Verletzung von Schiedsvereinbarungen: Eine Untersuchung des deutschen Schiedsverfahrensrechts zu den Pflichten der Schiedsparteien und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung. Dissertationsschrift 9783161553820, 3161553829

Schiedsvereinbarungen haben im heutigen Wirtschaftsverkehr eine große Bedeutung. Doch welche Pflichten entstehen aus der

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German Pages 285 [307] Year 2017

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Vorwort
Inhaltsübersicht
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Sachverzeichnis
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Verletzung von Schiedsvereinbarungen: Eine Untersuchung des deutschen Schiedsverfahrensrechts zu den Pflichten der Schiedsparteien und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung. Dissertationsschrift
 9783161553820, 3161553829

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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 141 herausgegeben von Rolf Stürner

Jan Frohloff

Verletzung von Schiedsvereinbarungen Eine Untersuchung des deutschen Schiedsverfahrensrechts zu den Pflichten der Schiedsparteien und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung

Mohr Siebeck

Jan Frohloff, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes G ­ uten­ berg-Universität Mainz und am King’s College London; 2017 Promotion mit Forschungs­ aufenthalten an der NYU School of Law und am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg; derzeit Rechtsreferendar am Kammer­gericht Berlin.

ISBN 978-3-16-155382-0 ISSN 0722-7574 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver­ wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über­ setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro­ nischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen gesetzt und von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist in New York, London, Hamburg und Berlin ent­ standen. Sie wurde vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen. Während meiner Promotionszeit wurde ich von vielen Personen gefördert und unterstützt. Einigen möchte ich an dieser Stelle besonders danken. Dank gebührt in erster Linie meinem Doktorvater Professor Dr. Peter Huber. Professor Huber war es, der mich schon während meines Studiums in Mainz ge­ fördert und mir stets mit Rat zur Seite gestanden hat. Mein akademisches Leben wäre ohne ihn ein anderes geworden. Professor Dr. Jörg Risse möchte ich dafür danken, dass er mich zu dem Thema dieser Arbeit inspiriert hat. Herrn Professor Dr. Urs Peter Gruber danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“ bedanke ich mich bei Herrn Professor Dr. Rolf Stürner. Dass ich diese Arbeit in New York beginnen durfte, verdanke ich Frau ­Professorin Toni Fine von der Fordham University School of Law und Professor Dr. Franco Ferrari von der New York University School of Law. Während mei­ ner Zeit am King’s College London konnte ich von Professor Dr. David Caron viel über die praktische Arbeit von Schiedsgerichten lernen. Für die hervorragende Betreuung am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg möchte ich mich ganz herzlich bei Dr. Martin Illmer bedanken. Unsere zahlreichen Diskussionen während meiner Zeit am Institut und seine konstruktive Kritik am Manuskript haben mir ge­ holfen, diese Arbeit zu einer besseren zu machen. Bedanken möchte ich mich auch bei der Vorsitzenden Richterin am Kammergericht Dr. Christiane Simmler, dass sie mir stets als Diskussionspartnerin zur Verfügung stand. Meinem Vater Professor Dr. Hartmut Wittig und meiner Mutter Petra F ­ rohloff danke ich dafür, dass sie mich immer unterstützt haben, ohne je in Frage zu stellen, was ich tue. Meinen Freunden will ich sagen: Ohne Euch hätte ich es nicht geschafft. San Francisco, im Juni 2017

Jan Frohloff

Inhaltsübersicht Vorwort    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX

§ 1 Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Teil I: Die Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . . 5 § 2 Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . 7 § 3 Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Teil II: Rechtsfolgen bei der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten  109 § 4 Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten    . 111 § 5 Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 § 6 Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 § 7 Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Teil III: Rückschlüsse für die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichtverletzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 § 8 Kollisionsrechtliche Fragestellungen bei der Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 § 9 Gesamtergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Entscheidungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Sachverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Inhaltsverzeichnis Vorwort    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

§ 1 Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Status quo  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Gang der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 C. Anwendungsbereich der Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Teil I: Die Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . . 5 § 2 Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung  . . . . . 7 A. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Die höchstrichterliche deutsche Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichsgericht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Darstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Auswertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bundesgerichtshof  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Darstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Auswertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die deutsche Rechtsliteratur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Begründung von Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Auffassung, die Schiedsvereinbarung begründe Lasten  . . . . . . . b. Auffassung, die Schiedsvereinbarung begründe Pflichten  . . . . . 3. Auswertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Über das Verhältnis von der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung zu den Pflichten für die Parteien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Die Existenz von Pflichten im deutschen Zivilprozess  . . . . . . . . . . . . . 17 II. Der Prozessvertrag als Verpflichtungsgeschäft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

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III. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

C. Erforderlichkeit und Einklagbarkeit als taugliche Kriterien zur Bestimmung von Pflichten aus der Schiedsvereinbarung?  . . . . . . . . . . 19 I. Pflicht, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung und Rechtsliteratur zur Konkretisierung der Generalklausel?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichten der Schiedsparteien überall dort, wo Handlungsgebote erzwungen werden können?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Charakteristika der Last im deutschen Zivilprozess  . . . . . . . . . . . . . 2. Charakteristika der Pflicht im deutschen Zivilprozess  . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 20 21 22 23 24 24

D. Die Herleitung schiedsvertraglicher Pflichten und Lasten über das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

I. Die Sanktionierung von prozessualem Fehlverhalten durch die Rechtsordnung als Ausgangspunkt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit als richtiges Abgrenzungskriterium  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

E. Ergebnis zum deutschen Schiedsverfahrensrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 F. Die Pflichten der Schiedsparteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

I. Pflichten der Schiedsparteien unter dem common law und dem English Arbitration Act  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. General duty of the parties gem. section 40 Arbitration Act  . . . . . . 29 a. Rechtsprechung zur Auslegung von section 40 Arbitration Act  . 30 aa. Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A.  . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 bb. Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 cc. Kritische Würdigung der Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . 33 b. Kritik der englischen Rechtsliteratur an section 40 Arbitration Act  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 c. Eigene Bewertung – Pflichten aus section 40 (1) Arbitration Act als statutory obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Contractual obligations als implied terms der Schiedsvereinbarung 35 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung nach englischem Recht und die Pflichten der Parteien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Ergebnis zum englischen Schiedsverfahrensrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . 37



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§ 3 Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 A. Pflicht, keine staatlichen Gerichte anzurufen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Meinungsstand  ........................................... II. Eigene Herleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handlungsgebot, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen  . . . . . . 2. Bedürfnis nach Erzwingbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Klagen vor deutschen Gerichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Klagen vor ausländischen Gerichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichweite und Grenzen der Pflicht, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Zulässigkeit von Unterstützungsmaßnahmen durch staatliche Gerichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Zulässigkeit von negativen Feststellungsklagen in Bezug auf die Schiedsvereinbarung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Torpedoklagen als doppelte Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, nach englischem Schiedsverfahrensrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klagen vor ausländischen Gerichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klagen vor englischen Gerichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Pflicht, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken?  . . . . 52 I. Meinungsstand  ........................................... II. Eigene Abgrenzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mangel an pflichtbegründenden Nachteilen aufgrund von § 1035 ZPO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht bei abweichender Parteivereinbarung gem. § 1035 Abs. 1 ZPO?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Schiedsverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Meinungsstand  ........................................... II. Differenzierung der Pflichten im Zusammenhang mit den Kosten des Schiedsverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht der Schiedsparteien gegenüber den Schiedsrichtern auf Zahlung von Vergütung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostentragung nach Abschluss des Schiedsverfahrens  . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Herleitung einer anteiligen Kostenvorschusspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches Bestehen einer Pflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung auf einen gleichen Anteil  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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55 55 56 56 57 57 57

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3. Kein Ausschluss der Zahlungspflicht bei Vermögenslosigkeit  . . . . . 4. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kostenvorschusspflicht nach englischem Schiedsverfahrensrecht?  . . . 1. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems  . . . . . . . . . . . . aa. Darstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Auswertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Janos Paczy v. Haendler & Natermann GmbH  . . . . . . . . . . . . . . aa. Darstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Auswertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Allgemeine Pflicht zur Beteiligung am Schiedsverfahren?  . . . . . . . . . . 64 I. Pflicht der Schiedsparteien, sich durch Äußerungen und der Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen am Schiedsverfahren zu beteiligen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tücken der ständigen Rechtsprechung zur Verfahrensförderungspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung am Schiedsverfahren durch Einreichen von Schriftsätzen, Führen von Beweisen und Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen als schiedsvertragliche Last  . . . . . . . . . II. Anforderungen an die Darlegungen der Schiedsparteien  . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur fristgerechten Einreichung von Schriftsätzen?  . . . . . . . . 2. Pflicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Anwendbarkeit von § 138 Abs. 1 ZPO?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Die Wahrheitspflicht als schiedsvertragliche Pflicht  . . . . . . . . . . d. Umfang der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht  . . . . . . . . . . . e. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pflicht zur Vorlage von Dokumenten?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweiserhebung im Schiedsverfahren bei deutschem Schiedsort  . . 2. Die Vorlage von Dokumenten als schiedsvertragliche Last  . . . . . . . a. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Eigene Herleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Überlappung mit möglicher Pflicht, Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64 65 65 66 66 67 67 68 68 68 69 69 70 70 70 71 72 72 72

E. Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Pflicht, Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen  . . . . . . . . . . . . 1. Problemüberblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigene Herleitung und Differenzierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73 73 75 75



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a. Anordnungsbefolgungspflicht bei korrelierender schiedsvertraglicher Pflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Anordnungsbefolgungspflicht bei fehlender schiedsvertraglicher Pflicht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Rückschlüsse aus der Kompetenz des Schiedsgerichts, Gestaltungsschiedssprüche zu erlassen?  . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Bedürfnis nach Erzwingbarkeit schiedsgerichtlicher Anordnungen, bei denen zuvor keine korrelierende schiedsvertragliche Pflicht bestand?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Überprüfung dieses Modells anhand einstweiliger Anordnungen gem. § 1041 Abs. 1 ZPO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Schiedsvertragliche Pflicht zur Befolgung einstweiliger Anordnungen des Schiedsgerichts?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Differenzierung: § 1041 Abs. 1 ZPO als Ausnahmetatbestand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflicht zur Einhaltung der Verfahrensordnung und zur Einlassung auf eine Neufassung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle Pflicht der Schiedsparteien, die gewählte Verfahrensordnung einzuhalten?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Pflicht“ der Schiedsparteien, sich auf eine neue Fassung der Verfahrensregeln einzulassen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pflicht, nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen?  . . . . . . . . . . 1. Bedenken gegen und Probleme mit einer solchen Pflicht  . . . . . . . . 2. Kein Bedürfnis für eine solche Pflicht aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pflicht zur Befolgung des Schiedsspruchs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Herleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Pflicht zur Befolgung des Schiedsspruchs nach englischem Schiedsverfahrensrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 75 76 76 77 78 78 78 80 81 82 83 83 84 86 86 86 87 88 88 88 89 90 91

F. Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?  . . . . . . . 91 I. Grundsätzliche schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht?  . . . . . . . . 1. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handlungsgebot, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der Unterschied zwischen Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 92 93 93

XIV

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aa. Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . 93 bb. Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b. Handlungsgebot aus der Schiedsvereinbarung?  . . . . . . . . . . . . . 94 aa. Handlungsgebot wegen drohender Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb. Herleitung aus der Freiwilligkeit der Schiedsgerichtsbarkeit?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 cc. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Reichweite einer vereinbarten Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Vertraulichkeitspflicht gem. § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung  . . 97 2. Vertraulichkeitspflicht gem. Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules 2014 97 3. Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 III. Ausnahmen von einer vereinbarten Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Gesetzliche Ausnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a. Ausnahmen innerhalb des deutschen Schiedsverfahrensrechts  . . 98 b. Ausnahmen im übrigen deutschen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Vertragliche Ausnahmen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Rechtsnatur der Ausnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Die Vertraulichkeitspflicht der Parteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Duty of confidentiality als implied term der Schiedsvereinbarung  . . 102 a. Reichweite der duty of confidentiality  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b. Ausnahmen von der duty of confidentiality  . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 V. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

G. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

I. Bewährung des Kriteriums zur Ableitung schiedsvertraglicher Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Konsequenz: Ablehnung der bisherigen Kriterien zur Beschreibung von Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . . . . 107 III. Ergebnis und Ausblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108



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XV

Teil II: Rechtsfolgen bei der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten  109 § 4 Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 A. Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Pflichtverletzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung der Pflichtverletzung?  . . . . . . . . 1. Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung als Voraussetzung von § 280 Abs. 1 BGB?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung von Klagen vor staatlichen Gerichten?  . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertretenmüssen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schaden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klage vor einem staatlichen Gericht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Differenzhypothese – Die Frage nach der pflichtgemäßen Erfüllung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Rechtsliteratur zur Verletzung von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Übertragbarkeit auf die Schiedsvereinbarung?  . . . . . . . . . . . cc. Schiedsklage in derselben Sache als zu berücksichtigender Faktor in der Differenzhypothese  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Konstellation 1: Gericht erklärt sich aufgrund der Schiedseinrede für unzuständig  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Konstellation 2: Gericht erklärt sich trotz Erhebung der Schiedseinrede für zuständig  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Staatliches Gericht entscheidet in der Sache und weist die Klage als unbegründet ab  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Staatliches Gericht entscheidet in der Sache und gibt der Klage statt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtzahlung des eigenen Anteils am Kostenvorschuss  . . . . . . . . . . a. Konstellation 1: Nichtzahlung trotz Möglichkeit  . . . . . . . . . . . . aa. Schiedskläger verweigert Zahlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Boykottierender Schiedsbeklagter verweigert Zahlung  . . . . . b. Konstellation 2: Nichtzahlung aufgrund von Mittellosigkeit  . . . aa. Mittelloser Schiedskläger kann nicht zahlen  . . . . . . . . . . . . . bb. Mittelloser Schiedsbeklagter kann nicht zahlen  . . . . . . . . . . c. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unwahrer oder unvollständig verfälschender Sachvortrag  . . . . . . . 4. Nichtbefolgung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nichtbefolgung des Schiedsspruchs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Offenlegung vertraulicher Informationen oder Dokumente  . . . . . . .

112 113

113 114 115 115 118 118 118 119 119 120 121 122 123 124 125 126 126 126 126 127 127 128 128 129 129 130 131

XVI

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a. § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b. Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 V. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

B. Fragen der Rechtskraft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

I. Rechtskraftwirkung der Entscheidung eines pflichtwidrig angerufenen staatlichen Gerichts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Urteile deutscher Gerichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a. Entgegenstehende Rechtskraft der Entscheidung, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa. Rechtskraft der Entscheidung nach § 1032 Abs. 1 ZPO  . . . . . 135 bb. Erhebung der Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 cc. Widerspruch zur Entscheidung des Reichsgerichts vom 8. Dezember 1897?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b. Entgegenstehende Rechtskraft der Entscheidung in der Sache  . . 138 aa. Konstellation 2 – Fall 1: Gericht hatte die pflichtwidrige Klage als unbegründet abgewiesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb. Konstellation 2 – Fall 2: Gericht hatte der pflichtwidrigen Klage stattgegeben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc. Rechtsfolgen bei Missachtung der Rechtskraft  . . . . . . . . . . . 140 c. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Urteile englischer Gerichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a. Mangelnde Wirkungserstreckung der Entscheidung nach section 9 (4) Arbitration Act  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b. Entgegenstehende Rechtskraft der englischen Entscheidung in der Sache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa. Anerkennung der englischen Entscheidung in der Sache über die Brüssel I-VO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb. Auf das deutsche Inland erstreckte Wirkungen der englischen Entscheidung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc. Bindung von Schiedsgerichten an Urteile, die über die Brüssel I-VO anerkannt werden?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 dd. Auswirkungen auf Schadensersatzschiedsverfahren mit Sitz in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Die Rechtskraft von Schiedssprüchen und der Schadensersatz wegen der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht  . . . . . 147 1. Die entgegenstehende Rechtskraft des unrichtigen Schiedsspruchs  148 2. Hinfälligkeit des Schadensersatzes bei Aufhebung des unrichtigen Schiedsspruchs gem. § 1059 ZPO?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149



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3. Aufhebbarkeit eines inhaltlich unrichtigen Schiedsspruchs bei Verletzung der Wahrheitspflicht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO – Schiedsverfahren entspricht nicht der Vereinbarung der Parteien  . . . . . . . . . . . . . . b. Vereinbarkeit mit dem Verbot der révision au fond  . . . . . . . . . . . c. Präklusion des Aufhebungsgrundes wegen mangelnder Rüge im Schiedsverfahren?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Präklusion der Aufhebbarkeit bei Ablauf der drei-Monats-Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Urteilen nach § 826 BGB  . . . . . b. Übertragbarkeit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Schiedssprüche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Rückschlüsse für den Schadensersatz aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Parallele Anspruchsgrundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII 149 149 151 152 153 153 154 154 155 156 156

C. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Schadensersatz wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen  . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schadensersatz wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, einen gleichen Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schadensersatz wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schadensersatz wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Pflichten, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts und den Schiedsspruch zu befolgen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schadensersatz wegen Verletzung einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 159 160 160 161

§ 5 Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 B. Unzulässigkeit einer Klage aufgrund von mangelndem ­Rechtsschutzbedürfnis?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 C. Unzuständigkeit staatlicher Gerichte zur Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

I. Die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten als Streitigkeit, die der Schiedsvereinbarung unterfällt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

XVIII

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II. Konsequenz: Anwendbarkeit von § 1032 Abs. 1 ZPO in Bezug auf Streitigkeiten über schiedsvertragliche Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 III. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

D. Ausnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Die Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten im einstweiligen Rechtsschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessführungsverbote/Deutsche anti-suit injunctions  . . . . . . . . . . a. Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Zulässigkeit im deutschen Rechtssystem?  . . . . . . . . . . . . . . . bb. Erforderlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Voraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Verfügungsanspruch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Verfügungsgrund  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Missbrauchsgefahr?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Vollziehung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte  . . . . . . . . . . . . . f. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung der Pflicht, staatliche Klagen zu unterlassen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Voraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Durchsetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorläufige Sicherung einer vereinbarten Vertraulichkeit  . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten mit staatlichem Zwang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollziehung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts  . 2. Vollstreckung von Schiedssprüchen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonstige Ausnahmen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klage auf Erfüllung der Schiedsrichterbestellung?  . . . . . . . . . . . . . 2. Klage auf Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses?  . . . . . . . . . . 3. Klage auf wahrheitsgemäßen Sachvortrag?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klage auf Schadensersatz wegen Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Zuständigkeit staatlicher Gerichte, wenn kein Schiedsverfahren anhängig ist?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Zuständigkeit staatlicher Gerichte nach Kündigung der Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 171 171 172 173 174 174 175 175 177 177 179 179 180 181 182 184 185 185 185 186 186 187 187 188 189 190 190 191 191 191

E. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192



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§ 6 Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 A. Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Entscheidungszuständigkeit eines Schiedsgerichts  . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geltendmachung im anhängigen Schiedsverfahren oder Bildung eines neuen Schiedsgerichts?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg zur anteiligen Kostenvorschusspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik der Rechtsliteratur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verallgemeinerungsfähigkeit der Entscheidung: Geltung für andere Streitigkeiten aus der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zuständigkeit nach Beendigung des Schiedsverfahrens  . . . . . . . . . . . .

195

196 196 197 198 199

B. Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten  . . . 200 I. Pflicht zur Unterlassung von Klagen vor staatlichen Gerichten: Anti-suit injunctions von Schiedsgerichten bei deutschem Schiedsort  . 1. Zulässigkeit nach deutschem Schiedsverfahrensrecht  . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit der Brüssel I-Verordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der Fall Gazprom vor dem EuGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet  . . . . . . . . . . . . c. Die Entscheidung des EuGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Schlussfolgerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung des Schiedsgerichts als einstweilige Maßnahme oder Teilschiedsspruch?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Schiedsgerichtliche anti-suit injunctions als einstweilige Maßnahmen gem. § 1041 Abs. 1 ZPO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Zulässigkeit?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Voraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Durchsetzung mit staatlichem Zwang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Schiedsgerichtliche anti-suit injunctions als Schiedssprüche im Sinne von § 1055 ZPO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Anti-suit awards als Teilschiedssprüche im anhängigen Schiedsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Anti-suit awards als Schiedssprüche in der Hauptsache  . . . . cc. Vollstreckbarkeit von anti-suit awards nach der New York Convention  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einordnung schiedsgerichtlicher anti-suit injunctions in die Systematik des zehnten Buchs der ZPO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schiedsklage und Schiedsspruch auf Zahlung eines gleichen Anteils am Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens  . . . . . . . . . . . . . .

200 200 201 202 203 204 204 205 205 206 206 206 207 208 208 209 210 211 212 212

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1. Kein Verstoß gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache  . . . . 213 a. Unterschiedliche Anspruchsgrundlagen: Schiedsvereinbarung und Schiedsrichtervertrag  . . . . . . . . . . . . . 213 b. Schiedsspruch entfaltet nur Wirkungen zwischen den Parteien (§ 1055 ZPO)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c. Mittelbare Selbstbegünstigung genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht für einen Verstoß gegen das Richten in eigener Sache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 d. § 1057 ZPO als Ermächtigungsgrundlage des Schiedsgerichts, per Schiedsspruch über alle Kosten des Schiedsverfahrens zu entscheiden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 e. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Alternative Anspruchsgrundlagen: Die primäre schiedsvertragliche Vorschusspflicht und die sekundäre Schadensersatzpflicht bei Herausforderungslage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Anteilige Kostenvorschusszahlung im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Schiedsgericht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4. Schutz des Schiedsbeklagten gegen einen zahlungsanordnenden Teilschiedsspruch bzw. gegen eine einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 5. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 III. Wahrheitsgemäßer Sachvortrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 IV. Vertraulichkeitspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 V. Schadensersatz wegen Pflichtverletzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

C. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

§ 7 Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 A. Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Meinungsstand  ........................................... 1. Höchstrichterliche deutsche Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsliteratur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rücktritt, Kündigung oder ipso iure Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen?  . . 1. Rücktritt oder Kündigung als einschlägiges Gestaltungsrecht?  . . . . 2. Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung gem. § 1032 Abs. 1 ZPO?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis: Unzumutbarkeit als ausschlaggebender Faktor  . . . . . . . . III. Definition der Unzumutbarkeit für Schiedsvereinbarungen  . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des BGH zur Mittellosigkeit als Maßstab für die Unzumutbarkeit?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Keine Unzumutbarkeit bei Mittellosigkeit des Schiedsklägers  . .

225 225 226 227 228

229 229 230 230 231



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aa. Schiedsvereinbarung als konkludenter Ausschluss der Prozesskostenhilfe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Kein rechtsfreier Raum – Durchführbarkeit des Schiedsverfahrens mithilfe von Prozessfinanzierern  . . . . . . . cc. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Keine Undurchführbarkeit bei Verweigerung des Schiedsbeklagten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unzumutbarkeit bei fehlendem effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI 231 233 234 234 235 235 236

B. Einzelfälle der Unzumutbarkeit bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Anrufung staatlicher Gerichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlende Beteiligung an der Konstituierung des Schiedsgerichts  . . . . III. Nichtzahlung eines gleichen Anteils am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zahlungsfähiger Schiedskläger/boykottierender Schiedsbeklagter  . 2. Mittelloser Schiedskläger/vermögender Schiedsbeklagter  . . . . . . . . 3. Vermögender Schiedskläger/Mittelloser Schiedsbeklagter  . . . . . . . IV. Unwahrer Sachvortrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fehlende Befolgung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts/des Schiedsspruchs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Offenlegung von vertraulichen Informationen oder Dokumenten  . . . .

236 238

238 239 240 241 243 244 245

C. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Teil III: Rückschlüsse für die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichtverletzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 § 8 Kollisionsrechtliche Fragestellungen bei der Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A. Das Statut der Schiedsvereinbarung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

I. Deutsches Kollisionsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Englisches Kollisionsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 III. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

B. Auswirkungen auf die schiedsvertraglichen Pflichten bei englischem Schiedsort und deutschem Schiedsvereinbarungsstatut?  . . . . . . . . . . . . 253

I. Schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 II. Schiedsvertragliche Last zur Schiedsrichterbestellung  . . . . . . . . . . . . . 255

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III. Schiedsvertragliche Kostenvorschusspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. Schiedsvertragliche Wahrheitspflicht/Schiedsvertragliche Pflichten, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts und den Schiedsspruch zu befolgen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 V. Schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

C. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

§ 9 Gesamtergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Entscheidungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Sachverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

§ 1  Einleitung A.  Status quo Seit Jahrzehnten wiederholen Teile der deutschen Rechtsliteratur, dass eine Schiedsvereinbarung für die Parteien keine Pflichten begründen könne.1 Gestützt wird diese Auffassung stets auf die gleichen zwei Axiome. Erstens sei die Schiedsvereinbarung ein Prozessvertrag. Prozessverträge hätten jedoch allein eine Verfügungs- und keine Verpflichtungswirkung. Die Parteien könnten sich mit der Schiedsvereinbarung also gar nicht zu einem Verhalten verpflichten. Zweitens wird vorgebracht, dass – selbst wenn die Schiedsvereinbarung Handlungsgebote begründet – es sich nur um Lasten handele. Schließlich seien diese Handlungsgebote nicht einklagbar, weil dem Kläger dafür das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Was wäre, wenn diese Ansichten alle überholt wären? Was wäre, wenn man den Beweis führen könnte, dass alle angegebenen Gründe für die Ablehnung schiedsvertraglicher Pflichten gar keine validen Gründe sind? Was wäre, wenn man darlegen könnte, dass Prozessverträge die Parteien sehr wohl verpflichten können und die Einklagbarkeit eines Handlungsgebotes nach deutschem Recht überhaupt kein Kriterium für die Definition einer Pflicht ist? Was wäre, wenn man ein Kriterium für die Abgrenzung von schiedsvertraglichen Pflichten gegenüber schiedsvertraglichen Lasten herleiten, konkrete Pflichten ableiten und die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung abschließend beschreiben könnte? Es würde die Wahrnehmung der Schiedsvereinbarung nach deutschem Recht grundlegend verändern. Dieses Ziel verfolgt die vorliegende Arbeit. Sie will die vertraglichen Pflichten definieren, die sich für die Parteien aus der Schiedsvereinbarung ergeben, und darstellen, welche Rechtsfolgen ihre Verletzung hat.

1 Siehe Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S.  107–109; Bucher, in: Festschrift Schlosser, 2005, 97 (99); Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 20; Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 175.

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§ 1  Einleitung

B.  Gang der Untersuchung Wie soll dieses Ziel erreicht werden? In Teil I der vorliegenden Arbeit werden zunächst die Theorien widerlegt, nach denen aus der Schiedsvereinbarung keine vertraglichen Pflichten folgen. Anschließend wird ein eigenes Kriterium hergeleitet, mit dem schiedsvertragliche Pflichten von schiedsvertraglichen Lasten abgegrenzt werden können. Mit diesem Kriterium werden in der Folge alle Pflichten der Parteien aus einer Schiedsvereinbarung nach deutschem Recht abgeleitet. Teil II der Arbeit widmet sich den Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung. Entsteht durch die Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht ein Anspruch auf Schadensersatz? Und noch viel wichtiger: In welcher Gerichtsbarkeit lassen sich schiedsvertragliche Pflichten durchsetzen? Immer wieder wird vorgebracht, dass Handlungsgebote aus der Schiedsvereinbarung vor staatlichen Gerichten wegen des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses nicht einklagbar seien. Was ist, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich bestehen würde, aber der Grund für die mangelnde Einklagbarkeit der Pflichten die Tatsache ist, dass ein staatliches Gericht für diese Entscheidung überhaupt nicht zuständig ist, sondern ein Schiedsgericht? Abschließend wird in Teil II dieser Arbeit behandelt, unter welchen Voraussetzungen eine Partei bei einer Pflichtverletzung der Gegenseite von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese kündigen kann. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich nicht auf das deutsche Schiedsverfahrensrecht. Aufgrund der großen Bedeutung, die London als Sitz von Schiedsverfahren hat, soll auch das englische Recht auf die Verletzung von Schiedsvereinbarungen hin analysiert werden. In Teil III sollen die Fäden aus dem deutschen und dem englischen Schiedsverfahrensrecht zusammengeführt werden. Es werden Fragen des anwendbaren Rechts geklärt. Abschließend wird ein Gesamtergebnis formuliert.

C.  Anwendungsbereich der Arbeit Der begrenzte Anwendungsbereich der vorliegenden Untersuchung erfordert es, dass sie sich selbst auf ein Axiom stützt: Es wird im Rahmen der Arbeit nicht hinterfragt, ob die Parteien eine wirksame Schiedsvereinbarung geschlossen haben. Die nachfolgende Untersuchung basiert auf der Annahme, dass die Schiedsvereinbarung wirksam ist und keine Gründe für ihre Nichtigkeit eingreifen. Bei den Ausführungen zum deutschen Schiedsverfahrensrecht ist davon auszugehen, dass die Schiedsvereinbarung einen deutschen Schiedsort bestimmt und deutschem Recht unterliegt. Das englische Schiedsverfahrensrecht wird



C.  Anwendungsbereich der Arbeit

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auf die Pflichten der Schiedsparteien unter der Annahme untersucht, dass die Schiedsvereinbarung einen englischen Schiedsort bezeichnet und englischem Recht unterliegt. Ob die Verletzung von Schiedsvereinbarungen anders zu beurteilen ist, wenn lex arbitri und Schiedsvereinbarungsstatut auseinanderfallen, wird im letzten Teil der Arbeit behandelt. Die Verletzung von Schiedsvereinbarungen wird ausschließlich nach derzeit geltendem deutschen und englischen Schiedsverfahrensrecht analysiert. Dabei soll die nachfolgende Lösung kein Vorschlag sein, wie ein zukünftiges deutsches Schiedsverfahrensrecht aussehen könnte. Vielmehr geht es darum, ein Modell für die Verletzung von Schiedsvereinbarungen zu entwickeln, das de lege lata implementiert werden kann, ohne dass es dafür einer Gesetzesänderung bedarf.

Teil I

Die Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung Bevor diskutiert werden kann, welche Rechtsfolgen die Verletzung einer Schiedsvereinbarung hat, muss herausgearbeitet werden, welche Pflichten die Parteien einer Schiedsvereinbarung überhaupt haben und unter welchen Voraussetzungen eine Partei diese Pflichten verletzt. Dazu wird im ersten Kapitel dieses Teils (§ 2) ein Kriterium entwickelt, mit dem die Pflichten der Schiedsparteien bestimmt werden können. Anhand dieses Kriteriums werden im darauffolgenden Kapitel (§ 3) die konkreten Pflichten der Schiedsparteien abgeleitet und beschrieben.

§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung Dieses Kapitel widmet sich der Frage, auf welcher Grundlage für die Parteien Pflichten aus der Schiedsvereinbarung entstehen. Für den weiteren Fortgang der Arbeit wird das Kapitel damit in dreierlei Hinsicht grundlegend sein: Erstens, weil es die Auffassungen in der Rechtsliteratur widerlegen wird, dass eine Schiedsvereinbarung für die Parteien überhaupt keine Pflichten begründet. Zweitens, weil es nachweisen wird, dass die bestehenden Kriterien zur Bestimmung von Pflichten aus der Schiedsvereinbarung unbrauchbar sind. Drittens, weil im Rahmen dieses Kapitels ein Kriterium entwickelt wird, mit dem die Pflichten der Schiedsparteien konsequent bestimmt werden können.

A.  Meinungsstand In bestehenden Darstellungen werden die Pflichten, die sich für die Parteien aus der Schiedsvereinbarung ergeben sollen, immer wieder in einen unmittelbaren Zusammenhang zur Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung gestellt.1 Diese gemeinsame Darstellung suggeriert, dass die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung und die sich aus der Schiedsvereinbarung ergebenden Pflichten der Parteien in einem kausalen Zusammenhang stehen. Stimmen, die unabhängig von der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung Pflichten der Parteien annehmen, sind sich uneinig, wie diese Pflichten zu bestimmen sind. Für den Bundesgerichtshof sind die Schiedsparteien dazu verpflichtet, „alles Erforderliche zu tun, um das Zustandekommen des Schiedsspruchs zu fördern“2. Hingegen gehen in der Rechtsliteratur manche davon aus, dass eine Pflicht der Schiedsparteien nur dort angenommen werden kann, wo eine Handlung einklagbar ist.3 1  Siehe etwa BGHZ 23, 198 (200); 99, 143 (147); Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 34 (Fn. 58); Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 102 f.; Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 144; Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, S. 98 f., Fn. 368; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 72 f. 2  BGHZ 23, 198 (200 f.). 3  Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 20; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Lionnet/

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

In der Folge muss also aufgelöst werden, ob die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung tatsächlich kausal für die Begründung von Pflichten ist und ob Erforderlichkeit und Einklagbarkeit die richtigen Kriterien für die Bestimmung von Pflichten sind. Dazu werden die Auffassungen zunächst eingehend analysiert und anschließend auf ihre Tauglichkeit hin untersucht.

I.  Die höchstrichterliche deutsche Rechtsprechung Einige Autoren haben die höchstrichterliche deutsche Rechtsprechung zur Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung bereits ausgewertet.4 Bisher fehlt es jedoch an einer Darstellung, die das mögliche Zusammenspiel zwischen Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung und Pflichten der Schiedsparteien untersucht und das von der Rechtsprechung verwendete Merkmal zur Bestimmung von Pflichten kritisch hinterfragt.

1. Reichsgericht a. Darstellung Das Reichsgericht ging in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei der Schiedsvereinbarung um ein Verpflichtungsgeschäft handelt.5 Die Parteien hätten durch die Schiedsvereinbarung die Verpflichtung übernommen, „alles zu tun, um den Schiedsrichtern die Fällung des [Schieds-]Spruches zu ermöglichen“.6 Beispielsweise sollten die Schiedsparteien dazu verpflichtet sein, bei der Bildung des Schiedsgerichts zusammenzuwirken,7 die Kosten des Schiedsverfahrens zu tragen,8 sowie Beschlüssen des Schiedsgerichts Folge zu leisten.9 Die beiden letztgenannten Pflichten sollten einklagbar10 und schadens-

Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 176; wohl auch Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 442. 4 Siehe insbesondere Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 44–46. 5  RG, Gruch. 27, 1053 (1055); RGZ 33, 265 (268); 74, 321 (322); 156, 101 (104); RG, JW 1916, 580 (580); RG, HRR 1929, 1399. 6  RGZ 74, 321 (322); RG, JW 1916, 580 (580); zuvor das „Versprechen beider Teile alles [...] zur Fällung des Spruchs ihrerseits Erforderliche zu tun“: RG, JW 1898, 50 (50) [Hervorhebung hinzugefügt]. 7  RGZ 33, 265 (268); RG, JW 1898, 50 (50); RG, HRR 1929, 1399 (linke Spalte, unten). 8  RG, JW 1916, 580 (580). 9  RG, JW 1916, 580 (580). 10  So implizit RG, JW 1916, 580 (580), da das Reichsgericht eine Klage auf Zahlung des Kostenvorschusses gemäß dem Beschluss des Schiedsgerichts für begründet erachtete.



A. Meinungsstand

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ersatzbewährt11 sein. Eine Klage auf Erfüllung der Schiedsvereinbarung wurde vom Reichsgericht grundsätzlich für möglich gehalten.12 Zur Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung hatte sich das Reichsgericht früh dahingehend geäußert, dass es sich bei der Schiedsvereinbarung um kein rein „prozessualisches Rechtsgeschäft“ handele.13 Diese Feststellung zur Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung traf das Gericht allerdings unabhängig von den oben genannten Entscheidungen über die Pflichten der Schiedsparteien. Den Gedanken der Schiedsvereinbarung als nicht rein prozessuales Rechtsgeschäft beschrieb das Reichsgericht später  – wieder unabhängig von Pflichten  – mit Baumbachs Formel14, es handele sich um einen „materiell-rechtliche[n] Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen“15. Erst mit der letztgenannten Entscheidung stellte das Reichsgericht die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung in unmittelbaren Zusammenhang mit den durch sie begründeten Pflichten der Schiedsparteien.

b. Auswertung Für das Reichsgericht bestanden also keine Zweifel daran, dass für die Parteien durch den Abschluss der Schiedsvereinbarung Pflichten entstehen. Auffällig ist dabei, dass das Gericht erst (und nur) in einer Entscheidung aus dem Jahre 193716 die Begründung von Pflichten in einen kausalen Zusammenhang mit der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung brachte. Bereits 188217 hatte sich das Reichsgericht allerdings dazu geäußert, dass die Schiedsparteien durch die Schiedsvereinbarung untereinander Pflichten begründen. Dies deutet darauf hin, dass für das Reichsgericht die Begründung von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung im Ursprung unabhängig von der Frage war, ob es sich dabei um einen materiell-rechtlichen oder prozessrechtlichen Vertrag handelt. Anderenfalls hätte es in den Entscheidungen zu den Pflichten der Schiedsparteien darauf hinweisen müssen, dass die Annahme solcher Pflichten selbstverständlich nur aufgrund einer bestimmten dogmatischen Einordnung der Schiedsvereinbarung möglich sei. An einem solchen Hinweis hat es stets gefehlt.

11 

RG, JW 1916, 580 (581). RG, JW 1897, 55 (55); JW 1898, 50 (50). 13  RG, JW 1901, 424 (424). 14  Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 37. 15  RGZ 144, 96 (98); 156, 101 (104). 16  RGZ 156, 101 (104). 17  RG, Gruch. 27, 1053 (1055). 12 

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

2. Bundesgerichtshof a. Darstellung Dieser Rechtsprechung des Reichsgerichts schloss sich der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 30. Januar 1957 in vollem Umfang an. Die Schiedsvereinbarung sei ein „materiellrechtlicher Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen“, der für die Parteien Pflichten begründe.18 Durch ihn seien die Parteien dazu verpflichtet, „alles Erforderliche zu tun, um das Zustandekommen des Schiedsspruchs zu fördern“19. Die letztgenannte Formel  – später konkret als „Verfahrensförderungspflicht“ bezeichnet – wurde vom BGH in ständiger Rechtsprechung als Pflicht der Schiedsparteien bestätigt.20 Gelegentlich wurde synonym auch eine „Mitwirkungspflicht“ der Schiedsparteien angenommen.21 Konkret sollten die Parteien dazu verpflichtet sein, die Schiedsrichter zu ernennen,22 die Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen,23 das Verfahren nicht hinauszuzögern24 und keine staatlichen Gerichte anzurufen, um den durch die Schiedsvereinbarung gedeckten Anspruch prüfen zu lassen.25 Der Bundesgerichtshof bestätigte auch die Auffassung des Reichsgerichts, dass es sich bei der Zahlung des Kostenvorschusses um eine einklagbare26 Pflicht27 handele. Der BGH konkretisierte die Pflicht aber dahingehend, dass jede Partei nur ihren eigenen Anteil des Vorschusses zu zahlen habe und dass bei der Nichtleistung für die andere Partei die Möglichkeit bestehe, sich von der Schiedsvereinbarung zu lösen.28 Die Frage, ob im Schiedsverfahren eine Wahrheitspflicht besteht, entschied der Bundesgerichtshof hingegen nicht.29 Selbst wenn im Schiedsverfahren eine Wahrheitspflicht bestünde, beträfe sie den sachlichen Inhalt des Streites, sodass ihre Verletzung die Gegenseite nicht dazu berechtige, sich von der Schiedsvereinbarung zu lösen.30 Bei der Verletzung anderer Pflichten, die den äußeren Ablauf des 18 

BGHZ 23, 198 (200); nachfolgend dann BGHZ 40, 320 (322); 49, 384 (386). BGHZ 23, 198 (200 f.). 20  BGHZ 38, 254 (258); 41, 104 (108); 55, 344 (349 f.); 77, 65 (66); 94, 92 (95); BGH, NJW 1986, 2765 (2766); BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1060); BGHZ 102, 199 (203); 193, 38 (41, Rn. 7). 21  BGHZ 77, 65 (66 f.); 94, 92 (95); BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1060); BGHZ 102, 199 (202); 193, 38 (41, Rn. 7). 22  BGHZ 23, 198 (202); BGH, NJW 1986, 2765 (2766); BGHZ 102, 199 (202). 23  BGH, NJW 1986, 2765 (2766). 24  BGHZ 23, 198 (202). 25  BGHZ 38, 254 (258); 99, 143 (147). 26  BGHZ 94, 92 (95); 193, 38 (41, Rn. 7). 27  BGHZ 23, 198 (202); 41, 104 (109); 55, 344 (351); 77, 65 (67); 94, 92 (95); 102, 199 (202); 193, 38 (41, Rn. 7). 28  BGHZ 55, 344 (351); 77, 65 (67); 94, 92 (95); 102, 199 (202 f.). 29  BGHZ 23, 198 (201); BGH, NJW 1986, 2765 (2766). 30  BGHZ 23, 198 (203). 19 



A. Meinungsstand

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Verfahrens beträfen, sei dies aber bei schweren Verstößen generell möglich.31 Der BGH teilte die Pflichten nur ein einziges Mal in diese zwei Kategorien, „sachlicher Streitinhalt“ und „äußerer Verfahrensablauf“, ein. In späteren Entscheidungen wurde die Unterteilung wieder weggelassen. In Bezug auf die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung findet sich in neueren Entscheidungen des BGH mittlerweile der Hinweis, dass es sich bei der Schiedsvereinbarung um einen „Unterfall des Prozessvertrages“ handele.32 Gleichzeitig wird die Schiedsvereinbarung kollisionsrechtlich weiterhin schuldrechtlich qualifiziert.33 Sowohl Entscheidungen, die die Schiedsvereinbarung als materiell-rechtlichen Vertrag kategorisieren, als auch Entscheidungen, die sie als Unterfall des Prozessvertrages beschreiben, bringen diese Einordnung unmittelbar damit in Zusammenhang, dass für die Parteien Pflichten entstehen.34

b. Auswertung Aus Letzterem muss geschlossen werden, dass sich nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung nicht darauf auswirkt, ob für die Parteien aus der Schiedsvereinbarung Pflichten entstehen. Welche Pflichten das sind, hat sich bislang nur teilweise herauskristallisiert. Fest steht, dass der Bundesgerichtshof den Parteien eine allgemeine Verfahrensförderungsoder Mitwirkungspflicht auferlegt. Nach der Verfahrensförderungspflicht sollen die Parteien dazu verpflichtet sein, alles zu tun, um das Zustandekommen des Schiedsspruchs zu fördern. „Alles“ kann aber unter Umständen sehr viel und die Pflicht zur Förderung des Schiedsverfahrens theoretisch unendlich weit sein. Das muss auch dem Bundesgerichtshof mit Blick auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts aufgefallen sein. Im Gegensatz zu den späteren Urteilen des Reichsgerichts35 kann aus den Entscheidungen des BGH nämlich abgeleitet werden, dass sich aus der allgemeinen Verfahrensförderungspflicht spezifische Handlungsgebote nur dort ergeben sollen, wo eine Handlung für das Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist.36 Maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Annahme einer Pflicht ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs also ihre Erforderlichkeit für das Zustandekommen des Schiedsspruchs. Dieses Kriterium wurde zwar auch schon vom Reichsgericht in einer Entscheidung vom 19. November 1897 erwähnt,37 später jedoch wieder weggelassen. 31 

BGHZ 23, 198 (202 f.). So in BGHZ 99, 143 (147); 180, 221 (228). 33  BGH, SchiedsVZ 2011, 46 (48, Rn. 30). 34  BGHZ 23, 198 (200); BGHZ 99, 143 (147). 35  Namentlich RGZ 74, 321 (322); RG, JW 1916, 580 (580). 36  BGHZ 23, 198 (200 f.); BGH, NJW 1986, 2765 (2766). 37  RG, JW 1898, 50 (Nr. 20). 32 

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

Mit einer derart flexiblen Formel hat sich der Bundesgerichtshof die Möglichkeit offengehalten, Handlungen auch später noch als Pflichten deklarieren zu können, je nachdem, ob sie im Einzelfall nach Ansicht des Gerichts für den Ablauf des Schiedsverfahrens erforderlich sind oder nicht. Allerdings definierte der BGH nie, wann eine Handlung nun zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist. Hierzu existiert lediglich Kasuistik. Die Flexibilität der Erforderlichkeitsklausel geht damit auf Kosten der Rechtssicherheit. Deutlich wurde das in der Entscheidung vom 30. Januar 195738, in welcher der BGH offen ließ, ob die Schiedsparteien im Schiedsverfahren zur Wahrheit verpflichtet sind. Hätte der Bundesgerichtshof seine eigene Formel konsequent angewandt, hätte er zu dem Ergebnis kommen müssen, dass im Schiedsverfahren natürlich eine Wahrheitspflicht besteht. Schließlich ist ein wahrheitsgemäßer Sachvortrag erforderlich, um einen (richtigen) Schiedsspruch zu ermöglichen. Das sah selbst der Bundesgerichtshof so.39 Der BGH bekannte sich dennoch nicht zur Wahrheitspflicht im Schiedsverfahren, weil eine Wahrheitspflicht seiner Ansicht nach ohnehin den sachlichen Inhalt des Streits betreffe. Diese Ausführungen deuten darauf hin, dass für den BGH Pflichten der Schiedsparteien nur dort bestehen sollten, wo sie den äußeren Ablauf des Verfahrens betreffen, nicht hingegen dort, wo sie sich auf den sachlichen Inhalt des Streits beziehen. Mit dieser Unterteilung in „äußerer Verfahrensablauf“ und „sachlicher Inhalt des Streits“ könnte sich der BGH also an einer Definition der Erforderlichkeit versucht haben. Allerdings fehlte die Unterscheidung in den nachfolgenden Entscheidungen wieder. Ein Grund dafür mag sein, dass die Einteilung in den äußeren Verfahrensablauf und den sachlichen Streitinhalt kein verlässliches Kriterium für die Auslegung des Erforderlichkeitsmerkmals und die Herleitung von Pflichten ist. Das zeigt sich gerade an der Pflicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag, die auch im Schiedsverfahren bestehen muss.40 Mit einem Modell zum äußeren und inneren Verfahrensablauf kann sie allerdings nicht hergeleitet werden.

3. Zusammenfassung Nach der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung hat die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung keine Auswirkungen darauf, ob für die Parteien mit ihrem Abschluss Pflichten entstehen. Eine Pflicht der Parteien ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dort anzunehmen, wo eine Handlung zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist. Allerdings finden sich keine Entscheidungen, die diese Erforderlichkeit anhand von eigenständigen und verlässlichen Kriterien näher bestimmen. 38 

BGHZ 23, 198. Siehe BGHZ 23, 198 (201). 40  Siehe unten § 3 D. II. 2., S. 67 ff. 39 



A. Meinungsstand

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II.  Die deutsche Rechtsliteratur 1.  Zur Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung Von der rechtswissenschaftlichen Literatur wird das gesamte Meinungsspektrum zur Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung abgebildet. Es wurde bereits von einigen Autoren ausführlich dargestellt41; die nachfolgenden Ausführungen werden daher entsprechend kurz gehalten. Die vertretenen Auffassungen zur Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung lassen sich grob in drei Lager aufspalten. Das erste Lager sieht in der Schiedsvereinbarung einen Prozessvertrag,42 das zweite hält sie für einen materiellrechtlichen Vertrag.43 Für das dritte Lager ist die Schiedsvereinbarung ein gemischter Vertrag aus Elementen von Prozessvertrag und materiell-rechtlichem Vertrag.44 Dabei wird von Vertretern der prozessrechtlichen Einordnung gelegentlich argumentiert, dass aus der Qualifikation als Prozessvertrag die Nichtexistenz von Pflichten für die Schiedsparteien folge.45 Dagegen wird eingewandt, ob die Schiedsvereinbarung Pflichten begründe, sei unabhängig von der Rechtsnatur zu beurteilen.46

41 So Habscheid, KTS 1955, 33 (33 f.); Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 34 ff.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 244; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, S. 127. 42  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 175, Rn. 7; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 104; Blomeyer, Zivilprozessrecht, 2. Auflage 1985, § 30, VIII, Rn. 1 (S. 176); Goldschmidt, Zivilprozessrecht, 2. Auflage 1932, § 77, Rn. 1a (S. 269); Hellwig, Zur Systematik des zivilprozessrechtlichen Vertrages, 1968, S. 56; Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 582; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 46; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 2. 43  Lorenz, AcP 157 (1959), 265 (280); Schönke, Das Schiedsgerichtsverfahren nach dem heutigen deutschen Recht, 2. Auflage 1954, S. 26; Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlungen, 1950, S. 85. 44  Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 37; Magnus, in: Staudinger, BGB, Internationales Vertragsrecht 1, 2016, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 73; Kisch, ZZP 51 (1926), 321 (333); Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 266; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 244; Habscheid, KTS 1955, 33 (36); Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 176. 45  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 104, 107–109; Bucher, in: Festschrift Schlosser, 2005, 97 (99). 46  Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (272); Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17c; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 2. Auflage 1972, S. 237; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 36; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 13; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, S. 127; sogar Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 37.

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

2.  Zur Begründung von Pflichten Hält man Pflichten aus der Schiedsvereinbarung grundsätzlich für möglich, sind die Auffassungen darüber, wann diese Pflichten bestehen, zweigeteilt.

a.  Auffassung, die Schiedsvereinbarung begründe Lasten Einer Ansicht zufolge entstehen für die Schiedsparteien mit der Schiedsvereinbarung keine Pflichten, sondern allein Lasten.47 Der Grund dafür soll sein, dass die durch die Schiedsvereinbarung aufgestellten Handlungsgebote von der Gegenseite gerichtlich nicht erzwungen werden könnten; hierfür fehle das Rechtsschutzbedürfnis.48 Dabei wird jedoch eine Pflicht der Schiedsparteien zur Zahlung des Prozesskostenvorschusses anerkannt, eben weil diese vor einem staatlichen Gericht durchgesetzt werden könne.49

b.  Auffassung, die Schiedsvereinbarung begründe Pflichten Dem wird entgegengehalten, dass die Schiedsvereinbarung echte Pflichten begründe.50 In Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts wird vertreten, die Schiedsparteien seien dazu verpflichtet, alles zu tun, um die Fällung des Schiedsspruchs zu ermöglichen.51 Manche Autoren greifen hier zur Ein47  Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 20; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Lionnet/ Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 176; Bucher, in: Festschrift Schlosser, 2005, 97 (99); wohl auch: Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 442. 48  Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 175. Im Ergebnis zustimmend, aber ohne die Begründung einer Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis: Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 20; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 442. 49  Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 21; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 126; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 447 f. Zweifelnd: Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 176. 50  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 118 (insofern inkongruent zur eigenen Kommentierung bei § 1048, Rn. 4); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 54; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 2. Auflage 1972, S. 235. 51  Goldmann, ZZP 51 (1926), 442 (442); Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 53; Habscheid, KTS 1955, 33 (35); Hellwig, Zur Systematik des zivilprozessrechtlichen Vertrages, 1968, S. 57; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Trittmann/Hanefeld, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, § 1029 ZPO, Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17.



A. Meinungsstand

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schränkung auf das vom BGH entwickelte Erforderlichkeitsmerkmal zurück.52 Die Pflichten der Schiedsparteien sollen als Verfahrensförderungspflichten53, Mitwirkungspflichten54 und Loyalitätspflichten55 beschrieben werden können. Sie werden grundsätzlich für einklagbar gehalten, wobei bisweilen das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage fehlen könne.56 Dabei werden die Pflichten teils als prozessuale57, teils als materiell-rechtliche58 bezeichnet.

3. Auswertung Auch wenn die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung immer wieder in einem Atemzug mit möglichen Pflichten der Schiedsparteien besprochen wird, leiten lediglich Schiedermair und Bucher aus der Einordnung der Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag ab, dass für die Schiedsparteien überhaupt keine Pflichten entstehen können. Die erste der nachfolgend zu besprechenden Thesen lautet also: Eine Einordnung der Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag steht der Annahme von Pflichten entgegen. Dass die Autoren, die in der Schiedsvereinbarung einen materiell-rechtlichen oder einen aus beiden Formen gemischten Vertrag sehen, unproblematisch Pflichten der Schiedsparteien akzeptieren, 52 So Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 54; Voit, in: Musielak/ Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26. 53  Habscheid, KTS 1980, 285 (290); Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (272); Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 462; Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (318). 54  Kisch, ZZP 51 (1926), 321 (323); Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 52 f.; Lorenz, AcP 157 (1959), 265 (280); Habscheid, KTS 1980, 285 (290); Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (272); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 47; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 462. 55  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 54; ders., in: Festschrift Gaul, 1997, 679 (684); Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 462; Trittmann/ Hanefeld, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, § 1029 ZPO, Rn. 43. 56  Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 53; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (273). 57  Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 143; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 47; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17; Hellwig, Zur Systematik des zivilprozessrechtlichen Vertrages, 1968, S. 57. 58  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 52; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 2. Auflage 1972, S. 235; Wiegand, SchiedsVZ 2003, 52 (58); Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 99.

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

überrascht nicht. Die Existenz materiell-rechtlicher Verpflichtungsgeschäfte ist kein Geheimnis (§ 241 BGB). Es fragt sich nun, wie diese Pflichten zu bestimmen sind. (Andere) Gegner von Pflichten der Schiedsparteien begründen ihre Auffassung damit, dass aus der Schiedsvereinbarung folgende Handlungsgebote nicht eingeklagt werden könnten. Es könne sich bei diesen Handlungsgeboten daher lediglich um Lasten handeln. Gerade deshalb wird von Anhängern dieser Auffassung oft einzig eine Pflicht auf Zahlung des Kostenvorschusses für das Schiedsverfahren akzeptiert – ihre Einklagbarkeit wird nämlich vom BGH in ständiger Rechtsprechung anerkannt. Die zweite in der Folge zu überprüfende These lautet also, dass die aus der Schiedsvereinbarung folgenden Handlungsgebote lediglich Lasten sind, weil sie nicht eingeklagt werden können, bzw. dass die Abgrenzung von Pflichten gegenüber Lasten anhand der Einklagbarkeit vorzunehmen ist. Autoren, die Pflichten der Schiedsparteien befürworten, gehen dagegen in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung von Reichsgericht und Bundesgerichtshof von umfassenden Pflichten der Schiedsparteien aus  – diese seien dazu verpflichtet, alles zu tun, um den Schiedsspruch zu ermöglichen. Diese umfassende Pflicht wird synonym als Verfahrensförderungspflicht, Mitwirkungspflicht oder Loyalitätspflicht bezeichnet. Um „alles“ einzuschränken, was die Parteien tun müssen, um den Schiedsspruch zu ermöglichen, greifen Vertreter dieser Auffassung gelegentlich auf das von der Rechtsprechung entwickelte Merkmal der Erforderlichkeit zurück. Hinweise darauf, wie die Generalklausel der Erforderlichkeit näher zu bestimmen ist, gibt es allerdings auch in der Rechtsliteratur nicht. Pflichten sollen aber auch dann angenommen werden können, wenn sie im Einzelfall nicht einklagbar sind. Das Abgrenzungskriterium der Erforderlichkeit besteht also im Gegensatz und nicht zusätzlich zur Einklagbarkeit. Die dritte These, die in der Folge überprüft wird, lautet daher: Ein sich aus der Schiedsvereinbarung ergebendes Handlungsgebot ist dann eine Pflicht, wenn es zur Herbeiführung des Schiedsspruchs erforderlich ist.

III. Zusammenfassung In der Folge müssen die folgenden drei von Rechtsprechung und Rechtsliteratur aufgestellten Thesen diskutiert werden: Ob eine Schiedsvereinbarung Pflichten begründet, hängt davon ab, welche Rechtsnatur sie hat (B.). Sofern man der Ansicht ist, dass die Schiedsvereinbarung Pflichten begründen kann, stellt sich die Frage, wann Pflichten bestehen. Hier haben Rechtsprechung und Rechtsliteratur unterschiedliche Abgrenzungskriterien gebildet. Erstens muss diskutiert werden, ob ein Handlungsgebot immer dann eine Pflicht ist, wenn es zur Ermöglichung des Schiedsspruchs erforderlich ist. Zweitens muss geprüft werden, ob ein Verhalten nur dann eine Pflicht sein kann, wenn es vor einem staatlichen Gericht einklagbar ist (C.). Falls beide für die Bestimmung von



B.  Über das Verhältnis von der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung

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Pflichten untauglich sind, müssen neue Kriterien zu ihrer Herleitung entwickelt werden (D.).

B.  Über das Verhältnis von der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung zu den Pflichten für die Parteien Es geht also zunächst um die Frage, ob sich die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung auf die Existenz von Pflichten für die Parteien auswirkt. Ist also die Zuordnung zu einer der drei aufgestellten Theorien zur Rechtsnatur kausal, ist sie conditio sine qua non für die Annahme von Pflichten? Im Grunde stellt sich diese Frage allein für eine Einordnung der Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag. Denn wenn man in der Schiedsvereinbarung einen materiellen oder zumindest auch materiell-rechtlichen Vertrag sieht, ist die Möglichkeit schiedsparteilicher Pflichten schnell erklärt: Im materiellen Zivilrecht sind Verpflichtungsgeschäfte selbstverständlich (siehe § 241 BGB). Man nennt sie dort das Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse. Bei einer materiell-rechtlichen Einordnung und auch bei der Schiedsvereinbarung als prozessual-materiellrechtlich-gemischtem Vertrag würde es sich also von selbst verstehen, dass die Parteien durch die Schiedsvereinbarung untereinander Pflichten begründen können. Es ist also zu fragen: Sind Pflichten aus der Schiedsvereinbarung ausgeschlossen, wenn man die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag qualifiziert?

I.  Die Existenz von Pflichten im deutschen Zivilprozess Gäbe es im deutschen Zivilprozess keine Pflichten, könnte man daraus schließen, dass auch Prozessverträge solche nicht begründen können. Goldschmidt hielt in der Tat die Verpflichtung für ein ausschließliches Institut des materiellen Rechts, das dem Prozessrecht fremd sei.59 Rechtlich gebe es im Prozess nur Lasten.60 Dass aber auch das Zivilprozessrecht Pflichten kennt, kann heute nicht mehr geleugnet werden. § 138 Abs. 1 ZPO etwa verpflichtet die Parteien, ihre Aussagen vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben. § 91 ZPO kodifiziert die Kostenpflicht: Die im Prozess unterlegene Partei ist verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen.61 Pflichten sind also keineswegs ein ausschließliches Ele59  Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage, S. 337; ders., Zivilprozessrecht, 2. Auflage 1932, § 35, Rn. 1 (S. 106). 60  Goldschmidt, Zivilprozessrecht, 2. Auflage 1932, § 35, Rn. 2 (S. 107). 61  Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten, 2013, S. 1; Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 91, Rn. 2.

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

ment des materiellen Zivilrechts.62 Vielmehr erkennen sie der Gesetzgeber und die Rechtsgemeinschaft auch für das Zivilprozessrecht an. Blomeyer zufolge sind prozessuale Pflichten in unserem System gar nicht zu entbehren.63 Wenn also das Zivilprozessrecht Pflichten kennt und diese an verschiedenen Stellen in der Zivilprozessordnung auch ausdrücklich geregelt sind, dann besteht zunächst einmal kein Grund, solche Pflichten für Prozessverträge oder das Schiedsverfahrensrecht auszuschließen.

II.  Der Prozessvertrag als Verpflichtungsgeschäft Aus dem Ansatz, Pflichten seien etwas schuld- bzw. materiell-rechtliches und damit dem Zivilprozessrecht fremd, leitete Schiedermair ab, dass die Parteien eines Prozessvertrages allein ihre prozessrechtlichen Beziehungen gestalten, aber keine Pflichten begründen.64 Dementsprechend entstünden auch durch die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag keine Pflichten.65 Bucher verfolgt den gleichen Ansatz.66 Dieses Verständnis darf als widerlegt angesehen werden. Wie Henckel und Wagner herausgearbeitet haben, ist – wie schon zuvor generell für die Pflicht geklärt werden konnte – das Verpflichtungsgeschäft keineswegs ein exklusives Institut des materiellen Privatrechts.67 Es existieren vielmehr auch prozessuale Verpflichtungsverträge.68 Mithin spricht nichts dagegen, auch bei einer Einordnung der Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag anzuerkennen, dass sich die Schiedsparteien zu einem bestimmten Verhalten verpflichten können.69

III. Stellungnahme Wenn Pflichten sowohl durch materiell-rechtliche als auch durch prozessrechtliche Verträge begründet werden können, wirkt sich eine Entscheidung darüber, welche Rechtsnatur die Schiedsvereinbarung hat, in keiner Weise darauf aus, ob und welche Pflichten durch die Schiedsvereinbarung entstehen. Rechtsnatur und Verpflichtungswirkung der Schiedsvereinbarung sind vollkommen unabhängig 62  So auch: Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 36; Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 37; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 69. 63  Blomeyer, Zivilprozessrecht, 2. Auflage 1985, § 30, VII (S. 173). 64  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 95 f. 65  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 104, 107–109. 66  Bucher, in: Festschrift Schlosser, 2005, 97 (99). 67  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 36; Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 37 f. 68  Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 47. 69  Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 580; so auch Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 36.



C.  Erforderlichkeit und Einklagbarkeit als taugliche Kriterien

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voneinander. Darstellungen, die versuchen, die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung und die Pflichten der Parteien in ein Kausalverhältnis zu rücken,70 sind abzulehnen. Aus der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung kann nicht abgeleitet werden, ob sich die Parteien zu einem Verhalten verpflichtet haben. Folglich macht es für die Bestimmung von Pflichten keinen Unterschied, ob man die Schiedsvereinbarung als materiell-rechtlichen Vertrag oder als Prozessvertrag begreift. Für die Definition von Pflichten kommt es lediglich darauf an, mit welchem Parameter man die Pflicht von der Last abgrenzt.

C.  Erforderlichkeit und Einklagbarkeit als taugliche Kriterien zur Bestimmung von Pflichten aus der Schiedsvereinbarung? Bisher wurden von der Rechtsprechung und der Rechtsliteratur zwei unterschiedliche Ansätze entwickelt, um die Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung zu bestimmen. So sollen die Parteien zu einem Verhalten verpflichtet sein, wenn es entweder zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist oder vor staatlichen Gerichten eingeklagt werden kann. Ob mit einem dieser beiden Kriterien bestimmt werden kann, zu welchem Verhalten sich die Parteien verpflichtet haben und mit welchem Verhalten sie nur belastet sind, wird im nachfolgenden Abschnitt erörtert.

I.  Pflicht, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist? Zunächst ist zu klären, ob mit der Formel der Verfahrensförderungspflicht, die Schiedsparteien seien dazu verpflichtet, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist, die Pflichten aus der Schiedsvereinbarung bestimmt werden können. An Kriterien, wie der Begriff „erforderlich“ auszufüllen ist, fehlt es bisher nämlich. Hierzu existieren lediglich Einzelfallentscheidungen.

1.  Rechtsprechung und Rechtsliteratur zur Konkretisierung der Generalklausel? Es fragt sich aber, ob die Verfahrensförderungspflicht durch diese Einzelfallentscheidungen eventuell eine hinreichende Konkretisierung erfahren hat. In der bereits angesprochenen Entscheidung vom 30. Januar 195771 stand der Bundesgerichtshof vor der Frage, ob für die Parteien im Schiedsverfahren 70 Siehe Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 34 (Fn. 58); Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 144. 71  BGHZ 23, 198.

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

eine Wahrheitspflicht besteht. Nachdem der BGH den wahrheitsgemäßen Sachvortrag zunächst unter die Verfahrensförderungspflicht subsumierte, ließ er die Frage im Ergebnis unentschieden.72 Die Zurückhaltung des BGH in der Anwendung seiner eigenen Formel überrascht. Hätte er die Formel konsequent angewandt, hätte er nämlich eine Wahrheitspflicht der Schiedsparteien annehmen müssen, weil sie für einen Schiedsspruch, der auf wahren Tatsachen beruht, erforderlich ist. Man gewinnt den Eindruck, den Bundesgerichtshof habe seine Courage verlassen, weil ihm eine vertragliche Wahrheitspflicht im Schiedsverfahren letztlich doch zu weit ging. Dies könnte auch bei den Urteilen zur Kostenvorschusspflicht der Fall gewesen sein. Die Pflicht der Schiedsparteien, einen Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen, war vom BGH in ständiger Rechtsprechung anerkannt.73 Probleme traten erst auf, als Parteien wegen Mittellosigkeit ihren Anteil nicht zahlen konnten.74 Mithilfe der Verfahrensförderungspflicht hätte das Problem gelöst werden können: Wenn beide Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist, wäre in diesem Fall die solvente Partei verpflichtet gewesen, den gesamten Vorschuss zu zahlen. So hätte das Schiedsverfahren durchgeführt und mit dem Erlass eines Schiedsspruchs abgeschlossen werden können. Der BGH lehnte diese Lösung jedoch immer wieder mit der Begründung ab, aus der Verfahrensförderungspflicht folge nicht, dass eine Partei zur Zahlung des gesamten Vorschusses verpflichtet sei.75 Die Rechtsliteratur greift diese Kasuistik lediglich auf.76 Ansätze, um die Pflicht, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist, zu konkretisieren, gibt es auch hier nicht.

2. Stellungnahme Die dargestellten Entscheidungen des BGH machen zwei Dinge deutlich. Erstens, dass die Formel, die Parteien seien dazu verpflichtet, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist, ungeeignet ist, um konkrete Pflichten der Parteien zu bestimmen. Das zeigt die Pflicht der Parteien, einen Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen. Würde man die Formel konsequent anwenden, wären die Parteien immer dann dazu verpflichtet, den gesamten Vorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen, wenn dies erforderlich ist, um den Schiedsspruch herbeizuführen. Das kann etwa 72 

BGHZ 23, 198 (201). 23, 198 (202); 41, 104 (109); 55, 344 (351); 77, 65 (67); 94, 92 (95); 102, 199

73  BGHZ

(202). 74  Siehe etwa BGHZ 55, 344. 75  BGHZ 55, 344 (351); 77, 65 (67); 94, 92 (95). 76 Vgl. Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117 f.



C.  Erforderlichkeit und Einklagbarkeit als taugliche Kriterien

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dann erforderlich sein, wenn eine Partei nicht in der Lage ist, ihren eigenen Anteil zu leisten. Die Parteien sind aber nur dazu verpflichtet, einen gleichen Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen, selbst wenn es erforderlich wäre, den gesamten Betrag zu übernehmen.77 Die Erforderlichkeitsformel hätte hier zum falschen Ergebnis geführt. Zweitens machen die Entscheidungen des BGH deutlich, wie inkonsequent die Rechtsprechung ihre eigene Formel anwendet. Das mag  – wie bei der Kostenvorschusspflicht  – dadurch bedingt sein, dass die Erforderlichkeitsformel ungeeignet ist, um konkrete Pflichten abzuleiten. Die Formel muss also teilweise sogar fehlerhaft angewendet werden, um zum richtigen Ergebnis zu führen. In anderen Fällen, wie bei der Wahrheitspflicht im Schiedsverfahren, kann hingegen nicht erklärt werden, warum mit der Erforderlichkeitsformel keine konkreten Pflichten abgeleitet werden. Wenn aber die Formel, dass die Parteien dazu verpflichtet sind, alles zum Zustandekommen des Schiedsspruchs zu tun, ungeeignet ist, um konkrete Pflichten der Parteien abzuleiten, und darüber hinaus noch von der Rechtsprechung uneinheitlich angewendet wird, dann bleibt die Formel eine leere Phrase. Die Formel sowie ihre Umschreibung als Verfahrensförderungspflicht, Mitwirkungspflicht und Loyalitätspflicht werden daher abgelehnt und müssen aufgegeben werden. Die Bezeichnungen sind schlicht zu ungenau und verleiten zu Fehlannahmen. Solange keine adäquaten und allgemeinen Kriterien bestehen, anhand derer Pflichten konkretisiert werden könnten, kann weder der Formel noch den genannten Oberbegriffen ein Mehrwert beigemessen werden.

II.  Pflichten der Schiedsparteien überall dort, wo Handlungsgebote erzwungen werden können? Es fragt sich, ob mit dem anderen von der Rechtsliteratur entwickelten Merkmal die Existenz von Pflichten bzw. deren Nichtexistenz sicher beschrieben werden kann. Schwab und Walter argumentieren, die durch die Schiedsvereinbarung vereinbarten Verhaltensweisen müssten prozessuale Lasten sein, weil sie nicht vor einem staatlichen Gericht erzwungen werden könnten.78 Als Abgrenzungskriterium zwischen prozessualer Last und prozessualer Pflicht verwenden Schwab und Walter also die Durchsetzbarkeit vor staatlichen Gerichten. Pflichten müssten demnach überall und nur dort bestehen, wo ein Verhalten durch ein staatliches Verfahren erzwungen werden kann. Lasten hingegen wären alle 77 

Siehe § 3 C. III. 2., S. 57 f. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 20; ebenso: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 175, Rn. 38 f.; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Lionnet/ Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 175 f.; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 442. 78 

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

Verhaltensanordnungen, bei denen das nicht möglich ist. In der Folge wird nun geprüft, ob die Erzwingbarkeit tatsächlich ein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen Last und Pflicht ist.

1.  Charakteristika der Last im deutschen Zivilprozess Unter prozessualen Lasten sind Verhaltensgebote zu verstehen, an deren Nichtbefolgung das Gesetz einen Nachteil für die ungehorsame Partei knüpft.79 Eine Partei muss auf als Last ausgestaltete Handlungsgebote nicht tätig werden, sie muss aber den Nachteil akzeptieren, der ihr aus der Nichtbefolgung entsteht.80 Lent betont, dass eine Last nur ein Verhalten sein kann, das im Falle seiner Nichtbefolgung ausschließlich die ungehorsame Partei trifft; der Gegenseite darf aus der Nichtbefolgung kein Nachteil entstehen.81 Wenn das Fehlverhalten für die Gegenseite aber nicht nachteilig ist, besteht für sie auch kein Grund, das korrekte Verhalten zu erzwingen. Bei der Last stellt also der Nachteil, den die Rechtsordnung der ungehorsamen Partei auferlegt, bereits für sich genommen eine hinreichende Sanktion für das Fehlverhalten dar.82 Entscheidet sich beispielsweise der Beklagte dafür, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen, kann das Gericht auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil gegen ihn erlassen (§ 331 Abs. 1, 2 ZPO). Die Möglichkeit einer gegen ihn gerichteten Sachentscheidung stellt bereits eine hinreichende Sanktion für das Fehlverhalten des Beklagten dar. Den Kläger trifft dieses Fehlverhalten nicht, weil das Gericht seine Schlüssigkeitsprüfung allein auf den Sachvortrag des Klägers stützt und etwa auch das Ergebnis früherer Beweisaufnahmen unberücksichtigt lässt.83 Der Kläger hat damit gar keinen Grund, den Beklagten zur mündlichen Verhandlung zu zwingen. Charakteristisch für die Last ist somit, dass bei ihr schlicht kein Bedürfnis besteht, ein bestimmtes Verhalten der Partei zu erzwingen.

79 Siehe Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, vor § 1, Rn. 209; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, Einl., Rn. 56; Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage, S. 335; von Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess, 1939, S. 309. 80 Siehe Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 2. Auflage 1972, S. 235; Hellwig, Zur Systematik des zivilprozessrechtlichen Vertrages, 1968, S. 76; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, vor § 1, Rn. 210. 81  Lent, ZZP 67 (1954), 344 (347); vorher bereits ähnlich: Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlungen, 1950, S. 68. 82 Vgl. Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 15. 83 Vgl. Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 331, Rn. 8 f.; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 105, Rn. 34; Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 331, Rn. 6.



C.  Erforderlichkeit und Einklagbarkeit als taugliche Kriterien

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2.  Charakteristika der Pflicht im deutschen Zivilprozess Bei der Pflicht müsste es umgekehrt sein. Überall dort, wo ein Bedürfnis besteht, ein Verhalten tatsächlich zu erzwingen, müsste das Gesetz eine solche Möglichkeit vorsehen. Das ist aber nicht der Fall. Dass ein generelles Bedürfnis besteht, vertraglich begründete oder gesetzlich auferlegte Pflichten bzw. die ihnen äquivalenten subjektiven Rechte auch durchzusetzen, folgt bereits aus der Existenz des Zivilprozesses.84 Das bedeutet aber noch nicht, dass auch alle Pflichten unmittelbar erzwungen werden könnten. Lent belegt dies mit der im Zivilprozess bestehenden Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO.85 Die Vorschrift verpflichtet die Parteien zum vollständigen und wahrheitsgemäßen Sachvortrag.86 Es handelt sich ganz unstreitig um eine echte Pflicht, die dem Gericht und dem Gegner gegenüber besteht.87 Trägt eine Partei entgegen ihrer Pflicht einen unwahren Sachverhalt vor und bleibt diese Lüge vom Gericht unerkannt, dann kann der Gegenseite dadurch ein Nachteil entstehen, wenn das Gericht seine Entscheidung auf den unwahren Sachverhalt stützt. Grundsätzlich bestünde also ein Bedürfnis, eine Partei notfalls auch zum wahren Sachvortrag zu zwingen. Ein Verfahren, das diesem Bedürfnis gerecht wird und eine Partei tatsächlich zur wahren Aussage zwingt, existiert jedoch nicht. Die wahre und vollständige Darstellung des Sachverhalts durch eine Partei kann nicht unmittelbar erzwungen werden.88 An der Einordnung des § 138 Abs. 1 ZPO als Pflicht ändert das allerdings nichts. Für die Pflicht kann aus diesem Beispiel also allgemein abgeleitet werden, dass sie sich nicht über die Erzwingbarkeit definieren kann. Zwar ist bei einem vorgesehenen Zwang eine Verpflichtung gegeben; umgekehrt aber folgt aus einem fehlenden Zwang nicht gleich das Fehlen einer Verpflichtung.89 Es kann also keine Rede davon sein, der Unterschied zwischen Pflicht und Last läge darin, dass die eine erzwungen werden könne und die andere nicht. 84 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 1, Rn. 5; BGH, NJW 2005, 291 (293). 85  Lent, ZZP 67 (1954), 344 (349 f.). 86  Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 138, Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 138, Rn. 3. 87  Ganz h. M.: Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 138, Rn. 1; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 138, Rn. 1 f.; Fritsche, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 138, Rn. 1; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 14; von Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess, 1939, S. 141. 88  Lent, ZZP 67 (1954), 344 (349); Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 14; von Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess, 1939, S. 159 f. 89  Lent, ZZP 67 (1954), 344 (349); in Bezug auf Letzteres auch: von Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess, 1939, S. 159 f.; Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1976, S. 81.

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

3. Stellungnahme Das bedeutet, dass das von Schwab und Walter gewählte Kriterium der Erzwingbarkeit für die Abgrenzung zwischen Pflicht und Last keinen Rückhalt im Zivilprozessrecht findet. Es ist nicht ersichtlich, warum nichtsdestotrotz mit diesem Merkmal im Schiedsverfahrensrecht sicher zwischen Last und Pflicht unterschieden werden könnte. Das Abgrenzungskriterium der Erzwingbarkeit und Einklagbarkeit ist daher abzulehnen.

III. Zwischenergebnis Alle drei von Rechtsprechung und Rechtsliteratur aufgestellten Thesen konnten widerlegt werden: Die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung hat keinerlei Einfluss auf die Frage, ob durch die Schiedsvereinbarung für die Parteien Pflichten entstehen. Ferner haben sich die bestehenden Abgrenzungskriterien als unbrauchbar herausgestellt: Die Formel, die Schiedsparteien seien dazu verpflichtet, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist, ist letztlich nur eine leere Phrase, die von der Rechtsprechung uneinheitlich angewendet wird. Wann ein Verhalten zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist, bleibt unklar. Pflichten lassen sich so nicht definieren. Das gilt auch für das von der Rechtsliteratur verwendete Abgrenzungsmerkmal der Einklagbarkeit. Es findet weder Rückhalt im Zivilprozessrecht, noch ist es in den Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit verankert, noch kann es auch im Schiedsverfahrensrecht essentielle Pflichten wie die Wahrheitspflicht erklären. Beide Kriterien sind daher abzulehnen.

D.  Die Herleitung schiedsvertraglicher Pflichten und Lasten über das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit Das bedeutet, dass derzeit kein taugliches Merkmal existiert, mit dem bei Schiedsvereinbarungen Pflichten von Lasten abgegrenzt werden können. Mithin muss ein entsprechendes Kriterium hergeleitet werden.

I.  Die Sanktionierung von prozessualem Fehlverhalten durch die Rechtsordnung als Ausgangspunkt Der Schlüssel zu einem solchen Abgrenzungskriterium könnte die Art und Weise sein, wie die Rechtsordnung prozessuales Fehlverhalten sanktioniert. Wie Lent herausgearbeitet hat, gehört es zur Eigenart der Last, dass der Nachteil aus der Nichtbefolgung des Handlungsgebots allein die ungehorsame Partei trifft



D.  Die Herleitung schiedsvertraglicher Pflichten und Lasten

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und nicht die Gegenseite.90 Daher genügt es der Rechtsordnung bei der Last als Sanktion für ein Fehlverhalten, die ungehorsame Partei prozessual zu benachteiligen. Henckel zufolge muss ein Handlungsgebot aber dann als Pflicht charakterisiert werden, wenn sein Zweck nicht mehr allein dadurch erreicht wird, dass der Gesetzgeber die Folgen des Fehlverhaltens gegen den Ungehorsamen richtet.91 Gemeint sind damit vor allem Handlungsgebote, deren Nichtbefolgung für die ungehorsame Partei unter Umständen erst mal gar nicht nachteilig ist. Wenn sich aber eine Partei durch ihre Handlungsverweigerung nicht selbst benachteiligt, dann geht ein Handlungsgebot als Last vollkommen ins Leere. Der Pflicht bedarf es also allein deshalb, weil es prozessuales Fehlverhalten gibt, das mit prozessualen Lasten nicht oder nicht hinreichend sanktioniert werden kann.92 Dies verdeutlicht ein abermaliger Blick auf die Wahrheitspflicht. Würde man eine bloße Wahrheitslast annehmen, wäre in dem genannten Beispiel des unerkannt unwahren Sachvortrags die lügende Partei überhaupt nicht benachteiligt – das Gericht hatte den Sachvortrag schließlich nicht als unwahr erkannt.93 Das Verhalten der lügenden Partei wäre also gar nicht sanktioniert. Dieser Zustand könnte von der Rechtsordnung vorläufig hingenommen werden, wenn das Fehlverhalten zu einem späteren Zeitpunkt negative Rechtsfolgen auslösen würde. Das wäre aber nicht der Fall. Die lügende Partei hätte gegen keine Pflicht verstoßen, ein für einen Schadensersatzanspruch pflichtwidriges Verhalten läge nicht vor.94 Eine allgemeine Wahrheitslast würde also nicht ausreichen, weil sie die Partei für die unerkannte Lüge im Prozess nicht sanktioniert und auch später nicht sanktionieren kann.95 Eine Rechtsfolge, die Letzteres ermöglicht, kann es nur bei einer Wahrheitspflicht geben. Denn nur ein als Pflicht ausgestaltetes Handlungsgebot macht aus einer Zuwiderhandlung einer Partei ein rechtswidriges Handeln, das dann die Grundlage für weitere Ansprüche bilden kann.96

II.  Das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit als richtiges Abgrenzungskriterium Entscheidend für die Abgrenzung von Pflicht und Last ist also nicht die tatsächliche Erzwingbarkeit,97 sondern das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit. Fehlt dieses Bedürfnis, weil sich die ungehorsame Partei ausschließlich selbst benach90 

Lent, ZZP 67 (1954), 344 (347). Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 14. 92  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 15. 93  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 14 f. 94 Vgl. Lent, ZZP 67 (1954), 344 (356). 95  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 15. 96 Vgl. Lent, ZZP 67 (1954), 344 (356). 97  Lent, ZZP 67 (1954), 344 (349); Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 14. 91 

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

teiligt und damit hinreichend sanktioniert ist, liegt eine Last vor. Eine Pflicht muss überall dort angenommen werden, wo ein Bedürfnis nach Erzwingbarkeit des Verhaltens besteht. Ein Bedürfnis nach Erzwingbarkeit besteht überall dort, wo die ungehorsame Partei entweder gar keinen Nachteil erleidet oder dieser keine hinreichende Sanktion darstellt. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn der Nachteil des Fehlverhaltens auch die andere (gehorsame) Partei trifft. Ein Handlungsgebot ist also dann prozessuale Pflicht, wenn bei der gehorsamen Partei ein Bedürfnis identifiziert werden kann, die Handlung entweder unmittelbar zu erzwingen oder über das Verfahren hinaus geltend zu machen, weil ihr durch das Fehlverhalten der ungehorsamen Partei ein Nachteil entsteht. Ob das richtige Verhalten also unmittelbar tatsächlich oder rechtlich erzwungen werden kann, spielt keine Rolle, weil zumindest die Möglichkeit bestehen muss, das Fehlverhalten mit anderen Rechtsfolgen wie beispielsweise Schadensersatz zu sanktionieren. Ein Handlungsgebot ist Last, wenn sich die ungehorsame Partei durch die Nichtbefolgung ausschließlich selbst benachteiligt.98

III.  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten Nunmehr ist zu fragen, ob diese Abgrenzung auf das Schiedsverfahrensrecht übertragen werden kann. Dafür ist zunächst klärungsbedürftig, ob Pflichten der Parteien im Schiedsverfahren überhaupt erforderlich sind oder ob das Schiedsverfahren ausschließlich über Lasten sachgerecht geregelt werden kann. Um diese These zu überprüfen, bietet sich ein Blick auf die zuvor für den Zivilprozess besprochene Wahrheitspflicht an. Ausgehend von den Ausführungen in § 2 C. II. 2. wäre eine bloße Wahrheitslast im Schiedsverfahren dann möglich, wenn sich die lügende Schiedspartei bei einem vom Schiedsgericht unerkannt unwahren Sachvortrag ausschließlich selbst benachteiligen würde. Hierfür bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte. Ein vom Schiedsgericht unerkannt unwahrer Sachvortrag hätte für die lügende Schiedspartei wie im Zivilprozess erst mal gar keine negative Folge. Das Schiedsgericht hatte den Sachvortrag ja gerade nicht als unwahr erkannt. Wie im Zivilprozess wäre die lügende Partei weder benachteiligt noch sanktioniert. Bei einer bloßen Wahrheitslast würde das auch nach Abschluss des Schiedsverfahrens so bleiben. (Vertraglicher) Schadensersatz könnte nicht geltend gemacht werden – es läge schlicht und ergreifend nicht die notwendige Pflichtverletzung vor, weil die lügende Partei nicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag verpflichtet war. Ein solcher Zustand kann nicht hingenommen werden. Auch im Schiedsverfahren ist es daher dogmatisch notwendig, Pflichten der Parteien anzuerkennen. Ausschließlich durch Lasten kann es nicht geregelt werden. 98  So auch Lent, ZZP 67 (1954), 344 (347); Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlungen, 1950, S. 68.



E.  Ergebnis zum deutschen Schiedsverfahrensrecht

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Die Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung sind anhand der in § 2 D. II. herausgearbeiteten Kriterien abzuleiten. Pflichten sind demnach dort anzunehmen, wo die Nichtbefolgung eines Handlungsgebotes auch die gehorsame Partei benachteiligt und sie daher ein Bedürfnis hat, das Handlungsgebot zu erzwingen. Ob man diese Pflichten nun als prozessual bezeichnen möchte, ist Geschmacksfrage. Einen Prozess im Sinne eines Erkenntnisverfahrens gem. §§ 253 ff. ZPO kann bzw. sollte es bei einer Schiedsvereinbarung nicht geben (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Will man prozessuale Pflichten ausschließlich bei Verfahren vor staatlichen Gerichten annehmen, scheidet eine solche Bezeichnung für die Pflichten aus der Schiedsvereinbarung natürlich aus. Präziser wäre es in jedem Fall, die Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung schiedsvertragliche Pflichten zu nennen. Sie definieren sich demnach wie folgt: Schiedsvertragliche Pflichten sind alle Handlungsgebote aus der Schiedsvereinbarung, hinsichtlich derer die schiedsvereinbarungstreue Partei ein Bedürfnis nach Erzwingbarkeit hat, weil sie durch die Nichtbefolgung der Gegenseite einen Nachteil erleidet. Ein solcher pflichtbegründender Nachteil kann unter Umständen selbst dort bestehen, wo im zehnten Buch der ZPO ein Mechanismus installiert wurde, der der schiedsvereinbarungstreuen Partei eigentlich alle Nachteile aus dem Fehlverhalten der Gegenseite nehmen sollte, der ihr aber tatsächlich nicht alle Nachteile nimmt. Das bedeutet aber nicht, dass alle Handlungsgebote aus der Schiedsvereinbarung zwangsläufig Pflichten sein müssen. Wie noch gezeigt werden wird, können auch innerhalb des Schiedsverfahrens Verhaltensanordnungen effektiv über die Ausgestaltung als Last durchgesetzt werden. Dies ist gerade dort der Fall, wo ein Mechanismus im Schiedsverfahrensrecht alle Nachteile eines Fehlverhaltens gegen die ungehorsame Schiedspartei richtet. Schiedsvertragliche Lasten sind alle Handlungsgebote aus der Schiedsvereinbarung, bei denen sich die ungehorsame Schiedspartei durch ihre Nichtbefolgung lediglich selbst benachteiligt.

E.  Ergebnis zum deutschen Schiedsverfahrensrecht Das Ergebnis zum deutschen Schiedsverfahrensrecht kann wie folgt zusammengefasst werden: Die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung und die sich aus ihr ergebenden Pflichten für die Parteien sind vollkommen unabhängig voneinander. Selbst wenn man die Schiedsvereinbarung für einen Prozessvertrag hält, steht das der Annahme von Pflichten nicht entgegen, weil auch durch Prozessverträge Pflichten begründet werden können. Die Bezeichnung von Pflichten aus der Schiedsvereinbarung als Verfahrensförderungspflichten, Mitwirkungspflichten und Loyalitätspflichten ist aufzuge-

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

ben. Diese Kategorien bieten keinerlei Anhaltspunkte, zu welchem Verhalten die Parteien verpflichtet sind. Auch die Formel, dass die Schiedsparteien dazu verpflichtet seien, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist, ist kein verlässlicher Parameter, um Pflichten abzuleiten. Es werden einerseits Pflichten suggeriert, wo keine bestehen. Andererseits hat der Bundesgerichtshof auch schon Pflichten, die sich aus der konsequenten Anwendung dieser Formel ergeben würden, abgelehnt. Auch die These, Handlungsgebote aus der Schiedsvereinbarung seien Lasten, weil sie sich nicht einklagen ließen, ist widerlegt. Die Einklagbarkeit eines Verhaltens wird nirgendwo im deutschen Zivilverfahrensrecht als Abgrenzungskriterium zwischen Pflicht und Last verwendet. Vielmehr sind auch Pflichten anerkannt, die sich nicht einklagen lassen. Das richtige Abgrenzungskriterium zwischen Pflicht und Last ist das Bedürfnis, das korrekte Verhalten zu erzwingen. Ein Bedürfnis, das Handlungsgebot zu erzwingen, besteht dort, wo die ungehorsame Partei durch ihre Nichtbefolgung des Gebotes der gehorsamen Partei einen Nachteil zufügt. Schiedsvertragliche Pflichten sind folglich alle Handlungsgebote aus der Schiedsvereinbarung, hinsichtlich derer für die schiedsvereinbarungstreue Partei ein Bedürfnis nach Erzwingbarkeit besteht, weil sie durch die Nichtbefolgung des Handlungsgebotes durch die Gegenseite einen Nachteil erleidet. Schiedsvertragliche Lasten bestehen dort, wo sich eine Partei der Schiedsvereinbarung durch die Nichtbefolgung eines Handlungsgebotes ausschließlich selbst benachteiligt. Welche schiedsvertraglichen Pflichten und Lasten bei einer deutschem Recht unterliegenden Schiedsvereinbarung begründet werden, wird anhand dieser Kriterien im Anschluss an den nun folgenden Rechtsvergleich mit dem englischen Schiedsverfahrensrecht in § 3 und § 4 dieser Arbeit abgeleitet.

F.  Die Pflichten der Schiedsparteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht Dieses Ergebnis für das deutsche Schiedsverfahrensrecht soll nun mit der Rechtslage in England verglichen werden. Dabei soll der Fokus dieser Untersuchung darauf liegen, ob nach englischem Schiedsverfahrensrecht für die Parteien einer Schiedsvereinbarung Pflichten entstehen und ob dafür die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung eine Rolle spielt. Das englische Schiedsverfahrensrecht ist im English Arbitration Act von 1996 geregelt.99 Dieser löste den bis dahin geltenden English Arbitration Act 99  Nachfolgend auch „Arbitration Act“ oder „Act“. Soweit in der Folge auf den Arbitration Act Bezug genommen wird, ist immer das Gesetz von 1996 gemeint. Verweise auf ältere Fassungen des English Arbitration Act werden mit der entsprechenden Jahreszahl gekennzeichnet.



