208 15 15MB
German Pages 367 [368] Year 2000
Linguistische Arbeiten
414
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese
Stefan
Engelberg
Verben, Ereignisse und das Lexikon
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2000
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Engelberg, Stefan: Verben, Ereignisse und das Lexikon / Stefan Engelberg. - Tübingen : Niemeyer, 2000 (Linguistische Arbeiten ; 414) Zugl.: Wuppertal, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-484-30414-6
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck G m b H , Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren
Inhalt
Vorwort 1 Einleitung 1.1 Was tun (in der lexikalischen Semantik)? 1.1.1 Theorien 1.1.2 Phänomene 1.1.3 Zu dieser Arbeit
2
3
VIII 1 1 1 5 9
1.2 Vier Kontroversen 1.2.1 Syntaktische vs. semantische Begründungen 1.2.2 Dekompositionen vs. Bedeutungspostulate 1.2.3 Lexikalisches vs. enzyklopädisches Wissen 1.2.4 Kognitive vs. referentielle Semantik
12 12 17 22 26
Ereignisstruktur
31
2.1 Ereignisstrukturen - die Theorie 2.1.1 Abriß einer Theorie lexikalischer Ereignisstrukturen 2.1.2 Andere lexikalisch-semantische Ereignisstrukturtheorien
31 31 35
2.2 Ereignisstrukturen - die Daten 2.2.1 Zugriff auf Teilereignisse 2.2.2 Nachzustände 2.2.3 Durativität und Punktualität 2.2.4 Temporale und semantische Relationen
48 48 54 63 78
Argumentstruktur
85
3.1 Prädikat-Argument-Strukturen 3.1.1 Thematische Argumente 3.1.2 Argumente, Modifikatoren und Teilereignisse 3.1.3 Ereignisargumente
85 85 97 100
3.2 Syntaktische und semantische Valenz 3.2.1 Semantische Grundlagen und Notationen 3.2.2 Argumente und Valenz 3.2.3 Argumentstruktur und Valenz: Einige problematische Fälle
105 105 115 121
3.3 Argumente und adverbiale Modifikation 3.3.1 Lokal- und Temporaladverbiale 3.3.2 Komitativadverbiale 3.3.3 Instrumentaladverbiale und Passiv 3.3.4 Die Modifikation impliziter Argumente 3.3.5 Das Verb im Lexikon (Teil I)
128 128 131 137 142 151
VI 4
5
6
Semantische Relationen
156
4.1 Thematische Rollen 4.1.1 Das semantische Problem mit thematischen Rollen 4.1.2 Thematische Rollen und Ereignisse 4.1.3 Thematische Rollen und Argumenttheorien 4.1.4 Neo-davidsonische Theorien aus lexikalischer Sicht
156 156 162 173 180
4.2
190 190 193 198 210
"Sentience", "Volition" und andere semantische Relationen 4.2.1 Thematische Rollen als Prototypen 4.2.2 "Sentience" 4.2.3 Kontrolle, freier Wille und das unpersönliche Passiv 4.2.4 Das Verb im Lexikon (Teil II)
Ereignisontologie
215
5.1
215
Vorüberlegungen zur Ereignisontologie 5.1.1 Grundannahmen für ontologisches Argumentieren in natürlichsprachlichen Semantiken 5.1.2 Die Fragen hinter der Frage, was Ereignisse sind 5.1.3 Zum ontologischen Begründungsbedarf 5.1.4 Zum epistemologischen Begründungsbedarf.
215 217 220 225
5.2 Feinkörnige vs. grobkörnige Ereignisauffassungen 5.2.1 Ereignisse und das Körnigkeitsproblem 5.2.2 Feinkörnige Ereignisauffassungen 5.2.3 Grobkörnige Ereignisauffassungen
230 230 232 241
5.3
247 247 252 259
Ereignisse als abstrakte Partikularia 5.3.1 Ereignisse und Welten 5.3.2 Ereignisse und Räume 5.3.3 Ereignisse und Veränderungen
Ereigniswahrnehmung
264
6.1
264 264
Wahrnehmungspsychologische Positionen zu Ereignissen 6.1.1 Fragestellungen der Psychologie zur Ereigniswahrnehmung 6.1.2 Psychologie der Bewegungswahrnehmung und Vektoranalysen proximaler Stimuli (Johansson) 6.1.3 Ökologische Wahrnehmungspsychologie und transformationeile Invarianten (Gibson, Shaw)
267 272
6.2 Ereignisontologische Probleme und die Ereigniswahrnehmung 280 6.2.1 Die Frage der Abhängigkeit eines Ereignisses von einem Gegenstand.... 280 6.2.2 Die Frage der Körnigkeit eines Ereignisses 282 6.2.3 Die Frage nach dem Ereignisort 284 6.3
Ereignissemantische Probleme und die Ereigniswahrnehmung 6.3.1 Sensorische Verben als Kausativa 6.3.2 Zweibewegungsverben 6.3.3 Punktuelle Verben
288 288 294 299
VII 7
Ereignisverben
304
7.1 Ereignisargumente im Lexikon und im Satz 7.1.1 Was sind Ereignisse? 7.1.2 Die Bindung von Ereignisargumenten
304 304 309
7.2 Ereignisstruktursemantik 7.2.1 Teilereignisse 7.2.2 Relationen zwischen Teilereignissen 7.2.3 Das Verb im Lexikon (Teil III)
319 319 325 334
Literatur
337
Register
351
Sachregister
351
Verbregister
356
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Doktorarbeit, die von Joachim Jacobs und Gisa Rauh begutachtet wurde und im Wintersemester 1998 vom Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften der Bergischen Universität Gesamthochschule Wuppertal angenommen worden ist. Die Arbeit ist im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 282 "Theorie des Lexikons" im Teilprojekt "Valenz im Lexikon" entstanden. Sie wurde von Joachim Jacobs betreut. Ihm möchte ich ganz herzlich danken für seine Unterstützung, seine Kritik und den Freiraum, den er mir gelassen hat. Auch die folgenden Personen haben durch Diskussionen, Begutachtungen, Korrekturlesen und andere Formen der Unterstützung zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen: Jennifer R. Austin, Kerstin Blume, Danièle Clément, Regine Eckardt, Inge Engelberg, Rudolf Engelberg, Andreas Epping, Ulla Erkens, Silvia Gregarek, Dagmar Haumann, Ingrid Kaufmann, Lothar Lemnitzer, Gisa Rauh, Susanne Uhmann, Heinz Vater, Thomas in der Weide und die Kollegen und Kolleginnen aus dem SFB 282 "Theorie des Lexikons".
1
Einleitung
1.1
Was tun (in der lexikalischen Semantik)?
1.1.1 Theorien Einleitende Worte: Diese Arbeit beschäftigt sich mit der lexikalischen Repräsentation von Verben und der Frage, welche Rolle Ereignisargumente in solchen Repräsentationen spielen können. Bevor ich in Kapitel 1.1.3 im Einzelnen auf die Zielsetzungen und den Aufbau der Arbeit eingehe, möchte ich einige Überlegungen zur lexikalischen Semantik vorausschicken, die zeigen sollen, aus welcher Position heraus diese Arbeit geschrieben ist. Ich werde in diesem Kapitel zunächst eine Einschätzung der Entwicklung und des gegenwärtigen Stands der lexikalischen Semantik versuchen, um dann in Kapitel 1.1.2 einen Überblick über die verschiedenen Typen von Phänomenen zu geben, mit denen sich die Semantik von Verben auseinanderzusetzen hat. Ein Experiment (Verbsemantik in den 70er Jahren). Zum Ende der 70er Jahre haben Edith Moravcsik und Jessica Wirth als Herausgeberinnen eines Buches mit dem Titel "Current Approaches to Syntax" ein Korpus von siebzehn Sätzen zusammengestellt, die verschiedene erklärungsbedürftige syntaktische Phänomene repräsentierten (Moravcsik / Wirth 1980:392). Diese Sätze wurden Vertretern verschiedener syntaktischer Theorien von der "Montague Grammar" über die "Functional Grammar" bis hin zur "Role and Reference Grammar" zur Analyse vorgelegt und die Ergebnisse in dem erwähnten Band veröffentlicht. Das Beispielkorpus spiegelte unwidersprochen einen Kerndatenbestand syntaktischer Theorien wider (Passivierung, wA-Positionen, Dative Shift, Raising-Verben, etc.), und abgesehen davon, daß jede dieser Theorien bestimmte Phänomene überzeugender als andere erklären konnte, bestand doch über die Art der in syntaktischen Theorien zu erklärenden Daten weitgehender Konsens. Ein ähnliches Unterfangen im Bereich der lexikalischen Semantik hätte vermutlich zur damaligen Zeit - und würde wohl weitgehend auch heute noch - auf Ratlosigkeit bezüglich der Frage stoßen müssen, wie denn ein solches Korpus für die lexikalische Semantik aussehen sollte, das man Vertretern verschiedener Theorien vorlegen könnte. Prototypensemantiker hätten zur Bedeutung von nicht und oder wenig sagen können, während formale Semantikerinnen das semantische Verhältnis zwischen Vogel, Amsel und Pinguin als uninteressant für die Theoriebildung erachtet hätten. Wortfeldsemantiker hätten Daten zum Argumentlinking vermutlich genauso ratlos gegenübergestanden, wie Vertreterinnen der generativen Semantik oder der Thetarollentheorie der Frage nach der Bedeutung von Farbwörtern Dies sagt dabei weniger etwas über die Qualität der einzelnen Theorien aus, als vielmehr etwas über die lexikalische Semantik als eine Teildisziplin der Linguistik: Die verschiedenen Theorien haben offenbar ganz verschiedene Gegenstandsbereiche, aufgeteilt nach den untersuchten semantischen Eigenschaften, den untersuchten Wortarten und der Anbindung an syntaktische Theorien, und sind insofern zum größten Teil nicht vergleichbar. Was sie verbindet, ist bestenfalls die vortheoretische Idee, es mit der Bedeutung von Wörtern zu tun zu haben.
2 Richtet man den Blick im Besonderen auf die Verbsemantik ausgangs der 70er Jahre, so ist auch dort unter den verschiedenen Ansätzen die Diskrepanz in der theoretischen Orientierung und den betrachteten Daten erheblich. In der generativen Semantik (Katz, McCawley, u.a.) und der Montague-Grammatik war die Suche nach der Verbbedeutung in ganz unterschiedlicher Weise in die Frage eingebettet, wie das Verhältnis zwischen der syntaktischen Struktur von Sätzen und ihrer Bedeutung zu erklären ist. Die Kasustheorie (Fillmore) und andere Thetarollenansätze beschäftigten sich mit semantischen Kategorisierungen von Verbargumenten und der Frage, wie diese in die Syntax abgebildet werden, während die Valenztheorie (Heibig, Schumacher, u.a.) mit dem Problem befaßt war, welche operationalen Verfahren zur Distribution von Verben in bestimmten Konstruktionen uns zeigen können, was überhaupt Argumente eines Verbs sind. Im Rahmen verbsemantischer Fragestellungen entstanden schließlich auch erste merkmalsemantisch orientierte Ansätze zur Aspektkomposition, die wesentlich an den von Vendler ins Bewußtsein der modernen Linguistik gebrachten Aspekt- und Adverbialphänomenen orientiert sind, während parallel dazu die traditionelle Aktionsartforschung an Verbklassifikationen arbeitete, die sich stark an Wortbildungsdaten orientierten.1 Dieser Vielfalt an Theorien im Bereich der Bedeutung von Verben liegt eine Heterogenität der verschiedenen Ansätze sowohl hinsichtlich der Fragestellungen und Problemorientierung (syntaktisch, satzsemantisch, aspektuell, argumentstrukturell) als auch hinsichtlich der herangezogenen Daten (Argumentrealisierung, syntaktische Distribution, Wortbildung, Aspektformen, Distribution hinsichtlich Adverbklassen) zugrunde. Einen wirklichen Theorienpluralismus, wie ihn das von Wirth / Moravcsik durchgeführte Experiment in der Syntax voraussetzte, gab es in der lexikalischen Semantik der 70er Jahre nicht, wohl auch nicht innerhalb des mit der Verbbedeutung befaßten Bereichs, denn Theorienkonkurrenz kann sich nur auf der Basis vergleichbarer Forschungsziele und eines zumindest in den Grundzügen gleichen, implizit vorausgesetzten Datenkorpus entwickeln. Aspektualitätsphänomene - Linkingphänomene (Verbsemantik in den 80er Jahren): Ausgangs der 70er Jahre formuliert Carter ein Programm für die lexikalische Semantik im Allgemeinen, dessen Umsetzung man in Grundzügen wohl auch den meisten gegenwärtigen lexikalisch-semantischen Theorien als Ziel unterstellen kann: I assume here that a semantic theory should be aimed at the following goals, among others: (a) to make available a descriptive apparatus - semantic representations, rules of inference, meaning postulates, or what have you - that will make it possible to account for entailment relations among sentences, relations of synonymy and partial synonymy, and all other logical relations and properties, in the most elegant way; (b) to provide for an explanatory account of the limitations on possible meanings of words, morphemes, grammatical affixes, particles, etc. I will call this the problem of "possible words" for short;
Darüber hinaus waren und sind natürlich auch andere Theorien, zumindest partiell, mit der Bedeutung von Verben befaßt, wie etwa die Theorie semantischer Netze (z.B. Quillian), "frame"-basierte Theorien (z.B. Minsky), die Wortfeldtheorie und die Prototypentheorie. Eine Reihe von Theorien ist seitdem dazugekommen, v.a. die kognitive Semantik (Lakoff, Langacker) und dekompositionsbasierte Semantiken wie die konzeptuelle Semantik (Jackendoff), die Zwei-Ebenen-Semantik (Bierwisch, Lang) mit der darin entstandenen Lexikalischen Dekompositionsgrammatik (Wunderlich) und andere dekompositionelle Ansätze (z.B. Levin, Rappaport).
3 (c) to predict the regularities found to hold between the syntactic distribution and behavior of lexical items and their meaning. I will call this the "linking" problem; (d) to correctly account for such phenomena of "semantic markedness" as the relative order of acquisition of vocabulary, the relative frequency of lexicalization of the various lexicalizable meanings across languages, etc. (Carter 1978! 1988:139)
Innerhalb der Verbsemantik im Besonderen haben sich in den 80er Jahren zwei Richtungen etabliert, die beide in Dowtys (1979) "Word Meaning and Montague Grammar" einen wichtigen Ausgangspunkt hatten: zum einen formalsemantische Arbeiten v.a. zur aspektuellen Bedeutung von Verben und zum anderen lexikalisch-dekompositionelle Arbeiten zu Linking-Phänomenen. Dowty bemängelte in seiner Arbeit, in der lexikalische Dekompositionen in eine Montague-Grammatik integriert werden, die Beschränkung des lexikalischen Interesses der formalen Semantik auf die sogenannten logischen Wörter, also Konjunktionen, Negations- und andere Funktionswörter:2 [...] I have tried to dispel the misconception widely held by philosophers that all the interesting and important problems of natural language semantics have to do with so-called logical words and with compositional semantics rather than with word semantics, as well as with the more basic misconception that it is possible even to separate these two kind of problems. (Dowtv 1979:v)
Die formale, satzsemantisch orientierte Bedeutungslehre hat seitdem verstärkt den Beitrag auch von Bedeutungen nicht-logischer Wörter in kompositioneilen Prozessen berücksichtigt. Es konnten dadurch im Bereich der Verbsemantik, v.a. in Theorien zur Aspektkomposition und zur adverbialen Modifikation von Verben, wichtige Ergebnisse erzielt werden. Die allgemeine Vorstellung von dem, was eine lexikalisch-semantische Repräsentation in der formalen Semantik leisten soll, läßt sich dabei so formulieren: What words mean is a matter of the systematic effects they have on the semantic and pragmatic properties of (utterances of) sentences containing them, properties like entailments, presuppositions, incompatibility, and perhaps some kinds of implicatures. [....] That is, word meanings must be able to provide an appropriate finite base for an adequate recursive theory of indefinitely many sentential meanings. (Chierchia / McConnell-Ginet 1990:349)
Daneben haben sich seit der Wiederbelebung und "Lexikalisierung" generativ-semantischer Ideen durch Dowty (1979) eine Reihe von lexikalisch-dekompositionellen Ansätzen entwickelt, um Linkingphänomene, also die Abbildung von lexikalisch-semantischen auf syntaktische Strukturen, zu erklären. Auf diesem Gebiet lösten sie ältere thetarollenorientierte Ansätze, die erst im Rahmen von Prototypentheorien Anfang der 90er Jahre wieder ins Blickfeld gerieten, weitgehend ab. Das lexikalisch-semantische Programm eines dekompositionellen Ansatzes formuliert Levin für das MIT Lexicon Project: Attaining the goals of the Lexicon Project ideally requires developing a representation of those aspects of the meaning of a lexical item which characterize a native speaker's knowledge of its
Ähnliche Ansichten wurden zu dieser Zeit auch von anderen formalen Semantikem geäußert, z.B. Cresswell (1979:171): "[...] it has seemed to me for some time now that logicians can no longer be content with merely preposing general frameworks and discussing the so-called 'logical words' of a natural language but must actually dirty their hands and try to support the framework by showing, in as much detail as they can, how particular words behave within it."
4 argument structure and determine the syntactic expression of its arguments. This necessitates establishing the relation of this level of representation to existing levels.3 (Levin 1985:4)
Dabei wurde für diese Variante einer lexikalisch-semantischen Dekompositionstheorie postuliert, daß man von zwei Typen lexikalischer Semantik ausgehen muß: eine will die Abbildung von semantischen auf syntaktische Strukturen erklären, und die andere legt den Schwerpunkt auf semantische Interpretation, indem sie solche Dinge explizit macht wie Synonymie, Antonymie, Paraphrase, pragmatische und logische Inferenzen. Beide Ansätze, so wurde von Rappaport (1985:137) angenommen, bieten für die Zielsetzungen des jeweils anderen kaum Lösungen. Zu den formalsemantischen Arbeiten dieser Periode ist zu sagen, daß sie durchweg nicht von empirischen lexikalischen Untersuchungen ausgingen und dadurch letztlich den Eindruck hervorriefen, eine geringe Zahl analysierter Verben würde die ganze lexikalische Breite unterschiedlicher Verbbedeutungen abdecken.4 Dekompositionelle Ansätze haben demgegenüber zwar ansatzweise die ganze Breite von verschiedenen Bedeutungsklassen von Verben und die Abhängigkeit verbsyntaktischer Konstruktionsmöglichkeiten von verbalen Bedeutungen aufgedeckt,5 dagegen wurde der Zusammenhang zwischen der Adäquatheit lexikalisch-semantischer Repräsentationen und deren Verarbeitbarkeit in satzsemantischen Prozessen in vielen dieser Ansätze weitgehend ignoriert. Theorienpluralismus (Verbsemantik in den 90er Jahren): Bis in die ausgehenden 80er Jahre liefen die Forschungsstränge der aspektorientierten formalen lexikalischen Verbsemantik und der linkingorientierten, meist dekompositionellen lexikalischen Verbsemantik weitgehend unverbunden nebeneinanderher. Erst dann begannen sich die beiden Forschungsrichtungen einander zuzuwenden. Die Berücksichtung aspektueller Daten in Linkingtheorien wie etwa in Tenny (1987, 1988), van Voorst (1988) oder Grimshaw (1990), die Entstehung neuer Theorien wie der Ereignisstrukturtheorie Pustejovskys (1988, 1991) und die Erweiterung dekompositioneller Theorien wie der lexikalischen Dekompositionstheorie (Wunderlich 1992, 1996) und z.T auch der konzeptuellen Semantik Jackendoffs (7953/1995, 1996) um ereignisbezogene Notationen sind Kennzeichen dieser Entwicklung.6 Im Rahmen dieser Veränderungen sind mittlerweile innerhalb der Verbsemantik konkurrierende, vergleichbare Theorien entstanden,7 die auf einem größeren Datenkorpus Etwas umfassender wird die Aufgabe der dekompositionellen Ebene der Semantik weiter hinten in Levins programmatischem Papier formuliert: "Ideally, the decomposition should provide a basis for predicting and explaining properties of lexical items such as systematic and accidental gaps in the distribution of possible predicates, as well as regularities in the expression and distribution of arguments and adjuncts." (Levin 1985:54) Solche empirischen Vorarbeiten zur Aspektkomposition sind erst später (z.B. von Mori / Löbner / Micha 1992) vorgenommen worden und haben dadurch die Adäquatheit bestehender formaler Theorien zur Aspektkomposition in Frage gestellt. Vgl. dazu v.a. die umfangreiche empirische Arbeit von Levin (1993). Diese Einschätzung ist natürlich stark auf die Verbsemantik bezogen; es ist darüber hinaus auch eine verstärkte Berücksichtigung der Nominal- und Adverbsemantik zu konstatieren, ebenso wie z.B. Versuche, den Aspekt der Bedeutungserweiterungen, Typ- und Sortenverschiebungen im lexikalischen Bereich zu behandeln (z.B. Pustejovsky 1995, Dölling 1992). Wunderlich (1996) unternimmt einen solchen Vergleich hinsichtlich verschiedener verbsemantischer Theorien, nämlich der von Jackendoff (1996) entwickelten "conceptual semantics",
5 beruhen, über das in seinen Kernbereichen implizit Einigkeit besteht. 8 Damit sind zumindest innerhalb der Verbsemantik Bedingungen erfüllt, die es erlauben, von der lexikalischen Semantik als einer eigenständigen linguistischen Disziplin zu sprechen. Diskrepanzen bestehen weniger in der Frage, welche Art von Daten von einer allgemeinen Theorie zur Verbbedeutung zu erklären sind, als vielmehr darin, mit welcher Art von Theorien dies zu geschehen hat. Insbesondere unterscheiden sich gegenwärtige Ansätze darin, ob und in welchem Maße sie ihre Theorie im Rahmen einer Prädikatenlogik formulieren, darin, ob sie verschiedene Repräsentationsebenen im Lexikon annehmen, und schließlich nicht zuletzt darin, ob und welchen Bezug sie auf kognitive Strukturen als Vermittlungsinstanz zwischen Sprache und Welt nehmen. Ich komme in Kapitel 1.2 darauf noch zu sprechen, will im nächsten Kapitel aber zunächst versuchen, ein Datenkorpus für die Verbsemantik zu beschreiben.
