweifache Art Mehrwerte schaffen: mit Dienstleistungen und mittels Infrastrukturen, wobei die Dienstleistungen Infrastrukturen brauchen und die Infrastrukturen wegen der erforderlichen Dimensionen und angesichts der kommerziellen Konkurrenz nur von großen Bibliotheken und kooperativ zu entwickeln und zu unterhalten sind.
1 Eich, Ulrike: Leistungsportfolio naturwissenschaftlicher Bibliotheken. In: Handbuch Hochschulbibliothekssysteme. Leistungsfähige Informationsinfrastrukturen für Wissenschaft und Studium. Hrsg. von Konstanze Söllner u. Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin: De Gruyter 2014. S. 180.
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Dienste: Entlastung, Unterstützung und Mitwirkung Die Dienste der Bibliothek sollen vor allem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gezielt unterstützen und entlasten.²
Bereitstellung der Informationsressourcen Die Literaturrecherche in der wissenschaftlichen Arbeit ist kein Selbstzweck. Wichtig ist, wie auch beim Verfolgen von Zitaten, der unmittelbare und medienbruchfreie Zugriff auf das Dokument. Die Verbindung vom Nachweissystem – Katalog, Suchportal oder Datenbank – zu den Volltexten oder anderen Zielressourcen stellen link resolver her. Die meisten link resolver werden kommerziell vertrieben. Ihre Basis ist eine umfangreiche knowledge base, die von der Bibliothek um lokal relevante Ressourcen ergänzt und vor allem permanent überprüft und gepflegt wird. Die knowledge bases erschließen in der Regel mehr Ressourcen, als eine Bibliothek oder Institution lizenzieren kann. Entscheidend für den Wert einer Bibliothek sind deshalb ihr Angebot und ihr Vermögen, die gewünschten Dokumente so schnell und umstandslos wie möglich zu beschaffen. Dazu gehört eine automatische Übernahme der Metadaten aus der Recherche in ein Bestelloder Dokumentliefersystem. Heute sollte der Bibliotheksservice aber auch die Suche nach einer frei verfügbaren Zweitveröffentlichung einschließen, die sich meist auf einem institutional repository befindet. Die Menge der dafür relevanten Dokumente wächst zumindest in Deutschland, seit die Verlage im Gefüge der National- und Allianzlizenzen an die Bedingung, Zweitveröffentlichungen mit Embargofristen zuzulassen, gebunden sind. Entlastung und Service schaffen auch die Beschaffungen von Dokumenten und Materialien für besondere Nutzungsarten, zum Beispiel für elektronische Semesterapparate oder digitale Lehrund Lernplattformen. Hierbei sind urheberrechtliche Bestimmungen wie auch spezielle Vorgaben der Verlage zu beachten. Diese Dienste bieten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Entlastung und Komfort im Forschungsprozess und in der Lehrvorbereitung. Die Verfügbarkeiten und Nutzungsmöglichkeiten von Dokumenten und Artefakten sorgfältig zu analysieren kann darüber hinaus knappe Finanzbudgets schonen.
2 Vgl. Konzept der „Wissensbar“ der SLUB Dresden. http://www.slub-dresden.de/service/ wissensbar/ (5.5.2015).
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Durchführung spezialisierter Recherchen Bibliotheken können aber nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit formalisierten Prozessen unterstützen und sie entlasten; sie können auch sehr qualifiziert zum wissenschaftlichen Planungs- und Forschungsprozess beitragen. Für diese Dienste relevant sind insbesondere anspruchsvolle Literatur- und Informationsrecherchen. Es kann dies eine originäre Aufgabe des wissenschaftlichen Dienstes in der Bibliothek sein. Bestimmte Leistungen bedürfen aber einer Zusatzqualifikation, z. B. als Patentrechercheurin oder Patentrechercheur, die dann Recherchen zum Stand der Technik anbieten können. Für externe Kunden, beispielsweise Unternehmen, werden diese Dienste kosten- oder entgeltpflichtig angeboten. Auch wenn immer mehr Informationsressourcen oder Fachdatenbanken schon frei im Netz angeboten werden, dürften diese Dienste ein wichtiges und lohnendes Aufgabengebiet wissenschaftlicher Bibliotheken bleiben.
Beiträge zum Publikationsprozess Forschungsprozesse führen in der Regel zu Publikationen. Die Publikationsformen sind sehr vielfältig. Sie reichen von der Pflichtveröffentlichung der Dissertationen über Bücher und Artikel bis zu nicht-textuellen, insbesondere audiovisuellen, Medien. Hier kann die Bibliothek mit unterschiedlichen Diensten entlastend und unterstützend tätig werden. Sie berät zu Publikationsformen und -möglichkeiten; mit Zunahme des open access-Publizierens und vor allem bei der Förderung dieser Publikationsform durch die wissenschaftliche Einrichtung kann diese Beratung vielschichtig sein. Das gilt vor allem in den Naturwissenschaften, wo Artikel als Publikationsform dominieren. Oft betreibt die Bibliothek das institutional repository für Primärund Sekundärpublikationen. Mehrwerte schafft die Bibliothek vor allem dadurch, dass sie die bibliografischen Daten normiert erfasst oder ergänzt und sie damit aufnahmebereit für nationale oder internationale Verzeichnisse macht.³ Das Publizieren in den Natur- und Ingenieurwissenschaften wird immer noch von großen kommerziellen Verlagen dominiert. Sie haben auf die technischen und politischen Entwicklungen, die open access befördern, reagiert und bieten diese Publikationsform jetzt auch an. Dabei ersetzt oder ergänzt die vom Autor zu entrichtende Artikelgebühr das Subskriptionsmodell. Häufig werden aber beide Formen parallel angeboten. Für den Wissenschaftler und die Wissen-
3 Z. B. die Bielefeld Academic Search Engine BASE: http://www.base-search.net (2.5.2015).
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schaftlerin sind die Verlagsangebote nicht auf Anhieb verständlich und nutzbar. Die Bibliothek kann informieren und beraten. Ein Hilfsmittel zur Dokumentation der Verlagskonditionen⁴ wurde in Großbritannien erstellt und wird kooperativ gepflegt. Die Bibliothek kann aber auch einen zentralen Publikationsfond verwalten oder Mitgliedschaften in open access-Verlagen oder Plattformen eingehen, um den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihrer Einrichtung günstigere Publikationskosten zu verschaffen. Die Autorinnen und Autoren können damit selbst entscheiden, wie sie publizieren, ohne sich darum kümmern zu müssen, wie sie Kosten für open access-Publikationen (article processing fees) aufbringen und transferieren. Unterstützt werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute auch, wenn sie Publikationen vorbereiten und erstellen. Ein wichtiges Hilfsmittel sind Literaturverwaltungssysteme, die – nicht nur an technisch-naturwissenschaftlichen Einrichtungen – meist von den Bibliotheken lizenziert und angeboten werden. Damit verbunden sind Einführungen und Schulungen, die zu einem dynamischen Aufgabenbereich geworden sind, nicht nur, weil diese Instrumente kontinuierlich fortentwickelt werden, sondern weil sie ein Einstieg in sehr wissenschaftsnahe Dienstleistungen sein können. Die UB der RWTH Aachen zum Beispiel bietet in diesem Zusammenhang einen Zitierstilservice⁵ an, in dem die in den Literaturverwaltungsprogrammen vorgegebenen oder standardisierten Zitierstile auf fach- oder institutsspezifische Bedürfnisse hin angepasst werden. Ein anderer verwandter Dienst sind Schreibwerkstätten und Creative Writing, die meist in Verbindung mit spezialisierten Einrichtungen angeboten werden, sofern die Bibliothek nicht eigenes Personal speziell für diesen Zweck qualifiziert. Den Publikationsoutput einer wissenschaftlichen Einrichtung zu dokumentieren ist in der Regel auch die Aufgabe der Bibliothek. Die klassische Hochschulbibliografie wurde längst in Datenbanken und Portale mit vielfältigen Recherchemöglichkeiten überführt; teilweise ist dieser Dienst auch Bestandteil von Forschungsinformationssystemen geworden. Heute ist die Bibliothek gefordert, mehr zu leisten als Normierung und Ergänzung. Sie muss Schnittstellen zu anderen Nachweissystemen und Möglichkeiten zur Nachnutzung einrichten und verlässlich pflegen. Denn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erwarten, dass sie ihre Daten nur einmal erfassen (lassen) müssen und dass diese automatisiert aus Fremdsystemen in die Bibliografie ihrer Einrichtung oder von dort in die eigenen Verwaltungs- und Präsentationsinstrumente (Webseiten,
4 SHERPA/RoMEO: http://www.sherpa.ac.uk/romeo/ (2.5.2015). 5 http://www.ub.rwth-aachen.de/studium/service/literatur_verwalten/citavi/#c2605 (11.5.2015).
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Publikationsliste) übernommen werden. Dazu gehören mittlerweile auch Kooperationsplattformen und soziale Dienste (z. B. ResearchGate⁶). Auch aus diesen Diensten und Anwendungen haben sich – nicht zuletzt als Reaktion auf kommerzielle Angebote – neue Aufgaben entwickelt.
Nutzungsanalysen: Bibliometrie, Altmetrics Für eine wissenschaftliche Einrichtung und für ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird es immer wichtiger, die Wahrnehmung und Wirkung der eigenen Publikationen, aber auch die ihrer Konkurrenz, zu kennen und zu bewerten. Das älteste und bekannteste Mittel, welches zu diesem Zweck eingesetzt wird, ist der IF (impact factor) aus den Zitationsdatenbanken des Web of Science. Er ist wichtig für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, die überwiegend in Zeitschriften und Kongressbänden publizieren. Über den Wert und die Bedeutung des IF ist immer wieder neu diskutiert worden. Für Bibliotheken war er Anlass, sich mit Bibliometrie zu beschäftigen und dabei ihre spezifische Kompetenz für Metadaten und Publikationsformen nutzbar zu machen. Heute stellen diese Fragen sich neu, und die Bibliometrie hat sich fortentwickelt zu Altmetrics (Article Level Metrics), die alle Publikationsformate und die neuen sozialen Medien einbezieht. Vor allem aber werden diese Fragen – wie übrigens auch zum Publizieren, zu open access oder der Entwicklung der Zeitschriftenpreise und der Politik der Verlage – auch innerhalb der Wissenschaft in deren renommierten Medien und meist ohne bibliothekarische Beteiligung diskutiert.⁷ Trotzdem kann die Bibliothek nützlich sein. Sie kann Analysen erstellen und Modelle erklären⁸, vor allem aber kann sie aufgrund ihrer Kenntnis und Erfahrung in der Bearbeitung und Nutzung von Metadaten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern helfen, ihre Beiträge so zu erfassen, dass sie eindeutig und verlässlich zuzuordnen sind und bleiben. Das gilt insbesondere für die Benennung von Institutionen und Personen und schließt die Verwendung geeigneter Identifikatoren (z. B. ResearcherID⁹ oder ORCiD ID¹⁰) ein. Für weitergehende Fragen und Aspekte kann sie auf Kompe6 http://www.researchgate.net (3.5.2015). 7 Z. B. Suche nach „bibliometrics“ in allen Zeitschriften von Science: http://www.sciencemag. org/search?site_area=sciencejournals&y=11&fulltext=bibliometrics&x=10&journalcode= sci&journalcode=sigtrans&journalcode=scitransmed&submit=yes (6.5.2015) oder nach „altmetrics“ in Nature: http://www.nature.com/search?order=relevance&q=altmetrics (6.5.2015). 8 Hier beispielhaft das Serviceangebot der SLUB Dresden: http://www.slub-dresden.de/service/ schreiben-publizieren/bibliometrie-service/?type=0%252Findex.html (4.5.2015). 9 http://www.researcherid.com/ (5.5.2015). 10 http://orcid.org/ (5.5.2015).
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tenzzentren verweisen, die sich mittlerweile an Bibliotheken (z. B. in der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich¹¹) etabliert haben, oder sich selbst dort beraten lassen. Noch nicht so weit etabliert sind die Angebote im neuesten bibliothekarischen Aufgabengebiet, den Forschungsdaten.
Forschungsdaten Das Thema ist in Deutschland virulent geworden, seit die Wissenschaftsorganisationen und Drittmittelgeber fordern, Forschungsdaten für einen bestimmten Zeitraum zu archivieren und grundsätzlich zugänglich zu machen. Es gibt zurzeit viele parallele Aktionslinien und Veranstaltungen; das Thema ist dynamisch und komplex. Einige Universitäten haben inzwischen policies zum Umgang mit Forschungsdaten formuliert und Servicestellen eingerichtet, und in der Regel ist die Bibliothek¹² aktiv beteiligt. Unbestritten ist, dass Forschungsdaten nur disziplinspezifisch organisiert werden können. Für die natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fachgebiete gelten zwei spezifische Prämissen: Großforschungsprojekte (z. B. in der Physik¹³, den Geo-¹⁴ oder Lebenswissenschaften¹⁵) haben ihre Daten schon immer zentral verwaltet und gepflegt; in den Ingenieurwissenschaften sind Forschungen häufig sensibel und schützenswert, z. B. bei industrienaher oder patentrelevanter Forschung. Dennoch sind mittlerweile schon gewisse Standards für den Umgang mit Forschungsdaten entwickelt worden wie das Domänenmodell¹⁶ oder der Datenmanagementplan¹⁷, die in den wissenschaftlichen Einrichtungen erläutert und vermittelt werden können. Da auch schon Verlage verlangen, die Forschungsdaten mit einer Publikation abzuliefern, haben Bibliotheken das Management von Daten teilweise in ihre Angebote zum wissenschaftlichen Publizieren integriert.
11 http://www.fz-juelich.de/zb/DE/Leistungen/Bibliometrie/bibliometrie_node.html (4.5.2015). 12 Z. B. an der TU Berlin: http://www.szf.tu-berlin.de/ (5.5.2015). 13 Z. B. CERN: http://opendata.cern.ch/about (5.5.2015). 14 Z. B. Pangea: http://www.pangaea.de/ (5.5.2015). 15 http://biodiversity.europa.eu/data (5.5.2015). 16 Razum Matthias, Janna Neumann u. Matthias Hahn: RADAR – Ein Forschungsdatenrepositorium als Dienstleistung für die Wissenschaft. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 61 (2014). S. 19, http://zs.thulb.uni-jena.de/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_ 00235954/j14-h1-auf-3.pdf (5.5.2015). 17 Z. B. bei der UB der RWTH Aachen: http://www.ub.rwth-aachen.de/forschung/wissenschaft liches_publizieren/forschungsdaten/datenmanagement/datenmanagementplan/ (5.5.2015).
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Wie Forschungsdaten langfristig verfügbar gemacht und archiviert werden können, ist noch Gegenstand der Erörterung und Planung. Rein technisch werden nur Einrichtungen mit weit überdurchschnittlicher IT-Infrastruktur diese Aufgabe selbst bewältigen können. Eher wird diese Aufgabe nationalen oder fachlichen Datenzentren zukommen, in Deutschland eventuell auch den Zentralen der Bibliotheksverbünde, welche mit dem Übergang zu cloud-basierten, nationalen und internationalen Katalogisierungsumgebungen neue Aufgaben übernehmen können, für die sie mit ihren langen Erfahrungen in der Erschließung und Verwaltung großer Datenressourcen prinzipiell gut gerüstet sind. Spätestens hier wird deutlich, dass viele wissenschaftsrelevante und -nützliche Bibliotheksdienste nur noch von überdurchschnittlich leistungsfähigen Bibliotheken oder in Kooperationen erbracht werden können, die in ausgeprägten Infrastrukturen agieren.
Struktur Die wissenschaftsrelevanten Systeme und Strukturen sind auf jeden Fall international und in hohem Maße kommerziell bestimmt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchen mit Google oder Google Scholar, vielleicht noch im WorldCat. Die großen Wissenschaftsverlage haben Portale mit eingängigen Retrievalsystemen und Verlinkung bis zum Volltext aufgebaut, z. B. Springer Link¹⁸ oder ScienceDirect¹⁹ von Elsevier. Den Bibliotheken bleibt eigentlich nur noch, diese Portale zu lizenzieren; selbst die Einbindung in die eigenen Webangebote ist nicht zwingend nötig. Dabei war es die (heutige) KIT-Bibliothek, die Ende des letzten Jahrtausends mit dem K(arlsruher) V(irtuellen) K(atalog)²⁰ ein überregionales Informationssystem aufgebaut hat. Konkurrenzfähige Produkte und Angebote können heute nur die führenden Bibliotheken schaffen. Ein herausragendes Beispiel ist das Portal für Technik und Naturwissenschaften der TIB Hannover, GetInfo²¹. Es bietet Recherchen in hochwertigen, fachspezifischen Datenbanken bis hin zu Volltexten oder zweckdienlichen Formen der Dokumentlieferung. In Zusammenhang mit ihrer Umwandlung in eine Stiftung
18 http://link.springer.com/ (6.5.2015). 19 http://www.sciencedirect.com/ (6.5.2015). 20 http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html (6.5.2015). 21 http://www.tib-hannover.de/de/getinfo/ (6.5.2015).
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hat die TIB gerade ein Strategiepapier²² veröffentlicht, in dem sie diese Zielsetzungen unterstreicht und fokussiert. Konsequent weitet sie die Verzeichnung und Erschließung auf die Forschungsdaten aus und benennt konkret die DOI-Vergabe und die Langzeitarchivierung bzw. -verfügbarkeit. Vergleichbar positioniert sich auch die ETH-Bibliothek.²³ Darüber hinaus betont die TIB die Notwendigkeit und Bedeutung eigener anwendungsorientierter Forschung. Die TIB sieht die meisten ihrer Zielsetzungen in internationaler Perspektive. Mit ihrer Rolle und Bedeutung in Deutschland fungiert sie deshalb in vielen internationalen Gremien, Kommissionen und Ausschüssen als Bindeglied für ihre nationale Klientel.²⁴ Traditionell zeichnen sich Bibliotheken – gerade auch in Deutschland – durch ausgeprägte Kooperationen aus, ganz augenfällig bei Fernleihe, Katalogisierung und Erschließung. Mit den globalen Angeboten verschwinden oder ändern sich bibliothekarische Funktionen, Aufgaben und Bedürfnisse. Die bisherige Kooperation verliert an Wert und Bedeutung; dazu kommt, dass die Bibliotheken als Teile von Universitäten oder wissenschaftlichen Einrichtungen auch miteinander konkurrieren (müssen). Daraus entstehen aber auch neue Formen der Kooperation. Verwiesen sei dazu auf das Programm Fachinformationsdienste (FID) für die Wissenschaft der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)²⁵, welches die Funktionen der Sondersammelgebiete ersetzen wird. Homogene oder ähnliche Aufgaben, die nicht an allen Orten erfüllt und mit dem notwendigen Aufwand betreut werden können oder müssen, wie z. B. Lizenzierungen oder Langzeitarchivierung und -verfügbarkeit, können zentralisiert und gemeinschaftlich genutzt werden. Die TIB hat – auch wenn sie rechtlich nicht in das DFG-System gehört – ihre neuen Funktionen als Kompetenzzentrum schon aufgebaut oder avisiert. Denkbar und wünschenswert wäre, dass sie allen natur- und ingenieurwissenschaftlich ausgerichteten Bibliotheken hilft, sich zu Fachkonsortien zusammenzuschließen, um ihre spezifischen Bedarfe an Informationsressourcen zu erfüllen. Auch fachspezifische nationale Fachrepositorien könnten eine zentrale Aufgabe sein. Die institutionengebundene Bibliothek unterstützt und entlastet die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eng und unmittelbar; und für diesen Zweck betreibt und intensiviert sie die fachspezifische Vernetzung vor allem mit fachbibliothekarischen Kompetenzzentren.
22 http://www.tib.uni-hannover.de/fileadmin/download/informationsmaterialien/TIB-UBStrategie_2015-2017.pdf (30.4.2015). 23 https://www.library.ethz.ch/de/ms/Digitaler-Datenerhalt-an-der-ETH-Zuerich (10.5.2015). 24 Zu Forschungsdaten die Mitgliedschaft bei DataCite: https://www.datacite.org/ (10.5.2015). 25 http://www.dfg.de/foerderung/programme/infrastruktur/lis/lis_foerderangebote/ fachinformationsdienste_wissenschaft/ (10.5.2015).
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| Teil III: Innovation und Marketing
Ursula Georgy
Erlebnisorientierte Lernorte Die Bibliothek als Brandland „Marketing spüren – Willkommen am Dritten Ort“, so heißt ein Buch von Christian Mikunda. Marketing spüren bzw. erleben, das ist ein Trend, der dem Kunden immer häufiger begegnet. Diese Dritten Orte sind (halb)öffentlich und emotional stark aufgeladen. Ihre Besucher fühlen sich an diesen Orten zumindest vorübergehend zuhause, sodass sie bereit sind, dort einen großen Teil ihrer Freizeit zu verbringen. Ihr Ursprung liegt in den 80er Jahren. Erlebnisorientiertes Marketing blühte auf und eroberte sukzessive auch den öffentlichen Raum: Erste Erlebnishotels, inszenierte Shops und Restaurants entstanden. ,Die Sinnlichkeit und Wohnlichkeit dieser Plätze brachte die Menschen dazu, auch diese halböffentlichen Orte als persönlichen Lebensraum wahrzunehmen.‘ Die Dritten Orte – ergänzend zu durchgestalteten Wohnungen und Arbeitsplätzen – waren geboren. Business Entertainment hat mittlerweile viele Gesichter: Flagship Stores, Malls, Brand Lands, Erlebnis-Messen, Urban Entertainment Center, Hip Lokale usw. Ihre Marketingfunktion: ,dreidimensional gebaute Werbung, begehbare Public Relations‘. Zusätzlich bieten sie die Möglichkeit der Vermarktung, z. B. als Sehenswürdigkeit, Ausflugsziel, Life Style-Treffpunkt. Ein Prozess, der sich fortsetzen wird. ,Der emotionale Mehrwert von Entertainment im Marketing hat sich sowohl langfristig als imagebildender Faktor als auch direkt am Punkt des Geschehens bewährt. Denn Erlebnisse steigern die Aufmerksamkeit, erhöhen die Verweildauer und wirken unmittelbar verkaufsfördernd.‘¹
Dem Kunden wird neben einem Kernprodukt, das den Grundnutzen liefert, und dazu gehörigen Dienstleistungen, die einen Zusatznutzen erzeugen, auch ein Erlebnis mit Erlebnisnutzen geboten² Die Vielzahl der verfügbaren Freizeiteinrichtungen wie Sportarenen, Erlebnisbäder, Erlebnisparks, Großkinos, Open Air-Festivals an ausgefallenen Orten, Shopping-Malls etc. unterstreicht das Bedürfnis nach außergewöhnlichen Erlebnissen. Der Trend ist verknüpft mit der Entwicklung von der Arbeits- zur Erlebnis- bzw. Freizeitgesellschaft. Die Freizeit hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung erlangt, und das Freizeit-
1 multisense institut: Literaturempfehlungen: Marketing spüren – Willkommen am Dritten Ort 2014. http://www.multisense.net/praxis/literatur/marketing-spueren/ (8.5.2015). 2 Vgl. Nufer, Gerd: Event-Marketing und -Management: Theorie und Praxis unter besonderer Berücksichtigung von Imagewirkungen. 3. Auflage. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2007. S. 9.
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budget ist ebenfalls gestiegen. 49 % der Bundesbürger bezeichnen sich selbst als Erlebniskonsumenten, unter den 14- bis 29-Jährigen sind es sogar mehr als zwei Drittel.³ Schulze bezeichnet die Erlebnisorientierung als „die unmittelbarste Form der Suche nach Glück.“⁴ Sie hat aber auch zur Folge, dass Erlebnisorientierung zu einer ständigen Suche nach weiteren, neuen Erlebnissen wird. Bezogen auf Produkte bedeutet dies, das ihr Kernnutzen – sachlich-funktional – immer mehr an Bedeutung verliert. Für den Handel bedeutet dies eine Aufspaltung in Versorgungs- und Erlebniskonsum.⁵ Der Versorgungskonsum stellt die traditionelle Form des Konsumverhaltens dar: im Vordergrund steht die lebensnotwendige Bedarfsdeckung mit Produkten und Dienstleistungen. Spezielle Reize – idealerweise multisensual – vermitteln eine neue Form des Einkaufserlebnisses. Emotionen beim Erlebniskonsum führen zu neuen und zusätzlichen Kaufimpulsen.
Erlebnisse und Emotionen Schöndorf definiert Erlebnisse als Geschehnisse, „die wir als sehr eindrücklich erfahren, die sich uns tiefer als anderes einprägen, die einen höheren gefühlsmäßigen Beiklang besitzen als andere Bewußtseinszustände [sic!].“⁶ Dies bedeutet, dass im Erlebnis die Erfahrungen besonders ausgeprägt sind.⁷ Ein Erlebnis wird dem Menschen somit besonders bewusst, wobei jeder ein Erlebnis individuell, subjektiv und emotional empfindet. Damit bleibt es lange im Gedächtnis verankert. Emotionen werden als Zusammenspiel von affektiven Aspekten mit kognitiven Prozessen, physiologischen Anpassungsprozessen und Verhalten verstanden. Damit wirken sie sich unmittelbar, aber ebenso individuell auf das Handeln aus. „[Emotionen] gewährleisten [. . . ], dass Situationen schnell erkannt und identifiziert werden können. Einher damit geht die Aktivierung adaptiver
3 Freundt, Tjark: Emotionalisierung von Marken (Innovatives Markenmanagement). Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2006. S. 11. 4 Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Frankfurt: Campus 2005. S. 14. 5 Stihler, Ariane: Die Entstehung des modernen Konsums – Darstellung und Erklärungsansätze. Berlin: Duncker & Humblot 1998. S. 115 f. 6 Schöndorf, Harald: Erlebnis und Wirklichkeit. In: Bernd Heckmair, Werner Michel, Ferdinand Walser (Hrsg.): Die Wiederentdeckung der Wirklichkeit. Erlebnis im gesellschaftlichen Diskurs und in der pädagogischen Praxis. Alling: Dr. Jürgen Sandmann 1995. S. 27. 7 Vgl. Schöndorf, Erlebnis (wie Anm. 6).
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Verhaltensprogramme, die sich bei der Bewältigung der mit dem jeweiligen Situationstyp verbundenen Anforderungen bewährt haben.“ Oatley und Jenkins definieren Emotion wie folgt: (1) eine Emotion wird üblicherweise dadurch verursacht, dass eine Person ein Ereignis als bedeutsam für ein wichtiges Anliegen bewertet. (2) der Kern einer Emotion sind Handlungsbereitschaft u. das Nahelegen von Handlungsplänen; eine Emotion gibt einer oder wenigen Handlungen Vorrang, denen sie Dringlichkeit verleiht. So kann sie andere mentale Prozesse oder Handlungen unterbinden oder mit ihnen konkurrieren. (3) eine Emotion wird gewöhnlicherweise als ein bestimmter mentaler Zustand erlebt, der manchmal von körperlichen Veränderungen, Ausdruckserscheinungen und Handlungen begleitet oder gefolgt wird.⁸
Emotionen liegen ein Auslöser, ein automatischer Bewertungsmechanismus sowie ein Affektprogramm zugrunde. Der Auslöser ist ein Reiz von außen, der spezifisch für ein Gefühl ist. Der automatische Bewertungsmechanismus ermöglicht eine schnelle Wahrnehmung und auch die Feststellung der Relevanz dieses Reizes. Das Affektprogramm stellt einen angeborenen Mechanismus dar, der die Reaktionsweisen steuert. Somit sind alle Emotionen mit speziellen Handlungen gekoppelt, z. B.: – Ärger Angriff und/oder Zerstörung, – Angst Flucht, – Ekel Abwenden und Übelkeit, – Freude Lächeln, Umarmen, – Neugier Aufmerksamkeit, Innehalten, – Trauer Inaktivität. Psychologen gehen von diesen sechs Basisemotionen aus, denen sich weitere Emotionen zuordnen lassen. Freude ist eine der angenehmsten Emotionen und führt zu einer Art Belohnung sowie Zufriedenheit und Befriedigung. Sie ist die Basis für eine positive Gestaltung der eigenen sozialen Kontakte und hat eine positive Signalwirkung auf unsere Umwelt. Durch den Ausdruck von Freude verstärkt sich somit die emotionsauslösende Handlung positiv auch auf andere. Freude führt zu Glück – bei einem selbst und bei anderen. Daher ist ein selbstverständliches Ziel des emotionalen Marketings, positive Emotionen auszulösen.
8 Oatley, Keith u. Jennifer M. Jenkins: Understanding Emotions. Cambridge: Wiley Blackwell 1996. S. 96.
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Brandlands und multisensuales Marketing Brandlands oder Brandparks – häufig auch bezeichnet als Corporate Lands – sind typische Dritte Orte. Ein Brandland bezeichnet örtlich gebundene Zentren, Ausstellungen und Themenparks, die eine Marke und ihre Produkte für ihre Kunden direkt und meist interaktiv erlebbar machen. Es handelt sich um Kunstwelten, die die Möglichkeiten und Facetten einer Marke plastisch verdeutlichen. Brandlands sind im Gegensatz zu Messeständen oftmals architektonisch aufwendiger und eindrucksvoller gestaltet.⁹
Was diese Orte somit auszeichnet, ist die emotionalisierte Kommunikation, das emotionale Branding mit dem Besucher/Kunden, das auf eine einzige Marke ausgerichtet ist und positive Emotionen auslösen soll. In einer Art Flow taucht der Besucher/Kunde in eine vollkommene Welt der Marke(n) ein. Voraussetzung für das positive Erlebnis ist es also, dass ein „konsistentes Bild der Marken in der Wahrnehmung der Besucher“¹⁰ erzeugt wird. Unter Emotional Branding versteht man eine Marketingstrategie, welche die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Maßnahmen umfasst, die auf die Etablierung einer erfolgreichen und dauerhaften Verbindung zwischen einer oder mehreren spezifischen Emotionen auf Kundenseite und der Marke auf Unternehmensseite abzielen.¹¹
Das bedeutet, eine (starke) Marke beeinflusst unser Erlebnis. So schmecken z. B. Produkte bekannter Marken besser als wenn in einem Blindtest das Logo einer anderen z. B. unbekannten Marke auf die Verpackung geklebt wird. Konsumenten verbinden mit ihnen [den starken Marken] bestimmte Eigenschaften und [. . . ] Ausprägungen. Die Marke aktiviert dieses Schemawissen – das Wissen ist daraufhin leicht verfügbar, wir können es leicht abrufen und wenden es automatisch an. Je stärker ein Markenschema im Gedächtnis des Kunden verankert ist, desto stärker beeinflusst es deshalb auch die Wahrnehmung des Kunden. [. . . ] Die Marke und ihre Kommunikation sind Teil des Produkts.¹²
9 Springer Gabler Verlag (Hrsg.): Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Brandland. http:// wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/81311/brandland-v7.html (9.5.2015). 10 Vgl. Binder, Alexander: Markenparks – dreidimensionale Markenerlebniswelten. In: Nicolai Herbrand (Hrsg.): Schauplätze dreidimensionaler Markeninszenierung – Innovative Strategien und Erfolgsmodelle erlebnisorientierter Begegnungskommunikation. Stuttgart: Edition Neues Fachwissen 2008. S. 184. 11 Rossiter, John u. Steven Bellman: Emotional Branding Pays Off – How Brands Meet Share of Requirements through Bonding, Companionship, and Love. In: Journal of Advertising Research 52 (2012) H. 3. S. 291. 12 Hartmann, Olaf u. Sebastian Haupt: Touch! Freiburg: Haufe 2014. S. 32.
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Im Idealfall werden Marken zu (erfolgreichen) Lovemarks. Nach Roberts werden sie dazu, wenn sie „Mystery“ (Mythen, Träume), „Sensuality“ (die fünf Sinne) und „Intimacy“ (Empathie, Passion) in einer positiven Weise ansprechen.¹³ „Lovemarks sind Marken, Events und Erlebnisse, die von Menschen geliebt werden und voller Emotionen stecken. Hierfür genügen keine Wertschätzungen oder Bewunderungen, es geht hier vielmehr um Leidenschaft zu Marken.“¹⁴ Die Dimensionen der Lovemarks sind – Geheimnis, – Sinnlichkeit und – Intimität.¹⁵ Geheimnis steht für Neugier und Überraschung, Sinnlichkeit für die gleichzeitige Aktivierung mehrerer Sinne und die Intimität für Engagement, Leidenschaft und Empathie.¹⁶ Klassische Marken wie z. B. Miele weisen einen geringen Anteil an „Love“ auf. Sie stehen eher für objektive Qualität sowie solide Produkte und Dienstleistungen. Man spricht auch von Respekt gegenüber einer Marke. Lovemarks üben dagegen darüber hinaus noch eine emotionale Anziehungskraft aus. Jedoch nur wenn einer Marke mit emotionaler Anziehungskraft auch Respekt entgegen gebracht wird, besteht die Chance auf eine langfristige emotionale Bindung. Wird Marken kein Respekt entgegen gebracht, können sie nicht langfristig emotionalisiert werden. Dies sind Marken, die kurzfristig „in“ sind, dann jedoch ebenso schnell wieder vergessen werden; sie sind eine Art „One-hit-wonder“. Zwar kann auch mit solchen Marken viel Geld verdient werden, allerdings nur für kurze Zeit. Bezogen auf die Portfolio-Analyse handelt es sich um Stars, die sehr schnell zu Poor Dogs werden, d. h., sie durchlaufen nicht die Portfolio-Stufe der Cash Cow, in der sie über lange Zeit profitabel sind und sich die Möglichkeit bietet, zum Kunden eine langfristige Bindung aufzubauen. Beispiele für Lovemarks sind Apple, Gardena, Nike, Nutella, Pedigree etc. Nike z. B. positioniert sich über Respekt: ein Werbespot „[. . . ] zeigt einen fülligen Jungen, der auf einer einsamen Straße joggt und jeden einzelnen seiner Schritte
13 Saatchi & Saatchi: About Lovemarks, 2011. http://www.lovemarks.com/index.php?pageID= 20020 (8.5.2015). 14 Nufer, Gerd u. Oliver Förster: Lovemarks – emotionale Aufladung von Marken. Reutlinger Diskussionsbeiträge zu Marketing & Management Nr. 2010-2. Reutlingen: Hochschule Reutlingen 2010. S. 1. 15 Vgl. Roberts, Kevin: Der Lovemarks-Effekt. Markenloyalität jenseits der Vernunft. München: mi-Fachverlage bei Redline 2008. S. 15 f. 16 Vgl. Roberts, Lovemarks-Effekt (wie Anm. 15).
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bezwingt. Ein Antiheld, der sich ehrlichen Respekt verdient. Darüber ein Sprecher, der einem seine Haltung zum Begriff ,Greatness‘ mitteilt. Die Nike mit mir und ich jetzt mit anderen teile.“¹⁷ Bei Pedigree z. B. geht es in erster Linie nicht um Hundefutter, es geht um die Liebe zum Hund: „Pedigree – 80 Jahre aus Liebe zu Hunden“¹⁸ . Alle diese Marken setzen auf emotionale Aufladung. Auch traditionelle klassische Marken lassen sich zu Lovemarks (um)formen. Ein Beispiel dafür ist die Marke Kaldewei. Das [sic!] Unternehmen Kaldewei, ein führender Anbieter von Bad- und Duschwannen, ist im Jahr 2000 ein Marken-Relaunch gelungen von ehemals rein rationalen Argumenten der Produktvorteile zu einer emotionalen Markenwelt. Kaldewei setzte eine langfristige Marken PR-Strategie mit der Botschaft ein, dass das Baden in einer Kaldewei-Badewanne zu einem unvergesslichen Erlebnis wird. Die Firma startete z. B. eine Kooperation mit dem PeopleMagazin Gala [. . . ]. Es wurde eine neue, emotionale und Life- style-orientierte Bildkonzeption entwickelt [. . . ]. Der Konsument betrachtet das Baden in einer Kaldewei-Badewanne nun als Erlebnis.¹⁹
Baden hat seinen ursprünglichen Zweck verloren. Eine moderne Badewanne soll Badespaß und Entspannung bieten; Baden wird zu einem Wellnesserlebnis: die Lust am Wasser kann mit verschiedenen Sinnen erlebt werden, z. B. durch Farbwechsel, unterschiedlich einstellbare Düsen etc. Brandlands vermitteln Marken multisensual. Es ist bekannt, dass das menschliche Gehirn besonders stark reagiert, wenn mehrere Sinne angesprochen werden, d. h. wenn man mit mehreren Sinnen ein Produkt oder eine Marke erlebt. Die verschiedenen Sinneseindrücke werden zu einem Bedeutungsmuster zusammen gefügt, womit multisensuale Botschaften an Relevanz gewinnen; sie bleiben besser in Erinnerung. „Die Wiederverkaufsrate verdoppelt sich, wenn eine Marke auf dem Fundament mehrerer Sinne steht.“²⁰ Dabei ist jedoch entscheidend, dass eine Kongruenz der Sinne vorhanden ist. Ansonsten wirkt die multisensuale Verstärkung nicht.²¹ So lösen runde Formen beispielsweise andere Assoziationen aus als eckige, d. h. Warenverpackungen oder auch die Form der Produkte selbst sind an die gewünschten bzw. automatisch erzeugten Assoziationen anzupassen.
17 Schrader, Volker: Peng! Nike ist da. In: absatzwirtschaft 57 (2014) 1–2. S. 49. 18 Pedigree: Über Pedigree – Geschichte. https://www.pedigree.de/ueber-pedigree/geschichte (8.5.2015). 19 Nufer, Förster, Lovemarks (wie Anm. 14), S. 7 f. 20 Schrader, Peng! (wie Anm. 17), S. 41. 21 Scheier, Christian u. Dirk Held: Wie Werbung wirkt. Erkenntnisse des Neuromarketing. 2. Auflage. Freiburg: Haufe Lexware 2012. S. 90 f.
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In einem Forschungslabor der University of Oxford gab unsere Arbeitsgruppe Probanden eine so genannte Forced-Choice-Aufgabe: Sie sollten Schokoladensorten probieren, die zwischen 30 und 90 Prozent Kakao enthielten, und danach ihre Assoziationen mit dem Geschmackserlebnis auf einer Skala einordnen – mit einem [eckigen] Stern am einen und einer Wolke am anderen Ende. Die Versuchspersonen tendierten bei der dunkleren Schokolade mehrheitlich Richtung Stern, sprachen ihr also eher einen ,eckigen‘ Charakter zu, der Vollmilchschokolade hingegen wolkenförmige Eigenschaften.²²
Eckige Formen verbindet der Mensch offensichtlich eher mit fester, knuspriger Konsistenz, dunkler(er) Farbe und herberem Geschmack, runde Formen werden eher mit weicher, cremiger Konsistenz, heller(er) Farbe und süßem Geschmack verknüpft. So schmeckte z. B. ein Käse mit eckiger Form würziger als der gleiche Käse in runder Form.²³ Eckige Formen wirken männlicher. In der Marketingpraxis bedeutet dies, dass „kontraproduktive Sinnessignale [zu] neutralisieren“²⁴ sind. Alle Assoziationen müssen zusammenpassen, damit sie beim Kunden die Erwartungen erfüllen bzw. sogar übertreffen. So ist z. B. die Kongruenz von Form und Inhalt entscheidend: Der Designer Maksim Arbuzov entwickelte beispielsweise sechseckige Honiggläser, die wie Wabenzellen aussehen. In den Geschäften – am Point of Sale – werden die Gläser so gestapelt, dass sie eine Bienenwabe bilden. „Die [. . . ] Codes transportieren Frische, Ursprünglichkeit und Natürlichkeit.“²⁵ Zudem erinnern die Gläser eher an Parfümflakons und „aktivieren damit verknüpfte Assoziationen zu Qualität und (Preis-)Premium. Das steigert unbewusst die Wertschätzung sowie Zahlungsbereitschaft [. . . ].“²⁶ Ein Point of Sale bzw. ein Brandland muss dementsprechend auch die Marke bzw. das Nutzenversprechen widerspiegeln. Ein weicher Fußboden verlangsamt das Gehtempo und macht Lust, die Geschäftsräume zu erkunden [. . . ]. Interessante Objekte und Möbel, die zum Anfassen reizen, können ebenfalls Resonanzfelder aktivieren und attraktive Erlebniswelten schaffen, die implizite Ziele bedienen.“²⁷
Aspekte, die sich z. B. auch gut in Hotels beobachten lassen. Durch Ambiente und Einrichtung werden bestimmte Reize aktiviert. Gleiches gilt auch für die Musik.
22 Deroy, Ophelia u. Charles Spence: Synästhesie – Süße Rundungen. Spektrum vom 9.4.2015. http://www.spektrum.de/alias/synaesthesie/suesse-rundungen/1341129?utm (8.5.2015). 23 Hartmann, Haupt, Touch! (wie Anm. 12), S. 45. 24 Hartmann, Haupt, Touch! (wie Anm. 12), S. 45. 25 Hartmann, Haupt, Touch! (wie Anm. 12), S. 182. 26 Hartmann, Haupt, Touch! (wie Anm. 12), S. 182. 27 Hartmann, Haupt, Touch! (wie Anm. 12), S. 185.
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So wird in Geschäften z. B. tageszeit- bzw. wochentagabhängig unterschiedliche Musik gespielt: Als optimal gilt Supermarkt-Musik mit 72 Schlägen pro Minute. Sie soll den Kunden anregen und in Schwung bringen, ohne dass er sie bewusst wahrnimmt. Für das Programm sorgt etwa der Anbieter Radio P.O.S. Je nach Zielgruppe stellt der einen Mix aus Musik und lokalen Nachrichten je nach Tageszeit zusammen. Am Morgen gibt es Volkstümliches für die Rentner, mittags wird es für die Jugendlichen nach Schulschluss etwas poppiger, abends wieder ruhiger, um die arbeitende Bevölkerung nach Feierabend nicht zu stressen.²⁸
Erlebnisorientierte Lernorte Steinecke unterscheidet zwischen informations- und bildungsorientierten sowie spaß- und unterhaltungsorientierten Markenerlebniswelten.²⁹ Zu den erlebnisorientierten Lernorten gehören u. a. Museen, Science-Center, Zoos, Themenparks, Brandlands und Urban Entertainment Center.³⁰ Erlebnisorientierte Lernorte sind Ausdruck einer ,Entgrenzung des Lernens‘ und einer Aufwertung des sozialen Umfeldes. Eine große Klammer ist nötig, um die Lernmöglichkeiten im Freizeitsektor, außerhalb genuiner Bildungsinstitutionen, insgesamt zu umreißen. Sie umfasst Angebote und Strukturen im Schnittfeld von Lernen und Unterhaltung und Konsum – also vielfach hybride Formen.³¹
In solchen erlebnisorientierten Lernorten werden Lernen, Erlebnis und Konsum kombiniert. Sie bieten Freiräume für jeden einzelnen, und sie regen den Besucher/Kunden an, sich mit bestimmten Themen auseinander zu setzen. Damit entsteht eine neue Mischung – ein hybrides System – bestehend aus Lernanregungen, -angeboten, Erlebnis und Konsum.³²
28 Meyer, Maren: Greif zu! In: brand eins (2013) H. 3. S. 94–97. http://www.brandeins.de/archiv/ 2013/handel/greif-zu/ (8.5.2015). 29 Steinecke, Albrecht: Zur Phänomenologie der Marken-Erlebniswelten. In: Anja BrittnerWidmann, Heinz-Dieter Quack u. Helmut Wachowiak (Hrsg.): Von Erholungsräumen zu Tourismusdestinationen – Facetten der Fremdenverkehrsgeographie. Trier: Universität Trier 2004. S. 205 f. 30 Freericks, Renate: Lernen in Erlebniswelten. DIE – Zeitschrift für Erwachsenenbildung 4 (2006). S. 32. 31 Freericks, Lernen (wie Anm. 30), S. 32. 32 Freericks, Lernen (wie Anm. 30), S. 33.
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Sie [die erlebnisorientierten Lernorte] bereichern die Lern-Erlebnis-Situation, machen sie vielfältiger, interessanter und komplexer. Bedingungen sind auf jeden Fall die freiwillige Teilnahme und ein Gestaltungsspielraum für die Nutzer. Ein formalisiertes Schulungsprogramm bleibt ausgeschlossen. Es gibt aber eine Modellierung des selbstgesteuerten Lernens. Es gibt Anregungen, unterschiedliche Zugänge und aktive Beteiligungsmöglichkeiten.³³
Ein erlebnisorientierter Lernort ist z. B. ein Apple-Store, der eine hybride Form von Bildung und Unterhaltung bildet. Und es zeigt sich, dass diese Angebote auf eine hohe Resonanz stoßen. Und die Angebote regen dazu an, sich weiter bzw. intensiver mit einem Thema auseinander zu setzen. Faszinierend ist, dass komplexe Sachverhalte und Themen inszeniert werden, bei denen die selbstgesteuerte Erkundung eines Themas im Mittelpunkt steht. Erlebnisorientierte Lernorte werden damit zur Brücke zwischen formalem und informellem Lernen.³⁴ Ähnliches gilt inzwischen für den Kulturtourismus. Zwar handelt es sich hierbei nicht um einen definierten Raum, aber doch um einen klar abgegrenzten Ort, z. B. eine Stadt oder ein Besichtigungsziel wie ein Schloss etc. Die Erlebniswelten werden den Gästen in Form touristischer Leitprodukte vermittelt. Sie kombinieren thematische Einzelangebote zu Urlaubserlebnissen und sollen den Gast inspirieren und emotional ansprechen. Damit lassen sie das Besondere einer Reise [. . . ] nach Brandenburg spürbar werden. Leitprodukte sind die Leuchttürme der Marke. Sie dienen als Vorbild für die Entwicklung weiterer Angebote an der Basis. Leitprodukte bestehen aus folgenden Elementen: – Kernleistung: Reiseanlass oder Hauptbeschäftigung des Gastes (auch das, was der Gast bezahlt) – Komplementärleistung: Ergänzende, vertiefende Angebote und/oder Services – Ambienteleistung: Atmosphärisch, gestalterische Leistungen.³⁵
Erlebnisorientierte Lernorte sind in Teilen bereits Wettbewerber von Bibliotheken. Die Autostadt in Wolfsburg fasst dies unter Lern- und Bildungsangebote zusammen.
33 Freericks, Lernen (wie Anm. 30), S. 34. 34 Georgy, Ursula: Emotion Marketing. Bibliotheken als Glücksfabrik? In: MECKLENBURGICA (Hrsg.): Erinnerungswerte einer alten Welt – Zur Namenspatenschaft von Günther Uecker für die Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern. Festschrift. Schwerin: Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern 2015. S. 18. 35 Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg: Kulturtourismus in Brandenburg – Ein Leitfaden. Potsdam: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg 2013. S. 19.
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Lernort Autostadt – Bildungslandschaft mit Prüfsiegel Die Autostadt [. . . ] ist [. . . ] ein vom niedersächsischen Kultusministerium anerkannter außerschulischer Lernort. Lehrkräfte aller Schulformen und Schulstufen nutzen seit 2003 die Angebote der Inszenierten Bildung, der pädagogischen Fachabteilung der Autostadt, themenspezifisch in Ergänzung zu ihrem Unterricht an den Schulen. Die Inszenierte Bildung der Autostadt Ein Großteil der pädagogischen Angebote basiert auf dem Curriculum Mobilität. So werden die Gäste in der Autostadt von mehr als 70 Pädagogen und speziell geschulten Tourguides dazu angeregt, naturwissenschaftliche und technische Phänomene durch Ausprobieren und Mitmachen kennenzulernen. Fächerübergreifend und mittels moderner Medientechnik wird Mobilität [. . . ] erlebt, erfahren und bewusst gemacht [. . . ]. Lern- und Bildungsangebote für jedes Alter Neben den Angeboten für Schülerinnen und Schüler sowie für jüngere Kinder gibt es in der Autostadt Freizeit- und Bildungsangebote für Erwachsene, zum Beispiel Expertengespräche [. . . ]. Mit ihren weit gefächerten Angeboten für Menschen jeglichen Alters versteht sich die Inszenierte Bildung als Ergänzung institutionalisierter Bildungsangebote und als kompetenter Begleiter in allen Phasen eines zunehmend an Bedeutung gewinnenden lebenslangen Lernens.³⁶
Bibliotheken als erlebnisorientierte Lernorte Jede Marke ist nur so gut und so wertvoll wie die Kommunikation der Marke und die damit verbundene Aufmerksamkeit. Eine stimmige Markenkommunikation umfasst sämtliche Kontaktpunkte eines Kunden mit einer Marke, im Marketing auch als Touchpoints bezeichnet. Markenbotschaften und Kommunikation werden eng verzahnt, sodass Freiräume für Emotionen beim Kunden entstehen. Räume spielen eine entscheidende Rolle bei Emotionen, wie die Brandlands zeigen, denn sie sind nichts anderes als inszenierte Räume – erlebnisorientierte Räume. Die Bibliothek als Erlebnisort. So lautete der Vortrag von Peter Berten auf der gemeinsamen Bibliothekskonferenz von ekz, BIB und DiViBib im Jahr 2010.³⁷
36 Autostadt: Lernort Autostadt. http://www.autostadt.de/de/lernangebote/lernort-autostadt/ (8.5.2015). 37 Berten, Peter: Die Bibliothek als Ort und Erlebnisraum im 21. Jahrhundert – Bibliothekskonzeptionen im Lichte aktueller Bibliotheksprojekte und darüber hinaus. Vortrag im Rahmen der gemeinsamen Bibliothekskonferenz von ekz, BIB und DiViBib, 2010. http://www.ekz.de/ fileadmin/ekz-media/fortbildung/veranstaltungen/chancen/chancen_2010/02_Peter_Berten.pdf (8.5.2015).
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Bibliothek als öffentlicher Raum im 21. Jahrhundert ? _ Schaufenster _ Labor _ multimediale Plattform die Gesellschaft _ ein Ort mit viel Information und der _ Chance, Wissen aus eigenem Antrieb zu suchen. David Chipperfield_ jüngst in einem Interview.. zur Eröffnung der Erweiterung des Folkwang-Museums in Essen: ,ein Museum . . . , eine öffentliche Bibliothek muss eine Art Fluchtort sein . . . , die Nutzer müssen ihren Weg hinein sehr einfach finden; sie müssen sich drinnen auch verlieren, sich zurückziehen können, .. ein wenig Bahnhof, d. h. man kommt rein und kann sich gut orientieren, .. dazu vielleicht Höfe, diese ermöglichen Durchblicke, lassen natürliches Licht wahrnehmen . . . ‘ Diese Balance zu finden, muss Ziel für Bauherr, Betrieb und Architekt sein. .. Reservat für ursprüngliche Tugenden der Architektur, .. Raumzusammenhänge, .. Licht, Schatten, Volumen, Oberflächen, Material als Charakter des Raumes.³⁸
Bibliotheken, die genau dies bieten, können zu erlebnisorientierten Lernorten werden. In weiten Teilen ist es die Architektur, die diese Bibliotheken prägt. Moderne, außergewöhnliche Architektur mit wenig traditioneller Raumaufteilung. Es sind architektonische Brands: Heute sind es die freien Formen der Architektur, die moderne Bibliotheken charakterisieren. Das Berlin Brain, das IKMZ der BTU Cottbus, das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, das Rolex Learning Center Lausanne oder auch die Stadtbibliothek Stuttgart Mailänder Platz sind moderne Brand Marks von Bibliotheken. Und mit moderner Architektur in Bibliotheken wird auch modernste Technologie assoziiert. Und der Mensch ist Akteur, er [. . . ] gestaltet aktiv Räume, Produkte und Dienstleistungen mit.³⁹
Doch nicht jede Bibliothek hat die Chance eines Neubaus oder einer Grundsanierung. Aber auch diese Bibliotheken haben die Chance, zu einem attraktiven erlebnisorientierten Lernort zu werden. Raum, Einrichtung, Produkte und Dienstleistungen müssen zueinander stimmig sein, damit sich positive Vorstellungsbilder entwickeln können, die dann dazu beitragen, dass der Kunde die Bibliothek als ein Brand Land empfindet, das er gerne besucht und wo man ihn im Sinne der One-to-one-Kommunikation informiert und unterhält.⁴⁰
38 Berten, Bibliothek als Ort (wie Anm. 37), S. 58. 39 Georgy, Emotion Marketing (wie Anm. 34), S. 12. 40 Georgy, Emotion Marketing (wie Anm. 34), S. 18.
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Bibliotheken müssen im Rahmen ihrer (Neu-)Gestaltung ihrer Räume auch darauf achten, dass ihre Dienstleistungen adäquat sind. „Modernste Bibliothek der Schweiz hat eine Sushi-Bar“⁴¹ lautet die Überschrift eines Beitrags in der Basellandschaftlichen Zeitung, doch es ist keine „echte“ Sushi-Bar, es ist eine Bücher-Sushi-Bar. „Auf die Sushi-Bar kommen Bücher, die soeben zurückgegeben wurden. Erfahrungen in holländischen Bibliotheken hätten gezeigt, dass die so präsentierten Bücher häufig gleich wieder ausgeliehen werden. [. . . ] Die ,SushiBar‘ soll ebenso wie die Chillecke für Jugendliche [. . . ] zu einer Begegnungszone werden, sagen die Verantwortlichen.“⁴² Damit setzt die Bibliothek auf Assoziationen zu einer echten Sushi-Bar. Das besondere eines Running Buffets ist es, dass man das komplette Angebot sehen kann – ohne bestellen zu müssen. Und man sieht vielleicht Gerichte, Speisen, die man nicht kennt und noch nie gesehen hat. So werden dem Gast kleine kulinarische Abenteuer geboten, und dazu ist es noch kommunikativ. Das Running Buffet setzt somit auch auf multisensorisches Marketing – auch in einer Bibliothek. Und vielleicht kommt man mit der Person, die das Buch gerade zurück gebracht hat, direkt ins Gespräch. Für Bibliotheken gilt es, die Herausforderung der gesellschaftlichen Entwicklung eines neuen Lehren und Lernens anzunehmen. Dies gilt sowohl für das formelle als auch das informelle Lernen. In den letzten Jahren haben sich die Lernanforderungen geändert, aber auch die Formen des Arbeitens. Sie machen andere, neue Lernumgebungen notwendig. Kollaboratives Arbeiten erfordert z. B. Räume für kleinere Gruppen – sog. Meeting Places – variable Arbeitsplätze mit Rolltischen und Rollcontainern, mobile Trennwände, große Monitore für die Gruppenarbeit, Multimedia-Ausstattung, Flipcharts etc. Bibliotheken sind gefordert, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wenn sie als erlebnisorientierte Lernorte wahrgenommen werden wollen. Brandlands wie die Autostadt oder die Apple Stores bieten genau dies. Und damit steigt auch der Anspruch beim Kunden. Bibliotheken stehen somit als öffentliche Einrichtungen mit kommerziellen Anbietern im Wettbewerb. Und da gilt es auch für sie, sich als innovativ zu präsentieren. Daher: Warum z. B. nicht Schulungen zur Informationskompetenz auch einmal außergewöhnlich gestalten? Sie müssen nicht die Bezeichnung „Informationskompetenz“ tragen. Ein Name, der sicher wenig Potenzial hat, eine Lovemark zu werden. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Bibliotheken bietet sich
41 Hufschmied, Samuel: Modernste Bibliothek der Schweiz hat eine Sushi-Bar. Basellandschaftliche Zeitung, 7.5.2015. http://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/baselstadt/modernstebibliothek-der-schweiz-hat-eine-sushi-bar-129118577 (9.5.2015). 42 Hufschmied, Bibliothek (wie Anm. 41).