F.  Die Pflichten der Schiedsparteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht

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von 1979 ab. Neben dem Arbitration Act bilden in der Tradition des common law100 auch gerichtliche Entscheidungen zur Schiedsgerichtsbarkeit das Schieds­verfahrensrecht Englands.101

I.  Pflichten der Schiedsparteien unter dem common law und dem English Arbitration Act Nach englischem Recht könnten sich also für die Parteien der Schiedsvereinbarung Pflichten sowohl aus gerichtlichen Entscheidungen, d. h. dem common law, als auch aus dem kodifizierten englischen Schiedsverfahrensrecht, dem English Arbitration Act, ergeben.

1.  General duty of the parties gem. section 40 Arbitration Act Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung könnten grundsätzlich und allgemein aus section 40 Arbitration Act folgen. Die Norm lautet: (1) The parties shall do all things necessary for the proper and expeditious conduct of the arbitral proceedings. (2) This includes (a) complying without delay with any determination of the tribunal as to procedural or evidential matters, or with any order or directions of the tribunal and (b) where appropriate, taking without delay any necessary steps to obtain a decision of the court on a preliminary question of jurisdiction or law (see sections 32 and 45).

Diese Vorschrift hat kein Vorbild im UNCITRAL Model Law.102 Sie wurde erst 1996 eingeführt. Absatz 1 könnte man übersetzen mit: „Die Parteien müssen alles tun, was für den ordnungsgemäßen und zügigen Ablauf des Schiedsverfahrens erforderlich ist.“ Diese Formulierung ähnelt verblüffend der Formel, mit welcher der Bundesgerichtshof die Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung nach deutschem Recht beschreibt. Die Formel des Bundesgerichtshofs lautet: Die Parteien sind verpflichtet alles Erforderliche zu tun, um das Zustandekommen des Schiedsspruchs zu fördern.103 Es hat den Anschein, als hätte der englische Gesetzgeber eine Formulierung, die der des Bundesgerichts100  Hierzu ausführlich Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Auflage 1996, S. 177 ff.; Radbruch, Der Geist des englischen Rechts, 3. Auflage 1956, S. 22 f.; Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Auflage 1972, S. 457. 101 Vgl. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1989, Rn. 396. 102  Der English Arbitration Act 1996 basiert ohnehin – anders als das deutsche Schiedsverfahrensrecht von 1998 – nicht auf dem UNCITRAL Model Law. 103  BGHZ 23, 198 (200 f.); siehe zur Rechtsprechung des BGH ausführlich oben unter § 2 A. I. 2., S. 10 ff.

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

hofs entspricht, als Norm kodifiziert. Wie sich aus section 4 (1) i. V. m. schedule 1 Arbitration Act ergibt, handelt es sich bei section 40 ferner um zwingendes Recht. Die Vorschrift kann nicht durch Parteivereinbarung abbedungen werden. Nun drängt sich die Frage auf, wie section 40 Arbitration Act auszulegen ist, insbesondere, was „all things necessary“ für den ordnungsgemäßen und zügigen Ablauf des Schiedsverfahrens sein sollen.104 Dabei ist auch zu fragen, ob es sich bei section 40 (1) eventuell um die zentrale Vorschrift des Arbitration Act für Pflichten der Schiedsparteien handelt, mit der grundsätzlich alle Pflichten im Besonderen abgeleitet werden.

a.  Rechtsprechung zur Auslegung von section 40 Arbitration Act aa.  Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A. An der These, bei section 40 (1) Arbitration Act könne es sich um die zentrale Vorschrift zum Ableiten von Pflichten aus der Schiedsvereinbarung handeln, bestehen mit Blick auf die englische Rechtsprechung sogleich ernsthafte Zweifel. Dies verdeutlicht die Entscheidung des englischen High Court in Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A.105 aus dem Jahre 2007. Diese Entscheidung ist eine der wenigen, die sich überhaupt mit section 40 Arbitration Act befassen. In dem Fall stritten sich Elektrim und Vivendi in einem Schiedsverfahren mit Sitz in London wegen eines gescheiterten Kaufs von Unternehmensanteilen durch Vivendi. Elektrim warf Vivendi vor, im Rahmen der document production ein für das Schiedsverfahren wesentliches Memorandum eines Vorstandsmitglieds vorsätzlich unterdrückt zu haben. Damit habe Vivendi unter anderem ihre Pflicht aus section 40 (1) Arbitration Act verletzt, „to do all things necessary for the proper and expeditious conduct of the arbitral proceedings“. Elektrim argumentierte, dass diese Verletzung von section 40 (1) durch Vivendi eine repudiation sei, die es dazu berechtige, sich von der Schiedsvereinbarung zu lösen. Justice Aikens lehnte diesen Antrag ab, weil sich eine Partei nur dann wegen einer repudiation von der Schiedsvereinbarung lösen könne, wenn die Gegenseite einen implied term, also eine vertragliche Vereinbarung, verletzt habe.106 Section 40 (1) Arbitration Act könne aber kein implied term der Schiedsverein104  Bei der Auslegung von section 40 Arbitration Act ist selbstverständlich die englische Methodik zugrunde zu legen. Zu den Auslegungskriterien nach englischem Recht: Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, Band 2, 2001, S. 964 ff. Zu der Frage, ob sich das deutsche und das englische Verständnis bei der Auslegung von Gesetzen überhaupt (noch) unterscheiden: Huber, in: Jayme, Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, 2003, 51 (52 ff.); Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, Band 2, 2001, S. 1254 ff., 1334. 105  Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A., [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 693 (Q.B.D.). 106 Vgl. Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A., [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 693 (717, Rn. 129).



F.  Die Pflichten der Schiedsparteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht

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barung sein, weil die Vorschrift zwingend sei (vgl. schedule 1 Arbitration Act); section 40 (1) sei vielmehr eine statutory obligation.107 Elektrim könne sich daher nicht auf Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen im englischen Vertragsrecht (insbesondere eine repudiation) berufen; es stünden ohne eine zusätzliche Vereinbarung der Parteien allein die im Arbitration Act niedergelegten Rechtsfolgen zur Verfügung (namentlich jene in section 41 und 42).108 Im Gegensatz zu den Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen sind die Ausführungen zum Tatbestand von section 40 (1) in der Entscheidung spärlich. Aus ihnen kann lediglich gemutmaßt werden, dass etwa die fahrlässige Nichtveröffentlichung eines offenzulegenden Dokuments die Pflicht verletzen würde, alles Erforderliche für den zügigen und ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zu tun.109 In der englischen Rechtsprechung findet sich mit Al Hadha Trading Co. v. Tradigrain S.A. and Others lediglich eine weitere Entscheidung, in der section 40 (1) Arbitration Act überhaupt erwähnt wird.110 Aber auch hier kommt es zu keinen Ausführungen zum Tatbestand der Vorschrift, weil schon die beantragte Rechtsfolge abgelehnt wird.111 Es existiert folglich keine englische Entscheidung, die den Tatbestand von section 40 (1) Arbitration Act auslegt bzw. konkretisiert, was „all things necessary“ sind.

bb.  Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation Eventuell lassen sich aber aus der Entscheidung des House of Lords in Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation112 Rückschlüsse ziehen, was „all things necessary“ im Rahmen von section 40 (1) Arbitration Act sind. In dem Fall hatte die South India Shipping Corporation gegen die Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik wegen der Lieferung mangelhafter Frachtschiffe ein Schiedsverfahren mit Sitz in London eingeleitet. Die deutsche Schiedsbeklagte warf der Schiedsklägerin South India Shipping 107  Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A., [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 693 (716, Rn. 124 ff.). 108 Siehe Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A., [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 693 (717, Rn. 127–129). 109 Siehe Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A., [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 693 (718, Rn. 132): „A finding that Vivendi or its lawyers misinterpreted (even negligently) the Procedural Order No 3 (or its subsequent modifications) could not amount to such a serious breach of the (assumed) implied term“. 110  Al Hadha Trading Co. v. Tradigrain S.A. and Others, [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 512 (Q.B.D. (Bristol Mercantile Court)). 111 Vgl. Al Hadha Trading Co. v. Tradigrain S.A. and Others, [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 512 (517, Rn. 18 ff.). 112  Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (H.L.).

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

Corporation vor, dieses Schiedsverfahren nicht voranzutreiben, und beantragte seine Einstellung „for want of prosecution“ (wegen Mangel an Rechtsverfolgung). Lord Diplock, der für die Mehrheit des House of Lords sprach, wies den Antrag im Ergebnis zurück, weil sich die Schiedsbeklagte Bremer Vulkan durch ihre Untätigkeit im Schiedsverfahren derselben Pflichtverletzung schuldig gemacht habe wie die Schiedsklägerin South India Shipping.113 Beide Parteien hätten die contractual obligation „to co-operate with the other in taking appropriate steps to keep the procedure in the arbitration moving“114. Die Parteien sollten also vertraglich dazu verpflichtet sein, zusammenzuwirken, um das Schiedsverfahren am Laufen zu halten. Wie schon section 40 (1) Arbitration Act erinnert auch diese Formulierung an eine Formel, die der Bundesgerichtshof einmal für die Pflichten der Parteien nach deutschem Recht verwendet hatte: „Jede Schiedspartei trifft aufgrund des Schiedsvertrages die Pflicht, die Durchführung des Verfahrens zu fördern und hierbei, soweit erforderlich, mit der anderen Partei persönlich zusammenzuwirken, damit es zum Abschluss des Verfahrens durch einen Schiedsspruch kommt.“115 Lord Diplock stützte die Pflicht der Parteien zur Kooperation auf section 12 (1) des zum Zeitpunkt des Urteils anwendbaren English Arbitration Act von 1950.116 Die Vorschrift besagte „that the parties [...] shall [...] do all other things which during the proceedings on the reference the arbitrator or umpire may require“. Lord Diplock schloss aus diesem Teil von section 12 (1) Arbitration Act 1950, dass die Schiedsbeklagte Bremer Vulkan sich an den Schiedsrichter hätte wenden können, damit dieser die Parteien anweist, das Verfahren voranzutreiben.117 Dem widersprach Lord Scarman in seiner dissenting opinion: „In the absence of express agreement to do so it can hardly be said that a party who finds himself a respondent in an adversarial process has implicitly agreed to move along the claim being made against him“118. Die Minderheit des House of Lords ging also davon aus, dass ein Schiedsbeklagter nicht dazu verpflichtet sei, das Schiedsverfahren gegen sich selbst voranzutreiben. 113  Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (264, linke Spalte): „Respondents in private arbitrations are not entitled to let sleeping dogs lie and then complain that they did not bark“. 114  Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (261, rechte Spalte). 115  BGHZ 77, 65 (66 f.). 116  Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (262, rechte Spalte unten). 117 Siehe Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (264, linke Spalte). 118  Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (272, linke Spalte); der gleichen Auffassung war auch Lord Fraser: „The respondent in an arbitration is [...] entitled to sit back and await a formal claim“, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (266, linke Spalte oben).



F.  Die Pflichten der Schiedsparteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht

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cc.  Kritische Würdigung der Rechtsprechung Es ist höchst fraglich, ob diese englischen Entscheidungen Anhaltspunkte dafür liefern können wie section 40 (1) Arbitration Act auszulegen ist. In Bezug auf die Bremer Vulkan Schiffbau-Entscheidung sprechen drei Gründe dagegen, sie in eine Auslegung miteinzubeziehen. Erstens ist aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Arbitration Act 1996 nicht ersichtlich, dass die in Bremer Vulkan Schiffbau angenommene Pflicht Einfluss auf die Ausgestaltung von section 40 (1) hatte bzw. als Vorlage für die Norm diente.119 Zweitens, selbst wenn die Kodifizierung eine Reaktion auf die Entscheidung war, könnte sie genauso gut dazu gedient haben, das Urteil des House of Lords zu revidieren bzw. die Pflicht einzuschränken: Aus der Pflicht, am Schiedsverfahren dadurch mitzuwirken, dass es der Schiedsbeklagte im Zweifel gegen sich selbst vorantreiben muss, wurde die Pflicht, nur noch alles Erforderliche für den ordnungsgemäßen Ablauf des Schiedsverfahrens zu tun. Drittens darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Pflicht des Schiedsbeklagten, das Verfahren gegen sich selbst voranzutreiben, innerhalb des House of Lords durchaus kontrovers diskutiert wurde. Das kann an den der Mehrheit widersprechenden Ausführungen von Lord Scarman und Lord Fraser abgelesen werden. Eine einzelne und kontroverse Entscheidung, die möglicherweise bewusst vom englischen Gesetzgeber mit dem Arbitration Act 1996 revidiert wurde, sollte nicht dazu dienen, die Grenzen von section 40 (1) herauszuarbeiten. Auch die Elektrim-Entscheidung des High Court kann nicht dabei weiterhelfen, die Reichweite dieser Norm zu bestimmen. Zwar geht es in der Entscheidung unmittelbar um section 40 (1) Arbitration Act. Jedoch beschäftigt sich Justice Aikens in den Urteilsgründen hauptsächlich mit der Rechtsnatur der aus ihr folgenden Pflicht (statutory oder contractual obligation) und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung. Aus dem einzigen Absatz, der sich ansatzweise auf den Tatbestand von section 40 (1) Arbitration Act bezieht,120 kann nicht geschlossen werden, was „all things necessary“ sind, und ob aus dieser Formulierung konkrete Pflichten der Parteien abgeleitet werden können. Somit existieren keine englischen Entscheidungen, die konkretisieren, was zum zügigen und ordnungsgemäßen Ablauf des Schiedsverfahrens erforderlich ist.

119  Vgl. The Departmental Advisory Committee on Arbitration (DAC) Report on Arbitration Bill 1996, Rn. 205 f. 120  Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A., [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 693 (717 f., Rn. 132).

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

b.  Kritik der englischen Rechtsliteratur an section 40 Arbitration Act Innerhalb der englischen Rechtsliteratur wird section 40 Arbitration Act kritisch gesehen. Denn auch in England hat man erkannt, dass „alles Erforderliche“ für den zügigen und ordnungsgemäßen Ablauf des Schiedsverfahrens im Zweifel sehr viel sein kann. Merkin und Flannery bemerken etwa, dass die Formulierung „all things necessary“ den Parteien eine „extremely high burden“ aufzuerlegen scheine.121 Für Mustill und Boyd ist die general duty des section 40 Arbitration Act eine „imperfect obligation“; sie führe zu einer „puzzling situation“.122 Auch die Regelbeispiele von section 40 (2) Arbitration Act werden kritisch gesehen: Es seien Situationen unter section 40 (2)(a) denkbar, in denen die Parteien durch die Vorschrift selbst dann zu einem Verhalten verpflichtet wären, wenn dieses Verhalten „unreasonable“ wäre; section 40 (2)(b) sei „one of the most curious provisions of the Act“.123 Merkin und Flannery weisen zu Recht darauf hin, dass die Schiedsparteien wohl kaum dazu verpflichtet sein können, eine vorläufige Entscheidung eines Gerichts über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts einzuholen, nur weil section 40 (2)(b) auf section 32 Arbitration Act verweist.124 Mustill und Boyd zufolge könnte section 40 letztlich gar keine Auswirkungen auf die Praxis haben.125 Diese Einschätzung spiegelt sich in der Resonanz der Vorschrift in der englischen Rechtsliteratur wider. Bei der expliziten und begründeten Kritik an section 40 sowohl von Merkin und Flannery als auch von Mustill und Boyd handelt es sich nämlich um die Ausnahme in der englischen Rechtsliteratur. In den meisten anderen Kommentierungen fehlt es an einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Norm und ihrer Funktionsweise.126

c.  Eigene Bewertung – Pflichten aus section 40 (1) Arbitration Act als statutory obligation Die praktische Bedeutung der Pflicht gem. section 40 (1) Arbitration Act, alles zu tun, was zum ordnungsgemäßen und zügigen Ablauf des Schiedsverfahrens erforderlich ist, ist äußerst gering. Eine gefestigte Rechtsprechung existiert nicht. In den zwanzig Jahren nach ihrer Einführung ist die Vorschrift gerade zweimal Gegenstand von Gerichtsentscheidungen gewesen.127 Diese haben sich aber 121 

Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 158. Mustill/Boyd, Commercial Arbitration, 2001 Companion Volume to the Second Edi­ tion, 2. Auflage 2001, S. 63. 123  Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 158. 124 Siehe Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 158. 125 Siehe Mustill/Boyd, Commercial Arbitration, 2001 Companion Volume to the Second Edition, 2. Auflage 2001, S. 65. 126 Vgl. Sheppard, in: Mistelis, Concise International Arbitration, 2. Auflage 2015, English Arbitration Act, Section 40, Rn. 1–3; Harris/Planterose/Tecks, The Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, Section 40, Rz. 40A–F. 127  Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A., [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 693 (Q.B.D.); Al 122 



F.  Die Pflichten der Schiedsparteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht

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nicht mit der Reichweite der Pflicht, alles Erforderliche zu tun, sondern hauptsächlich mit ihrer Rechtsnatur beschäftigt. Als statutory obligation sollen ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nur die im Arbitration Act vorgesehenen Rechtsfolgen für Pflichtverletzungen zur Verfügung stehen. Die Rechtsfolgen des englischen Vertragsrechts sollen außer Betracht bleiben. Vergleicht man die Elektrim-Entscheidung des High Court mit der Bremer Vulkan Schiffbau-Entscheidung des House of Lords, mag man aber fragen, warum die (noch aus section 12 (1) Arbitration Act 1950 abgeleitete) obligation to co-operate eine contractual obligation sein konnte, während section 40 (1) Arbitration Act 1996 eine statutory obligation sein soll. Grund dafür ist nach englischem Verständnis, dass section 12 (1) Arbitration Act 1950 dispositiv war und somit von den Parteien (vertraglich) abbedungen werden konnte. Section 40 (1) Arbitration Act 1996 ist hingegen gem. section 4 (1) i. V. m. schedule 1 Arbitration Act zwingendes Recht. Wie die Elektrim-Entscheidung gezeigt hat, ist es schwierig, die statutory obligation des section 40 (1) Arbitration Act effektiv durchzusetzen. Letztlich werden die aus der Norm abgeleiteten Pflichten für die Parteien daher keinen Mehrwert haben.

2.  Contractual obligations als implied terms der Schiedsvereinbarung Das ist bei den implied terms der Schiedsvereinbarung, d. h. den konkludent vereinbarten vertraglichen Pflichten der Parteien, anders. Diese wurden über Jahrzehnte von der englischen Rechtsprechung entwickelt, ohne dass die Gerichte dabei auf eine allgemeine Regel für Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung zurückgegriffen hätten. So existieren etwa die vertraglichen Pflichten der Parteien, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, einen anteiligen Vorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen, sowie eine Pflicht zur Vertraulichkeit.128 Diese vertraglichen Pflichten lassen sich entweder unmittelbar durchsetzen oder zumindest mit Schadensersatz sanktionieren.

3. Ergebnis Nach englischem Schiedsverfahrensrecht entstehen sowohl aus dem common law als auch aus dem Arbitration Act 1996 Pflichten für die Parteien einer Schiedsvereinbarung. Aus section 40 (1) Arbitration Act ergibt sich eine statutory obligation der Parteien, alles Erforderliche für den ordnungsgemäßen und zügigen Ablauf des Hadha Trading Co. v. Tradigrain S.A. and Others, [2002] 2 Lloyd’s Law Reports 512 (Q.B.D. (Bristol Mercantile Court)). 128  Siehe unten zur Pflicht keine staatlichen Gerichte anzurufen § 3 A. III., S. 47 ff., zur Pflicht einen Anteil am Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen § 3 C. IV., S. 59 ff. und zur Vertraulichkeitspflicht § 3 F. IV., S. 101 ff.

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§ 2  Das Entstehen von Pflichten durch die Schiedsvereinbarung

Schiedsverfahrens zu tun. Diese Pflicht lässt sich nur nach den Vorschriften des Arbitration Act durchsetzen. Die (effektiveren) Rechtsfolgen des englischen Vertragsrechts greifen bei einer Verletzung dieser Pflicht nicht ein. Trotz ihrer generalklauselartigen Formulierung dient section 40 (1) Arbitration Act im englischen Schiedsverfahrensrecht grundsätzlich nicht dazu, Pflichten der Parteien abzuleiten. Pflichten der Schiedsparteien gab es im englischen Recht schon vor section 40 (1) Arbitration Act und auch nach ihrer Einführung im Jahre 1996 werden sie nicht auf die Formel „the parties shall do all things necessary for the proper and expeditious conduct of the arbitral proceedings“ gestützt. Den statutory obligations der Schiedsparteien stehen ihre (weitaus wichtigeren) contractual obligations gegenüber. Diese vertraglichen Pflichten wurden von der englischen Rechtsprechung als implied terms der Schiedsvereinbarung entwickelt. Sie entspringen also dem common law.

II.  Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung nach englischem Recht und die Pflichten der Parteien Nachdem feststeht, dass sich nach englischem Schiedsverfahrensrecht für die Parteien einer Schiedsvereinbarung Pflichten ergeben, ist zu fragen, ob die Existenz dieser Pflichten in einem Zusammenhang mit der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung steht. Das ist zu verneinen. In den Entscheidungen englischer Gerichte, die sich mit der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung befasst haben, kommt regelmäßig zum Ausdruck, dass es sich bei der Schiedsvereinbarung um einen ganz normalen Vertrag handelt, der, wie jeder andere auch, Pflichten begründen kann.129 So führte etwa Lord Justice Fletcher Moulton im Jahre 1912 für den Court of Appeal in Doleman & Sons v. Ossett Corporation aus: „If in breach of such a[n arbitration] clause one of the parties brought an action, the other could sue him in contract for the breach“130. Dass es sich bei der Schiedsvereinbarung nach englischem Recht um einen gewöhnlichen Vertrag handelt, machte Lord Justice Fletcher Moulton in der Entscheidung auch anhand der Rechtsfolge von Pflichtverletzungen deutlich: Nur wegen der in section 4 Arbitration Act 1889 eingeführten Schiedseinrede könne eine specific performance, d. h. eine Erfül129 So etwa Doleman & Sons v. Ossett Corporation, [1912] 3 K.B. 257 (271)(C.A.); Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (260, rechte Spalte); vgl. aber Heyman v. Darwins Ltd., [1942] 72 Lloyd’s List Law Reports 65 (75)(H.L.): „Not enough attention has been directed to the true nature and function of an arbitration clause in a contract. It is quite distinct from the other clauses. The other clauses set out the obligations which the parties undertake towards each other hinc inde. But the arbitration clause does not impose on one of the parties an obligation in favour of the other“. 130  Doleman & Sons v. Ossett Corporation, [1912] 3 K.B. 257 (267).



F.  Die Pflichten der Schiedsparteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht

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lung der Schiedsvereinbarung, erzwungen werden.131 Ohne die Vorschrift hätte die berechtigte Partei einer Schiedsvereinbarung bei einer Pflichtverletzung (wie sonst im englischen Vertragsrecht üblich) keinen Anspruch auf Erfüllung, sondern allein einen Anspruch auf Schadensersatz.132 Dieser Ansatz wurde auch in der bereits angesprochenen Bremer Vulkan Schiffbau-Entscheidung des House of Lords von Lord Diplock bestätigt. Unabhängig davon, als welchen Vertragstyp man die Schiedsvereinbarung nun klassifizieren wolle, „the primary obligations of both parties that arise then are contractual, whether express, or implied by statute or included by necessary implication in the arbitration clause. Breach of any of them would give rise to a general secondary obligation to pay compensation (damages)“133. Nach englischem Verständnis ist die Rechtsnatur des Vertrages „Schiedsvereinbarung“ für die Frage, ob für die Parteien Pflichten begründet werden, und welche Rechtsfolgen sich bei einer Pflichtverletzung ergeben, also vollkommen irrelevant. Die Schiedsvereinbarung wird als Vertrag wie jeder andere auch behandelt. Wie soeben dargelegt werden konnte, ist die Rechtsnatur lediglich in Bezug auf die einzelnen Pflichten aus der Schiedsvereinbarung von Bedeutung, also ob es sich um eine statutory obligation oder eine contractual obligation handelt.

III.  Ergebnis zum englischen Schiedsverfahrensrecht Auch nach englischem Schiedsverfahrensrecht entstehen für die Parteien mit dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung Pflichten. Für die Begründung dieser Pflichten spielt die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung keine Rolle. Die Formel, dass die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, alles Erforderliche zu tun, um das Schiedsverfahren voranzutreiben, gibt es ebenfalls im englischen Schiedsverfahrensrecht. Dort ist sie – anders als im deutschen Recht – in section 40 (1) Arbitration Act kodifiziert. Die englische Rechtsprechung leitet aus section 40 (1) bzw. der Formel „the parties shall do all things necessary for the proper and expeditious conduct of the arbitral proceedings“ keine konkreten Pflichten der Schiedsparteien ab. Im Gegenteil. Die Vorschrift wird bei der Entwicklung von contractual obligations als implied terms der Schiedsvereinbarung im common law vollkommen außer Acht gelassen. Im englischen Recht fehlt es damit an einem allgemeinen Kriterium, anhand dessen die vertraglichen Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung bestimmt werden können. Welche konkreten Pflichten der Parteien aus dem common law abgeleitet werden, wird im nachfolgenden § 3 an den jeweils einschlägigen Stellen untersucht. 131 

Doleman & Sons v. Ossett Corporation, [1912] 3 K.B. 257 (270). Doleman & Sons v. Ossett Corporation, [1912] 3 K.B. 257 (270). 133  Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (260, rechte Spalte). 132 

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten Nachdem in § 2 dargestellt wurde, wie die aus der Schiedsvereinbarung folgenden Lasten und Pflichten im deutschen Recht allgemein voneinander abgegrenzt werden können, werden diese nun im Besonderen untersucht. Auf die Pflichten, die im englischen Recht nach dem common law bei einer Schiedsvereinbarung bestehen, wird dabei an den jeweils einschlägigen Stellen eingegangen.

A.  Pflicht, keine staatlichen Gerichte anzurufen Diese Untersuchung über die Lasten und Pflichten der Parteien im Besonderen soll mit der frühestmöglichen Pflicht beginnen. Mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung könnten sich die Parteien dazu verpflichtet haben, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen.

I. Meinungsstand In Rechtsprechung und Rechtsliteratur ist umstritten, ob die Parteien einer Schiedsvereinbarung dazu verpflichtet sind, keine staatlichen Gerichte mehr anzurufen. Der Bundesgerichtshof bejaht eine solche Pflicht. Die Parteien hätten sich mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung dazu verpflichtet, ihre Rechtsstreitigkeit nicht den ordentlichen Gerichten, sondern einem Schiedsgericht zu unterbreiten.1 Dabei leitet der Bundesgerichtshof die Pflicht unmittelbar aus der in dieser Arbeit bereits besprochenen (und abgelehnten) Verfahrensförderungspflicht ab.2 Schlosser kommt ebenfalls zu diesem Ergebnis,3 begründet die Pflicht aber mit dem Zweck einer Schiedsvereinbarung. Dieser bestünde bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug darin, dass sich die Parteien die Last ersparen, „sich vor staatlichen Gerichten mit einem völlig anders strukturierten Verfahren, und in einer ganz unbekannten justiziellen Sprache verteidigen zu 1 

BGHZ 38, 254 (258); 99, 143 (147). Siehe BGHZ 38, 254 (258). 3  Schlosser, RIW 2006, 486 (488); ders., in: Liber Amicorum Lindacher, 2007, 111 (118); ders., in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 54. 2 

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

müssen“4. Der überwiegende Teil der Literatur teilt diese Auffassung im Ergebnis und nimmt eine Pflicht der Parteien an, keine staatlichen Gerichte anzurufen.5 Wagner hält dem entgegen, dass es an einem Bedürfnis für eine solche Pflicht fehle: Das angerufene Gericht würde die Klage auf die Erhebung der Schiedseinrede abweisen und den Beklagten in Bezug auf seine entstandenen Kosten schadlos stellen.6 Dem Beklagten entstünde demnach schon gar kein ersatzfähiger Schaden.7 Naumann argumentiert ähnlich: Eine Pflicht, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen, ließe sich nicht herleiten, weil die Schiedsvereinbarung nach deutschem Verständnis allein durch Erhebung der Schiedseinrede durchgesetzt werde.8 Andere Autoren lehnen eine Pflicht ebenfalls ab.9 Für eine Pflicht der Parteien, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, wird also sowohl mit der Verfahrensförderungspflicht als auch mit dem Zweck der Schiedsvereinbarung argumentiert. Gegen eine entsprechende Pflicht wird ins Feld geführt, dass die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO und die Kostenregelung des § 91 ZPO die Pflicht entbehrlich machen.

II.  Eigene Herleitung In der Folge soll untersucht werden, ob nach der in dieser Arbeit hergeleiteten Definition aus der Schiedsvereinbarung eine echte Pflicht resultiert, keine staatlichen Gerichte mehr anzurufen. Eine solche Pflicht besteht überall dort, wo die schiedsvereinbarungstreue Partei ein Bedürfnis nach Erzwingbarkeit eines Handlungsgebotes hat, weil sie durch die Nichtbefolgung der Gegenseite einen Nachteil erleidet.

1.  Handlungsgebot, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen Für eine Pflicht der Parteien einer Schiedsvereinbarung, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, müsste zunächst ein entsprechendes Handlungsgebot bestehen. Für ein solches Handlungsgebot ist auf den Willen der Parteien beim 4 

Schlosser, RIW 2006, 486 (488).

5 Siehe Lorenz, AcP 157 (1959), 265 (280); Hellwig, Zur Systematik des zivilprozessrecht-

lichen Vertrages, 1968, S. 65 f.; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 74; Wiegand, SchiedsVZ 2003, 52 (58); Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 20; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 78; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 333 f.; Wolff, SchiedsVZ 2015, 280 (284). 6  Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 255. 7 Siehe Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 255. 8 Siehe Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 101 f. 9  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 103, 107; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, 1999, 327 (335); Bucher, in: Festschrift Schlosser, 2005, 97 (99).



A.  Pflicht, keine staatlichen Gerichte anzurufen

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Abschluss der Schiedsvereinbarung abzustellen. Aus § 1029 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass die Parteien mit der Schiedsvereinbarung ihre Streitigkeit nur noch von einem Schiedsgericht entscheiden lassen wollen. Die staatlichen Gerichte sollen von diesem Entscheidungsprozess ausgeschlossen werden. Das folgt aus § 1032 Abs. 1 ZPO. Wenn es nun der Sinn und Zweck der Schiedsvereinbarung ist, den staatlichen Gerichten die Entscheidung über eine Streitigkeit zu entziehen, dann geht damit selbstverständlich auch das Handlungsgebot der Parteien einher, die staatlichen Gerichte für eine Entscheidung in dieser Streitigkeit eben auch nicht anzurufen. Begehrt eine Partei die Entscheidung einer Streitigkeit, die von der Schiedsvereinbarung gedeckt ist, besteht somit das Gebot, dazu allein ein Schiedsgericht anzurufen und kein staatliches Gericht.

2.  Bedürfnis nach Erzwingbarkeit Es fragt sich nur, ob dieses Handlungsgebot Last oder Pflicht ist. Nach dem in § 2 D. III. hergeleiteten Abgrenzungskriterium ergibt sich eine schiedsvertragliche Pflicht dort, wo ein Bedürfnis der Schiedsparteien an der Erzwingbarkeit eines Verhaltens besteht. Das ist dann der Fall, wenn einer Partei aus der Missachtung eines gebotenen Verhaltens durch die Gegenseite ein Nachteil entsteht.

a.  Klagen vor deutschen Gerichten Wagner lehnt eine Pflicht der Parteien aus der Schiedsvereinbarung für Klagen vor den deutschen Gerichten ab, weil der Beklagte schadlos gestellt werde, wenn er erfolgreich die Schiedsvereinbarung geltend mache.10 Dem Kläger würden nämlich gem. § 91 ZPO die Kosten des staatlichen Gerichtsverfahrens auferlegt werden.11 Auch für Naumann besteht keine Pflicht der Parteien, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, weil die Schiedsvereinbarung allein durch die Erhebung der Schiedseinrede durchgesetzt werden könne.12 Es ist also nach den in § 2 D. III. aufgestellten Definitionen für schiedsvertragliche Pflichten und schiedsvertragliche Lasten zu fragen, ob hier ein Mechanismus in der ZPO existiert, der der schiedsvereinbarungstreuen Partei alle Nachteile aus dem Fehlverhalten der Gegenseite nimmt. Wenn das Zusammenspiel von § 1032 Abs. 1 ZPO und § 91 ZPO die schiedsvereinbarungstreue Partei tatsächlich vor allen Nachteilen einer schiedsvereinbarungswidrigen Klage vor einem deutschen Gericht bewahrt, müsste man für das Unterlassen von Klagen vor deutschen Gerichten eine schiedsvertragliche Last annehmen. 10 

Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 255. Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 255. 12  Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 101 f. 11 Siehe

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

Der Mechanismus aus Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO und Kostentragung nach § 91 ZPO nimmt der Gegenseite aber nicht alle Nachteile aus einer schiedsvereinbarungswidrigen Klage. Er läuft beispielsweise dann ins Leere, wenn das angerufene Gericht eine gültige Schiedsvereinbarung im Rahmen von § 1032 Abs. 1 ZPO rechtsfehlerhaft für ungültig und sich selbst für zuständig hält. In diesem Fall ist die schiedsvereinbarungstreue Partei gezwungen, sich in dem staatlichen Gerichtsverfahren gegen die Klage zu verteidigen. Der pflichtbegründende Nachteil der schiedsvereinbarungstreuen Partei besteht in diesem Fall nicht nur darin, dass sie in der Sache ein staatliches Gerichtsverfahren führen muss, das nach dem Willen beider Parteien gerade ausgeschlossen werden sollte. Der schiedsvereinbarungstreuen Partei werden darüber hinaus auch alle Vorteile eines Schiedsverfahrens entzogen, wegen derer die Parteien die Schiedsvereinbarung gerade geschlossen hatten (so etwa die spezifische Auswahl von Schiedsrichtern mit Spezialkenntnissen, die Beschränkung auf eine Tatsacheninstanz und die freie Gestaltung des Verfahrens, beispielsweise hinsichtlich der Verfahrenssprache und des Verhandlungsortes). Nach Ansicht des BGH stellt es einen erheblichen Nachteil dar, wenn einer Partei diese Vorteile eines Schiedsverfahrens nicht zur Verfügung stehen.13 Der beklagten Partei werden die Nachteile des staatlichen Gerichtsverfahrens auch nicht dadurch genommen, dass sie gegen die Entscheidung des deutschen Gerichts in der Sache Rechtsmittel nach den §§ 511 ff. ZPO einlegen kann. Der Nachteil besteht ja bereits darin, dass sie überhaupt in den Instanzenzug gezwungen wurde, den die Schiedsvereinbarung gerade ausschließen sollte. Selbst bei einer erfolgreichen Schiedseinrede kann § 91 ZPO die schiedsvereinbarungstreue Partei nicht vor allen Nachteilen der schiedsvereinbarungswidrigen Klage bewahren. Über die gerichtliche Kostenentscheidung nach § 91 ZPO werden der obsiegenden Partei die Rechtsanwaltskosten nämlich nur nach den Regelsätzen des RVG ersetzt.14 Hat die schiedsvereinbarungstreue Partei mit ihrem auf Schiedsverfahrensrecht spezialisierten Rechtsanwalt Stundensätze vereinbart, was regelmäßig der Fall sein wird, werden diese Kosten durch die gerichtliche Kostenentscheidung nicht erstattet. Hierin besteht ein entscheidender Unterschied zum Schiedsverfahren, in dem der obsiegenden Partei ihre Kosten vollständig und unabhängig von den Regelsätzen des RVG ersetzt werden.15 Einer Partei entsteht also regelmäßig selbst bei einer erfolgreichen Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO ein vermögenswerter Nachteil. Trotz des Zusammenspiels aus § 1032 Abs. 1 ZPO und § 91 ZPO verbleiben bei der schiedsvereinbarungstreuen Partei Nachteile aus einer schiedsverein13 

Siehe BGH, SchiedsVZ 2016, 328 (335, Rn. 72). Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 91, Rn. 19; Gierl, in: Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 91, Rn. 37. 15 Siehe Risse/Altenkirch, SchiedsVZ 2012, 5 (10 f.); OLG München, SchiedsVZ 2017, 40 (46). 14 



A.  Pflicht, keine staatlichen Gerichte anzurufen

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barungswidrigen Klage der Gegenseite. Wendet das angerufene deutsche Gericht § 1032 Abs. 1 ZPO rechtsfehlerhaft an, muss die schiedsvereinbarungstreue Partei ein staatliches Gerichtsverfahren führen. Ist die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO erfolgreich, werden der schiedsvereinbarungstreuen Partei über § 91 ZPO nicht alle Kosten ersetzt. Das Gebot, wegen Streitigkeiten, die der Schiedsvereinbarung unterfallen, Klagen vor deutschen Gerichten zu unterlassen, ist damit eine schiedsvertragliche Pflicht.

b.  Klagen vor ausländischen Gerichten Fraglich ist, ob grundsätzlich auch eine Pflicht der Parteien besteht, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen. Wagner hält eine solche Pflicht zwar für wünschenswert.16 Diese sei aber nicht grundsätzlich, sondern nur bei einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien anzunehmen.17 Die Aufnahme einer solchen Pflicht in das dispositive Recht der Schiedsvereinbarung führe im Ergebnis dazu, dass die Rechtsfolgen der §§ 91 ff. ZPO über den Geltungsbereich des deutschen Rechts erstreckt würden.18 Darüber hinaus habe bei der Annahme einer solchen Pflicht eine vereinbarte Zuständigkeit wesentlich einschneidendere Rechtsfolgen als die gesetzliche.19 Dafür bestünden keinerlei Anhaltspunkte.20 Entgegen dieser Auffassung besteht das für eine Pflicht erforderliche Bedürfnis nach Erzwingbarkeit bei Klagen vor ausländischen Gerichten aus drei Gründen: Erstens entsteht dem Beklagten dadurch ein Nachteil, dass er mit einem ausländischen Gerichtsverfahren konfrontiert wird, das völlig anders strukturiert ist, in einer unbekannten justiziellen Sprache geführt wird und das durch die Schiedsvereinbarung gerade ausgeschlossen werden sollte.21 Zweitens ist nicht sichergestellt, dass die deutschem Recht unterliegende und einen deutschen Schiedsort vorsehende Schiedsvereinbarung vor dem ausländischen Forum mit der nach dem dortigen Recht geltenden Schiedseinrede auch effektiv durchgesetzt werden kann. Drittens können einer Partei durch das ausländische Verfahren selbst bei erfolgreicher Einrede der Schiedsvereinbarung Nachteile bzw. Schäden entstehen. Das ist etwa in den USA der Fall, wo nach der sog. American Rule of Cost jede Seite ihre Kosten zu tragen hat, egal wer obsiegt.22 Bei einer Klage in den USA werden der schiedsvereinbarungstreuen Partei also 16 

Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 257. Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 257. 18  Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 257. 19  Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 258; ebenso Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, 1999, 327 (335). 20  Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 258; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, 1999, 327 (335). 21 Siehe Schlosser, RIW 2006, 486 (488). 22  Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten, 2013, S. 2; Sandrock, IDR 17 

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

selbst bei einem positiven Verfahrensausgang vermögenswerte Nachteile entstehen. Aus diesen Gründen muss grundsätzlich auch eine schiedsvertragliche Pflicht der Parteien angenommen werden, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen. Es geht hierbei nicht darum, den §§ 91 ff. ZPO grenzüberschreitende Wirkung zukommen zu lassen (die im Rahmen eines nach dem zehnten Buch der ZPO ablaufenden Schiedsverfahrens ohnehin nicht gelten). Vielmehr geht es allein darum, einer Schiedsvereinbarung Geltung zu verschaffen, die explizit einen deutschen Schiedsort vorgesehen hatte. Dass dabei der vereinbarten Zuständigkeit des Schiedsgerichts eine stärkere Wirkung zukommt als der gesetzlichen Zuständigkeit der Gerichte, ist kein Problem, sondern schlicht eine Folge der Privatautonomie. Wenn die Parteien mit dem Schiedsgericht eine besondere Zuständigkeit vertraglich vereinbaren, die sonst nicht bestehen würde, spricht nichts dagegen, diese besondere Zuständigkeit auch entsprechend durchzusetzen. Folglich besteht auch eine Pflicht der Parteien einer Schiedsvereinbarung, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen.

3.  Reichweite und Grenzen der Pflicht, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen Nachdem eine schiedsvertragliche Pflicht der Parteien, keine staatlichen Gerichte anzurufen, hergeleitet wurde, stellt sich die Frage, wie weit diese Pflicht reicht und wo ihre Grenzen liegen. Der Kern dieser schiedsvertraglichen Pflicht besteht darin, Klagen in Streitigkeiten zu unterlassen, die nach der Schiedsvereinbarung von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen. Ihre natürliche Grenze muss die Pflicht aber dort finden, wo die ZPO trotz bzw. gerade wegen der Schiedsvereinbarung ausdrücklich die Anrufung staatlicher Gerichte zulässt.

a.  Zulässigkeit von Unterstützungsmaßnahmen durch staatliche Gerichte Damit sind zunächst einmal alle im zehnten Buch der ZPO niedergelegten gerichtlichen Unterstützungsmaßnahmen für das Schiedsverfahren gemeint, etwa im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes über § 1033 ZPO bzw. § 1041 Abs. 2 ZPO oder bei der Bestellung von Schiedsrichtern gem. § 1035 Abs. 3 ZPO. Hier wird niemand den Parteien unterstellen wollen, dass sie mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung auch diese staatlichen Verfahren ausschließen wollten. Im Gegenteil: Bestimmen die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung einen deutschen Schiedsort, ist davon auszugehen, dass sie gerade auch auf 2004, 106 (107); siehe auch Sachs/Peiffer, in: Festschrift Coester-Waltjen, 2015, 713 (714); Wolff, SchiedsVZ 2015, 280 (281 f.).



A.  Pflicht, keine staatlichen Gerichte anzurufen

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alle staatsgerichtlichen Unterstützungsmaßnahmen zurückgreifen wollten, die ihnen das deutsche Schiedsverfahrensrecht zur Verfügung stellt. Das Gleiche gilt für die im zehnten Buch der ZPO niedergelegten staatsgerichtlichen Kontrollverfahren wie etwa § 1059 ZPO.

b.  Zulässigkeit von negativen Feststellungsklagen in Bezug auf die Schiedsvereinbarung? Was aber gilt in Bezug auf Klagen vor staatlichen Gerichten, mit denen eine Partei die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung feststellen lassen will? Denkbar ist, dass ausschließlich das Schiedsgericht aufgrund seiner in § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO niedergelegten Kompetenz-Kompetenz dazu befugt ist, über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Staatliche Gerichte könnten allenfalls später, nach Abschluss des Schiedsverfahrens, etwa im Rahmen eines Aufhebungsantrags nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO, dafür zuständig sein, die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung eigenständig zu prüfen. Jedoch muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Schiedsvereinbarung auch ungültig sein und eine Partei ein berechtigtes Interesse daran haben kann, dies gerichtlich feststellen zu lassen. Gleichzeitig müssen (auch konkludente) Feststellungsklagen verhindert werden, die allein darauf abzielen, die Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts zu untergraben und das Schiedsverfahren zu sabotieren. Der Gesetzgeber löst diesen Konflikt zwischen Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts und Feststellungsinteresse in Bezug auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung mit § 1032 Abs. 2 ZPO. Bei § 1032 Abs. 2 ZPO handelt es sich um eine deutsche Besonderheit, die es im UNCITRAL Model Law nicht gibt.23 Die Vorschrift ermöglicht es einer Partei, bis zur Bildung des Schiedsgerichts sowohl die Zulässigkeit als auch die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens gerichtlich feststellen zu lassen. Das gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuständige Oberlandesgericht prüft dabei, ob die Schiedsvereinbarung – § 1032 Abs. 1 ZPO entsprechend – nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.24 Aus dieser besonderen Regelung lässt sich ableiten, dass der deutsche Gesetzgeber für potentielle Schiedsverfahren mit deutschem Schiedsort gerichtliche Verfahren in Bezug auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nur im Rahmen von § 1032 Abs. 2 ZPO und nur bis zur Bildung des Schiedsgerichts vor dem zuständigen Oberlandesgericht zulassen wollte. Nach Konstituierung des Schiedsgerichts kann die schiedsgerichtliche Zuständigkeit allein durch 23  Huber, SchiedsVZ 2003, 73 (74); Schroeter, SchiedsVZ 2004, 288 (288); BT-Drucksache 13/5274, S. 38 (linke Spalte). 24  Schroeter, SchiedsVZ 2004, 288 (294); Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 102; Lühmann, Die Rechtskraft des Schiedsspruchs im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2014, S. 202.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

einen Antrag nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO geprüft werden, falls das Schiedsgericht per Zwischenentscheid über seine Zuständigkeit entschieden hat. Erlässt das Schiedsgericht einen Schiedsspruch, kann die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung noch im Rahmen von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO geprüft werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nach dem Willen des Gesetzgebers alle anderen gerichtlichen Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung insgesamt ausgeschlossen sein sollten. Damit gemeint sind auch und gerade Verfahren in ausländischen Jurisdiktionen. Mithin verletzt eine Partei ihre schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, auch, wenn sie in Deutschland außerhalb von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO oder im Ausland ein gerichtliches Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung einleitet.

c.  Torpedoklagen als doppelte Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht Vor diesem Hintergrund stellen sich sog. Torpedoklagen als doppelte Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, dar. Torpedoklagen nennt man negative Feststellungsklagen vor einem ohne die Schiedsvereinbarung zuständigen Gericht (sog. Torpedogericht), mit denen der Anspruchsgegner als Kläger die Feststellung begehrt, dass er in der Sache nicht haftet.25 Die Frage nach der Nichtigkeit, Unwirksamkeit oder Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung stellt sich für das angerufene Gericht entweder als Vorfrage im Rahmen der Schiedseinrede des Beklagten oder aufgrund eines zusätzlichen negativen Feststellungsantrags des Klägers.26 Torpedoklagen konnten unter der alten Brüssel I-VO27 die Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften der Verordnung aushebeln und eine negative Feststellungswirkung in Bezug auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung auf andere Mitgliedstaaten erstrecken, obwohl die Schiedsgerichtsbarkeit gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen war (und ist).28 Unter der neuen Brüssel I-VO29 ist es zwar gem. EG 12 Abs. 2 ausgeschlossen, dass die Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung in ihren 25 

Illmer, SchiedsVZ 2011, 248 (250); ders., RabelsZ 75 (2011), 645 (650). Illmer, RabelsZ 75 (2011), 645 (650); ders., in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, 1. Auflage 2015, Rn. 2.48. 27  Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. 28 Vgl. National Navigation Co. v. Endesa Generacion S.A. (The Wadi Sudr), [2010] 1 Lloyd’s Law Reports 193 (C.A.); dazu auch Illmer, SchiedsVZ 2011, 248 (251). 29 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), die gem. ihrem Art. 81 ab dem 10. Januar 2015 gilt. 26 



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Wirkungen nach der Verordnung auf andere Mitgliedstaaten erstreckt wird. Eine Entscheidung des Torpedogerichts in der Sache kann aber gem. EG 12 Abs. 3 Brüssel I-VO nach der Verordnung anerkannt und vollstreckt werden.30 Torpedoklagen können also weiterhin die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen schaffen. Erhebt eine Partei der Schiedsvereinbarung eine Torpedoklage im Ausland, verletzt sie ihre schiedsvertragliche Pflicht, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen, gleich doppelt: Erstens strengt sie vor einem staatlichen Gericht ein Verfahren in einer von der Schiedsvereinbarung gedeckten Streitigkeit an. Zweitens macht sie die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung vor einem aus deutscher Sicht unzuständigen Gericht und in einem unzulässigen Verfahren geltend.

4. Ergebnis Mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung verpflichten sich die Parteien dazu, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen. Die Unterlassungspflicht der Parteien bezieht sich dabei zunächst auf gerichtliche Verfahren über Streitgegenstände, die laut der Schiedsvereinbarung von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen. Darüber hinaus sind die Parteien verpflichtet, gerichtliche Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung bzw. über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts außerhalb von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO zu unterlassen. Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts können nur im Rahmen dieser drei Verfahren von dem zuständigen Oberlandesgericht geprüft werden. Zulässig ist hingegen die Anrufung staatlicher Gerichte zur Unterstützung des Schiedsverfahrens und zur Kontrolle schiedsgerichtlicher Entscheidungen, soweit diese im zehnten Buch der ZPO vorgesehen sind.

III.  Die Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, nach englischem Schiedsverfahrensrecht Dieses Ergebnis für das deutsche Recht, dass die Parteien sich mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung dazu verpflichten, keine staatlichen Gerichte mehr anzurufen, soll nun mit dem englischen Schiedsverfahrensrecht verglichen werden. Die aus der Schiedsvereinbarung folgende Pflicht, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen, wird in England regelmäßig im Zusammenhang mit sog. anti-suit injunctions behandelt. Als anti-suit injunctions bezeichnet man im englischen Rechtssystem allgemein richterliche Verfügungen, die es einem (po30 

Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, 1. Auflage 2015, Rn. 2.55.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

tentiellen) Kläger untersagen, ein Verfahren im Ausland einzuleiten oder fortzuführen.31 Handelt der (potentielle) Kläger der anti-suit injunction zuwider, liegt darin eine Missachtung des englischen Gerichts (contempt of court), die mit Bußgeldern, der Beschlagnahme von in England belegenem Vermögen oder Haftstrafen geahndet werden kann.32 Anti-suit injunctions können gerade auch zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen eingesetzt werden, falls eine Partei der Schiedsvereinbarung vor einem staatlichen Gericht klagt bzw. klagen will.33 Das setzt natürlich voraus, dass der Antragsteller aus der Schiedsvereinbarung einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Unterlassung der Klage hat. Dieser Anspruch besteht nur dann, wenn die Parteien sich mit der Schiedsvereinbarung verpflichten, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen.

1.  Klagen vor ausländischen Gerichten In England lassen sich die Spuren einer Pflicht, nach dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung nicht mehr vor staatlichen Gerichten zu klagen, bis zu einer Entscheidung des Court of Appeal aus dem Jahre 1911 zurückverfolgen. In Pena Copper Mines v. Rio Tinto bestätigte das Gericht eine anti-suit injunction zur Durchsetzung einer Schiedsvereinbarung, mit welcher der High Court Rio Tinto untersagt hatte, gegen Pena Copper Mines ein Gerichtsverfahren in Spanien fortzuführen. Die Parteien der Schiedsvereinbarung hätten vertraglich vereinbart „that they will not sue in a foreign court“34. Auch in The Angelic Grace ging es im Zusammenhang mit einer anti-suit injunction um die Pflicht der Parteien einer Schiedsvereinbarung, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen. Lord Justice Millett führte aus „[that] there is no good reason for diffidence in granting an injunction to restrain foreign proceedings on the clear and simple ground that the defendant has promised not to bring them“35.

31  Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 1; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 1; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 107. 32  Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 1; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 32; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 55. 33  Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.34; Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 3; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 47. 34  Pena Copper Mines Ltd. v. Rio Tinto Co. Ltd., [1911–13] All England Law Reports Reprints 209 (212)(C.A.). 35  Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.p.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Law Reports 87 (96, linke Spalte)(C.A.).



A.  Pflicht, keine staatlichen Gerichte anzurufen

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Die Pflicht der Parteien, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, wurde in neuerer Rechtsprechung bestätigt. Das war etwa in der Vorlageentscheidung des House of Lords an den EuGH in der Rechtssache West Tankers36 der Fall, in der es um die Vereinbarkeit von anti-suit injunctions zum Schutz von Schiedsvereinbarungen mit der Brüssel I-VO ging. Lord Hoffmann erklärte, die Schiedsvereinbarung sei eine Vereinbarung darüber, nicht die Zuständigkeit eines staatlichen Gerichts geltend zu machen.37 Die Parteien hätten die Schiedsgerichtsbarkeit deshalb gewählt, damit sie außerhalb jeglicher nationaler Gerichte bleiben.38 Ähnlich formulierte es Lord Mance des an die Stelle des House of Lords getretenen Supreme Court of the United Kingdom in Ust-Kamenogorsk39 im Jahr 2013: Es bestünde kein Grund zu der Annahme, dass eine Partei einer Schiedsvereinbarung die andere in ein Verfahren vor einem anderen als dem gewählten Forum ziehen könne.40 Die Schiedsvereinbarung enthalte das negative Versprechen, keine ausländischen Verfahren einzuleiten.41 Aus diesen Fällen zu anti-suit injunctions ergibt sich eine gefestigte englische Rechtsprechung, dass sich die Parteien einer Schiedsvereinbarung dazu verpflichten, nicht vor einem ausländischen staatlichen Gericht zu klagen. Damit entspricht die Rechtslage in England der deutschen.42

2.  Klagen vor englischen Gerichten Was aber ist mit einer Pflicht, nicht vor den inländischen englischen Gerichten zu klagen? In den Entscheidungen zu anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen scheint es immer nur um die Pflicht der Parteien zu gehen, Klagen im Ausland zu unterlassen. Daraus, dass englische anti-suit injunctions dem Antragsgegner stets nur ausländische Klagen untersagen, kann jedoch nicht geschlossen werden, dass nach englischem Recht keine Pflicht existiert, Klagen vor den inländischen Gerichten zu unterlassen. Die englische Rechtsprechung und Rechtsliteratur gehen davon aus, dass die Pflicht, nicht vor den heimischen Gerichten zu klagen, durch einen stay of 36  West Tankers Inc. v. Ras Riunione Adriatica di Sicurta S.p.A. (The Front Comor), [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 391 (H.L.). 37  West Tankers Inc. v. Ras Riunione Adriatica di Sicurta S.p.A. (The Front Comor), [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 391 (394, Rn. 16). 38 Siehe West Tankers Inc. v. Ras Riunione Adriatica di Sicurta S.p.A. (The Front Comor), [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 391 (394 f., Rn. 19). 39  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (S.C.). 40  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (286, Rn. 21). 41  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (292, Rn. 48). 42  Siehe oben § 3 A. II. 2. b., S. 43 f.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

legal proceedings gem. section 9 Arbitration Act durchgesetzt werden kann.43 Bei dem Antrag zu einem stay of proceedings gem. section 9 (1) Arbitration Act handelt es sich um das englische Funktionsäquivalent zur deutschen Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO. Dementsprechend wird die Pflicht der Parteien, Klagen vor englischen Gerichten zu unterlassen, in der Rechtsprechung im Rahmen eines stay of proceedings behandelt.44 So führte etwa Lord Mance in der UK Supreme Court-Entscheidung Ust-Kamenogorsk zur Pflicht der Parteien einer Schiedsvereinbarung, Streitigkeiten nur noch einem Schiedsgericht zu unterbreiten, aus: „The (often silent) concomitant is that neither party will seek such relief in any other forum. If the other forum is the English court, the remedy for the aggrieved is to apply for a stay under section 9 of the Arbitration Act 1996.“45 Überträgt man das in dieser Arbeit vorgestellte Modell zur Abgrenzung von Lasten und Pflichten aus der Schiedsvereinbarung im deutschen Recht auf das englische Recht, lässt sich aber fragen, ob es sich bei dem Handlungsgebot, nach Abschluss der Schiedsvereinbarung keine englischen Gerichte mehr anzurufen, tatsächlich um eine Pflicht handelt. Pflichten sollen nach dem hier vorgestellten Modell nur dort bestehen, wo eine Partei ein Bedürfnis hat, das korrekte Verhalten der Gegenseite zu erzwingen, weil das Fehlverhalten für sie nachteilig ist.46 Sieht das Gesetz einen Mechanismus vor, um einer Partei Nachteile aus dem Fehlverhalten zu nehmen, ist zu fragen, ob diese Nachteile durch den gesetzlichen Mechanismus vollständig kompensiert werden.47 Dementsprechend ist für das englische Recht zu fragen, ob eine Klage vor einem englischen Gericht für die schiedsvereinbarungstreue Partei trotz section 9 Arbitration Act nachteilig sein kann. Nur wenn das der Fall ist, könnte man eine echte Pflicht der Parteien annehmen, Klagen vor englischen Gerichten zu unterlassen. Einer Partei, die entgegen der Schiedsvereinbarung vor einem englischen Gericht verklagt wird, drohen trotz section 9 Arbitration Act die gleichen Nachteile wie in der äquivalenten Situation bei einem vereinbarten deutschen Schiedsort und einer Klage vor einem deutschen Gericht: Nicht ersetzte Kosten und der Entzug aller Vorteile eines Schiedsverfahrens. Auch ein englisches Ge43  So der Supreme Court in Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (Rn. 1, 23); ebenso Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 188; Merkin, Arbitration Law, 2004, Rn. 8.1; siehe auch schon Doleman & Sons v. Ossett Corporation, [1912] 3 K.B. 257 (270). 44  So etwa in Doleman & Sons v. Ossett Corporation, [1912] 3 K.B. 257 (268); Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (Rn. 1). 45  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (284, Rn. 1). 46  Siehe oben § 2 D. III., S. 26 f. 47  Siehe oben § 2 D. III., S. 26 f.



A.  Pflicht, keine staatlichen Gerichte anzurufen

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richt mag die Schiedsvereinbarung rechtsfehlerhaft nach section 9 (4) Arbitra­ tion Act für null and void, inoperative oder incapable of being performed halten und sich selbst für zuständig erklären. Selbst wenn der schiedsvereinbarungswidrig Beklagte hier in der Sache Erfolg hat und die Klage als unbegründet abgewiesen wird, bekommt er seine Kosten nur auf standard basis gem. CPR 44.3 (1)(a) und damit nur in Höhe von zwei Drittel ersetzt.48 Darüber hinaus werden dem Beklagten alle Vorteile eines Schiedsverfahrens mit Sitz in England entzogen. Das sind zum einen die Vorteile, die auch für Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland gelten.49 Für Schiedsverfahren mit Sitz in England gilt zum anderen, dass im Schiedsverfahren offen gelegte Dokumente grundsätzlich vertraulich sind.50 Eine solche Vertraulichkeitspflicht gibt es in englischen Gerichtsverfahren nicht. Auch im englischen Recht bestehen also trotz section 9 Arbitration Act potentielle Nachteile aus einer schiedsvereinbarungswidrigen Klage. Somit müsste man auch nach dem in dieser Arbeit vorgestellten Modell zur Ableitung von Pflichten aus der Schiedsvereinbarung im englischen Recht eine echte Pflicht annehmen, Klagen vor englischen Gerichten zu unterlassen.

3. Ergebnis Auch im englischen Schiedsverfahrensrecht besteht eine Pflicht der Parteien, wegen Streitigkeiten, die der Schiedsvereinbarung unterfallen, keine staatlichen Gerichte anzurufen. Die schiedsvereinbarungstreue Partei kann diese Pflicht vor englischen Gerichten in der Regel durch einen Antrag nach section 9 (1) Arbitration Act durchsetzen. Um die Pflicht, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen, durchzusetzen, kann die schiedsvereinbarungstreue Partei beim High Court eine anti-suit injunction beantragen. Beide Pflichten sind in der englischen Rechtsprechung und Literatur anerkannt. Die Pflicht, Klagen vor englischen Gerichten zu unterlassen, besteht gerade auch nach dem in dieser Arbeit vorgestellten Modell zur Ableitung von Pflichten aus der Schiedsvereinbarung. Grund dafür ist, dass section 9 (1) Arbitration Act einer Partei nicht alle Nachteile einer schiedswidrigen Klage vor einem englischen Gericht nehmen kann. Hier gilt das Gleiche wie schon beim deutschen Funktionsäquivalent § 1032 Abs. 1 ZPO. Dem schiedswidrig Beklagten drohen durch die Klage sowohl Kostennachteile als auch der Entzug aller Vorteile eines Schiedsverfahrens. War ein Schiedsverfahren mit Sitz in England vereinbart, wird dem Beklagten insbesondere der Vorteil genommen, dass alle offengelegten Dokumente vertraulich zu behandeln sind. 48 Vgl.

Andrews, English Civil Procedure, 1. Auflage 2003, Rn. 36.22. Siehe oben § 3 A. II. 2. a., S. 41 f. 50  Siehe ausführlich unten § 3 F. IV., S. 101 ff. 49 

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

B.  Pflicht, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken? Das Schiedsverfahren beginnt gem. § 1044 S. 1 ZPO, sobald der Schiedsbeklagte die Anzeige des Schiedsklägers empfangen hat. Dabei gehört es zum Wesen der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, dass das über den Streit entscheidende Schiedsgericht, das üblicherweise aus einem oder drei Schiedsrichtern besteht, noch gar nicht existiert. Es muss vielmehr erst konstituiert werden. Fraglich ist, ob eine Pflicht der Schiedsparteien besteht, sich an der Konstituierung des Schiedsgerichts bzw. der Bestellung der Schiedsrichter zu beteiligen.

I. Meinungsstand Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Parteien dazu verpflichtet sind, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken.51 Das sah auch schon das Reichsgericht so.52 Ein Teil der Rechtsliteratur folgt diesem Ansatz.53 Andere Autoren sind der Auffassung, dass es sich bei der Bestellung der Schiedsrichter um eine Last der Schiedsparteien handelt.54

II.  Eigene Abgrenzung Nach dem in dieser Arbeit hergeleiteten Abgrenzungskriterium besteht eine Pflicht dort, wo eine Partei durch das Fehlverhalten der Gegenseite einen Nachteil erleidet und daher ein Bedürfnis hat, dieses Verhalten zu erzwingen. Eine schiedsvertragliche Last kann hingegen insbesondere dort angenommen werden, wo in der ZPO ein gesetzlicher Mechanismus existiert, der einer Partei alle Nachteile aus einem Fehlverhalten der Gegenseite nimmt.55 51 BGHZ 23, 198 (202); BGH, NJW 1986, 2765 (2766); BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1060); BGHZ 102, 199 (202). 52  RGZ 33, 265 (268); RG, JW 1898, 50 (50); RG, HRR 1929, 1399. 53  Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 78; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1035, Rn. 30; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1035, Rn. 1a; Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (318); Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 282 f.; Hellwig, Zur Systematik des zivilprozessrechtlichen Vertrages, 1968, S. 57. 54  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 109; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 2. Auflage 1972, S. 235; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 36; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 20; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 126 f.; Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (278). 55  Siehe oben § 2 D. III., S. 26 f.



B.  Pflicht, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken?

53

1.  Mangel an pflichtbegründenden Nachteilen aufgrund von § 1035 ZPO Mit Blick auf § 1035 ZPO besteht für die Annahme von Nachteilen kein Raum. Behindert die Gegenseite die Bestellung des Einzelschiedsrichters, indem sie die Vorschläge einer Schiedspartei immer wieder ablehnt, wird der Einzelschiedsrichter auf Antrag dieser Schiedspartei gem. § 1035 Abs. 3 S. 1 ZPO durch das zuständige Oberlandesgericht bestellt. Soll das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern bestehen und weigert sich die Gegenseite, „ihren“ Schiedsrichter zu bestellen, wird dieser Schiedsrichter gem. § 1035 Abs. 3 S. 3 ZPO ebenfalls durch das Oberlandesgericht bestellt. Ein Nachteil der Schiedspartei, die eine Bestellung des Schiedsgerichts anstrebt, ist dabei nicht zu erkennen. Die Konstituierung des Schiedsgerichts ist somit ein Recht der Schiedsparteien, dessen Nichtausübung allein für die sich weigernde oder untätige Schiedspartei nachteilig ist. Folglich handelt es sich bei der Bestellung der Schiedsrichter um eine schiedsvertragliche Last. Dass der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum Schiedsverfahrensneuregelungsgesetz selbst ganz beiläufig von einer Bestellungspflicht der Schiedsparteien ausgeht,56 mag auf den Einfluss der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Schiedsverfahrensrecht zurückzuführen sein. Aufgrund des vom Gesetzgeber selbst eingeführten Mechanismus des § 1035 Abs. 3 ZPO besteht für die Annahme einer solchen Pflicht in deutschen Schiedsverfahren kein Bedürfnis.57

2.  Pflicht bei abweichender Parteivereinbarung gem. § 1035 Abs. 1 ZPO? Um eine Pflicht der Schiedsparteien könnte es sich aber dort handeln, wo die Schiedsparteien gem. § 1035 Abs. 1 ZPO ein Verfahren zur Schiedsrichterbestellung vereinbart haben und dieses Verfahren eine Mitwirkung der Gegenseite an der Konstituierung des Schiedsgerichts zwingend erforderlich macht. Doch selbst wenn die Gegenseite ihre Mitwirkung hier verweigert und die Parteien für diesen Fall keinen Hilfsmechanismus vereinbart haben, kann das Oberlandesgericht gem. § 1035 Abs. 4 ZPO auf Antrag einer Partei alle „erforderlichen Maßnahmen“ anordnen. Der Wortlaut der Vorschrift ist damit so weit, dass kaum Konstellationen denkbar sind, in denen eine Partei die Konstituierung des Schiedsgerichts blockieren könnte und der Gegenseite damit ein pflichtbegründender Nachteil entstünde. Selbst bei einer Parteivereinbarung zur Schiedsrichterbestellung kann daher wegen § 1035 Abs. 4 ZPO keine dahingehende Pflicht der Schiedsparteien angenommen werden. Etwas anderes gilt 56 

BT-Drucksache 13/5274, S. 40 (linke Spalte). auch Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 282 f. (von einer Pflicht ausgehend, wegen § 1035 ZPO aber ihre Einklagbarkeit verneinend). 57  Vgl.

54

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

nur, wenn sich die Parteien explizit zur Schiedsrichterbestellung verpflichtet haben.

III. Ergebnis Bei der Bestellung der Schiedsrichter handelt es sich um ein Recht der Schiedsparteien, ohne dass eine komplementäre Pflicht besteht. Macht eine Schiedspartei von ihrem Recht keinen Gebrauch, kann das Oberlandesgericht auf Antrag der anderen Schiedspartei über § 1035 ZPO alle Maßnahmen ergreifen, die zur Bildung des Schiedsgerichts erforderlich sind. Eine Schiedspartei hat dadurch, dass die Gegenseite ihren Schiedsrichter nicht bestellt, keinen Nachteil und damit auch kein Bedürfnis, die Bestellung durch die Gegenseite zu erzwingen. Die Mitwirkung an der Konstituierung des Schiedsgerichts ist damit eine schiedsvertragliche Last.

C.  Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Schiedsverfahrens Nun stellt sich die Frage, ob, und wenn ja, in welchem Umfang die Parteien dazu verpflichtet sind, Vorschüsse für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen.

I. Meinungsstand In Deutschland ist eine solche Pflicht in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt. Schon das Reichsgericht nahm an, dass die Parteien dazu verpflichtet sind, Vorschüsse für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen.58 Dem hat sich der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung angeschlossen.59 Auch in der Rechtsliteratur wird eine solche Pflicht umfassend anerkannt – selbst von Stimmen, die davon ausgehen, dass die Schiedsvereinbarung eigentlich überhaupt keine Pflichten begründet.60 Damit ist in Recht58 

RG, JW 1916, 580 (580); RG, HRR 1929, 1399. 23, 198 (202); 55, 344 (348); 77, 65 (67); 94, 92 (95); 102, 199 (202); 193, 38

59  BGHZ

(41).

60 So

Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 21; Lionnet/ Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 176; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 126; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 447; siehe auch: Habscheid, KTS 1955, 33 (35); Hellwig, Zur Systematik des zivilprozessrechtlichen Vertrages, 1968, S. 57; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 36; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 2. Auflage 1972, S. 236; Sandrock, in: Liber Amicorum Briner, 2005, 707 (709); Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auf-



C.  Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Schiedsverfahrens

55

sprechung und Rechtsliteratur vollkommen unbestritten, dass eine Pflicht der Parteien besteht, Vorschüsse für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen. Unklar ist, ob die Parteien verpflichtet sind, einen gleichen Anteil am Kostenvorschuss zu zahlen, oder ob sich die Pflicht auf den gesamten Betrag bezieht. Die Frage stellt sich üblicherweise in zwei Konstellationen: Entweder kann eine Schiedspartei den Kostenvorschuss nicht zahlen, weil sie mittellos ist, oder sie will nicht zahlen, weil sie das Schiedsverfahren insgesamt boykottiert. Während die Nichtzahlung wegen Mittellosigkeit sowohl auf Schiedsklägerals auch auf Schiedsbeklagtenseite auftritt, erfolgt ein Boykott (natürlich) nur durch Schiedsbeklagte. Für diese drei Fälle ist zu klären, ob ein Schiedskläger oder ein Schiedsbeklagter dazu verpflichtet ist, neben dem eigenen Anteil am Kostenvorschuss auch den der Gegenseite zu zahlen.

II.  Differenzierung der Pflichten im Zusammenhang mit den Kosten des Schiedsverfahrens Bevor die Pflicht der Parteien zur Zahlung des Kostenvorschusses näher untersucht wird, ist sie von der Pflicht zur Vergütung der Schiedsrichter und von der Pflicht zur Kostentragung nach Abschluss des Schiedsverfahrens abzugrenzen.

1.  Pflicht der Schiedsparteien gegenüber den Schiedsrichtern auf Zahlung von Vergütung Regelmäßig geht es in den Entscheidungen von Reichsgericht und Bundesgerichtshof zur Kostenvorschusspflicht der Schiedsparteien auch um die Honorare der Schiedsrichter. Das liegt daran, dass die Schiedsrichtervergütung einen wesentlichen Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren ausmacht.61 Die gegenseitige Pflicht der Parteien, die Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen, ist aber von der Pflicht der Parteien gegenüber den Schiedsrichtern, diesen eine Vergütung zu zahlen, zu unterscheiden. Die Pflicht der Schiedsparteien, den Schiedsrichtern eine Vergütung zu zahlen, entsteht durch den Schiedsrichtervertrag zwischen den Schiedsparteien und den Schiedsrichtern.62 Die gegenseitige Pflicht der Schiedsparteien, den lage 2017, § 1029, Rn. 26; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 78; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17; Trittmann/Hanefeld, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, § 1029 ZPO, Rn. 43; Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (318); Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (5). 61 Vgl. Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 54; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 16; zu den sonstigen Kosten des Schiedsverfahrens, die durch den Vorschuss abgedeckt werden sollen: Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992, S. 272 f. 62  Altenkirch, SchiedsVZ 2014, 113 (114); Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (2).

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

Kostenvorschuss für das gesamte Schiedsverfahren zu zahlen, folgt jedoch unmittelbar aus der Schiedsvereinbarung. Nach deutschem Recht handelt es sich bei Schiedsrichtervertrag und Schiedsvereinbarung rechtlich um zwei separate Verträge.63 Die Pflichten, die sich für die Schiedsparteien im Außenverhältnis zu den Schiedsrichtern aus dem Schiedsrichtervertrag ergeben, sind damit unabhängig von den Pflichten zu beurteilen, die für die Schiedsparteien im Innenverhältnis aus der Schiedsvereinbarung folgen.

2.  Kostentragung nach Abschluss des Schiedsverfahrens Von der Pflicht, einen Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen, ist auch die Frage zu trennen, wer die Kosten des Schiedsverfahrens nach dessen Abschluss letztlich zu tragen hat. Hier ist § 1057 Abs. 1 ZPO maßgeblich. Altenkirch zufolge ergibt sich aus § 1057 ZPO, dass das deutsche Schiedsverfahrensrecht bei der Zuweisung der Kosten das Unterliegensprinzip favorisiert.64 Nach dem Unterliegensprinzip (auch „costs follow the event“ genannt) hat die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen.65 Dementsprechend soll das Schiedsgericht gem. § 1057 Abs. 1 S. 2 ZPO in seiner Kostenentscheidung den Ausgang des Verfahrens mitberücksichtigen. Es wird also üblicherweise die unterlegene Schiedspartei verpflichtet, die gesamten Kosten des Schiedsverfahrens zu tragen. Das bedeutet, dass die obsiegende Schiedspartei zwar zu Beginn des Verfahrens verpflichtet ist, den Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen. Diese Zahlung bekommt sie aber im Rahmen der Kostenentscheidung zurückerstattet.

3. Zusammenfassung Im Hinblick auf die Kosten des Schiedsverfahrens sind drei Pflichten zu unterscheiden: Die Pflicht der Parteien, die Schiedsrichter zu vergüten, folgt aus dem Schiedsrichtervertrag. Die Pflicht der unterlegenen Schiedspartei, die Kosten des Schiedsverfahrens zu tragen, wird in der Regel aus § 1057 Abs. 1 ZPO folgen. Unabhängig von diesen beiden Pflichten ist die gegenseitige Pflicht der Parteien zu beurteilen, die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen. Allein diese aus der Schiedsvereinbarung folgende Pflicht der Parteien soll im nachfolgenden Abschnitt untersucht werden.

63 

Siehe zur Rechtslage in England unten in § 3 C. IV. 1., S. 60. Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten, 2013, S. 198. 65  Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten, 2013, S. 2; Risse/Altenkirch, SchiedsVZ 2012, 5 (6). 64 



C.  Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Schiedsverfahrens

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III.  Herleitung einer anteiligen Kostenvorschusspflicht Es ist also zu fragen, ob die Parteien dazu verpflichtet sind, nur ihren Anteil an den Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen, oder ob sie im Zweifel auch dazu verpflichtet sind, den ganzen Vorschuss zu zahlen.

1.  Grundsätzliches Bestehen einer Pflicht Zunächst soll ein Blick auf den Ursprung der Kostenvorschusspflicht geworfen werden. Aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Regelung im zehnten Buch der ZPO kann sie nur aus der Schiedsvereinbarung folgen. Wie in dieser Arbeit bereits dargestellt wurde, haben die Parteien mit der Schiedsvereinbarung den staatlichen Gerichten die Kompetenz, über ihre Streitigkeit zu entscheiden, entzogen und einem privaten Schiedsgericht übertragen. Die Schiedsrichter eines privaten Schiedsgerichts werden ihr Amt jedoch nicht kostenlos ausüben. Auch Gutachter und Schiedsinstitutionen werden nicht kostenlos tätig werden.66 Wenn die Parteien ihre Streitigkeiten ausschließlich in einem kostenpflichtigen Schiedsverfahren entscheiden lassen wollen, dann gebietet es ihnen die Schiedsvereinbarung auch, dieses Verfahren durch Vorschüsse in Gang zu setzen. Dieses Handlungsgebot ist dann eine Pflicht, wenn einer Schiedspartei durch die Nichtbefolgung der Gegenseite ein Nachteil entsteht und sie daher ein Interesse daran hat, das Verhalten zu erzwingen. Die bisher vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle haben gezeigt, dass es zu einer Blockade des Schiedsverfahrens kommt, wenn eine Partei ihren Anteil am Kostenvorschuss nicht zahlt. Die Schiedsrichter werden bis zur Zahlung des gesamten Vorschusses ihre Arbeit nicht aufnehmen bzw. ihr Amt solange niederlegen. Durch diese Blockade wird die schiedsvereinbarungstreue Partei also effektiv in ihrem Recht eingeschränkt, die Streitigkeit von einem Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Sie muss in diesem Fall die Möglichkeit haben, die Zahlung des Kostenvorschusses zu erzwingen, um das Schiedsverfahren zu initiieren bzw. am Laufen zu halten. Somit ist grundsätzlich von einer gegenseitigen Pflicht der Schiedsparteien auszugehen, die Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen.

2.  Beschränkung auf einen gleichen Anteil Ist eine Schiedspartei nicht in der Lage, einen Anteil an den Kosten vorzuschießen, oder weigert sie sich, zu zahlen, stellt sich allerdings die Frage, ob die andere Schiedspartei in diesen Fällen dazu verpflichtet ist, den gesamten Vorschuss zu zahlen. Dies ist abzulehnen. 66  Ausführlich zu den Kosten des Schiedsverfahrens: Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992, S. 272 f.; vgl. auch Sandrock, in: Liber Amicorum Briner, 2005, 707 (707).

58

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

Hoepffner argumentiert zwar, dass die Schiedsparteien grundsätzlich dazu verpflichtet sind, den ganzen Vorschuss zu zahlen.67 Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verfahrensförderungspflicht müsste man zu diesem Ergebnis gelangen. Hiernach sollen die Schiedsparteien ja gerade dazu verpflichtet sein, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist.68 Blockiert eine Partei das Schiedsverfahren durch die Nichtzahlung oder ist sie zur Zahlung nicht in der Lage, wäre es erforderlich, dass die andere Schiedspartei den verbleibenden Anteil am Kostenvorschuss übernimmt, damit das Schiedsverfahren mit einem Schiedsspruch enden kann. Mithin müssten die Parteien in diesen Fällen dazu verpflichtet sein, den gesamten Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen. Diese Schlussfolgerung lehnt der Bundesgerichtshof allerdings im Ergebnis zu Recht ab: Die Pflicht, den Kostenvorschuss zu zahlen, bestehe nur anteilig.69 Ein vermögender Schiedsbeklagter sei nicht dazu verpflichtet, dem mittellosen Schiedskläger ein Schiedsverfahren gegen sich selbst zu finanzieren.70 Ebenso wenig müsse ein vermögender Schiedskläger den Anteil eines mittellosen oder sich weigernden Schiedsbeklagten mitübernehmen.71 Dem Ergebnis des BGH ist zuzustimmen. Es bestehen keine Anhaltspunkte, warum eine Partei mehr als die andere am Kostenvorschuss zahlen sollte. Beiden Parteien kommen die Vorteile des Schiedsverfahrens zugute. Dementsprechend müssen beide auch die Nachteile tragen. Gerade hier zeigt sich die Schwäche der Verfahrensförderungspflicht. Sie suggeriert Pflichten, wo keine bestehen. Das Gleiche gilt für Formulierungen, dass die Schiedsvereinbarung auch eine Loyalitätsvereinbarung sei.72 Sie verleiten zu der Annahme, dass eine Schiedspartei aus Loyalität gegenüber der anderen verpflichtet sein könnte, ihr das Schiedsverfahren zu finanzieren. Das kann nicht richtig sein. Das Schiedsverfahren ist ein kontradiktorisches Verfahren, in dem sich die Parteien in Bezug auf ihre Rechte und Rechtsverhältnisse streitig gegenüberstehen. Waffen- und Chancengleichheit als allgemeine Rechtsgrundsätze73 gebieten es auch hier, dass von der einen Partei in Bezug auf das Schiedsverfahren nicht mehr verlangt wird als von der anderen. Die gegenseitige Pflicht der Schiedsparteien zur Zahlung eines Kostenvorschusses beschränkt sich somit auf einen gleichen Anteil. 67 

Hoepffner, MDR 1957, 330 (332); vgl. auch Goldmann, ZZP 51 (1926), 442 (453). Vgl. BGHZ 23, 198 (200). 69  BGHZ 55, 344 (348); 77, 65 (67); 102, 199 (202); 193, 38 (41, Rn. 7). 70  Siehe BGHZ 55, 344 (351); 77, 65 (67). 71  Siehe BGHZ 102, 199 (202 f.); BGHZ 94, 92 (95). 72 So Schlosser, in: Stein/Jonas, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 54; siehe auch Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27. 73 Vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, Einleitung, Rn. 102. 68 



C.  Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Schiedsverfahrens

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3.  Kein Ausschluss der Zahlungspflicht bei Vermögenslosigkeit Die Fälle zur Mittellosigkeit von Schiedsparteien werfen schließlich die Frage auf, ob die Pflicht zur anteiligen Vorschusszahlung gem. § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist, wenn eine Schiedspartei ihren Anteil nicht zahlen kann. Das wird man verneinen müssen. Unter Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB versteht man allein die dauerhafte Nichterbringbarkeit des Leistungserfolges.74 Für die Mittel- bzw. Vermögenslosigkeit ist jedoch charakteristisch, dass sie potentiell nur vorübergehend ist, weil eine Person jederzeit wieder an Geld gelangen kann. Sie ist also nicht zwangsläufig dauerhaft. Eine Pflicht zur Zahlung von Geld erlischt daher nicht nach § 275 Abs. 1 BGB.75 Das gilt auch für die schiedsvertragliche Pflicht, einen Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen. Somit ist für eine Pflichtverletzung vollkommen unerheblich, aus welchem Grund eine Partei ihren Anteil am Kostenvorschuss nicht bezahlt. Eine Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht ist sowohl dann gegeben, wenn eine Partei sich weigert, zu zahlen, als auch dann, wenn sie dazu aufgrund ihrer Vermögenslosigkeit nicht in der Lage ist.

4. Ergebnis Nach deutschem Schiedsverfahrensrecht verpflichten sich die Parteien mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung dazu, einen gleichen Anteil am Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen. Das ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt. Wie in dieser Arbeit noch genauer gezeigt werden wird, ist jedoch umstritten, welche Rechtsfolgen eine Verletzung dieser Pflicht hat.76

IV.  Kostenvorschusspflicht nach englischem Schiedsverfahrensrecht? Dieses Ergebnis für das deutsche Schiedsverfahrensrecht soll nun mit der Rechtslage in England verglichen werden.

74  Unberath, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Auflage 2012, § 275, Rn. 21; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 275, Rn. 13. 75  Huber, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, 2014, D., Rn. 106; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 275, Rn. 13; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 275, Rn. 24. 76  Dazu in § 4 A. IV. 2., S. 126 ff.; § 5 D. III. 2., S. 188 f.; § 6 B. II., S. 212 ff.; § 7 B. III., S. 238 ff.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

1. Einleitung Auch im englischen Schiedsverfahrensrecht sind der Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren, die Vergütung der Schiedsrichter und die Kostenverteilung nach Abschluss des Verfahrens voneinander zu unterscheiden. Die Pflicht der Parteien, die Schiedsrichter zu vergüten, kann hier jedoch nicht über die Relativität der Vertragsverhältnisse von der Vorschusspflicht für das Schiedsverfahren abgegrenzt werden. Während es sich nach deutschem Recht bei Schiedsvereinbarung und Schiedsrichtervertrag um zwei unterschiedliche Verträge handelt, sollen die Schiedsrichter nach englischem Recht durch die Annahme ihres Amtes der Schiedsvereinbarung beitreten.77 Doch selbst wenn die Schiedsrichter der Schiedsvereinbarung beitreten, lassen sich die einzelnen Pflichten der Schiedsparteien unterscheiden: Die Pflicht der Schiedsparteien, die Schiedsrichter zu vergüten, ist in section 28 (1) Arbitration Act geregelt. Dabei stellt section 59 (1) Arbitration Act klar, dass die Vergütung der Schiedsrichter auch nach englischem Recht (natürlich) nur ein Teil der gesamten Kosten des Schiedsverfahrens ist. Diese Kosten sind gem. section 61 (2) Arbitration Act nach dem Grundsatz „costs follow the event“ zu verteilen. Auch nach englischem Recht wird in der Regel also die unterlegene Schiedspartei dazu verpflichtet, alle Kosten des Schiedsverfahrens zu tragen.78 Eine Norm, nach der die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen, findet sich im Arbitration Act allerdings nicht.

2. Rechtsprechung Die Pflicht der Schiedsparteien, einen Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen, könnte sich aber aus dem common law ergeben.

a.  BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems aa. Darstellung In BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems79 stritten sich BDMS und Rafael um Honoraransprüche, die BDMS aus einem Beratungsvertrag mit 77  Compagnie Europeene de Cereals S.A. v. Tradax Export S.A., [1986] 2 Lloyd’s Law Reports 301 (306)(Q.B.D.); K/S Norjarl A/S v. Hyundai Heavy Industries Co. Ltd., [1991] 1 Lloyd’s Law Reports 524 (536 f.)(C.A.); ausführlich: Gal, Die Haftung des Schiedsrichters in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2009, S. 61 ff. 78  Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten, 2013, S. 198; Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 248; Karali/Ballantyne, in: Weigand, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Auflage 2009, Rn. 5.223. 79  BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems, [2014] 1 Lloyd’s Law Reports 576 (Q.B.D.); der Kläger wird nachfolgend als „BDMS“, der Beklagte als „Rafael“ bezeichnet.



C.  Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Schiedsverfahrens

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Rafael geltend machte. BDMS leitete aufgrund der bestehenden Schiedsvereinbarung gegen Rafael ein Schiedsverfahren mit Sitz in London ein und bezahlte den eigenen Anteil am Kostenvorschuss. Rafael jedoch knüpfte die Zahlung seines Anteils an die Bedingung, dass BDMS Sicherheit für die Kosten des Schiedsverfahrens leistet. BDMS leistete weder Sicherheit für die Kosten des Schiedsverfahrens, noch zahlte es Rafaels Anteil am Vorschuss. Stattdessen sah BDMS in Rafaels Weigerung eine repudiation der Schiedsvereinbarung und klagte daraufhin vor dem High Court. Rafael beantragte gem. section 9 (1) Arbitration Act einen stay of proceedings. BDMS wandte ein, die Schiedsvereinbarung sei durch Rafaels Weigerung im Sinne von section 9 (4) Arbitration Act inoperative geworden und ein stay of proceedings daher abzulehnen. Justice Hamblen führte aus, dass es sich bei der Zahlung des Kostenvorschusses um eine vertragliche Pflicht aus der Schiedsvereinbarung handele und dass Rafael durch die Nichtzahlung eine Pflichtverletzung begangen habe.80 Weigere sich eine Partei beharrlich, ihren Anteil am Kostenvorschuss zu zahlen, könne diese Pflichtverletzung grundsätzlich auch repudiatory sein, was die andere Partei dazu berechtige, sich von der Schiedsvereinbarung zu lösen.81 Unabhängig von einer repudiaton könne die Zahlungsverweigerung aber auch dazu führen, dass die Schiedsvereinbarung inoperative im Sinne von section 9 (4) Arbitration Act werde.82 Im konkreten Fall hätte das Rafael aber dadurch verhindert, dass die Weigerung unter der Bedingung stand, dass BDMS Sicherheit für die Prozesskosten leistet.83 BDMS hätte den Anteil von Rafael vorschießen und anschließend einen vollstreckbaren Teilschiedsspruch erwirken können, um das Schiedsverfahren fortzusetzen.84 Die Schiedsvereinbarung sei weder inoperative, noch wegen repudiatory breach aufgelöst.

bb. Auswertung Das Urteil scheint zunächst klar auszusprechen, dass die vertragliche Pflicht der Schiedsparteien, den Kostenvorschuss zu zahlen, nur anteilig besteht. De facto ist ein Schiedskläger bei einer Zahlungsverweigerung des Schiedsbeklagten aber dennoch erst einmal dazu verpflichtet, auch den Anteil des Schiedsbeklagten zu leisten. Für ihn ist es die einzige Möglichkeit, seinen Anspruch zu 80  BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems, [2014] 1 Lloyd’s Law Reports 576 (582, linke Spalte). 81 Siehe BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems, [2014] 1 Lloyd’s Law Reports 576 (583, rechte Spalte). 82 Siehe BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems, [2014] 1 Lloyd’s Law Reports 576 (584, rechte Spalte). 83  BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems, [2014] 1 Lloyd’s Law Reports 576 (584, linke Spalte). 84  BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems, [2014] 1 Lloyd’s Law Reports 576 (584, linke Spalte).

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

verfolgen. Denn solange sich der Schiedsbeklagte nur bedingt weigert, seinen Anteil zu zahlen, ist die Schiedsvereinbarung weder inoperative im Sinne von section 9 (4) Arbitration Act, noch wegen eines repudiatory breach auflösbar. Der stay of legal proceedings gem. section 9 (1) Arbitration Act greift dann voll durch und verhindert ein staatliches Verfahren in der Hauptsache. In Bezug auf die in der BDMS-Entscheidung erwähnte Pflicht der Schiedsparteien, einen Anteil am Kostenvorschuss zu zahlen, ist allerdings zu beachten, dass die Schiedsvereinbarung in diesem Fall auf die 1998 ICC Arbitration Rules verwiesen hatte. Deren Art. 30 Abs. 3 S. 1 sah ausdrücklich eine anteilige Kostenvorschusspflicht vor. Das wirft die Frage auf, ob die englischen Gerichte auch bei einem ad hoc-Schiedsverfahren mit Sitz in England ohne ausdrückliche Regelung des Kostenvorschusses von einer anteiligen Pflicht der Parteien ausgehen würden.

b.  Janos Paczy v. Haendler & Natermann GmbH aa. Darstellung In Janos Paczy v. Haendler & Natermann GmbH85 stritten sich Janos Paczy und die Haendler & Natermann GmbH um die Zahlung von Gebühren aus einem Lizenzvertrag zur Herstellung von Luftgewehrkugeln. Paczy verklagte H&N vor dem High Court, H&N beantragte gem. section 1 (1) English Arbitration Act 1975 (dem Vorgänger von section 9 (1) Arbitration Act 1996) einen stay of proceedings. Paczy wandte ein, er sei mittellos und nicht in der Lage, den Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu bezahlen. Der stay of proceed­ ings gem. section 1 (1) Arbitration Act 1975 müsse abgelehnt werden, weil die Schiedsvereinbarung im Sinne der Vorschrift incapable of being performed, also undurchführbar, geworden sei. Er könne seinen Anspruch allein vor den staatlichen Gerichten unter Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe geltend machen. Im Urteil des Court of Appeal führte Lord Justice Buckley aus, dass H&N nicht dazu verpflichtet gewesen sei, den gesamten Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu bezahlen.86 Ferner würde Paczys Mittellosigkeit und das damit einhergehende Unvermögen, der eigenen Kostenvorschusspflicht nachzukommen, die Schiedsvereinbarung nicht undurchführbar im Sinne von sec­ tion 1 (1) Arbitration Act 1975 machen.87 Lord Justice Brightman nannte Paczys Vorbringen, H&N möge den gesamten Kostenvorschuss für das Schiedsver85 

Janos Paczy v. Haendler & Natermann GmbH, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 302 (C.A.); der Kläger wird nachfolgend als „Paczy“, die Beklagte als „H&N“ bezeichnet. 86  Janos Paczy v. Haendler & Natermann GmbH, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 302 (308, linke Spalte). 87 Siehe Janos Paczy v. Haendler & Natermann GmbH, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 302 (307 f.).



