Verhandlungen des ersten deutschen Hochschullehrer-Tages zu Salzburg im September 1907 [Reprint 2020 ed.] 9783112339282, 9783112339275


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Verhandlungen des ersten deutschen Hochschullehrer-Tages zu Salzburg im September 1907 [Reprint 2020 ed.]
 9783112339282, 9783112339275

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Verhandlungen des

ersten deutschen Hochschullehrer-Enges

pi Salzburg im September 1907

Hernusgegeben von dem engeren Ausschuß für 1907/08

Strahburg Verlag von Karl I. Trübner

£)u der Versammlung war durch das folgende, an sämtliche

Hochschullehrer deutscher Zunge verschickte. Schreiben im Mai 1907

eingeladen worden: In früherer Zeit war eine jede Universität eine autonome Kör­ perschaft für sich. Sogar die Universitäten desselben Landes unter­ schieden sich vermöge dieser Selbständigkeit voneinander. Als solche besondere Körperschaften haben sie sich den Ruhm freier und unab­ hängiger Hochburgen des Geistes erworben, die ans das öffentliche Leben den segensreichsten Einsiuß geübt haben. Die politische Entwicklung hat dazu geführt, die Hochschulen wie andere Korporationen der staatlichen Beeinflussung 31t unter­ werfen. Wir verkennen keineswegs die Notwendigkeit, die dazu ge­ führt hat, noch auch, daß manche Mißstände des früheren Universi­ tätslebens dadurch beseitigt worden sind. Allein mit der Einreihung der Hochschulen in die Zahl der staatlichen Ämter erlitt auch ihr

historischer Charakter eine empfindliche Einbuße, Nicht wissenschaft­ liche Tüchtigkeit, Unbeugsamkeit des Charakters, hervorragende Bega­ bung zum Lehrer blieben die einzigen Gesichtspunkte, die bei Be­ setzung der Lehrstellen immer den Ausschlag gaben, sondern häufig taten dies die Eigenschaften des Beamten, welche diesen dem je­ weilig herrschenden Regiment als wertvoll erscheinen ließen. Dadurch hat das Ansehen der Hochschulen gelitten. Die Folge ist, daß sie heute nicht mehr den gleichen Einfluß zum Guten wie früher zu üben imstande sind. Der Staat selbst beginnt darunter zu leiden. Denn diese Verhältnisse können nicht dazu beitragen, das Vertrauen zu den Lehrern zu befestigen und vielfach sind cs die tüchtigsten unter der Heranwachsenden Jugend, die voll Mißtrauen die Richtschnur ihres Denkens und Strebens außerhalb der Kreise der Hochschullehrer suchen. Diese nachteiligen Wirkungen machen sich nm so mehr geltend, je mehr Hochschulen infolge zunehmender staatlicher Zentralisation in der Hand einer Verwaltung vereinigt worden sind und je mehr die noch fortbestehenden staatlichen Verwaltungen dazu geschritten sind, sich in Hochschnlangelegenheitm unabhängig von den Hochschulen zu verständigen. Auch in Angelegenheiten, die sehr gegen ihre Interessen entschieden werden, bleibt den Hochschulen dann nur noch verdrießliche Unterwerfung. Die letzten Reste von Autonomie, die den Hochschulen geblieben sind, erscheinen damit in Frage gestellt.

IV Angesichts dieses Vorgehens der staatlichen Verwaltungen erscheint es geboten, daß auch die Hochschulen sich zusammentun, um in den Dingen, die ihnen allen gemeinsam sind, auch ihre Anschauungen gegemeinsam zum Ausdrucke zu bringen. In einer Zeit, da alle Stände und Berufe sich zur Wahrnehmung der ihnen anvertrauten Interessen organisieren, kann wohl memmtb daran Anstoß nehmen, wenn ein Stand, der von alters her das Recht korporativer Organisation hat, eine Ausbildung dieser Or­ ganisation entsprechend den veränderten Zeitverhältnissen auf breiterer Basis sucht. Selbstverständlich darf eine solche Weiterbildung nicht im Sinne engherziger Wahrung materieller Interessen gesucht werden. Aller­ dings werden auch diese ein Gegenstand der Fürsorge der breiteren Organisation sein müssen, zumal die Gestaltung des Einkommens der Hochschullehrer eines der wichtigsten Machtmittel ist, deren mein sich zur Untergrabung der alten Selbständigkeit der Hochschulen be­ dient. Indes, wenn für irgend einen Stand, so gilt für den der akademischen Lehrer, daß die eigenen Interessen nur dann gewahrt werden können, wenn er die idealen Interessen, deren Hüter er ist, in erster Linie verfolgt. Die gemeinsame Organisation der Hoch­ schullehrer wird nur dann auf Erfolg rechnen können, wenn sie danach strebt, die Anforderungen, die sie an ihren eigenen Stand stellt, hoch­ zuhalten und zu steigern.

Dies sind die Gedanken, von denen eine Versammlung deutscher Universitätslehrer, die sich im September 1906 in Salzburg zu­ sammenfand, beseelt war. Sie hat einige der anwesenden Hochschul­ lehrer als Komitee eingesetzt, das mit der Aufgabe betraut wurde, für den September 1907 eine Versammlung von Hochschullehrern deutscher Zunge nach Salzburg zusammenzurufen. Diesem ersten deutschen Hochschullehrertage soll es vorbehalten sein, darüber zu entscheiden, ob eine auf alle deutschen Hochschulen sich erstreckende Organisation der Hochschullehrer ins Leben gerufen werden und

welche Gestalt sie annehmen soll. Die Unterzeichneten wenden sich daher an Sie mit der Bitte, am 8. September d. I. in Salzburg erscheinen zu wollen, um an den Beratungen des deutschen Hochschullehrertages teilzunehmen.

Das vorbereitende Komitee für den I. deutschen Hochschullehrertag: Prof. Dr. W. Meyer-Lübke, derzeit Rektor der k. k. Universität Wien, Prof. Lujo Brentano, München, Dr. L. M. Hartmann, Wien, Prof. Viktor v. Lang, Wien, Prof. Werner Sombart, Berlin, Prof. R. v. Wettstein, Wien, Prof. Theobald Ziegler, Straßburg.

Tagesordnung: 1. Eröffnungsansprache (Prof. K. von Amira-München). 2. Organisationsstatut für den deutschen Hochschullehrertag (vorgelegt vom vorbereitenden Komitee). 3. Die Frage des akademischen Nach­ wuchses. (Referenten: Prof. Franz Eulenburg, Universität Leipzig, Prof. Karl Hochenegg, Technische Hochschule Wien und Prof. Ferdi­ nand Schmid, Universität Innsbruck.) 4. Eventualia. Das Einladungsschreiben trug außer den obigen noch die Unter­ schriften von

Prof. K. v. Amira (München), Prof. A. v. Baeyer (München), Prof. G. Barkhausen (Technische Hochschule, Hannover), Prof. D. Behrens (Gießen), Prof. E. Bern ahik (Wien), Prof. F. W. Freih. v. Bissing (München), Prof. K. Bücher (Leipzig), Prof. K. Chun (Leipzig), Prof. W. Cloetta (Jena), Prof. F. Dahn (Breslau), Prof. F. Eulenburg (Leipzig), Prof. A. Furtwängler (München), Prof. M. v. Frey (Würzburg), Prof. W. Gintl (Technische Hochschule, Prag), Prof. E. Goth ein (Heidelberg), Prof. R. Gaupp (Tübingen), Prof. W. Götz (Tübingen), vr. S. Hellmann (München), Prof. K. Hochenegg (Technische Hochschule, Wien), Prof. R. Hoernes (Graz), Prof. R. Klemensiewicz (Graz), Prof. E. Kittler (Technische Hochschule, Darmstadt), Dr. F. Kitzinger (München), Prof. E. Köppel (Straßburg), Prof. E. Kornemann (Tübingen), Prof. E. Kraepelin (München), Prof. I. Kromayer (Czernowitz), Prof. H. Kraus (Technische Hochschule, Graz), Prof. K. Lamprecht (Leipzig), Prof. K. Lange (Tübingen), Prof. E. Lecher (Prag), Dr. F. v. d. Leyen (München), Prof. Th. Lipps (München), Prof. W. Lotz (München), Prof. E. Mayer (Würzburg), Prof. F. Meinecke (Freiburg i. B.), Prof. P. Natorp (Marburg), Prof. A. v. Oechelhaeuser (Technische Hochschule, Karlsruhe), Prof. P. Oertmann (Erlangen), Prof. K. Oldenberg (Greifswald), Prof. H. Oncken (Gießen), Prof. H. Paul (München), Prof. A. Rothpleh (München), Prof. A. v. Scala (Innsbruck), Prof. L. Scherman (München), Prof. F. Schmid (Innsbruck), Prof. Z. Skraup (Wien), Prof. H. Ulmann (Greifswald), Prof. M. Berworn (Göttingen), Prof. A. Wach (Leipzig), Prof. A. Walzel (Technische Hoch­ schule, Brünn), Prof. A. Weber (Prag), Prof. O. Weber (Prag), Prof. K. Wilhelm (Hochschule für Bodenkultur, Wien).

Die Versammlung tagte im Saale des Hotels Mirabell.

Inhalt. Sette 1—21

Bericht über die erste Sitzung

Bericht über die zweite Sitzung . Bericht über die dritte Sitzung

.

.

....

22—52 53-66

Erste Sitzung am 8. September um 10 Uhr.

Die Versammlung eröffnet von Ebner (Wien): Liebwerte Kollegen und Freunde! Der Ob­ mann des vorbereitenden Komitees, Professor Meyer-Lübke, derzeit Rektor der Wiener Universität, ist leider verhindert, den ersten Hochschul­ lehrertag persönlich zu eröffnen. Er hat mich als seinen Nachfolger im Amte für das nächste Studienjahr mit dem Auftrage beehrt, dies an seiner Stelle zu tun. Seien Sie alle, die Sie aus allen Gauen Deutschlands und Österreichs hier zusammengekommen sind, herzlichst begrüßt.

Hier, in dem gastlichen Salzburg, wo sich seit einer Reihe von Jahren zu den Ferialkursen Hochschullehrer aus allen Landen Deutschlands in emster gemeinsamer Arbeit zusammenfinden, schien dem vorbereiten­ den Komitee der geeignetste Ort, um deu Gedanken zum ersten Male zu verwirklichen, die Hochschullehrer deutscher Zunge zu gemeinsamer Fördemng der großen Kulturinteressen, welche die Hochschulen zu ver­ treten haben, zu vereinigen. Wir deutschen Professoren Österreichs

sind uns stets bewußt, daß wir die geistige Gemeinschaft unserer wissen­ schaftlichen Entwicklung mit dem großen Deutschen Reiche nicht auf­ geben dürfen, wenn wir nicht einen Niedergang unserer Hochschulen befürchten sollen. Wir freuen uns, wenn es gelingt, eine Organisation zu gründen, die es möglich macht, in den gemeinsamen Fragen des Hochschulwesens mit den deutschen Kollegen Hand in Hand zu gehen. Mit dem Wunsche für den besten Erfolg unserer Beratungen erkläre ich den ersten Hochschullehrertag für eröffnet. Ich ersuche nun, zur Konstituiemng des Vorstands unserer Tagung

zu schreiten. Das Aktionskomitee hat gestern einstimmig beschlossen, Ihnen als Vorsitzende für die erste Tagung die Herren Brentano aus München und vonWettstein aus Wien vorzuschlagen. (Lebh. Beifall.) Die Herren haben bereits durch Akklamation ihre ZustimDeutscher Hochschullehrer-Tag.

1

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mutig zu diesem Vorschläge erklärt.

Das Aktionskomitee hat ferner

einstimmig beschlossen, die Herren M a r c u s e (Berlin), Sigmund Hellmann (München), Tandler (Wien) und Joseph (Wien) als Schriftführer vorzuschlagen, und ich bitte, durch Akklamation Ihre Zustimmung zu geben. (Zustimmung.) Damit habe ich meine Pflicht erfüllt und ich bitte nunmehr Herrn

Professor Brentano, den Vorsitz zu übernehmen. Brentano (den Vorsitz übemehmend, von lebhaftem Beifalle begrüßt): Meine Herren! Ich danke Ihnen nicht nur in meinem, sondern im Namen Sämtlicher, die Sie an diese Stellen berufen haben, für das uns damit bewiesene Vertrauen. Wir werden uns bemühen, diese schwierige Tagung, sotveit es in unseren Kräften steht, zu einem guten Ende zu führen. Ich bitte sofort Herm Professor von Amira, das Wort zu ergreifen zur Haltung seines programmatischen Vor­

trages. Do» Amira (München). Verehrte Kollegen! Das Aktions­ komitee hat mir ztvei Aufträge erteilt: der erste ist zum Teile allerdings

schon erledigt von dem verehrten Herm, der die heutige Versammlung eröffnet hat. Er ging dahin, Sie im Auftrage des vorbereitenden Komi­ tees willkommen zu heißen. Aber ich glaube doch, in dieser Hinsicht einiges hinzufügen zu können. Ich begrüße Sie hier mit freudigem Herzen, denn Sie haben sich eingefunden aus den verschiedensten Ge­ bieten deutscher Zunge; nicht nur aus dem Deutschen Reiche, nicht nur aus Österreich, auch aus der Schweiz sind Kollegen hier, und so be­ zeugen Sie, daß wir hier wieder einmal einen Sammelpunkt gefunden

haben, wo Deutsche zu Deutschen in dem Dienste einer bedeutenden idealen Sache Deutsch reden, ohne vor politischen Schranken Halt zu machen. Aber ich begrüße Sie auch noch aus anderen Gründen mit

Genugtuung. Sie haben sich in einer itmnerhin verhältnismäßig statt­ lichen Zahl hier eingefunden. Von vomherein konnte ja nicht gerechnet

werden auf die nicht wenigen, welche durch Gesundheitsrücksichteii,

durch wissenschaftliche Forschungen, durch Reisen insbesondere, die sie im Dienste von solchen machen müssen, durch die Teilnahme an Kon­ gressen — es ist ja jetzt die Zeit der Kongresse — verhindert sind, sich hier einzufinden. Es konnte aber auch nicht gerechnet werden auf die

nicht geringe Zahl jener Saturierten, die keine Wünsche in Hochschul­ sachen mehr haben, wenn ihre persönlichen befriedigt sind. (Lebh. Zu­ stimmung.)

Wir wissen, wo sie zu finden sind.

Es konnte auch nicht

3 gerechnet werden auf die nicht geringere Menge der Furchtsamen, die glauben, Anstoß zu erregen, sich in ihrem Borwärtskommen zu schaden,

wenn sie hier unter uns Platz nehmen.

Und es konnte auch nicht ge­

rechnet werden auf die vielen Bequemen, die mit Vorliebe abwarten, wie es die anderen halten, die immer erst sehen wollen, wie der Hase läuft, um dann, wenn es gut geht, so zu tun, als wären sie immer dabei gewesen. (Beifall). Gerade das gibt mir aber die beste Hoffnung; denn ich glaube, es werden einmal viele sein, die so tun werden, als wären sie immer dabei gewesen.

Es war aber auch noch ein unvorhergesehenes Hindernis, das manchen abgehalten hat. Wer hätte denken können, als die erste Ein­

ladung zu dieser Versammlung erging, daß eine solche Opposition, wie sie aus unseren Kreisen selbst entstanden ist, sich laut machen würde? Da waren wohlmeinende Warner, die Ihnen vorhielten, in welch schlechter Gesellschaft Sie sich hier finden würden. Bloß der Unzufriedene werde kommen, der die Frondierungssüchtigen gegen den Staat mobil machen wolle. Ich sehe aber eine Anzahl von Männern, die sich immer bewährt haben, wenn es galt, Sonderinteressen in den Hintergrund zu stellen zugunsten des Gemeinwesens und der Gesellschaft. Und wir alle glauben, dem Staat nur zu nützen mit dein, tvas wir jetzt und auf künftigen Tagungen vorhaben. Man hat uns ferner in Aussicht gestellt, dieser Saal werde ein Salon der Zurückgewiesenen sein. (Heiterkeit.) Ich sehe aber Leute von Weltruf, Gelehrte, um die jedwede Hochschule sich be­ werben würde, tvenn sie nur hoffen dürfte, daß sie kommen würden. Es ist also nicht an dem, daß jene Befürchtungen etwa eingetroffen wären. Im Gegenteil! Sie sind zuschanden geworden. Ich begrüße Sie aber auch — und das möchte ich besonders betonen, um irrige Meinungen, die da bestehen, abzuwehren —, ich begrüße Sie ohne Unterschied Ihrer konfessionellen und politischen Meinung, ohne Unterschied Ihrer wissenschaftlichen Richtung. Vielleicht — wann wäre

das nicht, wo so zahlreiche Kollegen zusammenkommen — liegt einer von Ihnen mit einem anderen in wissenschaftlicher Fehde; hier aber muß Gottesfrieden herrschen, so lange wir im Dienste höherer Interessen tagen. Ich begrüße Sie aber auch ohne Rücksicht auf die Stellung, die der eine oder andere zu den ziemlich gleichzeitig hier stattfindenden Ferialkursen einnehmen mag. Nicht nur jene Kollegen sind uns will­ kommen, welche dafür eintreten, auch die Gegner, die ihnen skeptisch

gegenüberstehen.

Nichts kann mißet sein, als was in der Nachbarstadt 1*

4 München behauptet wurde, man gedenke diese Versammlung vor die

Ferialkurse zu spannen. Uns ist jeder Kollege willkommen, der es emst meint mit seinem Berufe! Nicht zu uns gehören bloß die Streber, die Karrieremacher, nicht zu uns gehören diejenigen, die Angst haben vor wissenschaftlichen Entdeckungen (lebhafte Heiterkeit) und die meinen, man könne und solle der Wahrheit ein Schloß vor den Mund legen. Nicht zu uns gehören die Leute, welche überhaupt exoterische Tendenzen verfolgen, Tendenzen, die nichts mit der Wissenschaft zu tun haben. Die würden uns allerdings nichts helfen. Meine Herren! Ich bin aber auch beauftragt, mich darüber aus­ zusprechen, was allenfalls hier getan werden könnte, was unser Vor­ haben sein und was zur Erreichung unseres Zieles unternommen werden solle. In einem Punkte haben jene Unglückspropheten, von welchen ich sprach, allerdings recht behalten: nur Unzufriedene würden sich hier einfinden. Wären wir nicht unzufrieden, so wären wir nicht da. Unzu­ frieden freilich womit? Mit dem allgemeinen Zustande der Hochschulen und derjenigen, die an ihnen lehren. Im Aufruf war ja schon gesagt, diejenigen sollten sich sammeln, die zu solcher Unzufriedenheit Anlaß fänden. Das hat dem Historiker der „Preußischen Jahrbücher" Anstoß gegeben. Er fühlte sich sozusagen gekränkt in seinem Fache und meinte, es sei höchst unhistorisch, eine derartige Unzufriedenheit zu empfinden. (Sehr gut!) Es sei ein grober geschichtlicher Fehler, wenn wir die Gegen­ wart verglichen mit vergangenen Jahrhunderten und so täten, als ob heute die Dinge schlechter wären wie damals. Er führte uns zu Gemüte, daß in früheren Jahrhunderten schon Professoren gemaßregelt wurden. Gewiß! das wurden sie. So unwissend ist keiner von uns, sich das von ihm sagen lassen zu müssen. Ich könnte ihm aber mit noch ganz anderen Dingen aufwarten, wenn es sich darum handelt, frühere Jahrhunderte mit der Gegenwart zu vergleichen. Ich erinnere z. B. daran, daß in früheren Jahrhunderten der Fleiß des Professors mitunter vom Famulus oder vom Pedell kontrolliert werden mußte. Wir wissen, das war die Zeit, in welcher auch die Professoren die Studenten gemaßregelt haben, wo Senate den Studenten verboten haben, auf der Straße zu rauchen oder einen Hausschlüssel zu tragen. (Sehr richtig!) Allein keinem von

uns fiel ein, mit solchen archaischen Zuständen die heutigen zu vergleichen. Womit wir die gegenwärtigen Zustände vergleichen, das sind jene,

welche die älteren von uns selbst erlebt, die Verhältnisse, wie sie un­ gefähr vor 30 Jahren noch bestanden haben. Das ist das einzige, und

5 da, glaube ich, werden wir allerdings sagen können, es gab manches, was die heutigen Zustände in den Schatten stellt. Vor 30 Jahren, ich erinnere mich selbst sehr gut jener Zeit, waren die Hochschulen der Stolz der Nation und beinahe das einzige, worum das Ausland unsere Nation beneidet hat. Vor 30 Jahren — da war der akademische Lehrer ein Gegenstand der Bewerbung bei den vornehmsten

Gesellschaftskreisen, man suchte seinen Umgang, und er brauchte sich nicht zu empfehlen durch andere Titel als jene, die sagten, was er war. Heutzutage sehen wir ein ganz anderes Bild vor uns, schon gleich, was

den letzten Punkt betrifft. Wenn man heutzutage vom Professor so und so spricht, geschieht es beinahe regelmäßig mit einem spöttischen Oberton, namentlich, wenn noch das Wort „Herr" vorgesetzt wird. Die Mienen verziehen sich, man lächelt dazu. Wenn heutzutage der Professor jemandem imponieren will, muß er schon einen Titel führen, der womöglich etwas ganz anderes bezeichnet, als er wirklich ist. Nichts charakteristischer dafür als — einige von Ihnen kennen sie doch wohl — die blauen Samstags­ hefte, die jedesmal auf ihrem Umschläge die Mitarbeiter aufzählen. Da wird nie vergessen, bei jeden» Namen sorgfältig anzugeben, ob sein Träger Hof- oder Geheimer Hofrat, Regierungsrat oder Geheimer Regierungs- oder Oberregiemngsrat, Wirklicher Geheimer Oberregiemngsrat oder gar Exzellenz ist. Für einen einfachen Professor gehört schon ein gewisser Mut dazu, sich in diese Gesellschaft hineinzu­ trauen (Heiterkeit und Beifall). Nichts charakteristischer, als daß man glaubt, dem Publikum die Mitarbeiterschaft akademischer Lehrer nur auf diesem Wege noch empfehlen zu können. Allein das ist noch ver­ hältnismäßig Nebensache. Traurigere Merkmale der heutigen Zustände sind die literarischen und sonstigen Angriffe auf die Hochschulen und ihre Mitglieder. Es ist schon eine Art Literatur selbständig erwachsen, die sich lediglich um die Frage des Niederganges der deutschen Hoch­ schulen dreht. Man betrachtet es als selbstverständlich, ein solcher Nieder­ gang sei eingetreten, und untersucht nur die Ursachen und die Heilmittel dagegen. Und nicht genug damit! Es fallen hageldicht die Invektiven gegen die Anstalten, hageldicht fallen sie gegen die Gesamtheit der Hoch­ schullehrer und gegen jeden einzelnen. Nicht nur, was zu ertragen wäre, in der politischen Tagespresse, auch in den parlamentarischen Versamm­

lungen. Und in den parlamentarischen Versammlungen — wer ist es dort, der heute noch den Mund öffnet, um uns zu verteidigen? Wenn das Militär, die Justiz, die Polizei angegriffen wird, findet sich stets