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auch die Möglichkeit, Crowdsourcing zu nutzen, um Ideen durch eine Crowd lösen zu lassen. Crowdsourcing ist eine interaktive Form der Leistungserbringung, die kollaborativ oder wettbewerbsorientiert organisiert ist und eine große Anzahl extrinsisch oder intrinsisch motivierter Akteure unterschiedlichen Wissensstands unter Verwendung moderner IuKSysteme auf Basis des Web 2.0 einbezieht. Leistungsobjekt sind Produkte oder Dienstleistungen unterschiedlichen Innovationsgrades, welche durch das Netzwerk der Partizipierenden reaktiv aufgrund externer Anstöße oder proaktiv durch selbsttätiges Identifizieren von Bedarfslücken bzw. Opportunitäten entwickelt werden.⁴³
So unterstützt Crowdsourcing die Kundenbindung in einer neuen Art und Weise, vor allem auch emotional, denn Kunden nehmen in Crowdsourcing-Projekten ausgewählte Aufgaben wahr und sind somit aktiv am Wertschöpfungs- und Produktionsprozess eines Unternehmens oder einer Institution beteiligt. Der Kunde ist gleichzeitig Produzent und Konsument; im Kontext partizipativer digitaler sozialer Medien erlangt der Prosument eine immer größere Bedeutung. Kunden erhalten die Möglichkeit, mehr Einfluss auf die Bibliotheksentscheidungen und somit auf die Produkte zu nehmen. Bibliotheken sollten die Macht der Crowd im positiven Sinne für sich nutzen. Dann kann es auch gelingen, dass mehr Bibliotheken zu erlebnisorientierten Lernorten werden.
Literatur Autostadt: Lernort Autostadt. http://www.autostadt.de/de/lernangebote/lernort-autostadt/ (8.5.2015). Berten, Peter: Die Bibliothek als Ort und Erlebnisraum im 21. Jahrhundert – Bibliothekskonzeptionen im Lichte aktueller Bibliotheksprojekte und darüber hinaus. Vortrag im Rahmen der gemeinsamen Bibliothekskonferenz von ekz, BIB und DiViBib, 2010. http://www.ekz.de/ fileadmin/ekz-media/fortbildung/veranstaltungen/chancen/chancen_2010/02_Peter_ Berten.pdf (28.7.2015). Binder, Alexander: Markenparks – dreidimensionale Markenerlebniswelten. In: Nicolai Herbrand (Hrsg.): Schauplätze dreidimensionaler Markeninszenierung – Innovative Strategien und Erfolgsmodelle erlebnisorientierter Begegnungskommunikation. Stuttgart: Edition Neues Fachwissen 2008. S. 178–189.
43 Martin, Nicole, Stefan Lessmann u. Stefan Voss: Crowdsourcing. Systematisierung praktischer Ausprägungen und verwandter Konzepte. In: Martin Bichler (Hrsg.): Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2008 Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität Hamburg. Berlin: GITO 2008. S. 274.
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Erdmute Lapp
Bibliothek und Innovation Information ist der Treibstoff für Innovation. In diesem Bewusstsein haben wir in der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich Dienstleistungen erbracht. Ich hatte das Privileg, zwischen 1989 und 1996 mit Wolfram Neubauer in der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich zusammenzuarbeiten.
Spezialbibliotheken als professionelle Avantgarde Spezialbibliotheken und ihre Bibliothekare waren in den späten 1980er und in den 1990er Jahren die professionelle Avantgarde. Wir wussten damals bereits, dass wir am Anfang eines neuen Paradigmas in Bibliotheken standen. Die klassischen bibliothekarischen Aufgaben wie Erwerbung, Ausleihe, Fernleihe würden zwar auch in Zukunft wichtig sein, aber sie würden zunehmend automatisiert werden und nicht mehr im Zentrum unserer Arbeit stehen. Wir haben uns als information professionals gesehen, die in der entstehenden Welt der OnlineFachinformationen und elektronischen Informationssysteme neue Aufgaben übernehmen, und fanden unsere Arbeit interessant und aufregend. Während das Internet zum universellen Kommunikationskanal wurde und mobile Endgeräte vom Notebook über das Tablet bis hin zum Smartphone ihren Siegeszug antraten, haben dann auch die zeitweise etwas schwerfälligen Universitätsbibliotheken sich neu erfunden und sich stärker als die meisten Einrichtungen auf dem Campus verändert. Auch die Öffentlichen Bibliotheken haben sich verändert, sodass sie in der elektronischen Welt für ihre Kunden attraktiver sind als je zuvor. Es ist ein Verdienst aller Bibliothekssparten, zum gesellschaftlichen Diskurs über den Rohstoff Information als Innovationsfaktor beizutragen.
Die Bibliothek als Wissensspeicher und Gateway In der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich war uns immer wichtig, dass die digitale Informationswelt und die Bibliothek keine Gegensätze sind; wir haben unsere Aufgabe darin gesehen, eine möglichst nahtlose Integration klassischer und elektronischer Informationen und Dienstleistungen zu erreichen. Inzwischen leben wir in einer Welt von Point-and-Click-Information und -Kommu-
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nikation, und werden davon überschwemmt. Mit der Informationsflut kam der Glaube an die Google-Suche als Allzweckmittel zur Navigation im chaotischen Internet. Was Forscher, Wissenschaftler, Studierende und Bürger wirklich brauchen, sind qualitativ hochwertige Informationen, und die bekommt man in der Bibliothek oder durch die Vermittlung der Bibliothek. Strukturierte Speicherung und Vermittlung hochwertiger Informationen auf der Basis von fach- und kundenorientierten Auswahlstrategien ist der Mehrwert, den eine moderne Bibliothek bietet. Dies ist eine unverzichtbare Voraussetzung für den Sprung von den Fakten zum Wissen. Bibliotheken sind heute zugleich Wissensspeicher und Gateways zu Informationen, die außerhalb der Bibliothek liegen. Gedruckte Bücher und Zeitschriften werden schon lange elektronisch verzeichnet und sind gemeinsam mit den Beständen anderer Bibliotheken durchsuchbar. Darüber hinaus stellen Bibliotheken ihren Benutzern einen strukturierten Zugang zu einem breiten Spektrum an elektronischen (wissenschaftlichen) Informationen über das Internet oder das Campusnetz zur Verfügung. Die aktuellen gedruckten und digitalen Bestände stellen die Bibliotheken in enger Zusammenarbeit mit (Spezial-)Buchhandlungen und spezialisierten Agenturen bereit. Regelmäßige elektronische Neuerscheinungslisten nach definierten Profilen und die Möglichkeit der Direktbestellung in elektronischen Warenkorbsystemen ermöglichen den Bibliotheken, die Zeit zwischen der Bestellung des Buches beim Lieferanten und dessen Verfügbarkeit im Regal auf ein Minimum zu verkürzen. Lange Buchbearbeitungszeiten gehören der Vergangenheit an. Für Zeitschriften ist das von den meisten Benutzern präferierte Format die Online-Zeitschrift; viele vor allem naturwissenschaftliche Zeitschriften erscheinen überhaupt nur noch in dieser Form. Bibliotheken haben schon immer gewusst, dass ihre historischen Bestände und Spezialsammlungen wichtige Kulturgüter enthalten, die die Kultur- und Wissenschaftsgeschichte dokumentieren. Heute präsentieren sie diese Bestände in dem Bewusstsein, dass diese der Bibliothek ein unverwechselbares Profil geben. In diesem Sinne verstehen sich viele Universitätsbibliotheken als eine Gruppe von Spezialbibliotheken, wobei die dezentralen Fachbibliotheken jeweils eine Spezialbibliothek mit einem eigenen Profil sein können; meist ergänzen sie die Sammlungen der zentralen Universitätsbibliothek. Auch öffentliche Bibliotheken präsentieren ihre Spezialsammlungen einer interessierten Öffentlichkeit und sind daran interessiert, Spezialsammlungen aufzubauen. Spezialbibliotheken waren als meist kleinere und wendigere Bibliotheken auch die Avantgarde bei der elektronischen Vernetzung und dem Aufbau digitaler Sammlungen. Mittlerweile geben alle Bibliotheken einen großen Anteil ihres Medienetats für die Lizenzierung oder den Kauf elektronischer Publikationen und Informationsquellen aus. Datenbanken, elektronische Zeitschriften, eBooks
Bibliothek und Innovation
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und digitalisierte Volltexte werden von den Bibliotheken aufwendig erschlossen, und zwar so, dass sowohl das gezielte Ansteuern einer bestimmten Ressource ermöglicht wird als auch die flächige Suche für die Benutzer, die sich erst in ein Sachgebiet einarbeiten. Immer mehr Bibliotheken experimentieren mit Discovery-Systemen, die die Suche vereinfachen. Auch werden längst nicht mehr bibliographische Daten alleine gesucht. Wir haben schon damals gewusst, dass die Recherche nach Bildern, Graphiken, Karten, Volltexten, Forschungsdaten und Multimediaprodukten verknüpft mit bibliographischen Daten für die eSciences unverzichtbar ist und nach Wegen gesucht, sie zu ermöglichen. Das war der Grund, warum die Universitätsbibliothek Bochum später für Projekte offen war wie BIBLING, eine elektronische Bibliothek für Konstruktionsingenieure, und ArcheoInf, eine Datenbank heterogener archäologischer Feldforschungsdaten, verknüpft mit bibliographischen Daten und Geoinformationsdaten und durchsuchbar auf der Basis eines Thesaurus.
Informationsmanager und Lotsen Die Rechercheprofis der Bibliotheken kennen nicht nur die Datenbankstrukturen, Oberflächen und Erschließungssysteme, sie wissen auch, wie man relevantes Material bewertet, weiterverarbeitet sowie ethisch und legal nutzt. Auf der Grundlage dieser Informationskompetenz sind sie Informationsmanager und Lotsen für alle, die Beratung und Unterstützung bei der Navigation durch die Informationsflut suchen. Sie behalten ihr Wissen nicht für sich, sondern geben es in Beratungsgesprächen, Trainings und Workshops weiter. Auch bei der Vermittlung von Informationskompetenz war die Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich ein Vorreiter. Wissenschaftler, Doktoranden und Diplomanden am Forschungszentrum Jülich probierten die Recherche in CD-ROM-Datenbanken aus und drängten die Bibliothek, ihnen auch Zugang zu den kommerziellen Datenbanken zu gewähren, die noch nicht im CD-ROM-Netz verfügbar waren. Es hat eine Weile gedauert, bis Universitätsbibliotheken den Mut hatten, Kurse zur Vermittlung von Informationskompetenz anzubieten, möglichst eingebettet in eine Lehrveranstaltung oder als Kurs, für den die Studierenden credit points erhalten. Mittlerweile besuchen jährlich über 4000 Studierende und Oberstufenschüler aus Bochumer Gymnasien die Veranstaltungen der Universitätsbibliothek Bochum zur Informationskompetenz und schreiben danach bessere Seminar- oder Facharbeiten. Auch die Öffentlichen Bibliotheken bieten Schulungen zur Informationskompetenz als Kernkompetenz in der Informationsgesellschaft an, auf denen die Universitätsbibliotheken aufbauen können.
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Die Bibliothek als Innovationszentrum In den 1990er Jahren gab es nicht viele Bibliotheken, die sich als Innovationszentrum verstanden, das neue Lösungen suchte und neue Dienste erprobte; das hat sich heute grundlegend geändert. Die Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich hat eine Bibliographie der Publikationen von Mitarbeitern des Zentrums in elektronischer Form erstellt, als noch niemand die Frage stellte, wer, wenn nicht die Bibliothek, diese Daten erfassen sollte. Auf der Basis des Vorsprungs, den die Zentralbibliothek mit dieser Bibliographie gewonnen hat, konnte sie vorbildliche bibliometrische Kompetenzen entwickeln. Auch das Dokumentenrepositorium, das die Zentralbibliothek schon früh aufgebaut hat, war ein Vorbild für Dissertationenserver und Publikationsserver, die später an den Hochschulen entstanden. Ein Universitätsverlag, vergleichbar dem bereits 1960 gegründeten und hochmodernen Verlag des Forschungszentrums Jülich, ist für viele Universitätsbibliotheken auch großer und forschungsintensiver Hochschulen ein noch nicht realisierter Wunsch. Auch eine Presseschau zu Wissenschafts- und Forschungsthemen wurde in der Zentralbibliothek erstellt. Von besonderem Vertrauen des Forschungszentrums in die Dienstleistungsbereitschaft seiner Zentralbibliothek zeugen die Integration des Sprachendienstes in die Bibliothek und der Aufbau eines Archivs, das organisatorisch zur Bibliothek gehört. So sind weitere wichtige Support-Dienste für die Forschung in der Bibliothek gebündelt. Das war zu einer Zeit, als viele Universitätsbibliotheken noch darüber diskutierten, ob sie überhaupt und wie sie neue Aufgaben in Angriff nehmen sollten. Entsprechend lange haben diese Bibliotheken dann gebraucht, um sich eine vergleichbare Position in ihrer Einrichtung bzw. Hochschule zu erarbeiten. Aber mittlerweile verzeichnet die Hochschulbibliographie der Ruhr-Universität, die die Universitätsbibliothek Bochum seit 2008 erstellt, mehr als 100 000 Publikationen von RUB-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern und ist im Bewusstsein der Universität verankert. Aufgrund der innovativen Architektur der Hochschulbibliographie ist auch eine sekundäre Nutzung der Daten, z. B. für die Bibliometrie oder das Einbinden automatisch erzeugter Publikationslisten in Webseiten möglich. Die Universitätsbibliothek Bochum hat der Open Access Initiative auf dem Campus der Ruhr-Universität zu Akzeptanz verholfen und gestaltet sie entscheidend mit; darüber hinaus erprobt sie neue Wege der Publikationsunterstützung, indem sie die Publikationsplattformen OJS (Open Journal Systems) für Zeitschriften und OMP (Open Monograph Press) für Monographien betreibt. Mittlerweile verbessern viele Bibliotheken laufend ihre bestehenden Dienstleistungen und entwickeln Innovationsideen. Sie kooperieren mit Bibliotheken und Informationsdienstleistungs-Einrichtungen der Region, auf nationaler und
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internationaler Ebene, um ihre Dienste zu verbessern. Sie treiben die Integration der Informationseinrichtungen auf dem Campus voran und bilden Netzwerke mit Partnern, um strategische Ziele zu erreichen. Mit der Einführung der RFID-Technologie können klassische Bibliotheksaufgaben weiter automatisiert werden, und es finden Verlagerungen hin zu neuen Aufgaben statt.
Die Bibliothek als attraktiver Lernort Die Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich war immer ein attraktiver Arbeits- und Lernort. Ihr modern ausgestatteter Lesesaal, die leistungsfähige ITInfrastruktur im gesamten Gebäude, Gruppenarbeitsräume, der Schulungs- und Konferenzraum, Schließfächer zum Deponieren von persönlichen Gegenständen, verbunden mit großzügigen Öffnungszeiten auch an Wochenenden und später der freie Zugang mit Transpondern waren der Maßstab, an dem andere Bibliotheken sich messen lassen mussten, und zugleich Vorbild. Der Lesegarten der Zentralbibliothek, in den man aus dem Lesesaal tritt und in dem man im Sommer draußen arbeiten kann, ist sowieso nicht so leicht zu kopieren. Allein die Größe von Universitätsbibliotheken hat ihre Umgestaltung in attraktive Lernorte zu einer kostenintensiven und damit schwierigen und langwierigen Aufgabe gemacht.
Die weltoffene Bibliothek Forschung ist international, viele Wissenschaftler des Forschungszentrums haben längere Zeit an kooperierenden Forschungszentren im Ausland verbracht; laufend arbeiten zahlreiche ausländische Gastwissenschaftler im Zentrum und nutzen intensiv die Bibliothek. Für die Mitarbeiter der Zentralbibliothek war es schon damals selbstverständlich, sie in englischer Sprache zu bedienen. Die Zentralbibliothek stand ausländischen Kolleginnen und Kollegen als Praktikumsbibliothek und als Hospitationsort zur Verfügung. Auch in dieser Hinsicht war die Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich ein Vorbild für die Universitätsbibliothek Bochum. Keine andere Einrichtung auf dem Campus der RuhrUniversität lädt so viele Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Erasmus staff mobility programme der EU ein wie die Universitätsbibliothek Bochum; die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbringen im Rahmen dieses Programms auch selbst Arbeitswochen in ausländischen Bibliotheken. Die Freundschaft mit der Bibliothek des kroatischen nationalen Forschungszentrums Ruđer-Bošković-Institut in Zagreb pflege ich noch heute von Bochum aus. Die Universitätsbibliothek
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Bochum unterstützt die Partnerschaften der Universität durch die Zusammenarbeit mit den Bibliotheken der Partneruniversitäten und stellt ihr Gebäude in Zusammenarbeit mit Fakultäten und Instituten für internationale Begegnungen, Ausstellungen, Vorträge und Veranstaltungen zur Verfügung.
Die Bibliothek als Kulturtreffpunkt Auch die Tatsache, dass die Bibliothek ein Treffpunkt, Aktionsraum, Ort der Begegnung, Entspannung und Inspiration durch Kunst und Kultur ist, verdankt die Universitätsbibliothek Bochum dem Jülicher Vorbild Forum Kunst und Forschung. Unsere Gesellschaft braucht Orte, an denen Menschen im offenen vertrauensvollen Dialog zusammenkommen können, um über persönliche oder gemeinsame Ziele nachzudenken. Wie bereits im Forschungszentrum Jülich stellen jetzt auch in der Universitätsbibliothek Bochum besonders gerne junge Künstler und Fotografen aus. Sie schätzen die Chance, ihre Arbeiten in einem anderen Kontext als dem Museum oder der Galerie zu zeigen. Immer wieder präsentieren Studierende Poster in der Bibliothek, auf denen sie die Ergebnisse ihres forschenden Lernens darstellen. Gastvorträge, Präsentationen und Filme werden gerne in der Universitätsbibliothek gezeigt, weil man hier ein breites und interessiertes Publikum ansprechen kann. Wolfram Neubauer hat das große Verdienst, die Entwicklungen des neuen Paradigmas in Bibliotheken vorausgesehen und die Bibliothek entsprechend aufgestellt zu haben. In der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich war die Vergangenheit durch die Erinnerungen und die Zukunft durch die Planungen und die Beschäftigung mit Fragen, die die Bibliothek der Zukunft betreffen, immer ein Teil der täglichen Arbeit in der Gegenwart. Dazu haben auch die Redaktionsarbeit für die Zeitschrift Nachrichten für Dokumentation, deren Chefredakteur Wolfram Neubauer lange Zeit war, und der Austausch mit den in der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen (DGI) organisierten Informationsspezialisten beigetragen. Nach seinem Wechsel an die Bibliothek der ETH in Zürich hat Wolfram Neubauer auch diese Bibliothek in die Zukunft geführt. Die Stakeholder von Forschungseinrichtungen und Universitäten sind gut beraten, die Bibliothek weit oben auf der Liste ihrer Prioritäten zu führen. Die Forscher, Wissenschaftler, Studierenden und die Öffentlichkeit sehen die Bibliothek zu Recht als Qualitätsindikator für die Forschungseinrichtung, Universität oder Kommune als Ganzes. Exzellente Forschungseinrichtungen, Universitäten oder Kommunen haben immer exzellente Bibliotheken.
Lisa Ott und Franziska Regner
Innovationsmanagement an der ETH-Bibliothek Das Entwickeln, Begleiten und Fördern von innovativen Ideen und ihre Umsetzung ist nicht mehr nur fester Bestandteil eines erfolgreichen Wirtschaftsunternehmens, sondern wird längst auch in der Bibliothekswelt praktiziert.
Wie alles begann Der Grundstein für ein erfolgreiches Innovationsmanagement an der ETH-Bibliothek wurde bereits 2009 mit der Schaffung des neuen Bereichs „Innovation und Marketing“ gelegt. Die ETH-Bibliothek war damit im deutschsprachigen Raum eine Pionierin und nutzte die Gelegenheit, gemeinsam mit dem Innovationsmanagement auch das Produktmanagement anzustoßen. Gemäß der klassischen Definition von Joseph Schumpeter (Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1911) gilt eine Innovation nämlich nur dann als solche, wenn sie erfolgreich in den Betrieb überführt wurde.¹ Da die Überschneidung von Innovations- und Produktmanagement bei der Inbetriebnahme eines neuen oder verbesserten Produkts unverkennbar ist, war eine parallele Einführung der beiden Managementbereiche die logische Folge, auch wenn das Produktmanagement erst im Zuge der 2009 und 2010 stattfindenden Reorganisation der ETH-Bibliothek weiter ausgestaltet wurde. Trotzdem: Die ETH-Bibliothek ist weiterhin eine Bibliothek – kein großer Wirtschaftskonzern. Für das Innovationsmanagement an Bibliotheken variieren daher auch die Möglichkeiten, Ansprüche und Maßstäbe. So sehen wir an der ETHBibliothek eine Innovation nicht nur als solche an, wenn sie weltweit neu und einzigartig ist und sie muss auch nicht zwingend nur in einem von außen für die Kundinnen und Kunden sichtbaren Produkt resultieren. Die entscheidenden Schlagwörter waren und sind für uns „Early Adopter“ und „Cross-Industry Innovation“. Für die Bewertung potentieller Innovationen gelten dabei folgende Kriterien:
1 Vgl. Kaudela-Baum, Stephanie, Jacqueline Holzer u. Pierre-Yves Kocher: Innovation Leadership: Führung zwischen Freiheit und Norm (Uniscope. Publikationen der SGO Stiftung). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden 2014. DOI: 10.1007/978-3-658-06526-3_2, S. 22.
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Unterstützung der Strategie der ETH-Bibliothek Attraktivität für Kundinnen und Kunden/Kundennutzen (auch indirekt, z. B. durch optimierte interne Prozesse) Vorteil für die ETH-Bibliothek (Prestige, Image) Realisierbarkeit (Finanzen, Personelle Ressourcen, Know-how).²
Vor allem die Unterstützung der ersten zwei Kriterien sowie die veränderten Rahmenbedingungen für Bibliotheken machen deutlich, weshalb sich die ETHBibliothek für die Einführung des Innovationsmanagements entschieden hat. Bedingt durch die rasante technische Entwicklung verändern sich nämlich auch das Verhalten und die Erwartungen der Nutzer. Und da die ETH-Bibliothek einen besonderen Schwerpunkt im Bereich des elektronischen Informationsangebotes setzt, ist sie von diesen Veränderungen stark betroffen. Gleichzeitig ist die ETH-Bibliothek bestrebt, ihren Kundinnen und Kunden stets innovative und modernste Lösungen und Dienstleistungen anzubieten. Um den Anforderungen einer fortschrittlichen Bibliothek mit höchsten Qualitätsansprüchen in einer sich stetig verändernden Umwelt gerecht zu werden, reorganisierte sich die ETH-Bibliothek 2009/2010 grundlegend.³ Auf Basis der strategischen Ziele dieser Reorganisation wurde nicht nur das Innovationsmanagement bestätigt⁴, sondern auch das Produktmanagement weiter vertieft. Ebenfalls zentral, da mit einer engen Verzahnung zum Innovationsmanagement, wurde das Prozessmanagement eingeführt und das bereits seit 2006 bestehende Projektmanagement bestätigt. Die praktische und erfolgreiche Anwendung dieser vier Managementbereiche ist sicherlich ein Charakteristikum für die ETH-Bibliothek und hat sich bis heute als lohnend und wertvoll erwiesen. Vor allem aus Sicht des Innovationsmanagements und speziell aus Sicht der Innovationsprozesse als Kern des Innovationsmanagements ist das Zusammenspiel der oben genannten Managementbereiche wichtig, um die angestrebte Systematik im Betrieb zu gewährleisten. Dies macht aber auch deutlich, dass nicht nur eine Person oder eine Stelle für
2 Vgl. Mumenthaler, Rudolf: Produkt- und Innovationsmanagement. Praxisbeispiele aus der ETH-Bibliothek. In: Prozessorientierte Hochschule. Hrsg. von Andreas Degkwitz u. Frank Klapper. Bad Honnef: Bock + Herchen 2011. S. 176. 3 Vgl. Littau, Lisa u. Rudolf Mumenthaler: Reorganisation der ETH-Bibliothek 2010. Abschlussbericht. Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, ETH-Bibliothek (2011). http://dx.doi.org/ 10.3929/ethz-a-006481716 (7.5.2015). 4 Relevantes strategisches Ziel: „Die ETH-Bibliothek verfolgt die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie systematisch und prüft sie auf ihre Anwendbarkeit.“ Littau u. Mumenthaler, Reorganisation der ETH-Bibliothek (wie Anm. 3), S. 12.
Innovationsmanagement an der ETH-Bibliothek
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den Erfolg des Innovationsmanagements mit all seinen Bestandteilen verantwortlich sein kann. Der konsequente Einbezug der Mitarbeitenden, der Aufbau eines Netzwerks und die systematische Prüfung und Analyse von Ideen, Innovationen und Trends innerhalb und außerhalb der ETH-Bibliothek führen nur zum Erfolg bzw. zum neuen Produkt, wenn es mit Hilfe des Projektmanagements umgesetzt und mit dem Produkt- und dem Prozessmanagement in den Betrieb überführt und ggf. optimiert werden kann. Um dies zu ermöglichen, wurde zunächst eine Innovationsstrategie entwickelt, welche erste Antworten auf folgende Fragen lieferte: – Welchen Stellenwert hat Innovation in der eigenen Bibliothek? – Welche Ziele verfolgt die Bibliothek mit Innovation und Innovationsmanagement? – Welches sind die Aufgaben des Innovationsmanagements? – Wie definiert man selbst Innovation? – Wie bindet man Mitarbeitende in den Innovationsprozess ein? – Wie bindet man Kundinnen und Kunden in den Innovationsprozess ein? – Wie misst man den Erfolg von Innovation?⁵ Im Zuge der Innovationsstrategie wurde auch der erste Innovationsprozess erarbeitet (siehe Abb. 1). Er wurde in Anlehnung an das bereits etablierte Projektmanagement entwickelt und war daher für die Mitarbeitenden schnell und einfach nachzuvollziehen. Er war Teil des Produktmanagements und als Managementprozess ebenso Teil der Prozesslandkarte der ETH-Bibliothek.
Markt beobachten
Aufnahme ins Produktportfolio
Ideen einbringen
Ideen aufnehmen
Ideen bewerten Ideen ausarbeiten
Controlling
Umsetzung als Projekt
Entscheid go/no-go
Abb. 1: Innovationsprozess ETH-Bibliothek (2009)⁶
5 Mumenthaler, Rudolf: Innovationsmanagement in Bibliotheken – Methoden und Trends (2012). Folie 12. http://de.slideshare.net/ruedi.mumenthaler/innovationsmanagement-inbibliotheken-methoden-und-trends (30.3.2015). 6 Vgl. Littau, Mumenthaler, Reorganisation der ETH-Bibliothek (wie Anm. 3), S. 56 f. Hinweis: Der Innovationsprozess findet in dieser Form heute keine Anwendung mehr und wurde grundlegend überarbeitet.
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Dem Innovationsmanager kam dabei die Aufgabe zu, den Prozess zu begleiten, eine erste Bewertung der von allen Mitarbeitenden eingereichten Ideen vorzunehmen und sie der Bibliotheksleitung zum Entscheid vorzulegen. Sollte ein Projekt umgesetzt werden, ging die operative Koordination an den Projektmanager der ETH-Bibliothek bzw. an die an der Umsetzung beteiligten Mitarbeitenden über. Der Schwerpunkt des Innovationsmanagements lag zu Beginn daher vor allem auf dem Ideenmanagement. Um den Mitarbeitenden eine Plattform zu geben, über welche sie sich einbringen können, wurde ein sogenannter Ideenpool eingerichtet. Als Anreiz werden jeweils zum Ende des Jahres die nach Mitarbeitendenmeinung besten Ideen ausgewählt und durch den Direktor der ETH-Bibliothek prämiert. Dabei ist es nicht relevant, ob die gewählten Ideen auch umgesetzt wurden, einzig die Einschätzung der Mitarbeitenden ist entscheidend. Ebenfalls wichtige Aufgaben des Innovationsmanagements waren der Aufbau eines geeigneten Netzwerks sowie die Verfolgung aktueller Trends. Als Beispiel ist hier vor allem die Zusammenarbeit mit der Zukunftswerkstatt⁷ und die Mitarbeit im Projekt Technologieradar zu nennen. Auch die Präsenz der ETH-Bibliothek in den sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter, etc.) fand mit dem Innovationsmanagement ihren Anfang. Seit der Einführung des Innovationsmanagements auf der Ebene eines eigenen Bereichs konnten sich einige Bestrebungen aus den Anfängen, wie der Ideenpool oder der Betrieb eines Innovationsblogs⁸, halten. Andere Themen wurden überarbeitet und wieder andere kamen neu hinzu. Es fand in den letzten sechs Jahren folglich eine große Entwicklung statt.
Organisatorische Verankerung Für die Verortung des Innovationsmanagements in einem Unternehmen oder wie hier in einer Bibliothek gibt es ebenso viele Möglichkeiten wie Anwendungsfälle. Die ETH-Bibliothek hat sich 2009 dazu entschieden, mit der Schaffung eines eigenen Bereiches ein klares Zeichen für das Innovationsmanagement zu setzen. Aufgrund der personellen Situation sowie der Kopplung mit dem Marketing, waren dem Bereich „Innovation und Marketing“ außerdem ausgewählte Sammlungen der ETH-Bibliothek zugeordnet (siehe Abb. 2).
7 Verein Zukunftswerkstatt Kultur und Wissensvermittlung e. V.: https://zukunftswerkstatt. wordpress.com/ (7.5.2015). 8 Weblog der ETH-Bibliothek über Neuentwicklungen an der Schnittstelle von Informationstechnologie und Bibliothekswesen: http://blogs.ethz.ch/innovethbib/ (7.5.2015).
Innovationsmanagement an der ETH-Bibliothek
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Direktion
Innovation und Marketing*
Prozesse und IT Ab 2010: Medienund IT-Services
Kommunikation und Webredaktion
Prozess- und Projektbüro
Graphische Sammlung
...
. . . **
...
Max Frisch-Archiv
Ab 2011: focusTerra
Ab 2012: Erdwissenschaftliche Sammlungen
Ab 2012: Thomas Mann-Archiv * U. a. verantwortlich für Innovations- und Produktmanagement ** Ab 2009: Insgesamt sieben Bereiche Ab 2010: Ingesamt drei Bereiche (Innovation und Marketing, Medien- und IT-Services, Kundenservices) Abb. 2: Organigramm-Auszug ETH-Bibliothek (2010–2012)
Mit der Aufnahme weiterer öffentlichkeitswirksamer Sammlungen der ETH Zürich in die ETH-Bibliothek wuchs auch der Bereich Innovation und Marketing, wobei das Innovations- sowie das Produktmanagement weiterhin direkt bei der Bereichsleitung verortet waren. Die Bereichsleitung war damit gleichzeitig Innovations- und Produktmanager der ETH-Bibliothek. Da das Zusammenspiel mit den Managementbereichen Projekt- und Prozessmanagement für ein funktio-
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nierendes Innovationsmanagement entscheidend ist, ist auch deren Verortung im Organigramm dargestellt. Im Falle des Projekt- und Prozessmanagements handelte es sich um eine Stabsstelle des Bereichs Prozesse und IT bzw. Medienund IT-Services (ab 2010). Die Rolle des Projekt- bzw. des Prozessmanagers der ETH-Bibliothek lag auch hier bei der Bereichsleitung. Nach der Einführung des Innovationsmanagements 2009 und der Reorganisation 2010 fand 2013 eine weitere Umstrukturierung statt. Im Zuge dieser Umstrukturierung wurden alle Sammlungen und Archive der ETH-Bibliothek in einem eigenen Bereich zusammengeführt. Das Marketing wurde in eine Stabsstelle der Direktion überführt und das Produkt- und Innovationsmanagement organisatorisch getrennt. So zeichnete fortan der Bereich Kundenservices für das Produktmanagement verantwortlich (Gruppe „Produktmanagement und E-Publishing“) und das Innovationsmanagement wurde in das Prozess- und Projektbüro integriert. In dieser Zeit entstand für das Innovationsmanagement ein neues Innovationskonzept, welches von den Erfahrungen der vergangenen Jahre profitierte und das Innovationsmanagement neu ausrichten sollte.
Direktion
Innovation und Entwicklung
Sammlungen und Archive
...
Kundenservices
Medien- und IT-Services
Innovation und Projektentwicklung
Produktmanagement u. E-Publishing
Prozessbüro
Web and Digital Media
...
...
Abb. 3: Organigramm-Auszug ETH-Bibliothek (2014)⁹
9 Das vollständige und aktuelle Organigramm der ETH-Bibliothek ist abrufbar unter: http://www.library.ethz.ch/de/Media/Files/Organigramm (7.5.2015).
Innovationsmanagement an der ETH-Bibliothek
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Die angepasste Organisationsform (siehe Abb. 3) hebt das Innovationsmanagement durch den eigenen Bereich „Innovation und Entwicklung“ wieder stärker hervor und verweist damit auf die Bedeutung, die die ETH-Bibliothek in den Innovationsprozessen für die eigene Weiterentwicklung sieht. Neu ist die enge Verbindung von Innovations- und Projektmanagement in einem Team, welche im nachfolgenden Kapitel noch weiter ausgeführt wird. Bestehen bleibt die organisatorische Trennung des Produkt- und des Prozessmanagements vom Innovationsmanagement. Die enge Verzahnung dieser Managementbereiche dennoch weiterhin zu gewährleisten, ist ein zentrales Anliegen der ETH-Bibliothek.
Aktuelle Ausrichtung und Perspektiven Mit der Gründung des Bereichs Innovation und Entwicklung wurden innovationsbezogene Aufgaben, die zuvor in den Bereichen Kundenservices und Medien- und IT-Services verankert waren, zusammengeführt. Ein wesentliches Ziel dieser Restrukturierung war es, einen Ort zu schaffen, der gezielt Freiraum für innovative Ansätze und Projekte bietet und gleichzeitig Schnittstellen zu den anderen Bereichen schafft. Innovative Ideen werden im Bereich Innovation und Entwicklung mit der Strategie der ETH-Bibliothek abgeglichen und in den Kontext der Fachbereiche eingebettet. Der Bereich besteht aus zwei Teams: Innovation und Projektentwicklung und Web and Digital Media (siehe Abb. 3). Ein wesentliches Merkmal des Teams Innovation und Projektentwicklung ist die Zusammenführung von Innovations- und Projektmanagement. Aufgaben, die im Team Innovation und Projektentwicklung angesiedelt sind, reichen von der Unterstützung von Projektleitenden über das Multiprojektmanagement und die Leitung von Projekten bis hin zur Erarbeitung von Konzepten und Entscheidungsgrundlagen für potentielle neue Projekte der ETH-Bibliothek. Durch die Zusammenführung von Innovations- und Projektmanagement wird sichergestellt, dass Projekte nicht isoliert betrachtet werden, sondern mit aktuellen Trends und Entwicklungen, aber auch Herausforderungen im Bereich der Informationsinfrastruktur abgeglichen werden. Auch das Ideenmanagement in Form des Ideenpools ist im Team Innovation und Projektentwicklung angesiedelt. Das Team Web and Digital Media ist für die Webredaktion und das Webpublishing verantwortlich. Neben der redaktionellen Betreuung des Wissensportals und weiterer Webseiten und Webapplikationen der ETH-Bibliothek zählen auch die Betreuung und Weiterentwicklung der Social Media-Kanäle der ETH-Bibliothek zu den Aufgaben des Teams. Der Austausch mit den Kundinnen und Kunden über diese Kanäle stellt eine der Grundlagen für die Weiterentwick-
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lung der Produkte der ETH-Bibliothek dar. Teamübergreifende Aufgaben sind das Trendmonitoring und die Vernetzung innerhalb und außerhalb der ETH. Das Themenspektrum des Bereichs Innovation und Entwicklung ist breit und geht teilweise auch bewusst über bibliothekarische Grenzen hinaus. So beteiligte sich die ETH-Bibliothek beispielsweise im Jahr 2015 an der Durchführung des ersten Schweizer Kultur-Hackathons, der Kultur- und Gedächtniseinrichtungen, Programmiererinnen und Programmierer, Vertreterinnen und Vertreter der Digital Humanities sowie Künstlerinnen und Künstler zur gemeinsamen Arbeit an Kulturdaten zusammenbrachte. Auch die Frage, ob und wie Makerspaces das Profil der ETH-Bibliothek unter Berücksichtigung bereits bestehender vergleichbarer Infrastrukturen an der ETH sinnvoll ergänzen können, wird federführend im Bereich Innovation und Entwicklung adressiert. Schließlich werden aber auch Themen aufgegriffen, die etablierte Prozesse betreffen, wie beispielsweise die Überprüfung und Anpassung der bestehenden Nutzungsbedingungen der Digitalisate und Metadaten der ETH-Bibliothek. Impulse, die aus dem Bereich Innovation und Entwicklung, aber auch aus den anderen Bereichen stammen, werden in der bestehenden Organisationsform kanalisiert und beeinflussen mittelfristig auch die strategische Ausrichtung der ETH-Bibliothek. Ziel des Innovationsmanagements ist es mithin auch, die Strategie kontinuierlich zu hinterfragen, mögliche neue Handlungsfelder zu identifizieren und damit einen Rahmen für neue Projekte und Produkte zu stecken. Die weiterhin bestehende Verzahnung von Innovations-, Projekt-, Produkt- und Prozessmanagement wird künftig auch verstärkt dazu beitragen, fundierte Entscheidungen zu der Frage zu treffen, welche Produkte und Prozesse oder Projekte im Portfolio gegebenenfalls einzustellen bzw. abzubrechen sind. Denn die Rolle, die die ETH-Bibliothek dem Innovationsmanagement beimisst, bedingt auch bewusste und am Umfeld orientierte Entscheidungen gegen bestimmte Themenund Handlungsfelder. Ganz wesentlich ist, dass die Organisationsform und die Methoden des Bereichs Innovation und Entwicklung nicht statisch, sondern selbst kontinuierlich zu überprüfen und gegebenenfalls an neue Gegebenheiten und Anforderungen anzupassen sind. Nur durch diese Flexibilität kann Freiraum für Experimentelles und Exploratives als wesentliches Merkmal des Innovationsmanagements geschaffen werden und bestehen bleiben.
Innovationsmanagement an der ETH-Bibliothek
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Literatur Innovation@ETH-Bibliothek. http://blogs.ethz.ch/innovethbib/ (7.5.2015). Kaudela-Baum, Stephanie, Jacqueline Holzer u. Pierre-Yves Kocher: Innovation Leadership: Führung zwischen Freiheit und Norm (Uniscope. Publikationen der SGO Stiftung). Wiesbaden: Springer Fachmedien 2014. DOI: 10.1007/978-3-658-06526-3. Littau, Lisa u. Rudolf Mumenthaler: Reorganisation der ETH-Bibliothek 2010. Abschlussbericht. Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, ETH-Bibliothek 2011. http://dx.doi.org/10. 3929/ethz-a-006481716 (7.5.2015). Mumenthaler, Rudolf: Innovationsmanagement in Bibliotheken – Methoden und Trends (2012). http://de.slideshare.net/ruedi.mumenthaler/innovationsmanagement-in-bibliothekenmethoden-und-trends (30.3.2015). Mumenthaler, Rudolf: Produkt- und Innovationsmanagement. Praxisbeispiele aus der ETHBibliothek. In: Prozessorientierte Hochschule. Hrsg. von Andreas Degkwitz u. Frank Klapper. Bad Honnef: Bock + Herchen 2011. S. 167–180. Organigramm der ETH-Bibliothek. http://www.library.ethz.ch/de/Media/Files/Organigramm (7.5.2015). Verein Zukunftswerkstatt Kultur und Wissensvermittlung e. V. https://zukunftswerkstatt. wordpress.com/ (7.5.2015).
Marie-Christine Doffey
Standards and Innovation in Libraries From Diverging to Converging Improving library services is one of the key priorities of libraries today. The new digital and information environment has challenged libraries like never before to remain at the forefront of development; keeping up with new trends in librarianship and technological advances. In this fast changing world, libraries need to remain relevant to their user communities and to demonstrate their value to their stakeholders. The Swiss National Library like most Swiss libraries has reacted positively to this new dynamic environment. In Switzerland, changes have occurred in many spheres, ranging from the adaptation of library spaces which are now more flexible and adaptable, to learning commons and multimedia, to user services which are focused on information literacy. More particularly the Swiss National Library has shifted towards open access strategies that allow for a more in-depth use of metadata and digital information. To understand not only what drives changes in libraries but also what keeps libraries on the right path we have to comprehend the enabling role standards play in guiding libraries through these changes. For over 20 years, the Swiss National Library has been actively committed to the development and use of standards. As the Swiss convenor for the ISO/TC-46, acting on behalf of the Schweizerische Normen-Vereinigung SNV, and member and participant in the work of standards related bodies such as ISSN, EDUG¹, EURIG² and IFLA, the library has associated the use of standards with the development of its processes and services. In this quest for excellence through innovation, standards have played a central role in finding solutions, in creating new services as well as in updating existing ones. This paper will explore how standards can be considered as a source or enabler of innovation. It will argue that ideas and best practices rooted in standards are at the core of innovation. Adhering to standards was once thought as stifling innovation, but standards are now perceived as important factors in supporting innovation.
1 European Dewey Users Group. 2 European RDA Interest Group.
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Innovation and Standards Innovation is a buzz word used extensively today in all areas including libraries. Whenever a new high tech product is released, such as the latest smartphone, the terms “innovation”, “innovative” are usually used to describe the improvements made to the previous model or in reference to the competing model. Innovation is thus often tied to the technical field where changes can be perceived more readily, for example, in the use of mobile devices or computer applications (Vaughan 2013). In libraries, innovation is also often perceived as being technical, but it can also refer to the development of new services, library design, use of e-technology in libraries and shared systems (Webster 2006). In the literature (Vaughan 2013), terms such as creativity, vision, and versatility and dynamism are used to describe the current innovation situation in libraries. Generally, an innovation is the transformation of an idea in the creation or improvement of a better service or product to meet a particular need. R. David Lankes in his Atlas of New Librarianship (2011: 127) probably summarised it the best when he stated that “Innovation is not necessarily invention. To innovate is to do something that already exists (a process, service, or products) better. All too often we see innovation as having to fundamentally change the world when it only has to improve your life. It turns out that a minor tweak may have large repercussions”.
The Use of Standards It can be argued that the constant challenge facing libraries and librarians is to measure the purpose and mission of libraries against current perceptions of needs and to adapt them if necessary. Libraries’ strategic plans are geared to address what needs to be achieved so that services, both physical and immaterial, are constantly reviewed and adapted to fulfil new needs using state-of the-art technologies and ideas. In order to accomplish these functions, library services have been developed using the most authoritative information that defines what should be the outputs and outcomes: what should be provided, how it should be provided, what resources should be used and how all of this should be measured to determine if the services are appropriate and needed by the majority of the community of users for which the services are created. Standards represent what makes libraries work, how quality services are created, maintained and improved, and how they impact on people and communities. Standards and library standards in particular do this by providing:
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Incentives for improving services (quality) Applicable and general solutions for different types and sizes of libraries (interoperability) Clear instructions for practical and achievable results (efficiency) Directions for creating importance and impact (relevancy).
To this end, libraries have contributed for over a century in developing and using standards that have defined libraries across the world. For Webster (2006: 384) the “development and use of common standards is one of the most important tasks that libraries perform collectively”. In their long history of collaborating in identifying common practices, they have worked in defining and adopting similar approaches for the development of services and products. Tasks such as interlibrary loans, cataloguing, preservation, evaluation and assessment and online services are all standards developed by and for librarians to establish a level of service delivery. Some have argued (Lewin 2013) that the policies and practices of modern libraries are rooted in Ranganathan’s five laws of library science where it is expected that there should exist standard approaches, for example, for searching and document delivery. Karen Coyle (2005) has argued that as nonprofit organisations, libraries needed to create efficiencies, both for libraries and vendors. This in turn has created uniformity and familiarity in using library services, such as for example, searching online catalogues, which has helped users in bibliographic research. As Berry III (2014: 1) remarks, “sometimes that labor [standardization] has been successful and made our profession more efficient and less costly, and, more important, it has helped those who use libraries to encounter familiar services and aids in any library they visit”.
Standards Process There is a fine line between the perception that standards are the source for homogeneous services across libraries and standards as the source for innovation and excellence. In the library world, there was the claim that libraries in the 1970s and 1980s offered very similar services and were not innovating as much as they should have. Dimaggio and Powell (1983) cited by Jantz (2012: 5) argued that organisational policies in libraries during that time were dictated by the pursuit of efficiency by using common practices issued from standards which resulted in less competition among libraries. There was also the view that libraries needed to reach a certain level of performance in delivering their services. As noted by
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Pungitore (1995) in discussing public libraries, there was a need to bring libraries up to par in the delivery of services. The importance of standards in libraries and their link to innovation was progressively recognised toward the end of the 1980s with the development of new technological services, in particular Integrated Library Services (ILS) and the development of automated resources sharing (Webster 2006). At the core of these developments was the development of new standards that made it possible to exchange data (Z39.50 protocol, MARC communication format standard and Internet based standards). Libraries were then challenged by a new information society characterised by computers, the Internet and new information exchange capabilities. These changed the focus of libraries from their role of providing “normalised” services to responding to meeting specific needs and demands of their users and communities. To achieve this, standard practices had to be adapted to create new types of services which became “best practices”. The role of standards in innovation is now being recognized in the standards and industry research. Recent studies (Blind 2013; Frenz and Lambert 2012) present evidence of how standards enable innovation. Frenz and Lambert (2012: 24) state that “while it is commonly believed that standards obstruct innovation, survey evidence suggests that standards are a source of information that helps innovation”. Blind (2013) surveys the literature on standards and innovation and reports that the industry generally considers standards a source of information and innovation. The perception that standards tend to constrain innovation stems from regulations in the areas of health and safety. He also notes that economic impact studies on the use of standards provide economic benefits (cost effectiveness) that allow for innovative activities.
Standard Development Process The standards development process usually starts with an assessment of needs to determine if a standard is missing, needed or still relevant. Does the standard offer the answers or instructions to solve any new problems or suggest ideas that need to be implemented? This enquiry is done by conducting literature reviews and analysis of the relevant field of the standard. It picks up any new research and development relevant to the field. Then, the standard (new or revised) is developed through consensus using the “state of the art” or the normative status of current practices and objects. This is usually defined by the use of “best practices” where the level of services or products has achieved a certain level of quality, authority and proof of value. Blind (2013: 11) describes the standardisation process
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as a transfer channel where “standards are a knowledge and technology transfer system for knowledge integrated with a consensus process”. As simply put, standards embody the most current information and practices relating to particular product or service. This process can be illustrated as follows:
Standard
Best practices/ success stories
Innovation
New level of service
Assessment/ new needs
Fig. 1: Standardization process (Landry 2014)
Examples of Innovation through Standards The current use of standards in libraries is extensive and varied. Libraries use a variety of library standards, industry related standards and state/national/local regulations that co-exist and are complementary to one another. In any given library service, there are a number of standards that guide the work and serve as a source for development. For example, in the area of bibliographic access, access is made possible by a range of standards, for instance, resource description: cataloguing (i.e. RDA, ISBD), indexing (i.e. GND, RAMEAU), and classification (i.e. DDC, UDC), format (i.e. MARC 21, Dublin Core), navigation and access (i.e. HTML/HTTP). While this interaction between these standards has led to improved access through interoperability within the confine of library systems and
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networks, this interoperability has not yet been fully achieved in the Semantic Web environment. Some authors (Arlitsch et al. 2014; Arlitsch 2014) have raised concerns about the relevance of library standards metadata and data interchange protocols in the Internet environment. As Arlitsch (2014: 611) remarks, “MARC, EAD, Dublin Core, TEI, and OAI-PMH, are all examples of library metadata standards and data sharing protocols that have little or no impact outside libraries”. In this context current library standards are a constraint to new approaches in transforming metadata for use in the Semantic Web environment. Libraries and librarians have started to undertake initiatives to resolve this problem. The Library of Congress’s BIBFRAME Model (LoC 2012) is an attempt to redefine bibliographic description and metadata to connect with encoding standards used by web search providers. In recent years, libraries have embraced the RDF (Resource Description Framework) standard for publishing and making available their metadata as LOD (Linked Open Data), and many are now linking these in Wikipedia. Nevertheless, libraries and librarians will have to engage more forcefully with the Internet industry to work on common access standards. The need to work successfully outside the confine of library practices and standards can be illustrated by the example of the creative and innovative use of the RFID (Radio Frequency Identification) technology in libraries. We believe that it is a relevant example of the interaction between industry standards and their use in libraries and shows how the standards evolved through the creativity of libraries and librarians as early integrators of this technology. The adaptation of the original industry standards to library applications is interesting for many reasons. Fundamentally, it exemplifies the innovation spirit that libraries have had in using technology to meet their needs. As Palmer (2009: 3) remarks in describing the libraries’ risk taking with technology, “this openness to new ways of working in order to improve the reader’s experience goes some way to explaining the rapid growth in RFID take-up in libraries”. It also shows how librarians responded to the need to adapt their management of loans, collections and documents’ security in the new computing network environment in the 1990s. At the time, the traditional barcode approach was used to identify books and to protect books from theft. While the barcode system was a proven and relatively low cost technology, it had a relatively limited application scope. For libraries looking for more efficient stock management capabilities, tracking thousands of loans at any given time and envisaging the elimination of routine checkout tasks, the RFID technology was an innovative solution worth the investment. Librarians, principally Danish and American, were involved in the late 1990s in the adaptation of the original industry ISO standards (11785, 14443) which lead to the development of the ISO 15693 standards published in 2000, the revision of ISO 18000-3 (radio frequency identification devises used by libraries) and the
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development of ISO 28560 which was revised in 2011 and in May 2014. This early engagement secured an advantageous position for libraries to control the technical and social development of the standards (Ward and van Kranenburg 2006). The development and implementation of the RFID standard in Switzerland followed the same rate of development and experimentation as libraries elsewhere which led to solutions tailored to the Swiss library environment (Keller 2010). The library “innovators” and “early adapters” in Switzerland were already working with other libraries and vendors as early as 2000 and led the way for the “early majority” to fully embrace full integration this technology. For instance, in a presentation given in the Swiss National Library’s Library Science Talks in 2005, Eva Ramminger talked about the RFID implementation of “intelligent books” in the ETHZ Green Library. At the time, the RFID technology was a major element in the library’s open stack strategy for its library open to the general public. Today, these libraries and others are working with the RFID vendors to adapt the system to the latest ISO standards.
Conclusion It is important to stress that the high quality level of services in libraries today occurred through the interaction of standards and innovative tools and ideas. These are at the core of changes that libraries undertake on a regular basis. The ways by which we create metadata, access information and use library services are the results of standards defining a common understanding of how these services should be. In turn, the application of these standards creates new state-of-the-art services and products which create a new benchmark of services. Users of standards often become developers of new standards in their constant quest to deliver quality services using improved processes in the most efficient and dynamic environment. The challenge today is to ensure that these responses take into consideration the interaction of practices and standards, both in the libraries and in the information environment. Today’s Swiss National Library is actively working with standards, adapting and developing them so that tomorrow’s Swiss National Library will remain a relevant and vibrant national institution.
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| Teil IV: Führung und Prozesse
Joachim Kreische
Von den bibliothekarischen Tugenden im 21. Jahrhundert „Krise? Welche Krise?“ könnte meinen, wer die bibliothekarischen Gazetten und Podien nach düsteren Zukunftsprognosen durchsucht. Sie strotzen vor Erfolgsgeschichten, in denen zwei unterschiedliche Geschichten des Strukturwandels erzählt werden. Die eine weist auf die Ausgestaltung von Themen und Aufgaben wie Publikationsunterstützung, Open Access, Metadatenmanagement, attraktive Lernorte und den steigenden Beratungsbedarf zur Bekämpfung des zunehmenden digitalen Analphabetismus hin, mit denen Bibliotheken auch in Zukunft reüssieren können. Damit wird ein Veränderungsprozess konzediert, der Bibliotheken stark verändern wird, denn die neuen Aufgaben liegen weit weg von vertrauten Themen- und Kompetenzfeldern, von denen wiederum nicht auszumachen ist, ob sie in der Zukunft überhaupt noch gebraucht werden. Von letzteren ist dabei wenig die Rede, das gelegentlich angeführte Beispiel der Fernleihe dient dabei fast als Fetisch.¹ Die meist durch Good-Practice-Beispiele illustrierten Erfolgsgeschichten lassen erahnen, dass die neuen Aufgaben aber kein adäquater Ersatz für wegfallende Dienstleistungen sein werden², in sehr begrenztem Umfang klassische bibliothekarische Kompetenzen erfordern und nicht mehr viel mit der jetzt bekannten Organisationsform Bibliothek zu tun haben werden. Die Erfolgsgeschichte besteht eben darin, dass Bibliotheken in neuer Form überleben und nicht nach dem Diktum von Passig als „Papiermuseum“ per se dem Untergang geweiht sind.³ Die andere Erfolgsgeschichte bietet schon viel mehr Anlass zu Optimismus. In ihr werden mindestens die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Strukturwandels bestritten, indem darauf abgehoben wird, wie wichtig auch in Zukunft Funktionen der traditionell definierten Bibliothek sein werden. Hier wird gerne auf die Dauerhaftigkeit der hybriden Bibliothek verwiesen, in der gedruckte Monographien mindestens in den buchorientierten Wissenschaften weiterhin das Leitmedium sein werden. Belegbar ist dies durch wissenschaftliche Studien, in 1 Dugall, Berndt: Bibliotheken zwischen strukturellen Veränderungen, Kosten, Benchmarking und Wettbewerb. In: ABI Technik 33 (2013) H. 2. S. 88 f. 2 Für die Bedeutung von Forschungsdaten für die bibliothekarische Praxis: Siems, Renke u. Heike Neuroth: Brauchen wissenschaftliche Bibliotheken „Data Librarians“? In: B.I.T. Online 16 (2013) H. 5. S. 391–395. 3 Passig, Kathrin: Die Zukunft des Papierverleihs. Zeit Online, 4.11.2013. http://www.zeit.de/ digital/internet/2013-11/passig-bibliotheken-internet (10.5.2015).
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denen die Überlegenheit des gedruckten Mediums für die kognitiven Fähigkeiten der menschlichen Spezies empirisch belegt wird.⁴ Überhaupt kann die These von der Kontinuität der Bibliotheken belegbare Fakten ins Feld führen, die zweifelsohne das bibliothekarische Herz wärmen: Zumindest in Bezug auf die deutschen Hochschulbibliotheken kann von einem deutlichen Rückgang der Ausleihen aus dem gedruckten Bestand nicht die Rede sein. Bei gerade 18 von 74 an die Deutsche Bibliotheksstatistik meldenden Universitätsbibliotheken war zwischen 2003 und 2013 ein Rückgang der Entleihungen um mehr als 10 Prozent festzustellen. Der Verweis auf die explodierenden Besuchszahlen ist Legion. Auch der in Zeiten von Austerität und Hochschulautonomie drohende Personalabbau entspricht in der Breite nicht der Realität. In den Universitätsbibliotheken der westdeutschen Länder kam im Zeitraum von 2003 bis 2013 ein Rückgang der Stellen um mehr als 10 Prozent nur selten vor. Ein Bedeutungsverlust, der in einem über die allgemeine Entwicklung des öffentlichen Dienstes hinausgehenden Personalabbau zum Ausdruck gekommen wäre, hat bei den Hochschulbibliotheken in Deutschland nicht stattgefunden.⁵ Diese Fakten lassen im Sinne einer strukturkonservativen oder einer nüchtern-abwartenden Haltung die Frage zu, warum hektisch ein etabliertes Erfolgsrezept zu ändern sei, das durch überstürzte Veränderungen womöglich sogar fahrlässig aufs Spiel gesetzt wird. Dass um die Bibliotheken herum eine von globalen Marktführern dominierte Informationsgesellschaft entsteht, wird von dieser Warte aus auch gar nicht bestritten. Die Bibliotheken werden vielmehr als Gegengift und Alternative gesehen, denen genauso traditionelle Bildungskonzepte ihrer Trägereinrichtungen entsprechen. In dieser Haltung passen Bibliotheken gar nicht so schlecht zu den Strukturproblemen ihrer Trägereinrichtungen: Auch die Hochschulen führen vergleichbare Abwehrkämpfe, in denen sie sich z. B. gegen das Szenario wehren, dass die Präsenzuniversität u. a. durch verbesserte E-Learning Angebote der Vergangenheit angehört.⁶ Diese Positionierung von Hochschulen als Bildungsorte mit bewahrenswerten Konzepten lässt sich dann leicht auf Bibliotheken übertragen („bringen Sie meinen Studierenden bei,
4 Jabr, Ferris: Why the Brain Prefers Paper. In: Scientific American 309 (2013). S. 48–53. 5 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Gesamtzahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten in Deutschland von 1997 bis 2013 um mehr als 11 Prozent zurückgegangen. Laut Bibliotheksstatistik lag der Rückgang der deutschen Bibliotheksbeschäftigten von 1999 bis 2013 ebenfalls bei 11 Prozent. Auf westdeutsche Universitätsbibliotheken bezogen lag er nur bei 5,7 Prozent. 6 Ladenthin, Volker: Urteilskraft kann man nur üben: Wenn Studenten in Nordrhein-Westfalen nicht mehr anwesend sein müssen, rührt das an den Grundfesten des universitären Selbstverständnisses. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2014. S. 8.