C.  Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Schiedsverfahrens

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fahren leisten, gar eine „fantastic assertion, as it would impose an obligation on a defendant to come to the financial rescue of a plaintiff to enable him to prosecute his claim“88.

bb. Auswertung Auch der Court of Appeal ging also davon aus, dass die Parteien einer Schiedsvereinbarung dazu verpflichtet sind, einen Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen. Ein (potentieller) Schiedsbeklagter ist aber nicht praktisch dazu verpflichtet, auch den Anteil der Gegenseite vorzuschießen, um in der Folge Rückgriff zu nehmen, wie dies der High Court in der BDMS-Entscheidung für Schiedskläger angenommen hatte. Auch die Schiedsvereinbarung in Paczy verwies allerdings auf die ICC Arbitration Rules, die schon in ihrer damaligen Fassung in Art. 9 Abs. 2 eine anteilige Kostenvorschusspflicht der Parteien ausdrücklich vorsah.

3. Bewertung Anhand dieser Fälle kann keine sichere Aussage darüber getroffen werden, ob nach englischem Recht grundsätzlich eine Pflicht der Schiedsparteien zur Zahlung der Kostenvorschüsse als implied term der Schiedsvereinbarung besteht. Sowohl in BDMS als auch in Paczy handelte es sich um institutionelle Schiedsverfahren nach den ICC Arbitration Rules, die in ihrer jeweils geltenden Fassung ausdrücklich eine anteilige Kostenvorschusspflicht vorsahen.89 Zwar ist es durchaus möglich, dass die englischen Gerichte eine solche Pflicht auch in ad hoc-Schiedsverfahren annehmen würden, wenn sie nicht ausdrücklich geregelt ist. Bislang fehlt es aber an einer englischen Entscheidung bzw. an einer Norm im Arbitration Act, die eine entsprechende contractual obligation der Schiedsparteien festlegt. Darin liegt ein fundamentaler Unterschied zum deutschen Schiedsverfahrensrecht. Zwar ist eine anteilige Kostenvorschusspflicht auch im zehnten Buch der ZPO nicht kodifiziert. Allerdings hat schon das Reichsgericht anerkannt, dass sich die Parteien mit der Schiedsvereinbarung dazu verpflichtet haben, die Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen. Das hat der BGH in ständiger Rechtsprechung bestätigt und ergänzt, dass sich die Pflicht der Parteien auf einen gleichen Anteil beschränkt. 88  Janos Paczy v. Haendler & Natermann GmbH, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 302 (309, rechte Spalte). 89  So stellt beispielsweise auch der Schiedsspruch zur Zahlung des Kostenvorschusses aus dem ICC-Schiedsverfahren Nr. 13439 mit Sitz in London von 2004 fest, dass der Schiedsbeklagte zur anteiligen Zahlung verpflichtet ist – abgedruckt in: Karrer, SchiedsVZ 2006, 113 (116).

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

D.  Allgemeine Pflicht zur Beteiligung am Schiedsverfahren? Die Durchführung des Schiedsverfahrens kann beginnen, sobald die Schiedsklage eingereicht, das Schiedsgericht konstituiert und die Vorschüsse für die Kosten des Schiedsverfahrens geleistet sind. Üblicherweise hat das Schiedsgericht in diesem Verfahrensstadium bereits einen Zeitplan festgelegt, der die Fristen zur Begründung der Schiedsklage durch den Schiedskläger und zu ihrer Beantwortung durch den Schiedsbeklagten bestimmt, sowie einen Zeitraum für die mündlichen Verhandlungen festlegt.90 Hier stellt sich die Frage, ob die Schiedsvereinbarung die Schiedsparteien dazu verpflichtet, sich nun an diesem eingeleiteten Schiedsverfahren zu beteiligen. Eine solche allgemeine Pflicht zur Beteiligung könnte Tatsachenvorträge und das Führen von Beweisen beinhalten und auch die Teilnahme der Schiedsparteien an den mündlichen Verhandlungen umfassen (I.). Ferner kann man fragen, welche Anforderungen an die Tatsachenvorträge der Schiedsparteien zu stellen sind, ob sie rechtzeitig sein und der Wahrheit entsprechen müssen (II.). Schließlich muss beantwortet werden, ob die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, vom Schiedsgericht angeforderte Dokumente vorzulegen (III.).

I.  Pflicht der Schiedsparteien, sich durch Äußerungen und der Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen am Schiedsverfahren zu beteiligen? Grundsätzlich haben die Schiedsparteien das Recht, sich am Schiedsverfahren durch Behauptungen, Beweisanträge und der Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen zu beteiligen. Das folgt ganz unstreitig aus dem Grundsatz rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG bzw. § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO.91 Fraglich ist, ob die Schiedsparteien auch dazu verpflichtet sind, sich auf diese Art und Weise am Schiedsverfahren zu beteiligen.

90 Vgl. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 1244; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 490; Kreindler/Schäfer/ Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit, 1. Auflage 2006, Rn. 728. 91  Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis des Schiedsspruchs, 2010, S. 166; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 98 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1042, Rn. 37; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 179, Rn. 3 f.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 386. Streitig ist allein, ob Art. 103 Abs. 1 GG im Schiedsverfahrensrecht unmittelbar gilt oder ob § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO den Grundsatz rechtlichen Gehörs für das Schiedsverfahren konstituiert, siehe ausführlich: Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2010, S. 255 ff.



D.  Allgemeine Pflicht zur Beteiligung am Schiedsverfahren?

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1.  Tücken der ständigen Rechtsprechung zur Verfahrensförderungspflicht Die Fragestellung mag zunächst verwundern. Schließlich normiert Art. 103 Abs. 1 GG ausschließlich das Recht und nicht die Pflicht einer Partei, sich zu äußern.92 Allerdings vertritt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, bei der Durchführung des Schiedsverfahrens mitzuwirken und dieses zu fördern.93 Auch die auf dieser Rechtsprechung basierende Rechtsliteratur konstatiert, dass die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, alles zu tun, um die Durchführung des Schiedsverfahrens zu ermöglichen und zu fördern.94 Man könnte daraus schließen, dass sich die Schiedsparteien mit der Schiedsvereinbarung dazu verpflichtet haben, sich zu äußern, Beweise zu führen und an den mündlichen Verhandlungen teilzunehmen. Genau das suggerieren die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 11. Juli 1985. Der BGH führte in der Entscheidung aus, der Schiedsbeklagte habe durch sein Nichterscheinen zu den zur mündlichen Verhandlung angesetzten Terminen gegen die im Schiedsvertrag übernommenen Pflichten verstoßen.95 Ein weiterer Verstoß gegen seine Verfahrensförderungspflicht habe darin gelegen, dass der Schiedsbeklagte seine Unterlagen über den strittigen Sachverhalt nicht vorgelegt habe.96

2.  Beteiligung am Schiedsverfahren durch Einreichen von Schriftsätzen, Führen von Beweisen und Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen als schiedsvertragliche Last Pflichten gibt es nach dem in dieser Arbeit vorgestellten Modell im deutschen Schiedsverfahrensrecht aber nur dort, wo eine Partei ein Bedürfnis daran hat, ein Verhalten der Gegenseite zu erzwingen, weil sie durch das Untätigbleiben oder das Fehlverhalten der Gegenseite einen Nachteil erleidet.97 Hingegen sind schiedsvertragliche Pflichten zu verneinen und schiedsvertragliche Lasten anzunehmen, wo ein gesetzlicher Mechanismus einer Partei alle Nachteile aus dem Fehlverhalten der Gegenseite nimmt.98 Versäumt es der Schiedskläger, seine Schiedsklage gem. § 1046 Abs. 1 ZPO einzureichen bzw. zu begründen,99 beendet das Schiedsgericht das Schieds92 

Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Lieferung 78 (September 2016), Art. 103 Abs. 1, Rn. 63. 93  BGHZ 94, 92 (95); 102, 199 (202); 193, 38 (41). 94  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 77. 95  Siehe BGH, NJW 1986, 2765 (2766). 96  BGH, NJW 1986, 2765 (2766). 97  Siehe oben § 2 D. III., S. 26 f. 98  Siehe oben § 2 D. III., S. 26 f. 99 Vgl. Quinke, SchiedsVZ 2013, 129 (130); Gerstenmaier, SchiedsVZ 2010, 281 (282).

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

verfahren gem. § 1048 Abs. 1 ZPO. Umgekehrt ist das Schiedsverfahren gem. § 1048 Abs. 2 ZPO fortzusetzen, falls es der Schiedsbeklagte versäumt, die Schiedsklage zu beantworten. Versäumt es eine der beiden Schiedsparteien, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, kann das Schiedsverfahren gem. § 1048 Abs. 3 ZPO dennoch fortgesetzt werden. Wie auch schon bei der Konstituierung des Schiedsgerichts nach § 1035 ZPO stellt das deutsche Schiedsverfahrensrecht den Schiedsparteien mit § 1048 ZPO einen Mechanismus zur Verfügung, mit dem das Schiedsverfahren auch dann fortgeführt werden kann, wenn eine Schiedspartei von ihrem Recht, sich zu beteiligen, keinen Gebrauch macht. Damit fehlt es den Schiedsparteien an einem Bedürfnis, das Einreichen von Schriftsätzen, das Führen von Beweisen oder das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung zu erzwingen. Es besteht kein Anlass, eine dahingehende Pflicht der Schiedsparteien anzunehmen.100 Sich auf diese Art und Weise am Schiedsverfahren zu beteiligen, ist schiedsvertragliche Last.

II.  Anforderungen an die Darlegungen der Schiedsparteien Äußern sich die Parteien im Schiedsverfahren, ist fraglich, welche Anforderungen an ihre Darlegungen zu stellen sind. Dabei muss insbesondere geklärt werden, ob die Darlegungen rechtzeitig sein und der Wahrheit entsprechen müssen.

1.  Pflicht zur fristgerechten Einreichung von Schriftsätzen? Wie eingangs erwähnt wird das Schiedsgericht in einer seiner ersten Sitzungen mit den Parteien einen Zeitplan für das Schiedsverfahren erarbeiten. Dieser Zeitplan wird Fristen ausweisen, zu denen die Schiedsparteien ihre Schriftsätze einreichen und Beweismittel bezeichnen müssen. Überwiegend wird vertreten, dass keine Pflicht der Schiedsparteien besteht, ihre Schriftsätze oder Beweismittel fristgemäß zu bezeichnen und einzureichen.101 Dem ist zuzustimmen. Wenn die Schiedsparteien schon nicht dazu verpflichtet sind, sich überhaupt zu äußern, kann es auch keine Pflicht sein, dies rechtzeitig zu tun. Allerdings riskiert eine Schiedspartei durch die verspätete Abgabe eines Schriftsatzes, dass das Schiedsgericht diese Äußerungen nicht 100 Ebenso: Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 53; Bucher, in: Festschrift Schlosser, 2005, 97 (100); so auch Münch, der wieder zurückrudern muss: vgl. Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 118 („Es handelt sich jeweils um echte Pflichten und nicht nur um prozessuale Lasten“) mit Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1048, Rn. 4 („Es ist Last und nicht Pflicht!“). 101  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1048, Rn. 4; für eine Pflicht zur Bezeichnung von Beweismitteln Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1046, Rn. 1; so wohl auch Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1046, Rn. 35.



D.  Allgemeine Pflicht zur Beteiligung am Schiedsverfahren?

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mitberücksichtigt.102 In der Regel wird das Schiedsgericht aber aus Angst, das rechtliche Gehör der verspäteten Schiedspartei zu verletzen, die Nachreichungen dennoch berücksichtigen. Die Rechtsfolgen sind für die verspätete Abgabe von Schriftsätzen oder der verspäteten Vorlage von Dokumenten gem. § 1048 Abs. 1 bis 3 ZPO die gleichen wie für ihr völliges Ausbleiben. Damit ist es auch schiedsvertragliche Last, Schriftsätze und Beweismittel rechtzeitig einzureichen.

2.  Pflicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag Fraglich ist, ob auch der wahrheitsgemäße Sachvortrag der Parteien als Last ausgestaltet werden kann.

a. Meinungsstand Der Bundesgerichtshof hatte sich in dem bereits besprochenen und kritisierten103 Urteil vom 30. Januar 1957 zur Wahrheitspflicht im Schiedsverfahren geäußert und eine Herleitung über die der Schiedsvereinbarung angeblich entspringende Verfahrensförderungspflicht und über § 138 Abs. 1 ZPO diskutiert.104 Eine Entscheidung über die Existenz einer Wahrheitspflicht im Schiedsverfahren hatte der BGH aber mit der Begründung vermieden, dass ihre Verletzung in jedem Fall nicht zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtige.105 Bis heute gibt es keine höchstrichterliche deutsche Entscheidung, die eine Wahrheitspflicht auch im Schiedsverfahren anerkennt. Die Rechtsliteratur ist weniger zurückhaltend. Sie erkennt eine Wahrheitspflicht der Parteien im Schiedsverfahren an, spaltet sich aber in zwei Lager. Eine Gruppe von Autoren verortet die Wahrheitspflicht in der Schiedsvereinbarung106 bzw. in der Verfahrensförderungs-107 oder Loyalitätspflicht108. Andere Autoren vertreten, dass § 138 Abs. 1 ZPO im Schiedsverfahren unmittelbar Anwendung findet.109 102 Vgl.

Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 357; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1046, Rn. 35. 103  Siehe § 2 A. I. 2., S. 10 ff. bzw. § 2 C. I. 1., S. 19 f. 104  Siehe BGHZ 23, 198 (200 f.). 105  Siehe BGHZ 23, 198 (202 f.). 106  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 36; Habscheid, KTS 1955, 33 (39); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 54, 57; wohl auch Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 445. 107  Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 78; ders., Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 385; Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (318). 108  Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27; für eine unmittelbare Anwendung von § 138 Abs. 1 ZPO allerdings bei: Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1042, Rn. 13. 109  Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess,

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

b.  Anwendbarkeit von § 138 Abs. 1 ZPO? Rosenberg hatte die unmittelbare Anwendung von § 138 Abs. 1 ZPO im Schiedsverfahren damit begründet, dass man dem Willen der Schiedsparteien „Gewalt antun“ würde, wenn man die Wahrheitspflicht im Schiedsverfahren auf die Schiedsvereinbarung zurückführen würde.110 In Schiedsverfahren gemäß dem zehnten Buch der ZPO kann es eine unmittelbare Anwendung von Vorschriften der übrigen ZPO aber nicht geben.111 Analog sollten die Vorschriften der übrigen ZPO nur zurückhaltend angewendet werden, weil sie für den Zivilprozess konzipiert wurden und sich aus der Natur des Schiedsverfahrens Abweichungen ergeben können.112 Schließlich sollte der Zivilprozess und die für ihn geltenden Vorschriften der ZPO ja gerade durch das Schiedsverfahren ersetzt werden.

c.  Die Wahrheitspflicht als schiedsvertragliche Pflicht Eine unmittelbare oder analoge Anwendung von § 138 Abs. 1 ZPO ist auch gar nicht erforderlich, weil eine Wahrheitspflicht der Schiedsparteien aus der in dieser Arbeit aufgestellten Definition von schiedsvertraglichen Pflichten abgeleitet werden kann. Danach ist zu fragen, ob der wahrheitswidrige Sachvortrag einer Schiedspartei für die Gegenseite nachteilig ist oder ob die Nachteile dieses Fehlverhaltens allein bei der unwahr vortragenden Schiedspartei liegen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein unwahrer und vom Schiedsgericht unerkannt gebliebener Sachvortrag für die unwahr vortragende Schiedspartei nachteilig sein könnte. Die Nachteile liegen vielmehr ausschließlich bei derjenigen Schiedspartei, die mit dem unwahren Sachvortrag konfrontiert ist, weil das Schiedsgericht seine Entscheidung möglicherweise auf diesen unwahren Sachvortrag stützt. Die Schiedsparteien haben daher die schiedsvertragliche Pflicht, im Schiedsverfahren wahrheitsgemäß vorzutragen.

d.  Umfang der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht Fraglich ist, welchen Umfang die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht hat. Schlosser zufolge soll der Umfang der Wahrheitspflicht im Schiedsverfahren 2. Auflage 1972, S. 237; Rosenberg, JZ 1957, 349 (350); Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 347; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1042, Rn. 16; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; wohl auch von Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess, 1939, S. 398 f. 110  Rosenberg, JZ 1957, 349 (349). 111  Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (245); Berger, SchiedsVZ 2009, 289 (294); Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 186; wo das zehnte Buch das Tätigwerden staatlicher Gerichte vorsieht, wenden diese selbstverständlich – soweit einschlägig – die übrigen Vorschriften der ZPO an. 112 Siehe Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (245); Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 16, Vor Rn. 1.



D.  Allgemeine Pflicht zur Beteiligung am Schiedsverfahren?

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dem Umfang der Wahrheitspflicht im staatlichen Gerichtsverfahren entsprechen.113 Diesem Ansatz ist zuzustimmen. Die für das staatliche Verfahren geltenden Standards können so auf die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht übertragen werden, ohne dass eine formale Anwendung von § 138 Abs. 1 ZPO erforderlich ist. Für staatliche Gerichtsverfahren folgt einer allgemeinen Auffassung nach aus § 138 Abs. 1 ZPO, dass die Parteien bei ihrem Vorbringen zur subjektiven Wahrheit verpflichtet sind.114 Sie schulden einander und dem Gericht damit nicht die absolute Wahrheit. Die Parteien müssen ihre Erklärungen über die tatsächlichen Umstände so abgeben, wie sie nach ihrer eigenen Kenntnis und Überzeugung den Tatsachen entsprechen.115 Zur Wahrheitspflicht gehört auch, dass die Parteien den entscheidungserheblichen Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten vollständig zu schildern haben und keine Einzelheiten verschweigen dürfen, die das Bild des Geschehens verfälschen.116

e. Ergebnis Somit sind die Parteien dazu verpflichtet, sich im Schiedsverfahren gemäß ihrer Erinnerung zu erklären. Sie dürfen keine Tatsachen verschweigen, die den Sachverhalt verfälschen.

III.  Pflicht zur Vorlage von Dokumenten? Wenn es sich bei der Äußerung im Schiedsverfahren lediglich um ein Recht der Schiedsparteien handelt (und eine Pflicht nur zur Wahrhaftigkeit einer Äußerung besteht), versteht es sich von selbst, dass es auch keine Pflicht der Parteien geben kann, überhaupt einen Beweis zu führen. Was aber gilt, wenn eine Schiedspartei ein für sie günstiges Dokument in der Herrschaftssphäre der Gegenseite vermutet, dessen sie sich zur Beweisführung bedienen will, das sie aber noch nicht eindeutig identifizieren kann? Hier stellt sich die Frage, ob die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, eine Gruppe von Dokumenten vorzulegen, mit denen die Gegenseite potentiell einen Beweis führen könnte. 113  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 57; ebenso Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27; die Vertreter einer analogen bzw. unmittelbaren Anwendung von § 138 Abs. 1 ZPO im Schiedsverfahren kommen selbstverständlich zu demselben Ergebnis. 114  Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 138, Rn. 3; Kern, in: Stein/ Jonas, ZPO, 23. Auflage 2016, § 138, Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 138, Rn. 3; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 138, Rn. 2. 115  Kern, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2016, § 138, Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 138, Rn. 3. 116  Fritsche, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 138, Rn. 5; von Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess, 1939, S. 98; siehe auch Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968, S. 272 f.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

1.  Beweiserhebung im Schiedsverfahren bei deutschem Schiedsort Es mag zunächst ungewöhnlich erscheinen, dass eine Schiedspartei umfangreich dazu verpflichtet sein könnte, der Gegenseite Dokumente vorzulegen. Schließlich ermöglicht es das Strengbeweisverfahren im deutschen Zivilprozess nur restriktiv, Urkunden herauszuverlangen.117 Das Schiedsgericht kann allerdings gem. § 1042 Abs. 4 S. 1 ZPO das Schiedsverfahren nach seinem freien Ermessen gestalten. Dazu gehört gem. § 1042 Abs. 4 S. 2 ZPO auch das Beweiserhebungsverfahren. Grundsätzlich gilt also bei Schiedsverfahren mit deutschem Schiedsort der Freibeweis.118 Die Regeln und Grenzen der Beweiserhebung des deutschen Zivilprozesses finden hingegen im Schiedsverfahren keine Anwendung.119 In der Praxis kommt es daher immer häufiger vor, dass eine von der Tradition des common law geprägte document production120 angeordnet und durchgeführt wird.121 Bei der document production können die Schiedsparteien streitrelevante Dokumente bzw. Gruppen von Dokumenten in der Herrschaftssphäre der Gegenseite bezeichnen. Das Schiedsgericht erlässt daraufhin einen Beschluss, dass das Dokument bzw. die Gruppe von Dokumenten zugänglich gemacht werden soll.

2.  Die Vorlage von Dokumenten als schiedsvertragliche Last a. Meinungsstand Überwiegend wird davon ausgegangen, dass die Schiedsparteien nicht dazu verpflichtet sind, die so bezeichneten Dokumente herauszugeben,122 obwohl eine 117 Vgl. Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 161 f.; Peters, in: Festschrift Schwab 1990, 399 (404 f.); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 119, Rn. 35; Krapfl/Mann, in: Festschrift Schütze, 2015, 279 (281 ff.); Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, 2015, S. 105 ff. 118  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1042, Rn. 42; Voit, in: Musielak/ Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1042, Rn. 22. 119  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1049, Rn. 44; Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 15, Rn. 8; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 1483; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1042, Rn. 22; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1042, Rn. 5; Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 104. 120  Dazu ausführlich: Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, 2015, S. 45 ff. 121 Vgl. Kaufmann-Kohler/Bärtsch, SchiedsVZ 2004, 13 (14); Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit, 1. Auflage 2006, Rn. 827. 122  Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 157; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1048, Rn. 35; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 448; Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit, 1. Auflage 2006, Rn. 775; siehe auch: Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1165); a. A.: Haller, SchiedsVZ 2013, 135 (136).



D.  Allgemeine Pflicht zur Beteiligung am Schiedsverfahren?

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Vorlagepflicht immer wieder beiläufig erwähnt wird.123 Die Rechtsliteratur ist sich einig, dass sich aus § 1048 Abs. 3 Alt. 2 ZPO jedenfalls keine Vorlagepflicht ergibt.124 Für den Bundesgerichtshof sollen die Parteien hingegen aufgrund der Verfahrensförderungspflicht verpflichtet sein, Dokumente vorzulegen.125

b.  Eigene Herleitung Nach der in dieser Arbeit vertretenen Definition für schiedsvertragliche Pflichten wären die Schiedsparteien dann verpflichtet, Dokumente vorzulegen, wenn einer Schiedspartei durch die versäumte Vorlage der Gegenseite ein Nachteil entsteht und sie daher ein Bedürfnis hat, die Vorlage zu erzwingen. Eine solche Pflicht der Schiedsparteien könnte jedoch entbehrlich sein, weil sich die nichtvorlegende Schiedspartei ausschließlich selbst benachteiligt. Weigert sie sich nämlich nach § 1048 Abs. 4 S. 1 ZPO unentschuldigt, ein Dokument zugänglich zu machen, kann das Schiedsgericht daraus negative Schlussfolgerungen ziehen. Die streitige, für die säumige Partei nachteilige Tatsache ist dann als erwiesen zu erachten.126 Umgekehrt kann eine günstige Tatsache als nicht bewiesen angesehen werden, wenn die behauptende Schiedspartei ein angefordertes Dokument oder eine Gruppe von Dokumenten nicht vorlegt.127 Das bedeutet, dass sich die säumige Schiedspartei ausschließlich selbst benachteiligt, indem sie angeforderte Dokumente nicht vorlegt. Mithin ist die Vorlage von bezeichneten Dokumenten eine schiedsvertragliche Last.

123 Siehe Quinke, SchiedsVZ 2013, 129 (134); Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 163; Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, 2007, S. 140; siehe auch Schlosser, in: Festschrift Gaul, 1997, 679 (684). 124 Siehe Quinke, SchiedsVZ 2013, 129 (134); Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1048, Rn. 35; a. A. anscheinend (dann aber im Widerspruch zu seinen übrigen Ausführungen): Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 159. 125  Siehe BGH, NJW 1986, 2765 (2766); so im Ansatz auch Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1042, Rn. 27. 126  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1048, Rn. 37; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1042, Rn. 48; ders., in: Eberl, Beweis im Schiedsverfahren, 1. Auflage 2015, § 2, Rn. 57; Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, 2007, S. 157; vgl. auch Hanefeld, in: Weigand, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Auflage 2009, Rn. 7.119; Tief, Discovery und Informationspflichten der Parteien in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2000, S. 81. 127  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1048, Rn. 37; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 1048, Rn. 9; Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, 2007, S. 157; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 164; siehe auch: Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1165); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1042, Rn. 48.

72

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

c.  Überlappung mit möglicher Pflicht, Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen Wie Schlosser betont, geht dem Verfahren zur Vorlage von Dokumenten aber immer eine Anordnung des Schiedsgerichts voraus.128 Mithin ist die Frage, ob die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, Dokumente vorzulegen, strenggenommen auch mit der Frage verbunden, ob sie dazu verpflichtet sind, sich an die Anordnungen des Schiedsgerichts zu halten. Ob eine solche Pflicht besteht, wird sogleich in § 3 E. I. erörtert.129

3. Zusammenfassung Grundsätzlich sind die Schiedsparteien nicht dazu verpflichtet, im Schiedsverfahren Dokumente vorzulegen. Es handelt sich hierbei um eine schiedsvertragliche Last. Allerdings ist im nun folgenden Abschnitt zu klären, ob die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen und ob eine solche Pflicht – sollte sie bestehen – Auswirkungen auf die Vorlagelast der Schiedsparteien hat.

IV. Ergebnis Eine allgemeine Pflicht der Schiedsparteien, sich am Schiedsverfahren zu beteiligen, gibt es nicht. Hierbei handelt es sich um eine schiedsvertragliche Last. Die Schiedsparteien sind „lediglich“ berechtigt, sich im Schiedsverfahren zu äußern, Beweise zu führen und an den mündlichen Verhandlungen teilzunehmen. Falls sich eine Partei dazu entschließt, von diesem Recht Gebrauch zu machen, muss sie das noch nicht einmal rechtzeitig tun. Auch die rechtzeitige Beteiligung am Schiedsverfahren ist schiedsvertragliche Last. Die verspätete Schiedspartei riskiert aber, dass ihr Vorbringen vom Schiedsgericht nicht mehr gewürdigt wird. In der Praxis wird dieses Risiko überschaubar bleiben, weil das Schiedsgericht sehr darauf bedacht sein wird, nicht das rechtliche Gehör der Schiedsparteien zu verletzen. Entschließt sich eine Partei zum Tatsachenvortrag, muss dieser aber der Wahrheit entsprechen. Hierbei handelt es sich um eine schiedsvertragliche Pflicht.

128  129 

Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1042, Rn. 48. Siehe unten § 3 E. I., S. 73 ff.



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren? Soeben wurde festgestellt, dass es grundsätzlich keine Pflicht der Schiedsparteien gibt, sich am Schiedsverfahren durch Äußerungen, durch die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen oder durch die Vorlage von Dokumenten aktiv zu beteiligen. Es lässt sich jedoch fragen, ob die Parteien im Schiedsverfahren zumindest kooperieren müssen. Beispielsweise könnten sie dazu verpflichtet sein, die Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen (I.), sich an die vereinbarte Verfahrensordnung zu halten (II.) und nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen (III.). Schließlich könnte eine Pflicht der Parteien bestehen, den vom Schiedsgericht erlassenen Schiedsspruch auch zu befolgen (IV.).

I.  Pflicht, Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen Anordnungen gehören zum üblichen Werkzeug eines Schiedsgerichts, um das Schiedsverfahren zu leiten und voran zu bringen. Unter Anordnungen sind dabei in der Folge alle Auflagen, Beschlüsse und verfahrensleitenden Verfügungen130 des Schiedsgerichts zu verstehen, die nicht als vollstreckbarer Teilschiedsspruch ergehen.131 Sie treten insbesondere in den drei folgenden Fällen auf: Zunächst wird das Schiedsgericht nach seiner Konstituierung die Schiedsparteien per Anordnung dazu auffordern, ihren Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen.132 Haben die Schiedsparteien gem. § 1046 Abs. 1 S. 2 ZPO die Beweismittel bezeichnet, derer sie sich bedienen wollen, und befinden sich diese in der Herrschaftssphäre der Gegenseite, wird das Schiedsgericht anordnen, dass diese Dokumente vorgelegt werden.133 Schließlich gibt es Fälle, in denen ein Schiedsgericht gem. § 1041 Abs. 1 ZPO auf Antrag einer Schiedspartei eine einstweilige Maßnahme anordnet. Fraglich ist, ob die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, sich an diese Anordnungen zu halten.

1. Problemüberblick Die Fragestellung ist komplexer, als es zunächst scheint. Das illustrieren die bereits besprochene schiedsvertragliche Pflicht, die Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen, und die schiedsvertragliche Last zur Vorlage von Dokumenten.

130 

Im Englischen: „Procedural Order“. Schlosser, in: Festschrift Stathopoulos II, 2010, 2639 (2642); Trittmann, Journal of International Arbitration 20 (2003), 255 (258 f.). 132  Vgl. RG, JW 1916, 580 (580); BGHZ 55, 344 (346). 133  Vgl. BGH, NJW 1986, 2765 (2765); Trittmann, Journal of International Arbitration 20 (2003), 255 (259). 131 Vgl.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

Für den Kostenvorschuss wurde erarbeitet, dass die Schiedsparteien verpflichtet sind, einen gleichen Anteil an das Schiedsgericht zu zahlen.134 Ordnet das Schiedsgericht an, dass die Parteien ihren Anteil vorschießen sollen, dann deckt sich die Anordnung des Schiedsgerichts mit der entsprechenden schiedsvertraglichen Pflicht der Schiedsparteien. Es liegt nahe, anzunehmen, dass die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, sich an diese Anordnung des Schiedsgerichts zu halten. Schließlich konkretisiert die Anordnung lediglich eine schiedsvertragliche Pflicht, die aufgrund der Schiedsvereinbarung ohnehin schon zwischen den Parteien bestand. Was aber gilt, wenn das Schiedsgericht anordnet, dass eine Schiedspartei auch den Anteil der Gegenseite vorschießen soll?135 Hier gibt die Anordnung des Schiedsgerichts der Schiedspartei ein Verhalten auf, zu dem sie nach der Schiedsvereinbarung grundsätzlich nicht verpflichtet ist. Das gleiche Problem stellt sich bei der Vorlage von Dokumenten. Diesbezüglich wurde herausgearbeitet, dass die Schiedsparteien nicht dazu verpflichtet sind, von der Gegenseite angeforderte Dokumente herauszugeben.136 Die Vorlage von Dokumenten ist schiedsvertragliche Last, weil die Nichtherausgabe die streitige Tatsache zu Ungunsten der nichtvorlegenden Partei beweist bzw. widerlegt und sich die nichtvorlegende Partei damit allein selbst benachteiligt. Nun teilen sich die Schiedsparteien aber nicht einfach nur gegenseitig mit, welche Dokumente in der Herrschaftssphäre der Gegenseite sie zur Beweisführung benötigen. Die Vorlage der bezeichneten Dokumente wird immer durch das Schiedsgericht angeordnet.137 Das wirft die Frage auf, ob durch die Anordnung des Schiedsgerichts eine schiedsvertragliche Pflicht der Schiedsparteien entsteht, die Dokumente vorzulegen, obwohl es sich nach der Schiedsvereinbarung dabei lediglich um eine Last handelt. In der Folge muss also erörtert werden, ob die Schiedsparteien grundsätzlich dazu verpflichtet sind, sich an (alle) Anordnungen des Schiedsgerichts zu halten, oder ob sie die Anordnung nur befolgen müssen, wenn es eine korrelierende Pflicht aus der Schiedsvereinbarung gibt. Anders gewendet geht es um die Frage, ob das Schiedsgericht mit seiner Anordnung dort neue Pflichten für die Parteien schaffen kann, wo nach der Schiedsvereinbarung noch gar keine bestanden.

134 

Siehe oben § 3 C. III., S. 57 ff. So nach Ansicht des OLG Düsseldorf das Schiedsgericht in BGHZ 55, 344 (346). 136  Siehe oben § 3 D. III. 2. b., S. 71. 137  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1042, Rn. 48; Haller, SchiedsVZ 2013, 135 (135). 135 



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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2. Meinungsstand In Urteilen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs findet sich gelegentlich der Hinweis, dass die Schiedsparteien (aufgrund ihrer Verfahrensförderungspflicht) dazu verpflichtet sind, Beschlüsse oder Auflagen des Schiedsgerichts zu befolgen.138 In einer Entscheidung aus dem Jahr 1971 ließ der BGH allerdings offen, ob das Schiedsgericht „in rechtsgestaltender Weise“ anordnen könne, dass eine Schiedspartei den gesamten Vorschuss alleine zahlt.139 Mögliche Grundlage für eine solche Anordnung war für den BGH die Verfahrensleitungsbefugnis des Schiedsgerichts gem. § 1042 Abs. 4 S. 1 ZPO.140 Die Rechtsliteratur nähert sich dem Problem auf ähnliche Art und Weise: Die Parteien hätten mit der Schiedsvereinbarung die Entscheidung über ihren Streit an das Schiedsgericht übertragen.141 Dadurch hätten die Schiedsparteien das Schiedsgericht ermächtigt, Anordnungen zu erlassen, und sich gleichzeitig selbst dazu verpflichtet, diese Anordnungen auch zu befolgen.142 Ordnet ein Schiedsgericht die Vorlage von Dokumenten an, seien die Schiedsparteien also dazu verpflichtet, diese Anordnung zu befolgen und die betreffenden Dokumente vorzulegen.143

3.  Eigene Herleitung und Differenzierung Ob auch nach der hier vertretenen Abgrenzung von schiedsvertraglichen Pflichten und Lasten eine schiedsvertragliche Pflicht besteht, schiedsgerichtliche Anordnungen zu befolgen, und wenn ja, wie sie ausgestaltet ist, soll in der Folge hergeleitet werden.

a.  Anordnungsbefolgungspflicht bei korrelierender schiedsvertraglicher Pflicht Ausgangspunkt für diese Herleitung soll die Konstellation sein, in der die Parteien in jedem Fall verpflichtet sind, die Anordnung des Schiedsgerichts zu befolgen: Das ist dann der Fall, wenn das Schiedsgericht ein Verhalten anordnet, zu dem die Schiedspartei nach der Schiedsvereinbarung ohnehin schon 138  Siehe RG, JW 1916, 580 (580) bezüglich der anteiligen Zahlung des Kostenvorschusses; BGH, NJW 1986, 2765 (2766) bezüglich der Vorlage von Dokumenten und der anteiligen Zahlung des Kostenvorschusses. 139  Siehe BGHZ 55, 344 (347 f.). 140  Siehe BGHZ 55, 344 (347 f.). 141 Siehe Haller, SchiedsVZ 2013, 135 (140); Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, 2007, S. 316. 142  Haller, SchiedsVZ 2013, 135 (140); Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, 2007, S. 316. 143  Haller, SchiedsVZ 2013, 135 (140); siehe auch Jarvin, in: Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, 2001, 86 (93).

76

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

verpflichtet war (wie etwa bei der anteiligen Zahlung des Kostenvorschusses für das Schiedsverfahren). Die schiedsgerichtliche Anordnung an die Schiedsparteien konkretisiert hier allein eine bereits existierende schiedsvertragliche Pflicht. Man könnte auch sagen: Die Anordnung des Schiedsgerichts ist rein deklaratorisch, weil es die schiedsvertragliche Pflicht von vorneherein schon gab.

b.  Anordnungsbefolgungspflicht bei fehlender schiedsvertraglicher Pflicht? Problematisch ist hingegen die Konstellation, in der ein Beschluss oder eine verfahrensleitende Verfügung des Schiedsgerichts ein Verhalten anordnet, das zuvor keine schiedsvertragliche Pflicht war. Mit den Worten des Bundesgerichtshofs144 ist zu fragen, ob das Schiedsgericht in „rechtsgestaltender Weise“ Pflichten der Schiedsparteien aus der Taufe heben kann. Im Gegensatz zu der soeben besprochenen Konstellation wäre die Anordnung des Schiedsgerichts für die schiedsvertragliche Pflicht konstitutiv.

aa.  Rückschlüsse aus der Kompetenz des Schiedsgerichts, Gestaltungsschiedssprüche zu erlassen? Der Gedanke, dass das Schiedsgericht in rechtsgestaltender Weise durch seine Anordnungen die Schiedsparteien zu einem Verhalten verpflichten kann, das zuvor nicht verpflichtend war, mag zunächst ungewöhnlich erscheinen. Allerdings ist der Schiedsgerichtsbarkeit das rechtsgestaltende Tätigwerden des Schiedsgerichts keineswegs fremd. Bezüglich der Klagearten sind die Schiedsparteien im Schiedsverfahren nämlich nicht auf Leistungsklage und Feststellungsklage beschränkt – auch Gestaltungsklagen sind möglich.145 Wird eine solche Gestaltungsschiedsklage erhoben und kommt es zum Schiedsspruch, dann gestaltet das Schiedsgericht mit dem Schiedsspruch gem. § 1055 ZPO rechtskräftig die Rechtslage zwischen den Schiedsparteien. Zwar handelt es sich hierbei um die materielle Rechtslage zwischen den Schiedsparteien. Das aus der Schiedsvereinbarung folgende prozessuale Rechtsverhältnis der Parteien ist hiervon zu unterscheiden.146 Es ist aber zunächst einmal kein Grund ersichtlich, warum bei den aus der Schiedsvereinbarung folgenden Pflichten ein rechtsgestaltendes Tätigwerden des Schiedsgerichts schlechthin undenkbar sein sollte. Mit diesem Argument kann allerdings nur begründet werden, dass das Schiedsgericht durch Anordnungen Handlungsgebote 144 

Siehe BGHZ 55, 344 (348). Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 1447; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1046, Rn. 2. 146  Siehe § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO; ferner: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 3; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 4, Rn. 16; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1040, Rn. 4. 145 



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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für die Schiedsparteien aufstellen kann, wo bis dahin noch keine bestanden. Ob es sich bei der Befolgung dieser Anordnung dann um eine schiedsvertragliche Pflicht handelt, ist allein nach dem in dieser Arbeit postulierten Kriterium für die Abgrenzung von Pflichten und Lasten der Schiedsparteien zu prüfen.

bb.  Bedürfnis nach Erzwingbarkeit schiedsgerichtlicher Anordnungen, bei denen zuvor keine korrelierende schiedsvertragliche Pflicht bestand? Es ist also zu fragen, ob die Missachtung einer Anordnung, die einer Partei ein Verhalten aufgibt, zu dem sie zuvor nicht verpflichtet war, für die Gegenseite nachteilig ist. Die Gegenseite müsste ein Bedürfnis haben, die Befolgung dieser Anordnung zu erzwingen. Grundsätzlich wird man von einem solchen pflichtbegründenden Nachteil nicht ausgehen können. Das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit wird sowohl in den Fällen fehlen, in denen bis zur Anordnung des Schiedsgerichts noch gar kein Handlungsgebot bestand, als auch in den Fällen, in denen das Handlungsgebot schon bestand, dieses aber schiedsvertragliche Last war. Wo schon vor der Anordnung des Schiedsgerichts ein Handlungsgebot wegen des fehlenden Nachteils für die Gegenseite eine Last war, ergibt sich auch nach der Anordnung des Schiedsgerichts kein Nachteil, der aus dieser Last eine schiedsvertragliche Pflicht machen würde. Dies veranschaulicht die schiedsvertragliche Last zur Vorlage von Dokumenten. Es handelt sich hier deshalb um eine Last, weil die Nachteile allein bei der nichtvorlegenden Schiedspartei liegen.147 Die streitige Tatsache gilt nach der Nichtvorlage für sie nämlich nachteilig als erwiesen oder widerlegt. Das Gleiche muss gelten, wenn die Schiedspartei einer Anordnung des Schiedsgerichts nicht nachkommt und das entsprechende Dokument nicht vorlegt. Damit ist das Ergebnis mit oder ohne Anordnung des Schiedsgerichts das gleiche. Auch die Befolgung von Vorlageanordnungen ist schiedsvertragliche Last. Ähnlich liegt es, wenn etwa die Anordnung des Schiedsgerichts einer Schiedspartei aufgibt, mehr als den eigenen Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen. Ein mittelloser Schiedskläger mag zwar ein Interesse daran haben, den Schiedsbeklagten zur Befolgung einer solchen Anordnung zu zwingen.148 Einer Pflicht des Schiedsbeklagten, das Schiedsverfahren in vollem Umfang gegen sich selbst zu finanzieren, stehen allerdings in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip und das Gleichbehandlungsgebot gem. § 1042 Abs. 1 S. 1 ZPO Bedenken entgegen.149 Umgekehrt wird ein Schiedsbeklagter kein Bedürfnis haben, den Schiedskläger dazu zu zwingen, den gesamten Kostenvorschuss zu zahlen. Dass das Schiedsverfahren nicht in Gang kommt, weil der Schieds147 

Siehe oben § 3 D. III. 2. b., S. 71. Vgl. gerade BGHZ 55, 344 (348). 149  Siehe oben § 3 C. III. 2., S. 57 f. 148 

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

kläger seinen Anteil am Kostenvorschuss nicht bezahlt, ist für ihn ja gerade nicht nachteilig, sondern vorteilhaft. Ein Schiedsspruch, der gegebenenfalls zu seinen Ungunsten ergeht, wird ja hinausgezögert. Grundsätzlich wird man also ein Bedürfnis verneinen müssen, ein durch eine schiedsgerichtliche Anordnung aufgegebenes Verhalten zu erzwingen.

cc. Zwischenergebnis Die Schiedsparteien sind nur dann verpflichtet, Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen, wenn eine der Anordnung entsprechende schiedsvertragliche Pflicht schon vor der Anordnung existierte. Hingegen besteht grundsätzlich keine Pflicht, Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen, wo das angeordnete Verhalten zuvor keine schiedsvertragliche Pflicht war.

c.  Überprüfung dieses Modells anhand einstweiliger Anordnungen gem. § 1041 Abs. 1 ZPO Bisher wurde erarbeitet, dass die Schiedsparteien nur verpflichtet sind, sich an Anordnungen des Schiedsgerichts zu halten, wenn das Schiedsgericht mit der Anordnung eine schiedsvertragliche Pflicht konkretisiert. Darüber hinaus besteht grundsätzlich keine Befolgungspflicht. In der Folge soll überprüft werden, ob dieses Modell in das Gefüge des zehnten Buchs der ZPO eingeordnet werden kann oder ob es durch die Vorschrift des § 1041 Abs. 1 ZPO wieder aus den Angeln gehoben wird.

aa.  Schiedsvertragliche Pflicht zur Befolgung einstweiliger Anordnungen des Schiedsgerichts? § 1041 Abs. 1 S. 1 ZPO ermächtigt das Schiedsgericht, einstweilige Maßnahmen anzuordnen. Diese einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts werden in der Regel dazu dienen, einen – zwischen den Parteien streitigen – materiell-rechtlichen Anspruch zu sichern. Denkbar ist aber auch, dass sich der Anordnungsanspruch für die einstweilige Maßnahme aus einer schiedsvertraglichen Pflicht ergibt. Ordnet das Schiedsgericht eine einstweilige Maßnahme an, sind die Schiedsparteien Risse und Frohloff zufolge dazu verpflichtet, diese einstweilige Anordnung zu befolgen.150 Nach dem in dieser Arbeit aufgestellten Abgrenzungskriterium ist diese Auffassung aber nur dann zutreffend, wenn einer Schiedspartei durch die Nichtbefolgung der anordnungsbelasteten 150  Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (245); Risse und Frohloff folgend Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1041, Rn. 58; siehe auch Leitzen, Die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen durch Schiedsgerichte nach § 1041 ZPO, 2002, S. 171; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 11; Gerstenmaier, in: Festschrift Elsing, 2015, 153 (154).



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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Schiedspartei ein Nachteil entsteht. Für das Bestehen eines solchen Nachteils sprechen die folgenden Gründe. Zunächst einmal wird das Schiedsgericht die einstweilige Maßnahme nur dann anordnen, wenn sie die Maßnahme im Sinne des § 1041 Abs. 1 S. 1 ZPO für erforderlich hält. Erforderlich ist die Maßnahme dann, wenn das Schiedsgericht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sieht, dass das Recht des Antragstellers besteht bzw. dass dem Antragsteller durch die verzögerte Rechtsdurchsetzung Nachteile drohen.151 Das bedeutet, dass das Schiedsgericht vor Erlass der einstweiligen Anordnung eine Interessenabwägung vornimmt, in der es die Nachteile, die dem Antragsgegner durch die Maßnahme entstehen, mit denen abwägt, die der Antragsteller durch ihren Nichterlass erleidet.152 Kommt das Schiedsgericht im Rahmen dieser Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Nachteile des Antragstellers aus dem Nichterlass die des Antragsgegners bei Erlass überwiegen, ordnet es die einstweilige Maßnahme an.153 Gewissermaßen manifestiert sich also der für eine schiedsvertragliche Pflicht konstitutive Nachteil des Antragstellers in der einstweiligen Anordnung selbst. Damit besteht für den späteren Anordnungsgläubiger ein Bedürfnis, die einstweilige Anordnung zu erzwingen. § 1041 Abs. 2 ZPO eröffnet dem Anordnungsgläubiger die Möglichkeit, diesem Bedürfnis nach Erzwingbarkeit nachzukommen und die einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts vom zuständigen Oberlandesgericht für vollziehbar erklären und anschließend vollziehen zu lassen.154 Dementsprechend könnte es sich bei der Vollziehung nach § 1041 Abs. 2 ZPO um einen Mechanismus handeln, der dem Anordnungsgläubiger alle Nachteile aus der Nichtbefolgung der einstweiligen Anordnung durch den Anordnungsschuldner nimmt. Wenn das aber der Fall ist, müsste nach den in dieser Arbeit postulierten Definitionen eine schiedsvertragliche Pflicht verneint und eine schiedsvertragliche Last angenommen werden.155 Jedoch vermag § 1041 Abs. 2 ZPO dem Anordnungsgläubiger nicht alle Nachteile zu nehmen, wenn der Anordnungsschuldner die einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts nicht befolgt. Die Norm garantiert nämlich nicht, dass eine Maßnahme nach § 1041 Abs. 1 ZPO auch tatsächlich vollzogen werden kann. Bei einer Vollziehung im Ausland kommt § 1041 Abs. 2 ZPO beispielsweise nicht zur Anwendung (die Anerkennung und Vollstreckung 151  Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 102; Gerstenmaier, in: Festschrift Elsing, 2015, 153 (155); siehe auch Caron, ZaöRVR 1986, 465 (495). 152  Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S.  102; Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 17a, Rn. 20. 153  Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 102. 154  Trotz der abweichenden Terminologie besteht in der Sache zwischen Vollstreckbarerklärung und Vollziehbarerklärung kein Unterschied: Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1041, Rn. 29. 155  Vgl. oben § 2 D. III., S. 26 f.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

einer Anordnung nach § 1041 Abs. 1 ZPO über die New York Convention156 scheidet ebenfalls aus)157. Selbst im Inland ist die Vollziehung einer Anordnung über § 1041 Abs. 2 ZPO nicht gewährleistet. Die Vollziehung steht nämlich im Ermessen des zuständigen Oberlandesgerichts.158 Dieses Ermessen wird von den Oberlandesgerichten auch dahingehend ausgeübt, Anträge nach § 1041 Abs. 2 ZPO abzulehnen.159 Lehnt ein OLG einen Antrag auf Vollziehung ab, ist diese Entscheidung gem. § 1065 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 1062 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unanfechtbar. Selbst bei einem letztlich erfolgreichen Vollziehungsantrag nach § 1041 Abs. 2 ZPO kann es bis zur zwangsweisen Vollziehung zu Nachteilen kommen, weil das Verfahren Potential für Verzögerungen bietet (beispielsweise, weil das Gericht der Gegenseite zunächst Gelegenheit gibt, durch Schriftsatz Stellung zu nehmen und anschließend einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt). Die erheblichen Nachteile des Anordnungsgläubigers, die die Anordnung des Schiedsgerichts nach § 1041 Abs. 1 ZPO gerade abwenden sollte, dauern hier bis zur Vollziehung mit staatlichem Zwang an. Schließlich treffen den Anordnungsgläubiger durch ein Verfahren nach § 1041 Abs. 2 ZPO zusätzliche Kostennachteile, wenn er mit seinem auf Schiedsverfahrensrecht spezialisierten Rechtsanwalt Stundensätze vereinbart hat, was regelmäßig der Fall sein wird. Über die gerichtliche Kostenentscheidung bekommt der Anordnungsgläubiger seine Kosten aber allein nach dem RVG ersetzt.160 Nach der in dieser Arbeit niedergelegten Definition liegt damit eine schiedsvertragliche Pflicht der Schiedsparteien vor, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob die einstweilige Maßnahme einen materiell-rechtlichen Anspruch zwischen den Parteien sichern oder eine schiedsvertragliche Pflicht vorläufig durchsetzen soll.

bb.  Differenzierung: § 1041 Abs. 1 ZPO als Ausnahmetatbestand Nun drängt sich allerdings die Frage auf, ob mit der schiedsvertraglichen Pflicht zur Befolgung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts die These widerlegt ist, dass es sich bei der Befolgung sonstiger schiedsgerichtlicher Anordnungen grundsätzlich um eine schiedsvertragliche Last handelt. Diese Frage ist zu verneinen. 156  United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, New York 1958. 157  Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 356; Gerstenmaier, in: Festschrift Elsing, 2015, 153 (164). 158  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1041, Rn. 37; Saenger, in: Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 1041, Rn. 4. 159  So etwa OLG Saarbrücken, SchiedsVZ 2007, 323 (325). 160  Siehe dazu bereits oben zur Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen: § 3 A. II. 2. a., S. 41 ff.



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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Bei der schiedsvertraglichen Pflicht zur Befolgung einstweiliger Anordnungen des Schiedsgerichts handelt es sich um eine Ausnahme von der Regel. Nur bei einstweiligen Anordnungen bestehen die soeben beschriebenen pflichtbegründenden Nachteile, wenn die Gegenseite sie nicht befolgt. Bei sonstigen Anordnungen des Schiedsgerichts fehlen derartige Nachteile grundsätzlich.161 Diese Unterscheidung findet sich auch im Gesetz wieder: Der Gesetzgeber hat mit § 1041 Abs. 2 ZPO allein für einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts die Möglichkeit eröffnet, diese durch staatlichen Zwang durchsetzen zu lassen (auch wenn dieser Mechanismus einer Partei nicht alle Nachteile aus einer Nichtbefolgung der Gegenseite nehmen kann). Der Gesetzgeber hat es bei dem speziellen Fall der einstweiligen Anordnung belassen, ohne die zwangsweise Durchsetzung sämtlicher Anordnungen oder Beschlüsse, die nicht als (Teil-) Schiedssprüche ergehen, zu ermöglichen. Gegen eine Pflicht zur Befolgung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts ließe sich argumentieren, dass die mit der Anordnung belastete Schiedspartei übermäßig benachteiligt ist, wenn sie tatsächlich dazu verpflichtet wäre, sich an diese Anordnung zu halten. Was ist, wenn sich beispielsweise am Ende des Schiedsverfahrens herausstellt, dass die einstweilige Anordnung von Anfang an ungerechtfertigt war, weil der gesicherte Anspruch und damit ein zu vereitelnder Nachteil des Anordnungsgläubigers nicht bestand? In diesem Fall kann der Anordnungsgegner jedoch gem. § 1041 Abs. 4 S. 1 ZPO Schadensersatz vom Anordnungsgläubiger verlangen. Der Schadensersatzanspruch des § 1041 Abs. 4 S. 1 ZPO ist verschuldensunabhängig und kompensiert damit die Unsicherheit über die Rechtslage, die in dem bei Erlass der einstweiligen Anordnung noch frühen Verfahrensstadium besteht.162 Gerade weil der Anordnungsgegner verpflichtet ist, sich an die einstweilige Anordnung zu halten, wird dieser verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch ausgelöst, ohne dass dafür die Vollziehbarerklärung durch ein staatliches Gericht erforderlich ist.163

cc. Zusammenfassung Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass § 1041 Abs. 1 S. 1 ZPO eine Ausnahme von der allgemeinen Anordnungsbefolgungslast konstituiert. Die Schiedsparteien sind dazu verpflichtet, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen. Der pflichtbegründende Nachteil des Anord161  Es sei denn, sie konkretisieren eine schiedsvertragliche Pflicht; siehe oben § 3 E. I. 3. a., S. 75 f. 162  Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (240). 163 Siehe Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (246); dem Ansatz von Risse und Frohloff zum faktischen Vollstreckungsdruck folgend: Schlosser, in Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 35; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1041, Rn. 58; ders., Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 636; a. A.: Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 247.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

nungsgläubigers manifestiert sich schon in der einstweiligen Anordnung selbst. Diese stellt als Ergebnis der vom Schiedsgericht vorgenommenen Interessenabwägung positiv fest, dass die Nachteile, die der Anordnungsgläubiger aus dem Nichterlass der Maßnahme erlitten hätte, die des Anordnungsschuldners überwiegen. Das Vollziehbarerklärungsverfahren nach § 1041 Abs. 2 ZPO vermag die Nachteile des Anordnungsgläubigers aus einer Nichtbefolgung der Maßnahme durch den Anordnungsschuldner nicht vollständig zu beseitigen.

4. Ergebnis Entgegen der Rechtsprechung und Rechtsliteratur sind die Parteien grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, allgemeine Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen. Es handelt sich dabei um eine schiedsvertragliche Last. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur dort zu machen, wo der Gegenseite durch die Nichtbefolgung der Anordnung ein Nachteil entsteht. Das ist in der Regel nur in zwei Konstellationen der Fall: Erstens, wenn es sich bei der schiedsgerichtlichen Anordnung um eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 1041 Abs. 1 ZPO handelt. Hier hat das Schiedsgericht im Rahmen seiner Interessenabwägung festgestellt, dass einer Schiedspartei ohne Befolgung der einstweiligen Anordnung durch die Gegenseite ein Nachteil entsteht. Zweitens sind die Parteien dann dazu verpflichtet, eine Anordnung des Schiedsgerichts zu befolgen, wenn bereits vor der Anordnung eine schiedsvertragliche Pflicht zu diesem Verhalten bestand. Hier konkretisiert die Anordnung des Schiedsgerichts allein die bereits existierende Pflicht. Schiedsgerichtliche Anordnungen, mit denen eine schiedsvertragliche Pflicht konkretisiert wird, können in der Regel sowohl als einstweilige Anordnung als auch als Schiedsspruch ergehen.164 Konkretisiert eine einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts eine schiedsvertragliche Pflicht, verschmelzen die beiden oben genannten Regelbeispiele in der schiedsvertraglichen Pflicht, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen. Die schiedsvertragliche Pflicht, den Schiedsspruch zu befolgen, ist maßgeblich, wenn das Schiedsgericht über die schiedsvertragliche Pflicht per Schiedsspruch oder Teilschiedsspruch entscheidet.165

164  Siehe unten zur schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, § 6 B. I., S. 200 ff.; zur schiedsvertraglichen Pflicht, einen Anteil an den Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen, § 6 B. II., S. 212 ff.; zu einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht § 6 B. IV., S. 220 f.; zum schiedsvertraglichen Schadensersatz § 6 B. V., S. 221 f. 165  Siehe sogleich in § 3 E. IV., S. 88 ff.



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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II.  Pflicht zur Einhaltung der Verfahrensordnung und zur Einlassung auf eine Neufassung? Die Schiedsparteien sind darin frei, das Schiedsverfahren einer von ihnen gewählten Verfahrensordnung zu unterwerfen. Das bestimmt § 1042 Abs. 3 ZPO. Üblicherweise geschieht dies dadurch, dass die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung auf eine Schiedsinstitution verweisen. Ein solcher Verweis umfasst den Willen der Parteien, dass die Schiedsordnung dieser Institution als Verfahrensregelung für ein etwaiges Schiedsverfahren gilt.166 Die Schiedsparteien können sich aber auch in ad hoc-Schiedsverfahren eine Verfahrensordnung geben, beispielsweise die UNCITRAL Arbitration Rules.

1.  Generelle Pflicht der Schiedsparteien, die gewählte Verfahrensordnung einzuhalten? Haben die Parteien von ihrem Recht Gebrauch gemacht und sich eine Verfahrensordnung gegeben, stellt sich die Frage, ob sie dazu verpflichtet sind, diese auch einzuhalten. Gelegentlich wird darauf hingewiesen, dass eine solche Pflicht der Schiedsparteien besteht.167 Es ist fraglich, ob diese Aussage in ihrer Allgemeinheit Bestand haben kann. Zunächst einmal ist nämlich kein Grund ersichtlich, warum alle Verhaltensgebote einer Verfahrensordnung ausnahmslos Pflichten der Schiedsparteien sein sollten. Auch bei vereinbarten Verfahrensordnungen wird man zwischen Pflichten und Lasten der Schiedsparteien differenzieren können. Das wird anhand von zwei Beispielen deutlich. Für die Bestellung der Schiedsrichter wurde beispielsweise herausgearbeitet, dass es sich um ein Recht der Schiedsparteien handelt, bei einem dreiköpfigen Schiedsgericht einen der Schiedsrichter zu bestellen, ohne dass eine korrelierende Pflicht besteht.168 Haben die Parteien nun vereinbart, das Schiedsverfahren nach den UNCITRAL Arbitration Rules 2010 durchzuführen, ist Art. 9 für die Konstituierung des Schiedsgerichts maßgeblich. Dort heißt es in Absatz 1: „If three arbitrators are to be appointed, each party shall appoint one arbitrator“. Trotz des imperativen „shall“ im Wortlaut der Vorschrift haben die Parteien nicht konkludent vereinbart, dass sie nun verpflichtet und nicht nur berechtigt sind, einen Schiedsrichter zu bestellen. Hierzu besteht keine Notwendigkeit. Denn auch bei der vereinbarten Geltung der UNCITRAL Arbitration Rules 2010 kann bei einem deutschen Schiedsort über Art. 9 (2) ein deutsches Gericht gem. § 1035 ZPO das Schiedsgericht mit allen erforderlichen Maßnahmen konstituieren. Bei einer Weigerung der Gegenseite werden der konstituierungs166 

BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1059 f.); Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3041 (3047). Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 458; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 385. 168  Siehe oben § 3 B. II., S. 52 ff. 167 Siehe

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

willigen Schiedspartei also weiterhin alle Nachteile genommen. Auch die Bestellung der Schiedsrichter nach Art. 9 (1) UNCITRAL Arbitration Rules 2010 ist damit schiedsvertragliche Last.169 Etwas anderes kann aber gelten, wenn die Schiedsparteien beispielsweise ein institutionelles Schiedsverfahren unter der Administration der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) oder des London Court of International Arbitration (LCIA) vereinbart haben. Deren Schiedsordnungen verpflichten die Parteien nämlich in § 43.1 DIS Schiedsgerichtsordnung bzw. Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules 2014 zur Vertraulichkeit. Damit ist in DISund LCIA-Schiedsverfahren eine schiedsvertragliche Pflicht zur Vertraulichkeit vereinbart, nicht nur eine entsprechende Last.170 Diese beiden Beispiele veranschaulichen, dass es keine generelle Pflicht der Schiedsparteien gibt, die vereinbarte Verfahrensordnung bzw. Schiedsgerichtsordnung einzuhalten. Die vereinbarte Verfahrensordnung kann Pflichten für die Schiedsparteien begründen. Dieser Rückschluss ist jedoch nicht für alle Handlungsgebote einer Verfahrensordnung zwingend. Wie im gesetzlichen Regelfall sind auch unter einer vereinbarten Verfahrens- oder Schiedsgerichtsordnung Lasten der Schiedsparteien möglich. Ob jeweils eine Pflicht oder eine Last vorliegt, ist anhand des in dieser Arbeit postulierten Abgrenzungskriteriums zu prüfen.

2.  „Pflicht“ der Schiedsparteien, sich auf eine neue Fassung der Verfahrensregeln einzulassen Die gerade beispielhaft angesprochenen Schiedsverfahrensregeln und Schiedsgerichtsordnungen werden in regelmäßigen Abständen überarbeitet. Aus dem „aktuellen Zyklus“ an Neuauflagen sind unter anderem die bereits erwähnten UNCITRAL Arbitration Rules von 2010 zu nennen, die die Fassung von 1976 abgelöst haben. Die Schiedsgerichtsordnung des LCIA aus dem Jahre 2014 ist an die Stelle der Fassung von 1998 getreten. Haben die Schiedsparteien in ihrer Schiedsvereinbarung auf diese Verfahrensregeln Bezug genommen und kommt es erst Jahre später zum Streit, stellt sich die Frage, ob die jeweils aktuellste Version gilt oder diejenige Fassung, die zu der Zeit gültig war, als die Parteien die Schiedsvereinbarung schlossen. Unter gelegentlicher Berufung auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 1985171 wird in der Rechtsliteratur teilweise vertreten, die 169 Vgl.

auch Caron/Caplan, The UNCITRAL Arbitration Rules, 2. Auflage 2013, S. 164 f.; Patocchi/Niedermaier, in: Schütze, Institutional Arbitration, 1. Auflage 2013, UNCITRAL Rules, Rn. 223. 170  Siehe unten § 3 F. II., S. 96 ff. – insbesondere zur unterschiedlichen Reichweite der beiden Vorschriften. 171  BGH, NJW-RR 1986, 1059.



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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Schiedsparteien seien dazu verpflichtet, sich auf die Neufassung einer Schiedsordnung einzulassen.172 Das Wort „Pflicht“ ist hier irreführend. Denn die Frage, ob die neueste Fassung der Verfahrensordnung oder die bei Abschluss der Schiedsvereinbarung gültige vereinbart ist, hat nichts mit der Abgrenzung von Pflichten und Lasten der Schiedsparteien zu tun. Es geht vielmehr schlicht darum, die jeweilige Schiedsvereinbarung auszulegen. Bei dieser Auslegung ist nach den vom Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung vorgegebenen Kriterien vorzugehen: Haben die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung lediglich auf eine Schiedsinstitution Bezug genommen, rechnen sie damit, dass die Verfahrensordnung dieser Schiedsinstitution aufgrund von Entwicklungen in der Praxis, in der Gesetzeslage oder in der Rechtsprechung überarbeitet oder geändert wird.173 In diesen Fällen billigen die Parteien daher spätere Änderungen der Verfahrensordnung schon bei Abschluss der Schiedsvereinbarung.174 Folglich gilt dann die jeweils neueste, d. h. die bei Einleitung des Schiedsverfahrens geltende Fassung der Verfahrensordnung. Anders liegt der Fall, wenn die Parteien auf eine ganz bestimmte Schiedsgerichts- oder Schiedsverfahrensordnung Bezug genommen haben, beispielsweise durch das Hinzufügen der Jahreszahl, in der sie veröffentlicht wurde.175 Hier wird man nur schwer argumentieren können, die Vereinbarung der Parteien beziehe sich auf die jeweils neueste Fassung. Denn bei einer derart genauen Bezeichnung wird den Parteien regelmäßig daran gelegen sein, dass das Schiedsverfahren allein nach dieser genau bezeichneten Verfahrensordnung durchgeführt wird.176 Haben sich die Parteien auf eine ganz bestimmte Schiedsgerichtsordnung geeinigt und kann das Verfahren bei der benannten Schiedsinstitution nach den alten Regeln nicht mehr durchgeführt werden, liegt eine (eventuell gem. § 139 BGB teilweise) pathologische Schiedsvereinbarung vor.177 Diesem Ansatz folgen letztlich auch die Autoren, die eigentlich von einer Pflicht der Schiedsparteien ausgehen, sich auf die jeweils aktuellste Fassung einzulassen.178 Eine solche Pflicht der Schiedsparteien existiert jedoch nicht. Ob die jeweils neueste Fassung der Verfahrensordnung oder die zum Zeitpunkt des Ab172 So Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; für eine solche Pflicht unabhängig von BGH, NJW-RR 1986, 1059: Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27; a. A.: Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1989, Rn. 398. 173  BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1060). 174  BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1060). 175  Beispielsweise LCIA Arbitration Rules 1998 oder UNCITRAL Arbitration Rules 1976. 176  BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1060). 177  Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1989, Rn. 398. 178 Siehe Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1042, Rn. 90; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1042, Rn. 33; wohl auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1042, Rn. 15.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

schlusses der Schiedsvereinbarung geltende vereinbart war, ist im Wege der Auslegung anhand der aufgezeigten Kriterien zu ermitteln.

3. Ergebnis Die Schiedsparteien sind weder generell dazu verpflichtet, alle Regeln einer gewählten Schiedsverfahrensordnung einzuhalten, noch besteht eine Pflicht, die jeweils neueste Fassung zu akzeptieren. Mit der Vereinbarung einer bestimmten Schiedsverfahrensordnung können sich die Parteien zwar potentiell zu einem zusätzlichen Verhalten verpflichten. Ob jedoch tatsächlich eine zusätzliche schiedsvertragliche Pflicht besteht oder nur eine entsprechende Last, ist im Einzelfall zu untersuchen. Die Frage, welche Fassung einer vereinbarten Verfahrensordnung gilt, ist vollkommen unabhängig von den Pflichten und Lasten der Parteien durch eine Auslegung der Schiedsvereinbarung zu beantworten.

III.  Pflicht, nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen? Die Frage, ob die Schiedsparteien verpflichtet sind, in Bezug auf die Streitigkeit nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen, ist in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur bisher kaum behandelt worden. Münch leitet eine solche Pflicht der Schiedsparteien aus einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts179 ab.180 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte sich eine Gesellschafterin gegen ihre bevorstehende Ausschließung aus der Gesellschaft und die Einziehung ihrer Anteile auf der bevorstehenden Gesellschafterversammlung gewandt. Eine Schiedsvereinbarung sah allerdings vor, dass derartige Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollten. Weil sie befürchtete, dass auf der Gesellschafterversammlung vorläufig vollendete Tatsachen geschaffen werden würden, erwirkte sie vor dem Landgericht eine einstweilige Verfügung, die es der einzigen anderen Gesellschafterin untersagte, über den von dieser Gesellschafterin selbst gestellten Antrag abzustimmen.

1.  Bedenken gegen und Probleme mit einer solchen Pflicht Der Ansicht Münchs ist zunächst einmal zuzugestehen, dass sich eine solche Pflicht theoretisch unter die in dieser Arbeit niedergelegte Abgrenzung von Pflichten und Lasten der Parteien einer Schiedsvereinbarung subsumieren ließe. Eine Partei einer Schiedsvereinbarung wäre benachteiligt, wenn die Gegenseite vorläufig vollendete Tatsachen in Bezug auf die Streitigkeit schaffen würde, und hätte daher ein Bedürfnis, dieses Verhalten durch Zwang zu unterbinden. 179  180 

OLG Hamburg, SchiedsVZ 2004, 266. Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117.



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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Mithin wäre eine schiedsvertragliche Pflicht der Parteien anzunehmen, keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. Gegen eine solche Auffassung bestehen allerdings Bedenken. Eine derartige Pflicht würde nämlich die materielle Rechtslage zwischen den Parteien ab einem unbenennbaren Zeitpunkt für unbestimmte Zeit einfrieren. Denn ab wann sollte diese Pflicht bestehen? Mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung oder erst mit der Einleitung eines Schiedsverfahrens? Die Parteien werden sich beim Abschluss einer Schiedsvereinbarung grundsätzlich nicht gegenseitig verbieten wollen, einseitig die materielle Rechtslage zu ändern, beispielsweise durch Rücktritt vom Hauptvertrag. Sollte eine Pflicht, nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen, dann mit der Einleitung des Schiedsverfahrens beginnen? Auch daraus folgen Probleme, beispielsweise wenn die Partei, die vorläufig vollendete Tatsachen geschaffen hat, dies letztlich rechtmäßig getan hat. Man wird Schiedsvereinbarungen grundsätzlich nicht dahingehend auslegen können, dass sich die Parteien mit ihrem Abschluss dazu verpflichten, ein materiell rechtmäßiges Verhalten zu unterlassen.

2.  Kein Bedürfnis für eine solche Pflicht aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzes Wenn keine Pflicht der Parteien einer Schiedsvereinbarung besteht, nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen, wie kann eine Partei dann den ihr daraus materiell drohenden Nachteil abwenden? Nun, Schiedsgerichte können ebenso wie staatliche Gerichte einstweilige Verfügungen erlassen.181 Diese Parallelzuständigkeit von Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten ergibt sich aus § 1033 ZPO. Wählt eine Partei einer Schiedsvereinbarung den staatlichen einstweiligen Rechtsschutz, muss sie gem. §§ 935, 940 ZPO einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft machen.182 Während der Verfügungsanspruch der zu sichernde materielle Anspruch ist,183 versteht man unter dem Verfügungsgrund die objektive Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder erschwert wird.184 Die von Münch formulierte Pflicht der Parteien einer Schieds181 

Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (239). Schuschke, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Auflage 2016, § 935 ZPO, Rn. 14; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 935, Rn. 4; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 935, Rn. 1. 183  Schuschke, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Auflage 2016, § 935 ZPO, Rn. 5; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 935, Rn. 21. 184  Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage 2002, § 935, Rn. 11; Drescher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 935, Rn. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 935, Rn. 16; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 935, Rn. 10. 182 

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

vereinbarung, in Bezug auf den Streitgegenstand nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen, ist also nichts weiter als der glaubhaft zu machende Verfügungsgrund im einstweiligen Rechtsschutz. Das ergibt auch eine genauere Betrachtung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg: Dieses hatte zu keinem Zeitpunkt von einer Pflicht der Schiedsparteien gesprochen, nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen, sondern in den Gründen lediglich den Vortrag der Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Landgericht dargestellt.185 Droht der zu sichernde Anspruch durch die vorläufige Schaffung vollendeter Tatsachen vereitelt zu werden, kann eine Partei also entweder bei einem staatlichen Gericht gem. §§ 935, 940 ZPO oder vor dem Schiedsgericht gem. § 1041 Abs. 1 ZPO eine einstweilige Verfügung beantragen. Für die Annahme einer zusätzlichen Pflicht der Schiedsparteien besteht kein Bedürfnis.

3. Ergebnis Es existiert keine schiedsvertragliche Pflicht der Parteien einer Schiedsvereinbarung, nicht vorläufig vollendete Tatsachen zu schaffen.

IV.  Pflicht zur Befolgung des Schiedsspruchs Das Schiedsverfahren endet mit dem Erlass eines Schiedsspruchs durch das Schiedsgericht. Fraglich ist, ob die Schiedsparteien dazu verpflichtet sind, diesen Schiedsspruch zu befolgen.

1. Überblick Der Bundesgerichtshof hatte zum alten Schiedsverfahrensrecht entschieden, dass die Parteien gegenseitig dazu verpflichtet sind, sich dem Schiedsspruch zu unterwerfen, ihn zu befolgen und sich den darin getroffenen Anordnungen zu fügen.186 Damit setzte der Bundesgerichtshof die Linie des Reichsgerichts fort. Dieses vertrat die Auffassung, dass die Schiedsvereinbarung immer auch die Verpflichtung enthalte, das zu leisten und zu erfüllen, was einer Schiedspartei durch den Schiedsspruch auferlegt wird.187 Wegen des damals noch fehlenden Vollstreckungsverfahrens für ausländische Schiedssprüche wurde deshalb auch eine Leistungsklage auf Erfüllung der Schiedsvereinbarung bzw. des auf ihrer Grundlage ergangenen Schiedsspruchs zugelassen.188 Ein Teil der Rechtsliteratur geht ebenfalls davon aus, dass die Schiedsparteien sich verpflichtet 185 

Siehe OLG Hamburg, SchiedsVZ 2004, 266 (267). BGH, KTS 1961, 31 (31 f.). 187  RG, Seufferts Archiv 67, 426 (427). 188  Siehe RGZ 30, 368 (370); 116, 76 (77); 117, 386 (388). 186 



E.  Kooperationspflichten im Schiedsverfahren?

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haben, den aufgrund der Schiedsvereinbarung ergangenen Schiedsspruch zu erfüllen.189 Schiedermair hingegen lehnte eine solche Pflicht ab.190

2.  Eigene Herleitung Eine schiedsvertragliche Pflicht, den Schiedsspruch zu befolgen, besteht nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht dann, wenn einer Schiedspartei aufgrund der Nichterfüllung durch die Gegenseite ein Nachteil entsteht und sie daher ein Bedürfnis hat, die Befolgung des Schiedsspruchs zu erzwingen. Es versteht sich fast schon von selbst, dass der obsiegenden Schiedspartei ein Nachteil entsteht, wenn die unterlegene Schiedspartei nicht das umsetzt, was der Schiedsspruch ihr aufgegeben hat. Denn ohne eine Umsetzung ist der Schiedsspruch als Ergebnis des Schiedsverfahrens für die obsiegende Partei wertlos.191 Mithin hat die obsiegende Schiedspartei ein Bedürfnis, die Befolgung des Schiedsspruchs auch zu erzwingen. Diesem Bedürfnis nach Erzwingbarkeit hat der Gesetzgeber mit § 1060 ZPO Rechnung getragen. Die Vorschrift eröffnet dem Titelgläubiger nach § 1055 ZPO die Möglichkeit, die Befolgung des (inländischen) Schiedsspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung zu erzwingen.192 Wie schon bei der Pflicht, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen, muss hier allerdings gefragt werden, ob das Verfahren der zwangsweisen Durchsetzung nach § 1060 ZPO dem Titelgläubiger alle Nachteile aus der Nichtbefolgung durch den Titelschuldner nimmt. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht ist eine schiedsvertragliche Pflicht nämlich abzulehnen, wenn ein gesetzlicher Mechanismus einer Partei alle Nachteile aus dem Fehlverhalten der Gegenseite nimmt.193 Werden alle Nachteile aus einem Fehlverhalten gegen die ungehorsame Partei gerichtet, ist eine schiedsvertragliche Last anzunehmen.194 Jedoch vermag auch § 1060 ZPO einer Partei nicht alle pflichtbegründenden Nachteile zu nehmen. Trotz der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gem. § 1060 ZPO verbleibt nämlich das Risiko, dass der Schiedsspruch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Geht es etwa um die Vollstreckung wegen Geldforderungen, ist nicht einmal klar, ob der Schuldner im Inland überhaupt Vermögensgegenstände hat, in die 189  Blomeyer, in: Festgabe Rosenberg, 1949, 51 (63); Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 36; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 118. 190  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 104, 107. 191  Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis des Schiedsspruchs, 2010, S. 1. 192  Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach § 1061 Abs. 1 ZPO i. V. m. der New York Convention. 193  Siehe oben § 2 D. III., S. 26 f. 194  Siehe oben § 2 D. III., S. 26 f.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

vollstreckt werden kann. Die beiden Parteien hatten unter Umständen für ihr Schiedsverfahren gerade deshalb einen deutschen Sitz gewählt, weil er für beide Parteien neutral war. Hat der Schuldner im Ausland Vermögensgegenstände, in die vollstreckt werden könnte, findet auf die Vollstreckung in dem ausländischen Staat selbstverständlich das dortige Zwangsvollstreckungsrecht Anwendung und nicht § 1060 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem deutschen. Selbst wenn der Schuldner Vermögen im Inland hat, hat er dieses unter Umständen beiseitegeschafft oder es reicht nicht aus, um den titulierten Anspruch zu befriedigen. Dem Gläubiger können aber auch dann Nachteile entstehen, wenn die Zwangsvollstreckung letztlich erfolgreich war. Wie bereits festgestellt wurde, werden einer obsiegenden Partei vor einem deutschen Gericht – im Gegensatz zum Schiedsverfahren – Rechtsanwaltskosten nur nach dem RVG ersetzt.195 Der Gläubiger, der mit seinem auf Schiedsverfahrensrecht spezialisierten Rechtsanwalt die Vollstreckbarerklärung nach § 1060 ZPO betreiben musste und Stundensätze vereinbart hatte, bekommt seine Kosten durch die gerichtliche Kostenentscheidung also nicht vollständig ersetzt. § 1060 ZPO und das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht können also nicht gewährleisten, dass der Schiedsspruch vollständig befolgt wird und der Titelgläubiger aus der Nichtbefolgung des Schuldners keine Nachteile mehr erleidet. Somit besteht eine schiedsvertragliche Pflicht der Parteien, den Schiedsspruch zu befolgen.

3.  Die Pflicht zur Befolgung des Schiedsspruchs nach englischem Schiedsverfahrensrecht Nicht nur nach deutscher ständiger Rechtsprechung sind die Schiedsparteien dazu verpflichtet, den Schiedsspruch umzusetzen. Diese Auffassung wird auch von den englischen Gerichten geteilt. In der bereits angesprochenen Bremer Vulkan Schiffbau-Entscheidung des House of Lords führte Lord Diplock aus, dass die Parteien der Schiedsvereinbarung dazu verpflichtet seien „to abide by the arbitrator’s award“196. Justice Colman erklärte im Urteil des High Court in Hassneh Insurance Company of Israel v. Steuart J. Mew die Schiedsvereinbarung begründe „an independent contractual obligation to perform the award“197. Beide Entscheidungen ergingen noch vor Einführung des Arbitration Act 1996. Seitdem hat allerdings unter anderem der UK Privy Council klargestellt, dass eine solche Pflicht auch unter 195 

Siehe oben, § 3 A. II. 2. a., S. 41 ff. Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 253 (260, rechte Spalte). 197  Hassneh Insurance Company of Israel v. Steuart J. Mew, [1993] 2 Lloyd’s Law Reports 243 (247, rechte Spalte). 196 



F.  Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?

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dem neuen Regime besteht. In Associated Electric and Gas Insurance Services Ltd. v. European Reinsurance Co. führte Lord Hobhouse aus: „It is an implied term of an arbitration agreement that the parties agree to perform the award.“198 Die Schiedsparteien sind also sowohl nach englischem als auch nach deutschem Recht verpflichtet, den ergangenen Schiedsspruch zu befolgen.

V. Ergebnis Es mag überraschen, dass die schiedsvertraglichen Pflichten, die sich auf eine Kooperation im Schiedsverfahren beziehen, so spärlich sind. Lediglich zwei Pflichten sind anzuerkennen. Zum einen sind die Parteien verpflichtet, den Schiedsspruch zu befolgen. Zum anderen sind die Parteien verpflichtet, sich sowohl an einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu halten als auch an Anordnungen, die eine bereits existierende schiedsvertragliche Pflicht konkretisieren. Für die Annahme weiterer Pflichten besteht kein Bedürfnis. Das gilt gerade in Bezug auf die Einhaltung der vereinbarten Verfahrensordnung. Nur soweit die Schiedsparteien durch den Verweis auf eine Schiedsgerichts- oder Verfahrensordnung mit einer bestimmten Vorschrift eine Pflicht vereinbaren, ist diese anzuerkennen. Hier ist aber jeweils im Einzelfall zu analysieren, ob die Vorschrift tatsächlich eine Pflicht begründet. Eine generelle Pflicht der Schiedsparteien, die Verfahrensordnung einzuhalten, gibt es nicht. Die Frage, ob eine neuere Fassung der vereinbarten Schiedsordnung gilt oder die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln und hat nichts mit den Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung zu tun. Das gilt auch für die Schaffung von vollendeten Tatsachen. Diese Frage ist dem materiellen Rechtsstreit zuzuordnen. Befürchtet eine Schiedspartei, dass die Gegenseite Maßnahmen ergreift, um ihren materiellen Anspruch zu vereiteln, steht ihr der einstweilige Rechtsschutz offen. Eine schiedsvertragliche Pflicht, die materielle Rechtslage nicht zu verändern, existiert darüber hinaus nicht.

F.  Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren? Im Folgenden soll schließlich erörtert werden, inwieweit im deutschen Recht eine Pflicht der Parteien besteht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren.

198  Associated Electric and Gas Insurance Services Ltd. v. European Reinsurance Co., [2003] 1 Weekly Law Reports 1041 (1046).

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

I.  Grundsätzliche schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht? Dass die Parteien in Schiedsverfahren aufgrund der dort herrschenden Vertraulichkeit Betriebsgeheimnisse schützen und schlechte Presse vermeiden können, wird immer wieder als Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit genannt.199 Dabei suggerieren die Formulierungen oft, dass Parteien einer Schiedsvereinbarung grundsätzlich dazu verpflichtet sind, keine Informationen über die Existenz des Schiedsverfahrens, den Verfahrensablauf und in der Beweisaufnahme präsentierte Dokumente an Dritte weiterzugeben. Ob eine solche Pflicht besteht, kann allerdings bezweifelt werden.

1. Meinungsstand Ein Teil der deutschen Rechtsliteratur geht davon aus, dass eine Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien grundsätzlich bei jeder Schiedsvereinbarung besteht.200 Raeschke-Kessler und Berger argumentieren etwa, dass die Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien nach deutschem Schiedsverfahrensrecht aus einer zweckgerichteten Auslegung der Schiedsvereinbarung folgt.201 Argumente, warum dies grundsätzlich so sein muss, finden sich aber nur selten.202 Eine deutsche höchstrichterliche Entscheidung, die sich mit einer möglichen Pflicht der Parteien befasst, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren, existiert bisher nicht. Allein zwei Beschlüsse des OLG Frankfurt am Main deuten an, dass nach der Rechtsprechung eine Vertraulichkeitspflicht der Parteien nicht grundsätzlich besteht, sondern gesondert vereinbart werden muss.203 Ein Teil der deutschen Rechtsliteratur lehnt eine grundsätzliche Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien ebenfalls ab.204 199  Schütze, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 17; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Auflage 1999, Rn. 683; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 117 f.; Schiffer, Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1999, S. 16. 200  Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Auflage 1999, Rn. 688; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 119; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 38; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 538; Holder, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2009, S. 132; Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 155. 201  Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Auflage 1999, Rn. 688. 202 Vgl. Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Auflage 1999, Rn. 688; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 119; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 38; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 538; anders aber: Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 149 ff. 203  OLG Frankfurt am Main, 22. 10. 2004, 2 Sch 1/04, Rn. 6; 30. 03. 2006, 26 Sch 12/05, Rn. 39. 204  Prütting, in: Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 629 (635); Oberhammer, in: Fest-



F.  Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?

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2.  Handlungsgebot, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren? Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht setzt eine schiedsvertragliche Pflicht voraus, dass aus der Schiedsvereinbarung ein bestimmtes Verhaltensgebot folgt und eine Partei ein Bedürfnis hat, dieses korrekte Verhalten von der Gegenseite zu erzwingen. Um beantworten zu können, ob nach deutschem Recht eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht besteht, muss also zunächst einmal geklärt werden, ob aus einer Schiedsvereinbarung, die deutschem Recht unterliegt, für die Parteien ein Handlungsgebot folgt, das Schiedsverfahren vertraulich zu behandeln.

a.  Der Unterschied zwischen Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit Wie andere Autoren bereits betont haben,205 muss der Ausgangspunkt für die Klärung dieser Frage sein, was Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit voneinander unterscheidet. Dies gilt insbesondere deshalb, weil beide Begriffe fälschlicherweise gelegentlich synonym verwendet werden.206

aa.  Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens Für den Zivilprozess regelt § 169 S. 1 GVG, dass die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich ist. § 169 GVG gilt im Schiedsverfahren jedoch nicht.207 Gleichzeitig fehlt es an einem Äquivalent zu § 169 S. 1 GVG im deutschen Schiedsverfahrensrecht. Das bedeutet, dass im deutschen Recht keine Norm existiert, nach der die Schiedsparteien der Öffentlichkeit Zugang zu ihrem Schiedsverfahren gewähren müssen. Schiedsverfahren sind also grundsätzlich nicht-öffentlich bzw. privat. Daraus folgt aber noch nicht, dass niemand außer den Beteiligten von dem Schiedsverfahren oder den darin offengelegten Informationen wissen schrift Beys II, 2003, 1139 (1164); Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (319); Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 146; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 58; Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 302; Haas/Kahlert, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, Privacy and Confidentiality, Rn. 27. 205 Vgl. Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2010, S. 243; Prütting, in: Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 629 (631); Kühn/ Gantenberg, in: Festschrift Schlosser, 2005, 461 (462); Oldenstam/von Pachelbel, SchiedsVZ 2006, 31 (32); Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1140). 206  So etwa Schiffer, Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1999, S. 16; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 49; Schütze, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 2; ders., in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1042, Rn. 105. 207  Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2010, S. 244; Kühn/Gantenberg, in: Festschrift Schlosser, 2005, 461 (463); Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 43; Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 145.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

darf. Nur weil man eine Feier in geschlossener Gesellschaft nur mit Einladung betreten darf, heißt das noch nicht, dass man gleichzeitig niemandem von der Feier oder dem Verlauf des Abends erzählen darf.

bb.  Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens Das deutsche Schiedsverfahrensrecht schweigt zu der Frage, ob Schiedsverfahren grundsätzlich vertraulich sind, wenn der Sitz des Schiedsverfahrens in Deutschland liegt. Dementsprechend gibt es im zehnten Buch der ZPO auch keine Legaldefinition der Vertraulichkeit. Auch in der Schiedsrechtsliteratur fehlt es oft an einer genauen bzw. einheitlichen Definition. Im Rahmen dieser Arbeit soll unter Vertraulichkeit die Pflicht der Schiedsparteien verstanden werden, die aus einem Schiedsverfahren stammenden Informationen oder Dokumente geheim zu halten.208 Geheimhalten meint, dass diese Informationen oder Dokumente nicht an die Allgemeinheit, d. h. an am Verfahren unbeteiligte Dritte, weitergegeben werden dürfen.209 Vertraulichkeit kann also bedeuten, dass die Schiedsparteien die im Schiedsverfahren vorgelegten und erstellten Dokumente einschließlich des Schiedsspruchs keinem Verfahrensunbeteiligten zugänglich machen dürfen.210 Die Vertraulichkeit kann aber auch viel weiter gehen und meinen, dass die Schiedsparteien auch Stillschweigen über den Verfahrensablauf, ja gar über die Existenz des Schiedsverfahrens zwischen den beiden Schiedsparteien zu bewahren haben.211

b.  Handlungsgebot aus der Schiedsvereinbarung? Es ist also zu fragen, ob bei Abschluss einer Schiedsvereinbarung das Handlungsgebot entsteht, dass die Parteien ein etwaiges Schiedsverfahren und seinen Ausgang geheim halten müssen und darin offengelegte oder in seinem Verlauf erstellte Dokumente keinem Verfahrensunbeteiligten zugänglich machen dürfen. 208 Nach Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 38; ähnlich: Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2010, S. 244. 209  Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 10; für Kahlert ist Vertraulichkeit der Oberbegriff für Nichtöffentlichkeit und Geheimhaltung bzw. Verschwiegenheit (a. a. O.), ebenso: Holder, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2009, S. 11. Ein solches Begriffsverständnis wird im Rahmen dieser Arbeit jedoch abgelehnt, da es die gebotene Grenzziehung zwischen Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit wieder verwischt. 210  Kühn/Gantenberg, in: Festschrift Schlosser, 2005, 461 (463); vgl. auch Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 190 f. 211 Vgl. Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2010, S. 244; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 119; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 538.