6 eine Partei, die einen Entrüstungssturm zu entfesseln weiß, und stets ein Regierungsvertreter, der bereit ist, sich an die Spitze dieses Ent­ rüstungssturmes zu stellen. Wie anders, wenn die Verunglimpfungen gegen die Hochschullehrer herabprasseln! Da darf man noch froh sein, wenn der Regierungsvertreter nicht mit einstimmt, wenn er sich gnädigst

dahinter verschanzt, er sei nicht genügend informiert! Und doch handelt es sich um Vemnglimpfungen von Leuten, die von denselben Herren sonst immer als Untergebene behandelt werden. So konnte es schon fast zum Wettstreit unter politischen Parteien werden, dem Hochschul­ lehrer am Zeuge zu flicken. Wie ganz anders vor einem Menschenalter! Damals gab es kaum eine Partei, die nicht den größten Wert darauf gelegt hätte, bei der Auswahl von Kandidaten für das Parlament Pro­ fessoren der Hochschulen ausfindig zu machen. Wann versteigen sich heut­ zutage die Wähler dazu, einem Hochschullehrer ihr Vertrauen zu schenken? Er gilt fast überall als abgetanes Möbel, man braucht ihn nicht; man weiß, wenn man mit ihn: aufrückt, macht man eine schlechte Figur. Fragen wir uns, was ist dagegen zu machen? so gebe ich ohne weiteres zu, eine ganze Anzahl von Ursachen besteht für diese Ubclstände, denen wir mindestens unmittelbar nicht beikommen können, vielleicht nicht einmal mittelbar. Bedenken Sie, die Zeiten haben sich geändert gerade in bezug auf die Interessen, welche die Menge beseelen. Heutzutage überwiegen im großen und ganzen die materiellen, ins­ besondere die ökonomische!:. Da wird dasjenige geschätzt, was unmittel­ bar verwendet werden kann zur Erzeugung der ökonomischen Güter­

menge; was keinen solchen Dienst leistet, bleibt beiseite liegen — wes­ wegen denn auch die technischen Hochschulen wahrscheinlich weniger zu klagen haben als die Universitäten. Und weiter! Es sind seit 30 Jahrei: auf anderen Gebieten Erfolge erzielt worden, welche in der Tat die der Hochschulen in den Hintergrund drängen, und die Hochschulen werden das, wenn sie sich in den Staat wohl einordnen wollen, geduldig hin-

nehmen müssen. Bedenken Sie, große politische Erfolge sind Dinge, welche in den breiten Massen unendlich tiefere Eindrücke hinterlassen als die bedeutendsten Entdeckungen auf dem Gebiete des reinen Wissens. Diese Entdeckungen müssen erst praktisch anwendbar gemacht werden, wmn sich die Menge dafür interessieren soll. Mit den militärischen, mit den politischen Erfolgen, das sage ich ohne weiteres, können wir nicht wetteifern. Allein ich glaube, daß es gewisse Gebiete des Hoch­ schulwesens, des ganzen akademischen Lebeils gibt, wo für unser Ein-

7 greifen doch noch ein gewisser Spielraum besteht, wo wir nicht genötigt sind, ergeben in unser Schicksal zuzusehen. Das eine ist — und davon will ich zuerst reden, ohne gerade zu

sagen, daß es weitaus das wichtigste wäre — die Organisation des Hochschulwesens selb st. Warum? Gestatten Sie mir eine kurze Rückschau. Es sind jetzt gerade 60 Jahre, da trat zum ersten­

mal ein solcher Hochschullehrertag zusammen, wie ich ihn heute vor mir sehe. Es war das jene berühmte Deputiertenversammlung aller deutschen Hochschulen im September des Jahres 1848, die zu Jena stattgefunden hat. Diese Versammlung leitete eine neue Ara ein; von ihr her datiert ein Bruch mit jenem System der Hochschulverwaltung,

wie es namentlich durch die Karlsbader Beschlüsse eingeleitet worden war: mit dem System der strammsten polizeilichen Bevormundung. Man ist übergegangen zu dem System der Selb st Verwaltung

unter Staatsaufsicht, einem meines Erachtens innerlich wohl begründeten System, einem System, welches einen geradezu mustergebenden Ausdruck gefunden hat am Ende des dritten Viertels des vorigen Jahrhunderts bei Gründung der Universität Straßburg. Innerlich wohl begründet war dieses System der Selbstverwaltung; denn wer sonst soll die akademischen Dinge verwalten als die Leute, welche etwas davon verstehen, in ihnen täglich leben und sie folglich aus eigener Erfahrung kennen? Das heißt, die Akademiker, die Hoch­ schullehrer. Andererseits war aber auch innerlich wohl begründet — daran soll von uns nicht gerüttelt werden — die Staatsaufsicht. Die Hochschulen sind heutzutage und waren damals schon lange auf den

Staat angewiesen. Von den Stiftungsmitteln, die sie aus früheren Jahrhunderten mitbringt, kann eine Hochschule nicht leben, sie bedarf bedeutender Staatsbeiträge. Und ganz abgesehen davon, das Unter­ richtswesen ist eine Angelegenheit, woran der Staat, und zwar auf allen ihren Stufen, unmittelbar interessiert ist. Es kann ihm nicht gleichgültig

sein, wer Unterricht erteilt und wer ihn empfängt. Eine Unterrichts­ polizei wird, bei ruhigem Nachdenken, auch derjenige anerkennen müssen, der sonst kein Freund von Polizei ist.

Also Staatsaufsicht, die in der

Tat von niemandem geführt werden kann, als von denen, welche die Verantwortung für den Gang der Staatsregierung tragen. Sie müssen prüfen, wenn die Universitäten, wenn die technischen Hochschulen, wenn andere akademische Körperschaften Beschlüsse fassen, was davon im Staatsinteresse gelegen ist, ob das mit Staatsmitteln ausgeführt werden

8 kann; denn in der Regel kann ohne Staatsmittel überhaupt nichts ge­

macht werden. Dieses System hat geherrscht während des dritten Viertels des vorigen Jahrhunderts, und ich sagte, es ist charakteristisch, daß es damals

bei der letzten Gründung auf dem Gebiete des Universitätswesens in Deutschland — man kann sagen — seinen klassischen Ausdmck gefunden

hat. Aber gerade von Straßburg ist ein verhängnisvolles Wort aus­ gegangen: „Die Universitäten müssen bureaukratisiert werden." Und der Mann, der es gesprochen hat oder wenigstens gesprochen haben soll, hat den größten Einfluß seitdem auf dem Gebiete aller Universitäts­ verwaltung zu üben gewußt, und diesem Einflüsse, zum größten Teile mindestens, ist es zu danken, wenn man sagen kann, heutzutage sind die Hochschulen fast bureaukratisiert. Das heißt: nicht mehr Selbstverwaltung der Universitäten, der technischen Hochschulen, unter Staatsaufsicht, sondem Reglementierung durch Regierungs­ kommissare, Reglementierung vom Bureau aus, womöglich in allen Angelegenheiten. Wie kommt es, daß ein solches System nicht etwa bloß in einem Kopfe hat ausgeheckt, sondem in der Tat mit Beihilfe aller jener, die dabei in Frage kamen, hat durchgeführt werden können? Bei der Spezialisiemng aller Berufe läßt sich begreifen, daß die Kenntnis der akademischen Tätigkeit eher abgenommen als zugenommen hat. Wer nicht unmittelbar in ihr lebt, hat heutzutage so gut wie keine Vorstellung davon. Damit hängt allerlei zusammen. Man sieht an den Hochschulen Lehrer, welche auf Gmnd von Staatsauftrag und mit besonderer staat­ licher Unterstützung, genannt Besoldung, tätig werden, Lehrer, die Staatsbeamte sind, die der Disziplin des Staates unterworfen sind. Wie ungerecht, daß diese Beamten so ganz anders gestellt sind als die sonstigen Beamten des Staates! Als schwere Ungerechtigkeit empfinden diese es vor allem, daß der sonstige Staatsdiener einen nur verhältnis­ mäßig eng' begrenzten Urlaub im Jahre genießen kann, während der Hochschullehrer seine Tätigkeit durch gewisse längere Ferienzeiträume unterbrechen darf, und man glaubt, diese Ferienzeiträume brauche er ja nur zum Ausruhen zu benützen, und er könne während dieser Zeit machen, was er will, in der See baden, die Alpen besteigen. Man hat keine Ahnung davon, wozu diese Ferien dienen und wozu sie auch von fast allen benützt werden, daß sie benützt werden müssen zur Vorbereitung auf den ganz spezifischen Lehrbemf, daß sie auch zur selbstschöpferischen

9 Tätigkeit gehören und daß es feinen ordentlichen Dozenten gibt, der nicht selbst produziert.

Wie soll man davon eine Vorstellung haben?

Man achtet nicht auf dieses Gebiet. Man empfindet aber dergleichen als eine Ungerechtigkeit um so mehr, als man vom Professor meint,

wenn er literarisch tätig ist, sei dies nur eine nebensächliche Privatlieb­ haberei von ihm, die sich eigentlich gar nicht gehöre, und als man außer­ dem beobachtet, daß er in seinem Lehrberuf und in seiner literarischen Tätigkeit auch noch unter Umständen eine Quelle für wirtschaftlichen

Wohlstand findet. Welche Ungerechtigkeit gegenüber dem Staats­ beamten, für den solche Quellen nicht fließen! Charakteristisch genug,

man empfindet es nicht als Ungerechtigkeit, daß das analog auch beim Künstler der Fall ist, der als Staatsbeamter an einer staatlichen Akademie lehrt. Sehr charakteristisch, denn da hat die Masse immer noch eher eine Vorstellung von dem, was des Künstlers Sache ist und was dazu gehört, seinen Bemf auszuüben. Ganz anders gegenüber dem Gelehrten.

Wenn man einmal eine solche ungerechte Behandlung zu erleiden sich einbildet, schlägt sehr leicht die Empfindung der Ungerechtigkeit in das Gefühl des Neides über, und ich glaube, wir können sagen, hat das Aus­ land unsere Nation früher um ihre Hochschulen und Dozenten beneidet, so ist dieser Neid jetzt ersetzt durch einen anderen, aber nicht u m die Hochschulen und Professoren, sondem gegen die Hochschulen und Professoren, nämlich durch den Neid des Inlandes, ein Neidgefühl, das so ziemlich alle nichtakademischen Bevölkerungskreise durchdringt, und das wird in der gesellschaftlichen Behandlung der eine früher, der andere später kennen lernen — ein Neidgefühl, an dem niemand mehr partizipiert, als die Bureaukratie, welche auch am ehesten Ursache dazu zu haben glaubt. Von ihr darf es un§ nicht wundern, wenn auf ihrer Seite das Wort, das ich zitierte, fallen konnte, wenn sie von der Meinung ausgeht, der Hochschullehrer, der ein Beamter ist, dürfe auch nur be­ handelt werden wie ein Beamter. Man stellt ihn dazu an, ein Fach in irgendeiner Weise zu praktizieren, auch als Hochschullehrer; jeder muß

das fertig bringen, der aus dem Fach examiniert ist, und wenn er dazu angestellt ist, verlangt man seinen Dienst und macht ihm Dienstvor­ schriften und dafür wird er bezahlt. Ich darf nicht behaupten, daß dieses

System der Bureaukratisierung überall zu gleichem Erfolge gediehen sei. Nein, die Gradabstufung, in welcher es ausgebildet ist, wird ab­ hängen von der größeren oder geringeren Sachkenntnis und von der

größeren oder geringeren Gewalttätigkeit der Mächte, mit denen die

10 Hochschulen und Dozenten zu rechnen haben. Es darf uns darum nicht wundern, wenn gegenwärtig unsere österreichischen Kollegen, wie mir

scheint, sich verhältnismäßig am wenigsten beschwert fühlen, wenn überHaupt nicht alle Hochschulen in gleicher Weise klagen. Aber gewisse Grundzüge des Systems zeigen sich doch überall, und ich glaube, es wird nur auf individuellen und zufälligen Umständen beruhen, wenn diese Grundzüge nicht überall ganz gleichmäßig zum Vorschein kommen. Die einen hier, andere dort, hier früher, dort später. Ein Durchschnitts­ bild läßt sich also doch von dem System entwerfen. Wenn man die Universitäten, die technischen Hochschulen bureau-

kratisieren will, wenn man den einzelnen Hochschull.ehrer behandeln will wie einen beliebigen anderen Staatsbeamten, dem man die täg­ lichen Dienstvorschriften auf Schritt und Tritt mitgibt, so bedarf es einer vorbereitenden Maßnahme: die Autonomie der akademischen Körper­ schaften muß beschnitten werden. Und sie wird beschnitten. Da sehen wir, wie z. B. den Hochschulen vorgeschrieben wird, welche Beschlüsse sie selbst fassen sollen in Sachen ihrer Vermögensverwaltung, in Sachen sogar der Erteilung akademischer Würden. Noch vor gar nicht langer Zeit haben sich die Regierungen dahin geeinigt, daß die Fakultäten bei der Feststellung der Bedingungen zur Doktorpromotion gewisse Minimal­ bedingungen aufstellen müssen. Daß ein solches Eingreifen im konkreten Falle nützlich war, soll nicht bestritten werden; denn manche Promotions­ ordnungen haben gar viel zu wünschen übrig gelassen. Sie boten ebenso vorzügliche als willkommene Angriffspunkte dar. Aber wenn man auf einem Gebiete, auf welchem die Autonomie der akademischen Körper­ schaften von jeher am wenigsten antastbar schien, sie verletzen konnte, warum nicht auch auf anderen? Das nächste Mal schreibt man dann nicht Minimal-, sondern Maximalbedingungen vor, und das übernächste Mal nimmt man die Erteilung des Doktortitels selbst in die Hand; dann wird der Doktortitel in den Ministerialbureaux verliehen, und man braucht sich dabei bloß auf das Muster von Japan zu berufen. Ist aber nur einmal die Autonomie beschnitten, so kann es an die Selbstverwaltung gehen, und man hat in dieser Hinsicht bereits recht ausgiebige Versuche gemacht. Da ist bekanntlich der Hauptgegenstand unserer Klagen die Einmischung der Staatsaufsichtsbehörden in die Lebensfrage jeder Hochschule: die Besetzung der Lehrstühle. Kein Wort sage ich dagegen,

wenn die Aufsichtsbehörde die Vorschläge prüft, welche nach Recht und Billigkeit das Professorenkollegium, das mit dem zu Berufenden zu-

11 samlnenwirken soll, an sie gelangen läßt, wenn sie sich diese Vorschläge

darauf ansieht, ob sie mit (Staatsmitteln ausführbar ober ob sie im Staatsinteresse gelegen seien, und ich habe nichts dagegen, wenn unter diesen Gesichtspunkten ein solcher Vorschlag nicht beachtet wird, etwa eine Verfügung im Gegensatz dazu ergeht. Denn es sind mir Fälle be­

kannt, wo leider solche Vorschläge ohne jede sachliche Begründung gemacht wurden und persönliche Rücksichten bestimmend waren. Wenn die Regiemng das merkt, warum soll sie nicht selbständig vorgehen?

Allein dämm handelt es sich nicht. Ganz andere Dinge stehen in Frage: sachlich wohl begründete Vorschläge werden überhört, gegen sie werden, ohne daß man nur einen Anlauf nimmt zur Begründung des eigenen

Vorgehens, Regiemngsaktionen vorgenommen; wie oft haben wir es nicht erlebt, daß bedeutende Lehrstühle — vor wenigen Wochen z. B. hat es sich um einen gehandelt, wo man es am wenigsten erwartet hätte, daß Regiemngsbehörden sich die erforderliche Sachkenntnis zutrauen würden — daß, sage ich, bedeutende Lehrstühle besetzt werden, ohne daß die Fakultät überhaupt gehört wird? Dergleichen wiederholt sich da und dort in rascher Folge. Und so ist es schon dahin gekonrnren, daß auf einflußreiche Lehrstühle Leute gelangten, die wissenschaftlich so gut wie nichts geleistet haben. Man wird sich daher auch nicht wundern dürfen, wenn Anstellungen erfolgen mit dem so verständlich als stillschweigend erteilten Auftrag, eine Wissenschaft in einer bestimmten Richtung zu vertreten. Auch dieses haben wir erlebt, es brauchte kein förmlicher Vertrag darüber geschlossen werden, worin gesagt wurde: du vertrittst dein Fach in d e r Richtung und nicht in jener. Wenn man die Motive einer Bemfung kennt, kann man sich an den Fingem abzählen, warum sie erfolgt ist, und wer sich darauf einläßt, muß mit gebundenen Händen sich fügen. Es sind auch Versuche vorgekommen, unmittelbar in die

Lehrfreiheit einzugreifen, Versuche in der Art, daß von Aufsichtsbehörden Erlasse an den Senat gelangten oder an einzelne Mtglieder der akademi­ schen Körperschaft, worin ihnen das Mißfallen ausgesprochen wurde, daß dieser oder jener Professor sich in dieser oder jener Weise geäußert

habe. Es mißfiel z. B., wenn er sich darüber verbreitet hatte, wie der akademische Lehrer ausschließlich seiner Überzeugung Raum geben dürfe, wenn seine Hörer vor ihm Achtung haben sollen.

Solche

Eingriffe in die Lehrfreiheit sind nicht etwa dadurch weniger in der Welt, daß man sie hinterdrein nur als vertrauliche gelten lassen will.

12 Soll die Selbstverwaltung beschnitten werden, dann gehören aber

auch Leute dazu, die sie beschneiden lassen. Und da zeigen sich denn nun die allerstärksten Anläufe zur Durchführung eines wohldurchdachten und gegliederten Systems, das dazu bestimmt ist, die Hochschullehrer zu abhängigen Existenzen zu stempeln, sie auf die Stufe von Mittelschullehrern herabzudrücken. Ein ausgetüfteltes System z. B. von

ebenso leeren als billigen Auszeichnungen stachelt den Ehrgeiz und die Eitelkeit an und ordnet in den Augen der unkundigen Menge den Ge­ lehrten in die bureaukratische Hierarchie ein. Man muß sich die Aus­ zeichnungen verdienen und sich nachher dankbar dafür erweisen. Die Öffentlichkeit merkt nichts davon, daß solche Auszeichnungen gelegentlich

anständigen Menschen auch aufgedrungen werden, daß es lange Dis­ kussionen gekostet hat, bis der Betroffene mürbe genug gemacht wurde,

um sie sich gefallen zu lassen. Was nützt es, auseinanderzusetzen, wie unan­ gemessen solche Auszeichnungen sind, weil sie nicht von Sachverständigen ausgehen, wie sehr sie einen Hochschullehrer in den Augen seiner Hörer heruntersetzen, nachdem er ihnen gepredigt hat: es dürfe bloß ankommen auf die Wahrheit, auf die Sache und nicht auf Äußerlichkeiten! Man bekommt zur Antwort: wir finden, daß die Rangstellung des Hochschul­ lehrers zu niedrig sei, wir wollen Sie aus dieser Rangstellung empor­ heben,— als ob es nicht einfacher wäre, daß man die Rangstellung des Hochschullehrers selbst hebt, statt einzelne herauszugreifen und den anderen die Niedrigkeit ihres Ranges noch empfindlicher zu machen. (Lebhafter Beifall.) Vielleicht werden solche Mittel nicht ganz aus­ reichen, um einen schmiegsamen Dozentenstand großzuziehen. Dann aber wäre die Bureaukratie um andere Pläne nicht verlegen. Wo sonst als in einem Bureau konnte das Projekt ersonnen werden, das einer Zentralinstanz die Kontrolle des Studienganges der zu Prüfungen

zuzulassenden Kandidaten und damit zugleich der Lehrer übertragen wollte? Welche bequeme Handhabe läge in einer solchen Dozenten­ kontrolle, um die Gutgesinnten zu belohnen, die bösen Buben aber zu bestrafen. (Heiterkeit.) Der Beherrscher eines Bureaus ließ sich noch erst kürzlich dafür preisen, jenes dem Anschein nach so unverfängliche Zentral­ amt erdacht zu haben, das einem jeden Auskunft erteilt über alles, was ihn von Hochschulangelegenheiten angeht, wo man es aber dem Studenten beibringen kann: jenen darfst du hören, diesen mußt du meiden, hie niger est! Wer weiß? Vielleicht erleben wir's, daß

man in einem solchen Zentralamt Konduitenlisten führt, die dann auch

13 den Regierungen gute Dienste leisten können. Und wer anders als die

Beherrscher von Bureaus, natürlich unter reichlichen Beifallssalven der anderen Bevölkemngsklassen, hat solche Systeme ausgearbeitet, wie gewisse Honorarienordnungen, die recht eigentlich dazu geführt haben, den Hochschullehrerstand zu demoralisieren und zu erniedrigen?

Die Mißstände, die ich hier schildere, sind gemeingefährlich. Denn es gilt als staatsmännisch, Zugeständnisse an politische, konfessionelle, wirtschaftliche und höfische Interessengruppen auf dem Gebiete der Hochschulverwaltung zu machen, — und zwar hier eher als auf irgend­ einem anderen.

Hier, bildet man sich ein, geschehen sie kostenlos.

Es

mangelt eben an der tieferen Einsicht in den Betrieb der Wissenschaften. Man ahnt nicht, wie da jeder Fehlgriff andere in unabsehbarer Reihe

nach sich zieht, wie man auf diese Weise ganze Universitäten mediokrisieren kann. Bei alledem liegt es mir ferne, zu verkennen, daß die Bureaukratie auch dankenswerte Schöpfungen aufzuweisen hat. Wenigstens einige unter unseren Hochschulen sind nur mit Hilfe der Bureaukratie auf einen modernen Fuß gebracht und ausgestattet worden, glänzender, als jemals zuvor eine ausgestattet war. Prächtige Institute sind ins Leben gerufen, neue Kollegienhäuser sind erbaut worden. Aber die Prachtbauten bleiben Potemkinsche Dörfer, wenn nicht auch dafür gesorgt wird, daß den Unterricht darin immer nur die bestgeeigneten Kräfte besorgen. In Wirklichkeit scheint man jedoch seinen Stolz mehr in die Fassaden zu setzen, als in das, was dahinter ist. Wie kann nun den bureaukratischen Tendenzen gesteuert werden?