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dass es mehr als Google und Wikipedia gibt!“) und ist sicher ein wichtiger Grund dafür, dass die prognostizierte Marginalisierung von Hochschulbibliotheken bisher nicht stattgefunden hat. Dies ist Ausdruck einer unveränderten Position als vertrauenswürdiger Partner, die Bibliotheken in den meisten Hochschulen zugesprochen wird. Ein ganz eigenes, diese Positionierung unterstützendes Genre haben inzwischen die Intellektuellen kreiert, die Bibliotheken gerade vom rechten Weg abweichen sehen und sie liebend gerne kontrafaktisch zum ersehnten Retter des gedruckten Kulturerbes bestellen wollen.⁷ Damit korrespondiert auch eine Widerstandshaltung gegen die Omnipräsenz der Online-Kommunikation, die als „digitale Diät“ bildungsbürgerlicher Eliten schon wieder cool wird.⁸ Ein letztes Beispiel könnte die hohe Affinität vieler Bibliothekare für die gängigen Praktiken der sogenannten Social Media sein, bei denen sie von einer mittelfristigen Übernahme in den Wissenschaftsbetrieb ausgehen. Ob derartige Kommunikationsformen aber von den Wissenschaftlern, die mit einem stark auf die persönliche Integrität des Forschenden zielenden Wissenschaftsethos sozialisiert wurden, angenommen werden, wird spätestens seit Laniers Schlagwort vom „Digital Maoism“ in Frage gestellt.⁹ In der bibliothekarischen Praxis sind beide Versionen der Erfolgsgeschichte natürlich nicht widersprüchlich oder disjunkt; in den strategischen Orientierungen von Hochschulbibliotheken dürften Mischformen sogar der Normalfall sein. Das Konzept der hybriden Bibliothek steht dafür. Im Zweifel wird die Angebotspalette von Bibliotheken einfach nur breiter. Die Synthese beider Erfolgsgeschichten verweist dann darauf, dass klassische Bibliotheken weiter notwendig und attraktiv sind und sich durch zügige Veränderung auch den Erfordernissen der digitalen Wissensgesellschaft stellen. Der damit verbundene strukturelle Drift ist ein behutsamer und von Kundenwünschen angetriebener. Gedruckte Medien und die damit verbundenen Services werden so lange angeboten, neue Dienste soweit entwickelt, wie sie nachgefragt werden. Angesichts der dargestellten Sachlage, in der
7 Hagner, Michael: Zur Sache des Buches. Göttingen: Wallstein 2015, vor ihm schon Baker, Nicholson: Der Eckenknick, oder, wie die Bibliotheken sich an den Büchern versündigen. Reinbek: Rowohlt 2005 und immer wieder Roland Reuss in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 8 „Analog ist das neue Bio.“ Interview mit Alexander Markowetz. In: buchreport.magazin (2015) H. 5. http://www.buchreport.de/nachrichten/nachrichten_detail/datum/2015/04/22/warumbedroht-candy-crushden-buchmarkt-herr-markowetz.htm (10.5.2015). 9 Die aktuelle Diskussion um den Blog von Studierenden zu Vorlesungen des Politikwissenschaftlers Münklers an der Humboldt-Universität wäre ein aktuelles Beispiel. http://www. spiegel.de/unispiegel/studium/humboldt-universitaet-berlin-studenten-bloggen-gegen-herfriedmuenkler-a-1032545.html (10.5.2015).
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Bibliotheken als kundenorientierte Bewahrer und Erneuerer zugleich da stehen,¹⁰ erscheint es wenig plausibel, wie Google, Amazon und Starbucks Bibliotheken in absehbarer Zeit überflüssig machen könnten. Aus dieser recht kommoden Position heraus, ist es mehr als nur nachvollziehbar, den abstrakten Diskurs über die Zukunft von Bibliotheken bereits als ermüdend und wenig ertragreich zu empfinden.¹¹ Dennoch ist aktuell, noch sehr spärlich, eine gewisse Skepsis gegenüber den Erfolgsgeschichten zu vernehmen, die gar nicht auf den vermeidlichen Popanz globaler Informationsmonopolisten, sondern auf die Strukturen zielt, mit denen sich die Bibliotheken auf den Weg machen, die Zukunft zu gestalten. So fragt sich Sühl-Strohmenger völlig zu Recht, warum Bibliotheken es noch immer nicht schaffen, ihre Organisationsstrukturen den Herausforderungen der Zukunft anzupassen und Vorschläge zu deutlich veränderten Strukturen auszuarbeiten.¹² Brandter machte jüngst „massive organisatorische, personelle und strukturelle Hemmnisse“ aus, die dazu führen, dass manche Bibliotheken „in ihrer Innovation und ihrem Wandel zu langsam sein (werden), um langfristig zu reüssieren“.¹³ Bei Bonte und Ceynowa ist dagegen die Messe schon gelesen und zumindest den Gebrauchsbibliotheken das bittersüße Los des „multimedial verstärkte(n) Starbucks“ zugewiesen.¹⁴ Die ausgemachten neuen Aufgaben für Bibliotheken erscheinen als Schimäre, da sie entweder so forschungsnah sind, dass nicht erkennbar ist, wie Bibliotheken hier tatsächlich akzeptable Angebote machen können, oder so randständig und wenig personalaufwendig, dass mit ihnen kaum der Wandel einer bestehenden Institution dargestellt werden kann. Bibliotheken im klassischen Sinne werden nur insoweit bestehen können, wie ihre Bestände oder Sammlungen, ihre Digitalisierung eingeschlossen, einen unverzichtbaren Beitrag zum kulturellen Erbe leisten. Allen Positionen gemeinsam ist, dass sie den Konzepten der Erfolgsgeschichten inhaltlich nicht einmal widersprechen. Bonte und Ceynowa sehen das Kon-
10 „Bibliotheken müssen sich wie Katamarane auf den Kufen der konventionellen und elektronischen Ressourcen bewegen, um ihre Nutzer schnell und sicher an ihr Ziel zu bringen.“ Bürger, Thomas: Informationszentrum? Forschungszentrum? Dienstleister? In: Nur was sich ändert, bleibt: 88. Deutscher Bibliothekartag in Frankfurt am Main 1998. Frankfurt: Klostermann 1999. S. 27. 11 In eigener Sache: Redaktionswechsel bei ABI Technik. In: ABI Technik 35 (2015) H. 1. S. 36. 12 Wilfried Sühl-Strohmenger: Rezension zu: Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. In: o-bib 2 (2015) H. 1. S. 54. 13 Andreas Brandtner: Rezension zu „Universitätsbibliotheken im Fokus“. In: ABI Technik 34 (2014) H. 3–4. S. 203. 14 Bonte, Achim u. Klaus Ceynowa: Bibliothek und Internet: die Identitätskrise einer Institution im digitalen Informationszeitalter. In: Lettre International 100 (2013). S. 117.
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zept, als Bibliothek mit wichtigen und raren Beständen und Konvoluten einen unerlässlichen Teil zum Erhalt des kulturellen Erbes beizutragen, als ausgesprochen realistisch an. Den Gebrauchsbibliotheken wird als Lernorten mit hoher Aufenthaltsqualität durchaus eine attraktive Zukunft prognostiziert, in der eben ein völlig anderes Bibliothekskonzept leitend sein wird. Sühl-Strohmenger weist ausdrücklich darauf hin, dass zumindest in den Geisteswissenschaften auf absehbare Zeit von einer Präferenz für das gedruckte Medium auszugehen ist. Skeptisch wird mit den zitierten Interventionen die Erfolgsaussicht eines konsequenten Strukturwandels auch nicht gesehen, im Gegenteil, er wird vehement gefordert. Die Zweifel zielen trotz aller zum Ausdruck kommenden Ungeduld nicht wirklich auf das langsame Tempo der Veränderungen. Im Fokus steht eigentlich der Grund für die teilweise ausbleibenden, teilweise nur sehr zaghaften Reformen: Es wird die grundsätzliche Fähigkeit der vorhandenen Strukturen zur Reform von innen in Frage gestellt. Positiv ausgedrückt lautet die These, dass der Wandel auch die Strukturen umfassen muss, um überhaupt die Potentiale und Motive zur Veränderung freizulegen.¹⁵ Dass strukturelle Veränderungen in den deutschen Hochschulbibliotheken bisher unterblieben sind, ist empirisch gesehen sicher zutreffend. Keine Hochschulbibliothek in Deutschland hat ihre Organisationsform, ihre Personalentwicklung oder ihre grundsätzliche Ausrichtung in den letzten Jahren, zumindest nicht öffentlich nachvollziehbar, grundsätzlich geändert. Die Einführung einer Matrixorganisation in Weimar wäre ein einsames Beispiel und ist dennoch nur ein erster Schritt in Richtung noch viel weitreichenderer Veränderungsmöglichkeiten.¹⁶ Auch bei Neugründungen scheinen zumindest die staatlichen Bibliotheken in Deutschland weitestgehend herkömmliche Konzepte zu übernehmen, während bei den Bibliotheken privater Hochschulen durchaus auch andere Organisationsformen zu beobachten sind. Golsch konzediert in seinem Vortrag im Kolloquium zu „100 Jahre bibliothekarisches Studium in Leipzig“, dass selbst die SLUB Dresden, die das Veränderungsmanagement aktiv und nachhaltig angeht, immer noch den überragenden Anteil der Personalressourcen für die Bearbeitung von gedruckten Medien aufwendet, deren Zugangszahlen sich
15 „Simply ,reforming‘ or ,rethinking‘ an institution won’t get it done; for lasting change, always be hacking.“ Lozada, Carlos: When Google is your librarian and Starbucks your WiFi, do we still need public libraries? http://www.washingtonpost.com/news/book-party/wp/2015/04/ 23/when-google-is-your-librarian-and-starbucks-your-wifi-do-we-still-need-public-libraries/ (10.5.2015). 16 Kreische, Joachim: Betriebliche Organisation. In: Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Hrsg. von Rolf Griebel u. a. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 657.
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in den letzten sieben Jahren halbiert haben.¹⁷ Durchschnittlich wenden die am BIX teilnehmenden Universitätsbibliotheken weniger als zehn Prozent ihres Personals für elektronische Dienstleistungen auf. Dieser Wert hat sich in den letzten Jahren nur unwesentlich verändert, sodass auszuschließen ist, dass Bibliotheken nennenswerte Ressourcen in diesen Innovationsbereich verlagert haben. Natürlich ist das Argument ernst zu nehmen, dass der Bruch mit etablierten Strukturen deshalb ausbleibt, weil der Wandel von Bibliotheken auch in etablierten Strukturen und mit vorhandenen Kompetenzen erfolgreich ist – und auch nur sein kann, weil zügig und beherzt angegangene Veränderungen durch eine wenig produktive Selbstbeschäftigung mit Organisations- und Personalkonzepten eher verhindert würden. Dennoch erscheint die offensichtliche Diskrepanz zwischen Erfolgsgeschichten der Modernisierung und ausbleibenden Strukturveränderungen erklärungsbedürftig. Wenn die Bibliotheken in den letzten Jahren so erfolgreich darin waren, elektronische Medien und neue Dienste anzubieten, warum hat das nicht mal im Nachhinein organisatorische oder personelle Auswirkungen? Vielleicht müssen einmal radikal andere Fragen gestellt werden: Was ist, wenn die Erkenntnis über die Notwendigkeit der Veränderung grundsätzlich vorhanden ist, die praktische Umsetzung aber an ganz anderen Gründen scheitert oder durch sie behindert wird? Zwei Hinweise dazu, woran dies noch liegen könnte, sind bei Sühl-Strohmenger zu finden, bei denen ich mir sicher bin, dass ich sie jetzt deutlich über seine Intention hinaus polemisch zuspitze: Zum einen treten für ihn die Defizite im Organisationsaufbau der Bibliotheken dermaßen offen zu Tage, dass er die Frage stellt, „weshalb es an Mut und Entschlossenheit fehlt, eine Organisationsänderung in der Breite anzugehen“.¹⁸ Es geht demnach gar nicht mehr darum, erst noch zu erkennen, was verändert werden muss, sondern darum, gezielt die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, durchdachte und tragfähige Konzepte zu erarbeiten und diese tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Trotz stichhaltiger Analyse und sauberer Problembeschreibung fehlt zum anderen ein „begründeter Zukunftsentwurf“, der tatsächlich handlungsanleitende Wirkung haben könnte. Dieser Diagnose zufolge fehlen „Mut und Entschlossenheit“, also Verhaltensdispositionen des Führungspersonals. Kann es also sein, dass die Zukunftsfähigkeit von Bibliotheken zu einem noch zu definierenden Maß von der Realisierung von Tugenden abhängt, zu der ihre Führungskräfte in der Lage sind? Reden wir
17 http://de.slideshare.net/Golsch/konsequenz-in-allen-dingen-kolloquium-htwk-leipzig15102014 (10.5.2015). 18 Sühl-Strohmenger, Rezension (wie Anm. 12), S. 54.
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also von einer Berufsethik für den Bibliotheksstand im 21. Jahrhundert? Damit ist allerdings nicht der Diskurs gemeint, der aktuell unter dem Begriff Bibliotheksethik firmiert.¹⁹ Es geht eher um die Frage, welche tatsächliche Bedeutung die Tauglichkeit des Handelns der Entscheidungsträger für den Strukturwandel von Bibliotheken hat, für den in den letzten Jahren ausschließlich technologische und marktwirtschaftliche, also ausschließlich exogene Faktoren als Determinanten ausgemacht wurden. Unbestreitbar ist jedenfalls, dass für die Umsetzung eines durchdachten und Erfolg versprechenden Konzepts (dianoetische) Tugenden notwendig sind, also Handlungstugenden wie Entschlusskraft, Überzeugungsfähigkeit und Tatkraft. Um mit vorhandenen Widerständen umzugehen, gehören auch Konfliktbereitschaft, Standfestigkeit und vor allem Geduld dazu. Genauso handlungsorientiert sind aber auch der Realitätssinn und die Demut, die einen manchmal von etwas abhalten, von dem man zwar voll und ganz überzeugt ist, von dem aber offensichtlich ist, dass es nicht umgesetzt werden kann. Leitend für alle genannten Tugenden ist das Prinzip der praktischen Wirksamkeit, also das Maß, in dem ein Konzept umgesetzt wird, nicht dessen theoretischer Gehalt.²⁰ Zweifellos taugen die benannten Tugenden auch für andere Lebenssituationen und Berufsstände. Welche Tugenden und Laster aber mit einer gewissen Plausibilität die gegenwärtige Situation des Bibliothekswesens erklären und welche für eine erfolgreiche Zukunftsbewältigung besonders tauglich sein werden, sollte deshalb etwas genauer untersucht werden. Lassen sich also das langsame Reformtempo und die ausbleibenden Strukturveränderungen an fehlenden Tugenden im Führungsverhalten festmachen? Das bereits genannte Beispiel der Organisationsänderung mag vielleicht kein guter Beleg sein, zu sehr sind die Gründe für den Versuch nachvollziehbar, das not-
19 Dieser Ansatz wäre im Sinne Webers der Versuch einer Verantwortungsethik, mit der die Gestaltung des Machbaren in den Blick genommen wird. Was aktuell unter Bibliotheksethik verstanden wird, verstehe ich eher als Gesinnungsethik oder im philosophischen Sinne als deontologische Ethik, die Bibliothekare auf die Unterstützung normativer und politischer Programme und Vorstellungen verpflichten will – mögen es noble Konzepte wie Bildungsgerechtigkeit oder die Informationsfreiheit sein. Eine „bibliothekarische Berufsethik“ müsste eine praktische Hilfestellung bei beruflichen Entscheidungen bieten, wenn fachliche Kriterien und Kompetenzen oder der gesunde Menschenverstand nicht ausreichen. In der aktuellen Debatte kann ich nur die Anwendung politisch-ethischer Ideen, Prinzipien des deutschen Berufsbeamtentums oder die Beschreibung von notwendigen Sozialkompetenzen erkennen (s. Rösch, Herrmann: Informationsethik – Bibliotheksethik. In: Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Hrsg. von Rolf Griebel u. a. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 991. 20 Davon ist nicht ohne Zufall auch in der Managementliteratur die Rede: Malik, Fredmund: Führen Leisten Leben. Frankfurt: Campus 2006. S. 36.
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wendige Veränderungsmanagement innerhalb der überkommenen Strukturen anzugehen und die Nachteile durch andere Maßnahmen wie Projektmanagement, Stabsstellen oder Arbeitsgruppen auszugleichen. Dennoch lässt sich benennen, vor welchen Effekten zurückgeschreckt wird: Dass die Vereinfachung der Organisationsstruktur auch die Zahl an Ämtern und Wertigkeiten reduziert, dass eine Abflachung von Hierarchien Kontrollverlust durch Verantwortungsdelegation bedeutet und dass eine Abkehr von der strengen Linienorganisation einen erhöhten Koordinationsaufwand für die Leitungsebene nach sich zieht, hat sicher schon in einigen Fällen die Motivation zur Veränderung gedämpft.²¹ „Durchwurschteln“ ist dann keine bewusste Strategie, sondern eine Notlösung. Ähnlich verhält es sich mit dem Hinweis von Golsch zum strategisch unvernünftig hohen Personalaufwand für konventionelle Dienste. Sicher darf hier der Gestaltungsspielraum für die Personalentwicklung nicht überschätzt werden, die bekannten Restriktionen geben aber auch ein gutes Feigenblatt für Passivität ab. Das Dresdener Beispiel zeigt jedenfalls, dass eine solche Frage mit hoher Priorität angegangen und dem betroffenen Personal sehr frühzeitig und transparent dargestellt werden kann. Andere Beispiele weisen noch viel direkter auf die Diskrepanz zwischen offensichtlichen Dysfunktionalitäten und ausbleibenden Korrekturen hin. So werden etwa an der Zukunftstauglichkeit der bibliothekarischen Ausbildung immer wieder Zweifel gehegt, wenn nicht gar der Sinn bibliothekarischer Ausbildungen komplett in Frage gestellt wird. So blieb z. B. bei einem Treffen niederländischer und nordrhein-westfälischer Bibliotheksdirektoren im Jahr 2008 die Aussage unwidersprochen, dass Bibliotheken zwar weiterhin Personal bräuchten, dies aber keine Bibliothekare sein sollten. Warum z. B. etablieren Bibliotheken nicht informationstechnologische Ausbildungen in Bibliotheken? Warum findet „learning on the job“ in Bibliotheken so selten statt? Ähnlich unverständlich ist die Tatenlosigkeit hinsichtlich der kontinuierlichen Unzufriedenheit mit dem immer noch umfangreich betriebenen Aufwand für die Katalogisierung. Es wäre doch ein Einfaches, zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen, dass bibliographische Daten der Nationalbibliotheken nicht verändert werden dürfen. Der Umgehungsversuch ist die Einführung eines internationalen Regelwerks, bei dem sich die Akteure versprechen, durch einen koordinierten Einführungsprozess Einfluss auf den zukünftigen Aufwand nehmen zu können. Eine vergleichbare Taktik wird gerade bei der Einführung der cloud-basierten Bibliothekssysteme verfolgt, mit de-
21 Kreische, Betriebliche Organisation (wie Anm. 16), S. 656 ff. Die ETH-Bibliothek hat sich dieser Herausforderung – erfolgreich – gestellt: Neubauer, Wolfram: Fortschritt lebt von Veränderung. Die Reorganisation einer Großbibliothek am Beispiel der Bibliothek der ETH Zürich. In: Personalund Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Hrsg. von Andreas Degkwitz. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 175–196.
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nen endlich standardisierte Prozesse erreicht werden sollen.²² Derartige Strategien sind auch in marktwirtschaftlich orientierten Unternehmen gang und gäbe: Dort werden derartige Techniken, durch die Einführung neuer Software standardisierte Prozesse vorzuschreiben, selbstverständlich und nahezu in Intervallen wiederholt, um einer Struktursklerose vorzubeugen. Noch viel ertragreicher wäre das Outsourcing von Erwerbungsprozessen, das in vielen nordamerikanischen Bibliotheken nahezu vollständig umgesetzt wurde, in Deutschland aber immer noch eine absolute Ausnahme darstellt. Dass der Kontrast zwischen überfälligen Strukturänderungen und ihrem tatsächlichen Ausbleiben dennoch so offensichtlich ist, spricht dafür, dass diese Diskrepanz auch mit dem Willen oder der Fähigkeit zur Umsetzung von Veränderungen zusammenhängen muss. Dabei kann das Fehlen notwendiger Tugenden, die in einem erfolgreichen Veränderungsprozess unbedingt zur Anwendung gebracht werden müssen, auch dadurch erklärt werden, dass andere durchaus rationale Tugenden das Handeln bestimmen. So dürften Veränderungen in vielen Bibliotheken durch ein behutsames Vorgehen gekennzeichnet sein, bei dem auf Konsens und Mitarbeiterorientierung Wert gelegt wird und ein Realitätssinn auf die beschränkten Handlungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst hinweist. Ein partizipativer Führungsstil kann sicherlich auch im Sinne eines maximalen Reformtempos sinnvoll sein, wenn durch die größtmögliche Einbindung der Mitarbeitenden alle konstruktiven Potentiale mitgenommen werden und nicht zu viele Energien durch destruktive Konfrontation verschwendet werden. Dies mit Elan angegangen, hätte dann aber den schnellstmöglichen Veränderungsprozess zur Folge, weil Konflikte dann auch grundsätzlich und früh angegangen werden. Solange unter partizipativem Führungsstil aber Konfliktvermeidung verstanden wird, lebt das ganze Vorgehen von der Unterstellung, dass immer noch genügend Zeit für Veränderung bleibt. Auch der Hinweis auf die angeblichen Restriktionen des öffentlichen Dienstes ist mindestens in Deutschland tatsächlich ein nur zu beliebtes Feigenblatt, um Problemen, die mit Konflikten behaftet sind, aus dem Weg zu gehen. Wer hingegen an Bewährtem auch gegen einen unreflektierten Zeitgeist festhalten will, wird dazu auch Tugenden an den Tag legen müssen, wie sie den mutigen Erneuerern zugesprochen werden. An dieser These ist sicher etwas dran, insbesondere wenn damit verbunden ist, auch mal gegen einen Mehrheitstrend anzustehen und für etwas einzustehen, das mit vielen pejorativen Bewertungen belegt ist. In dieser defensiven Position befinden sich schon jetzt Bibliotheken, die ihre Unterhaltsträger davon überzeugen müssen, dass der gedruckte Bestand
22 Degkwitz, Andreas: Auf „vier Rädern“ in die Cloud? In: Bibliotheksdienst 49 (2015) H. 6. S. 603.
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auch in Zukunft mit erheblichen Mitteln finanziert werden muss. Der Normalfall ist das aber noch nicht. In der Regel können sich Bibliothekare zumindest eines impliziten Konsenses sicher sein, wenn es darum geht, die ungebrochene Bedeutung der konventionellen Bibliothek zu betonen. Noch werden Versuche, Bibliotheken ohne eine nennenswerte Rolle des gedruckten Mediums zu beschreiben, als abenteuerlich und technokratisch angesehen. Bibliotheken, in denen gedruckte Medien und die Dienste darum herum die Hauptrolle spielen, müssen nicht durch tugendhaftes Verhalten verteidigt werden, aktuell ist eher Schweigen bei einem Thema, das es am besten gar nicht gibt, die Tugend. Vielleicht ist aber der Zeitpunkt, zu dem Bibliothekare gegen Zeitgeist und Spardruck Funktionen ihrer klassischen Dienstleistungen verteidigen müssen, gar nicht mehr weit. Damit verbunden ist ja auch die Aufrechterhaltung von Kompetenzen, an denen sich Beschäftigte in ihrer Berufsplanung orientieren und die weiterhin in Ausbildung und Studium statt anderer Inhalte als Zukunftsaufgabe vermittelt werden müssten. Mit einer tatsächlichen aktiven, reflektierten und zukunftsorientierten Verteidigung traditioneller Bibliotheksleistungen kommt auch die Tugend des Verantwortungsbewusstseins für die Institution und letztlich auch für die Menschen, die in ihr beschäftigt sind, zum Tragen. Diesen ist schon jetzt nicht sinnvoll zu erklären, warum globale Akteure wie Google oder Amazon einen Veränderungsdruck in Bibliotheken erzeugen sollten. Dies wird umso deutlicher werden, je stärker in den Bibliotheksstrategien zwischen erhaltenswerten und aufzugebenden Bereichen unterschieden wird. Dann einen Prozess mit potentiellen Gewinnern und Verlierern zu gestalten, stellt ganz neue Anforderungen an ein tugendhaftes Handeln, das nicht nur auf Zwänge reagiert, sondern zu eigenen Entscheidungen steht. Für diese Zeit der Ungleichzeitigkeiten, Diversifizierungen und der Beschleunigungen im Medienwandel bei gleichzeitiger Stabilität der Bildungskonzepte stellen sich Urteilskraft, Weitsichtigkeit, Anpassungsfähigkeit und Überzeugungskraft als Schlüsseltugenden heraus. Wenn es keine Standardkonzepte mehr für erfolgreiche Bibliotheken gibt, müssen die Konzepte dafür auf Grundlage einer akribischen Analyse selbst gefunden werden. Umsetzungsstrategien müssen gefunden, nachhaltig und hartnäckig Umsetzungen verfolgt, Mitarbeitende und Unterhaltsträger überzeugt und Kunden gewonnen werden. Dies wird Funktionen und liebgewonnene Tätigkeitsbereiche in Frage stellen, sodass Konfliktmoderation eine bleibende Herausforderung darstellt. Dabei wird es immer weniger auf die Umsetzung eines geklärten oder verbindlichen Auftrages ankommen. Die Bibliothek wird zumindest im Hochschulbereich in eine immer unmittelbarere Kommunikation mit ihren Unterhaltsträgern und Kunden involviert sein, um genau deren Wünsche zu erfüllen. Diese sind nicht nur einem immer schnelleren Wandel unterzogen, sie werden sich in Zukunft auch immer stärker von Fachkul-
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tur zu Fachkultur unterscheiden. Dabei wird von den Bibliotheken eine immer stärkere Kooperation mit anderen Dienstleistern auf dem Campus erwartet, sodass auch die Selbstständigkeit der Einrichtung Bibliothek nicht garantiert sein wird.²³ Tugendhaft ist dann nicht der Versuch, die Einrichtung namens Bibliothek um ihrer selbst willen zu retten, sondern für eine definierte Kundengruppe eine optimale Unterstützung im Umgang mit Literatur im gesamten Forschungsprozess und Lehrbetrieb zu gewährleisten. Zuhören, Lernen und Überzeugen prägen diesen Austausch, in dem Bibliothekare zusammen mit ihren Kunden definieren, was ihre Bibliothek eigentlich ist. Offenheit, Neugier und Demut sind die Tugenden, die diesen nie endenden Diskurs begleiten sollten.²⁴ Zum Schluss bleibt angesichts dieser Identitätskrise dennoch die Frage, ob es nicht doch die Pflicht der Bibliothekare ist, ihren Berufsstand als etwas Identitätsstiftendes und Orientierung Gewährendes weiterhin positiv zu bestimmen. Werden schon jetzt die Kompetenzen und Tugenden des Führungspersonals vollständig mit dem Vokabular der Betriebswirtschaft beschrieben, stellt sich doch die Frage, ob es noch eine Fachkompetenz des bibliothekarischen Berufsstandes sui generis geben wird. Wenn die Beschreibung dann mit guten Gründen auf das Sammeln, Beschreiben und Vermitteln sich ändernder Medien mit sich ändernden Beschreibungsformen und Werkzeugen hinausläuft, wird auch auf bibliotheksfachlicher Ebene ein Tugenddiskurs unumgänglich.
Literatur „Analog ist das neue Bio.“ Interview mit Alexander Markowetz. In: buchreport.magazin (2015) H. 5. http://www.buchreport.de/nachrichten/nachrichten_detail/datum/2015/04/22/ warum-bedroht-candy-crushden-buchmarkt-herr-markowetz.htm (10.5.2015). Baker, Nicholson: Der Eckenknick, oder, wie die Bibliotheken sich an den Büchern versündigen. Reinbek: Rowohlt 2005.
23 „Libraries will have less autonomy and librarian roles will have been subsumed into other parts of the university.“ (Taiga Forum Provocative Statements 2011). https://docs.google.com/file/ d/0B2d713FZA72Mdnh1bmZwZ2k3VW8/edit (10.5.2015). 24 „Library directors must approach library change with humility. In their efforts to create conditions for campus engagement, they are the stewards of the process, not its owners. As stewards and facilitators of the process, they don’t have the answers; they offer possibilities. While they may be experts in academic library trends, librarians and directors are not necessarily experts in how those trends fit into the institutional community, curriculum and culture.“ Ward, Dane: It Takes a University to Build a Library. In: Inside Higher Ed. https://www.insidehighered.com/views/2015/04/21/essay-calls-librarians-seek-moreinvolvement-their-campuses-developing-future (10.5.2015).
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Bonte, Achim u. Klaus Ceynowa: Bibliothek und Internet: die Identitätskrise einer Institution im digitalen Informationszeitalter. In: Lettre International 100 (2013). S. 115–117. Brandtner, Andreas: Rezension zu „Universitätsbibliotheken im Fokus“. In: ABI Technik 34 (2014) H. 3–4. S. 202 f. Bürger, Thomas: Informationszentrum? Forschungszentrum? Dienstleister? In: Nur was sich ändert, bleibt: 88. Deutscher Bibliothekartag in Frankfurt am Main 1998. Frankfurt: Klostermann 1999. S. 23–28. Degkwitz, Andreas: Auf „vier Rädern“ in die Cloud? In: Bibliotheksdienst 49 (2015) H. 6. S. 600–608. Dugall, Berndt: Bibliotheken zwischen strukturellen Veränderungen, Kosten, Benchmarking und Wettbewerb. In: ABI Technik 33 (2013) H. 2. S. 86–95. Golsch, Michael: Konsequenz in allen Dingen. Change Management in der Digitalen Revolution. http://de.slideshare.net/Golsch/konsequenz-in-allen-dingen-kolloquium-htwkleipzig-15102014 (10.5.2015). Hagner, Michael: Zur Sache des Buches. Göttingen: Wallstein 2015. Haug, Kristin: Münkler-Watch: Studenten bloggen gegen berühmten Politik-Professor. http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/humboldt-universitaet-berlin-studentenbloggen-gegen-herfried-muenkler-a-1032545.html (10.5.2015). In eigener Sache: Redaktionswechsel bei ABI Technik. In: ABI Technik 35 (2015) H. 1. S. 36–38. Jabr, Ferris: Why the Brain Prefers Paper. In: Scientific American 309 (2013). S. 48–53. Kreische, Joachim: Betriebliche Organisation. In: Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Hrsg. von Rolf Griebel u. a. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 655–687. Ladenthin, Volker: Urteilskraft kann man nur üben: Wenn Studenten in Nordrhein-Westfalen nicht mehr anwesend sein müssen, rührt das an den Grundfesten des universitären Selbstverständnisses. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2014. S. 8. Lozada, Carlos: When Google is your librarian and Starbucks your WiFi, do we still need public libraries? http://www.washingtonpost.com/news/book-party/wp/2015/04/23/whengoogle-is-your-librarian-and-starbucks-your-wifi-do-we-still-need-public-libraries/ (10.5.2015). Malik, Fredmund: Führen Leisten Leben. Frankfurt: Campus 2006. Neubauer, Wolfram: Fortschritt lebt von Veränderung. Die Reorganisation einer Großbibliothek am Beispiel der Bibliothek der ETH Zürich. In: Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Hrsg. von Andreas Degkwitz. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 175–196. Passig, Kathrin: Die Zukunft des Papierverleihs. Zeit Online, 4.11.2013. http://www.zeit.de/ digital/internet/2013-11/passig-bibliotheken-internet (10.5.2015). Rösch, Herrmann: Informationsethik – Bibliotheksethik. In: Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Hrsg. von Rolf Griebel u. a. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 975–996. Siems, Renke u. Heike Neuroth: Brauchen wissenschaftliche Bibliotheken „Data Librarians“? In: B.I.T. Online 16 (2013) H. 5. S. 391–395. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Rezension zu: Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. In: o-bib 2 (2015) H. 1. S. 47–55. Taiga Forum Provocative Statements 2011. https://docs.google.com/file/d/ 0B2d713FZA72Mdnh1bmZwZ2k3VW8/edit (10.5.2015). Ward, Dane: It Takes a University to Build a Library. In: Inside Higher Ed. https://www.insidehighered.com/views/2015/04/21/essay-calls-librarians-seek-moreinvolvement-their-campuses-developing-future (10.5.2015).
Bernhard Mittermaier
Qualitätsmanagement und Bibliotheken1 Qualität Der Duden² definiert „Qualität“ als die „Gesamtheit der charakteristischen Eigenschaften (einer Sache, Person); Beschaffenheit“; diese Begriffserklärung ist sehr dicht an der lateinischen Wortherkunft qualitas = Beschaffenheit, Eigenschaft. In der Definition der gültigen Norm EN ISO 9000:2005 für das Qualitätsmanagement ist Qualität der „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt“. Sie gibt somit an, in welchem Maß eine Ware oder Dienstleistung den bestehenden Anforderungen entspricht. Gegenüber der einfacheren Definition mit einem relativ statischen Qualitätsbegriff, der für die Ware oder Dienstleistung an sich gilt, wird bei der gültigen ISO-Norm Qualität in Relation zu den Anforderungen einer Zielgruppe definiert. Diese Differenzierung ist sehr geläufig, so sind z. B. die Anforderungen an das Mobiliar einer Kinder- und Jugendbibliothek ganz andere als an das einer wissenschaftlichen Bibliothek. Wie ist aber die Qualität eines Katalogisats zu beurteilen? Ist es dann gut, wenn Nutzer den Eintrag im Katalog finden und so zum Buch kommen, oder ist es (erst) dann gut, wenn es auch den strengen Blicken der Fachkolleginnen und -kollegen standhält? Dies ist schon nicht mehr ganz so trivial zu beantworten, da ja nur einmal, und zwar zielgruppenunabhängig katalogisiert wird.
Historische Entwicklung des Qualitätsmanagements Laut ISO 9000 umfasst Qualitätsmanagement (QM) „aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zur Leitung und Lenkung einer Organisation bezüglich Qualität“. QM
1 Der Beitrag geht teilweise zurück auf den Vortrag „Erfahrungen einer Spezialbibliothek bei der Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems“ beim 101. Bibliothekartag in Hamburg 2012 (http://hdl.handle.net/2128/5507) des Verfassers und auf das Buchkapitel „Die Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems – Erfahrungen in einer Spezialbibliothek“. In: Futterlieb, Kristin u. Ivo Vogel (Hrsg.): Neue Führungskräfte in Bibliotheken. Wiesbaden: Harrassowitz 2013. S. 79–92. 2 Duden Online: Qualität. http://www.duden.de/rechtschreibung/Qualitaet (2.5.2015).
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kann also nicht punktuell betrieben werden, sondern hat – zumindest nach heutiger Auffassung – einen eher ganzheitlichen Ansatz. Diese Betrachtungsweise entwickelte sich allerdings sukzessive in der langen Historie von QM. Schon die älteste erhaltene Gesetzessammlung, der 3800 Jahre alte Codex Hammurabi, enthält Aussagen zur Qualitätssicherung und zu Nachbesserungsrechten von Kunden: „§ 235 Wenn ein Schiffer ein Schiff für einen Bürger abgedichtet, aber hierbei sein Werk nicht zuverlässig ausgeführt hat und noch innerhalb dieses Jahres dieses Schiff sich geneigt und einen Schaden bekommen hat, so nimmt er dieses Schiff auseinander und fügt es aus eigenen Mitteln fest und gibt das festgefügte Schiff dem Schiffsherrn.“³ Die mittelalterlichen Zunftordnungen sind weitere Beispiele für Regelungen der Produktqualität. Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurden oft ungelernte Menschen in der Produktion beschäftigt. Frederick W. Taylor (1856–1915) entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts das Konzept der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“: Er zerlegte die Arbeit in kleine Schritte, was hohe Rationalisierung ermöglichen sollte. Diesen für Manufakturen konzipierten „Taylorismus“ wandte Henry Ford (1863–1947) auf die Fließbandarbeit an, bei der jeder Arbeiter nur einzelne Teilarbeiten zu verrichten hatte, im Extremfall nur einen einzigen Arbeitsschritt. Weil sich die monotone Fließbandarbeit als sehr fehleranfällig erwies, war Qualitätskontrolle nun zwingend notwendig. Sie erfolgte vorwiegend in Form einer Endkontrolle der fertigen Produkte. In den 1930er Jahren führte Walter A. Shewhart (1891–1967) statistische Methoden in der Qualitätsprüfung ein. Ein Beispiel ist AQL (Acceptable Quality Level) als ein wichtiger Ansatz der Warenendkontrolle beim Hersteller und der Wareneingangskontrolle beim Kunden. AQL war der Versuch, den großen Aufwand der 100 %-Endkontrolle, der insbesondere bei Massengütern an seine praktischen Grenzen stieß, durch statistische Methoden zu reduzieren. Dieser Ansatz setzt voraus, dass man Fehler als grundsätzlich akzeptabel ansieht, so lange sie ein definiertes Ausmaß nicht überschreiten. Dies ist praktikabel für Glühlampen, aber nicht für bemannte Raumfahrzeuge. Immanentes Problem der Endkontrolle – auch auf statistischer Basis – sind die hohen Folgekosten im Fehlerfall, weil ein vollkommen fertig gestelltes, aber unbrauchbares Produkt entsorgt werden muss. Der nächste Schritt war daher die Implementierung prozessbegleitender Systeme, die den Ablauf oft in Wareneingang, Zwischenprüfungen und Endprüfung zerlegten. So konnten Fehler schon bei niedrigem Investitionsniveau erkannt und durch Nachbearbeitung noch korri-
3 Codex Hammurabi. Die Gesetzesstele Hammurabis. Übers. v. Wilhelm Eilers. Wiesbaden: marix 2009. S. 81.
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giert werden. Diese „In-Process-Control“ führte zu deutlichen Qualitätsverbesserungen, die mit wirtschaftlichen Erfolgen einhergingen. Im Unterschied zur Qualitätsendkontrolle war dies zumindest für den Produktionsbereich ein umfassender Ansatz, der als „Qualitätssicherungssystem“ bezeichnet wurde. Das 1987 erstmals veröffentlichte Normensystem ISO 9000 ff. war hiervon deutlich geprägt. Die Norm entsprach damit aber noch immer nicht einem wirklich ganzheitlichen Ansatz, da sie auf die Produktion fokussierte und viele andere Bereiche wie Marketing, Vertrieb, Umweltschutz und Arbeitssicherheit außer Acht ließ. Als einer der ersten nahm William Deming (1900–1993) das gesamte Unternehmen in den Blick und brachte so das Total Quality Management (TQM) auf den Weg. Ein wichtiges Prinzip im TQM ist der „Kontinuierliche Verbesserungsprozess“ (KVP), auch bekannt unter der japanischen Bezeichnung „Kaizen“. KVP ist ein Bestandteil der ISO 9001:2005. Das Adjektiv „kontinuierlich“ bringt zum Ausdruck, dass bei dieser Qualitätsphilosophie prinzipiell nie ein Endzustand „absoluter“ Qualität erreichbar ist. Ein wesentlicher Bestandteil des KVP ist der Deming-Kreis⁴, auch PDCA-Zyklus genannt. Er besteht aus den vier Phasen Plan, Do, Check und Act. Nachdem diese durchlaufen sind, beginnt ein neuer PDCA-Zyklus.
Abb. 1: Deming-Kreis (PDCA-Zyklus). Graphik von Karn G. Bulsuk (http://www.bulsuk.com). Ursprünglich veröffentlicht unter www.bulsuk.com/2009/02/taking-first-step-with-pdca.html (2.5.2015). Lizenziert über Wikimedia Commons commons.wikimedia.org/wiki/File:PDCA_ Cycle.svg unter CC BY 3.0
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Dabei steht Plan für die Informationssammlung und Analyse der Situation, das Erkennen von Verbesserungspotentialen, die Zielbestimmung und die Planung der erforderlichen Maßnahmen.
4 Deming, William Edwards: Out of the Crisis. Cambridge: Massachusetts Institute of Technology 1982.
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Das Do bedeutet Test und praktische Optimierung des Konzeptes mit schnell realisierbaren Mitteln (z. B. provisorische Vorrichtungen) an einem einzelnen Arbeitsplatz. Beim Check werden die Ergebnisse des Probelaufs sorgfältig überprüft und bei Erfolg für die Umsetzung auf breiter Front als Standard freigegeben. Act steht für die allgemeine Einführung des neuen Standards, die im Einzelfall umfangreiche organisatorische Aktivitäten (z. B. Änderung von Arbeitsplänen, Durchführung von Schulungen, Anpassung von Aufbau- und Ablauforganisation) sowie erhebliche Investitionen (an allen vergleichbaren Arbeitsplätzen, in allen Werken) nach sich ziehen kann.
Seit 2012 wird die derzeit noch gültige Norm überarbeitet; die neue Fassung soll als ISO 9001:2015 im Herbst 2015 vorgelegt werden. Die neue Norm wird sich stärker an den Kunden und „interessierten Kreisen“ orientieren und auch Themen wie Risikomanagement, Change Management und Wissensmanagement berücksichtigen. Die strukturellen und formalen Aspekte („high level structure“) sollen anderen ISO-Systemen angeglichen werden.⁵
Qualitätsmanagement und Qualitätsmanagementsysteme in Bibliotheken Die Beschreibung der Prozesse ist einer der wichtigsten Bausteine eines QM-Systems. Dies ist im Bibliothekswesen unter der Bezeichnung „Geschäftsgang“ schon längst bekannt.⁶ Insofern sollten Bibliotheken eigentlich keine Berührungsängste mit Qualitätsmanagement haben. In der Vergangenheit wie in der Gegenwart ist in Bibliothekskreisen jedoch oft eine vornehme Zurückhaltung zu konstatieren. Vor rund 25 Jahren diskutierten Dokumentare und Information Professionals intensiv über Qualitätsmanagement; der Deutsche Dokumentartag 1993 stand
5 TÜV Rheinland: ISO 9001 Revision 2015 – Qualitätsmanagement der Zukunft. http://www.tuv. com/iso-9001-revision-2015 (2.5.2015). 6 Den Geschäftsgang im eigentlichen Sinne bilden die Prozesse „von der Auswahlentscheidung über Beschaffung bis zur Bereitstellung zur ersten Benutzung“ (Umlauf, Konrad: Geschäftsgang. http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h79/MWP1_11.1_Geschaeftsgang. ppt [2.5.2015]). Daneben existieren weitere Prozesse z. B. in Ausleihe, Fernleihe etc.
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ganz unter diesem Thema.⁷ Es waren Bibliothekare wie Wolfram Neubauer, die als Grenzgänger zwischen den Bereichen „Dokumentation“ und „Bibliothek“ Impulse aus dem einen Bereich aufnahmen und als Thema im anderen Bereich verorteten. Neubauer tat dies in Vorträgen⁸ und Publikationen⁹, jedoch leider (zunächst) ohne nachhaltigen Widerhall.¹⁰ Während in den USA inzwischen über 1000 Bibliotheken ihre Servicequalität mit LibQUAL+® evaluieren¹¹, ist die Zahl der Bibliotheken mit einem QM-System im deutschsprachigen Bereich auch heute noch überschaubar. Es gibt Beispiele zwar bei Öffentlichen Bibliotheken¹² (auch in regionalen Zusammenschlüssen¹³), Fachhochschulbibliotheken¹⁴, Universitätsbibliotheken¹⁵ und Spezialbibliotheken¹⁶, dies bleiben aber eher Einzelfälle.
7 Neubauer, Wolfram (Hrsg.): Qualität und Information: Friedrich-Schiller-Universität Jena, 28. bis 30. September 1993. Deutscher Dokumentartag 1993. Frankfurt am Main: Deutsche Gesellschaft für Dokumentation e. V. 1994. 8 Neubauer, Wolfram: Qualitätssicherung als Aufgabe von Bibliotheken. In: Bibliotheksmanagement: Surplace Seminar: Referate. 21.3.1993–28.3.1993. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1993. S. 156–164. 9 Lapp, Erdmute u. Wolfram Neubauer: Qualitätsmanagement als Aufgabe von Bibliotheken. In: Nachrichten für Dokumentation 45 (1994). S. 263–278. 10 te Boekhorst, Peter: Qualitätsmanagement und wissenschaftliche Bibliothek – ein unüberbrückbarer Gegensatz? In: Qualität und Leistung – Bibliotheken auf dem Prüfstand. Beiträge zum Qualitätsmanagement in Bibliotheken. Hrsg. von Karin Pauleweit. Berlin: Deutsches. Bibliotheksinstitut 1996 (DBI-Materialien 150). S. 173–180. 11 Pehlke, Rainer: LibQUAL+™: Ein Instrument zur Messung der Servicequalität in Bibliotheken. In: BuB 54 (2002). S. 654–657. 12 Odenkirchen-Büchner, Renate: Verstetigung von Leistung und Qualität: Qualitätsmanagement nach ISO 9001 in der Stadtbücherei Walldorf (Baden). In: BuB 55 (2003). S. 246–248; Wehr, Andrea: Wir sind zertifiziert! Schritt für Schritt zum ISO-Zertifikat. In: Bibliotheksforum Bayern 2 (2008). S. 46 f. 13 Büning, Petra u. Brigitte Klein: Der Kunde steht im Mittelpunkt – nicht die Routine: Qualitätsmanagement-Verbund Öffentlicher Bibliotheken in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln. In: BuB 58 (2006) H. 9. S. 641–644. 14 Klotz-Berendes, Bruno: Geschäftsprozessmanagement – Qualitätsmanagement – Zertifizierung nach ISO 9001:2000 in Hochschulbibliotheken. http://www.opus-bayern.de/bib-info/ volltexte//2008/539/ (2.5.2015). 15 Becker, Carolin. Qualitätsmanagement in Bibliotheken am Beispiel der Universitätsbibliothek der Technischen Universität München. Berlin: Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin 2011 (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft 295). 16 Appel, Nikola: Standards für Kunst- und Museumsbibliotheken: Das Qualitätsmanagementverfahren der Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und Museumsbibliotheken (AKMB). In: Bibliotheksdienst 43 (2009) H. 3. S. 257–265; Gries, Rainer: Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung stellt sich erfolgreich den Anforderungen des Qualitätsmanagements: „Committed to Excellence“ (Verpflichtung zu Exzellenz). In: Bibliotheksdienst 41 (2007) H. 9–10. S. 985–994.
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Qualitätsmanagement im Forschungszentrum Jülich Das Forschungszentrum Jülich, Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, ist mit rund 5500 Beschäftigten eine der größten Forschungseinrichtungen Europas. Die Zentralbibliothek mit heute 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist für die umfassende und hochwertige Literatur- und Informationsversorgung im Forschungszentrum verantwortlich. Sie wurde 1987–1997 von Dr. Wolfram Neubauer geleitet. In seiner Amtszeit hat er sichergestellt, dass die Bibliothek sich weniger über traditionelle Größen wie Ausleihzahlen und Bestandsgröße definiert als über Qualität. In einer gemeinsam mit der damaligen Benutzungsleiterin Dr. Erdmute Lapp (heute: Direktorin der UB Bochum) erstellten Publikation „Qualitätsmanagement als Aufgabe von Bibliotheken“ definiert er: Die Qualität einer Bibliothek oder Informationseinrichtung läßt sich etwa definieren durch: Schnelligkeit, Präzision, Aktualität der Produkte und Dienstleistungen, Relevanz, Neuheitswert, Einschlägigkeit, Zuverlässigkeit der Einzelinformation, Zugriffsmöglichkeiten, Vollständigkeit der Gesamtinformation, Form der Information, Aufwand für Produkte und Dienstleistungen im Hinblick auf den Nutzen.¹⁷
Im Kontrast dazu stellt er fest: „Bei der Bewertung von Qualität bibliothekarischer Produkte und Dienstleistungen steht bisher die Messung leistungs- und herstellerorientierter Qualitätsaspekte im Vordergrund, also Kriterien wie Aktualität/Schnelligkeit, Vollständigkeit, Einhaltung bibliothekarischer Standards.“ Der hohe Qualitätsanspruch der Zentralbibliothek wurde jedoch nicht in Form eines standardisierten Qualitätsmanagements umgesetzt (Zertifizierung), sondern „nur“ in Form selbst gesetzter Regeln und Standards. Nach dem Wechsel von Wolfram Neubauer an die ETH Zürich wurde im Jahr 2008 Dr. Rafael Ball, Benutzungsleiter der Zentralbibliothek, sein Nachfolger als Bibliotheksleiter. In dessen Amtszeit fiel der Vorstandsbeschluss des Forschungszentrums Jülich zur Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems mittels einer „Rahmenrichtlinie Qualität“. Das QM-System gilt zwar zentrumsweit, es ist aber dezentral organisiert: Es obliegt der Entscheidung der einzelnen Institute und Geschäftsbereiche, wie genau sie für sich ein QM-System einrichten. Die Rahmenrichtlinie Qualität formuliert: „Das Qualitätsmanagementsystem des Forschungszentrums Jülich folgt der Maxime: ,So zentral wie nötig, so dezentral wie
17 Lapp, Neubauer, Qualitätsmanagement (wie Anm. 9).
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möglich.‘“¹⁸ Die Zentralbibliothek hat den Impuls unmittelbar aufgegriffen und das Thema „Qualität“ in der Bibliothek noch prominenter behandelt: Zunächst wurden 2007 alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentralbibliothek durch den Qualitätsmanagementbeauftragten des Forschungszentrums mit Grundlagen des Qualitätsmanagements vertraut gemacht. Es folgte die Bestellung einer Mitarbeiterin zur Qualitätsbeauftragten der Bibliothek. Diese „berät die Leitung und die Mitarbeiter der Organisationseinheit in allen Fragen des Qualitätsmanagements“, ist „zuständig für den Aufbau und Betrieb des QM-Teilsystems der Organisationseinheit“ und „koordiniert und unterstützt die Mitarbeiter bei der Erstellung der für das QM-Teilsystem erforderlichen Dokumente“.¹⁹ Für die weitere Konzeption wurde die Hilfe eines externen Beraters in Anspruch genommen, der über große Erfahrung in der Begleitung von Bibliotheken in Transformationsprozessen und auch in der Implementierung von QM-Systemen verfügt. Mit ihm zusammen fand ein Auftaktworkshop mit Führungskräften aus der Zentralbibliothek statt. Da zu dieser Zeit intensive Kontakte zu einer Universitätsbibliothek im deutschsprachigen Ausland bestanden, welche ebenfalls ein QM-System implementieren wollte, wurde dann beschlossen, die Einführung in beiden Bibliotheken gleichzeitig und aufeinander abgestimmt zu planen. Bei einem gemeinsamen Workshop wurde für beide Bibliotheken eine „Prozesslandschaft“ erstellt. Diese bildet in einer einzigen Übersicht alle zentralen Prozesse ab, u. a. Kernprozesse, Führungsprozesse und Nebenprozesse. Zwingend notwendige andere Priorisierungen im Forschungszentrum führten jedoch dazu, dass sich die Einführung des QM-Systems zunächst verzögerte. Hinzu kam dann noch ein Wechsel in der Bibliotheksleitung und Umstrukturierungen in der Bibliothek, weshalb das Projekt zunächst auf Eis gelegt wurde.
Qualitätsmanagement in der Zentralbibliothek – Realisierung Rafael Ball verließ die Zentralbibliothek 2008 und wurde Direktor der Universitätsbibliothek Regensburg (seit 2015 Direktor der ETH-Bibliothek). Nachfolger wurde Dr. Bernhard Mittermaier, bis dahin Benutzungsleiter der Zentralbiblio-
18 Prast, Hartmut: Rahmenrichtlinie Qualität. Forschungszentrum Jülich GmbH. Version 2.1. Jülich 2011. 19 Prast, Hartmut: Verfahrensanweisung VA RHLQ-03 Aufgaben und Funktionsbeschreibung der QB und QA. Version 0. Jülich 2007.
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thek. Ende 2009/Anfang 2010 konnten die Vorarbeiten zur Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems wieder aufgenommen werden. Zunächst wurde in Zusammenarbeit mit dem Qualitätsmanagementbeauftragten des Forschungszentrums die Prozesslandschaft aktualisiert. Es folgte die Formulierung der Qualitätsziele durch die Bibliotheksleitung. Darin ist beispielsweise zum Bereich „Erwerbung“ ausgeführt: Für die Erwerbung ist gute Kenntnis der aktuell relevanten Forschungsgebiete im Forschungszentrum Jülich ebenso wie die Kenntnis der am Markt verfügbaren Produkte nötig. Detaillierte Einschätzungen sind ggf. durch Tests zu erzielen, die in Einzelfällen auch unter Einbeziehung von Kunden durchgeführt werden. Bei der Wahl des Beschaffungsweges ist die Maximierung der Nutzungsaspekte unter gleichzeitiger Minimierung der Kosten Strategie- und Qualitätsziel. (. . . ) Dabei sind der quantitative Aspekt der (zählbaren) Nutzung sowie die qualitativen Aspekte ,Verfügbarkeit‘ (sofort/zeitverzögert), ,Aktualität‘ (neueste Artikel verfügbar/Embargofrist) und ,Nachnutzung‘ (Einräumung von Archivrechten) zu berücksichtigen. Die Nutzung wird in der Zentralbibliothek unter Verwendung von Download-Zahlen (COUNTER-Statistiken) und bibliometrischen Analysen (Auswertung des Publikations- und Zitationsverhaltens Jülicher Wissenschaftler) intensiv untersucht. Die Zentralbibliothek hat den Anspruch, auf diesem Gebiet international methodisch führend zu sein.²⁰
Die Qualitätsziele formulieren also aus Sicht der Leitung die Anforderungen an die einzelnen Teilleistungsprozesse und dienen somit als Grundlage für ausführlichere Beschreibungen der Teilleistungsprozesse durch die hierfür jeweils Verantwortlichen. Das Qualitätsmanagement-Handbuch wurde nicht klassisch in gedruckter und/oder elektronischer Form erstellt, sondern in Form eines Wikis. Dieser Ansatz bot folgende Vorteile: – Nachnutzung existierender Arbeitsanweisungen/Prozessdarstellungen – einfache Kontrolle des Zugangs zum Handbuch – automatische Versionskontrolle – maximale Flexibilität für Änderungen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Bibliotheksleitung bei diesem System verstärkt in der Pflicht ist, die Integrität des QM-Handbuchs sicherzustellen. Theoretisch könnten ja alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentralbibliothek beliebige Änderungen am Handbuch vornehmen. Es wurde daher festgelegt, dass Änderungen nur durch Teamleiter vorgenommen werden dürfen. Diesen folgt eine Prüfung durch die Qualitätsmanagementbeauftragte und schließlich
20 Mittermaier, Bernhard: Qualitätsmanagement-Handbuch nach DIN EN ISO 9001. Zentralbibliothek (ZB) der Forschungszentrum Jülich GmbH, 52425 Jülich. Jülich 2012.