F.  Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?

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aa.  Handlungsgebot wegen drohender Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens? Leisinger will ein solches Handlungsgebot (und eine entsprechende Pflicht) aus der Verfahrensförderungspflicht bzw. aus dem Zweck der Schiedsvereinbarung ableiten, eine Streitigkeit vor einem privaten Gericht auszutragen.212 Um diesen Zweck zu erreichen, sei es erforderlich, dass das Verfahren nicht durch die Veröffentlichung von Informationen aus oder im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren gestört werde.213 Die Weitergabe von Informationen an die Medien könne dazu führen, dass das Schiedsverfahren nicht mehr ordnungsgemäß durchgeführt werden kann.214 Dieses Argument kann kaum überzeugen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, wie etwa ein Bericht in der Financial Times über eine verfahrensleitende Verfügung des Schiedsgerichts die Durchführung des Schiedsverfahrens stören würde. Ein staatliches Gerichtsverfahren wird auch nicht plötzlich undurchführbar, nur weil ein Journalist als prozessbeobachtender Zuschauer anwesend ist. Selbst wenn man den Schiedsparteien also eine Verfahrensförderungspflicht unterstellt, ist die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zur Herbeiführung des Schiedsspruchs nicht erforderlich.215 Darüber hinaus wird nicht jedes Schiedsverfahren von zwei bekannten Unternehmen geführt und es fördert auch nicht jede Streitigkeit zwischen Gesellschaftern pikante Details über die Auseinandersetzung zu Tage. Will man auch den Parteien von Schiedsvereinbarungen, aus denen für die Öffentlichkeit vollkommen uninteressante Schiedsverfahren entstehen, generell unterstellen, sie hätten vereinbaren wollen, niemandem von der Existenz des Verfahrens zu berichten? Hier wird es schwer, das für eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht erforderliche Handlungsgebot ohne eine ausdrückliche Vereinbarung auf den Willen der Parteien zu stützen.216

bb.  Herleitung aus der Freiwilligkeit der Schiedsgerichtsbarkeit? Für ein Handlungsgebot (und eine generelle Vertraulichkeitspflicht) trägt Leisinger außerdem vor, dass es den Parteien freistünde, ihre Streitigkeiten vor staatlichen Gerichten auszutragen und auf Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit zu verzichten.217 Das kann jedoch für sich selbst genommen kein 212 Siehe

Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 150. Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 150. 214  Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 150. 215  Im Ergebnis ebenso Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1156); Holder, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2009, S. 29; Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (319); Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 258. 216  Vgl. auch Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1165). 217 Siehe Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 152. 213 

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

Argument für eine Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens sein. Ob die Parteien mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung gleichzeitig vereinbaren wollten, das Schiedsverfahren vertraulich zu behandeln, muss ja gerade erst noch erwiesen werden. Die freiwillige Entscheidung gegen die staatliche und für die Schiedsgerichtsbarkeit kann erst dann eine Grundlage für eine grundsätzliche Vertraulichkeitspflicht der Parteien sein, wenn erwiesen ist, dass Schiedsverfahren bei einem deutschen Schiedsort immer vertraulich sind. Einen solchen Beweis konnte aber bisher noch niemand führen.

cc. Zusammenfassung Daraus folgt, dass sich aus einer deutschem Recht unterliegenden Schiedsvereinbarung grundsätzlich kein Handlungsgebot ergibt, dass die Parteien ein Schiedsverfahren oder die darin offengelegten Dokumente oder Informationen vertraulich zu behandeln haben. Damit fehlt es nach der in dieser Arbeit niedergelegten Definition von schiedsvertraglichen Pflichten an einer Grundlage, um eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht aus jeder Schiedsvereinbarung abzuleiten.

3. Zwischenergebnis Nach deutschem Schiedsverfahrensrecht besteht grundsätzlich keine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht. Diese ist allein dann anzunehmen, wenn die Schiedsparteien eine solche Pflicht ausdrücklich vereinbart haben. Eine solche ausdrückliche Vereinbarung kann eine separate Vertraulichkeitsregelung sein oder aber der Verweis auf eine Schiedsordnung, die die Schiedsparteien zur Vertraulichkeit verpflichtet. Schiedsordnungen, die die Parteien zur Vertraulichkeit verpflichten, sind beispielsweise die der DIS und die des LCIA. Da es sich bei Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland oft um DIS-Schiedsverfahren handelt, in denen die Parteien alle gem. § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung zur Vertraulichkeit verpflichtet sind, wird in der Folge die Reichweite dieser Vertraulichkeitspflicht untersucht. Diese wird mit der Vertraulichkeitspflicht gem. Art. 30.1 der LCIA Arbitration Rules 2014 verglichen. Anschließend wird erarbeitet, ob bei einer vereinbarten Vertraulichkeitspflicht Ausnahmen bestehen.

II.  Reichweite einer vereinbarten Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien Haben die Schiedsparteien die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens ausdrücklich vereinbart, stellt sich die Frage, wie weit diese Verpflichtung reicht. Sofern die Parteien eine individuelle Abrede getroffen haben, hängt die Reichweite natürlich von der jeweiligen Vereinbarung ab. Anders liegt es, wenn die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung ein institutionelles Schiedsverfahren vereinbart



F.  Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?

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haben und die anwendbare Schiedsordnung eine Vertraulichkeitspflicht enthält. In der Folge soll untersucht werden, welche Reichweite die Vertraulichkeitspflicht der Parteien nach § 43.1 der DIS-Schiedsgerichtsordnung von 1998 und Art. 30.1 der LCIA Arbitration Rules 2014 hat.

1.  Vertraulichkeitspflicht gem. § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung Haben sich die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung für den Fall von Streitigkeiten auf ein DIS-Schiedsverfahren geeinigt, trifft sie gem. § 43.1 DISSchiedsgerichtsordnung eine umfassende Vertraulichkeitspflicht. Die Vorschrift bestimmt, dass die Parteien über die Durchführung des Schiedsverfahrens, insbesondere über die beteiligten Parteien, Zeugen, Sachverständigen und sonstige Beweismittel Verschwiegenheit gegenüber jedermann zu bewahren haben. Damit verpflichten sich die Schiedsparteien gerade auch dazu, Stillschweigen über die Existenz des Schiedsverfahrens zu bewahren.218 Weiter kann eine Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien kaum gefasst sein.219

2.  Vertraulichkeitspflicht gem. Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules 2014 Die LCIA Arbitration Rules 2014 verpflichten die Schiedsparteien in Art. 30.1 „to keep confidential all awards in the arbitration, together with all materials in the arbitration created for the purpose of the arbitration and all other documents produced by another party in the proceedings“. Durch diese Formulierung wird deutlich, dass sich die Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien unter den LCIA Arbitration Rules allein auf die während des Schiedsverfahrens offengelegten oder produzierten Dokumente bezieht. Die Pflicht erstreckt sich nicht auf die Existenz des Schiedsverfahrens selbst.220

3. Bewertung Zu den Vertraulichkeitspflichten der Schiedsparteien nach diesen beiden Schiedsordnungen können zwei Beobachtungen gemacht werden. Die schiedsparteiliche Vertraulichkeitspflicht gem. Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules 2014 korreliert – wie noch genauer zu zeigen sein wird221 – mit 218  Theune, in: Schütze, Institutional Arbitration, 1. Auflage 2013, DIS Rules, Rn. 361; Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 117; Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 343. 219 Vgl. auch Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 3507; am Umfang zweifelnd: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 343. 220  Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 348; entgegen dem Wortlaut der (in sachlicher Hinsicht identischen) Vorgängervorschrift die Existenz des Schiedsverfahrens mit einbeziehend: Lew/Mistelis/Davies, in: Weigand, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Auflage 2009, Rn. 18.347. 221  Siehe unten § 3 F. IV., S. 101 ff.

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

der nach dem englischen common law bestehenden duty of confidentiality als implied term der Schiedsvereinbarung. Unterliegt die Schiedsvereinbarung deutschem Recht und haben die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung auf die DIS-Schiedsgerichtsordnung verwiesen, ist es genau umgekehrt. Grundsätzlich besteht bei Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland keine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht222, gem. § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung verpflichten sich die Schiedsparteien jedoch zu einer umfassenden Verschwiegenheit. Das bedeutet, dass die Schiedsparteien bei einem LCIA-Schiedsverfahren mit Sitz in London in Bezug auf die Vertraulichkeitspflicht nichts weiter als die nach dem common law ohnehin bestehende Rechtslage vereinbaren. Bei einem DIS-Schiedsverfahren mit Sitz in Frankfurt am Main kommt es hingegen in Bezug auf die Vertraulichkeitspflicht zu einer signifikanten Änderung der Rechtslage. Mit dem Verweis auf die DIS-Schiedsgerichtsordnung vereinbaren die Parteien eine echte schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht, nicht nur eine entsprechende schiedsvertragliche Last.

III.  Ausnahmen von einer vereinbarten Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien Selbst wenn die Parteien eine so umfassende Vertraulichkeitsverpflichtung wie die des § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung vereinbart haben, muss es Ausnahmen von dieser Pflicht geben.223 Solche Ausnahmen sind etwa dort denkbar, wo die Parteien der Schiedsvereinbarung gesetzlich dazu verpflichtet sind, Auskunft über das Schiedsverfahren zu geben. Ferner sollen Ausnahmen dort möglich sein, wo eine Partei aufgrund von anderen Vertragsverhältnissen zur Auskunft verpflichtet ist.

1.  Gesetzliche Ausnahmen a.  Ausnahmen innerhalb des deutschen Schiedsverfahrensrechts Innerhalb des deutschen Schiedsverfahrensrechts müssen grundsätzlich dort Ausnahmen von der Vertraulichkeitspflicht gelten, wo das zehnte Buch der ZPO die Anrufung staatlicher Gerichte zulässt. Das ist etwa im Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO und im Vollstreckungsverfahren nach § 1060 und § 1061 ZPO der Fall. Hier muss es der Schiedspartei, die den Schiedsspruch aufheben oder vollstrecken lassen will, ohne Verletzung der Vertraulichkeitspflicht möglich sein, dem staatlichen Gericht den Schiedsspruch vorzulegen.224 Ähnlich liegt es 222 

Siehe oben § 3 F. I. 2. b., S. 94 ff. Kühn/Gantenberg, in: Festschrift Schlosser, 2005, 461 (464); Prütting, in: Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 629 (635). 224  Kühn/Gantenberg, in: Festschrift Schlosser, 2005, 461 (464); Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2010, S. 246; Prütting, in: 223 Vgl.



F.  Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?

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im einstweiligen Rechtsschutz. Wenn das staatliche Gericht gem. § 1041 Abs. 2 ZPO auf Antrag einer Partei die einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts für vollziehbar erklären soll, wird es zwangsläufig von der Existenz des Schiedsverfahrens zwischen den Schiedsparteien und vom Inhalt eines innerhalb des Verfahrens erstellten Dokuments (der einstweiligen Anordnung) Kenntnis erlangen müssen.

b.  Ausnahmen im übrigen deutschen Recht Weitere Ausnahmen können gelten, wenn es sich bei einer oder bei beiden Schiedsparteien um börsennotierte Gesellschaften handelt.225 Diese sind gem. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG dazu verpflichtet, Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich zu veröffentlichen. Bei Insiderinformationen handelt es sich gem. § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG um Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände, die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Gesellschaft zu beeinflussen. Auch die Existenz eines Schiedsverfahrens ist eine Insiderinformation, die dementsprechend offenlegungspflichtig ist.226 Die Tatsache, dass die Gesellschaft als Partei in ein Schiedsverfahren involviert ist, kann aber auch im Rahmen von Rückstellungen nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB relevant werden. Zweck und Inhalt der Rückstellungen müssen gem. § 285 Nr. 12 HGB bei einem nicht unerheblichen Umfang erklärt werden.227 Dementsprechend muss die Existenz eines Schiedsverfahrens, das einen bedeutenden Einfluss auf die Bewertung des Unternehmens haben könnte, offengelegt werden.228 Das deutsche Wertpapierund Bilanzrecht setzt folglich einer vertraglich vereinbarten Vertraulichkeitspflicht im Schiedsverfahren Grenzen.

2.  Vertragliche Ausnahmen? Ausnahmen von der Vertraulichkeitspflicht sollen sich aber nach häufig vertretener Ansicht auch aus Vertrag ergeben können. So soll eine Schiedspartei beispielsweise dazu berechtigt sein, ihre Versicherung über die Existenz des Schiedsverfahrens und seinen Ausgang zu unterrichten, wenn die streitige

Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 629 (635); Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 299. 225  Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 193; Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 298. 226  Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 193; vgl. auch Kumpan, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage 2016, § 13 WpHG, Rn. 4. 227  Poelzig, in: Münchener Kommentar zum HGB, 3. Auflage 2013, § 285, Rn. 279. 228  Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 193.

100

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

Forderung versichert ist.229 Eine Ausnahme soll auch bei eventuellen Rückgriffsansprüchen des Unternehmers gegen den Subunternehmer gelten.230 Zunächst ist fraglich, ob die Grundlage für die Weitergabe von Informationen über das Schiedsverfahren an eine Versicherung überhaupt vertraglicher Natur ist. Es ist nämlich § 104 Abs. 2 S. 1 VVG zu beachten, der bestimmt, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen hat, wenn gegen ihn ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht wird. Dabei ist davon auszugehen, dass der Begriff „gerichtlich“ auch die Einleitung schiedsgerichtlicher Verfahren erfasst.231 Mithin handelt es sich bei dieser Ausnahme ebenfalls um eine gesetzliche. Darüber hinaus ist fraglich, ob sich aus Verträgen einer Schiedspartei mit Dritten Ausnahmen von der Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens ergeben können. Grundsätzlich spricht nichts dafür, solche vertraglichen Ausnahmen zuzulassen. Grund dafür ist die Relativität der Schuldverhältnisse. Nach diesem Grundsatz werden durch ein Schuldverhältnis nur die an ihm Beteiligten berechtigt und verpflichtet.232 Die Rechtsstellung Dritter bleibt hingegen unberührt.233 Wollte man die Relativität der Schuldverhältnisse außer Betracht lassen, würde das bedeuten, dass sich eine Partei durch den Abschluss von Verträgen mit Dritten beliebig viele Ausnahmen von ihrer Vertraulichkeitspflicht gegenüber der anderen Schiedspartei schaffen könnte. Das kann jedoch nicht sein. Grundsätzlich können daher nur solche Ausnahmen von der Vertraulichkeitspflicht zugelassen werden, die sich aus dem Gesetz ergeben. Wünschen die Parteien weitergehende Ausnahmen, müssen sie diese gesondert vereinbaren.

3.  Rechtsnatur der Ausnahmen Es bleibt zu klären, welche Rechtsnatur die dargestellten gesetzlichen Ausnahmen haben. Denkbar ist einerseits, dass es sich um tatbestandsausschließende Ausnahmen handelt, d. h., dass bei ihrem Eingreifen schon gar keine Vertraulichkeitspflichtverletzung vorliegt. Andererseits ist vorstellbar, dass es 229  Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Auflage 1999, Rn. 686; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 149; Kühn/ Gantenberg, in: Festschrift Schlosser, 2005, 461 (464); Oldenstam/von Pachelbel, SchiedsVZ 2006, 31 (34). 230 Siehe Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Auflage 1999, Rn. 686; Kühn/Gantenberg, in: Festschrift Schlosser, 2005, 461 (464). 231  Lücke, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage 2015, § 104, Rn. 12; im Ergebnis auch Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 197; hierzu schweigend: Langheid, in: Münchener Kommentar zum VVG, 2. Auflage 2017, § 104, Rn. 22. 232  Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Einl v § 241, Rn. 5; Mansel, in: Jauernig, BGB, 16. Auflage 2015, § 241, Rn. 4. 233  Mansel, in: Jauernig, BGB, 16. Auflage 2015, § 241, Rn. 4; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Einl v § 241, Rn. 5.



F.  Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?

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sich um Rechtfertigungsgründe handelt, die im Einzelfall eine Verletzung der Vertraulichkeitspflicht rechtfertigen. Bei der Einordnung ist auf den mutmaßlichen Willen der Parteien bei der Vereinbarung einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht abzustellen. In Bezug auf die nach dem deutschen Schiedsverfahrensrecht bestehenden Ausnahmen von der Vertraulichkeitspflicht ist zu bedenken, dass die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung eventuell gerade einen deutschen Schiedsort gewählt haben, um sich die zur Verfügung stehenden Unterstützungsmaßnahmen der deutschen Gerichte zu sichern. Der Rückgriff auf diese Unterstützungsmaßnahmen soll eine vereinbarte Vertraulichkeitspflicht schon gar nicht verletzen können. Das gilt auch für die nach dem übrigen deutschen Recht bestehenden Ausnahmen. Es handelt sich hier regelmäßig um zwingendes Recht, von dem die Parteien ohnehin nicht abweichen können. Daher ist davon auszugehen, dass die gesetzlichen Offenlegungspflichten schon vom Tatbestand der Vertraulichkeitspflicht ausgenommen sein sollen.234

IV.  Die Vertraulichkeitspflicht der Parteien nach englischem Schiedsverfahrensrecht In England war die Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien in den vergangenen Jahren wiederholt Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Diese Entscheidungen haben eine duty of confidentiality als implied term der Schiedsvereinbarung grundsätzlich anerkannt. Die englische Rechtsprechung soll in der Folge analysiert und die Reichweite und die Ausnahmen der duty of confidentiality nach englischem Recht erarbeitet werden.

1. Rechtsprechung Die englische Rechtsprechung zur Vertraulichkeitspflicht wurde bereits von Leisinger chronologisch dargestellt.235 Die vorliegende Arbeit kann sich deshalb kurz fassen. Nachdem der High Court im Jahre 1984 in The Eastern Saga zunächst die Nichtöffentlichkeit von Schiedsverfahren anerkannt hatte,236 ging es seit der Entscheidung des Court of Appeal in Dolling-Baker v. Merrett and Another ganz spezifisch um eine Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien in Bezug 234  So im Ergebnis auch Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 196. 235 Siehe Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 45 f., S. 131 ff.; siehe auch Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 119 ff. 236  Oxford Shipping Co. Ltd. v. Nippon Yusen Kaisha (The Eastern Saga), [1984] 2 Lloyd’s Law Reports 373 (379)(Q.B.D.); zuvor bereits die Chancery Division in Russell v. Russell, [1880] XIV Chancery Division 471 (474).

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§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

auf Dokumente, die im Laufe des Schiedsverfahrens offengelegt oder erstellt worden waren.237 Seit der Entscheidung des Court of Appeal in Ali Shipping Corporation v. Shipyard Trogir ist die Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien als implied term der Schiedsvereinbarung etabliert238 und wurde in der Folge in ständiger Rechtsprechung bestätigt.239 Die englische Rechtsprechung nimmt also an, dass die Vertraulichkeitspflicht der Parteien aus jeder Schiedsvereinbarung folgt, weil die Vertraulichkeit charakteristisch für (englische) Schiedsverfahren ist. Dies steht im Gegensatz zum deutschen Schiedsverfahrensrecht. Hier konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Parteien mit der Schiedsvereinbarung gleichzeitig auch das Handlungsgebot vereinbaren wollen, das Schiedsverfahren und damit in Zusammenhang stehende Dokumente vertraulich zu behandeln.

2.  Duty of confidentiality als implied term der Schiedsvereinbarung Im englischen Schiedsverfahrensrecht ist also anerkannt, dass eine Schiedsvereinbarung als implied term eine Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien enthält. Fraglich ist, wie weit die Vertraulichkeitspflicht reicht, und welche Ausnahmen gelten.

a.  Reichweite der duty of confidentiality Die sachliche Reichweite der schiedsparteilichen Vertraulichkeitspflicht wurde bereits in Dolling-Baker v. Merrett festgelegt. Lord Justice Parker führte aus, die Parteien seien dazu verpflichtet, „not to disclose or use for any other purpose any documents prepared for and used in the arbitration, or disclosed or produced in the course of the arbitration, or transcripts or notes of the evidence in the arbitration or the award, and indeed not to disclose in any other way what evidence had been given by any witness in the arbitration“240. Sachlich bezieht sich die Vertraulichkeitspflicht also auf alle im Schiedsverfahren offengelegten und produzierten Dokumente, einschließlich des Schiedsspruchs. Dies wurde in ständiger Rechtsprechung bestätigt.241 Daraus folgt auch, dass die Vertraulichkeitspflicht grundsätzlich nicht die Existenz des Schiedsverfahrens mitumfasst. 237  Dolling-Baker v. Merrett and Another, [1990] 1 Weekly Law Reports 1205 (1213) (C.A.): „An implied obligation arising out of the nature of arbitration itself“. 238  Ali Shipping Corporation v. Shipyard Trogir, [1998] 1 Lloyd’s Law Reports 643 (651, linke Spalte)(C.A.). 239  Emmott v. Michael Wilson & Partners Ltd., [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 616 (636, Rn. 129(viii))(C.A.); der UK Privy Council zweifelnd in Associated Electric and Gas Insurance Services Ltd. v. European Reinsurance Co., [2003] 1 Weekly Law Reports 1041 (1050, Rn. 20). 240  Dolling-Baker v. Merrett and Another, [1990] 1 Weekly Law Reports 1205 (1213). 241  Hassneh Insurance Company of Israel and Others v. Steuart J. Mew, [1993] 2 Lloyd’s



F.  Pflicht, die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren?

103

Persönlich gilt die Vertraulichkeitspflicht gegenüber jedem Dritten, der nicht an diesem Schiedsverfahren beteiligt ist.242 Damit gemeint ist die vom Schiedsverfahren ausgeschlossene Öffentlichkeit. Nach englischem Verständnis ist die Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien dabei das notwendige Korrelat zur Nichtöffentlichkeit („privacy“) des Schiedsverfahrens.243 Für die englischen Gerichte wäre nämlich ohne eine Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens aufgehoben: „The disclosure to a third party of such documents would be almost equivalent to opening the door of the arbitration room to that third party“244. Die zeitliche Reichweite der Vertraulichkeitspflicht wird in der englischen Rechtsprechung selten unmittelbar angesprochen. Man wird aber davon ausgehen können, dass die Vertraulichkeitspflicht in Bezug auf die genannten Dokumente gerade auch über den Abschluss des Schiedsverfahrens hinaus fortbesteht. Zwar hatte der Court of Appeal in Dolling-Baker v. Merrett angedeutet, dass die Vertraulichkeitspflicht eventuell einer zeitlichen Beschränkung unterliegt.245 Allerdings zeigen die zahlreichen englischen Entscheidungen, die das Einbringen von Dokumenten in Folgeverfahren untersagen bzw. nur in den noch zu besprechenden Ausnahmefällen zulassen,246 dass die Vertraulichkeitspflicht gerade auch über das Schiedsverfahren hinausreicht.

b.  Ausnahmen von der duty of confidentiality Von der duty of confidentiality gibt es fünf Ausnahmen. Die Gerichte stellen aber immer wieder fest, dass die genauen Grenzen dieser Ausnahmen noch nicht endgültig festgelegt seien. Law Reports 243 (247); Emmott v. Michael Wilson & Partners Ltd., [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 616 (629, Rn. 81). 242  Hassneh Insurance Company of Israel and Others v. Steuart J. Mew, [1993] 2 Lloyd’s Law Reports 243 (247, linke Spalte); Insurance Co. v. Lloyd’s Syndicate, [1995] 1 Lloyd’s Law Reports 272 (276, linke Spalte)(Q.B.D.); Ali Shipping Corporation v. Shipyard Trogir, [1998] 1 Lloyd’s Law Reports 643 (653, linke Spalte); Emmott v. Michael Wilson & Partners Ltd., [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 616 (636, Rn. 129(vi)). 243 So Dolling-Baker v. Merrett and Another, [1990] 1 Weekly Law Reports 1205 (1213); Hassneh Insurance Company of Israel and Others v. Steuart J. Mew, [1993] 2 Lloyd’s Law Reports 243 (247, linke Spalte); Ali Shipping Corporation v. Shipyard Trogir, [1998] 1 Lloyd’s Law Reports 643 (651, linke Spalte). 244  Hassneh Insurance Company of Israel and Others v. Steuart J. Mew, [1993] 2 Lloyd’s Law Reports 243 (247, linke Spalte). 245  Dolling-Baker v. Merrett and Another, [1990] 1 Weekly Law Reports 1205 (1213): „The fact that a document is used in an arbitration does not confer on it any confidentiality or privilege which can be availed of in subsequent proceedings“. 246  Hassneh Insurance Company of Israel and Others v. Steuart J. Mew, [1993] 2 Lloyd’s Law Reports 243 (252); Insurance Co. v. Lloyd’s Syndicate, [1995] 1 Lloyd’s Law Reports 272 (276, rechte Spalte); Ali Shipping Corporation v. Shipyard Trogir, [1998] 1 Lloyd’s Law Reports 643 (653, linke Spalte); Emmott v. Michael Wilson & Partners Ltd., [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 616 (637 f.).

104

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

Lord Justice Parker führte drei Ausnahmen bereits in Dolling-Baker v. Merrett ein. Danach könnten Dokumente offengelegt werden, wenn die Gegenseite zugestimmt (consent of the other party) oder wenn dies ein Gericht angeordnet (order of the court) oder erlaubt hat (leave of the court).247 In späteren Entscheidungen wurde hinzugefügt, eine Offenlegung sei auch dann möglich „when, and to the extent to which, it is reasonably necessary for the protection of the legitimate interests of an arbitrating party“248, also wenn es zum Schutz der berechtigten Interessen einer Schiedspartei vernünftigerweise erforderlich ist. Schließlich wurde aus der Entscheidung London & Leeds Estates Ltd. v. Paribas Ltd. (No. 2) abgeleitet, dass eine Ausnahme „in the public interest“, d. h. im öffentlichen Interesse, gemacht werden könne.249 Insbesondere die letztgenannte Ausnahme wurde in der Literatur kritisiert, weil sie die Interessen der Allgemeinheit mit den privaten Interessen der Schiedsparteien vermische, wobei es im Schiedsverfahren ausschließlich auf letztere ankomme.250 Es wird aber insbesondere die viertgenannte Ausnahme sein, die es den Schiedsparteien ermöglicht, ihre vernünftigen Interessen und Rechte wahrzunehmen. Durch diese Ausnahme kann beispielsweise ein Schiedsspruch im nachfolgenden Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren oder gegenüber Versicherern oder Subunternehmen offengelegt werden.

3. Zusammenfassung Nach englischem Schiedsverfahrensrecht besteht also grundsätzlich eine duty of confidentiality als implied term der Schiedsvereinbarung. Diese Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien bezieht sich auf alle Dokumente, die in das Schiedsverfahren eingebracht oder für dieses vorgelegt wurden, einschließlich des Schiedsspruchs. Dabei können jedoch Ausnahmen eingreifen. Insbesondere ist eine Offenlegung eines oder mehrerer Dokumente möglich, soweit dies zur Wahrnehmung der berechtigten Interessen einer Schiedspartei vernünftigerweise erforderlich ist. 247  Dolling-Baker v. Merrett and Another, [1990] 1 Weekly Law Reports 1205 (1213); so auch Ali Shipping Corporation v. Shipyard Trogir, [1998] 1 Lloyd’s Law Reports 643 (651, rechte Spalte). 248  Ali Shipping Corporation v. Shipyard Trogir, [1998] 1 Lloyd’s Law Reports 643 (651, rechte Spalte); so auch Hassneh Insurance Company of Israel and Others v. Steuart J. Mew, [1993] 2 Lloyd’s Law Reports 243 (249, rechte Spalte); Emmott v. Michael Wilson & Partners Ltd., [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 616 (636, Rn. 129(vi)); Justice Colman forderte zwischenzeitlich, dass die Offenlegung „unavoidably necessary“ sein musste: Insurance Co. v. Lloyd’s Syndicate, [1995] 1 Lloyd’s Law Reports 272 (275, rechte Spalte). 249  London & Leeds Estates Ltd. v. Paribas Ltd. (No. 2), [1995] 1 Estates Gazette Law Reports 102 (109)(Q.B.D.); Emmott v. Michael Wilson & Partners Ltd., [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 616 (635, Rn. 127). 250  Wittinghofer, SchiedsVZ 2009, 156 (160).



G. Fazit

105

V. Ergebnis Hat das Schiedsverfahren seinen Sitz in Deutschland, sind die Schiedsparteien grundsätzlich nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet. Eine solche Vertraulichkeitspflicht kann hier nur dann bestehen, wenn die Schiedsparteien dies individuell oder durch Verweis auf eine Schiedsordnung vereinbart haben. In England hingegen besteht eine Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien in Bezug auf im Schiedsverfahren offengelegte und erstellte Dokumente als implied term der Schiedsvereinbarung.

G. Fazit Zum Abschluss des dritten Kapitels und gleichzeitig des ersten Teils dieser Arbeit kann das folgende Fazit gezogen werden.

I.  Bewährung des Kriteriums zur Ableitung schiedsvertraglicher Pflichten Für das deutsche Schiedsverfahrensrecht kann zunächst festgehalten werden, dass sich das in § 2 hergeleitete Kriterium zur Abgrenzung schiedsvertraglicher Pflichten und Lasten bewährt hat. Schiedsvertragliche Pflichten waren demnach alle Handlungsgebote aus der Schiedsvereinbarung, hinsichtlich derer die schiedsvereinbarungstreue Partei ein Bedürfnis nach Erzwingbarkeit hat, weil sie durch die Nichtbefolgung des Handlungsgebotes durch die Gegenseite einen Nachteil erleidet. Benachteiligt sich eine Partei der Schiedsvereinbarung durch die Nichtbefolgung eines Handlungsgebotes hingegen ausschließlich selbst, ist eine schiedsvertragliche Last gegeben. Dort, wo der Gesetzgeber einen Mechanismus zur Verfügung gestellt hat, um das Fehlverhalten einer Partei zu sanktionieren, war für die Einordnung als schiedsvertragliche Last oder Pflicht zu fragen, ob der schiedsvereinbarungstreuen Partei dadurch alle Nachteile aus dem Fehlverhalten genommen werden. In § 3 konnten aus den beiden Definitionen die folgenden Pflichten und Lasten der Schiedsparteien abgeleitet werden. Mit dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung entsteht die schiedsvertragliche Pflicht, in Bezug auf Streitigkeiten, die von der Schiedsvereinbarung erfasst sind, keine staatlichen Gerichte anzurufen. Die Pflicht der Parteien bezieht sich sowohl darauf, Klagen vor deutschen als auch vor ausländischen Gerichten, zu unterlassen. Die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO kann der schiedsvereinbarungstreuen Partei nicht alle Nachteile aus einer schiedswidrigen Klage vor einem deutschen Gericht nehmen. Die Ausgestaltung als schiedsvertragliche Last reicht hier nicht aus. Die Parteien sind damit auch verpflichtet, gerichtliche Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung bzw. über die

106

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

Zuständigkeit des Schiedsgerichts außerhalb von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO zu unterlassen. Ist Schiedsklage erhoben worden, sind die Parteien nicht dazu verpflichtet, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken. Hierbei handelt es sich um eine schiedsvertragliche Last. Übt eine Schiedspartei ihr Recht zur Schiedsrichterbestellung nicht aus, nimmt das zuständige Oberlandesgericht der konstituierungswilligen Gegenseite mit dem Verfahren nach § 1035 ZPO alle pflichtbegründenden Nachteile. Beide Parteien der Schiedsvereinbarung sind verpflichtet, einen gleichen Anteil am Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen. Über die Zahlung des Kostenvorschusses hinaus sind die Schiedsparteien nicht verpflichtet, sich am Schiedsverfahren zu beteiligen. Beim Einreichen von Schriftsätzen und der Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen handelt es sich um schiedsvertragliche Lasten. Es entstehen der Gegenseite keine Nachteile, wenn eine Schiedspartei ihre Rechte im Schiedsverfahren nicht wahrnimmt – das Schiedsverfahren wird dann gem. § 1048 ZPO fortgesetzt oder beendet. Entscheiden sich die Schiedsparteien dafür, sich am Schiedsverfahren zu beteiligen, stehen sie allerdings unter der schiedsvertraglichen Pflicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag. In Bezug auf Anordnungen des Schiedsgerichts ist zu differenzieren. Konkretisiert das Schiedsgericht mit einer Anordnung eine bereits bestehende schiedsvertragliche Pflicht, sind die Schiedsparteien verpflichtet, sich daran zu halten. Eine Pflicht zur Einhaltung besteht auch in Bezug auf einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts. Hier hat der Gesetzgeber den Parteien zwar mit § 1041 Abs. 2 ZPO einen Mechanismus zur Verfügung gestellt, mit dem versucht werden kann, die einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts zu erzwingen. § 1041 Abs. 2 ZPO vermag es aber nicht, einer Partei alle Nachteile zu nehmen, wenn die Gegenseite die einstweilige Anordnung nicht befolgt. Bei allen weiteren Anordnungen des Schiedsgerichts ist die Einhaltung eine schiedsvertragliche Last, es sei denn, die Anordnung ergeht als Teilschiedsspruch. Ferner gibt es keine generelle Pflicht zur Einhaltung der vereinbarten Verfahrensordnung. Pflichten bestehen hier nur, soweit sich diese tatsächlich aus der Verfahrensordnung ergeben. Diese kann auch Lasten begründen. Ob eine Pflicht oder eine Last besteht, ist im Zweifel über das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit zu bestimmen. Die Frage, welche Fassung der Schiedsordnung gilt, hat hingegen nichts mit Pflichten oder Lasten der Parteien zu tun, sondern allein mit der Auslegung der Schiedsvereinbarung. Die Befolgung des Schiedsspruchs ist schiedsvertragliche Pflicht. Zwar hat der Gesetzgeber auch hier mit der Vollstreckbarerklärung gem. § 1060 ZPO ein Verfahren in die ZPO integriert, mit dem die zwangsweise Durchsetzung des Schiedsspruchs eingeleitet werden kann. Jedoch kann § 1060 ZPO in Verbindung mit dem deutschen Zwangsvollstreckungsrecht nicht gewährleisten,



G. Fazit

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dass der Schiedsspruch auch tatsächlich vollständig durchgesetzt wird. Mithin verbleiben bei der obsiegenden Schiedspartei Nachteile, wenn die unterlegene Schiedspartei den Schiedsspruch nicht befolgt. Hingegen besteht bei einem deutschen Schiedsort grundsätzlich keine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht. Hierfür fehlt es bereits an einem entsprechenden Handlungsgebot aus der Schiedsvereinbarung, das Schiedsverfahren vertraulich zu behandeln. Den Parteien steht es jedoch frei, eine Vertraulichkeitspflicht individuell zu vereinbaren. Diese ist dann eine echte schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht, nicht nur eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitslast. In § 3 konnte mithin ein umfassender Katalog an schiedsvertraglichen Pflichten und Lasten der Parteien erstellt werden. Diese sind wie folgt gegenüberzustellen: Schiedsvertragliche Pflichten

Schiedsvertragliche Lasten

– Keine staatlichen Gerichte anrufen – Anteil an den Kosten des Schiedsverfahrens vorschießen – Wahrheitsgemäß vortragen – Einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts befolgen – Schiedsspruch befolgen – (Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens wahren – nur, falls gesondert vereinbart)

– Schiedsrichter bestellen – Am Schiedsverfahren beteiligen: Schriftsätze einreichen, an den mündlichen Verhandlungen teilnehmen, Beweise führen – Dokumente vorlegen – Anordnungen des Schiedsgerichts befolgen, die keine schiedsvertraglichen Pflichten konkretisieren

II.  Konsequenz: Ablehnung der bisherigen Kriterien zur Beschreibung von Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung Daraus, dass sich das in § 2 postulierte Bedürfnis nach Erzwingbarkeit als Abgrenzungskriterium bewährt hat, folgt, dass die anderen derzeit bestehenden Modelle zur Abgrenzung von Pflichten und Lasten der Schiedsparteien abzulehnen sind. Das gilt zunächst einmal für das Abgrenzungskriterium der Einklagbarkeit vor staatlichen Gerichten. Würde man nur dort Pflichten anerkennen, wo sich ein Handlungsgebot tatsächlich vor einem staatlichen Gericht erzwingen lässt, wären Pflichten da zu verneinen, wo welche bestehen müssen. Das zeigt beispielsweise die Pflicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag, die nicht unmittelbar durchgesetzt werden kann. Zudem ist mit Blick auf § 5 dieser Arbeit noch gar nicht klar, ob und wie schiedsvertragliche Pflichten überhaupt unmittelbar vor staatlichen Gerichten durchgesetzt werden können. Wie noch genauer zu zeigen sein wird, steht einer Durchsetzung von schiedsvertraglichen Pflichten vor staatlichen Gerichten grundsätzlich die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1

108

§ 3  Schiedsvertragliche Pflichten und Lasten

ZPO entgegen.251 Beruft man sich auf die tatsächliche Durchsetzbarkeit von Handlungsgeboten vor staatlichen Gerichten als Kriterium für die Annahme einer Pflicht, würde dies im Zusammenspiel mit § 1032 Abs. 1 ZPO dazu führen, dass die Schiedsvereinbarung für die Schiedsparteien überhaupt keine Pflichten begründet. Das kann jedoch nicht sein.252 Schließlich hören die Pflichten der Parteien aus dem materiellen Hauptvertrag auch nicht auf, Pflichten zu sein, nur weil sich diese wegen der Schiedsvereinbarung und der Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO nicht mehr vor einem staatlichen Gericht einklagen lassen. Schließlich muss auch die These, die Schiedsvereinbarung begründe für die Schiedsparteien umfassende Verfahrensförderungspflichten, Mitwirkungspflichten und Loyalitätspflichten, fallen gelassen werden. Schiedermair schrieb bereits im Jahre 1935, die Schiedsvereinbarung enthalte „auch nicht das Versprechen alles zu tun, was nötig ist, um den Schiedsspruch herbeizuführen“253. Für die Annahme einer solchen Pflicht bestehe schlicht kein Bedürfnis.254 Tatsächlich ist nicht ersichtlich, warum diese Generalklauseln beibehalten werden sollten, wenn sie keinerlei Anhaltspunkte dafür liefern, wann eine Pflicht der Schiedsparteien anzunehmen ist.255

III.  Ergebnis und Ausblick Eine Schiedsvereinbarung begründet nach deutschem Recht nach der hier vertretenen Auffassung allein fünf schiedsvertragliche Pflichten: keine Anrufung staatlicher Gerichte, anteilige Zahlung des Kostenvorschusses, wahrheitsgemäßer Sachvortrag, Befolgung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts sowie die Befolgung des Schiedsspruchs. Welche Rechtsfolgen die Verletzung der fünf schiedsvertraglichen Pflichten hat, wird im nachfolgenden zweiten Teil dieser Arbeit untersucht.

251 

Siehe unten § 5 C., S. 168 ff. Zur Notwendigkeit von schiedsvertraglichen Pflichten im Schiedsverfahren, siehe oben § 2 D. III., S. 26 f. 253  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 108. 254 Siehe Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 109 – Schiedermairs Argumentation hatte selbstredend einen anderen Zweck, nämlich zu belegen, dass die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag überhaupt keine Pflichten begründet. Die Auffassung, dass Prozessverträge keine Pflichten begründen können, muss jedoch als widerlegt gelten: Siehe dazu bereits oben § 2 B. II., S. 18. 255  Siehe dazu bereits oben § 2 C. I. 2., S. 20 f. 252 

Teil II

Rechtsfolgen bei der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten Nachdem in Teil I dieser Arbeit die Existenz schiedsvertraglicher Pflichten hergeleitet und konkrete Pflichten abgeleitet wurden, sollen im nachfolgenden Teil II die Rechtsfolgen ihrer Verletzung untersucht werden. Dabei wird es zunächst darum gehen, ob eine Pflichtverletzung einer Partei einen Anspruch der Gegenseite auf Schadensersatz auslöst (§ 4). Darüber hinaus ist klärungsbedürftig, ob schiedsvertragliche Pflichten (und gegebenenfalls bestehende Schadensersatzansprüche) vor den staatlichen Gerichten durchgesetzt werden können (§ 5) oder im Schiedsverfahren geltend gemacht werden müssen (§ 6). In diesem Zusammenhang muss insbesondere geklärt werden, ob einer Durchsetzung vor den staatlichen Gerichten die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO entgegensteht. Das würde voraussetzen, dass die schiedsvertraglichen Pflichten selbst von der Schiedsvereinbarung gedeckt sind und deshalb der Zuständigkeit des Schiedsgerichts unterfallen. Schließlich muss auch untersucht werden, ob und unter welchen Voraussetzungen sich Parteien aufgrund einer Pflichtverletzung von der Schiedsvereinbarung lösen können (§ 7).

§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten Dieses erste Kapitel zu den Rechtsfolgen einer schiedsvertraglichen Pflichtverletzung widmet sich dem Schadensersatz. Es muss untersucht werden, ob eine Partei einer Schiedsvereinbarung schadensersatzpflichtig wird, wenn sie vor einem staatlichen Gericht klagt, ihren Anteil am Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens nicht bezahlt, nicht wahrheitsgemäß vorträgt, sich nicht an einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts hält oder den Schiedsspruch nicht befolgt. Dabei beschränkt sich diese Untersuchung auf (schieds-)vertragliche Schadensersatzansprüche. Deliktische Anspruchsgrundlagen werden nicht behandelt. In Rechtsprechung1 und Literatur2 wird die Auffassung vertreten, dass sich eine Schiedspartei durch die Verletzung von Pflichten aus der Schiedsvereinbarung schadensersatzpflichtig macht. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings sind bei einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten im Tatbestand des Schadensersatzanspruchs Besonderheiten zu beachten (A.). Ferner kann sich die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs bei einer Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht und der Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, problematisch gestalten (B.).

1 

RG, JW 1916, 580 (581). Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968, S. 266; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 39; Illmer/Naumann, ASA Bulletin 26 (2008), 820 (825); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 59; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26; siehe auch Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 119; Trittmann/Hanefeld, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, § 1029 ZPO, Rn. 43; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 74; Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (277); Wolff, SchiedsVZ 2015, 280 (281 f.); Gerstenmaier, in: Festschrift Elsing, 2015, 153 (154). 2 

112

§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs Ist deutsches Recht das Schiedsvereinbarungsstatut3, richtet sich der Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift ist jedenfalls als allgemeiner Rechtsgrundsatz auf die Schiedsvereinbarung entsprechend anzuwenden.4 Für den haftungsbegründenden Tatbestand ist es demnach erforderlich, dass eine Partei einer Schiedsvereinbarung eine Pflichtverletzung begangen und diese auch zu vertreten hat. Der haftungsausfüllende Tatbestand ist dann erfüllt, wenn der anderen Partei der Schiedsvereinbarung durch diese Pflichtverletzung adäquat-kausal ein Schaden entstanden ist.

I.  Pflichtverletzung Als erste Voraussetzung von § 280 Abs. 1 BGB ist es erforderlich, dass eine Partei eine Pflicht aus der Schiedsvereinbarung verletzt. Geht man wie ein Teil der Rechtsliteratur davon aus, dass die Schiedsvereinbarung überhaupt keine Pflichten begründet,5 scheitert ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB selbstredend bereits an dieser Voraussetzung, weil die Parteien gar keine Pflichten verletzen können. Diese Ansicht wird nach der hier vertretenen Auffassung jedoch abgelehnt.6 Stattdessen kommen die in § 3 dieser Arbeit abgeleiteten fünf schiedsvertraglichen Pflichten als Anknüpfungspunkt für einen Schadensersatzanspruch in Betracht. Hinzutreten können gegebenenfalls weitere, im Einzelfall bestehende Pflichten. Diese können unter anderem dadurch entstehen, dass die Schiedsparteien in ihrer Schiedsvereinbarung auf eine Schiedsordnung verweisen, die sie zu mehr verpflichtet, als das unter einer Schiedsvereinbarung nach deutschem Schiedsverfahrensrecht der Fall ist. In § 3 dieser Arbeit wurde als Beispiel für eine solche nur im Einzelfall bestehende Pflicht die schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht beschrieben.7 Grundsätzlich ist eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB also dann gegeben, wenn eine Partei ein staatliches Gericht in einer Sache anruft, 3 

Zur Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts siehe unten § 8 A., S. 251 ff. Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 39; Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 255; ebenso: Manner/Mosimann, in: Festschrift Schwenzer II, 2011, 1197 (1201 f.). 5  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 107–109; Bucher, in: Festschrift Schlosser, 2005, 97 (99); Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 20; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 176; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 442. Siehe zum Meinungsstand oben § 2 A. II. 2. a., S. 14. 6  Siehe ausführlich § 2 B., C., S. 17 ff. 7  Siehe oben § 3 F., S. 91 ff. 4 



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

113

die der Schiedsvereinbarung unterfällt oder außerhalb von § 1032 Abs. 2 ZPO und § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO ein staatliches Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung anstrengt. Eine Pflichtverletzung ist auch gegeben, wenn eine Partei im Schiedsverfahren einen unwahren oder verfälschend unvollständigen Sachverhalt vorträgt. Ferner verletzt eine Partei eine schiedsvertragliche Pflicht, wenn sie sich nicht an eine einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts hält oder den Schiedsspruch nicht befolgt. Schließlich stellt es eine Pflichtverletzung dar, wenn eine Schiedspartei ihren Anteil am Kostenvorschuss nicht bezahlt. Ist eine Schiedspartei vermögenslos, ist ihre Zahlungspflicht – wie auch sonst bei Geldforderungen – nicht gem. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.8 Somit stellt sich gar nicht erst die Frage, ob der Anspruch hier unter Umständen auf § 280 Abs. 1, 3 i. V. m. § 283 BGB zu stützen ist. Es bleibt bei § 280 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage. Haben die Parteien eine Vertraulichkeitspflicht vereinbart, hängt die Frage der Pflichtverletzung von der vereinbarten Reichweite dieser Pflicht ab. Bei einem LCIA-Schiedsverfahren liegt eine Pflichtverletzung vor, wenn die in Art. 30.1 LCIA-Schiedsordnung genannten Dokumente Dritten zugänglich gemacht werden. Hingegen wird eine Schiedspartei bei einem DIS-Schiedsverfahren nach § 43.1 DIS-Schiedsordnung schon dann eine Pflichtverletzung begehen, wenn sie Dritte über die Existenz des Schiedsverfahrens informiert. Allerdings können die in dieser Arbeit dargestellten gesetzlichen Ausnahmen von der Vertraulichkeitspflicht eingreifen, sodass in diesen Fällen schon gar keine Pflichtverletzung gegeben ist.9

II.  Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung der Pflichtverletzung? Einer in der Rechtsliteratur vertretenen Auffassung nach muss die Pflichtverletzung für einen vertraglichen Schadensersatz auch rechtwidrig sein. Im Einzelfall soll eine Pflichtverletzung gerechtfertigt sein können. Allerdings ist zweifelhaft, ob im Rahmen von § 280 Abs. 1 BGB die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung überhaupt gesondert festgestellt werden muss.

1.  Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung als Voraussetzung von § 280 Abs. 1 BGB? Seit einem Aufsatz von Zeiss aus dem Jahre 196710 wird gelegentlich vertreten, dass bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer

8 

Siehe oben § 3 C. III. 3., S. 59. Vgl. oben § 3 F. III., S. 98 ff. 10  Zeiss, NJW 1967, 703 (703). 9 

114

§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarung die Pflichtverletzung zusätzlich auch rechtswidrig sein müsse.11 Es kann bezweifelt werden, ob das tatsächlich so ist. Der Beitrag von Zeiss muss nämlich im historischen Kontext seiner Veröffentlichung betrachtet werden. Zeiss machte seine Ausführungen zur Rechtswidrigkeit bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen aus prozessualem Verhalten 1967 zum alten deutschen Schuldrecht im Rahmen der positiven Vertragsverletzung.12 Der ungeschriebene Tatbestand der positiven Vertragsverletzung wurde durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz13 zum 1. Januar 2002 durch den heutigen § 280 Abs. 1 BGB ersetzt.14 Der Wortlaut von § 280 Abs. 1 BGB kennt aber allein Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Vertretenmüssen und Schaden als Tatbestandsvoraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch. Es ist keine Rede davon, dass die Pflichtverletzung auch rechtswidrig sein muss. Demgegenüber wird im Deliktsrecht die Rechtswidrigkeit im Wortlaut von § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannt („widerrechtlich“). Sie ist deshalb im Rahmen dieses Anspruchs als gesondertes Tatbestandsmerkmal zu prüfen. Es ist aber nicht ersichtlich, warum auch bei der Existenz einer rechtsgeschäftlichen Sonderverbindung innerhalb von § 280 Abs. 1 BGB über die Pflichtwidrigkeit hinaus eine gesonderte Rechtswidrigkeitsprüfung erfolgen müsste. Grundsätzlich ist im heutigen Leistungsstörungsrecht davon auszugehen, dass die objektive Pflichtwidrigkeit gleichbedeutend mit der Rechtswidrigkeit ist.15 Es ist also nicht erforderlich, im Rahmen von § 280 Abs. 1 BGB zusätzlich zur Pflichtwidrigkeit noch eine Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung zu prüfen bzw. positiv festzustellen.

2.  Rechtfertigung von Klagen vor staatlichen Gerichten? Für Schieds- bzw. ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen diskutieren Köster und Peiffer, ob die Verletzung der Pflicht, Klagen vor (bestimmten) staatlichen Gerichten zu unterlassen, dennoch gerechtfertigt sein kann.16 Eine 11 So Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA, 2001, S. 87; Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten, 2008, S. 168; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 435; Sachs/Peiffer, in: Festschrift Coester-Waltjen, 2015, 713 (716); siehe auch: Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr, 2007, S. 225. Zur Rechtswidrigkeit bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung von Prozessverträgen schweigend: Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 254–259. 12  Zeiss, NJW 1967, 703 (703, 706). 13  BGBl. I 2001, 3138. 14  Huber, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, S. 18; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 280, Rn. 1. 15  Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 276, Rn. 8; Grundmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 276, Rn. 16; so schon zum alten Schuldrecht: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, 14. Auflage 1987, § 20 IV, S. 288. 16  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA, 2001, S. 87–94; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 435–437.



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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Rechtfertigung soll deshalb in Betracht kommen, weil der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, dass die Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens grundsätzlich rechtmäßig ist.17 Potentielle Kläger dürften durch drohende Schadensersatzansprüche von Beklagten wegen der Verfahrenseinleitung nicht davon abgeschreckt werden, ihren Anspruch gerichtlich geltend zu machen, da dies den Rechtsschutz in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise einenge.18 Dabei ist zu beachten, dass sich diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausschließlich mit Fällen befasst, in denen sich das im Gerichtsverfahren geltend gemachte materielle Begehren des Klägers als unbegründet erweist.19 In keiner der dargestellten Entscheidungen hatten die Parteien eine Schiedsoder ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen. Damit sind diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs von der hier zu untersuchenden Konstellation grundsätzlich verschieden. Die Haftung einer Partei für die Einleitung eines staatlichen Gerichtsverfahrens ist ohne Schiedsvereinbarung selbstverständlich anders zu beurteilen als mit. Denn mit dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung haben sich die Parteien dazu verpflichtet, im Falle von Streitigkeiten eben gerade keine staatlichen Gerichte einzuschalten. Hier ist jede Anrufung staatlicher Gerichte außerhalb der in § 3 A. II. 3. dieser Arbeit definierten Verfahren eine Pflichtverletzung.20 Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist dies unproblematisch, da den Parteien mit dem Schiedsgericht stets ein Forum offen steht, in dem sie ihre Rechte ohne das Risiko einer Schadensersatzhaftung geltend machen können.21

3. Zwischenergebnis Für einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung muss die Rechtswidrigkeit nicht gesondert festgestellt werden. Es genügt, wenn eine Schiedspartei eine schiedsvertragliche Pflicht verletzt.

III. Vertretenmüssen Verletzt eine Partei eine schiedsvertragliche Pflicht, muss sie diese Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auch zu vertreten haben. Aus § 276 Abs. 1 17  Siehe BGHZ 36, 18 (20); 74, 9 (13); 118, 201 (206); 154, 269 (271); BGH, NJW 2008, 1147 (1147); NJW 2009, 1262 (1262 f.). 18  Siehe BGHZ 74, 9 (15); 154, 269 (272); BGH, NJW 2008, 1147 (1147); NJW 2009, 1262 (1263). 19  Vgl. BGHZ 36, 18 ff.; 74, 9 ff.; 154, 269 ff. 20  Siehe oben § 3 A. II. 3., S. 44 ff. 21  Sachs/Peiffer, in: Festschrift Coester-Waltjen, 2015, 713 (718); vgl. auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 441.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

S. 1 BGB folgt, dass die Schiedsparteien Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten haben. Als Vorsatz ist dabei das Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolgs zu verstehen.22 Fahrlässig handelt gem. § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Grundsätzlich wird das Vertretenmüssen bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen kein Problem sein. Eine Schiedspartei, die entgegen ihrer schiedsvertraglichen Pflicht ein staatliches Gericht anruft, wird zumindest fahrlässig handeln, selbst wenn sie davon ausgeht, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist.23 Eine Schiedspartei, die ihren Anteil am Kostenvorschuss nicht bezahlt, sich nicht an einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts hält oder den Schiedsspruch nicht befolgt, wird regelmäßig vorsätzlich handeln. Auch die Offenlegung von Informationen über das Schiedsverfahren oder im Schiedsverfahren produzierte Dokumente wird überwiegend vorsätzlich geschehen. Fraglich ist, ob für die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht auch der Maßstab der einfachen Fahrlässigkeit gem. § 276 Abs. 2 BGB gelten kann. Für die gem. § 138 Abs. 1 ZPO im Zivilprozess geltende Wahrheitspflicht haben Henckel und Wagner nämlich herausgearbeitet, dass ein Schadensersatzanspruch wegen einer nur fahrlässigen Pflichtverletzung problematisch sein kann.24 Jede auch nur leicht fahrlässig falsch herbeigeführte Entscheidung könnte durch einen Schadensersatz beseitigt, und damit die Rechtskraft vollständig aus den Angeln gehoben werden.25 Demgegenüber würde eine Beschränkung auf rein vorsätzliches Handeln lediglich die allgemeine Haftung für Prozessbetrug gem. § 263 StGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB verdoppeln.26 Letzteres wird in der Regel als das geringere Übel angesehen. Dementsprechend wird für die Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO vertreten, dass sie nur bei vorsätzlichem Handeln eingreift, d. h. nur die bewusste Lüge verbietet.27 Hopt 22  Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 276, Rn. 10; Stadler, in: Jauernig, BGB, 16. Auflage 2015, § 276, Rn. 15; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, 14. Auflage 1987, § 20 II, S. 279. 23 Vgl. Manner/Mosimann, in: Festschrift Schwenzer II, 2011, 1197 (1202); Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 442 f. 24  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 298 f.; Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 259; siehe auch Prange, Materiell-rechtliche Sanktionen bei Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht durch Zeugen und Parteien, 1995, S. 27. 25  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 298 f.; Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 259. 26  Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 259; siehe auch Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 297. 27  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 298; Prange, Materiell-rechtliche Sanktionen bei Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht durch Zeugen und Parteien, 1995, S. 32; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 65, Rn. 63; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 138, Rn. 2; Fritsche, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 138, Rn. 2.



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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hingegen ist der Auffassung, dass auch bei einfacher Fahrlässigkeit die Wahrheitspflicht verletzt ist.28 Auch für die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht stellt sich die Frage, ob die Parteien nur vorsätzliche oder auch schon fahrlässige Pflichtverletzungen zu vertreten haben. Für eine Beschränkung des Schadensersatzes auf vorsätzliche Verletzungen der Wahrheitspflicht spricht, dass sie regelmäßig nicht bewusst und gewollt, sondern vielmehr aus Gedankenlosigkeit oder Vergesslichkeit erfolgen.29 Das ändert aber nichts an der Vermeidbarkeit und Folgenschwere des Fehlers.30 Auch eine nur fahrlässig falsche oder verfälschend unvollständige Erklärung kann eine fundamental unrichtige Entscheidung des Schiedsgerichts verursachen. Die Haftung kann also nicht erst beim Vorsatz beginnen. Gegen eine Haftung für lediglich fahrlässige Pflichtverletzungen spricht allerdings, dass auch im Schiedsverfahren der richtige Sachverhalt erst noch ermittelt werden muss. Dass sich dabei die Parteien in ihren Schilderungen zumindest teilweise widersprechen, ist ein natürlicher Vorgang. Schließlich liegt es im Wesen des Streits, dass entgegengesetzte und einander ausschließende Auffassungen unter Umständen mit Heftigkeit aufeinanderstoßen.31 Mithin ist es geboten, auch den Schadensersatz für lediglich fahrlässige Verletzungen der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht auszuschließen. Richtigerweise muss das Verschulden bei der schiedsvertraglichen Wahrheitspflichtverletzung dort beginnen, wo der Vortrag einer Schiedspartei „ins Blaue hinein“ bzw. „aufs Geratewohl“ erfolgt. Das ist dann der Fall, wenn eine Partei eine Behauptung aufstellt, an die sie im Grunde selbst nicht glaubt.32 Das Verschulden setzt bei der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht also zumindest grob fahrlässiges Verhalten voraus. Grobe Fahrlässigkeit ist dort anzunehmen, wo die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und das unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.33 Somit hat eine Schiedspartei eine Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht zu vertreten, wenn sie eine Erklärung vorsätzlich wider besseres Wissen oder grob fahrlässig nicht entsprechend ihrer Erinnerung abgibt oder Tatsachen verschweigt, die den Sachverhalt verfälschen.

28 

Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968, S. 272 f.; ebenso Titze, in: Festschrift Schlegelberger, 1936, 165 (180). 29 Siehe Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 138, Rn. 2. 30  Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 138, Rn. 2. 31  BGHZ 23, 198 (201 f.). 32  Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 138, Rn. 17. 33 RGZ 141, 129 (131); 166, 98 (101 f.); BGHZ 10, 14 (16); BGH, NJW 2007, 2988 (2989); BGH, NJW-RR 2014, 90 (92).

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

IV. Schaden Ist der haftungsbegründende Tatbestand des § 280 Abs. 1 BGB erfüllt, müsste der Partei der Schiedsvereinbarung schließlich auch ein Schaden entstanden sein. Unter einem Schaden nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB ist jede unfreiwillige Vermögenseinbuße im Sinne der §§ 249 ff. BGB zu verstehen, die adäquatkausal auf der Pflichtverletzung der Gegenseite beruht.34 Die Ermittlung dieses Schadens erfolgt nach der sog. Differenzhypothese. Danach ist eine Partei so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Gegenseite ihre Pflicht ordnungsgemäß erfüllt hätte.35 Da mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung nicht nur eine Pflicht entsteht, sondern mehrere, müssen die in Betracht kommenden Schäden für jede schiedsvertragliche Pflichtverletzung getrennt beurteilt werden.

1.  Klage vor einem staatlichen Gericht Zuerst soll untersucht werden, ob einer Partei ein Schaden entsteht, wenn die Gegenseite ihre schiedsvertragliche Pflicht verletzt, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen. Hier muss zunächst einmal ermittelt werden, welche Faktoren in die Schadensberechnung im Rahmen der Differenzhypothese einzubeziehen sind (a.). Danach sollen bei der konkreten Schadensermittlung zwei Konstellationen unterschieden werden: Die erste Konstellation bildet den Fall, dass sich das angerufene Gericht für unzuständig erklärt (b.). In der zweiten Konstellation hält sich das angerufene Gericht trotz Erhebung der Schiedseinrede für zuständig und entscheidet in der Sache (c.).

a.  Differenzhypothese – Die Frage nach der pflichtgemäßen Erfüllung Auch bei der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, ist der Schaden der beklagten Partei der Schiedsvereinbarung über die Differenzhypothese zu ermitteln. Danach ist die beklagte Partei so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Gegenseite ihre schiedsvertragliche Pflicht ordnungsgemäß erfüllt hätte. Aus der existierenden Rechtsliteratur ergibt sich allerdings die Frage, ob bei der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, im Rahmen der Differenzhypothese weitere Faktoren mit zu berücksichtigen sind.

34 Siehe Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, 14. Auflage 1987, § 27 II, S. 426; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 280, Rn. 31. 35 RGZ 91, 30 (34); Schwarze, in: Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 1, 2014, § 280, Rn. E4, E27; Unberath, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Auflage 2012, § 280, Rn. 41.



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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aa.  Rechtsliteratur zur Verletzung von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen Schlosser, Mankowski und Peiffer haben mögliche Schäden bereits für die Verletzung von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen beschrieben.36 Dort stellt sich ähnlich zur hier zu untersuchenden Schiedsvereinbarung die Frage, welcher Schaden entsteht, wenn eine Partei der Gerichtsstandsvereinbarung vor einem derogierten Gericht klagt, obwohl nach der Vereinbarung das prorogierte Gericht ausschließlich zuständig sein sollte. Denkbare Schadensposten sind die in dem Verfahren im derogierten Forum entstehenden Kosten sowie ein eventuell in der Sache ergehendes Urteil des derogierten Gerichts.37 Streitig ist, wie diese Schadenspositionen konkret zu ermitteln sind. Mankowski und Peiffer zufolge soll die Partei der Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen der Differenzhypothese so gestellt werden, wie sie stünde, wenn die Gegenseite nicht in dem derogierten Forum, sondern im prorogierten Forum geklagt hätte.38 Beide plädieren dafür, die Kosten eines hypothetischen Verfahrens vor und ein hypothetisches Urteil des prorogierten Gerichts mit in die Berechnung des Schadens einzubeziehen.39 Schlossers Auffassung nach ist hingegen allein maßgebend, wie das Gericht, das wegen des Schadensersatzanspruchs angerufen wurde, den Fall entschieden hätte.40 Für den Schaden aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung soll also entweder darauf abgestellt werden können, wie das prorogierte Gericht oder wie das für den Schadensersatz angerufene Gericht denselben Streit entschieden hätte.

bb.  Übertragbarkeit auf die Schiedsvereinbarung? Fraglich ist, ob diese beiden Ansätze auf die Schiedsvereinbarung übertragen werden können. Dabei ist zunächst zu klären, ob der Ansatz von Mankowski und Peiffer auf der einen Seite und der von Schlosser auf der anderen bei der Schiedsvereinbarung überhaupt auseinanderfallen. Bei der Schiedsvereinbarung ist – wie noch ausführlich gezeigt werden wird – für die Entscheidung von schiedsvertraglichen Streitigkeiten nämlich ausschließlich ein Schiedsgericht 36  Schlosser, in: Liber Amicorum Lindacher, 2007, 111 (119 ff.); Mankowski, IPRax 2009, 23 (28 f.); Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 458 ff. 37 Siehe Schlosser, in: Liber Amicorum Lindacher, 2007, 111 (119); Mankowski, IPRax 2009, 23 (29). 38  Mankowski, IPRax 2009, 23 (29); Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 462; nunmehr mit dem gleichen Ansatz auch für die Schadensberechnung bei der Verletzung von Schiedsvereinbarungen: Sachs/Peiffer, in: Festschrift Coester-Waltjen, 2015, 713 (720). 39  Mankowski, IPRax 2009, 23 (29); Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 464; siehe auch: Sachs/Peiffer, in: Festschrift Coester-Waltjen, 2015, 713 (720). 40  Schlosser, in: Liber Amicorum Lindacher, 2007, 111 (121).

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

zuständig.41 Dieses entscheidet also nicht nur über die materiell-rechtlichen Ansprüche der Parteien aus dem Hauptvertrag, sondern auch über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten. Mithin ist das von den Parteien „prorogierte“ Forum für materiell-rechtliche Streitigkeiten und das für den Schadensersatz aus der Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht anzurufende Forum bei der Schiedsvereinbarung identisch. Es ist in beiden Fällen das Schiedsgericht. Das bedeutet, dass die Ansätze von Schlosser, Mankowski und Peiffer bei der Schiedsvereinbarung auf dieselbe Frage hinauslaufen: Das mit dem Schadensersatz befasste Schiedsgericht müsste sich fragen, ob das für die Streitigkeit prorogierte Forum, d. h. es „selbst“, in einem hypothetischen Schiedsverfahren in derselben Streitigkeit genauso wie das schiedsvereinbarungswidrig angerufene staatliche Gericht entschieden hätte und welche Kosten in diesem hypothetischen Schiedsverfahren entstanden wären.

cc.  Schiedsklage in derselben Sache als zu berücksichtigender Faktor in der Differenzhypothese Nun muss allerdings noch geklärt werden, warum Kosten und Ausgang eines hypothetischen Schiedsverfahrens in derselben Streitigkeit überhaupt mit in die Schadensberechnung einbezogen werden müssen. Ausgangspunkt für das pflichtgemäße Verhalten der Partei im Rahmen der Differenzhypothese ist nämlich die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, wie sie in § 3 A. II. dieser Arbeit abgeleitet und ausgestaltet wurde.42 Die Parteien erfüllen diese Pflicht dann ordnungsgemäß, wenn sie die in § 3 A. II. beschriebenen Klagen vor staatlichen Gerichten unterlassen. Klage vor dem Schiedsgericht einzureichen ist hingegen allein ein aus der Schiedsvereinbarung folgendes Recht der Parteien, aber keine schiedsvertragliche Pflicht. Damit ist eine Schiedsklage in derselben Sache streng genommen auch kein Teil der pflichtgemäßen Erfüllung. Dennoch muss sie bei der Schadensberechnung mitberücksichtigt werden. Grund dafür ist, dass die Differenzhypothese als alleiniges Kriterium ungeeignet ist, um einen Schaden festzustellen.43 In der Rechtsliteratur wird zu Recht vorgebracht, dass die jeweils in die Differenzbilanz einzustellenden Faktoren wertend zu ermitteln sind.44 Ein solcher Faktor ist bei der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in Bezug auf die Streitigkeit statt 41 

Siehe unten § 5 C., S. 168 ff. Vgl. oben § 3 A. II. 4., S. 47. 43 Siehe Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 249, Rn. 21; Schubert, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Auflage 2012, § 249, Rn. 13. 44 Siehe Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 249, Rn. 21; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Vorb v § 249, Rn. 14. 42 



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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eines staatlichen Verfahrens ein Schiedsverfahren eingeleitet worden wäre. Wie hoch diese Wahrscheinlichkeit ist, ist Tatfrage und muss im Einzelfall bestimmt werden. Kommt das um Schadensersatz angerufene Schiedsgericht zu dem Ergebnis, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit statt vor dem staatlichen Gericht Klage vor dem Schiedsgericht erhoben worden wäre, muss es bei der Schadensberechnung miteinbeziehen, wie es selbst in der Sache entschieden hätte und wie die Kosten in einem solchen Schiedsverfahren verteilt worden wären. Die für die nachfolgenden zwei Konstellationen richtige Differenzhypothese lautet also, dass die Partei der Schiedsvereinbarung so zu stellen ist, wie sie stünde, wenn die Gegenseite die Klage vor dem staatlichen Gericht unterlassen und stattdessen Schiedsklage eingereicht hätte.

b.  Konstellation 1: Gericht erklärt sich aufgrund der Schiedseinrede für unzuständig In der ersten zu untersuchenden Konstellation erkennt das staatliche Gericht auf die Einwendung des Beklagten hin an, dass die Streitigkeit von der zwischen den Parteien geschlossenen Schiedsvereinbarung erfasst ist. Ein deutsches Gericht wird die Klage in diesem Fall gem. § 1032 Abs. 1 ZPO als unzulässig abweisen. Dem Kläger wird es gem. § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegen. Sind dem Beklagten Kosten entstanden, die nach den §§ 91 ff. ZPO nicht ersatzfähig sind, stellen diese einen Schaden aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht dar.45 Bei derartigen Kosten handelt es sich etwa um Rechtsanwaltskosten, die nach Stundensätzen abgerechnet wurden, aber nicht über das RVG ersetzt werden. Möglich sind aber auch Zinsschäden, weil der Beklagte seine Rechtsverfolgung vorfinanzieren musste.46 Die prozessuale Kostenentscheidung des Gerichts steht der Geltendmachung dieser Schäden nicht entgegen.47 Ähnlich liegt es, wenn eine Partei vor einem englischen Gericht klagt, obwohl die Schiedsvereinbarung ein Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland vorsieht. Wendet der Beklagte vor dem englischen Gericht gem. section 9 (1) Arbitration Act ein, dass die Parteien bezüglich der Streitigkeit eine Schiedsvereinbarung getroffen haben, wird das Gericht gem. section 9 (4) Arbitration Act 45  Vgl. BGH, NJW 2002, 680 (680); Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, Vor § 91, Rn. 11; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, Vor § 91, Rn. 17; Schlosser, in: Liber Amicorum Lindacher, 2007, 111 (121); Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 454. 46  Mankowski, IPRax 2009, 23 (29); Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 459. 47  Siehe BGH, NJW 2002, 680 (680); Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, Vor § 91, Rn. 17; Schlosser, in: Liber Amicorum Lindacher, 2007, 111 (122); Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 454.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

einen stay of proceedings gewähren. Zwar suggeriert der Wortlaut von section 9 (4) Arbitration Act, dass das Verfahren vor dem englischen Gericht nur vorübergehend eingestellt wird. Tatsächlich handelt es sich aber um eine dauerhafte Verfahrenseinstellung.48 Das Gericht wird daraufhin dem unterlegenen Kläger gem. CPR 44.2 (2)(a) die Kosten des Verfahrens auferlegen.49 Dabei würde sich das Gericht normalerweise nach der standard basis der CPR 44.3 (1)(a) richten, die grundsätzlich restriktiv ausgelegt wird.50 Allerdings sind dem Beklagten nach Auffassung des englischen High Court in A v. B (No. 2) für die Verletzung von Schiedsvereinbarungen bei einem erfolgreichen Antrag nach section 9 (1) Arbitration Act alle Kosten umfassend auf indemnity basis gem. CPR 44.3 (1) (b) zu ersetzen.51 Dennoch nicht ersetzte Positionen stellen einen Schaden aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht dar. Zu klären bleibt, ob gegen die Geltendmachung dieser Schadenspositionen im Rahmen der Differenzhypothese eingewendet werden kann, dass diese Kosten auch bei einem hypothetischen Schiedsverfahren in derselben Sache entstanden wären. Das muss man verneinen. Hätte der Kläger wegen der Streitigkeit vor einem Schiedsgericht geklagt, wäre es nicht zu einem Streit über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gekommen. Denn der Beklagte, der nunmehr einen Schaden aus der Verletzung der Schiedsvereinbarung geltend macht, erkennt die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts offensichtlich an.

c.  Konstellation 2: Gericht erklärt sich trotz Erhebung der Schiedseinrede für zuständig In der zweiten zu untersuchenden Konstellation erklärt sich das staatliche Gericht für zuständig, obwohl der Beklagte eingewendet hat, dass die Parteien in Bezug auf die Streitigkeit eine Schiedsvereinbarung getroffen haben. Zu dieser Entscheidung kann ein deutsches Gericht kommen, weil es die gültige Schiedsvereinbarung irrig gem. § 1032 Abs. 1 ZPO für nichtig, unwirksam oder undurchführbar hält. Die Parallelvorschrift zu § 1032 Abs. 1 ZPO findet sich im englischen Schiedsverfahrensrecht in section 9 (4) Arbitration Act. Das englische Gericht könnte die Schiedsvereinbarung hier für null and void, inoperative oder incapable of being performed halten und sich für zuständig erklären. Trifft das deutsche oder englische Gericht daraufhin eine Entscheidung in der Sache, ist in Bezug auf mögliche Schäden zu unterscheiden, ob es die Klage letztlich als unbegründet abweist (aa.) oder ihr stattgibt (bb.). 48 

Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 55. Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 55. 50 Siehe Andrews, The Modern Civil Process, 2008, Rn. 9.12; ders., English Civil Procedure, 1. Auflage 2003, Rn. 36.21 f. 51  A v. B (No. 2), [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 358 (361, Rn. 9–11)(Q.B.D.). 49 Vgl.



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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aa.  Staatliches Gericht entscheidet in der Sache und weist die Klage als unbegründet ab In diesem ersten Fall hat sich das staatliche Gericht für zuständig erklärt, die Klage aber als unbegründet abgewiesen. Das deutsche Gericht wird dem unterlegenen Kläger gem. § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegen. Wie schon in Konstellation 1 wird der Schaden des obsiegenden Beklagten in den nicht nach den §§ 91 ff. ZPO ersetzten Kosten liegen. Diese nicht ersetzten Kosten werden allerdings insgesamt höher ausfallen als in Konstellation 1, weil der Beklagte das Verfahren hier auch in der Sache und damit über einen längeren Zeitraum führen musste.52 In England werden die über die staatliche Kostenentscheidung nicht ersetzten Kosten auch prozentual gesehen höher ausfallen als in Konstellation 1. Das englische Gericht wird die Klage nämlich nicht als Verletzung der Schiedsvereinbarung werten, weil es die Schiedsvereinbarung ja gem. section 9 (4) English Arbitration Act für null and void, inoperative oder incapable of being performed gehalten hat. Damit kommt die Ratio aus A v. B (No. 2) nicht zur Anwendung, dass bei der Verletzung von Schiedsvereinbarungen die Kosten des Beklagten auf indemnity basis zu ersetzen sind.53 Die Kostenentscheidung wird nur auf standard basis gem. CPR 44.3 (1)(a) erfolgen. Das bedeutet, dass dem in der Sache obsiegenden Beklagten voraussichtlich lediglich zwei Drittel seiner Kosten ersetzt werden.54 Der Schaden des obsiegenden Beklagten sind mithin die vom englischen Gericht nicht auf standard basis ersetzten Kosten. Allerdings ist der obsiegende Beklagte nach der eingangs konkretisierten Differenzhypothese nicht allein so stellen, wie er stünde, wenn der Kläger lediglich die Klage vor dem deutschen oder englischen Gericht unterlassen hätte. Vielmehr ist er so zu stellen, wie er stünde, wenn der Kläger stattdessen Klage vor dem Schiedsgericht erhoben hätte. Dementsprechend sind die nicht ersetzten Kosten des obsiegenden Beklagten aus dem deutschen oder englischen Gerichtsverfahren nur dann ein ersatzfähiger Schaden, wenn sie ihm in einem hypothetischen Schiedsverfahren vollständig ersetzt worden wären. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn der Beklagte das hypothetische Schiedsverfahren auch gewonnen hätte. Das mit dem Schadensersatz befasste Schiedsgericht muss also klären, ob der Beklagte auch das Schiedsverfahren gewonnen und seine Rechtsanwaltskosten vollständig (wie in Schiedsverfahren üblich)55 ersetzt bekommen hätte. Dazu kann das Schiedsgericht theoretisch aufgrund der im staatlichen Ver52 Vgl.

Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 461. A v. B (No. 2), [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 358 (361, Rn. 11). 54  Andrews, English Civil Procedure, 1. Auflage 2003, Rn. 36.22. 55 Siehe Risse/Altenkirch, SchiedsVZ 2012, 5 (10 f.); OLG München, SchiedsVZ 2017, 40 (46). 53 Vgl.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

fahren festgestellten Tatsachen eine eigene rechtliche Würdigung vornehmen und auf dieser Grundlage entscheiden, ob es die Klage ebenfalls abgewiesen hätte. Praktisch ist das Schiedsgericht jedoch an die staatliche Entscheidung in Bezug auf den Streitgegenstand gebunden.56 Das Schiedsgericht wird bzw. muss über den Schadensersatz also unter der Annahme entscheiden, dass es die Klage in einem hypothetischen Schiedsverfahren ebenfalls abgewiesen hätte. Der Schaden des Beklagten besteht in dieser Konstellation also ebenfalls in den Kosten, die ihm im staatlichen Verfahren nicht ersetzt worden sind, in einem Schiedsverfahren aber ersetzt worden wären.

bb.  Staatliches Gericht entscheidet in der Sache und gibt der Klage statt Schließlich ist der Schaden zu ermitteln, der entsteht, wenn sich das staatliche Gericht für zuständig erklärt und eine Entscheidung in der Sache gegen den Beklagten trifft. Hier besteht die Vermögenseinbuße des Beklagten in seinen eigenen Kosten sowie in den Kosten des Verfahrens, die ihm von dem deutschen oder englischen Gericht gem. § 91 ZPO bzw. nach CPR 44.3 (1)(a) auferlegt wurden. Hinzu kommt eine weitere Vermögenseinbuße: Das nachteilige Urteil selbst bzw. all das, zu dem der Beklagte verurteilt wurde. Nach der eingangs konkretisierten Differenzhypothese handelt es sich bei diesen Positionen jedoch nur dann um Schäden aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, wenn dem Beklagten diese Vermögenseinbußen in dem vereinbarten Schiedsverfahren nicht entstanden wären. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Schiedsgericht die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens (einschließlich aller Kosten des Beklagten) auferlegt hätte. Auch hier kann das wegen des Schadensersatzes angerufene Schiedsgericht theoretisch aufgrund einer eigenen rechtlichen Würdigung frei entscheiden, ob es selbst die Klage abgewiesen oder ihr stattgegeben hätte. Allerdings ist das Schiedsgericht auch in diesem Fall an die rechtskräftige Entscheidung des staatlichen Gerichts in Bezug auf den Streitgegenstand gebunden. Wenn aber das Schiedsgericht bei der Schadensberechnung daran gebunden ist, dass der Klage stattzugeben gewesen wäre, ist dem Beklagten durch das staatliche Verfahren in Form von Urteil und auferlegten Kosten kein Schaden entstanden. Der Beklagte war in Bezug auf die Kosten durch die Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht eventuell noch bevorteilt, weil er im staatlichen Verfahren die Kosten nur nach § 91 ZPO bzw. CPR 44.3 (1)(a) tragen musste. In einem Schiedsverfahren hätte er dem Kläger die Kosten vollständig ersetzen müssen. Will das Schiedsgericht dem Beklagten dennoch Schadensersatz für Urteil und Kosten zusprechen, weil es selbst die Klage abgewiesen hätte, riskiert es wegen 56 

Siehe ausführlich unten in § 4 B. I. 1. b., S. 138 ff.; § 4 B. I. 2. b., S. 142 ff.



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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der entgegenstehenden Rechtskraft der staatlichen Entscheidung in Bezug auf den Streitgegenstand die Nichtigkeit des Schadensersatzschiedsspruchs.57 Unter Beachtung der Rechtskraft der staatlichen Entscheidung in Bezug auf den Streitgegenstand muss das Schiedsgericht also zu dem Ergebnis kommen, dass dem Beklagten kein Schaden entstanden ist.

d. Zwischenergebnis Die Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, kann grundsätzlich zwei Schadenspositionen verursachen: Kosten für das Gerichtsverfahren und ein Urteil des Gerichts in der Sache. Um konkret zu ermitteln, welche Schäden dem entgegen der Schiedsvereinbarung Beklagten entstanden sind, ist dieser so zu stellen, wie er stünde, wenn der Kläger anstatt des staatlichen Verfahrens das vereinbarte Schiedsverfahren eingeleitet hätte. Weist ein deutsches Gericht die Klage als unzulässig ab oder gewährt ein englisches Gericht einen stay of proceedings, weil einem Gerichtsverfahren die Schiedsvereinbarung entgegensteht, besteht der Schaden des Beklagten in den Kosten, die ihm über die gerichtliche Kostenentscheidung nicht ersetzt werden. Dem Beklagten können also selbst dann Schäden aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht entstehen, wenn er in dem staatlichen Verfahren erfolgreich die Schiedseinrede erhebt. Hält ein deutsches oder englisches Gericht die Schiedsvereinbarung hingegen rechtsfehlerhaft für ungültig und entscheidet in der Sache, kann das um Schadensersatz angerufene Schiedsgericht im Rahmen der Differenzhypothese theoretisch frei entscheiden, ob es genauso wie das staatliche Gericht entschieden hätte. Hätte das Schiedsgericht, ebenso wie das staatliche Gericht, die Klage als unbegründet abgewiesen, besteht der Schaden des Beklagten in den Kosten, die ihm im Gerichtsverfahren nicht ersetzt worden sind, in einem Schiedsverfahren aber ersetzt worden wären. Hätte das Schiedsgericht die Klage abgewiesen, wo das staatliche Gericht ihr stattgegeben hatte, bestünde der Schaden des Beklagten in seinen eigenen Kosten, in den auferlegten Kosten und in all dem, wozu der Beklagte verurteilt wurde. Praktisch ist das Schiedsgericht in diesen beiden Fällen jedoch an die rechtskräftige Entscheidung des staatlichen Gerichts in Bezug auf den Streitgegenstand gebunden. Es muss seiner Berechnung des Schadens also zugrunde legen, dass das staatliche Gericht die Klage abgewiesen bzw. ihr stattgegeben hat. Diese Wirkung der Rechtskraft in Bezug auf den Streitgegenstand wird noch ausführlich in § 4 B. dieser Arbeit untersucht.58 Dort wird auch untersucht, ob schon die Entscheidung des deutschen oder englischen Gerichts im Rahmen 57  58 

Siehe unten § 4 B. I. 1. b. cc., S. 140. Siehe unten § 4 B. I., S. 134 ff.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

von § 1032 Abs. 1 ZPO bzw. section 9 (4) Arbitration Act, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, einen Schadensersatzschiedsspruch von vorneherein unmöglich macht.

2.  Nichtzahlung des eigenen Anteils am Kostenvorschuss Um beurteilen zu können, welche Schäden die Nichtzahlung des anteiligen Kostenvorschusses verursachen kann, bietet es sich an, nach den in § 3 C. I. angesprochenen Gründen für diese Pflichtverletzung59 zu differenzieren: Eine Schiedspartei wird ihren Anteil am Vorschuss nämlich entweder nicht vorschießen, wenn sie nicht zahlen will (a.), oder aber wenn sie dazu aufgrund ihrer Mittellosigkeit nicht in der Lage ist (b.).

a.  Konstellation 1: Nichtzahlung trotz Möglichkeit In dieser ersten Konstellation ist eine Schiedspartei zwar in der Lage, ihren Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen, sie verweigert die Zahlung aber. Hier ist wiederum zwischen dem sich weigernden Schiedskläger (aa.) und dem boykottierenden Schiedsbeklagten (bb.) zu unterscheiden.

aa.  Schiedskläger verweigert Zahlung Der Schiedskläger wäre zwar dazu in der Lage, seinen Anteil am Kostenvorschuss zu bezahlen, er tut es aber nicht, weil er seinen Anspruch doch nicht mehr vor dem Schiedsgericht verfolgen will. Weigert er sich trotz wiederholter Aufforderung des Schiedsgerichts, wird dieses das Schiedsverfahren gem. § 1056 Abs. 2 Nr. 3 ZPO beenden, weil der Schiedskläger das Verfahren nicht weiterbetreibt.60 Ferner wird es dem Schiedskläger gem. § 1057 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegen. Dies wird regelmäßig auch die Rechtsanwaltskosten des Schiedsbeklagten mit umfassen, selbst wenn diese nicht nach dem RVG abgerechnet wurden.61 Der Schiedsbeklagte erleidet in dieser Konstellation folglich keinen Schaden.

bb.  Boykottierender Schiedsbeklagter verweigert Zahlung Während der Schiedskläger seinen eigenen Anteil am Kostenvorschuss gezahlt hat, verweigert dieses Mal der Schiedsbeklagte die Zahlung. Der Schiedsbeklagte kann zahlen, will aber nicht, weil er das Schiedsverfahren insgesamt 59 

Siehe oben § 3 C. I., S. 54 f. Gerstenmaier, SchiedsVZ 2010, 281 (285); von Schlabrendorff/Sessler, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, § 1056 ZPO, Rn. 11; siehe auch Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (4). 61  Risse/Altenkirch, SchiedsVZ 2012, 5 (10). 60 



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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boykottiert. Bleibt es bei der Weigerung, wird das Schiedsgericht seine Arbeit voraussichtlich einstellen, bis der Schiedsbeklagte seinen Anteil zahlt bzw. bis der Schiedskläger beim Schiedsgericht einen Teilschiedsspruch in der Höhe des Anteils erwirkt und gegen den Schiedsbeklagten vollstreckt.62 Ist es zu einer Verzögerung des Verfahrens gekommen, sind auf Seiten des Schiedsklägers allenfalls Zinsschäden denkbar, die ihm durch die Vorfinanzierung seiner Rechtsverfolgung entstanden sind. Anders liegt es, wenn der Schiedskläger bei einer Weigerung des Schiedsbeklagten auch dessen Anteil an den Kosten vorschießt. Hier besteht dann ein in der Höhe des Anteils adäquat-kausal durch die Pflichtverletzung des Schiedsbeklagten hervorgerufener Schaden. Diesen Schaden kann der Schiedskläger im anlaufenden Schiedsverfahren geltend machen. Das Schiedsgericht kann auch hier  – wie schon in Bezug auf die primäre Zahlungspflicht  – auf Antrag des Schiedsklägers einen vollstreckbaren Teilschiedsspruch über den Vorschussanteil des Schiedsbeklagten erlassen.63 Einem solchen Vorgehen könnte man zwar entgegenhalten, dass der Schiedskläger den anderen Anteil am Kostenvorschuss freiwillig gezahlt und damit gar keine unfreiwillige Vermögenseinbuße erlitten hat. Bei einer drohenden Blockade des Schiedsverfahrens darf sich der Schiedskläger jedoch herausgefordert sehen, dass er ohne die Zahlung in seinem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Schiedsverfahrens beschränkt wird.

b.  Konstellation 2: Nichtzahlung aufgrund von Mittellosigkeit In dieser zweiten Konstellation ist entweder der Schiedskläger (aa.) oder der Schiedsbeklagte (bb.) aufgrund der eigenen Mittellosigkeit nicht in der Lage, den Anteil am Kostenvorschuss zu bezahlen.

aa.  Mittelloser Schiedskläger kann nicht zahlen Der mittellose Schiedskläger will seinen Anteil am Kostenvorschuss bezahlen, er kann aber nicht. Da es im Schiedsverfahren kein Prozesskostenhilfeverfahren im Sinne der §§ 114 ff. ZPO gibt, wird das Schiedsgericht den Schiedsbeklagten voraussichtlich dazu auffordern, auch den Anteil des Schiedsklägers zu zahlen.64 Dieser ist zur Zahlung des gesamten Kostenvorschusses aber nicht verpflichtet65 und wird auch kein Interesse daran haben, das Schiedsverfahren freiwillig gegen sich selbst zu finanzieren. Kann sich der Schiedskläger keine 62 

Zu Letzterem unten in § 6 B. II., S. 212 ff. Siehe unten § 6 B. II. 2., S. 216 f. Zur fehlenden Zuständigkeit der staatlichen Gerichte in § 5 D. III. 2., S. 188 f. 64  So etwa das Schiedsgericht in BGHZ 55, 344 (346). 65  Siehe oben § 3 C. III. 2., S. 57 f. 63 

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

Finanzierung des Verfahrens sichern,66 wird das Schiedsgericht das Verfahren erst aussetzen und schließlich gem. § 1056 Abs. 2 Nr. 3 ZPO beenden. Allerdings wird der Schiedskläger wegen seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage sein, die ihm gem. § 1057 Abs. 1 ZPO auferlegten Kosten des Schiedsverfahrens zu begleichen. Dem Schiedsbeklagten ist hier durch die Pflichtverletzung des Schiedsklägers adäquat-kausal ein Schaden entstanden, weil er die Kostenentscheidung des Schiedsgerichts nicht gegen den Schiedskläger durchsetzen kann und beispielsweise die Kosten für seine anwaltliche Vertretung nicht vom Schiedskläger ersetzt bekommt.67

bb.  Mittelloser Schiedsbeklagter kann nicht zahlen Der mittellose Schiedsbeklagte würde seinen Anteil am Kostenvorschuss bezahlen, er kann aber nicht. Hier kann der Schiedskläger zwar wie in Konstellation 1 beim boykottierenden Schiedsbeklagten vorgehen: Entweder der Schiedskläger erwirkt vor dem Schiedsgericht einen Teilschiedsspruch aus der primären Zahlungspflicht des Schiedsbeklagten oder er leistet auch den Anteil des Schiedsbeklagten am Kostenvorschuss, um daraufhin einen auf Schadensersatz gerichteten Teilschiedsspruch zu erstreiten. Wegen der Mittellosigkeit des Schiedsbeklagten wird es allerdings schwierig werden, diesen Teilschiedsspruch auch zu vollstrecken. Das gilt auch für einen endgültigen Schiedsspruch, sollte ein solcher zugunsten des Schiedsklägers ergehen.

c. Zwischenergebnis Charakteristisch für Konstellation 2 ist also, dass einer Schiedspartei durch die Nichtzahlung der Gegenseite grundsätzlich ein Schaden entsteht. Der Schiedskläger bzw. der Schiedsbeklagte wird diesen Schadensersatzanspruch aber wegen der Mittellosigkeit der Gegenseite kaum durchsetzen können. In Konstellation 1 hingegen entsteht dem Schiedskläger bei der Weigerung des Schiedsbeklagten voraussichtlich nur dann ein Schaden, wenn er den Anteil am Kostenvorschuss des Schiedsbeklagten leistet. Ergeht hierüber ein Teilschiedsspruch des Schiedsgerichts, wird er diesen problemlos gegen den Schiedsbeklagten vollstrecken können. Leistet hingegen der Schiedskläger ­seinen Anteil am Kostenvorschuss nicht und wird daraufhin das Schiedsverfahren beendet, wird der Schiedsbeklagte über § 1057 Abs. 1 ZPO schadlos gestellt.