Man schlägt vor eine Milderung des bureaukratischen Absolutismus durch eine Art von Hintertreppenpolitik. Die Machthaber sollten sich informieren bei den ersten Notabilitäten der Wissenschaft. Und eigent­ lich geschehe dies ja schon. Frage man auch nicht die Fakultäten, so doch Es käme nur darauf an, wer den Herren als notabel genug erscheint, um von ihnen gefragt zu werden, und ob dieses geheime Befragen nicht ein Intrigantentum großzieht, wie es kaum jemals bei uns geherrscht hat. Ich glaube, es ist ein etwas bedenk­ liches Mittel, das da in den „Preußischen Jahrbüchern" empfohlen wurde. Femer hat aber schon die Bureaukratie selbst scheinbar konstitutionelle Wege betreten. Sie hat die berühmte Rektorenkonserenz erfunden. Gerade zuweilen wenigstens andere.

jetzt, anläßlich der Einladung zum Hochschullehrertag, hat man sie ein» berufen. Zugegeben, es ließe sich daran noch einiges verbessern,

14 z. B. durch Zuziehung von Delegierten der einzelnen Hochschulabteilungen, so bezweifle ich doch sehr, daß diese Einrichtung die Zustände wesent­ lich ändem kann. Es ist nur wieder eine neue bureaukratische Anstalt. Die Rektoren werden ja, leider Gottes, üblicherweise nicht unter solchen Gesichtspunkten gewählt, unter denen sich ihre Eignung für eine solche Rektorenkonferenz ergeben würde. Wie oft entscheidet der Turnus,

das Dienstalter! Und wäre es auch anders, die Konferenz wird immer nur dazu herhalten müssen, den in Wahrheit Verantwortlichen ihre Verantwortlichkeit abzunehmen. Ich denke, solche Mittel werden wohl zu übergehen sein. Nichts wird übrig bleiben als festes Stellungnehmen jedes einzelnen Mannes. Dazu gehört aber die Deckung des Rückens für jeden. Diese ist zu erreichen durch einen Zusammenschluß, der es

dem einzelnen erleichtert — wir sind Menschen und brauchen zuweilen eine solche Nachhilfe — sich auf seine Pflicht zu besinnen, sich zu er«

innern, daß die akademischen Körperschaften keine bloßen Regierungskommissionen sind, daß sie mindestens die Stellung von Gemeinde­ behörden einnehmen, von Magistraten, die sich nicht vorschreiben lassen, welche Beschlüsse zu fassen sind, die wohl unter Staatsaufsicht stehen, deren Beschlüsse nicht ausgeführt werden müssen, denen aber innerhalb ihrer eigenen Zuständigkeit nichts aufgezwungen werden kann. Wir sind Mtglieder akademischer Körperschaften, wir haben uns darauf­ hin anstellen lassen, solche Mitglieder zu sein, und uns unfern Körper­ schaften verpflichtet. Auf diese Pflichten müssen wir uns besinnen. Das wird uns erleichtert, wenn der einzelne eine starke Organisation hinter sich weiß, und ich wäre begierig zu wissen, wer den Mut hat,

einer solchen Organisation etwa eine Gegenorganisation entgegen­ zustellen. Verehrte Kollegen! Ich sprach soeben davon, wir müßten uns unserer Pflichten erinnern, damit kam ich aber schon auf das zweite Gebiet, das ich besprechen wollte, und welches mir womöglich noch wichtiger erscheint, als das erste: unsere Pflichten als Lehrer imakademischenOrganismus,alsBeamte und in unserer Lebensführung. Lang wäre die Reihe von Kapiteln, die ich da erörtern könnte, lang die Kapitel selber, wo überall sich würden Gebrechen aufführen

lassen. Wollen wir uns doch nicht selbst belügen: es steht schlimm. Ich will zunächst mit etwas anfangen, was wiedemm eine verhältnismäßig

geringere Rolle spielt. Wie wird denn eigentlich von uns die F e r i e n -

15 ord nung beobachtet? Draußen heißt es, unsere Herren Professoren haben immer Ferien, nur zuweilen werden die Ferien durch Vor­ lesungen unterbrochen. (Heiterkeit.) Das ist freilich nicht wahr. Werden aber solche populären Gerüchte nicht doch vielleicht vom einen oder andem unter uns selbst veranlaßt? Fängt jeder an, seine Vorlesungen zu halten wie er sollte, wenn das Semester beginnt? Schließt jeder seine Vorlesungen erst dann, wenn das Semester beendigt ist? Wohl weiß ich, daß gar mancher Entschuldigungsgrund geltend gemacht werden kann. Den einen entfernt eine Dienstreise vom Orte, er hat Inspek­ tionen abzuhalten, ein anderer ist mit seinen Vorlesungen fertig geworden. Auch ihm kann kein Borwurf gemacht werden. Denn allerdings be­ ginnen die Ferien nicht dazu mit einem bestimmten Termin, weil etwa unter allen Umständen bis dahin gelesen werden muß. Mein ich habe

doch den Eindruck, als ob in recht vielen Fällen die Sache anders läge. Nicht gar zu selten kommt es vor, daß einer so rasch „fertig" wird, weil er im heißen Juli das Bedürfnis empfindet, seine Vorlesungen etwas zusammenzuziehen; daß er sobald „fertig" wird, weil er das akademische Viertel in Beschlag nimmt zur schweren Belästigung der anderen Kollegen, denen damit ihre Kollegien verdorben werden. Mancher auch meint, wenn er zu spät anfängt oder zu früh schließt, sich auf die vielen Studenten berufen zu können, die nicht da sind, als

ob er für die vortrüge, die nicht hören wollen. Das sind jedoch immer­ hin noch Menschlichkeiten. Sehr viel weniger schön nimmt es sich aus, wie auf dem Gebiete des Prüsungswesens gewirtschaftet wird. Gibt es da keinen unlauteren Wettbewerb von Universitäten gegenüber Universitäten, von Dozenten gegenüber anderen Dozenten? Gibt es nicht Fakultäten und Examinations-Kollegien, die sich gar nicht ent­ blöden zu sagen, wir müssen milde Saiten aufziehen, sonst bekommen wir keine Zuhörer, sonst gehen die Studenten anderswo hin? Und

gibt es nicht Dozenten, die die Examina bloß darauf einrichten, daß sie der Examinand nur bestehen kann, wenn er gerade sie gehört hat? (Lebh. Zusttmmung.) Man hat Beispiele dafür, daß die Vorrede eines Lehrbuches systematisch auseinandersetzt, wie man nicht das Examen bestehen kann, wenn man nicht gerade dieses Lehrbuch studiert, wie aber auch dieses Studium nichts nützt, wenn man nicht die Vorlesungen des Verfassers gehört hat. Nun erst gar aber dieDoktorpromo-

t i o n e n!

Ich habe doch den Eindruck, als ob der deutsche Doktor­

titel in den letzten Jahrzehnten im Auslande arg in Mißkredit gekom-

16 men sei. (Lebh. Zustimmung.) In Paris ist kürzlich einer unserer Kol­ legen einer großen Gesellschaft vorgestellt worden: „Monsieur de N. N., un peu docteur (lebhafte Heiterkeit) comme tous les Allemands“. Englische, ja sogar amerikanische Universitäten nehmen sich heraus, Ge­

lehrten, die den Doktortitel an deutschen Hochschulen erworben haben, den nämlichen Doktortitel noch einmal zu verleihen. Das ist genug. Fragen Sie aber nur unsere Universitätsbibliothekare, wie sie sich ver­ legen fühlen, wenn z. B. aus Frankreich als „These" ein bedeutendes wissenschaftliches Werk hereinkommt und wir im Schriftenaustausche nichts entgegenzubieten haben als einen Wisch von zwei Bogen mit einer

Krankengeschichte oder Paragraphenjurisprudenz. Und bei den Rigorosen, was ist denn da noch rigoros? (Rufe: die Taxe!) Mitunter, das andere ist dann um so leichter. Ich sage nicht, daß es allenthalben so zugeht, es ist schon traurig genug, wenn eine „Doktorfabrik" hier oder dort besteht. Unwürdigen Handel mit Doktordiplomen hat noch vor wenigen Jahren

einer der angesehensten deutschen Hochschullehrer gewissen Fakultäten vor­ geworfen: „Sumimus pecuniam et mittimus asinum in Achaiam“. Allerdings wird an dieser Stelle eine gründliche Heilung erst möglid) sein, wenn keine Regiemng mehr einen Dozenten auf solche Handelschaften anweisen wird. Mit den Doktorpromotionen hängt aber noch ein wich­ tiger Punkt zusammen, und das ist der Punkt, auf welchen diese Tagung noch zu sprechen kommen wird: die Art, wie wir für den Nach­ wuchs s o r g e n. Da fängt mancher zum ersten Male an „rigoros" zu werden. Er verlangt endlich einmal wissenschaftliche Leistungen. Aber wie viele haben den Maßstab dafür nicht durch ihre Promotions­ sitten eingebüßt. Und anderseits: wie mancher gebärdet sich da unter

Umständen viel rigoroser, als es die Habilitationsordnung eigentlich zuließe. Es wird z. B. ein Bewerber deshalb von der Habilitation aus­

geschlossen, weil der Fachordinarius findet, er selbst sei eigentlich genug für das Fach, einen andem brauche man nicht. Es kommt vor, daß der Fachordinarius dem armen Kandidaten das gleich bei dessen erstem Besuch sagt. Oder man spürt nach der Gesinnung des Mannes, man

sammelt Bedenken darüber, wie unangenehm sie etwa einer bestimmten Parteigruppe werden könnte. Gewiß sind die persönlichen Eigenschaften, gewiß insbesondere ist das Vorleben des Bewerbers nicht gleichgültig, und ich bin dafür, daß nicht bloß nach den formellen „praestanda“ der Habilitationsordnung gefragt werde. Aber es ist stark, wenn man nach Sachen frägt, die weder mit dem Berufe noch mit der wissenschaftlichen

17 Betätigung etwas zu schaffen haben, wenn etwa eine Fakultät beschließt: wir lassen überhaupt keinen zur venia legendi zu, der einmal an einer

anderen Hochschule doziert hat.

Ganz zweifellos sind das Schäden,

die Anlaß bieten zu sehr berechtigten Vorwürfen gegen die Hochschulen und gegen ihre Vertreter. Ganz zweifellos sind das Anlässe zu solchen Invektiven, von welchen ich gesagt habe, daß sie hageldicht auf uns herabprasseln. Das darf uns nicht wundem. Und weiter: wenn Be­ rufungsvorschläge zu machen sind, wird da immer sachlich verfahren? Ich habe heute schon angedeutet, daß Fälle vorgekommen sind, die es begreifen lassen, wenn die Aufsichtsbehörden ihre eignen Wege gingen. Es wird nicht immer darnach gefragt, wer das Beste leistet. Wie oft kommt es nicht vor, daß gutmütige Herren dasitzen, die finden, man habe einen Privatdozenten nun schon so lange, daß man ihm zur Anstellung verhelfen müsse. Und ebenso beim Extra­ ordinarius. Er hat nicht gerade nachweislich Sünden wider den heiligen Geist begangen, warum soll man ihn nicht zum Ordinarius machen?

Es wäre ungerecht, ihn zugunsten eines Fremden zu übergehen. Das alles wissen Sie, und nicht bloß das. Es wird uns vorgeworfen, zwar auch nicht durchaus mit Recht und nicht in der zutreffenden Fassung, daß wir nicht die richtige Art zu beobachten wissen im Verhältnis zu unseren Schülern. Ein leichtfertiger Tadel freilich ist es, daß heutzutage nicht so wie in alter Zeit der Hochschullehrer zu jedem Schüler, der seinen Umgang wünscht, ein persönliches Verhältnis ein­ geht und int persönlichen Verkehre den jungen Mann fördert. Mich wundert es nicht, wenn Hermann Grimm einen Studenten, der ihn ausgesucht hatte, um seinen persönlichen Umgang zu finden, fragte: „Wollen Sie sich eigentlich mit Kunstgeschichte beschäftigen?" und wie der erklärt, er interessiere sich nicht dafür, zurückhaltend wurde. Wie

soll an einer großen Universität der einzelne Dozent es anfangen, sich einem jeden persönlich zu widmen, der es begehrt? Aber gewisse Mäitgel bestehen doch. Am empfindlichsten scheinen sie wiederzukehren — ich muß das freilich mit Vorbehalten bemerken, denn Sie werden sagen, ich verstehe das nicht — in den Instituten. Wie oft hört man nicht klagen, ein Institutsdirektor lasse sich das ganze Semester lang so gut wie gar

nicht sehen, und die jungen Leute sind doch in das Institut eingetreten,

nicht, um bloß mit dem Assistenten zu verkehren, um hinter dem Vor­ hang etwa zur Ausarbeitung einer Dissertation Rezepte zu empfangen und Bücher nachgewiesen zu bekommen; sie wollen in diesem Fache Deutscher Hochschullehrer-Tag.

2

18 des persönlichen Umganges mit dem Meister teilhaftig, von ihm an­ geregt, erzogen werden. Wenn die Dinge so liegen sollten, müßte man anerkennen, der junge Mann habe ein richtigeres Gefühl von den Auf­ gaben des Meisters, als der Meister selbst. Aber auf der andem Seite

habe ich den Eindruck, als ob gar heutzutage, wenigstens an gewissen Hochschulen, ein Ton herrsche, von deni mau nicht sagen kann, daß er den Studenten gegenüber die pädagogisch wünschenswerte Zurückhaltung markiert. Ich meine zu beobachten, man komme ihnen oft allzuweit ent­

gegen, man bewerbe sich allzu leidenschaftlich um sie. Es gibt Dozenten, die veranstalten jedes Semester fidele Kneipgelage mit ihren Hörem, wobei sie dann mit der berühmten Rede paradieren, wie sie sich verjüngt fühlen im Umgänge mit den Kommilitonen! (Lebhafter Beifall.) Kein Wunder, wenn schließlich das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler sich umkehrt, wenn der Student beinahe Tag für Tag sich erlaubt, den Dozenten durch Demonstrationen zu beurteilen. Wie wird gescharrt, wenn der Dozent ein Wort verliert, das dem Hörer nicht in den Kram Paßt, und welches Getrampel bricht los, wenn dem Professor eine erwünschte Anspielung entschlüpft! Noch ein Punkt wäre in dieser Reihe von Kapiteln zu erwähnen, und ich glaube dabei immer noch nicht vollständig zu sein. Unsere per­ sönliche L e b e n s f ü h r u n g ist auch nicht immer so wie sie sein sollte. Ich denke da insbesondere an den Luxus, dem die besser gestellten Professoren sich hingeben ititb in den sie die minder glücklichen Kollegen hineinziehen, die glauben mittun zu müssen. (Zustimmung.) Hinter­ läßt das nicht einen schlechten Eindruck? Es gibt Universitäten, wo fürst­ liche Diners und Gelage veranstaltet werden, wo man von auswärts die Köche kommen läßt, weil am Ort keiner der Aufgabe gewachsen ist. Ich will diese Dinge nicht weiter verfolgen. Sie zu vertuschen, die alle Welt kennt, nützt nichts. Man muß vielmehr die Wunden besichtigen und bei sich selber a n f a n g e n, wenn man das verlome An­ sehen zurückgewinnen will. Was soll aber geschehen? Einrichtungen, Institutionen werden da nicht viel helfen. Menschen würden dazu ge­ hören, die sie ausführen, und wenn mandie richtigen Menschen hat, braucht man die Institutionen nicht. Aber wir haben die richtigen Menschen nicht in ausreichender Zahl; es gibt wirklich viele unverbesserliche Ele­ mente unter uns, und darauf kommt es an, sie auszumerzen, solange es noch Zeit ist. Wie macht man das? Bon den Aufsichtsbehörden ist

in dieser Beziehung schlechterdings nichts zu erwarten, selbst wenn sie

19 von den besten Vorsätzen erfüllt wären. Nur wir selbst können die Übel heilen. Wiedemm gehört aber dazu eine Organisation, durch die wir nicht nur den Starken den Rücken decken, sondern auch den Schwächeren den Rücken stärken. Die natürliche Anziehungskraft einer Organisation

wird dies besorgen. Denn auch hier sage ich: den möchte ich sehen, der

einer Organisation, die sich ein solches Programm setzt, eine Gegen­ organisation entgegenzustellen untemehmen würde.

Wollen wir an unsere Arbeit gehen und beraten, wie eine derartige Organisation zu schaffen sei, dann werden wir am besten die Unglücksprophezeihungen zu nichte machen, wovon ich eingangs geredet habe. Es wird offenbar tverden, daß es sich uns nicht darum handelt, eine Organisation zu schaffen, die etwa darauf ausgeht, Tarifverträge zu er­ zielen und Streiks zu organisieren. Die Herren brauchen nicht zu fürchten, daß am Horizonte die Köpfe der Streikposten auftauchen, und daß Aus­ sperrungen über sie verhängt werden. Nichts von solchen Dingen ist gemeint worden, wenn das Wort „Gewerkschaft" gefallen ist. Aber gemeint war, es sollte mit der Organisation wenigstens das erreicht werden, was jede ordentliche Gewerkschaft erreicht: der Ausschluß der Minderwertigen. Wenn wir heute an diese Mrbeit gehen, kann nicht daran gedacht werden, daß tvir sie schon zu Ende führen. Wir können heute nur die erste Grundlage schaffen, und darum bitte ich Sie, das mög­ lichst einmütig zu tun, möglichst die Sonderwünsche in den Hintergrund zu rücken, damit nimi uns nicht nachsage, schon am Anfänge seien wir uneinig gewesen. Was nicht heute erreicht wird, kann übers Jahr

kommen. Und wollen wir noch eines festhalten: wir sind kein Professoren­ parlament. In dieser Hinsicht möge sich unser getreuer Eckart von den „Preußischen Jahrbüchern" beruhigen. Niemanden vertreten wir als uns selbst. Um so weniger kann es hier Mehrheiten geben, die legitimiert wären, Fraktionsthesen durchzudrücken. Bloße Mehrheit bedeutet nicht Einmütigkeit, sondern ihr Gegenteil. Je fester wir dessen eingedenk

bleiben, desto rräher werden wir heute und morgen unserm gemein­ samen Ziel kommen. (Lebhafter anhaltender Beifall und Hände­ klatschen.) Vorsitzender Brentano:

Es war meine Absicht gewesen, über Zweck und Ziel einer Organisation deutscher Hochschullehrer selbst zu

sprechen. Ich könnte aber dem erschöpfenden Referate, das wir soeben gehört haben, nichts hinzufügen, und dasselbe wie Herr v. Amira zu sagen, könnte den Eindruck seiner unübertrefflichen Ausführungen 2*

20

nur abschwächen.

Ich verzichte daher auf den Versuch, noch weiteres

zur Rechtfertigung des Aktionsausschusses, der Sie hierher zusammen­ berufen hat, anzuführen, und beschränke mich darauf, in Ihrer aller Namen dem Herm Vorredner für seine glänzende Einleitung unserer Verhandlungen zu danken. Das Aktionskonritee hat sich erlaubt, Ihnen Vorschläge für eine

Organisation deutscher Hochschullehrer vorzuschlagen. Ich unterlasse es, Ihnen diese Vorschläge, die gedruckt in Ihren Händen sind, nochmals vorzuleseir, und glaube im Sinne Ihrer aller zu handeln, wenn ich beantrage, dem tiefen Eindruck, den die Rede des Herrn von Amira auf uns alle genracht hat, dadurch Ausdruck zu geben, daß wir die sorg­

fältig vorbereiteten Vorschläge des Aktionsausschusses en bloc anuehnrerr. Dieser Antrag des Vorsitzenden wird e i n st i nt m i g äugen omme n. Die angenommenen, nur stilistisch etwas veränderten Vorschläge lauten: „1. Die Versammlung beschließt, daß wiederkehrende Versammlungen deutscher Hochschullehrer abgehalten wer­ den, deren Zweck ist: a) die Besprechung der gemeinsamen Angelegen­ heiten;

b) die Wahmehmung der den deutschen Hochschullehrem anvertrauten geistigen Interessen. „2. Diese Versammlungen finden in der Regel jährlich einmal während der Ferien in einer Stadt des Deutschen Reiches oder Österreichs, gegebenenfalls auch der Schweiz statt.

„3. Zur Teilnahme berechtigt ist jeder Lehrer einer deutschen Hochschule. Jeder Teilnehmer hat den vom Aus­

schuß jeweils festzusetzenden Versammlungsbeitrag zu ent­ richten. „4. Die Versammlung wählt einen geschäftsführenden Ausschuß, dem die Vorbereitung für die nächste Versamm­ lung im Einvemehmen mit Vertrauensmännem an den einzelnen Hochschulen obliegt. „5. Der Ausschuß bildet sich sofort nach stattgehabter

Wahl und ernennt seinen Vorsitzenden. „Seine Amtsdauer erstreckt sich bis zur nächsten Ver­ sammlung. In der Zwischenzeit eintretende Lücken in seinem Mitgliederbestände kann er durch sich selbst ergänzen.

21 „6. Bei jeder Versammlung wird der Ort der nächsten Versammlung bestimmt. Für diesen Ort wird ein Ortsaus­

schuß für die Einzelheiten der Versammlungsvorbereitung

gewählt, welches sich durch Kooptation ergänzen kann." Der Vorsitzende Brentano beantragt weiter folgende Re­

solution: „Der erste deutsche Hochschullehrertag hält es für wünschenswert,

daß au allen Orten, die Sitze von Hochschulen sind, Ortsgruppen entstehen, welche im Sinne seines Vorgehens zu wirken bestrebt sind." Auch diese Resolution wird einstimmig angenommen. Der Vorsitzende Brentano macht ferner die Mitteilung, daß

von zwischen 5000 und 6000 Hochschullehrern, die es im deutschen Sprach­ gebiete gibt, über 1000 schriftlich ihre prinzipielle Zustimmung erklärt haben, also mehr als ein Sechstel der deutschen, deutsch-österreichischen und

schweizer Hochschullehrer.

Außerdem seien dem Aktionsausschüsse zahl­

reiche Mitteilungen von Kollegen zugekommen, die ausdrücklich bitten,

daß erwähnt werde, wie sehr sie es bedauern, am persönlichen Erscheinen verhindert gewesen zu sein, so die Herren Ed. Schiff-Wien, Theodor

Fuchs-Wien, Binding-Leipzig, Karlfmann-Breslau,

von Reckenschuß-

Wien, R. Schroeder-Heidelberg, Oechelhäuser-Karlsruhe, Binder-Er­

langen,

Leutner-Jnnsbruck,

Lanrprecht-Leipzig,

von Myrbach-Jnns-

bruck, von Herrnritt-Wien.

Hierauf wird auf Vorschlag des Vorsitzenden die Wahl eines ge­ schäftsführenden Ausschusses beschlossen nnd der Aktionsausschuß mit

der Vorbereitung bis zur nächsten Sitzung betraut.

B a r ck h a u s e n (Hannover) und Stengel (Greifswald) bean­

tragen die vollständige Drucklegung der Rede v. Amiras.

Der Vor­

sitzende möchte es diesem überlassen sehen, die Form der Veröffent­ lichung seiner Rede, die er für geeignet halten wird, selbst zu bestimmen. Diese Vorschläge werden einstimmig angenommen.

Die Sitzung wird hierauf geschlossen und die nächste auf 3 Uhr anberaumt.

Zweite Sitzung am 8. September um 3 Uhr.

Den Vorsitz führt Brentano. Er teilt zunächst Vorschläge für die A u s s ch u ß w a h l mit, die aus der Mitte der Versammlung vermehrt werden. Gewählt werden mit dem Recht der Kooptation: K. v. A m i r a- München. G. B a r k h a u s e n - Hannover. St. Bauer - Basel. K. B i n d i n g - Leipzig. L. BrcntanoMünchen. V. E b n e r v o n R o f e n st e i n - Wien. H. E r d m a n n Charlottenburg. Th. Fischer -Marburg. W. Foerster -Berliu. L. M. Hartmann-Wien. K.Hochenegg-Wien. R.HoernesGraz. E. L e ch e r - Prag. W. Rein- Jena. A. R i e d l e r Charlottenburg*). R. Schröder-Heidelberg. E. StengelGreifswald. L. Wah rmund- Innsbruck. W. Waldey erBerlin. A. Weber- Prag (Heidelberg). E. Z i t e l m a n u - Bonn. Hieraus beginnt die Verhandlung über die Frage des a k a d e m i schen Nachwuchses. Der Vorsitzende erteilt das Wort an den ersten Referenten: Eulenburg (Leipzig):**) Wenn wir die Frage des akademischen Nachwuchses richtig behandeln wollen, werden wir uns von vornherein

nicht auf die Privatdozenten allein beschränken dürfen; denn eine voll­ kommen durchgeführte Trennung zwischen ihnen und den Extraordi­

narien ist nicht zu machen. Die Verleihung des Titels Professor wird an den verschiedenen Hochschulen verschieden gehandhabt, und scharfe Grenzen' zwischen den einzelnen Kategorien der Privatdozenten, der Extraordinarien ohne oder mit Lehrauftrag, ohne oder mit Gehalt lassen

*) Fand

sich

mit Rücksicht aus

seine

längere Abwesenheit zu Studien­

zwecken genötigt, die Wahl abzulehnen.

♦*) Nach dem vom Redner selbst zum Protokoll eingercichten Manuskript.