Qualitätsmanagement und Bibliotheken |
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die Freigabe durch die Bibliotheksleitung. Jeder Schritt wird mittels eines Zeitstempels nachvollziehbar dokumentiert. Kernstück des Handbuchs sind die Beschreibungen der einzelnen Prozesse. Sie wurden von den einzelnen Teams in der Zentralbibliothek neu formuliert bzw. vorhandene Prozessbeschreibungen wurden überprüft und ggf. angepasst. Ein Auszubildender stellte anschließend alle Prozesse als Flussdiagramme dar. Dies diente gleichzeitig dazu, die Verständlichkeit der Darstellung sicherzustellen: Wenn ein FaMI-Auszubildender, der nahezu alle Ausbildungsstationen in der Zentralbibliothek bereits durchlaufen hatte, eine Anweisung nicht verstand, dann war sie offenkundig nicht ausreichend erklärt. Die einzelnen Prozessbeschreibungen wurden anschließend mit Vertretern aller Teams nochmals diskutiert und aufeinander abgestimmt. Ein Zusatznutzen ist die Verwendung dieser Prozessdarstellungen bei der Einführung neuer Mitarbeiter in der Zentralbibliothek. Neben den Leistungsprozessen sind auch Führungsprozesse und Prozesse zum Messen, Analysieren und Verbessern Bestandteil der Norm. Hierfür wurden jeweils spezifische Lösungen gefunden: Einiges wurde neu erstellt, wie z. B. die Formulierung der Qualitätsziele durch die Bibliotheksleitung. Einiges war bereits vorhanden und konnte integriert werden, wie z. B. die Messung der Kundenzufriedenheit mittels des auf jeder Webseite platzierten Feedback-Buttons und durch regelmäßig durchgeführte Nutzerbefragungen. Einiges konnte auch direkt aus dem Qualitätsmanagementsystem des Forschungszentrums übernommen werden, da es z. B. für interne Audits eine allgemein gültige Verfahrensanweisung gibt. Die Implementierung des QM-Systems wurde im Frühjahr 2012 mit der Begutachtung durch den QM-Beauftragten des Forschungszentrums Jülich abgeschlossen, der selbst zertifizierter Auditor ist. Nachfolgend musste sich das System in der Praxis bewähren. Es wurden beispielsweise erste Erfahrungen mit der „Lieferantenbewertung“ gesammelt: In den Kategorien Liefertreue, Service/Erreichbarkeit, Reklamationsbearbeitung sowie Produkt-/Dienstleistungs-Qualität werden jeweils Noten von 1 bis 5 vergeben. Liegt der Durschnitt über 3 erfolgt eine Warnung, bei 3,25 wird der Lieferant (eigentlich) gesperrt. Praktisch kann man dies bei einer Buchhandlung tatsächlich umsetzen, man kann es in der passiven Fernleihe lediglich in den Fällen umsetzen, in denen die Lieferbibliothek keinen Alleinbesitz hat und man kann es bei Verlagen aufgrund der Monopolsituation de facto gar nicht umsetzen. Aufgrund der letzten Lieferantenbewertung wurde auch tatsächlich eine Versandbuchhandlung gesperrt und bei einer SUBITO-Lieferbibliothek die Nutzung auf Fälle mit Alleinstellungsmerkmal beschränkt. In jedem Fall sind formalisierte Lieferantenbewertungen gute Gesprächseinstiege bei Verhandlungen mit Anbietern.
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Nach einigen weiteren internen Audits unterzog sich die Zentralbibliothek im März 2014 erfolgreich der Zertifizierung durch den TÜV Rheinland gemäß ISO 9001:2008. Das Zertifikat bescheinigt die Einführung und Anwendung eines Qualitätsmanagementsystems in den Geltungsbereichen – Dienstleistungen im Bereich Bibliothek, wissenschaftliches Publizieren und Bibliometrie und – Entwicklung bibliometrischer Methoden und Indikatoren. Ein Jahr später fand der erste Nachfolgeaudit statt.
Ein Resümee zur Einführung eines QM-Systems –
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Im Zuge der Dokumentation der Geschäftsprozesse der Zentralbibliothek wurden einige Regelungslücken bzw. -widersprüche sowie unnötige „Schleifen“ entdeckt. Es hat somit schon allein die lückenlose Erfassung aller Prozesse an manchen Stellen zur Vereinfachung und Beschleunigung von Abläufen geführt. Weitere Vorteile ergeben sich für die Ausbildung sowie bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wo Arbeitsvorgänge nun mit Hilfe des Handbuchs erläutert werden können. Bei der Beschreibung der Geschäftsprozesse wurde an manchen Stellen deutlich, dass bislang keine klare Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben bestand. Außerdem hat sich herausgestellt, dass ein nur auf den eigenen Arbeitsbereich bezogenes Denken nicht hilfreich ist, wenn es sich um Prozesse handelt, an denen mehrere Teams beteiligt sind (z. B. Bereitstellung von Medien: Erwerbungsteam, Fachinformationsmanager und Lesesaal-Team). Aus diesem Grund wird der Blick nun verstärkt auf die Gesamtheit der Prozesse und insbesondere auf die Schnittstellen zwischen den Teilprozessen gerichtet. Der vielleicht wichtigste Ertrag des Unternehmens ist eine Veränderung im Bewusstsein seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch die Verdeutlichung der Arbeitsprozesse veränderte sich die vorhandene Zufriedenheit mit dem anerkannt hohen Standard der Bibliothek in das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung – frei nach dem Motto „Was gut ist, kann noch besser werden.“
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Literatur Appel, Nikola: Standards für Kunst- und Museumsbibliotheken: Das Qualitätsmanagementverfahren der Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und Museumsbibliotheken (AKMB). In: Bibliotheksdienst 43 (2009) H.3. S. 257–265. Becker, Carolin. Qualitätsmanagement in Bibliotheken am Beispiel der Universitätsbibliothek der Technischen Universität München. Berlin: Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin 2011 (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft 295). Boekhorst, Peter te: Qualitätsmanagement und wissenschaftliche Bibliothek – ein unüberbrückbarer Gegensatz? In: Qualität und Leistung – Bibliotheken auf dem Prüfstand. Beiträge zum Qualitätsmanagement in Bibliotheken. Hrsg. von Karin Pauleweit. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1996. S. 173–180 (DBI-Materialien 150). Büning, Petra u. Brigitte Klein: Der Kunde steht im Mittelpunkt – nicht die Routine: Qualitätsmanagement-Verbund Öffentlicher Bibliotheken in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln. In: BuB 58 (2006) H. 9. S. 641–644. Codex Hammurabi. Die Gesetzesstele Hammurabis. Übers. v. Wilhelm Eilers. Wiesbaden: marix 2009. Deming, William Edwards: Out of the Crisis. Cambridge: Massachusetts Institute of Technology 1982. Gries, Rainer: Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung stellt sich erfolgreich den Anforderungen des Qualitätsmanagements: „Committed to Excellence“ (Verpflichtung zu Exzellenz). In: Bibliotheksdienst 41 (2007) H. 9–10. S. 985–994. Klotz-Berendes, Bruno: Geschäftsprozessmanagement – Qualitätsmanagement – Zertifizierung nach ISO 9001:2000 in Hochschulbibliotheken. http://www.opus-bayern.de/bibinfo/volltexte//2008/539/ (2.5.2015). Lapp, Erdmute u. Wolfram Neubauer: Qualitätsmanagement als Aufgabe von Bibliotheken. In: Nachrichten für Dokumentation 45 (1994). S. 263–278. Mittermaier, Bernhard: Erfahrungen einer Spezialbibliothek bei der Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems“. Vortrag beim 101. Bibliothekartag in Hamburg. 22.5.2012. hdl.handle.net/2128/5507 (2.5.2015). Mittermaier, Bernhard: Qualitätsmanagement-Handbuch nach DIN EN ISO 9001. Zentralbibliothek (ZB) der Forschungszentrum Jülich GmbH, 52425 Jülich. Jülich 2012. Mittermaier, Bernhard: Die Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems – Erfahrungen in einer Spezialbibliothek. In: Futterlieb, Kristin u. Ivo Vogel (Hrsg.): Neue Führungskräfte in Bibliotheken. Wiesbaden: Harrassowitz 2013. S. 79–92. Neubauer, Wolfram: Qualitätssicherung als Aufgabe von Bibliotheken. In: Bibliotheksmanagement: Surplace Seminar: Referate. 21.3.1993–28.3.1993. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1993. S. 156–164. Neubauer, Wolfram (Hrsg.): Qualität und Information: Friedrich-Schiller-Universität Jena, 28. bis 30. September 1993 / Deutscher Dokumentartag 1993. Frankfurt a. M. Deutsche Gesellschaft für Dokumentation e. V. 1994. Odenkirchen-Büchner, Renate: Verstetigung von Leistung und Qualität: Qualitätsmanagement nach ISO 9001 in der Stadtbücherei Walldorf (Baden). In: BuB 55 (2003). S. 246–248. Pehlke, Rainer: LibQUAL+™: Ein Instrument zur Messung der Servicequalität in Bibliotheken. In: BuB 54 (2002). S. 654–657.
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Prast, Hartmut: Verfahrensanweisung VA RHLQ-03 Aufgaben und Funktionsbeschreibung der QB und QA. Version 0. Jülich 2007. Prast, Hartmut: Rahmenrichtlinie Qualität. Forschungszentrum Jülich GmbH. Version 2.1 Jülich 2011. TÜV Rheinland: ISO 9001 Revision 2015 – Qualitätsmanagement der Zukunft. http://www.tuv. com/iso-9001-revision-2015 (2.5.2015). Umlauf, Konrad: Geschäftsgang. http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h79/ MWP1_11.1_Geschaeftsgang.ppt (2.5.2015). Wehr, Andrea: Wir sind zertifiziert! Schritt für Schritt zum ISO-Zertifikat. In: Bibliotheksforum Bayern 2 (2008). S. 46 f.
Bernard Bekavac, Rudolf Mumenthaler, Edzard Schade und Niklaus Stettler
Ein Curriculum für die professionelle Ausbildung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren „. . . die Rahmenbedingungen der modernen Bibliotheksarbeit erfordern professionell ausgebildete Leute und diese Leute kommen aus Chur – wenn sie nicht auch Chur kommen würden, müssten wir sie eben . . . aus dem Ausland holen!“
Ausgangslage Das einführende Zitat stammt aus einem Interview mit Wolfram Neubauer, welches er im Rahmen von Dreharbeiten für ein Promotionsvideo des Studiengangs Information Science¹ an der HTW Chur gegeben hat. Der Studiengang Bachelor of Science (BSc) in Information Science bildet Studierende für die Tätigkeit in diversen Informationsberufen aus – für den Bibliotheksbereich ist es sogar das einzige Studienangebot auf Bachelorniveau in der Deutschschweiz. Der professionelle Umgang mit Information, insbesondere in elektronischer Form, ist inzwischen aber auch fester Bestandteil des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Alltags der Gegenwart. Die neuen Technologien und Medien verändern sich rasant und damit auch sämtliche informations- und medienbezogenen Berufe. Entsprechend benötigen moderne Gesellschaften mit entwickelten Volkswirtschaften zunehmend mehr akademisch ausgebildete Informationsspezialisten. Das Rüstzeug für diese Berufe liefert das im Bachelor-Studium vermittelte Wissen. Die Ausbildung integriert Themen der Bereiche Informationsmethodik, Mensch und Computer, Medien- und Sozialwissenschaft sowie Betriebsökonomie. Aufgrund der hohen Dynamik innerhalb der erwähnten Themenfelder ist es grundsätzlich angeraten, periodisch zu überprüfen, ob die Ausbildung noch aktuell und marktgerecht ist. Das bis zum Studienjahr 2015 durchgeführte Curriculum im Studiengang Information Science besteht seit dem Jahr 2010, und der Fachbereich hat Ende 2013 turnusgemäß damit begonnen, das Curriculum zu analysieren mit dem Ziel dieses ggfls. zu überarbeiten oder gar zu reformieren.
1 http://informationscience.ch (2.5.2015).
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Ein weiterer wichtiger Grund für eine Überarbeitung des Curriculums ergab sich aus dem sich abzeichnenden verringerten Interesse an den Berufsfeldern im Bereich Information innerhalb der Schweiz, welches sich nicht nur auf die Hochschulebene bezieht, sondern auch bei der Berufslehre zum Informations- und Dokumentationsspezialisten spürbar wird. Hingegen ist die Nachfrage nach Informationsspezialisten auf dem Berufsmarkt nach wie vor ungebrochen und erstreckt sich von Bibliotheken und Archiven bis hin zu Informations- und IT-Abteilungen in privatwirtschaftlichen Unternehmen. Die Gründe für den Interessenrückgang sind nur schwer auszumachen. Die Informationswissenschaft ist als eigenständige Disziplin in der Schweiz nicht sehr bekannt und trotz diverser Maßnahmen wie z. B. Kinowerbung ist es nicht gelungen, dies in der breiten Bevölkerung zu ändern. Eine Ausnahme bildet der bibliothekarische Zweig des Studiengangs, der der schweizerischen Bibliothekswelt und der zugehörigen Community bestens bekannt ist. Einen guten Ruf hat auch die archivarische Ausrichtung des Studiengangs, die jedoch nur auf eine relative kleine Community zurückgreifen kann. Um das aktuelle Curriculum tiefgreifend analysieren zu können, wurde eine breite Einschätzung der wichtigsten Stakeholder der Churer Informationswissenschaft eingeholt: – Fachbeirat (dort vertreten sind auch Verbände, Partnerhochschulen, Alumni) – Dozierende – Fachexpertise – Studierende – Arbeitsmarkt (Arbeitgeber/Alumni) – Curricula anderer informationswissenschaftlicher Studiengänge. Dabei wurde zunächst von allen Seiten grundsätzlich attestiert, dass das bestehende Curriculum als aktuell und marktgerecht eingeschätzt wird. Auch die Analyse anderer informationswissenschaftlicher Studiengänge und deren Curricula brachten keine nennenswerten inhaltlichen Schwächen hervor. Bei der Curriculumsanalyse und -reform wurde daher primär das Ziel gesteckt, mehr Menschen für ein Berufsbild im Informationsbereich zu gewinnen.
Das Reformkonzept Um die Attraktivität der informationswissenschaftlichen Ausbildung in der Deutschschweiz zu steigern und den Menschen ein klareres Bild von Informati-
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onsberufen zu vermitteln, wurden bei der Curriculumsreform zwei Grundsätze verfolgt: – Mit dem Curriculum ist ein breiteres Zielpublikum anzusprechen. – Die Berufsfelder bzw. -bilder im Informationsbereich müssen deutlicher kommuniziert werden.
Information Engineering
Record Management & Archivierung
Informationsmanagement
Bibliothekswissenschaft
Um dies zu erreichen, beschloss der Fachbereich das breite Feld der Informationswissenschaft in vier eigenständige Bereiche zu unterteilen, indem die bis dahin im BSc in Information Science vermittelten Vertiefungen geschärft, ausgebaut und künftig als eigenständige Major angeboten werden:
Assessment-Stufe: Informationswissenschaft
Abb. 1: Alte Curriculumsstruktur mit Vertiefungen
Major Web & Usability Engineering
Major Archivierung
Major Informations- & Medienmanagement
Major Bibliotheksmanagement
Grundstudium: Informationswissenschaft
Abb. 2: Neue Major Struktur
Die Major sind zum einen im Vergleich zu den bis dahin bereits bestehenden Vertiefungsrichtungen (Bibliothekswissenschaft, Informationsmanagement, Records Management und Archivierung, Information Engineering) mit einem Umfang von 90 ECTS (gegenüber 60 ECTS) wesentlich umfangreicher geworden. Dadurch konnte eine wesentlich stärkere Spezialisierung erreicht werden, und etwaige Synergien zwischen den Major werden in Form übergreifender Module dennoch genutzt. Zum anderen zielen die Bezeichnungen und geschärften Profile
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der Major auch auf direkte Berufsbilder ab, z. B. Bibliothekarin für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken, Informationsmanagerin, Records Manager, Usability Engineer oder Web-Entwickler. Die Major sollen so nach außen eigenständig auftreten und bei der jeweiligen Klientel gezielt beworben werden.
Das Curriculum ab dem Studienjahr 2015 Nach der Festlegung der neuen Strategie und zugehörigen Curriculumsstruktur wurde das Curriculum selbst, d. h. dessen Module und Inhalte, in einem Learning Outcomes orientierten Vorgehen gemäß Bologna bzw. Lissaboner Erklärung entwickelt. Ausgehend von den für den jeweiligen Major notwendigen Kompetenzen wurden zunächst die Major-spezifischen Module in einer Größenordnung von 90 ECTS-Credits ausgearbeitet. Danach wurden die gemeinsamen Grundlagenmodule identifiziert und die zugehörigen Inhalte definiert. Dabei wurde darauf geachtet, dass deren Ausgangskompetenzen mit den notwendigen Eingangskompetenzen der Major übereinstimmen. Nicht zuletzt wurden auch die Lehrpläne der schulischen Vorbildung (Berufsmaturität und Maturität) analysiert, um das Niveau der Grundlagenmodule entsprechend anpassen zu können.
Grundstudium In den ersten drei Studiensemestern wird der Grundstein für die informationswissenschaftliche Ausbildung gelegt, die in hohem Grad interdisziplinär ausgerichtet ist. Verarbeiten von Wissen und Information bedingt zunächst die eher praktisch orientierte Ausbildung in Informationsmethodik. Somit sind primär Kenntnisse der Informationsrecherche, der Informationsorganisation und des Wissensmanagements wichtig. Wissen und Information stehen immer in einem institutionellen und thematischen Kontext. Daher wird im Grundstudium einerseits ein Überblick über die verschiedenen Teilbereiche der Informationswissenschaft wie beispielsweise das Informations- und Medienmanagement, die Bibliotheks- oder auch die Archivwissenschaft vermittelt. Anderseits besuchen die Studierenden Firmen und Institutionen wie etwa Ebay, Namics, das Stadtarchiv Zürich oder eben auch die ETHBibliothek. In diesem Praxisfenster können sich die Studierenden einen Eindruck von den verschiedenen Berufsbildern in der Informationsbranche verschaffen. Um den jeweiligen thematischen Kontext von Information verstehen zu können, greift die Informationswissenschaft auf entsprechende Teildisziplinen an-
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derer Wissenschaften zurück. Aus der Sozialwissenschaft werden beispielsweise empirische Methoden wie Interview- und Fragebogentechniken und die zugehörigen Auswertungsmethoden vermittelt. Die Betriebsökonomie liefert die Grundlagen für die Wertschöpfung von Informationsprodukten und -dienstleistungen. Aus der Rechtswissenschaft werden insbesondere das geistige Eigentumsrecht und Lizenzierungsstrategien thematisiert. Um Information professionell gestalten und präsentieren zu können, werden Methoden aus der Medien- und Kommunikationswissenschaft gelehrt. Da Wissen und Information in nahezu allen Bereichen elektronisch erstellt, verarbeitet und gespeichert werden, versteht sich die Informationswissenschaft auch als eine Teildisziplin der angewandten Informatik. Eine entsprechende informatik- und medienbezogene Grundausbildung ist deshalb nicht nur für die heutigen Informationsberufe unabdingbar, sondern dient auch als Basis für eine etwaige Entwicklung von neuen und vor allem benutzerfreundlichen Lösungen von informationswissenschaftlichen Problemstellungen. Das im Grundstudium erworbene Fach- und Methodenwissen wird in der zweiten Studienhälfte (Semester 4 bis 6) in einem der vier angebotenen berufsorientierten Major vertieft und ausgeweitet.
Major Bibliotheksmanagement Die Rückmeldungen verschiedener Stakeholder haben gezeigt, dass die Schweizer Bibliothekslandschaft auch in Zukunft gut ausgebildete Fachleute benötigt, die eine solides Grundwissen in Betriebswirtschaft sowie im Bibliothekswesen mitbringen und im Bereich elektronischer Information auf dem aktuellen Stand sind. Die Absolventen sollen später in öffentlichen wie in wissenschaftlichen Bibliotheken „Fackelträger der Innovation“ (O-Ton aus dem Fachbeirat) sein – und dafür die entsprechenden Kompetenzen und Fähigkeiten mitbringen. Mit der Bezeichnung Bibliotheksmanagement wird die Nähe zu modernen Methoden der Betriebsführung betont. Gleichzeitig wird aber auch ein starkes Gewicht auf die technischen Aspekte gelegt, für die z. B. das neu entwickelte Modul Bibliotheksinformatik steht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung bibliothekarischer Dienstleistungen, die auch in Kooperation mit Multimedia Production (v. a. Veranstaltungsmanagement) und mit einem künftigen Dienstleistungsentwicklungslabor angeboten werden. Zudem werden bibliothekswissenschaftliche Methoden der Nutzerforschung vermittelt, die im Berufsalltag eine immer größere Bedeutung erlangen. Die Berufsbilder des Majors sind: BibliothekarIn, SystembibliothekarIn, BibliotheksmanagerIn, e-Librarian, ProjektmitarbeiterIn Bibliothek.
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Major Informations- und Medienmanagement Der Major Informations- und Medienmanagement zielt darauf ab, die Studierenden auf die bedarfs- und marktorientierte Informationsarbeit in Verwaltung und Privatindustrie vorzubereiten. Die Absolventinnen und Absolventen sollen sich bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen und Projekten im Bereich der organisationalen Informationsverarbeitung als analytisch und konzeptionell geschulte, kritische und vermittlungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewähren können. Die Basis dafür bilden insbesondere ihr prozessorientiertes Grundverständnis vom Informations- und Wissensmanagement, ihre Fähigkeit, die Funktion von Informationssystemen in betrieblichen Gesamtzusammenhängen zu betrachten, ihr Methodenwissen bei der Erhebung des Informationsbedarfs und ihre Kompetenzen bei der Wahl geeigneter Medien- und Kommunikationsformen. Die Berufsbilder des Majors sind: InformationsprozessmanagerIn, Informationsmarketing (Informationsbroker, InformationswirtIn, BusinessIntelligence), InformationsberaterIn.
Major Archivierung Die Themen Records Management und Archivierung stellen derzeit ein wichtiges Standbein des Studiengangs dar. Dieser hat ein spezielles Alleinstellungsmerkmal, da er die einzige Ausbildung in der Schweiz darstellt, die gezielt auf die weniger historisch ausgerichteten Aufgaben in Archiven vorbereitet. Es sind dies insbesondere die technischen Aufgaben (digitale Langzeitarchivierung, Archivinformatik) und der vorarchivische Bereich (Records und Information Management). Die Analyse der notwendigen Kompetenzen für diese Aufgaben zeigt, dass sich diese weitestgehend mit denjenigen des Informationsmanagers, wie sie in der Privatwirtschaft beschäftigt werden, decken. Für eine Beschäftigung ist es allerdings von Nutzen, wenn diese um einige spezifische Kompetenzen ergänzt werden. Die Berufsbilder des Majors sind: ArchivarIn, Spezialist digitale Archivierung, Records ManagerIn, ArchivinformatikerIn, Media Asset Management-SpezialistIn.
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Major Web- und Usability-Engineering Der Major Web- und Usability-Engineering fokussiert graphische Benutzerschnittstellen diverser Endgeräte. Usability Engineering findet sich an anderen Hochschulen als Bestandteil (meist Vertiefung) unterschiedlicher Studiengänge, i. d. R. in Informatik und Wirtschaftsinformatik, jedoch auch in Informatik-fernen Disziplinen wie z. B. Gestaltung oder Psychologie. Die Spezialität des Churer UsabilityMajors ist die Grundausbildung im Content-Bereich (Informationsbereich) im Grundstudium. Aus dieser heraus können Usability Experten aus Chur v. a. die Informationsarchitektur und die inhaltliche Gestaltung von Web-basierten (mobilen) Anwendungen analysieren, bewerten und entsprechende Verbesserungsvorschläge machen. Der Major zielt daher v. a. auf die Charakteristiken informationsfokussierter Anwendungssysteme ab (z. B. Bibliothekssysteme, Suchmaschinentechnologie, Content Management Systeme). Die gleichzeitig erworbene Implementierungskompetenz im Web-Bereich eröffnet Absolventen des Majors eine breite Palette an Berufsbildern in der IT-Branche. Die Berufsbilder des Majors sind: Usability ExpertIn, User Experience Consultant, Information Architect, Front End Engineer (Web EntwicklerIn).
Fazit Das neue Curriculumskonzept ermöglicht es die Ausbildung gezielt auf die Berufsbilder auszurichten. Dies erleichtert die Profilierung des Studiengangs und vereinfacht das zugehörige Marketing. Bei Werbeveranstaltungen kann nun die Studiengangsbezeichnung „Information Science“ etwas in den Hintergrund rücken. Stattdessen wird ein direkter Bezug zu den Major geschaffen: z. B. „In Chur können Sie Bibliotheksmanagement/Informations- und Medienmanagement/ Archivierung/Usability Engineering studieren.“ Die klare Profilierung erleichtert es aber auch Arbeitgebern, die Fachkenntnisse der Absolventinnen und Absolventen der Churer Informationswissenschaft besser einschätzen zu können. Die vier anvisierten Major verstärken bzw. erweitern die Zielgruppe potentieller Studierender. Die bisher primär anvisierten Absolventen und Absolventinnen der Berufslehre Fachperson Information und Dokumentation bekommen eine breitere Perspektive und diejenigen mit kaufmännischer Berufslehre durch das Themengebiet Informations- und Medienmanagement einen einschlägigen Major. Der Major Web- und Usability-Engineering öffnet den Zugang für Personen mit Berufslehre für Informatiker und Mediamatiker. Bei den Absolventinnen und Absolventen der gymnasialen Matura werden neben den bisher
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vertretenen geisteswissenschaftlichen Ausrichtungen nun auch mathematischnaturwissenschaftliche Typen angesprochen. Die Curriculumsreform tritt zum Studienbeginn im Herbst 2015 in Kraft. Für Aussagen über deren Wirksamkeit ist es daher noch zu früh, jedoch zeigt die Steigerung der Studierendenzahlen mit Studienbeginn 2015 um ca. 70 % im Vergleich zum Vorjahr eine deutliche Tendenz. Der Fachbereich Information Science an der HTW Chur ist daher zuversichtlich, dass er der ETH-Bibliothek auch künftig mit professionell ausgebildeten Leuten dienlich sein kann.
Lee Cheng Ean
Continual Staff Development, Process and Service Improvement for Organizational Excellence This paper describes how National University of Singapore (NUS) Libraries builds and commits to a culture of continual staff development, and process and service improvement to achieve organizational excellence. As user expectations increase, innovative services and expansion of information contents are expected to rise in parallel. However, highly skilled staff and annual operating budgets are projected to remain constant or to decline. In view of the challenges, NUS Libraries has to plan ahead and implement several measures to ensure organizational excellence in order to meet user expectations. The National University of Singapore (NUS) celebrates its 110th anniversary in 2015. NUS has a strong reputation globally and was ranked first in the 2014 QS University ranking for Asia and 22nd in the QS World University rankings. NUS’ world rankings and the key focus on nurturing future-ready graduates together with enhancing translational research impact to add value to Singapore and the world, put tremendous pressure on NUS Libraries to provide excellent services, resources and facilities. NUS Libraries began as a small medical library the same year the university was founded. Now, NUS Libraries comprises seven libraries: Central, Hon Sui Sen Memorial, CJ Koh Law, Science, Medical, Chinese and Music Library. With a staff strength of 199, out of which 75 are library professionals, NUS Libraries provides services to the NUS community of 2400 faculty, 3200 researchers, 28 000 undergraduates and more than 10 000 graduate students (see Sylvia Yap Swee-beng’s contribution to this volume). With a rich history and the growing demands from the large and diverse university community as well as external library members, NUS Libraries has to continually improve and surpass itself to perform better. In order for NUS Libraries to achieve organizational excellence, the key ingredients for success need to be blended together. These ingredients include: transformational leadership, strategic planning, skillful staff and effective information management, continual assessment of performance and intimate knowledge of users. Organizational excellence depends on a talented and skillful staff. Heavy investment in staff development and selective recruitment of skillful, talented staff with a strong service orientation ensure timely and relevant delivery of information and services to users.
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To assist us in charting the right course, we deployed the NUS Service Class (NUSSC) framework. The NUSSC aims at creating and sustaining a serviceoriented culture at NUS. It is a rigorous business excellence framework adapted from the Singapore Service Class business excellence framework. The NUSSC is itself a certification award to recognize departments at NUS that have processes and systems in place to support and deliver excellent customer service. The NUSSC framework emphasizes these key areas: Leadership, Customers, Strategic Planning, People, Processes, Information/Knowledge and Results. All these areas are interdependent and are critical success factors to an organization. The NUSSC framework adopts the relevant criteria and the assessment tool used for the Singapore Service Class certification. Organisational Profile Innovation
Results
Customers
Leadership
Strategy
People
Processes
Lerning
Knowledge Attributes of Excellence
Fig. 1: The Singapore Service Class framework¹
Transformational Leadership The key driver in the NUSSC framework is Leadership. At NUS Libraries, transformational leadership sets the organizational directions and the line of sight is always the results. In order to achieve the desired results, leadership has to have
1 http://www.spring.gov.sg/Building-Trust/Business-Excellence/About-BusinessExcellence/ Pages/the-be-framework.aspx. Accessed June 15, 2015.
Continual Staff Development, Process and Service Improvement | 277
strategic plans for managing information, developing and retaining staff, improving processes and getting to know the users, their needs and expectations. The Senior Leadership comprising the University Librarian and two Deputy University Librarians, together with the Library Senior Management team, make collective decisions on overall library policies and resource deployment. The Library Senior Management Team meets at least bi-monthly to discuss the performance of the strategic plans, past and future, to ensure that we are on the right track. It is through close monitoring that we are able to ensure that projects are not in danger of being derailed.
Strategic Planning NUS Libraries conducts a three-year strategic plan cycle. We then focus on preparing the action plans for the following year in time for budget proposal in September each year. In the three-year and annual strategic plans, the key performance indicators and targets are set. The annual strategic plans also determine the performance plan for each library professional. With the plans cascaded to all levels of staff, the deliverables for the year are transparent and clear to all and staff can align their work activities and efforts to the strategic thrusts and objectives.
Strategic Thrusts
Strategic Objectives
Staff Excellence Collection Excellence Service Excellence Operational Excellence
Nurture and retain high performance and innovative staff Enhance access to collections Enhance user experience Improve process and infrastructure
All library professionals are responsible for their work plans or key result areas which are cascaded from the overall strategic plan for each year, and operational planning starts from the ground up. Teams scan the environment and discuss with their primary clientele on their needs. The needs are then translated into actionable items in their departmental or team goals. All items are then captured in a consolidated Excel spreadsheet under the strategic thrusts and objectives and escalated to the Library Senior Management (LSM) for review to align with the library’s overall goals. Consequently, the LSM will agree on the work plan for the year and endorse it before cascading down to all staff. The table below shows examples of a condensed section of the balanced scorecard on operational excellence.
Strategic Objective
Improve process and infrastructure
Improve process and infrastructure
Improve process and infrastructure
Improve process and infrastructure
Improve process and infrastructure
Thrust
Operational Excellence
Operational Excellence
Operational Excellence
Operational Excellence
Operational Excellence
TPL/KAT
PL/HJ NBH (tech support)/TKK
30-Sep-15
30-Sep-15
30-May-15
30-Sep-15
Submit proposal
Completion of project
Set up database
Submit a report including how to increase the number of self-check outs
2. Review and establish a robust and efficient library internal knowledge management and archival system to consolidate existing disparate systems 3. Create a database to facilitate the compilation and updating of role profiles, job descriptions and areas of responsibilities for library professional positions 4. Improve self-check service (includes sensitizing/de-sensitizing feature)
Use IT extensively or innovative methods to improve processes
Use IT extensively or innovative methods to improve processes
Use IT extensively or innovative methods to improve processes
KAT/JO/YPH
YWC
All
1. Review the current IT infrastructure and propose a 3–5-year plan on how to upgrade or replace the systems to support services, resources and processes
30-Sep-15
Use IT extensively or innovative methods to improve processes
Owners
Adopt and adapt best practices to improve processes for optimal management of resources
Schedule Completion Date
Use IT extensively or innovative methods to improve processes
Indicators/ Measures/ Targets
Action Plan
Strategic Initiative
Tab. 1: Sample strategic action plans 2015 for NUS Libraries
278 | Lee Cheng Ean
Strategic Objective
Improve process and infrastructure
Improve process and infrastructure
Improve process and infrastructure
Thrust
Operational Excellence
Operational Excellence
Operational Excellence
Tab. 1 (continued)
Completion of project
7. Enhance I-CUBES@NUSL to display real time dashboard
Use IT extensively or innovative methods to improve processes
NCY & new team
LKK/KY/CEA /NCY
30-Oct-15
Complete the project and Reduce turnaround time (time-to-availability) by 40 %
6. Redesign work flow to a single seamless process (from ordering, cataloguing to e-access) to optimize users’ access to new titles in e-book packages – Phase 1: Design the improved work flow – Phase 2: "Pilot" test the improved work flow and conduct review – Phase 3: Further streamline or enhance the process for sustainability
Use IT extensively or innovative methods to improve processes
30-Oct-15
LKK/QYT/NPS
30-Oct-15
Completion of project
5. Collaborate with CIT / Computer Centre to provide a unified workflow for IVLE Text & Readings (new interface) to enhance users’ experience
Use IT extensively or innovative methods to improve processes
Owners
Schedule Completion Date
Indicators/ Measures/ Targets
Action Plan
Strategic Initiative
Continual Staff Development, Process and Service Improvement | 279
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People Our key resource is our staff. Highly motivated and skillful staff will result in innovative services and efficient performance leading to desired outcomes. The Associate University Librarian (AUL) Human Resources analyzes the individual development plans submitted by all staff and prepares the total training plan for each year. Based on the development needs, several initiatives were implemented: – Customized training for specific skills such as Effective Presentation and Customer Service – On-the-job training – Cross-functional training – Share and Learn Always sessions – Learning best practices such as A Day in the Life of . . . We have customized several courses to develop the skills of our staff. They have applied the skills learned, e.g. for the Lean Six Sigma skills acquired were applied to improve work processes. Since 2010, we have trained almost all library staff in Lean Six Sigma. Table 2 below shows the numbers trained. Tab. 2: Number of library staff trained in Lean Six Sigma Course Lean Six Sigma Black Belt (21 days) Lean Six Sigma Green Belt (9 days) Lean Six Sigma Yellow Belt (2 days) Lean Six Sigma Black Champion (1 day)
Number 3 13 155 11
On-the-jobtraining (OJT) and cross-training make up a large part of the staff training. All functional teams are trained to perform their job well and at the same time encouraged to think of innovative ways to implement changes for improvement. Staff also learn from sharing sessions. If staff connect to exchange their work experience then an exponential number of staff will improve their competence. Hence the sharing sessions synergize skills and capacity through peer exchanges of knowledge. Yet another effective way of learning is for staff to learn best practices from within and outside the library. Learning best practices through benchmarking
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with other libraries or organizations is an effective way of adapting and adopting services to suit our users’ needs.
Customers In order to offer services which are of value to the library users, we need to understand their needs and behavior. In 2009, we conducted a LibQual+ survey followed by an InSync Survey in 2013. In both surveys, we found that our library users were happy with the library staff. However library space and facilities need improvement. We also found that undergraduate students, graduate students, researchers and faculties’ needs differ. The survey results enabled us to segment the users and plan initiatives which would benefit each group most. In addition to holding discussions with the faculty, library resource teams also proactively look out for initiatives rolled out by the university. NUS has geared itself to produce future-ready graduates for the workforce. Resource teams plan their information literacy programs to meet this need through close collaboration with faculty. A recent example is the collaboration with the Ridge View Residential College (RVRC), a program that commenced in August 2014. A resource team was formed to support the college by conducting orientation and information literacy programs as well as providing advisory services. With the expanded support to residential college learning, from its conception to implementation, NUS Libraries is involved in building and supporting students with a holistic development. Knowing what each segment of users need would enable us to customize services, resources and configure library spaces. The initiatives would be more targeted, and, as a result, we would be able to achieve better outcomes.
Processes Since 2007, NUS Libraries has embarked on practicing continual process improvement. The majority of the library staff were trained in Lean Six Sigma methodology to improve processes. Teams studied the processes and used several tools learned to reduce waste. Time saved from reducing duplication of effort and elimination of unnecessary steps resulted in faster delivery of quality services and content to the library users.
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In collaboration with the Organizational Excellence Office (OEO) at NUS, teams accelerated their growth through sharing their work at university level and internationally to learn best practices while sharing theirs with others. The roadmap for development while improving processes was effective in delivering results. From 2008 to 2014, NUS Libraries completed 26 team projects with a total savings of 234 481 hours and S$ 4.95 million. So far, the completed projects were for specific processes undertaken by Innovative & Quality (IQ) teams. Some examples of projects include the following: Tab. 3: Selected list of projects and cost savings Project
Cost savings
Conversion of electronic mobile compact shelves to electrical mobile compact shelves Reducing turnaround time for receiving and cataloguing of urgent items Improving claim process for current journals Reviewing of loan desks process at NUS Libraries Speeding up document delivery process
S$ 1 154 546 S$ 675 000 S$ 418 019 S$ 178 230 S$ 54 741
NUS Libraries will be embarking on a major project to review the entire library’s end-to-end processes free of functional boundaries so as to deliver to users based on their needs. This will holistically revamp the way we have been doing things. This ambitious project is planned to start at the end of 2015. In 2014, we implemented a safety and health management system to ensure safety practices in the libraries. The safety measures and risk assessment implemented will ensure a safe and conducive place for library staff and users. We applied for assessment for the Annual Safety Health Performance Award and received the Commitment Award indicating our engagement and implementation of a safety management system.
Information Knowing how well we are performing or why certain targets are not being met is important for us, to know the gap and drill down to reasons for not achieving targets. As such, we explored building a business intelligence based on past data. The NUS Libraries’ business intelligence, called Integrated Intelligence and Infor-
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Fig. 2: Examples of a dashboard for process owner – Reference
Fig. 3: Example of dashboard for process owner – Information Literacy Programs
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mation System (I-CUBES@NUSL) was initially built using Microsoft Excel. We then migrated to a more robust platform using BellaDati. The new platform provides timely information for process owners to review the efficiency of various core processes as well as to identify and take action on problem areas based on the data. I-CUBES@NUSL provides organizational, departmental/library and process owner dashboards for quick alert on the performance of the processes using the traffic light color system for visual cue. Drill-down options enable the owners to pinpoint the problem areas for remedial actions. We are now improving the data storage system to import real-time data so that immediate corrective measures can be taken. We are planning how to capture and display more timely data so that it is possible for process owners to take corrective measures before the problem becomes more challenging. We are planning to use BellaDati to do some Business Analytics so that we can gain insight as to how patrons use our resources and services. The following is an example of a “real-time” dashboard which pulls data from our library system, Sierra (at hourly intervals), internal interlibrary hold titles which have yet to be processed and also a count and breakdown by hour of all our checkin and checkout titles. Building the dashboards and databases would involve active discussions between the project team and the process owners.
Fig. 4: Example of real-time dashboard
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I-CUBES@NUSL has enabled us to link the various disparate information sources together. It also guides us in gathering the appropriate information for improving services, processes and identifying areas for staff development.
Outcomes and results The results achieved are an important dimension for further improvement. The results show how well we have performed through strategic planning, our people, processes and information management. The outcomes also manifest the gaps and areas for improvement. They demonstrate the health of the organization and whether the library’s mission is being met and aligned with the university’s mission. NUS Libraries publishes a set of service standards together with other university departments on the university’s website. The published standards are our commitment to delivering excellent service. Mystery caller audits (MCA) are conducted by the OEO. Results are forwarded to university departments for action and the overall performance of the university is sent to the PS21 Office², a team within the Public Service Division of the Singapore Prime Minister’s Office, responsible for driving change and innovation in the Singaporean Public Service. In addition to this set of standards, we measure key performance indicators and targets for operations, people and customer satisfaction. Customer satisfaction is measured through the staff and student perception surveys conducted in alternate years by the OEO. The verbatim feedback and targets achieved are conveyed to NUS Libraries for analysis and follow-up actions. NUS Libraries has consistently achieved high scores in both perception surveys since 2008. In the MCA conducted in June 2014, we were measured on overall service experience, courtesy, efficiency, effectiveness and empathy. Although we fared well overall, we need to improve in some areas to meet the benchmark of 90 % set by the PS21 Office. We also measured staff engagement through the organization climate surveys which were conducted in 2008 and 2011. As with all surveys, results are analyzed and gaps identified. The root causes of the gaps are then examined before improvement plans are implemented. After the improvements are implemented, it would take some time for standardization before the results can be measured
2 PS21 Office http://www.theiteams.org/case-studies/ps21-office-0. Accessed June 15, 2015.
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again. Between the two staff surveys, the overall employee satisfaction increased. The survey results indicated that communication flow and career planning and development are two important factors which attribute to the organization climate.
Sylvia Yap Swee-beng
National University of Singapore Libraries: Our Story Introduction I joined the National University of Singapore (NUS) Libraries in 1973, over 40 years ago, upon graduation from my alma mater, the then University of Singapore. I am fortunate to have lived in the information age with a front row seat to witness the dramatic evolution of the library and the profession. In 1973, the library catalogue was made up of cards in drawers and now it is a collection of virtual records accessible anytime anywhere. Playing a role in shaping library services in an information technology intensive environment has been a very exhilarating experience. In this paper, I hope to share a glimpse of the Library’s 110-year journey, partnering the NUS community in providing a “transformative education”.
Background Information Singapore is an island Republic in Southeast Asia. National University of Singapore is the leading university in Singapore sited on three campuses, Kent Ridge, Bukit Timah and Outram located on the southern parts of the island. In response to a petition by the Chinese and other non-European communities for local training of doctors, the University was established in 1905 as a Straits Settlements and Federated Malay States Government Medical School. In its 110 years, the University has evolved through several mergers and name changes to become NUS in 1980. It has also mushroomed from a small medical school with 23 students to a community of about 50 000 students and staff comprising of 12 undergraduate and 4 graduate faculties and schools with a strong research presence of 26 university-level research institutes and centres. The University aspires to be a leading global university centred in Asia, influencing the future. It is a comprehensive university offering a wide range of disciplines, global programmes and value creating opportunities. The NUS Libraries primarily serves the NUS community. However, being the oldest Singapore academic library with the largest academic collection, we have traditionally also provided services beyond the NUS community. The library system comprises of
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seven libraries namely the Central (serves the Faculty of arts & social sciences, Faculty of engineering, School of design & estate management, and School of computing), Chinese, C J Koh Law, Hon Sui Sen Memorial (serves the Business school), Medical, Music and Science libraries.
From a Reading Room to Seven Libraries Celebrating its 110th anniversary this year, the Library’s origin can be traced to a library cum reading room in the Medical School located in the former female lunatic asylum at Sepoy Lines. Library space was a rare commodity even from the very beginning. Except for the medical materials, other subject collections for decades were located within each individual teaching department. It was only in 1953, that the Library was assigned a building to merge all the scattered subject collections. Unfortunately, shortly after moving into the new building we encountered a shortage of space again as our collection grew quickly with the inclusion of the Chinese language materials and the law collection. The next opportunity for the Library to increase its space substantially was in the late 1970s, when the University built a new campus at Kent Ridge. For the first time, all faculties were located on one site and were served by the Central, Law and Medical libraries. The Library later built two more special libraries, the Science and the Hon Sui Sen Memorial Libraries in the mid-1980s and finally the Music library was added in 2006. By the early 1990s, with the rapid growth of our collection, an accelerated increase in student numbers and the overall growth of the NUS community, the need for more space was aggravated again. Another expansion opportunity came when the Library was allocated a total of 4000 m2 in early 1993 for the expansion of the Central and Medical libraries. All the library buildings on campus, in fact, needed to expand. The difficult decision then was, how to effectively share the small space allocated with all the libraries. Finally, we decided to use the allocation to build one centralised onsite book storage facility to benefit all. The Central Library annexe storage facility, designed to hold one million volumes was completed in 1998. This new facility made it possible for us to create new activity spaces within the existing library buildings by gradually moving an estimated 65 % of our less-used collection to the closed stacks. Central Library underwent a major redevelopment in 2004, reusing the freed spaces to morph from a traditional set up of reading tables and stacks to a usercentric design reflecting emerging technologies, evolving curriculum and new
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pedagogical demands, as well as various learning, knowledge creating and information seeking preferences. The new facilities included: – Quiet study areas for individual study. – Interactive social spaces conducive for collaborative group learning or for individuals to informally chill out, select a drink from vending machines, interact, and exchange ideas. – Chat points for the use of mobile phones. – A 24-hour reading area when required by students, during examination periods. The most current proposal to upgrade the Central Library involves a plan to reuse space freed by the removal of some air handling units on its ground floor. Plans for approval have been submitted to revitalise its 10 year-old interior to align it with the ever evolving teaching, learning and research landscape on campus. The upgrade will include improving physical access, incorporating the latest IT equipment, active learning tools, self-service facilities, and flexible furnishing designs to support all aspects of learning, teaching, collaboration and discovery. Library expansion is a perpetual challenge which will worsen on a campus with limited land and expanding academic programmes. Fortunately, we are able with technology to provide innovative solutions which will allow us not only to maintain the richness of our collections but also to improve accessibility.
Collection Development Building a strong digital collection is a major development policy the Library has adopted since the early 1990s. We started to add electronic resources to our collection in mid-1990 and within two decades our Internet collection has grown to over half a million titles. The fruits of gradually shifting to electronic resources are many. Most importantly, it allows the Library to improve the currency of our collection, facilitate sharing of resources, and integrate our resources into the NUS users’ virtual work space anytime anywhere. This strategy also brought relief to our very tight storage space and shrinking staff force. Electronic collections comes with their own set of challenges such as leasing instead of owning the collection, complex, less transparent and restrictive use license agreements, as well as the many problems linked with metadata updating which affects the discovery of the electronic content. Besides building the commercially available e-content we also started, at the same time, to digitise rare historical materials in our print collection to share with international scholars.
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In response to the open access movement, the Library supports the green open access by developing an NUS institutional repository, Scholarbank@NUS. Housing scholarly outputs of NUS, it facilitates the preservation, promotion and sharing of NUS created knowledge internationally with scholars. Collections in this repository include journal articles, conference papers, patented works and student theses.
IT Key to Productivity and Connectivity NUS Libraries, supporting the nation’s information technology (IT) strategies, was an early IT adopter among Singapore libraries. IT underpins most of our strategies directed at enhancing services, facilitating access and increasing productivity. As such IT has dominated our developments since the early 1980s and is critical to our success today. We, however, are aware that as IT provides us with unlimited opportunities it also creates many challenges. In the early days, technology was harnessed mainly to improve internal library operations like cataloguing, reference and circulation. In the new millennium, we see IT evolving into a powerful enabler opening new avenues for the Library to permeate the virtual workspace of users. The NUS is constantly changing and reinventing itself, particularly since 2000, to meet the expectations of funding authorities, future student employers, parents and students. University Town (UTown), a recent introduction to our landscape is a new initiative that houses a sports complex, residential colleges, teaching facilities, IT study clusters and eateries. It aims to promote a new type of campus learning, living, and interactive experience for students. Since this hub of activities is located a distance from all our physical libraries, making an impactful library presence in the hub with no library space was a challenge. The Library had to innovatively position our services and collections at a convenient distance or just a “click” away for UTown or other remote users. Paradoxically, the more successful we were in our push to improve users’ convenience and better accessibility, the more invisible we became as we blended in with other products on the Internet. How we increase our visibility in a crowded virtual space and be where the users are at all times is an issue we have to revisit often. Our technology journey began in 1982 and until 2000 the focus had been on improving internal processes to better manage our limited resources and serve our users. Like most libraries, our initial IT projects involved the implementation of an online database management system (MINISIS) and an in-house circulation system (LACS). MINISIS automated the book processing operations resulting in
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the savings of staff time, improved efficiency and improved users’ accessibility to our collection. We were also the first academic library in Singapore to venture into offering a fully subsidised online information retrieval service via the DIALOG Services. The Library’s automation pace intensified in the 1990s. IT featured prominently in all our efforts to improve processes and services. Major milestones reached are shown in Fig. 1.
1990
– Launched a fully integrated library operation system – Enabled online checking of an English title status via NUS network and later via internet by 1992
1992
– Introduced smart card technology for loans transactions. This paved the way, for the implementation, in 1998, of our self-service cash-card fines payment facility
1995
May 1996
1998
Dec 1998
– Implemented Video-on-Demand to broadcast selected video programmes – Launched an electronic document management & retrieval system, InforGate, for dissemination of our in – house index to local articles, contents page alert and NUS examination papers
– Ventured into e-publishing. Produced SMC Ondisc, a bibliographic database about Singapore, Malaysia, Brunei and ASEAN (as an entity)
– Enriched catalogue records with table of contents and enabled retrieval and viewing of multilingual records
– Launched the Digital library homepage, an information integrator providing access to the Library’s catalogue, InfoGate, FAQ, e – forms, subject guides and announcements
Fig. 1: IT Innovations through 1990s
The Library is still blazing the IT trail as we advanced into the new millennium and shifted our development focus from process-centric to user-centric framework. Our initiatives, since 2000, have been directed at facilitating discovery, connecting with users, and creating “wow” experiences (Fig. 2).
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Jun – Adopted RFID technology to administer loans and manage stacks 2000 Jul 2000
– Fully automated the document delivery process starting from users’ request to delivery of the document to their desk top
Jan – Introduced self-service loans and remote returns, shortening counter queues 2001 2003 Aug 2004
– E-reserves accessible from students’ campus e-learning platform – Launched Library Portal, a one stop gateway to the Library’s digital collection and services
Dec – Library catalogue accessible on mobile devices 2005 2007 Jul 2008 Aug 2008 Dec 2012
– Adopted LibGuides to create subject guides – Adopted Web 2.0 technology to enhance the catalogue interface with faceted navigation, relevance ranking, book reviews and summaries as well as ability to link search results to their full text resources – Introduced 3-D interactive virtual tour of NUS libraries using Google Earth technology to facilitate location of services and books on shelves – Implemented Summon discovery tool to further enhance users’ information seeking experience
Aug – Installed a library book dispenser, NUSL Express, at UTown 2013 Plan for
2015
– Launch BrowZineTM to facilitate the browsing, reading and monitoring of journals on mobile devices
Fig. 2: IT Innovations through 2000s
Connecting with Users Besides making the Library more efficient, IT continued to pave the way for us to better communicate with the web savvy generation in a space and manner they are familiar with. When students started to embrace social media tools, the Library in 2007 seized this opportunity to explore how we could use these new tools to reach them in their virtual space. Our first attempt was to publish our newsletter as a blog on Wordpress. This allowed us to save on printing costs, improve currency and extend our reach. Next, we experimented with YouTube (to host our information literacy and orientation programmes), Twitter, Facebook, Foursquare, QR Codes and MEME. Today, Twitter (with 1745 followers) and Face-
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book (with 4273 likes) are the users’ favourites. We use these platforms to post news and events and also to share other online articles which may interest the students. Comments on Twitter and Facebook are also a good source of informal feedback which we monitor to clarify issues with users or use to improve services. NUS Libraries’ live Chat Service is another virtual service success story. Use of the service grew from about 68 per month, in 2010, to an average of 280 per month, today. Staff and students who used the service indicated that it is one of their preferred channels of communication. It is our aim to respond to every chat query that comes in within a minute. The popularity of this touch-point encouraged us to embed the Chat widget in more places besides the “Contact Us” point on our Library portal. Now users can initiate a chat with the Library via our Library Guides, Library FAQs, our discovery platform, certain databases such as Ebscohost and the students’ campus e-learning platform. With Chat we introduced a “physical” library presence back to our remote users. Its popularity could be due to its convenience, ubiquitous nature, and the anonymity of the virtual world. Traditionally, the Library offers orientation, information literacy programmes (ILP) and advisory sessions to new, final-year and graduate students as well as others who request for such sessions. This has not changed as we continue to create awareness of our library services and resources as well as demonstrate how to efficiently and effectively search, evaluate and use information. The programmes’ success, however, depended on the response by the students and support from their lecturers. We still believe that through our ILPs we can show how librarians can make a difference and distinguish ourselves from the ubiquitous Internet. ILPs not only transfer lifelong searching skills they can also bring a personal touch to users. An ILP coordinator was appointed in 2006 and all professionals were deployed to support the new ILP strategy. Each staff was assigned to oversee a subject-based resource and a specific-function team, for example the Medical Resource and the Citation Management team. The changed ILP strategy has turned a passive service that waits for users’ response to one which actively seeks opportunities to engage the faculties. In order that the programmes are relevant to the students and be of interest to them and the teaching staff, we aligned them closely with the objectives of specific modules or to the overall curriculum. The C J Koh Law Library and the Faculty of Law formed one of our first successful partnerships. The course offered by the Library has developed into the compulsory legal research component of the Faculty’s Legal, Analysis, Writing and Research programme. Over a decade old, the partnership has continued to deepen. Now, law librarians assist with the assessment of the students as well as participate in the interactive exercises. The librarians are also co-teachers in the international moots and other competitions module that prepares students
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participating in international moot competitions. Another early success was the inclusion of one exam question for the information literacy component in the final examination of a foundation marketing module which all first year business students had to take. Over the years, the quality of our programmes has prevailed, leading to requests from lecturers to pursue a longer-term of commitment of integrating information literacy to their curriculum. Besides the gradual growth in our reach we also saw more in-depth integration of ILP into the other curriculum with critical thinking and writing modules for Engineering, School of design and environment, and Medicine. Two latest courses are: – Research methodology and ethics module for first year Engineering PhD candidates. The information literacy component took up 25 % of the marks and all graduate students are to pass this module in order to take their qualifying exams. – A part of the living and learning component adopted by a residential college. Programmes include an introductory orientation programme and sessions on how to evaluate information sources. We are experimenting with training student mentors of the residential college to partner the librarians. An added benefit is we can inculcate the value of information literacy in the student trainers. We turn to IT again to package information literacy programmes to reach out beyond the classrooms and to support diverse learning styles. Short videos, LibGuides and web-recordings were uploaded to students’ e-learning platform. These online resources were used either to supplement classroom learning or for teaching large classes of over 500 students. We also experimented with the flipped classroom model in which students were required to read the materials mounted online before coming for the information literacy programme. This was to maximize the use of face-to-face time. In the past, learning was simpler. Focus was on lectures, self-study and yearend examinations. Today, students are faced with different teaching, learning and evaluation methods. They also face the added challenge of being in the age of “information explosion”. Looking ahead, the Library will have to keep pace with the rapidly evolving pedagogical scenarios to further enhance the quality of our information literacy programmes. This would involve continuous evaluation of changing curricula and their content, assessing ILPs’ impact on student learning outcomes and upgrading of the skills and subject knowledge of our resource librarians.
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As the University research activities grew in strength and stature, the Library duly set up a Scholarly Communication Committee to support the knowledge creation needs of NUS research community. For a start, the Committee aims to: – provide information on scholarly publications such as trends, publishing practices and copyright; – promote our NUS institutional repository, ScholarBank@NUS; – assist in the application of bibliometrics to analyse research performance and its impact. Library programmes initiated for the past decade reflect our embracing of a more user-centric service model. We are proactive in reaching out to the whole NUS community tailoring services to address specific needs of niche groups. To do this successfully with a shrinking pool of staff is a major challenge requiring the innovative allocation of staff and resources and astute juggling of service priorities. The fine art of finding the right balance and the ability to prioritise effectively are essential instincts of new age librarians.
Towards a Service Excellence Ethos As we entered the twenty-first century, the Library not only has to be nimble and proactive in an environment that is constantly evolving, but also we have to face challenges from escalating users expectations, Google, and declining resources such as manpower, space and budget. Consequently, to stay relevant and efficient in this new environment we reviewed and revamped our organisational structure in 2006. Aligning ourselves with the University’s vision, we adopted a new usercentric mission statement: “To deliver just-in-time information with passion and a smile”. This mission, in turn, is supported by four strategic thrusts: service excellence, collection excellence, staff excellence and operational excellence (see Lee Cheng Ean’s contribution to this volume). One significant change, made in 2008, to the staffing structure, was the creation of resource and functional teams. Professional staff members are required to carry out traditional library operations such as cataloguing, acquisitions or reference and also to be a member of a resource team in a specific subject area. In addition, professionals may also lead or be a member of an ad hoc project team. Holistically, each resource team oversees the collection development, conducts literacy programmes and also answers in-depth reference queries related to its assigned subject. The ability to multitask is therefore a crucial ability required of librarians in this new library environment. This new organisational structure
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provides many opportunities for talented younger professionals to lead a project or a functional team and be tested for future leadership posts. The Library, challenged by limited resources, always strive to do more and better but with less. A continuous improvement mindset is therefore weaved into our cultural tapestry. In recent times, higher educational institutions are increasingly driven to show evidence of their value to their stakeholders. We similarly must be prepared to demonstrate our value too. Under such a climate, we moved to formalise our journey towards excellence in 2006 and took the plunge to adopt the NUS Service Class framework, a campus wide initiative to help NUS offices assess service capabilities, identify gaps and improve service delivery. The framework is adapted from the Singapore Service Class, a certification from the business excellence niche standard for service based on the business excellence framework. For our efforts we received the 2007 Recognition for Service Excellence Award (Silver) and the 2010 Outstanding Service Excellence Award (Gold). Since 2008, we have adopted a three-year strategic planning cycle. The Library’s strategic plan guides the Heads of department in their planning of their annual departmental action plans which in turn guides the setting of individual staff members’ key results areas and measures. The balanced scorecard system is used not only to align our strategic objectives to our four major thrusts but also to facilitate the monitoring of our performance against the strategic objectives. In 2014, we automated the monitoring of our core processes performance using BellaDati, an agile business intelligence tool. BellaDati was used to create a dashboard to monitor the performance of our critical processes. Library staff are continuously encouraged to improve the environment, processes, and services. The University rewards staff recommending incremental changes or major innovative initiatives resulting in saving costs, creating quality improvements and increasing customer effectiveness. For over a decade, the Library staff had formed several Innovation & Quality teams, or IQ teams to review processes and recommend improvements. Our teams adopting the Lean Six Sigma methodology had completed several projects winning them many national and international awards. In the pursuit of excellence we learn to articulate our shared vision and mission as well as set meaningful measures that will reflect our progress. As librarians we see the importance of using the measures not only to keep us on track but also as prompters on where and what to improve in our processes. Although meeting targets are important, staff is also guided by a set of values that ensure that the quality and depth of service provided as well as our professional integrity are not compromised.