66 

Siehe zur Verfahrensfinanzierung unten in § 7 B. III. 2., S. 240 f. Dieser Schadensersatzanspruch wird wegen der Mittellosigkeit des Schiedsklägers natürlich ebenso wenig durchsetzbar sein wie die Kostenentscheidung des Schiedsgerichts. 67 



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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3.  Unwahrer oder unvollständig verfälschender Sachvortrag Trägt eine Partei einen Sachverhalt nicht gemäß ihrer subjektiven Wahrnehmung vor oder verschweigt sie Tatsachen, die das Bild des Sachverhalts verfälschen, stellt sich die Frage, welche Schäden diese Pflichtverletzung hervorrufen kann. Drei Fälle sind unproblematisch: Erkennt das Schiedsgericht den unwahren oder unvollständig verfälschenden Sachvortrag und fließt dieser deshalb nicht mit in den Schiedsspruch ein, entsteht der Gegenseite kein Schaden. Das Gleiche gilt, wenn zwar der unrichtige Sachvortrag vom Schiedsgericht nicht erkannt wird, aber im Schiedsspruch keine Berücksichtigung findet. Schließlich kann der unerkannt unwahre Sachvortrag theoretisch auch zu einer günstigeren Entscheidung für die mit dieser Aussage konfrontierten Schiedspartei führen. Auch in diesem Fall wird ihr kein Schaden entstanden sein. Problematisch ist allein der Fall, in dem das Schiedsgericht den unwahren Sachvortrag einer Schiedspartei nicht erkennt und dieser zu einer materiell unrichtigen Entscheidung zu Ungunsten der Gegenseite führt. Das Problem besteht hier allerdings nicht im Schaden. Muss der wegen des unwahren Sachvortrags des Schiedsklägers unterlegene Schiedsbeklagte laut Schiedsspruch etwa eine bestimmte Summe zahlen, wird der Schaden in diesem Betrag, den eventuell auferlegten Kosten für das Schiedsverfahren und den eigenen Kosten liegen. Unterliegt der Schiedskläger aufgrund des unwahren Sachvortrags des Schiedsbeklagten, besteht sein Schaden in den eigenen Kosten sowie den eventuell auferlegten Kosten für das Schiedsverfahren. Schwierigkeiten bereitet bei der Geltendmachung dieser Schäden § 1055 ZPO, wonach ein Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat. In der Folge muss noch geklärt werden, ob die Rechtskraft des unrichtigen Schiedsspruchs der Geltendmachung von Schadensersatz wegen der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht entgegensteht.68

4.  Nichtbefolgung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts Fraglich ist, ob einer Schiedspartei ein eigenständiger Schaden entsteht, wenn die Gegenseite eine einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts nicht befolgt.69 Wie Leitzen herausgestellt hat, wird der Schaden hier nämlich regelmäßig im Fortdauern der materiellen Rechtsgutsverletzung liegen.70 Soweit der Anordnungsgläubiger auch in der Hauptsache vor dem Schiedsgericht obsiegt, wird das Schiedsgericht diese materielle Rechtsgutsverletzung um68 

Siehe unten § 4 B. II., S. 147 ff. Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1041, Rn. 4; Gerstenmaier, in: Festschrift Elsing, 2015, 153 (154). 70  Leitzen, Die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen durch Schiedsgerichte nach § 1041 ZPO, 2002, S. 172; siehe auch Caron, ZaöRVR 1986, 465 (512). 69 So

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

fassend im Endschiedsspruch durch Schadensersatz kompensieren können. Für den Fall, dass dem Anordnungsgläubiger durch das Erwirken der Maßnahme vor dem Schiedsgericht nach § 1041 Abs. 1 ZPO Kosten entstanden sind, wird das Schiedsgericht diese Kosten im Rahmen seiner Kostenentscheidung gem. § 1057 Abs. 1 ZPO berücksichtigen können.71 Ein Schaden, der weder durch die Entscheidung über die materielle Rechtsgutsverletzung noch über die Entscheidung nach § 1057 Abs. 1 ZPO abgegolten wird, könnte aber in den Kosten eines Verfahrens nach § 1041 Abs. 2 ZPO bestehen. Musste der Anordnungsgläubiger die zwangsweise Vollziehung vor dem zuständigen Oberlandesgericht einleiten, können ihm Kosten entstanden sein, die über die gerichtliche Kostenentscheidung nicht erstattet werden.72 Diese Kosten stellen eine unfreiwillige Vermögenseinbuße dar, die unmittelbar auf die Nichtbefolgung der einstweiligen Anordnung des Schiedsgerichts zurückzuführen ist und die nicht im engeren Sinne unter die materielle Rechtsgutsverletzung oder die Kosten des Schiedsverfahrens fällt. Dieser Anspruch auf Schadensersatz kann zwar im anhängigen Schiedsverfahren geltend gemacht werden,73 muss aber auf die Verletzung der Schiedsvereinbarung gestützt werden.

5.  Nichtbefolgung des Schiedsspruchs Verletzt die unterlegene Schiedspartei ihre schiedsvertragliche Pflicht, den Schiedsspruch zu befolgen, kann die obsiegende Partei zur Durchsetzung dieser Pflicht die Zwangsvollstreckung einleiten. Dazu muss der Schiedsspruch zunächst gem. § 1060 Abs. 1 ZPO für vollstreckbar erklärt werden. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren fallen wiederum Kosten an. Auch hier gelten die §§ 91 ff. ZPO,74 sodass dem Titelgläubiger seine Rechtsanwaltskosten allein nach den Regelsätzen des RVG ersetzt werden.75 Gehen die Kosten für die anwaltliche Vertretung im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung darüber hinaus, weil der auf Schiedsverfahrensrecht spezialisierte Rechtsanwalt nach Stunden abgerechnet hat, entsteht der siegreichen Schiedspartei durch die Pflichtverletzung der Gegenseite adäquat-kausal ein Schaden. Derartige Schäden können gerade auch dann entstehen bzw. noch höher ausfallen, wenn sich im deutschen Inland gar keine Vermögensgegenstände der unterlegenen Schiedspartei befinden, in die vollstreckt werden könnte. Die 71 Vgl. Caron, ZaöRVR 1986, 465 (512); Karrer, ICCA Congress Series No. 10 (2000), 97 (103); Boog, Die Durchsetzung einstweiliger Maßnahmen in internationalen Schiedsverfahren, 2011, Rn. 168 f. 72  Siehe oben § 3 E. I. 3. c. aa., S. 78 ff. 73  Siehe unten § 6 B. V., S. 221 f. 74  Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, S. 138; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 2773. 75  Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 91, Rn. 19; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 91, Rn. 41.



A.  Der Tatbestand des Schadensersatzanspruchs

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Zwangsvollstreckung muss dann im Ausland eingeleitet werden. Eventuell müssen für eine Vollstreckung geeignete Vermögensgegenstände zunächst noch ausfindig gemacht werden. Werden die dadurch und durch die anwaltliche Vertretung entstehenden Kosten über das ausländische Vollstreckungsrecht nicht ersetzt, stellen sie einen Schaden aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, den Schiedsspruch zu befolgen, dar.

6.  Offenlegung vertraulicher Informationen oder Dokumente Die Schäden, die aus der Verletzung einer Vertraulichkeitspflicht entstehen, werden als schwer ermittel- bzw. nachweisbar angesehen.76 In Darstellungen zur Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien wird der Schadensersatz wegen Pflichtverletzung daher entweder vergleichsweise kurz abgehandelt77 oder gleich komplett ausgeklammert oder weggelassen.78 Tatsächlich ist es schwierig, generelle Aussagen darüber zu treffen, welche Schäden aus der Verletzung der Vertraulichkeitspflicht entstehen. Mögliche Schäden werden vor allem davon abhängen, wie weit die jeweils von den Parteien vereinbarte Vertraulichkeitspflicht reicht. Es können daher hier nur generelle Grundsätze und Leitlinien aufgestellt werden. Diese werden sich an § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung und Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules orientieren.

a.  § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung Bei einem DIS-Schiedsverfahren trifft die Parteien mit § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung eine umfassende Vertraulichkeitspflicht, die die Parteien dazu verpflichtet, schon die Existenz des Schiedsverfahrens geheim zu halten.79 Macht eine Partei die Existenz des Schiedsverfahrens dennoch öffentlich, kann dies zunächst zu immateriellen Schäden führen. Denkbar sind aber auch Konstellationen, in denen die Offenlegung eines Schiedsverfahrens materielle Schäden verursacht. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich eine Schiedspartei über Kredite oder Anleihen finanziert, die sog. cross-default clauses enthalten. Cross-default clauses berechtigen einen Kreditgeber dazu, eine Anleihe oder einen Kredit schon dann zu kündigen bzw. fällig zu stellen, 76  Siehe

nur Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 380; Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 283; Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1160); Haas/Kahlert, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, Privacy and Confidentiality, Rn. 35. 77 So Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 380 f.; Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 283 (beides Dissertationen, die sich über mehrere hundert Seiten ausschließlich mit der Vertraulichkeit im Schiedsverfahren beschäftigen und den Schadensersatz wegen Pflichtverletzung auf ein bis zwei Seiten abhandeln). 78 So Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (325 f.); vgl. auch Holder, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2009, S. 137 ff. 79  Siehe oben § 3 F. II. 1., S. 97.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

wenn der Kreditnehmer mit der Rückzahlung irgendeines (!) anderen Kredits gegenüber einem Dritten säumig ist.80 Macht nun ein Schiedskläger das Schiedsverfahren über eine säumige Kreditrückzahlung des Schiedsbeklagten öffentlich, signalisiert das den anderen Gläubigern des Schiedsbeklagten, dass die cross-default clauses in ihren Kreditinstrumenten aktiviert sind. Die Kreditgeber des Schiedsbeklagten können die Kreditinstrumente dann alle sofort fällig stellen. Die so ausgelöste Kettenreaktion an sofort fälligen Krediten und Anleihen kann dem Schiedsbeklagten massive Schäden zufügen und ihn in die Insolvenz treiben.

b.  Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules Verletzt eine Partei „nur“ die Vertraulichkeitspflicht von Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules und veröffentlicht Dokumente, die während des Verfahrens erstellt oder offengelegt wurden, ändert sich die Beurteilung. Wiederum sind immaterielle Schäden denkbar, wenn durch die veröffentlichten Informationen der Ruf einer Schiedspartei geschädigt wird. Materielle Schäden kommen in Betracht, wenn eine Schiedspartei unter Verletzung von Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules Dokumente veröffentlicht, die Betriebsgeheimnisse enthalten. In Betracht kommen hier etwa sog. Know-howVerträge. Diese verschaffen gegen Entgelt technisches, kaufmännisches oder betriebswirtschaftliches Wissen, das nicht als absolutes Immaterialgüterrecht geschützt ist.81 Zwar enthalten Know-how-Verträge üblicherweise eigenständige Geheimhaltungsklauseln.82 Es ist jedoch denkbar, dass sich die Parteien vor dem Schiedsgericht gerade darüber streiten, ob der Know-how-Vertrag wirksam zustande gekommen ist. Selbst wenn das Schiedsgericht am Ende entscheidet, dass der Vertrag und die in ihm enthaltene Geheimhaltungsklausel unwirksam sind, haftet eine Schiedspartei für die Veröffentlichung von offengelegtem Know-how, weil dieses von der schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht erfasst ist.

V. Ergebnis Die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten kann Schadensersatzansprüche auslösen. Der haftungsbegründende Tatbestand wird in der Regel bei allen schiedsvertraglichen Pflichten unproblematisch gegeben sein. Hier ist allein zu 80 

Tennekoon, The Law and Regulation of International Finance, 1. Auflage 1991, S. 202; Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band II, 4. Auflage 2011, § 118, Rn. 143. 81  Martiny, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2015, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 271; Bartenbach, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, 7. Auflage 2013, Rn. 2549. 82 Siehe Bartenbach, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, 7. Auflage 2013, Rn. 2225.



B.  Fragen der Rechtskraft

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beachten, dass im Rahmen von § 280 Abs. 1 BGB eine Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung nicht gesondert festgestellt werden muss und dass bei der Wahrheitspflicht ein anderer Verschuldensmaßstab anzulegen ist als bei den übrigen schiedsvertraglichen Pflichten. Beim haftungsausfüllenden Tatbestand richten sich mögliche Schäden stets nach der jeweils verletzten schiedsvertraglichen Pflicht.

B.  Fragen der Rechtskraft Bei zwei schiedsvertraglichen Pflichten ist jedoch fraglich, ob eine Partei einen bestehenden Anspruch auf Schadensersatz auch durchsetzen kann. Bei diesen beiden Pflichten handelt es sich um die Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, und um die Pflicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag. Der Grund dafür, dass ein Schadensersatzanspruch aus der Verletzung dieser beiden Pflichten eventuell nicht durchgesetzt werden kann, liegt darin, dass bei beiden Pflichten ein Schaden vor allem bzw. überhaupt nur dann entsteht, wenn das pflichtwidrig angerufene Gericht ein Urteil in der Sache bzw. das Schiedsgericht aufgrund des unwahren Sachvortrags einen unrichtigen Schiedsspruch fällt.83 Die Rechtskraft eines solchen Urteils bzw. eines solchen Schiedsspruchs könnte es unmöglich machen, für den jeweiligen Titel wiederum Schadensersatz zu verlangen. Da ausschließlich ein Schiedsgericht zuständig ist, um über diesen Schadensersatzanspruch zu entscheiden,84 muss dementsprechend in der Folge geklärt werden, ob die Rechtskraft der beiden Titel einem solchen Schiedsverfahren bzw. einem Schadensersatzschiedsspruch entgegensteht. Bei Urteilen pflichtwidrig angerufener deutscher oder englischer Gerichte muss geklärt werden, inwieweit die Rechtskraft des Urteils in Bezug auf die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung oder in Bezug auf den Streitgegenstand einem späteren Schadensersatzschiedsspruch entgegensteht (I.). Bei unrichtigen Schiedssprüchen, die aufgrund von unwahrem Sachvortrag ergangen sind, ist klärungsbedürftig, ob die Rechtskraft des unrichtigen Schiedsspruchs ein Schiedsverfahren über den Schadensersatz ausschließt oder ob der unrichtige Schiedsspruch aufgehoben werden kann (II.).

83  Siehe oben § 4 A. IV. 1. c. bb., S. 124 f. bzw. § 4 A. IV. 3., S. 129. Bei der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, kann es jedoch selbst dann zu Schäden kommen, wenn sich das staatliche Gericht aufgrund der Schiedsvereinbarung für unzuständig erklärt hat: Siehe oben § 4 A. IV. 1. b., S. 121 f. 84  Siehe unten § 5 C., S. 168 ff.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

I.  Rechtskraftwirkung der Entscheidung eines pflichtwidrig angerufenen staatlichen Gerichts Zunächst soll untersucht werden, ob das Urteil eines pflichtwidrig angerufenen Gerichts und mit dem Gerichtsverfahren verbundene Kosten anschließend in einem Schiedsverfahren als Schaden geltend gemacht werden können. Die Frage, ob die Rechtskraft des gerichtlichen Urteils diesem Schadensersatz entgegensteht, stellt sich dabei allein bei der oben in § 4 A. IV. 1. beschriebenen Konstellation 2, nicht hingegen bei Konstellation 1. In Konstellation 1 hatte sich das pflichtwidrig angerufene Gericht auf die Schiedseinrede des Beklagten für unzuständig erklärt, weil der Streitgegenstand von der Schiedsvereinbarung erfasst war.85 Die Rechtskraft dieser Entscheidung kann einem Schadensersatz für die Verletzung der Schiedsvereinbarung nicht entgegenstehen, weil das Gericht die Schiedsvereinbarung ja gerade für gültig gehalten und keine Entscheidung in der Sache getroffen hatte. Dies war in Konstellation 2 anders: Hier hatte das Gericht die Schiedsvereinbarung irrig für ungültig gehalten, sich selbst für zuständig erklärt und daraufhin in der Sache entschieden.86 Innerhalb von Konstellation 2 war daraufhin in Bezug auf Schäden differenziert worden, ob das Gericht die Klage als unbegründet abgewiesen oder ihr stattgegeben hatte. Der Geltendmachung des Urteils zu Ungunsten des Beklagten bzw. der mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten als Schaden könnte sowohl die Rechtskraft der Entscheidung in Bezug auf die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung als auch in Bezug auf den Streitgegenstand entgegenstehen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird in der Folge für Urteile deutscher Gerichte (1.) und englischer Gerichte (2.) getrennt untersucht.

1.  Urteile deutscher Gerichte Hat sich ein deutsches Gericht für zuständig erklärt, obwohl der Beklagte die Schiedseinrede erhoben hat, und in der Sache entschieden, könnten einem Schadensersatzschiedsspruch zwei Elemente dieses Urteils entgegenstehen: Erstens die Entscheidung des Gerichts, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist (a.); zweitens die Entscheidung des Gerichts in Bezug auf den Streitgegenstand (b.).

85  86 

Siehe oben § 4 A. IV. 1. b., S. 121 f. Siehe oben § 4 A. IV. 1. c., S. 122 ff.



B.  Fragen der Rechtskraft

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a.  Entgegenstehende Rechtskraft der Entscheidung, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist? Zunächst ist also zu klären, ob einem Schadensersatzschiedsspruch die Entscheidung des pflichtwidrig angerufenen Gerichts entgegensteht, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist.

aa.  Rechtskraft der Entscheidung nach § 1032 Abs. 1 ZPO Das pflichtwidrig angerufene deutsche Gericht hat in dieser Fallgruppe die Schiedseinrede des Beklagten gem. § 1032 Abs. 1 ZPO nicht beachtet, weil es der Ansicht ist, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist. Dadurch könnte rechtskräftig feststehen, dass die Parteien keine gültige Schiedsvereinbarung geschlossen haben, die mit der Klage vor dem Gericht hätte verletzt werden können. Das setzt allerdings voraus, dass die Entscheidung des Gerichts über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung auch in Rechtskraft erwächst. In Rechtskraft erwächst aber grundsätzlich allein die Entscheidung über den Streitgegenstand im Urteilstenor.87 Die Entscheidungsgründe des Urteils nehmen hingegen nicht an der Rechtskraft teil.88 Sie können nur zur Auslegung herangezogen werden, falls sich der Streitgegenstand nicht zweifelsfrei aus der Urteilsformel ergibt.89 Hält das angerufene Gericht die Schiedsvereinbarung für ungültig und entscheidet in der Sache über den von der Schiedsvereinbarung gedeckten Streitgegenstand, wird lediglich diese Entscheidung über den Streitgegenstand den Tenor des Urteils bilden. Mit der Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO und der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung wird sich das Gericht allein in den Entscheidungsgründen bei der Zulässigkeit der Klage auseinandersetzen. Im Urteilstenor wird hingegen nichts zur Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung stehen. Mithin ergeht die Entscheidung eines Gerichts über die Ungültigkeit einer Schiedsvereinbarung im Rahmen von § 1032 Abs. 1 ZPO nicht in Rechtskraft.90

87  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 153, Rn. 9; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 322, Rn. 85; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 322, Rn. 17. 88  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 153, Rn. 9; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, Vor § 322, Rn. 30; Saenger, in: Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 322, Rn. 23. 89  Völzmann-Stickelbrock, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Auflage 2016, § 322, Rn. 29; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 322, Rn. 86; Saenger, in: Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 322, Rn. 23. 90 Ebenso: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1032, Rn. 34; Wolf/Eslami, in: Festschrift Wegen, 2015, 821 (829); a. A.: Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, 2015, S. 98.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

bb.  Erhebung der Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung? Um die Grenzen der Rechtskraft in den Fällen zu erweitern, in denen ein Entscheidungsgrund nicht an der Rechtskraft teilnehmen würde, sieht die ZPO in ihrem § 256 Abs. 2 das Institut der Zwischenfeststellungsklage vor.91 Danach kann ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, auf Antrag durch richterliche Entscheidung festgestellt werden. Hess und Wolf und Eslami schlagen der klagenden Partei daher vor, zusätzlich zur Hauptsache Zwischenfeststellungsklage über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung zu erheben, um auch darüber eine rechtskräftige Entscheidung des angerufenen Gerichts zu erlangen.92 Zwar wäre die Schiedsvereinbarung in diesem Fall in der Tat ein streitiges Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht (prozessual) abhängt. Allerdings müssen im Rahmen von § 256 Abs. 2 ZPO auch die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen, insbesondere muss das mit der Hauptsache befasste Gericht sachlich für die Zwischenfeststellungsklage zuständig sein.93 Ist die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet, kann die Zwischenfeststellungsklage nicht erhoben werden.94 Um also auf dem Wege der Zwischenfeststellungsklage eine rechtskräftige Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung zu erlangen, müsste das in der Hauptsache angerufene Amtsgericht oder Landgericht sachlich auch dafür zuständig sein, endgültig über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Aus der Systematik des zehnten Buchs der ZPO folgt jedoch, dass ausschließlich die Oberlandesgerichte dafür zuständig sind, endgültig über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Das ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO. Sowohl für die Feststellung der Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens als auch für die Überprüfung eines schiedsgerichtlichen Zwischenentscheids und gerade auch für die Aufhebung von Schiedssprüchen besteht eine ausschließliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte.95 Diese prüfen in allen drei Verfahren in vollem Umfang und mit Bindungswirkung, ob eine gültige 91  Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 256, Rn. 26; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 256, Rn. 21; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 256, Rn. 108. 92  Hess, JZ 2014, 538 (541, Fn. 46); Wolf/Eslami, in: Festschrift Wegen, 2015, 821 (829). 93  Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 256, Rn. 27; Saenger, in: Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 256, Rn. 27. 94  Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2016, § 256, Rn. 113; Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 256, Rn. 91. 95  Siehe § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und 4 ZPO.



B.  Fragen der Rechtskraft

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Schiedsvereinbarung vorliegt.96 Entscheidet das zuständige Oberlandesgericht etwa nach § 1032 Abs. 2 ZPO, dass die Schiedsvereinbarung ungültig und das Schiedsverfahren unzulässig ist, ist diese Entscheidung im Rahmen von § 1040 Abs. 3 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO bindend.97 Dass ausschließlich die Oberlandesgerichte zuständig sind, endgültig über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zum Schiedsverfahrensneuregelungsgesetz. Danach sollte den Amts- und Landgerichten durch das neue Schiedsverfahrensrecht die Zuständigkeit für schiedsrechtliche Fragen entzogen werden.98 Diese Zuständigkeit sollte sich stattdessen gerade auch in Angelegenheiten außerhalb des Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahrens bei den Oberlandesgerichten konzentrieren.99 Es würde also dem Zweck des deutschen Schiedsverfahrensrechts widersprechen, die Zuständigkeit für schiedsrechtliche Angelegenheiten bei den Oberlandesgerichten zu konzentrieren, würde man jedes Amtsgericht oder Landgericht rechtskräftig über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden lassen. Mithin kann vor den Amts- und Landgerichten keine Zwischenfeststellungsklage darüber erhoben werden, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist.

cc.  Widerspruch zur Entscheidung des Reichsgerichts vom 8. Dezember 1897? Zu klären bleibt, ob dieses Ergebnis im Widerspruch zum Urteil des Reichsgerichts vom 8. Dezember 1897100 steht. In dieser Entscheidung hatte das Reichsgericht ausgeführt, dass bei einer erfolgreichen Schiedseinrede mit dem abweisenden Prozessurteil des staatlichen Gerichts die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung rechtskräftig feststehe.101 Dies könnte dem eben erlangten Ergebnis widersprechen, dass die Entscheidung eines Amts- oder Landgerichts im Rahmen von § 1032 Abs. 1 ZPO über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung gerade nicht in Rechtskraft erwächst. 96 

Für das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1032, Rn. 39. Für die Überprüfung des Zwischenentscheids nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1040, Rn. 5. Für das Aufhebungsverfahren nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. 97  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1032, Rn. 39; siehe auch Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 104. 98  Siehe BT-Drucksache 13/5274, S. 63 (linke Spalte). 99  BT-Drucksache 13/5274, S. 64 (linke Spalte); siehe auch OLG Brandenburg, NJW-RR 2001, 645 (645 f.); LG Braunschweig, SchiedsVZ 2015, 292 (294). 100  RGZ 40, 401 ff. 101  Siehe RGZ 40, 401 (403 f.).

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

Das Reichsgericht hatte sich allerdings ausschließlich zur Rechtskraft einer Entscheidung geäußert, nach der die Schiedseinrede wegen einer gültigen Schiedsvereinbarung begründet war.102 Zur Rechtskraft einer Entscheidung, dass die Schiedsvereinbarung ungültig und die Schiedseinrede unbegründet ist, hatte das Reichsgericht nicht Stellung genommen. Auch der Bundesgerichtshof bestätigte jüngst lediglich die Ausführungen des Reichsgerichts zur Rechtskraft bei einer wirksamen Schiedsvereinbarung und einer begründeten Schiedseinrede.103 Die Frage, ob die in den Entscheidungsgründen wiedergegebene Auffassung eines Amts- oder Landgerichts, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, in Rechtskraft erwächst, hatte der BGH gesehen, aber bewusst nicht entschieden.104

b.  Entgegenstehende Rechtskraft der Entscheidung in der Sache Allerdings könnte die Entscheidung des pflichtwidrig angerufenen deutschen Gerichts in der Sache der Geltendmachung von Schadensersatz für dieses Urteil in einem Schiedsverfahren entgegenstehen. Grund dafür ist, dass die Entscheidung des Gerichts über den Streitgegenstand den Tenor der Hauptsache bilden wird. Die Entscheidung über den Streitgegenstand erwächst damit in Rechtskraft. Nach der Lehre des sog. ne bis in idem hat die materielle Rechtskraft zur Folge, dass diese Entscheidung bindend ist und nachfolgende bzw. abweichende Entscheidungen über den Streitgegenstand verboten sind.105 Auch ein Schiedsgericht hat die Rechtskraft dieser Entscheidung zu beachten.106 Das Schiedsgericht ist an sie gebunden und darf selbst nicht abweichend entscheiden.107 Das gilt nicht nur für Schiedsverfahren, die wegen eines Streitgegenstandes geführt werden, der mit dem aus dem staatlichen Gerichtsverfahren identisch ist. Ein Schiedsgericht ist auch dann an die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf den Streitgegenstand gebunden, wenn es darüber entscheiden muss, ob dem pflichtwidrig vor dem staatlichen Gericht Beklagten aus diesem staatlichen Verfahren ein Schaden entstanden ist. Denn um den Schaden zu ermitteln, der dem Beklagten aus der schiedsvertraglichen Pflichtverletzung des Klägers entstanden ist, muss das Schiedsgericht nach der oben konkretisierten Differenzhypothese prüfen, ob es die Klage in der Sache selbst 102 

Siehe RGZ 40, 401 (404). Siehe BGH, NJW 2014, 3655 (3657, Rn. 17). 104  Vgl. BGH, NJW 2014, 3655 (3657, Rn. 18). 105  Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 322, Rn. 7; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, Vor § 322, Rn. 19. 106  BGH, NJW 2014, 3655 (3657, Rn. 18). 107  Huber, SchiedsVZ 2003, 73 (74); siehe auch Lühmann, Die Rechtskraft des Schiedsspruchs im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2014, S. 14. 103 



B.  Fragen der Rechtskraft

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abgewiesen oder ihr stattgegeben hätte.108 Das bedeutet, dass das um Schadensersatz angerufene Schiedsgericht mit einer Frage konfrontiert wird, die bereits von dem deutschen Gericht entschieden wurde und in Rechtskraft erwachsen ist. Fraglich ist, wie sich dieser Umstand auf die Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen für Schäden auswirkt, die für die beiden Fälle von Konstellation 2 ermittelt wurden.

aa.  Konstellation 2 – Fall 1: Gericht hatte die pflichtwidrige Klage als unbegründet abgewiesen Im ersten Fall in Konstellation 2 hatte sich das deutsche Gericht zwar irrig für zuständig erklärt, die Klage aber als unbegründet abgewiesen. Da das Urteil in der Sache zugunsten des Beklagten ausgegangen war, lag der Schaden des Beklagten allein in den Kosten, die ihm über die gerichtliche Kostenentscheidung nicht ersetzt wurden.109 Hat ein Schiedsgericht über diesen Schadensersatzanspruch zu entscheiden, muss es seiner Schadensprüfung zugrunde legen, dass es die Klage in einem hypothetischen Schiedsverfahren ebenfalls abgewiesen hätte, weil das Schiedsgericht an die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts in Bezug auf den Streitgegenstand gebunden ist und ihr nicht widersprechen darf. Die gerichtliche Kostenentscheidung ist hingegen nicht abschließend, sodass darüber hinaus Schadensersatz für Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht werden kann.110 Ein Schiedsverfahren über einen solchen Schadensersatzanspruch wird dementsprechend schnell geführt werden können, weil die einzig relevante Frage, wie in Bezug auf den Streitgegenstand zu entscheiden ist, bereits präjudiziert ist.

bb.  Konstellation 2 – Fall 2: Gericht hatte der pflichtwidrigen Klage stattgegeben Im zweiten Fall in Konstellation 2 hatte sich das deutsche Gericht irrig für zuständig erklärt und der Klage in der Sache stattgegeben. Der Schaden des pflichtwidrig Beklagten bestand hier in seinen eigenen Kosten, in den ihm nach § 91 ZPO auferlegten Kosten sowie in all dem, zu dem er in der Sache verurteilt wurde. Jedoch ist das über den Ersatz dieser Schäden entscheidende Schiedsgericht auch in diesem Fall an die Entscheidung des Gerichts in Bezug auf den Streitgegenstand gebunden. Das hat zur Folge, dass das Schiedsgericht dem pflicht108 

Siehe oben § 4 A. IV. 1. c., S. 122 ff. Siehe oben § 4 A. IV. 1. c. aa., S. 123 f. 110  BGH, NJW 2002, 680 (680); Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, Vor § 91, Rn. 17. 109 

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

widrig Beklagten hier keinen Schadensersatz zusprechen kann. Denn mit der Entscheidung, dass dem pflichtwidrig Beklagten Schadensersatz für das Urteil und die Kosten zuzusprechen ist, weil das Schiedsgericht selbst in Bezug auf den Streitgegenstand anders entschieden hätte, würde es zwangsläufig der Entscheidung des Gerichts in Bezug auf den Streitgegenstand widersprechen. Einen solchen Widerspruch verbietet jedoch die Wirkung der Rechtskraft.111 Fällt also das pflichtwidrig angerufene Gericht ein Urteil in der Sache zu Lasten des Beklagten, sperrt die Rechtskraft dieses Urteils in Bezug auf den Streitgegenstand ein anschließendes Schiedsverfahren, in dem für dieses Urteil und die damit verbundenen Kosten Schadensersatz geltend gemacht werden soll.

cc.  Rechtsfolgen bei Missachtung der Rechtskraft Was jedoch gilt, wenn sich ein Schiedsgericht mit Sitz in Deutschland in Konstellation 2 über die Rechtskraftwirkungen des Urteils hinwegsetzt und beispielsweise Schadensersatz für das Urteil und die damit verbundenen Kosten zuspricht? Huber und Illmer zufolge ist ein Schiedsspruch, der die Entscheidung des staatlichen Gerichts in der Sache missachtet, nicht nur aufhebbar, sondern nichtig.112 Dem ist zuzustimmen. Ein solcher Schadensersatzschiedsspruch wäre nichtig. Das Gleiche gilt im ersten Fall von Konstellation 2 für einen Schiedsspruch, mit dem das Schiedsgericht die Schiedsklage auf Schadensersatz deshalb abweist, weil es selbst der Klage vor dem staatlichen Gericht stattgegeben hätte.

c. Zwischenergebnis Die Entscheidung eines deutschen Gerichts im Rahmen von § 1032 Abs. 1 ZPO, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, steht der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs für eine schiedsvereinbarungswidrige Klage nicht entgegen. Grund dafür ist, dass diese Entscheidung des Gerichts nicht in Rechtskraft erwächst. Die Rechtskraft kann auch nicht gem. § 256 Abs. 2 ZPO über eine Zwischenfeststellungsklage auf diese Entscheidung erstreckt werden, weil die Amts- und Landgerichte nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung nicht dafür zuständig sind, endgültig über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Die ausschließliche Zuständigkeit für diese Entscheidung liegt bei den Oberlandesgerichten. Allerdings ist das mit dem Schadensersatz befasste Schiedsgericht an die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts in Bezug auf den Streitgegenstand 111 Siehe Lühmann, Die Rechtskraft des Schiedsspruchs im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2014, S. 14; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 322, Rn. 12. 112  Huber, SchiedsVZ 2003, 73 (74); Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 107.



B.  Fragen der Rechtskraft

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gebunden. Hat das Gericht die Klage als unbegründet abgewiesen, muss das Schiedsgericht diese Entscheidung seiner eigenen zugrunde legen. Es wird allein darüber entscheiden können, wie hoch der Schaden des Beklagten aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht ist. Hat das Gericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, ist diese Entscheidung für das Schiedsgericht ebenfalls bindend. Es kann dem pflichtwidrig Beklagten hier keinen Schadensersatz zusprechen, weil dies der gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf den Streitgegenstand widersprechen würde. Setzt sich das Schiedsgericht über die rechtskräftige Entscheidung hinweg, hat dies die Nichtigkeit des Schiedsspruchs zur Folge.

2.  Urteile englischer Gerichte Zu klären bleibt, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn sich ein englisches Gericht trotz eines Antrags des Beklagten nach section 9 (1) Arbitration Act für zuständig hält und daraufhin in der Sache entscheidet. Auch hier könnten einem Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland, in dem für dieses englische Urteil Schadensersatz verlangt werden soll, zwei Elemente des Urteils entgegenstehen: Zum einen die Entscheidung des englischen Gerichts gem. section 9 (4) Arbitration Act, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist (a.). Zum anderen die Rechtskraft des englischen Urteils in Bezug auf den Streitgegenstand (b.).

a.  Mangelnde Wirkungserstreckung der Entscheidung nach section 9 (4) Arbitration Act Zunächst ist fraglich, ob die Entscheidung des englischen Gerichts gem. section 9 (4) Arbitration Act, dass die Schiedsvereinbarung null and void, inoperative oder incapable of being performed ist, in ihrer Wirkung auf das deutsche Inland erstreckt werden kann. Über die Brüssel I-VO ist eine solche Wirkungserstreckung ausgeschlossen. Denn in Bezug auf die Entscheidung, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, greift Art. 1 Abs. 2 lit. d Brüssel I-VO, wonach die Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen ist. Das stellt EG 12 Abs. 2 Brüssel I-VO klar.113 Auch nach autonomem deutschen Recht wird die englische Entscheidung gem. section 9 (4) Arbitration Act nicht anerkannt. Grund hierfür ist, dass es sich bei einer Entscheidung nach section 9 (4) Arbitration Act um eine rein prozessuale handelt. Rein prozessuale Entscheidungen sind jedoch 113  EG 12 Abs. 2 Brüssel I-VO lautet: „Entscheidet ein Gericht eines Mitgliedstaats, ob eine Schiedsvereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist, so sollte diese Entscheidung ungeachtet dessen, ob das Gericht darüber in der Hauptsache oder als Vorfrage entschieden hat, nicht den Vorschriften dieser Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung unterliegen“.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

nicht anerkennungsfähig, selbst wenn sie nach dem Recht des Ursprungsstaates in Rechtskraft erwachsen.114 Mithin kann eine englische Entscheidung, dass eine einen deutschen Schieds­ort vorsehende Schiedsvereinbarung ungültig ist, der Geltendmachung von Schadensersatz für ein nachteiliges englisches Urteil in einem Schiedsverfahren in Deutschland nicht entgegenstehen.

b.  Entgegenstehende Rechtskraft der englischen Entscheidung in der Sache Allerdings könnte die Entscheidung des englischen Gerichts über den Streitgegenstand einem Schiedsverfahren in Deutschland entgegenstehen, in dem für das englische Urteil Schadensersatz verlangt werden soll. Das ist dann der Fall, wenn das englische Urteil in der Sache im deutschen Inland anerkannt wird (aa.) und nach den auf das Inland erstreckten Wirkungen des englischen Urteils eine nochmalige Entscheidung über seinen Gegenstand gesperrt ist (bb.). Ein Schiedsgericht mit Sitz in Deutschland müsste an diese auf das Inland erstreckten Wirkungen aber auch gebunden sein (cc.). Wie sich dies auf die Durchsetzbarkeit der oben in Konstellation 2 ermittelten Schadenspositionen auswirkt, ist für die beiden Fälle dieser Konstellation getrennt zu beurteilen (dd.).

aa.  Anerkennung der englischen Entscheidung in der Sache über die Brüssel I-VO Die englische Entscheidung in der Sache wird gem. Art. 36 Abs. 1 Brüssel I-VO in Deutschland anerkannt, ohne dass es dafür eines besonderen Verfahrens bedarf. Allerdings ließe sich daran denken, ob der englischen Entscheidung eventuell die Anerkennung in Deutschland nach Art. 45 Brüssel I-VO versagt werden kann, weil für die Entscheidung über den Streitgegenstand nach deutschem Verständnis ausschließlich ein Schiedsgericht zuständig war. Da die Versagungsgründe nach Art. 45 Abs. 1 lit. e Brüssel I-VO wegen mangelnder Zuständigkeit abschließend sind und die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts nicht darunterfällt, kommt alleine eine Anerkennungsversagung gem. Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel I-VO wegen Verstoßes gegen den ordre public in Betracht. Rechtsprechung115 und Literatur116 gehen aber ganz überwiegend davon aus, dass die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung über einen Streit114  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Auflage 2015, Rn. 2788; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2015, § 328, Rn. 14; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 351 f. 115  OLG Hamburg, IPRax 1995, 391 (393); siehe auch National Navigation Co. v. Endesa Generacion S.A. (The Wadi Sudr), [2010] 1 Lloyd’s Law Reports 193 (215, Rn. 125). 116  Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Auflage 2016, Art. 45 Brüssel Ia-VO, Rn. 22; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage



B.  Fragen der Rechtskraft

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gegenstand, der von einer Schiedsvereinbarung erfasst ist, nicht gegen den ordre public verstößt. Allein Schlosser ist der Ansicht, dass der heimatliche ordre public verletzt ist, wenn sich ein ausländisches Gericht über eine wirksame Schiedsvereinbarung hinweggesetzt hat.117 Zwar hat die Ansicht Schlossers etwas für sich. Schließlich hat das ausländische Gericht über einen Streitgegenstand entschieden, der nach deutschem Verständnis allein von einem Schiedsgericht mit Sitz in Deutschland hätte entschieden werden dürfen. So bedeutsam Schiedsvereinbarungen im heutigen Rechtsverkehr sein mögen, würde es aber voraussichtlich zu weit gehen, einen ordre public-Verstoß allein deshalb anzunehmen, weil ein deutsches Gericht seine Zuständigkeit wegen der Schiedsvereinbarung verneint hätte.118 Darüber hinaus lässt sich unter der neuen Brüssel I-VO ein ordre public-Verstoß, weil sich das pflichtwidrig angerufene mitgliedstaatliche Gericht über die Schiedsvereinbarung hinweggesetzt hat, kaum noch überzeugend begründen: EG 12 Abs. 3 S. 1 Brüssel I-VO bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts in der Sache selbst dann anzuerkennen ist, wenn über diesen Streitgegenstand nach einer Schiedsvereinbarung eigentlich ein Schiedsgericht hätte entscheiden müssen. Wenn die Verordnung nun ausdrücklich die Anerkennung dieser Entscheidung verlangt, wird man ihr nicht an anderer Stelle aus demselben Grund die Anerkennung wegen eines Verstoßes gegen den ordre public wieder versagen dürfen. Mithin wird die Entscheidung des englischen Gerichts über den von der Schiedsvereinbarung gedeckten Streitgegenstand nach der Brüssel I-VO in Deutschland anerkannt, ohne dass es dafür eines besonderen Verfahrens bedarf.

bb.  Auf das deutsche Inland erstreckte Wirkungen der englischen Entscheidung Die Anerkennung hat zur Folge, dass die Wirkungen des englischen Urteils in Bezug auf den Streitgegenstand, die diesem nach englischem Recht zukommen, über die Brüssel I-VO auf das deutsche Inland erstreckt werden.119 Von der Erstreckung erfasst sind vor allem die Wirkungen der materiellen Rechtskraft.120 2013, Art. 34 EuGVO, Rn. 16; Hess, in: Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Auflage 2015, Art. 45 EuGVVO, Rn. 12. 117  Schlosser, in: Festschrift Kralik, 1986, 287 (299); ders., in: Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Auflage 2015, Art. 1 EuGVVO, Rn. 25. 118 Vgl. National Navigation Co. v. Endesa Generacion S.A. (The Wadi Sudr), [2010] 1 Lloyd’s Law Reports 193 (215, Rn. 125). 119 Vgl. Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Auflage 2016, Art. 36 Brüssel Ia-VO, Rn. 4; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Auflage 2015, Rn. 2776; Hess, in: Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Auflage 2015, Art. 36 EuGVVO, Rn. 2. 120  Hess, in: Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Auflage 2015, Art. 36 EuGVVO, Rn. 4; Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Auflage 2016, Art. 36 Brüssel Ia-VO, Rn. 5.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

Folglich ist danach zu fragen, welche Rechtskraftwirkungen die englische Entscheidung in der Sache nach englischem Recht hat. Relevant sind für die vorliegende Untersuchung der sog. cause of action estoppel und der sog. issue estoppel. Nach dem cause of action estoppel ist ein erneutes Verfahren ausgeschlossen, wenn es mit der cause of action eines vorhergehenden Verfahrens identisch ist.121 Der Begriff cause of action beschreibt die Tatsachen, die der Kläger vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, um das beantragte Rechtsschutzziel zu erreichen.122 Wird bei einer erneuten Klage hingegen nur ein Teilbereich (issue) eines vorausgegangenen Verfahrens zum Streitpunkt, kann der issue estoppel eingewendet werden.123 Dann gilt die vorhergehende richterliche Beurteilung in Bezug auf dieses issue auch im neuen Rechtsstreit.124 Diese beiden Wirkungen der englischen Entscheidung werden über die Brüssel I-VO auf das deutsche Inland erstreckt.

cc.  Bindung von Schiedsgerichten an Urteile, die über die Brüssel I-VO anerkannt werden? Nun stellt sich allerdings die Frage, ob Schiedsgerichte mit Sitz in Deutschland an diese, über die Brüssel I-VO auf das Inland erstreckten Wirkungen der englischen Entscheidung, gebunden sind. Der englische High Court selbst ist der Auffassung, dass Schiedsgerichte (mit Sitz in England) nicht an Urteile gebunden sind, die nach der Brüssel I-VO in England anerkannt werden.125 Grund dafür sei, dass die Brüssel I-VO allein Gerichte binde, es sich bei Schiedsgerichten aber nicht um Gerichte im Sinne der Verordnung handele.126 Zwar ist ein Schiedsgericht in der Tat kein Gericht im Sinne der Brüssel IVO.127 Das bedeutet aber noch nicht, dass eine mitgliedstaatliche Entscheidung für ein Schiedsgericht, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, vollkommen unbeachtlich ist. Wenn Art. 2 lit. a Brüssel I-VO von dem „Gericht eines Mitgliedstaats“ spricht, meint die Verordnung damit allein das Organ, von

121  Stürner, in: Festschrift Schütze, 1999, 913 (920); Stürner, in: Festschrift Schütze, 2015, 579 (586). 122  Letang v. Cooper, [1964] 2 Lloyd’s Law Reports 339 (344)(C.A.); Stürner, in: Festschrift Schütze, 1999, 913 (920); Stürner, in: Festschrift Schütze, 2015, 579 (586). 123  Stürner, in: Festschrift Schütze, 2015, 579 (587); Stürner, in: Festschrift Schütze, 1999, 913 (921). 124  Stürner, in: Festschrift Schütze, 1999, 913 (921). 125  CMA CGM S.A. v. Hyundai MIPO Dockyard Co. Ltd., [2009] 1 Lloyd’s Law Reports 213 (224, Rn. 46)(Q.B.D.). 126  CMA CGM S.A. v. Hyundai MIPO Dockyard Co. Ltd., [2009] 1 Lloyd’s Law Reports 213 (224, Rn. 46); West Tankers Inc. v. Allianz S.p.A. and Another (The Front Comor), [2012] 2 Lloyd’s Law Reports 103 (115, Rn. 67 f.)(Q.B.D.). 127  Siehe EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 36.



B.  Fragen der Rechtskraft

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dem die anzuerkennende Entscheidung stammen muss.128 Der Kreis derjenigen, die das mitgliedstaatliche Urteil anerkennen müssen, wird hingegen durch Art. 2 lit. a Brüssel I-VO nicht auf mitgliedstaatliche Gerichte beschränkt.129 Die mitgliedstaatliche Entscheidung ist hinsichtlich des Streitgegenstandes aber nicht nur für die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten verbindlich, sondern gerade auch für die Parteien.130 Wenn nun zwischen diesen selben Parteien in einem anderen Mitgliedstaat ein Schiedsverfahren eingeleitet wird, dann muss das Schiedsgericht in diesem Verfahren selbstverständlich auch das Urteil beachten, das in dem ersten Mitgliedstaat zwischen diesen Parteien ergangen ist und dessen Wirkungen über die Brüssel I-VO auf den Mitgliedstaat erstreckt werden, in dem das Schiedsverfahren sitzt. Mithin sind die Wirkungen einer englischen Entscheidung auch in Schiedsverfahren in Deutschland zu beachten, in denen wegen des englischen Verfahrens Schadensersatz aus der Verletzung der Schiedsvereinbarung geltend gemacht werden soll.

dd.  Auswirkungen auf Schadensersatzschiedsverfahren mit Sitz in Deutschland Das wirkt sich auf derartige Schadensersatzschiedsverfahren in Deutschland wie folgt aus: Zwar kann gegen ein solches Schiedsverfahren kein cause of action estoppel eingewendet werden, weil das Rechtsschutzziel des pflichtwidrig Beklagten in dem deutschen Schiedsverfahren ein anderes ist, als in dem englischen Gerichtsverfahren. Allerdings stellt sich auch in einem Schiedsverfahren, in dem Schadensersatz für ein pflichtwidriges englisches Verfahren verlangt werden soll, für das Schiedsgericht die Frage (bzw. das issue), wie der Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden gewesen wäre. Diese Frage hat das Schiedsgericht bei seiner Schadensberechnung mitzuberücksichtigen.131 Sie wurde allerdings schon von dem englischen Gericht entschieden. Damit ist die Frage, wie die Streitigkeit in der Sache zu entscheiden ist, durch die englische Entscheidung per issue estoppel präjudiziert. Hat das englische Gericht wie im ersten Fall in Konstellation 2 die Klage als unbegründet abgewiesen, ist das über den Schadensersatz entscheidende Schiedsgericht daran gebunden. Gegenstand dieses Schiedsverfahrens wird allein die Frage sein, wie hoch die nicht über die englische Kostenentscheidung 128  Mankowski, in: Festschrift von Hoffmann, 2011, 1012 (1016); ders., in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Auflage 2016, Art. 1 Brüssel Ia-VO, Rn. 158. 129 Siehe Mankowski, in: Festschrift von Hoffmann, 2011, 1012 (1016); ders., in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Auflage 2016, Art. 1 Brüssel Ia-VO, Rn. 158. 130 Siehe Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Auflage 2016, Art. 36 Brüssel Ia-VO, Rn. 5. 131  Siehe oben § 4 A. IV. 1. a. cc., S. 120 f.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

ersetzten Kosten des pflichtwidrig Beklagten sind. Die Kostenentscheidung des englischen Gerichts steht der Geltendmachung von Schadensersatz für diese nicht ersetzten Kosten in einem Schiedsverfahren in Deutschland nicht entgegen.132 Hat das englische Gericht wie im zweiten Fall in Konstellation 2 der Klage stattgegeben, hat die Bindungswirkung zur Folge, dass das Schiedsgericht nicht mehr zu dem Ergebnis kommen kann, dass es selbst die Klage abgewiesen und dem Kläger alle Kosten auferlegt hätte. In diesem Fall ist es also ausgeschlossen, dass der Beklagte erfolgreich Schadensersatz für das englische Urteil in der Sache und die mit dem Verfahren verbundenen Kosten geltend machen kann.

c. Zwischenergebnis Will der pflichtwidrig in England Beklagte in einem anschließenden Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland Schadensersatz für das englische Urteil in der Sache und die mit dem Verfahren verbundenen Kosten verlangen, steht einem solchen Schiedsverfahren die Entscheidung des Gerichts, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, nicht entgegen. Allerdings muss das Schiedsgericht die rechtskräftige Entscheidung des englischen Gerichts in der Sache beachten. Dies folgt aus dem sog. issue estoppel, nach dem die Beurteilung des Gerichts in Bezug auf dieses issue auch in einem folgenden Rechtsstreit gilt. Diese Wirkung wird über die Brüssel I-VO auf das deutsche Inland erstreckt. Sie ist auch von Schiedsgerichten zu beachten, die über Streitigkeiten derselben Parteien zu entscheiden haben. Hat das englische Gericht die Klage als unbegründet abgewiesen, ist das Schiedsgericht an diese Entscheidung in der Sache gebunden. Es entscheidet allein darüber, ob dem Beklagten in dem englischen Verfahren nicht alle Kosten ersetzt wurden und er diese als Schaden ersetzt verlangen kann. Hat das englische Gericht der Klage hingegen stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt, ist es ausgeschlossen, dass dem Beklagten anschließend für dieses Urteil und die Kosten in einem Schiedsverfahren Schadensersatz zugesprochen wird. Das Schiedsgericht kann aufgrund des issue estoppels nicht zu dem Ergebnis kommen, dass es selbst die Klage abgewiesen und den Beklagten schadlos gestellt hätte. Es wird die Schiedsklage auf Schadensersatz als unbegründet abweisen. Um dieses letzte Szenario zu vermeiden, sollte der Beklagte gleich auf die Verfahrenseinleitung vor dem englischen Gericht mit einem Schiedsverfahren in Deutschland reagieren. In diesem Schiedsverfahren hat er hat die Möglichkeit, einen anti-suit award zu erwirken, um dem Kläger des englischen Verfahrens zu untersagen, das englische Verfahren weiter zu betreiben.133 Dieser 132 Vgl. 133 

Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, 2013, S. 455. Dazu ausführlich in § 6 B. I., S. 200 ff.



B.  Fragen der Rechtskraft

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Schiedsspruch kann in England über die New York Convention vollstreckt werden.134

3. Ergebnis Erlässt ein entgegen der Schiedsvereinbarung angerufenes deutsches oder englisches Gericht ein Urteil in der Sache, kann ein für den Beklagten nachteiliges Urteil grundsätzlich nicht in einem anschließenden Schiedsverfahren als Schaden geltend gemacht werden. Die Rechtskraft der staatlichen Entscheidung in der Sache schließt es aus, dass das Schiedsgericht im Rahmen der oben konkretisierten Differenzhypothese zu dem Ergebnis kommt, dass es in der Sache selbst anders als das staatliche Gericht entschieden hätte und dem Beklagten daher Schadensersatz zu gewähren ist. Für deutsche Urteile folgt dies aus der Bindungswirkung als Teil der materiellen Rechtskraft in Bezug auf den Streitgegenstand. Bei englischen Urteilen wird dieses Ergebnis über den issue estoppel erzielt, nach dem die Entscheidung in der Sache für die Parteien verbindlich ist. Diese Wirkung des englischen Urteils wird über die Brüssel I-VO auf das deutsche Inland erstreckt. Für den pflichtwidrig Beklagten, der in dem deutschen oder englischen Verfahren obsiegt hat, sind diese Wirkungen von Vorteil: Da die Entscheidung in der Sache zu seinen Gunsten präjudiziert ist, kann er sich in dem Schiedsverfahren darauf konzentrieren, die Kosten als Schaden geltend zu machen, die ihm in dem staatlichen Verfahren nicht ersetzt wurden.

II.  Die Rechtskraft von Schiedssprüchen und der Schadensersatz wegen der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht In § 4 A. konnte gezeigt werden, dass die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht einen Schadensersatzanspruch auslösen kann. Ist der unwahre Sachvortrag einer Schiedspartei unerkannt geblieben und hat dieser zu einem inhaltlich unrichtigen Schiedsspruch geführt, besteht der Schaden der Gegenseite in der falschen Entscheidung des Schiedsgerichts sowie den gegebenenfalls auferlegten Kosten für das Schiedsverfahren.135 Der Durchsetzung dieses Schadensersatzanspruchs könnte allerdings entgegenstehen, dass der unrichtige Schiedsspruch gem. § 1055 ZPO zwischen den Parteien wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt. Wenn der Schiedsspruch gerade den Zweck hat, die Streitigkeit zwischen den Parteien abschließend und endgültig zu entscheiden, könnte es problematisch sein, mit der Begründung, der Schiedsspruch sei unrichtig, Schadensersatz zu verlangen. In der Folge muss 134  Zu den Verteidigungsmöglichkeiten des pflichtwidrig Beklagten auch Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, 1. Auflage 2015, Rn. 2.72. 135  Siehe oben § 4 A. IV. 3., S. 129.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

also geklärt werden, ob der Durchsetzung des Schadensersatzes die Rechtskraft des unrichtigen Schiedsspruchs entgegensteht bzw. ob die Rechtskraft bei Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht eventuell gem. § 1059 ZPO im Aufhebungsverfahren beseitigt werden kann.

1.  Die entgegenstehende Rechtskraft des unrichtigen Schiedsspruchs Nach § 1055 ZPO hat ein Schiedsspruch zwischen den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Das bedeutet, dass der Schiedsspruch mit seinem Erlass formell und materiell rechtskräftig wird.136 Wie schon für staatliche Urteile festgestellt werden konnte, folgt auch aus der (materiellen) Rechtskraft von Schiedssprüchen, dass über denselben Streitgegenstand nicht nochmals entschieden werden darf (Wiederholungsverbot).137 Die Rechtskraft wirkt aber auch in Form eines Widerspruchsverbots, sodass keine vom Schiedsspruch abweichenden Entscheidungen getroffen werden dürfen.138 Eine Entscheidung eines Schiedsgerichts,139 die wegen der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht Schadensersatz für einen unrichtigen Schiedsspruch zuspricht, würde also der Rechtskraft dieses unrichtigen Schiedsspruchs widersprechen. Schließlich bringt der zweite, den Schadensersatz zusprechende Schiedsspruch zum Ausdruck, dass der erste Schiedsspruch aufgrund der Verletzung der Wahrheitspflicht falsch ist. Ein größerer Widerspruch ist kaum denkbar, weil der Schadensersatzschiedsspruch in Bezug auf den Streitgegenstand das für falsch erachtet, was der Ausgangsschiedsspruch für richtig hielt. Grundsätzlich ist also die Geltendmachung von Schadensersatz für die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht ausgeschlossen, weil sie im Widerspruch zur Rechtskraft des unrichtigen Schiedsspruchs steht. Allerdings stellt das zehnte Buch der ZPO mit § 1059 einen Rechtsbehelf zur Verfügung, mit dem die Rechtskraft von Schiedssprüchen beseitigt werden kann. Kann eine Partei erfolgreich die Aufhebung des unrichtigen Schiedsspruchs gem. § 1059 ZPO erwirken, müsste es ihr also wieder möglich sein, den Schadensersatz für die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht durchzusetzen. 136 

Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis des Schiedsspruchs, 2010, S. 381 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1055, Rn. 1; Saenger, in: Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 1055, Rn. 3 f. 137  Lühmann, Die Rechtskraft des Schiedsspruchs im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2014, S. 14; Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis des Schiedsspruchs, 2010, S. 382; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1055, Rn. 5. 138  Lühmann, Die Rechtskraft des Schiedsspruchs im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2014, S. 14; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1055, Rn. 5; allgemein: Gaul, in: Festschrift Flume I, 1978, 443 (513). 139  Zur Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für den schiedsvertraglichen Schadensersatz siehe unten § 5 D. III. 4., S. 190 f.; § 6 B. V., S. 221 f.



B.  Fragen der Rechtskraft

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2.  Hinfälligkeit des Schadensersatzes bei Aufhebung des unrichtigen Schiedsspruchs gem. § 1059 ZPO? Bevor allerdings geklärt werden soll, ob ein Schiedsspruch wegen einer Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht gem. § 1059 ZPO aufgehoben werden kann, muss gefragt werden, ob eine Aufhebung des unrichtigen Schiedsspruchs einen Schadensersatz gleich hinfällig machen würde. Denn mit der Aufhebung des unrichtigen Schiedsspruchs hätte die mit dem unwahren Sachvortrag konfrontierte Schiedspartei gar keinen Schaden mehr zu verzeichnen. Ein Schaden der Schiedspartei bestünde allenfalls noch in den eigenen Kosten für das Schiedsverfahren, das mit dem nun aufgehobenen Schiedsspruch beendet wurde. Diese Einschätzung mag bei rein deutschen Sachverhalten richtig sein. Sie ist jedoch schon dann unzutreffend, wenn ein unterlegener Schiedsbeklagter Vermögen im Ausland hat. Wie mehrere Fälle gezeigt haben, werden Schiedssprüche von ausländischen Gerichten nämlich selbst dann vollstreckt, wenn sie am Sitz des Schiedsverfahrens aufgehoben wurden.140 Selbst wenn der unrichtige Schiedsspruch also nach § 1059 ZPO aufgehoben werden konnte, besteht der Schaden des Schiedsbeklagten weiter fort, weil der Schiedsspruch im Ausland potentiell immer noch nach der New York Convention vollstreckt werden kann.141 Der Schadensersatz für die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht wird also mit der Aufhebung des Schiedsspruchs nicht hinfällig.

3.  Aufhebbarkeit eines inhaltlich unrichtigen Schiedsspruchs bei Verletzung der Wahrheitspflicht? Somit ist zu fragen, ob ein wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht unrichtiger Schiedsspruch nach § 1059 ZPO aufgehoben werden kann.

a.  § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO – Schiedsverfahren entspricht nicht der Vereinbarung der Parteien Führt der grob fahrlässig oder vorsätzlich unwahre Sachvortrag einer Schiedspartei zu einem inhaltlich unrichtigen Schiedsspruch, kommt eine Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO in Betracht. Dem140 Siehe beispielsweise Chromalloy Aeroservices Inc. v. The Arab Republic of Egypt, 939 F. Supp. 907 (U.S. District Court for the District of Columbia); Dallah Real Estate and Tourism Holding Co. v. Ministry of Religious Affairs for the Government of Pakistan, [2010] 2 Lloyd’s Law Reports 691 (UK Supreme Court). 141 Vgl. Chromalloy Aeroservices Inc. v. The Arab Republic of Egypt, 939 F. Supp. 907; Dallah Real Estate and Tourism Holding Co. v. Ministry of Religious Affairs for the Government of Pakistan, [2010] 2 Lloyd’s Law Reports 691.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

nach kann ein Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn das schiedsrichterliche Verfahren einer zulässigen Vereinbarung der Parteien nicht entsprochen hat und anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Wie im Rahmen dieser Arbeit bereits ausführlich dargestellt wurde, vereinbaren die Parteien mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung die Pflicht, ihren Sachvortrag im Schiedsverfahren ihrer subjektiven Wahrnehmung nach abzugeben.142 Trägt eine Partei grob fahrlässig oder vorsätzlich nicht ihrer Erinnerung oder Kenntnis nach vor,143 entspricht das Schiedsverfahren im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO nicht der Vereinbarung der Parteien. Bleibt der unwahre Sachvortrag unbemerkt und führt er zu einer unrichtigen Entscheidung des Schiedsgerichts, hat sich dieser Verfahrensfehler auch im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO auf den Schiedsspruch ausgewirkt. Eckstein-Puhl hält einer solchen Auslegung entgegen, dass § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO bei einer Verletzung der Wahrheitspflicht nicht eingreifen könne, weil dieser Verfahrensfehler von einer Partei und nicht von den Schiedsrichtern ausgehe.144 Ein dem Schiedsgericht zurechenbarer Verstoß sei aber Voraussetzung für das Eingreifen von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO, weil der Wortlaut vom „schiedsrichterlichen Verfahren“ spreche.145 Das schiedsrichterliche Verfahren selbst sei aber nicht betroffen, wenn eine Partei sich unredlich verhalte.146 Diese Auffassung kann nicht überzeugen. Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass sich die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht gerade darauf bezieht, dass die Parteien im Schiedsverfahren ihrer subjektiven Wahrnehmung nach vortragen. Geschieht dies nicht, entspricht das Schiedsverfahren nicht der Schiedsvereinbarung. Dass der Verstoß gegen die Vereinbarung der Parteien vom Schiedsgericht ausgehen muss, findet keinen Rückhalt im Wortlaut von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO. Vielmehr ist der Wortlaut von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO hinsichtlich der Frage, wer die Vereinbarung der Parteien zum Schiedsverfahren verletzt haben muss, vollkommen offen. Münch geht daher zu Recht davon aus, dass es keine Rolle spielt, ob der Verstoß von den Schiedsrichtern oder den Schiedsparteien ausgeht.147 Vielmehr kommt es allein darauf an, dass sich der Verstoß im Schiedsspruch niederschlägt.148 Das ist aber der Fall, wenn die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht im schiedsrichterlichen Verfahren zu einem unrichtigen Schiedsspruch führt. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO also erfüllt. 142 

Siehe oben § 3 D. II. 2. d., S. 68 f. Verschuldensmaßstab bei der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht oben in § 4 A. III., S. 116 f. 144  Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren, 2004, S. 86. 145  Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren, 2004, S. 86. 146  Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren, 2004, S. 86. 147  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1059, Rn. 32. 148  Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1059, Rn. 32. 143 Zum



B.  Fragen der Rechtskraft

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b.  Vereinbarkeit mit dem Verbot der révision au fond Fraglich ist, ob diese Schlussfolgerung mit dem Verbot der révision au fond vereinbar ist. Das Verbot der révision au fond gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nämlich auch bei § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO.149 Es besagt im Kontext des schiedsrechtlichen Aufhebungsverfahrens, dass der Schiedsspruch nicht inhaltlich kontrolliert werden darf.150 Die Entscheidung darf also weder hinsichtlich der Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht noch hinsichtlich seiner Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigung geprüft werden.151 Man könnte meinen, dass es dazu aber zwangsläufig kommt, wenn das nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständige Oberlandesgericht prüft, ob der grob fahrlässig oder vorsätzlich unwahre Sachvortrag einer Partei zu einem inhaltlich unrichtigen Schiedsspruch geführt hat. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass diese Kausalitätsprüfung vom Wortlaut des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO vorgegeben wird. Hier soll ja gerade geprüft werden, ob sich der Verstoß gegen die Vereinbarung der Parteien auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Mithin ist es nicht zu beanstanden, wenn das Oberlandesgericht anhand der Entscheidungsgründe des Schiedsspruchs prüft, ob das Schiedsgericht seine Entscheidung auf den unwahren Sachvortrag gestützt hat und deshalb zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, als es bei wahrheitsgemäßem Sachvortrag gekommen wäre. Eine inhaltliche Bewertung der schiedsgerichtlichen Entscheidungsfindung als richtig oder falsch ist damit nicht verbunden. Aus dem Verbot der révision au fond ergibt sich auch, dass der Aufhebungsantrag gem. § 1059 Abs. 1, 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO nicht einfach damit begründet werden kann, das Schiedsgericht sei der „falschen“ Auffassung gefolgt. Der Antragsteller kann nicht einfach seinen Sachvortrag aus dem Schiedsverfahren wiederholen, um die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht zu beweisen.152 Vielmehr müssen neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, die in das Schiedsverfahren noch nicht eingebracht werden konnten und die beweisen, dass der Sachvortrag der Gegenseite nicht ihrer subjektiven Wahrnehmung entsprochen hat.153 Genau genommen wird dieses Erfordernis schon von der einzigen hier diskutierten Konstellation von Schäden durch die schiedsvertragliche Wahrheits149 

Siehe BGH, NJW 2002, 3031 (3032). Saenger, in: Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 1059, Rn. 15; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1059, Rn. 28; allgemein: Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, 2008, S. 14. 151 Vgl. Spickhoff, ZZP 108 (1995) 475 (475); Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, 2008, S. 14. 152  Vgl. BGH, NJW 1964, 349 (349); NJW 1964, 1672 (1673). 153  Vgl. BGH, NJW 1964, 349 (349); NJW 1964, 1672 (1673); Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 263. 150 

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

pflichtverletzung aufgestellt. Die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht verursacht nämlich nur dann einen Schaden, wenn der unwahre Sachvortrag unerkannt bleibt und zu einem unrichtigen Schiedsspruch führt.154 Konnte die Unwahrheit des gegnerischen Sachvortrags schon im Schiedsverfahren aufgedeckt und bewiesen werden, wird das Schiedsgericht den unwahren Sachvortrag gar nicht erst in seiner Entscheidung berücksichtigen. Ein Schaden bleibt hier aus. Hingegen wird in der hier interessierenden Konstellation die Unwahrheit des Sachvortrags erst nach Erlass des unrichtigen Schiedsspruchs entdeckt oder sie kann – falls sie schon im Schiedsverfahren gerügt wurde – erst nachträglich bewiesen werden.155 Charakteristisch für die den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO erfüllende Konstellation ist es also, dass erst nach Erlass des Schiedsspruchs Beweise für die Unwahrheit des Sachvortrags auftauchen. Mithin kann festgehalten werden, dass die Aufhebung eines Schiedsspruchs nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht nicht gegen das Verbot der révision au fond verstößt. Das OLG prüft hier nicht, ob es selbst zu dem gleichen oder zu einem anderen Ergebnis als das Schiedsgericht gekommen wäre. Prüfungsmaßstab ist allein, ob das Schiedsgericht seine Entscheidung auf den (aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel nun erwiesen) unwahren Sachvortrag gestützt und sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat.

c.  Präklusion des Aufhebungsgrundes wegen mangelnder Rüge im Schiedsverfahren? Wird die Unwahrheit des Sachvortrags nach Abschluss des Schiedsverfahrens überhaupt erst aufgedeckt, können sich daraus aber auch Probleme ergeben. In diesem Fall wird die wegen der Unwahrheit unterlegene Schiedspartei die Pflichtverletzung der Gegenseite im Schiedsverfahren nämlich nicht gerügt haben. Fraglich ist, ob die Geltendmachung von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO in diesem Fall präkludiert ist. § 1027 S. 1 ZPO lässt sich entnehmen, dass die Parteien Verstöße gegen Vereinbarungen, die für das Schiedsverfahren getroffen wurden, unverzüglich rügen müssen. Unterlässt eine Partei die Rüge, kann sie den Verstoß im Aufhebungsverfahren nicht mehr geltend machen.156 Dies gilt gem. § 1027 S. 2 ZPO allerdings nur insoweit, als eine Partei von der Verletzung der (Schieds-) 154 

Vgl. § 4 A. IV. 3., S. 129. Denkbar ist beispielsweise, dass nach dem Erlass des Schiedsspruchs ein Memorandum auftaucht, das beweist, dass eine Partei sehr wohl von einem bestimmten Vorgang Kenntnis hatte. So ähnlich der Sachverhalt in: Elektrim S.A. v. Vivendi Universal S.A., [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 693 (Q.B.D.). 156  Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1027, Rn. 3; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 1027, Rn. 7. 155 



B.  Fragen der Rechtskraft

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Vereinbarung Kenntnis hatte. Stellt sich erst nach Erlass des Schiedsspruchs heraus, dass eine Partei ihre schiedsvertragliche Wahrheitspflicht verletzt hat, ist die Gegenseite diesbezüglich also nicht präkludiert, sodass weiterhin eine Aufhebung gem. § 1059 Abs. 1, 2 Nr. 1 lit. d ZPO beantragt werden kann.

d. Zwischenergebnis Führt die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht zu einem unrichtigen Schiedsspruch, kann die mit dem unwahren Sachvortrag konfrontierte Schiedspartei die Aufhebung des Schiedsspruchs gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO beantragen. Ein Verstoß gegen das Verbot der révision au fond ist hier ausgeschlossen, weil das zuständige OLG nicht die schiedsgerichtliche Entscheidungsfindung als solche auf ihre Richtigkeit prüft. Vielmehr hat das Gericht aufgrund von zwingend neuen Tatsachen oder Beweismitteln festzustellen, ob eine Partei entgegen ihrer subjektiven Wahrnehmung nach vorgetragen hat und sich der Schiedsspruch auf diesen unwahren Sachvortrag stützt. In diesem Fall ist der Schiedsspruch aufzuheben. Stellt sich überhaupt erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens heraus, dass der Sachvortrag einer Partei falsch war, und war dies der Grund, dass die Gegenseite die Wahrheitspflichtverletzung im Schiedsverfahren nicht rügen konnte, ist die Geltendmachung des Aufhebungsgrundes nicht präkludiert. Nach der Aufhebung des Schiedsspruchs kann dann ein Schiedsverfahren eingeleitet werden, um die wegen der grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung der Wahrheitspflicht entstandenen Schäden geltend zu machen.

4.  Präklusion der Aufhebbarkeit bei Ablauf der drei-Monats-Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO? Wenn der Schadensersatz für die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht nur dann geltend gemacht werden kann, wenn der unrichtige Schiedsspruch zuvor gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO aufgehoben wurde, ergibt sich allerdings ein Problem: Was ist, wenn die den unwahren Sachvortrag beweisenden Tatsachen oder Dokumente erst herauskommen, nachdem die Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO abgelaufen ist? Mit Ablauf der in § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO niedergelegten drei-Monats-Frist kann der Schiedsspruch nämlich nicht mehr wegen der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Gründe aufgehoben werden.157 Die betroffene Schiedspartei könnte mithin keinen Schadensersatz

157 

BT-Drucksache 13/5274, S. 60 (linke Spalte); Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1059, Rn. 10; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1059, Rn. 59; vgl. auch Steger, Die Präklusion von Versagungsgründen bei der Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, 2015, S. 67.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

für den unrichtigen Schiedsspruch mehr geltend machen, weil dem nach Ablauf der drei-Monats-Frist die Rechtskraft des Schiedsspruchs entgegenstünde. Für Urteile erlaubt der Bundesgerichtshof jedoch in bestimmten Fällen des § 826 BGB eine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft, obwohl die formelle Rechtskraft des Urteils fortbesteht. Wenn diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Schiedssprüche übertragen werden kann, wäre die Geltendmachung von Schadensersatz für die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht auch nach Ablauf der in § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO bestimmten Frist denkbar.

a.  Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Urteilen nach § 826 BGB Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die materielle Rechtskraft von Urteilen durch eine Klage nach § 826 BGB durchbrochen werden.158 Dafür müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein.159 Erstens muss das rechtskräftige Urteil unrichtig sein. Zweitens muss die Gegenseite Kenntnis von der Unrichtigkeit des Urteils haben. Drittens müssen besondere Umstände hinzutreten, die eine Vollstreckung aus diesem Urteil durch die Gegenseite als sittenwidrig erscheinen lassen. Die zuletzt genannte Sittenwidrigkeit ist unter anderem dann gegeben, wenn diese Partei das Urteil durch unwahre Angaben unter Verletzung ihrer zivilprozessualen Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO erwirkt oder erschlichen hat.160 Dementsprechend wird vertreten, dass bei einer vorsätzlichen Verletzung von § 138 Abs. 1 ZPO ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB unter Durchbrechung der materiellen Rechtskraft eines Urteils geltend gemacht werden kann.161

b.  Übertragbarkeit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Schiedssprüche Diese Rechtsprechung zu § 826 BGB kann nach Ansicht des BGH auch auf Schiedssprüche übertragen werden.162 In der Schiedsgerichtsbarkeit soll § 826 BGB allerdings nicht nur einen Anspruch auf Schadensersatz gewähren, 158  BGH, NJW 1951, 759 (759); NJW 1954, 880 (880); NJW 1964, 349 (349); NJW-RR 1988, 957 (959); NJW 1999, 1257 (1258); NJW 2006, 154 (156). 159  BGH, NJW 1951, 759 (759); NJW 1954, 880 (880); NJW-RR 1988, 957 (959); NJW 1999, 1257 (1258). 160  RGZ 156, 265 (269); BGH, NJW 1951, 759 (759); siehe auch BGH, NJW 2006, 154 (156). 161  BGH, NJW 1964, 349 (349); Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 263; Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968, S. 295; siehe auch Walker, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof III, 2000, 367 (386); a. A.: Oechsler, in: Staudinger, BGB, Unerlaubte Handlungen 2, 2014, § 826, Rn. 475. 162  BGH, NJW 2001, 373 (374); zuvor bereits RG, HRR 1928, 1946.



B.  Fragen der Rechtskraft

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sondern einen zusätzlichen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 ZPO analog konstituieren.163 Ist § 826 BGB einschlägig, soll der Schiedsspruch gerade dann aufgehoben werden können, wenn die Frist nach § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO bereits abgelaufen ist.164 Auch wenn diese Rechtsprechung des BGH in der Literatur kritisiert wurde,165 muss davon ausgegangen werden, dass sie im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers steht. Dieser hatte im Rahmen der deutschen Schiedsrechtsreform gerade in Bezug auf Konstellationen ausgeführt, in denen ein Aufhebungsgrund erst nach Ablauf der drei-Monats-Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO bekannt wird und daher präkludiert ist: „Hierbei handelt es sich jedoch um seltene Ausnahmefälle, für die zudem das Schadensersatzrecht eine angemessene Lösung bietet.“166

c.  Rückschlüsse für den Schadensersatz aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht Das bedeutet, dass ein Schadensersatz für die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn die die Pflichtverletzung beweisenden Tatsachen oder Dokumente erst auftauchen, nachdem die Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO abgelaufen ist. Allerdings müssen für eine Aufhebung des unrichtigen Schiedsspruchs analog § 1059 Abs. 2 ZPO die Voraussetzungen des § 826 BGB gegeben sein. Überträgt man die Rechtsprechung des BGH zu Urteilen auf Schiedssprüche, ist § 826 BGB einschlägig, wenn (1) ein unrichtiger Schiedsspruch vorliegt, (2) die obsiegende Schiedspartei Kenntnis von der Unrichtigkeit hat und (3) die obsiegende Schiedspartei ihre schiedsvertragliche Wahrheitspflicht vorsätzlich verletzt hat. Eine grob fahrlässige Verletzung der Wahrheitspflicht lässt die herrschende Meinung für den Anspruch aus § 826 BGB nicht genügen.167 Daraus folgt, dass der unrichtige Schiedsspruch nach Ablauf der drei-Monats-Frist nur noch wegen einer vorsätzlichen Wahrheitspflichtverletzung über § 1059 Abs. 2 ZPO analog i. V. m. § 826 BGB aufgehoben werden kann. Damit kann nach Fristablauf auch nur noch für vorsätzliche schiedsvertragliche Wahrheitspflichtverletzungen Schadensersatz verlangt werden. Die Durchsetzung von Schadensersatz für grob fahrlässige Verletzungen der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht, die nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung grundsätzlich ebenfalls 163 

BGH, NJW 2001, 373 (374). BGH, NJW 2001, 373 (374). 165  Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 2342 ff.; Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren, 2004, S. 289 ff.; zuvor bereits Gaul, in: Festschrift Sandrock, 2000, 285 (292); zustimmend: Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 24, Rn. 2a. 166  BT-Drucksache 13/5274, S. 60 (linke Spalte). 167 Siehe Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 263; Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968, S. 295; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 301. 164 

156

§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

möglich sein muss, ist also nach Ablauf der Antragsfrist nach § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO ausgeschlossen.

d.  Parallele Anspruchsgrundlagen Konnte der unrichtige Schiedsspruch analog § 1059 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 826 BGB aufgehoben werden, kann die mit dem unwahren Sachvortrag konfrontierte Schiedspartei die in § 4 A. IV. 3. beschriebenen Schadenspositionen geltend machen, je nachdem ob sie in dem Schiedsverfahren Schiedsklägerin oder Schiedsbeklagte war.168 In Bezug auf das im nachfolgenden Kapitel zu entwickelnde Zuständigkeitsmodell ist zu beachten, dass für die Entscheidung über diesen (schiedsvertraglichen) Schadensersatzanspruch nach der Schiedsvereinbarung der Parteien ein Schiedsgericht zuständig ist.169 Auch beim dann natürlich ebenfalls einschlägigen § 826 BGB handelt es sich um einen vermögensrechtlichen Anspruch im Zusammenhang mit der Vereinbarung der Parteien, der von einem Schiedsgericht entschieden werden soll.170 Mithin kann die Schadensersatzschiedsklage sowohl auf § 280 Abs. 1 BGB als auch auf § 826 BGB gestützt werden.

5.  Zusammenfassung Verletzt eine Partei grob fahrlässig oder vorsätzlich ihre schiedsvertragliche Wahrheitspflicht und führt dies zu einem unrichtigen Schiedsspruch, steht der Geltendmachung von Schadensersatz für diese Pflichtverletzung grundsätzlich die Rechtskraft des Schiedsspruchs entgegen. Jedoch kann der Schiedsspruch auf Antrag der Gegenseite gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO aufgehoben werden. Ist die Antragsfrist nach § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO abgelaufen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Aufhebung des unrichtigen Schiedsspruchs analog § 1059 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 826 BGB möglich. Diese Möglichkeit beschränkt sich jedoch auf vorsätzliche Verletzungen der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht. Mithin kann der Schadensersatz für eine grob fahrlässige Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht nur bis zum Ablauf der drei-MonatsFrist nach § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO durchgesetzt werden. Nach dem Ablauf der Frist ist ein durchsetzbarer Schadensersatz auf vorsätzliche Verletzungen der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht begrenzt.

168 

Siehe oben § 4 A. IV. 3., S. 129. Siehe unten § 5 D. III. 4., S. 190 f. 170  Schlosser, in: Festschrift Gaul, 1997, 679 (687); Jerczynski, SchiedsVZ 2015, 300 (301). 169 



C. Ergebnis

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C. Ergebnis In § 4 konnte gezeigt werden, dass die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten einen Anspruch auf Schadensersatz auslösen kann. Je nach schiedsvertraglicher Pflicht ergeben sich dabei folgende Besonderheiten:

I.  Schadensersatz wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen Die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, wird durch jede Klage vor einem staatlichen Gericht in einer der Schiedsvereinbarung unterfallenden Streitigkeit verletzt. Eine Partei verletzt diese Pflicht aber auch, wenn sie außerhalb von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO ein Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung einleitet. Entgegen einer Literaturmeinung ist die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung im Rahmen von § 280 Abs. 1 BGB keine Tatbestandsvoraussetzung. Bei der Berechnung des Schadens, der durch eine Verletzung dieser Pflicht entstanden ist, ist die schiedsvereinbarungstreue Partei im Rahmen der Differenzhypothese nicht nur so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Gegenseite die oben genannten Klagen unterlassen hätte. Vielmehr ist als Faktor ebenfalls miteinzubeziehen, dass die Gegenseite statt dem staatlichen Verfahren wahrscheinlich ein Schiedsverfahren eingeleitet hätte. Die schiedsvereinbarungstreue Partei ist demnach so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Gegenseite die Klage vor dem staatlichen Gericht unterlassen und stattdessen vor dem Schiedsgericht geklagt hätte. Aus der Schiedsvereinbarung folgt, dass über diesen Schadensersatzanspruch ausschließlich ein Schiedsgericht entscheidet.171 Dieses um den Schadensersatz angerufene Schiedsgericht muss demnach bei der Schadensberechnung im Rahmen der Differenzhypothese fragen, ob die Vermögenseinbuße des Beklagten vor dem staatlichen Gericht auch in einem stattdessen geführten Schiedsverfahren entstanden wäre. Das ergibt die folgenden Schadenspositionen: Kann die schiedsvereinbarungstreue Partei vor dem angerufenen Gericht erfolgreich die Schiedseinrede erheben, bekommt sie ihre Kosten vor dem deutschen Gericht nach den §§ 91 ff. ZPO bzw. vor dem englischen Gericht gem. CPR 44.3 (1)(b) ersetzt. Über die gerichtliche Kostenentscheidung nicht erstattete Kosten stellen einen vermögenswerten Nachteil und damit einen Schaden dar. Dieser Schaden wäre nicht entstanden, wenn der Kläger stattdessen vor einem Schiedsgericht geklagt 171  Hierzu ausführlich noch im nachfolgenden § 5, S. 190 f. Nach dem in § 1 C. definierten Anwendungsbereich dieser Arbeit ist davon auszugehen, dass die Schiedsvereinbarung einen deutschen Schiedsort bestimmt.

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§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

hätte. Denn der Beklagte, der sich nunmehr auf die Verletzung der Schiedsvereinbarung beruft, erkennt ihre Gültigkeit und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts offensichtlich an. Hat der schiedsvereinbarungstreue Beklagte mit der Einrede der Schiedsvereinbarung vor dem deutschen oder englischen Gericht keinen Erfolg, ist zu unterscheiden: Weist das Gericht die Klage in der Sache ab, können auch hier nicht ersetzte Kosten eine Vermögenseinbuße bilden. Unterliegt der Beklagte in der Hauptsache, besteht seine Vermögenseinbuße in dem nachteiligen Urteil sowie in den auferlegten und den eigenen Kosten. Diese Vermögenseinbußen bilden aber nur dann einen ersatzfähigen Schaden, wenn sie in einem stattdessen durchgeführten Schiedsverfahren nicht entstanden wären. Diese Vermögenseinbußen wären in einem stattdessen durchgeführten Schiedsverfahren aber nur dann nicht entstanden, wenn das Schiedsgericht die Klage ebenfalls bzw. anders als das staatliche Gericht abgewiesen hätte. Dann hätte das Schiedsgericht dem Kläger – wie in Schiedsverfahren üblich – die Kosten des Schiedsverfahrens vollständig auferlegt und den Beklagten damit schadlos gestellt. Das um den Schadensersatz angerufene Schiedsgericht muss mithin fragen, ob es selbst die Klage abgewiesen oder ihr stattgegeben hätte. Allerdings ist das Schiedsgericht in dieser Entscheidung nicht frei, sondern an die Entscheidung des staatlichen Gerichts in der Sache gebunden. Bei Urteilen deutscher Gerichte folgt dies aus der materiellen Rechtskraft des Urteils in Bezug auf den Streitgegenstand. Bei Urteilen englischer Gerichte ergibt sich diese Bindungswirkung aus dem sog. issue estoppel. Diese Rechtskraftwirkung des englischen Urteils wird über die Brüssel I-VO auf das deutsche Inland erstreckt. Auch Schiedsgerichte sind daran gebunden. Hatte das deutsche oder englische Gericht die Klage als unbegründet abgewiesen, ist diese Entscheidung für das über den Schadensersatz entscheidende Schiedsgericht bindend. Es darf die Schadensersatzschiedsklage nicht als unbegründet abweisen, weil es der Klage in der Sache selbst stattgegeben hätte. Das Schiedsgericht kann hier lediglich darüber entscheiden, wie hoch der dem Beklagten entstandene Schaden ist, weil ihm im staatlichen Verfahren seine Kosten nicht vollständig ersetzt wurden. Die gerichtliche Kostenentscheidung steht diesem Schadensersatz nicht entgegen. Hatte das deutsche oder englische Gericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, folgt aus der Bindungswirkung dieser Entscheidung, dass ein Schadensersatz wegen der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht ausgeschlossen ist. Denn das Schiedsgericht kann hier nicht zu dem Ergebnis kommen, dass es die Klage in der Sache selbst abgewiesen und den Beklagten über die schiedsgerichtliche Kostenentscheidung vollständig schadlos gestellt hätte. Die der Entscheidung in der Sache vorgelagerte Entscheidung des Gerichts, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, steht der Geltendmachung von Schadensersatz hingegen nicht entgegen. Ist ein deutsches Gericht im Rahmen von



C. Ergebnis

159

§ 1032 Abs. 1 ZPO zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist, erwächst diese Entscheidung nicht in Rechtskraft. Die Rechtskraft kann auch nicht gem. § 256 Abs. 2 ZPO über eine Zwischenfeststellungsklage auf diese Feststellung des Gerichts erstreckt werden, weil die Amtsgerichte und Landgerichte nicht zuständig sind, endgültig über die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Diese Zuständigkeit liegt nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung ausschließlich bei den Oberlandesgerichten. Hat ein englisches Gericht im Rahmen von section 9 (4) Arbitration Act entschieden, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, wird diese Entscheidung im deutschen Inland nicht anerkannt.

II.  Schadensersatz wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, einen gleichen Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen Die schiedsvertragliche Pflicht, einen gleichen Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen, ist bei jeder Nichtzahlung verletzt. Im Rahmen der Pflichtverletzung spielt es keine Rolle, aus welchem Grund eine Partei nicht zahlt, ob sie sich schlicht weigert oder dazu nicht in der Lage ist. In Bezug auf mögliche Schäden ist jedoch nach dem Grund der Pflichtverletzung zu unterscheiden. Weigert sich der Schiedsbeklagte lediglich zu zahlen, kann der Schiedskläger über die primäre Zahlungspflicht des Schiedsbeklagten vor dem Schiedsgericht einen Teilschiedsspruch erwirken und vollstrecken.172 Hier entsteht dem Schiedskläger kein Schaden. Zahlt er auch den Anteil des Schiedsbeklagten, besteht der Schaden in der Höhe dieses Betrags. Auch über diesen Anspruch kann sofort per Teilschiedsspruch entschieden werden.173 Kann sich ein mittelloser Schiedskläger keine Finanzierung des Schiedsverfahrens sichern und bezahlt er deshalb seinen eigenen Anteil am Kostenvorschuss nicht, wird das Schiedsgericht das Schiedsverfahren einstellen und ihm gem. § 1057 Abs. 1 ZPO die Kosten auferlegen. Der Schiedsbeklagte erleidet aus der Pflichtverletzung voraussichtlich einen Schaden, weil der mittellose Schiedskläger die ihm auferlegten Kosten wohl kaum begleichen kann. Auch wenn der vermögende Schiedskläger den Anteil eines mittellosen Schiedsbeklagten zahlt, um das Schiedsverfahren in Gang zu setzen, wird ihm in der Höhe dieses Betrags voraussichtlich ein Schaden entstehen. Zwar kann er über diesen Betrag – wie schon beim boykottierenden Schiedsbeklagten – einen Teilschiedsspruch erwirken. Dieser wird sich allerdings wegen der Mittellosigkeit des Schiedsbeklagten kaum vollstrecken lassen.

172  173 

Siehe unten § 6 B. II., S. 212 ff. Siehe unten § 6 B. II. 2., S. 216 f.

160

§ 4  Schadensersatz wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten

III.  Schadensersatz wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht Die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht verletzt eine Partei dann, wenn sie entgegen ihrer subjektiven Wahrnehmung vorträgt. Zu vertreten hat sie aber nur grob fahrlässige Pflichtverletzungen, d. h., wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Das ist etwa dann der Fall, wenn sich eine Schiedspartei „ins Blaue hinein“ äußert und Dinge behauptet, an die sie im Grunde selbst nicht glaubt. Ein Schaden entsteht aus einer Pflichtverletzung nur dann, wenn das Schiedsgericht den Sachvortrag der Schiedspartei nicht als unwahr erkennt und seinen Schiedsspruch auf den unrichtigen Sachvortrag stützt. Der unrichtige Schiedsspruch kann aber zunächst nicht in einem neuen Schiedsverfahren als Schaden geltend gemacht werden, weil er gem. § 1055 ZPO unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils hat. Während der drei-Monats-Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO kann der unrichtige Schiedsspruch aber gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO aufgehoben werden: Wegen der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht hat das Schiedsverfahren nicht der (Schieds-)Vereinbarung der Parteien entsprochen, was sich mit der Fehlerhaftigkeit auch auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Ein Verstoß gegen das Verbot der révision au fond ist mit der Aufhebung des Schiedsspruchs nicht verbunden, weil das zuständige Oberlandesgericht nicht die schiedsgerichtliche Entscheidungsfindung als solche bewertet. Das OLG prüft allein – wie von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d Alt. 2 ZPO vorgegeben –, ob sich die Wahrheitspflichtverletzung kausal auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Nach Ablauf der Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO kann der Schiedsspruch nach der Rechtsprechung des BGH nur noch analog § 1059 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 826 BGB aufgehoben werden. Dieser Aufhebungsgrund kann aber nur bei vorsätzlichen Verletzungen der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht eingreifen. Das bedeutet, dass bei grob fahrlässigen Wahrheitspflichtverletzungen nach Ablauf der Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO ein Schadensersatz nicht mehr durchgesetzt werden kann, weil dem dann die Rechtskraft des unrichtigen Schiedsspruchs entgegensteht.