23

sich nicht gut ziehen, sondern es finden mannigfache Übergänge statt. Auch

das Alter kann nicht mehr als entscheidendes Merkmal angesehen werden, wie wir noch ansführen werden. Das, was den von uns betrachteten Universitätslehrern gemeinsam ist und was sie miteinander verbindet, das ist ihr äußerer Gegensatz zu den Ordinarien, die Tatsache, daß sie nicht zur Fakultät im engeren Sinne gehören. In der Korporation der Universitäten, in ihrer genossenschaftlichen Selbstverwaltung sind sie offiziell nicht vertreten. Sie haben weder Sitz und Stimme in der Fakultät, noch haben sie sonstwie über ihre eigenen Angelegenheiten wirklich mitzureden. Wir können sie dämm passenderweise als die „ n n o f f i z i e l l e Universität" der offiziellen, durch die Ordi­ narien repräsentierten gegenüberstellen. Und man hat sich lange Zeit imt diese recht ansehnliche Schar der Universitätslehrer prinzipiell nicht gekümmert, weder seitens der Regierungen, noch seitens der Universi­

täten selbst. Es besteht die Anomalie, daß ein Organ für die Vertretung ihrer Interessen trotz des korporativen Charakters der deutschen Hoch­ schulen nicht existiert. Daß aber diese Fragen wichtig geworden sind, beweist die Tatsache, daß man sie auf die erste Tagesordnung dieses Hochschullehrertages gesetzt hat. Um nun konkrete Unterlagen für eine fruchtbare Erörterung dieser Verhältnisse zu gewinnen, habe ich bei sämtlichen Privatdozenten und Extraordinarien der deutschen und österreichischen Universitäten eine private Umfrage veranstaltet. Das Ergebnis ist ein überraschend gutes gewesen. Bon den etwa 2200 Herren Kollegen, die in Betracht kamen, hat die allergrößte Anzahl geantwortet. Meine folgenden Ausführungen werden sich ganz auf diese Umfrage aufbauen und zunächst über die Tatsachen selbst kurz berichten. Es wird dann Sache der Diskussion und späteren Beratung sein müssen, zu erörtern, ob und welche Änderungen

hier zeitgemäß und notwendig sind. Die Entwicklung ist erst im letzten Menschenalter dahin gekommen, diese unoffiziellen Lehrkräfte so stark anschwellen zu lassen. Während

bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Ordinarien bei weitem über­ wogen und jene nur gleichsam zur Ergänzung daneben traten, ist seit etwa 1880 ein völliger Umschwung eingetreten. Tie Zahl der Extra­ ordinarien hat sich seitdem fast, die der Privatdozenten mehr als ver­

doppelt, und gegenwärtig machen die eigentlichen Ordinarien fast nur noch ein gutes Drittel (36%) des Lehrkörpers aus. Die Institutionen sind aber noch ganz auf den alten Zustand zugeschnitten, der heute

24

absolut nicht mehr paßt, wonach die Ordinarien tatsächlich die eigent­ lichen Universitäten repräsentierten. Wenn wir nach den Ursachen dieser Entwicklung fragen, so kommen objektive und subjektive Momente

gleicherweise in Betracht.

Objektiv hat zunächst die Vermehrung

der Ordinariate in keiner Weise gleichen Schritt mit der Zunahme der Universitätsfrequenz gehalten. Die Vermehrung des Wissensstoffes, die Spezialisierung der Wissenschaften, die Ausbildung neuer wichtiger Teildisziplinen, die Notwendigkeit, auch femere Gebiete in den Uni­ versitätsunterricht einzugliedern, hat dahin geführt, daß die beschränkte Anzahl der Ordinarien innerhalb der Fakultäten gar nicht mehr ge­

nügen kann. Subjektiv kommen aber noch andere Momente stark in Betracht. Das eine ist die Überfüllung der gelehrten Berufe, die einen Ausweg in der akademischen Laufbahn sucht. Es existiert offenbar ein Zusammenhang zwischen der schwierigen Lage des ärztlichen Berufes

und der übergroßen Zahl des medizinischen Nachwuchses in unserem Sinne. Sodann lockt die akademische Freiheit und Unabhängigkeit in der Wahl des Arbeitsgebietes, der Ferien u. a. Endlich verleiht die Stellung äußerlich Ansehen und soziale Auszeichnung: hier mögen in nicht wenig Fällen viel menschliche Erwägungen bei der Wahl gerade dieser Laufbahn mitgesprochen haben. Es hat sich aus der Umfrage ergeben, daß die Beteiligung des kaufmännischen Elementes sehr groß ist: bei einem Drittel der heutigen Privatdozenten und Extraordinarien waren die Väter Kaufleute bezw. Fabrikbesitzer. Und es erscheint er­ klärlich genug, daß die jüngere Generation aus den erwerbenden Kreisen sich gerade liberalen Berufen widmet. So fand von entgegengesetzter Seite ein Zuströmen gerade zur akademischen Laufbahn statt. Allerdings werden wir die einzelnen Fakultäten scheiden müssen; denn Theologen und Juristen zeigen einen auffallenden Mangel an jüngeren Kräften. Während die Zahl der Rechtshörer in Deutschland eine sehr große ist (13 000 Studierende), ist das Angebot der juristischen

Privatdozenten überaus klein (in ganz Deutschland nur 40).

Das um­

gekehrte Bild gewährt die medizinische Fakultät. Hier ist die Zahl der Extraordinarien und Privatdozenten in Deutschland und Österreich

eine überaus große — zusammen gegen 1000. Die Folge ist, daß sie sich gegenseitig Luft und Licht nehmen und nur wenige von ihnen recht aufkommen können. Vor allem an den großen Universitäten ist ein ganz ungesundes Verhältnis eingetreten. Ähnlich liegt die Sache bei den Naturwissenschaftlem.

Und zwar ist man in beiden Fakultäten

25 bei der Zulassung zur Habilitation außerordentlich lax verfahren, indem jeder Ordinarius seinen Assistenten oder Schüler auf diese Weise durch­

zubringen suchte. Konnten wir bei den Theologen und Juristen über einen direkten Mangel sprechen, so hier von einem Überangebot: fehlt dort die Auswahl der Tüchtigsten, weil die Konkurrenz zu klein ist, so ist hier umgekehrt die Zahl zu groß und zeigt alle Begleiterscheinungen der Überfüllung. Noch anders liegt die Sache bei den Historikern und

Philologen, hier bringt schon die große Zersplitterung und Arbeits­ teilung ein stärkeres Anwachsen dieser Kräfte mit sich. Die Sache steht

heute so, daß bei den Theologen und Juristen auf drei Ordinarien immer nur zwei Extraordinarien und Privatdozenten kommen. Bei den Histo­ rikern ist annähemd Gleichgewicht vorhanden. Bei den Naturwissen­ schaftlern warten auf jeden Ordinarius zwei und bei den Medizinern gar drei dieser jüngeren Anwärter. Allerdings liegen die Verhältnisse an den einzelnen Universitäten verschieden. Bor altem an den großen Universitäten Berlin, Leipzig, München und Wien drängt sich alles zusammen, während die kleineren gemieden werden. Die Annehmlich­ keit des Lebens in der großen Stadt, das tatsächlich stärkere Bedürfnis, die Möglichkeit eines auskömmlichen Nebenerwerbes haben gleicher­ weise dahin geführt, dies Resultat zu zeitigen und oft das Extraordi­ nariat an einer großen Universität wünschenswerter erscheinen zu lassen als das Ordinariat an einer kleinen. Aber auch unter den Personell selbst werden wir mehrere Gruppeil unterscheiden können. Die erste betrifft solche akademische Lehrer, bei

denen der Beruf nur ein Nebenamt ist — es kann dahingestellt bleiben, ob aus Not oder aus Neigung; dahin gehören: Verwaltungsbeamter,

Gylnnasiallehrer, Museumsdirektor, Richter, Krankenhausdirigent oder

praktischer Arzt u. a. m. Das Hineinragen gerade dieser Gruppe voll Lehrern, die mit den praktischen Berufeil in näherer Berührung stehen, scheint eine durchaus wünschenswerte Ergänzung unseres Lehrkörpers zu sein, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß die Doppelstellung öfters ihr Bedenkliches im Gefolge hat und die geistige Unabhängig­ keit nicht immer gewahrt ist. Die zweite Gruppe der Personen besteht

aus den „freien Lehrern", d. h. solchen, die aus anderen Gründen kaum ein Aufsteigen zum Ordinarius erwarten. Sie haben sich aus Lieb­

haberei oder aus reichen Mitteln heraus der Wissenschaft gewidmet, um eine Stätte freier Wirksamkeit zu haben. Hier ist auch ein Platz für

die „Outsiders" zu finben, für solche, die nicht zu offiziell anerkannten

26

Lehrern gehören, die eine ganz bestimmte Richtung etwa auf dem Gebiete der Philosophie oder Religion oder Sozialwissenschaft vertreten.

Ich

denke air Männer wie Schopenhauer und Dühring von den vergangenen.

Hier muß auch Platz sein für Richtungen, die sonst nicht anerkannt tvetbeii, in politischer, religiöser und sozialer Gesinnung. Es ist geradezu ein Lebensprinzip der deutschen Universitäten, solche Elemente unter sich zu habell. Sie geben Farbe und Nuance, Individualität uud Reichtuin. Endlich die dritte Gruppe, mlmerisch wohl die größte, die der regulären Dozenten. Aber auch bei dieseu ist vom Aufsteigen zu Ordinarien heute wohl keineswegs immer mehr die Rede, sondern wir müssen bedenken,

daß ein Teil von ihnen mindestens auf der Stufe des Extraordinarius steheil bleiben muß. Entweder, weil das Fach noch nicht in den offiziellen Lehrkörper der Universität ausgenommen ist, oder weil das Fach zu speziell ist, als daß ein Ordinariat dafür errichtet werden könnte, oder weil die Konkurrenz zu groß ist, so daß das Ordinariat erst im späteren Alter erreicht wird. Wir dürfen beobachten, daß die Zahl derer, die danerild oder längere Zeit zu dieser uiloffizielleil Universität gehören, beständig zunilllmt. Das braucht durchaus nicht an Mangel an Tüchtig­ keit zu liegen, sondem kann auf gmiz andere Ursachen zurückzuführen fehl. Alle drei Gruppen werden wir als einen wesentlichen Bestandteil des akademischen Nachwuchses betrachten müssen. Von drei Seiten lassen sich die Verhältnisse dieser unoffiziellen Lehrer betrachten: von feiten der Universitäts- und Unterrichtsverwaltung, von feiten derHörer und ihrer Bedürfnisse und von feiten der Beteiligten selbst. Die „Universitas literarum“ muß zunächst auf vollständige Vertretung

der Fächer sehen; dazu reicht aber die beschränkte Zahl der Ordinarien in keiner Weise aus. Man behilft sich damit, daß man den Extraordinarien für nebengeordnete Fächer Gehalt und Lehrauftrag gibt, nicht ohne im

ganzen dabei ziemlich willkürlich vorgegangen zn sein. Auch verfahren die verschiedenen Universitäten verschieden dabei. So ist z. B. für Kinder­

krankheiten, Geographie, Musikwissenschaft meist nur ein Extraordinariat vorhanden, obwohl an einzelnen Universitäten für sie vollständige Lehr­ stühle bestehen. Aber die Ergänzung des Lehrkörpers ist doch außerdem

auch durch die Einschaltung weiterer Lehrkräfte unbedingt nötig. In Berlin z. B. reicht die Zähl von 16 niedizinischen Ordinarien bei 1000 Medizinstudierenden in keiner Weise aus, und selbst wenn man die zehn

Extraordinarien mit Lehrauftrag dazu rechnet, so wird dem Bedürfnis des Unterrichts immer noch nicht genügend Rechnung getragen, sondern

27 es sind noch durchaus andere Kräfte nötig.

Nicht anders steht es mit

anderen Fächern: kleinere Spezialvorlesungen müssen als Ergänzung der großen gelesen werden, und das wird der Ordinarius in den meisten

Fällen schon aus äußerlichen Gründen nicht tim. Ich habe für das ver­

flossene Sommersemester die Arbeitsleistung der Extraordinarien und Privatdozenten zu berechnen versucht und bin dabei auf eine recht statt­ liche Stundenzahl gekommen, die der Arbeitsleistung der Ordinarien

nicht allzusehr nachsteht! Aber weit wichtiger ist eine Entwicklung von anderer Seite ge­ worden, nämlich die persönliche und individuelle Unterweisung. Die Universitäten sind ja moderne Großbetriebe mit fortgeschrittener

Arbeitsteilung geworden. Aber gerade dieser Massenunterricht verlangt ein Gegengewicht; er ist nur durchführbar in gewissen Vorlesungen, hört aber sofort auf, wenn es sich um ein aktives Mitarbeiten handelt. Darum

sind die medizinischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten voran­ gegangen, wo bereits jetzt der Hauptunterricht in den Kliniken, In­ stituten und Laboratorien liegt, und hier kann ein Lehrer nicht gut mehr als 10—15 Herren zugleich unterrichten. Es ist also eine Teilnahme jüngerer Lehrkräfte als Assistenten, Oberarzt, Abteilungsvorstand oder ähnliches unbedingt nötig. Und auch in den historischen, juristischen, theologischen und philosophischen Fächern ist die Einrichtung von Semi­ naren, Praktiken und Übungen im letzten Menschenalter allenthalben

vorgedrungen. An Stelle des passiven Vorlesunghörens tritt das aktive Mitarbeiten. Es steckt sonach eine pädagogische Notwendigkeit darin, um des Wisseusstoffes einigermaßen Herr zu werden. Auch bei den Juristen wird jetzt der Besuch von mehreren Praktiken beim Staats­ examen verlangt. Dieser individualisierte Unterricht kann aber von den offiziellen Universitätslehrern gar nicht bewältigt werden. Auch hat es gar keinen Sinn, daß die jungen Seniester gleich zu einem berühmten

Professor gehen, da sie zunächst erst einmal das Handwerksmäßige er­ Und es bedeutet eine wesentliche Entlastung der Ordi­ narien, wenn hier der jüngere Mann vor allem den Anfangsunterricht übernimmt. Dem hat man nun tatsächlich Rechnung getragen. In der Medizin sind 45%, in Naturwissenschaft fast ein Drittel der Extraordi­ lernen müssen.

narien und Privatdozenten auf diese Weise beschäftigt. In den anderen Fakultäten ist die formelle Assistenz noch nicht in dieser Weise ausgebildet. Man behilft sich nur gelegentlich mit der Einrichtung von Proseminaren, Vorkursen, Anfängerübungen und dergleichen.

Auch vor allem an

28 großen Universitäten wird der Unterricht sich weiter individualisieren

müssen, wenn er fruchtbar werden soll: juristische Praktika von 100, historische Seminare von 60, nationalökonomische Übungen von 70 und mehr Mitgliedern, wie sie an großen Universitäten vorkommen, erscheinen ganz zwecklos. Auch hier wird man auf die unoffiziellen Lehrkräfte weiter zurückkommen müssen,

um einen individualisierten

Unterricht zu ermöglichen, wie cs nun einmal der Großbetrieb unserer Universitäten verlangt. Umgekehrt verlangen auch die Bedürfnisse der Hörer die Beteiligung dieser Personen am Unterricht. Einmal ist eine Konkurrenz auch an der­

selben Universität nötig, weil erst dadurch die Freiheit der Wahl gewähr­ leistet wird. Gerade darin, daß diese Privatdozenten lind Extraordinarien nicht immer die offizielle Lehre vertreten, beruht ihre große Bedeutung. Daß etwa im Strafrecht neben der klassischen auch die modeme Schule vertreten ist, in der Medizin mehrere Richtungen nebeneinander be­ stehen, in der Geschichte auch die Kulturgeschichtswissenschaft zu ihrem Rechte kommt, ist unentbehrlich. Dazu wird die Hörerschaft immer differenzierter. Nicht mehr nur der Gymnasiast ist zugelassen, sondern auch die anderen Schularten, dazu Frauen, Bolksschullehrcr, andere Hörer mannigfaltiger Art. Für sie ist auch gerade nach allgemeiner gehaltenen Vorlesungen, nach Gesamtübersichten des Faches ein Be­ dürfnis vorhanden, deni die jüngeren Kräfte häufig genügen müssen. Sodann hat sich aber der Kreis der Hörer auch indirekt wesentlich er­ weitert. Es verlangen heute immer größere Schichten Kenntnis von den Ergebnissen der höchsten Wissenschaft: Bolksschullehrcr, Kaufleute, Arbeiter u. a. Man kommt dem durch das Abhalten der Hochschulkurse in weitem Maß entgegen. Die Universitäten dürfen sich dem nicht ent­ ziehen, wenn sie nicht die geistige Führung im Leben der Nation ver­ lieren sollen. Und wiederum sind zur Erfüllung dieser Aufgabe vor allem auch die Privatdozenten und Extraordinarien an erster Stelle berufen, die nicht durch die Menge der Verwaltungsarbeit so überlastet sind wie ein Teil der Ordinarien. Und man wird in Zukunft diesen Unter­ Dazu

richt wohl noch weiter organisieren, als es bis jetzt der Fall ist.

hat aber die Universität noch eine ganz neue Aufgabe erhalten, die früher gar nicht vorhanden war. Sie muß nämlich nicht nur die Anfänge des Wissens den jungen Leuten selbst beibringen, sondem sie muß auch die ge­ lehrten Berufe dauemdüber dieFortschritteundErgebnissederWissenschaft auf dem Laufenden halten.

Es verlangt das die Jntemationalität des

29

modernen Lebens, die Tatsache, daß nach 15—20 Jahren schaft oft von den Fundamenten an neu aufgebaut wird. die zahlreichen Kurse, die allenthalben abgehalten werden: turfe für Ärzte, staatswissenschaftliche Fortbildungskurse, für

Oberlehrer und Theologen,

eine Wissen­ Dem dienen RepetitionsFerienkurse

Frauenkurse, naturwissenschaftliche

Kurse und wie sie alle heißen. Auch diese neue Mehrarbeit wird zum großen Teil auf diese unoffiziellen Lehrer akgewälzt werden müssen.

Bedürfniserweiterung und Bedürfnisverschiebung sind so überall am Werke, nur den Extraordinarien und Privatdozenten eine zuneh­

mende Bedeutung im Betriebe unseres Universitätslebens zu gewähr­ leisten. Wie steht es nun aber mit ihren Verhältnissen selbst? Das Mer zur Zeit der Promotion beträgt im Durchschnitt 24 bis 25 Jahre; die Habilitation erfolgt durchschnittlich im 30. Jahre. Es ist beachtens­ wert, daß auch die Anstellungsfähigkeit der Oberlehrer und Richter in Preußen durchschnittlich mit 28 bis 29 Jahren erfolgt. Meine Umfrage hat ergeben, daß bei einem nicht geringen Teile der Universitätslehrer, auch abgesehen von der pflichtmäßigen Karenzzeit, immer noch einige Jahre mit einer andern praktischen Tätigkeit zugebracht werden. Bei dem Mediziner ist die Regel, daß Assistenz- oder Krankenhaustätigkeit vorangeht, aber auch bei den Theologen und Juristen wie bei einem Teile der Naturwissenschaftler ist eine solche Tätigkeit häufig. Es wird eben nicht von vomherein auf die akademische Laufbahn hin studiert, sondem die Entscheidung fällt erst später. Dazu kommt die nicht zu kleine Zahl derer, die schon aus wirtschaftlicher Notwendigkeit eine andere Tätigkeit ausübeir müssen. Man kann sogar die Tendenz beob­

achten, daß das Habilitationsalter sich noch mehr hinausschiebt. Bei den medizinischen Privatdozenten habe ich schon 31 Vs Jahr gefunden. Bleibt die Frage, wie lange auf dieser Stufe Befördemng zum Extraordinarius eintritt. Es die Praxis an den verschiedenen Universitäten Durchschnitt ergeben sich aber 6 Jahre, bevor

verweilt wird, bis die ist bereits gesagt, daß nicht gleich ist. Im eine Befördemng der

Privatdozenten erfolgt. Bei den Historikem und Philologen dauert es etwas länger, bei den Juristen etwas kürzer. In Österreich erscheinen die Verhältnisse durchgängig ungünstiger. Aber mit dieser Befördemng ist keineswegs immer Gehalt und Lehrauftrag verbunden. Mit 36 bis 37 Jahren wird int Durchschnitt also diese erste Rangstufe des Extra­

ordinarius erreicht, wobei ich abnorme Fälle mit Absicht ausgelassen habe. Es ist ungefähr das Alter, in dem in Preußen der Oberlehrer

30 und der Amtsrichter wirklich angestellt werden, was ja beim Extra­

ordinarius nicht der Fall ist. Allerdings wird diese Zwischenzeit als Privatdozent teilweise aus­ gefüllt durch Assistenz oder andere aushelfende Tätigkeit. Ich habe berechnet, daß etwa über ein Viertel auf diese Weise beschäftigt werden. Ich will nicht darüber sprechen, daß die Assistentenstellen nicht immer ganz unbedenklich sind, weil dadurch die Abhängigkeit vom jeweiligen Ordinarius und von dessen Gunst stark befördert wird, daß es auch in manchen Fächern schwer wird, ohne eine solche Stellung überhaupt

zur Habilitation zu gelangen. Aber die Vergütung selbst ist doch eine außerordentlich schlechte. Sie beträgt int Durchschnitt 1200 M., steigt nur in wenigen Fällen über 2000 M. und steht in gar keinem Verhältnis zur geistigen Mehrarbeit, die von ihnen geleistet wird. Die Einnahmen aus den Kollegiengeldern sind gerade für diese Kreise meist gering: die großen Vorlesungen zu halten, verbietet sich schon wegen des Prüfungs­ monopols der Ordinarien, und die Nebenvorlesungen werden in der Regel schlecht besucht. In Österreich klagt man besonders darüber,

daß vor allem die stundenden Studenten bei ihnen belegen, so daß es vorkommen kann, daß ein Auditorium von 100 Mann etwa 50 Kronen einbringt. Die Assistenz ist aber außerdenr eine sehr unsichere Stellung, da sie nur immer auf eine Reihe von Jahren erfolgt und persönlich vom Ordinarius abhängt. Ein jüngster Fall in Berlin hat das wieder gezeigt, ohne daß man darum etwa von einer besonderen Härte oder Unge­ rechtigkeit wird sprechen dürfen. Es liegt eben in der Natur der Sache. Allerdings erhält ein Teil der Privatdozettten den Professortitel, es sind etwa ein Fünftel so ausgezeichnet. Der Titel bedeutet tatsächlich für eine Reihe von ihnen eine bessere soziale Stellung und für manchen, besonders die Mediziner, auch erhöhte Einnahme. Aber irgendwelche Rechte und irgendwelcher konkrete Inhalt sind sonst damit nicht verbunden. Kommt die Beförderung zum Extraordinarius. Es hat sich heraus­

gestellt, daß von ihnen ungefähr ein Viertel außeretatsmäßig nur den Titel erhalten, daß sogar von denen mit einem Lehrauftrag einige kein Gehalt bekommen. Unter den Extraordinarien mit Lehrauftrag werden wir solche unterscheidet: müssen, bei denen das Fach, und solche, bei

denen die P e r s o n honoriert wird. Ersteres wird ziemlich entsprechend

entlohnt; letzteres bleibt sehr oft damnter. Aber die Höhe des Gehaltes

im ganzen ist überhaupt nur gering. Die größere Hälfte hat nicht einmal 3000 M. Gehalt, und nur etwa 4% kommen über 5000 M. Wir müssen

31 aber in Betracht ziehen, daß das Durchschnittsalter der Extraordinarien 46 Jahre beträgt, daß die Altersklassen zwischen 40 bis 50 Jahren am stärksten besetzt sind.

Nur bei den Juristen ist das Alter wesentlich Auf der Mittagshöhe des

niedriger, ebenso bei Naturwissenschaftlern.

Lebens bezieht also ein Drittel der Extraordinarien überhaupt kein Gehalt, ein weiteres Drittel ein unzulängliches und nur die Extraordinarien, die einen „großen" Lehrauftrag haben, ein auskömmliches. Die Kollegien sind mir dort stark besucht, wo es die Konkurrenz mit den Ordinarien zuläßt.