National University of Singapore Libraries: Our Story
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Conclusion The Library has been on an exciting roller coaster ride since the emergence of IT in our workplace. IT is a great enabler but is also a very fast driver. We had cajoled our staff out of their comfort zone, changed their mindsets and encouraged them to embrace change, the only known constant. Staff are encouraged to be an initiator of change and influence the future rather than a powerless follower. Some challenges, however, will remain unchanged since the day of our inception. Competition for budget, space and manpower with other University programmes on campus will continue and may exacerbate with time. Although the Library is no longer considered to be the “heart of the university” our role as a bridge linking users to the specific required information has not diminished. On the contrary, in this age of “information overload”, despite Google, our skills will continue to make a difference in helping users home in on their needle in the haystack. As librarians, we therefore, have to be alert to any slight breeze of change, keep an open mindset, be tuned to the wavelength of the evolving “instant – gratification” generation, strive to add value and remain relevant at all times.
Acknowledgment I wish to thank, Tim yap-fuan, Wong kah-wei, Stephanie Budiman, Lee chengean, Kan sok-cheng, Han ming-guang, Carol Wee, Umarani Jayapal, Ng chee-yong, Cheng eng-aun, Hashimah Johari for their assistance in the preparation of this paper.
| Teil V: Vernetzung und Kooperation
Gerda Winkler und Paolo Buoso
Innovation und Kooperationen in wissenschaftlichen Bibliotheken Ein Erfahrungsbericht der Universitätsbibliothek Bozen Inmitten einer Welt der medialen Umbrüche bewegen sich Bibliotheken und insbesondere wissenschaftliche Bibliotheken derzeit in einem Transformationsprozess, der existentiell die Frage nach dem Selbstverständnis und des gesellschaftlichen und intrauniversitären Auftrags aufwirft. Herkömmliche Aufgaben des Sammelns, Bereitstellens und Archivierens werden von neuen Rollen und Anforderungen torpediert, die nicht zuletzt einhergehen mit der schrittweisen Auflösung der Grundprinzipien des klassischen Publizierens und den damit verbundenen Rückwirkungen auf das Verlagswesen und den Publikationsmarkt. Angesichts dieser Entwicklung wird im folgenden Beitrag am Beispiel der Universitätsbibliothek Bozen beleuchtet, inwiefern der ursprüngliche Auftrag seit der Neugründung im Jahr 1997 über die Jahre in der Praxis aufrecht erhalten werden konnte und wie zugleich der innovative Charakter der ersten Stunde bis in die Gegenwart und Zukunft wirkt. Als die Universitätsbibliothek Bozen 1997 neu gegründet wurde, ging es den Planern darum, ein Informationszentrum aufzubauen, welches drei zentralen Aspekten Rechnung tragen sollte: Nutzerorientierung, ein auf digitale Medien ausgerichtetes Erwerbungsprofil und ein hoher Qualitätsanspruch. Diese drei zentralen Leitgedanken sollten sich durch jede Ader der Bibliothek ziehen. So entstand „am Vorabend der Geburt der hybriden Bibliothek“¹ ein innovatives Element innerhalb der Freien Universität Bozen mit dem Auftrag, in der lokalen Bibliothekslandschaft impulsgebend zu wirken. Die junge Bibliothek war in ihrer strategischen Ausrichtung und im täglichen Routinebetrieb sehr bald von den genannten Ansprüchen so weit durchdrungen, dass sie diese proaktiv erweiterte und in den letzten Jahren trotz ihrer überschaubaren Größe auch auf nationaler und internationaler Ebene mit den erzielten Benchmarking-Ergebnissen und mit Risikofreude im Bereich Innovation auf sich aufmerksam machte. Angetrieben durch die fortschreitende Technisierung und wechselnde Rahmenbedingungen
1 Kempf, Klaus u. Aldo Pirola: Von Null auf Hundert. Die Gründung der Universitätsbibliothek Bozen – Rahmenbedingungen, Konzept und Umsetzung. In: Die Bibliothek. 10 Jahre Universitas Studiorum Bauzanensis. Hrsg. von Elisabeth Frasnelli. Bozen: Universitätsbibliothek Bozen 2007. S. 15.
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liegt das Bestreben darin, die drei ursprünglichen Grundbausteine Nutzerorientierung, Qualität und Digitale Medien kaleidoskopartig in immer neuen Facetten hervorzubringen.
Outsourcing und Automatisierung aus Prinzip Als Besonderheit der Anfangsjahre, die sich bis heute halten konnte, gilt die konsequente Auslagerung von Routinetätigkeiten wie Katalogisierung oder Frontund Backoffice-Diensten an externe Dienstleister. Damit wird auf aufwendige Eigenleistungen verzichtet zugunsten einer am Preis-Leistungsverhältnis orientierten Auftragsvergabe und einer bewusst schlank gehaltenen Aufbau- und Ablauforganisation.² Die Priorität ist somit im Feld der Katalogisierung in allen Konsequenzen weniger auf die Vollständigkeit des Katalogeintrages gerichtet als vielmehr auf die Notwendigkeit des Findens im Katalog, wobei Aufwand und Kosten mit dem Bedürfnis der Nutzer in direkte Relation gesetzt werden. Besondere Herausforderungen in diesem Szenario können sich etwa durch unvorhergesehene Schenkungen größeren Ausmaßes ergeben. Wenn es auch gegen jedes Ehrgefühl und die Fachkenntnis einer gesamten bibliothekarischen Spezialdisziplin verstoßen mag, so scheint es unter den genannten Gesichtspunkten als annehmbar, wenn die für eine überschaubare Klientel relevante Schenkung von mehreren Tausend Titeln über ein Schnellverfahren in den Katalog eingearbeitet wird, indem ausgewählte studentische Hilfskräfte nach Sichtung durch den Fachreferenten in einem vorgefertigten Excel-Dokument bibliographische Bestandteile erfassen und damit eine Kurzversion eines Katalogeintrags entsteht, der in die Verwaltungssoftware überspielt wird. Das Fehlen jeglicher Schlagworte wird hier ebenso in Kauf genommen wie der Umstand, mit dem vorrangigen Prinzip der Freihandaufstellung zu brechen und die Bände mit Numerus Currens im Magazinbestand zu führen, dabei jedoch auf Vormerk- und Ausleihmöglichkeit im Katalog nicht zu verzichten. Der Effekt, der sich für die interessierte Zielgruppe aus den rasch verfügbaren Nachweisen im Katalog ergibt, ist in diesem Fall handlungsleitend und ergibt sich aus einer Prämisse des Just in time, wonach der Zugang zu benötigten Informationen so schnell und so bequem wie möglich gestaltet werden soll. Daraus leitet sich in logischer Folge auch der Einsatz einer Reihe von nutzerorientierten Dienstleistungen ab, welche sich in unterschiedlicher Intensität
2 Kempf, Pirola, Von Null auf Hundert (wie Anm. 1), S. 15.
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und Gestalt durchsetzen oder durch neue Formen abgelöst werden. Dazu zählen Approval-Pläne, ein kostenfreier Document-Delivery-Service inklusive Recherchedienstleistung, Link Resolver, Metasuche, Patron Driven Acquisition oder ein mehrsprachiger Chatterbot. Bei letzterem war die Zusammenarbeit mit der Fakultät für Informatik der Freien Universität Bozen und die Einbindung in das europäische Forschungsprojekt CACAO (Cross-language Access to Catalogues and Online Libraries) ganz entscheidend. Der Forschungsgegenstand von CACAO bezog sich auf die Verarbeitung natürlicher Sprache im Information Retrieval, sprachübergreifende Suchabfragen in Katalogen und die Problematik der Mehrdeutigkeit von Suchtermini und möglichen Lösungen, zum Beispiel durch die Anreicherung von Metadaten.³ Daran schließen verschiedene Maßnahmen der Automatisierung an wie etwa 24-Stunden-Rückgabeboxen, Selbstverbuchungsgeräte, Kassenautomaten, Multifunktionsdrucker und Aufsicht-Scanner. Letztere rechtfertigen beispielsweise die getätigte Investition mit einer durchgehenden Nutzungsfrequenz von einem Scan pro vier Minuten während einer Öffnungszeit von acht bis 24 Uhr. Nicht zuletzt setzt die 2013 lancierte und bibliotheksintern realisierte, erste Bibliotheks-App in Südtirol ein Signal in Richtung kontinuierliche Entwicklung von nutzerbezogenen Diensten.
Die Digitale Bibliothek im hohen Wellengang Der Trend zur verstärkten Nutzung elektronischer Informationsressourcen ist eklatant. Dass er sich – wenn auch in den verschiedenen Fachbereichen in unterschiedlichem Tempo – weiter fortschreiben wird, geht einher mit den Gewohnheiten einer Digital-Native-Generation, welche in den Hochschulen angekommen ist. Gerade deshalb müssen sich die Angebote und Handlungsfelder der Bibliothek neu ausrichten. Im Collection-Management erfordert der Ansatz, jeden Service aus Anwenderperspektive zu denken und umzusetzen, die eingehende Auseinandersetzung mit den elektronischen Angeboten am Publikationsmarkt. Dementsprechend wurde der E-Book-Bestand der Universitätsbibliothek Bozen im Jahr 2014 um 14 % seines Gesamtvolumens erweitert, was leicht erkennen
3 Levergood, Barbara, Stefan Farrenkopf u. Elisabeth Frasnelli: The Specification of the Language of the Field and Interoperability: Cross-Language Access to Catalogues an Online Libraries (CACAO). In: Metadata for semantic and social applications. Proceedings of the International Conference on Dublin Core and Metadata Applications. Hrsg. von Jane Greenberg u. Wolfgang Klas. Berlin, 22.–26. September 2008. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen 2008. S. 191.
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lässt, dass der Ausbau der Digitalen Bibliothek mitten im Focus der aktuellen Strategie liegt. Parallel dazu bestätigt eine exponentiell ansteigende Kurve der Fulltext-Downloads mit einem Zuwachs von 35 % im Vergleich zum Vorjahr die Richtigkeit der getroffenen Entscheidungen im Sinne eines Vorwegnehmens von Kundenbedürfnissen. Hinsichtlich dieser Tendenz verwundert es nicht, wenn zeitgleich der Verleih der Printbestände um 1 % zum Vorjahreswert im Abwärtstrend liegt. Mit dem Umstieg auf eine nutzerfreundlichere Ausleihpolitik mit längeren Standard-Ausleihfristen ging im Jahr zuvor zusätzlich ein massiver Verlust an Zweit- und Mehrfachausleihen einher, was geradezu einen Zählwertsturz in den Printausleihen auslöste. Allen Nachteilen zum Trotz, die sich dadurch in Statistikreports und Rankings niederschlagen, wurde die Maßnahme zum Wohle des Nutzers umgesetzt. Eine der weitreichendsten Entscheidungen der Universitätsbibliothek Bozen, die in den letzten fünf Jahren getroffen wurde, beruht auf der Erkenntnis, für die Steigerung von Effizienz und Effektivität in Organisation und Verwaltung ebenso wie für die Freisetzung der in Routineprozessen gebundenen Personalkapazitäten eine dynamische, zukunftsorientierte Verwaltungssoftware zu finden samt neuem Katalog, der auf googleähnlichem Suchverhalten aufbaut. Dadurch sollten bibliotheksintern neue Kompetenzen aufgebaut werden, um den Veränderungen in der Informationslandschaft besser gerecht zu werden und vor allem im Bereich Forschung und Lehre das Dienstleistungsspektrum anpassen bzw. neu entwickeln zu können. Die wichtigste Prämisse dabei war: zuerst der Nutzer. Diese führte in dieser Phase dazu, den Einsatz eines Discovery-Tools zeitlich vorzuziehen und erst nach der Implementierung von Primo im Jahr 2011 im Hintergrund den Umstieg auf eine integrierte Bibliothekssoftware der neuen Generation vorzubereiten, welche die Erwerbungsabläufe, die Bereitstellung aller Print- und elektronischen Ressourcen, die Nutzerdaten und den Verleih verwaltet. Abgesehen von den ökonomischen Vorteilen sprachen mehrere Gründe für eine Teilnahme am Alma-Early-Adopter-Programm wie zum Beispiel das ausgelagerte Hosting der cloudbasierten Software und die damit verbundene Unabhängigkeit von internen Kapazitäten, die Integration von Bibliotheksnetzen wie auch von global verfügbaren und lokalen Informationsressourcen, die Automatisierung von Standardprozessen, die optimierten Analyse- und Statistikmöglichkeiten, aber auch der Austausch einer starken Anwender-Gemeinschaft. Das Jahr 2013 begann mit einem gänzlichen Neustart hinter den Kulissen als die Universitätsbibliothek Bozen nach der Weihnachtsschließung am 2. Januar und nach letzten Vorbereitungen während der Schließzeit ihren Bibliotheksbetrieb als erste Bibliothek in Kontinentaleuropa mit der neuen Verwaltungssoftware Alma wieder aufnahm. Während der gesamte Mitarbeiterstab einer völlig neuen Arbeitssituation gegenüberstand, blieb dies vom Nutzer unbemerkt, indem
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er alle Dienstleistungen ohne Unterbrechung in Anspruch nehmen konnte. Was Changemanagement in einer wissenschaftlichen Bibliothek und die Metamorphose von Organisationen bedeutet, hatte das Jahr 2013 gleich in mehrfacher Hinsicht gelehrt. Unmittelbar nach dem Systemumstieg wechselte die Führung der Bibliothek. Die neue und stellvertretende Leitung wurden intern gefunden, auf die Nachbesetzung der freigewordenen Positionen musste jedoch unfreiwillig verzichtet werden. Bei geschrumpftem Personalstand wurde Mitte Juli ein neuer Bibliotheksstandort in Bruneck mit vollumfänglichem Dienstleistungsspektrum eröffnet – ein Neubau, der zusammen mit einer öffentlichen Bibliothek in 80 Kilometern Entfernung vom Hauptsitz in Bozen betrieben wird. Den Jahresabschluss bildete schließlich die Datenmigration von rund 500 000 Datensätzen. Mit dieser Migration wurden die wissenschaftlichen Bibliotheken der Europäischen Akademie in Bozen, der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen, des Forstund Landwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg, des Konservatoriums Claudio Monteverdi und des Museion zusammen mit der Universitätsbibliothek in einem gemeinsamen Datenpool verbunden. Bevor letzteres noch weiter ausgeführt wird, muss an dieser Stelle ein Nachtrag zum Größenbezug der Universitätsbibliothek Bozen gegeben werden. Mit insgesamt rund 3500 Studierenden, die an drei Standorten in Bozen, Brixen und Bruneck studieren, und den rund 2500 aktiven Nutzern (Interessierte ab dem 18. Lebensjahr) gehört die Bibliothek zu den Kleinsteinrichtungen ihrer Disziplin. Auf 6000 Quadratmeter Freihandbereich entfallen 10 000 Regalmeter, 580 Arbeitsplätze und 22 Carrels sowie je 5 Gruppenarbeitsräume und PC-Pools. Sowohl der großzügige Umgang mit Fläche als auch ein Raumprogramm mit stark differenzierten Lernumgebungen charakterisieren die Bibliotheken an den drei Standorten.⁴ 500 000 Besucher im Jahr, rund 250 000 Printmedien, 60 000 E-Books, 175 000 physische Ausleihen und 235 000 Downloads sind aktuelle Kennzahlen. Quantitativ betrachtet besucht fast jeder Studierende pro Jahr eine Veranstaltung der Bibliothek im Bereich Information Literacy. Das Mitarbeiterteam setzt sich aus 22 Fulltime-Equivalenten zusammen (inklusive Mitarbeiter für den Universitätsverlag) und verfügt über eine Akademikerquote von knapp 80 %. Mit den drei Sitzen der Universitätsbibliothek stellt sich die Herausforderung, das vollständige Dienstleistungsangebot an allen Standorten in derselben Qualität anzubieten und trotzdem auf die individuellen Ansprüche der verschie-
4 Frasnelli, Elisabeth: Spazi e servizi per gli utenti: l’approccio della Biblioteca Universitaria di Bolzano. In: Architettura della biblioteca e identità universitaria. Atti del convegno, Firenze, 28.– 29. September 2006. Hrsg. von Chiara Melani u. Francesca Palareti. Milano: Edizioni Sylvestre Bonnard 2007. S. 218–226.
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denen Fakultäten einzugehen. Gewährleistet wird dies unter anderem, indem die ursprünglichen Teilbibliotheken aufgehoben wurden zugunsten von standortübergreifenden Teams und zusätzlich durch einige MitarbeiterInnen – zum Beispiel aus den Bereichen Customer Service, Acquisition, Fernleihe und Fachreferat – die mehr als einen Dienstsitz haben und flexibel an den verschiedenen Standorten tätig sind.
Zusammenarbeiten aus Vertrauen Engste Zusammenarbeit mit den Fakultäten gewährleistet eine direkte Anbindung an die einzelnen Aktivitäten der Studiengänge, wodurch der bibliothekarische Support von Studium und Lehre am schnellsten an die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen angepasst werden kann. So berief beispielsweise der Dekan der Fakultät für Bildungswissenschaften Ende 2012 eine Arbeitsgruppe ein, die mit der Aufgabe betraut wurde, eine Neuregelung zur Abgabe der Laureatsarbeit aufzusetzen. In der Arbeitsgruppe ging es darum, sämtliche Abläufe in der Studienabschlussphase zu regeln wie Zeitpunkt, Form und Voraussetzungen für die Einreichung des Titels, die Zuweisung des Betreuers, Form, Inhalt und Bewertung der Laureatsarbeiten, die Zusammensetzung und Ernennung der Prüfungskommissionen usw. Zur Mitarbeit eingeladen waren auch die Fachreferenten der Bibliothek. Auf diese Weise gelang es, folgenden Passus in eine der wichtigsten Regelungen der größten Fakultät der Freien Universität Bozen zu bringen: Der Studierende kann die Ausarbeitung der Abschlussarbeit aufnehmen, nachdem er seine Fähigkeiten im wissenschaftlichen Schreiben nachgewiesen hat. Es obliegt den jeweiligen Studiengängen zu entscheiden, in welcher Form der Nachweis über diese Fähigkeiten erbracht werden soll. In jedem Fall müssen alle Studierenden das entsprechende Niveau nach den Information Literacy Competency Standards for Higher Education erreichen, welches von der Bibliothek bestätigt wird.⁵
Auf dieser Basis und seit Inkrafttreten dieser Regelung bietet die Bibliothek an der genannten Fakultät zusätzlich zu 20-stündigen Laboratorien für alle angehenden Laureanden vier- bis sechsstündige Vorbereitungskurse zu Informationskom-
5 Freie Universität Bozen Fakultät für Bildungswissenschaften: Regelung der Abschlussprüfungen für Studierende, immatrikuliert ab dem a. J. 2012/2013 und für alle Studierenden des Masterstudienganges Bildungswissenschaften für den Primarbereich. http://www.unibz.it/de/ education/welcome/Documents/Regelung%20LA%2012-13.pdf (5.3.2013).
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petenz an und evaluiert im Anschluss die vorhandenen Kompetenzen. Weitere Lehraktivitäten bestreitet sie neben einem disziplinübergreifenden Kurs für PhDStudierende und verschiedenen nicht im Curriculum verankerten Workshops im Lehrplan des sogenannten Studium Generale. Im Sinne einer optimal am Nutzer ausgerichteten Dienstleistung war es für die Bibliothek aufgrund der höchst heterogenen Alters- und Lerngruppen notwendig, die Lehrinhalte vollständig neu zu erarbeiten und damit den unterschiedlichen Ansprüchen zu genügen.⁶ Flexibilität bei der Vorbereitung der Kursinhalte und vor allem in der Methodenwahl ist insofern bedeutend, als mit der charakteristischen Sprachsituation an der Freien Universität Bozen – einem gleichwertigen Miteinander von Deutsch, Italienisch, Englisch (und Ladinisch) – auch unterschiedliche Lehr- und Lernkulturen aufeinander treffen. Dem Gebrauch einer leicht verständlichen Sprache, ohne dabei die Inhalte zu vereinfachen, kommt ein besonderes Gewicht zu.⁷ Ein weiteres Produkt enger Zusammenarbeit mit der Fakultät für Bildungswissenschaften ist die Digitalisierung der didaktischen Materialien der sogenannten Lernwerkstatt⁸ anhand der Open-Source-Software Omeka (Projekt des Roy Rosenzweig Centers) durch die Bibliothek. Hier werden über eine eigene Suchoberfläche Bilder und Beschreibungen zum Einsatz und Lerneffekt der Übungsmaterialien für den Unterricht im Vor- und Primarschulbereich mit umfassenden Such- und Filterkriterien angereichert und dank Dublin Core und OAI-PMH mit dem Discovery Tool verbunden und damit ein Zweifachzugriff auf ein und denselben Treffer geschaffen. Zweifellos ist das Engagement der Bibliothek bei der Verwaltung der Forschungsplattform Converis und des integrierten, auf DSpace aufgesetztem institutionellen Repositoriums⁹ als eine folgerichtige Konsequenz ihres Selbstverständnisses zu werten. Die Aktivitäten der Bibliothek fallen hier in einen Handlungs- und Ressourcenspielraum, der in weiser Voraussicht durch die oben beschriebenen Effizienzsteigerungen und Priorisierungen erarbeitet wurde.
6 Winkler, Gerda, Eva Moser u. Elisabeth Frasnelli: Informationskompetenz in Südtirol. Entwicklungsstand und Perspektiven. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin: De Gruyter 2012. S. 543. 7 Buoso, Paolo: La biblioteca come ambiente formativo: L’esperienza della Libera Università di Bolzano. In: Biblioteche & formazione. Dall’information literacy alle sfide della società dell’apprendimento. Hrsg. von Claudio Gamba u. Maria Laura Trapletti. Milano: Editrice Bibliografica. S. 269. 8 Vgl. http://lernwerkstatt.unibz.it (3.6.2015). 9 Vgl. http://bia.unibz.it (3.6.2015).
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Die Wissenschaftsbibliothek Südtirol – eine verheißungsvolle Allianz Der Einsatz neuer Informationstechnologien, der Auf- und Ausbau der Universitätsbibliothek Bozen zu einer Bibliothek mit zentralen territorialen Funktionen und die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern waren bereits in der Gründungsphase vorgesehen und es bestand immer eine große Bereitschaft zu Kooperation und Allianzen. Die Bestrebungen gingen deshalb schon früh dahin, innerhalb der Region getrennt operierende Bibliotheken und Forschungseinrichtungen zu einem kohärenten Gesamtsystem sowohl in der konventionellen als auch in der digitalen Informationsversorgung zu vernetzen. Projekte wie b|core gewährleisteten eine gleichmäßige und umfassende Versorgung von elektronisch verwalteter Spezialliteratur für verschiedene Einrichtungen, während in einem Metakatalog die Printbestände einiger lokaler Fachbibliotheken nachgewiesen wurden. Der Umstieg der Universitätsbibliothek Bozen auf ein Discovery-Tool und der Systemwechsel im Jahr 2013 lösten im bestehenden Bibliotheksnetz ein Beben der bis dahin gewachsenen Strukturen aus. In der Folge ging es um die konsequente Überführung der Partnerbibliotheken in die Alma-Primo-Umgebung und die Integration neu hinzukommender Kooperationspartner. Immer die Vorteile für die Bibliotheksnutzer im Steuerungsfocus gelang es, im Oktober 2014 die bibliotheksintern neu gestaltete Katalogoberfläche als Wissenschaftsbibliothek Südtirol¹⁰ der Öffentlichkeit zu präsentieren und eine nicht unerhebliche Anzahl an Bibliothekspartnern vorzuweisen, die bis zum heutigen Zeitpunkt folgende sind: – Universitätsbibliothek Bozen – Bibliothek der Europäischen Akademie EURAC – Bibliothek der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen – Bibliothek des Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg – Bibliothek des Konservatoriums Claudio Monteverdi – Bibliothek des Museion (Museum für Zeitgenössische Kunst Bozen) – Bibliothek des Ladinischen Instituts Micurà de Rü – Bibliothek des Naturmuseums Bozen – Bibliothek des Ladinischen Bildungs- und Kulturressorts.
10 Vgl. http://primo.unibz.it (3.6.2015).
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Abb. 1: Startseite des Online-Kataloges der Wissenschaftsbibliothek Südtirol. Die graphische Benutzeroberfläche des Kataloges wurde an der Universitätsbibliothek Bozen komplett inhouse von Paolo Buoso, Matthias Einbrodt und Luigi Siciliano entworfen und implementiert.
Zur Wissenschaftsbibliothek Südtirol hinzukommen möchten in unmittelbarer Zukunft die Bibliothek des Amtes für Europäische Integration, die Bibliothek der Landesfachhochschule Claudiana, die Bibliothek des Archäologiemuseums Bozen und die Museumsbibliothek von Schloss Tirol. Für die teilnehmenden Bibliotheken soll die gesteigerte Sichtbarkeit jeder einzelnen Institution durch den gemeinschaftlichen Webauftritt zum Gewinn werden, zumal die Bestände mit logistischer Verbindung zwischen den Partnern ausgetauscht, dadurch noch besser genutzt und neue Zielgruppen erreicht werden. Was hier lapidar dargestellt ist, verbirgt einen kaum vorstellbaren Klärungsbedarf nicht in erster Linie in Bezug auf die technische Machbarkeit und Umsetzung, sondern vor allem im Hinblick auf organisatorische und vor allem rechtliche und finanzielle Aspekte, die bis in höchste landespolitische Entscheidungsgremien wirken. Es versteht sich von selbst, dass die Rolle der Universitätsbibliothek Bozen, für die Partnerbibliotheken des neuen Netzwerkes als Serviceprovider zu fungieren, in erster Instanz von der Universitätsleitung mitgetragen werden muss. Auf der Basis dieses Vertrauens entstand aktuell auch eine Kooperation mit dem Amt für Ausbildung des Gesundheitspersonals in Bozen, welche einen zentralen Einkauf elektronischer Informationsressourcen für das Projekt Virtuelle Medizinische Bibliothek
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durch die Universitätsbibliothek Bozen vorsieht und auf Kosteneinsparung durch Synergieeffekte zielt. In der Planung und Umsetzung neuer Versorgungsdienste werden zunehmend auch grenzüberschreitende Ansätze anvisiert und die Verbindung zu den großen Nachbaruniversitäten von Innsbruck und Trient sind in Teilen bereits konkretisiert. Dass sich all die Zusatzaufgaben und Aktivitäten auf Nebenschauplätzen nicht in Rankings und Benchmarking-Ergebnissen abbilden lassen, sei hier lediglich als Anregung formuliert, die Maßstäbe, Indikatoren und Leistungsparameter gängiger Messinstrumente dringend auf ihre Aktualität hin zu prüfen und damit den Umbrüchen und veränderten Realitäten auch in der Leistungsmessung von Bibliotheken Rechnung zu tragen. Neue universitätsinterne und externe Kooperationen sowie der laufende Ausbau der fachlichen Expertise im Bereich der Beschaffung elektronischer Medien bestimmen in den nächsten Jahren mit Sicherheit die Handlungsfelder der Universitätsbibliothek Bozen. Angesichts der sich abzeichnenden Verschärfung der Ressourcenknappheit muss es im Rahmen des neuen Bibliothekenverbundes der Wissenschaftsbibliothek Südtirol noch stärker um Profilbildung und auf einen abgestimmten Ressourceneinsatz ankommen, woraus sich vermutlich unkonventionelle organisatorische Lösungen ergeben werden. Flexibilität und Innovation bleiben also als Zauberwort erhalten.
Literatur Buoso, Paolo: La biblioteca come ambiente formativo: L’esperienza della Libera Università di Bolzano. In: Biblioteche & formazione. Dall’information literacy alle sfide della società dell’apprendimento. Hrsg. von Claudio Gamba u. Maria Laura Trapletti. Milano: Editrice Bibliografica 2008. S. 251–269. Frasnelli, Elisabeth: Spazi e servizi per gli utenti: l’approccio della Biblioteca Universitaria di Bolzano. In: Architettura della biblioteca e identità universitaria. Atti del convegno, Firenze, 28.–29. September 2006. Hrsg. von Chiara Melani u. Francesca Palareti. Milano: Edizioni Sylvestre Bonnard 2007. S. 218–226. Freie Universität Bozen Fakultät für Bildungswissenschaften: Regelung der Abschlussprüfungen für Studierende, immatrikuliert ab dem a. J. 2012/2013 und für alle Studierenden des Masterstudienganges Bildungswissenschaften für den Primarbereich. http://www.unibz. it/de/education/welcome/Documents/Regelung%20LA%2012-13.pdf (5.3.2015). Kempf, Klaus u. Aldo Pirola: Von Null auf Hundert. Die Gründung der Universitätsbibliothek Bozen – Rahmenbedingungen, Konzept und Umsetzung. In: Die Bibliothek. 10 Jahre Universitas Studiorum Bauzanensis. Hrsg. von Elisabeth Frasnelli. Bozen: Universitätsbibliothek Bozen 2007. S. 13–28.
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Levergood, Barbara, Farrenkopf, Stefan u. Elisabeth Frasnelli: The Specification of the Language of the Field and Interoperability: Cross-Language Access to Catalogues an Online Libraries (CACAO). In: Metadata for semantic and social applications. Proceedings of the International Conference on Dublin Core and Metadata Applications. Hrsg. von Jane Greenberg u. Wolfgang Klas. Berlin, 22.–26. September 2008. Göttingen: Universitätsverlag 2008. S. 191–196. Winkler, Gerda, Eva Moser u. Elisabeth Frasnelli: Informationskompetenz in Südtirol. Entwicklungsstand und Perspektiven. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 532–543.
Wilfried Lochbühler
Hauptbibliothek – Medizin Careum in Zürich Integrale Literaturversorgung für Medizin und Gesundheitsberufe Die Hauptbibliothek – Medizin Careum in Zürich ist ein integrales Informationszentrum für die Medizinische Fakultät der Universität Zürich, Angehörige des UniversitätsSpitals Zürich¹, des Careum Bildungszentrums und der Kalaidos Fachhochschule. Sie versorgt ein breites Spektrum von Fachpersonen aus beruflicher Grundbildung, höheren Fachschulen, Fachhochschulen medizinischem Studium, Klinik und Forschung auf Universitätsniveau. Sie bündelt damit zahlreiche Aufgaben im Bereich Medizin und Gesundheit, nutzt Synergien, schafft zugleich Begegnungsmöglichkeiten und zentrale Voraussetzungen für interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit. Sie ist zudem elektronische Bibliothek, Bibliothek als Ort und bibliothekarisches Fachzentrum für Klinikbibliotheken in Zürich.
Entstehung und Entwicklung der Hauptbibliothek – Medizin Careum Mit der Einrichtung der Hauptbibliothek – Medizin Careum im Jahr 2004 wurden drei Stränge bibliothekarischer Entwicklung miteinander verknüpft: Die Hauptbibliothek der Universität Zürich (HBZ) entstand 1980 unter dem Namen „Hauptbibliothek Irchel“ mit der Gründung des neuen Campus Irchel am Stadtrand von Zürich für die naturwissenschaftlichen Fachbereiche der Universität Zürich (UZH).² Sie war hinsichtlich des Standortes und der Aufgaben zunächst fachspezifisch und regional orientiert, hatte aber vor allem im Bereich Bibliothekssystem bereits früh auch universitätsweite Aufgaben über-
1 UniversitätsSpital Zürich (sic! = Eigenname). Der Verfasser dankt Anna Schlosser, Leiterin der Hauptbibliothek – Medizin Careum und Dr. Martina Gosteli, Fachreferentin Medizin, für wertvolle Anregungen zu diesem Beitrag. 2 Vgl. Lochbühler, Wilfried: Dreischichtigkeit zwischen Diversifikation und Kooperation. Das Bibliothekssystem der Universität Zürich. In: Handbuch Hochschulbibliothekssysteme: Leistungsfähige Informationsinfrastrukturen für Wissenschaft und Studium. Hrsg. von Konstanze Söllner u. Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 112–120.
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nommen. Die Angliederung der UniversitätsSpital-Bibliothek und die Integration des Bereichs Pflege im Jahr 2004 bedeutete für die HBZ eine entscheidende Weiterentwicklung. Das UniversitätsSpital Zürich (USZ)³ ist mit rund 900 Betten und 8500 Mitarbeitenden das größte Universitätsklinikum der Schweiz und dient als Ausbildungsstätte für die Medizinstudierenden der Universität Zürich.⁴ Die differenzierte Struktur mit heute 43 Kliniken und Instituten ist räumlich z. T. auf dem Areal des UniversitätsSpitals im Zentrum von Zürich, z. T. aber auch in separaten Klinikgebäuden mitunter in größerer räumlicher Distanz untergebracht (Psychiatrie, Orthopädie, Pädiatrie). Dies spiegelt sich auch in einer komplexen Bibliotheksstruktur wider. Die 1956 gegründete UniversitätsSpital-Bibliothek (USZ-Bibliothek)⁵ fungierte als wissenschaftliche Fachbibliothek für die Medizinische Fakultät und für das UniversitätsSpital. Sie hatte im Jahr 1999 rund 126 000 Bände, 11 Mitarbeitende und 110 Leseplätze. Gehörte die USZ-Bibliothek bis anhin dem UniversitätsSpital und der Universität gemeinsam (Doppelleitung), so wurde sie im September 2003 der Hauptbibliothek der Universität Zürich unterstellt, um den neuen erweiterten Leistungsauftrag zu organisieren. Im Bereich Pflege wurde 2004 die ehemalige „Stiftung Schwesternschule und Krankenhaus vom Roten Kreuz Zürich Fluntern“ organisatorisch als Careum Stiftung weiterentwickelt. Mit einer differenzierten Organisationsstruktur ist Careum im Bereich der Gesundheitsberufe auf verschiedenen Stufen von beruflicher Grundbildung, über höhere Fachschule bis hin zur Fachhochschule, aber auch im Bereich Forschung, Weiterbildung und Verlag tätig.⁶ Die Careum Stiftung errichtete ab 2004 auf dem ehemaligen Rotkreuzareal im Zentrum von Zürich in direkter Nähe zum Hauptgebäude der Universität und zum UniversitätsSpital neue Gebäude. Diese Räumlichkeiten boten der Universität die Möglichkeit einer Anmietung von Flächen⁷ und die Chance einer Verlegung der USZ-Bibliothek ins neue Careum-Hauptgebäude in Verbindung mit einer gemeinsamen Nut-
3 Im UniversitätsSpital Zürich sind 2500 Mitarbeitende (von total 8500 Mitarbeitenden) in der Forschung in praktisch allen medizinischen Disziplinen tätig. http://www.usz.ch (10.5.2015). 4 Die Medizinische Fakultät der Universität Zürich ist mit knapp 3000 Studierenden die größte der Schweiz. Vgl. Studierendendaten. Studierende im Überblick. Herbstsemester 2014. Hrsg. von der Universität Zürich. http://www.fi.uzh.ch – Rubrik: Führungsinformationen – Studierendenstatistik (10.5.2015). 5 Vgl. Schlosser, Anna: UniversitätsSpital-Bibliothek Zürich (USZB). Kostenanalyse der dezentralen Klinikbibliotheken. Projektarbeit Zürich 1999. S. 9. 6 Vgl. http://www.careum.ch (10.5.2015). 7 Die Zumietung von Flächen erlaubte der UZH zudem die Einrichtung von Skill Labs und Gruppenräumen, die dem veränderten Curriculum im Medizinstudium entsprachen.
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zung mit dem Careum Bildungszentrum.⁸ Mit einer Integration der Bestände der bestehenden kleineren Pflegebibliotheken der Careum Stiftung und pflegewissenschaftlicher Bestände aus Klinik-Bibliotheken des UniversitätsSpitals konnte zugleich der Grundstein zum Aufbau eines pflegewissenschaftlichen Schwerpunkts gelegt werden. Mit der Eröffnung unter dem Namen Medizinbibliothek Careum am 18. Oktober 2004 am neuen Standort Gloriastrasse fügten sich unterschiedliche Stränge der Bibliotheksentwicklung von UniversitätsSpital, Careum und Hauptbibliothek der Universität Zürich zu einer neuen Partnerschaft zusammen. Die Hauptbibliothek wurde nicht nur fachlich und regional erweitert⁹, sondern auch die Organisationsstruktur wurde, sowohl intern wie auch in Bezug auf die Einbindung der Hauptbibliothek in die Universität, angepasst. Die Zusammenarbeit mit dem UniversitätsSpital und der Careum Stiftung wurde im Rahmen von Leistungsvereinbarungen nach New Public Management-Kriterien geregelt.¹⁰ Eine Vereinbarung regelt das Mietverhältnis, die Dienstleistungen der Bibliothek (Öffnungszeiten, Leseplätze, PC-Arbeitsplätze, Bestandsentwicklung etc.) und die entsprechende Kostenbeteiligung der Partner. Die Hauptbibliothek – Medizin Careum fungiert so als Dienstleister, organisiert den täglichen Betrieb und steht im regelmäßigen Kontakt zu den Partnerorganisationen.¹¹ Nicht nur die organisatorische Sicherstellung der finanziellen Abläufe, sondern auch das lizenzrechtlich und technologisch komplexe Netzwerkbetriebskonzept stellen dabei bis heute besondere Herausforderungen dar. Räumlich konnte die Hauptbibliothek – Medizin Careum 2007 durch Anmietung zusätzlicher Flächen zunächst in einem separaten Gebäude (Careum 2) erweitert werden. Es entstanden zusätzlich 120 Leseplätze für Medizinstudierende, die 2015 nach einem Erweiterungsbau direkt räumlich in die Bibliothek integriert werden konnten.¹² Die Bewirtschaftung wurde so erleichtert. In Verbindung mit einer RFID-basierten Selbstverbuchungs- und Buchsicherungsanlage
8 Für die problemorientierten Curricula am Careum Bildungszentrum ist die Studienlandschaft integraler Bestandteil des Ausbildungskonzepts. 9 Die Angliederung bedeutet für die HBZ die Einrichtung eines zweiten Hauptstandorts im Zentrum von Zürich mit 120 000 zusätzlichen Bänden und 12 neuen Mitarbeitenden (vgl. HBZ Jahresbericht 2004. S. 3 f.). 10 Die HBZ erhielt zunächst einen Lenkungsausschuss und eine neu zusammengesetzte Bibliothekskommission. 11 Hierzu gehören die Einsitznahme in Gremien der Partner UniversitätsSpital und Careum, regelmäßige Kontakte mit den betrieblichen Stellen und organisatorisch Verantwortlichen (vgl. HBZ Jahresbericht 2004. S. 16). 12 Vgl. HBZ Jahresbericht 2007. S. 6.
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und durch Badgezutritt zu Randzeiten konnten zugleich die Öffnungszeiten erweitert werden.¹³
Ausbau des Bereichs Pflegewissenschaft Seit der Gründung 2004 war der Bereich der Pflegewissenschaft ein wichtiger neuer Bereich der Hauptbibliothek – Medizin Careum und die gemeinsame Nutzung einer integralen Bibliothek für Medizin und Pflege eine tragende Kernidee der beteiligten Partner. Dies entspricht auch der Entwicklung der Gesundheitsberufe, die mit einer wachsenden Differenzierung und Professionalisierung einhergeht.¹⁴ Zu nennen ist einerseits das gewandelte Selbstverständnis der Gesundheitsberufe, das sich in Zusammenarbeit mit und in Profilierung als Pflegewissenschaft gegenüber der akademischen Medizin und der Ärzteschaft entwickelt.¹⁵ Andererseits führte die Konsolidierung bei den Ausbildungsorganisationen im Bereich Pflege und die weitere Differenzierung und Tertiarisierung der Ausbildung in der Schweiz¹⁶ zu einem Ausbau unter dem organisatorischen Dach der Careum Stiftung. Das hatte direkte Auswirkungen auf die Bibliothek.
13 Die aktuellen Öffnungszeiten sind Mo–So 7.00–23.00 Uhr, davon Mo–Fr 8.00–20.00 Uhr und Sa 8.00–16.00 Uhr mit Vollservice (Ausleihe vor Ort, Beratung). In den übrigen Zeiten und sonntags ist der Zutritt mit Badge möglich und Kontrollgänge werden durch Sicherheitsdienste durchgeführt. 14 Vgl. HBZ Jahresbericht 2004. S. 2; Jahresbericht 2005. S. 6, 8; Jahresbericht 2006. S. 6; Jahresbericht 2010. S. 13 f., 23. 15 Vgl. Ziele und Aufgaben der Medizin zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Bericht einer ExpertInnengruppe der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften, der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) sowie der fünf Medizinischen Fakultäten. Hrsg. von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Basel 2014. S. 23 f.; vgl. ferner: Eine neue globale Initiative zur Reform der Ausbildung von Gesundheitsfachleuten. Lancet Report – Health Professionals für das neue Jahrhundert. Hrsg. von der Careum Stiftung. Zürich: Careum Verlag 2011; zudem: Käppeli, Silvia. 20 Jahre Pflegewissenschaft in der Praxis. In: Unterwegs sein. 60 Jahre WE’G/Kaderschule. Hrsg. vom WE’G Weiterbildungszentrum für Gesundheitsberufe. Aarau 2010. S. 30–35. 16 Im Jahr 2011 folgte der Zusammenschluss von WE’G Stiftung Weiterbildung Gesundheit, TERTIANUM Bildungsinstitut ZfP, Interkantonale Spitex Stiftung (prospitex) und der Careum Stiftung unter dem Dach der Careum Weiterbildung. Kurse und Weiterbildungsveranstaltungen werden nun aus einer Hand vorwiegend in Zürich angeboten. Vgl. http://www.careum-weiterbildung.ch. Rubrik: Über uns/Trägerschaft (10.5.2015). Ebenfalls 2011 zog die Kalaidos Fachhochschule für Gesundheitsberufe auf den Careum Campus und damit erhöhte sich die Nutzergruppe für die Bibliothek um weitere 300 Studierende (vgl. HBZ Jahresbericht 2011. S. 15).
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Bereits seit der Eröffnung nutzten Angehörige der Gesundheitsberufe¹⁷ (Studierende und Dozierende) von UniversitätsSpital und Careum die Bibliothek zunehmend intensiv. Nach eher bescheidenen Anfängen 2004 konnten die Bestände im Bereich Pflegewissenschaft 2005 durch Übernahme von Beständen aus Schenkungen¹⁸ und ab 2006 durch Einrichtung eines von UniversitätsSpital und Careum Bildungszentrum finanzierten regulären Erwerbungskredits weiter gepflegt werden. Auch die Einführungen und Kurse für Pflegefachpersonen in der Bibliothek konnten seit 2004 laufend erweitert werden. Ein zusätzlicher Ausbauschritt erfolgte 2014 durch die Übernahme der Bestände der Bibliothek des Weiterbildungszentrums für Gesundheitsberufe (WE’G) in Aarau. Mit einer zusätzlichen Stelle und der Erhöhung des Medienkredits konnten die Versorgung mit Medien und das Kursangebot der Bibliothek im Bereich Pflegewissenschaft ausgebaut und endgültig professionalisiert werden.
Die Hauptbibliothek – Medizin Careum im Netz von Kliniken und Klinikbibliotheken Eine besondere Herausforderung der Hauptbibliothek – Medizin Careum liegt in der Koordination der Klinikbibliotheken und des Medienangebots für die universitären Spitäler. Bereits die UniversitätsSpital-Bibliothek war 1999 die Zentrale eines Bibliotheksnetzes von 24 Klinikbibliotheken, die teilweise auch aufgrund der größeren geographischen Entfernung einiger Fachbereiche vor Ort dezentral und autonom geführt wurden.¹⁹ Neben dem Vorteil unbegrenzter Verfügbarkeit der Printmedien vor Ort hatte das klinikinterne Netz die Nachteile eines klassischen zweischichtigen Systems, wie zahlreiche Mehrfachexemplare bei Monographien und Zeitschriftenabonnementen, mangelnde Professionalisierung des (häufig nebenamtlich tätigen) Personals oder hoher Personalaufwand zur Führung von Sonder- und Kleinstandorten. Bereits die USZ-Bibliothek hatte für die meisten Klinikbibliothe-
17 Vgl. Details zu den angebotenen Ausbildungsgängen auf http://www.careum.ch – Rubrik: Ausbildung im Gesundheitswesen (10.5.2015). 18 2004 wurden als Anfangsausstattung 700 Bände aus Beständen des Careums und 2500 Bände aus Beständen des UniversitätsSpitals übernommen. Nach Auflösung des Standorts Zürich konnten Bestände des WE’G Weiterbildungszentrums für Gesundheitsberufe integriert werden. Der WE’G Standort in Aarau blieb zunächst erhalten (vgl. HBZ Jahresbericht 2005. S. 8. Zur Geschichte des WE’G vgl.: Unterwegs sein. 60 Jahre WE’G/Kaderschule [wie Anm. 15]). 19 Vgl. Schlosser, UniversitätsSpital-Bibliothek (wie Anm. 5), S. 3–11.
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ken zentrale Aufgaben, wie z. B. Katalogisierung, wahrgenommen. Bedingt durch die fortschreitende Digitalisierung der Literaturversorgung in der Medizin gingen rasch weitere Aufgaben (z. B. Zeitschriftenverwaltung) an die Hauptbibliothek – Medizin Careum über.²⁰ In den folgenden Jahren nach der Gründung der Hauptbibliothek – Medizin Careum wurden zunehmend kleinere Klinikbibliotheken deutlich redimensioniert oder ganz aufgelöst und die Bestände nach Dedoublierung integriert.²¹ Aber auch größere Klinikbibliotheken an externen Standorten, wie 2011 die Fachbibliothek der Orthopädischen Universitätsklinik Balgrist, wurden aufgehoben.²² Die Bibliothek des (in einem eigenen Gebäude untergebrachten) Kinderspitals hat eine Sonderrolle. Sie wird seit 2008 im Leistungsauftrag von der Hauptbibliothek – Medizin Careum geführt. Neben Optimierungen im Bestand werden auch eigenständige Veranstaltungen im Bereich Informationskompetenz vor Ort angeboten. Im geplanten Neubau des Kinderspitals ist die Einrichtung eines Studienzentrums mit Bibliothek geplant.²³ Die Entwicklung der Klinikbibliotheken setzt sich bis heute fort und die Hauptbibliothek – Medizin Careum führt eine eigene Fachstelle zur Koordination und (zunehmend) zur Auflösung der Klinikbestände. Dies zeigt einerseits die faktische Auswirkung des „digital turn“ im Fachbereich Medizin, der durchaus auch in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern in den nächsten Jahren und Jahrzehnten analog verlaufen kann.²⁴ Andererseits wird deutlich, dass auch die verantwortungsvolle Redimensionierung von Bibliotheken Fachpersonal benötigt und koordiniert sowie mit Fachkenntnis durchgeführt werden muss. Das Beispiel Kinderspital zeigt aber, dass die Führung eines eigenen innovativen Informations- und Wissenszentrums in Kliniken mit Schwerpunkt Informationsvermittlung und Lernzentrum in Zusammenarbeit mit der Hauptbibliothek – Medizin Careum auch künftig eine sinnvolle Option sein kann.
20 Vgl. HBZ Jahresbericht 2007. S. 15; HBZ Jahresbericht 2008. S. 8 f. 21 So wurden bereits 2007 die wesentlichen Bestände der Neurologie-Bibliothek, der Augenklinik, der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie, der Klinik für Kieferchirurgie und ein Teil der Bibliothek des Instituts für Anästhesiologie übernommen (vgl. HBZ Jahresbericht 2007. S. 6 ff.). 2008 folgten Bestandsbereinigungen in den Klinikbibliotheken für Radiologie, Urologie und im Biologischen Zentrallabor (vgl. HBZ Jahresbericht 2008. S. 8 f.). 22 Aus der Bibliothek der orthopädischen Klinik Balgrist wurden von 2011–2012 rund 3500 Monographien und 200 Zeitschriften übernommen (vgl. HBZ Jahresbericht 2011. S. 13; HBZ Jahresbericht 2012. S. 6). 23 Vgl. HBZ Jahresbericht 2008. S. 8; HBZ Jahresbericht 2011. S. 15. 24 Vgl. Neubauer, Wolfram: Wissenschaftliche Bibliotheken im Kontext von Forschung und Lehre. Gegenwart und Zukunft von Information und Kommunikation in den Wissenschaften. In: Bibliotheken: Innovation aus Tradition. Rolf Griebel zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Klaus Ceynowa u. a. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 170, 186.
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Aktuelle und zukünftige Dienstleistungen angesichts veränderter Anforderungen universitärer Medizin Heute versorgt die Hauptbibliothek – Medizin Careum mit 9,8 Mitarbeiterstellen knapp 3000 Medizinstudierende und rund 2500 Forschende in der Medizinischen Fakultät und im UniversitätsSpital, rund 1000 Studierende in der Fachhochschule und höheren Fachschule und 950 Lernende in der beruflichen Grundbildung sowie rund 350 Dozierende und Lehrbeauftragte im Bereich Gesundheitsberufe.²⁵ Die „Bibliothek als Ort“ umfasst 2120 m2 Hauptnutzfläche und 350 Leseplätze (einschließlich MediZone für Medizinstudierende) und Öffnungszeiten von 7.00– 23.00 Uhr täglich.²⁶ Mit der Einrichtung einer integralen Fachbibliothek für Medizin und Pflege konnten gegenüber einem Modell von verteilten Einzelbibliotheken entscheidende Vorteile realisiert werden. In der Bibliothek können für alle Zielgruppen optimierte Nutzungsmöglichkeiten angeboten und ökonomisch Synergien im Bereich Personal, Bestand und Infrastruktur genutzt werden. Sie reichen vom Verzicht auf Mehrfachbestände, über die effiziente, über das Jahr optimierte Nutzung von Leseplätzen bis hin zu ausgebauten Beratungsservices vor Ort aus einer Hand oder erweiterten Öffnungszeiten. Ein Lesebereich für Medizinstudierende, eine mit Computern ausgestattete Studienlandschaft für problemorientiertes Lernen (Careum Bildungszentrum) sowie ein differenziertes Schulungsangebot runden das Angebot ab. Auch technische Innovationen, wie RFID basierte Selbstverbuchungs- und Buchsicherungssysteme oder die Entwicklung neuer technisch basierter Dienstleistungen, wie Ausleihe von Tablets mit fachbezogenen Apps, sind erst ab einer Mindestgröße der Bibliothek und einem entsprechendem Professionalisierungsgrad der Bibliotheksmitarbeitenden möglich. Im Bereich Medizin ist der Grad der Digitalisierung des Medienangebots weit fortgeschritten. Einem eher geringen Zuwachs an gedruckten Medien von rund 1000 Bänden pro Jahr steht ein wachsendes Angebot elektronischer Medien gegenüber. Während im Lehrbuchbereich gedruckte Bücher häufig nachgefragt werden, sind Monographien zunehmend als E-Book verfügbar. Neben großen, zen-
25 Vgl. Careum Jahresbericht 2013 (Gesundheitswelt der Zukunft denken). Hrsg. von der Careum Stiftung. Zürich 2013. http://www.careum.ch – Rubrik: Über uns (10.5.2015); vgl. ferner: Kalaidos Fachhochschule Schweiz. Facts & Figures 2014. Hrsg. von der Kalaidos Fachhochschule. Zürich 2015. http://www.kalaidos-fh.ch – Rubrik: Über uns/Facts & Figures (10.5.2015). 26 Siehe Anm. 13.
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tral eingekauften E-Book Paketen (z. B. der Verlage Springer oder Thieme) werden zunehmend auch einzelne E-Books von Verlagen direkt oder über Aggregatoren bereitgestellt. Fachzeitschriften sind ebenfalls digital verfügbar, zunehmend auch retrospektiv. Entsprechend ist die Notwendigkeit, gedruckte Zeitschriftenbände vor Ort zur Verfügung zu halten, stark abnehmend und gedruckte Zeitschriftenbestände werden laufend mit Beständen der Klinikbibliotheken dedoubliert. Gleichwohl wird der Dokumentenlieferdienst von Artikeln aus gedruckten Beständen vor allem von Personen außerhalb der Hochschulen und ohne direkten E-Library Zugang nach wie vor stark nachgefragt.²⁷ Ab 2016 ist die Auslagerung eines wichtigen Teils der gedruckten Zeitschriften in die Kooperative Speicherbibliothek Schweiz vorgesehen.²⁸ Die Neuorientierung des Fachreferats jenseits traditioneller Sacherschließung ist bereits umgesetzt²⁹ und orientiert sich an den aktuellen Bedürfnissen medizinischer Wissenschaft.³⁰ Ein Schwerpunkt liegt auf dem Bereich Informationskompetenz und umfasst für die Zielgruppen Forschende, Ärzte und Pflegende Kurse zu Literaturrecherche und Literaturverwaltung. Hinzu kommen Angebote in den Bereichen wissenschaftliches Publizieren einschliesslich Open Access und Grundlagen der Bibliometrie. Neben eigenständigen Veranstaltungen sind Angebote für Studierende häufig curricular eingebunden in Lehrveranstaltungen, sowohl für Medizinstudierende wie auch im Bereich Pflege für Studierende des
27 Jährlich werden immer noch rund 9000 Artikel per Dokumentenlieferdienst aus Beständen der Hauptbibliothek – Medizin Careum bestellt (vgl. HBZ Jahresbericht 2014. S. 38). 28 Die Kooperative Speicherbibliothek ist ein unter der Führung des Kantons Luzern in Büron LU errichtetes Hochregallager für Buchbestände mit Kurierdienst und Dokumentenlieferdienst für Zeitschriften. Sie nimmt im Frühjahr 2016 den Betrieb auf und wird von einem Verein (nach schweizerischem Recht) kooperativ getragen, in dem auch die Universität Zürich Mitglied ist (neben der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, der Universitätsbibliothek Basel, der Zentralbibliothek Zürich und der Kantonsbibliothek Solothurn). Vgl. Niederer, Ulrich: Aufbewahren in Bibliotheken – konzentrieren oder verteilen: Beides! Ein Bericht aus der Schweiz. In: 0.27.7 – Zeitschrift für Bibliothekskultur 3 (2015) H. 1. S. 4–11. http://www.0277.ch (10.5.2015) sowie den Fotobeitrag von Ulrich Niederer in diesem Band. 29 Die Sacherschließung medizinischer Bestände mit Medical Subject Headings wurde 2011 eingestellt und die Personalressourcen für zukunftsorientierte Aufgaben freigestellt. Eine Ergänzung von SWD-Schlagwörtern erfolgt nur im Bedarfsfall. Die Präzision der Titel medizinischer Fachliteratur in Verbindung mit durchsuchbaren Inhaltsverzeichnissen genügen für eine ausreichende Retrievalqualität (s. HBZ Jahresbericht 2011. S. 15; ferner zum Folgenden HBZ Jahresbericht 2008, S. 13). 30 Der mit dieser Festschrift geehrte Wolfram Neubauer hat „Serviceorientierung“ als Leitprinzip für zukunftsorientierte Hochschulbibliotheken hervorgehoben. Information Literacy nimmt in diesem Kontext einen wichtigen Platz ein. Vgl. Neubauer, Wissenschaftliche Bibliotheken (wie Anm. 24), S. 182.