IV.  Schadensersatz wegen Verletzung der schiedsvertraglichen Pflichten, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts und den Schiedsspruch zu befolgen Verletzt eine Schiedspartei ihre schiedsvertragliche Pflicht, sich an einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu halten, wird der Schaden des Anordnungsgläubigers primär im Fortdauern der materiellen Rechtsgutsverletzung liegen.



C. Ergebnis

161

Dem Anordnungsgläubiger entsteht aber auch ein eigenständiger Schaden aus der schiedsvertraglichen Pflichtverletzung, wenn er die Vollziehung der Maßnahme nach § 1041 Abs. 2 ZPO betreiben muss und seine Rechtsanwaltskosten über Stundensätze abgerechnet werden. Seine Kosten aus dem Vollziehungsverfahren werden ihm nämlich gem. § 91 ZPO nur nach den Regelsätzen des RVG ersetzt. Die nicht ersetzten Kosten stellen eine unfreiwillige Vermögenseinbuße dar, die unmittelbar auf die Nichtbefolgung der einstweiligen Anordnung des Schiedsgerichts zurückzuführen ist und die nicht im engeren Sinne unter die materielle Rechtsgutsverletzung oder die Kosten des Schiedsverfahrens fällt. Das Gleiche gilt bei der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, den Schiedsspruch zu befolgen. Werden dem Titelgläubiger seine Rechtsanwaltskosten aus dem Zwangsvollstreckungsverfahren nicht vollständig über die §§ 91 ff. ZPO ersetzt, trägt er einen eigenständigen Schaden aus der schiedsvertraglichen Pflichtverletzung davon. Dieser Schaden wird potentiell höher ausfallen, wenn der Titelgläubiger die Zwangsvollstreckung im Ausland betreiben muss, weil sich im deutschen Inland kein Vermögen befindet, in das vollstreckt werden kann.

V.  Schadensersatz wegen Verletzung einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht Eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht besteht nur dann, wenn die Parteien sie – etwa durch Verweis auf die Schiedsgerichtsordnungen der DIS oder des LCIA – gesondert vereinbart haben. § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung ist schon dann verletzt, wenn eine Partei die Existenz des Schiedsverfahrens öffentlich macht. Eine Verletzung von Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules liegt hingegen erst dann vor, wenn eine Partei im Schiedsverfahren offengelegte oder erstellte Dokumente öffentlich macht. Schäden sind in Bezug auf Vertraulichkeitspflichten nach § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung etwa dann denkbar, wenn ein Schiedskläger die Existenz eines Schiedsverfahrens über Finanzstreitigkeiten offenlegt. Finanziert sich der Schiedsbeklagte auch über Kreditinstrumente mit sog. cross-default clauses, signalisiert das seinen anderen Gläubigern, dass sie alle Kredite und Anleihen sofort fällig stellen können. Bei der Verletzung von Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules können etwa dann Schäden entstehen, wenn es sich um eine Streitigkeit aus einem Know-how-Vertrag handelt. Selbst wenn das Schiedsgericht den streitigen Know-how-Vertrag für nichtig hält, können Schäden durch veröffentlichtes Know-how über den Schadensersatz aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht kompensiert werden.

§ 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten In § 3 dieser Arbeit konnte abgeleitet werden, welche schiedsvertraglichen Pflichten für die Parteien mit dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung entstehen. Dass die Verletzung von schiedsvertraglichen Pflichten einen Anspruch auf Schadensersatz bzw. eine sekundäre Pflicht zur Zahlung von Schadensersatz auslöst, wurde im Rahmen von § 4 erörtert. Die nachfolgenden zwei Kapitel sollen sich nun mit der Durchsetzung der primären und sekundären Pflichten aus der Schiedsvereinbarung befassen. Dazu ist zunächst einmal klärungsbedürftig, in welchem Forum schiedsvertragliche Pflichten geltend gemacht werden können. Denkbar ist, dass die Parteien die Möglichkeit haben, schiedsvertragliche Pflichten vor einem staatlichen Gericht einzuklagen. Dem wird jedoch oft entgegengehalten, dass es den Parteien dafür am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Es könnte daher sein, dass die Parteien die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten in einem Schiedsverfahren geltend machen müssen. Das setzt allerdings voraus, dass das Schiedsgericht überhaupt dafür zuständig ist, über Streitigkeiten aus der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten zu entscheiden.

A.  Meinungsstand Ob die Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung vor staatlichen Gerichten eingeklagt werden können, ist in Deutschland umstritten. Einer Strömung in Rechtsprechung1 und Rechtsliteratur2 zufolge sollen die Pflichten der Schiedsparteien grundsätzlich einklagbar sein. Das soll gerade auch für die allgemeine Mitwirkungs- und Förderungspflicht der Schiedspartei-

1  RG, JW 1898, 50 (50); OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462); LG Gießen, NJW-RR 1996, 500 (501); AG Düsseldorf, SchiedsVZ 2003, 240 (240). 2  Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 53; Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (273); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 119; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 74.

164 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten en gelten.3 Von einem anderen Teil der Rechtsliteratur wird die Einklagbarkeit dieser allgemeinen Pflicht jedoch mit dem Argument abgelehnt, dass die Pflicht dafür zu unscharf sei.4 Genau diese Unschärfe war gerade einer der Gründe, warum eine Verfahrensförderungspflicht der Parteien, alles zu tun, was erforderlich ist, um den Schiedsspruch herbeizuführen, in dieser Arbeit vollständig abgelehnt wurde.5 Unabhängig von der Ablehnung der Verfahrensförderungspflicht besteht für auf sie gestützte allgemeine Durchführungsanordnungen staatlicher Gerichte auch gar kein Bedarf, wenn – wie noch genau gezeigt werden wird – die einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten der Parteien vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht durchgesetzt werden können. Abseits der Verfahrensförderungspflicht sind laut Rechtsprechung und Rechtsliteratur auch einzelne Pflichten der Schiedsparteien vor staatlichen Gerichten einklagbar. Überwältigende Einigkeit besteht über alle Lager hinweg in Bezug auf die Pflicht der Parteien, einen Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen.6 Auch die Pflicht, sich an der Konstituierung 3  RG, JW 1897, 55 (55); JW 1898, 50 (50); OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462); LG Gießen, NJW-RR 1996, 500 (500); AG Düsseldorf, SchiedsVZ 2003, 240 (240); Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 53; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 74; Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (273); Sandrock, in: Liber Amicorum Briner, 2005, 707 (709); Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 479 f.; ders., SchiedsVZ 2010, 177 (180 f.); Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, Vorbem § 1029, Rn. 10. 4  Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 100; siehe auch Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 108 f.; die mangelnde Klagbarkeit der Verfahrensförderungspflicht damit begründend, das Schiedsgericht könne „selbst die Konsequenzen aus der Nichterfüllung ziehen“: Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26. 5  Siehe oben § 2 C. I. 2., S. 20 f. 6 BGHZ 193, 38 (41); 94, 92 (95); Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 21; Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 175; Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 101; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 335; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 2. Auflage 1972, S. 236; Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (285); Sandrock, in: Liber Amicorum Briner, 2005, 707 (709); Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 442; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 175, Rn. 38; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17c; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 119; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, Vorbem § 1029, Rn. 10; Breetzke, NJW 1971, 2080 (2080); Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (5); zwischen der Einklagbarkeit des Kostenvorschusses vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten differenzierend: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 55; die Zuständigkeit des Schiedsgerichts annehmend, nachdem das Landgericht im Rahmen des Schiedseinrede rechtskräftig entschieden hatte, dass das Schiedsgericht über die anteilige Zahlung des Kostenvorschusses zu befinden habe: OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1463).



B.  Unzulässigkeit einer Klage aufgrund von mangelndem Rechtsschutzbedürfnis? 165

des Schiedsgerichts zu beteiligen, soll eingeklagt werden können.7 Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Bestellung der Schiedsrichter jedoch nicht um eine Pflicht,8 sodass eine entsprechende Klage entbehrlich bzw. unmöglich ist. Die Einklagbarkeit anderer Pflichten soll der Rechtsliteratur zufolge regelmäßig daran scheitern, dass einem Kläger dafür das nötige Rechtsschutzbedürfnis fehle.9 Schlosser hingegen deutet an, dass die staatlichen Gerichte für die Durchsetzung von Pflichten der Schiedsparteien eventuell gar nicht zuständig sind.10 In der Folge soll nun untersucht werden, ob schiedsvertragliche Pflichten tatsächlich vor staatlichen Gerichten durchgesetzt werden können. Dabei soll der Fokus dieser Untersuchung auf den zwei Punkten liegen, die von der Rechtsliteratur als Hindernis für eine Einklagbarkeit ausgemacht wurden. Zunächst ist zu fragen, ob einer Klage vor einem staatlichen Gericht zur Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (B.). Anschließend muss geklärt werden, ob die Entscheidungszuständigkeit für die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten grundsätzlich bei den staatlichen Gerichten oder bei den Schiedsgerichten liegt (C.).

B.  Unzulässigkeit einer Klage aufgrund von mangelndem Rechtsschutzbedürfnis? Manche Autoren tragen vor, dass die aus der Schiedsvereinbarung folgenden Pflichten deshalb nicht vor den staatlichen Gerichten einklagbar seien, weil es für eine Klage grundsätzlich am Rechtsschutzbedürfnis fehle.11 Es muss bezweifelt werden, ob diese Auffassung in ihrer Allgemeinheit richtig ist. Unter dem Rechtsschutzbedürfnis versteht man das berechtigte Interesse des Klägers 7  RGZ 33, 265 (268); RG, JW 1898, 50 (50); Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 53; siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 175, Rn. 38; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1035, Rn. 30. 8  Siehe oben § 3 B. II., S. 52 ff. 9  Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1931, S. 53; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 108 f.; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 175; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 119. 10  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 55; vgl. auch ders., RIW 2006, 486 (487, Fn. 13). 11  Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 175; siehe auch Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 119; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17c.

166 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten daran, zur Erreichung des begehrten Rechtsschutzes ein Zivilgericht in Anspruch zu nehmen.12 Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, soweit ihm ein anderer prozessualer Weg zur Geltendmachung seiner Rechte zur Verfügung steht, der ebenso sicher, aber einfacher oder billiger ist.13 Die entscheidende Frage lautet also, warum einer Partei wegen der Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich fehlen soll, d. h., wie sie grundsätzlich auf einfachere, schnellere oder billigere Art und Weise die schiedsvertraglichen Pflichten der Gegenseite geltend machen kann als durch eine Klage vor einem staatlichen Gericht. Die Autoren, die das Rechtsschutzbedürfnis verneinen, geben sich in Bezug auf die Frage nach einem alternativen und einfacheren Verfahren kryptisch,14 meist wird auf die ZPO als Ganzes oder auf das Verfahren der Schiedsrichterbestellung nach § 1035 ZPO verwiesen.15 Das Verfahren der Schiedsrichterbestellung gem. § 1035 ZPO ist nach der hier vertretenen Ansicht jedoch der Grund, warum schon gar keine Pflicht der Schiedsparteien zur Schiedsrichterbestellung besteht.16 Folglich kann § 1035 ZPO nicht als Beispiel dafür dienen, dass das zehnte Buch der ZPO einfache und schnelle Verfahren zur Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten bereitstellt.17 Bisher konnte also von der deutschen Rechtsliteratur noch nicht überzeugend begründet werden, warum es einer Partei grundsätzlich am Rechtsschutzbedürfnis zur Durchsetzung einer schiedsvertraglichen Pflicht vor einem staatlichen Gericht fehlen soll. Die Auffassung, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten generell zu verneinen ist, hakt vor allem bei der Ausnahme, die von Vertretern dieser Ansicht als einzige vor staatlichen Gerichten durchsetzbare Pflicht propagiert wird: Der Pflicht zur Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses. Streitigkeiten über diese Pflicht liegt regelmäßig der folgende Sachverhalt zugrunde: Während der Schiedskläger seinen Anteil an den Kosten für das 12  Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, Vorbem § 253, Rn. 26; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, Vor § 253, Rn. 7. 13  Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, Grundz § 253, Rn. 34; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, Vor § 253, Rn. 8; Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 105. 14 Vgl. Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 127; Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 2005, S. 175. 15 So etwa Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17c; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 119. 16  Vgl. § 3 B. II., S. 52 ff. 17  Demgegenüber eröffnet das deutsche Schiedsverfahrensrecht einer Partei mit den Verfahren nach § 1041 Abs. 2 ZPO und § 1060 ZPO die Möglichkeit, die jeweilige schiedsvertragliche Pflicht durchzusetzen – siehe genauer unten unter § 5 D. II., S. 185 ff.

B.  Unzulässigkeit einer Klage aufgrund von mangelndem Rechtsschutzbedürfnis? 167



Schiedsverfahren an das bereits konstituierte Schiedsgericht vorgeschossen hat, weigert sich der Schiedsbeklagte, seinen Anteil zu zahlen.18 Hier soll der Schiedskläger den Schiedsbeklagten vor einem ordentlichen Gericht auf Zahlung verklagen können. Dabei übersieht die herrschende Meinung, dass das für eine Einklagbarkeit vor staatlichen Gerichten erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gerade bei dieser Pflicht fehlt. Der einfachste, schnellste und auch effektivste Weg für den Schiedskläger, den Schiedsbeklagten zur Zahlung seines Anteils am Kostenvorschuss zu zwingen, ist nämlich die Geltendmachung des Anspruchs vor dem konstituierten Schiedsgericht und nicht die Klage vor dem staatlichen Gericht.19 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Geltendmachung der Vorschusszahlungspflicht vor dem Schiedsgericht eventuell weniger effektiv wäre. Gelegentlich wird suggeriert, dass sich das Schiedsverfahren „im Kreis drehen würde“, wenn die Pflicht zur Zahlung des Kostenvorschusses nicht vor den staatlichen Gerichten einklagbar wäre.20 Das Gegenteil ist der Fall. Gibt das Schiedsgericht dem Schiedsbeklagten per Teilschiedsspruch auf, dass er seiner Pflicht zur Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses nachkommen muss, ist dieser Teilschiedsspruch nach § 1060 ZPO vollstreckbar.21 Ein schnellerer, einfacherer und damit effektiverer Weg, das Schiedsverfahren fortzusetzen, ist kaum denkbar. Ein Klageverfahren vor einem staatlichen Gericht, in dem sich regelmäßig Probleme im Hinblick auf § 1032 Abs. 1 ZPO ergeben, ist jedenfalls nicht der einfachste und schnellste Weg, den Schiedsbeklagten zur Zahlung zu zwingen, wie etwa die Entscheidung des OLG Oldenburg vom 31. März 1971 belegt.22 Die Möglichkeit, die Vorschusszahlungspflicht im Schiedsverfahren geltend zu machen, kann auch nicht mit dem Argument unberücksichtigt gelassen werden, das Schiedsverfahren sei in dieser Hinsicht einem staatlichen Verfahren nicht gleichwertig und damit kein ebenso sicherer Weg, um Rechtsschutz zu erlangen. Nach der Rechtsprechung des BGH tritt das Schiedsgericht an die Stelle des staatlichen Gerichts und ist diesem nicht bloß vorgeschaltet.23 18 

Für die Konstellationen, in denen eine unmittelbare Durchsetzung dieser schiedsvertraglichen Pflicht widersinnig bzw. aussichtslos ist, vgl. oben § 4 A. IV. 2. a. aa. und § 4 A. IV. 2. b., S. 126 ff. 19  Das setzt natürlich voraus, dass das Schiedsgericht für diese Entscheidung grundsätzlich auch zuständig ist. Dass dies der Fall ist, sogleich in § 5 C., S. 168 ff. 20 So Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (328); im Ergebnis ebenso AG Düsseldorf, SchiedsVZ 2003, 240 (240); Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (6); Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 101. 21 Siehe Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1989, Rn. 778; ders., in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 55; so auch Jarvin, in: Festschrift Glossner, 1994, 155 (158 f.). 22  Siehe OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462). 23  BGHZ 65, 59 (61).

168 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten Dass gerade auch der schiedsgerichtliche Rechtsschutz bei der Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses miteinbezogen werden muss und nicht einfach außen vor gelassen werden kann, folgt also schon aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Richtigerweise muss in jedem Einzelfall nach dem spezifischen Rechtsschutzbedürfnis gefragt werden.24 Das Rechtsschutzbedürfnis vor dem staatlichen Gericht kann durchaus gegeben sein, etwa wenn ein Schiedsgericht noch nicht konstituiert ist und schiedsgerichtlicher Rechtsschutz nicht sofort erlangt werden kann. Ferner ist aufgrund der parallelen Zuständigkeit von Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten im einstweiligen Rechtsschutz gem. § 1033 ZPO davon auszugehen, dass das Rechtsschutzbedürfnis einer Partei hier gegeben sein kann. Daraus ergibt sich, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten weder grundsätzlich verneint noch bejaht werden kann. Vielmehr ist das Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf jede schiedsvertragliche Pflicht im Einzelfall zu beurteilen.

C.  Unzuständigkeit staatlicher Gerichte zur Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten Will eine Partei die Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht vor einem staatlichen Gericht geltend machen, kann das für eine Klage notwendige Rechtsschutzbedürfnis also grundsätzlich bestehen. Eventuell ist eine Klage aber trotzdem unzulässig. Grund dafür könnte sein, dass die staatlichen Gerichte für die Entscheidung über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten gar nicht zuständig sind, sondern ein Schiedsgericht. Das wäre dann der Fall, wenn die Parteien die Entscheidung über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten mit der Schiedsvereinbarung an ein Schiedsgericht übertragen haben (I.). Ein auf Erfüllung seiner schiedsvertraglichen Pflicht Beklagter könnte dann gem. § 1032 Abs. 1 ZPO die Schiedseinrede erheben (II.).

I.  Die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten als Streitigkeit, die der Schiedsvereinbarung unterfällt Dafür, dass die Parteien Streitigkeiten über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten dem Schiedsgericht zugewiesen haben, spricht der weit gefasste Wortlaut von Schiedsvereinbarungen. Regelmäßig sollen alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit einem bestimmten Rechtsverhältnis der Entscheidung 24  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 283.



C.  Unzuständigkeit staatlicher Gerichte

169

durch ein Schiedsgericht unterfallen.25 Selbstverständlich sind hierunter zunächst einmal Streitigkeiten in Bezug auf einen Hauptvertrag zu verstehen.26 Gleichzeitig mitumfasst sind aber auch Streitigkeiten aus der Schiedsvereinbarung selbst.27 Für diese Auslegung spricht auch der Willen der Parteien bei Abschluss der Schiedsvereinbarung. Die Parteien bezwecken mit der Schiedsvereinbarung eine effiziente und umfassende Entscheidung ihrer sachlichen Streitigkeit im Rahmen des Schiedsverfahrens. An parallelen Gerichtsverfahren über Ansprüche aus der Schiedsvereinbarung selbst haben sie kein Interesse.28 Die Kompetenz des Schiedsgerichts, über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten zu entscheiden, ist also ein weiteres Werkzeug für eine effektive Gestaltung des Schiedsverfahrens. Die These, dass ausschließlich ein Schiedsgericht zuständig ist, um über schiedsvertragliche Streitigkeiten zu entscheiden, kann jedoch nur richtig sein, wenn diese Streitigkeiten im Sinne von § 1030 Abs. 1 ZPO schiedsfähig sind. Dabei sind an die Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Die Schiedsfähigkeit soll nur insoweit ausgeschlossen sein, als der Staat sich im Interesse besonders schutzwürdiger Rechtsgüter hierüber ein Entscheidungsmonopol vorbehalten hat.29 Für einen solchen Vorbehalt bestehen bei Streitigkeiten über schiedsvertragliche Pflichten keine Anhaltspunkte. Bei der schiedsvertraglichen Pflicht, einen Anteil an den Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen, und beim schiedsvertraglichen Schadensersatz handelt es sich beispielsweise um vermögensrechtliche Ansprüche nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, ist demgegenüber als nichtvermögensrechtlicher Anspruch nach § 1030 Abs. 1 S. 2 ZPO schiedsfähig. Grundsätzlich ist also ausschließlich ein Schiedsgericht zuständig, um schiedsvertragliche Pflichten durchzusetzen.

25 

Vgl. auch den Wortlaut von § 1029 Abs. 1 ZPO. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 3; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 1. 27  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 337; Manner/Mosimann, in: Festschrift Schwenzer II, 2011, 1197 (1202); Sachs/Peiffer, in: Festschrift Coester-Waltjen, 2015, 713 (722); siehe auch Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 56; Jerczynski, SchiedsVZ 2015, 300 (301). 28  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 337; siehe auch Jerczynski, SchiedsVZ 2015, 300 (301). 29  BT-Drucksache 13/5274, S. 34 (rechte Spalte). 26 Vgl.

170 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten II.  Konsequenz: Anwendbarkeit von § 1032 Abs. 1 ZPO in Bezug auf Streitigkeiten über schiedsvertragliche Pflichten Aus der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts, über schiedsvertragliche Streitigkeiten zu entscheiden, folgt, dass grundsätzlich § 1032 Abs. 1 ZPO eingreift. Klagt eine Partei einer Schiedsvereinbarung vor einem Gericht eine schiedsvertragliche Pflicht ein, hat der Beklagte die Möglichkeit, die Schiedseinrede zu erheben. In diesem Fall ist die Klage als unzulässig abzuweisen, weil Streitigkeiten über schiedsvertragliche Pflichten grundsätzlich von der Schiedsvereinbarung erfasst sind. Das bedeutet gleichzeitig, dass eine Klage nur dann als unzulässig abzuweisen ist, wenn der Beklagte die Schiedseinrede auch erhebt. Von Amts wegen ist diese nicht zu prüfen.30 Unterlässt der Beklagte die Einrede der Schiedsvereinbarung, kann das angerufene Gericht über die Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht entscheiden.

III. Ergebnis Somit kann festgehalten werden, dass es sich bei der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten um Streitigkeiten handelt, deren Entscheidung die Parteien mit der Schiedsvereinbarung dem Schiedsgericht übertragen haben. Daraus folgt, dass eine Klage aus einer schiedsvertraglichen Pflicht als unzulässig abzuweisen ist, falls der Beklagte die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO erhebt. Der Grund für die mangelnde Einklagbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten liegt also nicht wie von Teilen der Rechtsliteratur behauptet darin, dass dafür grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dieses kann gegeben sein. Der Grund für die mangelnde Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor den staatlichen Gerichten liegt vielmehr darin, dass für eine Entscheidung über ihre Verletzung ein Schiedsgericht zuständig ist. Die Ausnahmen von diesem Grundsatz werden im folgenden Abschnitt behandelt.

D.  Ausnahmen Soeben wurde geklärt, dass grundsätzlich ein Schiedsgericht zuständig ist, zu entscheiden, ob eine Partei eine schiedsvertragliche Pflicht verletzt hat. Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen aber im einstweiligen Rechtsschutz (I.) und dort, wo schiedsvertragliche Pflichten ausschließlich mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden können (II.). Ob darüber hinaus Ausnahmen eingreifen, wird abschließend analysiert (III.). 30  Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 1032, Rn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1032, Rn. 5.



D. Ausnahmen

171

I.  Die Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten im einstweiligen Rechtsschutz Zwar ist grundsätzlich ein Schiedsgericht zuständig, um abschließend über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten zu entscheiden. Für den einstweiligen Rechtsschutz ordnet jedoch § 1033 ZPO eine parallele Kompetenz von Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten an. Hintergrund dieser Regelung ist, dass den Parteien zu jedem Zeitpunkt im Verfahren effektiver Rechtsschutz zur Verfügung stehen soll.31 Schiedsvertragliche Pflichten, für die eine Sicherung bzw. vorläufige Regelung im einstweiligen Rechtsschutz in Betracht kommt, sind die Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen (1.), sowie eine eventuell vereinbarte Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens (2.).

1.  Prozessführungsverbote/Deutsche anti-suit injunctions Die deutschen Gerichte können die Pflicht, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen, also allein im einstweiligen Rechtsschutz mit einem Prozessführungsverbot durchsetzen.32 Denn auch für ein solches Prozessführungsverbot, im englischen Sprachraum anti-suit injunction genannt, ist grundsätzlich allein ein Schiedsgericht zuständig. Eine vor einem deutschen Gericht auf Unterlassung der Prozesseinleitung oder -fortführung im Ausland beklagte Partei könnte daher die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO erheben.33 Im einstweiligen Rechtsschutz greift gem. § 1033 ZPO die Schiedseinrede jedoch nicht.

a. Grundlagen Über die Zuständigkeit der deutschen Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz hinaus muss aber gefragt werden, ob auf Schiedsvereinbarungen gestützte Prozessführungsverbote nach deutschem Recht überhaupt zulässig bzw. erforderlich sind.

31  Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (241); Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1033, Rn. 1. 32  Die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor deutschen Gerichten zu unterlassen, ist mit der Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO durchzusetzen, vgl. § 3 A. II. 2. a., S. 41 ff. 33  Dem jedoch eventuell der Arglisteinwand entgegengesetzt werden könnte, wenn der Beklagte sich in dem Verfahren für das Prozessführungsverbot auf die Schiedsvereinbarung beruft, er aber in dem Verfahren, das dadurch verhindert werden soll, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung geltend macht. Siehe zum Arglisteinwand: Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 17 ff.

172 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten aa.  Zulässigkeit im deutschen Rechtssystem? Teile der deutschen Rechtsprechung34 und Rechtsliteratur35 stehen anti-suit injunctions eher skeptisch bis feindselig gegenüber. Die vorgebrachten Argumente reichen von der Behauptung, dass Prozessführungsverbote dem deutschen Recht fremd seien,36 bis zu der These, anti-suit injunctions würden das Völkerrecht verletzen.37 Dass anti-suit injunctions jedoch nicht im Widerspruch zum allgemeinen Völkerrecht stehen, wurde bereits überzeugend von Schlosser dargestellt.38 Ferner hat das Reichsgericht gezeigt, dass Prozessführungsverbote auch von deutschen Gerichten ausgesprochen werden können.39 Im Übrigen wird die Ablehnung gegenüber anti-suit injunctions darauf gestützt, dass eine Schiedsvereinbarung nach deutschem Recht keinen Anspruch auf Unterlassung einer Klage begründe.40 Das ist nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung aber nicht der Fall.41 Vielmehr verpflichten sich die Parteien mit der Schiedsvereinbarung, für ihre materiell-rechtliche Streitigkeit kein staatliches Gericht anzurufen und die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nicht außerhalb von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO überprüfen zu lassen. Auch der Bundesgerichtshof geht – wie bereits bemerkt – davon aus, dass sich die Parteien mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung verpflichtet haben, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen.42

34  OLG Düsseldorf, IPRax 1997, 260 (261) (das OLG Düsseldorf verweigerte in dieser Entscheidung bekanntermaßen die Zustellung einer englischen anti-suit injunction an den in Deutschland ansässigen Adressaten, weil es in der Verfügung einen Eingriff in die Justizhoheit der Bundesrepublik Deutschland sah). 35  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Auflage 2014, Rn. 860–863; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, 1999, 327 (335); Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26; a. A.: Schlosser, RIW 2006, 486 (492); Huber, in: Jayme, Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, 2003, 51 (64). 36  Ingenhoven, Grenzüberschreitender Rechtsschutz durch englische Gerichte, 2001, S. 273. 37  Vgl. OLG Düsseldorf, IPRax 1997, 260 (261). 38  Schlosser, RIW 2006, 486 (490 f.); ebenso Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, 1999, 327 (330); Ingenhoven, Grenzüberschreitender Rechtsschutz durch englische Gerichte, 2001, S. 272; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 464; Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 270. 39  Siehe RGZ 157, 136 (140). Vgl. auch Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, 1999, 327 (328 f.) und Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 93 f. mit weiteren Entscheidungen deutscher Gerichte. 40 Siehe Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Auflage 2014, Rn. 861–863; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, 1999, 327 (335); Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 269; a. A.: Schlosser, RIW 2006, 486 (488); zum Meinungsstand ausführlich oben in § 3 A. I., S. 39 f. 41  Vgl. oben § 3 A. II. 4., S. 47. 42  BGHZ 38, 254 (258); 99, 143 (147).



D. Ausnahmen

173

Somit kann festgehalten werden, dass keine Gründe existieren, warum auf Schiedsvereinbarungen gestützte Prozessführungsverbote nach deutschem Recht schlechthin unzulässig sein sollten. Im Gegenteil: Einstweilige Verfügungen deutscher Gerichte zur Durchsetzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, sind de lege lata und gerade unter Berücksichtigung der ständigen BGH-Rechtsprechung rechtlich ohne Weiteres zulässig.

bb. Erforderlichkeit Wenn deutsche anti-suit injunctions grundsätzlich zulässig sind, muss vielleicht eher gefragt werden, ob man sie überhaupt braucht, um die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, durchzusetzen. Den ablehnenden Haltungen ist nämlich zuzugeben, dass innerdeutsche anti-suit injunctions, d. h. Verbote, vor deutschen Gerichten zu klagen, zwar theoretisch denkbar, aber nicht erforderlich sind.43 Die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor deutschen Gerichten zu unterlassen, kann bei einer wirksamen Schiedsvereinbarung nämlich in der Regel durch die Erhebung der Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO durchgesetzt werden.44 Einer darüber hinausgehenden einstweiligen Verfügung, die Klage vor dem deutschen Gericht zu unterlassen, wird insofern das Rechtsschutzbedürfnis bzw. der Verfügungsgrund fehlen. Ferner sind anti-suit injunctions durch mitgliedstaatliche Gerichte zum Schutz von Schiedsvereinbarungen innerhalb der Europäischen Union seit der West Tankers-Entscheidung des EuGH ausgeschlossen.45 Ein Anwendungsbereich für deutsche Prozessführungsverbote im einstweiligen Rechtsschutz könnte jedoch für Klagen bestehen, die unter Verletzung der Schiedsvereinbarung außerhalb des Geltungsbereichs der Brüssel I-Verordnung 43  Das gilt gerade auch in England. Anti-suit injunctions englischer Gerichte zum Schutz von Schiedsverfahren sind bisher – soweit ersichtlich – allein wegen (potentiellen) ausländischen Gerichtsverfahren ergangen, nicht wegen inländischen. Vgl. oben § 3 A. III., S. 47 ff. 44 Vgl. Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 102; Illmer/Naumann, International Arbitration Law Review 10 (2007), 147 (158); Illmer, SchiedsVZ 2011, 248 (250). 45  EuGH Rs. C-185/07 – West Tankers, Slg. 2009, I-663, Rn. 34. Nach Ansicht des Generalanwalts beim EuGH Wathelet wurde diese Ratio der West Tankers-Entscheidung allerdings mit der Neufassung der Brüssel I-VO revidiert. Anti-suit injunctions durch staatliche Gerichte sollen seiner Ansicht nach im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO wieder zulässig sein, weil sie ein „Nebenverfahren [...] im Zusammenhang mit [...] der Durchführung des Schiedsverfahrens“ im Sinne von EG 12 Abs. 4 Brüssel I-VO darstellen und damit vom Ausschluss des Art. 1 Abs. 2 lit. d erfasst sind: Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 137, 140. Diese Ausführungen Wathelets hat der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Gazprom jedoch unkommentiert gelassen und stattdessen nochmals darauf hingewiesen, dass anti-suit injunctions zum Schutz von Schiedsvereinbarungen durch staatliche Gerichte mit der (alten) Brüssel I-VO unvereinbar sind: siehe EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 32–34.

174 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten anhängig gemacht werden sollen. Auch hier muss man sich allerdings mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Prozessführungsverbot erforderlich ist oder ob es ausreicht, die schiedsvertragliche Pflicht, nicht vor staatlichen Gerichten zu klagen, in dem ausländischen Forum durch die Erhebung der dortigen Schiedseinrede durchzusetzen. In diesem Zusammenhang konnte jedoch erarbeitet werden, dass eine Partei selbst bei erfolgreicher Erhebung der Schiedseinrede einen Schaden erleiden kann. Das ist etwa vor US-amerikanischen Gerichten der Fall, weil nach der dortigen Kostenregel jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen hat.46 Zwar kann dieser Schaden in einem gegebenenfalls bereits anhängigen Schiedsverfahren geltend gemacht werden. Allerdings kann der Verweis auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatz kein Argument gegen eine unmittelbare Durchsetzung einer Pflicht sein, die den Eintritt eines Schadens von vorneherein verhindert. Somit haben Parteien ein berechtigtes Interesse daran, die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen, vor deutschen Gerichten im einstweiligen Rechtsschutz durchzusetzen. Nach der West ­Tankers-Entscheidung des EuGH kann eine solche einstweilige Verfügung aber nur Klagen vor Gerichten außerhalb der Europäischen Union untersagen.47

b. Voraussetzungen Für eine einstweilige Verfügung gem. §§ 940, 935 ZPO, mit der einer Partei untersagt werden soll, vor einem ausländischen Gericht außerhalb der Europäischen Union zu klagen, muss die andere Partei einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft machen.

aa. Verfügungsanspruch Ein Verfügungsanspruch kann jeder Anspruch sein, dessen Verwirklichung durch die einstweilige Verfügung gesichert werden soll.48 Vertreter der Auffassung, dass die Schiedsvereinbarung die Parteien nicht dazu verpflichtet, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, kommen hier selbstverständlich zu dem Ergebnis, dass es an einem solchen Verfügungsanspruch fehlt. Die hier vertretene Auffassung hat damit jedoch kein Problem. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus der vom BGH angenommenen49 und in dieser Arbeit abgeleiteten schiedsvertraglichen Pflicht der Parteien, keine staatlichen Gerichte anzurufen. Die Parteien einer Schiedsvereinbarung haben demnach einen Anspruch darauf, 46 

Siehe oben § 3 A. II. 2. b., S. 43 f. Vgl. EuGH Rs. C-185/07 – West Tankers, Slg. 2009, I-663, Rn. 34. 48  Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 935, Rn. 6; Drescher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 935, Rn. 6; Schuschke, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Auflage 2016, § 935 ZPO, Rn. 5. 49  BGHZ 38, 254 (258); 99, 143 (147). 47 



D. Ausnahmen

175

von der Gegenseite in der Sache nicht vor staatlichen Gerichten verklagt zu werden. Ferner haben sie einen Anspruch darauf, dass Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nur im Rahmen von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO vor dem zuständigen Oberlandesgericht anhängig gemacht werden.

bb. Verfügungsgrund Ferner müsste für eine einstweilige Verfügung gem. §§ 940, 935 ZPO ein Verfügungsgrund gegeben sein. Ein Verfügungsgrund ist die objektive Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder erschwert wird.50 Folglich muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Anspruch einer Partei, nicht vor staatlichen Gerichten verklagt zu werden, vereitelt oder erschwert wird. Das ist dann der Fall, wenn der Antragsgegner ankündigt, eine Nichtigkeitsklage in Bezug auf die Schiedsvereinbarung oder eine negative Feststellungsklage in Bezug auf die materiell-rechtliche Streitigkeit außerhalb des Geltungsbereichs der Brüssel I-VO anzustrengen, oder wenn er ein solches Verfahren bereits eingeleitet hat.51 Schlosser hat in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ab welchem Zeitpunkt eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann bzw. ob dies auch schon dann möglich ist, wenn noch gar kein Schiedsverfahren anhängig ist.52 Die richtige Antwort muss hier lauten, dass eine einstweilige Verfügung, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, ab dem Zeitpunkt erlassen werden kann, ab dem der Verfügungsgrund vorliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Schiedsverfahren bereits eingeleitet ist oder nicht.

c. Missbrauchsgefahr? Nun muss allerdings gefragt werden, ob die Gewährung von Prozessführungsverboten im einstweiligen Rechtsschutz durch deutsche Gerichte in dieser Form dazu missbraucht werden kann, dem Antragsgegner „vorsichtshalber“ ausländische Fora zu versperren, ohne dass es später zu einem Schiedsverfahren kommt. Ein Missbrauch deutscher Prozessführungsverbote im einstweiligen Rechtsschutz wird jedoch durch § 926 ZPO verhindert. Gem. §§ 926 Abs. 1, 936 ZPO kann der Verfügungsschuldner den Verfügungsgläubiger vom Verfügungsgericht dazu verpflichten lassen, binnen Frist Klage in der Hauptsache einzureichen. 50 

Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage 2002, § 935, Rn. 11; Drescher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 935, Rn. 15; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 935, Rn. 10. 51  Anti-suit awards von Schiedsgerichten können einer Partei hingegen auch aufgeben, Klagen im Geltungsbereich der Brüssel I-VO zu unterlassen; ausführlich in § 6 B. I., S. 200 ff. 52  Schlosser, RIW 2006, 486 (487, Fn. 13).

176 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten Dadurch kann der Verfügungsschuldner die Zeit, in der er an eine mögliche Fehlentscheidung gebunden ist, so kurz wie möglich halten, ohne selbst in der Hauptsache klagen und die damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.53 Hauptsache ist in diesem Fall natürlich nicht die materiell-rechtliche Streitigkeit zwischen den Parteien, sondern der Streit darüber, ob in Bezug auf die materiell-rechtliche Streitigkeit ein Schiedsgericht anzurufen ist oder vor staatlichen Gerichten geklagt werden kann. Das entsprechende Hauptsacheverfahren ist folglich das Verfahren über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens gem. § 1032 Abs. 2 ZPO. Leitet der Verfügungsgläubiger des Prozessführungsverbots das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO nicht binnen der nach § 926 Abs. 1 ZPO vom Gericht bestimmten Frist ein, kann der Verfügungsschuldner gem. § 926 Abs. 2 ZPO beantragen, dass die Aufhebung des einstweiligen Prozessführungsverbots durch Endurteil ausgesprochen wird. Für die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach § 926 Abs. 2 ZPO ist (wie schon für den Erlass gem. § 937 Abs. 1 ZPO) das Gericht der Hauptsache zuständig.54 Für das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist das Gericht der Hauptsache das gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuständige Oberlandesgericht. Die so bei den für Schiedssachen zuständigen Senaten der Oberlandesgerichte konzentrierte Zuständigkeit sichert deutsche Prozessführungsverbote im einstweiligen Rechtsschutz gegen Missbrauch ab und ermöglicht langfristig gesehen auch die Entwicklung einer spezialisierten ständigen Rechtsprechung. Schließlich ist zu beachten, dass der Verfügungsschuldner vom Gläubiger des einstweiligen Prozessführungsverbots gem. §  945 ZPO verschuldensunabhängig Schadensersatz verlangen kann, falls sich dieses am Ende des Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO als von Anfang an ungerechtfertigt erweist (beispielsweise, weil die Schiedsvereinbarung nichtig war) oder falls die Maßnahme gem. § 926 Abs. 2 ZPO aufgehoben wird. Das bedeutet, dass der Schuldner einer Verfügung, Klagen vor staatlichen Gerichten außerhalb der Brüssel I-VO zu unterlassen, von der deutschen ZPO vor Missbrauch in doppelter Hinsicht geschützt wird: Erstens hat er durch § 926 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit, den Verfügungsgläubiger in das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO zu zwingen bzw. die Aufhebung der Verfügung nach § 926 Abs. 2 ZPO zu erwirken. Zweitens kann der Verfügungsschuldner etwa entstandene Schäden nach § 945 ZPO verschuldensunabhängig vom Verfügungsgläubiger ersetzt verlangen. 53  Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Auflage 2016, § 926 ZPO, Rn. 1. 54  Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, Rn. 557; ders., in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Auflage 2016, § 926 ZPO, Rn. 41.



D. Ausnahmen

177

d. Vollziehung Sind die Voraussetzungen für ein Prozessführungsverbot erfüllt, stellt sich die Frage, wie eine entsprechende einstweilige Verfügung vollzogen werden kann. Auf die Vollziehung von einstweiligen Verfügungen sind gem. §§ 936, 928 ZPO die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden. Für die Vollziehung ist dementsprechend nach dem Regelungsinhalt der Verfügung zu unterscheiden. Soll der Partei der Schiedsvereinbarung mit einer Unterlassungsverfügung die Einleitung oder Fortführung eines ausländischen Prozesses untersagt werden, ist gleichzeitig mit der Verfügung ein Ordnungsgeld gem. § 890 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Hingegen ist fraglich, ob bzw. wie eine Verfügung vollzogen werden kann, die der Partei aufgibt, eine im Ausland anhängig gemachte Klage tatsächlich auch zurückzunehmen. § 894 ZPO kann im einstweiligen Rechtsschutz nicht eingreifen, weil die Vorschrift ein rechtskräftiges Urteil voraussetzt.55 Eine auf Rücknahme der ausländischen Klage gerichtete einstweilige Verfügung ist also im Zweifel nach § 888 ZPO zu vollziehen. Daran wird deutlich, dass eine deutsche anti-suit injunction im einstweiligen Rechtsschutz nicht die schwerwiegenden Folgen hat, für die englische anti-suit injunctions bekannt sind.56 Auch ein anti-suit award eines in Deutschland sitzenden Schiedsgerichts dürfte im Ausland effektiver durchzusetzen sein als eine anti-suit injunction eines deutschen Gerichts.57

e.  Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte Es konnte bereits festgestellt werden, dass die hier dargestellten Prozessführungsverbote im einstweiligen Rechtsschutz aufgrund der Rechtslage in Deutschland und der Rechtsprechung des EuGH einer Partei nur Klagen außerhalb des Geltungsbereichs der Brüssel I-VO untersagen können. Die hier relevanten Konstellationen weisen also zwangsläufig einen Auslandsbezug auf, weshalb die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für den Erlass dieser einstweiligen Verfügungen untersucht werden muss. Für die Frage, ob die deutschen Gerichte für den Erlass von Prozessführungsverboten im einstweiligen Rechtsschutz international zuständig sind, helfen die Regeln über die internationale Entscheidungszuständigkeit der Brüssel I-Verordnung nicht weiter. Denn wie bereits festgestellt, ist die Schiedsgerichtsbarkeit gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d Brüssel I-VO vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Im autonomen deutschen Zivilprozessrecht fehlt es an 55 

Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 272. Vgl. unten § 5 D. I. 1. g. cc., S. 182 ff. 57 Zu anti-suit awards von in Deutschland sitzenden Schiedsgerichten noch ausführlich in § 6 B. I. 3. b., S. 208 ff. 56 

178 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten ausführlichen Regelungen über die internationale Entscheidungszuständigkeit. Daher sind die Regeln über die örtliche Zuständigkeit der ZPO doppelfunktional anzuwenden.58 Doppelfunktionale Anwendung bedeutet hier, dass die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts seine internationale Zuständigkeit indiziert.59 Für Schiedsvereinbarungen, die einen deutschen Schiedsort vorsehen, folgt also aus der örtlichen Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für den Erlass von Prozessführungsverboten im einstweiligen Rechtsschutz gem. § 937 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 1032 Abs. 2, 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ihre internationale Zuständigkeit. Demgegenüber ist fraglich, ob eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch dann bestehen kann, wenn der Sitz des Schiedsverfahrens nicht in Deutschland, sondern im Ausland liegt. Steinbrück zufolge gelten staatsgerichtliche Unterstützungsmaßnahmen deutscher Gerichte zugunsten ausländischer Schiedsverfahren grundsätzlich als unzulässig.60 Nur in den Fällen des § 1025 Abs. 2 und 3 ZPO könne ein deutsches Gericht grenzüberschreitende Unterstützung für Schiedsverfahren mit ausländischem Sitz leisten.61 Nun bestimmt allerdings § 1025 Abs. 2 ZPO, dass § 1032 ZPO gerade auch dann anzuwenden ist, wenn das Schiedsverfahren im Ausland liegt. Der Verweis erfasst damit nicht nur die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO, sondern auch das Verfahren über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO.62 Mitumfasst sind gem. § 1025 Abs. 2 Alt. 2 i. V. m. § 1033 ZPO auch Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. Das bedeutet, dass eine internationale Entscheidungszuständigkeit deutscher Gerichte zum Erlass von Prozessführungsverboten im einstweiligen Rechtsschutz zur Unterstützung von Schiedsverfahren mit Sitz im Ausland besteht.63 Dieser Rückschluss sollte allerdings insoweit eingeschränkt werden, als es sich bei dem Verweis in § 1025 Abs. 2 ZPO auf § 1032 Abs. 2 ZPO voraussichtlich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt.64 Obwohl also deutsche Gerichte international zuständig sind, einstweilige Prozessführungsverbote zur Unterstützung von aus-

58 Siehe von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 9. Auflage 2007, § 3, Rn. 38; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Auflage 2014, Rn. 266. 59  Von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 9. Auflage 2007, § 3, Rn. 38; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Auflage 2014, Rn. 266. 60  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 25. 61  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 25. 62 Siehe Schroeter, SchiedsVZ 2004, 288 (290); Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1025, Rn. 19. 63  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 480, 486. 64 Siehe Schroeter, SchiedsVZ 2004, 288 (290).



D. Ausnahmen

179

ländischen Schiedsverfahren zu erlassen, ist in Bezug auf eine derartige (trotz allem mögliche) Auslegung Zurückhaltung geboten.

f. Ergebnis Bei einem deutschen Schiedsort kann nach der hier vertretenen Ansicht die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, durch deutsche Gerichte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt werden. Derartige Verfügungen stehen im Einklang mit geltendem deutschen Recht. Unter Berücksichtigung der West Tankers-Entscheidung des EuGH können diese deutschen Prozessführungsverbote einer Partei aber allein aufgeben, potentielle Gerichtsverfahren außerhalb des Geltungsbereichs der Brüssel I-VO zu unterlassen. Ferner finden sie innerhalb Deutschlands keine Anwendung, weil die schiedsvertragliche Pflicht, nicht vor deutschen Gerichten zu klagen, über § 1032 Abs. 1 ZPO durchzusetzen ist. Die Vollziehung einstweiliger Prozessführungsverbote erfolgt nach §§ 936, 928 i. V. m. §§ 888, 890 ZPO. Sieht sich eine Partei mit einer Verfügung konfrontiert, ein Gerichtsverfahren außerhalb der Brüssel I-VO zu unterlassen, kann sie die Partei, die die Verfügung erwirkt hat, gem. §§ 926 Abs. 1, 936 ZPO in das Hauptsacheverfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO zwingen. Erweist sich das einstweilige Prozessführungsverbot hier als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird es gem. § 926 Abs. 2 ZPO aufgehoben, kann die mit der Verfügung belastete Partei gem. § 945 ZPO verschuldensunabhängig Schadensersatz von der Partei verlangen, die die Verfügung erwirkt hat.

g.  Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung der Pflicht, staatliche Klagen zu unterlassen In § 3 A. III. dieser Arbeit wurde bereits erörtert, wie die auch nach englischem Recht bestehende Pflicht der Parteien einer Schiedsvereinbarung, staatliche Klagen zu unterlassen, vor englischen Gerichten durchgesetzt werden kann: Klagt eine Partei der Schiedsvereinbarung vor dem englischen Gericht in der Hauptsache, kann der Beklagte gem. section 9 (1) Arbitration Act einen stay of proceedings beantragen. Leitet die Partei ein staatliches Verfahren im Ausland ein oder droht sie damit, kann der (potentiell) Beklagte im High Court in London eine anti-suit injunction erwirken. Diese englischen anti-suit injunctions zur Durchsetzung der aus der Schiedsvereinbarung folgenden Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, werden in der Folge nun ausführlich behandelt.

180 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten aa. Grundlagen Zunächst ist danach zu fragen, warum der High Court überhaupt dafür zuständig sein soll, eine anti-suit injunction zu erlassen. Hinsichtlich der Frage, wer entscheiden darf, ob eine Partei eine Pflicht aus der Schiedsvereinbarung verletzt hat, deckt sich die englische Rechtslage nämlich mit der deutschen: Grundsätzlich ist allein ein Schiedsgericht zuständig. So soll das Schiedsgericht etwa darüber entscheiden, ob eine Partei die Pflicht verletzt hat, einen Anteil am Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen65 oder die Vertraulichkeit von Dokumenten aus dem Schiedsverfahren zu wahren.66 Das Schiedsgericht soll auch dafür zuständig sein, über den Schadensersatz aus der Verletzung der Schiedsvereinbarung zu entscheiden.67 Dementsprechend ließe sich argumentieren, dass der High Court überhaupt nicht dafür zuständig ist, eine anti-suit injunction zur Durchsetzung einer Schiedsvereinbarung zu erlassen.68 Denn mit der anti-suit injunction entscheidet das Gericht ja darüber, dass eine Partei ihre Pflicht, staatliche Klagen zu unterlassen, verletzt hat oder zu verletzen droht – eine Streitigkeit, die grundsätzlich in die Kompetenz des Schiedsgerichts fällt.69 Anti-suit injunctions wären also nur noch zur Durchsetzung von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen oder in Fällen möglich, in denen sie auf ein nicht-vertragliches Recht gestützt wird. Allerdings gehen Rechtsprechung70 und Rechtsliteratur71 davon aus, dass die Parteien mit einem englischen Schiedsort gleichzeitig auch die durch die englischen Gerichte zur Verfügung stehenden Unterstützungsmaßnahmen für

65 Siehe Janos Paczy v. Haendler & Natermann GmbH, [1981] 1 Lloyd’s Law Reports 302 (308)(C.A.); BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems, [2014] 1 Lloyd’s Law Reports 576 (584)(Q.B.D.). 66  Emmott v. Michael Wilson & Partners Ltd., [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 616 (634, Rn. 119): „[...] the decision on the ambit of the obligations as between the parties to the arbitration agreement should ordinarily, during the currency of the arbitration, primarily be one for the arbitral tribunal.“ Nach dem Abschluss des Schiedsverfahrens sollen daher die staatlichen Gerichte zuständig sein, über die Vertraulichkeitspflicht als implied term der Schiedsvereinbarung zu entscheiden: Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 14. 67  Mantovani v. Carapelli S.p.A., [1980] 1 Lloyd’s Law Reports 375 (381 f.)(C.A.); West Tankers Inc. v. Allianz S.p.A. and Another (The Front Comor), [2012] 2 Lloyd’s Law Reports 103 (116, Rn. 77 f.)(Q.B.D.); Merkin, Arbitration Law, 2004, Rn. 8.1. 68  So beispielsweise die Argumentation von Cargill in: Toepfer International GmbH v. Société Cargill France, [1997] 2 Lloyd’s Law Reports 98 (107)(Q.B.D.). 69  Zu Letzterem: Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.38. 70  Mantovani v. Carapelli S.p.A., [1980] 1 Lloyd’s Law Reports 375 (382)(C.A.); Tracomin S.A. v. Sudan Oil Seeds Co. Ltd., [1983] 1 Weekly Law Reports 1026 (1035)(C.A.); Toepfer International GmbH v. Société Cargill France, [1998] 1 Lloyd’s Law Reports 379 (385)(C.A.). 71  Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.38; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 36.



D. Ausnahmen

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Schiedsverfahren vereinbaren, und damit auch das Verfahren zum Erlass von anti-suit injunctions.

bb. Voraussetzungen Als Grundlage für eine englische anti-suit injunction zur Durchsetzung der aus der Schiedsvereinbarung folgenden Pflicht, Klagen im Ausland zu unterlassen, kommen zwei Vorschriften in Betracht: Section 37 (1) Senior Courts Act 1981 und section 44 (2)(e) Arbitration Act 1996. Section 37 (1) Senior Courts Act 1981 bestimmt: (1) The High Court may by order (whether interlocutory or final) grant an injunction or appoint a receiver in all cases in which it appears to the court to be just and convenient to do so.

Section 44 Arbitration Act lautet im hier relevanten Kontext: (1) Unless otherwise agreed by the parties, the court has for the purposes of and in relation to arbitral proceedings the same power of making orders about the matters listed below as it has for the purposes of and in relation to legal proceedings. (2) Those matters are – (e)  the granting of an interim injunction or the appointment of a receiver.

Das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander war lange Zeit unklar. Gelegentlich wurden sie für parallel einschlägig gehalten.72 In seiner Entscheidung in Ust-Kamenogorsk73 im Jahr 2013 hat der UK Supreme Court section 37 (1) Senior Courts Act nun für grundsätzlich vorrangig erklärt: Wie schon aus dem Wortlaut von section 44 Arbitration Act folge, beziehe sich die Vorschrift allein auf „arbitral proceedings“.74 Sie könne also nur dann zur Anwendung kommen, wenn bereits ein Schiedsverfahren zwischen den Parteien eingeleitet sei.75 Ferner könnten auf section 44 (2)(e) Arbitration Act 1996 allein interlocutory, d. h. vorläufige injunctions, gestützt werden.76 Final anti-suit injunctions hingegen könnten nur aufgrund von section 37 (1) Senior Courts Act erlangt werden.77 72  So in West Tankers Inc. v. Ras Riunione Adriatica di Sicurta S.p.A. (The Front Comor), [2007] 1 Lloyd’s Law Reports 391 (393, Rn. 10)(H.L.); Starlight Shipping Co. v. Tai Ping Insurance Co. Ltd. Hubei Branch, [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 230 (236, Rn. 28 f.)(Q.B.D.). 73  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (S.C.). 74  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (290, Rn. 40). 75  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (290, Rn. 40). 76 Siehe Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (291, Rn. 46); zuvor bereits Welex A.G. v. Rosa Maritime Limited (The Epsilon Rosa), [2003] 2 Lloyd’s Law Reports 509 (516, Rn. 36)(C.A.). 77  Welex A.G. v. Rosa Maritime Limited (The Epsilon Rosa), [2003] 2 Lloyd’s Law Reports 509 (517, Rn. 40).

182 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten Grundsätzlich sei also davon auszugehen, dass section 37 (1) Senior Courts Act die richtige Ermächtigungsgrundlage sei, um anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen zu erlassen, und nicht section 44 (2)(e) Arbitration Act.78 Zwar handelt es sich bei section 37 (1) Senior Courts Act um eine Entscheidung im Ermessen des Gerichts.79 Nach der Entscheidung des Court of Appeal in The Angelic Grace ist aber bei anti-suit injunctions zur Durchsetzung der Pflicht aus der Schiedsvereinbarung, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, keine Zurückhaltung geboten.80 Der High Court wird die anti-suit injunction also bei einer (auch nur potentiellen) Verletzung der Schiedsvereinbarung durch eine Klage vor einem staatlichen Gericht im Ausland in aller Regel erlassen.81 Ausnahmen gelten nur dort, wo der Antragsgegner zeigen kann, dass „strong reasons“ gegen den Erlass der anti-suit injunction sprechen.82

cc. Durchsetzung Englische anti-suit injunctions werden zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen gerade deshalb für so effektiv gehalten, weil ihre Missachtung als contempt of court gewertet wird. Dieser hat schwerwiegende Folgen.83 Die Partei, die sich im contempt of court befindet, kann zunächst mit einer Geldbuße belegt werden.84 Möglich sind aber gem. CPR Schedule 1 i. V. m. 78  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (292, Rn. 48): „Where an injunction is sought to restrain foreign proceedings in breach of an arbitration agreement – whether on an interim or a final basis and whether at a time when arbitral proceedings are or are not on foot or proposed – the source of the power to grant such an injunction is to be found not in section 44 of the 1996 Act, but in section 37 of the 1981 Act. Such an injunction is not ‚for the purposes of and in relation to arbitral proceedings‘, but for the purposes of and in relation to the negative promise contained in the arbitration agreement not to bring foreign proceedings, which applies and is enforceable regardless of whether or not arbitral proceedings are on foot or proposed“. 79  Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.08; Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 188; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 38; Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 52. 80  Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.p.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Law Reports 87 (96)(C.A.). 81  Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 188; Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.09. 82  Donohue v. Armco Inc. and Others, [2002] 1 Lloyd’s Law Reports 425 (433, Rn. 24) (H.L.); Welex A.G. v. Rosa Maritime Limited (The Epsilon Rosa), [2003] 2 Lloyd’s Law Reports 509 (518, Rn. 47)(C.A.); Navigation Maritime Bulgare v. Rustal Trading Ltd. and Others (The Ivan Zagubanski), [2002] 1 Lloyd’s Law Reports 106 (124, Rn. 112)(Q.B.D.). Noch von „good reasons“ sprechend: Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.p.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Law Reports 87 (96)(C.A.). 83 Vgl. Andrews, The Modern Civil Process, 2008, Rn. 8.35. 84  Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989,



D. Ausnahmen

183

RSC Order 45, rule 5 (1)(b)(iii) auch Haftstrafen.85 Handelt es sich bei der Partei um eine Gesellschaft, kann gem. CPR Schedule 1 i. V. m. RSC Order 45, rule 5 (1)(b)(iii) ihr verantwortlicher Vertreter inhaftiert werden.86 Ferner kann das in England belegene Vermögen der Partei gem. CPR Schedule 1 i. V. m. RSC Order 45, rules 3 (1)(c), 4 (2)(c), 5 (1)(b)(i)(ii) unter Zwangsverwaltung gestellt und auch zwangsversteigert werden.87 Bei Gesellschaften kann sowohl das Gesellschaftsvermögen als auch das Vermögen des verantwortlichen Vertreters unter Zwangsverwaltung gestellt werden.88 Diese Zwangsmittel kann das Gericht nach seinem Ermessen alternativ anordnen, ohne dass zunächst das mildeste Mittel gewählt werden müsste.89 Sie beeindrucken aber natürlich keinen Antragsgegner, der in England kein Vermögen hat und sich im Ausland aufhält.90 Eine Vollstreckung der anti-suit injunction im Ausland dürfte sich als problematisch erweisen.91 Jedoch wird durch die anti-suit injunction in diesen Fällen verhindert, dass das im Ausland ergangene Urteil in England anerkannt und vollstreckt werden kann.92 Im Vergleich zur Vollziehung eines deutschen Prozessführungsverbots im einstweiligen Rechtsschutz93 zeigt sich durch die zur Verfügung stehenden Zwangsmittel im englischen Recht, warum englische anti-suit injunctions eine solche Drohkulisse aufbauen. Zwar kennt auch § 890 Abs. 1 ZPO Ordnungsgeld und Ordnungshaft als Ordnungsmittel. Die Ordnungshaft kommt im deutschen Recht als primäres Ordnungsmittel jedoch nur in Ausnahmefällen in Betracht.94 Bei juristischen Personen kann in diesen Fällen allerdings auch dem gesetzlichen Vertreter die Ordnungshaft angedroht und auch gegen diesen S. 32; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 55; Andrews, The Modern Civil Process, 2008, Rn. 8.35. 85  Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 32; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 55. 86  Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 55. 87  Andrews, The Modern Civil Process, 2008, Rn. 8.35; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 32; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 55. 88  Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989, S. 32; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 55. 89  Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 56. 90  Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (434); siehe auch Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 56; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 56. 91 Siehe Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S. 56 f.; vgl. auch gerade OLG Düsseldorf, IPRax 1997, 260 – mit diesem Beschluss hatte das OLG Düsseldorf die Zustellung einer anti-suit injunction des High Court verweigert. 92  Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (434). 93  Siehe oben § 5 D. I. 1. d., S. 177. 94  Sturhahn, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Auflage 2016, § 890, Rn. 44; Gruber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 890, Rn. 34.

184 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten festgesetzt werden.95 Das Ordnungsgeld kann gegen den gesetzlichen Vertreter hingegen nur dann festgesetzt werden, wenn er neben dem Vertretenen selbst Titelschuldner ist.96 Schließlich kann eine Unterlassung im deutschen Recht der Zwangsvollstreckung nicht dadurch erzwungen werden, dass das Vermögen des Schuldners unter Zwangsverwaltung gestellt und versteigert wird. Obwohl die Zwangsmittel des englischen Rechts auf den Gegner einer anti-suit injunction also abschreckender wirken dürften, soll das jedoch nicht heißen, dass ein Prozessführungsverbot eines deutschen Gerichts im einstweiligen Rechtsschutz gem. § 890 ZPO (bzw. § 888 ZPO) nicht effektiv durchgesetzt werden könnte.

2.  Vorläufige Sicherung einer vereinbarten Vertraulichkeit Der zweite schiedsvertragliche Anspruch, der vor einem deutschen Gericht im einstweiligen Rechtsschutz gesichert werden kann, ergibt sich, wenn die Parteien eine Vertraulichkeitspflicht vereinbart haben. Eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht besteht nach deutschem Recht nämlich nicht grundsätzlich. Sie gilt aber als implizit vereinbart, wenn die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung auf eine Schiedsordnung verweisen, die eine entsprechende Pflicht enthält, wie etwa die der DIS oder des LCIA.97 In diesem Fall ist zwar allein ein Schiedsgericht zuständig, um über eine Pflichtverletzung zu entscheiden.98 Etwas anderes gilt aber auch hier gem. § 1033 ZPO im einstweiligen Rechtsschutz. Bei einer drohenden Verletzung der Vertraulichkeitspflicht kann eine Schiedspartei bei Gericht gem. §§ 935, 940 ZPO eine einstweilige Verfügung in der Form einer Unterlassungsverfügung beantragen.99 Das Gericht kann daraufhin anordnen, dass die Gegenseite die Veröffentlichung von Informationen oder Dokumenten aus dem und über das Schiedsverfahren zu unterlassen hat. Zusammen mit der Verfügung kann gem. § 890 Abs. 2 ZPO ein Ordnungsgeld angedroht werden. Dass derartige Maßnahmen durchaus erfolgreich sein können, zeigt ein Urteil des Landgerichts Kiel aus dem Jahr 1982. Das LG hatte in der Entscheidung eine einstweilige Verfügung bestätigt, mit der einer deutschen Bank unter der 95 Siehe Sturhahn, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Auflage 2016, § 890, Rn. 45; Gruber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 890, Rn. 37. 96  Sturhahn, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Auflage 2016, § 890, Rn. 46. 97  Siehe oben § 3 F. I. 3., S. 96. 98  Im Ergebnis ebenso: Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1160); Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 276; Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (328); Haas/Kahlert, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, Privacy and Confidentiality, Rn. 42; Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 397. 99  Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 278.



D. Ausnahmen

185

Androhung von Ordnungsgeld untersagt worden war, unter das Bankgeheimnis fallende Auskünfte und Unterlagen über einen ihrer Kunden in einem US-amerikanischen Gerichtsverfahren zu geben bzw. offenzulegen.100 Ähnlich effektiv dürfte sich beispielsweise auch die Veröffentlichung von Dokumenten aus dem Schiedsverfahren unterbinden lassen. Allerdings kann mit der einstweiligen Verfügung selbstverständlich nur eine Veröffentlichung von Informationen und Dokumenten untersagt werden, die auch die Vertraulichkeitspflicht verletzen würde. Daran fehlt es bei den herausgearbeiteten gesetzlichen Ausnahmen von Vertraulichkeitspflichten.101 Greift eine dieser Ausnahmen, fehlt es schon an dem für eine Verfügung erforderlichen Verfügungsanspruch.

3. Zwischenergebnis Es gibt lediglich zwei schiedsvertragliche Pflichten, für die eine Durchsetzung vor deutschen Gerichten im einstweiligen Rechtsschutz in Betracht kommt. Zum einen die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen. Zum anderen eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht, falls die Parteien eine solche vereinbart haben. Ob die anderen schiedsvertraglichen Pflichten ebenfalls vor den deutschen Gerichten durchgesetzt werden können, weil weitere Ausnahmen von der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts eingreifen, wird in der Folge untersucht.

II.  Die Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten mit staatlichem Zwang Eine weitere Ausnahme von der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts, über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten zu entscheiden, muss auch dort bestehen, wo die Durchsetzung einer Pflicht staatlichen Zwang erfordert. Staatlichen Zwang erfordern die Vollziehung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts (1.) und die Vollstreckung von Schiedssprüchen (2.).

1.  Vollziehung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts Die schiedsvertragliche Pflicht, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen, kann unmittelbar nur mithilfe von staatlichem Zwang durchgesetzt werden. Der Gesetzgeber hat für einstweilige Maßnahmen des Schiedsgerichts das bereits dargestellte Vollziehungsverfahren gem. § 1041 Abs. 2 ZPO normiert.102 Nach § 1041 Abs. 2 ZPO kann das gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zuständige Oberlandesgericht auf Antrag einer Partei die Vollziehung der 100 

LG Kiel, IPRax 1984, 146 (147). Siehe oben § 3 F. III., S. 98 ff. 102  Siehe oben § 3 E. I. 3. c. aa., S. 79 f. 101 

186 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten einstweiligen Anordnung zulassen. Dem Oberlandesgericht steht bei seiner Entscheidung jedoch Ermessen zu, sodass eine unmittelbare Vollziehung der einstweiligen Anordnung nicht garantiert ist. Das Verfahren nach § 1041 Abs. 2 ZPO ist gerade auch dann anzuwenden, wenn eine (andere) schiedsvertragliche Pflicht durch eine schiedsgerichtliche einstweilige Anordnung konkretisiert wurde und anschließend mit Zwang durchgesetzt werden soll. Schiedsvertragliche Pflichten, die im schiedsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz geltend gemacht werden können, sind namentlich die Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, einen Anteil am Kostenvorschuss zu zahlen und die jeweils vereinbarte Vertraulichkeit einzuhalten.103 Ergeht über die schiedsvertragliche Pflicht hingegen ein Teilschiedsspruch, gilt § 1060 ZPO (dazu sogleich).

2.  Vollstreckung von Schiedssprüchen Auch die schiedsvertragliche Pflicht, den Schiedsspruch zu befolgen, kann unmittelbar allein vor einem staatlichen Gericht durchgesetzt werden. Hier greift § 1060 ZPO, der es ermöglicht, einen Schiedsspruch vollstrecken zu lassen, der in einem Schiedsverfahren mit deutschem Schiedsort ergangen ist. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach § 1061 ZPO in Verbindung mit der New York Convention. Bevor das zehnte Buch der ZPO die Vollstreckbarerklärung von ausländischen Schiedssprüchen kannte, war nach deutschem Recht statt der Vollstreckung eine Leistungsklage auf Erfüllung des Schiedsspruchs möglich.104 Heute wird einer Klage auf Erfüllung des Schiedsspruchs allerdings grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.105 Eigenständige Leistungsklagen auf Erfüllung von Schiedssprüchen sind daher ausgeschlossen.106 Die schiedsvertragliche Pflicht, den Schiedsspruch zu befolgen, wird allein im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt.

3. Zwischenergebnis Um die schiedsvertraglichen Pflichten zur Befolgung von schiedsgerichtlichen einstweiligen Anordnungen und zur Befolgung von Schiedssprüchen unmittelbar durchzusetzen, ist staatlicher Zwang erforderlich. Um diesen Zwang auszuüben, stehen den Schiedsparteien die speziellen Mechanismen des zehnten 103 

Siehe unten § 6 B. I. 3. a., S. 206 ff.; § 6 B. II. 3., S. 217 f.; § 6 B. IV., S. 220 f. Siehe RGZ 30, 368 (370 f.); 116, 76 (77); 117, 386 (388). 105  Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 1060, Rn. 9; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 118. 106  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1060, Rn. 33; Seiler, in: Thomas/ Putzo, ZPO, 37. Auflage 2016, § 1060, Rn. 9; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 118. 104 



D. Ausnahmen

187

Buchs der ZPO zur Verfügung, namentlich § 1041 Abs. 2 ZPO und §§ 1060, 1061 ZPO. Klagen im Sinne der §§ 253 ff. ZPO gibt es hingegen auch bei diesen schiedsvertraglichen Pflichten nicht.

III.  Sonstige Ausnahmen? Zu klären bleibt, ob über die Sicherung von schiedsvertraglichen Ansprüchen im einstweiligen Rechtsschutz und der unmittelbaren Durchsetzung von schiedsvertraglichen Pflichten mit staatlichem Zwang hinaus Ausnahmen von der Regel bestehen, dass ausschließlich ein Schiedsgericht über schiedsvertragliche Streitigkeiten entscheidet.

1.  Klage auf Erfüllung der Schiedsrichterbestellung? In § 3 B. dieser Arbeit wurde erarbeitet, dass es sich bei der Bestellung des Schiedsgerichts nach deutschem Schiedsverfahrensrecht um eine schiedsvertragliche Last und keine Pflicht handelt.107 Grund dafür ist § 1035 ZPO, der durch die Unterstützungsmaßnahmen des zuständigen Oberlandesgerichts eine Konstituierung des Schiedsgerichts in jeder denkbaren Konstellation ermöglicht und der bestellungswilligen Partei damit alle pflichtbegründenden Nachteile nimmt. Eine Partei, die sich weigert, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken, benachteiligt sich ausschließlich selbst. Allerdings gibt es Stimmen in der deutschen Schiedsrechtsliteratur, die dennoch eine Pflicht der Parteien annehmen, sich an der Konstituierung des Schiedsgerichts zu beteiligen.108 Schlosser nennt das Verfahren nach § 1035 ZPO dementsprechend eine Sondernorm für die Verletzung von Pflichten aus einer Schiedsvereinbarung.109 Insofern ist allerdings zu beachten, dass durch die Unterstützungsmaßnahmen des Oberlandesgerichts gem. § 1035 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO die Bestellung durch die sich weigernde Schiedspartei nicht erzwungen wird. Die Bestellung des Schiedsrichters durch eine Partei wird also nicht etwa im Sinne von § 894 S. 1 ZPO fingiert, obwohl sich die Fiktionswirkung des § 894 ZPO auf die Abgabe der Erklärung in der jeweils notwendigen Form erstrecken kann.110 Somit wird die Schiedsrichterbestellung im Rahmen von 107 

Siehe ausführlich § 3 B., S. 52 ff. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 19; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 26; Schütze, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 78; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1035, Rn. 1a; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 117; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 175, Rn. 38; Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (318); Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 282 f. 109  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1035, Rn. 30. 110 Zu Letzterem Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 271; zum Zustandekommen des 108 

188 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten § 1035 ZPO nicht zwangsweise durchgesetzt, so wie es bei der Voll­streckung eines auf Erfüllung lautenden Leistungsurteils der Fall wäre. Vielmehr wird der Schiedsrichter durch das Oberlandesgericht ersatzmäßig bestellt.111 Echte Leistungsklagen vor deutschen Gerichten sind nur bei ausländischen Schiedsverfahren denkbar, wenn nach dem Schiedsvereinbarungsstatut ein Anspruch auf Mitwirkung bei der Schiedsrichterbestellung besteht.112

2.  Klage auf Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses? Wie zu Beginn dieses Kapitels dargestellt wurde, ist eine Leistungsklage vor den staatlichen Gerichten auf Zahlung des anteiligen Vorschusses für das Schiedsverfahren problematisch.113 In Betracht kommt eine solche Klage dann, wenn der Schiedskläger das Schiedsverfahren vor dem konstituierten Schiedsgericht durchführen will, obwohl der Schiedsbeklagte sich weigert, seinen Anteil am Kostenvorschuss zu zahlen.114 Eine überwältigende Mehrheit in Rechtsprechung und Literatur hält die Leistungsklage des Schiedsklägers vor dem staatlichen Gericht in dieser Konstellation für zulässig und begründet.115 Sie muss allerdings schon an der Zulässigkeit scheitern. Grund dafür ist die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für Streitigkeiten über schiedsvertragliche Pflichten. Diese Zuständigkeit umfasst auch die schiedsvertragliche Pflicht der Parteien, einen gleichen Anteil an den Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen. Eine Leistungsklage auf Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses vor einem staatlichen Gericht wird daher in zweierlei Hinsicht unzulässig sein. Erstens wird es dem Schiedskläger für seine staatliche Leistungsklage am Rechtsschutzbedürfnis fehlen.116 Der schnellste, einfachste und effektivste Weg, die schiedsvertragliche Kostenvorschusspflicht durchzusetzen, ist die Geltendmachung vor dem konstituierten Schiedsgericht, das auf einen solchen Antrag per Teilschiedsspruch entscheiden kann. Zweitens folgt aus der Zuständigkeit des Schiedsgerichts für schiedsvertragliche Pflichten, dass der SchiedsSchiedsrichtervertrags in dieser Konstellation: Gal, Die Haftung des Schiedsrichters in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2009, S. 106 f. 111 Siehe Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (275). 112  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 284 f.; zustimmend Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1035, Rn. 30; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17c. 113  Siehe oben § 5 B., S. 165 ff. 114  Zu den anderen Konstellationen, in denen eine Klage zwar theoretisch denkbar, aber sinnwidrig bzw. zwecklos wäre vgl. § 4 A. IV. 2. a. aa. und § 4 A. IV. 2. b., S. 126 ff. 115 Siehe hierzu bereits § 3 C. I., S. 54 f. und § 5 A., S. 163 f. mit ausführlichen Nachweisen; stellvertretend für die Rechtsprechung: BGHZ 193, 38 (41); 94, 92 (95); für die Literatur: Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 7, Rn. 21; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 119; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 340. 116  Siehe oben § 5 B., S. 165 ff.



D. Ausnahmen

189

beklagte auf die Leistungsklage zur Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO erheben kann. Auch wenn also im Einzelfall ein Rechtsschutzbedürfnis des Schiedsklägers gegeben sein sollte, ist die Klage auf Zahlung des Kostenvorschusses für das Schiedsverfahren auf Erhebung der Schiedseinrede durch den Schiedsbeklagten als unzulässig abzuweisen. Durch dieses abweisende Prozessurteil ist dann gleichzeitig gerichtlich festgestellt, dass das bereits konstituierte Schiedsgericht über den Anspruch auf anteilige Zahlung des Kostenvorschusses zu entscheiden hat.117 Der Schiedsbeklagte hat damit in der Folge keine Möglichkeit, das Schiedsverfahren lahmzulegen, indem er dort die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts für den Anspruch auf Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses rügt. Der hier dargestellten Auffassung kann auch nicht entgegengehalten werden, das Schiedsgericht könne über die Kostenvorschusspflicht der Schiedsparteien nicht entscheiden, weil dies unzulässiges Richten in eigener Sache sei.118 Ein solcher Einwand vermischt die in dieser Arbeit differenzierten Zahlungspflichten der Schiedsparteien im Verhältnis zueinander und gegenüber den Schiedsrichtern.119 Das Schiedsgericht entscheidet per Teilschiedsspruch nicht über den eigenen Anspruch auf Vergütung gegenüber den Schiedsparteien aus dem Schiedsrichtervertrag, sondern ausschließlich über die aus der Schiedsvereinbarung folgende gegenseitige Pflicht der Parteien, einen gleichen Anteil für (alle) Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen.120

3.  Klage auf wahrheitsgemäßen Sachvortrag? In Bezug auf die in § 3 D. II. 2. dargestellte schiedsvertragliche Wahrheitspflicht ist schon unabhängig von der Frage der Zuständigkeit höchst zweifelhaft, ob eine Schiedspartei mit einer (Schieds-)Klage überhaupt dazu angehalten werden kann, den Sachvortrag ihrer subjektiven Erinnerung nach abzugeben. Für die im Zivilprozess gem. § 138 Abs. 1 ZPO geltende Wahrheitspflicht werden einstweilige Verfügungen und Klagen auf Unterlassung wahrheitswidriger Prozessvorträge abgelehnt.121 Selbst wenn man dies bei der schieds117  Vgl. RGZ 40, 401 (404); RG, JW 1938, 3187 (3189); OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462); Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 106. 118  So aber Habscheid, KTS 1972, 209 (213); Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (328); Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 448. 119  Siehe oben § 3 C. II., S. 55 f. 120  Ebenso OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1057, Rn. 29; siehe ausführlich unten § 6 B. II. 1., S. 213 ff. 121  BGH, NJW 1971, 284 (284); Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 138, Rn. 7a; Kern, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2016, § 138, Rn. 22; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2013, § 138, Rn. 22; Prange, Materiell-rechtliche Sanktionen bei Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht durch Zeugen und Parteien, 1995, S. 98; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 456.

190 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten vertraglichen Wahrheitspflicht für möglich halten möchte, hätten die staatlichen Gerichte nach der zu Beginn dieses Kapitels erarbeiteten Zuständigkeitsverteilung für schiedsvertragliche Streitigkeiten allein eine Kompetenz im einstweiligen Rechtsschutz. In der Hauptsache wäre ausschließlich das Schiedsgericht zuständig, über die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht zu entscheiden. Richtigerweise wird man aber eine unmittelbare Erzwingbarkeit der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht sowohl vor staatlichen Gerichten als auch vor Schiedsgerichten vollständig verneinen müssen. Lediglich die Geltendmachung von Schadensersatz für die grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht wird möglich sein, wenn die Unrichtigkeit des Sachvortrags unerkannt geblieben und zu einem unrichtigen Schiedsspruch geführt hat.122

4.  Klage auf Schadensersatz wegen Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht? Schließlich ist zu klären, ob die in § 4 A. IV. benannten Schäden123 vor einem staatlichen Gericht eingeklagt werden können oder ob diese ebenfalls in einem Schiedsverfahren geltend gemacht werden müssen.

a.  Zuständigkeit staatlicher Gerichte, wenn kein Schiedsverfahren anhängig ist? Eine Ausnahme für schiedsvertragliche Schadensersatzansprüche könnte in Betracht kommen, wenn das Schiedsverfahren bereits mit einem Schiedsspruch beendet wurde oder (noch) gar kein Schiedsverfahren anhängig ist. Letzteres ist beispielsweise bei der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, möglich. Hat hier eine Partei der Schiedsvereinbarung ein Gerichtsverfahren eingeleitet und ergeht in diesem Verfahren ein abweisendes Prozessurteil oder ein abweisendes Urteil in der Sache, muss nicht zwangsläufig ein paralleles Schiedsverfahren anhängig sein, in dem der Beklagte seine nicht ersetzten Kosten als Schaden geltend machen kann. Bei der Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht entsteht der Schaden hingegen überhaupt erst, wenn das Schiedsverfahren mit einem unrichtigen Schiedsspruch geendet hat. Auch die Verletzung einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht und daraus entstehende Schäden sind nach Abschluss des Schiedsverfahrens denkbar. Man könnte also daran denken, die Einklagbarkeit 122  Zuvor ist allerdings eine Aufhebung des Schiedsspruchs erforderlich, siehe § 4 B. II., S. 147 ff. Zur Zuständigkeitsverteilung beim schiedsvertraglichen Schadensersatz sogleich in § 5 D. III. 4. und in § 6 B. V., S. 221 f. 123  Siehe oben § 4 A. IV., S. 118 ff.



D. Ausnahmen

191

dieser Schadensersatzansprüche vor staatlichen Gerichten zuzulassen, um den Parteien den Aufwand eines weiteren Schiedsverfahrens zu ersparen. Allerdings ist nicht ersichtlich, warum eine Partei in einem staatlichen Gerichtsverfahren zwangsläufig weniger Aufwand hätte, ihren Schadensersatzanspruch geltend zu machen, als in einem (neuen) Schiedsverfahren.124 Vielmehr ist die Vereinbarung der Parteien zu beachten, dass alle Streitigkeiten von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen.125 Allein die Tatsache, dass (noch) kein Schiedsverfahren anhängig ist, um Schadensersatz für die Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht geltend zu machen, kann also die Zuständigkeit staatlicher Gerichte nicht begründen.

b.  Zuständigkeit staatlicher Gerichte nach Kündigung der Schiedsvereinbarung Hingegen können die staatlichen Gerichte dann zuständig sein, über den schiedsvertraglichen Schadensersatz zu entscheiden, wenn eine Partei die Schiedsvereinbarung gekündigt hat oder die Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar geworden ist. Wie noch genauer in § 7 dieser Arbeit gezeigt werden wird, ist die Schiedsvereinbarung aber nur bei der Verletzung einer einzigen schiedsvertraglichen Pflicht kündbar bzw. undurchführbar.126 Tritt die Schiedsvereinbarung nicht aus einem anderen Grund außer Kraft, ist ein Schiedsgericht zuständig, um über schiedsvertragliche Schadensersatzansprüche zu entscheiden.

c. Zusammenfassung Grundsätzlich ist ein Schiedsgericht auch dafür zuständig, über den Schadensersatz aus der Verletzung einer Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Eine Zuständigkeit der staatlichen Gerichte besteht nur dann, wenn eine Partei die Schiedsvereinbarung ordnungsgemäß gekündigt hat, diese undurchführbar geworden ist oder aus einem anderen Grund beendet wurde. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Ausnahme im engeren Sinne, weil die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte erst mit dem Außerkrafttreten der Schiedsvereinbarung entsteht (etwa durch Kündigung oder Undurchführbarkeit).

5.  Zwischenergebnis Über die Sicherung von schiedsvertraglichen Ansprüchen im einstweiligen Rechtsschutz und die Durchsetzung von schiedsvertraglichen Pflichten mit staatlichem Zwang hinaus bestehen keine weiteren Ausnahmen von der Regel, 124 

Siehe auch Jerczynski, SchiedsVZ 2015, 300 (301 f.). Siehe oben § 5 C. I., S. 168 f. Ebenso: Jerczynski, SchiedsVZ 2015, 300 (301). 126  Siehe unten § 7 B. III. 3., S. 241 ff. 125 

192 § 5  Die Durchsetzbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten vor staatlichen Gerichten dass ausschließlich ein Schiedsgericht zuständig ist, über schiedsvertragliche Streitigkeiten zu entscheiden. Bei der Schiedsrichterbestellung handelt es sich um keine schiedsvertragliche Pflicht, weshalb durch das Oberlandesgericht gem. § 1035 ZPO auch kein Anspruch auf Mitwirkung erzwungen wird. Vielmehr wird der Schiedsrichter durch das OLG ersatzweise bestellt. Der Anspruch, einen Anteil der Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen, ist von der Schiedsvereinbarung erfasst und kann daher ausschließlich im Schiedsverfahren geltend gemacht werden. Die schiedsvertragliche Pflicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag kann überhaupt nicht unmittelbar erzwungen werden, weder in Schiedsverfahren noch vor staatlichen Gerichten. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht unterfällt grundsätzlich der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Ein staatliches Gericht kann allein dann zuständig sein, über schiedsvertragliche Schadensersatzansprüche zu entscheiden, wenn eine Partei die Schiedsvereinbarung ordnungsgemäß gekündigt hat oder die Schiedsvereinbarung gem. § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar geworden ist.

E. Ergebnis Die Parteien der Schiedsvereinbarung können schiedsvertragliche Pflichten nicht vor den staatlichen Gerichten durchsetzen. Der Grund dafür liegt darin, dass die Parteien mit der Schiedsvereinbarung vereinbaren, nicht nur ihre Streitigkeiten aus dem materiellen Vertrag, sondern auch Streitigkeiten aus der Schiedsvereinbarung von einem Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Das Schiedsgericht ist mithin ausschließlich zuständig, über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten zu entscheiden. Wird eine schiedsvertragliche Streitigkeit vor einem staatlichen Gericht anhängig gemacht, kann der Beklagte die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO erheben. Die Klage muss dann als unzulässig abgewiesen werden. Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, über schiedsvertragliche Streitigkeiten zu entscheiden, kann aber auch schon auf der Ebene des Rechtsschutzbedürfnisses zur Unzulässigkeit einer staatlichen Klage führen. Ist das Schiedsgericht bereits konstituiert, steht den Parteien mit dem Schiedsverfahren ein einfacherer Weg zur Verfügung, auf dem sie eine schiedsvertragliche Pflicht ebenso sicher wie in einem staatlichen Gerichtsverfahren geltend machen können. Hier fehlt es für eine staatliche Klage also am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Auch ohne Erhebung der Schiedseinrede muss eine Klage in diesen Fällen als unzulässig abgewiesen werden. Der Grund für das mangelnde Rechtsschutzbedürfnis liegt also zumindest nicht allgemein wie von Teilen der Rechtsliteratur behauptet darin, dass das zehnte Buch der ZPO als solches einfachere und schnellere Verfahren zur Ver-



E. Ergebnis

193

fügung stellt, um eine schiedsvertragliche Pflicht geltend zu machen. Nur für zwei bzw. drei schiedsvertragliche Pflichten normiert das deutsche Schiedsverfahrensrecht einen Mechanismus, um ihre Durchsetzung zu ermöglichen: Einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts können über das Verfahren nach § 1041 Abs. 2 ZPO vollzogen werden. Inländische Schiedssprüche sind über § 1060 ZPO vollstreckbar. Bei einer pflichtwidrigen Klage vor einem deutschen Gericht kann der Beklagte die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO erheben (was natürlich ausscheidet, um die Pflicht, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen, durchzusetzen). Über diese drei Mechanismen hinaus kennt das deutsche Schiedsverfahrensrecht als solches keine speziellen Verfahren, mit denen die Parteien schiedsvertragliche Pflichten erzwingen könnten. Das Rechtsschutzbedürfnis bei einer Klage im Sinne der §§ 253 ff. ZPO, um einen schiedsvertraglichen Anspruch geltend zu machen, wird also nicht deshalb fehlen, weil die ZPO hierfür ein besonderes Verfahren vorsieht, sondern weil das laufende Schiedsverfahren der einfachere und schnellere Weg ist, um in Bezug auf den schiedsvertraglichen Anspruch Rechtsschutz zu erlangen. Das bedeutet gleichzeitig, dass das Rechtsschutzbedürfnis zur Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten theoretisch auch gegeben sein kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Schiedsgericht noch nicht konstituiert ist und schiedsgerichtlicher Rechtsschutz damit noch nicht besteht. Hier wäre die Klage vor dem staatlichen Gericht spätestens dann als unzulässig abzuweisen, wenn der Beklagte die Schiedseinrede erhebt, weil schiedsvertragliche Pflichten bzw. Ansprüche Gegenstand der Schiedsvereinbarung sind. Mit Blick auf die in dieser Arbeit abgeleiteten schiedsvertraglichen Pflichten kommen allerdings nur zwei Pflichten in Betracht, bei denen ein Schiedsgericht noch nicht oder nicht mehr besteht, um Pflichtverletzungen geltend zu machen. Dies sind die Pflicht, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen, sowie die (sekundäre) schiedsvertragliche Schadensersatzpflicht. Ausnahmen von der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts, über schiedsvertragliche Streitigkeiten zu entscheiden, bestehen grundsätzlich im einstweiligen Rechtsschutz und wo die Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten staatlichen Zwang erfordert. Nur mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden können die bereits eben genannten schiedsvertraglichen Pflichten, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts und den Schiedsspruch zu befolgen. Im staatlichen einstweiligen Rechtsschutz durchsetzbar sind die Pflicht, Klagen vor ausländischen Gerichten zu unterlassen, sowie eine gegebenenfalls vereinbarte Pflicht zur Vertraulichkeit von Dokumenten und Informationen. Wie schiedsvertragliche Pflichten im Rahmen eines Schiedsverfahrens geltend gemacht werden können, wird im nun folgenden § 6 beschrieben.

§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren Im vorangegangenen Kapitel konnte geklärt werden, dass grundsätzlich ein Schiedsgericht darüber zu entscheiden hat, ob eine Partei eine schiedsvertragliche Pflicht verletzt hat. Grund dafür ist, dass die Parteien mit der Schiedsvereinbarung auch Streitigkeiten über schiedsvertragliche Pflichten der Zuständigkeit des Schiedsgerichts unterworfen haben. Im nachfolgenden Kapitel soll nun vertieft untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen schiedsvertragliche Pflichten im Schiedsverfahren geltend gemacht werden können.

A. Grundlagen Zunächst soll erarbeitet werden, auf welcher Grundlage schiedsvertragliche Pflichten in einem Schiedsverfahren geltend gemacht werden können. Auch wenn allgemein von der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts auszugehen ist (I.), muss geklärt werden, ob die Parteien schiedsvertragliche Pflichten in einem bereits anhängigen Schiedsverfahren geltend machen können oder ob sie dazu ein separates Schiedsverfahren einleiten müssen (II.). Schließlich ist auch zu klären, ob sich etwas an der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für schiedsvertragliche Pflichten ändert, nachdem ein Schiedsverfahren zur materiell-rechtlichen Hauptsache abgeschlossen wurde (III.).

I.  Entscheidungszuständigkeit eines Schiedsgerichts Aus der Schiedsvereinbarung ergibt sich, dass ein Schiedsgericht dafür zuständig ist, über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten zu entscheiden. Das bedeutet, dass die Pflicht, keine staatlichen Gerichte anzurufen, die Pflicht, einen gleichen Anteil am Vorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen, und die Schadensersatzpflicht grundsätzlich in einem Schiedsverfahren geltend gemacht werden müssen. Das Gleiche gilt, falls die Parteien eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht vereinbart haben. Im einstweiligen Rechtsschutz besteht hingegen gem. § 1033 ZPO eine Parallelzuständigkeit von Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten. Relevant wird diese parallele Zuständig-

196

§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

keit bei Prozessführungsverboten und bei der einstweiligen Durchsetzung einer Vertraulichkeitspflicht. Eine ausschließliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte (bzw. der Oberlandesgerichte) besteht dort, wo die unmittelbare Durchsetzung schiedsvertraglicher Pflichten staatlichen Zwang erfordert. Allein mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden können die schiedsvertraglichen Pflichten, sich an einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu halten sowie Schiedssprüche zu befolgen. Die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht kann weder vor Schiedsgerichten noch vor staatlichen Gerichten unmittelbar durchgesetzt werden. Hier sind allein sekundäre Schadensersatzansprüche denkbar.