Das ist vor allem bei den Juristen der Fall, die in dieser Be­

ziehung ganz günstig dastehen. Aber sonst bleiben in vielen Fällen nur die kleinen Vorlesungen übrig. Die laüge Wartezeit und die ge­ drückten Lebensverhältnisse wirken in vielen Fällen dann aber auch auf die Qualität der Leistungen zurück. Die Spannkraft erlahmt gerade

im besten Mannesalter: wozu arbeiten, wenn doch keine Anerkennung erfolgt, doch die großen Vorlesungen vorenthalten bleiben, das Prüfungs­ monopol der Ordinarien in erster Linie Hörerzahl und Kollegienbesnch bestimmt? Es bleibt dann also die Tätigkeit außerhalb der Universität zur Erhöhung der Einnahmen übrig. Auch dieses Kapitel läßt sich auf Grund meiner Umfrage ziemlich deutlich behandeln. Es gibt Arzte, die Privatdozenten und Extra­ ordinarien sind und die einen Weltruhm besitzen; deren Einnahmen sind entsprechend sehr hohe, und mit ihnen kann ein sonstiger liberaler Beruf sich gar nicht vergleichen. Aber das sind doch die Ausnahmen. Bei der Mehrzahl der sonstigen Mediziner bleiben die Einnahmen zum Teil nur geringe, und das Privatvermögen muß oft genug die Ein­

richtung der Klinik, der Apparate, der Wohnung aufbringen. Besser steht es offenbar mit den Extraordinarien, die eine feste Stellung außer­ halb der Universität haben. Sie sind wenigstens im ganzen gesichert. Oft genug ist es die Bedingung, um überhaupt eine bescheidene aka­ demische Tätigkeit auszuüben, und öfters ist diese Tätigkeit eben nur aus Not ergriffen worden. In privater abhängiger Stellung habe ich

nur wenige von akademischen Lehrern gefunden, etwa als stillen Teil­ haber einer chemischen Fabrik oder als Mitarbeiter eines wissenschaft­ lichen Untemehmens. Groß ist dagegen die Zahl derer, die durch Schrift­ stellerei sich einen Nebenverdienst erwerben müssen, und die Klage, daß besonders die wissenschaftliche Arbeit in keinem Verhältnis zu den Auf­

wendungen bezahlt wird, ist weit verbreitet. Auch die Fälle sind ja nicht selten, wo ein Privatdozent durch eine solche aufreibende Nebentätigkeit

32 ganz für seine wissenschaftliche Laufbahn verdorben wird, Vielschreiber wird, weil er nur so seine Existenz sichern kann. Es steckt viel Idealismus in der Tätigkeit des akademischen Lehrers und vor allem auch in demjenigen Teile unseres Lehrkörpers, der nicht zur offiziellen Universität gehört. Ich habe nur die Tatsachen als solche vorführen wollen, ohne hier schon selbst Vorschläge der Änderung zu

machen, da es zunächst auf die Kenntnisnahme der Dinge ankommt, bevor man an Reform denkt. Daß sie nötig sind, wird wohl allenthalben

zugestanden werden müssen. Die unoffiziellen Lehrkräfte sind heute ein ganz unentbehrlicher Bestandteil unserer Lehrkörper geworden. Die Universitäten stehen in der Gegenwart vor ganz neuen Aufgaben, die sich in das alte Schema und die alten Cadres nicht mehr unter­ bringen lassen. Es ist gezeigt worden, daß für diesen neuen großen und schönen Auftrag die Privatdozenten und Extraordinarien, unser „akademischer Nachwuchs", geradezu unentbehrlich sind, daß sie eine notwendige Verjüngung der Wissenschaft neben den Ordinarien be­ deuten. Man wird die Tatsache anerkennen und die Konsequenz daraus ziehen und vor allem für eine Vertretung dieser Kreise Sorge tragen müssen. Es wird das N obile officium vor allem der Uni­ versitäten selbst sein müssen, hier die Initiative zu ergreifen, dem ver­ änderten Zeitverhältnis Rechnung zu tragen und zu einer gedeihlichen Entwicklung die Wege zu ebnen: zum Besten deutschen Gei st es und deutscher Wissenschaft. Der Vorsitzende dankt unter lebhaftem Beifall dem Referenten

Eulenburg für dessen ausgezeichnetes Referat und erteilt das Wort an den zweiten Referenten Hochenegg (Wien):*) Die Eigenart des Lehrbetriebes an den vorwiegend auf praktische Ziele Bedacht nehmenden technischen Hochschulen gegenüber jenem an Universitäten fordert auch hinsichtlich der Förderung des akademischen Nachwuchses eine gesonderte Stellung­

nahme. Hierauf soll sich mein Vortrag beziehen, indem er die allgemeinen und vorwiegend unter Berücksichtigung der Universitäten gegebenen

Ausfühmngen des Herm Vorredners ergänzen will. Einleitend bemerke ich, daß ich gegenüber der von meinem Herrn Vorredner gegebenen Definition unter akademischem Nachwüchse alle *) Unter Zustimmung des Redners redigiert.

33 jene verstehe, welche bei Besetzung freiwerdender Lehrstellen in Betracht kommen, ohne Rücksicht darauf, ob die Betreffenden schon vorher den

Lehrberuf in irgend einer Weise ausgeübt haben.

Da ich mit den Verhältnissen an den Techni­ schen Hochschulen des Deutschen Reiches, der Schweiz usw. zu wenig vertraut bin und auch keine erschöpfenden Aufklämngen über dieselben erhalten konnte, muß ich mich darauf beschränken, die Frage nur in Bezugnahme auf die öster­ reichischen Technischen Hochschulen zu behandeln, und es den geehrten

Anwesenden überlassen, zu erwägen, ob und inwieweit die für öster­ reichische Verhältnisse erstatteten Vorschläge auch auf die Technischen Hochschulen des Auslandes Anwendung finden können. Für die Erweckung und Rührung der Liebe zur akademischen Laufbahn sind oft die ersten Jahre des Hochschulstudiums von ausschlaggebender Bedeutung. Es ist daher besonders wichtig, Mittel und Wege zu finden, damit der akademische Lehrer die Eignung und Neigung seiner Hörer zur akademischen Laufbahn frühzeitig erkennen und auf die weitere Aus­ bildung der sich Eignenden Einfluß nehmen kann. Bei geringer Hörerzahl und besonders bei seminaristischem Unter­ richte ist eine eingehende Beschäftigung des Lehrers mit den einzelnen Hörern wohl möglich, bei Kollegien mit großer Hörerzahl jedoch nur

dort zu erzielen, wo, wie z. B. im Konstruktionssaale oder bei gruppen­ weisen Übungen und Exkursionen, Gelegenheit geboten erscheint, die Fähigkeiten der einzelnen leicht zu überblicken und im weiteren Ver­ kehre auszubilden. Sollen nicht allzuoft tüchtige Hörer der Aufmerk­ samkeit des Professors entgehen, so muß dem Jünger der Wissenschaft

schon frühzeitig Gelegenheit geboten werden, sich unter Aufsicht des Lehrers im Unterrichte zu versuchen, was in mehrfacher Weise möglich ist. Sie können z. B. als sogenannte Demonstratoren zur Überwachung der praktischen Übungen verwendet werden, wie dies im Elektrotechnischen Institute zu Wien nach einem im Anatomischen

Institute gegebenen Vorbilde geschieht. Die Hörer — mitunter gegen 200 — sind in 40 bis 50 Übungsgruppen von je 4 Mitgliedem verteilt. Zu ihrer Überwachung reichen naturgemäß die vorhandenen Assistenten nicht aus, und es wäre zu kostspielig, für die nur an zwei Halbtagen der Woche nötige Verwendung eine entsprechende Anzahl weiterer Assistenten anzustellen; dagegen genügt es vollkommen, vorDeutscher Hochschullehrer-Tag.

3

34 geschrittene Hörer mit der Überwachung ihrer jüngeren Kollegen zu

betrauen, wobei denselben Gelegenheit gegeben wird, in das Ver­ ständnis der Erscheinungen tiefer einzudringen, Kenntnis der Einrichtungen anzueignen usw.

sich

eine

genaue

Die Gelegenheit zur eigenen weiteren Fortbildung, verbunden mit der Aussicht auf eine für einen Studenten immerhin angemessene Remuneration (an deni Elektrotechnischen Institute in Wien 50 Kronen für jeden Übungsmonat) übt auf die jungen Leute einen kräftigen An-

sporn aus, die für Erlangung einer Demonstratorstelle erforderlichen Bedingungen zu erfüllen, und da die Verleihung dieser Stellen natur­ gemäß an den Nachweis besonderer Kenntnisse und zuverlässigen prakti­ schen Arbeitens geknüpft ist, wetteifern die strebsamen Hörer im Stu­

dium wie im praktischen Arbeiten. Die Tätigkeit der Demonstratoren gibt dem Professor die Möglich­ keit, diese besonders tüchtigen Hörer in ihrer Entwicklung weiter zu beein­ flussen, deren etwaige Eignung zum akademischen Berufe zu erkennen und bei Gelegenheit ihnen zur Ausübung desselben zu verhelfen. Die auf solche Weise gesicherte bessere Kenntnis der besonders fähigen und eifrigen Hörer erleichtert sodann dem Professor die Aus­ wahl der Assistenten, vorausgesetzt, daß sich ehemalige Demonstratoren unt eine Assistentenstelle bewerben. Diese Voraussetzung muß hinzugefügt tverden, da die den Assistenten eiugeräumten Bezüge niedriger sind als der bei anderer Ver­ wendung von absolvierten Techniken: erzielbare Anfangsgehalt und

daher gerade die besseren Hörer, welchen nicht selten sehr gut honorierte Stellen angeboteu werden, keine Veranlassung haben, sich um eine Assistentenstelle zu bewerben, es sei denn, daß die Vorliebe zur wissen­ schaftlichen Tätigkeit oder die Gelegenheit, sich noch weiter auszubilden sowie die Möglichkeit, Prüfungen abzulegen oder den Doktorhut zu erwerben, einen Anreiz ausüben und Ersatz für höhere Einnahmen bieten. Die im Jahre 1875 angesetzte und seither leider unverändert beibehaltene Jahresremuneration der österreichi­ schen

Hochschulassistenten

von

700

Gulden

bzw.

1400 K., welche durch (Steuern und Quittungsstempel noch etwas ver­ kürzt wird, mag vor 30 Jahren angemessen gewesen sein und die Möglichkeit zu einem guten Auskommen geboten haben, heute ist sie ungenügend und gestattet den darauf Angewiesenen nicht einmal kümmerlich zu leben, geschweige denn standesgemäß aufzutreten.

Um die

35 Assistentenstellen begehrenswerter zu gestalten, hat die Regierung in den letzten Jahren wiederholt Begünstigungen eingeräumt, welche sich jedoch zum Teil als unglücklich gewählt erwiesen. So wurde durch das Gesetz vom 31. Dezember 1896 verfügt, daß „die ununterbrochen zurückgelegte Dienstzeit der Assistenten und Konstmkteure im Falle ihres unmittelbaren Übertrittes in eine andere, Pensionsansprüche begründende Staats­

anstellung für die Pensionsbehandlung nach den allgemeinen Normen anrechenbar ist. Dieses für Einzelne sehr wertvolle Zugeständnis hat sich im allgemeinen insofern nicht bewährt, als durch dasselbe die

Freizügigkeit der jungen Leute gelitten hat. Da die Pensionsansprüche nur bei ununterbrochener Dienstzeit und nur bei unmittelbarem Übertritte anrechenbar sind, trachten die Assistenten, besonders wenn sie durch mehrere Jahre Assistentendienste geleistet haben, unmittelbar nach der Hochschultätigkeit

eine andere Staatsanstellung zu erlangen und lassen sich dadurch ab­ halten, Privatpraxis aufzusuchen oder durch längere Tätigkeit im Aus­ lande ihre Fachkenntnisse und ihren Gesichtskreis zu erweitern. Es hat sich zufolge dieses gesetzlich gewährten Anspruches auf An­ rechnung der Dienstjahre ein Kleben an der staatlichen Verwendung eingebürgert, welches weder für den Staat noch für die betreffenden jungen Leute, am wenigsten für den Unterrichtsbetrieb von Vorteil ist. Der Professor läßt sich durch das Wohlwollen für seinen Assistenten verleiten, die Anstellung eines neuen Assistenten hinauszuschieben, bis der frühere die von ihm angestrebte Staatsanstellung erlangt; der Wechsel

erfolgt demzufolge oft später als vorteilhaft und mitunter zu recht ungelegener Zeit, mitten im Semester usw. Kurzum die Abhängigkeit des Pensionsanspruches von der Be­ dingung des unmittelbaren Übertrittes beeinträchtigt die freie Verfügung, bringt die Rücksichtnahme zur Übermacht über rein sachliche

Erwägungen, hindert die jungen Leute nicht selten, das rege Getriebe der privaten, auf Verdienst abzielenden Tätigkeit jemals wirklich kennen zu lernen, nnd bringt dem Staate junge Kräfte zu, welche diese so wert­ volle Schulung durch eine solche Tätigkeit niemals genossen haben.

Die Anrechenbarkeit der Assistentenjahre bei späterer staatlicher Ver­ wendung muß als ein sehr wertvolles Zugeständnis anerkannt werden; aber die Bedingung des unmittelbaren Übertrittes, 3*

36

an welche dieses Zugeständnis geknüpft wurde, sollte so bald als möglich aufgelassen und die Anrechenbarkeit der Assistentenjahre für

die Pensionsbehandlung auch dann zuerkannt werden, toenn ein Assistent nach mehrjähriger Unterbrechung seines Staatsdienstes eine mit Pen­ sionsansprüchen verknüpfte Staatsanstellung antritt. Der Staat würde dann in der Lage sein, noch häufiger als bisher den so wichtigenNachweis einer längeren praktischen Tätig­ keit bei Ausschreibung von Stellen zu verlangen, ohne damit den Borwurf der Ausschließung und somit Schädigung der Hoch­

schulassistenten gewärtigen zu müssen. Es muß daher lebhaft bedauert werden, daß die im März d. I. in einem Memorandum der Hochschulassistenten dem Ministerium für Kultus und Unterricht unter anderem unterbreitete Bitte nach Anrechen­ barkeit der Assistentendienstjahre auch für den Fall, daß der Übertritt

in eine bauembe Staatsanstellung erst nach einer Unterbrechung erfolgt, keine Berücksichtigung erfahren hat. Mit besonderem Danke muß dagegen der M i n i st e r i a l v e r o r d n u n g vom 17. Juli d. I. (RGBl. 188) gedacht werden, durch welche die Remuneration der Assi­ stenten mit 1400 Kronen wohl beibehalten, jedoch zugleich eine Bien­

nalzulage von 300 Kronen gewährt wurde, durch welche die Assistentenbezüge bis auf den Betrag von 2600 Kronen jährlich anwachsen können — Zugleich kaunaberdieBefürchtuug nicht unterdrückt werden, daß diese Biennalzulage im Vereine mit der leider beibehaltenen Bedingung bezüglich Zuerkennung des Pensionsanspmches mit dazu beitragen wird, das Streben der Assistenten

nach Verbleiben int ununterbrochenen Staatsdienste zu befördem. Besonders für den akademischen Nachwuchs ist der ununterbrochene Staatsdienst nicht die richtigste Schule, da ja der akademische Lehrer insbesondere an technischen Hochschulen in die Denk- und Arbeitsweise anderer Kulturvölker und verschiedener technischer Arbeitsstätten ein» gedrungen sein soll und sein Fachgebiet, soweit es auf der Erde gepflegt

wird, überblicken soll. Damm müssen für die Hochschulassistentett Fahrbegünstigungen auf den staatlichen Eisenbahnen, Reisezuschüsse ähnliche Unterstützungen eindringlich befürwortet und muß andererseits beklagt werden, daß die für solche Zwecke zur Ver­

und

fügung stehenden Kredite vorwiegend für Universitätszwecke verwendet werden

37 Die Assistentenjahre selb st sollen nicht allein

den Dienstesverpflichtungen, sondern vor allem auch der wissenschaftlichen Ausbildung und auch

der praktischen werden.

Vervollkommnung

gewidmet

Dies bedingt, daß die Assistenten durch ihre Dienstesverpflichtungen und durch die ihnen zufallende Mithilfe bei Führung der administrativen Angelegenheiten der Lehrkanzeln nicht allzusehr in Anspruch genommen werden, sondem ohne Vernachlässigung ihres Dienstes Zeit zur Ausbildung finden oder mit anderen Worten, daß die Assistenten in reichlicher Zahl bestellt und soweit als

möglich der administrativen Tätigkeit enthoben werden. In letzterer Hinsicht nmß verlangt werden, daß für die Schreib­ und rein administrativen Arbeiten vor allem in den Dezematen be­ sondere Kanzleibeamte bestellt werden. Die Privatpraxis allein reicht bei vielen Lehrkanzeln nicht aus, die unbedingt notwendigen steten und innigen Beziehungen zur Praxis zu bieten, daher sollte der Staat in reicherem Maße als bisher die Lehrkanzeln zur Mitarbeit bei Lösung bedeutender Aufgaben heranziehen und dadurch den Professoren und Assistenten den aus der Praxis entspringenden reichen Quell der Anregungen zugänglich machen. Auch noch in anderer Weise könnte der Staat zur Heraubildung eines guten akademischen Nachwuchses beitragen. In dem großen Beamtenkörper der staatlichen

Behörden findet sich naturgemäß eine erhebliche Zahl strebsamer jungerLeute, welche Liebe und Befähi­ gung zum Lehrberufe fühlen, aber, einmal aus der akademischen Laufbahn herausgedrängt, nicht mehr Gelegenheit finden, in dieselbe einzulenken. Wenn nun solchen Beamten gestattet würde, sich zur vorübergehenden Dienstleistung bei Lehrkanzeln an technischen Hochschulen

zu melden, z. B. in der Eigenschaft als Konstrukteure, und wenn den­ selben der Fortgenuß des bisherigen Gehaltes, sowie das Avancement und die Rückkehr zur früheren Stellung gewährleistet würde, so könnte manche für den Lehrberuf besonders fähige Kraft dem akademischen

Berufe zugeführt werden. Daß es hieran fehlte, hat sich in den letzten Jahren z. B. bei der Besetzung geodätischer Lehrstühle wiederholentlich als nachteilig erwiesen.

38 Anregungen, den akademischen Nachwuchs und den Unter­

richtsbetrieb an technischen Hochschulen durch Zuweisung tüch­ tiger, im Staatsdienste wirkender junger Leute zur vorübergehenden Dienstleistung zu fördern,

sind wiederholt erfolgt, auch hat die Regierung ihre prinzipielle Ge­ neigtheit geäußert, diesen! Wunsche zu entsprechen, bisher scheiterte jedoch die praktische Durchfühmng dieses gewiß sehr glücklichen Ge­ dankens an bureaukratischen Schwierigkeiten.

Der Amtsvorstand des Kandidaten hat Mangel an Kräften und will daher gerade eine der tüchtigsten nicht missen, dies um so weniger, als die Heranziehung einer Ersatzkraft bei der normierten Zahl von Beamten seines Ressorts auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt. Auch die Zuweisung des bisherigen Gehaltes, welches gewöhnlich höher als die Remuneration eines Assistenten oder Konstrukteurs ist, sowie die Fortführung im Avancement usw. bringt noch eine Unsumme von Hindernissen mit sich. Man denke aber, welche Unterstützung der Unter­ richt im Eisenbahn bau, Brückenbau, Tunnelbau, in höherer und niedererGeodäsie, in Maschinen­ bau und Elektrotechnik, sowie in vielen anderen Wissens­

zweigen erhalten könnte, wenn die zur Unterstützung der Professoren berufenen Konstrukteure erfahrene Praktiker wären, welche aus be­ sonderer Neigung zu wissenschaftlicher Verarbeitung ihrer Erfahrungen einige Jahre dem Dienste an einer Hochschule 'widmen. Der Wert solcher Kräfte kommt erst so recht zu Bewußtsein, wenn man einen Vergleich mit den so häufig berufenen, erst vor wenigen Jahren absolvierten und seither als Assistenten tätig gewesenen, im praktischen Dienste ganz unerfahrenen Konstruk­ teuren zieht. Ingenieure,

welche,

auf

dem

Felde

prak­

tischer Arbeiten bewährt, bei vorübergehender Dienstleistung an der Hochschule sich auch in der Theorie neuerdings sattelfest erwiesen haben,

würden bei Berufungen für freiwerdende Lehrstellen in erster Linie in Betracht zu ziehen sein. Daher

wäre auch die Ausübung der Privatdozentur

durch praktisch tätige und erfahrene Ingenieure ein großer Gewinn für den Hochschulunterricht.

39 Seit die technischen Hochschulen in Österreich eine Rigorosenordnung

besitzen sApril 1901), ist den Ingenieuren die Erlangung des Doktorates ermöglicht. Sie sind also jetzt auch in der Lage, die Bedingungen zur Erlangung einer Dozentur zu erfüllen, und es sollte nunmehr die bis

dahin so oft beklagte bedauerliche Tatsache, daß die Dozentur an techni­ schen Hochschulen den Techniken! fast verschlossen war nnd vorwiegend von Nichttechnikern ausgeübt wird, nicht mehr beobachtet werden. Bis heute hat sich aber kein merkbarer Umschwung vollzogen. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß der Doktortitel von den Ingenieuren nur sehr spärlich erworben wird, weil die ge­

stellten Anforderungen sehr hohe sind; zum Teil liegt es aber auch in den Dienstesverhältnissen der Ingenieure begriindet. Die in der Praxis stehenden Ingenieure können, auch wenn sie die Vorbedingung für die Dozentur erfüllen, dieselbe nicht leicht aus­ üben, weil ihr Dienst eine Mehrbelastung gewöhnlich nicht erlaubt und weil es bisher auch bei dem Staatsdienste nicht üblich ist, bei Ausübung der Dozentur eine entsprechende Erleichterung der Dienstesverpflich­ tungen zu gewähren. So kommt es, daß unter 31 Privatdozenten der Wiener Technischen Hochschule kein einziger

Staatstechniker und kein einziger im Dien st e der Privatindustrie st ehender Techniker zu finden ist. Bei letzteren ist diese Erscheinung begreiflich, da bei Privattechnikern die Gefahr einer Pflichtenkollision sowie die Sorge hinsichtlich Wahrung der Fabrikgeheimnisse abhaltend wirkten und da von der auf Gewinn abzielenden Privatindustrie eine Diensteserleichterung für einen die Ausübung einer Dozentur anstrebenden Beamten weder erwartet noch verlangt werden kann; bei den Staatstechnikern muß diese Tat­ sache aber befremdlich erscheinen, und es muß mit allem Nachdrucke der Wunsch nach baldiger Änderung ausgesprochen werden. Ich glaube int Namen vieler Staat stechniker zu sprechen, wenn ich die Forderung auf st eile, es möge jenen Staatstechnikern, welche geneigt

wären, eine erforderliche

Privatdozentur auszuüben, die Dienstes erleichterung von vorn­

herein zu gesichert und durch eine diesbezügliche Verlautbarung die Bewerbung um Dozentur

40 seitens derStaatstechnikernachdrücklichge fördert

werden. Noch ein weiterer Umstand bedarf der Erwähnung.

Die Privatdozenten der technischen Hochschulen haben nicht allein keine Gelegenheit, einEntgeltfür ihre Mühewaltung zu erlangen,

sondem müssen auch die mit Ausübung ihrer Dozentur verbundenen. K o st e n selbst tragen, die erforderlichen Behelfe selbst beschaffen, für deren Unterbringung sorgen und dergl. Wohl ist den Privatdozenten das Recht eingeräumt, ein Kollegien­ geld einzuheben; da aber von jedem Hörer ohne Rücksicht auf die Zahl der gewählten Unterrichtsstunden ein festgesetztes Unterrichtsgeld zu entrichten ist (50 Kronen pro Semester) und für die Kollegien der be­ stellten Dozenten kein besonderes Kollegiengeld gefordert wird, würde die Einhebung eines solchen seitens der Privatdozenten auf Schwierig­ keiten stoßen und den Besuch der Vorlesungen beeinträchtigen.

Tatsächlich haben bisher nur sehr wenig Privatdozenten von dem Rechte der Einhebung eines Kollegiengeldes Gebrauch gemacht und die meisten auf jedes Entgelt verzichtet. Auf die mancherlei peinlichen Erschwemisse, die für Privatdozenten aus den gegebenen Raumverhältnissen entspringen und von dem Anstreben der venia legendi abschrecken, soll hier nur beiläufig hingewiesen werden.