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Careum Bildungszentrums. Das Medienangebot der Hauptbibliothek – Medizin Careum wird von Forschenden im UniversitätsSpital vorwiegend elektronisch genutzt und die Bibliothek als Ort kaum besucht. Informations- und Serviceveranstaltungen werden daher vor Ort angeboten, z. B. im UniversitätsSpital im Rahmen von Mittagsworkshops, Infoständen und Veranstaltungen zur klinischen Fortbildung. 2014 wurden an der Hauptbibliothek – Medizin Careum insgesamt 76 Veranstaltungen für 1069 Teilnehmende durchgeführt. Aktuelle Trends in der Medizin führen zu neuen Dienstleistungen auch der Bibliothek. „Evidenzbasierte Medizin“³¹ verbindet klinische Expertise mit systematischer Forschung. Dies erfordert eine fachkompetente, spezialisierte Literaturrecherche, die fachliche Beurteilung bezüglich Validität und Anwendbarkeit auf die spezifische fachliche Fragestellung einschließt. Entsprechend steigt die Nachfrage nach umfangreichen, gezielten Literaturrecherchen für sogenannte Systematic Reviews, für Forschungsprojekte (bzw. einschlägige Förderanträge) oder Kongressbeiträge besonders von Angehörigen der Universität und des UniversitätsSpitals. Wegen der erforderlichen Spezialkenntnisse in Datenbankrecherche können Fachwissenschaftler dies nicht selbst ausreichend fundiert durchführen. Dieser Spezialbereich wächst stetig an und wird als kostenpflichtiger Service gegen Verrechnung angeboten. Zunehmend geben auch Masterstudierende oder Doktorierende entsprechende Recherchen in Auftrag.³² Die genannten Angebote sind fachspezifisch und erfordern eine besondere Nähe zu den Zielgruppen vor Ort. Kontakte müssen gepflegt und Angebote gezielt aufgebaut und beworben werden. So entsteht eine fachliche Verankerung der Bibliothek bei den verschiedenen Nutzergruppen, auch wenn die Bibliothek als Ort nicht direkt im Haus untergebracht ist. Notwendig ist aber auch die intensive Kontaktpflege zu den Entscheidungsträgern und Gremien.
31 Vgl. Greenhalgh, Trisha: Einführung in die evidenzbasierte Medizin. 3. überarb. u. erweiterte Auflage. Bern: Verlag Hans Huber 2015. 32 Im Zeitraum vom 2009–2012 nahm die Zahl der Recherchestunden von 78 auf 200 pro Jahr zu (vgl. HBZ Jahresbericht 2009. S. 8; HBZ Jahresbericht 2012. S. 14).
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Zusammenfassung und Ausblick: Aktuelle Herausforderungen für die Hauptbibliothek – Medizin Careum Die Hauptbibliothek – Medizin Careum konnte sich seit 2004 als integrales Informationszentrum für Medizin und Gesundheitsberufe etablieren. Die Bibliothek als Ort bietet gedruckte Bestände und als Lernzentrum für alle Zielgruppen eine zeitgemäße Lern- und Arbeitsumgebung. Die spezifische Kombination mit dem Bereich Pflege und Gesundheitsberufe schafft zusätzlich Synergien und fördert den Austausch und die Interprofessionalität der Angehörigen verschiedener fachspezifischer Berufsgruppen in Aus- und Weiterbildung. Als regionales Informationszentrum in Zürich wird sie auch von Fachpersonen aus der beruflichen Praxis, anderen Fachdisziplinen und Berufsgruppen und allgemeinem Publikum rege genutzt. Im Bereich elektronischer Bibliothek kann sie ein attraktives, fachspezifisches Angebot bereitstellen. Auch andere Dienstleistungen (Informationskompetenz oder Beratung) können so zentral aus einer Hand organisiert werden. Fachspezifische Dienstleistungen (wie Recherchedienstleistungen) runden das Angebot ab. Der Cluster Medizin mit UniversitätsSpital und universitären Spitälern ist eine bleibende Herausforderung für die weitere Entwicklung. Für die nähere Zukunft bleibt insbesondere Potential für die Weiterentwicklung des elektronischen Angebots. Einerseits nimmt das Angebot an elektronischen Medien insbesondere im Bereich E-Books laufend zu. Andererseits betrifft der sich verstärkende Trend zu Open Access-Publikationen auch den Bereich Medizin. Damit verbunden sind Herausforderungen im Bereich Publikationsberatung. Die dynamische Entwicklung elektronischer Medien macht zudem Optimierungen im Bereich Nachweis und Recherche notwendig. Eine ständige Aufgabe bleibt die zielgruppenspezifische Weiterentwicklung der Angebote im Bereich Informationskompetenz, besonders im Rahmen curriculär vermittelter Veranstaltungen. Hinzu kommen spezifische Herausforderungen für den Bereich Medizin und Gesundheitsdienstleistungen. Hier sind einerseits Entwicklungen elektronischer Informationssysteme in Diagnose und Prozessmanagement³³ zu nennen. Zentrale Anknüpfungspunkte bieten die Trends zur evidenzbasierten
33 Vgl. Gadatsch, Andreas: IT-gestütztes Prozessmanagement im Gesundheitswesen: Methoden und Werkzeuge für Studierende und Praktiker. Wiesbaden: Springer 2013.
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und personalisierten Medizin.³⁴ Neben klassischen Datenbanken³⁵ gibt es im Bereich Medizin Point of Care Informationssysteme³⁶ und zentrale systematische Reviews, die Primärstudien systematisch auswerten, aufbereiten und insbesondere für evidenzbasierte Medizin zentral sind.³⁷ Diese stellen besondere Anforderungen auch an die Recherche- und Informationskompetenz der entsprechenden Fachpersonen, die dadurch auch für die Berufspraxis der Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Hinzu kommen spezifische Herausforderungen für den Hochschulplatz Zürich: – Im Kontext des Übergangs zur elektronischen Bibliothek wird der Prozess zur Reduktion physischer Bestände in den Klinikbibliotheken und in der Hauptbibliothek – Medizin Careum und die entsprechende Neupositionierung der Literaturversorgung weitergehen. Hier stellt sich immer drängender die Frage der Versorgung der universitären Spitäler ggf. auch weiterer Lehrspitäler mit elektronischen Medien, für die lizenzrechtlich und organisatorisch spezifische Lösungen gefunden werden müssen. Diese Frage der Nutzung elektronischer Medien stellt sich auch für andere Fachpersonen, Patienten oder allgemein interessiertes Publikum, die über keinen direkten Zugang via Hochschulen verfügen. – Im Bereich Pflegewissenschaft wie auch im Umfeld der anderen medizinischtechnischen Berufe wird sich der Trend zu vermehrter Forschung und Akademisierung der Ausbildung weiter fortsetzen.³⁸ – Die Eidgenössische Technologische Hochschule Zürich (ETHZ) hat ein Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie eingerichtet, das in diesem Bereich ein wichtiger Partner für die übrigen Institutionen im Bereich Medizin und Gesundheit in Zürich ist. Neben Forschung zur Verbesserung
34 Vgl. Eckhard, Anne u. a.: Personalisierte Medizin. Zürich: vdf Hochschulverlag 2014. 35 Neben den Fachdatenbanken Medline/Pubmed (kostenfrei) sind EMBASE, Web of Science und Scopus am bekanntesten. Daneben gibt es weitere Spezialdatenbanken und spezifische fachärztliche Informationsquellen. Vgl. Greenhalgh, Einführung (wie Anm. 31), S. 49–51. 36 Point of Care Informationssysteme sind elektronische Lehr- oder Handbücher, die ständig evidenzbasiert aktualisiert werden (z. B. Dynamed oder Clinical Evidence). Vgl. Greenhalgh, Einführung (wie Anm. 31), S. 44 f. 37 Die bekannteste ist die Mitte der 90er Jahre gegründete Cochrane Library. Vgl. Greenhalgh, Einführung (wie Anm. 31), S. 43. 38 In Zürich ist Pflegewissenschaft bisher auf Fachhochschulstufe etabliert. Vgl. hierzu die zahlreichen Forschungsbeiträge der Careum Forschung (Forschungsinstitut der Kalaidos Fachhochschule). Vgl. http://www.careum.ch – Rubrik: Forschung (10.5.2015). An der Universität Basel wurde bereits ein Masterstudiengang Pflegewissenschaft auf Universitätsstufe eingeführt. Vgl. https://www.unibas.ch – Rubrik: Studium/Studienangebot (10.5.2015).
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der Lebensqualität und Technologietransfer in Klinik und Gesellschaft ist auch die Ausbildung von entsprechenden Spezialisten an der Schnittstelle von Wissenschaft und Technologie ein erklärtes Ziel.³⁹ Mit der „Hochschulmedizin Zürich“⁴⁰ ist ferner eine Plattform zur Stärkung der Zusammenarbeit von Universität, UniversitätsSpital und ETHZ geschaffen worden. Ziel ist die bessere Vernetzung von medizinischer Grundlagenforschung, Naturwissenschaften, Technik und klinischer Forschung. Projekte und Ideen interdisziplinärer und translationaler⁴¹ Forschung und die Förderung spezifischer Forschungsnetzwerke stehen hier im Zentrum. Für die Hauptbibliothek – Medizin Careum ergeben sich hieraus in Zukunft weitere Perspektiven zur Differenzierung ihres Angebots und zur Kooperation mit ihren Partnern, auch mit der ETHZ.
Literatur Careum Jahresbericht 2013 (Gesundheitswelt der Zukunft denken). Hrsg. von der Careum Stiftung. Zürich 2013. http://www.careum.ch (10.5.2015). Eckhard, Anne u. a.: Personalisierte Medizin. Zürich: vdf Hochschulverlag 2014. Eine neue globale Initiative zur Reform der Ausbildung von Gesundheitsfachleuten. Lancet Report – Health Professionals für das neue Jahrhundert. Hrsg. von der Careum Stiftung. Zürich: Careum Verlag 2011. Gadatsch, Andreas: IT-gestütztes Prozessmanagement im Gesundheitswesen: Methoden und Werkzeuge für Studierende und Praktiker. Wiesbaden: Springer 2013. Greenhalgh, Trisha: Einführung in die evidenzbasierte Medizin. 3. überarb. u. erweiterte Auflage. Bern: Verlag Hans Huber 2015. Hauptbibliothek der Universität Zürich: Jahresbericht. Zürich 1980 ff. http://www.hbz.uzh.ch (10.5.2015). Kalaidos Fachhochschule Schweiz. Facts & Figures 2014. Hrsg. von der Kalaidos Fachhochschule. Zürich 2015. http://www.kalaidos-fh (10.5.2015). Käppeli, Silvia. 20 Jahre Pflegewissenschaft in der Praxis. In: Unterwegs sein. 60 Jahre WE’G/Kaderschule. Hrsg. vom WE’G Weiterbildungszentrum für Gesundheitsberufe. Aarau 2010. S. 30–35.
39 Vgl. http://www.hest.ethz.ch (10.5.2015). Daneben bietet die ETH Zürich auch einen Studiengang in Pharmazeutischen Wissenschaften an. 40 Vgl. Märki, Martina: Medizinkompetenz hoch drei. In: Globe. Magazin der ETH und der ETH Alumni (2014) H. 4. S. 20–22. https://www.ethz.ch – Rubrik: News und Veranstaltungen/ETHNews (10.5.2015). 41 „Translationale Forschung“ steht am Übergang von präklinischer Forschung zu klinischer Entwicklung. Vgl. Rubio, Doris M. u. a.: Defining translational research: implications for training. In: Academic Medicine 85 (2010) H. 3. S. 470–475.
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Lochbühler, Wilfried: Dreischichtigkeit zwischen Diversifikation und Kooperation. Das Bibliothekssystem der Universität Zürich. In: Handbuch Hochschulbibliothekssysteme: Leistungsfähige Informationsinfrastrukturen für Wissenschaft und Studium. Hrsg. von Konstanze Söllner u. Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 112–120. Märki, Martina: Medizinkompetenz hoch drei. In: Globe. Magazin der ETH und der ETH Alumni (2014) H. 4. S. 20–22. https://www.ethz.ch – Rubrik: News und Veranstaltungen/ETHNews (10.5.2015). Neubauer, Wolfram: Wissenschaftliche Bibliotheken im Kontext von Forschung und Lehre. Gegenwart und Zukunft von Information und Kommunikation in den Wissenschaften. In: Bibliotheken: Innovation aus Tradition. Rolf Griebel zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Klaus Ceynowa u. a. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 164–197. Niederer, Ulrich: Aufbewahren in Bibliotheken – konzentrieren oder verteilen: Beides! Ein Bericht aus der Schweiz. In: 0.27.7 – Zeitschrift für Bibliothekskultur 3 (2015) H. 1. S. 4–11. http://www.0277.ch (10.5.2015). Rubio, Doris M. u. a.: Defining translational research: implications for training. In: Academic Medicine 85 (2010) H. 3. S. 470–475. Schlosser, Anna: UniversitätsSpital-Bibliothek Zürich (USZB). Kostenanalyse der dezentralen Klinikbibliotheken. Projektarbeit Zürich 1999. Studierendendaten. Studierende im Überblick. Herbstsemester 2014. Hrsg. von der Universität Zürich. http://www.fi.uzh.ch (10.5.2015). Unterwegs sein. 60 Jahre WE’G/Kaderschule. Hrsg. vom WE’G Weiterbildungszentrum für Gesundheitsberufe. Aarau 2010. Ziele und Aufgaben der Medizin zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Bericht einer ExpertInnengruppe der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften, der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) sowie der fünf Medizinischen Fakultäten. Hrsg. von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Basel: SAMW 2014.
Ulrich Niederer
Lange Frist ohne Sauerstoff Die Kooperative Speicherbibliothek Schweiz in 39 Bildern Es gibt ja nicht so sehr viel, was die Bibliothek der ETH Zürich und die ZHB Luzern, die Zentral- und Hochschulbibliothek, gemeinsam haben. Zu den Gemeinsamkeiten gehört aber zweifellos die chronische Platznot, insbesondere am Hauptsitz. Und dass der Ort des Hauptsitzes nicht verhandelbar ist, im Sinne einer Verlegung oder Vergrößerung. Der ,digital turn‘ konnte bisher die Platznot im Hinblick auf das Wachstum vielleicht etwas mindern. Aber das Vorhandene zum einen und die Notwendigkeit, vorhandenen Platz am Hauptsitz vor allem den Benutzenden zur Verfügung zu stellen, zum anderen führen zu Umnutzungen und radikalen Lösungen. Die ZHB und ihr Dienstherr, der Kanton Luzern, begannen erstmals 1979 nach Lösungen für die Platznot zu suchen. Das Jahr 2005 brachte, nach vielen Projekten, eine Klärung mit dem Konzept der drei Ansätze: der Hauptsitz ist nicht erweiterbar – er wird saniert und sein Magazintrakt in einen Publikumsbereich umgenutzt, die Erweiterung der ZHB wird im neuen Universitätsgebäude realisiert (das Unigebäude ist max. sieben Minuten vom Hauptgebäude entfernt), und der gesamte gedruckte Magazinbestand wird ausgelagert. Die langfristige Sicherung des gedruckten Bestandes ist gerade für die Fächer der Universität Luzern, die ihre Schwerpunkte auf Theologie, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Recht setzt, von hoher Bedeutung. Wir verstehen sie als komplementär zum digital turn, der auch in unserem disziplinären Umfeld eine zentrale Rolle spielt. In einer detaillierten Analyse wurde bis 2008 die konservatorisch und ökonomisch beste Lagerform eruiert: ein halbautomatisiertes Behälter-Hochregallager mit inertisiertem Lagerbereich. Das bedeutet: Die Bücher werden in Behältern gelagert, ein Regalbediengerät bringt die Behälter zu einem Mitarbeitenden außerhalb des Lagerbereichs, der das bestellte Medium entnimmt und den Behälter wieder einlagern lässt. Im hermetisch abgeschlossenen Lagerbereich kann der Sauerstoffgehalt abgesenkt werden – diese Inertisierung ist die mit Abstand günstigste Art des Brandschutzes. Um weitere ökonomische Synergien baulicher und betrieblicher Art realisieren zu können, suchten wir ab 2008 zusätzliche Bibliotheken als Partner. Nach höchstoffizieller Einladung auf Regierungsratsebene begannen die Arbeiten zur Governance, zum Betrieb und zum Bau. Das Resultat dieser Aktivitäten, die Kooperative Speicherbibliothek Schweiz, ist eine eigenständige Institution privaten Rechts, gebaut von einer Aktiengesellschaft (der einige, aber nicht alle Partner angehören) und betrieben von den beteiligten
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fünf Bibliotheken. Nach den formellen Zustimmungen auf politischer Ebene (im Kanton Luzern war dazu gar eine Volksabstimmung im Herbst 2013 notwendig) begann die Bauplanung. Ende August 2014 fuhren die Baumaschinen auf, und heute, Ende Mai 2015, ist die Gebäudehülle nahezu fertiggestellt. Das Gebäude soll Ende 2015 bezugsbereit sein. Die Ersteinlagerung beginnt Anfang 2016, und ca. Mitte 2017 sollen gut 2,5 Mio. Bände eingelagert sein. Das erste Modul, das jetzt im Bau ist, hat eine Kapazität von gut drei Mio. Bänden. Das Grundstück bietet Raum für weitere drei Module gleicher Größe – und der Ruf nach dem zweiten Modul ist bereits laut geworden. Auf den folgenden Seiten wird visuell dokumentiert, wie das Gebäude entsteht. Neben den Legionen von organisatorischen, betrieblichen und bautechnischen Fragen ist die Faszination, dem unmittelbaren Wachstum des Baus zusehen zu können, unwiderstehlich.
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Nicole Graf
Crowdsourcing beim Swissair-Fotoarchiv Das Fotoarchiv der Swissair wurde zwischen 2009 und 2013 im Bildarchiv der ETH-Bibliothek aufgearbeitet und der Öffentlichkeit sukzessive zugänglich gemacht. Ehemalige Swissair-Angestellte arbeiteten freiwillig an der Erschließung des Swissair-Fotoarchivs mit. Das Bildarchiv der ETH-Bibliothek besitzt mit rund 2 Millionen Fotografien und anderen Bilddokumenten aus der Zeit zwischen 1860 und heute eines der größten historischen Bildarchive der Schweiz. Im Jahr 2009 übernahm die ETH-Bibliothek das Fotoarchiv der ehemaligen nationalen Fluggesellschaft Swissair von der damaligen Besitzerin, der Stiftung Luftbild Schweiz. Das Swissair-Fotoarchiv besteht aus rund 200 000 Fotografien in unterschiedlichen Formaten und auf unterschiedlichen fotografischen Trägern und deckt den Zeitraum von 1910 bis zum Grounding der Swissair im Jahr 2001 ab. In Bezug auf die Beschriftung waren viele Bilder meist nur rudimentär bzw. teilweise sogar auch falsch gekennzeichnet. Oft fehlten Orts- und Jahresangaben, genaue Flugzeugtypen, Gebäude, Ereignisse, Beschreibung der Tätigkeiten oder Personen waren nicht identifiziert. Die Idee, fehlende Informationen auf den Bildern durch ehemalige Swissair-Mitarbeitende vervollständigen zu lassen (so genanntes Crowdsourcing), bestand bereits bei der Vorbesitzerin, der Stiftung Luftbild Schweiz, konnte aber wegen fehlender personeller wie technischer Ressourcen nicht umgesetzt werden. Kurz nach der Übernahme des Bestands wurde an der ETH-Bibliothek die Idee des Crowdsourcing durch Swissair-Pensionäre aufgenommen und umgesetzt. Die gut organisierten Swissair-„Oldies“ konnten relativ einfach rekrutiert werden, beispielsweise mit Aufrufen in den Zeitschriften Swissair News und Oldies News oder auf ihrer alljährlichen Hauptversammlung, jeweils verbunden mit der Präsentation neuer Bilder und dem Bericht zum Stand der Arbeiten an der ETH-Bibliothek. Rund 130 interessierte Freiwillige meldeten sich, durchschnittlich 40 arbeiteten an der Bildbeschreibung mit, davon ein halbes Dutzend intensiv und regelmäßig. Diese Kooperation könnte man als kontrolliertes oder Experten-Crowdsourcing bezeichnen, bei dem nicht eine unbekannte Masse mittels offenem Aufruf zur Mitarbeit motiviert wird, sondern eine identifizierbare Gruppe von Experten. Von Dezember 2009 bis Dezember 2013 wurden wöchentlich 200 bis maximal 350 neue Bilder in einem geschützten Bereich auf der webbasierten Bilddatenbank des Bildarchivs online geschaltet. Die Freiwilligen konnten sich mittels Passwort in die Datenbank einloggen. In der Datenbank wurden die vorhandenen Metadaten (Titel, Autor, Datierung) angezeigt. Die „Oldies“ konnten in einem eigens eingerichteten Feld „Notizen“ zusätzliche Informationen eintragen und
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kennzeichneten diese mit ihrem persönlichen Kürzel. Waren die Angaben für die Mitarbeitenden des Bildarchivs unklar oder lagen von mehreren Personen widersprüchliche Angaben vor, konnte gezielt nachgefragt werden. Nebst der webbasierten Arbeit von zu Hause aus, war auch die telefonische Kommunikation zwischen den Freiwilligen und der Ansprechperson im Bildarchiv wichtig. Es fand ein äußerst wertvoller Wissenstransfer statt, dieser wurde jedoch beim Projektstart im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand stark unterschätzt. Insbesondere bei der späteren Verfeinerung des Schlagwortbaumes leistete dieses Insiderwissen unbezahlbare Dienste. Die Arbeitsweise und die Tiefe des Fachwissens der Swissair-Mitarbeitenden waren sehr unterschiedlich. Einer kannte und recherchierte die historischen Bilder, ein anderer konnte sämtliche Bestandteile eines Motors beschreiben. Am schwierigsten jedoch war die genaue Datierung. Oft mussten konservative Schätzungen, z. B. aufgrund der Betriebsdauer eines bestimmten Flugzeugs, genügen. Nachdem die ehemaligen Swissair-Mitarbeiter ihre Angaben ergänzt hatten, redigierten die Mitarbeitenden des Bildarchivs diese Informationen. Die Ergänzungen wurden mit den vorhandenen Metadaten abgeglichen bzw. auf die adäquaten Metadatenfelder verteilt (Titel, Beschreibung, Datum u. Ä.) und auf inhaltliche Konsistenz sowie Orthographie kontrolliert. Die Originalnotizen der Pensionäre wurden unverändert in der Datenbank belassen, die Originaltitel und Originalbeschreibungen der Bilder sind in den Inventarlisten nachvollziehbar. Schließlich wurden die Bilder durch die Mitarbeitenden des Bildarchivs beschlagwortet. Mit dem Anwachsen der Menge an digitalisierten und ergänzten Bildern wuchs gleichzeitig auch das im Bildarchiv angeeignete Fachwissen. Bis Dezember 2013 sichteten die ehemaligen Swissair-Mitarbeiter 40 000 Bilder. Die fertig erschlossenen Bilder wurden sukzessive in der Bilddatenbank BildarchivOnline (http://ba.e-pics.ethz.ch) online gestellt. Im Vergleich zu offenen und anonymen Crowdsourcing-Projekten ist bei der überschaubaren Gruppe von Experten, die ein großes Interesse an der Geschichte und Überlieferung der Geschichte ihrer Fluggesellschaft zeigen, der Wissenstransfer sehr groß. Ohne die engagierte Mithilfe der „Oldies“ wäre viel implizites Wissen verloren gegangen. Ein vergleichbares Fachwissen hätte auch nicht mittels intensivem Literatur- und Quellenstudium innerhalb nützlicher Frist durch die Mitarbeitenden des Bildarchivs erworben werden können. Allerdings enthob dies die Mitarbeitenden im Bildarchiv nicht davon, sich sowohl kritisch mit den Bildern als auch mit den Kommentaren der ehemaligen Swissair-Mitarbeitenden auseinanderzusetzen.
Crowdsourcing beim Swissair-Fotoarchiv
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Abbildungen
Abb. 1: Originalbildinformationen: Pilot. Ergänzte Bildinformationen: Swissair-Captain Hans Kuhn, ca. 1950. Swissair-Linienpilot, am 21.2.1970 als Passagier mit Coronado HB-ICD nach Sabotageakt in Würenlingen AG abgestürzt (LBS_SR01-04131).
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Abb. 2: Originalbildinformationen: keine. Ergänzte Bildinformationen: Passagiere am Schalter der Abflughalle am Flugplatz in Dübendorf, ca. 1932–1948. Passagiere beim Einchecken. Zeitgenössische Bildbeschreibung des Swissair-Marketings: „Kurz vor Torschluss – alle andern Passagiere sind bereits eingestiegen – werden noch schnell die mit Privatauto eingetroffenen Fluggäste abgefertigt. Auch hier kommt ihnen die Organisation des Luftverkehrs entgegen und jedem Wunsche kann Rechnung getragen werden, wenn er sich in normalen Grenzen hält.“ (LBS_SR01-00060).
Crowdsourcing beim Swissair-Fotoarchiv
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Abb. 3: Originalbildinformationen: DC-2 HB-ISI im Hangar. Ergänzte Bildinformationen: Motorservice der Douglas DC-2-115-D, HB-ISI im Hangar in Dübendorf, ca. 1935–1944 (LBS_SR01-00074).
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Abb. 4: Originalbildinformationen: Hostess Ursula Reimann, ohne Jahr. Ergänzte Bildinformationen: Hostess der Swissair, Ursula Reimann, ca. 1960–1970. Ursula Reimann wurde bei einem Wettbewerb 1968 in „Surfers Paradise“ Queensland, Australien, als Siegerin mit dem Titel „Miss International Air Hostess“ ausgezeichnet (LBS_SR03-09620-02).
Anne Lipp
Von der Bibliotheksförderung zu wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen Eine Kurzbiografie zur Förderhistorie der Deutschen Forschungsgemeinschaft Lieber Herr Neubauer, Sie waren von 2008 bis 2013 Mitglied im Ausschuss für wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und haben in dieser Zeit die Entwicklung des DFG-Programmportfolios aktiv mit gestaltet. Eine Förderorganisation, die – wie die DFG – dem Prinzip der Selbstverwaltung verpflichtet ist, lebt in ganz besonderer Weise vom Engagement und von der Gestaltungsfreude ihrer Gremienmitglieder. Das gilt für alle Bereiche der DFG, ganz besonders aber für den Bereich der wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur. Dieser Bereich bedarf in besonderer Weise einer inhaltlichen Gestaltung. Die DFG setzt mit ihrer Förderung Impulse, um die Einrichtungen, die für die Informationsinfrastrukturen verantwortlich sind, dabei zu unterstützen, neue Entwicklungen aufzugreifen und ihre Angebote entsprechend den Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer anzupassen. Das setzt aber voraus, dass die richtigen Impulse gesetzt und für die richtigen Themen Förderangebote entwickelt werden. Dies ist die vornehmste und gleichzeitig wichtigste Aufgabe der fachlichen Gremien der DFG, in diesem Fall des AWBI. Diese Aufgabe ist umso schwieriger, je größer die Auswahl ist, je vielfältiger die Themen und Möglichkeiten sind, auf die sich die Förderung beziehen kann, und je dynamischer die Veränderungsprozesse sind, die sich im Bereich der Informationsversorgung vollziehen. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die Fülle der Herausforderungen und das Ausmaß der Veränderungsdynamik bezogen auf Informationsinfrastrukturen im digitalen Zeitalter besonders hoch ist. Das ist sicherlich richtig. Es darf aber nicht den Blick dafür verstellen, dass Informationseinrichtungen – lange Zeit fast ausschließlich Bibliotheken – einem ständigen Anpassungsdruck unterlagen, auch lange bevor die digitale Technologie sichtbar zu einer Revolutionierung der Verhältnisse geführt hat. Das spiegelt auch die Entwicklung des Förderportfolios der DFG für diesen Bereich wider. In der zurückliegenden 65-jährigen Fördergeschichte der DFG, war der Bereich der Bibliotheksförderung und ab 2000 der Förderung Wissenschaftlicher Bibliotheken und Informationssysteme immer
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geprägt durch das Entstehen neuer und das Beenden bestehender Programme – entsprechend der Förderlogik der DFG, wonach die Förderung Impulssetzung und Anschubfinanzierung ist. Die Entwicklungen im Bereich der Informationsversorgung in den vergangenen 65 Jahren sollen in dem vorliegenden Beitrag aus einem Blickwinkel dargestellt werden, der in zweifacher Weise Bezug auf Sie, lieber Herr Neubauer, nimmt. Die Entwicklung soll zum einen anhand der Förderschwerpunkte der DFG dargestellt werden, einen Bereich, den Sie aktiv mitgestaltet haben. Zum anderen sind die Zeitschnitte aus einer sehr individuellen Perspektive gesetzt, nämlich an Stellen, an denen in Ihrer Biografie Neues begann.
1950 Die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, die Vorgängerorganisation der DFG (1951 gegründet) wurde erstmals im Jahr 1920 gegründet und im Jahr 1949 wiedergegründet. Damit war 1950 das erste volle Geschäftsjahr, in dem Förderentscheidungen ausgesprochen wurden. Das gesamte Förderspektrum der Notgemeinschaft und später der DFG umfasste zu Beginn vier Bereiche: Sachbeihilfen, Reisebeihilfen, Druckbeihilfen und die „Beschaffung ausländischer Literatur“.¹ Die Versorgung mit Literatur – und hier der Zugang zu ausländischer Literatur – galt als Rückgrat jeder Forschung und hatte einen entsprechenden Stellenwert in der Förderung. Hinter der Bezeichnung „Beschaffung ausländischer Literatur“ verbirgt sich die Idee der Sondersammelgebiete, die über sechs Jahrzehnte durch die DFG gefördert wurden. So kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges war es ein dringliches Anliegen, deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen zuverlässigen und systematischen Zugang zu den Publikationen aus dem Ausland zu verschaffen. Die Hürden für eine umfassende Literaturversorgung waren in der Nachkriegszeit denkbar groß: Man stand damals vor der Frage, wie angesichts großer Kriegsverluste, mangelnder Devisen, sehr geringer Buchkaufmittel und fehlender Verbindungen zu ausländischen Tauschpartnern und Buchhändlern die Voraussetzungen für eine geordnete Literaturversorgung der Forschung wieder hergestellt werden konnten. In dieser Notsituation wurde, anknüpfend an frühere Ansätze, der Sondersammelgebietsplan der Deutschen Forschungsgemeinschaft (damals noch „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“) ins Leben gerufen, der durch
1 Bericht der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. März 1949 bis zum 31. März 1950. Wiesbaden 1950. S. 10 f.
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eine organisierte Kooperation der Hochschulen und großen Staatsbibliotheken und die Verteilung fachlicher Sammelschwerpunkte dazu beitragen sollte, die von der Forschung benötigte Literatur möglichst rasch wieder verfügbar zu machen.²
Mithilfe eines Sammelplans entstand ein System des kooperativen Bestandsaufbaus, an dem zu Beginn 23 Bibliotheken beteiligt waren.³ Mit dem SSG-System war eine wichtige Grundlage für die Informationsversorgung der deutschen Wissenschaft gelegt. Es blieb der Kern der „Bibliotheksförderung“ der DFG.
1973 Die 70er-Jahre waren geprägt durch eine starke Ausdifferenzierung des Förderangebots. In den 50er- und 60er-Jahren waren als neue Förderlinien insbesondere die Förderung von Gesamtkatalogen und die Anschubfinanzierung der Zentralen Fachbibliotheken als große und finanzintensive neue Aufgabengebiete hinzugekommen. Schon sehr früh, bereits 1963, fand auch das Thema elektronische Datenverarbeitung Eingang in die Diskussionen und Niederschlag in einem Förderprogramm „Rationalisierung im Bibliothekswesen“. Auf die relative Stabilität im Förderportfolio in den ersten zwanzig Jahren folgte eine Dekade des Aufwuchses. Fast jährlich kam ein neues Förderprogramm hinzu: die Erschließung von Quellen und Material zur deutschen Emigration (1970), die Außenstelle USA (1971), Bibliotheksforschung (1972), der Ankauf von Spezialsammlungen (1973), überregionale Vorhaben der Archive (1973), sonstige Vorhaben (1975) und die Erschließung von Spezialbeständen (1977). Bemerkenswert ist, dass erstmals auch die Archive als eigenständige Akteure im Bereich der Informationsversorgung durch die Förderlogik erfasst wurden. Der finanzielle Schwerpunkt der Förderung lag nach wie vor auf dem überregionalen Bestandsaufbau, in Form der Sondersammelgebiete und der Förderung
2 Überregionale Literaturversorgung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Denkschrift des Bibliotheksausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Boppard 1975. S. 13. 3 Bei den das SSG-System tragenden Bibliotheken hat es über die Jahre viele Veränderungen gegeben. Die Zahl der beteiligten Bibliotheken ist hingegen in etwa konstant geblieben. 2012, als der Beschluss gefasst wurde, das SSG-System in ein neues System zu überführen, die Fachinformationsdienste für die Wissenschaft, stützte sich das SSG-System auf 27 Bibliotheken, die 70 Sondersammelgebiete betreuten.
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der Zentralen Fachbibliotheken. Auf diesen Bereich entfielen 67 % der verfügbaren Fördermittel (sechs von insgesamt neun Millionen DM). Daneben hatte sich ein weiterer Förderschwerpunkt herausgebildet, die Erschließung bzw. Katalogisierung. Im Lauf der Jahre waren mehrere Initiativen in diese Richtung gestartet worden. Dazu zählt die Förderung von Gesamtkatalogen, die Handschriftenkatalogisierung oder die Katalogisierung von Zeitschriftenaufsätzen. Aber auch spezialisierte Vorhaben wie die Erschließung von Quellen und Material zur deutschen Emigration wurden angestoßen. Im Jahr 1973 kam dieser Förderbereich bereits auf einen Anteil von 20 % der Förderung (1,8 Millionen DM).
1979 Doktoranden im weiteren Umfeld der Chemie – wie überhaupt der technischen Fächer und der Naturwissenschaften – konnten Ende der 70er-Jahre auf die Literaturangebote einer Zentralen Fachbibliothek, der Technischen Informationsbibliothek in Hannover zurückgreifen. Aus dem System der Sondersammelgebiete waren drei große, sogenannte anwendungsnahe Fachgebiete ausgegliedert worden. Für die technischen Fächer und die Naturwissenschaften, die Medizin und die Wirtschaftswissenschaften (hier die Volkswirtschaft) waren im Laufe der Zeit mit Hilfe einer Initialförderung durch die DFG beginnend in den späten 50er-Jahren Zentrale Fachbibliotheken gegründet worden. Der Grund für die Einrichtung von zentralen Präsenz- und Informationsbibliotheken in diesen Fächern lag in der „besonders großen Menge der auf diesen Gebieten zum großen Teil außerhalb des Buchhandels erscheinenden, aktuellen, schnell veraltenden, bibliographisch schwer zu erfassenden Literatur, die gleichzeitig besonderer Erschließungsmethoden bedarf“⁴. Die systematische Förderung von Zentralen Fachbibliotheken durch die DFG erfolgte letztmals 1996. Die elektronische Datenverarbeitung und ihre Potenziale für das Bibliothekswesen waren – wenn auch mit geringen Summen – schon früh im Fokus der Förderung. Im Kontext des 1963 eingeführten Programms „Rationalisierung im Bibliothekswesen“ diskutierte man 1979 Überlegungen zum Aufbau regionaler Verbundsysteme und regionaler Bibliothekszentren. Für das Programm „Rationalisierung“ haben sich naturgemäß im Laufe der Jahre immer mehr Anwendungsfelder ergeben. Es ist heute noch im Förderportfolio der DFG unter der Bezeichnung „Werkzeuge und Verfahren des Informationsmanagements“ enthal-
4 Deutsche Forschungsgemeinschaft: Tätigkeitsbericht 1963. Bonn 1964. S. 92.
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ten, und ist dasjenige Programm, in dem am ehesten neue Entwicklungen und innovative, experimentelle Ideen eine erste „Heimat“ finden. Ein anderes Programm, das 1979 noch zum Portfolio gehörte, ist wenige Jahre später bereits eingestellt worden, die Bibliotheksforschung. Hier ging es keineswegs um Grundlagenforschung, sondern um die „Bibliothek als Betrieb“, also um ganz praxisnahe Fragestellungen wie Kosten-Nutzen-Analysen von Ausleihsystemen oder Modellprogramme zur Nutzerschulung.
1983 und 1988 Während in den 70er-Jahren mit verschiedenen neuen Förderrichtungen experimentiert wurde, waren die 80er-Jahre von einer starken Kontinuität geprägt. Das Programmportfolio blieb weitgehend stabil. Die Schwerpunkte bildeten die Förderung der Zentralen Fachbibliotheken, Sondersammelgebiete und Spezialbibliotheken im Rahmen der überregionale Literaturversorgung, darüber hinaus Maßnahmen zur überregionalen Literaturerschließung und nicht zuletzt der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung im Bibliothekswesen als Grundlage für Maßnahmen der Rationalisierung, Modernisierung und Informationsvermittlung. Von den rund 20 Millionen DM, die im Jahr 1983 für die Förderung der wissenschaftlichen Bibliotheken verausgabt wurden, entfielen etwa 11,5 Millionen DM auf überregionale Literaturversorgung (61 %) und lediglich 0,5 Millionen DM (2,5 %) auf den Bereich der „Modernisierung“. Einen starken Anstieg hatte der Bereich der Erschließung und Katalogisierung erfahren. 1983 wurden dafür bereits 34 % der Fördermittel eingesetzt (6,3 Millionen DM). Dieser Trend setzte sich fort: 1988 war der Anteil bereits auf 38 % (7,6 Millionen DM) gestiegen. Hingegen war die ohnehin geringe Fördersumme für den Bereich der „Modernisierung“ noch weiter auf 1,6 % zurückgegangen.
1997 Nach den „ruhigen“ 80er-Jahren brachten die 90er eine ganze Reihe von Veränderungen, die sowohl durch die politischen Entwicklungen ab 1989 als auch durch den Fortschritt bei der digitalen Technologie angestoßen wurden. Ein eigenes Programm zum „Ausbau von Spezialbeständen in den wissenschaftlichen Bibliotheken der neuen Bundesländer“ wurde 1992 bis 1999 gefördert.
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Darüber hinaus wurden zwei Programme, die heute noch zum Kernbestand des DFG-Förderangebotes gehören, in dieser Dekade ins Leben gerufen: „Elektronische Publikationen im Literatur- und Informationsangebot wissenschaftlicher Bibliotheken“ (1996) und „Retrospektive Digitalisierung von Bibliotheksbeständen“ (1997). Sie waren gemeinsam mit dem Programm „Modernisierung und Rationalisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken“ in einem Förderbereich „Verteilte digitale Forschungsbibliothek“ zusammengefasst. Bemerkenswert ist, dass bereits 1997 bei der Einführung des Programms zur Retrodigitalisierung die Potenziale einer Volltextdigitalisierung mitgedacht waren. Schon 1997 war davon die Rede, dass die Digitalisierung neue Möglichkeiten der Recherche und der wissenschaftlichen Bearbeitung und Auswertung von Beständen schafft. Gleichwohl ist es bis heute noch nicht zufriedenstellend gelungen, zu einer zuverlässig maschinenlesbaren Volltextdigitalisierung als Standard zu gelangen. Die Bemühungen hierfür sind erst jüngst mit einer einschlägigen Ausschreibung im Jahr 2014 intensiviert worden. Insgesamt hat sich das Förderspektrum im Bereich der Retrodigitalisierung im Laufe der Jahre stark erweitert. Neben den Massendigitalisierungsprojekten der deutschsprachigen Literatur des 16., 17. und 18. Jahrhunderts wird derzeit die systematische Ausweitung der Förderung auf andere Materialgattungen als Bücher und Zeitschriften diskutiert. Sehr konkrete Ansätze gibt es bereits für die Ausweitung der Förderung auf die Digitalisierung von historischen Zeitungen, von Archivgut und von Handschriften. Weitere Felder wie die Digitalisierung wissenschaftlicher Objektsammlungen zeichnen sich ab. In dem 1996 eingerichteten Förderprogramm Elektronische Publikationen sind spätestens ab 2003, als die DFG gemeinsam mit vielen anderen Wissenschaftsorganisationen die „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ unterzeichnet hat, viele Initiativen zum Open Access gefördert worden. Zunächst stand die Zweitpublikation, mithin der Grüne Weg des Open Access, stark im Fokus; gefördert wurde beispielsweise der Aufbau von Repositorien. In den vergangenen Jahren rückte verstärkt das genuine Open Access Publizieren, der sogenannte Goldene Weg in den Vordergrund – beispielsweise durch das internationale Modellprojekt SCOAP3 .
2008 Open Access Gold – das war auch eine der zentralen Diskussionslinien im AWBI im Jahr 2008. Aus der Perspektive der Förderung stand die Frage im Mittelpunkt, wie nachhaltige Finanzierungsstrukturen für genuine Open Access Zeitschriften
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geschaffen werden können. Die Einführung des Programms „Open Access Publizieren“ im Jahr 2009 war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, an wissenschaftlichen Hochschulen Publikationsfonds als stabile Strukturen einzuführen. In der Zwischenzeit hat nahezu die Hälfte der deutschen Universitäten einen Antrag in diesem Programm gestellt. Die Summen, die in diesem Programm bewilligt werden, sind nicht hoch. Gleichwohl kann die Wirkung des Programms nicht hoch genug eingeschätzt werden. Seit seinem Bestehen war es häufig ein guter Anlass für universitätsinterne Diskussionen zum Thema Open Access und ein Anstoß, für die jeweilige Einrichtung eine Open Access Policy zu verabschieden. Ein weiteres Thema, das die DFG und die Bibliotheks-Community in den letzten Jahren besonders intensiv beschäftigt hat, ist ebenfalls 2008 erstmals besprochen worden: die Evaluierung des DFG-geförderten Systems der Sondersammelgebiete.
2013 Die Evaluierung der Sondersammelgebiete ist in eine Umstrukturierung des Programms gemündet. 2012 hat der Hauptausschuss der DFG beschlossen, die bisherige SSG-Förderung hin zur Förderung überregionaler Fachinformationsdienste für die Wissenschaft umzustrukturieren. Mit der Umstrukturierung wurde den aktuellen Anforderungen Rechnung getragen, wonach ein Programm zur überregionalen Literaturversorgung auch elektronische Ressourcen in die spezialisierte überregionale Bereitstellung integrieren können muss. Zum anderen berücksichtigt das neue Programm die Unterschiedlichkeit der wissenschaftlichen Disziplinen und ihrer Anforderungen. Anders als bei der Gründung des SSG-Programms erschien es nicht mehr opportun, die Literaturversorgung für alle Fächer nach gleichartigen Kriterien zu organisieren. Als Konsequenz daraus wurde der vorsorgende, auf Vollständigkeit abzielende lokale Bestandsaufbau im Sinne eines Reservoirs aufgegeben. Das neue Programm „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ ermöglicht es den antragstellenden Bibliotheken, gezielter die Spezifika der Disziplinen zu berücksichtigen. 2013 wurden die ersten Anträge in diesem neuen Programm gestellt und bewilligt. Ein anderer wichtiger Meilenstein 2013 war die Einführung des Programms „Informationsinfrastrukturen für Forschungsdaten“. Die Bedeutung von Forschungsdaten im Sinne der guten wissenschaftlichen Praxis, aber auch mit Blick auf eine potenzielle Nachnutzung, ist in den vergangenen Jahren verstärkt in den Blick geraten. Das Programm bietet eine Anschubfinanzierung z. B. zum Aufbau von fachspezifischen Forschungsdaten-Repositorien.
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2015 Im Jahr schließt sich ein förderhistorischer – und wohl auch ein beruflichbiografischer – Kreis. In diesem Jahr läuft die Förderung der Sondersammelgebiete durch die DFG aus. Das Jahr 2015 markiert einen Abschluss für die Art der Förderung, die 1950 als „Beschaffung ausländischer Literatur begann“ und als Förderung der Sondersammelgebiete über mehr als sechs Jahrzehnte zum Kernbestand der DFG-Förderung gehörte. 2015 markiert aber auch Kontinuitäten und Neuanfänge – förderpolitisch und sicher auch biografisch. Das Förderportfolio umfasst drei Schwerpunkte: Erwerbung und Bereitstellung (mit den Programmen Fachinformationsdienste für die Wissenschaft und Allianz-Lizenzen), Erschließung und Digitalisierung und Wissenschaftskommunikation/Forschungsdaten/eResearch (mit den Programmen Open Access Publizieren, Infrastrukturen für elektronische Publikationen und digitale Wissenschaftskommunikation, Forschungsdaten, Werkzeuge und Verfahren des Informationsmanagements und Virtuelle Forschungsumgebungen). Bezogen auf die Finanzvolumina liegt der Schwerpunkt auch im Jahr 2015 auf klassischen Informationsdienstleistungen (Bestandsaufbau, Erschließung und Digitalisierung). Auf die Programme im Bereich der Erwerbung und Bereitstellung entfielen 2014 53 % der Bewilligungen (19,5 Millionen Euro), auf Erschließung und Digitalisierung 36 % (13,4 Millionen Euro) und auf den letzten Bereich lediglich 11 % (4,1 Millionen Euro). Für viele Bibliotheken bedeutet 2015 den Übergang von der bisherigen SSGFörderung in die Förderung von Fachinformationsdiensten für die Wissenschaft. Darüber hinaus ist in diesem Jahr ein neues Programm auf den Weg gebracht worden: „Infrastrukturen für elektronisches Publizieren und digitale Wissenschaftskommunikation“. Und schließlich findet ein Diskussionsprozess zu der Frage statt, wie das Förderportfolio besser auf die Bedürfnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im weiten Feld eResearch angepasst werden kann. Die Herausforderung war und bleibt – förderpolitisch und biographisch – die adäquate Anpassung an die jeweilige Lebenswelt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, lieber Herr Neubauer, für die Zukunft das Allerbeste.
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Literatur Bericht der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. März 1949 bis zum 31. März 1950. Wiesbaden 1950. Deutsche Forschungsgemeinschaft: Tätigkeitsbericht 1963. Bonn 1964. Überregionale Literaturversorgung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Denkschrift des Bibliotheksausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Boppard 1975.
Dorothea Busjahn
Damals war’s – eine kleine AGF-Geschichte Die Anfrage erreichte mich unerwartet. Eine Festschrift zum 65. Geburtstag und gleichzeitigen Verabschiedung von Wolfram Neubauer sei von der ETH-Bibliothek geplant. Hier war also Bereitschaft gefragt und so freue ich mich über die Gelegenheit, dem ehemaligen Kollegen ein kleines Geschenk zu formulieren und ihm zu gratulieren – ad multos annos! –, dabei gleichzeitig Dank zu sagen, für das interessiert offene Ohr, alle Unterstützung und viele wertvolle Tipps. Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) wurde im Januar 1992 gegründet. Es ist hervorgegangen aus den drei in Berlin-Buch ansässigen Zentralinstituten der Akademie der Wissenschaften der DDR und benannt nach dem in Berlin geborenen Nobelpreisträger Max Delbrück (1906–1981). Dieser Gründung gingen sowohl die Abwicklung von Teilbereichen der alten Institute als auch zahlreiche Zukunftsaktivitäten voraus, die im August 1990 mit der Aufnahme der Tätigkeit des Gründungsdirektors Detlev Ganten begannen. Die Zuordnung des neuen Institutes (Arbeitstitel: CMM Centralinstitut für Molekulare Medizin) zum Kreis der bestehenden Großforschungszentren war schnell klar. Ihr gemeinsames Merkmal war und ist die 90 %ige Finanzierung durch den Bund, 10 % des Etats stellt das jeweilige Bundesland. Die 13 Großforschungszentren der Bundesrepublik hatten sich 1970 zur „Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen“ (AGF) zusammengeschlossen. Als Wissenschaftsorganisation förderte die AGF den Erfahrungs- und Informationsaustausch ihrer Mitglieder und übernahm Koordinierungs- und Vertretungsaufgaben. Die zahlreichen Arbeitskreise dieser Gemeinschaft bspw. des Einkaufs, der Pressestellen, der Rechtsabteilungen und auch der Bibliotheken existierten seit Jahren und trafen sich regelmäßig zu Arbeitssitzungen. Mit einer breiten Palette an Themen unterstützten diese Arbeitskreise den Service vor Ort und trugen so zur Exzellenz der Forschung bei. Noch in der Position der Leiterin der Bibliothek des ehemaligen Akademieinstitutes „Zentralinstitut für Molekularbiologie“ (ZIM) wurde ich mit der Konzeption für die Bibliothek des neuen Forschungszentrums beauftragt, die auch räumliche Anforderungen berücksichtigen sollte. Deshalb war der Kontakt zur Geschäftsstelle der AGF, damals noch in Bonn, nötig und schnell hergestellt. So lernte ich den ebenfalls die Bibliotheksarbeit koordinierenden Geschäftsführer Klaus Fleischmann und meinen Berliner Kollegen aus dem HMI (heute HZB), Eckart Kupfer, kennen. In den Räumen des HZI fand bereits im November 1991 eine erste Informationsveranstaltung für uns „Neulinge“ statt. Die Kollegen aus den alten Bundesländern stellten ihre Einrichtungen und das Dienstleistungsspektrum
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vor. Wir unterschieden uns in einem Punkt ganz wesentlich: die anwesenden Bibliotheksleiter waren Männer, die Leitungsposten der Bibliotheken der drei neuen Einrichtungen (Berlin/MDC, Leipzig/UFZ und Potsdam/GFZ) waren mit Frauen besetzt. Unsere Kolleginnen (denn es gab sie doch!) trafen wir erst auf der nächsten, regulären 22. Arbeitskreissitzung im März 1992 an der KFA in Jülich (heute FZJ). Auch nach den inzwischen vielen Jahren meiner Teilnahme an den regulären und außerordentlichen Arbeitskreissitzungen, die nun sprachlich angepasst als Arbeitstagungen des Arbeitskreises Bibliotheks- und Informationsmanagement der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e. V. bezeichnet werden, und der aktiven Mitarbeit im AGF/HGF-Alltag ist mir das Vergangenheitsbild der „Willkommenssitzung“ sehr präsent. Nach der offiziellen Begrüßung und Eröffnung der Tagung überreichte der damalige Arbeitskreisvorsitzende uns drei neuen Kolleginnen Umberto Ecos Buch „Die Bibliothek“. Das Büchlein hat mich bei allen meinen Dienstzimmerumzügen begleitet und amüsiert jedes Mal wieder neu. Ein Faksimile meines Beitrages erinnert an diese Sitzung. Zum Gelingen der Arbeitskreissitzung trug ganz wesentlich die hervorragende Organisation der Jülicher Kollegen bei. Zahlreichen Telefonaten, sei es die Anreise, die Erreichbarkeit des Hotels, die Verfügbarkeit von Folien für den Overhead-Projektor betreffend oder auch persönliche Wünsche erfragend, folgte ergänzend eine persönliche Einladung von Herrn Neubauer, die unterschrieben war: Mit herzlichen Grüßen Ihr Wolfram Neubauer
Das las ich mit Erstaunen, war ich im kollegialen Briefwechsel bisher den „sozialistischen Gruß“ gewohnt. Ganz wichtig, es war keine Floskel, es war genau so gemeint und half, in dem noch fremden Umfeld anzukommen. Mitgenommen und mir bewahrt habe ich den Elan des Vorwärtsschauens, von wenigen Kollegen so konsequent gelebt wie von Wolfram Neubauer. Dies hat sich bewährt und möge dem Jubilaren noch lange erhalten bleiben.
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Doru Radosav
“Secret Collections” in Romanian Libraries in Early Communism: 1945–1948 One objective of the communist “Cultural Revolution” was to classify as secret the books that did not correspond to the communist ideology aiming at creating the new, Soviet-type man and annulling the people’s historical consciousness, the traditions and mechanisms of the democratic multi-party parliamentary system. The war of books was one of the elements of the intrusion of communist ideology in Romania’s cultural and intellectual environment. The freedom of thought, the freedom of expression and the freedom of reading books were favoured targets of the aggressive and totalitarian communist ideology, similarly to other radical and oppressive ideologies like Nazism and fascism. The historical context of this time frame is defined by anti-fascist, anti-Hitler politics and democracy, with the increasing infiltration of communist ideology and Sovietization, especially following 6 March 1945. In this tense political environment there is a tendency of cultural continuity or restitution of inter-war values yet uncontaminated by fascism, legionarism, or totalitarianism, contrasting the ideological direction of communism and Sovietization, aiming at constituting a “party” or “class” culture. The other cultural direction is articulated in the discourse of Gheorghe Gheorghiu-Dej on 14 November 1946, preceding the parliamentary elections, which claims that the entire cultural heritage must be “reassessed”, as “our [communist] conception is not a solution to continue the cultural tradition”.¹ On 14 October 1947,² at the 2nd Congress of the Union of Syndicates of Artists, Writers and Journalists, the project of the communist and proletarian “cultural revolution” takes its place definitively in the time’s discourse, and overflows, beginning with 1948, into Proletkult and socialist realism. It is within this context of ideologies that the secretization of books and other publications can be placed.
1 Niţescu, Marin: Sub zodia proletcultismului. Dialectica puterii, Ed. Humanitas, Bucureşti, 1995, p. 52. Cf. Deletant, Denis: Teroarea Comunistă în România, Polirom, Iaşi, 2001; Marino, Adrian: Libertate şi cenzură în România, Polirom, Iaşi, 2005; Mertelsman, Olaf (ed.): Central and Eastern European Media under Dictatorial Rule and the Early Cold War, Peter Lang, Frankfurt am Main 2001. 2 Niţescu, Sub zodia proletcultismului, p. 55.
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The first stage in constituting these secret collections in post-war Romanian culture began in 1945, based on the Decree-Law of 2 May 1945.³ The justification of the law, written by Minister of Propaganda Petre Constantinescu-Iaşi, claimed that this measure was taken on the basis of the stipulations of the Armistice Convention to “immediately withdraw from circulation all periodical and nonperiodical publications, reproductions of fine arts and graphical, films, records, medals and metal badges with a fascist-Hitlerist character or containing elements that can damage the good relationship of Romania and the United Nations and the Soviet Union.” This stipulation is a more detailed addition to paragraph 16 of the Armistice Convention regarding “fascist publications, performances and films”. The formulations of the justification are unequivocal. On the one hand, they are meant to eliminate the “fascist poison”, while on the other hand they are the expression of political partisanship, defined by the communist political commitment of the pro-Soviet minister, Constantinescu-Iaşi. This is to say that the understandable elimination of fascist or fascistoid publications is a “primordial condition” for the “country’s real democratization . . . for cementing our friendship with all peoples loving freedom and peace,” but it also overbids the necessity of good relations with the USSR, “especially the Soviet peoples in the East”.⁴ Paragraph 2 of the Decree-Law of 2 May 1945 itself does not contain this “special” mention, only a much shorter formulation referring to “Romania’s good relations with the United Nations”. The application of this Decree-Law has four distinct functions: (a) creating lists of prohibited books on the following subject areas: legionary, fascist, Hitlerist, chauvinist, racist, or “passages damaging the relations with the United Nations”. The lists were drawn up from two directions: a central one (an inter-ministerial committee, formed by representatives of the Armistice Committee, the Ministry of Internal Affairs, the Ministry of Arts, the Romanian Academy and the Romanian Writers’ Association), and a local one (typographies, publishing houses, bookstores, used bookstores, libraries, or public institutions possessing book collections); (b) removal and submission of the prohibited writings to County Prefect’s Offices or the Storage of the Paper Office for destruction; (c) storage for limited or supervised access in libraries with Legal Deposit;
3 Publicaţii scoase până la 1 august 1945, Ed. Ministerul Propagandei, Bucureşti, 1945. Cf. Ficeac, Bogdan: Cenzura comunistă şi formarea “omului nou”, Nemira, Bucureşti, 1989; Costea, Ionuţ, Istvan Kiraly, Doru Radosav: Fond secret. Fond “S” special. Contribuţia la fondurile secrete de bibliotecă, Editura Dacia, Cluj-Napoca, 1995. 4 Publicaţii scoase până la 1 august 1945, p. 5.