1.1.2
Phänomene
Ein Datenkorpus für die Verbsemantik: Es ist hier natürlich nicht der Ori, das im letzten Kapitel geschilderte Experiment von Moravcsik und Wirth für die Verbsemantik zu wiederholen. Ich will aber doch versuchen, den Bestand von Daten zu umreißen, mit dem eine lexikalisch-semantische Theorie sich meines Erachtens auseinanderzusetzen hat. Im Folgenden stelle ich daher fünf Bereiche von Daten vor, von denen ich denke, daß sie den Kerndatenbestand einer lexikalisch-semantischen Theorie von Verben ausmachen. Ich werde die fünf Phänomenbereiche kurz beschreiben und jeweils angeben, welche Phänomene aus diesen Bereichen ich wo in dieser Arbeit behandele. Damit verbindet sich auch der Anspruch, daß die in dieser Arbeit entwickelten theoretischen Vorstellungen prinzipiell gute Erkärungen für Phänomene aus diesen fünf Bereichen bereithalten. 9 Semantik-Syntax-Abbildung·. Das Problem der Semantik-Syntax-Abbildung ("Linking") besteht darin, zu erklären, welche semantischen Eigenschaften eines Verbs wie z.B. basteln in ( l a ) dafür verantwortlich sind, daß sein eines Argument im Aktivsatz als Subjekt erscheint und sein anderes als direktes Objekt, und welche möglicherweise universellen
Pustejovskys (1991) Ereignisstrukturtheorie und der von ihm selbst vertretenen Lexikalischen Dekompositionsgrammatik. Natürlich wird es kein einmal fixiertes unveränderliches Datenkorpus für lexikalisch-semantische Theorien geben. Aber das gilt natürlich auch für die eingangs erwähnten syntaktischen Theorien: Im Bestand der Daten, um deren Erklärung verschiedene Theorien konkurrieren, herrscht immer eine gewisse Fluktuation, die z.B. darauf zurückzuführen ist, daß unklar ist, ob ein Phänomen wie etwa Passivierung syntaktisch oder lexikalisch behandelt werden soll, oder darauf, daß bestimmte Phänomene, wie etwa Fokus oder Adjunktsyntax, erst im Laufe der Zeit verstärkt ins theoretische Blickfeld geraten. Auch soll nicht übersehen werden, daß Theorien nicht nur von bestimmten Datenkorpora ausgehen, sondern sich ihren Datenbestand aus ihrer spezifischen Erklärungskraft heraus auch selbst erst erschließen. Zu einem gegebenen Zeitpunkt liegt einer Theorie aber doch meist ein mehr oder weniger fester Datenbestand zugrunde. Zumindest zwei Typen von Daten, an deren Relevanz für die Beurteilung der Adäquatheit einer verbsemantischen Theorie ich keinen Zweifel habe, sind in dieser Aufstellung wie auch in der vorliegenden Arbeit kaum berücksichtigt: das eine sind Daten aus dem Spracherwerb, das andere Daten aus dem Sprach-, insbesondere dem Bedeutungswandel.
6 Prinzipien dem zugrundeliegen. So wird in allen Sprachen, in denen es eine Entsprechung für basteln gibt und eine Unterscheidung, die vergleichbar ist mit der zwischen Subjekt und direktem Objekt bzw. Nominativ-NP und Akkusativ-NP im Deutschen, das dem Klavierlehrer entsprechende Argument als Subjekt / Nominativ-NP realisiert und das dem Notenständer entsprechende als direktes Objekt / Akkusativ-NP. In keiner Sprache wird sich also ein Verb wie tastebeln in der Bedeutung von "basteln' finden, in denen die Argumentrealisierung genau andersherum erfolgt (lb). (1 )
a. der Klavierlehrer bastelt einen Notenständer b. *ein Notenständer tastebelt den Klavierlehrer
In engem Zusammenhang mit dem allgemeinen Linking-Problem - und in vielen Theorien gar nicht davon unterschieden - steht die Frage, warum manche Verben bestimmte Valenzerweiterungen (2 und 3), Valenzreduktionen (4) und Valenzalternanzen (5 und 6) zulassen, während andere das nicht tun. (2) (3) (4) (5) (6)
a. b. a. b. a. b. a. b. a. b.
sie zerbricht die Friedenspfeife sie zerstört die Friedenspfeife er kocht eine Suppe er ißt eine Suppe sie ißt Reibeplätzchen sie verzehrt Reibeplätzchen er füllt Wasser in das Glas er gießt Wasser in das Glas sie schreibt einen Roman sie verfaßt einen Roman
vs. vs. vs. vs. vs. vs. vs. vs. vs. vs.
die Friedenspfeife zerbricht *die Friedenspfeife zerstört er kocht ihr eine Suppe *er ißt ihr eine Suppe sie ißt *sie verzehrt erfüllt das Glas mit Wasser *er gießt das Glas mit Wasser sie schreibt an einem Roman *sie verfaßt an einem Roman
In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der Semantik-Syntax-Abbildung eingehen: • ««-Konstruktion (z.B. an einem Haus bauen) (Kap. 2.2.3); • Agens beim é/e/Aew-Passiv (z.B. das Haus blieb von ihnen besetzt) (Kap. 2.2.4); • Valenzalternanz bei Geräuschverben (Kap. 6.3.1); • Argumente im unpersönlichen Passiv (Kap. 4.2.3); • allgemeine Bemerkungen zum Linking (Kap. 4.2.4). Grammatisch-kategoriale Restriktionen: Verben treten in verschiedenen grammatischen Kategorien auf: Tempus, Aspekt, Modus, Genus Verbi, Person, Numerus, etc. Aufgrund ihrer lexikalischen Bedeutung können viele Verben nicht in allen Ausprägungen dieser grammatischen Kategorien auftreten. Viele Verben unterliegen z.B. Restriktionen hinsichtlich ihres Vorkommens in bestimmten Aspektformen (7) oder Genus-Verbi-Formen (8):
(7) (8)
a. b. a. b.
he was eating it *he was knowing it der Omithologe wurde von ihr geküßt *der Ornithologe wurde von ihr gekannt
In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der grammatischkategorialen Restriktionen eingehen:
7
• • • • • •
α/w-Progressiv (z.B. am Arbeiten sein) (Kap. 2.2.3); Zustandspassiv mit sein (Kap. 2.2.2); Zustandspassiv mit bleiben (Kap. 2.2.4); Wahl des Perfektauxiliars (Kap. 2.2.2); Auftreten eines Verbs als attributives Partizip (Kap. 2.2.2); Unpersönliches Passiv (Kap. 4.2.3).
Vorkommensbeschränkungen\ Verben unterliegen bestimmten Vorkommensbeschränkungen hinsichtlich ihrer Argumente (Selektionsrestriktionen) und hinsichtlich der Modifikatoren, mit denen sie auftreten (Modifikationsrestriktionen).10 Die Selektionsrestriktionen bezüglich der Argumente des Verbs betreffen kategoriale Eigenschaften der Individuen, für die Argumentvariablen stehen. So können etwa an der Objektstelle von trinken nur Ausdrücke auftreten, die flüssige Entitäten bezeichnen, etc. : a. b. (10) a. b. ( Π ) a. b. (9)
sie trank Milch *sie trank Fisch sie heiratete den Ornithologen *sie heiratete den Tisch der Wind wehte über die Ebene *das Flugzeug wehte über die Ebene
Ausdrücke, die Verben oder Verbalphrasen modifizieren, sind oft auf Verben bzw. VPs bestimmter Bedeutung beschränkt. Solche Modifikationsrestriktionen betreffen kategoriale Eigenschaften von Verben: 11 (12) a. b. (13) a. b. (14) a. b.
das Eis schmolz in zwanzig Minuten *das Eis schmeckte in zwanzig Minuten er putzte sorgfältig *erfiel sorgfältig die Bombe fing an zu ticken *die Bombe fing an zu explodieren
In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der Vorkommensbeschränkungen eingehen: • Zeitspannenadverbiale (z.B. in drei Stunden) (Kap. 2.2.3, 2.2.4); • Komitativadverbiale (Kap. 3 .3.2); • Lokaladverbiale (Kap. 5.3.2); • Prospektivadveibiale (z.B. für drei Stunden) (Kap. 2.2.4); • Zeitpunktadverbiale (z.B. um drei Uhr) (Kap. 2.2.3);
10
11
Es handelt sich bei Selektions- und Modifikationsrestriktionen natürlich um genau das gleiche Phänomen. Modifkationsrestriktionen sind die Selektionsrestriktionen, die etwa ein Adverb dem verbalen Ereignisargument auferlegt, das es modifiziert. Die unterschiedlichen Bezeichnungen spiegeln lediglich die verbsemantische Perspektive wieder, aus der diese Phänomene hier betrachtet werden. Hierzu gehören auch solche Eigenschaften, die bestimmte Wortbildungsprozesse restringieren. Wortbildungsmorpheme, die an Verben affigieren, selegieren gewöhnlich bestimmte Sorten von Verben (z.B. Tänzer vs. *Sterber). Auf Wortbildungsphänomene werde ich in dieser Arbeit allerdings nicht eingehen.
8 • • • •
Instrumentaladverbiale (Kap. 3.3.3); Zeitdaueradverbiale (z.B. drei Stunden lang) (Kap. 2.2.3); Selektionsrestriktionen bei Geräuschverben und anderen Kausativa (Kap. 6.3.1, 7.2.2); Einbettung unter aspektuelle Verben (z.B. anfangen zu lachen) (Kap. 2.2.2, 2.2.3).
Interpretationsbeschränkungen: Aus der Verbbedeutung ergeben sich oftmals eine Reihe systematischer Beschränkungen hinsichtlich der Interpretation der Ausdrücke, in denen das Verb auftritt. So sind, abhängig von der Verbbedeutung, unterschiedliche Implikationen mit einer bestimmten grammatischen Kategorie verknüpft. Nur in (15a), nicht aber in (15b), folgt aus einem Satz im Progressiv der entsprechende Satz in der einfachen Vergangenheitsform: (15) a. [the guy was dancing —> the guy danced] b. -,[the ice was melting —» the ice melted]
Die Verbbedeutung legt auch fest, in welcher Weise wir die Phrasen interpretieren, die in Argumentpositionen des Verbs auftreten. So ist es abhängig von der Bedeutung des jeweiligen Verbs, ob wir den Subjektreferenten als Agens verstehen, wie in (16a), oder nicht wie in (16b): (16) a. der Klempner joggt im Wald b. der Klempner stirbt im Wald
Schließlich gehören auch solche Phänomene in den Bereich der Interpretationsbeschränkungen, die darin bestehen, daß Verben im Skopus anderer Ausdrücke abhängig von ihrer Bedeutung Ambiguitäten hervorrufen können. So kann she killed him im Skopus von almost die beiden Bedeutungen in (17b) und (17c) annehmen, während almost im Kontext von she teased him keine vergleichbare Ambiguität erzeugt: (17) a. she almost killed him b. 'sie tat fast etwas, daß ihn getötet hätte' c. 'sie tat etwas, daß ihn fast getötet hätte'
In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der Interpretationsbeschränkungen eingehen: • Kausativ-Inchoativ-Implikation im Progressiv (Kap. 2.2.4); • Implikationen von Verben im Zustandspassiv (Kap. 2.2.2, 2.2.4); • durch schaffen / gelingen ausgelöste Ambiguitäten (Kap. 2.2.2); • Skopusambiguitäten bei Adverbialen (Kap. 2.2.1); • Interpretation valenzreduzierter Verbvarianten (Kap. 3.2.2, 3.3.4); • verbabhängige Beschränkungen der Partizipinterpretation (Kap. 2.2.2); • Zugriff von Adverbien auf die interne Struktur der Wortbedeutung (Kap. 2.2.1, 3 .1.2, 6.3.1, 6.3.3, 7.2.1); • Zustandsveränderungen und die Interpretation des Progressivs (Kap. 2.2.2); • Indirekte vs. direkte Verursachung (Kap. 7.2.2). Interlexematische Relationen: Interlexematische Relationen sind semantische Beziehungen zwischen einzelnen Lexemen wie Synonymie, Antonymie, Komplementarität, Hypo-
9 nymie, Hyperonymie und Meronymie. 12 Interlexematische Relationen zwischen Verben werden außerhalb von Arbeiten wie Cruse (1986), die sich auschließlich mit interlexematischen Relationen beschäftigen, in anderen - v.a. dekompositionellen und ereignisstrukturbasierten - verbsemantischen Arbeiten kaum behandelt. Nicht eigentlich interlexematische Relationen stellen die Beziehungen dar, die durch das Begriffspaar Polysemie / Homonymie bezeichnet werden, also die Frage nach der Art und Anzahl der Lesarten, die ein Wort hat, bzw. der Art und Anzahl gleichlautender, aber semantisch unterschiedlicher Wörter. Diese Beziehungen werden aber traditionell im Zusammenhang mit ¿«íeHexematischen Relationen behandelt. Man könnte die Polysemie diesen als Wralexematische Beziehung' gegenüberstellen. Polysemie geht oft auf systematische, durch die Verbbedeutung gesteuerte Valenzveränderungsprozesse zurück. In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der interlexematischen Relationen eingehen: • Antonymie und Hyponymie in Ereignisstrukturen (Kap. 2.2.1); • Allgemeine Anmerkungen zu Polysemie und Homonymie (Kap. 3.3.5).
1.1.3 Zu dieser Arbeit Unzufriedenheit. Am Beginn meiner Beschäftigung mit verbsemantischen Fragestellungen stand eine Handvoll syntaktischer und semantischer Phänomene, deren Erklärung voraussetzte, daß bestimmte semantische Eigenschaften von Verben lexikalisch repräsentiert sind. Diese Phänomene, von denen einige in Kapitel 2.2 noch vorgestellt werden, schienen an der Schnittstelle der Bereiche zu liegen, die üblicherweise von Aktionsart- und Aspekttheorien einerseits und thetarollensemantischen oder dekompositionellen Theorien andererseits behandelt werden. Für die Repräsentation der relevanten Verbeigenschaften erwiesen sich aber die aspektuell-aktionsartlichen klassifikatorischen Ansätze als zu grob, während die dekompositionellen Ansätze verschiedene ereignisinterne temporale Strukturen nicht genügend berücksichtigten. Ein Überblick über die verschiedenen Phänomenbereiche, von denen ich denke, daß eine verbsemantische Theorie sie behandeln können sollte (s. Kap. 1.1.2), führte dann zu der Annahme, daß eine integrierte Behandlung der verschiedenen Phänomene am ehesten in einem ereignisstrukturbasierten Ansatz möglich ist. Insofern als die ersten ereignisstrukturellen Theorien, wie sie in der Folge von Pustejovskys (1988, 1991) Arbeiten entstanden, sich für die Behandlung mancher Phänomene nur als eingeschränkt tauglich erwiesen haben (s. Kap. 2.1.2), liegt der erste Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit in dem Bestreben, eine den in Kapitel 2.2 vorgestellten Daten angemessene Theorie zur Repräsentation der Verbbedeutung zu entwickeln. Mehr Unzufriedenheit. Es ist auffällig, daß Theorien zur Bedeutimg von Verben einen sehr unterschiedlichen Grad an Explizitheit erreicht haben. Während etwa im Rahmen von Theorien zur Aspektkomposition durch formallogische Explikationen bestimmter Diese Relationen werden meist als semantische Relationen oder "lexical relations" (Cruse 1986) bezeichnet. Ich verwende hier den Terminus 'interlexematische Relationen', in Anlehnung an "interlexical relations" in Pustejovsky (1995:23ff), um diese Relationen von thematischen und ähnlichen semantischen Relationen zu unterscheiden.