II.  Geltendmachung im anhängigen Schiedsverfahren oder Bildung eines neuen Schiedsgerichts? Wenn schiedsvertragliche Pflichten grundsätzlich allein in einem Schiedsverfahren geltend gemacht werden können, stellt sich die Frage, ob ein mit einer materiellen Streitigkeit befasstes Schiedsgericht auch über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten entscheiden darf oder ob dafür ein neues Schiedsgericht gebildet werden muss.

1.  Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg zur anteiligen Kostenvorschusspflicht Ob das mit der Hauptsache befasste Schiedsgericht auch über Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung entscheiden darf, hatte das OLG Oldenburg im Jahre 1971 zu entscheiden.1 In dem Fall hatte das vom Schiedskläger angerufene Landgericht seine Leistungsklage gegen den Schiedsbeklagten auf Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses für das Schiedsverfahren als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass diese Streitigkeit der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unterfalle.2 Das bereits konstituierte Schiedsgericht erließ daraufhin einen Schiedsspruch, der dem Schiedsbeklagten die anteilige Zahlung des Kostenvorschusses aufgab. Der Schiedsbeklagte beantragte die Aufhebung dieses Schiedsspruchs. Das OLG Oldenburg bestätigte den Schiedsspruch jedoch. Zwar war es der Auffassung, dass grundsätzlich die ordentlichen Gerichte dafür zuständig seien, zu entscheiden, ob eine Partei eine Pflicht aus der Schiedsvereinbarung verletzt 1 

OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 ff. OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462) – fälschlicherweise stützte das Landgericht seine Entscheidung allerdings darauf, dass sich die Pflicht zur Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses aus dem zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Vertrag ergebe. Das Schiedsgericht wählte später in seinem Schiedsspruch die Schiedsvereinbarung als (richtige) Anspruchsgrundlage. 2  Siehe



A. Grundlagen

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hat. Allerdings sah sich das OLG in diesem Fall an das rechtskräftige Urteil des Landgerichts gebunden, das die Entscheidungszuständigkeit über den anteiligen Kostenvorschuss einem Schiedsgericht zugewiesen hatte. Auf dieser Grundlage entschied das OLG, dass das zur Hauptsache gebildete Schiedsgericht auch über die aus der Schiedsvereinbarung folgende Pflicht zur Zahlung des Kostenvorschusses zu entscheiden hatte und kein neues Schiedsgericht konstituiert werden musste.3 Letzteres sei mit dem auch im Schiedsverfahren geltenden Grundsatz der Verfahrensökonomie unvereinbar.4 Vielmehr sei das einmal mit der Hauptsache befasste Schiedsgericht auch für weitere Streitigkeiten zuständig, die sich nach seiner Bildung ergeben.5 Dieses Schiedsgericht sei mit dem Sachverhalt vertraut und könne schneller eine Entscheidung treffen als ein erst noch zu bildendes Schiedsgericht.6 Schließlich werde dadurch die Gefahr ausgeschlossen, dass ein zweites Schiedsgericht in den zu entscheidenden Rechtsfragen einen anderen Standpunkt einnehme als das erste.7

2.  Kritik der Rechtsliteratur Die Entscheidung des OLG Oldenburg stieß auf Kritik in der Rechtsliteratur. Habscheid wandte ein, dass ein Schiedsgericht in anderer Besetzung hätte gebildet werden müssen, weil sich die Schiedsrichter des bereits konstituierten Schiedsgerichts mit der Entscheidung über die anteilige Kostenvorschusspflicht für das Schiedsverfahren selbst etwas zugesprochen hätten.8 Diese Ansicht wird im Rahmen dieser Arbeit allerdings abgelehnt, weil sie die gegenseitigen Pflichten der Schiedsparteien aus der Schiedsvereinbarung mit den Pflichten der Schiedsparteien gegenüber den Schiedsrichtern aus dem Schiedsrichtervertrag in unzulässiger Weise vermischt.9 Dass die Schiedsrichter mit einer Entscheidung über den schiedsvertraglichen Kostenvorschuss nicht in eigener Sache entscheiden, wird sogleich noch ausführlich dargelegt.10 Breetzke merkte an, der Streit der Parteien über den Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren gehöre vor das staatliche Gericht.11 Allein wegen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts sei auch diese Streitigkeit nunmehr von der Schiedsvereinbarung erfasst.12 Es hätte aber ein neues Schiedsgericht gebildet 3 

OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462). OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1463). 5  OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1463). 6  OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1463). 7  OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1463). 8  Habscheid, KTS 1972, 209 (213). 9  Siehe bereits oben in § 5 D. III. 2., S. 188 f.; so im Übrigen auch das OLG Oldenburg selbst: OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462). 10  Siehe unten § 6 B. II. 1., S. 213 ff. 11  Breetzke, NJW 1971, 2080 (2080). 12 Siehe Breetzke, NJW 1971, 2080 (2080). 4 

198

§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

werden müssen.13 Eine Entscheidung des alten Schiedsgerichts sei von der Schiedsvereinbarung nicht gedeckt.14 Um die Zuständigkeit des alten Schiedsgerichts zu begründen, hätte sich das OLG Oldenburg auch nicht auf Sachzusammenhang, Wirtschaftlichkeit des Verfahrens, Zweckmäßigkeit oder das Bedürfnis, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, berufen dürfen.15 Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung vereinbaren die Parteien jedoch mit jeder Schiedsvereinbarung, dass für Streitigkeiten aus schiedsvertraglichen Pflichten ein Schiedsgericht zuständig ist. Die Entscheidungszuständigkeit liegt also bei einem Schiedsgericht, unabhängig davon, ob dies zuvor ein ordentliches Gericht rechtskräftig festgestellt hat oder nicht. Fraglich ist allein, ob die vom OLG Oldenburg genannten Gründe für die Zuständigkeit eines bereits konstituierten Schiedsgerichts verallgemeinerungsfähig sind oder ob wegen der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten jeweils ein neues Schiedsverfahren eingeleitet werden muss.

3.  Verallgemeinerungsfähigkeit der Entscheidung: Geltung für andere Streitigkeiten aus der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten Gegen die Verallgemeinerungsfähigkeit der Entscheidung spricht, dass das OLG Oldenburg das bereits konstituierte Schiedsgericht allein deshalb für zuständig hielt, über den Kostenvorschuss zu entscheiden, weil das Landgericht bereits rechtskräftig entschieden hatte, dass diese Frage von der Schiedsvereinbarung gedeckt ist. Ohne das rechtskräftige Prozessurteil des Landgerichts hätte das OLG aller Voraussicht nach die Zuständigkeit des Schiedsgerichts verneint. Allerdings erwähnt das OLG fast schon beiläufig, dass der Wortlaut der Schiedsvereinbarung nicht dagegen spreche, „die Zuständigkeit des einmal mit der Sache befassten Schiedsgerichts für weitere Streitigkeiten anzunehmen, die sich nach oder sogar aus seiner Bildung ergeben.“16 Diese Aussage deckt sich mit der ebenfalls vom OLG Oldenburg angeführten Verfahrensökonomie. Der Grundsatz der Verfahrensökonomie gilt in der Tat gerade auch im Schiedsverfahren.17 Nach diesem Grundsatz sollen die Streitigkeiten zwischen den Parteien nicht nur zügig, sondern vor allem auch umfassend entschieden werden. Daher werden auch in Schiedsverfahren Widerklagen anerkannt. Für eine Schiedswiderklage nach § 1046 Abs. 3 ZPO vor demselben Schiedsgericht ist allein erforderlich, dass sie von derselben Schiedsvereinbarung gedeckt ist 13 

Breetzke, NJW 1971, 2080 (2080). Breetzke, NJW 1971, 2080 (2080). 15  Breetzke, NJW 1971, 2080 (2080). 16  OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1463). 17  Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 214; vgl. auch BT-Drucksache 13/5274, S. 38 (linke Spalte); Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 119. 14 



A. Grundlagen

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wie die bereits anhängige Schiedsklage.18 Ein weitergehender Zusammenhang zwischen Schiedsklage und Schiedswiderklage, als dass sie von derselben Schiedsvereinbarung gedeckt sind, ist nicht erforderlich.19 Für Streitigkeiten über Pflichten aus der Schiedsvereinbarung selbst kann nichts anderes gelten. Auch diese sind von derselben Schiedsvereinbarung erfasst, wegen der bereits das Schiedsverfahren anhängig ist. Schiedsklagen wegen der Verletzung jeglicher schiedsvertraglicher Pflichten können daher auch im bereits anhängigen Schiedsverfahren eingeleitet werden.

III.  Zuständigkeit nach Beendigung des Schiedsverfahrens Wenn eine Partei die Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht im anhängigen Hauptsache-Schiedsverfahren geltend machen kann, stellt sich die Frage, ob sich an der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts etwas ändert, wenn dieses Schiedsverfahren beendet ist. Schiedsgerichte sind nach dem zehnten Buch der ZPO nämlich grundsätzlich diskontinuitiv: § 1056 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass mit der Beendigung des Schiedsverfahrens auch das Amt des Schiedsgerichts endet. Das Schiedsgericht ist dann functus officio und erfüllt nur noch Restaufgaben.20 Will eine Partei einen schiedsvertraglichen Anspruch geltend machen, nachdem das Schiedsgericht einen Schiedsspruch erlassen hat, besteht also zunächst einmal mehr kein Schiedsgericht, vor dem dieser Anspruch geltend gemacht werden kann. Grundsätzlich ändert die Beendigung eines Schiedsverfahrens aber nichts daran, dass die schiedsvertraglichen Pflichten der Parteien von der Schiedsvereinbarung gedeckt sind. Will eine Partei die schiedsvertragliche Pflichtverletzung der Gegenseite geltend machen, ohne dass (noch) ein Schiedsverfahren zwischen den Parteien anhängig ist, muss sie ein neues Schiedsverfahren einleiten. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine solche Situation nur selten auftreten wird. In der Regel wird es zu Verletzungen von schiedsvertraglichen Pflichten vor oder während des Hauptsacheverfahrens kommen, sodass diese Pflichtverletzungen schon während des Schiedsverfahrens geltend gemacht werden können. Bei den Pflichten, die in der Regel vor oder während des Schiedsverfahrens verletzt werden, handelt es sich ins18  BT-Drucksache 13/5274, S. 49 (linke Spalte); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1046, Rn. 6; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1046, Rn. 4; Sachs/ Lörcher, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, § 1046 ZPO, Rn. 11; so schon Kisch, Beiträge zum Schiedsverfahren, 1933, S. 28. 19  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1046, Rn. 6; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 1461. 20  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1056, Rn. 1; Voit, in: Musielak/ Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1056, Rn. 9.

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

besondere um die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, sowie die Pflicht, einen Anteil am Vorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen.

B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten Im Folgenden gilt es zu untersuchen, wie einzelne schiedsvertragliche Pflichten in einem (anhängigen) Schiedsverfahren geltend gemacht werden können. Dabei wird zunächst die unmittelbare Durchsetzung für jede einzelne Pflicht erörtert, bevor gesammelt auf Schadensersatzansprüche eingegangen wird.

I.  Pflicht zur Unterlassung von Klagen vor staatlichen Gerichten: Anti-suit injunctions von Schiedsgerichten bei deutschem Schiedsort Zunächst soll untersucht werden, wie bei einem deutschen Schiedsort die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, durch schiedsgerichtliche anti-suit injunctions durchgesetzt werden kann. Dabei ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die nachfolgende Analyse nicht behandelt, was de lege ferenda nach deutschem Schiedsverfahrensrecht möglich sein könnte. Vielmehr werden die folgenden Ausführungen auf das derzeit geltende deutsche Schiedsverfahrensrecht sowie auf sekundäres Unionsrecht (in der Form der Brüssel I-VO) gestützt.

1.  Zulässigkeit nach deutschem Schiedsverfahrensrecht In § 5 konnte erarbeitet werden, dass von deutschen Gerichten im einstweiligen Rechtsschutz eine Verfügung erlangt werden kann, die einer Partei einer Schiedsvereinbarung eine Klage vor einem Gericht außerhalb der Europäischen Union untersagt. Dabei wurde auch gezeigt, dass es in der deutschen Rechtsliteratur Vorbehalte gegen solche einstweiligen Prozessführungsverbote gibt. Diese Vorbehalte konnten ausgeräumt werden.21 Selbst wenn man jedoch weiterhin der Auffassung sein will, dass Prozessführungsverbote dem deutschen Recht fremd und daher von deutschen Gerichten nicht zu erlangen sind, können diese Überlegungen allein für staatliche Gerichte gelten. Schiedsgerichte kann eine solche Tradition der deutschen ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht binden. Es ist gerade einer der Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit, dass Schiedsverfahren unabhängig von den Konventionen des nationalen Zivilprozesses geführt werden. Selbst wenn dem deutschen 21 

Siehe oben § 5 D. I. 1. a., S. 171 ff.



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

201

Zivilprozess also eine Entscheidung eines deutschen Gerichts fremd sein soll, mit der einer Partei die Klage in einem abgewählten Forum untersagt wird, fragt sich, was für das deutsche Schiedsverfahrensrecht gilt. Im deutschen Schiedsverfahrensrecht kommt es für den Gegenstand des Schiedsspruchs allein darauf an, dass dieser Streitigkeiten in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entscheidet.22 Ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher Art ist auch die Schiedsvereinbarung. Gegenstand des Schiedsspruchs kann also auch eine Entscheidung über Streitigkeiten aus der Schiedsvereinbarung selbst sein. Daraus folgt, dass das Schiedsgericht auch per Schiedsspruch darüber entscheiden kann, dass eine Partei ihre schiedsvertragliche Pflicht zu befolgen und Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen hat und Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nur im Rahmen von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO einleiten darf. Das Gleiche gilt für den schiedsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz. Hier gibt es erstens keinen numerus clausus von möglichen Maßnahmen.23 Zweitens sind schiedsgerichtliche Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht an die den staatlichen Gerichten vorgegebenen Inhalte gebunden.24 Somit kann ein Schiedsgericht nach deutschem Schiedsverfahrensrecht je nach Antrag sowohl durch einen Schiedsspruch als auch durch eine einstweilige Anordnung einer Partei die Klage vor einem staatlichen Gericht untersagen.

2.  Vereinbarkeit mit der Brüssel I-Verordnung Der Feststellung, dass schiedsgerichtliche anti-suit injunctions nach deutschem Schiedsrecht grundsätzlich zulässig sind, schließt sich die Frage an, welche Reichweite sie haben können. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nämlich eine einstweilige Verfügung eines mitgliedstaatlichen Gerichts, die es einer Partei untersagt, ein anderes mitgliedstaatliches Gericht entgegen einer Schiedsvereinbarung anzurufen, mit der Brüssel I-Verordnung unvereinbar.25 Folglich ist zu klären, ob für entsprechende Schiedssprüche und schiedsgerichtliche einstweilige Anordnungen das Gleiche gilt. Dann könnten Schiedsgerichte mit Sitz in Deutschland einer Partei per anti-suit injunction nur untersagen, vor einem Gericht außerhalb des Geltungsbereichs der Brüssel I-VO zu klagen.

22  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 24; vgl. auch § 1029 Abs. 1 ZPO. 23  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 7; Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 133 f. 24  Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 134. 25  Siehe EuGH Rs. C-185/07 – West Tankers, Slg. 2009, I-663, Rn. 29–32.

202

§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

a.  Der Fall Gazprom vor dem EuGH Eine Antwort auf diese Frage könnte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Gazprom geben.26 In der Rechtssache Gazprom hatte der EuGH zu entscheiden, ob eine als Schiedsspruch ergangene anti-suit injunction27 mit der Brüssel I-VO unvereinbar ist und ihre Anerkennung und Vollstreckung daher verweigert werden kann.28 Der Fall drehte sich um Litauens größten Gasversorger, die litauische Aktiengesellschaft Lietuvos dujos. Lietuvos dujos’ Aktionäre waren unter anderem der russische Erdgasförderer Gazprom sowie die Republik Litauen. Laut Satzung von Lietuvos dujos sollte über Streitigkeiten ein Schiedsgericht mit Sitz in Stockholm nach den Arbitration Rules der Stockholm Chamber of Commerce (SCC) entscheiden. Als es im Vorstand von Lietuvos dujos zu Streitigkeiten über die ausgehandelten Tarife in den Gaslieferverträgen des Unternehmens kam, klagte das Energieministerium von Litauen (die Republik Litauen als Aktionär vertretend) vor dem Regionalgericht Vilnius, um die Tätigkeiten von Lietuvos dujos untersuchen zu lassen. Nach Auffassung von Gazprom verstieß diese Klage gegen die in der Satzung von Lietuvos dujos enthaltene Schiedsvereinbarung. Gazprom leitete daher im August 2011 ein Schiedsverfahren bei der SCC ein, das allein darauf gerichtet war, dem Energieministerium die Klage beim Regionalgericht Vilnius zu untersagen. Das Schiedsgericht gab der Schiedsklage von Gazprom statt und dem Energieministerium per Schiedsspruch auf, bestimmte Klageanträge beim Regionalgericht Vilnius zurückzunehmen. Dem kam das Energieministerium nicht nach, woraufhin sich das Regionalgericht Vilnius für zuständig erklärte. Lietuvos dujos legte beim Litauischen Appellationsgericht Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein. Gleichzeitig beantragte Gazprom beim Appellationsgericht die Anerkennung und Vollstreckung des anti-suit awards nach der New York Convention. Beide Anträge wurden zurückgewiesen. Der mit dem Rechtsmittel gegen diese Entscheidung befasste Oberste Gerichtshof Litauens legte dem EuGH den Fall im Vorabentscheidungsverfahren vor. Mit dem Vorlageersuchen sollte die Frage geklärt werden, ob das Appellationsgericht die Vollstreckung des anti-suit awards mit der Begründung verweigern durfte, dass dies die Befugnis des Gerichts beschränken würde, nach der Brüssel I-VO selbst über seine Zuständigkeit zu entscheiden.

26 

EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015. anti-suit award. 28  Der nachfolgende Sachverhalt ist vereinfacht dargestellt. Eine ausführliche Darstellung findet sich in: Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 21–52. 27 Nachfolgend:



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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b.  Die Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet In seinen Schlussanträgen verneinte Generalanwalt beim EuGH Wathelet die Frage, ob das Appellationsgericht die Vollstreckung des anti-suit awards unter Berufung auf die Brüssel I-VO verweigern dürfe: Die Brüssel I-VO fände im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil es sich bei dem anti-suit award des Schiedsgerichts nicht um eine Entscheidung im Sinne der Verordnung handele. Unter den Begriff „Entscheidung“ fielen gem. Art. 2 lit. a Abs. 1 Brüssel I-VO nur solche Entscheidungen, die von den Gerichten der Mitgliedstaaten erlassen wurden.29 Ein Schiedsgericht sei aber kein Gericht eines Mitgliedstaates.30 Deshalb könne auch die Ratio der EuGH-Entscheidung in West Tankers in Bezug auf anti-suit injunctions von staatlichen Gerichten nicht auf anti-suit injunctions von Schiedsgerichten übertragen werden.31 Schiedsgerichte seien weder an die Brüssel I-VO noch an den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gebunden, der zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten gelte.32 Die Anerkennung und Vollstreckung von anti-suit awards richte sich allein nach der New York Convention.33 Wathelet äußerte sich in seinen Schlussanträgen auch zu anti-suit injunctions von mitgliedstaatlichen Gerichten. Diese seien mit der Neufassung der Brüssel I-VO innerhalb der Europäischen Union zum Schutz von Schiedsverfahren wieder zulässig.34 Der Unionsgesetzgeber habe die Entscheidung des EuGH in West Tankers korrigiert.35 Dies ergebe sich aus dem neu eingeführten Erwägungsgrund 12 Brüssel I-VO, der erläutere, wie der Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit in der neuen Brüssel I-VO auszulegen sei und „stets auszulegen gewesen wäre“.36 Bei staatlichen anti-suit injunctions zum Schutz von Schiedsverfahren handele es sich um Nebenverfahren im Sinne von EG 12 Abs. 4 Brüssel I-VO, was bedeute, dass sie vom Ausschlusstatbestand in Art. 1 Abs. 2 lit. d Brüssel I-VO erfasst und vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen seien.37

29 Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 71 (sich noch auf die gleich lautende Vorgängervorschrift des Art. 32 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 beziehend). 30 Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 71. 31  Siehe Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 153. 32 Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 154. 33  Siehe Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 153. 34  Siehe Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 137, 140. 35 Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 132. 36 Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 91. 37 Generalanwalt Wathelet Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 137 f., 140.

204

§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

c.  Die Entscheidung des EuGH In seiner Entscheidung vom 13. Mai 2015 erklärte der EuGH, dass durch Schiedsgerichte erlassene anti-suit injunctions nicht gegen die Brüssel I-VO verstoßen könnten.38 Der EuGH referierte in der Entscheidung zunächst seine Rechtsprechung in der Rechtssache West Tankers: Anti-suit injunctions mitgliedstaatlicher Gerichte seien nicht mit der Brüssel I-VO vereinbar, wenn sie einer Partei zum Schutz eines Schiedsverfahrens ein Verfahren vor einem anderen mitgliedstaatlichen Gericht untersagten.39 Dies widerspräche dem in der Verordnung niedergelegten Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, wonach das angerufene Gericht selbst am besten seine Zuständigkeit bestimmen könne und diese Entscheidung nicht überprüft werden dürfe.40 Schiedsgerichte gehörten jedoch nicht zu den staatlichen Gerichten.41 Es könne daher „keine Rede davon sein“, dass eine schiedsgerichtliche anti-suit injunction, die einer Partei ein Verfahren vor einem mitgliedstaatlichen Gericht untersage, gegen den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens der Brüssel I-VO verstoße.42 Die Anerkennung und Vollstreckung eines anti-suit awards unterliege allein dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats und den in diesem Mitgliedstaat anwendbaren völkerrechtlichen Vorschriften (d. h. insbesondere der New York Convention) und nicht der Brüssel I-VO.43 Seine Ausführungen beschränkte der EuGH auf die Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Das Gericht äußerte sich nicht zur Neufassung der Brüssel I-VO und der Auffassung Wathelets, durch EG 12 Brüssel I-VO n. F. seien anti-suit injunctions mitgliedstaatlicher Gerichte innerhalb der Europäischen Union wieder möglich.

d. Stellungnahme Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gazprom enthält keine Überraschungen. Schon vor der Entscheidung war klar, dass Schiedsgerichte keine Gerichte und Schiedssprüche keine Entscheidungen im Sinne der Brüssel I-VO sind.44 Mit seinem Urteil in der Rechtssache Gazprom hat der EuGH nun bestätigt, dass Schiedsgerichte nicht an die Brüssel I-VO gebunden sind und den 38 

EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 44. EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 32. 40  Siehe EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 33 f. 41  EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 36. 42  EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 37. 43  Siehe EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015, Rn. 41. 44  Siehe etwa Mankowski, in: Festschrift von Hoffmann, 2011, 1012 (1016); Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, 1. Auflage 2015, Rn. 2.70; National Navigation Co. v. Endesa Generacion S.A. (The Wadi Sudr), [2010] 1 Lloyd’s Law Reports 193 (214, Rn. 118); CMA CGM S.A. v. Hyundai MIPO Dockyard Co. Ltd., [2009] 1 Lloyd’s Law 39 



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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in ihr niedergelegten Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens daher auch nicht verletzen können. Die Anerkennung und Vollstreckung von anti-suit awards richtet sich allein nach der New York Convention und nicht nach der Brüssel I-VO. Formal gesehen hat der EuGH die Ausführungen des Generalanwalts Wathelet, dass anti-suit injunctions von mitgliedstaatlichen Gerichten innerhalb der Europäischen Union mit der Neufassung der Brüssel I-VO wieder möglich sind, unkommentiert gelassen – das Gericht bezog sich in seinen Ausführungen ausschließlich auf die Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Allerdings referierte der EuGH ausführlich seine Rechtsprechung in West Tankers, ohne anzudeuten, dass er davon in Zukunft abweichen werde. Es ist damit davon auszugehen, dass auch unter der neuen Brüssel I-VO anti-suit injunctions mitgliedstaatlicher Gerichte, die einer Partei ein Verfahren vor einem anderen mitgliedstaatlichen Gericht untersagen, unzulässig sind.45

e. Schlussfolgerungen Daraus folgt, dass Schiedsgerichte mit Sitz in Deutschland einer Partei per Schiedsspruch oder per einstweiliger Anordnung auch aufgeben können, Klagen vor Gerichten der Europäischen Union zu unterlassen oder zurückzunehmen. Die Brüssel I-Verordnung kann dem nicht entgegenstehen, weil sich die Anerkennung und Vollstreckung der Schiedssprüche ausschließlich nach der New York Convention richtet. Illmer sieht dies im Einklang mit einem allgemeinen Trend, der durch die reformierte Brüssel I-VO noch verstärkt wurde, dass die Verletzung einer Schiedsvereinbarung im Schiedsverfahren effektiver geltend gemacht werden kann als vor einem staatlichen Gericht.46

3.  Entscheidung des Schiedsgerichts als einstweilige Maßnahme oder Teilschiedsspruch? Können Schiedsgerichte anti-suit injunctions nicht nur außerhalb der Europäischen Union, sondern auch innerhalb der Europäischen Union erlassen, muss geklärt werden, in welcher Form diese Entscheidung ergehen kann. Zum einen könnte sie auf § 1041 Abs. 1 ZPO gestützt und als einstweilige Maßnahme angeordnet werden (a.). Zum anderen wäre auch eine Entscheidung als Teilschiedsspruch gem. § 1055 ZPO denkbar (b.).

Reports 213 (224, Rn. 46); West Tankers Inc. v. Allianz S.p.A. and Another (The Front Comor), [2012] 2 Lloyd’s Law Reports 103 (115, Rn. 67). 45 Ebenso Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, 1. Auflage 2015, Rn. 2.52. 46  Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, 1. Auflage 2015, Rn. 2.71.

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

a.  Schiedsgerichtliche anti-suit injunctions als einstweilige Maßnahmen gem. § 1041 Abs. 1 ZPO aa. Zulässigkeit? Ob auf Grundlage von § 1041 Abs. 1 ZPO eine anti-suit injunction als einstweilige Anordnung ergehen kann, ist umstritten. Schlosser hält das für möglich.47 Bandel hingegen lehnt auf § 1041 Abs. 1 ZPO gestützte anti-suit injunctions ab.48 In der Begründung für seine ablehnende Haltung bezieht sich Bandel allerdings allein auf die Konstellation, in der ein deutscher Schiedsort vereinbart ist und eine Klage in der Hauptsache vor den deutschen ordentlichen Gerichten verhindert werden soll.49 Im Rahmen dieser Arbeit wurde bereits herausgearbeitet, dass die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor deutschen Gerichten zu unterlassen, über § 1032 Abs. 1 ZPO durchzusetzen ist.50 Für eine innerdeutsche anti-suit injunction, die einer Partei untersagt ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten einzuleiten, besteht also in der Tat kein Bedarf,51 genauer gesagt: Sie ist nicht „erforderlich“ im Sinne von § 1041 Abs. 1 ZPO. Allerdings wird man nicht darauf vertrauen können, dass die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, überall auf der Welt allein durch Erhebung der Schiedseinrede durchgesetzt werden kann. Die Gerichte eines bestimmten Staates sollten für den Fall von Streitigkeiten unter Umständen gerade deshalb durch ein neutrales Schiedsgericht ersetzt werden, weil sie als langsam oder parteiisch gelten.52 Einer Partei die Klage gerade vor diesen Gerichten per einstweiliger Verfügung gem. § 1041 Abs. 1 ZPO zu untersagen, hat nichts mit Respektlosigkeit vor ausländischen Rechtsordnungen zu tun.53 Es geht allein um die (einstweilige) Durchsetzung einer vertraglich vereinbarten Pflicht.

bb. Voraussetzungen Das Schiedsgericht kann auf Antrag einer Partei gem. § 1041 Abs. 1 ZPO eine vorläufige oder sichernde Maßnahme anordnen, die es in Bezug auf den Streitgegenstand für erforderlich hält. 47 

Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 13. Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 188; ebenso Schäfer, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, § 1041 ZPO, Rn 13. 49 Siehe Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 186 f. 50  Siehe oben § 5 D. I. 1. a. bb., S. 173. 51 Siehe Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 187. 52 Siehe Landau, ICCA Congress Series No. 13 (2006), 282 (287, 294); ähnlich auch Schlosser, RIW 2006, 486 (488). 53  So aber Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 188. 48 



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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Wenn eine einstweilige Maßnahme in Bezug auf die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, angeordnet werden soll, bildet der daraus folgende Anspruch mit dem dazugehörigen Lebenssachverhalt den Streitgegenstand. In Bezug auf diesen Streitgegenstand setzt § 1041 Abs. 1 ZPO nur noch voraus, dass das Schiedsgericht die einstweilige Maßnahme für erforderlich hält. Ein Rückgriff auf die Voraussetzungen der §§ 916 ff. ZPO, d. h. eine strikte und formale Prüfung, ob Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden, ist im Rahmen von § 1041 Abs. 1 ZPO nicht vorgesehen.54 Dem Schiedsgericht steht dementsprechend ein weiter Ermessensspielraum zu, ab wann es eine Maßnahme für erforderlich halten kann.55 Grundsätzlich ist die Maßnahme dann erforderlich, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung die Gefahr, dass der Antragsteller einen dauerhaften Rechtsverlust erleidet, die Nachteile, die dem Antragsgegner durch die Anordnung entstehen, überwiegt.56 Für eine schiedsgerichtliche anti-suit injunction ist in diese Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers insbesondere miteinzubeziehen, dass potentielle Nachteile aus einer Klage unter Verletzung der Schiedsvereinbarung später nicht zwangsläufig durch Schadensersatz kompensiert werden können.57

cc.  Durchsetzung mit staatlichem Zwang Erlässt das Schiedsgericht auf der Grundlage von § 1041 Abs. 1 ZPO eine antisuit injunction, ist der Anordnungsgegner aufgrund seiner schiedsvertraglichen Pflicht, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen, verpflichtet, sich an diese Anordnung zu halten. Signalisiert der Anordnungsgegner jedoch, die ausländische Klage dennoch anstrengen zu wollen, stellt sich die Frage, wie effektiv eine auf § 1041 Abs. 1 ZPO gestützte anti-suit injunction mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden kann. Zwar kann der Anordnungsgläubiger die anti-suit injunction in diesem Fall gem. § 1041 Abs. 2 ZPO vom zuständigen Oberlandesgericht vollziehen lassen. Dieses kann mit der Vollziehbarerklärung

54  Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 99; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 22; siehe auch Leitzen, Die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen durch Schiedsgerichte nach § 1041 ZPO, 2002, S. 138. 55  Leitzen, Die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen durch Schiedsgerichte nach § 1041 ZPO, 2002, S. 127 f.; Schäfer, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, § 1041 ZPO, Rn. 12. 56  Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 102; Leitzen, Die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen durch Schiedsgerichte nach § 1041 ZPO, 2002, S. 139. 57  Siehe oben § 4 B. I. 2. c., S. 146 f.; vgl. auch Landau, ICCA Congress Series No. 13 (2006), 282 (294); Manner/Mosimann, in: Festschrift Schwenzer II, 2011, 1197 (1205); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 13.

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

auch gleich ein Ordnungsgeld gem. § 890 Abs. 2 ZPO androhen.58 Allerdings ist zweifelhaft, ob sich eine Partei, die schon die Legitimität des in Deutschland ansässigen Schiedsverfahrens leugnet, von der Androhung eines Ordnungsgeldes beeindrucken lässt. Zielführender wäre es, wenn die nach § 1041 Abs. 1 ZPO ergangene anti-suit injunction unmittelbar im Ausland durchgesetzt werden könnte. Das kann sich jedoch als problematisch erweisen, weil die Vollstreckbarkeit von schiedsgerichtlichen einstweiligen Anordnungen im Ausland noch nicht abschließend geklärt ist.59 Insbesondere eine Vollstreckung nach der New York Convention wird abgelehnt, weil einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts keine arbitral awards im Sinne von Art. I (1) New York Convention seien.60

b.  Schiedsgerichtliche anti-suit injunctions als Schiedssprüche im Sinne von § 1055 ZPO Die eben beschriebenen Vollstreckungsprobleme stellen sich nicht, wenn die schiedsgerichtliche anti-suit injunction in der Form eines (Teil-)Schiedsspruchs nach § 1054 ZPO ergeht.

aa.  Anti-suit awards als Teilschiedssprüche im anhängigen Schiedsverfahren Ist bereits ein Schiedsverfahren anhängig, kann ein anti-suit award als Teilschiedsspruch erlassen werden, sobald der Streit über die Zuständigkeit entscheidungsreif ist. Das ist gleichzeitig mit oder nach dem Zwischenentscheid des Schiedsgerichts nach § 1040 Abs. 3 S. 1 ZPO der Fall. Denn das Schiedsgericht wird mit dem Zwischenentscheid positiv über die eigene Zuständigkeit entscheiden, wenn aus seiner Sicht eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, die den materiell-rechtlichen Streitgegenstand abdeckt. Daraus folgt dann gleichzeitig auch, dass eine Klage in dieser Sache vor einem staatlichen Gericht ein Verstoß gegen die schiedsvertragliche Pflicht ist, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen. Dementsprechend kann das Schiedsgericht bei einem vorliegenden Antrag einer Partei einen entsprechenden anti-suit award, d. h. eine anti-suit injunction als Teilschiedsspruch, erlassen. Bezweifelt eine Partei, dass diese Entscheidungen des Schiedsgerichts richtig sind, kann sie den Zwischenentscheid über die Zuständigkeit des Schieds58  Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1041, Rn. 3; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1041, Rn. 4. 59 Siehe Boog, Die Durchsetzung einstweiliger Maßnahmen in internationalen Schiedsverfahren, 2011, Rn. 295 ff., 402 ff.; Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 360. 60  Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 356; siehe auch Boog, Die Durchsetzung einstweiliger Maßnahmen in internationalen Schiedsverfahren, 2011, Rn. 340 f.



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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gerichts gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO vor dem nach § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuständigen Oberlandesgericht angreifen. Für den anti-suit award ist das Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO eröffnet. Hier wird sich die Schiedspartei regelmäßig auf die Aufhebungsgründe der § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a Alt. 2 und Abs. 2 Nr. 1 lit. c ZPO stützen, da sie zugunsten eines staatlichen Gerichtsverfahrens aller Wahrscheinlichkeit nach geltend machen wird, dass entweder keine Schiedsvereinbarung existiert oder diese den materiell-rechtlichen Streit nicht abdeckt. Damit steht der an der Legitimität des Schiedsverfahrens zweifelnden Schiedspartei immer ein geeigneter und hinreichender Rechtsbehelf zur Verfügung, um vor dem zuständigen Oberlandesgericht unverzüglich die Rechtmäßigkeit des schiedsgerichtlichen Zwischenentscheids bzw. des antisuit awards klären zu lassen. Aus dem staatsgerichtlichen Prüfungsverfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO ergibt sich allerdings die Frage, ob der anti-suit award erst erlassen werden kann, nachdem die in § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO bestimmte Monatsfrist abgelaufen und der Zwischenentscheid rechtskräftig geworden ist. Bis dahin könnte die Schiedspartei auf eine anti-suit injunction nach § 1041 Abs. 1 ZPO beschränkt sein. Systematisch spricht jedoch § 1040 Abs. 3 S. 3 ZPO dagegen, dass die Monatsfrist bis zum Erlass des anti-suit awards abgewartet werden muss. Die Norm bestimmt nämlich, dass das Schiedsgericht das Schiedsverfahren fortsetzen und einen Schiedsspruch in der Sache erlassen kann, während das Prüfungsverfahren über den Zwischenentscheid beim Oberlandesgericht anhängig ist. Wenn das Schiedsgericht aber während der laufenden Monatsfrist und während eines anhängigen Verfahrens vor dem OLG einen Schiedsspruch in der Sache erlassen kann, dann muss es dem Schiedsgericht auch möglich sein, in dieser Zeit einen Schiedsspruch über die Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht zu erlassen. Hebt das Oberlandesgericht den positiven Zwischenentscheid des Schiedsgerichts auf, weil es die Schiedsvereinbarung für ungültig hält, wird dadurch ein bereits ergangener Schiedsspruch in der Sache aufhebbar. Auch einen anti-suit award trifft diese Rechtsfolge. Mithin ist die mit dem anti-suit award belastete Schiedspartei hinreichend geschützt.

bb.  Anti-suit awards als Schiedssprüche in der Hauptsache Ist (noch) kein Schiedsverfahren über die materiell-rechtliche Streitigkeit anhängig, kann der anti-suit award auch das Ergebnis eines Schiedsverfahrens sein, das allein deshalb eingeleitet wurde, um die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, geltend zu machen. Dies folgt aus der in dieser Arbeit dargestellten Zuständigkeitsverteilung für die Entscheidung über schiedsvertragliche Pflichten.61 Eine anti-suit injunction wird 61 

Siehe oben § 5 C., S. 168 ff.; § 6 A. I., S. 195 f.

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

vor allem dann Hauptsache eines Schiedsverfahrens sein, wenn eine Partei mit einem staatlichen Gerichtsverfahren konfrontiert ist, in dem über einen der Schiedsvereinbarung unterfallenden materiell-rechtlichen Anspruch entschieden werden soll, während sie selbst keine Ansprüche aus dem materiell-rechtlichen Vertrag geltend machen will. Diese Konstellation bildete beispielsweise den Sachverhalt für die soeben besprochene Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gazprom.62

cc.  Vollstreckbarkeit von anti-suit awards nach der New York Convention Ergeht die anti-suit injunction als (Teil-)Schiedsspruch, ist dadurch gleichzeitig die Vollstreckbarkeit nach der New York Convention eröffnet. Denn ein in der Form des § 1054 ZPO ergangener anti-suit award ist ein arbitral award im Sinne von Art. I (1) New York Convention. Aufgrund der weit verbreiteten Ratifizierung der New York Convention in 157 Staaten63 kann der von einem Schiedsgericht mit Sitz in Deutschland erlassene anti-suit award in 156 Staaten vollstreckt werden. Zwar hat das Gazprom-Verfahren vor dem EuGH gezeigt, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines solchen Schiedsspruchs potentiell nach Art. V New York Convention versagt werden könnte. Die Anerkennungs- und Versagungsgründe des Art. V New York Convention müssen aber grundsätzlich sehr restriktiv ausgelegt werden.64 Eine révision au fond, d. h. eine inhaltliche Überprüfung des anti-suit awards durch das ausländische Vollstreckungsgericht ist auch im Rahmen der New York Convention ausgeschlossen.65 Wie scharf das Schwert des anti-suit awards letztlich ist, wird davon abhängen, wie effektiv nach dem jeweiligen nationalen Zwangsvollstreckungsrecht Unterlassungen bzw. nicht vertretbare Handlungen erzwungen werden können. Die Tatsache, dass bei einem anti-suit award keine Zwangsmittel für einen contempt of court eingreifen, mag gerade der Grund dafür sein, dass Parteien bei Schiedsgerichten mit Sitz in England nur sehr zurückhaltend anti-suit injunctions vor dem Schiedsgericht beantragen.66 Anti-suit awards werden nämlich auch in England auf Grundlage von section 48 (5)(a) Arbitration Act

62 EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Slg. 2015; siehe ausführlich oben §  6 B. I. 2. a., S. 202 ff. 63  Stand: Juni 2017. 64  Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1. Auflage 1981, S. 265. 65 Vgl. Adolphsen, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1061 Anh. 1 UNÜ, Art. V, Rn. 5; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1. Auflage 1981, S. 265. 66 Siehe Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.40; Merkin/Flannery, Arbitration Act 1996, 5. Auflage 2014, S. 217.



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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grundsätzlich für möglich gehalten.67 Raphael vermutet, dass anti-suit awards von Schiedsgerichten aber innerhalb des Brüssel I-Regimes die Rolle einnehmen werden, die englische bzw. staatsgerichtliche anti-suit injunctions vor ihrem Verbot durch den EuGH in West Tankers hatten.68 Mit Blick auf die Gazprom-Entscheidung des EuGH scheint tatsächlich einiges dafür zu sprechen, dass Schiedsparteien auf anti-suit awards ausweichen, um auch innerhalb der Europäischen Union Klagen unter Verletzung der Schiedsvereinbarung zu unterbinden.

4.  Einordnung schiedsgerichtlicher anti-suit injunctions in die Systematik des zehnten Buchs der ZPO Anti-suit injunctions von Schiedsgerichten mit Sitz in Deutschland können wie folgt in die Systematik des deutschen Schiedsverfahrensrechts eingeordnet werden: Bis zur Konstituierung des Schiedsgerichts kann eine Partei, die trotz Schiedsvereinbarung von der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens ausgeht, ein Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO einleiten. Stellt das Oberlandesgericht die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens fest, etwa weil die Schiedsvereinbarung ungültig ist, kann die Partei in der Folge vor einem zuständigen staatlichen Gericht klagen. Diese Klage stellt dann selbstverständlich keine Verletzung der (ungültigen) Schiedsvereinbarung dar. Nach der Konstituierung des Schiedsgerichts kann eine Schiedspartei eine anti-suit injunction als einstweilige Maßnahme nach § 1041 Abs. 1 ZPO beantragen. Die Maßnahme ist etwa dann erforderlich, wenn die Gegenseite signalisiert, sich über eine positive Entscheidung des OLG nach § 1032 Abs. 2 ZPO hinwegzusetzen und im Ausland klagen zu wollen. Erweist sich die einstweilige anti-suit injunction des Schiedsgerichts im Nachhinein als von Anfang an ungerechtfertigt, etwa weil das Schiedsgericht seine Zuständigkeit letztlich doch verneint, haftet der Anordnungsgläubiger dem Anordnungsgegner gem. § 1041 Abs. 4 S. 1 ZPO verschuldensunabhängig auf Schadensersatz. Für diese verschuldensunabhängige Haftung ist es nicht erforderlich, dass die Maßnahme nach § 1041 Abs. 2 ZPO mit staatlichem Zwang vollzogen worden ist.69 Es

67  Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant JSC v. AES Ust-Kamenogorsk Hydropower Plant LLP, [2013] 2 Lloyd’s Law Reports 281 (290, Rn. 40)(S.C.); Welex A.G. v. Rosa Maritime Limited (The Epsilon Rosa), [2003] 2 Lloyd’s Law Reports 509 (516, Rn. 35)(C.A.); Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.39. 68  Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.41. 69  Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (245); Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1041, Rn. 58; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 35.

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

genügt der durch die schiedsvertragliche Pflicht, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen, ausgelöste faktische Vollstreckungsdruck.70 Nach oder gleichzeitig mit einer Entscheidung über seine Zuständigkeit gem. § 1040 Abs. 3 S. 1 ZPO kann das Schiedsgericht eine anti-suit injunction auch als Teilschiedsspruch erlassen. Dieser anti-suit award kann im Ausland nach der New York Convention vollstreckt werden. Hebt das Oberlandesgericht den positiven Zwischenentscheid des Schiedsgerichts im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO allerdings auf, hat dies die Aufhebbarkeit des anti-suit awards zur Folge. Der anti-suit award kann aber auch unabhängig vom Zwischenentscheid im Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO angegriffen werden. Droht der schiedsvereinbarungstreuen Partei eine ausländische Klage durch die Gegenseite, ohne dass in dieser Sache gleichzeitig ein Schiedsverfahren zwischen den Parteien anhängig ist, kann sie ein Schiedsverfahren mit dem alleinigen Zweck einleiten, einen anti-suit award zu erwirken. Auch hier bestehen keine rechtsstaatlichen Bedenken, weil die Gegenseite auch die Zulässigkeit dieses Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO bzw. des anti-suit awards nach § 1059 ZPO durch das zuständige Oberlandesgericht unverzüglich prüfen lassen kann.

5.  Ergebnis Schiedsgerichte können die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, auf Antrag einer Partei durch anti-suit injunctions durchsetzen. Diese schiedsgerichtlichen anti-suit injunctions können einer Partei auch Gerichtsverfahren im Geltungsbereich der Brüssel I-Verordnung untersagen, die nach der Schiedsvereinbarung im Schiedsverfahren entschieden werden müssen. Wie die Gazprom-Entscheidung des EuGH klargestellt hat, sind Schiedsgerichte weder unmittelbar an die Vorschriften der Brüssel I-VO noch an den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gebunden. Je nach Stadium des Schiedsverfahrens kann die anti-suit injunction als einstweilige Anordnung oder als Schiedsspruch ergehen. Letzterer kann im Ausland nach der New York Convention vollstreckt werden.

II.  Schiedsklage und Schiedsspruch auf Zahlung eines gleichen Anteils am Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens Zu Beginn von § 5 und § 6 dieser Arbeit konnte bereits erarbeitet werden, dass ausschließlich das konstituierte Schiedsgericht für Streitigkeiten aus der schiedsvertraglichen Kostenvorschusspflicht zuständig ist.71 70  Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (245); Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1041, Rn. 58; im Ergebnis ebenso: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 35. 71  Siehe oben § 5 B., S. 165 ff.; § 5 C., S. 168 ff.; § 6 A. II. 1., S. 196 ff.



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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Im Zusammenhang mit dieser Zuständigkeit des Schiedsgerichts müssen allerdings noch drei Probleme abschließend behandelt bzw. ausgeräumt werden. Erstens, dass das Schiedsgericht mit einem Teilschiedsspruch, der einer Partei die anteilige Zahlung des Kostenvorschusses für das Schiedsverfahren aufgibt, nicht gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache verstößt (1.). Zweitens, dass eine Partei wegen der Nichtzahlung des anderen Anteils sowohl aus dem primären Zahlungsanspruch als auch aus einem potentiellen sekundären Schadensersatzanspruch eine Schiedsklage anhängig machen kann (2.). Drittens, ob eine Zahlungsanordnung auch im schiedsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz möglich ist (3.). Abschließend werden die Rechtsbehelfe eines Schiedsbeklagten erörtert, der mit einer auf Zahlung des Vorschusses gerichteten Entscheidung des Schiedsgerichts konfrontiert ist (4.).

1.  Kein Verstoß gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache In der deutschen Rechtsliteratur hat sich die These verbreitet, dass das angerufene Schiedsgericht nicht per Teilschiedsspruch über die schiedsvertragliche Pflicht der Parteien entscheiden kann, einen Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen. Als Grund wird vorgetragen, dass das Schiedsgericht dadurch gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache verstoße.72

a.  Unterschiedliche Anspruchsgrundlagen: Schiedsvereinbarung und Schiedsrichtervertrag Das Schiedsgericht richtet jedoch mit einer Entscheidung über den Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren nicht in eigener Sache, weil es gar nicht über den eigenen Anspruch auf Vergütung aus dem Schiedsrichtervertrag entscheidet. Wie in dieser Arbeit bereits herausgearbeitet wurde, handelt es sich bei der schiedsvertraglichen Kostenvorschusspflicht und der Pflicht der Parteien, den Schiedsrichtern eine Vergütung zu zahlen, um zwei strikt voneinander zu unterscheidende Anspruchsgrundlagen.73 Die schiedsvertragliche Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für das Schiedsverfahren ist eine gegenseitige Pflicht der Parteien, die allein und unmittelbar aus der Schiedsvereinbarung folgt. Die (gesamtschuldnerische) Pflicht der Parteien gegenüber den Schiedsrichtern, diesen eine Vergütung zu zahlen, folgt aus dem Schiedsrichtervertrag. Wenn also das Schiedsgericht eine Schiedspartei per Teilschiedsspruch dazu verpflichtet, einen gleichen Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzu72  Breetzke, NJW 1971, 2080 (2080); Habscheid, KTS 1972, 209 (213); Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (6); Haas, in: Festschrift Kaissis, 2012, 315 (328); Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 448. 73  Siehe oben § 3 C. II., S. 55 f.

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

schießen, dann entscheidet es hierbei nicht über den eigenen Anspruch aus dem Schiedsrichtervertrag. Es stützt seine Entscheidung vielmehr ausschließlich auf die aus der Schiedsvereinbarung folgende Pflicht der beiden Schiedsparteien.74

b.  Schiedsspruch entfaltet nur Wirkungen zwischen den Parteien (§ 1055 ZPO) Selbst wenn sich die Schiedsrichter mit dem Kostenvorschuss selbst etwas zusprechen wollten, könnten sie sich mit ihrer Entscheidung keinen vollstreckbaren Schiedsspruch schaffen. Aus § 1055 ZPO folgt, dass ein Schiedsspruch allein unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils hat, nicht jedoch zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern. Das gilt natürlich auch bei einem Schiedsspruch über den schiedsvertraglichen Kostenvorschuss – auch dieser entfaltet allein zwischen den Parteien Wirkungen, keinesfalls jedoch zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern.75 Das folgt auch schon daraus, dass die Schiedsrichter gar keine Parteien der Schiedsvereinbarung sind, auf die sich das anhängige Schiedsverfahren stützt. Das Schiedsgericht kann überhaupt keine eigenen Ansprüche aus dem Schiedsrichtervertrag titulieren, weil der Schiedsrichtervertrag nicht von der Schiedsvereinbarung gedeckt ist. Stellt sich später heraus, dass der Schiedsspruch über den Kostenvorschuss in Bezug auf die Schiedsrichtervergütung unzutreffend war, können die Parteien diese Kosten daher außerhalb des Schiedsverfahrens von den Schiedsrichtern zurückverlangen, weil die Entscheidung zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern nicht die Qualität eines Schiedsspruchs hat.76

c.  Mittelbare Selbstbegünstigung genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht für einen Verstoß gegen das Richten in eigener Sache Gegen diesen Ansatz ließe sich selbstverständlich einwenden, dass die Schiedsrichter zwar rechtlich allein über die schiedsvertragliche Kostenvorschusspflicht entscheiden und diese Entscheidung nur die Parteien untereinander bindet, die Schiedsrichter sich aber de facto selbst etwas zusprechen. Schließlich machen die Schiedsrichterhonorare einen (wesentlichen) Teil des Vorschusses für die gesamten Kosten des Schiedsverfahrens aus. Laut Breetzke entscheiden die Schiedsrichter mittelbar also doch in eigener Sache, weil der Kostenvorschuss ihre Vergütung sichere.77 74 Ebenso Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1057, Rn. 29; ähnlich OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462, rechte Spalte unten). 75  Im Ergebnis ebenso OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462, rechte Spalte unten). 76  Vgl. BT-Drucksache 13/5274, S. 58 (linke Spalte); BGHZ 193, 38 (43). 77  Breetzke, NJW 1971, 2080 (2080); ebenso Habscheid, KTS 1972, 209 (213).



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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Eine lediglich mittelbare Selbstbegünstigung der Schiedsrichter reicht nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nicht aus, um gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache zu verstoßen. Laut BGH richtet das Schiedsgericht nicht in eigener Sache, wenn es bei einem Schiedsspruch nach § 1057 ZPO den Streitwert festsetzt.78 Das gelte selbst dann, wenn die Schiedsrichterhonorare an diese Streitwertfestsetzung gekoppelt sind.79 Grund dafür sei, dass der Schiedsspruch und eine in ihm enthaltene Streitwertfestsetzung gem. § 1055 ZPO allein zwischen den Parteien wirke, nicht jedoch zwischen den Parteien und dem Schiedsgericht.80 Aus dieser Entscheidung lässt sich ableiten, dass die Schiedsrichter für den BGH nur dann gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache verstoßen, wenn sie in einem Schiedsspruch formell über ihren eigenen Honoraranspruch entscheiden würden und dieser Schiedsspruch zwischen Schiedsrichtern und Parteien bindend wäre. Wie gerade gezeigt, ist das aber bei einem Schiedsspruch über den Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren nicht der Fall. Selbst wenn man also eine mittelbare Selbstbegünstigung der Schiedsrichter durch einen solchen Schiedsspruch unterstellen will, genügt diese nach der neueren Rechtsprechung des BGH nicht, um gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache zu verstoßen.

d.  § 1057 ZPO als Ermächtigungsgrundlage des Schiedsgerichts, per Schiedsspruch über alle Kosten des Schiedsverfahrens zu entscheiden Schließlich kann auch unmittelbar aus § 1057 ZPO abgeleitet werden, dass ein Teilschiedsspruch über den Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zulässig sein muss. Die Norm wurde 1998 mit dem Schiedsverfahrensneuregelungsgesetz in das zehnte Buch der ZPO eingefügt.81 Sie bestimmt, dass das Schiedsgericht nach Beendigung des Schiedsverfahrens in einem Schiedsspruch darüber zu entscheiden hat, welche Partei die endgültigen Kosten des Verfahrens und in welcher Höhe zu tragen hat. Zu diesen Kosten gehört wie bereits dargestellt auch die Vergütung der Schiedsrichter. Daraus folgt aber nicht, dass die Schiedsrichter mit der Kostenentscheidung in eigener Sache richten.82 Wenn nun aber der Gesetzgeber das Schiedsgericht explizit dazu ermächtigt hat, per Schiedsspruch über die endgültigen Kosten des Schiedsverfahrens zu entscheiden, obwohl die Schiedsrichterhonorare zu diesen Kosten zählen, muss es dem Schiedsgericht auch möglich sein, per Schiedsspruch über die vorläu78 

BGHZ 193, 38 (42 f.). BGHZ 193, 38 (43). 80  BGHZ 193, 38 (43). 81  BT-Drucksache 13/5274, S. 57 (rechte Spalte). 82  BGHZ 193, 38 (43); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1057, Rn. 1; Wolff, SchiedsVZ 2006, 131 (133 f.). 79 

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

figen Kosten des Schiedsverfahrens (also über den Kostenvorschuss) zu entscheiden. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann eine solche Entscheidung kein Richten in eigener Sache sein.

e. Ergebnis Mit einem Teilschiedsspruch über den anteiligen Kostenvorschuss entscheiden die Schiedsrichter nicht in eigener Sache. Der Grund dafür liegt darin, dass die Schiedsrichter die Entscheidung nicht auf den eigenen Honoraranspruch aus dem Schiedsrichtervertrag stützen, sondern ausschließlich auf die gegenseitige Kostenvorschusspflicht aus der Schiedsvereinbarung. Selbst wenn man annehmen will, dass die Schiedsrichter sich durch die Entscheidung mittelbar selbst begünstigen, weil sie ihre eigenen Ansprüche damit sichern, genügt dies nach der neuen Rechtsprechung des BGH nicht, um gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache zu verstoßen.

2.  Alternative Anspruchsgrundlagen: Die primäre schiedsvertragliche Vorschusspflicht und die sekundäre Schadensersatzpflicht bei Herausforderungslage Ein Teil der deutschen Rechtsliteratur ist der Auffassung, dass das Schiedsgericht nur in einer bestimmten Konstellation zuständig sein soll, einen Schiedsspruch über die schiedsvertragliche Kostenvorschusspflicht zu erlassen. Das soll dann der Fall sein, wenn der Schiedskläger auch den Anteil des Schiedsbeklagten vorgeschossen hat und diesen anschließend in Regress nehmen will.83 Nur dieser Rückforderungsanspruch soll von der Schiedsvereinbarung gedeckt sein.84 Allerdings ist nicht ersichtlich, warum die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nun ausgerechnet auf diese Konstellation beschränkt sein sollte. Buchwitz und Schütt suggerieren, dass die Schiedsrichter mit einem Teilschiedsspruch, der dem Schiedsbeklagten die Rückerstattung des vom Schiedskläger zu viel gezahlten Anteils aufgibt, ausnahmsweise nicht in eigener Sache über ihren Honoraranspruch entscheiden.85 Die Schiedsrichter entscheiden jedoch in keiner Konstellation über ihre eigenen Ansprüche aus dem Schiedsrichtervertrag, sondern immer nur über die aus der Schiedsvereinbarung folgenden Ansprüche der Par83  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 337, 340; Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (7); Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992, S. 275; siehe auch früher Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1989, Rn. 778; ihm folgend Jarvin, in: Festschrift Glossner, 1994, 155 (158 f.); nunmehr aber für Teilschiedssprüche aus beiden Anspruchsgrundlagen (alternativ): Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1057, Rn. 29. 84  Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 340; im Ergebnis ebenso Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (7). 85 Siehe Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (7 f.).



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

217

teien.86 Der Schiedskläger hat folglich die Wahl, welchen Anspruch er vor dem Schiedsgericht geltend machen will. Er kann entweder Schiedsklage aus der primären schiedsvertraglichen Kostenvorschusspflicht des Schiedsbeklagten erheben oder den Anteil des Schiedsbeklagten vorschießen und diesen dann auf Rückzahlung vor dem Schiedsgericht verklagen. Bei Letzterem handelt es sich um nichts anderes als den in § 4 dieser Arbeit behandelten schiedsvertraglichen Schadensersatzanspruch.87 Mithin stehen dem Schiedskläger bei der Zahlungsverweigerung des Schiedsbeklagten potentiell zwei alternative Anspruchsgrundlagen zur Verfügung.88 Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts erstreckt sich auf beide Anspruchsgrundlagen.89 Aufgrund der Entscheidungsreife kann das Schiedsgericht sofort per Teilschiedsspruch entscheiden.90 Die Gefahr einer Doppelkompensation ist grundsätzlich ausgeschlossen: Macht der Schiedskläger den primären Zahlungsanspruch geltend, entsteht ihm kein Schaden. Leistet er selbst den Anteil des Schiedsbeklagten und macht den daraus entstandenen Schaden geltend, ist sein Primäranspruch wegen Zweckerreichung gem. § 275 Abs. 1 BGB untergegangen.

3.  Anteilige Kostenvorschusszahlung im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Schiedsgericht? Nach einer Entscheidung des OLG München aus dem Jahr 1935 soll es nicht möglich sein, dass ein staatliches Gericht durch eine einstweilige Verfügung die Zahlung des anteiligen Kostenvorschusses durch den Schiedsbeklagten anordnet.91 Der Grund dafür sei, dass eine entsprechende Anordnung über den Zweck einer einstweiligen Verfügung hinausgehe.92 Es entspricht in der Tat immer noch der herrschenden Meinung, dass Geldforderungen nicht durch eine einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO gesichert werden können, 86 

Siehe soeben unter § 6 B. II. 1., S. 213 ff. Siehe oben § 4 A. IV. 2. a. bb., S. 126 f. 88  Selbstverständlich stehen diese alternativen Anspruchsgrundlagen dem Schiedskläger auch dann zur Verfügung, wenn der Schiedsbeklagte die Zahlung nicht verweigert, sondern wegen eigener Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, seinen Anteil am Kostenvorschuss zu zahlen. Allerdings sind die Erfolgsaussichten, einen entsprechenden Teilschiedsspruch zu vollstrecken, wegen der Mittellosigkeit des Schiedsbeklagten gering. Auch ein Schiedsbeklagter kann theoretisch gegen den Schiedskläger einen Teilschiedsspruch über den Kostenvorschuss erwirken. Es kann allerdings bezweifelt werden, ob der Schiedsbeklagte ein Interesse daran hat, die Zahlung des Schiedsklägers zu erzwingen, um das Schiedsverfahren in Gang zu setzen. 89 Ebenso Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1057, Rn. 29. 90  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1057, Rn. 29; ders., Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1989, Rn. 778; Jarvin, in: Festschrift Glossner, 1994, 155 (158 f.). 91  OLG München, DJZ 1935, 830 (830). 92  OLG München, DJZ 1935, 830 (830). 87 

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

sondern nur durch einen Arrest.93 Ein Schiedsgericht ist hieran im Rahmen von § 1041 Abs. 1 ZPO jedoch nicht gebunden. Ihm stehen alle erdenklichen einstweiligen Maßnahmen in Bezug auf Zahlungsansprüche offen.94 Mithin kann ein Schiedsgericht grundsätzlich auch eine einstweilige Anordnung auf anteilige Zahlung des Kostenvorschusses erlassen.95 Fraglich ist allein, ob der Schiedskläger für eine solche einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis hat. Wie soeben beschrieben wurde, sind der primäre Zahlungsanspruch auf anteiligen Kostenvorschuss sowie der sekundäre Schadensersatzanspruch (wenn der Schiedskläger auch den anderen Anteil vorgeschossen hat) entscheidungsreif, sodass das Schiedsgericht sofort per Teilschiedsspruch entscheiden kann. Wenn nun aber der Schiedskläger eine endgültige Entscheidung des Schiedsgerichts über den Kostenvorschuss in der Form eines vollstreckbaren Teilschiedsspruches erreichen kann, ist nicht ersichtlich, warum man ihm den Weg zu einem vorläufigen und damit weniger rechtsschutzintensiven Rechtsbehelf eröffnen sollte. Die Anordnung der anteiligen Kostenvorschusszahlung im schiedsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz ist somit zwar theoretisch möglich, aber praktisch kaum relevant, weil der Antrag des Schiedsklägers wegen des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses regelmäßig unzulässig sein wird.

4.  Schutz des Schiedsbeklagten gegen einen zahlungsanordnenden Teilschiedsspruch bzw. gegen eine einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts Ist der Schiedsbeklagte der Auffassung, dass die schiedsvertragliche Pflicht zum anteiligen Kostenvorschuss nicht von der Schiedsvereinbarung gedeckt ist oder dass die Schiedsrichter dabei in eigener Sache entscheiden, kann er gegen einen entsprechenden Teilschiedsspruch das Aufhebungsverfahren gem. § 1059 ZPO einleiten. Für die These, schiedsvertragliche Pflichten seien nicht von der Schiedsvereinbarung gedeckt, wäre der Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c ZPO einschlägig. Für die Behauptung, dass die Schiedsrichter mit dem Teilschiedsspruch über die schiedsvertragliche Kostenvorschusspflicht in eigener Sache entschieden haben, müsste § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO geltend 93 Siehe

Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage 2002, vor § 916, Rn. 52; Drescher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, Vor §§ 916 ff., Rn. 33; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, Grundz § 916, Rn. 3; a. A.: Schlosser, in: Festschrift Odersky, 1996, 669 (671), der für die These, eine Geldforderung könne allein durch Arrest gesichert werden, keine Grundlage im Gesetz sieht. 94  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1041, Rn. 7; Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 189 f. 95  A. A.: Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 340, dessen Quellennachweise in Fn. 373 sich allerdings ausschließlich mit dem Zahlungsanspruch der Schiedsrichter aus dem Schiedsrichtervertrag und nicht mit dem gegenseitigen Zahlungsanspruch der Schiedsparteien aus der Schiedsvereinbarung befassen.



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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gemacht werden.96 Der Schiedsbeklagte ist also immer durch das Aufhebungsverfahren vor dem gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständigen Oberlandesgericht insofern geschützt, als er die Reichweite der Schiedsvereinbarung überprüfen lassen kann. Bei einer ablehnenden Entscheidung des Oberlandesgerichts hat der Schiedsbeklagte sogar die Möglichkeit, gem. § 1065 Abs. 1 ZPO Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof einzulegen. Schutz durch das zuständige Oberlandesgericht steht dem Schiedsbeklagten auch dann zur Verfügung, wenn der Schiedskläger ausnahmsweise die Zahlungspflicht im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Schiedsgericht erwirken konnte und die Maßnahme nunmehr gem. § 1041 Abs. 2 ZPO vollziehen lassen möchte. Das Oberlandesgericht wird im Rahmen von § 1041 Abs. 2 ZPO eine vollumfängliche Sach- und Rechtsprüfung der einstweiligen Verfügung vornehmen.97 Es kann die Vollziehung auch verweigern.98 Kommt es dennoch zu einer staatlichen Vollziehung der Maßnahme, hat der Schiedsbeklagte immer noch die Möglichkeit, einen Aufhebungsantrag nach § 1041 Abs. 3 ZPO zu stellen. Unabhängig von einer staatlichen Vollziehung der Maßnahme hat der Schiedsbeklagte gegen den Schiedskläger ferner gem. § 1041 Abs. 4 S. 1 ZPO einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch, falls sich die Anordnung, den anteiligen Kostenvorschuss zu zahlen, als von Anfang an ungerechtfertigt erweist.99

5.  Zusammenfassung Das Schiedsgericht kann dem Schiedsbeklagten auf Antrag des Schiedsklägers per Teilschiedsspruch aufgeben, seinen Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen. Der Schiedskläger kann seinen Antrag entweder auf seinen primären schiedsvertraglichen Zahlungsanspruch gegen den Schiedsbeklagten oder auf seinen sekundären schiedsvertraglichen Schadensersatzanspruch stützen, falls er auch den Anteil des Schiedsbeklagten vorgeschossen hat. Ein entsprechender Teilschiedsspruch des Schiedsgerichts verstößt nicht gegen das Richten in eigener Sache, weil die Schiedsrichter nicht über ihren eigenen Anspruch aus dem Schiedsrichtervertrag entscheiden. Zwar kann der Schiedskläger theoretisch auch eine auf Zahlung lautende einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts beantragen. Dieser Antrag wird aber regelmäßig wegen mangelndem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig sein, weil der Schiedskläger mit dem Teilschiedsspruch ohne zeitliche Verzögerung eine endgültige 96  Vgl. BGHZ 193, 38 (40, Rn. 6); in BGHZ 142, 204 (206) noch § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c oder d ZPO für einschlägig haltend. 97  Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (239); Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1041, Rn. 3. 98  Siehe bereits oben § 3 E. I. 3. c. aa., S. 78 ff. 99 Vgl. Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (246); Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1041, Rn. 58.

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

Entscheidung über den anteiligen Kostenvorschusszahlungsanspruch und damit ein rechtsschutzintensiveres Ziel verfolgen kann. Der Teilschiedsspruch kann vor dem Oberlandesgericht im Aufhebungsverfahren angegriffen werden.

III.  Wahrheitsgemäßer Sachvortrag Bereits im vorangegangenen Kapitel konnte erarbeitet werden, dass die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht nicht unmittelbar durchgesetzt werden kann, auch nicht durch schiedsgerichtliche einstweilige Anordnungen oder Schiedsklagen.100 Unwahre Sachvorträge müssen vom Schiedsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausgeschlossen werden.101 Ist der unwahre Sachvortrag einer Partei unerkannt geblieben, kann unter den in § 4 B. II. dargestellten Voraussetzungen Schadensersatz für einen unrichtigen Schiedsspruch in einem neuen Schiedsverfahren geltend gemacht werden.102

IV.  Vertraulichkeitspflicht Das Schiedsgericht ist auch dafür zuständig, Streitigkeiten über die Verletzung einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht nach § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung oder Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules zu entscheiden. Das hat zur Folge, dass das Schiedsgericht einer Partei nicht nur per einstweiliger Anordnung, sondern auch per Teilschiedsspruch untersagen kann, nach diesen Vorschriften vertrauliche Informationen oder Dokumente offenzulegen.103 Die Geltendmachung der Vertraulichkeitspflichtverletzung im Schiedsverfahren hat darüber hinaus den Vorteil, dass die Vertraulichkeit des Verfahrens potentiell gewahrt werden kann bzw. der Kreis der mit dem vertraulichen Material befassten Personen so klein wie möglich gehalten wird.104 Im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Schiedsgericht hat die antragstellende Schiedspartei gem. § 1041 Abs. 1 ZPO lediglich darzulegen, dass die einstweilige Anordnung erforderlich ist, um die jeweils vereinbarte Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu wahren.105 Falls eine staatliche Vollziehung der Anordnung notwendig werden sollte, kann diese gem. § 1041 Abs. 2 ZPO erfolgen. Unter vollstreckungsrechtlichen Gesichtspunkten ist es allerdings zu 100 

Siehe oben § 5 D. III. 3., S. 189 f. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 456; siehe auch BGHZ 23, 198 (203). 102  Siehe oben § 4 B. II., S. 147 ff. 103 Siehe Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1160); Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 279. 104  Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 276. 105 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des §  1041 Abs. 1 ZPO bereits oben unter § 6 B. I. 3. a. bb., S. 206 f. 101 



B.  Die Geltendmachung der einzelnen schiedsvertraglichen Pflichten

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empfehlen, gleich einen Teilschiedsspruch über die (drohende) Verletzung der Vertraulichkeitspflicht zu erwirken. Dieser Teilschiedsspruch kann wie bereits beschrieben im Ausland nach der New York Convention vollstreckt werden. Oberhammer und Leisinger haben die Frage aufgeworfen, wie bei einer (potentiellen) Verletzung der schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht in Bezug auf ein Schiedsverfahren vorgegangen werden kann, nachdem dieses Verfahren bereits beendet ist.106 Hierzu ist anzumerken, dass es nach Beendigung eines Schiedsverfahrens bei einer schiedsgerichtlichen Zuständigkeit in Bezug auf die schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht bleibt. Die staatlichen Gerichte werden in dieser Hinsicht nicht plötzlich zuständig, weil das Schiedsverfahren beendet ist (wobei im einstweiligen Rechtsschutz jederzeit eine Kompetenz der staatlichen Gerichte besteht)107. Im Zweifel muss also ein neues Schiedsverfahren eingeleitet werden, um die Verletzung der schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht (in der Hauptsache) geltend zu machen. Das hat bei einem DIS- oder LCIA-Schiedsverfahren den Vorteil, dass auch das zweite Schiedsverfahren der Vertraulichkeitspflicht nach § 43.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung bzw. Art. 30.1 LCIA Arbitration Rules unterfällt. Somit kann eine Hermetisierung der Verfahren bzw. der Informationen und Dokumente zumindest angestrebt werden, obwohl dieses Ziel bei einer bereits geschehenen Verletzung der Vertraulichkeitspflicht häufig schwierig zu erreichen sein wird. Oberhammer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine bereits erfolgte Verletzung der Vertraulichkeitspflicht nicht wieder ungeschehen gemacht werden kann.108

V.  Schadensersatz wegen Pflichtverletzung Ein Schiedsgericht ist auch dafür zuständig, über den Schadensersatz aus der Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht zu entscheiden.109 Ist ein Schiedsverfahren noch nicht oder nicht mehr anhängig, muss es zur Geltendmachung des schiedsvertraglichen Schadensersatzes eingeleitet werden. Dies wird in jedem Fall erforderlich sein, wenn Schadensersatz für einen unrichtigen Schiedsspruch geltend gemacht werden soll, der auf einer Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht beruht. Die Einleitung eines Schiedsverfahrens kann auch erforderlich sein, um Schadensersatz für die Verletzung einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht und der Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, zu verlangen. In beiden Fällen kann es zu 106  Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1160, Fn. 62); Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012, S. 279. 107  Siehe oben § 5 D. I. 2., S. 184 f. 108  Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1160). 109 Ebenso Sachs/Peiffer, in: Festschrift Coester-Waltjen, 2015, 713 (722); siehe auch Jerczynski, SchiedsVZ 2015, 300 (301).

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§ 6  Die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten im Schiedsverfahren

Pflichtverletzungen und Schäden kommen, ohne dass (noch) ein Schiedsverfahren anhängig ist. Hat der Schiedskläger hingegen auch den Anteil des sich weigernden Schiedsbeklagten an den Kosten des Schiedsverfahrens vorschießen müssen, wird er diesen Schadensersatz aus der Verletzung der schiedsvertraglichen Kostenvorschusspflicht im bereits anhängigen Schiedsverfahren geltend machen können.110 Ebenfalls im anhängigen Schiedsverfahren können Schäden geltend gemacht werden, die aus der Nichtbefolgung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts nach § 1041 Abs. 1 ZPO entstanden sind. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Anordnungsgläubiger die zwangsweise Vollziehung der Maßnahme nach § 1041 Abs. 2 ZPO vor dem zuständigen Oberlandesgericht veranlassen musste und ihm über die gerichtliche Kostenentscheidung nicht alle Kosten ersetzt wurden.111 Ein staatliches Gericht ist nur dann zuständig, über den schiedsvertraglichen Schadensersatz zu entscheiden, wenn die Schiedsvereinbarung ordnungsgemäß gekündigt wurde, undurchführbar geworden ist oder aus einem anderen Grund beendet wurde.112

C. Ergebnis Die Parteien haben mit der Schiedsvereinbarung die Entscheidung über eventuell auftretende schiedsvertragliche Streitigkeiten einem Schiedsgericht übertragen. Ist zwischen den Parteien bereits ein Schiedsverfahren anhängig, können sie ihre schiedsvertraglichen Ansprüche in diesem anhängigen Schiedsverfahren geltend machen. Wenn selbst für Schiedswiderklagen allgemein lediglich erforderlich ist, dass die mit der Schiedswiderklage geltend gemachten Ansprüche von derselben Schiedsvereinbarung gedeckt sind wie die bereits anhängige Schiedsklage, kann für Ansprüche aus der Schiedsvereinbarung selbst nichts anderes gelten. Ein neues Schiedsverfahren muss nur dann eingeleitet werden, wenn zwischen den Parteien ein Schiedsverfahren noch nicht oder nicht mehr anhängig ist, in dem die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten geltend gemacht werden könnte. Aus der Zuständigkeit des Schiedsgerichts für schiedsvertragliche Streitigkeiten folgt, dass auch Schiedsgerichte auf Antrag einer Partei anti-suit injunc110 Siehe Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 337; Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (7); Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1989, Rn. 778; ders., in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1057, Rn. 29; Jarvin, in: Festschrift Glossner, 1994, 155 (158 f.); Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, S. 169 f. 111  Siehe oben § 4 A. IV. 4., S. 129 f. 112  Siehe oben § 5 D. III. 4. b., S. 191.



C. Ergebnis

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tions erlassen können, um einer Partei die Klage vor einem staatlichen Gericht zu untersagen. Schiedsgerichtliche anti-suit injunctions können sowohl als einstweilige Anordnung als auch als Schiedsspruch ergehen. Anti-suit injunctions als schiedsgerichtliche einstweilige Anordnungen kommen insbesondere dann in Betracht, wenn das Schiedsgericht noch nicht über seine eigene Zuständigkeit entschieden hat. Jedoch ist zweifelhaft, inwiefern sich eine schiedsgerichtliche anti-suit injunction als einstweilige Anordnung im Ausland vollziehen lässt. Das ist bei anti-suit injunctions, die als Schiedsspruch ergehen (sog. anti-suit awards), anders. Diese können nach der New York Convention vollstreckt werden. Ein Schiedsgericht mit Sitz in Deutschland kann einer Partei (auf Antrag) mit einem anti-suit award insbesondere die Klage vor einem Gericht innerhalb der Europäischen Union untersagen. Ein solcher anti-suit award verstößt nicht gegen die Brüssel I-VO und den in ihr niedergelegten Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, weil Schiedsgerichte nicht an die Brüssel I-VO gebunden sind. Das hat der EuGH in der Gazprom-Entscheidung bestätigt. Das Schiedsgericht kann auch per Teilschiedsspruch über die anteilige Kostenvorschusspflicht der Schiedsparteien entscheiden. Dieser Teilschiedsspruch kann sowohl auf die primäre Zahlungspflicht der säumigen Schiedspartei als auch auf den sekundären Schadensersatzanspruch gestützt werden, falls eine Schiedspartei auch den Anteil der säumigen Gegenseite gezahlt hat. Ein Verstoß der Schiedsrichter gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache ist mit dem Schiedsspruch über den Kostenvorschuss nicht verbunden. Erstens entscheiden die Schiedsrichter nur über die gegenseitige Pflicht der Parteien aus der Schiedsvereinbarung und nicht über den eigenen Anspruch auf Vergütung aus dem Schiedsrichtervertrag. Zweitens entfaltet der Schiedsspruch des Schiedsgerichts gem. § 1055 ZPO nur Wirkungen zwischen den Schiedsparteien, nicht jedoch zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern. Eine unmittelbare Entscheidung der Schiedsrichter in eigener Sache ist damit ausgeschlossen. Selbst wenn man einwenden will, dass sich die Schiedsrichter mit dem Schiedsspruch mittelbar selbst begünstigen, weil ihre Vergütung Teil des Vorschusses ist, genügt das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, um gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache zu verstoßen. Das Schiedsgericht ist auch dafür zuständig, über die schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht und die schiedsvertragliche Schadensersatzpflicht zu entscheiden. Ist das Schiedsverfahren zwischen den Parteien bereits abgeschlossen oder war noch keines anhängig, muss eine Partei ein (neues) Schiedsverfahren einleiten, um diese Pflichten geltend zu machen. Die Beendigung des Schiedsverfahrens führt nicht dazu, dass die staatlichen Gerichte zuständig werden, über diese Pflichten zu entscheiden. Die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht kann hingegen auch im Schiedsverfahren nicht unmittelbar durchgesetzt werden. Hier sind allein sekundäre Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung denkbar.

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung In Teil II dieser Arbeit, der sich den Rechtsfolgen von schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen widmet, konnte bisher gezeigt werden, dass die Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht unter anderem einen Anspruch auf Schadensersatz auslösen kann. In § 5 konnte erarbeitet werden, dass grundsätzlich ein Schiedsgericht zuständig ist, über Streitigkeiten aus schiedsvertraglichen Pflichten zu entscheiden, und dass diese nur in Ausnahmefällen vor einem staatlichen Gericht durchgesetzt werden können. Wie schiedsvertragliche Pflichten in einem Schiedsverfahren geltend gemacht werden können, wurde in § 6 im Einzelnen dargestellt. Der nun folgende § 7 ist das letzte Kapitel dieses Teils über die Rechtsfolgen schiedsvertraglicher Pflichtverletzungen. Es soll geklärt werden, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, eine Partei die Schiedsvereinbarung wegen einer schiedsvertraglichen Pflichtverletzung der Gegenseite kündigen bzw. sich von der Schiedsvereinbarung lösen kann.

A. Grundlagen I. Meinungsstand Zunächst soll ein Blick auf den Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur zur Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung geworfen werden.

1.  Höchstrichterliche deutsche Rechtsprechung Es entspricht der ständigen deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Parteien sich bei Pflichtverletzungen der Gegenseite von der Schiedsvereinbarung lösen können. Schon das Reichsgericht nahm an, dass eine Partei von der Schiedsvereinbarung zurücktreten kann, falls die Gegenseite nicht alles Erforderliche tut, um den Schiedsspruch herbeizuführen.1 Auch der Bundes1  RG, JW 1898, 50; RGZ 33, 265 (268) – Erforderlich um den Schiedsspruch herbeizuführen war nach dem zur Zeit des Reichsgerichts geltenden deutschen Schiedsrecht in bestimmten Fällen insbesondere eine Einigung über den Schiedsrichter. Das ist nach dem neuen deutschen Schiedsverfahrensrecht wegen § 1035 ZPO aber nicht mehr der Fall. Siehe oben § 3 B., S. 52 ff.

226

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

gerichtshof ist der Auffassung, dass eine Partei bei einer Pflichtverletzung der Gegenseite von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese aus wichtigem Grund kündigen kann.2 Voraussetzung dafür sei, dass der Partei ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung nicht mehr zugemutet werden kann.3 Das Festhalten an der Schiedsvereinbarung sei einer Partei dann nicht mehr zuzumuten, wenn Umstände eingetreten sind, aufgrund derer nicht mehr mit effektivem Rechtsschutz im Schiedsverfahren gerechnet werden könne.4 In neuerer Zeit wird die Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung vor allem unabhängig von einer konkreten Pflichtverletzung der Gegenseite behandelt. Vielmehr geht es bei der Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung oft um Fälle, in denen eine Partei aufgrund ihrer eigenen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ihre eigene schiedsvertragliche Pflicht zu erfüllen und einen Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist die Schiedsvereinbarung in diesen Fällen der Mittellosigkeit kündbar.5 Nach dem neuen deutschen Schiedsverfahrensrecht soll aber noch nicht einmal mehr eine Kündigung erforderlich sein.6 Die Schiedsvereinbarung werde mit der Mittellosigkeit einer Partei undurchführbar, sodass bei einer Klage vor einem staatlichen Gericht die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO nicht mehr durchgreife.7

2. Rechtsliteratur Auch die deutsche Rechtsliteratur hält es für möglich, dass eine Partei von der Schiedsvereinbarung zurücktritt oder diese aus wichtigem Grund kündigt, wenn die Gegenseite eine Pflicht aus der Schiedsvereinbarung verletzt.8 Die Rechts2  BGHZ 23, 198 (202 f.); 41, 104 (108); 94, 92 (95); BGH, NJW 1986, 2765 (2766); siehe auch OLG Oldenburg, NJW 1971, 1461 (1462); OLG München, SchiedsVZ 2012, 96 (99); OLG Frankfurt am Main, 30. 03. 2006, 26 Sch 12/05, Rn. 39. 3  BGHZ 41, 104 (108); 51, 79 (82); BGH, NJW 1986, 2765 (2766); siehe auch OLG München, SchiedsVZ 2012, 96 (99); OLG Frankfurt am Main, 30. 03. 2006, 26 Sch 12/05, Rn. 39. 4  BGH, NJW 1986, 2765 (2766); BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1060); zustimmend: OLG München, SchiedsVZ 2012, 96 (100). 5  Siehe BGHZ 41, 104 (109); 55, 344 (353); 77, 65 (66); 102, 199 (202); 145, 116 (120 f.). 6  BGHZ 145, 116 (119). 7  BGHZ 145, 116 (119). 8  Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 12; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 97; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 100 f.; Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 139 f.; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 79 f.; Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (4); Habscheid, KTS 1955, 33 (36, 38); einen Rücktritt wegen Pflichtverletzung selbstverständlich mit der Begründung ablehnend, dass die Schiedsvereinbarung keine gegenseitigen Pflichten begründe: Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 8, Rn. 10.



A. Grundlagen

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literatur stimmt auch mit dem Bundesgerichtshof darin überein, dass eine Partei die Schiedsvereinbarung bei eigener Mittellosigkeit kündigen kann.9 Kritisiert wird der Bundesgerichtshof lediglich für seine Rechtsprechung, die Mittellosigkeit einer Partei führe zur Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO, ohne dass es dafür einer Kündigung bedürfe.10 Illmer hält diese Kritik an der neuen Rechtsprechung des BGH nicht für überzeugend.11 Die neue Rechtsprechung soll Illmer zufolge vielmehr auch auf Fälle anwendbar sein, in denen sich der Schiedsbeklagte weigert, seinen Anteil an den Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen, obwohl er könnte.12 Auch andere Fälle der Verweigerung des Schiedsbeklagten sollen die Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar machen.13

II.  Rücktritt, Kündigung oder ipso iure Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen? In Anbetracht dieses Meinungsspektrums ist zunächst klärungsbedürftig, ob eine Partei von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese kündigen kann, wenn die Gegenseite eine schiedsvertragliche Pflicht verletzt (1.). Die Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht könnte aber auch dazu führen, dass die Schiedsvereinbarung ipso iure im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar wird und damit außer Kraft tritt (2.).

9  Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 12; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 99; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 98; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 8, Rn. 11; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 82; Risse, BB 2001, Beilage 6, 11 (11); Habscheid, KTS 1955, 33 (38); ders., KTS 1980, 285 (294); a. A.: Kühn, in: Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld von Politik, Wirtschaft und Gerichtsbarkeit, 1992, 65 (87); Goldmann, ZZP 51 (1926), 442 (452); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 29. 10  Risse, BB 2001, Beilage 6, 11 (11); Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 98; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 98; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 89; sich dem BGH anschließend: Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1032, Rn. 4; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 591. 11  Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 33. 12  Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 61; ebenso Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 100; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 335. 13 Siehe Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 61.

228

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

1.  Rücktritt oder Kündigung als einschlägiges Gestaltungsrecht? Der Bundesgerichtshof14 und Teile der Rechtsliteratur15 gehen davon aus, dass es sich bei der Schiedsvereinbarung um ein Dauerschuldverhältnis handelt, das aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Von anderen wird ein Rücktritt von der Schiedsvereinbarung unter (teilweise analoger) Anwendung des für gegenseitige Verträge geltenden § 323 BGB für möglich gehalten.16 Mithin scheint es für die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich eine Partei von der Schiedsvereinbarung lösen kann, darauf anzukommen, ob es sich „nur“ um einen gegenseitigen Vertrag oder auch um ein Dauerschuldverhältnis handelt.17 Allerdings wird es nach beiden Ansichten auf das gleiche Tatbestandsmerkmal ankommen, sollte sich eine Partei wegen einer Pflichtverletzung der Gegenseite von der Schiedsvereinbarung lösen wollen: Die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund ist gem. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB dann möglich, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Für gegenseitige Verträge bestimmt § 324 BGB, dass bei Nebenpflichtverletzungen der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten kann, wenn ihm ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist. Bei der Verletzung von Leistungspflichten kann ein Rücktritt vom gegenseitigen Vertrag gem. § 323 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB auch ohne Fristsetzung erfolgen, wenn dem Gläubiger die Fristsetzung unzumutbar ist.18 Es ist also allein entscheidend, ab wann ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung bei einer schiedsvertraglichen Pflichtverletzung der Gegenseite als unzumutbar anzusehen ist. Ist das Festhalten an der Schiedsvereinbarung wegen der Verletzung einer schiedsvertraglichen Pflicht unzumutbar, wird sowohl eine Kündigung aus wichtigem Grund als auch ein sofortiger Rücktritt möglich sein, je nachdem welches Gestaltungsrecht man abhängig von der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung für einschlägig halten mag.

14 

BGHZ 41, 104 (108); 51, 79 (82); 77, 65 (67). Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 314, Rn. 6; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 314, Rn. 5; Unberath, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Auflage 2012, § 314, Rn. 5; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 98; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 128. 16  Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 97; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 101. 17  Die beiden Konzepte schließen sich nicht gegenseitig aus. Es gibt Vertragstypen, die sowohl als gegenseitiger Vertrag als auch als Dauerschuldverhältnis qualifiziert werden können, so etwa die Miete nach § 535 BGB. 18  Schwarze, in: Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, 2015, § 323, Rn. B121. 15 



A. Grundlagen

229

2.  Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung gem. § 1032 Abs. 1 ZPO? Fraglich ist allerdings, ob es noch einer Kündigung bzw. eines Rücktritts bedarf, wenn einer Partei ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar ist, oder ob die Schiedsvereinbarung ipso iure undurchführbar wird. Denn schon nach dem alten deutschen Schiedsrecht sollte die Schiedsvereinbarung undurchführbar sein, wenn es einer Partei nicht mehr zugemutet werden konnte, an ihr festzuhalten.19 Die Schiedsvereinbarung konnte bzw. musste in diesem Fall jedoch stets durch die berechtigte Partei gekündigt werden, um sich von ihr zu lösen.20 Als 1998 das deutsche Schiedsverfahrensrecht reformiert wurde, formulierte der Gesetzgeber die Schiedseinrede des § 1027a ZPO a. F. in § 1032 Abs. 1 ZPO n. F. um. Dabei wurde die Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung als einer von drei Ausschlusstatbeständen der Schiedseinrede kodifiziert.21 Das nach ständiger Rechtsprechung des BGH bestehende Erfordernis, die Schiedsvereinbarung im Fall der Undurchführbarkeit zu kündigen, wurde hingegen nicht übernommen. Daraus schloss der BGH, dass eine Partei unter dem neuen deutschen Schiedsrecht kein Gestaltungsrecht mehr ausüben muss, um sich von der Schiedsvereinbarung zu lösen.22 Die Undurchführbarkeit solle vielmehr ipso iure eingreifen, sobald ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar ist, sodass einer Klage vor einem staatlichen Gericht nicht mehr die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO entgegengesetzt werden kann.23 Diese Rechtsprechung des BGH wirkt sich unmittelbar auf die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten aus: Überschreitet eine Pflichtverletzung die Grenze zur Unzumutbarkeit, löst sie bei der Gegenseite nicht nur ein Rücktrittsoder Kündigungsrecht aus. Vielmehr wird die Schiedsvereinbarung gleich ipso iure undurchführbar. Einer Klage vor einem staatlichen Gericht kann dann nicht mehr die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO entgegengesetzt werden. Alle von der Schiedsvereinbarung gedeckten Streitigkeiten können in diesem Fall wieder in einem staatlichen Verfahren eingeklagt werden, ohne dass die Klage eine schiedsvertragliche Pflicht verletzt.

3.  Ergebnis: Unzumutbarkeit als ausschlaggebender Faktor Daraus folgt, dass die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht, ein Kündigungsrecht und die Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung im Sinne von § 1032 19 

BGHZ 51, 79 (82). Siehe BGHZ 51, 79 (82). 21  Der Begriff „undurchführbar“ in § 1032 Abs. 1 ZPO geht allerdings nicht auf die Rechtsprechung des BGH, sondern auf Art. 8 (1) UNCITRAL Model Law 1985 zurück, der wiederum Art. II (3) New York Convention nachgebildet wurde. 22  Siehe BGHZ 145, 116 (119). 23  Siehe BGHZ 145, 116 (119). 20 

230

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

Abs. 1 ZPO im Kern identisch sind. Es ist allein zu fragen, ob es einer Partei trotz der schiedsvertraglichen Pflichtverletzung der Gegenseite noch zugemutet werden kann, an der Schiedsvereinbarung festzuhalten. Ist der schiedsvereinbarungstreuen Partei ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar, weil die Gegenseite eine schiedsvertragliche Pflicht schwer verletzt hat, ist die Schiedsvereinbarung ipso iure undurchführbar. Einer Kündigung oder eines Rücktritts bedarf es nicht mehr. Risse merkt zu Recht an, dass diese Situation zu großer Unsicherheit darüber führen kann, ob die Schiedsvereinbarung noch in Kraft ist oder nicht.24 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der schiedsvereinbarungstreuen Partei daher zu empfehlen, das entsprechende Gestaltungsrecht auszuüben.