Zu erwägen

wäre, ob nicht fallweise die Zuerken-

nung einer Remunerierung an Privatdozenten am Platze wäre. Durch Ausgestaltung und Ver­ mehrung der Privatdozenturen könnten die technischen Hochschulen Österreichs außerordentlich gewinnen, da diese wich­

tige Institution bisher viel zu wenig gepflegt wurde und geeignet wäre, den Umfang des Unterrichtes sehr zu erweitern und eine wert­ volle Vertiefung der Studien zu ermöglichen. Freilich wird diese so

wünschenswerte Vermehrung der Privatdozenten nur Platz greifen, wenn die damit erlangbare Aussicht auf eine etwaige Be­

mehr Anreiz als bisher bietet, d. h. die mit den Ordinariaten und Extraordinariaten verbundenen Bezüge in besserem Einklänge zu den Kosten eurer standesgemäßen Lebenshaltung rufung

stehen würden. Dieser wichtige und vielleicht wichtigste Punkt soll aber mit Ab­ sicht nicht behandelt werden, da der Hochschullehrertag in erster Linie die Hebung des Standes und des Standesbewußtseins

41 bezweckt und die Vertretung der materiellen Interessen der Hochschul­ lehrer in letzte Reihe stellen will. Ich schließe daher meine Er-

örterungen, indem ich die berührten Punkte in möglichst allgemeiner Fassung zusammenziehend wiederhole: 1. Frühzeitige Heranziehung der hervorragenden Hörer zur Lehr­

tätigkeit. 2. Bemessung der Anfangsbezüge der Assistenten im Ein­ klänge mit den landesüblichen Bezügen anderer absolvierter Techniker. 3. Beseitigung aller die Freizügigkeit der Assistenten hemmenden Be­ stimmungen, so der in Österreich bestehenden Beschränkung der An­ rechenbarkeit der Assistentenjahre für die Pensionsbehandlung auf den unmittelbaren Übertritt und die ununterbrochenen

Dienstjahre. 4. Förderung der Reiselust der Assistenten durch Fahr­ begünstigungen, Reisezuschüsse, Reisestipendien und dergleichen. 5. Mög­ lichste Enthebung der Assistenten von administrativen Arbeiten, vor allem von reinen Schreibarbeiten. 6. Heranziehung der Lehrkanzeln der techni­ schen Hochschulen zur Lösung praktischer Aufgaben seitens des Staates. 7. Zuweisung von Staatstechnikem zur Unterstützung der Lehrkanzeln als Konstrukteure und dergleichen. 8. Förderung der Ausübung der Privat­ dozentur durch praktisch erfahrene Ingenieure, vor allem durch Staats­ techniker. 9. Beseitigung aller Erschwemisse der Ausübung der Privat­

dozenturen durch die technischen Hochschulen selbst. 10. Vermehmng der Ordinariate und Verbesserung der Stellung und Bezüge der Ordinarii. Der Vorsitzende,

v. Wett stein,

dankt dem

zweiten Refe­

renten für dessen Ausführungen (Beifall) und erteilt das Wort an den dritten Referenten. F. Schmid (Innsbruck):*) Meine Aufgabe, Ihnen über die Ver-

besserung der rechtlichen Lage der Privatdozenten zu referieren, ist mir etwas spät — im Mai dieses Jahres — übertragen worden. Ich

muß mich deshalb vorläufig darauf beschränken, heute vor Ihnen einige Leitsätze aufzustellen, die, wie ich glaube, für die ganze Frage aus­ schlaggebend sind. An diese die Debatte anzuknüpfen, schiene mir

um so mehr empfehlenswert, als die bisherige Regelung der ganzen Materie in den einzelnen Ländern eine recht verschiedene ist. Zum besseren Verständnisse will ich eine kurze historische Bemerkung voraus­ schicken.

♦) Bom Redner selbst verfaßter Auszug.

42 Die rechtliche Stellung der Privatdozenten war in der letzten Zeit

des Mittelalters und am Beginne der Neuzeit eigentlich gegenüber den vom Landesfürsten bestellten ordentlichen Professoren eine äquiDer Privatdozent stand in bezug auf Teilnahme an der Autonomie und Selbstverwaltung, auch im Range dem angestellten Professor im wesentlichen gleich. Das hat sich später, namentlich seit dem Dreißigjährigen Kriege, geändert. Mehr und mehr wurden die Privatdozenten seitdem von den wirklichen Professoren aus ihrer ur­ sprünglich gleichgestellten Position verdrängt, ein Prozeß, der in Deutsch­ land am Ausgange des 18. Jahrhunderts im allgemeinen abgeschlossen ist. Diese Entwicklung hat damals keine bedeutenden Schäden mit sich parierende.

gebracht, denn dem Privatdozententunr kam in dieser Zeitperiode nicht die große Bedeutung zu, die uns der erste Herr Referent für die Gegen­ wart dargestellt hat. Das deutsche Bürgertum war damals gar nicht in der materiellen Lage, so viele Privatdozenten zu stellen; ihre Zahl war

verhältnismäßig sehr gering. Das hat sich jetzt, wie wir gehört haben, vollständig geändert, keine Änderung hat sich aber bis heute in der recht­

lichen Stellung der Privatdozenten vollzogen. Während die wirklichen Professoren sich am Ende des 18. Jahrhunderts in den Besitz einer bevorzugten Beamtenstellung zu setzen wußten, sind die Privatdozenten zumeist von diesen Rechten ausgeschlossen geblieben. Noch heute geht die allgemeine Anschauung der deutschen Juristen dahin, daß die Privatdozenten keine Beamten sind. Wiederholte Ent­ scheidungen und Erlasse der obersten Instanzen sowie die parlamen­ tarischen Verhandlungen einzelner Staaten lassen darüber keinen Zweifel aufkommen. Es wäre vielleicht auch gar nicht erwünscht, wenn die Privatdozenten zu Beamten erklärt würden. Ich wenigstens neige mich der Anschauung zu, daß es im Interesse der Freiheit der Wissen­ schaft nicht erwünscht ist, daß die Privatdozenten zu Beamten gemacht werden. Die Privatdozenten sollen ihre bisherige beamtenähn­ liche Stellung behalten, wohl sollen ihnen sonst alle jene recht­ lichen Benefizien gewährt werden, die ihre Stellung zu ver-

bessem geeignet sind. Durch die Gewährung solcher Benefizien werden sie nicht zu Beamten erhoben, ihre Position wird dadurch juristisch nicht von Grund aus geändert, aber ihre Lage wird auf diese sehr einfache Art doch wesentlich verbessert. Da die Privatdozenten nicht Beamte sind, haben sie bisher auch keinen Anspruch auf Reisekosten, wenn sie in Erfüllung wissenschaftlicher Aufträge Reisen untemehmen.

43 Man ist so weit gegangen, daß man ihnen selbst geringe, im admini­ strativen Wege zuerst eingeräumte Benefizien, wie z. B. in Österreich die Eisenbahnfahrtbegünstigungen der Staatsbeamten, wieder entzogen hat. Der Privatdozent hat femer keinen Anspruch auf Übersiedelungs­ kosten, wenn er zum Professor ernannt wird. Er genießt nicht den erhöhten strafrechtlichen Schutz der Beamten. Ihm werden die Jahre, die er als Privatdozent zugebracht hat, im allgemeinen nicht angerechnet,

wenn er später Professor wird.

Da oder dort bestehen in dieser Be­

ziehung Ausnahmen, aber die Gesetzgebung und Berwaltungspraxis der meisten deutschen Staaten kennt eine derartige Einrechnung der

früheren Dozentenjahre in die spätere Dienstzeit nicht. Auch ander­ weitige Begünstigungen, wie bezüglich des Erwerbs des Heimatsrechtes,

der Belassung im Dienste während eines Kriegsfalles usw., kommen den Privatdozenten bis jetzt nicht zugute, weil sie eben nicht Beamte sind. Als erste Forderung möchte ich daher die These aufstellen, daß den Privatdozenten künftig alle jene rechtlichen Benefizien, die ihrem beamtenähnlichen Charakter entsprechen und deren Gewährung keine erhebliche Belastung des Staatsschatzes mit sich bringt, eingeräumt werden sollen. Im Vorübergehen will ich noch bemerken, daß für die Altersversorgung der Privatdozenten und für die Versorgung ihrer Hinterbliebenen keineswegs überall genügende Vorkehrungen bestehen. In den deutschen Staaten wird ihnen vielfach die freiwillige Beteiligung an den Pensionskassen zugestanden, hier und da besteht für sie auch die obligatorische Mitgliedschaft, aber in Österreich z. B. ist derartiges nicht vorhanden. Ich komme nunmehr zum zweiten Punkte, zur Zulas­ sung der Privatdozenten. Wie überhaupt die ganze rechtliche Stel­ lung der Privatdozenten, so ist auch dieser wichtige Punkt bisher nirgends durch besondere Gesetze normiert, fonbent es besteht entweder gar keine rechtliche Regelung oder es sind darüber nur Administrativvorschriften vorhanden. Die geltenden Habilitationsordnungen haben lediglich den Charakter von Statuten oder von administrativen Verordnungen. An und für sich wäre es ja vielleicht gleichgültig, ob die Norm ein Gesetz oder eine Verordnung ist, wenn sie nur gut ist und auch gehandhabt wird. Allein in letzterer Beziehung muß leider konstatiert werden, daß sich die Verwaltungsjuristen, die Bureaukraten, das juristische

Wesen einer Verordnung bis jetzt noch immer nicht ganz klar gemacht haben. Sie erachten sich nicht schlechthin daran gebunden und dispen-

44

fieren sich davon, wenn es ihnen paßt. Wir finden ferner, daß viele Habilitationsvorschriften in den deutschen Lander: einen recht ver­ schwommenen Inhalt haben, so daß ihre Auslegung häufig zur reinen Ermessenssache wird. Es ist schwer, vielfach ganz unmöglich festzustellen, wieweit das Recht der Fakultäten bei den Habilitierungen reicht, ob insbesondere die Fakultäten das Recht haben, einen Bewerber auch des­ halb zurückzuweisen, weil die Zahl der vorhandenen Privatdozenten bereits zu groß sei, oder weil kein Bedürfnis nach einer bestimmten Privatdozentur bestehe. Es bestehen aber auch sehr erhebliche Zweifel über den Umfang der Einflußnahme der Administrativbehörden, welche in neuerer Zeit sich bei den Habilitierungen in steigendem Maße geltend zu machen beginnt und in den Habilitationsvrdnungen auch festgelegt wird. Erstreckt sich dieser administrative Einfluß nur auf die sonstige Qualifikation, namentlich auf das sittliche Verhalten des Bewerbers, oder kann die Administrativbehörde auch die wissenschaftliche Be­ fähigung desselben zum Gegenstände ihrer Entscheidung machen? Tatsächlich haben die Administrativbehörden sich das Recht zugeschrieben, auch die wissenschaftliche Qualifikation der Bewerber zu prüfen und darüber zu entscheiden. Das ist insbesondere der Standpunkt des österreichischen Unterrichtsminist eriums. Aus allen diesen Gründen halte ich dafür und möchte Ihnen als zweite These den Satz zur Annahme empfehlen, daß es wünschens­ wert sei, die Bedingungen der Zulassung zur Privatdozentur gesetzlich zu regeln, wobei der bisher den Fakultäten zustehende Einfluß aufrecht erhalten, die administrativen Einflüsse aber zurückgedrängt und in gesetzliche Schranken gebannt werden sollen. Ein dritter Punkt betrifft die Frage nach den Rechten und den Pflichten der Privatdozenten. In der Auslegung der letzteren ist die Praxis meist eine ziemlich liberale. Doch gilt das nicht für alle Staaten. Im allgemeinen neigt die preußische Praxis hier einer freieren Auffassung zu als die Praxis der süddeutschen Regierungen. Das zeigt sich namentlich in der Behandlung der Urlaubsfrage und der Residenzpflicht. Nach preußischer Auffassung hat der Privatdozent sozusagen nur das Recht, nicht die Pflicht zu lehren. Er braucht daher keinen Urlaub zu erbitten, wenn er nicht lesen will, und auch mit der Residenzpflicht wird es nicht sehr genau genommen. Die süddeutsche Praxis legt hingegen dem Privatdozenten eine solche Residenzpflicht auf, und er bedarf hier auch einer förmlichen Urlaubsbewilligung. Es

45 erklärt sich dies aus der namentlich in Bayem herrschenden Auffassung,

daß der Privatdozent ein Staatsbeamter sei, wie er denn dort auch einen Amtseid abzulegen hat. Daher ist hier die Auffassung bezüglich der.Pflichten der Privatdozenten eine strengere. Jedenfalls darf aber

auch in diesem Punkte künftig nicht alles der Regelung durch Ver­ ordnung überlassen bleiben, sondern die Gesetzgebung muß sich klar und deutlich dariiber aussprechen, wie weit die Rechte und die Pflichten der Privatdozenten reichen. Femer wird die Gesetzgebung zu der Frage Stellung nehmen müssen, welche Position künftig den Privatdozenten gegenüber den wirklichen Professoren einzuräumen sei. In den geltenden Vorschriften finden sich da noch allerlei Überbleibsel aus jener Zeit, wo die Privat­ dozenten zurückgedrängt und degradiert worden sind. Noch heute be­ stehen mancherlei Vorschriften, welche den Privatdozenten den wissen­ schaftlichen Wettbewerb mit den wirklichen Professoren erschweren. Der Privatdozent darf nicht immer über dasselbe und unter den gleichen Bedingungen lesen, wie der wirkliche Professor. Er darf z. B. in Öster­

reich in der Regel nicht publice lesen, er muß sich genau an das Fach halten, für welches er habilitiert worden ist, während der Ordinarius das Verständnis für alle Fächer der Fakultät besitzt. Auch in dieser Be­ ziehung bedürfen die bestehenden Vorschriften in Zukunft einer Kor­ rektur durch die Gesetzgebung, alle diese veralteten Konkurrenzverbote müssen beseitigt werden. Diese Neuregelung des Verhältnisses der Privatdozenten zu den wirklichen Professoren darf sich nicht bloß aus den Lehrbetrieb erstrecken, sondem muß sich auch auf di? Anteilnahme an der Selbstverwaltung beziehen. Ist die Bedeutung des Privatdozentums für das ganze mo­ derne Hochschulwesen wirklich so groß, wie sie der erste Herr Referent geschildert hat, dann ist wahrlich nicht einzusehen, warum die Selbst­ verwaltung nur in den Händen der wirklichen Professoren oder gar nur der Ordinarien liegen soll, wie dies in Deutschland noch zumeist die Regel ist. Vielmehr muß im Gesetzeswege dafür gesorgt werden, daß auch die Privatdozenten einen angemessenen Anteil an der Selbst­ verwaltung unserer Hochschulen erhalten. Diese Beteiligung hätte sich selbst auf das Prüfungswesen zu erstrecken. Ich- verkenne nicht, daß gerade hier manche Schwierigkeiten zu überwinden sind. Dieselben liegen in dem verderblichen Sportelwesen, das sich leider an den deut­ schen Hochschulen in so großem. Umfange erhalten hat. Das Sportel-

46 wesen hat das Doktorat verdorben, es schädigt auch sonst auf das schwerste

unsere Hochschulen, es steht im Widersprüche mit den Prinzipien der modernen Finanzwissenschaft und bedarf daher gleichfalls einer gründ­

lichen Reform. Ich komme nun zum vierten und letzten Punkte, nämlich zur Frage des Disziplinarrechts. Auch in dieser Beziehung ist bis­ her so ziemlich alles der Verwaltungspraxis überlassen, manchmal fehlen überhaupt nähere Verwaltungsvorschriften. Man hat selbst Mühe festzustellen, welches eigentlich die für die Privatdozenten kompe­ tente Disziplinarbehörde ist. Nur in Preußen ist im Jahre 1898 durch die bekannte lex Arons eine gesetzliche Regelung der Materie erfolgt. Es war das eine wahre bill of attainder, zugleich sollte aber dadurch

auch die Streitfrage entschieden werden, inwieweit die oberste Ad­ ministrativbehörde ein selbständiges Disziplinarrecht gegenüber den Privatdozenten besitze. Berühmte Juristen, an deren Ehrlichkeit ich nicht zweifeln will, hatten in der Tat der Unterrichtsverwaltung ein solches selbständiges Disziplinarrecht zuerkannt, aber es hatte auch nicht an gegenteiligen Stimmen gefehlt, und da man des preußischen Abgeordnetenhauses bei seiner derzeitigen Zusammensetzung sicher war, wurde die Materie in Preußen im gesetzlichen Wege geregelt. Man könnte nach dem Inhalte dieser Regelung versucht sein, die Meinung zu vertreten, es sei am besten, wenn in der ganzen Sache überhaupt nichts geschehe. Ich bin nicht dieser Meinung. Denn der Rechtszustand

in einer so wichtigen Frage darf in einem Rechtsstaate nicht ein so un­ sicherer sein, und es darf nicht vorkommen, daß die höchsten Administrativbehörden Disziplinarstrafen, auch die Aberkennung der Privat­ dozentur, ganz nach ihrem Ermessen aussprechen können. Ich vertrete daher als letzte These den Satz, daß auch eine gesetzliche Regelung des Disziplinarrechtes der Privatdozenten erwünscht wäre. Speziell für alle Vertreter der philosophischen, naturwissenschaftlichen und nationalökonomischen Fächer besteht sogar ein dringendes Bedürfnis, daß sie einen ausreichenden Schutz gegen willkürliche Diziplinierungen

genießen, und dieses Schutzes können natürlich auch die betreffenden Privatdozenten, welche öfter noch freiere Meinungen vertreten, als die Professoren, keinesfalls entbehren. Wenn wir fragen, wie dieser Schutz beschaffen sein soll, so sehen wir uns freilich gewissen Schwierigkeiten gegenüber. Unser materielles Disziplinarstrafrecht ist sehr rückständig oder eigentlich noch nirgends

47 ausgebildet.

Es wird daher schwer sein, im vorliegenden Falle einen

Kodex der Disziplinarverfehlungen aufzustellen. Höchstens wird man drei große Kategorien von Disziplinarverfehlungen unterscheiden können,

nämlich solche, die mit dem Lehrbetrieb der Privatdozenten in Be­

ziehung stehen, dann Verletzungen rein administrativer Vorschriften, z. B. wenn der Privatdozent eine angekündigte Vorlesung zu spät be­ ginnt oder gar nicht abhält, ohne Entschuldigungsgründe anführen zu können, endlich Verfehlungen gegen die Pflicht einer anständigen Lebens­ führung, soweit auch diese, wie in Preußen, dem Privatdozenten ent­

weder ausdrücklich auferlegt oder für selbstverständlich zu erachten ist. Solange es aber der Jurisprudenz nicht gelingt, das materielle Disziplinarrecht im einzelnen feiner auszugestalten, wird der Schwer­ punkt einer gesetzlichen Regelung in das formelle Disziplinarrecht, in das Disziplinarverfahren, verlegt werden müssen. Dabei soll zuerst

die Fakultät, das Bemfskollegium, die maßgebende Stimme haben, und vor ihr soll sich zunächst das Disziplinarverfahren abspielen. In zweiter Instanz und überhaupt bei schwereren Vergehen soll eine ge­ mischte Behörde urteilen, die durch ihre Znsammensetzung die nötigen Garantien für ein unabhängiges Verfahren bietet. Deshalb soll die höhere Disziplinarbehörde aus unabhängigen Richtem und auf der anderen Seite aus Berufsgenossen gebildet seht, damit wenigstens auf diese Weise die Schwierigkeit, die darin liegt, daß man im einzelnen Falle oft sehr schwer sagen kann, ob ein Disziplinarvergehen vorhanden sei, wenigstens iitdirekt überwuitden werde. In anderen Staaten, wie insbesondere in I t a l i e n, urteilt über Disziplinarvergehen der Pro­ fessoren ein besoirderer höherer Rat, in dem Hochschulprofessorett die ausschlaggebende Stimme besitzen. Dieses Vorbild habe ich vor Augett, wenn ich die Anschauung vertrete, daß die zweite (höhere) Disziplinar­ instanz nicht lediglich aus Administrativbeamten zusammengesetzt sein dürfe, sondern auch aus Berufsgenossen bestehen müsse, und daß ferner ihre Mitglieder richterliche Unabhängigkeit genießen müssen. Das wären in aller Kürze die Leitsätze, die ich Ihnen zur Diskussion empfehlen würde. Ich möchte aus dieser Diskussion gerne selbst noch

etwas lernen, verspreche aber, Ihnen im nächsten Jahre ein wohlaus­ gearbeitetes Referat vorzulegen (Lebhafter Beifall). v. Schröttrr (Wien) führt aus, die Verhältnisse der Assistenten und Privatdozenten lägen nicht so schlimm, als man nach den Referaten vielleicht glaubett könnte. Redner geht hierauf auf die Beziehungen

48 zwischen Professoren und Studierenden ein, wird jedoch vom Vor­

sitzenden ersucht, diesen Gegenstand als zum jetzigen Verhandlungs­

thema nicht gehörend aus der Diskussion lassen zu wollen. Lotz (München) wünscht die Angabe der Durchschnittsziffer für die Ordinarien, wann Promotion, Habilitation, Anstellung erfolgt ist. Es ist selbstverständlich möglich, daß das Durchschnittsalter hierfür durch Weglassung der Ordinarien in die Höhe geschraubt wird. Es wäre wünschenswert, daß bekannt gegeben würde, ob für die Ordinarien die gleiche Ziffer des Promotions- und Habilitationsalters Geltung hat wie für Privatdozenten und Extraordinarien. Was die rechtliche Stellung der Privatdozenten und außerordent­ lichen Professoren betrifft, so ist die Frage ihrer Beteiligung an der Selbstverwaltung der Universitäten heute nicht gleichmäßig geregelt. In Österreich ist eine Heranziehung der Privatdozenten und Extraor­ dinarien zu den Geschäften der Fakultät üblich, und auch iu der Schweiz sind in gewissen Fällen die Extraordinarien an den Sitzungen der Fakultäten beteiligt. In München nicht. Doch besteht hier die Ein­ richtung, daß außerordentliche Professoren mit Lehrauftrag an der Wahl von Rektor und Senat beteiligt sind, so daß man nicht schlechterdings sagen kann, daß hier die Extraordinarien von der Teilnahme an der Selbstverwaltung völlig ausgeschlossen seien. Wenn aber die Versammlung beschließen würde, die Beteiligung an sämtlichen Fakultätsgeschäften sei an jenen Hochschulen, wo sie nicht besteht, auszudehnen auf die Privatdozenten und Extraordinarien, so würde sich vielfach draußen lebhafter Widerspruch und die Be­ fürchtung erheben, daß unter den heutigen in Deutschland herrschenden Verhältnissen die Selbstverwaltung und die Interessen der tüchtigen Privatdozenten hierdurch nicht gefördert würden. Der Ordinarius hat normalerweise von der Fakultät nichts mehr für sich zu erwarten. Er steht unabhängig bei Beschlüssen über Beru­

fungen usw. da. Anders Extraordinarien und Privatdozenten, deren Interessen mitberührt werden. Aber auch noch ein Moment kommt in Betracht. Welcher Konflikt würde entstehen, wenn die Fakultäten, um sich gegen Versuche der Bureaukratisierung zu wehren und um die Unter­ richtsinteressen zu wahren, in Anwesenheit von solchen Privatdozenten, die vielleicht Vertrauensmänner der Regiemng sind, Dinge beschließen oder erörtern würden, welche sich darauf beziehen, sich irgendwie gegen eine Regiemngseinmischung zu wehren! Gin derartiger Gedanke, die

49

Privatdozenten und Extraordinarien an den Fakultätsgeschäften teil­

nehmen zu lassen, mag an sich vielleicht sympathisch sein, aber damit kaiur keinesfalls gedacht werden, solange nicht durch die Habilitations­ ordnungen oder auf andere Weise die Zulassung solcher Privatdozenten

ausgeschlossen wird, die gleichzeitig abhängig sind von der Mministration. Man sollte auch feststellen, welche Nebenämter für Professoren inkompatibel sind. Die Regel ist iit Deutschland an den Universitäten,

daß in den Fakultäten Leute als Ordinarien nicht zugelassen werden, die in abhängiger Position sich befinden, und wenn das Fakultätsgeheim­ nis in Deutschland leidlich gewahrt wird, so ist es unsere Aufgabe, das noch zu verbessern, nicht es zu erschüttern. Wir müßten mindestens

fordern, daß zunächst in den Habilitationsordnungen bezüglich des Nachwuchses so strenge Bestimmungen durchgeführt werden, daß eine solche Abhängigkeit ausgeschlossen erscheint. Das ist ein sehr schwieriges Problem, und wir gewinnen heute schon viel, wenn wir in dieser Hinsicht feststellen, welche der verschiedenen Vorschläge, die heute geäußert worden sind, zur rechtlichen und materiellen Besserstellung der Privat­ dozenten im Sinne möglichster Unabhängigkeit beitragen können. Mein Standpunkt ist, daß jede rechtliche Besserstellung, die erkauft wird mit größerer Abhängigkeit der Privatdozenten von irgend welchen nicht wissenschaftlichen Einflüssen, eine Verschlechterung des akade­ mischen Nachwuchses bedeutet, und daß jede rechtliche und materielle Besserstellung, die von dieser Gefahr befreit ist, aufs freudigste zu be­ grüßen ist. Alfred Weber (Prag-Heidelberg) stimmt dem anzustrebenden

Ideale: „Ausschluß der Minderwertigen" zu, muß aber die Frage auf­ werfen, ob nicht bereits hochwertige Elemente ausgeschlossen wurden. Wenn wir bei einem Vergleiche der Situation der Hochschulen von heute mit der von früher zu ungünstigen Schlüssen kommen, hängt das vielleicht damit zusammen, daß wir gewisse geistige Kräfte, die wir hätten heran­ ziehen sollen, ausgeschlossen haben. Wenn schon die Hochschulen nicht eine so einflußreiche Stellung im geistigen Leben einnehmen wie vor 30 Jahren, sollten wir doch wenigstens die großen geistigen Strömungen

nicht außer acht lassen, die durch die Nation gehen. Dazu gehört auch das Kulturproblem des demokratischen Sozialismus. Scheiden wir nicht ganze große Elemente der geistigen Bewegung der Nation dadurch aus, daß tatsächlich Leute, die dieser Weltanschauung huldigen—welchem Fache immer sie angehören — heute an den Universitäten kein UnterDeutscher Hochschullehrer-Tag.