10 Eigenschaften von Verben eine Reihe von Phänomenen erfolgreich behandelt werden konnten, bleiben andere Theorien zur Verbsemantik in ihren Begrifflichkeiten einem weitgehenden Intuitionismus verhaftet. Nun liegt es vielleicht in der Natur der Sache, daß sich bestimmte zeitliche oder Teil-Ganzes-Strukturen, die in Aspektualitätstheorien eine Rolle spielen, in Logiksprachen besser analysieren lassen als Begriffe wie 'Agens', 'Ereignis', 'Verursachung' oder 'Affiziertheit', wie sie in rollentheoretischen oder dekompositionellen Ansätzen auftreten. Die Vagheit dieser Begriffe bleibt aber gerade deshalb unbefriedigend, da solche oder ähnliche begriffliche Größen bei der Erklärung verschiedener syntaktischer und semantischer Phänomene unzweifelhaft eine Rolle spielen. Damit einhergehend werden in Theorien des letzteren Typs Aspekte der kompositioneilen semantischen Verarbeitung lexikalischer Repräsentationen oft nicht berücksichtigt. In der Unzufriedenheit mit der mangelnden semantischen Explizitheit vieler Begriffe und Strukturen in verbsemantischen Repräsentationen liegt der zweite Ausgangspunkt dieser Arbeit. Die Aufgabe: Ich werde in dieser Arbeit eine Theorie zur Repräsentation der Verbbedeutung entwickeln, die darauf basiert, daß Verben auf komplexe, intern strukturierte Ereignisse referieren. Die Bedeutungsrepräsentation eines Verbs - so die Grundidee dieser Arbeit - besteht im Wesentlichen in der Repräsentation seiner Ereignisstruktur. Diese Annahme werde ich durch Daten, die den verschiedenen in Kapitel 1.1.2 angegebenen Phänomenbereichen entstammen, empirisch motivieren. Die Ereignisstrukturen sollen weiterhin in eine Rahmentheorie zur Repräsentation der Argumentstruktur und Valenz von Verben eingebettet werden. Ein vordringliches Ziel besteht auch darin, den semantischen Gehalt der in den Ereignisstrukturen verwendeten Prädikate und Relationen möglichst präzise zu bestimmen. Insbesondere wird versucht, den für die Arbeit zentralen Ereignisbegriff im Rahmen von linguistischen, ontologischen und wahrnehmungspsychologischen Überlegungen zu fundieren. Darüber hinaus soll zumindest ausschnittsweise gezeigt werden, daß die angenommenen semantischen Repräsentationen von Verben auch deren kompositioneile semantische Verarbeitung, etwa im Zusammenhang mit adverbialen Modifikationsprozessen, unterstützen. Dabei bedingt es die Anlage der Arbeit, daß nicht alle zur Motivation der Ereignisstrukturtheorie herangezogenen Phänomene in gleicher Ausführlichkeit diskutiert werden können. Während einige Phänomene einer detaillierteren Analyse unterzogen werden, genehmigt der Umfang dieser Arbeit bei anderen Phänomenen nur eine kursorische Besprechung. Der Außaw. Die Arbeit geht im Rahmen eines Vorschlags zur Repräsentation der Verbbedeutung als Ereignisstruktur der Frage nach, welche grundlegende Rolle Ereignisse in semantischen Repräsentationen von Verben spielen können. Der Weg zur Beantwortung dieser Frage führt dabei durch drei umfangreichere Themenbereiche: • Themenbereich I: die Struktur von Ereignissen; • Themenbereich II: die Beziehung zwischen Ereignissen und Ereignispartizipanten; • Themenbereich III: das Wesen von Ereignissen. Dem ersten Themenbereich sind das Kapitel 2 und der größte Teil des Kapitels 7 gewidmet, in denen die oben angesprochene Theorie zur Repräsentation von Verbbedeutungen entwickelt wird. Die anderen Kapitel beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten dieser Grundidee, wobei die Kapitel 3 und 4 den zweiten der obigen Themenbereiche abdecken, indem sie sich mit der Frage befassen, was Argumente und was Modifikatoren sind und
11 wie deren Referenten an Ereignissen partizipieren. Der dritte Themenbereich wird schließlich in den Kapiteln 5 und 6 und dem Beginn von Kapitel 7 behandelt. Er konstituiert sich in Überlegungen dazu, wie ontologische und wahrnehmungspsychologische Theorien zur Klärung des Ereignisverständnisses und der damit verbundenen linguistischen Probleme beitragen können. 13 Zu Kapitel 1 und 2\ In den verbleibenden Teilen des ersten Kapitels werden einige allgemeine Überlegungen zu lexikalisch-semantischen Theorien angestellt. Ich werde dabei für weitgehend nicht-dekompositionelle, prädikatenlogische Repräsentationen auf einer einzigen Repräsentationsebene plädieren, ebenso wie dafür, daß ontologische und kognitionspsychologische Überlegungen zur Begründung der Repräsentationen beitragen müssen (Kap. 1.2). Im zweiten Kapitel werde ich eine Theorie zur Verbbedeutung vorstellen, die davon ausgeht, daß die Bedeutungen von Verben als Ereignisstrukturen repräsentiert sind. Das heißt, daß Verben Ereignisse bezeichnen, die aus miteinander über verschiedene Relationen verknüpften Teilereignissen verschiedener Sorten bestehen, wobei diese Teilereignisse wiederum über semantische Relationen mit den Ereignispartizipanten verbunden sind. Verschiedene verwandte Theorien werden präsentiert und mit dem vorgestellten Ansatz verglichen (Kap. 2.1). Der zweite Teil des Kapitels besteht in einer umfangreichen Darstellung verschiedener semantischer und syntaktischer Phänomene, deren Erklärung auf die in den Ereignisstrukturen repräsentierten semantischen Eigenschaften zurückgreift (Kap. 2.2). Zu Kapitel 3 und 4\ Im dritten Kapitel wird die Argumentstruktur von Verben untersucht. Es werden Kriterien zur Unterscheidung von thematischen Argumenten und Angaben entwickelt und die Gründe für die Einführung von Ereignisargumenten in die Argumentstruktur von Verben dargelegt (Kap. 3.1). Darauf folgend wird der semantische Apparat zur lexikalischen Repräsentation und Verarbeitung von Verbbedeutungen vorgestellt, ebenso wie die Grundprinzipien der syntaktischen und semantischen Repräsentation der Verbvalenz, wobei der Schwerpunkt auf der lexikalischen Darstellung von Fakultativität liegt. Dabei werden ereignisbasierte Analysen zu einigen notorisch schwierigen Valenzphänomenen vorgestellt (Kap. 3.2). Der letzte Teil des dritten Kapitels ist einigen Typen adverbialer Modifikation gewidmet, insbesondere der Frage, wie die Modifikation impliziter Argumente zu erklären ist (Kap. 3.3). Das vierte Kapitel hat semantische Relationen zum Inhalt. Ausgangspunkt sind die Probleme mit traditionellen Theorien thematischer Rollen und der Versuch, diese Rollen semantisch zu fundieren. Das Zusammenspiel verschiedener Beschränkungen bei der 13
Anmerkungen zum formalen Aufbau der Arbeit: Jedes Unterkapitel ab Kapitel 2 schließt mit einer kurzen Zusammenfassung ab. Darüber hinaus werden in den drei Kapiteln 3.3.5, 4.2.4 und 7.2.3 mit dem Titel "Das Verb im Lexikon" (Teil I, Π, ΠΙ) die wichtigsten in den jeweils vorausgehenden Kapiteln gemachten Annahmen zur Repräsentation von Verben zusammengefaßt und an lexikalischen Beispieleinträgen illustriert. Wichtige Grundannahmen, Prinzipien und Definitionen werden im Laufe der Arbeit unter P-l bis P-18 zusammengefaßt; lexikalische Einträge ergänzen die Diskussion zur Repräsentation von Verben. Die Grundprinzipien (P-l, P-2, etc.), lexikalischen Einträge (Lex. 1, Lex. 2, etc.), und Abbildungen (Abb. 1, Abb. 2, etc.) sind dabei durchlaufend nummeriert; lediglich die Beispielsätze und Fußnoten werden kapitelweise durchnummeriert.
12
Zuordnung von thematischen Rollen zu Argumenten einerseits und verschiedener ereignisbasierter Argumenttheorien andererseits steht dabei im Mittelpunkt des ersten Teils (Kap. 4.1). Der zweite Teil befaßt sich mit Theorien, die thematische Rollen als prototypische Bündel semantischer Relationen zwischen Ereignissen und Ereignispartizipanten auffassen. Dabei werde ich besonders der Frage nachgehen, wie man solchen semantischen Relationen eine möglichst präzise Deutung geben kann (Kap. 4.2). Zu Kapitel 5 und 6: Das fünfte und das sechste Kapitel befassen sich mit der Frage, was Ereignisse sind, und zwar zunächst aus philosophisch-ontologischer und dann aus wahrnehmungspsychologischer Sicht. Zunächst werde ich einige grundlegende Überlegungen zu ontologischem Argumentieren anstellen, insbesondere werde ich für die Notwendigkeit ontologischer Überlegungen in semantischen Arbeiten plädieren und die Relevanz des Zusammenhangs zwischen ontologischen und epistemologischen Fragen für die Semantik hervorheben (Kap. 5.1). Im zweiten Teil werden dann verschiedene Auffassungen von Ereignissen vorgestellt und kritisiert, die Ereignisse teils eher als propositions- teils eher als gegenstandsähnliche Entitäten auffassen (Kap. 5.2). Zum Abschluß des Kapitels werde ich noch einmal Ereignisaufifassungen im Zusammenhang mit möglichen Welten, mit Raum, Zeit und Veränderungen betrachten (Kap. 5.3). Zu Beginn des sechsten Kapitels wird eine Einführung in Theorien zur Ereigniswahrnehmung gegeben (Kap. 6.1). Die sich daraus ergebenden wahrnehmungspsychologischen Erkenntnisse über Ereignisse werden daran anschließend unter Bezugnahme auf die ontologischen Fragestellungen diskutiert (Kap. 6.2). Abschließend werden auf der Basis der aus den wahrnehmungs- und kognitionspsychologischen Untersuchungen gewonnenen Zeit- und Ereignisbegriffe verschiedene linguistische Phänomene im Bereich von kausativen Geräuschverben, Bewegungsverben und punktuellen Verben untersucht (Kap. 6.3). Zu Kapitel 7: Das letzte Kapitel stellt unter anderem ein Resümee der Arbeit dar. Die wichtigsten Fragen zu Ereignissen und ereignisstrukturellen Repräsentationen werden hier noch einmal aufgegriffen. Zu Beginn des Kapitels wird die Frage nach dem Wesen von Ereignissen dahingehend beantwortet, daß Ereignisse als Exemplifizierungen von Veränderungen zu verstehen sind. Daran anschließend wird ein Vorschlag zur Bindung von Ereignisargumenten gemacht und mit anderen Ansätzen verglichen (Kap. 7.1). Abschließend wird die eingangs der Arbeit präsentierte Theorie zu Ereignisstrukturen als lexikalischen Repräsentationen auf der Basis der im Laufe der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse präzisiert. Dazu werden die verwendeten semantischen Notationen definiert und verschiedene Beschränkungen über den Aufbau von Ereignisstrukturen formuliert (Kap. 7.2).
1.2
Vier Kontroversen
1.2.1 Syntaktische vs. semantische Begründungen Einleitung: Bevor ich in Kapitel 2 die theoretischen Grundideen dieser Arbeit präsentiere, werde ich im Folgenden zu vier zentralen Kontroversen in der lexikalischen Semantik Stellung nehmen. In diesem Kapitel werde ich auf die Frage eingehen, auf wievielen Ebe-
13 nen die Bedeutung von Lexemen repräsentiert werden muß, und in Kapitel 1.2.2 auf die Frage, in welcher Form solche Repräsentationen erfolgen sollten. In Kapitel 1.2.3 soll überlegt werden, ob und gegebenfalls wie sich semantisches von enzyklopädischem Wissen trennen läßt und abschließend in Kapitel 1.2.4, in welcher Weise lexikalisch-semantische Theorien die kognitive Vermitteltheit von Sprache zu berücksichtigen haben. Erste Kontroverse (Wieviele Ebenen braucht die lexikalische Semantik?) : Es ist in Kapitel 1.1.2 bereits angesprochen worden, daß viele syntaktische Konstruktionen durch semantische Eigenschaften von Verben lizenziert werden. Nun halten verschiedene lexikalischsemantische Theorien eine eigene Repräsentationsebene für eben genau solche inhaltlichen Aspekte von Verben bereit, die syntaktisch relevant sind. So arbeiten etwa Linguisten und Linguistinnen aus dem Umfeld von Levin und dem MIT Lexicon Project im Rahmen einer Theorie, in der eine Argumentstruktur um eine dekompositionelle "Lexical Conceptual Structure" (LCS) ergänzt wird, die die syntaktisch relevanten Aspekte der Verbbedeutung kodiert (Levin / Rappaport Hovav 1994:47). Ein zweites Beispiel ist die "Lexical Decomposition Grammar", die von Wunderlich und anderen auf der Basis der Zwei-Ebenen-Semantik entwickelt wird. Hier werden eine dekompositionelle semantische Form und eine konzeptuelle Struktur unterschieden, sowie eine Ereignisstruktur, die z.T aus der semantischen Form abgeleitet ist. Für die Semantische Form (SF) gilt: "[...] only those aspects of meaning that are relevant for syntactic properties should be captured in SF." (Wunderlich 1996:170) Ich will an dieser Stelle auf Einzelheiten dieser Theorien nicht eingehen. Das Folgende ist insofern auch nicht als konkrete Kritik an einer dieser Theorien zu verstehen; es sind drei eher allgemeine Probleme, die mir mit Theorien verbunden scheinen, die eine eigene syntaxrelevante Semantikebene annehmen: • Inwieweit ist die repräsentationeile Trennung von syntaktisch relevanten und syntaktisch irrelevanten Bedeutungseigenschaften von Lexemen motiviert? • Inwieweit läßt sich syntaktisch Relevantes von semantisch Relevantem überhaupt unterscheiden, und was gilt eigentlich als syntaktisches Phänomen? • Inwieweit laufen Theorien mit einer syntaxrelevanten Semantikebene Gefahr, zirkulär zu argumentieren? Die Trennung von Repräsentationsebenen'. Das erste Problem betrifft die Behauptung, daß solche inhaltlichen Eigenschaften von Lexemen, die syntaktische Konsequenzen haben, tatsächlich durch eine eigene Repräsentationsebene von anderen inhaltlichen Eigenschaften getrennt sind. Natürlich lassen sich semantische Eigenschaften nach allen möglichen Kriterien klassifizieren, etwa danach ob sie morphologische Konsequenzen haben, ob sie mit pragmatischen Faktoren interagieren und eben auch danach, ob sie syntaktisch relevant sind. Insofern es sich aber in den angeführten Theorien nicht um eine bloße Klassifikation, sondern um eine repräsentationelle Trennung innerhalb der semantischen Theorie handelt, muß die Frage nach der Relevanz dieser Trennung als eine empirische Frage aufgefaßt werden und nicht als definitorische Festlegung. Es sollte also gute Gründe, und zwar - da es sich um eine semantische Theorie handelt - gute semantische Gründe dafür geben, zwei Arten von Bedeutungseigenschaften zu unterscheiden. Ich will an dieser Stelle auf diese Frage nicht weiter eingehen. Sie würde, um den genannten Theorien ge-
14 recht zu werden, eine detaillierte Auseinandersetzung erfordern.14 Es wird im Laufe dieser Arbeit aber noch deutlich werden, daß ich eine solche Strategie der repräsentationeilen Trennung von verbalen Bedeutungseigenschaften nicht verfolgen werde: diejenigen semantischen Eigenschaften von Wörtern, die syntaktische Konsequenzen haben, und diejenigen, die nur semantische Konsequenzen haben, indem sie etwa das Inferenzverhalten von Wörtern bestimmen, sind von gleicher Natur und werden in gleicher Weise repräsentiert. Syntaktische vs. semantische Relevanz·. Was das zweite Problem angeht, so denke ich, daß es keineswegs leicht ist, syntaktische von semantischen Phänomenen zu trennen. So könnte man fragen, ob die Unfähigkeit bestimmter Verben, im Progressiv aufzutreten (*I'm knowing that), auf eine semantische Eigenschaft zurückgeht, die i) eine syntaktische Regel blockiert, indem sie Verben vom know-Typ von bestimmten Konstruktionen oder funktionalen Projektionen ausschließt, oder ii) eine morphologische Regel zur Bildung progressiver Wortformen blockiert, oder iii) semantisch unverträglich mit der Progressivbedeutung ist. Die Antwort auf diese Frage wird natürlich im Wesentlichen davon bestimmt sein, welche Position der Antwortende bezüglich syntaktischer, morphologischer und semantischer Theorien vertritt. Zwei andere Kandidaten für die mögliche Abhängigkeit syntaktischer Wohlgeformtheit von semantischen Eigenschaften von Verben treten in (18) und (19) auf. Bestimmte Verben erlauben es aufgrund ihrer Bedeutung nicht, in bestimmten Konstruktionen aufzutreten, kennen etwa kann nicht als attributives Partizip und im Imperativ auftreten. Die dafür verantwortlichen Eigenschaften von kennen scheinen also gute Kandidaten zu sein für die syntaxrelevante Repräsentationsebene der Semantik. (18) a. b. (19) a. b.
der geliebte Sänger *der gekannte Sänger ißes! *kenn es!
Tatsächlich unterscheiden sich die den Beispielen in (18) und (19) zugrundeliegenden Restriktionen aber wohl in einer wichtigen Hinsicht. In (18) scheint die Beschränkung der Konstruktion auf bestimmte Verben nicht unbedingt mit irgendeiner semantischen Eigenschaft des Partizips II im Allgemeinen oder der attributiven Position in NPs zu tun zu haben; gekannt kommt in anderen Kontexten als Partizip II vor, und die gleiche Attributivkonstruktion wie in (18b) ist unproblematisch, wenn man gekannt durch das fast bedeutungsgleiche bekannt ersetzt: der bekannte Sänger. Demgegenüber trägt der Imperativ (z.B. in 19a) natürlich an sich eine bestimmte Bedeutung. Die Unakzeptabilität von (19b) geht insofern auch einfach darauf zurück, daß man jemanden nur zu Handlungen auffordern kann, die von ihm kontrollierbar oder ausführbar sind. In (19b) liegt damit eine bloße Unverträglichkeit zwischen der Verb- und der Imperativbedeutung vor, während das in (18b) möglicherweise nicht der Fall ist: hier haben wir es vielleicht mit einer rein syntaktischen Abhängigkeit von verbsemantischen Eigenschaften zu tun. 15 14 15
Taylor ( 1994, 1995) hat dieses Problem hinsichtlich der Zwei-Ebenen-Semantik besprochen. Ein ähnlicher Fall wie in (18) liegt möglicherweise in folgendem Fall vor (Beispiel aus Higginbotham 1994:2): (i) algebra's discovery (ii) * algebra's knowledge
15 Insofern als Theorien mit einer eigenen syntaxrelevanten Semantikebene sich im Wesentlichen mit Argumentlinking befassen, würden sie Phänomene wie in (18) und (19) vielleicht gar nicht oder nicht auf dieser Ebene behandeln wollen. Aber es gibt auch im Bereich des Argumentlinkings vergleichbare Phänomene. So wird man den Akkusativ in (20a) wohl als rein syntaktische Markierung betrachten, und die Eigenschaften von schreiben, die dazu führen, daß das für das Geschriebene stehende Argument im Akkusativ realisiert wird, wird man auf eben dieser syntaxrelevanten Semantikebene erfassen wollen. (20) a. sie schreibt einen Brief b. sie schreibt an einem Brief
Nun kann das in (20a) im Akkusativ stehende Argument auch wie in (20b) als Präpositionalphrase realisiert werden. Diese Konstruktion bzw. die Präposition an in dieser Lesart bringt aber anders als der Akkusativ in (20a) eine eigene, oft als 'partitiv' beschriebene Bedeutung mit. Mit der sind aber nur bestimmte Verbbedeutungen verträglich (s. Kap. 2.2.3), und entsprechend können nur ganz bestimmte verbale Argumente als α/7-ΡΡ realisiert werden. Obwohl wir es also auch hier mit der Realisierung von Argumenten zu tun haben, hängt das Linking in die an-PP von rein semantischen Verträglichkeitsbedingungen ab, wie wir sie von Selektionsrestriktionen kennen. Das heißt aber auch, daß syntaktische und semantische Echos von Verbbedeutungen zunächst gar nicht so leicht zu trennen sind. Argumentative Zirkel (Das prinzipielle Problem)·. Das dritte Problem in Theorien mit einer syntaxrelevanten Semantikebene besteht darin, daß sich die Motivation für die auf dieser Ebene repräsentierten Eigenschaften oft in zirkulärer Weise aus den zu erklärenden syntaktischen Daten ergibt. Dieses Problem scheint mir von den dreien das Schwerwiegendste. Deswegen will ich es etwas ausführlicher besprechen. Die Grundannahme der lexikalischen Theorie von Levin / Rappaport Hovav (1996:488) ist es, daß Argumentlinking völlig prädiktabel ist. 16 In dem Zusammenhang heißt es: For example, words which seem to be translation equivalents in two languages may nevertheless differ in the syntactic expression of their arguments due to the fact that the elements of meaning lexicalized along with the core meaning differ in the two languages. (Levin / Rappaport Hovav 1996:489)
Ich denke, Gedankengänge wie dieser führen leicht zu Zirkularitäten in der linguistischen Argumentation: Zunächst wird davon ausgegangen, daß alle syntaktischen Unterschiede im Bereich der Argumentrealisierung auf semantische Unterschiede zurückgeführt werden können. Es wird dann für ein Paar Verben X und Y zunächst festgestellt, daß sie offenbar bedeutungsgleich sind und dann, daß sie ihre Argumente unterschiedlich realisieren. Dies führt aber nicht dazu, die Ausgangsannahme zu revidieren, sondern vielmehr die Beobachtung anzuzweifeln, daß X und Y bedeutungsgleich sind. Das ist zunächst auch vernünftig, denn vielleicht hat man ja nicht genau genug beobachtet. Ersetzt man aber eine
"The assumption which has guided our own work in this area and which serves as the starting point for the case study presented in this paper is that the mapping between the lexical semantic representation of a predicator and the syntactic expression of its arguments is fully predictable." (Levin / Rappaport Hovav 1996:488)
16 intuitiv naheliegende und daher vielleicht intersubjektiv akzeptable Annahme (wie die der Bedeutungsgleichheit von X und Y) durch eine andere, dieser widersprechenden Annahme, dann sollte man allerdings eindeutige und vor allem von dem gewünschten Resultat (wie der theoriekonformen Bedeutungsverschiedenheit von X und Y und ihrer syntaktischen Unterschiedlichkeit) unabhängige Kriterien haben. Das sollten in diesem Fall, insofern als es um die Bedeutung von X und Y geht, semantische Kriterien sein. Ohne solche Kriterien haben wir nur zwei gleichermaßen unüberpriifbare Intuitionen, und als theorieverteidigende Linguisten (und Linguistinnen) werden wir uns in unserer moralischen Unvollkommenheit 17 immer für die entscheiden, die den zu erklärenden syntaktischen Gegebenheiten konform ist. 18 Auf diese Weise werden aber nicht syntaktische Strukturen aus semantischen abgeleitet, sondern syntaktische Eigenschaften zwingen uns bestimmte Bedeutungsrepräsentationen auf - und zwar ziemlich uninteressante, um nicht zu sagen bedeutungslose. Die Theorie ist offenbar zirkulär. 19 Argumentative Zirkel (Ein Beispiel)·. Ich will das im letzten Abschnitt angeführte, eher hypothetische Beispiel für zirkuläres Argumentieren hier an einem konkreten Fall illustrieren: Levin / Rappaport Hovav (1996:500f) fuhren die verbreitete Annahme an, daß agentivische Intransitiva unergativ sind und telische unakkusativ. Unergative Geräuschemissionsverben wie beep, buzz, creak, gurgle stellen für diese Annahme ein Problem dar. Sie sind zwar nicht telisch, treten aber auch bei unbelebtem und damit nicht-agentivischem Subjekt als Unergativa auf (nach den angesetzten Unergativ-Kriterien) und werden damit von dem ursprünglichen Linking-Prinzip nicht erfaßt. Es wird nun nach anderen semantischen Eigenschaften gesucht, die das Unergativ-Unakkusativ-Verhalten besser voraussagen. Am Ende wird festgestellt, daß Verben, die sich syntaktisch unergativ verhalten, "internally caused eventualities" bezeichnen, und das tun sie im Gegensatz zu solchen Unakkusativa wie intransitiv break aus folgendem Grund: "[...] some property of the entity denoted by the argument of the verb is responsible for the eventuality." (Levin / Rappaport Hovav 1996:501) Wir sind damit aufgerufen zu glauben, daß in dem unergativen der Zweig knackt, nicht aber in dem unakkusativen der Zweig bricht, der Zweig aufgrund irgendeiner Eigenschaft quasi aus sich selbst heraus das Ereignis verursacht hat.