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(d) punitive function for eluding the law (fines or detention), indicating the political importance of this law connected to the Armistice Convention. The subject of the books to be removed from circulation clearly indicates the political tendencies to eliminate any suspicion of extending a totalitarian ideology, as well as to legitimate Romania’s option to join the United Nation’s anti-fascist offensive. A brief analysis of the list of books removed from circulation outlines the following subjects or problems: works of Ion Antonescu and Mihai Antonescu (35 titles); fascist or legionary authors; anti-Semitic writings; anti-Soviet and anticommunist writings; books on Bessarabia, Bucovina and Transnistria; the doctrine of corporatism; nationalist-Christian writings of literature and philosophy; polemical writings on Freemasonry; pro-German writings; pro-Italian writings; pro-Japanese writings; anti-English writings. In addition to these subjects, the almanacs, calendars, and almost all Romanian atlases, tourist guides and fliers were also eradicated from public circulation because these also contained data from Bessarabia and Bucovina, while the memory and image of inter-war Romania had to be imperatively abandoned. The new edition of the repertory of prohibited writings appeared in 1946 with the title “Publications removed from circulation before 1 June 1946”. This included a list much more complete. Whereas the 1945 edition contained 616 titles, the 1946 one was amended with books and periodicals, with the distribution by the language of publication as follows: Romanian (762 titles), Italian (243 titles), French (111 titles), German (120 titles), Hungarian (607 titles), with subjects similar to those contained in the previous edition. The application of paragraph 16 of the Armistice Convention was an emergency. Before the issuance of the Decree-Law of 2 May 1945, the Presidency of the Council of Ministers, by address no. 300707 of 20 January 1945, disposed the removal from circulation of the “publication of Nazi propaganda” or “other documents or materials that could have a bad influence on the good relations between us and the allies.”⁵ Reconstructing the transmission or communication mechanism of such a decision highlights, on the one hand, the decision and execution hierarchies, and on the other hand certain dysfunctions or even ambiguous formulations connected to this action. The local execution order for university libraries came from the Rector’s Office towards specialized libraries. Address no. 123/9 February 1945, signed by Rector Alexandru Borza and General Secretary Ion Alexandru Vătăşescu, to the
5 Arhiva Bibliotecii Centrale Universitare, Dos. nr. 22/1945.
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Institute of National History, communicated that the prohibited publications had to be removed, and that the response for the execution of the order had not been received yet. On 17 February 1945, Ioan Moga, Director of the Institute eventually advanced a list of 75 books removed from circulation. Importantly, although the typewritten list originally contained the name of Ioan Lupaş as Director, but it was erased, and the list was signed by Moga. It must be mentioned that the works of Lupaş were later censored; in the 1948 lists, nine of his works were included on the list of prohibited writings. As the dispositions of the Presidency of the Council of Ministers were reiterated in other formulations, these evinced the vagueness and ambiguity of their execution. A Rector’s address from 6 March 1945 to the Administration of the Institute of National History asked for the “destruction [author’s emphasis] of all materials and documents in your institution that may have a bad influence on the good relations between us and the allies (paintings, photographs, books, etc.).”⁶ Therefore a more radical action was required, not just the removal, but the destruction of the publications. The same document mentions that address no. 300707 of 20 January 1945 was communicated to the Rector on 26 February by the Police Headquarters of Sibiu, and at the end of the address the Director of the Institute is warned categorically that “you are personally responsible if this disposition is not executed”. This address is therefore much more straightforward, just as much in its requirements (destruction of the materials and documents and holding the executor personally responsible for it), as in its being associated with a “special” organ to transmit the decision, the Sibiu Police Headquarters. Since the whole action was vague and ambiguous, on 19 March 1945 the Rector requested the Institute of History to establish some “unitary and controllable measures”.⁷ The political track followed by Romania after 1947, with the forced abdication of King Mihai, definitively took the country on the way of communization and Sovietization. The political discourse of the new communist governance promptly resonates with the phenomenon of control and censorship of the books and publications, concretized in the “operation of disinfection of the sector of the printed word”.⁸ The “Index librorum prohibitorum” is the irrepressible expression of the fears of Bolshevik ideologies, due to the major impact of the printed word in a Romanian world of a landed-democratic tradition, now subdued, manu militari, by the violence of Soviet communism and the mostly stateless henchmen in the country.
6 Ibid. 7 Ibid. 8 Publicaţii interzise până la 1 mai 1948, Ed. Ministerului Artelor şi Informaţiilor, Bucureşti, 1948.
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Furthermore, it is also the gauge of the ideological discourse of the time. Therefore the audience of printed works was a prerequisite in the aggressive spreading of the ideology, and it was used by the communist authorities with much awareness: “the most important means of propaganda was the printed word”.⁹ The print was most effectively controlled by the increasingly drastic supervision of the entire editing process (“in the last years the works with reactionary content were printed more and more rarely, until finally it became impossible”¹⁰), by purging the books from libraries, bookstores and used bookstores, legally justified by the Decree-Law of 2 May 1945 (“the problem of purging books with reactionary content was raised from the first moment of overthrowing the Antonescu-regime”).¹¹ While these two actions placed the campaign of ideological cleansing through books in the controllable area, there was also an uncontrollable area: “one of the main causes that demands the continuation of this operation is the exodus of private libraries to used bookstores. Thousands of books pour ceaselessly on the market, which expose in details the poisonous theories of imperialism.”¹² The war of books is the result of an offensive used as “casus belli”, accompanying the class struggle, a concept that was crystallizing in that period and would articulate the entire communist ideology in the period to follow: “The sharpening class struggle in our country in the conditions of passing from popular democracy to socialism makes the ideological struggle of the working class against the reactionary ideology be more and more fierce.”¹³ The preface to the book “Publications prohibited before 1 May 1948” is a summary of the theses of communist ideology in this period. The exposition that accompanies the list of prohibited books is at the same time an argumentation for purging, and a brief review of the elements of communist ideology, contained by negation in the list of books removed from public circulation. Unlike in the previous period, the subject of the prohibited books was restructured: the overall and uncompromising result was the rejection of books that served the imperialist ideology. Imperialism as “ideological poison” is associated with fascism and antiSovietism. Another element was the negation of the historical political parties: the national-liberal, the national-peasant and “the right-wing, treacherous social democratic”, in opposition with the “ideology of the working class”. Communism
9 Ibid., p. 6. 10 Ibid., p. 11. 11 Ibid., p. 9. 12 Ibid., p. 11. 13 Ibid.
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was also defined by the denial of “individualism, chauvinism, superstitions”, the “western civilization” and anti-Semitism.¹⁴ There is thus a mixture of ideological elements, combining both local components such as legionarism, historical parties, monarchy, anti-Semitism, and general ones such as occidentalism, imperialism, anti-Sovietism. Built upon a discourse of the communist ideology of the working class, being syntagmatically connected to the Soviet Union in all its forms (“imperialism in its struggle against the working class of the whole world and especially against the Soviet Union”¹⁵ – again the combination of national and foreign ideological elements: the working class and the Soviet Union, determining the construction of a new type of imperialism), the elements of communist ideology also acquired their appropriate vocabulary, characterized by the use of adjectives. The non-communist and implicitly non-Soviet ideology is presented in qualifiers, some tempered (“propagandistic”), others vituperative (“crass”, “slanderous”, “false”, “retrograde”, “reactionary”, “chauvinist”, “spiteful”, “exploiting”, “poisonous”, “traitor”, “savage”, “criminal”, etc.). By contrast, the communist, pro-Soviet doctrine of the working class is associated with adjectives like “progressive”, “democratic”, “righteous”, “just”, etc. The notion of communism does not appear in this preface, only indirectly recognizable in phrases like “socialist ideology” or “socialism” or “the ideology of the working class”. With the radicalization of the communist discourse, the ideological authority over the prohibited books needs further analysis. There is a clear distinction between the title and the content: “the present volume will give us the opportunity, when reading it, to discover titles that at a first sight seem completely harmless, but in which the most vicious ideas about the working class or the cohabiting peoples in the country have been infiltrated.”¹⁶ Later, the author and the content of the book were completely uncritically identified, the author’s name used as an ideological argument, associating the “index librorum” and “index auctorum”, or confusing the author’s biography with his bibliography. As regards the technical elaboration of the list of prohibited books in 1948, it must be mentioned that, compared to 2000 titles in the 1946 edition, now the list reached 8000 titles. The list of prohibited publications was compiled by the Service of Publishing and Control of the Literary Directorate of the Ministry of Arts and Information, and the period of compilation extended between December 1947 and 1 May 1948. Whereas the lists with prohibited books in 1945 and 1946 were drawn up by the committee for the application of paragraph 16 of the Armistice Con-
14 Ibid, passim. 15 Răutu, Leonte: Impotriva cosmopolitismului şi obiectivismului burghez în ştiinţele sociale, In: “Lupta de clasă” nr. din 4 octombrie 1949, p. 81–82. 16 Publicaţii interzise până la 1 mai 1948, p. 7.
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vention, that is, an adhoc organism, functioning in a period of an acute political situation, after 1947 a definitively institutionalized direction was created mainly for supervision and control, perfectly integrated into the communist ideological structure, and transformed throughout the following decades into the notorious General Direction of the Press and Printed Works. In addition to the ideological exposition as preface of the 1948 list, a set of “general indications” was also drawn up, containing a technical or strictly bibliographic guide over several criteria. One was the criterion of selection: “Only the editions indicated in the brochure will be removed from circulation. When bibliographic data are missing, the work will be removed only on the basis of the author’s name and the book title.” Some editions of classical authors were prohibited for the fascist spirit of the edition: “therefore only the editions of the classics precisely indicated in the brochure are prohibited.” The principle of selection also accounts for the purging of publications that contained undesirable iconographic or cartographic materials: “Any maps that incorporate within the frontiers of the Peoples’ Republic of Romania territories that do not belong to it are prohibited. Maps in various scientific works will be made to correspond to the frontiers of the country by various methods (hatching, cutting) but only if they cannot be fully eliminated. The same will be done with the royal coat of arms and other signs of the former dynasty.” The second criterion was the global approach to the removal of books: “All school books before 1947 or those which do not appear on the official list of school books approved by the Ministry of Public Education are prohibited, without the necessity of being explicitly mentioned in our brochure”, or “all kinds of calendars, popular almanacs, etc. from the period of 1938–1944 are prohibited.”¹⁷ The third criterion was the apodictic one, referring to books prohibited because of their authors: “Any works of the following authors, whether or not listed in the brochure, are prohibited in principle”. There is thus a sort of gradation (selection – globality – apodictic) in the mechanism of prohibition, as regards the necessary library operations, which indirectly enforced the planned ideological offensive. To conclude, the list of prohibited publications from 1948 is especially important both on account of its scope, and the fields it censored. At the same time, it ended the period of ideological acquisition of books in 1945–1947, and anticipated, to some extent, the future lists of prohibited books.
17 Ibid., p. 13.
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References Arhiva Bibliotecii Centrale Universitare, Dos. nr. 22/1945. Costea, Ionuţ, Istvan Kiraly, Doru Radosav: Fond secret. Fond “S” special.Contribuţia la fondurile secrete de bibliotecă, Editura Dacia, Cluj-Napoca, 1995. Deletant, Denis: Teroarea Comunistă în România, Polirom, Iaşi, 2001. Ficeac, Bogdan: Cenzura comunistă şi formarea “omului nou”, Nemira, Bucureşti, 1989. Marino, Adrian: Libertate şi cenzură în România, Polirom, Iaşi, 2005. Mertelsman, Olaf (ed.): Central and Eastern European Media under Dictatorial Rule and the Early Cold War, Peter Lang, Frankfurt am Main 2001. Niţescu, Marin: Sub zodia proletcultismului. Dialectica puterii, Ed. Humanitas, Bucureşti, 1995. Publicaţii interzise până la 1 mai 1948, Ed. Ministerului Artelor şi Informaţiilor, Bucureşti, 1948. Publicaţii scoase până la 1 august 1945, Ed. Ministerul Propagandei, Bucureşti, 1945. Răutu, Leonte: Impotriva cosmopolitismului şi obiectivismului burghez în ştiinţele sociale, In: “Lupta de clasă” nr. din 4 octombrie 1949, p. 81–82.
Christian Koller
Bibliotheksgeschichte als histoire croisée Das Schweizerische Sozialarchiv und das Phänomen des Exils*
Einleitung Dass Bibliotheken als Orte der Wissensproduktion, -speicherung und -diffusion per se transnationale Institutionen sind, ist – der Existenz von ,Nationalbibliotheken‘ in zahlreichen Staaten der Welt zum Trotz – eine Binsenwahrheit. Die Zirkulation von Wissen – und häufig auch von Wissenden – über die Grenzen von Staaten und Imperien hinaus haben die Mächtigen in der Weltgeschichte kaum je zu verhindern gewusst. Insofern scheinen zur Erforschung der Bibliotheksgeschichte die in den letzten zwei Jahrzehnten en vogue geratenen Ansätze der Transnationalitäts- und Globalgeschichte, insbesondere die sogenannte histoire croisée, sinn- und reizvoll. Letztere postuliert eine multiperspektivische Geschichtsschreibung, bei der die angestrebte Überwindung des Fokus auf den Nationalstaat durch Analyse wechselseitiger Beziehungen zwischen den Untersuchungsobjekten aus mehreren Blickrichtungen bewerkstelligt werden soll.¹ Potenziale der Anwendung dieses ambitionierten verflechtungshistorischen Zugriffs auf die Bibliotheksgeschichte lassen sich am Beispiel des Schweizerischen Sozialarchivs besonders gut veranschaulichen. Bereits dessen Gründung war vielfältig mit transnationalen Prozessen verknüpft. Die 1906 als Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz entstandene und 1942 in Schweizerisches Sozialarchiv umbenannte Institution wurde seit ihren Anfängen von einem überparteilichen Verein getragen.² Die maßgebliche Gründerfigur, der sozialreformerische Pfarrer von Aussersihl und spätere Zürcher Stadt- und Nationalrat Paul Pflüger, ließ sich dabei vom Pariser Musée social inspirieren, einem 1894 entstandenen sozialwissenschaftlichen Think tank avant la lettre mit Museum, Bibliothek und Forschungszentrum. Vor dem Hintergrund zunehmender sozialer
* Für wichtige Hinweise danke ich Ekaterina Emeliantseva und Urs Kälin. 1 Vgl. Werner, Michael u. Bénédicte Zimmermann: Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen. In: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002). S. 607–636; dies.: Beyond Comparison. Histoire Croisée and the Challenge of Reflexivity. In: History and Theory 45 (2006). S. 30–50; dies. (Hrsg.): De la comparaison à l’histoire croisée. Paris: Seuil 2004. S. 15–49. 2 Vgl. zur Geschichte des Schweizerischen Sozialarchivs Häusler, Jacqueline: 100 Jahre soziales Wissen. Schweizerisches Sozialarchiv 1906–2006. Zürich: Schweizerisches Sozialarchiv 2006.
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Konflikte – gerade im Gründungsjahr 1906 wurde Europa von einer Streikwelle heimgesucht, die auch in Zürich in heftige Arbeitskämpfe mündete³ – sollte eine ähnliche Institution auch in der Schweiz Wissen im Bereich der ,sozialen Frage‘ im Dienste reformerischen Handelns bereitstellen und damit zum gesellschaftlichen Ausgleich beitragen. Im Vorfeld der Gründung bereiste der nachmalige erste Vorsteher, Gustav Büscher, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Belgien und die USA, um die Organisation ähnlicher Institutionen vor Ort zu studieren.⁴ Umgekehrt wurde die Institution bereits in der Gründungszeit auch von ausländischen Benutzern frequentiert. So vermerkte etwa der Jahresbericht 1910 „eine Anzahl ausländischer Gäste aus der Schweiz, Deutschland, Schweden, Russland, Amerika, England und Norwegen. Die Gäste haben sich für unser Institut warm interessiert und manche Aufschlüsse über den Stand der sozialen Bewegung in der Schweiz gefunden.“⁵ Aufbauend auf Paul Pflügers privater Literatursammlung erwarb die Institution zunächst primär Bücher und Kleinschriften.⁶ Nach Anfängen in den dreißiger Jahren wurde ab 1943 auch eine umfangreiche Zeitungsdokumentation angelegt, die heute 1,2 Millionen Artikel umfasst.⁷ In den siebziger Jahren erfolgte mit der Anstellung eines Archivars der Aufbau der Archivabteilung, deren Bestände seit den neunziger Jahren massiv expandieren⁸ und die seit 2003 auch systematisch 3 Vgl. Koller, Christian: „Die russische Revolution ist ein reines Kinderspiel gegenüber derjenigen in Albisrieden!“ Der Arbenzstreik von 1906 in mikro- und kulturhistorischer Perspektive. In: Historische Anthropologie 11 (2003). S. 370–396; ders.: Streikkultur. Performanzen und Diskurse des Arbeitskampfes im schweizerisch-österreichischen Vergleich (1860–1950). Münster: Lit 2009. S. 131–158; Hirter, Hans: Die Streiks in der Schweiz in den Jahren 1880–1914. Quantitative Streikanalyse. In: ders. et al. (Hrsg.): Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz 1880–1914. Soziale Lage, Organisation und Kämpfe von Arbeitern und Unternehmern, politische Organisationen und Sozialpolitik, Bd. II/2. Zürich: Chronos 1988. S. 837–1008. 4 Platten, Fritz N. u. Miroslav Tucek: Das Schweizerische Sozialarchiv. o. O. u. J. [Zürich: Schweizerisches Sozialarchiv 1971]. S. 2. 5 SSA Hausarchiv, Jahresbericht der Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz in Zürich, Seilergraben 31, für 1910, S. 1. 6 Vgl. Marti, Hanspeter: Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich. In: Leu, Urs B. et al. (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in der Schweiz, Bd. 3. Hildesheim: G. Olms 2011. S. 317–325. 7 Vgl. http://www.sachdokumentation.ch. 8 Vgl. Kälin, Urs: Fixierte Bewegung? Soziale Bewegungen und ihre Archive. In: Arbido (2007) H. 3. S. 74–77; Ulrich, Anita: Le „Schweizerisches Sozialarchiv“. Stratégies de conservation et de valorisation des archives du mouvement ouvrier. In: De Giorgi, Alda et al. (Hrsg.): Archives, histoire et identité du mouvement ouvrier. Genf: Collège du Travail 2006. S. 92–101; dies. u. Konrad J. Kuhn: Soziale Bewegungen und internationale Solidarität. Archivbestände und offene Forschungsfragen. In: Elmer, Sara et al. (Hrsg.): Handlungsfeld Entwicklung. Schweizer Erwartungen und Erfahrungen in der Geschichte der Entwicklungsarbeit. Basel: Schwabe 2014. S. 231–251 sowie http://www.findmittel.ch.
Bibliotheksgeschichte als histoire croisée
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audiovisuelles Material sammelt, konserviert und zugänglich macht.⁹ Der thematische Fokus hat sich dabei über die Jahrzehnte erweitert zum gesellschaftlichen Wandel und den sozialen Bewegungen mit einem besonderen Schwerpunkt auf der schweizerischen Zeitgeschichte. 1970 gehörte das Schweizerische Sozialarchiv zu den Gründungsmitgliedern der International Association of Labour History Institutions (IALHI). Vier Jahre darauf wurde es von der Eidgenossenschaft als führende Forschungsinfrastruktureinrichtung seines Themenschwerpunkts anerkannt und 1999 konnte dank einer umfangreichen Erbschaft ein eigener Forschungsfonds eingerichtet werden. Die transnationale Geschichte des Schweizerischen Sozialarchivs ist in besonderem Maße mit dem Phänomen Exil verbunden. Erstens verfügt das Sozialarchiv über vielfältige Bestände zu diesem Thema und hat die entsprechende Forschung in der Schweiz und darüber hinaus entscheidend unterstützt. Zweitens war die Institution von Beginn an und über die meiste Zeit seiner Existenz hinweg Treffpunkt teilweise sehr prominenter Exilanten. Sein Lesesaal spiegelt somit die Geschichte von Gewaltherrschaft, Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert wider sowie die ambivalenten Asyltraditionen der Schweiz. Darüber hinaus beeinflussten diese Begegnungen beide Seiten in vielfacher Hinsicht. Die Institution Sozialarchiv gewann dadurch – zumindest ex post – national und international an Prestige, während die Exilanten nicht nur von den Beständen, sondern auch der atmosphärischen Offenheit der Institution profitierten und sich teilweise von dessen Organisation inspirieren oder zu Schenkungen verleiten ließen. Drittens schließlich haben verschiedene exilierte Menschen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Schweizerische Sozialarchiv und teilweise seine Bestände nachhaltig geprägt. Diese drei Dimensionen – Exil als Sammelgebiet, als Benutzungshintergrund und als Arbeitshintergrund – standen dabei, wie im Folgenden gezeigt werden soll, ihrerseits in einer dynamischen Wechselwirkung.
Exil als Sammelgebiet Das Thema ,Exil‘ ist in den Beständen aller Abteilungen des Schweizerischen Sozialarchivs prominent vertreten. In der Bibliothek ist das Themenfeld ,Migration, Minderheiten‘, das auch Flucht und Exil einschließt, eines von 20 Schwerpunktthemen des Erwerbungsprofils. In der Abteilung Dokumentation existieren zu den Themenbereichen ,Flüchtlinge‘, ,schweizerische und internationale Asylpolitik‘
9 Vgl. Länzlinger, Stefan: Schweizerisches Sozialarchiv. Die Abteilung Bild + Ton. In: Rundbrief Fotografie 19 (2012) H. 3. S. 17–21 sowie http://www.bild-video-ton.ch.
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und ,Asylrecht‘ inzwischen 64 Schachteln mit je etwa 200 Zeitungsausschnitten, die die Jahre 1943 bis 2006 abdecken,¹⁰ sowie 37 Schachteln mit je etwa 30 Kleinschriften.¹¹ Im Webarchiv Schweiz der Schweizerischen Nationalbibliothek lässt das Sozialarchiv unter anderem den Internetauftritt verschiedener asylund migrationspolitisch engagierter Organisationen archivieren, etwa der Hilfswerke SolidarSuisse, HEKS und Caritas,¹² von Amnesty International Schweiz,¹³ Solidarité sans frontières,¹⁴ der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asylund Ausländerrecht,¹⁵ dem Schweizer Menschenrechtsportal humanrights.ch,¹⁶ der Second@sPlus¹⁷ und der Organisation ,Für Sans Papiers‘,¹⁸ aber auch von politischen Kräften, die für eine restriktivere Asylpolitik eintreten wie der Schweizerischen Volkspartei (SVP)¹⁹ und der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS).²⁰ Diese Sammlungen analoger und digitaler Publizistik sind für die Erforschung und Dokumentation des Exilthemas unverzichtbare Quellenbestände. Die Abteilung Archiv besitzt verschiedene Typen von Personen- und Körperschaftsarchiven mit Relevanz für das Thema Exil. Erstens sind dies einige Personennachlässe bedeutender Exilanten. Zu nennen sind etwa der KZ-Häftling, Wirtschaftsreformer des Prager Frühlings und St. Galler Volkswirtschaftsprofessor Ota Šik,²¹ der 1987 auch als Referent über die Wirtschaftsreformen Dubčeks und Gorbačevs im Sozialarchiv aufgetreten war,²² der antifaschistische Maler Clément Moreau²³ oder der guatemaltekische Staatsmann mit Schweizer Wurzeln Jacobo Arbenz Guzmán.²⁴
10 Dokumentationsbestände ZA 22.9 und ZA 69.0. Artikel für die Zeit seit 2006 können über Swissdox recherchiert werden. 11 Dokumentationsbestände KS 32/127, KS 32/128, KS 32/129, KS 34/12, QS 22.9 und QS 69.0. 12 http://www.solidar.ch, http://www.heks.ch, http://www.caritas.ch. 13 http://www.amnesty.ch. 14 http://www.sosf.ch. 15 http://www.beobachtungsstelle.ch. 16 http://www.humanrights.ch. 17 http://www.secondos-plus.ch. 18 http://www.sans-papiers.ch. 19 http://www.svp.ch. 20 http://www.pnos.ch. 21 Bestand SSA Ar 134. 22 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1987, S. 2. 23 Bestand SSA Ar 109. 24 Bestand SSA Ar 198.34.
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Zweitens zu erwähnen sind Körperschaftsarchive von Exilantenorganisationen wie die Federazione Colonie Libere Italiane in Svizzera (FCLIS),²⁵ der Verband Ungarischer Christlicher Arbeitnehmer in der Schweiz (VUCAS)²⁶ oder die Landesorganisation der deutschen und österreichisch-ungarischen Sozialdemokraten in der Schweiz.²⁷ In diese Kategorie gehört in gewissem Sinne auch die Vereinigung der Russlandschweizer, die nach der Oktoberrevolution die Interessen der remigrierten Schweizer zu vertreten versuchte.²⁸ Das Archiv der von antifaschistischen deutschen Emigranten gegründeten Zeitschrift Dinge der Zeit befindet sich heute ebenfalls im Sozialarchiv.²⁹ Eine dritte Kategorie bilden Körperschaftsarchive von flüchtlingspolitisch engagierten Organisationen, Hilfswerken und Solidaritätsvereinigungen sowie entsprechende Personennachlässe. Hier sticht der umfangreiche (105,5 Laufmeter) und noch viel zu wenig für die Forschung genutzte Bestand des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks (heute: SolidarSuisse) hervor.³⁰ Die Verbindung des Sozialarchivs zu diesem Hilfswerk war in den dreißiger Jahren auch persönlicher Natur, war die wesentliche Figur des Arbeiterhilfswerks in dessen Gründungsjahren, Regina Kägi-Fuchsmann, doch die Gemahlin von Paul Kägi, dem Vorsteher der Zentralstelle für soziale Literatur von 1929 bis 1941. Weitere relevante Bestände sind die Archive von Amnesty International Schweiz,³¹ der Arbeitsgemeinschaft Freiplatzaktion Chileflüchtlinge,³² des Asylkomitees Zürich³³ und des Forums gegen Rassismus.³⁴ Personennachlässe, die Dokumente entweder zu eigenem Engagement in der Flüchtlingshilfe oder zur schweizerischen Asylpolitik enthalten, sind diejenigen von Frauen wie Minna Tobler-Christinger³⁵, Rosemarie Kurz-Hohl³⁶, Marie Furrer³⁷ und Maria Drittenbass³⁸ oder von Männern
25 Bestand SSA Ar 40. Vgl. dazu Ricciardi, Toni: Associazionismo ed emigrazione. Storia delle Colonie Libere e degli Italiani in Svizzera. Rom: Editori Laterza 2013. 26 Bestand SSA Ar 470. Vgl. dazu 55 év a magqarság szolgálatában. A Svájci Keresztény Magyar Munkavállalók Szövetségének 55 éve. Zürich: Selbstverlag 2014. 27 Bestand SSA Ar 97. 28 Bestand SSA Ar 534. 29 Bestand SSA Ar 201.39. 30 Bestand SSA Ar 20. 31 Bestand SSA Ar AI. 32 Bestände SSA Ar 201.73 und SSA Ar 442. 33 Bestand SSA Ar 201.93. 34 Bestand SSA Ar 201.139. 35 Bestand SSA Ar 136. 36 Bestand SSA Ar 180. 37 Bestand SSA Ar 117. 38 Bestand SSA Ar 167.
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Abb. 1: Flucht als Sammlungsthema: Spendenkampagne zugunsten von tibetischen Flüchtlingen im Jahre 1959 (SSA F_5008-Px-006)
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wie Fritz Brupbacher³⁹, Walter Renschler⁴⁰, Hansjörg Braunschweig⁴¹ und Paul Amacher⁴². Audiovisuelles Quellenmaterial in diesem Bereich umfasst etwa zahlreiche Fotografien zur Flüchtlingsthematik aus dem Archiv des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks,⁴³ das Filmfragment des Zürcher Arbeiterfilmers Robert Risler über die Flüchtlinge des spanischen Bürgerkriegs⁴⁴ oder Flugblätter und Plakate zur Tibethilfe aus dem Nachlass von Edy Meyer.⁴⁵ Viertens dokumentieren verschiedene Personennachlässe und Körperschaftsarchive die allgemeinen Kontexte der schweizerischen Flüchtlings- und Migrationspolitik. Wichtige Bestände sind hier der Nachlass des prominenten Immigrationskritikers James Schwarzenbach⁴⁶, der Aktenbestand der 1981 wuchtig abgelehnten Mitenand-Initiative⁴⁷, das Archiv der Wanderausstellung Da und fort⁴⁸ oder das 2015 übernommene Plakatarchiv der Werbeagentur Goal, die im letzten Vierteljahrhundert zahlreiche Kampagnen der Schweizerischen Volkspartei, darunter zu flüchtlings- und migrationspolitischen Themen, beworben hat. Auch Gewerkschaftsarchive wie dasjenige des Verbands des Personals öffentlicher Dienste (VPOD)⁴⁹ und Personennachlässe wie derjenige von Dora Rippmann-Helbing, die während des Zweiten Weltkriegs als FHD-Sektionschefin in der Flüchtlings- und Interniertenbetreuung tätig war,⁵⁰ enthalten relevante Unterlagen. Hingewiesen sei schließlich noch auf ein umfangreiches Typoskript von Maurice Bardach, welches das Verhalten der schweizerischen Behörden und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes gegenüber jüdischen Flüchtlingen zwischen 1933 und 1948 analysiert.⁵¹ Der Vielfalt der Quellenbestände zum Themenbereich Flucht, Exil und Asyl entsprechend haben sich etliche Forschungsarbeiten in diesem Bereich auf Material des Schweizerischen Sozialarchivs gestützt. Publikationen der letzten Jahre
39 Bestand SSA Ar 101. 40 Bestand SSA Ar 157. 41 Bestand SSA Ar 146. 42 Bestand SSA Ar 181. 43 Bestand F_5025. 44 Sozarch_DVD-007. Vgl. dazu Länzlinger, Stefan u. Thomas Schärer: „Stellen wir diese Waffe in unsern Dienst“. Film und Arbeiterbewegung in der Schweiz. Hrsg. vom Schweizerischen Sozialarchiv. Zürich: Chronos 2009. S. 146. 45 Bestand F_5008. 46 Bestand SSA Ar 108. 47 Bestand SSA Ar 62. 48 Bestand SSA Ar 201.158. 49 Bestand SSA Ar 39. 50 Bestand SSA Ar 198.21. 51 Bestand SSA Ar 301.2.
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haben sich beispielsweise mit der Flüchtlingspolitik des Roten Kreuzes im Zweiten Weltkrieg⁵², internierten russischen Soldaten des Ersten Weltkriegs⁵³, der Federazione Colonie Libere Italiane in Svizzera⁵⁴ oder verschiedenen Flüchtlingsgruppen in der Schweiz während der Nazi-Zeit⁵⁵ auseinandergesetzt. Der Umstand, dass zahlreiche relevante Quellenbestände zum Themenfeld Exil den Weg ins Sozialarchiv gefunden haben, hängt zumindest teilweise mit dessen Tradition als Treffpunkt von Exilantinnen und Exilanten zusammen. Insbesondere bei Exilantenorganisationen erwarb sich das Sozialarchiv dadurch Bekanntheit und Vertrauen. Diese Tradition des Exils als biographischer Hintergrund zahlreicher Benutzerinnen und Benutzer des Sozialarchivs gilt es deshalb als nächstes zu beleuchten.
Exil als Benutzungshintergrund 1. Phase: Frühes 20. Jahrhundert Ein heute sorgsam in einem Safe aufbewahrter Ausleihschein der Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz für den Band 21/2 von 1902/03 der sozialdemokratischen Theoriezeitschrift Neue Zeit weist auf eine illustre Benutzerschaft in der Frühzeit der Institution hin.⁵⁶ Neben dem damaligen Vorsteher Sigfried Bloch und dem niederländischen Sozialistenführer Pieter Jelles Troelstra, der den Band 1914 und 1919 gleich zweimal entlieh, hatte sich eine Reihe russischer Benutzer für das SPD-Periodikum interessiert: ein gewisser Bronstein, später besser bekannt unter dem Namen Trockij⁵⁷, im Jahre 1908, der Bolschewist G.[eorg] Safaroff, der dann
52 Steinacher, Gerald: Hakenkreuz und Rotes Kreuz. Eine humanitäre Organisation zwischen Holocaust und Flüchtlingsproblematik. Innsbruck: StudienVerlag 2013. 53 Bürgisser, Thomas: Unerwünschte Gäste. Russische Soldaten in der Schweiz, 1915–1920. Zürich: Pano 2010. 54 Ricciardi, Associazionismo ed emigrazione (wie Anm. 25). 55 Picard, Jacques: Gebrochene Zeit. Jüdische Paare im Exil. Zürich: Ammann 2009; Brunschwig, Annette: Heimat Biel. Geschichte der Juden in einer Schweizer Stadt vom Spätmittelalter bis 1945. Zürich: Chronos 2011; Schulz, Kristina: Die Schweiz und die literarischen Flüchtlinge (1933–1945). Berlin: Akademie Verlag 2012; Businger, Susanne: Stille Hilfe und tatkräftige Mitarbeit. Schweizer Frauen und die Unterstützung jüdischer Flüchtlinge, 1938–1947. Zürich: Chronos 2015; Heiniger, Alix: Exil, Résistance, Héritage. Les militants allemands antinazis pendant la guerre et en RDA (1939–1975). Neuchâtel: Editions Alphil – Presses universitaires Suisses 2015. 56 SSA Ar 199.10.1 Briefsammlung des Schweizerischen Sozialarchivs. 57 Vgl. auch SSA Hausarchiv VII/1 Benutzungsscheine 1907–1928: Bekannte und berühmte Benutzer.
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1917 im Zug mit Lenin nach Russland zurückkehrte,⁵⁸ im Jahre 1912, Lenin selber im Jahre 1917 und wenige Monate später auch James Reich, der im folgenden Jahr dann Mitglied der offiziösen Sowjetmission in Bern und Leiter der Agentur „Russische Nachrichten“ werden sollte.⁵⁹ Der Ausleihschein, der in den vierziger Jahren gestohlen und vom Sozialarchiv aus einem Antiquariat zurückerworben wurde,⁶⁰ belegt die starke Präsenz von Größen der internationalen sozialistischen Bewegung, viele von ihnen Exilanten.
Abb. 2: Ausleihzettel mit berühmten Namen: Bronstein (Trockij) und Ulianow Wladimir (Lenin) (SSA Ar 199.10.1)
58 Vgl. Gautschi, Willi: Lenin als Emigrant in der Schweiz. Zürich/Köln: Benziger 1973. S. 279. 59 Vgl. Collmer, Peter: Zwischen Selbstdefinition und internationaler Behauptung. Frühe bolschewistische Diplomatie am Beispiel der Sowjetmission in Bern (Mai bis November 1918). In: Thomas, Ludmilla u. Viktor Knoll (Hrsg.): Zwischen Tradition und Revolution. Determinanten und Strukturen sowjetischer Außenpolitik 1917–1941. Stuttgart: Steiner 2000. S. 248. 60 Vgl. Schwarz, Lotte: Revolutionäre in der Bibliothek. Erinnerungen an das Schweizerische Sozialarchiv. In: Weltwoche, 6.5.1966.
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Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließ ihre Zahl unter den Benutzenden markant ansteigen. So vermerkte der Jahresbericht 1914: Der Einfluss des Krieges auf die Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz zeigte sich in erster Linie dadurch an, dass manche Bibliotheksbesucher zum Militärdienst einrückten [. . . ]. Es vergingen aber kaum acht Wochen, so kam Ersatz heran, Fremde aus verschiedenen Ländern, die das neutrale Schweizerland aufsuchten, um sich in aller Ruhe Studien oder schriftstellerischen Arbeiten hinzugeben.⁶¹
Sigfried Bloch betonte dieses Phänomen noch Anfang der zwanziger Jahre in einer Erinnerungsschrift und hob insbesondere einen Benutzer hervor: „Als die Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz noch am Seilergraben 31 in Zürich ein bescheidenes Heim [. . . ] hatte, erhielt sie [. . . ] oft den Besuch von Männern, die in der sozialistischen Internationale eine bedeutende Rolle spielen. Unter anderem auch von Lenin.“⁶² Lenin war im Sommer 1914 in Galizien vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht worden, galt nun dort aufgrund des Kriegszustandes zwischen Russland und Österreich-Ungarn plötzlich als feindlicher Ausländer und wurde von den österreichischen Behörden vorübergehend verhaftet. Auf Vermittlung zweier Abgeordneter des österreichischen Reichsrats, die den zukünftigen Revolutionsführer als überzeugten Gegner des zaristischen Russlands bezeichneten, erhielten Lenin, seine Frau und seine Schwiegermutter schließlich die Genehmigung, in einen neutralen Drittstaat auszureisen. Vom September 1914 an hielt sich Lenin in Bern auf, vom Februar 1916 bis April 1917 dann in Zürich. Es ist hier nicht der Ort, über Lenins Leben im Schweizer Exil sowie seine politischen, publizistischen und kulturellen Aktivitäten während dieser Zeit zu berichten.⁶³ Von Interesse sind aber seine Erfahrungen mit dem schweizerischen Bibliothekssystem. Dieses befand sich zu jener Zeit im Gleichschritt mit der rasanten Vermehrung des Wissens in allen Gebieten und Bemühungen um dessen Popularisierung in einer Expansions-, Modernisierungs- und Professionalisierungsphase. Nachdem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die
61 SSA Hausarchiv, Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz in Zürich, Seilergraben 31, Jahresbericht pro 1914. S. 1. 62 Bloch, Sigfried: Erinnerungen an Lenin. 2. verb. Aufl. Zürich: [s. n.] 1924. S. 3. 63 Vgl. dazu Gautschi, Lenin als Emigrant (wie Anm. 58); Solschenizyn, Alexander: Lenin in Zürich: Die entscheidenden Jahre vor der Oktoberrevolution. München: Heyne 1990; Noguez, Dominique: Lenin dada: Essay. Zürich: Limmat-Verlag 1990; Nation, Robert Craig: The Zimmerwald Left. The roots of international communism in the First World War. Ann Arbor: University Microfilms International 1975; Petersen, Andreas: Radikale Jugend: Die sozialistische Jugendbewegung der Schweiz, 1900–1930. Radikalisierungsanalyse und Generationentheorie. Zürich: Chronos 2001. S. 352–368.
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Kantonsbibliotheken entstanden waren und die Hochschulgründungen auch bibliothekarische Konsequenzen nach sich gezogen hatten, wurden gegen Ende des Jahrhunderts in verschiedenen Städten öffentliche Volksbibliotheken ins Leben gerufen. 1894 entstand die Schweizerische Landesbibliothek und drei Jahre darauf wurde die Vereinigung Schweizerischer Bibliothekare aus der Taufe gehoben.⁶⁴ Nach der Jahrhundertwende entstanden auch wissenschaftliche Spezialbibliotheken wie die Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz in Zürich (1906) und das Archiv für schweizerische Wirtschaftskunde und Wirtschaftsgeschichte in Basel (1910). Bereits 1905 setzten Diskussionen über einen schweizerischen Gesamtkatalog ein,⁶⁵ aber erst ab 1927 verzeichnete der Gesamtkatalog der Landesbibliothek die Neuanschaffungen sämtlicher Bibliotheken der Schweiz.⁶⁶ Lenin war bereits während seiner Aufenthalte in Genf von 1903 bis 1905 und 1908 mit Schweizer Bibliotheken in Kontakt gekommen, den er im April 1914 in einem Brief an seine Schwester scharf mit seinen diesbezüglichen Erfahrungen in Frankreich kontrastierte: „[. . . ] das Arbeiten war in Paris unbequem, die Bibliothèque nationale ist schlecht eingerichtet – so manches Mal dachten wir an Genf, wo man besser arbeiten konnte, eine gut eingerichtete Bibliothek zur Verfügung stand und das Leben weniger sinnlos und nervenaufreibend war.“⁶⁷ Bereits kurz nach der Ankunft in Bern, am 12. September 1914, schrieben sich Lenin und seine Frau Nadežda Krupskaja bei der Schweizerischen Landesbibliothek als Benutzer ein, wobei Lenin als Beruf „Schriftsteller“ angab. Auch die Stadt- und Universitätsbibliothek wurde vom revolutionären Ehepaar mit Besuchen beehrt.⁶⁸ Ende Dezember 1914 schrieb Lenin an seine Schwester, die Bibliotheken im „verschlafenen Bern“ seien „gut, und was die Benutzung der Bücher anbelangt, hat sich alles ganz gut geregelt. [. . . ] Für Nadja gibt es hier noch eine pädagogische Bi-
64 Barth, Robert: Bibliotheken. In: Historisches Lexikon der Schweiz (elektronische Publikation), Version vom 2.7.2014. 65 Barth, Hans: Bedeutung und Herstellung eines schweizerischen Gesamtkataloges. Zürich: Vereinigung Schweizerischer Bibliothekare 1907. S. 3. 66 Surchat, Pierre: Schweizerische Landesbibliothek. In: Historisches Lexikon der Schweiz (elektronische Publikation), Version vom 27.11.2012. 67 Lenin, W. I.: Werke, Bd. 37. Berlin: Dietz Verlag 1962. S. 424. Vgl. zu Lenins Bibliotheksbenutzung in Genf Gagnebin, Bernard: Lénine à la Bibliothèque. In: Musées de Genève 11 (1954) H. 6; Clavel, Jean-Pierre u. Olivier Pavillon: Lénine et les bibliothèques suisses. In: Nachrichten VSB/SVD 40 (1970) H. 5. S. 204–207. 68 Vgl. Gautschi, Lenin als Emigrant (wie Anm. 58), S. 123 f. und 126 f. Vgl. zu Lenins Benutzung der Landesbibliothek Schazmann, Paul-Emile: Sur les traces en Suisse du chef de la Révolution russe, 3. A Berne, Lénine a fréquenté assidûment la Bibliothèque nationale. In: Tribune de Genève, 21.4.1970.
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bliothek [. . . ]“.⁶⁹ Auch Krupskaja lobte später in ihren Memoiren ausdrücklich die „zahlreiche[n] gute[n] Bibliotheken“ der Stadt Bern.⁷⁰ Anfang Juni 1915 übersiedelten Lenin und Krupskaja vorübergehend nach Sörenberg, nachdem die Ärzte Krupskaja zur Erholung von ihrer Schilddrüsenund Augenerkrankung (Basedow’sche Krankheit) einen Aufenthalt in den Bergen empfohlen hatten. Auch hier mussten die beiden nicht auf die Annehmlichkeiten des Schweizer Bibliothekssystems verzichten. Krupskaja erwähnte in ihren Memoiren, dass viele Jahrzehnte vor der Ära von Ausleihverbünden die bibliothekarische Versorgung bis in die kleinsten Dörfer der Schweiz gewährleistet war: Die Post funktionierte mit schweizerischer Pünktlichkeit. Sogar in einem entlegenen Gebirgsdörfchen wie Sorenberg [sic] konnte man kostenlos jedes gewünschte Buch aus den Berner und Zürcher Bibliotheken erhalten. Man schreibt einfach an die betreffende Bibliothek eine Postkarte mit seiner Adresse und der Bitte um Uebersendung dieses oder jenes Buches. Niemand stellt Fragen, fordert Bescheinigungen oder Bürgschaften – gerade im Gegensatz zu dem fürchterlichen Bürokratismus in Frankreich. Nach zwei Tagen erhält man das in einer Kartonmappe verpackte Buch; an einem Bindfaden hängt eine Karte heraus, auf deren einer Seite die Adresse des Empfängers und auf der anderen Seite die Adresse der Bibliothek, der das Buch entstammt, vermerkt steht. Dadurch besass man die Möglichkeit, in den kleinsten und abgelegensten Orten zu arbeiten.⁷¹
Die Übersiedlung Lenins und Krupskajas nach Zürich im Februar 1916 war wesentlich dadurch motiviert, dass Lenin in den Zürcher Bibliotheken schneller auf das Material für seine eben begonnene Schrift Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus zugreifen zu können hoffte als in Bern.⁷² Zunächst war lediglich ein kürzerer Aufenthalt geplant; am 20. Februar schrieb Lenin an seine Schwester: „Nadja und mir gefällt es in Zürich sehr; hier gibt es gut eingerichtete Bibliotheken; wir werden noch einige Wochen bleiben, [. . . ].“⁷³ Die Qualität der Zürcher Bibliotheken überzeugte das revolutionäre Ehepaar dann aber so sehr, dass sie einen längeren Aufenthalt ins Auge fassten. Schon am 12. März 1916 schrieb Lenin an seine Mutter: „[. . . ] die Bibliotheken sind viel besser als in Bern, so dass wir wohl noch länger bleiben, als wir vorhatten.“⁷⁴
69 Lenin, Werke, Bd. 37 (wie Anm. 67), S. 457. 70 Krupskaja, N. K.: Erinnerungen an Lenin, Bd. 2. Zürich: Ring-Verlag 1933. S. 158. 71 Krupskaja, Erinnerungen (wie Anm. 70), S. 154. 72 Lenin, Werke, Bd. 37 (wie Anm. 67), S. 463; Krupskaja, Erinnerungen (wie Anm. 70), S. 163, 168, 180; Gautschi, Lenin als Emigrant (wie Anm. 58), S. 176 f. 73 Lenin, Werke, Bd. 37 (wie Anm. 67), S. 462. 74 Lenin, Werke, Bd. 37 (wie Anm. 67), S. 463.
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Bereits am 19. Februar 1916 erhielt Lenin gegen eine Realkaution von 20 Franken die Bewilligung zu „eingeschränkter Benutzung“ der Zentralbibliothek Zürich.⁷⁵ Am 22. März schrieb er sich dann auch bei der Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz als Benutzer Nr. 4585 ein, wobei er dieses Mal als Beruf „Journalist“ angab.⁷⁶ Hier musste Lenin einen Bürgen beibringen, der sich verpflichtete, im Falle von Verlust oder Beschädigung von Büchern für den Schaden aufzukommen. Diesen Dienst übernahm mit Fritz Platten ein wichtiger Exponent des linken Flügels der Schweizer Sozialdemokratie.⁷⁷ Platten sollte im Folgejahr auch eine wesentliche Rolle bei der Organisation von Lenins Rückfahrt nach Russland spielen⁷⁸ und Lenin im Januar 1918 bei einem Attentatsversuch das Leben retten. Nach dem Krieg wurde er Gründungsmitglied, Sekretär und Nationalrat der Kommunistischen Partei der Schweiz. 1923 emigrierte er in die Sowjetunion, wo er in den späten dreißiger Jahren in den Strudel der stalinistischen Säuberungen geriet und 1942 erschossen wurde. Plattens Sohn Fritz Nikolaj, für den das Schicksal seines Vaters zeitlebens eine schwere biographische Belastung darstellte, sollte dann von 1967 bis 1984 als Bibliothekar und Dokumentalist im Schweizerischen Sozialarchiv arbeiten.⁷⁹ Lenin nutzte zwischen März 1916 und März 1917 die Bestände der Zentralstelle für soziale Literatur intensiv. Als er sich im Spätsommer 1916 für einige Zeit in Flums aufhielt, machte er erneut von der postalischen Ausleihe Gebrauch. Davon zeugt eine Postkarte vom 23. August, mit der er bei der Zentralstelle die Ausleihe der Marx-Engels-Briefe verlängern ließ.⁸⁰ Am 13. Dezember 1916 wurde Lenin schließlich auch noch ordentliches Mitglied der Zürcher Museumsgesellschaft, deren Lesesaal er in der Endphase seines Aufenthalts in Zürich ebenfalls rege nutzte.⁸¹ Sein Tagesablauf in Zürich wurde, wie Krupskaja in ihren Memoiren ausführte, ganz von den Öffnungszeiten der Bibliotheken bestimmt: Ende 1916 und Anfang 1917 stürzte sich Lenin kopfüber in die theoretische Arbeit. Er bemühte sich, die Zeit voll auszunutzen, in der die Bibliothek geöffnet war. Morgens ging er um Punkt neun Uhr in die Bibliothek und sass bis zwölf Uhr mittags dort (von zwölf bis ein
75 Vgl. Gautschi, Lenin als Emigrant (wie Anm. 58), S. 185. 76 SSA Ar 199.10.1 Briefsammlung des Schweizerischen Sozialarchivs. 77 SSA Ar 199.10.1 Briefsammlung des Schweizerischen Sozialarchivs. 78 Gautschi, Lenin als Emigrant (wie Anm. 58), S. 256–266. 79 Vgl. Platten, Fritz N.: Mein Vater, Fritz Platten: Ein Leben für die Russische Revolution. In: Turicum, September 1972. S. 17–22; ders.: Glasnost für Fritz Platten (1883–1942). In: Horch und Guck 11 (1994). S. 35–42. 80 SSA Ar 199.10.1 Briefsammlung des Schweizerischen Sozialarchivs. 81 Gautschi, Lenin als Emigrant (wie Anm. 58), S. 186 f.; Nobs, Ernst: Lenin und die Schweizer Sozialdemokraten. In: Rote Revue 33 (1954) H. 3. S. 53, 56.
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Uhr war die Bibliothek geschlossen); dann ging er nach Hause, wo er genau zehn Minuten nach zwölf Uhr eintraf; nach dem Mittagessen ging er sofort wieder in die Bibliothek und blieb bis sechs Uhr abends, bis sie geschlossen wurde, dort.⁸²
Sigfried Bloch erinnerte den russischen Revolutionär denn auch als einen regelmäßigen Benutzer: Lenin hielt sich im Lesesaal der Zentralstelle für soziale Literatur täglich vier Stunden auf. Nachmittags und vormittags je zwei. Er studierte die internationale Literatur mit Vorliebe, und war eifrig bemüht, sich auch in die schweizerischen sozialistischen Geisteserzeugnisse einzuarbeiten. Auf letzterem Gebiet zog er es vor, das Quellenmaterial der proletarischen Sekretariate durchzuarbeiten. Aber er studierte hier nur, um zu bestimmten wissenschaftlichen und politischen Fragen Stellung zu nehmen.⁸³
Es ist also kein Zufall, dass Lenin die Kunde vom Ausbruch der russischen Februarrevolution just in einem Moment erreichte, als er gerade im Begriff war, in die Bibliothek zu gehen.⁸⁴ Auf seiner Abschiedsfeier vor der Abreise nach Russland am 9. April 1917 im Restaurant Zähringerhof war auch der Vorsteher der Zentralstelle für soziale Literatur zugegen.⁸⁵ Er verabschiedete sich vom eifrigen Benutzer seiner Bibliothek per Handschlag: „Als mir Lenin beim Abschied die Hand drückte, gab ich der Hoffnung Ausdruck, ihn bald wieder bei uns zu sehen. Er bemerkte: ,Das wäre kein gutes politisches Zeichen.“‘⁸⁶ Trotz des freundlichen Verhältnisses zu Lenin während dessen Zürcher Zeit sollte Sigfried Bloch nach dem Krieg bei der Spaltung der Schweizer Arbeiterbewegung in der Sozialdemokratie verbleiben, während seine Gemahlin, die bedeutende Frauenrechtlerin Rosa Bloch-Bollag, in die Kommunistische Partei übertrat. Lenins Bewunderung für das schweizerische Bibliothekswesen kontrastierte scharf mit seiner Geringschätzung für das politische System seines Gastlandes, von dessen Qualitäten ihn auch prominente Schweizer Sozialisten nicht zu überzeugen vermochten.⁸⁷ Kurz nach der Oktoberrevolution unterband die neue Sowjetregierung alle demokratischen Regungen, seien sie rätedemokratisch, parlamentarisch oder direktdemokratisch, hingegen floss das Vorbild des helvetischen Bibliothekssystems in ihre bildungspolitische Programmatik ein. Bereits im November 1917 forderte Lenin in der Schrift Über die Aufgaben der öffentlichen
82 Krupskaja, Erinnerungen (wie Anm. 70), S. 180. 83 Bloch, Erinnerungen (wie Anm. 62), S. 4 f. Vgl. auch Brupbacher, Fritz: Zürich während Krieg und Landesstreik. Zürich: Unionsdruckerei 1928. S. 64 f. 84 Krupskaja, Erinnerungen (wie Anm. 70), S. 184. 85 Gautschi, Lenin als Emigrant (wie Anm. 58), S. 278–281. 86 Bloch, Erinnerungen (wie Anm. 62), S. 6. 87 Vgl. z. B. Nobs, Lenin und die Schweizer Sozialdemokraten (wie Anm. 81), S. 56–58.
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Bibliothek in Petrograd die Einrichtung eines unentgeltlichen Fernleihverkehrs innerhalb Russlands und mit dem Ausland, die Ausdehnung der Öffnungszeiten auf 15 Stunden täglich während sieben Tagen in der Woche sowie zusätzliche Bibliotheksangestellte. Er begründete diese Forderungen damit, dass das Bibliothekswesen in Petrograd „unter aller Kritik“ sei und man nun zu Prinzipien übergehen müsse, „die in den freien Staaten des Westens, besonders der Schweiz und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, längst verwirklicht sind“.⁸⁸ Im Juni 1918 erteilte der Rat der Volkskommissare dann dem Kommissariat für Volksbildung einen Verweis, da es sich ungenügend um das Bibliothekswesen kümmere, und beauftragte das Kommissariat, „unverzüglich energische Massnahmen zu ergreifen, um 1. das Bibliothekswesen in Russland zu zentralisieren, 2. das schweizerisch-amerikanische System einzuführen“.⁸⁹ Gemäß dem Historiker Michail Pokrowski, zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Volkskommissar für Bildung, schwebte Lenin vor, die öffentlichen Bibliotheken zu einem grossartigen Kommunikationssystem [zu] verbinden, das die Zirkulation sämtlicher Bücher ermöglichen sollte. Es sollte möglich sein, in den entferntesten Gebieten des Urals jedes beliebige Werk, etwa über vergleichende Sprachwissenschaft, verlangen und erhalten zu können. Es muss nicht erst gesagt werden, dass diese Idee die Grenzen unserer technischen Mittel und Möglichkeiten weit überschritt, zumal in den Zeiten des Bürgerkrieges. Lenin sah das bald ein und bestand nicht mehr auf der praktischen Verwirklichung seines Gedankens.⁹⁰
In der Tat vermochte das sowjetische Bibliothekssystem, wie die Sowjetische Historische Enzyklopädie 1962 konstatierte, bis Ende der zwanziger Jahre „nicht mit dem kulturellen Wachstum der Massen und den Aufgaben des wirtschaftlichen Aufbaus schrittzuhalten“.⁹¹ Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Zahl der Bibliotheken in der Sowjetunion dann aber auf 390 000 verfünffacht. Die Expansion des in zwei miteinander verbundenen Systemen (Wissenschafts- und Massenbibliotheken) zentralisierten Bibliothekswesens war jeweils Teil der volks-
88 Lenin, W. I.: Werke, Bd. 26. Berlin: Dietz Verlag 1961. S. 328. 89 Lenin, W. I.: Werke, Ergänzungsband Oktober 1917–März 1923. Berlin: Dietz Verlag 1971. S. 73. 90 Zit. Fülöp-Miller, René: Geist und Gesicht des Bolschewismus. Darstellung und Kritik des kulturellen Lebens in Sowjet-Russland. Wien etc.: Amalthea-Verlag 1926. S. 403. Vgl. auch Lenin, W. I.: Werke, Bd. 32. Berlin: Dietz Verlag 1961. S. 117–127; Simsova, S. (Hrsg.): Lenin, Krupskaja and Libraries. London: Clive Bingley 1968. S. 21–24; Fonotov, G. P.: Lenin and libraries. In: Unesco bulletin for libraries 24 (1970) H. 3. S. 118–125. ˙ 91 Klevenskij, M. M.: Biblioteki. In: Žukov, E. M. (Red.): Sovetskaja Istoričeskaja Enciklopedija, ˙ Bd. 2. Moskau: Sovetskaja Enciklopedija 1962. S. 404.
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wirtschaftlichen Fünfjahrespläne.⁹² Lenins Wertschätzung des schweizerischen Bibliothekssystems wurde dabei auch posthum noch zelebriert, insbesondere in Krupskajas erstmals 1929 erschienener Broschüre Was Lenin über die Bibliotheken geschrieben und gesagt hat, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder neu aufgelegt und nach dem Zweiten Weltkrieg auch in andere Sprachen übersetzt wurde.⁹³ Diese Facette des Personenkults um Lenin hatte zur Folge, dass die Schweizerische Landesbibliothek in der Zwischenkriegszeit verschiedentlich Anfragen des Moskauer Instituts für Bibliothekskunde zu verschiedenen Aspekten des Bibliothekswesens erhielt⁹⁴ – dies zu einem Zeitpunkt, als die Schweiz und die Sowjetunion keine diplomatischen Beziehungen unterhielten.