4

50 kommen finden? Man müßte also vielleicht die Umgestaltung der Gesichts­ punkte, unter welchen zur Habilitation zugelassen wird, in Erwägung ziehen. Durch die Auslese bei der Habilitation werden große Schichten

der Bevölkerung von der Anteilnahme am Hochschulwesen ausgeschlossen. Zunächst handelt es sich darum, aus welchem großen Körper geistiger Kräfte wir auswählen können. Wenn ein Mensch mit 30 Jahren Privat­

dozent, mit 35 Jahren Extraordinarius ist, dann ist eine ganze große Masse, die nicht kapitalistisch ist, ausgeschlossen. Was die rechtliche Lage des akademischen Nachwuchses angeht, so ist es allerdings unhaltbar,

daß zwei Drittel des Universitätslehrkörpers an der Verwaltung der Universität nicht beteiligt sind. Die Unfreiheit, die diesen Kreisen auf­ gedrückt ist, überträgt sich auch auf die Fakultäten und läßt diese Kreise nicht recht zur Geltung kommen. Aber viel wichtiger ist die materielle Besserstellung, weil alles, was das Rückgrat und die Selbständigkeit der Privatdozenten und Extraordinarien stärkt, eine Verbesserung des akademischen Nachwuchses und des ganzen Lehrkörpers darstellt. Allein es muß eine Form gewählt werden, durch welche die Abhängig­ keit nicht noch verschärft wird. Jede gesetzliche Regelung hinsichtlich der rechtlichen Sicherheit würde zur Verschlechterung der Position führen. Unklarheit ist immer noch besser als schreckliche Gewißheit. Wir sollen lieber versuchen, innerhalb der Unklarheit folgenden Weg zu beschreiben: Neben der Staatshilfe die Selbsthilfe, die Organisation. Die Ursache der schlechten Situation der nicht festangestellten Lehrkräfte liegt in der ungenügenden Vermehrung der Ordinariate. Diese müßte mit der Vermehrung der Höhrerzahl Schritt halten. Wenn der Lehrkörper zu einen: Drittel aus Ordinarien und zu zwei Dritteln aus Privatdozenten besteht, so ist das ein unhaltbarer Zustand. Fischer (Marburg) stellt fest, daß der Fall des Ausschlusses eines jungen Mannes wegen angeblich sozialistischer Gesinnung, den Pro­ fessor Weber streifte, ein anderer sei. Der Betreffende hätte nie daran denken können, sich uni eine akademische Stellung zu bewerben. Es seien ganz andere Gründe gewesen, die diesen Herm bestimmt haben, den heimischen Staub von seinen Füßen zu schütteln. Erdmann (Charlottenburg): In der rechtlichen Stellung der Privatdozenten in Preußen ist durch einen Erlaß des Kultusministers eine durchaus erfreuliche Änderung eingetreten. Dieser Erlaß lautet

dahin, daß die Jahre, die man als Privatdozent zugebracht hat, in die Pension eingerechnet werden, als ob sie Beamtenjahre wären. Über

51 beit Beamtencharakter der Privatdozenten äußert sich der Erlaß nicht. Die Verhältnisse an den technischen Hochschulen in Österreich sind von jenen in Deutschland sehr erheblich verschieden. Es werden Leute an die Universität bemfen, die direkt von der Technik kommen und keine

Privatdozentenlaufbahn durchgemacht haben.

Redner

spricht

sich

ferner aus für die Heranziehung älterer Studenten zum Unterrichte in den Instituten, für die Besserstellung der Assistenten sowie für einen

öfteren Wechsel derselben. Wegscheidcr (Wien):

Insoweit hinsichtlich des Nachwuchses an

akademischen Lehrern Mißstände hervorgetreten sind, ist eine Abhilfe in der Hauptsache nicht mittels Änderung der bestehenden Vorschriften zu suchen, wenn sie auch in Einzelteilen besserungsbedürftig sein mögen. Insbesondere scheint es nur auch dem Wesen der akademischen Ein­

richtungen nicht zu entsprechen, wenn die Regelung möglichst vieler Fragen im Wege der Gesetzgebung angestrebt wird.

Viel nrehr als auf Gesetze und Verordnungen kommt es auf die Per­ sonen an, welche diese Vorschriften durchzuführen haben. Insbesondere können die Professorenkollegien viel zur Berhindemng von Mißständen tun, indem sie sich dessen bewußt bleiben, daß die Privatdozenten ein wich­ tiger Bestandteil der Hochschule sind. Demgemäß muß von den Habili­ tationsbewerbern gefordert werden, daß sie jene Reinheit des wissenschaft­ lichen Strebens, jene Unabhängigkeit der Gesinnung und jene wissenschaft­ liche Leistungsfähigkeit mitbringen, welche von den akademischen Lehrern verlangt werden müssen, wenn sie wertvolle Glieder der Hochschule sein sollen. Die Durchführung dieser Forderung kann nicht durch Gesetze oder Verordnungen, sondern nur durch das Verhalten der Professoren­ kollegia bewirkt werden. Die Verbesserungsvorschläge, die uns bisher hinsichtlich des akademischen Nachwuchses gemacht worden sind, betreffen überwiegend Einzelheiten von untergeordneter Bedeutung, aber nicht den Kem der Sache. Es wird daher nötig sein, die Beschlußfassung über die ganze Frage der nächsten Tagung zu überlassen (Widerspruch). Dies gilt auch für eine Frage, die vielleicht nur im Wege der Gesetzgebung oder Verordnung gelöst werden kann, nämlich die Teilnahme der Nichtordinarien an der Selbstverwaltung; derzeit ist diese Frage nicht spruchreif.

Es ist eine Tatsache, daß unter den Privatdozenten und Extra­ ordinarien viel Unzufriedenheit herrscht und daß hierdurch ihre Wirk­ samkeit an den Hochschulen, daher auch ihr Wert für die Hochschulen 4*

52 beeinträchtigt wird.

Die wichtigste Ursache dieser Unzufriedenheit ist

die, daß die Aussichten auf Erlangung eines Ordinariats sehr gering sind. Hier sind vor allem die Hebel anzusetzen. Einerseits muß bei der

Habilitierung wieder eine strengere Praxis eingeführt werden, wie dies noch vor drei Dezennien an den meisten Hochschulen der Fall war. Per­ sonen, deren Charakter und Leistungen nicht die Gewähr bieten, daß sie sich für ein Ordinariat eignen, sind überhaupt nicht zur Privatdozentur

zuzulassen; insbesondere sind bezüglich der wissenschaftlichen Leistungen schon bei der Habilitierung strenge Anforderungen zu stellen. Hierdurch werden nicht bloß die Aussichten auf ein Ordinariat verbessert, sondem

es wird auch ermöglicht, daß die Privatdozenten in ihrer Lehrtätigkeit Befriedigung finden, was bei einer übergroßen Anzahl von Privat­ dozenten nicht möglich ist. Andererseits muß aber auch die Zahl der Ordinariate entsprechend beit stark gestiegenen Unterrichtsbedürfnissen vermehrt werden. Es ist nicht zu verkennen, daß eine solche Vermehrung der Ordinariate angesichts der gegenwärtigen Form des akademischen Sportelweseus auch innerhalb der Fakultäten auf Widerspruch stoßen wird. Daher wird auch an eine Reform dieses Sportelwesens zu denken sein. Eine regelmäßige Honorierung der Privatdozenten ist mit dem Wesen der Privatdozentur nicht verträglich. Wohl aber ist es zweck­ mäßig, daß in einzelnen Fällen Privatdozenten ständige Remunerationen erteilt werden, insbesondere, wenn ein unbemittelter Privatdozent trotz hervorragender Leistungen infolge zufälliger Konjunktur in seinem Fache nicht rechtzeitig Professor werden kann.

Die weitere Verhandlung und die Beschlußfassung über die Frage des akademischen Nachwuchses wird nunmehr auf die nächste Sitzung vertagt, die heutige Sitzung geschlossen.

Dritte Sitzung am 9. September V2IO Uhr.

Der Vorsitzende v. Wettstein

bringt naniens des neugewählten

Ausschusses von diesen! gestellte Anträge zur Abstinlmung. Der Aus­ schuß schlägt als nächsten Versammlungsort Jena vor. Dieser Antrag wird nach längerer Debatte, in der außer auf Jena auch auf München

hingewiesen wurde, angenommen. Der Vorsitzende: Der gestern gewählte Ausschuß hat die Führung der laufenden Geschäfte den Herren Rein, Amira und Bren­ tano übertragen. (Zustimmung.) Femer schlägt der Ausschuß vor, den gestern beschlossenen Satzungen folgenden Eingang voranzustellen: „Die hier versammelten Hochschullehrer haben ein­ stimmig beschlossen, eine Organisation zu schaffen, deren Aufgabe darin bestehen soll, einmal die notwendigen Re­ formen des Hochschulwesens nach innen hin vorzubereiten und für ihre selbständige Durchfühmng zu wirken, zweitens nach außen hin die gemeinsamen Interessen der Hochschulen, insbesondere auch in ihrer Eigenschaft als Selbstverwaltungs­ körper, wahrzunehmen." Der Antrag wird einstimmig angenommen und ist durch den neuen Ausschuß zur Durchfühmng zu bringen. Endlich wird die Herausgabe eines gedruckten Verhandlungsbe­ richtes beschlossen. Sodann wird die gestern unterbrochene Diskussion fortgesetzt.

Es liegen folgende Resolutionen vor, die der Vorsitzende durch die Antragsteller verlesen läßt: 1. Resolution Lotz, von der Leyen, Eulenburg, Bauer und Genossen: 1. Die Zulassung zum akademischen Lehrberuf muß der Autonomie der Hoch­

schulen erhalten bleiben.

54 2. Die Handhabung der Habilitationsbedingungen muß mit größter Strenge

erfolgen; die Gesichtspunkte für die Zulassung zum Lehramte sollen lediglich die der wissenschaftlichen und Lehr-Befähigung und die der für jeden akademischen Lehrer und jedes Mitglied der akademischen Körperschaften unerläßlichen Würde und Unab­

hängigkeit fein. 3. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, daß die zum Lehramt zugelassenen Privat­ dozenten sowie die außerordentlichen Professoren in Organisationen — auch soweit

solche bisher noch nicht bestehen — zusammengefaßt werden; diese Organisationen

sollen als solche von den Hochschulen anerkannt und in allen Standes- und Lehramtsfragen auf ihren Wunsch von den Senaten und Fakultäten in geordnetem mündlichen und schriftlichen Verkehr — vorbehaltlich der Rücksicht aus das Amtsgeheimnis — informiert und gehört werden. 4. Privatdozenten, deren Tätigkeit bewährt ist, sind durch angemessene Remune­

rationen zu unterstützen.

2. Resolution H o ch e n e g g: Der Hochschultag empfiehlt zur Heranbildung eines akademischen Nachwuchses

für die Anwendungsfächer der technischen Hochschulen die möglichst frühzeitige Heran­ ziehung hervorragender Hörer zur Lehrtätigkeit, die vorübergehende Zuweisung

von Staatstechnikern zur Unterstützung der Professoren als Konstrukteure u. dergl.,

die Aneiferung praktisch erfahrener Ingenieure, insbesondere der Staatstechniker, zur Ausübung der Privatdozentur durch Gewährung von Diensteserleichterungen und Beseitigung aller Erschwernisse.

3. Resolution Erdmann: 1. Die Entschließung des preußischen Kultusministeriums, bei Berechnung des Dienstalters zwecks Alters- und Witwenversorgung die Privatdozentenzeit der Hoch­ schulprofessoren mitzuzählen, wird mit Freuden begrüßt und den anderen Regi rungen zur Nachahmung empfohlen. — 2. Beim praktischen Unterrichte sind kleine Gruppen

von nicht mehr als 10 bis 15 Studenten zu bilden. Die Heranziehung der älteren Studenten zur Unterweisung der Jüngeren ist nach Möglichkeit zu fördern. — 3. Eine zeitgemäße Erhöhung der Anfangsbezüge für Assistenten ist anzustreben, doch so, daß diese Stellungen ihren Charakter als Durchgangsposten nicht verlieren. Ein An­

spruch auf dauernde staatliche Versorgung soll mit der Einstellung als Assistent an einen: Hochschulinstitut in der Regel nicht verbunden sein. Doch wird es der Billigkeit ent­

sprechen, bei späterer fester staatlicherAnstellung solche Assistentenjahre als Dienstzeit

mitzuzählen, und zwar auch dann, wenn eine längere Dienstunterbrechung durch prak­ tische Tätigkeit vorliegt.

4. Resolution Ferd. Schmid: 1. Die Normen, welche die rechtliche Stellung der Privatdozenten in den deut­ schen Staaten und in Österreich derzeit regeln, sind mehrfach lückenhaft und unzuläng­ lich.

Eine der heutigen Bedeutung des Institutes entsprechende Neuregelung der

Rechtsverhältnisse der Privatdozenten ist daher anzustreben. — 2. Als Grundsatz hätte dabei zu gelten, daß die Privatdozenten auch in Zukunft nicht für eigentliche Beamte erklärt

werden, sondem nur eine beamtenähnliche Stellung einnehmen

sollen. Es ist aber erwünscht, daß den Privatdozenten auch jene verschiedenen recht­

lichen Benefizien, welche die Beamten mit Rücksicht auf ihre Stellung genießen, ein-

55 geräumt werden. Auch soll die Zeit der Privatdozentur ganz oder teilweise bei der Be­

messung der Professorenpensionen und der Reliktenversorgung in Anrechnung gebracht werden. —3. Die Frage der Zulassung der Privatdozenten ist gesetzlich zu regeln, hier­

bei soll der den Fakultäten oder Abteilungen der Hochschulen eingeräumte Einfluß auf­ recht erhalten, die in den neueren Verwaltungsvorschriften immer mehr hervortretende bureaukratische Einflußnahme hingegen zurückgedrängt und in gesetzliche Schranken

gebannt werden. — 4. Auch die Rechte und Pflichten der Privatdozenten bedürfen

vielfach einer genaueren Präzisierung, die gegebenenfalls int gesetzlichen Wege durch­ geführt werden soll. Die rechtliche Position der Privatdozenten gegenüber den wirk­

lichen Professoren soll dabei gestärkt werden. Die in den älteren Verwaltungsvorschriften

enthaltenen Bestimmungen, welche den Wettbewerb der Privatdozenten als Lehrer gegenüber den Professoren einschränken, sind zu beseitigen.

Auch ist den Privat­

dozenten in angemessenem Umfange eine Teilnahme an der Verwaltung der akademi­ schen Einrichtungen und insbesondere auch am Prüfungswesen zu gewähren. Die

aus dem Sportelwesen fließenden Hindernisse, welche einer solchen Beteiligung der Privatdozenten entgegenstehen, sind durch vollständige Aufhebung oder eine ent­ sprechende Reform der Sporteln zu beseitigen. — 5. Zu einer vollständigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Privatdozenten gehört auch ein modernes Disziplinargesetz.

Im geeigneten Zeitpunkte wäre daher eine gesetzliche Regelung der Disziplinarrechts-

verhältnisse der Privatdozenten anzustreben, wobei das berufsgenossenschaftliche Moment angemessene Berücksichtigung finden soll.

5. Resolution Wegscheider: I. Eine der wichtigstell Grundlagen für das Gedeihen der Hochschulen ist die Sicherung eines tüchtigen und berufsfreudigen Nachwuchses für die Professuren.

Zu diesem Zwecke hält es die erste Tagung von Hochschullehrern aus dem deutschen Sprachgebiet für erforderlich: 1. daß die Prosessorenkollegien bei der Zulassung zur Privatdozentur hohe Anforderungen an die wissenschaftlichen Leistungen der Bewerber stellen, aber jeder wissenschaftlichen Richtung gleichmäßig den Zugang zu den Hoch­ schulen offen halten; — 2. daß die Regierungen durch geeignete Berwaltungsmaßregeln die Gewinnung von Männern, die sowohl durch Lehr- als durch praktische Er­

fahrungen ausgezeichnet sind, für die Professuren der Jngenieurfächer im weitesten Sinne erleichtern; —3. daß den außerordentlichen Professoren und Privatdozenten die ihnen

als Mitgliedern der Lehrkörper von Hochschulen gebührende Stellung ohne Engherzigkeit eingeräumt und, soweit erforderlich, durch Gesetze und Verordnungen gesichert werde;

4. daß die Zahl der Professuren entsprechend den durch die Entwicklung der Wissen­

schaften und den stark gesteigerten Besuch der Hochschulen vermehrten Unterrichts­ bedürfnissen erhöht werde, wodurch neben der Befriedigung der Unterrichtsbedürf­

nisse auch die dringend notwendige Verbesserung der Aussichten des akademischen

Nachwuchses erzielt werde. — II. Der vorbereitende Ausschuß der zweiten Tagung wird beauftragt, im einzelnen durchgearbeitete Vorschläge zur Durchführung dieser

Wünsche der zweiten Tagung zur Beschlußfassung vorzulegen.

6. Resolution Barkhausen: 1. Der Hochschullehrertag befürwortet die Erweiterung der technischen Hoch­

schulen so, daß diese die Lehrer der allgemeinen Hilfswissenschaften selbst ausbilden

können.

2. Es ist zu empfehlen, daß die staatlichen Behörden die technischen Kräfte

56 der Hochschulen zur Lösung von technischen Aufgaben heranziehen, als Muster der Erhaltung eigener Erfahrung der älteren Lehrer und der Ausbildung jüngerer.

v. Amira empfiehlt, für dies Mal alle diejenigen Einzelheiten zurückzu st eilen, die mir auf bestimmte Hochschulen oder Klassen

von Hochschulen Passen, und die Resolution auf die für alle geniein­

samen Grundzüge zu beschränken. Frhr. v. Schwind (Wien) wünscht die Formulierung einer einheit­ lichen Resolution aus den Anträgen L o tz und Wegscheider. (Leb­ hafte Zustimmung.)

Auf Vorschlag des Vorsitzenden wird behufs Bomahme der Re­

daktion einer solchen Resolution die Sitzung unterbrochen. Nach Wiederaufnahme derselben referieren Wegscheider und Lotz

über das Ergebnis ihrer Besprechungen. Als ihren gemeinsamen Vor­ schlag trägt Wegscheider vor: „Eine der wichtigsten Grundlagen für das Gedeihen der Hochschulen ist die Sichenmg eines tüchtigen und berufs­ freudigen Nachwuchses für die Professur. Zu diesem Zwecke halten die in der ersten Tagung von Hochschullehrem aus dem deutschen Sprach­ gebiete vereinigten Professoren und Privatdozenten folgendes für erforderlich: 1. Die Zulassung zum akadeniischen Lehramte muß der Autonomie der Hochschulen erhalten bleiben." Wegscheider beantragt: 2. „Die Professorenkollegien sollen bei der Zulassung zur Privatdozentur hohe Anforderungen an die wissenschaft­

lichen Leistungen der Bewerber stellen, aber jeder wissenschaft­ lichen Richtung gleichmäßig den Zugang zu den Hochschulen offen halten." Lotz beantragt für Punkt 2 folgende Fassung: „2. Die Hand­ habung der Habilitationsbedingungen muß mit größter Strenge erfolgen. Die Gesichtspunkte für die Zulassung zum Lehrberufe sollen lediglich die der wissenschaftlichen und Lehr-Befähigung und die der für jeden akademischen Lehrer und jedes Mitglied der akademischen Körperschaften unerläßlichen Würde und Unabhängigkeit sein."

Wegscheider beantragt:

„3. Die Regierung soll durch geeignete

Verwaltungsmaßnahmen die Gewinnung von Männem, die sowohl

durch Lehr- als durch praktische Erfahrung ausgezeichnet sind, für die Professuren der Jngenieurfächer im weitesten Sinne erleichtern."

Lotz beantragt die Streichung dieses Absatzes. Wegscheider beantragt: „4. Den außerordentlichen Professoren und Privatdozenten ist die ihnen als Mitgliedern der Professoren-

57 koNegien von Hochschulen gebührende Stellung ohne Engherzigkeit einzuräumen und, soweit erforderlich, zu sichern."

Lotz beantragt für Punkt 4 folgende Fassung: „Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, daß die zum Lehramt zugelassenen Privatdozenten

sowie die außerordentlichen Professoren in eine Organisation, auch soweit eine solche bisher nicht besteht, zusammengefaßt werden. Diese Organisation soll als solche von den Hochschulen anerkannt und in allen Standes- und Lehramtsfragen auf ihren Wunsch von den Senaten und Fakultäten in geordnetem mündlichem und schriftlichem Verkehre — vor­ behaltlich der Rücksicht auf das Amtsgeheimnis — informiert und gehört werden." Wegschcider und Lotz beantragen: „5. Die Zahl der besoldeten

Professoren ist entsprechend den. durch die Entwicklung der Wissenschaft und den stark gesteigerten Besuch der Hochschulen vermehrten Unter­ richtsbedürfnissen zu erhöhen, wodurch neben der Befriedigung der Unterrichtsbedürfnisse auch die dringend notwendige Verbcssemng der Aussichten des akademischen Nachwuchses erzielt würde. Es ist auch darauf Bedacht zu nehmen, daß Privatdozenten, deren Tüchtigkeit bewährt, deren wirtschaftliche Lage aber nicht damach angetan ist, ihre Stellung zu sichem, durch geeignete Unterstützungsmittel ihren, Berufe erhalten werden. II. Der vorbereitende Ausschuß der zweiten Tagung wird beauftragt, im einzelnen durchgearbeitete Vorschläge zur Durch­ führung dieser Wünsche der zweiten Tagung zur Beschlußfassung vor­ zulegen." Eulenburg beantragt, die Worte „für die Professur" in der Ein­ leitung zu ersetzen durch die Worte „für den akademischen Lehrberuf". Die Einleitung wird mit dieser Änderung angenommen. Punkt 1.

v. Amira beantragt die Worte „akademisches Lehramt" zu ersetze,: durch die Worte „zum akademischen Lehrberuf". F. Schmid hält dafür, daß als schließliches Endziel ein Gesetz anzustreben sei. v. Amira: Das schließliche Endziel muß die Autonomie sein, und

wenn sie nicht erreicht wird, als vorläufiger Notbehelf das Gesetz. I. Redlich (Wien) spricht sich dagegen aus, daß man das Gesetz­

gebungsmonopol des Staates verstärke. Man solle vielmehr für die Autonomie eintreten und dürfe sich auch nicht vom historischen Gesichts-

58 punkte entfernen, daß die Universitäten theoretisch und praktisch auto­

nome Körperschaften sind. Punkt 1 wird mit der Änderung „zum akademischen Lehrberuf"

angenomme n.