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Jennifer Austin machte mich freundlicherweise darauf aufmerksam, daß dieser Satz den Eindruck erwecken könnte, ich zweifle an der moralischen Integrität der genannten Linguistinnen im Besonderen. Das ist natürlich nicht der Fall. Ich halte vielmehr alle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in dieser Hinsicht für gleich verdorben. Gegen die zweite von Levin / Rappaport Hovav (1996:489) geschildert Vorgehensweise in dem zur Diskussion stehenden Fall, nämlich die Untersuchung, ob in den beiden Sprachen, zu denen X bzw. Y gehören, möglicherweise unterschiedliche Linking-Prinzipien gelten, ist demgegenüber natürlich nichts einzuwenden. Im Übrigen soll diese Kritik durchaus nicht vergessen machen, daß in solchen intuitionistischen Ansätzen, nicht zuletzt aufgrund ihrer empirischen methodischen Orientierung für viele Linking-Phänomene interessante lexikalische Lösungswege aufgezeigt worden sind; diese Wege sind bloß nicht wirklich beschritten worden - z.B. in Form einer einer strikteren semantischen Fundierung. Vgl. auch die Kritik von Ravin (1990:109) an den LCS-Repräsentationen bezüglich fehlender unabhängiger Motivation für die semantischen Repräsentationen und der daraus erwachsenden Zirkularität. Dowty (1991:560) formuliert ähnliche Bedenken gegenüber thetarollenbasierten Ansätzen, die sich zu sehr bemüht hätten, thematische Rollen über Korrelationen mit syntaktischen Phänomenen zu rechtfertigen, statt die Rollen semantisch zu fundieren.
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Selbst wenn man glaubt, daß daran etwas Wahres ist, 20 wird man zugestehen müssen, daß die darauf basierende "Causer Linking Rule" ohne zusätzliche, vom Linking-Verhalten unabhängige semantische Motivation und ohne eine genaue semantische Explikation des Begriffs der internen Verursachung und seiner Implikationen keine akzeptable Theorie des Argument-Linkings darstellt. Letztlich findet die Annahme, daß beim Knacken des Zweiges eine Art interner Verursachung vorliegt, ihre Begründung offenbar nur darin, daß das Verb knacken unergativ ist. Und genau damit ist die Argumentation zirkulär. Dabei denke ich, daß diese Gefahr prinzipiell allen Theorien droht, die ihre lexikalisch-semantischen Repräsentationen vornehmlich über deren syntaktische Echos begründen. Gedankengänge wie die oben kritisierten sind - das möchte ich hier betonen - zunächst durchaus akzeptabel, indem sie eine wichtige heuristische Funktion haben; ich werde an vielen Punkten dieser Arbeit ähnlich argumentieren. Unakzeptabel ist lediglich, daß sie an einem Punkt aufhören, an dem nicht einmal die empirische Motivierung der Grundbegriffe abgeschlossen ist, geschweige denn die eigentliche Theoriebildung überhaupt begonnen hat. Und an diesem Punkt sind solche Hypothesen gegen empirische Widerlegungen noch fast immun, und damit sind sie empirisch eben auch fast gehaltlos.
1.2.2 Dekompositionen vs. Bedeutungspostulate Zweite Kontroverse (Welche Repräsentationen soll die lexikalische Semantik verwenden?): Repräsentationen von Verbbedeutungen treten in Theorien auf prädikatenlogischer Basis normalerweise entweder in Form dekomponierter Prädikate oder als nicht-dekomponierte Prädikate mit Bedeutungspostulaten auf. 21 Eine Theorie mit Bedeutungspostulaten faßt Verben im Allgemeinen als atomare, unanalysierte Prädikate wie in (21a) auf, deren Bedeutung durch eine Reihe von Bedeutungspostulaten beschränkt wird, während in dekompositionellen Ansätzen Verben in komplexe Repräsentationen übersetzen, und zwar meist entweder in solche neo-davidsonischen Ausdrücke wie in (2 lb) oder in Dekompositionen vom CAUSE-BECOME-Typ wie in (21c): 22 (21) a. öffnen'. /.yXxXe[ÖFFN(x,y,e)] • VxVyVe[ÖFFN(x,y,e) ->...] b. öffnen''. >.y/.x>,e[ÖFFN(e) & AGENS(x,e) & PATIENS(y,e)]
c. öffnen': λyλxλe[CAUSE(x,BECOME(OFFEN(y)))] Die ursprüngliche Diskussion um die Angemessenheit von Dekompositionen zur Darstellung der Verbbedeutung ist dabei im Zusammenhang mit CAUSE-BECOME-Dekompositionen ähnlich wie in (21c) geführt worden. Solche Dekompositionen sind zunächst in der 20
21
22
Ich tue das in der Form übrigens nicht, v.a. wenn man wie Levin / Rappaport Hovav ( 1996:501 ) es sich vorstellen, den Begriff der internen Verursachung auch auf normale intransitive Agenzien überträgt (s. aber Kap. 6.3.1). Zusammenfassungen zum Verhältnis zwischen Dekompositionen und Bedeutungspostulaten finden sich etwa in Chierchia / McConnell-Ginet (1990:350ff), Fanselow / Staudacher ( 1991:61 ff), Carston ( 1985) und Roelofs ( 1997). Ereignisargumente, λ-Operator und die anderen in (21) verwendeten semantischen Notationen werden in Kapitel 3.2.1 eingeführt; neo-davidsonische Theorien werden ausfuhrlich in Kapitel 4.1.3 besprochen.
18
generativen Semantik als syntaktische Tiefenstruktur postuliert worden, aus der mit Hilfe einer Reihe von Transformationen die Oberflächenstrukturen von Sätzen abgeleitet werden. Diese syntaktische Auffassung von Dekompositionen hat sich letztlich als nicht haltbar erwiesen, aber in der Folge von Dowty (1979) sind Dekompositionen in vielen Ansätzen der lexikalischen Semantik zur Repräsentation von Wortbedeutungen verwendet worden. 23 Bedeutungspostulate wurden von Carnap (1952:67) eingeführt, um von außersprachlichen Tatsachen unabhängige, analytische Bedeutungswahrheiten auszudrücken, die mit bestimmten semantischen Ausdrücken verknüpft sind. Im Fall von lexikalischen Bedeutungspostulaten konstituieren sich diese analytischen Wahrheiten in bestimmten Folgerungen aus einer von einem lexikalischen Prädikat ausgehenden offenen Proposition (22a). Insofern als solche Postulate in allen Welten gültig sind, also notwendigerweise wahr, stehen sie im Rahmen einer modelltheoretischen Semantik im Skopus eines Notwendigkeitsoperators ( • ) wie in (22a). Lexikalische Bedeutungspostulate treten in der vorliegenden Arbeit immer als einseitige Implikationen auf. Wenn jemand ein Junggeselle ist, so folgt daraus, daß er ein Mann ist und nicht verheiratet (22a) ('Schwaches Junggesellenprinzip1, vgl. Zimmermann 1993:265). Logisch stärker ist (22b), das das Verhältnis zwischen Junggesellen und unverheirateten Männern als Bikonditional auffaßt ('Starkes Junggesellenprinzip'). Diese Repräsentation entspricht einer Übersetzung von Junggeselle in einen komplexen, dekomponierten Ausdruck wie in (22c) (Zimmermann 1993:265, Schumacher et al. 1981:99). (22) a. Junggeselle':
Xx[JUNGGESELLE(x)] • Vx[JUNGGESELLE(x) -> (MANN(x) & -.VERHEIRATET(x))]
b. Junggeselle'·.
>,x[JUNGGESELLE(x)] • Vx[JUNGGESELLE(x) o · (MANN(x) & -.VERHEIRATET(x))]
c. Junggeselle':
λχ[ΜΑΝΝ(χ) & -.VERHEIRATET(x)]
Dekompositionen scheinen zwar in vielen Fällen intuitiv durchaus naheliegende Paraphrasen der Wortbedeutung auszudrücken. Dennoch sind eine Reihe von Argumenten gegen lexikalische Dekompositionen angeführt worden, sowohl aus psycholinguistischer als auch aus theoretisch-linguistischer Perspektive, auf die ich im Folgenden zu sprechen kommen werde: • Das Verarbeitungsproblem: Es gibt keine gute psycholinguistische Evidenz für eine dekompositionelle Verarbeitung von Wörtern. • Das Paraphraseproblem: Dekompositionen stellen keine angemessenen Paraphrasen dar. • Das Inselproblem: Wörter sind syntaktisch-semantische Inseln. • Das Vollständigkeitsproblem: Bestimmte Bedeutungsaspekte von Wörtern lassen sich nicht mithilfe von Dekompositionen ausdrücken. Das Verarbeitungsproblem: Logisch läuft der Unterschied zwischen einem lexikalischen Ansatz mit Dekompositionen und einem mit Bedeutungspostulaten, wie in (22) gesehen,
23
Wunderlich (1992:Iff, 1997:27ff) erläutert die Unterschiede zwischen der ursprünglichen, syntaktischen Auffassimg von Dekompositionen in der Generativen Semantik und den lexikalisch-semantischen Dekompositionsstrukturen in der "Lexical Decompositional Grammar".
19 auf die Frage hinaus, ob Wortbedeutungen dem starken oder dem schwachen Junggesellenprinzip gehorchen. Unter psychologischen Gesichtspunkten wird man allerdings Dekompositionen wie in (22c) sowohl von Ansätzen mit schwachen (22a) wie auch mit starken Bedeutungspostulaten (22b) unterscheiden. Es wird dabei angenommen, daß der Zugriff auf einzelne Lexeme um so verarbeitungsaufwendiger sein muß, je komplexer ihre semantische Übersetzung ist. Unter dieser Prämisse läßt sich allerdings keine psycholinguistische Evidenz finden, daß Junggeselle tatsächlich in eine dekompositionelle Struktur wie (22c) übersetzt. So ist nach Fodor / Fodor / Garrett (1975:526f) Satz (23a) schwieriger zu verarbeiten als Satz (23b), was verwunderlich wäre, wenn bachelor hier tatsächlich als 'man & not married' aufgefaßt würde: (23) a. if practically all of the men in the room are not married, then few of the men in the room have wives b. if practically all of the men in the room are bachelors, then few of the men in the room have wives
Auch fur die semantische Komplexität von kausativen Verben wie kill und break haben Fodor et al. (1980) keine Evidenz finden können, ebensowenig wie Johnson-Laird (1983:208ff) für Verben wie take und steal.24 Auf der anderen Seite scheint allerdings auch die Behauptung, daß Wörter mit Mengen von Bedeutungspostulaten verbunden sind, aus psycholinguistischer Sicht auf Skepsis zu stoßen (Johnson-Laird 1983:226ff). Wie ein auch unter psycholinguistischen Verarbeitungsgesichtspunkten adäquates Repräsentationsformat für Verbbedeutungen aussehen muß, ist offenbar eine nach wie vor schwer zu beantwortende Frage. Unter Gesichtspunkten des Spracherwerbs gelten Dekompositionstheorien als problematisch, v.a. da die in der Dekomposition verwendeten Begriffe oft erst nach den damit dekomponierten Lexemen erworben werden, z.B. MALE und PARENT nach father oder CAUSE und BECOME nach kill. Demgegenüber sind Theorien auf der Basis von Bedeutungspostulaten mit dem sukzessiven Erwerb der einzelnen Wörter und dem Erkennen der Beziehungen zwischen ihnen verträglich (Chierchia / McConnell-Ginet 1990:363ff). Sie simulieren eher eine semantisch netzartige Erweiterung des Bedeutungswissens über einzelne Wörter. Das Paraphraseproblem: Das Paraphraseproblem besteht darin, daß Dekompositionen dem starken Junggesellenprinzip entsprechen müssen. In den weitaus meisten Fällen lassen sich allerdings wohl nur notwendige, nicht aber hinreichende Wahrheitsbedingungen für Lexeme (genauer, für die offenen vom verbalen Prädikat ausgehenden Propositionen) formulieren. 25 Das entspricht den Möglichkeiten schwacher Bedeutungspostulate, nicht aber den Anforderungen an lexikalische Dekompositionen (Carston 1985:30, Zimmer-
24
25
In jüngster Zeit hat Roelofs ( 1997) eine Reihe psycholinguistischer Argumente gegen dekompositionelle Theorien vorgebracht, die sowohl die Verarbeitung als auch das Lernen von Wörtern betreffen. Damit soll nicht behauptet werden, Dekompositionen müßten jedes Wort vollständig in eine Menge womöglich übereinzelsprachlicher semantischer Primitiva zerlegen. Das wird faktisch von dekompositionellen Ansätzen im Bereich der Verbsemantik auch nicht gefordert. Hier wird im Allgemeinen nur soweit dekomponiert, daß alle syntaktisch relevanten Aspekte der Wortbedeutung hervortreten und alle Lexeme voneinander unterschieden sind.
20 mann 1993:276). Eines der typischen Paraphraseprobleme im Bereich der Verbsemantik besteht darin, daß CAUSE-BECOME-Dekompositionen logisch schwächer sind als die Bedeutung der damit dekomponierten Verben. So ist nicht jedes CAUSE(x,BECOME (BROKEN(y))) ein zerbrechen-, eine Explosion mag verursacht haben, daß die Scheibe zerbrach, und trotzdem sind die Sätze in (24) keine voll akzeptablen Sätze mit zerbrechen. Dekompositionelle Theorien kommen hier nicht ohne zusätzliche Stipulationen aus (s. Kap. 7.2.2). 26 (24)
a. Πdie Explosion zerbrach die Scheibe b. *das Explodieren des Kessels zerbrach die Scheibe
Das Inselproblem·. Eines der wichtigsten Argumente gegen die dekompositionellen Strukturen der generativen Semantik betrifft das Inselproblem. Demnach können bestimmte syntaktische und semantische Prozesse nicht oder nicht generell auf wortinterne Strukturelemente zugreifen. Nach Fodor (1970:429ff) kann zwar in (25b) das dekompositionell eingebettete 'the glass melted' durch pronominales do aufgegriffen werden, nicht aber in (26b) das eingebettete 'Mary died'. 27 (25)
a. CAUSE(x,BECOME(MELTED(y))) b. Floyd melted the glass (though it surprised me that it would do so)
(26) a. CAUSE(x,BECOME(DEAD(y))) b. John killed Mary *(and it surprised me that she did so)
Weiterhin kann bei beiden Typen von Kausativa (25a, 26a) das verursachende Teilereignis nicht adverbial modifiziert werden (27), was bei expliziten cause-Sà\zen durchaus möglich ist (28) (Fodor 1970:432f): (27) a. Floyd melted the glass on Sunday *(by heating it on Saturday) b. John killed Bill on Sunday *(by stabbing him on Saturday) (28)
a. John caused the glass to melt on Sunday by heating it on Saturday b. John caused Bill to die on Sunday by stabbing him on Saturday
Diesen Problemen begegnen lexikalisch-semantische Dekompositionstheorien wie die Lexikalische Dekompositionsgrammatik, indem die interne Wortstruktur als fur syntaktische Prozesse unsichtbar erklärt wird (Wunderlich 1992:3f). Dennoch gibt es verschiedene Phänomene, die einen gewissen Zugriff auf wortinterne Eigenschaften erforderlich machen. In (25b) im Gegensatz zu (26b) wurde das schon deutlich. Ein anderes bekanntes Phänomen ist die Ambiguität von wieder oder fast, die bei kausativen im Gegensatz zu nicht-kausativen Verben auf die interne Struktur der Wörter zuzugreifen scheinen (s. Kap. 2.2.1). In Kapitel 2.2.1, 3.1.2 und anderen werden außerdem eine Reihe von Phänomenen angesprochen, die zeigen, daß verschiedene Typen von Adverbialen in vielen Fällen durchaus auf Teilereignisse Bezug nehmen. Es wird also weit häufiger auf wortinterne Eigenschaften zugegriffen als Fodor (1970) annimmt, und dieser Zugriff ist auch - anders 26
27
Vereinzelt hat man auch versucht, die Unterschiede zwischen der Bedeutung eines Wortes und seiner Dekomposition pragmatisch zu erklären; vgl. dazu Fanselow / Staudacher (1991:62). In Fodor (1970:429f) werden die Dekompositionen so dargestellt: (i) (Floyd caused (the glass melt)) (ii) (John caused (Mary died))
21 als Fanselow / Staudacher (1991:61) behaupten - nicht nur auf einige wenige Adverbiale beschränkt. Insofern besteht das Inselproblem eher darin, zu zeigen, welche Prozesse auf die interne Struktur von Wörtern zugreifen können - eine Frage, mit der ich mich an verschiedenen Stellen der Arbeit befassen werde. Das Inselproblem konstituiert damit auch kein wirklich stichhaltiges Argument mehr für oder gegen eine der beiden hier diskutierten Auffassungen von Verbbedeutungen. Das Vollständigkeitsproblem·. Das Vollständigkeitsproblem schließlich besteht darin, daß bestimmte Eigenschaften von Wörtern nicht dekompositional formuliert werden können. Fodor (1977) argumentiert, daß be coloured Teil der Bedeutung von red ist. Wird nun aber red so dekomponiert, daß BE-COLOURED (als Hyperonym) eines seiner Primitivprädikate ausmacht, wie sieht dann das zweite, für red spezifische Primitivprädikat aus? Es müßte den Begriff des Rotseins unabhängig von dem der Farbigkeit ausdrücken, aber ein solches "concept of redness-but-not-necessarily-coloredness" existiert nicht (Fodor 1977:150). Bestimmte semantische Relationen, wie z.B. Hyperonymie / Hyponymie können also nicht durch Dekompositionen ausgedrückt werden. Damit ist zwar nicht gezeigt, daß Dekompositionen auch hinsichtlich anderer Bedeutungsbestandteile unangemessen sind, wohl aber, daß Bedeutungspostulate auf jeden Fall benötigt werden. Selbst wenn man ungeachtet der anderen Kritikpunkte öffnen oder schwärzen als lexikalische Dekompositionen wie in (29) repräsentieren möchte, sind Bedeutungspostulate wie in (30) dennoch erforderlich: (29) a. öffnen'. XyXxXe[CAUSE(x,BECOME(OFFEN(y)))] b. schwärzen'·. λγλχλε[€Αυ8Ε(χ,ΒΕ1 eM+DUR]: xAGENS ;
yPATIENS) < >
e 2[+DUR]
yPATIENS) < (_>, z yPATIENS)
Lex. 1 : Ereignisstruktur (E-STR) von abtrocknen.