2. Phase: Zeitalter des Faschismus Eine zweite Phase der Benutzung der Zentralstelle für soziale Literatur durch Exilantinnen und Exilanten setzte in den dreißiger Jahren ein und erstreckte sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Ausbreitung faschistischer Regime in weiten Teilen Europas und insbesondere die nationalsozialistische Machtexpansion ab 1933 machten viele Menschen zu Flüchtlingen. Zugleich wurden Schweizer Bibliotheken zu raren Orten, an denen noch die ganze Spannweite deutschsprachiger Literatur konsultiert werden konnte. Dessen war man sich in Bibliothekarskreisen durchaus bewusst. Hermann Buser etwa, Adjunkt der Schweizerischen Volksbibliothek, schrieb im Februar 1938 in einem Gastbeitrag im Zürcher Volksrecht: Jeder Bibliothekar und alle, die mit Auswahl, Anschaffung und Weitergabe von Büchern betraut sind, sollten sich bewusst werden, dass sie durch die Verteidigung der individuellen Freiheitsrechte eine Menschheitsaufgabe erfüllen. Dann sind sie nicht nur Handlanger eines billigen patriotischen Nationalismus, sondern Mittler und Helfer im Ringen um ein reines, edles Menschentum.⁹⁵
92 Lembrecht, Christina: Bücher für alle. Die UNESCO und die weltweite Förderung des Buches 1946–1982. Berlin: De Gruyter 2013. S. 228. 93 Krupskaja, Nadežda K.: Čto pisal i govoril Lenin o bibliotekach. Moskau: Gosudarstvennaja ordena Lenina Biblioteka SSSR im. V. I. Lenina 1929. 94 Vgl. L., E.: Lenin und die Schweizer Bibliotheken. In: Vereinigung der Schweizer Bibliothekare – Nachrichten NF 41 (1935). S. 125. 95 Buser, Hermann: Bibliotheken und geistige Landesverteidigung. In: Volksrecht, 15.2.1938.
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Die im Titel des Artikels beschworene „geistige Landesverteidigung“ ging im Verständnis dieses Bibliothekars also durchaus über die Verteidigung der Schweiz hinaus und schloss das generelle Einstehen für demokratische und humanitäre Werte mit ein.⁹⁶ Zahlreiche, auch prominente Exilantinnen und Exilanten benutzten in jenen Jahren die Zentralstelle für soziale Literatur beziehungsweise ab 1942 das Schweizerische Sozialarchiv.⁹⁷ Zu ihnen zählten deutsche Politiker wie Otto Braun, der von 1921 bis 1932 sozialdemokratischer Ministerpräsident Preußens gewesen war und mit Material der Zentralstelle sein Buch Von Weimar zu Hitler fertigstellte,⁹⁸ Joseph Wirth, der der katholischen Zentrumspartei angehörte und 1921/22 Reichskanzler gewesen war, Wilhelm Dittmann, der 1918 nach der Novemberrevolution dem Rat der Volksbeauftragten angehört hatte, Wilhelm Hoegner, von 1930 bis 1933 Reichstagsabgeordneter und dann nach dem Zweiten Weltkrieg einziger sozialdemokratischer Ministerpräsident Bayerns, die bekannte Pädagogin und ehemalige SPD-Reichstagsabgeordnete Anna Siemsen, der ehemalige SPD-Abgeordnete Heinrich Ströbel, die Kommunistin Margarete Buber-Neumann sowie die prominenten Sozialisten Georg Ledebour und Nora Platiel. Weitere Benutzer aus dem deutschen Exil waren der führende Freidenker Max Sievers, der 1944 von den Nazis geköpft werden sollte, die Pazifistinnen und Feministinnen Lida Gustava Heymann und Gertrud Bär, der Pazifist, Sozialreformer, Vegetarier und Tierrechtler Magnus Schwantje, der Schauspieler und Dramatiker Wolfgang Langhoff, der 1933/34 im KZ Börgermoor das berühmte Moorsoldatenlied mitgetextet hatte, und der damalige Student und Journalist und nachmals bekannte Zukunftsforscher Robert Jungk.⁹⁹ Aus dem Bereich der Literatur und des Journalismus benutzten Bruno Schönlank, Bernhard von Brentano, Walter Fabian, Konrad Heiden, Ossip Kalenter, Richard Kleineibst, Hans Steinitz und Julius Zerfass die Bibliothek, aus dem Bereich der Wissenschaft etwa der Physiker Helmut Bradt¹⁰⁰ sowie die
96 Vgl. zur Heterogenität der Geistigen Landesverteidigung Mooser, Josef: Die „Geistige Landesverteidigung“ in den 1930er Jahren. Profile und Kontexte eines vielschichtigen Phänomens der schweizerischen politischen Kultur in der Zwischenkriegszeit. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 47 (1997). S. 685–708; Amrein, Ursula: „Los von Berlin!“ Die Literatur- und Theaterpolitik der Schweiz und das „Dritte Reich“. Zürich: Chronos 2004; Koller, Christian: „Welch einmalige Gelegenheit, unter dem Deckmantel des Sports seine wahren Gefühle zu zeigen“. Sport in der schweizerischen „Geistigen Landesverteidigung“. In: SportZeiten 9 (2009) H. 1. S. 7–32. 97 Vgl. Schwarz, Revolutionäre in der Bibliothek (wie Anm. 60); Häusler, 100 Jahre soziales Wissen (wie Anm. 2), S. 14. 98 Braun, Otto: Von Weimar zu Hitler. New York: Europa Verlag 1940. 99 Vgl. Jungk, Robert: Trotzdem. Mein Leben für die Zukunft. München: Hanser 1993. S. 206. 100 Unterlagen zu Bradt finden sich im Sozialarchiv im Nachlass seiner Ehefrau Maria Drittenbass (Bestand SSA Ar 167).
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Soziologen René König, der dann 1952 auch Referent auf der Jahresversammlung des Vereins Sozialarchiv sein sollte,¹⁰¹ und Helmut R. Wagner. Auch das österreichische Exil war bei der Benutzerschaft der Zentralstelle prominent vertreten, etwa durch die Sozialisten Joseph Buttinger, Friedrich Adler, Otto Leichter und Adolf Sturmthal, die Schriftsteller Manès Sperber, Karl Figdor und Fritz Hochwälder sowie den Journalisten und Verleger Felix Stössinger. Auch der italienische Schriftsteller Ignazio Silone, der jugoslawische Autor und Kunsthistoriker Oto Bihalji-Merin und der litauische Sportler und Diplomat Steponas Garbačiauskas gehörten in jenen Jahren zu den Benutzern. Nicht bei allen einheimischen Benutzern waren die Flüchtlinge indessen wohl gelitten. Auf der Vorstandssitzung vom 13. Mai 1939 erwähnte Vereinspräsident Paul Gygax, Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung und Professor für Zeitungswissenschaft an der Universität Zürich, Klagen aus Mitgliederkreisen, dass „unser Institut allzusehr von Emigranten überlaufen werde, so dass es zeitweise wie jüdisch-blockiert erscheine; alle Plätze seien belegt, und alle irgendwie interessanten Zeitungen seien beschlagnahmt“. Auf den Einwand eines anderen Vorstandsmitglieds, „dass mancher arme und gehetzte Mensch bei uns Unterschlupf gefunden habe, wo ihm (vielleicht seit langem zum ersten Mal) ein bisschen Wärme, ungestörte Ruhe und die Möglichkeit geboten wurde, sich selber wieder zu finden“, erwiderte Gygax, er wolle „daran auch nichts ändern“, sondern „nur verhindern, dass die erwähnten Klagen bis in die Reihen der Subvenienten getragen werden, weil das für uns unliebsame Konsequenzen nach sich ziehen könnte“. Vorsteher Paul Kägi schließlich räumte ein, dass „während des Winters die fraglichen Beschwerden verschiedentlich zweifellos berechtigt gewesen seien“. Mittlerweile sei aber „eine entschiedene Besserung eingetreten; nachdem diverse Arbeitslager eingerichtet worden seien für jüdische Flüchtlinge, besteht kein Grund mehr zu ähnlichen Protesten“.¹⁰² Zwei Wochen darauf ergriff auf der Jahresversammlung des Vereins Lida Gustava Heymann das Wort und brachte „den Dank der Emigranten zum Ausdruck [. . . ] für die allzeit freundliche Aufnahme und entgegenkommende Bedienung in der ZSL“.¹⁰³ Lotte Schwarz, von 1938 bis 1948 Mitarbeiterin im Sozialarchiv, betonte 1966 rückblickend auf jene Zeit die eigentümliche Kongruenz zwischen der illustren Benutzerschaft und den Räumlichkeiten im Erdgeschoss des ehemaligen Chors der Predigerkirche:
101 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1952. S. 1. 102 SSA Hausarchiv, Protokolle 15. Juni–27. Sept. 1960, Vorstands-Sitzung vom 13. Mai 1939, 11 Uhr im Büro. 103 SSA Hausarchiv, Protokolle 15. Juni–27. Sept. 1960, Generalversammlung vom 25. Mai 1939.
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Das Besondere, gleichsam Monumentale, lag im Untergrundcharakter der ganzen Lokalität. Wer die Fachbibliothek für Sozialwissenschaften aufsuchen wollte, musste einige Stufen hinunter steigen. Es galt eine schwere Kirchentüre zu öffnen. Und wenn der Besucher den dunklen Korridor durchschritt [. . . ], wurde er endlich vom Lesesaal aufgenommen. Der Lesesaal glich einer geräumigen Höhle, ausgerüstet mit den Errungenschaften der modernsten Technik.¹⁰⁴
Zugleich mag dieser Lesesaal für die Exilantinnen und Exilanten aber auch, wie mehrere Jubiläumsschriften des Sozialarchivs suggerierten, „ein kleines Stück heimatliche Welt“ gewesen sein, da sie sich hier mit ebenfalls exilierten Kulturgütern ihrer Herkunftsländer auseinandersetzen konnten.¹⁰⁵
Abb. 3: Der Lesesaal der Zentralstelle für soziale Literatur während des Zweiten Weltkriegs: Vorsteher Paul Kägi (2. v. L.) und Lesesaalaufsicht Lotte Schwarz (SSA F_5009-Fx-004)
104 Schwarz, Revolutionäre in der Bibliothek (wie Anm. 60). 105 Steinemann, Eugen u. Eduard Eichholzer: 50 Jahre Schweizerisches Sozialarchiv 1907–1957. Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen und zur Einweihung des neuen Sitzes des Schweizerischen Sozialarchivs in Zürich. Zürich: Schweizerisches Sozialarchiv 1958. S. 30; Platten/Tucek, Das Schweizerische Sozialarchiv (wie Anm. 4), S. 15.
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Umgekehrt profitierten die Bestände des Sozialarchivs von den Emigranten. Bereits der Jahresbericht 1933 vermerkte unter der Rubrik Schenkungen: „Und schliesslich bedachten uns zwei deutsche Emigranten mit den Trümmern ihrer auf Schleichwegen geretteten Büchereien.“¹⁰⁶ Der österreichisch-deutsche Ökonom Rudolf Hilferding, während der Weimarer Republik zweimal sozialdemokratischer Finanzminister, von 1933 bis 1938 Exilant in Zürich und dann 1941 von der Gestapo zu Tode gefoltert, schenkte der Zentralstelle 1939 nach seinem Wegzug nach Frankreich eine größere Zahl politischer und ökonomischer Broschüren.¹⁰⁷ Und der Physiker Helmut Bradt vermachte 1946 nach seiner Berufung in die USA seine Bibliothek dem Sozialarchiv.¹⁰⁸ In einigen Fällen ging die durch Schenkungen manifestierte Dankbarkeit weit über das Kriegsende hinaus. Der bis 1957 in der Schweiz lebende Journalist Walter Fabian versorgte das Sozialarchiv noch Mitte der fünfziger Jahre „laufend mit einer grösseren Anzahl Einzelnummern von Zeitschriften, [. . . ] die wir meistenteils auseinandernehmen und als geheftete Einzelartikel in den Sachdossiers unterbringen“.¹⁰⁹ Insgesamt machten die Exilantinnen und Exilanten während des Zweiten Weltkriegs etwa ein Fünftel der Benutzenden des Sozialarchivs aus.¹¹⁰ Nach Kriegsende ging mit dem Wegzug der „meisten früher ausgiebig bedienten Flüchtlinge“ die Benutzung spürbar zurück.¹¹¹ Unmittelbar nach dem Krieg besuchte mit Josef Luitpold Stern ein führender Kopf der aus den Vereinigten Staaten zurückkehrenden österreichischen Exil-Sozialdemokratie das Sozialarchiv, ferner auch der österreichische Historiker und Soziologe Franz Borkenau.¹¹²
3. Phase: Kalter Krieg Mit der Sowjetisierung weiter Teile Ostmitteleuropas und dem Einsetzen des Kalten Krieges nutzte aber schon bald eine dritte Gruppe von exilierten Benutzerinnen und Benutzern das Sozialarchiv. Nun fanden sich im Lesesaal Flüchtlinge und Dissidenten aus dem kommunistischen Machtbereich, etwa aus Rumänien,
106 SSA Hausarchiv, Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz: Jahresbericht 1933. S. 5. 107 SSA Hausarchiv, Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz: Jahresbericht 1939. S. 2. 108 Mündliche Auskunft Urs Kälin, 13.4.2015. 109 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1955. S. 2. 110 Steinemann/Eichholzer: 50 Jahre Schweizerisches Sozialarchiv (wie Anm. 105), S. 30; Platten/Tucek, Das Schweizerische Sozialarchiv (wie Anm. 4), S. 15. 111 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1946. S. 2. 112 Schwarz, Revolutionäre in der Bibliothek (wie Anm. 60).
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Polen, dem Baltikum und Ungarn.¹¹³ In den siebziger Jahren benutzte auch der aus der Sowjetunion abgeschobene Literaturnobelpreisträger Aleksandr Solženicyn das Sozialarchiv, um für sein Buch über Lenins Zeit in Zürich Material zu sammeln.¹¹⁴ Und die Schriftstellerin, Musikerin und Kunstdarbieterin Melinda Nadj Abonji, die 1973 mit ihren der ungarischen Minderheit angehörigen Eltern aus Jugoslawien in die Schweiz gekommen war, recherchierte für ihren mehrfach ausgezeichneten autobiographischen Roman Tauben fliegen auf (2010) das Material über den Jugoslawienkrieg aus der Zeitungsausschnittsammlung des Sozialarchivs.¹¹⁵ Zu nennen ist schließlich noch eine für die Entwicklung des Sozialarchivs wichtige Person, die zwar während ihrer Zeit als Benutzerin nicht als Exilantin gelten konnte, aber zu einem früheren Zeitpunkt ihres Lebens ins Exil gegangen war und später aktiv in der Flüchtlingsbetreuung gewirkt hatte: die deutsch-französisch-britische Soziologin und Sozialarbeiterin Ellen Rifkin Hill.¹¹⁶ In Deutschland aufgewachsen, war sie 1933 nach Frankreich und 1940 in die Vereinigten Staaten übergesiedelt, wo sie ab 1947 in New York an einem migrationssoziologischen Institut arbeitete. Um 1950 war sie in München für die Internationale Flüchtlingsorganisation (IRO) und dann für das Büro des United Nations High Commissioners for Refugees (UNHCR) tätig und betreute dabei sogenannte Displaced Persons (DPs). Während der folgenden Jahrzehnte lebte sie abwechselnd in den USA, Italien und der Schweiz, wo sie zu einer regelmäßigen Benutzerin und 1973 Vereinsmitglied des Sozialarchivs wurde. Bei ihrem Tod im Jahre 1999 vermachte sie dem Schweizerischen Sozialarchiv ihr gesamtes Vermögen von rund sieben Millionen Franken, um die Forschung im Bereich der Themenschwerpunkte des Sozialarchivs zu fördern. Der daraus hervorgegangene Forschungsfonds hat seither eine ganze Reihe von Forschungsprojekten finanziell unterstützt, darunter einige zur Flüchtlings- und Migrationsgeschichte.¹¹⁷
113 Steinemann/Eichholzer, 50 Jahre Schweizerisches Sozialarchiv (wie Anm. 105), S. 31; SSA Hausarchiv VII/1 Bürgscheine/Empfehlungen. 114 Weil, Leopold: Alexander Solschenizyn in Oberstrass. In: Quartier-Anzeiger Unterstrass Oberstrass, 19.4.1974; Häusler, 100 Jahre soziales Wissen (wie Anm. 2), S. 14; Solschenizyn, Lenin in Zürich (wie Anm. 63). 115 Nadj Abonji, Melinda: Tauben fliegen auf. Roman. Salzburg: Jung und Jung 2010; Freuler, Regula: „Ich schreibe stets ohne Plan“. In: Neue Zürcher Zeitung, 26.9.2010. 116 Vgl. Ulrich, Anita: Wer war Ellen Rifkin Hill? In: Sozialarchiv Info (2014) H. 5. S. 7–9. 117 Namentlich: Uhlig, Christiane: „Jetzt kommen andere Zeiten“. Lotte Schwarz (1910–1971). Dienstmädchen, Emigrantin, Schriftstellerin. Zürich: Chronos 2012; La Barba, Morena et al. (Hrsg.): La migration italienne dans la suisse d’après-guerre. Lausanne: Éditions Antipodes 2013; Ricciardi, Associazionismo ed emigrazione (wie Anm. 25).
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Exil als Arbeitshintergrund Eine wichtige Bezugsperson für die zahlreichen exilierten Benutzerinnen und Benutzer des Sozialarchivs während der späten dreißiger und vierziger Jahre war die bereits erwähnte Lotte Schwarz, die 1934 selbst vor den Nazis geflüchtet war.¹¹⁸ Die in der Nähe von Hamburg aufgewachsene Arbeitertochter hatte nach ihrer Schulzeit zunächst als Dienstmädchen gearbeitet und brachte es dank Weiterbildungen in linken Organisationen zur Bibliotheksgehilfin. Zunächst engagierte sie sich bei den Guttemplern, im Jahre 1930 trat sie der Kommunistischen Partei und dem Kommunistischen Jugendverband bei. 1932 schloss sie sich schließlich der rätekommunistischen und moskaukritischen Gruppe der Roten Kämpfer an. 1934 wurde sie aufgrund einer Denunziation von der Bibliothek, für die sie sieben Jahre lang gearbeitet hatte, fristlos entlassen. Nach ihrer Emigration erwarb sie durch eine Scheinehe die Schweizer Staatsbürgerschaft und arbeitete in Zürich zunächst als Dienstmädchen und Verkäuferin, dann in der italienischen Buchhandlung von Ignazio Silone und Gabriella Seidenfeld und im Sekretariat der Büchergilde Gutenberg. 1938 wurde sie als Sekretärin in der Zentralstelle für soziale Literatur angestellt. Von 1941 bis 1948 besorgte sie dann die Lesesaalaufsicht. Nach ihrem familiär bedingten Ausscheiden aus dem Sozialarchiv war Lotte Schwarz publizistisch und gestalterisch tätig, bekleidete verschiedene Ehrenämter und engagierte sich in der Sozialdemokratischen Partei, der sie seit 1934 angehörte. Es war nicht zuletzt ihr Verdienst, dass die Phase intensiver Benutzung des Sozialarchivs durch antifaschistische Flüchtlinge in Erinnerung blieb: 1951 referierte sie darüber auf der Jahresversammlung des Vereins,¹¹⁹ 1965 trat sie im Südwestdeutschen Rundfunk in einer Sendung zum Thema Das Sozialarchiv als Forschungs- und geistige Zufluchtsstätte für viele Emigranten vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg auf¹²⁰ und im folgenden Jahr publizierte sie in der Weltwoche einen ausführlichen Artikel mit dem Titel Revolutionäre in der Bibliothek.¹²¹ In den dreißiger und vierziger Jahren gab es auch Bemühungen, Emigranten für unbezahlte Arbeiten heranzuziehen. Der jüdische Rechtsanwalt Anton Zimmer aus Nürnberg, der bereits 1933 in die Schweiz geflohen war,¹²² bot 1935
118 Vgl. Uhlig, „Jetzt kommen andere Zeiten“ (wie Anm. 117). 119 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1951, S. 1. 120 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1965, S. 3 f. 121 Schwarz, Revolutionäre in der Bibliothek (wie Anm. 60). 122 Vgl. Weber, Reinhard: Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte in Bayern nach 1933. München: Oldenbourg 2006. S. 158.
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an, die bereits Tausende von Artikeln umfassende Zeitungsausschnittsammlung nach Schlagworten zu ordnen. Die dazu notwendige fremdenpolizeiliche Bewilligung traf nach monatelangem Warten ein, wurde nach einem halben Jahr aber ohne Angabe von Gründen wieder entzogen. Ein Schweizer Ersatz konnte für diese unbezahlte Arbeit nicht gefunden werden.¹²³ Der Jahresbericht von 1942 klagte dann: „Die hoffnungsvoll angebahnte entgeltlose Beschäftigung von Emigranten, die hier im Dienste unserer Volkswirtschaft eine ausserordentlich segensreiche Aufgabe vollbringen könnten, wurde leider durch höhere Instanz vorläufig verhindert.“¹²⁴ Erst drei Jahre später konnte der Jahresbericht festhalten: „Im sechsten Jahre des Weltkrieges und nach dessen Beendigung war es endlich möglich, bestqualifizierte Emigranten mit wichtigen Aufgaben zu beschäftigen, für die keine einheimischen Kräfte zur Verfügung standen.“¹²⁵ Im Jahresbericht 1946 konnte dann das Vorantreiben der Revision der thematischen Dossiers durch die Mitarbeit eines nicht namentlich genannten Emigranten vermeldet werden.¹²⁶ Ein weiterer Mitarbeiter mit Fluchterfahrung vor den Nazis war der 1948 als Kanzlist eingestellte Stanislaus Narutowicz. Sein Vater Gabriel Narutowicz war von 1908 bis 1920 Professor für Wasserbau an der ETH Zürich gewesen, von 1920 bis 1922 bekleidete er dann in der Regierung des neugegründeten polnischen Staates verschiedene Ministerämter. Im Dezember 1922 wurde er von der polnischen Nationalversammlung zum ersten verfassungsmäßigen Staatspräsidenten der Republik Polen gewählt, aber schon eine Woche später von einem rechtsradikalen Attentäter ermordet.¹²⁷ Stanislaus Narutowicz hatte in Zürich die Matura gemacht und war dann 1922 nach Polen übersiedelt. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war er Beamter im Außenministerium und flüchtete nach der deutschen Invasion mit Hilfe des Schweizer Konsuls auf abenteuerlichem Wege in die Schweiz. Von 1948 bis zu seinem Tod im Jahre 1951 arbeitete er im Schweizerischen Sozialarchiv.¹²⁸ Hedwig Bogdanski, die von 1957 bis 1965 in der Administration des Schweizerischen Sozialarchivs arbeitete, war zwar keine Exilantin, verfügte aber über viel Berufserfahrung in der Flüchtlingsbetreuung. Sie war seit dem Kriegsende
123 SSA Hausarchiv, Zentralstelle für soziale Literatur der Schweiz: Jahresbericht 1935, S. 2; ebd., Protokolle 15. Juni–27. Sept. 1960, Generalversammlung vom 9. Juli 1936. 124 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1942, S. 3. 125 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1945, S. 1. 126 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1946, S. 1. 127 Andrzejewski, Marek: Gabriel Narutowicz. Wasserbauer, Hochschullehrer und Politiker. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2006; Florkowska-Frančić, Halina: Narutowicz, Gabriel. In: Historisches Lexikon der Schweiz (elektronische Publikation), Version vom 20.4.2010. 128 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1948, S. 1, und 1951, S. 1; Andrzejewski, Gabriel Narutowicz (wie Anm. 127), S. 194–196; Steinemann/Eichholzer, 50 Jahre Schweizerisches Sozialarchiv (wie Anm. 105), S. 22.
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für die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) und andere Organisationen in der Flüchtlingshilfe tätig gewesen und hatte auch im Kinderdorf Pestalozzi in Trogen gearbeitet.¹²⁹ In den fünfziger und sechziger Jahren erreichten das Sozialarchiv auch wiederholt Anfragen bezüglich Beschäftigungsmöglichkeiten von Flüchtlingen aus Ungarn und anderen Ostblockstaaten, etwa von der Schweizerischen Zentralstelle für Flüchtlinge, der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft und der Kommission für orthodoxe Flüchtlinge.¹³⁰ Als 1958 ein staatenloser Flüchtling aus Rumänien mit Asylrecht in der Bundesrepublik Deutschland, der in deutschen Konzentrationslagern und sowjetischen Kerkern inhaftiert gewesen war, angestellt werden sollte, verweigerten aber die eidgenössischen Behörden die Einreise- und Aufenthaltsbewilligung.¹³¹ Im Jahre 1967 trat mit Miroslav Tuček ein weiterer Exilant in die Dienste des Schweizerischen Sozialarchivs, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, von 1968 bis 1987 dann als Vorsteher.¹³² Die Jugendzeit des 1925 in Prag geborenen Tuček war vom antifaschistischen Widerstand geprägt gewesen. Nach Kriegsende studierte er Rechtswissenschaften. 1947 war er Generalsekretär der ersten Weltfestspiele der Jugend und Studenten, die in Erinnerung an die antinazistischen Jugenddemonstrationen von 1939 in Prag stattfanden und von 17 000 Personen aus 71 Ländern besucht wurden. Nach der Promotion im Jahre 1948 trat Tuček in den diplomatischen Dienst ein. In den folgenden Jahren war er juristischer Attaché der tschechoslowakischen Gesandtschaft in Bern und Vizekonsul in Zürich. Zur Zeit der Prager Schauprozesse in den frühen fünfziger Jahren¹³³ distanzierte er sich öffentlich vom kommunistischen Regime und erhielt politisches Asyl in der Schweiz. In den fünfziger und sechziger Jahren arbeitete er als Journalist, aber auch in verschiedenen handwerklichen Berufen. Tučeks Amtszeit als Vorsteher des Schweizerischen Sozialarchivs fiel in eine Zeit der Bedeutungszunahme und verstärkten Institutionalisierung der Sozialwissenschaften und der Sozialgeschichte als Reflex gesellschaftlicher Umbrüche. 1974 erfolgte die Anerkennung des Sozialarchivs als „wissenschaftlicher Hilfs-
129 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1957, S. 2. 130 SSA Hausarchiv II./1.1 Alte Personalakten: Diverse Bewerbungen 1944–1968. 131 SSA Hausarchiv II./1.1 Alte Personalakten: Diverse Bewerbungen 1944–1968. 132 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1987, S. 1 f.; Ulrich, Anita: Zum Tod von Miroslav Tucek. In: Neue Zürcher Zeitung, 15.1.2004; Häusler, 100 Jahre soziales Wissen (wie Anm. 2), S. 21. 133 Vgl. Hodos, Georg Hermann: Schauprozesse. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948– 1954. Frankfurt/New York: Campus 1988; Kaplan, Karel: Die politischen Prozesse in der Tschechoslowakei 1948–1954. München: Oldenbourg 1986; Šiška, Miroslav u. Eckart Mehls (Hrsg.): Verschwörer, Staatsfeinde, Spione. Politische Prozesse in der Tschechoslowakei 1948–1954. Berlin: Dietz 1991.
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dienst“ durch den Bund im Rahmen des Hochschulförderungsgesetzes¹³⁴ und 1979 setzte der Bundesrat eine Eidgenössische Expertenkommission für die sozialwissenschaftliche Dokumentation in der Schweiz mit Tuček als Präsidenten ein.¹³⁵ Zugleich fungierte Tuček als Sekretär der Sozialdemokratischen Partei der Tschechoslowakei im Exil und er war auch im Verband tschechoslowakischer Vereine in der Schweiz aktiv. Dem speziellen Interesse Tučeks an den Vorgängen in seinem Herkunftsland verdankt das Sozialarchiv den Aufbau einer einmaligen Sammlung von Druckschriften zur tschechoslowakischen Zeitgeschichte, die rund 500 Bücher und Kleinschriften in 41 Dokumentationsschachteln umfasst.¹³⁶
Fazit Die transnationale Verflechtungsgeschichte des Schweizerischen Sozialarchivs in Bezug auf das Phänomen des Exils zeigt insgesamt eine Vielzahl von Facetten. Aus der Sicht der Institution Sozialarchiv sind etwa eine durch exilierte Benutzerinnen und Benutzer gesteigerte internationale Bekanntschaft, der Beitrag von Mitarbeitenden mit Exilhintergrund zur Entwicklung der Institution sowie die Akzentuierungen des Bestandaufbaus zu nennen. Aus der Perspektive von Exilantinnen und Exilanten kann die offene Atmosphäre der Institution verbucht werden, die oftmals eine Fortsetzung von vor der Exilierung begonnenen Arbeiten ermöglichte und dadurch eine kulturelle Brücke zum Herkunftsland herstellte. Ideen zum Bibliothekswesen im eigenen Land scheinen zumindest bei Lenin aufgekommen zu sein. Und für einige wenige Exilierte bedeutete die Institution sogar eine Möglichkeit, im Exilland in Lohn und Brot zu kommen. Das Beispiel des Sozialarchivs demonstriert damit eindrücklich die Potenziale einer transnationalen histoire croisée der Bibliotheksgeschichte.
134 Vgl. Sozialarchiv soll ins Hochschulsystem integriert werden. In: Tages-Anzeiger, 27.5.1975; Häusler, 100 Jahre soziales Wissen (wie Anm. 2), S. 25. 135 SSA Hausarchiv, Schweizerisches Sozialarchiv: Jahresbericht 1979, S. 8. 136 Dokumentationsbestand KVC.
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Literatur 55 év a magqarság szolgálatában. A Svájci Keresztény Magyar Munkavállalók Szövetségének 55 éve. Zürich: Selbstverlag 2014. Amrein, Ursula: „Los von Berlin!“ Die Literatur- und Theaterpolitik der Schweiz und das „Dritte Reich“. Zürich: Chronos 2004. Andrzejewski, Marek: Gabriel Narutowicz. Wasserbauer, Hochschullehrer und Politiker. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2006. Barth, Hans: Bedeutung und Herstellung eines schweizerischen Gesamtkataloges. Zürich: Vereinigung Schweizerischer Bibliothekare 1907. Barth, Robert: Bibliotheken. In: Historisches Lexikon der Schweiz (elektronische Publikation). Version vom 2.7.2014. Bloch, Sigfried: Erinnerungen an Lenin. 2. verb. Aufl. Zürich: [s. n.] 1924. Braun, Otto: Von Weimar zu Hitler. New York: Europa Verlag 1940. Brunschwig, Annette: Heimat Biel. Geschichte der Juden in einer Schweizer Stadt vom Spätmittelalter bis 1945. Zürich: Chronos 2011. Brupbacker, Fritz: Zürich während Krieg und Landesstreik. Zürich: Unionsdruckerei 1928. Bürgisser, Thomas: Unerwünschte Gäste. Russische Soldaten in der Schweiz, 1915–1920. Zürich: Pano 2010. Buser, Hermann: Bibliotheken und geistige Landesverteidigung. In: Volksrecht, 15.2.1938. Businger, Susanne: Stille Hilfe und tatkräftige Mitarbeit. Schweizer Frauen und die Unterstützung jüdischer Flüchtlinge, 1938–1947. Zürich: Chronos 2015. Clavel, Jean-Pierre u. Olivier Pavillon: Lénine et les bibliothèques suisses. In: Nachrichten VSB/SVD 40 (1970) H. 5. S. 204–207. Collmer, Peter: Zwischen Selbstdefinition und internationaler Behauptung. Frühe bolschewistische Diplomatie am Beispiel der Sowjetmission in Bern (Mai bis November 1918). In: Thomas, Ludmilla u. Viktor Knoll (Hrsg.): Zwischen Tradition und Revolution. Determinanten und Strukturen sowjetischer Aussenpolitik 1917–1941. Stuttgart: Steiner 2000. S. 225–283. Florkowska-Frančić, Halina: Narutowicz, Gabriel. In: Historisches Lexikon der Schweiz (elektronische Publikation). Version vom 20.4.2010. Fonotov, G. P.: Lenin and libraries. In: Unesco bulletin for libraries 24 (1970) H. 3. S. 118–125. Freuler, Regula: „Ich schreibe stets ohne Plan“. In: Neue Zürcher Zeitung, 26.9.2010. Fülöp-Miller, René: Geist und Gesicht des Bolschewismus. Darstellung und Kritik des kulturellen Lebens in Sowjet-Russland. Wien etc.: Amalthea-Verlag 1926. Gagnebin, Bernard: Lénine à la Bibliothèque. In: Musées de Genève 11 (1954) H. 6. Gautschi, Willi: Lenin als Emigrant in der Schweiz. Zürich/Köln: Benziger 1973. Häusler, Jacqueline: 100 Jahre soziales Wissen. Schweizerisches Sozialarchiv 1906–2006. Zürich: Schweizerisches Sozialarchiv 2006. Heiniger, Alix: Exil, Résistance, Héritage. Les militants allemands antinazis pendant la guerre et en RDA (1939–1975). Neuchâtel: Editions Alphil – Presses universitaires Suisses 2015. Hirter, Hans: Die Streiks in der Schweiz in den Jahren 1880–1914. Quantitative Streikanalyse. In: ders. et al. (Hrsg.): Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz 1880–1914. Soziale Lage, Organisation und Kämpfe von Arbeitern und Unternehmern, politische Organisationen und Sozialpolitik, Bd. II/2. Zürich: Chronos 1988. S. 837–1008.
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land und Europa. Hrsg. von Klaus Peter Hommes u. Norbert Kamp. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1998 (DBI-Materialien 179). S. 83–93. Neubauer, Wolfram: Was ist Management? In: Management in Bibliotheken. Referate anlässlich der deutsch-rumänischen Sur-Place-Seminare in Klausenburg (6. bis 8. Oktober 1997) und Bukarest (10. bis 13. Oktober 1997). Hrsg. von Urich Ribbert. Bukarest: Kriterion 1998. S. 13–22. Neubauer, Wolfram: Bibliotheksmarketing. In: Management in Bibliotheken. Referate anlässlich der deutsch-rumänischen Sur-Place-Seminare in Klausenburg (6. bis 8. Oktober 1997) und Bukarest (10. bis 13. Oktober 1997). Hrsg. von Urich Ribbert. Bukarest: Kriterion 1998. S. 23–42. Neubauer, Wolfram: Bibliotheksmanagement im gesellschaftspolitischen Umfeld. In: Management in Bibliotheken. Referate anlässlich der deutsch-rumänischen Sur-Place-Seminare in Klausenburg (6. bis 8. Oktober 1997) und Bukarest (10. bis 13. Oktober 1997). Hrsg. von Urich Ribbert. Bukarest: Kriterion 1998. S. 43–53. Neubauer, Wolfram: Ce este managementul? In: Managementul în biblioteci. Comunicări prezentate la seminariile germano-romăne organizat la Cluj-Napoca (6–8 octombrie 1997) şi Bucureşti (10–13 octombrie 1997). Hrsg. von Ulrich Ribbert. Bucureşti: Editura Kriterion 1998. S. 144–151. Neubauer, Wolfram: Marketingul în bibliotecă: In: Managementul în biblioteci. Comunicări prezentate la seminariile germano-romăne organizat la Cluj-Napoca (6-8 octombrie 1997) şi Bucureşti (10–13 octombrie 1997). Hrsg. von Ulrich Ribbert. Bucureşti: Editura Kriterion 1998. S. 152–168. Neubauer, Wolfram: Managementul bibliotecilor în context social-politic: In: Managementul în biblioteci. Comunicări prezentate la seminariile germano-romăne organizat la ClujNapoca (6-8 octombrie 1997) şi Bucureşti (10-13 octombrie 1997). Hrsg. von Ulrich Ribbert. Bucureşti: Editura Kriterion 1998. S. 169–177. Neubauer, Wolfram u. Alice Keller (Red.): Bibliothekswesen an der ETHZ im Umbruch. Eine Benutzungsstudie. Hrsg. von ETH-Bibliothek und Hochschulversammlung. Zürich: ETHBibliothek 1998. Neubauer, Wolfram: Der Kunde ist König. Veränderte Anforderungen und Leistungsangebote. In: Service im Wandel. Bestandssicherung, Elektronische Bibliothek, Veränderungsmanagement. 27. Arbeits- und Fortbildungstagung der ASpB/Sektion 5 im DBV in Zusammenarbeit mit der GBDL. Dresden, 22. bis 27. Feburar 1999. Bearb. v. Margit Brauer. Karlsruhe: Geschäftsstelle der ASpB 1999. S. 195–213. Keller, Alice u. Wolfram Neubauer: Hochschulbibliotheken der Schweiz. Position und Ausrichtung. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (1999) Jg. 23. H. 2. S. 133–143. Keller, Alice u. Wolfram Neubauer: Dienstleistungsangebote von Bibliotheken in elektronischer Form. Eine Benutzungsstudie der ETH-Bibliothek. In: nfd. Information – Wissenschaft und Praxis (1999) Jg. 50. H. 7. S. 407–412. Keller, Alice u. Wolfram Neubauer: Vom Eigenbau zum Fertigprodukt oder von ETHICS zu NEBIS. In: Input (1999) H. 12. S. 6–8. Neubauer, Wolfram: The digitization of Switzerland. A special library’s perspective. In: INSPEL (2000) Jg. 34. H. 3–4. S. 194–198. Neubauer, Wolfram: The digitization of Switzerland: a special library’s perspective. In: The Information Age. Challenges and Opportunities. Worldwide Conference on Special Librarianship. 16–19. October 2000, Brighton UK. Washington, DC: Special Libraries Association 2000. S. 115–118.
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Neubauer, Wolfram u. Annette Trinkler: Von ETHICS zu NEBIS oder vom Do-it-yourself zum Kauf von der Stange. In: B.I.T. Online (2000) Jg. 3. H. 2. S. 221–226. Keller, Alice u. Wolfram Neubauer: [Rezension] Ceynowa, K. u. Coners, A.: Kostenmanagement für Universitätsbibliotheken. Frankfurt am Main: Klostermann 1999. In: nfd. Informationswissenschaft und -praxis (2000) 51, Nr. 5. S. 304. Neubauer, Wolfram u. Arlette Piguet: The long road to becoming a “Consortium of Swiss University Libraries”. In: Liber Quarterly (2001) Jg. 11. H. 1. S. 87–97. Neubauer, Wolfram u. Margit Unser: Die ETH-Bibliothek Zürich. Das Portal zur elektronisch abrufbaren Information. In: ETH Alumni Focus (2001) Jg. 133. H. 2. S. 6. Neubauer, Wolfram: Wem dienen Spezialbibliotheken oder 40 Jahre in der ersten Reihe. In: Blick zurück nach vorn. Impressionen aus 40 Jahren Zentralbibliothek. Jülich: Forschungszentrum Jülich 2001. S. 18–24. Neubauer, Wolfram: [Rezension] Universitätsbibliotheken im Vergleich. Eine internationale Querschnittsuntersuchung/Von Gerhard Reichmann – Wiesbaden: Dt. Universitätsverl. 2001. In: nfd. Information – Wissenschaft und Praxis (2001) Jg. 52. H. 4. S. 241–244. Neubauer, Wolfram: Reinventing a sci-tech library: ETH libraries as focus point for scientific and technical information in Switzerland. In: Proceedings of the 23rd Annual IATUL Conference, Kansas City, MO 2002. S. 191–196. Neubauer, Wolfram: Aktuelle Entwicklungen im Bibliothekswesen der Schweiz. Die wissenschaftlichen Bibliotheken. In: Buch und Bibliothek (2002) Jg. 54. H. 2. S. 87–90. Keller, Alice, Rudolf Mumenthaler u. Wolfram Neubauer: Electronic library services as part of the university’s learning environment. In: 4th International Conference on New Educational Environments. Lugano, Switzerland – May 8–11, 2002. Hrsg. von Federico Flückiger u. a.: Manno: SUPSI 2002. Session 4.2. S. 23–26. Neubauer, Wolfram: Informationsversorgung für die Wissenschaft ohne Bibliotheken? Bedrohung oder Glücksfall. In: Die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens. Der Wissenschaftler im Dialog mit Verlag und Bibliothek. Jülich, 28. bis 30. November 2001. Tagungsprogramm und Vorträge. Jülich: Forschungszentrum 2002 (Schriften des Forschungszentrums Jülich. Reihe Bibliothek 10). S. 139–145. Neubauer, Wolfram: Die ETH-Bibliothek auf dem Weg in die Zukunft – Oder: wie verwandle ich einen Ozeanriesen in ein Schnellboot? In: Bibliotheken führen und entwickeln. Festschrift für Jürgen Hering zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Thomas Bürger u. Ekkehard Henschke. München: Saur 2002. S. 92–107. Neubauer, Wolfram u. Alice Keller: Von der Bücherausgabe zur Lernumgebung. Universitätsbibliotheken im internationalen Vergleich. In: Neue Zürcher Zeitung (05.11.2002) S. B 31. Neubauer, Wolfram: [Rezension] Wissenschaft Online: elektronisches Publizieren in Bibliotheken und Hochschule/hrsg. von Beate Tröger. Frankfurt am Main: Klostermann 2000. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (2002) Jg. 49. H. 2. S. 101–103. Neubauer, Wolfram u. Alice Keller: Looking to foreign countries. Comparison of university libraries in Switzerland and abroad. In: Philobiblon. Transylvanian Journal of Multidisciplinary Research in Humanities (2003–2004) Jg. 8–9. S. 391–397. Neubauer, Wolfram u. Alice Keller: Bibliotecile universitare în comparaţie internaţională. In: Biblioteca. Revista de bibliologie şi ştiinţa informării (2003) Jg. 14. H. 7. S. 222–224. Mumenthaler, Rudolf, Wolfram Neubauer u. Margit Unser: . . . die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen. Buchschätze der ETH-Bibliothek aus vier Jahrhunderten. Zürich: ETH-Bibliothek 2003.
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Neubauer, Wolfram: Bibliotheksleitung. Aufgaben, Methoden und Strategien. In: Die moderne Bibliothek. Ein Kompendium der Bibliotheksverwaltung. Hrsg. von Rudolf Frankenberger u. Klaus Haller. Berlin: De Gruyter Saur 2004. S. 117–133. Neubauer, Wolfram: „Wer sich verbessern will, muss sich wandeln“ oder: Warum Veränderung und warum jetzt? In: Lernort Bibliothek. Hrsg. von Franz Berger. Berlin: BibSpider 2004. S. 46–58. Neubauer, Wolfram: „Chi vuole migliorarsi deve trasformarsi“ oppure: perché cambiare e perché ora? In: La biblioteca apprende. Hrsg. von Franz Berger. Berlin: BibSpider 2004. S. 43–55. Neubauer, Wolfram: Die ETH-Bibliothek auf dem Weg zur Elektronischen Bibliothek. In: VSHBulletin (2004) Jg. 30. Nr. 1. S. 19 f. Neubauer, Wolfram: Vorwort. In: Blättern & Browsen – 150 Jahre ETH-Bibliothek. Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung im Stadthaus Zürich 23. September bis 11. November 2005. Hrsg. von ETH-Bibliothek. Zürich: ETH-Bibliothek 2005 (Schriftenreihe der ETH-Bibliothek. A: Wissenschaftsgeschichte 7). S. 7–9. Neubauer, Wolfram: Die Bibliothek der Zukunft. Traum oder Wirklichkeit? In: Blättern & Browsen – 150 Jahre ETH-Bibliothek. Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung im Stadthaus Zürich 23. September bis 11. November 2005. Hrsg. von ETH-Bibliothek. Zürich: ETH-Bibliothek 2005 (Schriftenreihe der ETH-Bibliothek. A: Wissenschaftsgeschichte 7). S. 127–138. Gysling, Corinne u. Wolfram Neubauer (Hrsg.): Auf dem Weg zur digitalen Bibliothek. Strategien für die ETH-Bibliothek im 21. Jahrhundert. Zürich: ETH-Bibliothek 2005 (Schriftenreihe der ETH-Bibliothek. B: Bibliothekswesen 7). Neubauer, Wolfram: Die „digitale Bibliothek ETH Zürich“. In: Gysling, Corinne u. Wolfram Neubauer (Hrsg.): Auf dem Weg zur digitalen Bibliothek. Strategien für die ETH-Bibliothek im 21. Jahrhundert. Zürich: ETH-Bibliothek 2005 Schriftenreihe der ETH-Bibliothek. B: Bibliothekswesen 7). S. 9–17. Neubauer, Wolfram: Das Projekt ETH World. In: Gysling, Corinne u. Wolfram Neubauer (Hrsg.): Auf dem Weg zur digitalen Bibliothek. Strategien für die ETH-Bibliothek im 21. Jahrhundert. Zürich: ETH-Bibliothek 2005 (Schriftenreihe der ETH-Bibliothek. B: Bibliothekswesen 7). S. 105–107. Neubauer, Wolfram: Zukünftige Schwerpunkte bibliothekarischer Arbeit. In: Gysling, Corinne u. Wolfram Neubauer (Hrsg.): Auf dem Weg zur digitalen Bibliothek. Strategien für die ETH-Bibliothek im 21. Jahrhundert. Zürich: ETH-Bibliothek 2005 (Schriftenreihe der ETHBibliothek. B: Bibliothekswesen 7). S. 175–181. Neubauer, Wolfram, Annette Trinkler u. Margit Unser: „Alles in allem: die beste Bibliothek, die ich kenne.“ Nutzerbefragung an der ETH-Bibliothek 2003. Zürich: ETH-Bibliothek 2005. Neubauer, Wolfram: Die notwendigen Informationsressourcen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das Portal myETH als Informationshub der ETH-Zürich. In: B.I.T. Online (2005) Jg. 8. H. 2. S. 115–122. Neubauer, Wolfram: Von Bibliothekskatalogen zu Wissensportalen. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2006) Jg. 30. H. 3. S. 275–283. Neubauer, Wolfram: Baugedächtnis Schweiz Online. In: Tec21 (2007) Jg. 133. H. 3–4. S. 40 f. Göttker, Susanne u. Wolfram Neubauer: Braucht die Schweiz Nationallizenzen? In: GMS Medizin – Bibliothek – Information (2007) Jg. 7. H. 2. Doc34. Neubauer, Wolfram: About the future of libraries. In: Information Services & Use (2008) Jg. 28. H. 2. S. 121 f.
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Neubauer, Wolfram: Vorwort. In: Forscher auf Reisen. Fotografien als wissenschaftliches Souvenir. Zürich: ETH-Bibliothek 2008. S. 7–11. Benitz, Susanne u. Wolfram Neubauer: Die Hochschulbibliotheken in der Schweiz. Ideen, Projekte und Ausrichtung. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2009) Jg. 33. H. 3. S. 315–327. Neubauer, Wolfram: Viitorul bibliotecilor ştiinţifice. In: BiblioRev (2009) H. 16. http://www. bcucluj.ro/bibliorev/arhiva/nr16/biblio1.html Neubauer, Wolfram u. Arlette Piguet: The Knowledge Portal, or the vision of easy access to information. In: Library Hi Tech (2009) Jg. 27. H. 4. S. 594–601. Neubauer, Wolfram, Paul Tanner u. Andreas Tönnesmann: Vorwort. In: Die Stadt. Ihre Erfindung in Büchern und Graphiken. Hrsg. von Ulrich Maximilian Schumann u. a. Zürich: gta Verlag 2009. S. 5–7. Hotea, Meda Diana u. Wolfram Neubauer: Bibliotecile ştiinţifice în contextul cercetării şi educaţiei. In: Istoria Culturii, Cultura Istoriei. Hrsg. von Ionuţ Costea u. a. Cluj-Napoca: Argonaut 2010. S. 552–574. Neubauer, Wolfram: From paper-based information work to the library of the future. The “Knowledge Portal” as part of an electronic-based library strategy. In: Innovation within libraries. Biblio 2010. Hrsg. von Ioan Adam u. a. Braşov: Braşov Univ. Pr. 2010. S. 209–216. Neubauer, Wolfram: Long-term preservation of research data. Challenge and opportunities for academic libraries in the future. In: Innovation within libraries. Biblio 2011. Hrsg. von Ioan Adam u. a. Braşov: Braşov Univ. Pr. 2011. S. 1–6. Hotea, Meda Diana u. Wolfram Neubauer: Viitorul colecţiilor speciale în mediul academic: mai dorim să deţinem documente vechi şi artefacte în bibliotecile noastre? In: Biblioteca. Revista de bibliologie şi ştiinţa informării (2011) Jg. 22. H. 12. S. 371–376. Neubauer, Wolfram: Entwicklung und Stand des Infrastrukturprojekts e-lib.ch. In: Arbido (2011) H. 3. S. 4–7. Neubauer, Wolfram: Schweizer Bibliotheken im Netz: Stand und Zukunft digitaler Angebote. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2012) Jg. 36. H. 1. S. 70–77. Piguet, Arlette u. Wolfram Neubauer: Das Wissensportal der ETH-Bibliothek. Ein innovatives Discovery-Tool. In: B.I.T. Online (2012) Jg. 15. H. 3. S. 237–246. Neubauer, Wolfram: „Unsere Mitarbeiter sind unser grösstes Kapital“. Methoden und Prozesse für ein erfolgreiches Personalmanagement an wissenschaftlichen Bibliotheken. In: Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Hrsg. von Andreas Degkwitz. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 63–80. Neubauer, Wolfram: Fortschritt lebt von Veränderung. Die Reorganisation einer Grossbibliothek am Beispiel der Bibliothek der ETH Zürich. In: Personal- und Organisationsentwicklung in Bibliotheken. Hrsg. von Andreas Degkwitz. Berlin: De Gruyter Saur 2012. S. 175–196. Neubauer, Wolfram (Hrsg.): Erwerbungsprofil der ETH-Bibliothek Zürich. Zürich: ETH-Bibliothek 2012. Neubauer, Wolfram: Vorwort. In: Die ETH-Bibliothek – Eine lohnende Investition. Eine Studie zur Servicequalität und zum Wert der Bibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich durchgeführt von TNS-Infratest. Zürich: ETH-Bibliothek, 2012. S. 6. Neubauer, Wolfram: Den Verlagen ein Dorn im Auge. In: ETH Life (17.2.2012). Neubauer, Wolfram: Open Access, ein Modell für die Zukunft? In: ETH Life (10.10.2012). Neubauer, Wolfram: Sammlungen: Die verborgenen Schätze der ETH. In: ETH Life (7.11.2012). Neubauer, Wolfram: Brauchen die Wissenschaften Bibliotheken? In: ETH Life (5.12.2012). Neubauer, Wolfram: Kommt der Abschied vom gedruckten Buch? In: ETH Life (16.1.2013).
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Neubauer, Wolfram: Wer kümmert sich langfristig um die Daten? In: ETH Life (13.2.2013). Neubauer, Wolfram: Gleich viel wissen trotz Informationsflut. In: ETH Life (13.3.2013). Neubauer, Wolfram (Hrsg.): Die ETH-Bibliothek. Unentbehrliche Dienstleisterin für die ETH Zürich. Ergebnisse der Umfrage 2012 bei Kundinnen und Kunden der ETH Zürich. Zürich: ETH-Bibliothek, 2013. Neubauer, Wolfram: [Rezension] Die Digitale Bibliothek. Hrsg. von Christine Haug und Vicenz Kaufmann. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2013) Jg. 37. H. 2. S. 251–254. Neubauer, Wolfram u. Arlette Piguet: Das Wissensportal der Bibliothek der ETH Zürich. Ein Beispiel für vernetztes Wissen online. In: Handbuch Hochschulbibliothekssysteme. Leistungsfähige Informationsinfrastrukturen für Wissenschaft und Studium. Hrsg. von Konstanze Söllner u. Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 439–454. Neubauer, Wolfram: Die Informationsinfrastrukturen an der ETH Zürich. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (2014) Jg. 61. H. 4–5. S. 224–230. Neubauer, Wolfram: Wissenschaftliche Bibliotheken im Kontext von Forschung und Lehre. Gegenwart und Zukunft von Information und Kommunikation in den Wissenschaften. In: Bibliothek. Innovation aus Tradition. Rolf Griebel zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Klaus Ceynowa u. Martin Hermann. Berlin: De Gruyter Saur 2014. S. 167–194.
(Stand: 1.5.2015)
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Dr. Rafael Ball Direktor der ETH-Bibliothek [email protected] Bruno Bauer Leiter der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien [email protected] Prof. Dr. Bernard Bekavac Studienleiter BSc Information Science an der HTW Chur [email protected] Prof. Dr. Roman Boutellier Vizepräsident Personal & Ressourcen der ETH Zürich [email protected] Dr. Andreas Brandtner Direktor der Universitätsbibliothek Mainz [email protected] Paolo Buoso Stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek der Freien Universität Bozen [email protected] Dr. Dorothea Busjahn Leiterin der Bibliothek des Max-DelbrückCentrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft [email protected]
Dr. Ulrike Eich Direktorin der Universitätsbibliothek der RWTH Aachen [email protected]
Prof. Dr. Ursula Georgy Professorin für Informationsmarketing an der Fachhochschule Köln [email protected]
Dr. Wolfgang Giella Leiter der Bibliothek der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften [email protected]
Nicole Graf Leitung Bildarchiv der ETH-Bibliothek [email protected]
Dr. Ulrich Hohoff Direktor der Universitätsbibliothek Augsburg [email protected]
Prof. Dr. Christian Koller Direktor des Schweizerischen Sozialarchivs [email protected]
Dr. Joachim Kreische Direktor der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Dortmund [email protected]
Prof. Dr. Andreas Degkwitz Direktor der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin [email protected]
Dr. Erdmute Lapp Direktorin der Universitätsbibliothek Bochum [email protected]
Marie-Christine Doffey Direktorin der Schweizerischen Nationalbibliothek [email protected]
Lee Cheng Ean University Librarian National University of Singapore [email protected]
412 | Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Dr. Anne Lipp Leiterin der Gruppe Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme der Deutschen Forschungsgemeinschaft [email protected]
Dr. Wilfried Lochbühler Direktor der Hauptbibliothek der Universität Zürich [email protected]
Dr. Bernhard Mittermaier Leiter der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich [email protected]
Prof. Dr. Rudolf Mumenthaler Professor für Bibliothekswissenschaft an der HTW Chur [email protected]
Prof. Dr. Beth Sandore Namachchivaya Associate University Librarian for Research, Associate Dean of Libraries and Professor University of Illinois at Urbana-Champaign [email protected]
Dr. Ulrich Niederer Direktor der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern [email protected]
Lisa Ott Stellvertretende Bereichsleitung Innovation und Entwicklung der ETH-Bibliothek [email protected]
Dr. Arlette Piguet Bereichsleitung Kundenservices der ETH-Bibliothek [email protected]
Prof. dr. Doru Radosav Professor of Medieval History at “Babeş-Bolyai” University and Director of the Central University Library “L. Blaga” Cluj-Napoca [email protected] Dr. Oliver Renn Leiter des Informationszentrums Chemie | Biologie | Pharmazie an der ETH Zürich [email protected] Dr. Franziska Regner Bereichsleitung Innovation und Entwicklung der ETH-Bibliothek [email protected] Uwe Rosemann Direktor der Technischen Informationsbibliothek (TIB) und der Universitätsbibliothek Hannover [email protected] Prof. Dr. Edzard Schade Professor für digitale Archivierung und Multimedia-Archive an der HTW Chur [email protected] Frank Scholze Direktor der KIT-Bibliothek [email protected] Konstanze Söllner Direktorin der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg [email protected] Prof. Dr. Niklaus Stettler Professor für Records Management und Archivierung an der HTW Chur [email protected] Dr. Matthias Töwe Leitung Digitaler Datenerhalt der ETH-Bibliothek [email protected]
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren | 413
Ir. Wilma van Wezenbeek Director TU Delft Library [email protected] Dr. Stefan Wiederkehr Bereichsleitung Sammlungen und Archive der ETH-Bibliothek [email protected]
Gerda Winkler Direktorin der Universitätsbibliothek der Freien Universität Bozen [email protected] Sylvia Yap Swee-beng Library Advisor & Consultant [email protected]