Punkt 2. L. M. Hartmann hält cs für wünschenswert,

zu betone«, daß

die verschiedenen Richtungen gleichmäßig zuzulassen sind. Er wünscht weiter die Streichung des Wortes „Würde". Löffler (Wien) spricht sich für die Streichung der Worte „Würde

und Unabhängigkeit" aus. v. Amira führt aus, daß mit der „Unabhängigkeit" die politische Unabhängigkeit gemeint ist, die aufs schwerste beeinträchtigt werden kann. Auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit ist von größter Bedeutung.

Es ist ja ein Hauptprogrammpunkt dieser Tagung, daß die Personen richtig ausgewählt werden müssen. Brentano: Es läßt sich nicht konstatieren, ob ein Mensch innerlich

unabhängig ist oder nicht, wohl aber, ob er sich in Abhängigkeit als öffentlicher oder privater Beamter befindet. Wer sich vermöge seiner äußeren Stellung in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet, das seine innere Unabhängigkeit zu gefährden droht, eignet sich nicht für den Lehrbemf. Redner tritt nachdrücklichst dafür ein, an den Worten „Würde und Unabhängigkeit" festzuhalten. Löffler: Es besteht ein großer Unterschied zwischen den öster­ reichischen und reichsdeutschen Verhältnissen. An den juristischen Fakul­ täten in Österreich ist die überwiegende Mehrzahl der derzeitigen Pro­ fessoren und Dozenten aus dem Beamtenstande hervorgegangen, weil die Dozenten von ihrem Einkommen nicht leben können. Es ist in Öster­

reich nicht vorgekommen, daß sich ein solcher Beamter irgendwie zu Spitzeldiensten hergegeben hätte, wie das Herr v. Amira offenbar mit Rücksicht auf die deutschen Verhältnisse befürchtet. Man kann deshalb nicht erklären, daß es inkompatibel ist, die Privatdozentur mit der Be­

amtenstellung zu verbinden. Eulenburg: Es ist unmöglich, Leute nicht zuzulassen, die eine

Stellung im Staatsdienste bekleiden. Er verweist auf die Museums­ beamten, Archivare usw. Er beantragt die Aufnahme der Worte: „Würde

und Unabhängigkeit des Charakters". Hartmann beantragt in Ziff. 2 hinter dein Wort „Würde" einzu­

fügen: „sein und solche ausschließen, welche sich in abhängiger Stellung

59 befinden, die ihrer wissenschaftlichen Forschung abträglich ist".

Damit

wären die gemachten Einwendungen getroffen, denn Gymnasialpro­ fessoren und Museumsbeamte würden dann in diese Kategorie nicht fallen. Er ist auch der Anschauung, daß abhängige Berwaltungsbeamte nicht Themen dozieren sollen, welche in ihrem Ressort traktiert werden. Hanansek (Graz) fürchtet, daß eine solche Bestimmung Gelegenheit

bieten könnte, mißliebige Personen zu entfernen. Die meisten Privat­ dozenten in Österreich stehen in irgend einem Berufe, viele juristische Dozenten sind Gemeindebeamte, Staatsbeamte und Rechtsanwälte. Eine solche Formel würde genügen, um einen Rechtsanwalt, der irgend­ eine Eisenbahngesellschaft vertritt, nicht zuzulassen. Das ist ein Unrecht, dann hört jede Anwaltschaft und jede Zulassung zum Lehrberufe auf. Der Privatdozent kann nicht von der Luft leben, und aus seinem Berufe folgt noch nicht, daß er sich in seinem Lehramte von anderen als wissen­ schaftlichen Rüchichten leiten lassen könnte. Friedwagncr (Czernowitz): Es besteht in den Habilitationsordnungen ein Punkt, in welchem auf gewisse Charaktereigenschaften Gewicht gelegt wird und welcher es den Fakultäten ermöglicht, jeden Dozenten aris irgeudeinenl Grunde zu entfernen, wenn er in dieser Hinsicht nicht entspricht. Die Verhältnisse bezüglich der Unabhängigkeit sind in Öster­

reich ganz andere als in Deutschland. Der Privatdozent kann vom Kvllegiengeld nicht existieren, et muß also Beamter werden, und als solcher ist er nicht unabhängig. Eine sehr große Anzahl von Hochschuldozenten in Österreich ist z. B. aus Gynmasialkreisen hervorgegangen,

und man hat es auch als einen großen Fortschritt bezeichnet, daß sogar ein Angehöriger des Militärs Dozent ist. Redner empfiehlt die Auf­ nahme eines Passus analog dem der österreichischen Habilitationsord­ nung, welcher auf die Charaktereigenschaften Bezug nimmt. Lotz modifiziert seinen Antrag folgendermaßen: „Unabhängigkeit von politischen Behörden und wirtschaftlichen Interessenten". (Leb­ hafter Mderspmch.) Zitelmaun (Bonn) hält es für eine große Gefahr, von äußerer Unabhängigkeit zu reden.

Man kann ein abhängiger Verwaltungs­

beamter und doch ein absolut unabhängiger Mensch und Charakter sein. Sonst müßte man bestimmen, daß einer, sobald er ein anderes Amt an­ nimmt, aus dem Lehramte ausscheiden müßte. Der Kreisphysikus, also ein abhängiger Beamter, ist möglicherweise Mitglied der medizinischen

60 Fakultät, und auch bei der theologischen Fakultät liegen die Verhält­ nisse ähnlich. v. Amira:

Man wird zugeben müssen, daß aus dem Umstande,

daß jemand ein willkürlich absetzbarer Beamter ist, noch kein Argument gegen seine Zulassung geschmiedet werden darf. Man wird die Sache so fassen müssen, daß die Unabhängigkeit in dem Sinne des Antrages Hartmann verstanden wird. Verlieren wir uns nicht in kasuistische Details und operieren wir nicht mit dem dehnbarenBegriff desCharakters. F. Schmid: In Österreich legt man den größter: Wert darauf,

daß die Juristen nicht nur theoretisch, sonden: auch praktisch durchge­ bildet sind. Deshalb wünscht man geradezu, daß die Leute zuerst in die Praxis gehen und als Verwaltungsbeamte arbeiten und sich dann habili­ tieren lassen. B. Uhlig (Wien) hält es für ausgeschlossen, daß ein junger Mann

von 25 Jahren unabhängig ist.

Die Frage der Unabhängigkeit ist eine

Illusion, und die Aufnahme eines solchen Satzes könnte leicht dazu führen, daß ein Klerikaler, ein Sozialdemokrat oder ein Vertreter der Finanzwelt abgelehnt wird. In Österreich liegt die Sache so, daß sich ein junger Mann im Staatsdienst als abhängig und in privater Stellung

als unabhängig fühlt. Alfred Weber sieht ein, daß die Österreicher die Dinge unter einen: andern Gesichtspunkte betrachten und sich gegen absolute Inkompati­

bilität aussprechen müssen. Man darf aber die Sache nicht immer so auffassen, als ob die Fakultäten aus den hier zu fassenden Beschlüssen einen Grund entnehmen könnten, jemanden auszuschließen. Wir rechnen doch mit Fakultäten von Qualität. Wenn es Fakultäten gibt, die unter irgendwelchen Vorwänden jemanden ausschließen wollen, so läßt sich dagegen nichts machen. Redner bittet um die Berücksichtigung der Verhältnisse im Deutschen Reiche. Es handle sich darum, eine Fassung zu finden, in der man auch den österreichischen Verhältnissen gerecht wird.

Sieger (Graz):

Die beiden Resolutionen Wegscheider und Lotz

wenden sich an ganz verschiedene Instanzen. Die erstere an die Pro­ fessorenkollegien, während sich die letztere sowohl an die Professoren­ kollegien als auch an die Regierungen wende:: kann. Darin liege eine Gefahr. Er beantragt die Fassung in Ziff. 2: . . . „Würde und Unab­ hängigkeit ihres Charakters".

Brentano spricht sich gegen den Gebrauch des Wortes „Charakter" aus, weil dadurch ermöglicht würde, mit Schnüffeleien in das Privat-

61 leben einzudringen.

Er wünscht ferner den Ersatz der Worte „hohe

Anforderungen" durch die Worte „höchste Anforderungen". L. M. Hartmann: Es war immer unser Fehler in Österreich, daß wir im Zustande der Schlamperei weiter beharren.

(Lebhafter

Widerspruch.) Jeder von uns weiß, daß die Regiemng bei uns lässiger ist als die in Preußen. (Emeuter Widerspruch.) Ich konstatiere, daß gegenwärtig die Lehrfreiheit bei uns gewährt ist. Wir können aber nicht

darauf rechnen, daß künftige Regierungen sich in gleicher Weise benehmen werden. Ich appelliere an die österreichischen Kollegen, sich nicht dem angenehmen Wahne hinzugeben, daß man bequem weiterleben werde, v. Scala (Innsbruck) wünscht, daß die Frage der Unabhängigkeit fallen gelassen werde.

Man habe cs ja selbst in der Hand, derartige

Menschen zurückzuweisen, die nach ihrer ganzen Lebensstellung nicht geeignet erscheinen, das Lehramt entsprechend auszusüllen. Friedwagner: Wir haben gehört, daß die Privatdozenten in Österreich verschiedene ^Begünstigungen haben, die sie in Preußen nicht besitzen. Wir haben in Österreich die Lehrfreiheit nicht nur aus Schlam­

perei, sondem weil unsere Regierung eine gemütliche ist, die bei allen wichtigen Anlässen die Fakultäten zu Rate zieht und ihre Erlässe nur nach Einholung des Gutachtens der Fakultäten hinausgibt. Es muß auf die Herren aus Deutschland einen sehr merkwürdigen Eindruck machen, wenn unsere Zustände gewissermaßen als solche der geduldeten Gesetzlosigkeit bezeichnet werden. L. M. Hartmann führt einen Fall an, in welchem von der Re­ giemng ein ordentlicher Professor an der Wiener philosophischen Fakultät ernannt wurde, der in dem Fakultäts-Referate ausdrücklich abgelehnt worden war, weil er weniger qualifiziert sei, als irgend ein Privat­ dozent desselben Faches.

Es wird zur Abstimmung geschritten. Wegscheider formuliert den Punkt in folgender Fassung: „Die

Professorenkollegien sollen bei der Zulassung zur Privatdozentur die höchsten Anfordemngen an die wissenschaftlichen Leistungen der Be­ werber stellen, aber jeder wissenschaftlichen Richtung gleichmäßig den Zugang zu den Hochschulen offen lassen. Auszuschließen sind Personen, die ihrer Lebensfühmng oder Lebensstellung nach ungeeignet für Lehr­ beruf und unabhängige Forschung erscheinen."

Diese Fassung wird einstimmig angenommen. und Händeklatschen.)

(Lebhafter Beifall

62 Es wird Ziff. 3 der Resolution in Verhandlung gezogen. Lotz beantragt, diesen Punkt dem Ausschüsse als Material zu über­

weisen. Bauer macht darauf aufmerksam, daß die deutschen und schweize­ rischen Verhältnisse an technischen Hochschulen der Versammlung nicht bekannt seien. Er schließt sich daher dem Anträge an. Hochenegg tritt gleichfalls für die Zuweisung an den Ausschuß ein. Ziff. 3 wird dem Ausschüsse als Material überwiesen. Es wird Ziff. 4 zur Debatte gestellt. Lotz beantragt, seine Fassung für den Fall der Ablehnung dem Ausschüsse zu überweisen. Eulenburg befürwortet Punkt 4 in der Fassung Lotz. Die Privat­ dozenten und Extraordinarien Deutschlands sind im Begriffe, eine Or­ ganisation zu bilden; es wäre vielleicht nicht zweckmäßig, daß man hierüber

schon heute etwas in die Resolution anfnehme, und vorzuziehen, dies der nächsten Tagung zu überlassen. Spiegel (Prag) erblickt in dem Anträge eine ganz unglaubliche Degradierung der österreichischen Extraordinarien, gewissermaßen die Organisierung einer Gehilfenversammlung gegenüber der Meister­ versammlung der Ordinarien. Anzustreben wäre die Einrückung, der

Extraordinarien in die Professorenkollegien nach österreichischem Muster. Reich (Wien) konstatiert, daß von sämtlichen deutschen Fakultäten in Österreich nur die Wiener juristische Fakultät für die Abschaffung des Stimmrechts der Extraordinarien sei. Er verweist darauf, daß diese Frage in Österreich durch ein nur vom Parlament abzuändern­

des Gesetz geordnet ist. Wir legen außerordentliches Gewicht darauf, daß dieser in Österreich durch zwei Dezennien gesetzmäßig festgelegte Zustand aufrecht erhalten bleibe. Er stellt schließlich fest, daß von den deutsch-österreichischen Ordinarien mehr als die Hälfte das 45. Lebens­ jahr bereits überschritten haben. Spiegel führt aus, daß in Österreich sogar die Privatdozenten

im akademischen Senat mit Sitz und Stimme vertreten sind. Frhr. v. Schwind erklärt, daß sich in Wien der akademische Senat einmütig, und nicht bloß die juristische Fakultät, für die Abschaffung

des Stimmrechtes ausgesprochen habe und mit allen Mitteln dafür kämpft, diese Einrichtung zu beseitigen, die schon längst beseitigt wäre, wenn sie nicht gesetzlich festgelegt wäre und die Unterrichtsverwaltung besorgen würde, an bestehenden gesetzlichen Vorschriften zu rütteln.

63 Die prinzipiellen Bedenken gehen dahin, daß es nicht gut sei, wenn sich in einem Kollegium Personen verschiedener Rechtsstellung befinden, weil dadurch die Einheitlichkeit gestört wird. Da die Extraordinarien

von den Ordinarien und vom Kollegium noch manches zu erwarten haben, so kann es kommen, daß die Interessen, welche das Professoren­ kollegium und die Universität als ganzes haben, sich nicht decken mit jenen der Extraordinarien.

Wir beneiden die deutschen Kollegen um

ihren Zustand. Die Anregung auf Abschaffung des Stimmrechtes ist von einem Komitee zur Beratung der Stellung der Privatdozenten und Extraordinarien ausgegangen. L. M. Hartmann: Der Standpunkt der Privatdozenten ist der, daß

sie gar keine Lust haben, dieses Recht auszugeben, und auch die Extraordi­ narien werden auf dieses Recht nicht verzichten. Es ist auch nicht richtig, daß die Extraordinarien den Ordinarien unbedingt Gefolgschaft leisten. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, daß die ständigen Lehrkräfte auf diese Weise in die Fakultäten hineinkommen. In dieser Bestimmung liegt tatsächlich noch ein Stück Freiheit, und wir lassen uns dieses Keine Stück von Anteil­ nahme an der Universität nicht nehmen. Man könnte den Bedenken durch Einfügung eines Zusatzes in den Antrag Lotz begegnen, daß, wo weitergehende Rechte bestehen, diese nicht berührt werden sollen etwa: „soweit nicht weitergehende Einrichtungen an Universitäten bestehen". Lotz stimmt diesen: Anträge zu. Reich bemerkt gegenüber Prof. v. Schwind, daß die Anzahl der Privatdozenten und Extraordinarien in Wien größer ist als an anderen österreichischen Universitäten. Zitelmann stellt folgenden Zusatzantrag: „Insbesondere ist überall

eine Einrichtung dahin zu treffen, daß sie bei den allgemeinen Angelegen­ heiten des Lehrbemfes in den Körperschaften der Universität auf geord­ netem Wege zu Gehör kommen." Eulenburg erllärt, daß die deutschen Kollegen den Antrag Weg­ scheider mit dem Antrag Zitelmann akzeptieren würden.

Es wird zur Abstimmung geschritten. Der Bertagungsantrag Lotz wird abgelehnt und hierauf Ziffer 4 in der Fassung Wegscheider mit dem Zusatzantrage

Zitelmann mit allen gegen fünf Stimmen angenommen. Es wird Punkt 5 in Verhandlung gezogen. Löffler beantragt, nach den Worten „besoldete Professuren" die Einfügung der Worte „insbesondere auch der Ordinariate".

64 Zitrlmann: Man muß den Anschein vermeiden, als ob wir ledig­

lich eine Vertretung der Interessen der jüngeren Kollegen darstellen. Es gibt keine Statistik, wonach zu wenig Professoren vorhanden wären, im Gegenteil. Man darf nicht ohne genaue Prüfung den Regierungen den Vorwurf machen, daß sie für das Lehrbedürfnis nicht genügend sorgen. Die Privatdozenten zu versorgen, darf kein Gmnd sein, ordent­

liche Professuren zu errichten, sondem maßgebend hat ausschließlich das sachliche Bedürfnis zu bleiben. Weber betont, daß nur ein Drittel des Lehrkörpers aus Ordi­ narien besteht, während früher die Verhältnisse ganz andere waren.

Die Vermehmng der Hörerzahl sollte doch auch für die Vermehmng der Ordinariate maßgebend sein. Zitelmann konstatiert, daß an den juristischen Fakultäten in

Preußen, wo die Vermehrung der Studenten die größte ist, auch die Ordinariate stark vermehrt worden sind. Lotz beantragt die Streichung des mit den Worten beginnenden Absatzes: „wodurch die Versammlung ". Bei der Abstimmung wird der Antrag auf Streichung angenommen. Eulenburg beantragt, im ersten Absatz nach den Worten: „daß Privatdozenten" einzufügen die Worte: „und unbesoldete Extraordi­ narien". Bon der Leyen (München) wünscht die Ersetzung des Wortes

„Unterstützung" durch „Vergütung" oder einen andem entsprechenden Ausdruck. L. M. Hartmann wünscht folgende Einfügung: „insbesondere durch Vergebung besoldeter Extraordinariate ad personam". Die Extraordi­ nariate dienen auch dazu, Privatdozenten, welche sich wissenschaftlich hervorgetan haben, verliehen zu werden. Das ist ein unbedingt not­ wendiges Mittel zur Sichemng des akademischen Nachwuchses. Zitelmann: In Preußen werden Extraordinariate nur verliehen,

wo ein dauemdes Bedürfnis dafür vorliegt.

Er beantragt die Ein­

fügung: „durch Verleihung von Gehältem und Stipendien".

Hanausek und v. Amira unterstützen den Antrag Hartmann. Man wolle ja die Regierung dazu bewegen, einen andem Standpunkt ein­ zunehmen.

Da dürfe man nicht auf die gegenwärtige Tendenz der

einen oder andem Regiemng Rücksicht nehmen. Es wird zur Abstimmung geschritten und Punkt 5 unter Annahme

sämtlicher gestellter Abändemngsanträge zum Beschluß erhoben.

65



Hierauf wird Absatz II in Verhandlung gezogen und dieser Passus

auf Antrag von Alfred Weber gestrichen.

Die Resolution hat nunmehr folgenden Wortlaut: „Eine der wichtigsten Grundlagen für das Gedeihen der Hochschulen ist die Sicherung eines tüchtigen und Bemfsfreudigen Nachwuchses für den akademischen Lehrbemf. Zu diesem Zwecke halten die in Salzburg versammelten Professoren und Privatdozeuten aus dem deutschen Sprach­

gebiete folgendes für erforderlich: 1. Bei der Zulassung zum akademischen Lehrberufe

muß die Autonomie der Hochschulen erhalten bleiben. 2. Die Professorenkollegien sollen bei der Znlassung zur Privatdozentur die höchsten Anforderungen an die wissen­ schaftlichen Leistungen der Bewerber stellen, aber jeder wissenschaftlichen Richtung gleichmäßig den Zugang zu den Hochschulen offen lassen. Auszuschließen sind Personen, die ihrer Lebensführung oder Lebensstellung nach unge­ eignet für den Lehrberuf und für die unabhängige Forschung erscheinen. 3. Den außerordentlichen Professoren und Privat­ dozenten ist die ihnen als Mitgliedem der Professorenkol­ legien von Hochschulen gebührende Stellung ohne Eng­ herzigkeit einzuräumen und, soweit erforderlich, zu sichem. Insbesondere ist überall eine Einrichtung dahin zu treffen, daß sie bei den allgemeinen Angelegenheiten des Lehrberufes in den Körperschaften der Hochschulen auf geordnetem Wege zu Gehör kommen. 4. Es ist darauf Bedacht zu nehmen, daß Privatdozenten und unbesoldeten Extraordinarien, deren Tüchtigkeit bewährt ist, besoldete Extraordinariate ad personam verliehen

werden und daß auch solche Privatdozenten, deren wirt­ schaftliche Lage nicht damach angetan ist, ihre Stellung zu sichem, durch Verleihung von Gehältern und Stipendien

ihrem Bemfe erhalten werden." Alle übrigen Resolutionen werden dem Ausschüsse zugewiesen. Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Lehmann (Weimar): Er sei hierher gekommen als nicht im Amt befindlicher Hochschulprofessor. Er fügt allgemeine Betrachtungen Deutscher Hochschullehrer-Tag.

5

66 über den Wert des Hochschullehrertages an, dessen Bestrebungen er begrüßt. Zitelmann, v. Amira

und Brentano

sprechen den Dank der

Versammlung an die Vorsitzenden, an die Schriftführer und an die Wiener Mitglieder des vorbereitenden Ausschusses der Tagung aus. (Lebhafter Beifall.) Vorsitzender v. Weitstem:

Meine Herren! Wir sind am Schlüsse

unserer Tagesordnung angelangt. Ich habe Ihren Dankesworten nichts

mehr hinzuzufügeu, ich will nur sagen, daß wir, wenn unsere Versamm­ lung auch unter Schwierigkeiten zusammengekommen ist und eine nicht

allzu große Zahl von Hochschullehrern teilgenommen hat, doch mit großer Befriedigung auf den Verlauf der Tagung blicken können. Der Ge­ danke, die Hochschullehrer zu vereinigen, ist auf fruchtbaren Boden gefallen, insbesondere bei jenen, die überzeugt sind, daß von ihnen selbst die notwendige Reform unserer Hochschulen ausgehen muß, wenn sic das bleiben sollen, was sie gewesen sind. Eine große Zahl von Zustimmungskundgebungen aus allen Kreisen gibt uns Anlaß zur Be­ friedigung und auch der Verlauf der Versammlung selbst und das große Interesse, das Sie alle erfüllt hat, wie aus den Debatten hervorgegangen ist. Man hat uns nachgesagt, daß wir eine Organisation zur Opposition gegen die Regiemngen schaffen wollen. Wir haben aber gezeigt, daß wir uns zusammengefunden haben zu ernster Arbeit für unsere Hochschulen, zu einer Organisation, auf deren Mitarbeit die Regiemngen den größten Wert legen müssen; zu einer Organisation, deren Gründung darauf zurückzuführen ist, daß wir aus genügende Fördemng der Interessen unserer Universitäten durch die parlamentarischen Vertretungen nicht rechnen können. Indem ich Ihnen allen, meine Herren, für Ihre rege Anteilnahme an den Verhandlungen danke, erkläre ich den ersten deutschen Hochschullehrertag für geschlossen.

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