Das zweistellige Verb abtrocknen bezieht sich demnach auf ein erstes Teilereignis e 1 , das nicht punktuell, sondern von einer gewissen Dauer ("+DUR") ist, und an dem ein Agens und ein Patiens beteiligt sind, in unserem Beispiel Lisas Agieren bezüglich des SalatDie Grundideen dazu finden sich in Engelberg (1994a:51ff, 1995a, 1995b). Andere Varianten von abtrocknen liegen vor in dem intransitiven (i), wie auch in dem transitiven (ii), in dem die Tränen das sind, das durch das Trocknen verschwindet (vgl. den entsprechenden Artikel in Götz / Haensch / Wellmann 1993): (i) die Straße ist nach dem Regen schnell wieder abgetrocknet (ii) sie trocknete ihm die Tränen ab
32 schüssel-Patiens.3 Zeitlich parallel dazu ("") findet ein zweites Ereignis e 2 statt,4 an dem nur der Patiens beteiligt ist, nämlich das langsame Trockenerwerden der Salatschüssel. Abgeschlossen wird dieser Ereigniskomplex durch den nachfolgenden ("l" soll heißen, daß das Vorliegen eines solchen Ereignisses durch die Verbbedeutung impliziert ist. 'Agens' und Patiens' sind in diesem Kapitel zunächst nur Behelfsnotationen; ich werde in Kapitel 4.2 ausführlich auf semantische Relationen zu sprechen kommen. Ich unterscheide im Übrigen auch nicht zwischen den Begriffen "Patiens' und 'Thema'. Auf kausale Zusammenhänge zwischen Teilereignissen wie e 1 und e 2 komme ich in Kapitel 7.2.2 zu sprechen. Auf die verbspezifische Zustandsbeschreibung - in diesem Fall trocken - verzichte ich in dieser vorläufigen Notation der Ereignisstruktur noch, ebenso wie auf andere spezifischere Eigenschaften der einzelnen Teilereignisse. Auf die Auffassung von Zuständen gehe ich in Kapitel 7.1.1 genauer ein.
33
iii)
iv)
v)
können dabei auf die Bezeichnung von dauernden (DUR) Teilereignissen beschränkt sein oder auf die Bezeichnung von punktuellen (PKT), d.h., extrem kurzen Teilereignissen. 7 Relationen zwischen Teilereignissen·. Zwischen Teilereignissen bestehen z.T. kausale, immer aber temporale Relationen; Teilereignisse können gleichzeitig stattfinden () oder aufeinanderfolgen (i) oder präsupponiert (->p).
Im Folgenden seien noch einige Beispiele gegeben, die die einzelnen Komponenten der Ereignisstrukturen illustrieren. Die Komponenten der Ereignisstruktur·. Wir können zunächst davon ausgehen, daß sich die von Verben bezeichneten Ereignisse in ein, zwei oder drei Teilereignisse gliedern. Verben wie quälen, lieben, sitzen oder lachen involvieren keine weiteren Prozesse oder Zustände. Solche Ereignisse sind nicht weiter gegliedert; sie bestehen nur aus einem Teil. 9 Verben wie intransitiv schmelzen, trocknen, verschwinden involvieren zwei Teilereignisse, einen Prozeß und einen abschließenden Zustand. Zwei Teilereignisse kennzeichnen auch Verben wie werfen oder schieben, die zwei Prozesse involvieren, eine Wurfbewegung und ein Fliegen bei werfen, eine Schiebhandlung und ein Sich-Bewegen bei schieben. Drei Teilereignisse liegen dort vor, wo sich das Ereignis in zwei Prozesse und einen abschließenden Zustand gliedert, wie schon oben gesehen bei abtrocknen oder niederbrennen. Meistens ist das Vorliegen der einzelnen Teilereignisse eine Implikation aus jedem affirmativen Ausdruck, der das entsprechende Verb enthält. Wenn Sabine einen Baseball wirft, so ist aufgrund der Bedeutung von werfen impliziert, daß Sabine etwas mit dem Baseball tut, nämlich eine Wurfbewegung ausfuhrt, und es ist impliziert, daß der Baseball daraufhin fliegt. Hält sie den Baseball einfach fest oder fällt er ihr aus der Hand, so war das, was geschehen ist, kein Werfen. Sortale Beschränkungen über die Teilereignisse ignorierend, hat werfen demnach die folgende Ereignisstruktur.
Zustände sind normalerweise immer ausgedehnt (also DUR); dies wird in den Ereignisstrukturen daher nicht vermerkt. Claudia Kunze (pers. Mitt.) hat allerdings einmal darauf hingewiesen, daß Ausdrücke wie es ist zwölf Uhr wohl so etwas wie punktuelle Zustände bezeichnen. Eine offene verbale Proposition ist eine Prädikatskonstante mit den dazugehörigen Argumentvariablen in der semantischen Übersetzung des Verbs, z.B. ABTROCKN(x,y). Das soll heißen, daß diese Ereignisse auf einer Art oberster Strukturebene nicht weiter gegliedert sind; natürlich besteht auch ein Lachen aus Teilen, wie z.B. bestimmten Bewegungen des Mundes und des Atemapparates; solche feineren Teile spielen hier aber keine Rolle (s. dazu Kap. 7.2.1).
34
werfen'.
x nom , y ^
E-STR:
(—»j e 1 : X AGENS ;
yPATiENS) < ( _ > [ t i - yPATiENS)
Lex. 4: Ereignisstruktur von werfen.
Auch die Bedeutung von fangen beinhaltet zwei Teilereignisse. Wenn Sabine einen Baseball fangt, so ist aufgrund der Bedeutung von fangen klar, daß der Baseball zunächst fliegt und Sabine ihn dann - vermutlich mit den Händen - aus der Luft greift. Das Fliegen des Baseballs ist hier allerdings nicht impliziert, sondern präsupponiert, wie die Konstanz der Folgerung in der Satzfamilie zeigt:10 (2)
a. Sabine hat den Baseball gefangen b. hat Sabine den Baseball gefangen? c. Sabine hat den Baseball nicht gefangen
—» der Baseball ist geflogen —» der Baseball ist geflogen —> der Baseball ist geflogen
Die Ereignisstruktur von fangen enthält also neben einem implizierten auch ein präsupponiertes Teilereignis:11 fangen:
x nom , y ^
E-STR:
(->p e 1 :
yPATiENS)
1 ei[+PKT] :
X PATIENS)
< (_>!
Z:
XPATIENS)
Lex. 6: Ereignisstruktur von zerbrechen.
schmelzen: E-STR:
x nom (->I
ei [-DUR] : X PATIENS)
< (->·! z : xPATIENS)
Lex. 7: Ereignisstruktur von schmelzen.
10
11
Nicht bei allen Lesarten von fangen ist ein Fliegen-Ereignis präsupponiert, aber auch wenn ich ein Kaninchen fange, ist ein vorausgehendes Ereignis, z.B. die Fluchtversuche des Kaninchens, mitverstanden. Den Nachzustand, der darin besteht, daß der Agens hinterher den geflogenen Gegenstand hat, ignoriere ich hier; s. aber die Repräsentation in Kapitel 7.2.3.
35 Die Variationen in der temporalen Ordnung der Teilereignisse sind in den bisher aufgeführten Beispielen schon deutlich geworden. Bei Verben mit drei Teilereignissen unterscheiden sich v.a. solche wie abtrocknen (Lex. 1), bei denen die beiden Prozesse parallel verlaufen, von solchen wie niederbrennen (Lex. 3), wo sie aufeinanderfolgen. Auch bei Verben ohne Nachzustand finden sich beide temporalen Ordnungen: Bei werfen (Lex. 4) sind die beiden Teilereignisse hintereinandergeordnet, während sie bei schieben, das eine Aktivität des Agens hinsichtlich eines Objektes und die Bewegimg dieses Objektes involviert, gleichzeitig ablaufen 12 : schieben: E-STR:
x nom , y 3 ^ (->1 e* : X AGENS ;
yPATIENS)
e2 ;
yPATIENS)
Lex. 8: Ereignisstruktur von schieben.
Zusammenfassung und inhaltliche Grundannahmen: Der zentrale Teil der Bedeutungsbeschreibung eines Verbs besteht in der Repräsentation seiner Ereignisstruktur. Diese Idee geht davon aus, daß Verben Ereignisse bezeichnen, welche aus mehreren Teilereignissen bestehen können, die verschiedenen Sorten angehören und die in bestimmten temporalen Relationen zueinanderstehen. Die den thematischen Argumenten des Veitos entsprechenden Partizipanten stehen dabei in bestimmten semantischen Relationen zu bestimmten Teilereignissen.
2.1.2 Andere lexikalisch-semantische Ereignisstrukturtheorien Einleitung·. Ereignisstrukturbasierte Verbrepräsentationen haben seit Anfang der 90er Jahre, ausgehend von Pustejovskys (1988, 1991) Theorie zu "event structures", einige Verbreitung innerhalb lexikalisch-semantischer Arbeiten gefunden. Solche Ereignisstrukturtheorien sind aus dem Bemühen entstanden, zwei Traditionen der Verbsemantik miteinander zu verknüpfen, zum einen aspektuell-aktionsartliche Klassifikationen, die meist unter Bezugnahme auf Vendler (1957) - in Arbeiten zur Aspektkomposition in den 70er und 80er Jahren aufgegriffen wurden, zum anderen Theorien zur lexikalischen Dekomposition, die seit ihrer Lösung aus der Syntax eine zentrale Rolle in Arbeiten zur Repräsentation von Verbbedeutungen spielen. Bevor ich auf Theorien zu lexikalischen Ereignisstrukturen zu sprechen komme, möchte ich in den folgenden beiden Abschnitten die mit Aspektualitätsklassifikationen und CAUSE-BECOME-Dekompositionen 13 verbundenen Probleme aufzeigen, die die Entwicklung von Ereignistrukturtheorien motiviert haben. Ich werde dabei weniger auf bestimmte theoretische Ausprägungen solcher Ansätze eingehen als vielmehr auf einige
12
13
"Gleichzeitigkeit" meint hier keine völlige Identität der Ereigniszeit, sondern eher eine weitgehende Überlappung. Man muß wohl annehmen, daß die Agenshandlung bei schieben kurz vor der Bewegung des geschobenen Objekts einsetzt (vgl. auch Kap. 7.2.2). Ein Ausdruck wie er wusch das Hemd sauber kann wiederum auf ein Ereignis referieren, bei dem die Agenshandlung zeitlich auch noch etwas über das Ende der Zustandsveränderung hinausgeht. Zu Problemen mit Bedeutungsdekompositionen vgl. auch Kapitel 1.2.4.
36 prinzipielle Unzulänglichkeiten. Auch auf die Motivation bestimmter verbsemantischer Theorien durch konkrete Einzelphänomene werde ich im Wesentlichen erst in Kapitel 2.2 zu sprechen kommen.14 Aspektuell-aktionsartliche Klassifikationen·. Klassifikationen von Verben und verbenthaltenden Ausdrücken nach ihren aspektuell-aktionsartlichen Eigenschaften sind seit Mitte des letzten Jahrhunderts v.a. in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft entstanden. Sie orientierten sich zunächst an grammatisch-aspektuellen Phänomenen (z.B. imperfektive vs. perfektive Verben in Aspektsprachen), später auch an lexikalisch-aktionsartlichen Phänomenen, die mit der temporalen Struktur der von Verben bezeichneten Ereignisse zusammenhingen (Modifikation durch temporal-aspektuelle Adverbiale, Abhängigkeit der Tempusinterpretation von der Verbbedeutung, etc.).15 TIME SCHEMATA" "achievement
"state terms"
"activity terms"
"accomplishment terms"
terms"
reach the summit win a race recognize something find something die cross the border
know something love somebody believe something dominate somebody hate somebody
Progressiv nicht möglich 'For how long...?
For how long...?
At what time...?
'At what time...?
push a cart run swim
draw a circle run a mile write a letter grow up give a class
Progressiv möglich For five minutes 'How long did it take...? "In five minutes
'For how long...? How long did it take...? In five minutes
Abb. 1: Die "time schemata" nach Vendler (1957).
Arbeiten der modernen Linguistik zu Phänomenen im Umkreis von Aspekt und Aktionsart nehmen ihren Ausgang fast durchweg bei Vendlers (1957) Klassifikation, die allerdings zahllose vergleichbare Vorgänger und Nachfolger hat. Ich führe Vendler hier v.a. deshalb als Beispiel an, weil seine Terminologie die linguistische Diskussion geprägt hat. Vendlers (1957) Klassifikation verbenthaltender Ausdrücke basiert im Wesentlichen auf der Möglichkeit dieser Ausdrücke, im Progressiv aufzutreten und ihrer Kombinierbarkeit mit Adverbialen vom Typ in five minutes, for five minutes und at five o'clock. Ich 14 15
Dieses Kapitel basiert auf Engelberg (1994a:6ff, 1995b). Die Unterscheidung zwischen 'Aspekt' als grammatischer und 'Aktionsart' als lexikalischer Kategorie hat sich dabei erst relativ spät durchgesetzt. Zur älteren Aspekt- und Aktionsartforschung vgl. auch Binnick ( 1991:139ff).
37 werde auf solche Phänomene in Kapitel 2.2 ausführlich zu sprechen kommen und gebe hier nur eine Übersicht über die von Vendler (1957) angenommene Zuordnung dieser Phänomene zu den von ihm "time schemata" genannten Klassen (Abb. 1). Achievements wie win a race sind semantisch dadurch gekennzeichnet, daß sie zu Zeitpunkten wahr sind, Activities wie push a cart und Accomplishments wie run a mile unterscheiden sich dadurch, daß ein Activity-Ausdruck, der wahr ist zur Zeit t, auch zu jedem Teilintervall von t wahr ist, während ein Accomplishment-Ausdruck, der zu t wahr ist, zu keinem Teilintervall von t wahr ist (Vendler 1957:145fi). Vendlers (1957) Klassifikation ist oft genug gewürdigt und kritisiert worden,16 so daß ich mich hier darauf beschränke, einige Probleme dieser Klassifikation und anderer ihrer Art aus lexikalisch-semantischer Sicht anzuführen: • Zunächst sind die meisten solcher Klassifikation nicht exhaustiv. Mori / Löbner / Micha (1992.259f) haben Vendlers operationale Kriterien auf das Japanische angewendet und festgestellt, daß sich viele Ausdrücke in keine der vendlerschen Klassen einordnen lassen. Am Ende ergaben sich für das Japanische neun disjunkte Klassen. Die Untersuchung zum Deutschen in Engelberg (1994a:46ff) zeigt eine ähnliche Breite aktionsartlicher Klassen. • Über die von Vendler (1957) und anderen angesprochenen operationalen Verfahren hinaus gibt es eine Reihe weiterer syntaktischer und semantischer Phänomene, die auf sehr ähnlichen Eigenschaften verbaler Ausdrücke basieren. Berücksichtigt man auch diese Phänomene bei der Klassifikation, so steigt die Anzahl der zu unterscheidenden Klassen erheblich. Erst wenn man davon ausgeht, daß solche Klassen auf strukturierten Bedeutungsrepräsentationen basieren - statt einfach nur eine lange Liste von Klassenbezeichnungen zu konstituieren - , können die einzelnen Phänomene auf das Auftreten bestimmter Kombinationen weniger Elemente in diesen Strukturen zurückgeführt werden. • Der Gegenstandsbereich von Vendlers Klassifikation ist nicht explizit festgelegt. Seinen Beispielen zufolge klassifiziert Vendler scheinbar VPs (z.T. vielleicht auch Verben und Sätze), ohne daß er sich selbst dazu äußert. Im Allgemeinen werden solche aspektuell-aktionsartlichen Klassen als Eigenschaften von verbenthaltenden Prädikaten aufgefaßt oder auf solche Eigenschaften17 zurückgeführt. Damit bleibt aber zunächst offen, welche Eigenschaften die Verben als lexikalische Einheiten haben müssen, um in komplexen verbalen Konstruktionen Ausdrücke des einen oder des anderen aspektuellaktionsartlichen Typs bilden zu können.18 Die Fragen nach der lexikalischen verbsemantischen Basis solcher Klassifikationen sind in Aspektkompositionstheorien zwar behandelt worden,19 aber eher ausschnittsweise vor allem hinsichtlich der Unterscheidung von Activities und Accomplishments. Dies hat aber nur zum Teil zu prinzipiellen
16 17
18
19
Vgl. u.a. Dowty ( 1979:51 ff), Binnick ( 1991:170fi), Verkuyl (1993:330). Z.B. Prädikatseigenschaften wie Divisivität, Kumulativität, Homogenität, Gequanteltheit; vgl. etwa Krifka ( 1989a) oder Eckardt ( 1996b). Ich spreche auch deshalb scheinbar etwas unentschlossen von 'aspektuell-aktionsartlichen' Klassen, weil es eine schwierige Frage ist, ob und in welchem Maße solche Klassen lexikalische und damit aktionsartliche Klassen konstituieren. Vgl. etwa Krifka ( 1989a) und die Literaturübersicht darin.
38 Überlegungen über ein Format zur lexikalischen Repräsentation von Verbbedeutungen geführt 2 0 Es bleibt festzuhalten, daß aspektuell-aktionsartliche Klassifikationen eine Reihe von Phänomenen ans Licht bringen, die von den eher an Linking-Phänomenen orientierten dekompositionellen lexikalischen Theorien bis dato vernachlässigt wurden. Die Klassifikationen selbst ersetzen aber keine Theorie verblexikalischer Repräsentationen und geben für sich genommen auch wenig Hinweise darauf, wie eine solche Theorie auszusehen hätte. CAUSE-BECOME-Dekompositionen·. Dekompositionen von Verbbedeutungen, in denen die Prädikate CAUSE, BECOME und z.T. DO eine zentrale Rolle spielen, gehen, wie in Kapitel 1.2.4 schon dargestellt, auf die tiefenstrukturellen Satzanalysen der generativen Semantik zurück und werden seit Dowty (1979) als Repräsentationen in der lexikalischen Semantik verwendet. Dowty (1979) versucht, die in den Vendler-Klassen ausgedrückten aspektuell-aktionsartlichen Phänomene in einer formalsemantischen, auf CAUSEBECOME-Dekompositionen basierenden Theorie zu erklären. Etwas vereinfacht sehen seine Entsprechungen zu Vendlers Klassen wie folgt aus: 21 (3)
a. b. c. d.
P(x',.. ,x n ) DO(x',P(x',...,xn)) BECOME(P(x',. · ·,x n )) CAUSE(p,BECOME(P(x',...,xn)))
"Statives" "Activities" "Achievements" "Accomplishments"22
Dekompositionelle Verbrepräsentationen sind in der Nachfolge Dowtys (1979) bis heute vor allem zur Erklärung von Argumentlinking verwendet worden. Dabei wird ihr Wert für die Erklärung aspektuell-aktionsartlicher Phänomene weniger dadurch geschmälert, daß in (3) nicht alle diesbezüglich relevanten Unterscheidungen erfaßt werden - Dekompositionen sind flexibel genug, um auch andere aspektuell wichtige Eigenschaften auszudrücken - als vielmehr durch den Versuch, aspektuell-aktionsartliche Unterscheidungen möglichst ausschließlich an die Begriffe der Verursachung (CAUSE) und Veränderung (BECOME) zu knüpfen. Die Korrespondenzen zwischen CAUSE-BECOME-Dekompositionsstrukturen und aspektuell-aktionsartlichem Verhalten sind aber weit weniger eindeutig als es die Entsprechungen in (3) nahelegen. So enthält die Achievement-Klasse, wenn sie, wie Vendler (1957) vorschlägt, punktuelle Ausdrücke erfaßt, auch Verben, die keine Veränderung beschreiben wie niesen, beißen oder stechen, und selbst, wenn man, wie Dowty (1979:180ff), von dem Punktualitätskriterium absieht, 23 so ist doch zu berück-
20
21
22
23
Dowty (1979) entwickelt auf der Basis von Vendlers (1957) Unterscheidungen eine dekompositionelle, montaguesemantische Theorie zur Verbsemantik; Krifkas (1989a) Arbeit zur Aspektkomposition enthält wichtige theoretische Überlegungen zu thematischen Relationen. Dowty (1979) führt bestimmte, meist nicht aspektuell relevante Verfeinerungen an, z.B. bezüglich dessen, was fur ρ in (3d) stehen kann. (CAUSE wird als Relation zwischen Propositionen aufgefaßt.) "p" steht für eine Propositionsvariable, "P" für eine Prädikatsvariable; vgl. die Darstellung der Notationskonventionen in Kapitel 3.2.1. Zu den Problemen, die mit einer Aufgabe der Durativ-Punktuell-Unterscheidung einhergehen vgl. ausführlich Kapitel 2.2.3.