III. Definition der Unzumutbarkeit für Schiedsvereinbarungen Wenn die Schiedsvereinbarung außer Kraft tritt, sobald einer Partei bei einer schiedsvertraglichen Pflichtverletzung ein Festhalten unzumutbar ist, stellt sich die Frage, wie sich die Unzumutbarkeit definiert.

1.  Rechtsprechung des BGH zur Mittellosigkeit als Maßstab für die Unzumutbarkeit? In Betracht kommt, für eine Definition auf die Rechtsprechung des BGH zur Mittellosigkeit von Schiedsparteien zurückzugreifen. Für den Bundesgerichtshof ist einer Partei das Festhalten an der Schiedsvereinbarung nämlich nicht mehr zuzumuten, wenn sie aufgrund ihrer eigenen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, den Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen.25 Illmer leitet aus dieser Rechtsprechung ab, dass die Schiedsvereinbarung nicht nur dann undurchführbar wird, wenn eine Partei den Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren nicht zahlen kann, sondern auch, wenn eine Partei den Kostenvorschuss nicht zahlen will.26 Der letztgenannte Fall der finanziellen Verweigerung soll sogar verallgemeinerungsfähig sein: Die Schiedsvereinbarung werde auch dann im Sinne von § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar, wenn sich der Schiedsbeklagte allgemein im Hinblick auf das Schiedsverfahren verweigere.27 Illmer hält die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs also 24 

Risse, BB 2001, Beilage 6, 11 (12). BGHZ 41, 104 (109); 55, 344 (353); 77, 65 (66); 102, 199 (202); 145, 116 (120 f.). 26 Siehe Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 61; ebenso Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 100; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 335. 27 Siehe Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 61 f. 25 



A. Grundlagen

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gerade auf die in dieser Arbeit relevanten Fälle schiedsvertraglicher Pflichtverletzungen für anwendbar. Den Ausführungen des Bundesgerichtshofs und Illmers kann in diesem Fall nicht gefolgt werden. Weder die Mittellosigkeit des Schiedsklägers, den eigenen Anteil am Kostenvorschuss zu zahlen (a.), noch die bloße Weigerung des Schiedsbeklagten, seine schiedsvertraglichen Pflichten zu erfüllen (b.), machen ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar.

a.  Keine Unzumutbarkeit bei Mittellosigkeit des Schiedsklägers Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es einer Partei nicht zuzumuten, an der Schiedsvereinbarung festzuhalten, wenn sie die Mittel zur Durchführung des Schiedsverfahrens nicht mehr aufbringen kann.28 Weil das Schiedsrecht keine Prozesskostenhilfe kenne, könne die Partei in diesem Fall ihre Forderungen nicht mehr durchsetzen.29 Man würde sie in einen rechtsfreien Raum verstoßen.30 Das könne der soziale Rechtsstaat nicht hinnehmen.31 Den Parteien müsse daher die Möglichkeit gegeben werden, sich bei eigener Mittellosigkeit von der Schiedsvereinbarung zu lösen, um mit Prozesskostenhilfe einen Anspruch vor einem staatlichen Gericht einzuklagen.32 Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist abzulehnen. Sie missachtet zum einen, dass die Parteien die Prozesskostenhilfe gem. §§ 114 ff. ZPO mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung gerade konkludent ausgeschlossen haben (aa.). Zum anderen wird ein mittelloser Schiedskläger nicht in einen rechtsfreien Raum gestoßen, weil er seinen Anspruch in einem Schiedsverfahren mithilfe eines Prozessfinanzierers durchsetzen kann (bb.).

aa.  Schiedsvereinbarung als konkludenter Ausschluss der Prozesskostenhilfe Laut BGH kann es der soziale Rechtsstaat nicht hinnehmen, dass eine Schiedspartei ihren Anspruch wegen eigener Mittellosigkeit (schieds-)gerichtlich nicht mehr geltend machen kann. Im Zivilprozess wird die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen auch bei Mittellosigkeit einer Partei dadurch gewährleistet, dass den Parteien das Institut der Prozesskostenhilfe zur Seite gestellt wird.33 Dieses ist in den §§ 114 ff. ZPO geregelt. Liegen die Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO vor, wird die antragstellende Partei entweder vollständig von den Prozesskosten befreit oder hat diese in Raten zurückzuzahlen. 28 

BGHZ 41, 104 (107); 51, 79 (82); 77, 65 (66); 145, 116 (119). Siehe BGHZ 77, 65 (69). 30  BGHZ 77, 65 (69); siehe auch BGHZ 41, 104 (109); 145, 116 (120). 31  BGHZ 77, 65 (69). 32  Siehe BGHZ 77, 65 (69). 33  Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, Vor § 114, Rn. 1; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2016, vor § 114, Rn. 7. 29 

232

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

Da das deutsche Schiedsrecht eine solche Prozesskostenhilfe nicht kennt, ist für den BGH die Schiedsvereinbarung bei Mittellosigkeit einer Partei undurchführbar, damit die Partei ihren Anspruch vor dem staatlichen Gericht mithilfe der §§ 114 ff. ZPO geltend machen kann.34 Dieser Rückschluss ist jedoch abzulehnen, weil die Parteien mit der Schiedsvereinbarung gerade konkludent auf das Institut der Prozesskostenhilfe verzichtet haben. Wenn Parteien einer Schiedsvereinbarung nach dem Willen des Gesetzgebers dazu in der Lage sein sollten, die staatliche Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, dann hätte der Gesetzgeber für das Schiedsrecht ein Prozesskostenhilfeverfahren normiert. Das hat der deutsche Gesetzgeber aber seit Inkrafttreten der deutschen Zivilprozessordnung am 1. Oktober 1879 unterlassen. Es ist mithin gesicherte Erkenntnis, dass den Parteien keine staatliche Prozesskostenhilfe zur Verfügung steht, wenn sie in Bezug auf ihre Streitigkeit eine Schiedsvereinbarung schließen. Bei dieser Rechtslage fällt es schwer, den Parteien zu unterstellen, sie hatten vereinbaren wollen, bei Mittellosigkeit einer Partei im Zweifel auf ein staatliches Verfahren mit Prozesskostenhilfe zurückzugreifen.35 Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Parteien mit der Schiedsvereinbarung konkludent auf die §§ 114 ff. ZPO verzichten, wenn sie sich gerade für ein Verfahren entscheiden, das eine solche Regelung nicht kennt. Dem könnte man natürlich entgegenhalten, dass die Parteien im Einzelfall eventuell nicht wissen, dass es im Schiedsrecht keine Prozesskostenhilfe gibt. Doch selbst wenn die Parteien darüber in Unkenntnis sein sollten, dass sie mit der Schiedsvereinbarung gleichzeitig auch die staatliche Prozesskostenhilfe ausschließen, ist das nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unbeachtlich. Wenn ein irrtumsfrei erklärtes und gewolltes Rechtsgeschäft außer der erstrebten Wirkung noch andere nicht erkannte und nicht gewollte Nebenfolgen bringt, so berechtigt dies eine Partei nicht, sich von dem Rechtsgeschäft wieder zu lösen.36 Das gilt auch für die Schiedsvereinbarung.37 Mithin haben die Parteien mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung das staatliche Prozesskostenhilfeverfahren konkludent ausgeschlossen. Diese Auffassung wird auch in der Rechtsprechung geteilt. Das Hanseatische Oberlandesgericht etwa führte als Berufungsinstanz in der Entscheidung des BGH vom 21. November 1968 aus: „Da die Parteien das Schiedsverfahren vereinbart haben, müssen sie auch dessen Nachteile in Kauf nehmen. Dazu gehöre, dass das Schiedsverfahren kein Armenrecht kenne.“38

34 

Siehe BGHZ 77, 65 (69); 145, 116 (119). So aber BGHZ 77, 65 (69). 36  RGZ 89, 29 (33); BGHZ 134, 152 (156). 37 Siehe Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 (241). 38  BGHZ 51, 79 (81). 35 



A. Grundlagen

233

bb.  Kein rechtsfreier Raum – Durchführbarkeit des Schiedsverfahrens mithilfe von Prozessfinanzierern Nun muss selbstverständlich auf den Einwand des Bundesgerichtshofs eingegangen werden, dass man eine mittellose Partei in einen rechtsfreien Raum verstoßen würde, wenn man sie an der Schiedsvereinbarung festhalten und den Rückgriff auf Prozesskostenhilfe verwehren würde.39 Von einem rechtsfreien Raum, in dem eine Partei keinen Rechtsschutz mehr erlangen könnte, kann jedoch selbst bei ihrer Mittellosigkeit keine Rede sein. Heutzutage können Schiedsverfahren trotz eigener Mittellosigkeit über sog. Prozessfinanzierer geführt werden. Ein Prozessfinanzierer verpflichtet sich dazu, sämtliche Kosten zu übernehmen, die bei der Durchsetzung eines Anspruchs in einem Schiedsverfahren anfallen.40 Zu diesen Kosten zählen insbesondere der Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens und die Kosten für die anwaltliche Vertretung.41 Unterliegt der Schiedskläger im Schiedsverfahren, trägt der Prozessfinanzierer sämtliche Verfahrenskosten, d. h. auch die Kosten des Schiedsbeklagten.42 Obsiegt der Schiedskläger, hat er den Prozessfinanzierer nach einer vorher festgelegten Quote prozentual an der durch den Schiedsspruch erstrittenen Summe zu beteiligen.43 Das bedeutet, dass dem potentiellen Schiedskläger trotz eigener Mittellosigkeit eine Möglichkeit zur Verfügung steht, mit der er seine Forderung in einem Schiedsverfahren durchsetzen kann. Dem könnte man entgegenhalten, dass sich ein potentieller Schiedskläger eventuell keine Finanzierung sichern kann, wenn privaten Prozessfinanzierern das Risiko zu hoch ist, das Schiedsverfahren zu verlieren. Das ist bei der staatlichen Prozesskostenhilfe aber auch so. Auch die staatliche Prozesskostenhilfe wird gem. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist. Mithin stellt auch der Staat Voraussetzungen auf, die auf den Erfolgsaussichten einer Klage basieren und die für eine Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff. ZPO erfüllt sein müssen. Die Schiedsvereinbarung bleibt aber nur dann im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO durchführbar, wenn es einem mittellosen Schiedskläger auch zugemutet werden kann, das Schiedsverfahren über einen Prozessfinanzierungsvertrag zu finanzieren. Dabei muss beachtet werden, dass sich der Schiedskläger mit 39 

Vgl. BGHZ 77, 65 (69); 145, 116 (120). Kochheim, Die gewerbliche Prozessfinanzierung, 2003, S. 35 f.; Gleußner, in: Festgabe Vollkommer, 2006, 25 (31 f.). 41 Siehe Gleußner, in: Festgabe Vollkommer, 2006, 25 (29); Kochheim, Die gewerbliche Prozessfinanzierung, 2003, S. 36. 42 Siehe Gleußner, in: Festgabe Vollkommer, 2006, 25 (29); Kochheim, Die gewerbliche Prozessfinanzierung, 2003, S. 36. 43 Siehe Kochheim, Die gewerbliche Prozessfinanzierung, 2003, S. 37; Gleußner, in: Festgabe Vollkommer, 2006, 25 (32). 40 Siehe

234

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

dem Abschluss der Schiedsvereinbarung bewusst für ein privates und kostenpflichtiges Streitbeilegungsverfahren entschieden hat, das keine gesetzliche Prozesskostenhilfe kennt. Nun, da er die Kosten für das private Schiedsverfahren selbst nicht aufbringen kann, muss es ihm auch zugemutet werden können, seine Schiedsklage mit einer privaten „Prozesskostenhilfe“ zu finanzieren. Wenn der mittellose Schiedskläger auf diese Art seinen Anspruch in einem von ihm bewusst gewählten Schiedsverfahren geltend machen kann, besteht kein Anlass für den Staat, einzugreifen und ihm über die §§ 114 ff. ZPO ein staatliches Gerichtsverfahren zu subventionieren. Das gilt umso mehr, als laut Bundesgerichtshof der Rechtsschutz vor einem privaten Schiedsgericht an die Stelle des staatlichen Rechtsschutzes tritt.44 Wenn ein privates Schiedsgericht an die Stelle eines staatlichen Gerichts treten kann, muss auch die private Finanzierung des Schiedsverfahrens an die Stelle der staatlichen Prozesskostenhilfe treten können. Die Schiedsvereinbarung bleibt also auch bei der Mittellosigkeit des Schiedsklägers durchführbar, weil dieser über eine private Finanzierung seinen Anspruch in einem Schiedsverfahren durchsetzen kann.

cc. Zusammenfassung Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung bei Mittellosigkeit des Schiedsklägers ist daher abzulehnen. Ein mittelloser Schiedskläger kann seinen Anspruch nicht vor einem staatlichen Gericht unter Rückgriff auf die Prozesskostenhilfe geltend machen. Erstens haben die Parteien mit der Schiedsvereinbarung die §§ 114 ff. ZPO konkludent abbedungen, weil das Schiedsrecht keine Prozesskostenhilfe kennt. Zweitens ist es dem Schiedskläger möglich und auch zuzumuten, das Schiedsverfahren über eine private Finanzierung zu führen. Davon, dass der mittellose Schiedskläger rechtsschutzlos gestellt wird, kann heute keine Rede mehr sein.

b.  Keine Undurchführbarkeit bei Verweigerung des Schiedsbeklagten Selbst wenn man die Rechtsprechung des BGH befürwortet und die Schiedsvereinbarung bei der Mittellosigkeit des Schiedsklägers für undurchführbar hält, kann diese Rechtsprechung nicht allgemein auf Fälle übertragen werden, in denen eine Partei ihre schiedsvertraglichen Pflichten verletzt. Illmer hatte genau das angedeutet. Die Schiedsvereinbarung werde auch dann undurchführbar, wenn der Schiedsbeklagte sich weigere, seinen Anteil an den Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen.45 Die Schiedsvereinbarung solle sogar dann 44 

Siehe BGHZ 65, 59 (61); siehe auch BT-Drucksache 13/5274, S. 34. Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 61; ebenso Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 45 



A. Grundlagen

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undurchführbar werden, wenn sich der Schiedsbeklagte allgemein im Hinblick auf das Schiedsverfahren verweigere.46 In § 5 und § 6 dieser Arbeit konnte jedoch gezeigt werden, dass alle schiedsvertraglichen Pflichten (bis auf die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht) unmittelbar durchgesetzt werden können. Das gilt gerade auch für die schiedsvertragliche Pflicht des Schiedsbeklagten, seinen Anteil an den Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen.47 Die bloße Weigerung eines Schiedsbeklagten, seine Pflichten aus der Schiedsvereinbarung zu erfüllen, führt also nicht zur Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO. Das Gegenteil ist der Fall.

c. Ergebnis Über die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Mittellosigkeit des Schiedsklägers zur Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung führt, kann mithin nicht definiert werden, wann einer Partei ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung wegen einer Pflichtverletzung unzumutbar ist.

2.  Unzumutbarkeit bei fehlendem effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren Um zu definieren, wann es einer Partei nicht mehr zugemutet werden kann, an der Schiedsvereinbarung festzuhalten, ist auf eine Formel zurückzugreifen, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 11. Juli 1985 verwendet hatte. Dem Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Schiedsbeklagte Pflichten aus der Schiedsvereinbarung verletzt hatte. Der BGH führte aus, dass das Festhalten an der Schiedsvereinbarung dann unzumutbar sei, „wenn Umstände eingetreten sind, aufgrund derer nicht mehr mit einem effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren gerechnet werden kann.“48 Dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zuzustimmen. Sie hat zur Folge, dass die Schwelle zur Unzumutbarkeit bei einer schiedsvertraglichen Pflichtverletzung hoch ist. Nur wenn die schiedsvertragliche Pflichtverletzung dazu führt, dass im Schiedsverfahren nicht mehr mit effektivem Rechtsschutz gerechnet werden kann, ist einer Partei das Festhalten an der Schiedsverein2014, § 1029, Rn. 100; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 335. 46 Siehe Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 61; ähnlich Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kapitel 8, Rn. 11 (a. E.). 47  Siehe oben § 6 B. II., S. 212 ff. 48  BGH, NJW 1986, 2765 (2766); zuvor bereits Habscheid, KTS 1980, 285 (292 f.); diese Rechtsprechung fortführend BGH, NJW-RR 1986, 1059 (1060); OLG München, SchiedsVZ 2012, 96 (100); ebenso: Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1161); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 100.

236

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

barung nicht mehr zuzumuten.49 Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann die von der Pflichtverletzung betroffene Partei von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese aus wichtigem Grund kündigen (nach Teilen der Rechtsprechung und der Literatur greift nach Beginn des Schiedsverfahrens nur noch die Kündigung als Gestaltungsrecht)50. Gleichzeitig führt die Unzumutbarkeit dazu, dass die Schiedsvereinbarung ipso iure undurchführbar wird, sodass die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO nicht mehr durchgreift. Alle Streitigkeiten, die von der Schiedsvereinbarung gedeckt sind bzw. waren, können dann vor ein staatliches Gericht gebracht werden, ohne dass die Klage die nunmehr außer Kraft gesetzte Schiedsvereinbarung verletzt.

3. Ergebnis Um zu definieren, wann einer Partei ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar ist, kann nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Mittellosigkeit von Schiedsklägern zurückgegriffen werden. Diese Rechtsprechung ist erstens unzutreffend und zweitens nicht verallgemeinerungsfähig. Für die Definition der Unzumutbarkeit ist auf eine andere Linie von Rechtsprechung des BGH zurückzugreifen: Einer Partei ist ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung dann unzumutbar, wenn sie im Schiedsverfahren nicht mehr mit effektivem Rechtsschutz rechnen kann.

B.  Einzelfälle der Unzumutbarkeit bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen Mit diesem Abgrenzungskriterium soll nun untersucht werden, wann es im Einzelfall einer Partei nicht mehr zugemutet werden kann, bei einer schiedsvertraglichen Pflichtverletzung an der Schiedsvereinbarung festzuhalten.

I.  Anrufung staatlicher Gerichte Die schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, kann eine Partei zu jedem Zeitpunkt nach dem Abschluss der Schiedsvereinbarung verletzen. Für eine Pflichtverletzung ist nicht erforderlich, dass die Parteien über eine von der Schiedsvereinbarung gedeckte Streitigkeit ein 49  Wie noch genauer gezeigt werden wird, ist diese Voraussetzung der Unzumutbarkeit regelmäßig bei nur einer einzigen schiedsvertraglichen Pflicht erfüllt, siehe unten § 7 B. III. 3., S. 241 ff. 50  OLG München, SchiedsVZ 2012, 96 (99); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 101; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 97; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 12.

B.  Einzelfälle der Unzumutbarkeit bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen 237



Schiedsverfahren führen. Gleichwohl kann zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung ein paralleles Schiedsverfahren anhängig sein. Fraglich ist, ob eine Partei von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese kündigen kann bzw. ob die Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar wird, wenn die Gegenseite ihre schiedsvertragliche Pflicht verletzt, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen. Kersting hält in diesen Konstellationen eine Kündigung aus wichtigem Grund für möglich.51 Es gehöre zum Wesen des Schiedsverfahrens, dass es unter Ausschluss der staatlichen Gerichte erfolge.52 Die Einschaltung staatlicher Gerichte führe aber dazu, dass ein trotzdem eingeleitetes oder fortgeführtes Schiedsverfahren diesen Namen nicht mehr verdiene.53 Diese Auffassung ist abzulehnen. Könnte eine Partei die Schiedsvereinbarung schon dann aus wichtigem Grund kündigen, wenn die Gegenseite vor einem staatlichen Gericht klagt, würde man der Schiedsvereinbarung jegliche Bindungswirkung nehmen. Eine Kündigung aus wichtigem Grund setzt gem. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB nämlich voraus, dass dem Kündigenden ein Festhalten an der Vereinbarung nicht mehr zugemutet werden kann. Würde schon die bloße Einschaltung staatlicher Gerichte durch die Gegenseite ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar machen, dann wäre die Schiedsvereinbarung auch im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar. Man würde also die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO komplett aushebeln, weil die schiedsvereinbarungswidrig klagende Partei mit ihrer Klage gleichzeitig den Ausschlusstatbestand der Undurchführbarkeit auslöst. Dann könnten die Parteien der Schiedsvereinbarung weiterhin vor staatlichen Gerichten klagen, ohne dass dem wegen der durch die Klage selbst ausgelösten Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung die Schiedseinrede entgegengesetzt werden könnte. Das kann nicht richtig sein. Richtigerweise kann einer Partei ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung erst dann nicht mehr zugemutet werden, wenn im Schiedsverfahren kein effektiver Rechtsschutz mehr erlangt werden kann. Es ist also zu fragen, ob die Einschaltung staatlicher Gerichte dazu führt, dass eine Partei im Schiedsverfahren keinen effektiven Rechtsschutz mehr erlangen kann. Das ist nicht der Fall. Klagt eine Partei vor einem staatlichen Gericht im Ausland, kann die Gegenseite nach der hier vertretenen Auffassung in Deutschland ein Schiedsverfahren mit dem alleinigen Ziel einleiten, einen anti-suit award zu erstreiten. Diesen anti-suit award kann die zu Unrecht im Ausland verklagte Partei dann in den meisten Fällen über die New York Convention vollstrecken.54 Klagt eine Partei hingegen unter Verletzung ihrer schiedsvertraglichen Pflicht vor einem 51 

Kersting, SchiedsVZ 2013, 297 (301). Kersting, SchiedsVZ 2013, 297 (301). 53  Kersting, SchiedsVZ 2013, 297 (301 f.). 54 Zu anti-suit awards ausführlich oben in § 6 B. I., S. 200 ff. 52 

238

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

deutschen Gericht, wird die Schiedsvereinbarung regelmäßig über § 1032 Abs. 1 ZPO durchgesetzt werden können. Es kann also keine Rede davon sein, dass einer Partei das Festhalten an der Schiedsvereinbarung bei der Einschaltung staatlicher Gerichte unzumutbar wird. Bei der Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, entsteht also in der Regel kein Rücktritts- oder Kündigungsrecht.55 Auch wird die Schiedsvereinbarung dadurch nicht im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar. Ein bereits laufendes Schiedsverfahren zwischen den Parteien kann also ohne Weiteres fortgeführt werden.56

II.  Fehlende Beteiligung an der Konstituierung des Schiedsgerichts Im Rahmen dieser Arbeit wurde bereits mehrfach betont, dass die Schiedsparteien nicht dazu verpflichtet sind, einen bzw. „ihren“ Schiedsrichter zu bestellen.57 § 1035 ZPO nimmt der konstituierungswilligen Schiedspartei alle pflichtbegründenden Nachteile, falls die Gegenseite sich weigert, an der Bestellung des Schiedsgerichts mitzuwirken. Das impliziert, dass die Weigerung einer Partei, einen Schiedsrichter zu bestellen, das Festhalten an der Schiedsvereinbarung für die Gegenseite nicht unzumutbar machen kann. § 1035 ZPO gewährleistet hier einen effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren. Die zu Zeiten des Reichsgerichts entschiedenen Fälle, in denen eine Partei mit ihrer Weigerung noch die Konstituierung des Schiedsgerichts blockieren konnte,58 sind unter dem heutigen deutschen Schiedsverfahrensrecht nicht mehr denkbar. Die Weigerung einer Partei, einen Schiedsrichter zu bestellen, berechtigt die Gegenseite nicht dazu, von der Schiedsvereinbarung zurückzutreten oder diese aus wichtigem Grund zu kündigen.59 Sie führt auch nicht zur Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung im Sinne von § 1032 Abs. 1 ZPO.

III.  Nichtzahlung eines gleichen Anteils am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren Welche Rechtsfolgen für den Fall diskutiert werden, dass eine Schiedspartei ihren Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren nicht bezahlt bzw. nicht bezahlen kann, wurde bereits allgemein zu Beginn dieses Kapitels an55 Ebenso

Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 129. Siehe gerade auch § 1032 Abs. 3 ZPO. 57 Zur schiedsvertraglichen Last die Schiedsrichter zu bestellen ausführlich in § 3 B., S. 52 ff. 58  Vgl. RGZ 33, 265 (268); RG, JW 1898, 50 (50). 59 Ebenso Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1035, Rn. 30; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 129; a. A.: Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 620. 56 

B.  Einzelfälle der Unzumutbarkeit bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen 239



gesprochen. Nun soll im Besonderen untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen eine Partei von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese kündigen kann bzw. wann die Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar wird, wenn die Gegenseite ihre schiedsvertragliche Kostenvorschusspflicht verletzt. Zur Abgrenzung wird auf die in § 4 unterschiedenen Konstellationen zurückgegriffen.60 Die Konstellation, in der sich der Schiedskläger weigert, seinen Anteil an den Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen, obwohl er könnte, wird hier bewusst ausgeklammert. In diesem Fall wird das Schiedsgericht das Schiedsverfahren aller Wahrscheinlichkeit nach gem. § 1056 Abs. 2 Nr. 3 ZPO beenden und dem Schiedskläger gem. § 1057 ZPO die Kosten auferlegen. Ein Rücktritt oder eine Kündigung aus wichtigem Grund scheint hier von vorneherein entbehrlich.

1.  Zahlungsfähiger Schiedskläger/boykottierender Schiedsbeklagter In diesem ersten Fall hat der Schiedskläger seinen Anteil an den Kosten für das Schiedsverfahren vorgeschossen. Der Schiedsbeklagte könnte ebenfalls zahlen, er weigert sich jedoch, weil er das Schiedsverfahren insgesamt boykottiert. Teile der Rechtsprechung und der Literatur nehmen an, dass der Schiedskläger die Schiedsvereinbarung in diesem Fall kündigen kann61 bzw. dass die Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO ipso iure undurchführbar wird.62 Diese Rechtsfolge kann jedoch nur dann eintreten, wenn dem Schiedskläger das Festhalten an der Schiedsvereinbarung wegen der Zahlungsverweigerung des Schiedsbeklagten unzumutbar ist. Das Festhalten an der Schiedsvereinbarung ist dem Schiedskläger nicht zuzumuten, wenn er aufgrund der Pflichtverletzung des Schiedsbeklagten nicht mehr mit effektivem Rechtsschutz im Schiedsverfahren rechnen kann. Das ist aber nicht der Fall. Wie im Rahmen von § 6 dieser Arbeit gezeigt werden konnte, stehen dem Schiedskläger zwei (zumutbare) Möglichkeiten zur Verfügung, wie er das Schiedsverfahren in Gang setzen kann:63 Entweder er erwirkt vor dem Schiedsgericht einen vollstreckbaren Teilschiedsspruch aus der primären Zahlungsverpflichtung des Schiedsbeklagten oder er schießt dessen Anteil vor und macht diesen Vermögensverlust als Schaden innerhalb des Schiedsverfahrens geltend. 60 

Siehe oben § 4 A. IV. 2., S. 126 ff. BGHZ 94, 92 (95); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 100; Martinek, in: Festschrift Ishikawa, 2001, 269 (285); Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 335; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 620; siehe auch KG, JW 1928, 737 (737). 62  Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (4); Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 61. 63  Siehe oben § 6 B. II. 2., S. 216 f. 61 

240

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

Mithin kann der Schiedskläger das Schiedsverfahren ohne Weiteres auch bei einer Weigerung des Schiedsbeklagten initiieren und so seinen materiellen Anspruch geltend machen. Ein Rücktritt oder eine Kündigung aus wichtigem Grund ist hier ausgeschlossen (ebenso wenig ist die Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar).

2.  Mittelloser Schiedskläger/vermögender Schiedsbeklagter Im zweiten Fall hat der Schiedsbeklagte seine schiedsvertragliche Pflicht erfüllt und seinen Anteil am Kostenvorschuss bezahlt. Der Schiedskläger verletzt aber seine eigene schiedsvertragliche Pflicht, weil er mittellos ist und seinen Anteil nicht zahlen kann. Nach der alten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sollte der Schiedskläger die Schiedsvereinbarung in diesem Fall kündigen können.64 Unter dem neuen deutschen Schiedsverfahrensrecht soll eine Kündigung nicht mehr erforderlich sein – die Schiedsvereinbarung soll mit der Mittellosigkeit des Schiedsklägers im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar werden.65 Soweit die ipso iure Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung bei der Mittellosigkeit des Schiedsklägers in der Rechtsliteratur kritisiert wird, halten die Autoren ein Kündigungsrecht des Schiedsklägers für richtig.66 Dem Schiedskläger ist ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung bei eigener Mittellosigkeit aber nur dann unzumutbar, wenn er nicht mehr mit effektivem Rechtsschutz im Schiedsverfahren rechnen kann. Regelmäßig wird genau das suggeriert: Das Schiedsverfahren komme nicht in Gang, weil das Schiedsgericht seine Arbeit nicht aufnehme, solange der Anteil des Schiedsklägers am Kostenvorschuss ausbleibe. Vor dem staatlichen Gericht könne der Schiedskläger aber auch nicht klagen, weil der Schiedsbeklagte dort gem. § 1032 Abs. 1 ZPO die Schiedsvereinbarung einreden könne. Man würde den mittellosen Schiedskläger so in einen rechtsfreien Raum verstoßen67 bzw. ihm den Rechtsschutz völlig abschneiden68. Das könne der soziale Rechtsstaat nicht hinnehmen.69 Das Sozialstaatsprinzip gebiete es, dass der Schiedskläger sich hier von der Schiedsvereinbarung lösen und vor dem staatlichen Gericht die Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen kann. 64 

BGHZ 41, 104 (108); 51, 79 (82); 55, 344 (350); 77, 65 (66). BGHZ 145, 116 (119). 66  Eine Kündigung aus wichtigem Grund befürwortend: Habscheid, KTS 1980, 285 (295); Risse, BB 2001, Beilage 6, 11 (11); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 98; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 83; ders., Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 328; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 98 f.; der neuen BGH-Rechtsprechung folgend: Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (4); Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 32. 67  BGHZ 77, 65 (69). 68  BGHZ 41, 104 (108); 145, 116 (120). 69  BGHZ 77, 65 (69). 65 

B.  Einzelfälle der Unzumutbarkeit bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen 241



Dieses Szenario entspricht nicht der Realität. Wie zu Beginn dieses Kapitels gezeigt werden konnte, besteht heutzutage die Möglichkeit, auch bei eigener Mittellosigkeit ein Schiedsverfahren über sog. Prozessfinanzierer zu führen.70 Prozessfinanzierer tragen alle Verfahrenskosten des Schiedsklägers, vom Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren bis zu den Kosten des Schiedsbeklagten, falls der Schiedskläger im Verfahren unterliegt. Im Gegenzug muss der Schiedskläger den Prozessfinanzierer an der durch den Schiedsspruch erstrittenen Forderung beteiligen. Die entscheidende Frage lautet hier, ob dem Schiedskläger der Rückgriff auf eine solche „private Prozesskostenhilfe“ zuzumuten ist oder ob sein Recht auf effektiven Rechtsschutz in unzulässiger Weise eingeschränkt ist und ihm deshalb der Weg zu den staatlichen Gerichten und der Prozesskostenhilfe gem. §§ 114 ff. ZPO offenstehen muss. Der entscheidende Gesichtspunkt ist folgender: Die Parteien haben mit der Schiedsvereinbarung die Anrufung staatlicher Gerichte gerade ausgeschlossen. Damit haben sie auch das staatliche Verfahren der Prozesskostenhilfe abbedungen. Dass die Parteien von dem konkludenten Ausschluss der Prozesskostenhilfe im Einzelfall eventuell nicht wissen, ist ein grundsätzlich unbeachtlicher Irrtum.71 Wenn die Parteien aber mit dem Schiedsverfahren ein privates und kostenpflichtiges Streitentscheidungsverfahren vereinbart haben, das keine inhärente Prozesskostenhilfe kennt, dann muss es ihnen auch zugemutet werden können, eine private Verfahrensfinanzierung in Anspruch zu nehmen, um ihren materiellen Anspruch durchzusetzen. Es besteht kein Anlass, hier nachträglich über das Sozialstaatsprinzip in die Privatautonomie der Parteien einzugreifen (die im Übrigen gem. Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls Verfassungsrang hat)72. Mithin wirkt sich die Mittellosigkeit des Schiedsklägers nicht auf den effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren aus. Ihm ist es zuzumuten, das Schiedsverfahren über einen Prozessfinanzierer zu führen, um seinen Anspruch geltend zu machen. Eine Kündigung der Schiedsvereinbarung aus wichtigem Grund ist bei der Mittellosigkeit des Schiedsklägers somit ausgeschlossen. Die Schiedsvereinbarung wird auch nicht im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar.

3.  Vermögender Schiedskläger/Mittelloser Schiedsbeklagter Im letzten Fall hat der Schiedskläger seinen Anteil am Kostenvorschuss gezahlt. Allerdings verletzt der Schiedsbeklagte seine schiedsvertragliche Pflicht – der Schiedsbeklagte würde seinen Anteil an den Kosten für das Schiedsverfahren 70 

Siehe oben § 7 A. III. 1. a. bb., S. 233 f. Vgl. RGZ 89, 29 (33); BGHZ 134, 152 (156). 72  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Lieferung 39 (Juli 2001), Art. 2 Abs. 1, Rn. 101; Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2013, Art. 2 Abs. 1, Rn. 35. 71 

242

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

zwar vorschießen, er kann aber nicht, weil ihm die Mittel dazu fehlen. Goldmann war der Auffassung, dass der Schiedskläger in dieser Konstellation das Schiedsverfahren durch Zahlung des gesamten Vorschusses am Laufen halten muss.73 Es stelle keinen wichtigen Grund zur Kündigung dar, dass der Schiedsbeklagte nicht in der Lage sei, den Vorschuss zu leisten.74 Diese Auffassung trifft zu, wenn dem Schiedskläger die Durchführung des Schiedsverfahrens in dieser Form zugemutet werden kann. Dafür spricht zunächst einmal, dass es eben ein allgemeiner zivilrechtlicher Grundsatz ist, dass jeder das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners zu tragen hat. Hat der Schiedskläger mit dem Schiedsbeklagten eine Schiedsvereinbarung über eine Streitigkeit geschlossen, ist es sein Risiko, dass dem Schiedsbeklagten später eventuell die Mittel fehlen, um das Schiedsverfahren zu finanzieren. Ein Teilschiedsspruch über die Zahlungspflicht des Schiedsbeklagten wird dem Schiedskläger in diesem Fall nicht weiterhelfen, weil er diesen Teilschiedsspruch wegen der Mittellosigkeit des Schiedsbeklagten kaum vollstrecken können wird. Mithin müsste man es dem Schiedskläger zumuten, das Schiedsverfahren durch eine vollständige Finanzierung in Gang zu setzen und am Laufen zu halten. Diese Betrachtung würde allerdings außer Acht lassen, dass die Parteien einer Schiedsvereinbarung für das Schiedsverfahren gerade nur eine anteilige Vorschusspflicht vereinbart haben.75 Würde man vom Schiedskläger verlangen, auch den Vorschussanteil des Schiedsbeklagten zu zahlen, zwänge man ihn zu einem Verhalten, das nach der Schiedsvereinbarung gerade nicht vereinbart war. Ein solcher Zwang würde gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, das auch im Schiedsverfahren von fundamentaler Bedeutung ist.76 Dem Schiedskläger ist es bei Mittellosigkeit des Schiedsbeklagten nicht zuzumuten, an der Schiedsvereinbarung festzuhalten, wenn er für ein effektives Schiedsverfahren auch die Kosten des Schiedsbeklagten vorschießen muss. Dieser Fall ist damit der einzige, in dem die Verletzung der schiedsvertraglichen Kostenvorschusspflicht die Schiedsvereinbarung undurchführbar im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO macht bzw. in dem die Schiedsvereinbarung aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Hier lässt sich nun fragen, warum in diesem letzten Fall der Nichtzahlung des Kostenvorschusses eine andere Rechtsfolge gerechtfertigt ist als in den ersten beiden. Im ersten Fall hatte der Schiedskläger jedoch zwei zumutbare Möglichkeiten, die Erfüllung der Kostenvorschusspflicht durch den Schiedsbeklagten zu erzwingen: Er konnte einen vollstreckbaren Teilschiedsspruch über die Zahlungspflicht des Schiedsbeklagten erwirken oder den Anteil des Schieds73 

Goldmann, ZZP 51 (1926), 442 (453). Goldmann, ZZP 51 (1926), 442 (453). 75  Siehe oben § 3 C. III. 2., S. 57 f. 76 Vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, Einleitung, Rn. 102; Habscheid, KTS 1980, 285 (295). 74 



B.  Einzelfälle der Unzumutbarkeit bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen 243

beklagten selbst vorschießen, um diese unfreiwillige Vermögenseinbuße dann im Schiedsverfahren als Schaden geltend zu machen. Im zweiten Fall wurde die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Undurchführbarkeit und Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung bei eigener Mittellosigkeit des Schiedsklägers abgelehnt. Dem mittellosen Schiedskläger muss es zugemutet werden können, seine eigene schiedsvertragliche Pflichtverletzung durch eine private Finanzierung abzuwenden. Man verlangt von ihm dadurch nur das, wozu er nach der Schiedsvereinbarung ohnehin schon verpflichtet ist. Das wäre beim mittellosen Schiedsbeklagten anders. Würde man den Schiedskläger bei der Mittellosigkeit des Schiedsbeklagten an der Schiedsvereinbarung festhalten, würde man ihn zu einem Verhalten zwingen, zu dem er sich gerade nicht verpflichtet hat. Das kann dem Schiedskläger nicht zugemutet werden. Verletzt der Schiedsbeklagte also seine schiedsvertragliche Kostenvorschusspflicht, weil er den Vorschuss wegen seiner Mittellosigkeit nicht aufbringen kann, ist dem Schiedskläger ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung nicht mehr zuzumuten. Die Schiedsvereinbarung wird in diesem Fall im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar bzw. aus wichtigem Grund kündbar.77 Der Schiedskläger hat dann die Möglichkeit, seinen Anspruch vor einem staatlichen Gericht zu verfolgen.

IV.  Unwahrer Sachvortrag Fraglich ist, ob ein unwahrer Sachvortrag einer Schiedspartei die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschreiten und damit zur Kündbarkeit bzw. Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung führen kann. Hier ist es zumindest denkbar, dass eine Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht den effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren beeinträchtigt. Der Bundesgerichtshof hatte sich bereits in seinem Urteil vom 30. Januar 1957 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Partei bei einem unwahren Sachvortrag der Gegenseite von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese kündigen kann. Das Gericht führte aus, es liege im Wesen des Streits, dass dabei entgegengesetzte und einander ausschließende Auffassungen mit Heftigkeit aufeinanderstoßen.78 Vor diesem Hintergrund sei es bedenklich, den Parteien eines Schiedsverfahrens die Möglichkeit zu eröffnen, bei verschiedenen Sachdarstellungen mit der Behauptung, die andere Partei trage etwas Unwahres 77 Im Ergebnis ebenso Illmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, S. 60; Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2009, S. 336, Fn. 352; Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1 (4); Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage 2014, § 1029, Rn. 88; ders., Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Auflage 2016, Rn. 331; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 133. 78  BGHZ 23, 198 (201 f.).

244

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

vor, die Fortsetzung des Verfahrens zu verweigern und es der Entscheidung der staatlichen Gerichte zu überlassen, ob der Schiedsvertrag noch gültig sei oder nicht.79 Was wahr und was nicht wahr ist, müsse das Schiedsgericht entscheiden.80 Diese Ausführungen des Bundesgerichtshofs wurden in der Rechtsprechung fortgeführt81 und haben im Schrifttum breite Zustimmung erhalten.82 Ihnen ist uneingeschränkt zu folgen. Selbst schwerwiegende Verstöße gegen die schiedsvertragliche Wahrheitspflicht können nicht dazu führen, dass der betroffenen Partei das Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar ist.83 Das Schiedsgericht muss innerhalb des Schiedsverfahrens mit der Pflichtverletzung umgehen und – mit den Worten des BGH – entscheiden, was wahr und was nicht wahr ist. Ein staatliches Gericht würde mit dem Vorwurf der Unwahrheit genauso umgehen. Eine Partei würde mit einer Kündigung der Schiedsvereinbarung also gar keinen effektiveren Rechtsschutz erhalten. Hat der unwahre Sachvortrag zur Folge, dass das Schiedsgericht einen unrichtigen Schiedsspruch erlässt, kann die unterlegene Partei unter den in § 4 dieser Arbeit beschriebenen Voraussetzungen Schadensersatz verlangen.84 Die Verletzung der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht führt aber nicht dazu, dass eine Partei von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese kündigen kann. Eine Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung im Sinne von § 1032 Abs. 1 ZPO tritt ebenfalls nicht ein.

V.  Fehlende Befolgung von einstweiligen Anordnungen des Schiedsgerichts/ des Schiedsspruchs Bei den schiedsvertraglichen Pflichten, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts und den Schiedsspruch zu befolgen, ist schwer vorstellbar, wie eine Pflichtverletzung die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschreiten könnte. Befolgt eine Partei eine einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts nicht, kann der Anordnungsgläubiger nach § 1041 Abs. 2 ZPO die Vollziehung der Maßnahme einleiten. Befolgt die unterlegene Schiedspartei den Schiedsspruch 79 

BGHZ 23, 198 (202). BGHZ 23, 198 (203). 81  BGH, NJW 1986, 2765 (2766); OLG München, SchiedsVZ 2012, 96 (99 f.). 82  Rosenberg, JZ 1957, 349 (350); Wais, in: Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, Rn. 347; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 623 f.; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 1029, Rn. 129. 83  So aber Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 1029, Rn. 27; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2014, § 1029, Rn. 57 (zurückhaltender hingegen bei Rn. 100). 84  Siehe insbesondere zum Maßstab des Verschuldens bei der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht § 4 A. III., S. 116 f. und zur (aufhebbaren) Rechtskraft des Schiedsspruchs § 4 B. II., S. 147 ff. 80 

B.  Einzelfälle der Unzumutbarkeit bei schiedsvertraglichen Pflichtverletzungen 245



nicht, kann über § 1060 ZPO die Vollstreckung des Schiedsspruchs eingeleitet werden. Das Schiedsverfahren ist hier mit dem Schiedsspruch schon zu einem Abschluss gekommen. Es ist nicht ersichtlich, wie eine Partei derart um effektiven Rechtsschutz gebracht werden könnte, dass sie von der Schiedsvereinbarung zurücktreten oder diese kündigen könnte.

VI.  Offenlegung von vertraulichen Informationen oder Dokumenten Schließlich ist zu fragen, ob die Verletzung einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar machen kann. Vereinzelt wird vertreten, dass ein gravierender Verstoß gegen die Vertraulichkeitspflicht einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellt.85 Die für den wichtigen Grund erforderliche Unzumutbarkeit ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Partei im Schiedsverfahren nicht mehr mit effektivem Rechtsschutz rechnen kann. Wie eine Verletzung der schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht den effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren einschränken und ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar machen könnte, ist jedoch nicht ersichtlich. Zwar wird die Offenlegung von Informationen oder Dokumenten voraussichtlich dazu führen, dass sich die Verfahrensatmosphäre merklich abkühlt und die Vergleichsbereitschaft zwischen den Parteien erlahmt.86 Das Schiedsverfahren als solches wird dadurch aber nicht behindert.87 Selbst wenn die Verletzung der Vertraulichkeitspflicht den effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren einschränken würde, könnte dieser unzumutbare Zustand durch eine Kündigung der Schiedsvereinbarung gar nicht beendet werden.88 Konsequenz wäre nämlich, dass die Parteien ihre Streitigkeit nun vor den ordentlichen Gerichten führen müssten.89 Dort gilt aber gem. § 169 S. 1 GVG der Grundsatz der Öffentlichkeit. Eine Kündigung der Schiedsvereinbarung hätte also zur Folge, dass mit der Öffentlichkeit des Verfahrens genau der Zustand hergestellt wird, den die Parteien mit der Schiedsvereinbarung und der vereinbarten Vertraulichkeit gerade verhindern wollten. Verletzt eine Partei eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht, ist dies mithin kein wichtiger Grund, der die Gegenseite dazu berechtigt, die Schiedsvereinbarung zu kündigen.90 Ebenfalls ausgeschlossen ist ein sofortiger Rück85 

Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage 2008, Rn. 463. Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 384. 87  Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 384. 88  Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1161). 89  Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1161). 90  Oberhammer, in: Festschrift Beys II, 2003, 1139 (1161); Haas/Kahlert, in: Arbitration in Germany, 2. Auflage 2015, Privacy and Confidentiality, Rn. 37; Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2015, S. 385; OLG Frankfurt am Main, 30. 03. 2006, 26 Sch 12/05, Rn. 39. 86 

246

§ 7  Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung

tritt. Die Schiedsvereinbarung wird durch eine Verletzung einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht auch nicht im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar.

C. Ergebnis Für die Frage, wann sich eine Partei von der Schiedsvereinbarung lösen kann, kommt es allein darauf an, wann ihr ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung wegen der Pflichtverletzung der Gegenseite nicht mehr zuzumuten ist. Allein über die Unzumutbarkeit wird bestimmt, wann eine Partei zum sofortigen Rücktritt von der Schiedsvereinbarung berechtigt ist und wann sie diese aus wichtigem Grund kündigen kann. Die Unzumutbarkeit bestimmt auch, wann die Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar wird und deshalb die Schiedseinrede nicht mehr durchgreift. Mithin kommt es nicht darauf an, welche Rechtsnatur die Schiedsvereinbarung hat oder welches Gestaltungsrecht man für das richtige hält. Das Festhalten an der Schiedsvereinbarung ist einer Partei nicht mehr zuzumuten, wenn sie aufgrund der schiedsvertraglichen Pflichtverletzung der Gegenseite im Schiedsverfahren nicht mehr mit effektivem Rechtsschutz rechnen kann. Die Anforderungen an eine Lösung von der Schiedsvereinbarung sind damit hoch. Diese hohe Schwelle für die Unzumutbarkeit führt dazu, dass sich eine Partei weder dann von der Schiedsvereinbarung lösen kann, wenn die Gegenseite vor einem staatlichen Gericht klagt, noch wenn sich die Gegenseite nicht an der Bestellung der Schiedsrichter beteiligt. Mit Verletzungen der schiedsvertraglichen Wahrheitspflicht muss das Schiedsgericht innerhalb des Schiedsverfahrens umgehen. Hier ist es ebenfalls nicht möglich, dass sich eine Partei von der Schiedsvereinbarung löst. Auch schwerwiegende Verletzungen einer schiedsvertraglichen Vertraulichkeitspflicht beeinträchtigen den effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren nicht in einem Maß, dass es einer Partei möglich sein sollte, sich von der Schiedsvereinbarung zu lösen. Vielmehr würde bei einer Lösung von der Schiedsvereinbarung mit dem staatlichen und zwangsläufig öffentlichen Gerichtsverfahren (§ 169 S. 1 GVG) genau der Zustand hergestellt werden, der durch die Vertraulichkeitsvereinbarung gerade verhindert werden sollte. Ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung ist in der Regel nur in einer einzigen Konstellation unzumutbar: Wenn der Schiedsbeklagte seine Kostenvorschusspflicht verletzt, weil er wegen seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, seinen Anteil zu zahlen. Würde man den Schiedskläger hier an der Schiedsvereinbarung festhalten, würde man ihn dazu zwingen, das gesamte Schiedsverfahren vorzufinanzieren, um seinen Anspruch zu verfolgen. Man würde ihm



C. Ergebnis

247

also ein Verhalten aufzwingen, zu dem er nach der Schiedsvereinbarung nicht verpflichtet ist. Das kann ihm nicht zugemutet werden. Der Schiedskläger muss sich in dieser Situation von der Schiedsvereinbarung lösen können, um seinen Anspruch vor einem staatlichen Gericht einzuklagen. Zahlt der Schiedsbeklagte hingegen nicht, weil er das Schiedsverfahren boykottiert, wirkt sich das nicht auf den effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren aus. Der Schiedskläger kann hier sofort einen Teilschiedsspruch über den Kostenvorschussanteil des Schiedsbeklagten erwirken, diesen vollstrecken und so das Schiedsverfahren in Gang setzen. Auch die eigene Mittellosigkeit macht dem Schiedskläger ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung nicht unzumutbar. Ihm muss es zugemutet werden können, sich eine private Finanzierung seiner Schiedsklage zu sichern, weil die Parteien mit der Schiedsvereinbarung ein kostenpflichtiges Streitbeilegungsverfahren vereinbart und die staatliche Prozesskostenhilfe gerade ausgeschlossen haben. Durch eine private Finanzierung wird der effektive Rechtsschutz des Schiedsklägers im Schiedsverfahren nicht eingeschränkt.

Teil III

Rückschlüsse für die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichtverletzungen Die aus der Schiedsvereinbarung folgenden Pflichten der Parteien konnten in Teil I dieser Arbeit hergeleitet und abgeleitet werden. Teil II dieser Arbeit widmete sich den Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten Schadensersatzansprüche auslöst und dass für die Entscheidung über schiedsvertragliche Streitigkeiten ein Schiedsgericht ausschließlich zuständig ist. Die Zuständigkeit staatlicher Gerichte, über schiedsvertragliche Pflichtverletzungen zu entscheiden, beschränkt sich hingegen auf Ausnahmen. In § 8 soll nun untersucht werden, welche kollisionsrechtlichen Probleme sich bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug in Bezug auf eine schiedsvertragliche Pflichtverletzung stellen können. In § 9 wird das Gesamtergebnis dieser Arbeit formuliert.

§ 8  Kollisionsrechtliche Fragestellungen bei der ­Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichten Die Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung nach deutschem und englischem Recht wurden bisher unter der Annahme untersucht, dass das am vereinbarten Schiedsort geltende Schiedsverfahrensrecht, die sog. lex arbitri, und das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht, das sog. Schiedsvereinbarungsstatut, identisch sind. Hatten die Parteien einen deutschen Schiedsort vereinbart, sollte das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht deutsches Recht sein. Bei einem englischen Schiedsort sollte englisches Recht das Schiedsvereinbarungsstatut sein. Abschließend wird nun untersucht, ob die Pflichten der Schiedsparteien anders zu beurteilen sind, wenn lex arbitri und Schiedsvereinbarungsstatut auseinanderfallen. Dazu soll zunächst geklärt werden, wie das Schiedsvereinbarungsstatut nach deutschem und englischem Recht zu ermitteln ist (A.). Anschließend sollen die Pflichten der Parteien in der Konstellation untersucht werden, dass die Parteien einen englischen Schiedsort vereinbart haben, das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht aber deutsches Recht ist (B.).

A.  Das Statut der Schiedsvereinbarung Bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug bestimmt das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht, das sog. Schiedsvereinbarungsstatut, welche (vertraglichen) Pflichten für die Parteien aus der Schiedsvereinbarung entstehen. Das Statut der Schiedsvereinbarung wäre in England und Deutschland nach derselben Kollisionsnorm zu bestimmen, falls eine solche in dem durch europäisches Sekundärrecht vereinheitlichten europäischen Kollisionsrecht existiert. In Betracht kommt hier die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“). Diese nimmt gem. ihrem Art. 1 Abs. 2 lit. e Schiedsvereinbarungen allerdings ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Mithin kann die Rom I-VO nicht herangezogen werden, um das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht zu bestimmen.1 1 Ebenso:

Stürner/Wendelstein, IPRax 2014, 473 (475); eine analoge Anwendung ent-

252

§ 8  Kollisionsrechtliche Fragestellungen

Im übrigen europäischen Kollisionsrecht kommt darüber hinaus keine Verordnung bzw. keine Norm in Betracht, mit deren Hilfe man das auf Schiedsvereinbarungen anwendbare Recht bestimmen könnte. Das Schiedsvereinbarungsstatut ist also nach dem autonomen deutschen und englischen Internationalen Privatrecht zu ermitteln.

I.  Deutsches Kollisionsrecht Nach autonomem deutschen Kollisionsrecht hat der Bundesgerichtshof die Schiedsvereinbarung in ständiger Rechtsprechung stets vertraglich qualifiziert und nach den Artt. 27 ff. EGBGB a. F. angeknüpft.2 Die Artt. 27 ff. EGBGB a. F. wurden allerdings vom deutschen Gesetzgeber beim Inkrafttreten der Rom I-VO ersatzlos gestrichen. Seitdem existiert im deutschen Internationalen Privatrecht keine kodifizierte Kollisionsnorm mehr, um das auf Schiedsvereinbarungen anwendbare Recht zu ermitteln. In der Rechtsliteratur wird daher entweder § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a Alt. 2 ZPO bzw. Art. V (1)(a) New York Convention (entsprechend) angewendet3 oder eine eigene Kollisionsnorm für Schiedsvereinbarungen gebildet,4 um das auf sie anwendbare Sachrecht zu ermitteln. Beide Ansätze stimmen aber meistens darin überein, dass sie vorrangig subjektiv an den Willen der Parteien anknüpfen und bei einer fehlenden Rechtswahl objektiv die engste Verbindung zum Recht des Schiedsortes sehen. Treffen die Parteien in Bezug auf die Schiedsvereinbarung keine Rechtswahl, kommt es nach autonomem deutschen Kollisionsrecht also in aller Regel zu einem Gleichlauf von Schiedsvereinbarungsstatut und lex arbitri.

II.  Englisches Kollisionsrecht Auch das autonome englische Kollisionsrecht kennt keine kodifizierte Norm, um das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht zu ermitteln. Eine solche Vorschrift findet sich auch nicht im Arbitration Act. Es ergibt sich aber eine Regel aus dem common law. Das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht ist vorrangig danach zu bestimmen, ob die Parteien in Bezug auf die Schiedsvereinbarung eine Rechts-

gegen dem eindeutigen Wortlaut der Bereichsausnahme für möglich haltend: Thorn, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Rom I 1, Rn. 11; Martiny, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2015, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 61. 2  BGHZ 40, 320 (322); 49, 384 (386); BGH, SchiedsVZ 2011, 46 (48, Rn. 30). 3  Thorn, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Rom I 1, Rn. 11; Schmidt-Ahrendts/Höttler, SchiedsVZ 2011, 267 (273); Kröll, IPRax 2016, 43 (46). 4  Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 1029, Rn. 17b; Stürner/Wendelstein, IPRax 2014, 473 (478).



B.  Auswirkungen auf die schiedsvertraglichen Pflichten

253

wahl getroffen haben.5 Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, wird die engste Verbindung mit dem Recht am Schiedsort vermutet.6 Eine Ausnahme von dieser Vermutung ist lediglich dann zu machen, wenn die Schiedsvereinbarung Teil eines Hauptvertrages ist und die Parteien das Recht des Hauptvertrages ausdrücklich gewählt haben.7 In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Parteien mit der ausdrücklichen Rechtswahl in Bezug auf den Hauptvertrag gleichzeitig auch konkludent dasselbe Recht für die Schiedsvereinbarung gewählt haben.8 Haben die Parteien also keine ausdrückliche Rechtswahl in Bezug auf die Schiedsvereinbarung getroffen, wird nach englischem Kollisionsrecht objektiv die engste Verbindung zum Recht des Schiedsortes vermutet. Damit kommt es in aller Regel auch nach englischem Kollisionsrecht zu einem Gleichlauf von Schiedsvereinbarungsstatut und lex arbitri.

III. Zusammenfassung Fehlt es an einer Rechtswahl der Parteien in Bezug auf die Schiedsvereinbarung, bildet sowohl nach deutschem als auch nach englischem Kollisionsrecht der in der Schiedsvereinbarung bezeichnete Schiedsort das Anknüpfungsmoment. Das führt zu einem Gleichlauf von lex arbitri und Schiedsvereinbarungsstatut.

B.  Auswirkungen auf die schiedsvertraglichen Pflichten bei englischem Schiedsort und deutschem Schiedsvereinbarungsstatut? Wählen nun aber zwei deutsche Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung London als Schiedsort und deutsches Recht als das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht, stellt sich die Frage, ob sich dies auf den in § 3 dieser Arbeit abgeleiteten Pflichtenkatalog der Parteien auswirkt.9 In jedem Fall werden die beiden Schiedsparteien von der englischen lex arbitri unter die statutory obligation des section 40 English Arbitration Act gestellt. Danach sind sie verpflichtet „[to] do all things necessary for the proper and expeditious conduct of the arbitral proceedings“. Obwohl es sich dem Wort5  Sul América Cia Nacional de Seguros S.A. v. Enesa Engenharia S.A., [2012] 1 Lloyd’s Law Reports 671 (679, Rn. 26)(C.A.). 6  C v. D, [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 239 (247, Rn. 26)(C.A.); Sul América Cia Nacional de Seguros S.A. v. Enesa Engenharia S.A., [2012] 1 Lloyd’s Law Reports 671 (679, Rn. 26). 7  Sul América Cia Nacional de Seguros S.A. v. Enesa Engenharia S.A., [2012] 1 Lloyd’s Law Reports 671 (679, Rn. 26). 8  Sul América Cia Nacional de Seguros S.A. v. Enesa Engenharia S.A., [2012] 1 Lloyd’s Law Reports 671 (679, Rn. 26). 9  Vgl. zum Pflichtenkatalog oben § 3 G. I., S. 105 ff.

254

§ 8  Kollisionsrechtliche Fragestellungen

laut nach um eine sehr weite Pflicht handelt, werden die Auswirkungen der Norm auf die Parteien in der Praxis gering sein.10 Ob die (schieds-)vertraglichen Pflichten der Parteien bei englischer lex arbitri und deutschem Schiedsvereinbarungsstatut den in § 3 dieser Arbeit abgeleiteten Pflichten entsprechen, hängt davon ab, ob auch unter Geltung des englischen Schiedsverfahrensrechts ein Bedürfnis besteht, die nach deutschem Recht aus der Schiedsvereinbarung folgenden Handlungsgebote zu erzwingen.

I.  Schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen Bei der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, konnte in § 3 dieser Arbeit dargelegt werden, dass diese Pflicht zwar in der Regel über die Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO durchgesetzt werden kann. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass der Mechanismus aus § 1032 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 91 ZPO einer entgegen der Schiedsvereinbarung beklagten Partei nicht alle pflichtbegründenden Nachteile nehmen kann.11 Für schiedsvereinbarungswidrige Klagen im Ausland wurde deutlich, dass auch hier ein Bedürfnis nach Erzwingbarkeit besteht, weil ebenfalls nicht sichergestellt ist, dass die Schiedsvereinbarung vor dem ausländischen Gericht über eine nach dem dortigen Recht gegebenenfalls bestehende Schiedseinrede durchgesetzt werden kann. Dem entspricht die Rechtslage unter Geltung des englischen Schiedsverfahrensrechts. Das Funktionsäquivalent zu § 1032 Abs. 1 ZPO findet sich im Arbitration Act in section 9 (1). Auch bei section 9 (1) hat sich gezeigt, dass die Norm einer Partei nicht alle pflichtbegründenden Nachteile aus einer Klage vor einem englischen Gericht nehmen kann.12 Bei einer potentiellen Klage im Ausland ist im englischen common law anerkannt, dass ein Unterlassen im Zweifel erzwungen können werden muss. Mithin besteht auch bei einem englischen Schiedsort und einem deutschen Schiedsvereinbarungsstatut eine schiedsvertragliche Pflicht, Klagen vor inländischen wie ausländischen Gerichten zu unterlassen. Das führt bei ausländischen Klagen unter Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht auch dazu, dass die Klage im ausländischen Forum über eine anti-suit injunction gem. section 37 (1) Senior Courts Act unterbunden werden kann. Ob eine anti-suit injunction erlassen werden kann, hängt nämlich davon

10 

Siehe dazu bereits oben in § 2 F. I. 1., S. 29 ff. Siehe oben § 3 A. II. 2. a., S. 41 ff. 12  Siehe etwa § 4 A. IV. 1. b., S. 121 f. 11 



B.  Auswirkungen auf die schiedsvertraglichen Pflichten

255

ab, ob nach dem Statut der Schiedsvereinbarung eine Pflicht der Parteien besteht, Klagen im Ausland zu unterlassen.13 Das ist wie gezeigt der Fall.

II.  Schiedsvertragliche Last zur Schiedsrichterbestellung Dass es sich bei der Bestellung der Schiedsrichter um eine schiedsvertragliche Last handelt, wurde im Rahmen von § 3 dieser Arbeit gerade damit begründet, dass § 1035 ZPO der konstituierungswilligen Schiedspartei alle pflichtbegründenden Nachteile nimmt. Die Vorschrift gilt allerdings gem. § 1025 Abs. 2 ZPO nur, wenn der Schiedsort in Deutschland liegt. Fraglich ist also, ob bei einem englischen Schiedsort einer Partei ein pflichtbegründender Nachteil entsteht, wenn die Gegenseite sich weigert, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken. Davon wird man nicht ausgehen können. Auch der Arbitration Act stellt der konstituierungswilligen Schiedspartei mit den sections 17 ff. einen umfassenden Mechanismus zur Verfügung, mit dem sie das Schiedsgericht mithilfe eines staatlichen Gerichts konstituieren kann. Auch bei einem englischen Schiedsort und deutschem Schiedsvereinbarungsstatut ist die Bestellung der Schiedsrichter also schiedsvertragliche Last.

III.  Schiedsvertragliche Kostenvorschusspflicht Auch bei einem englischen Schiedsort besteht nach dem deutschen Schiedsvereinbarungsstatut die schiedsvertragliche Pflicht der Parteien, einen Anteil am Vorschuss für die Kosten des Schiedsverfahrens zu zahlen. Es ist nicht ersichtlich, wie das englische Schiedsverfahrensrecht einer Partei den pflichtbegründenden Nachteil nehmen könnte, wenn die Gegenseite nicht zahlt. Schiedsverfahren sind in England, ebenso wie in Deutschland, kostenpflichtig und kommen erst in Gang, wenn die Vorschüsse vollständig gezahlt sind. Hier ist zu beachten, dass nach der BDMS-Entscheidung des High Court Verletzungen dieser Pflicht grundsätzlich im anhängigen Schiedsverfahren geltend gemacht werden müssen.14 Die englischen Gerichte werden keine Klagen auf anteilige Zahlung von Kostenvorschüssen zulassen, sondern bei einem Antrag des Beklagten einen stay of proceedings gem. section 9 (4) English Arbitration Act gewähren.

13 Siehe

Raphael, The anti-suit injunction, 2008, Rn. 7.07. BDMS Ltd. v. Rafael Advanced Defence Systems, [2014] 1 Lloyd’s Law Reports 576 (584, Rn. 57(2))(Q.B.D.). 14 Vgl.

256

§ 8  Kollisionsrechtliche Fragestellungen

IV.  Schiedsvertragliche Wahrheitspflicht/Schiedsvertragliche Pflichten, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts und den Schiedsspruch zu befolgen Ferner ist bei einem englischen Schiedsort auch davon auszugehen, dass die Parteien bei deutschem Schiedsvereinbarungsstatut unter der schiedsvertraglichen Pflicht stehen, im Schiedsverfahren ihrer subjektiven Wahrnehmung nach vorzutragen. Es ist nicht ersichtlich, wie den Parteien durch das englische Schiedsverfahrensrecht ein pflichtbegründender Nachteil genommen wird. Für die schiedsvertragliche Pflicht, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts zu befolgen, eröffnet section 42 Arbitration Act die Möglichkeit, diese Anordnungen des Schiedsgerichts mit staatlichem Zwang vollziehen zu lassen. Die Erzwingung der schiedsvertraglichen Pflicht, den Schiedsspruch zu befolgen, kann gem. section 66 Arbitration Act eingeleitet werden. Wie im deutschen Recht können diese beiden Normen jedoch nicht garantieren, dass die Gegenseite die einstweilige Anordnung oder den Schiedsspruch auch tatsächlich befolgt. Section 42 und section 66 Arbitration Act nehmen der schiedsvereinbarungstreuen Partei also ebenfalls nicht alle pflichtbegründenden Nachteile.

V.  Schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht Fraglich ist, ob die Parteien bei einem englischen Schiedsort und deutschem Schiedsvereinbarungsstatut grundsätzlich dazu verpflichtet sind, im Schiedsverfahren erstellte und offengelegte Dokumente vertraulich zu behandeln. Im englischen Schiedsverfahrensrecht wird eine solche Vertraulichkeitspflicht der Schiedsparteien angenommen.15 Die Pflicht der Parteien, im Schiedsverfahren erstellte und offengelegte Dokumente geheim zu halten, ergibt sich als implied term der Schiedsvereinbarung.16 Damit ist diese Pflicht schiedsvertraglich zu qualifizieren. In der vorliegenden Konstellation haben die Parteien aber deutsches Recht als das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht gewählt. Nach deutschem Recht vereinbaren die Parteien mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung jedoch keine Vertraulichkeitspflicht.17 Eine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht besteht nur, falls die Parteien diese Pflicht besonders vereinbaren, etwa durch eine separate Vereinbarung oder durch den Verweis auf eine Schiedsordnung, die eine solche Pflicht enthält. Das bedeutet, dass bei einem englischen Schiedsort und deutschem Schiedsvereinbarungs-

15 

Siehe ausführlich in § 3 F. IV., S. 101 ff. Ali Shipping Corporation v. Shipyard Trogir, [1998] 1 Lloyd’s Law Reports 643 (651, linke Spalte); Emmott v. Michael Wilson & Partners Ltd., [2008] 1 Lloyd’s Law Reports 616 (636, Rn. 129). 17  Siehe oben § 3 F. I. 3., S. 96. 16 



C. Ergebnis

257

statut grundsätzlich keine Vertraulichkeitspflicht der Parteien als implied term der Schiedsvereinbarung besteht. Das mag zunächst überraschen. Schließlich ist oft davon die Rede, dass die Parteien auch eine Vertraulichkeitspflicht vereinbaren, wenn sie einen Schiedsort in England wählen. Dass die Parteien in englischen Schiedsverfahren als Regelfall unter einer Vertraulichkeitspflicht stehen, folgt aber aus dem Gleichlauf, der nach englischem Kollisionsrecht üblicherweise zwischen dem auf das Schiedsverfahren anwendbaren Recht (der lex arbitri) und dem Schiedsvereinbarungsstatut besteht.18 Nach englischem Kollisionsrecht wird objektiv nämlich vorrangig an den Schiedsort angeknüpft, um das Statut der Schiedsvereinbarung zu ermitteln. Liegt dieser in England, bestimmt das englische Schiedsvereinbarungsstatut die Vertraulichkeitspflicht der Parteien als implied term der Schiedsvereinbarung. Wird dieser Gleichlauf durchbrochen, etwa weil die Parteien in Bezug auf die Schiedsvereinbarung deutsches Recht für anwendbar erklären, wählen sie damit gleichzeitig auch die nach englischem Recht bestehende vertragliche Vertraulichkeitspflicht ab.

C. Ergebnis Liegt der Schiedsort in England und ist das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht deutsches Recht, bestehen für die Parteien dieselben schiedsvertraglichen Pflichten wie bei einem deutschen Schiedsort und deutschem Schiedsvereinbarungsstatut. Dieses Ergebnis ist nicht so selbstverständlich, wie es zunächst scheint. Bedenkt man, dass durch das Zusammenspiel mit der jeweiligen lex arbitri einer Partei in Bezug auf ein Handlungsgebot aus der Schiedsvereinbarung auch pflichtbegründende Nachteile verbleiben oder neue entstehen können, sind auch mehr als die fünf dargestellten schiedsvertraglichen Pflichten denkbar. Stellt etwa die lex arbitri nur ein lückenhaftes Verfahren zur Verfügung, um bei einer Weigerung des Schiedsbeklagten das Schiedsgericht zu konstituieren, können die Parteien schiedsvertraglich dazu verpflichtet sein, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken. Wie viele Pflichten aus einer deutschem Recht unterliegenden Schiedsvereinbarung folgen, wird bei einem Auslandsbezug also davon abhängen, in welchem Umfang die jeweilige lex arbitri den Parteien in Bezug auf ein Handlungsgebot das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit nimmt. Darüber hinaus kann die jeweilige lex arbitri zusätzlich zu den vertraglichen Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung auch gesetzliche Pflichten bestimmen. Das ist in England in Form von section 40 English Arbitration Act der Fall. Diese Norm im Besonderen hat allerdings kaum praktische Bedeutung. 18 

Vgl. oben § 8 A. II., S. 252 f.

§ 9  Gesamtergebnis Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus der vorliegenden Arbeit das folgende Gesamtergebnis.

Teil I: Pflichten der Parteien einer Schiedsvereinbarung Die in der Rechtsliteratur bestehenden Auffassungen, dass die Schiedsvereinbarung für die Parteien gar keine Pflichten begründet bzw. begründen kann, sind als unzutreffend abzulehnen. Selbst wenn man die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag einordnet, steht dies der Annahme nicht entgegen, dass für die Parteien Pflichten entstehen. Auch mit Prozessverträgen können sich Parteien zu einem Verhalten verpflichten. Die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung hat damit keinerlei Einfluss auf die Frage, ob für die Parteien mit ihrem Abschluss Pflichten entstehen. Unter den Vertretern, die Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung annehmen, existieren zwei Auffassungen, wie diese Pflichten zu bestimmen sind. Für die einen bestehen Pflichten überall dort, wo sich ein durch die Schiedsvereinbarung gebotenes Verhalten vor einem staatlichen Gericht einklagen lässt. Für die anderen sind die Parteien der Schiedsvereinbarung dazu verpflichtet, alles zu tun, was zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich ist. Aus keinem der beiden Kriterien können die Pflichten der Parteien überzeugend abgeleitet werden. Im deutschen Recht gibt es keinen Grundsatz, nach dem Pflichten nur dort anzunehmen sind, wo ein Verhalten einklagbar ist. Vielmehr gibt es auch nicht klagbare Pflichten. Der Ansatz, Pflichten dort anzunehmen, wo sie zum Zustandekommen des Schiedsspruchs erforderlich sind, suggeriert hingegen Pflichten, wo keine bestehen. Zudem wendet die Rechtsprechung die Formel inkonsistent an. Beide Ansätze, sowohl die Einklagbarkeit als auch die Erforderlichkeit, sind daher unbrauchbar, um zu bestimmen, zu was für einem Verhalten sich die Parteien mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung verpflichtet haben. Sie sind daher abzulehnen. Pflichten der Parteien aus der Schiedsvereinbarung sind allein dort anzunehmen, wo eine Partei ein Bedürfnis hat, ein Verhalten von der Gegenseite zu erzwingen. Eine Partei hat dann ein Bedürfnis, ein Verhalten von der Gegenseite zu erzwingen, wenn ihr aus dem Fehlverhalten der Gegenseite ein Nachteil ent-

260

§ 9  Gesamtergebnis

steht. Das ist unter Umständen gerade auch dort der Fall, wo im zehnten Buch der ZPO ein Mechanismus existiert, der der schiedsvereinbarungstreuen Partei alle Nachteile aus dem Fehlverhalten der Gegenseite nehmen sollte, ihr aber nicht alle Nachteile nimmt. Die mit dem Bedürfnis nach Erzwingbarkeit aus der Schiedsvereinbarung abzuleitenden vertraglichen Pflichten sind schiedsvertragliche Pflichten zu nennen. Schiedsvertraglichen Pflichten stehen schiedsvertragliche Lasten gegenüber. Schiedsvertragliche Lasten sind dort anzunehmen, wo sich eine Partei mit einem Fehlverhalten ausschließlich selbst benachteiligt. Wendet man das Bedürfnis nach Erzwingbarkeit als Abgrenzungskriterium an, ergeben sich bei einem deutschen Schiedsort und einer deutschem Recht unterliegenden Schiedsvereinbarung fünf schiedsvertragliche Pflichten: Mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung verpflichten sich die Parteien dazu, in von der Schiedsvereinbarung erfassten Streitigkeiten nicht mehr vor staatlichen Gerichten zu klagen und Verfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nur noch im Rahmen von § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO einzuleiten. Die Parteien sind auch dazu verpflichtet, einen gleichen Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu zahlen. Äußern sich die Parteien im Schiedsverfahren, sind sie verpflichtet, ihrer subjektiven Wahrnehmung nach vorzutragen. Schließlich sind sie auch verpflichtet, einstweilige Anordnungen des Schiedsgerichts und den Schiedsspruch zu befolgen. Bei einer deutschem Recht unterliegenden Schiedsvereinbarung besteht grundsätzlich keine schiedsvertragliche Vertraulichkeitspflicht. Diese kann aber gesondert vereinbart werden. Auch gibt es keine schiedsvertragliche Pflicht, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken. § 1035 ZPO nimmt der konstituierungswilligen Schiedspartei alle pflichtbegründenden Nachteile. Die Bestellung der Schiedsrichter ist schiedsvertragliche Last. In Bezug auf alle weiteren schiedsvertraglichen Lasten wird auf das Ergebnis von § 3 dieser Arbeit verwiesen.19

Teil II: Rechtsfolgen bei der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten Die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten löst einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB aus. Sowohl im haftungsbegründenden als auch im haftungsausfüllenden Tatbestand des Schadensersatzanspruchs ergeben sich je nach schiedsvertraglicher Pflicht Besonderheiten. Das gilt auch für seine Durchsetzbarkeit. Für eine detaillierte, nach schiedsvertraglichen Pflichten ge19 

Siehe oben § 3 G., S. 105 ff.



Teil II: Rechtsfolgen bei der Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten 

261

ordnete Darstellung des Schadensersatzes wird auf das Ergebnis von § 4 dieser Arbeit verwiesen.20 Über die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten entscheidet ausschließlich ein Schiedsgericht. Der Grund dafür liegt darin, dass die Parteien mit der Schiedsvereinbarung auch die Entscheidung über schiedsvertragliche Streitigkeiten der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts übertragen haben. Staatliche Gerichte sind nur ausnahmsweise in zwei Fällen zuständig darüber zu entscheiden, ob eine Partei eine Pflicht aus der Schiedsvereinbarung verletzt hat: Im einstweiligen Rechtsschutz (vgl. § 1033 ZPO) und wenn die schiedsvertragliche Pflicht nur mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden kann. Grundsätzlich müssen schiedsvertragliche Pflichten aber in einem Schiedsverfahren geltend gemacht werden. Läuft zwischen den Parteien bereits ein Schiedsverfahren, können schiedsvertragliche Ansprüche in diesem anhängigen Schiedsverfahren geltend gemacht werden. Ist ein Schiedsverfahren noch nicht oder nicht mehr anhängig, muss es die Partei einleiten, um die Verletzung schiedsvertraglicher Pflichten geltend zu machen. Ein staatliches Gericht kann aber eventuell dann zuständig sein, über einen schiedsvertraglichen Schadensersatzanspruch zu entscheiden, wenn die Schiedsvereinbarung gekündigt wurde oder im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO undurchführbar geworden ist. Bei der (drohenden) Verletzung der schiedsvertraglichen Pflicht, Klagen vor staatlichen Gerichten zu unterlassen, hat die betroffene Partei die Möglichkeit, im Schiedsverfahren einen Schiedsspruch zu erstreiten, der es der Gegenseite untersagt, das staatliche Verfahren einzuleiten oder fortzuführen. Diese sog. ­anti-suit awards können gerade auch innerhalb des Geltungsbereichs der Brüssel I-VO ergehen, weil Schiedsgerichte nicht unmittelbar an die Verordnung und an den in ihr enthaltenen Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gebunden sind. Das hat der EuGH in der Gazprom-Entscheidung bestätigt. Anti-suit awards können nach der New York Convention vollstreckt werden. In der Regel dürften die Zwangsmittel in ihrer Schwere aber nicht mit denen vergleichbar sein, die bei einer durch ein englisches Gericht erlassenen anti-suit injunction für einen contempt of court eingreifen. Das konstituierte Schiedsgericht ist gerade auch ausschließlich dafür zuständig, zu entscheiden, dass eine Partei ihren Anteil für die Kosten des Schiedsverfahrens vorzuschießen hat. Für eine Zuständigkeit der staatlichen Gerichte bestehen entgegen der absolut herrschenden Meinung keine Anhaltspunkte. Wird eine Klage auf Zahlung des Kostenvorschusses vor einem deutschen Gericht anhängig gemacht, kann der Beklagte gem. § 1032 Abs. 1 ZPO die Schiedseinrede erheben. Die Schiedsrichter verletzen bei ihrer Entscheidung über den Kostenvorschuss nicht das Verbot des Richtens in eigener Sache, weil sie gerade nicht über ihren eigenen Anspruch aus dem Schiedsrichter20 

Siehe oben § 4 C., S. 157 ff.

262

§ 9  Gesamtergebnis

vertrag, sondern ausschließlich über die gegenseitige Pflicht der Parteien aus der Schiedsvereinbarung entscheiden. Der Schiedsspruch über den Kostenvorschuss entfaltet gem. § 1055 ZPO allein zwischen den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils, nicht aber zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern. Eine lediglich mittelbare Selbstbegünstigung der Schiedsrichter, weil ihre Vergütung Teil des Kostenvorschusses ist, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, um gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache zu verstoßen. Einer Partei ist es bei einer Pflichtverletzung der Gegenseite nur dann möglich, sich von der Schiedsvereinbarung zu lösen, wenn ihr ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung nicht mehr zugemutet werden kann. Ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung ist erst dann unzumutbar, wenn die Partei nicht mehr mit effektivem Rechtsschutz im Schiedsverfahren rechnen kann. Die Schwelle, ab der sich eine Partei bei einer Pflichtverletzung von der Schiedsvereinbarung lösen kann, liegt damit hoch. Sie ist regelmäßig allein bei einer einzigen Pflichtverletzung erreicht: nur wenn der Schiedsbeklagte seinen Anteil am Kostenvorschuss nicht bezahlen kann, weil er dazu wegen seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ist dem Schiedskläger ein Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar. Würde man ihn an der Schiedsvereinbarung festhalten, würde man ihn dazu zwingen, das gesamte Verfahren zu finanzieren, und damit zu einem Verhalten, zu dem er nach der Schiedsvereinbarung gerade nicht verpflichtet ist. In allen anderen Fällen von Pflichtverletzungen ist es üblicherweise ausgeschlossen, dass sich eine Partei von der Schiedsvereinbarung löst. Das gilt gerade auch dann, wenn der Schiedskläger wegen seiner Mittellosigkeit seine eigene Pflicht verletzt, anteilig die Kosten für das Schiedsverfahren vorzuschießen.

Teil III: Rückschlüsse für die Geltendmachung schiedsvertraglicher Pflichtverletzungen In den Fällen, in denen der Schiedsort im Ausland liegt, die Schiedsvereinbarung aber deutschem Recht unterliegt, können die Pflichten der Parteien variieren. Der Grund dafür ist, dass das am Schiedsort anwendbare Schiedsrecht, die lex arbitri, einer Partei in Bezug auf ein Handlungsgebot aus der Schiedsvereinbarung pflichtbegründende Nachteile nehmen oder auch begründen kann. Dazu sind die (staatlichen) Mechanismen zu analysieren, die das jeweilige Schiedsrecht zur Durchführung des Schiedsverfahrens zur Verfügung stellt. Um zu bestimmen, ob auch unter der jeweiligen lex arbitri ein Handlungsgebot aus der Schiedsvereinbarung eine Pflicht ist, ist erneut danach zu fragen, ob die betroffene Partei ein Bedürfnis hat, dieses Verhalten zu erzwingen. Zusätzlich zu den vertraglichen Pflichten aus der Schiedsvereinbarung kann die ausländische

Fazit

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lex arbitri den Parteien auch gesetzliche Pflichten auferlegen. Ein Beispiel für eine solche gesetzliche Pflicht findet sich in section 40 Arbitration Act.

Fazit Die im deutschen Recht bestehenden Dogmen und Axiome in Bezug auf die Pflichten aus der Schiedsvereinbarung und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung sind nach der hier vertretenen Auffassung nicht überzeugend. In der vorliegenden Arbeit wurde mit dem Bedürfnis nach Erzwingbarkeit und der Zuständigkeit des Schiedsgerichts, über schiedsvertragliche Streitigkeiten zu entscheiden, ein allgemein gültiges Modell entwickelt, mit dem die Pflichten aus der Schiedsvereinbarung und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung sicher bestimmt werden können. Dieses Modell kann de lege lata implementiert werden. Einer Gesetzesänderung bedarf es dazu nicht.

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Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte Chromalloy Aeroservices Inc. v. The Arab Republic of Egypt, 939 F. Supp. 907–915 (D.D.C.).

Entscheidungen des EuGH EuGH Rs. C-185/07 – West Tankers, Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 10. Februar 2009; Slg. 2009, I-663. EuGH Rs. C-536/13 – Gazprom, Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 13. Mai 2015; Slg. 2015.

Sachverzeichnis American Rule of Cost 43–44, 174 anti-suit injunctions 47–48 – Anspruch auf Unterlassung staatlicher Klagen 39–47 – anti-suit awards 146–147, 177, 202–205, 208–212, 223, 237, 261 – Brüssel I-Verordnung 49, 173–177, 179, 201–205, 223, 261 – contempt of court 182–183, 210, 261 – durch deutsche Gerichte 171–179 – durch englische Gerichte 179–184, 254–255 – durch Schiedsgerichte 200–212, 222–223 – Durchsetzung 177, 182–184, 207–208, 210–211 – Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht 172 – Zulässigkeit im deutschen Rechtssystem 172–173, 200–201 – Zuständigkeit 177–180 Brüssel I-Verordnung – Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen 46–47, 141–147 – anti-suit injunctions 49, 173–177, 179, 201–205, 223, 261 – Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit 177 cause of action estoppel 144–145 Chancengleichheit 58 contempt of court, siehe anti-suit injunctions contractual obligations 35 – advance payment on costs 59–63 – duty of confidentiality, siehe dort – not to sue in court 47–51 – performance of the award 90–91

costs follow the event, siehe Unterliegensprinzip cross-default clauses 131–132, 161 document production 70 Doppelfunktionale Anwendung 178 duty of confidentiality 101–105, 256–257 – Ausnahmen 103–104 – Reichweite 102–103 Einklagbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten – Ausnahmen 170–192 – Rechtsschutzbedürfnis 165–168, 188–189, 192–193 – Schiedseinrede 170 – Zuständigkeitsverteilung 168–169, 192–193, 195–200 Einstweilige Anordnungen von Schiedsgerichten – Aufhebung 219 – Befolgungspflicht 80–82 – Fehlender numerus clausus 201, 217–218 – Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung bei Nichtbefolgung 244–245 – Schäden bei Nichtbefolgung 129–130, 222 – Verschuldensunabhängiger Schadensersatz 81, 211–212, 219 – Vollziehbarerklärung 79–80 – Vollziehung 185–186, 207–208, 219–220 – Voraussetzungen 78–79, 206–207 Einstweilige Verfügungen von staatlichen Gerichten – Klageerzwingung 175–176 – Vollziehung 177 – Voraussetzungen 87–88, 174–175

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Sachverzeichnis

Freibeweis 70 general duty of the parties 29–35, 253–254 Gleichbehandlungsgebot 77, 242 implied terms, siehe contractual obligations Insiderinformationen 99 issue estoppel 144–147, 158 Know-how-Vertrag 132, 161 Kompetenz-Kompetenz 45 Konstituierung des Schiedsgerichts, siehe schiedsvertragliche Lasten – Schiedsrichter bestellen Kostenvorschusspflicht – Abgrenzung zu anderen Pflichten 55–56 – Anspruchsgrundlagen 216–217, 223 – Einklagbarkeit 188–189 – Geltendmachung im Schiedsverfahren 196–198, 212–220 – Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung bei Pflichtverletzung 238–243 – Reichweite 57–59 – Richten in eigener Sache 213–216, 223, 261–262 – Schäden bei Pflichtverletzung 126– 128 lex arbitri 251 Loyalitätspflicht 14–16, 19–21, 58, 67, 108 Mittellosigkeit 57–59, 62–63, 127–128, 226–227, 230–234, 240–243 Mitwirkungspflicht 10–11, 14–16, 19–21, 65, 108, 163–164 ne bis in idem, siehe Rechtskraft – Wirkungen New York Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards 80, 147, 149, 186, 202, 204–205, 208, 210–212, 221, 223, 237, 252, 261

Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens 93–94, 101, 103 ordre public 142–143 Parallelzuständigkeit 87, 168, 171, 184, 195–196, 221, 261 Präklusion 152–156 Privatautonomie 44, 241 Prozessfinanzierer 233–234, 241 Prozessführungsverbote, siehe anti-suit injunctions Prozesskostenhilfe 231–234, 240–241 Prozessvertrag 17–19 Rechtskraft – Durchbrechung 154–156 – Reichweite 135 – Wirkungen 138, 140, 144 Rechtsschutzbedürfnis, siehe Einklagbarkeit schiedsvertraglicher Pflichten Rechtsstaatsprinzip 77, 115, 231, 240 repudiation 30–31, 61–62 révision au fond 151–153, 160, 210 Rom I-Verordnung 251–252 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung – Anspruchsgrundlage 112 – Entgegenstehende Rechtskraft eines Schiedsspruchs 147–156 – Entgegenstehende Rechtskraft eines staatlichen Urteils 134–147 – Schadensberechnung 118–132 – Schiedsspruch als Schaden 129 – Stundensätze als Schaden 80, 90, 121–122, 130–131, 161 – Tatbestand 112–133 – Urteil als Schaden 124–125 – Zuständigkeit 190–191, 221–222 Schiedsordnungen – DIS 84, 96–98, 131–132, 161, 184, 221 – ICC 62–63 – LCIA 84, 96–98, 132, 161, 184, 221 – SCC 202 – UNCITRAL Arbitration Rules 83–84 Schiedsrichtervergütung

Sachverzeichnis

– nach deutschem Recht 55–56, 213–215 – nach englischem Recht 60 Schiedsrichtervertrag – nach deutschem Recht 55–56, 197, 213–214 – nach englischem Recht 60 Schiedsspruch – Aufhebbarkeit 149–156, 209, 218–219 – Befolgungspflicht 88–90 – Entscheidungsgegenstand 201 – Nichtigkeit 125, 140 – Rechtskraft 147–148, 214, 223 – Schäden bei Nichtbefolgung 130–131 – Vollstreckung 89–90, 186, 210–211 Schiedsvereinbarung – Definition der Unzumutbarkeit 229–236 – Kündbarkeit 225–228 – Rechtsnatur 8–13, 17–19, 228, 246 – Rücktritt 225–228 – Statut 251–253 – Undurchführbarkeit 226–227, 229–236 Schiedsvertragliche Lasten – Anordnungen befolgen 73–82 – Beteiligung am Schiedsverfahren 64–66 – Definition 27 – Dokumente vorlegen 69–72, 77 – Rechtzeitiger Sachvortrag und Beweisantritt 66–67 – Schiedsrichter bestellen 52–54, 83–84, 166, 187–188, 238, 255 Schiedsvertragliche Pflichten – Definition 27 – Einstweilige Anordnungen befolgen 78–82 – Keine staatlichen Gerichte anrufen 39–47 – Kostenvorschusspflicht, siehe dort – Schiedsfähigkeit 169 – Schiedsspruch befolgen 88–90 – Vertraulichkeitspflicht, siehe dort – Wahrheitspflicht, siehe dort – Zuständigkeit des Schiedsgerichts 195–200

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Schiedswiderklage 198–199, 222 Sozialstaatsprinzip 231, 240–241 statutory obligations, siehe general duty of the parties stay of proceedings 49–51, 61–62, 121–122, 179, 254–255 Strengbeweis 70 Torpedoklagen 46–47 UNCITRAL – Arbitration Rules, siehe Schiedsordnungen – Model Law 29, 45, 229 Unterliegensprinzip 56, 60 Verfahrensförderungspflicht 8–12, 14–16, 19–21, 58, 65, 67, 71, 75, 108, 163–164 Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens 94 Vertraulichkeitspflicht – Ausnahmen 98–101 – Durchsetzbarkeit 220–221 – Einklagbarkeit 184–185 – Fehlendes Handlungsgebot 94–96 – Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung bei Nichtbefolgung 245–265 – Parteivereinbarung 96–98 – Schäden bei Pflichtverletzung 131– 132 Vorlage von Dokumenten, siehe schiedsvertragliche Lasten Waffengleichheit 58 Wahrheitspflicht – Durchsetzbarkeit 189–190, 220, 223 – Kündbarkeit der Schiedsvereinbarung bei Pflichtverletzung 243–244 – Rechtsprechung 10–12 – Reichweite 68–69 – Schäden bei Pflichtverletzung 129 – Verschuldensmaßstab für vertraglichen Schadensersatz 116–117, 155–156 Zwischenentscheid 46, 136, 208–209, 212 Zwischenfeststellungsklage 136–137, 159