39 sichtigen, daß nur manche Veränderungsverben die durch das Vorliegen eines BECOMEOperators lizenzierten /«-Adverbiale zulassen. (4)
a. die Temperatur stieg in drei Tagen) b. das Eis schmolz (in drei Tagen)
Auch hat McCawley (1976:117f) darauf hingewiesen, daß CAUSE-BECOME-Verben aspektuell heterogen sind: das punktuelle shoot verhält sich wie ein Achievement (im vendlerschen Sinn), boil wie ein Activity-Ausdruck und dress wie ein Accomplishment: (5)
a. John shot Mary at 2:37 P.M. b. John boiled the eggs for five minutes c. John dressed the child in five minutes
Viele semantische und syntaktische Probleme - und das ist ja die im letzten Kapitel aufgestellte These - lassen sich nur oder besser erklären, wenn man bei der Bedeutungsrepräsentation von Verben auf Ereignisse, Teilereignisse und deren Eigenschaften rekurriert statt auf CAUSE-BECOME-Strukturen, ohne daß deren Relevanz für bestimmte Phänomene deswegen geleugnet werden soll. Pustejovskys "event structures"·. Pustejovskys (1988, 1991, 1995:67fl) Theorie zur Repräsentation von Verben und verbenthaltenden Ausdrücken versucht, die in aspektuellen Klassifikationen erfaßten Phänomene zu erklären, indem sie dekompositionelle Veibbeschreibungen durch Ereignisstrukturen ergänzt.
r
"Basic Event Types"
ν
y Abb. 2: "Basic Event Types" nach Pustejovsky (1991:56).
Pustejovsky (1991) nimmt dazu eine semantische Repräsentation von Verben auf drei Ebenen an. Eine davon ist die Ereignisstruktur (ES). Sie ordnet Verben und komplexen, verbenthaltenden Ausdrücken Ereignistypen zu, wobei Ereignistypen primitiv oder komplex sein können. Jeder verbale Ausdruck gehört einem der drei Ereignistypen "state", "process" oder "transition" an. Ein komplexer Ereignistyp e, in der Ereignisstruktur repräsentiert als [βι,β2], wird interpretiert als ein Ereignis mit zwei Teilereignissen, bei denen das erste dem zweiten zeitlich vorangeht. Die einzelnen Ereignistypen sind wie folgt
40 definiert (Pustejovsky 1991:56) und werden wie in Abb. 2 graphisch repräsentiert (wobei E für einen beliebigen Ereignistyp steht): • State (S). "a single event, which is evaluated relative to no other event" (be sick, love, know)·, • Process (P): "a sequence of events identifying the same semantic expression", (run, push, drag)·, "[. . .] when Ρ is a process verb, then if the semantic expression P' identified with Ρ is true at an interval /, then P' is true for all subintervals of I larger than a moment"; • Transition (T): "an event identifying a semantic expression, which is evaluated relative to its opposition" (give, open, build, destroy). Die zweite Ebene der Verbbeschreibung ist eine minimale Dekomposition (LCS1), die an jedes der Subereignisse geknüpft ist; aus ES und LCS' läßt sich dann die dritte Ebene ableiten, und zwar eine lexikalische Dekomposition LCS ("lexical conceptual structure") im Stile von Dowty (1979) oder Jackendoff (1983/1995). Hier einige Beispiele für die verschiedenen Ereignistypen; das "&" in (6e) zeigt dabei auch Gleichzeitigkeit an (Pustejovsky 1991:57ff): (6)
a. the door is closed ES: [ S ] LCS': [ closed(the-door) ] LCS: closed(the-door) b. Mary ran ES: [ P ] LCS': [ run(mary) ] LCS: run(mary) c. Mary ran to the store ES: [ [ Ρ ] [ ] ] t LCS': [ [ run(mary) ] [at(mary,the-store] ] LCS: cause(act(mary), become(at(mary,the-store)) BY run) d. the door closed ES: [ [ P ] [S]]T LCS': [ [ -iclosed(the-door) ] [closed(the-door) ] ] LCS: become[closed(the-door)] e. John closed the door ES: [ [ Ρ ] [ S ] ]τ LCS': [ [ act(john,the-door) & -iclosed(the-door) ] [ closed(the-door) ] ] LCS: cause(act(john,the-door), become[closed(the-door)])
Transitionen kommen demnach entweder zustande durch die Kombination eines Prozesses wie Mary ran mit einer Präpositionalphrase to the store, die als Funktion von Prozessen in Transitionen definiert ist (6c), 24 oder durch Verben wie close, die lexikalisch als Verben repräsentiert sind, die einen Prozeß mit nachfolgendem Zustand bezeichnen (6d, 6e). Die Ereignisstruktur soll dabei vor allem die Beschränkungen aspektueller Adverbiale wie in-PPs und for-PPs formulieren helfen, die auf der ES-Ebene operieren (Pustejovsky 24
Die gleiche Ereignisstruktur haben auch Resultativa wie Mary hammered the metal flat (Pustejovsky 1991:65).
41 1991:6 Iff), und sie soll erklären, wie bestimmte Skopusambiguitäten von Adverbialen Zustandekommen (Pustejovsky 1988:3 Iff, 1991:68ff).25 Kritik an Pustejovskys Ereignisstrukturtheorie·. Pustejovsky hat mit seinem Ansatz einige der Ideen formuliert, die auch der vorliegenden Arbeit zugrundeliegen, daß nämlich Verben auf komplexe Ereignisse referieren und daß Adverbiale in vielen Fällen als Prädikate über Teilereignisse aufgefaßt werden müssen. Pustejovskys Theorie ist allerdings mit bestimmten Problemen behaftet, die sowohl die Interpretation seiner Repräsentationen als auch die empirische Adäquatheit seiner ereignisstrukturellen Distinktionen betreffen: • Wie die auf den drei Ebenen spezifizierten Beschreibungen zu interpretieren sind, wird nicht klar. In Pustejovsky (1991:62) wird für den Satz (7a) die an neo-davidsonische Repräsentationen26 angelehnte logische Form (7b) angenommen. (7)
a. Mary built a chair in an hour b. 3P,S[build((P,S)) & agent(mary,(P,S)) & theme(chair,(P,S)) & in-an-hour(P,S)]
Dabei wird zwar über die auf ES repräsentierten Teilereignisse quantifiziert, aber es wird kein Bezug mehr auf die LCS'- und LCS-Dekompositionen genommen. In einer anderen Arbeit (Ingria / Pustejovsky 1990:162) finden sich Repräsentationen, bei denen die Teilereignisse als Argumente in LCS'-Prädikate integriert werden. Demnach sähe ein act-Prädikat (8a) aus einer LCS'-Repräsentation wie in (6e) in der logischen Form so aus wie in (8b); wie aber prinzipiell die logische Form aus den drei Repräsentationsebenen zu ermitteln ist, wird nicht deutlich. (8)
a. act(john,the-door) b. act(Pjohn,the-door)
• Es wird keine bestimmte Ereignisauffassung von Pustejovsky vertreten, die uns unabhängige Kriterien an die Hand gäbe, wann wir es mit einem und wann mit zwei Teilereignissen zu tun haben. So wird z.B. (9a) als ein Prozeß beschrieben, der - wie alle Prozesse - aus einer Sequenz von Teilereignissen besteht, und zwar solchen wie in der LCS'-Repräsentation in (9b) beschrieben (Pustejovsky 1991:59). Die beiden koordinierten Prädikate 'act' und 'move' darin konstituieren aber nicht jedes für sich ein Teilereignis, wie ich es in Kap. 2.1.1 angenommen habe, was von Pustejovsky aber nicht diskutiert wird. (9)
a. Mary pushed the cart b. ES: [ Ρ ] LCS': [ act(maiy,the-cart) & move(the cart) ] LCS: cause([act(mary,the-cart)], [move(the cart)])
• Schließlich stellt sich auch die Frage, wie unabhängig voneinander die auf den drei Ebenen spezifizierten Informationen eigentlich sind. Transitionen korrespondieren offenbar eins-zu-eins mit BECOME-Prädikaten auf der LCS-Ebene. Prozesse oder Zustände treten entsprechend immer dann auf, wenn kein BECOME-Prädikat in der LCS
25
26
Vgl. dazu im einzelnen Kapitel 2.2; außerdem werden von Pustejovsky (1991:74ff) Überlegungen zum Argument-Linking präsentiert. Vgl. zu solchen Repräsentationen Kapitel 4.1.3.
42 vorhanden ist. Damit bleibt lediglich die ohnehin nicht sehr zentrale Unterscheidung zwischen Prozessen und Zuständen als unabhängige, nicht aus den anderen Repräsentationen ableitbare ES-Information. 27 • Die Annahme einer eigenen Ereignisstrukturebene wäre besser gerechtfertigt, wenn sie mehr von den Dekompositionen unabhängige Informationen enthalten würde. Das ist auch aus empirischen Gründen erforderlich; Pustejovskys Ereignisstruktur ist insofern zu mager, als sie nur die Unterscheidung von zwei Teilereignissen vorsieht, und auch, da sie die Unterscheidung von andauernden und punktuellen Ereignissen aufgibt. 28 Vorkommensbeschränkungen und Teilereignisbezug verschiedener Adverbiale können dadurch in Pustejovskys Ereignisstrukturen nicht erklärt werden. Dies wird an verschiedenen Stellen in Kapitel 2.2 noch deutlich werden. Weitere Ereignisstrukturansätze: Pustejovskys Ideen sind in verschiedenen anderen Ansätzen aufgegriffen worden, so von Grimshaw (1990), Abraham (1990, 1993), Wunderlich (1992, 1996, 1997) und, wie im letzten Kapitel dargestellt, in Engelberg (1994, 1995a, 1995b). Grimshaw (1990) formuliert Linking-Prinzipien auf der Basis von Pustejovskys Ereignisstrukturen und einem Begriff der aspektuellen Prominenz (s. im Detail weiter unten). Abrahams (1990, 1993) Vorschläge unterscheiden sich in der Form der Repräsentation der Ereignisstrukturen von Pustejovskys ES-Ebene, nicht aber bezüglich der Anzahl der verschiedenen Ereignistypen. Abraham verwendet in zeitlogischen Begriffen formulierte Ereignisstrukturen, wobei biphasische Ereignisse Pustejovskys Transitionen entsprechen, und aus einem "event of the approach phase", gefolgt von einem "event [.. .] of the resulting state", bestehen. Zwei Typen monophasischer Ereignisse korrespondieren des weiteren mit Pustejovskys Prozessen und Zuständen (Abraham 1990: lf, 1993:163f). Wunderlich (1996) behält demgegenüber Pustejovskys Notationen bei, modifiziert aber dessen Annahmen über die interne Struktur von Ereignissen und weist darüber hinaus der ESEbene einen anderen theoretischen Status innerhalb semantischer Repräsentationen zu. Darum soll es im nächsten Abschnitt gehen. Verwandte Ideen finden sich weiterhin auch in solchen semantischen Arbeiten, die bei der Repräsentation kausativer Verben davon ausgehen, daß diese auf zwei Ereignisse referieren, ein verursachendes und ein verursachtes, wie z.B. in Parsons (1990:138ff) und Kamp / Roßdeutscher (1992:19fl). Ereignisstrukturen in der Lexikalischen Dekompositionsgrammatik'. Die von Wunderlich (1992, 1996, 1997) und anderen im Rahmen der Zwei-Ebenen-Semantik entworfene Lexikalische Dekompositionsgrammatik geht davon aus, daß eine restriktive, auf CAUSEBECOME-Dekompositionen basierende semantische Form (SF) das Bindeglied zwischen Syntax und Morphologie einerseits und einer reichhaltigen konzeptuellen Struktur (CS) andererseits darstellt. In der SF wird repräsentiert, was syntaktisch relevant ist. Dabei bestimmt die Einbettungstiefe der Argumentvariablen in der Dekomposition die Argumentstruktur und damit die Abbildung der Argumente in die Syntax (Wunderlich 1996:173ff, 1997:31ff). In Anlehnung an Pustejovsky (1991) wird die SF um eine Ereig27
28
Eine ES-Ebene rechtfertigt sich neben der Möglichkeit, lexikalische Unterscheidungen auf ihr zu spezifizieren, natürlich auch durch ihre Konsequenzen für die logische Form, indem sie Ereignisse und Teilereignisse als Gegenstände adverbialer Prädikationen bereitstellt. Vgl. dazu im Besonderen Kapitel 2.2.3.
43 nisstniktur ergänzt, die als sortale Beschränkung über dem Ereignisargument verstanden wird (Wunderlich 1992:14f, 1996:174). Restriktionen aspektueller Adverbiale, aspektuelle Operatoren und die Erklärung adverbialer Skopusambiguitäten können auf die Ereignisstruktur Bezug nehmen (Wunderlich 1992:16ff, 1996:175fif). Wunderlich nimmt allerdings andere Ereignisstrukturen an als Pustejovsky und bewertet auch deren theoretischen Status anders. Im Gegensatz zu Pustejovsky unterscheidet er Achievements und Accomplishments auch auf der Ebene der Ereignisstiuktur. Dabei werden Achievements als Transitionen mit der Ereignisstruktur in (10a) verstanden, Accomplishments als Transitionen, die einen Prozeß plus eine eingebettete Transition beinhalten (10b), wobei S den Resultatszustand bezeichnet und -iS den diesem vorausgehenden Zustand, der dadurch gekennzeichnet ist, daß S nicht besteht (Wunderlich 1996:176). (10) a. Achievements: [-iS S]x b. Accomplishments: [Ρ [-,S S j y J j
(im Folgenden kuiz als [Ρ Τ]χ)
In Wunderlich (1992:12) wird davon ausgegangen, daß die Ereignisstruktur auf der Verbebene aus der semantischen Form ableitbar ist, aber nicht umgekehrt. So haben Inchoativa wie to ripen, Kausativa wie to empty und Resultativa wie to eat clean verschiedene Dekompositionsstrukturen, aber, wie die Modifizierbarkeit durch /«-Adverbiale zeigt, alle die gleiche Ereignisstruktur, und zwar [Ρ Τ]χ. Dabei wird die Transitionskomponente durch das BECOME-Prädikat in die Ereignisstruktur projiziert:29 (11) a .the tomatoes ripened in three days λχλεΙΡΤ] [BECOME(RIPE(x))] (e) b. he emptied the bottle in ten seconds XykxkelPT] [CAUSE(x,BECOME(CLEAN(y)))] (e) c. she ate the plate clean in five minutes λζλγλχλεΙΡΤ) [EAT(x,y) & BECOME(CLEAN(y))] (e)
Mit Hinweis auf die manchmal iterative Interpretation bestimmter punktueller Verben heißt es in Wunderlich (1996:174) dagegen, daß auch die konzeptuelle Struktur die Ereignisstruktur mitbestimmt. Kritik an Wunderlichs Ereignisstrukturauffassung: Das Zusammenspiel der Ereignisstruktur mit SF und CS in der Lexikalischen Dekompositionsgrammatik ist noch nicht sehr weit ausgearbeitet. Die folgenden kritischen Bemerkungen sind daher zum Teil eher allgemeiner Natur: • Die Frage, ob oder in welchem Maße die Ereignisstruktur aus der semantischen Form abgeleitet werden kann, scheint noch nicht entschieden. Nehmen wir an, die Ereignisstruktur kann vollständig aus SF abgeleitet werden, dann stellt sich erstens die Frage, wozu ES überhaupt benötigt wird. Die Selektionsrestriktionen von Adverbialen wie in fünf Minuten könnten dann auch direkt auf die Dekomposition Bezug nehmen. Da die Dekomposition ein Ereignisargument enthält, wäre es dabei trotzdem möglich, solche
29
Beispiel (11) entstammt einer 1994 entstandenen unpublizierten Überarbeitung von Wunderlich (1992). Wunderlichs Notation ist dabei leicht an die hier verwendeten Konventionen angepaßt.
44 Adverbiale im davidsonischen Sinne als Ereignisprädikate zu verstehen. Zweitens stellt sich die Frage, wieso die Ereignisstruktur ausgerechnet als sortaler Index repräsentiert wird. Da die Dekompositionen selbst im Grunde nichts anderes darstellen als sortale Beschränkungen über den Ereignissen, auf die ein bestimmtes Verb referieren kann, konstituieren sie eigentlich genau die gleiche Art von Informationen. Es ist somit nicht einzusehen, warum sie in verschiedenen Strukturen repräsentiert werden. • Nehmen wir dagegen an, daß die Ereignisstruktur teils von SF und teils von CS determiniert ist, so stellt sich ein anderes Problem: In Wunderlichs Ereignisstruktur wird der Unterschied zwischen Durativität und Punktualität nicht repräsentiert, was aus einer Reihe von empirischen Gründen, auf die ich in Kapitel 2.2.3 zu sprechen kommen werde, aber erforderlich ist. Nun könnte man natürlich annehmen, daß konzeptuelle Informationen aus CS entsprechende Ereigniszeitinformationen beisteuern (vgl. Kaufmann 1995a:225ff), wodurch die Ereignisstruktur um eine solche Unterscheidung ergänzt wird. Da es nun aber auch syntaktische Phänomene gibt, die auf den PunktuellDurativ-Unterschied rekurrieren,30 würde dies bedeuten, daß die Abbildung von Argumenten in die Syntax auch von CS-Informationen abhängt, was der Grundannahme der lexikalischen Dekompositionsgrammatik widerspricht, derzufolge diese Abbildung ausschließlich SF-abhängig ist. • Der Ereignistyp Transition konstituiert sich sowohl in der Form [-iS S]x als auch in der rekursiven Form [Ρ Τ]χ. Es ist nicht klar, aus welchen semantischen Gründen beide Ereignisstrukturen den gleichen Ereignistyp Τ konstituieren, zumal anscheinend keine semantischen Prozesse auf Τ allein zugreifen. Überhaupt stellt sich die Frage, ob Ereignisstrukturen hierarchisiert werden müssen; Wunderlichs Bemerkungen zur Ereignisstruktur lassen jedenfalls nicht erkennen, daß irgendwelche Prozesse auf Knoten der mittleren Hierarchieebene, also dem eingebetteten Τ bei Accomplishments, basieren. • Wunderlichs ereignisstrukturelle Ausgliederung von Achievements hat gegenüber Pustejovskys (1991) Auffassung den Vorteil, daß nun Adverbiale mit Ereignisbezug bezüglich ihrer Verträglichkeit mit Accomplishments oder Achievements restringiert werden können. Nun werden unter Achievements im Allgemeinen entweder punktuelle Verben verstanden, wie in der Definition von Vendler (1957:149), oder Inchoativa bzw. Unakkusativa, wie etwa bei Dowty (1979:180ff) (vgl. auch Kap. 2.2.3). Wunderlich (1996:176ff) nimmt aber einerseits bei der Einführung der Ereignisstrukturen keinen Bezug auf eine Punktuell-Durativ-Unterscheidung, während er andererseits Inchoativa als Verben auffaßt, die auf Ereignisse vom Typ [P T]j referieren (z.B. IIa). Damit ist aber unklar, welche Verben überhaupt eine Ereignisstruktur wie [—rS S]j haben. Da das BECOME-Prädikat, das für die T-Komponente in [P Tfr-Ereignissen verantwortlich zeichnet, als punktuelles Prädikat aufgefaßt wird (Wunderlich 1996:181), liegt es eigentlich nahe, punktuelle Nachzustandsverben wie in (12b) als Achievements mit der Ereignisstruktur [—.S S]T aufzufassen. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß /«-Adverbiale, so Wunderlich (1996:177), Ausdrücke mit einer Ereignisstruktur [Ρ Τ]χ verlangen. Wunderlich bemerkt auch, daß intransitives zerbrechen (12b) ein solches Adverbial nicht erlaubt, im Gegensatz etwa zu verfaulen (12a), was natürlich für die Annahme unterschiedlicher Ereignisstrukturen für die beiden Verben spricht.
30
Vgl. den Abschnitt zur an-Konstruktion in Kapitel 2.2.3.
45 (12) a. die Äpfel verfaulten (in drei Tagen) b. die Vase zerbrach in zehn Minuten) c. er zerbrach die Vase in zehn Minuten)
Da in Ereignisstrukturen des Typs [Ρ T] T der Prozeß Ρ als kausaler Faktor von Τ verstanden wird, wird für verfaulen angenommen, daß konzeptuell entsprechende Eigenschaften von Ρ rekonstruiert werden können (z.B. hohe Luftfeuchtigkeit oder ein vergammelter Apfel im Haufen). 31 Wenn nun aber intransitives zerbrechen als Achievement vom Typ [-iS S]x aufgefaßt wird, 32 so stellt sich natürlich die Frage, warum hier nicht ebenfalls ein kausales P-Ereignis (starker Wind, Steinschlag, oder was immer) mitverstanden werden kann. • Noch problematischer wird die Situation bei der kausativen Variante des punktuellen zerbrechen, wie in (12c). Hat dieses die Ereignisstruktur [P [-iS S]T]T, so ist zwar das verursachende Ereignis durch Ρ in der Ereignisstruktur repräsentiert, aber es folgt nun fälschlicherweise, daß zerbrechen mit /«-Adverbialen verknüpft werden kann. Nimmt man dagegen die Ereignisstruktur [—.S S ] j für kausatives zerbrechen an, so sind zwar korrekterweise /«-Adverbiale nicht mehr lizenziert, aber das Verursachungsereignis fehlt in der Ereignisstruktur. Zudem würde die intuitiv nicht sehr plausible Annahme, daß ein Satz mit durativ-inchoativem Verb wie die Äpfel verfaulten auf einen Prozeß und zwei Zustände referiert, das kausativ-punktuelle er zerbrach die Vase aber lediglich auf zwei - naturgemäß ausgedehnte - Zustände, die Frage aufwerfen, nach welchen unabhängigen Kriterien eigentlich Teilereignisse bestimmt werden können. Insgesamt entsteht jedenfalls der Verdacht, daß durch Wunderlichs Teilereigniskonstruktionen lediglich temporale Informationen ausgedrückt werden sollen, was einfacher durch eine Sortierung von Teilereignissen in durative vs. punktuelle erreicht werden könnte. Bei Wunderlich muß dagegen die P-Komponente in Transitionen entweder für das verursachende Ereignis stehen, was semantisch plausibel ist, aber keine Erklärung des Verhaltens von /«-Adverbialen ermöglicht, oder es steht für die Durativi tat des Gesamtereignisses, was zu einer unplausiblen Auffassung von Teilereignissen führt. Ereignisstrukturen und aspektuelles Linking: Aufgegriffen worden sind Ereignisstrukturideen auch in Ansätzen, die in der Folge von Tenny (1987, 1988) davon ausgehen, daß aspektuell-aktionsartliche Eigenschaften von Verben zur Erklärung von Linking-Phänomenen herangezogen werden müssen. Tenny selbst hat dazu allerdings nicht auf Ereignisstrukturen zurückgegriffen, sondern lediglich festgehalten, daß jeder Ereignispartizipant als Verbargument dafür markiert werden muß "whether it undergoes change or not, and if so, if it undergoes change in such a way that it can measure out the event" (Tenny 1987:307); dieses Argument wird dann als höchste Objekt-NP in der VP realisiert (Tenny 1987:244). Einen Bezug auf Ereignisstrukturen stellt dagegen van Voorst (1988) in seiner Linking-Theorie her, wobei er allerdings keine temporal oder kausal verknüpfte Ereignisstruktur annimmt, sondern eine lokalistische Theorie vertritt, in der der Ereignispartizipant, der das "object of origin (Dutch) or actualization (English)" konstituiert, als Subjekt 31
32
Wenn ich Wunderlich ( 1996:177) richtig verstehe, zieht er in Erwägung, zwar den [—.S S]x-Teil von Transitionen aus dem Vorliegen von BECOME in SF abzuleiten, das Vorliegen einer PKomponente in Transitionen aber über CS zu regeln. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit Wunderlich genau das vorschwebt.
46 realisiert wird und der Partizipant, der das "object of termination" darstellt, als direktes Objekt (van Voorst 1988:10,27). Interessanter im Zusammenhang mit der hier vorgeschlagenen Ereignisstrukturtheorie ist allerdings ein Vorschlag Grimshaws (1990), die explizit auf Pustejovskys Theorie Bezug nimmt.33 Grimshaw (1990:73) konzipiert die Argumentstruktur eines Verbs als Schnittstelle zwischen einer dekompositionellen semantischen Repräsentation des Verbs und der D-Struktur des Satzes. Den Argumentvariablen kann aufgrund ihrer Position in der Dekomposition eine Thetarolle zugeordnet werden, so daß über die Thetahierarchie in (13a) die Argumente auf der Argumentstrukturebene (AS) hierarchisch geordnet werden können (13b, 13c): (13) a. (Agent(Experiencer(GoaVSource/Location(Theme)))) b. waschen AS: (x(y)) « (Agens(Theme)) c. fürchten AS: (x(y)) « (Exp(Theme))
Nun läßt sich allein über die Argumentstruktur die unterschiedliche Realisierung der Argumente von Psych-Verben wie to fear und solchen wie to frighten nicht erklären, denn beide haben die gleiche Argumentstruktur (Exp(Theme)): (14) a. he (Exp) feared the darkness (Th) b. the darkness (Th) frightened him (Exp)
Grimshaw (1990:2211) führt dies auf aspektuelle Unterschiede der beiden Verben zurück und nimmt daher eine zweite Beschreibungsebene an, die auf den in Pustejovsky (1991) entworfenen Ereignisstrukturen basiert. Danach ist bei Verben, die sich auf komplexe Ereignisse beziehen, der ereignisverursachende Partizipant stärker in das erste Subereignis involviert als andere Partizipanten. Generell gilt, daß Argumente, die ins erste Subereignis involviert sind, aspektuell prominenter sind als solche, die am zweiten (oder am ersten und zweiten) Subereignis beteiligt sind. Folgende thematische und aspektuelle Analyse wird für verschiedene Verbklassen angenommen (1 = Argument ins erste Subereignis involviert, 2 = Argument ins zweite Subereignis involviert, χ = keine Evidenz) (Grimshaw 1990:28f): (15) a. Transitive agentive:
(Agent
1 b. Ditransitive:
(Agent
(Theme))
2 (Goal
(Theme)))
χ c. Unergative:
(Agent)
d. Psychological state (fear):
(Exp
1 e. Psychological causative (frighten):
(Exp
2 f. Agentive psychological causative:34 (Agent
1 33 34
X
(Theme))
2 (Theme))
1 (Exp))
2
Die Darstellung von Grimshaws Theorie folgt Engelberg ( 1994a: 14ff). Z.B. frighten mit agentivem Subjekt.
47 Bei frighten ist im Gegensatz zu fear das Thema die verursachende Instanz und daher aspektuell prominenter. Linkingprinzipien operieren nun auf dieser aspektuellen Struktur: Das aspektuell prominenteste Argument wird als Subjekt realisiert (Grimshaw 1990:27). Die thematische Hierarchie regelt dabei möglicherweise nur noch die Präpositionswahl in bestimmten Fällen.35 Kritik an Grimshaws Ereignisstrukturauffassung·. Die semantische Fundierung der thematischen ebenso wie der aspektuellen Begrifflichkeiten in Grimshaws Ansatz ist insgesamt äußerst dünn. Es bleibt unklar, welchen Status die ad hoc eingeführten Begriffe "event" oder "state" in den angenommenen Verbrepräsentationen eigentlich haben. Die Unabhängigkeit der thematischen und der aspektuellen Hierarchie ließe außerdem erwarten, daß es auch Agent-Theme-Verben mit aspektuell prominentem Theme gäbe; so etwas kommt aber nicht vor (vgl. Beckmann 1994a: 127). Grimshaws Theorie hat darüber hinaus auch Probleme mit dem Argumentlinking von Verben, bei denen die Anzahl der Teilereignisse nicht mit der Anzahl der thematischen Argumente übereinstimmt. So fallt die Lösung zur Behandlung von Unakkusativa ad hoc aus: damit das einzige Argument, das zwangsläufig thematisch und aspektuell am prominentesten ist, in die Objektposition gelinkt werden kann, wird gesondert stipuliert, daß Themes niemals prominent sind. Zusätzliche Linking-Probleme ergeben sich zudem, da eine Reihe von mehrstelligen Verben wie helfen, streicheln, quälen als Prozeßverben im pustejovskyschen Sinne nicht komplex sind und deren Argumente dementsprechend nicht aspektuell hierarchisiert werden können; in Bezug auf to fear weist Grimshaw (1990:26) selbst auf dieses Problem hin. Trotzdem besteht das Interessante an Grimshaws (1990) Vorschlag gerade darin, daß sie bei der Repräsentation von Verben eine Zuordnung von Ereignispartizipanten zu Teilereignissen vornimmt und bestimmte syntaktische Konsequenzen aus dieser Zuordnung ableitet. Bei Pustejovsky wird dagegen eine solche Idee nicht thematisiert. Seine LCS'Repräsentationen legen es zwar nahe, Ereignispartizipanten als in bestimmte Teilereignisse involviert zu betrachten, aber die logische Form von Sätzen wie in (7b) drückt eine solche Idee nicht aus. In Kapitel 2.2.4 werde ich weitere Daten anfuhren, die dafür sprechen, Ereignispartizipanten über semantische Relationen an Teilereignisse zu binden. Zusammenfassung: Klassische CAUSE-BECOME-Dekompositionen haben sich als zu schwerfällig erwiesen, um aspektuell-aktionsartliche Eigenschaften von Verben zu erfassen, während die aspektuell-klassifikatorischen Arbeiten zu solchen Phänomenen keine prinzipiellen Überlegungen zur Verbrepräsentation hervorgebracht haben. Als Folge dieses Mißstands sind Ereignisstrukturen als lexikalisch-semantische Repräsentationen vorgeschlagen worden, um aspektuell-aktionsartliche Eigenschaften und adverbiale Modifkationsprozesse besser erfassen zu können. Der von Pustejovsky (1988, 1991) entwickelte und u.a. von Grimshaw (1990) und Wunderlich (1992, 1996, 1997) aufgegriffene Ansatz ergänzt Dekompositionen um eine Ereignisstruktur, in der Ereignisse aufgefaßt werden als aus Teilereignissen verschiedener Sorten bestehend. Grimshaw (1990) erweitert diese Idee dahingehend, daß sie die den thematischen Argumenten entsprechenden Partizipanten einzelnen Teilereignissen zuordnet. 35
Vgl. auch Pustejovsky (1991:74ff) zu einigen auf Grimshaw (1990) aufbauenden Bemerkungen zum Linking.
48 Insgesamt bieten die Ereignisstrukturen dieser Ansätze zwar prinzipiell einen guten Ausgangspunkt für die Erklärung der anvisierten Phänomene, weisen aber doch verschiedene Schwächen auf: • Die Beziehung zwischen Ereignisstrukturen und den anderen Repräsentationsebenen bleibt weitgehend ungeklärt, ebenso wie ihre Einbindung in die logische Form von Sätzen. • In welchem Maße die Ereignisstruktur eine unabhängige Repräsentationsebene darstellt, konnte bisher nicht zufriedenstellend gezeigt werden. • Die angenommen Strukturen und Sorten von Ereignissen sind zu beschränkt, um die anstehenden Phänomene erklären zu können. • Eine ontologische Fundierung des Ereignisbegriffs fehlt, ebenso wie unabhängige Kriterien für die Ermittlung von Teilereignissen.
2.2
Ereignisstrukturen - die Daten
2.2.1 Zugriff auf Teilereignisse Einleitung. In diesem und den drei folgenden Kapiteln soll gezeigt werden, zur Erklärung welcher semantischen und syntaktischen Phänomene auf die einzelnen Komponenten der Ereignisstruktur zugegriffen werden muß. In diesem Kapitel wird es um Phänomene gehen, die auf die Strukturierung eines Ereignisses in Teilereignisse Bezug nehmen. In Kapitel 2.2.2 wird die Relevanz der Repräsentation von Zuständen und Nachzuständen aufgezeigt und in Kapitel 2.2.3 die der Unterscheidimg zwischen durativen und punktuellen Ereignissen. Kapitel 2.2.4 schließlich ist den Phänomenen gewidmet, die mit den temporalen Relationen zwischen Teilereignissen und den Relationen zwischen Teilereignissen und thematischen Argumenten zu tun haben. Adverbiale Modifikation von Teilereignissen: Eine der Grundannahmen der Ereignissemantik ist es, daß Adverbiale über Ereignisse prädizieren, und zwar als restriktive Modifikatoren. In einem Satz wie die Bombe explodiert um fünf Uhr prädiziert das Adverbial um fünf Uhr über das Ereignis, das von die Bombe explodierte beschrieben wird (vgl. Kap. 3.1.3). Ein gutes Argument für die Annahme von komplexen Ereignissen, die aus mehreren Teilereignissen bestehen, wäre die Beobachtung, daß Ereignismodifikatoren auch auf einzelne Teilereignisse Bezug nehmen können. Solche Fälle sind dann auch in Engelberg (1995b) beschrieben worden. Bereits Morgan (1969:61) und Fillmore (1972:5) hatten darauf hingewiesen, daß temporale /or-Adverbiale sich entweder auf ein andauerndes Ereignis beziehen wie in (16a) oder auf den Nachzustand eines Ereignisses wie in (16b). Einige Überlegungen zum adverbialen Bezug auf Teilereignisse finden sich auch in Parsons (1990:1 lOf), der zeigt, daß bei kausativen Verben verursachtes und verursachendes Ereignis modifiziert werden können. (16) a. he danced for three hours b. Peter put the beer in the icebox for three hours
(Beispiel aus Fillmore 1972:5)
49 Für ein Verb wie fahren mit zwei Teilereignissen (Lex. 2, Kap. 2 .1.1) heißt das, daß sich Ereignismodifikatoren auf das erste oder auf das zweite Teilereignis beziehen können sollten (Engelberg 1995b). Die Interpretation der beiden Adverbiale in (17a) und (18a) involviert auch tatsächlich eine solche Bezugnahme auf einzelne Teilereignisse. Diese äußert sich in bestimmten Implikationen, wobei der Konsequent in (17b, 18b) das erste Teilereignis von fahren paraphrasieren soll, der in (17c, 18c) das zweite Teilereignis. Wenn Otto also seinen Wagen mit großer Vorsicht fahrt, so sind es seine Handlungen hinsichtlich des Wagens, die mit großer Vorsicht ausgeführt werden. (17)
a. Otto fuhr den Wagen mit großer
Vorsicht
b. [Otto fuhr den Wagen mit großer
Vorsicht
—• Otto bediente / steuerte den Wagen mit großer c. -ι[Otto fuhr den Wagen mit großer
Vorsicht]
Vorsicht
—> der Wagen bewegte sich mit großer
Vorsicht]
In dem Satz (18a) gilt genau das Gegenteil; hier kann sich das Adverbial mit Höchstgeschwindigkeit nur auf die verursachte Bewegung des Wagens beziehen, nicht aber auf das Agieren von Otto bezüglich des Wagens. (18)
a. Otto fuhr den Wagen mit b. —¡[Otto fuhr den Wagen mit
Höchstgeschwindigkeit Höchstgeschwindigkeit
—* Otto bediente / steuerte den Wagen mit c. [Otto fuhr den Wagen mit großer
Höchstgeschwindigkeit]
Vorsicht
—> der Wagen bewegte sich mit
Höchstgeschwindigkeit]
Offenbar ist das Adverbial mit größter Vorsicht hier ein Modifikator von e 1 , während mit Höchstgeschwindigkeit e 2 modifiziert. Den gleichen Zugriff auf bestimmte Teilereignisse zeigen auch die adverbialen Partizipien in (19) und (20): lachend bezieht sich auf das erste Teilereignis, nämlich die von Ludmilla ausgeführte Handlung, krachend auf das zweite Teilereignis, das Sich-Schließen der Tür: 36 (19)
a. Ludmilla Schloß die Tür lachend b. [Ludmilla Schloß die Tür lachend —» Ludmilla tat etwas lachend, so daß die Tür sich Schloß] c. —.[Ludmilla Schloß die Tür lachend —> Ludmilla tat etwas, so daß die Tür sich lachend Schloß]
(20)
a. Ludmilla schloß die Tür krachend b. —.[Ludmilla Schloß die Tür krachend —> Ludmilla tat etwas krachend, so daß die Tür sich
schloß]
c. [Ludmilla schloß die Tür krachend —> Ludmilla tat etwas, so daß die Tür sich krachend
schloß]
Natürlich kann nicht jedes Adverbial auf jedes Teilereignis Bezug nehmen, was v.a. an den sortalen Beschränkungen liegt, die die Adverbiale den Ereignissen auferlegen, die sie
Genauer: Das Lachen findet zeitlich parallel zur Zeit von e 1 statt, das Krachen zeitlich parallel zur Zeit von e 2 .
50 modifizieren. Das Adverbial mit großer Vorsicht etwa fordert ein Ereignis mit einem Agens und kann deshalb in (17) nur das erste Teilereignis modifizieren. Daß im Übrigen bei diesen Modifikationsphänomenen die unterschiedliche Bezugnahme auf eines der beiden Teilereignisse tatsächlich zu deutlich distinkten Lesarten des verbalen Ausdrucks führt, zeigen auch Tests wie der folgende, die Zwicky / Saddock (1975:17fi) anfuhren, um Ambiguitäten von bloßen Vagheiten zu unterscheiden: (21) a. ^Rebecca fuhr den Wagen mit großem Vergnügen und Jamaal (tat es) mit Höchstgeschwindigkeit b. Rebecca fuhr den Wagen mit großem Vergnügen und Jamaal (tat es) mit großer Leidenschaft (22) a. "¿Rebecca Schloß die Tür lachend und Jamaal (tat es) krachend b. Rebecca Schloß die Tür lachend und Jamaal (tat es) feixend
Da das elidierte Verb im zweiten Teil der Sätze hinsichtlich seines Teilereignisbezugs nur genauso wie sein Antezedens verstanden werden kann, sind Adverbiale, die das andere Teilereignis modifizieren, wie in (21b) und (22b), deutlich weniger akzeptabel. Ich werde in dieser Arbeit noch an verschiedenen anderen Stellen auf die Modifikation von Teilereignissen eingehen, u.a. in den Kapiteln 3.1.2, 6.3.2 und 7.2.1. Skopusambiguitäten und Teilereignisse·. Verwandt mit den gerade vorgestellten Modifikationsphänomenen ist das Auftreten von Skopusambiguitäten bei verschiedenen Adverbien, das seit der generativen Semantik in verschiedenen semantischen und syntaktischen Ansätzen behandelt wurde. So zeigt nach Morgan (1969:63) der Satz (23a) eine dreifache Ambiguität, die sich für unsere Zwecke so wie in (23b) bis (23d) paraphrasieren läßt: 37 (23) a. John almost killed Henry b. 'John tat fast etwas, daß einen Prozeß ausgelöst hätte, der zum Tod von Henry geführt hätte (z.B. wollte auf Harry schießen, tat es dann aber nicht)' c. 'John tat etwas, daß fast einen Prozeß ausgelöst hätte, der zum Tod von Henry gefuhrt hätte (z.B. schoß auf Harry, traf ihn aber nicht)' d. 'John tat etwas, daß einen Prozeß auslöste, der fast zum Tod von Henry geführt hätte (z.B. schoß auf Harry, traf ihn, aber Harry überlebte)'
Bei anderen, intern weniger komplexen Verben wie schlafen, streicheln oder wehen lösen Adverbien wie fast / almost dagegen keine derartigen Ambiguitäten aus. Ich möchte hier keine ausführliche Erklärung dieser Phänomene versuchen, die Möglichkeit einer ereignisstrukturbasierten Analyse aber zumindest andeuten. Versuche, solche und ähnliche Skopusambiguitäten im Rahmen anderer Theorien mit Ereignisstrukturen zu behandeln, hat es bereits gegeben: Wunderlich (1992:16fï) analysiert Ambiguitä-
37
McCawley (1973:332) setzt in einer generativ-semantischen Analyse für die drei Lesarten des Satzes syntaktische Strukturen an, die unter Auslassung der syntaktischen Kategoriensymbole denen in (i) bis (iii) entsprechen, wobei das Adverb durch "Adverb Raising" von der tiefsten in die höchste Position bewegt wird: (i) ALMOST(DO(John,[CAUSE(John,[BECOME(NOT(ALIVE,Harry))])])) (ii) DO(John,[ALMOST(CAUSE(John,[BECOME(NOT(ALIVE,Harry))]))]) (iii) DO(John[CAUSE(John,[BECOME(ALMOST(NOT(ALIVE,Harry)))])])
51 ten, die von wieder ausgelöst werden, 38 auf der Ereignisstrukturebene seiner lexikalischen Dekompositionsgrammatik: (24) a. er genas wieder b. 'zum zweiten Mal: er genas' c. 'zum zweiten Mal. er war gesund'
Nach Wunderlich (1992:17) führt wieder, unabhängig von der Komplexität der Dekomposition, bei genau solchen Verben, die einen Prozeß mit Zustandswechsel beschreiben, zu Ambiguitäten wie in (24). Dabei bezieht sich wieder im ersten Fall auf das Gesamtereignis, im zweiten Fall auf den Nachzustand. Pustejovsky (1988:3 Iff, 1991:70) analysiert in seiner Ereignisstrukturtheorie zweifach ambige Beispiele wie (25a) so, daß in der Lesart (25b) das Adverb relativ zum Gesamtereignis interpretiert wird und in Lesart (25c) relativ zum ersten Teilereignis (dem Prozeß der Verlassene), das dem zweiten Teilereignis (dem Nachzustand des Wegseins) vorausgeht. (25) a. Lisa rudely departed b. 'it was rude of Lisa to depart' c. Lisa departed in a rude manner'
Im Rahmen der hier vertretenen Theorie könnte das einleitende Beispiel (23a) unter der Annahme der folgenden Ereignisstruktur für töten so analysiert werden, daß die Ambiguität dadurch zustandekommt, daß fast jeweils auf eines der drei Teilereignisse - die verursachende Agenshandlung, den Prozeß des Sterbens oder den Zustand des Totseins Bezug nimmt. töten: E-STR:
x nom , y"kk ( - > 1 eM+DUR]; X AGENS ; yPATIENS) < (_>J e 2 : yPATIENS) < ( _ > , 1 yPATIENS)
Lex. 9: Ereignisstruktur von töten.
Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß diese wie auch die anderen ereignisstrukturbasierten Analysen noch einige Schwierigkeiten in sich bergen: Zum einen ist umstritten, ob und in welchem Maße in Beispielen wie (23a) wirklich Ambiguitäten und nicht etwa Vagheit vorliegt. Dowty (1979:342) etwa geht hier von einer höchstens zweifachen Ambiguität aus. Zum anderen fallt auf, daß bei einigen Verben, die einen Prozeß mit anschließendem Nachzustand bezeichnen, wie genesen, das Adverb fast die zu erwartende Ambiguität nicht auslöst: (26) a. er genas fast (aus Wunderlich 1992:17) b. ??,beinahe hätte ein Genesungsprozeß eingesetzt' c. 'er wäre beinahe gesund geworden'
Andere Verben dieses Ereignisstrukturtyps tun dies aber durchaus, z.B. sterben.
38
Durch again ausgelöste Ambiguitäten wurden meines Wissens zuerst von Morgan (1969:610 behandelt, und zwar in einem dekompositionellen Rahmen.
52 (27) a. er wäre fast gestorben bei den letzten Auseinandersetzungen ... b. ... aber die Kugel verfehlte ihn knapp (Bezug von fast auf e') c. ... aber er überlebte die schwere Verletzung (Bezug von fast auf z)
Hyponymie und andere interlexematische Relationen: Interlexematische Relationen wie Hyponymie, Hyperonymie, Antonymie, etc. werden v.a. in Arbeiten zur Nominalsemantik behandelt. Theorien zur Verbsemantik beschäftigen sich wenig mit solchen Relationen was - wie in Kapitel 1.2.4 besprochen wurde - auch daran liegen dürfte, daß die im Bereich der Verbsemantik vorherrschenden lexikalischen Dekompositionen interlexematische Relationen nicht ausdrücken können. Ich möchte hier zumindest kurz anreißen, inwiefern eine Ereignistrukturtheorie diese Phänomene nicht nur behandeln, sondern auch zu einer präziseren Erklärung solcher Phänomene führen kann. Eine Hyponymierelation zwischen zwei Prädikaten Ρ und Q besteht dann, wenn die von Ρ ausgehende offene Proposition die von Q ausgehende offene Proposition impliziert. Dies stellt den typischen Fall einer in Bedeutungspostulaten festgehaltenen Implikation dar, wobei die beiden durch die Implikation verbundenen Propositionen beide assertiv sind, jede genau ein Prädikat enthält und die beiden Prädikate Lexeme der gleichen Wortart repräsentieren, 39 wie im folgenden Fall mit den beiden Verbpaaren jog und run in ihren Varianten mit Direktionalangaben, 40 sowie blacken und dye: (28) a. nVxVPVe[JOG(x,P(x),e)->RUN(x,P(x),e)] b. • VxVyVe[BLACKEN(x,y,e) -> DYE(x,y,e)]
Jedes Joggen ist gemäß (28a) ein Laufen, aber nicht jedes Laufen ist ein Joggen. Ein Optimist, der versucht, laufend eine noch wartende Straßenbahn zu erreichen, joggt nicht, ebensowenig wie ein Kamel, das in flottem Trab durch eine Sandwüste läuft. Nach (28b) ist jedes Schwärzen von etwas auch ein Färben, aber nicht jedes Färben ein Schwärzen. Eine interessante lexemabhängige Verfeinerung hyponymer Relationen ergibt sich nun, wenn Teilereignisse ins Blickfeld geraten. Für jog und run, jeweils in ihrer Variante mit Direktionalangabe (Dir), können wir folgende Ereignisstruktur annehmen, wobei die Lücke in der Ereignisstruktur hier nicht weiter stören soll; sie wird in einem späteren Kapitel über Bewegungsverben noch gefüllt (Kap. 6.3.2). run / jog\ E-STR:
x nom , Dir ( - » j e i l + D U R ] ; xAGENS)
...
1 eH+DUR]; X AGENS ; yPATIENS) < / < >
e 2[+DUR] ;
yPATIENS) < ( _ > , z : yPATIENS)
Lex. 11 : Ereignisstruktur von dye und blacken.
Die Hyponymierelationen zwischen den Verben der beiden Paare unterscheiden sich aber in einer wichtigen Hinsicht. Bei dem ersten Paar ist, wie z.B. in (29), die Agenshandlung e 1 von jog ein Spezialfall der Agenshandlung von run. Es ist auch ein Laufen, aber noch dazu eines mit einer sportlichen Dimension. Für die Nachzustände der beiden Verben, das Irgendwo-Hingelangtsein also, gilt eine solche Relation nicht. (29) a. Ramona jogged to the lake b. Ramona ran to the lake (30) a. Roman blackened his shoes b. Roman dyed his shoes
Bei dem Paar dye vs. blacken, wie z.B. in (30), liegt der Fall genau umgekehrt. Hier ist der Nachzustand von blacken, das Schwarz-Sein, ein Spezialfall des Nachzustands von dye, des Eine-andere-Farbe-Habens, während im Gegensatz zu den beiden Bewegungsverben aber die Agenshandlungen in keinem ähnlichen Verhältnis zueinander stehen. Insofern als es möglich ist zu sagen he blackened his face, nicht aber *he dyed his face, scheint die Agenshandlung von dye, die in einem Durchführen bestimmter chemischer Prozesse mit Farbstoffen besteht, sogar spezifischer zu sein als die von blacken, die sich schon in dem Einschmieren des Gesichts mit nasser Erde konstituieren kann. Das heißt aber auch, daß die in (28b) postulierte einfache Hyponymierelation zwischen dye und blacken gar nicht besteht. Hyponymie läßt sich hier nur unter Rekurs auf die Teilereignisse feststellen. Dieser Rekurs besteht darin, daß Hyponymie bei Verben hinsichtlich eines Teilereignisses formuliert wird: • Das Verb run (in seiner direktionalen Variante) ist Hyponym von jog hinsichtlich der Agenshandlung, weil alle Eigenschaften der Agenshandlung e1, die aus run gefolgert werden können, auch hinsichtlich der Agenshandlung e1' von jog gefolgert werden können. So folgt bezüglich der Agenshandlung von run, daß der Agens seine Beine bewegt. Das gilt auch für die Agenshandlung von jog, für die außerdem gilt, daß sie eine sportliche Betätigung ist und relativ langsam durchgeführt wird. • Das Verb dye ist ein Hyponym von blacken hinsichtlich des Nachzustands, weil alle Eigenschaften des Nachzustands ζ von dye, die aus der Bedeutung von dye gefolgert werden können, auch hinsichtlich des Nachzustands z' von blocken gefolgert werden können. So folgt bezüglich des Nachzustands von dye, daß der gefärbte Gegenstand eine andere Farbe hat als vorher. Genau das folgt auch hinsichtlich des Nachzustands von blacken, fur den außerdem gilt, daß die neue Farbe des Gegenstands Schwarz ist.
54 Auch andere interlexematische Relationen wie Antonymie, Kohyponymie oder Komplementarität können auf Teilereignisse bezogen werden. So besteht bei dem Paar rennen vs. schleichen der Gegensatz hinsichtlich der Agenshandlung, bei dem Paar vergrößern vs. verkleinern hinsichtlich des Nachzustands. Zusammenfassung: Die Annahme, daß Verben auf strukturierte, sich aus Teilereignissen zusammensetzende Ereignisse referieren, ermöglicht feinere Analysen im Bereich von adverbialer Modiiikation und interlexematischen Relationen. • Adverbiale können, abhängig von ihren Selektionsrestriktionen, als Modifikatoren einzelner Teilereignisse aufgefaßt werden. • Durch Adverbiale ausgelöste Ambiguitäten in Sätzen mit bestimmten Verben lassen sich dadurch erklären, daß diese Verben Ereignisse mit komplexer Struktur bezeichnen. • Bestimmte verbabhängige Unterschiede im Bereich von interlexematischen Relationen können durch die Annahme erfaßt werden, daß solche Relationen zwischen Verben relativ zu bestimmten Teilereignissen bestehen.
2.2.2 Nachzustände Nachzustände in lexikalisch-semantisehen Theorien·. Viele Verben bezeichnen Ereignisse, die mit einem bestimmten Zustand enden. Die Ereignisstruktur solcher Verben enthält eine Nachzustandsimplikation "... < (->¡ ζ: χ)"; abtrocknen (Lex. 1), niederbrennen (Lex. 3) und schmelzen (Lex. 7) sind Beispiele dafür, die in Kap. 2.1.1 schon besprochen wurden. Ein solcher in der Verbbedeutung angelegter Nachzustand hat Konsequenzen für eine Reihe von grammatischen und semantischen Prozessen, die in diesem Kapitel diskutiert werden. Daß die lexikalisch-semantische Repräsentation von Verben ausdrücken muß, ob das vom Veib bezeichnete Ereignis dazu führt, daß sich einer der Partizipanten am Ende des Ereignisses in einem bestimmten Zustand befindet, ist eine weit verbreitete Annahme, die schon in der älteren Aktionsartforschung immer wieder formuliert wurde und zur Unterscheidung telischer von nicht-telischen Verben herangezogen worden ist (z.B. Blatz 7596/1970:561, Romberg 1899:7, Sütterlin 1900:217).41 Bei Streitberg (1891) wird zwar der Begriff des Nachzustands nicht verwendet, ähnlich wie ereignisstrukturelle Theorien hebt er aber hervor, daß die Bedeutung bestimmter Verben sich aus einem durativen Teil und einem abschließenden "perfectiven element" zusammensetzt. So schreibt er hinsichtlich "durativ-perfectiver" Verben: 42
41
42
Romberg (1899:7): "Dès qu'une action change ou modifie son objet à quelque égard que ce soit, nous appelons état la nouvelle situation où elle le place. Ainsi, dans l'expression 'on le porta chez lui1 l'action du verbe aboutit, pour l'objet, à l'état d'être chez lui., etc." Rombergs (1899) so gut wie nicht rezipiertes Buch ist meines Erachtens die mit Abstand interessanteste ältere Arbeit zu Phänomenen im Umkreis aspektueller Klassifikationen. Sie enthält eine Reihe von Beobachtungen, die z.T. auch über die Phänomene hinausgehen, die später im Zusammenhang mit Vendlerklassen und Mechanismen der Aspektkomposition diskutiert wurden. Streitberg (1891) unterscheidet allerdings noch nicht zwischen lexikalisch-aktionsartlichen und grammatisch-aspektuellen Kategorien.
55
[...] sie heben den moment der Vollendung hervor, setzen ihn aber in ausdrücklichen gegensatz zu der voraufgehenden d a u e r der handlung. Die bedeutung des verbums ist also kombiniert aus einem durativen und einem perfectiven element. (Streitberg 1891:72) Auch in neueren Ansätzen wird die grammatische Relevanz lexikalisch spezifizierter Nachzustände betont. In dekompositionellen Ansätzen wird dies dadurch ausgedrückt, daß die Dekomposition ein BECOME-Prädikat enthält (31a), in ereignisstrukturellen Repräsentationen wird eine Zustandsvariable (temporal) mit einer Prozeßvariablen verknüpft (31b): (31) a. to dry (intransitiv): b. to dry (intransitiv):
BECOME(DRY(x)) (e) ES: [ [ P ] [ S ] ]T LCS': [ [ -diy(x) ] [dry(x)] ]
(nach Wunderlich 1996:177f) (nach Pustejovsky 1991:58)
Im Folgenden sollen eine Reihe von Phänomenen betrachtet werden, zu deren Erklärung auf Nachzustände in Verbrepräsentationen Bezug genommen werden muß. Perfektauxiliar. Die Perfektformen im Deutschen werden bei einigen intransitiven Verben mit dem Auxiliar sein, bei anderen mit haben konstruiert. (32) a. sie ist gefallen / gestorben / zerbrochen / verblüht b. sie hat getanzt / gearbeitet / gegessen / geblüht Bei Bewegungsverben wird sein verwendet, wenn der durch die Bewegung erreichte Ort angegeben wird (33a), sonst tritt haben auf (33b), wobei bei vielen Bewegungsverben ohne Zielortangabe sein ebenfalls möglich ist (33 c). 43 (33) a. wir sind ans Ufer getanzt / geschwommen / gejoggt / geritten b. wir haben den ganzen Tag getanzt c. wir haben / sind den ganzen Tag geschwommen / gejoggt I geritten Die Beispiele in (32) und (33) zeigen, daß - von wenigen Ausnahmen bei Bewegungsverben abgesehen - die Wahl von sein als Perfektauxiliar an das Vorliegen eines veiblexikalisch implizierten oder durch eine Direktionalphrase eingeführten Nachzustands gebunden ist. Diese Lizenzierungsbedingung wird in ähnlicher Form schon in älteren Arbeiten zur deutschen Grammatik angeführt: Di mittlem Zeitwörter, welche eine wirkliche bewegung der sache, wofon di rede ist, fon einem orte in den andern, oder einen wirklichen Übergang der selben aus einem zustande in den andern anzeigen, werden mit sein, di übrigen mit haben abgewandelt [...] Manche mittlere Zeitwörter zeigen bisweilen eine solche bewegung oder solchen Übergang an, bisweilen nicht; und im ersten falle haben sie richtig sein, im zweiten haben,44 (Hemmer 1780:57) Blatz (1896/1970) und Sütterlin (1900) haben sich später dann an ähnlichen Formulierungen versucht. So werde sein gebraucht, "wenn ein w e c h s e l n d e s Verhalten hinsichtlich des O r t e s oder eines Z u s t a n d e s ausgedrückt werden soll" (Blatz 43
44
Einige Deadjektiva zeigen nach Paul (1902:179) ebenfalls schwankenden Gebrauch {altem, trocknen). Bei gehen und einigen verwandten Verben kann nur sein gebraucht werden, wobei gehen ohne Direktionalergänzung in nicht-kontrastiver Verwendung als 'losgehen' verstanden wird. Zitiert nach Jellinek (1914:304f), der eine ausführliche Darstellung der älteren Forschungsgeschichte zum deutschen Perfektauxiliar enthält.
56 7896/1970:561), bzw. mit "Wörtern, die eine Bewegung von einem oder nach einem Orte bezeichnen, sowie denen, die den Übergang von einem Zustand in einen anderen bezeichnen" (Sütterlin 1900:217). Behagel (1900:68) stellt zum erstenmal einen Bezug zu gebräuchlichen Aktionsartunterscheidungen her. Telische ("perfektive") Verben bilden ihr Perfekt mit sein, atelische ("imperfektive") mit haben. Diese Auffassung wurde von Paul (1902) in einer umfänglichen, materialreichen Untersuchung bestätigt. In neuerer Zeit ist das Auxiliarproblem im Zusammenhang mit der Unterscheidung von intransitiven Verben in Unergativa und Unakkusativa wieder diskutiert worden: Die Beobachtung, daß sich Intransitiva hinsichtlich ihres Verhaltens bezüglich bestimmter grammatischer Prozesse in zwei Klassen einteilen lassen, geht auf Perlmutters (1978:160) "Unaccusative Hypothesis" zurück. Für das Deutsche werden gewöhnlich die folgenden vier für die Unterscheidimg charakteristischen Phänomene angeführt: Unergativa bilden ihr Perfekt mit haben, Unakkusativa mit sein (34a); Unergativa erlauben im Gegensatz zu Unakkusativa kein attributives Partizip II (34b); Unergativa gestatten im Gegensatz zu Unakkusativa gewöhnlich eine er-Nominalisierung (34c); Unergativa haben im Gegensatz zu Unakkusativa ein unpersönliches Passiv (34d):45 (34) a. b. c. d.
der Mann hat getanzt *der getanzte Mann Tänzer es wird getanzt
vs. vs. vs. vs.
das Schiff ist gesunken das gesunkene Schiff *Sinker *es wird gesunken
Verschiedene Versuche, die Unakkusativ-Unergativ-Unterscheidung syntaktisch zu begründen, indem man das einzige Argument der Unakkusativa als zugrundeliegendes Objekt auffaßt, haben sich als äußerst problematisch erwiesen. Lexikalische Analysen zeigen, daß die vier zugrundeliegenden Kriterien keine scharfe Zweiteilung der Intransitiva zulassen, da den vier Phänomenen z.T. unterschiedliche semantische Lizenzierungsbedingungen zugrunde liegen (Kaufmann 1995a: 163ff, 1995b:396ff). Hinsichtlich der Bedingungen für die Auxiliarwahl beim Perfekt haben auch verschiedene neuere Analysen das Vorliegen eines Nachzustands als entscheidendes Kriterium für die Wahl von sein ermittelt (Abraham 1990:lf, 1993:163f, Zaenen 1993:142, Kaufmann 1995a:167, 1995b:407). Kaufmann (1995b:407f) zeigt auch, daß nicht einfach 'Telizität' oder 'Veränderung' die auxiliarrelevanten semantischen Bedingungen sind. Das atelische bleiben bildet das Perfekt mit sein, weil in der Verbbedeutung der Nachzustand spezifiziert ist, und zwar als identisch mit dem Vorzustand. Die Verben anfangen und aufltören wiederum nehmen haben als Perfektauxiliar, obwohl sie eine Veränderung ausdrücken; sie involvieren aber keinen verbspezifischen Nachzustand. Auch Verben, die keinen absoluten Nachzustand spezifizieren, sondern einen Nachzustand relativ zum Vorzustand, nehmen sein als Perfektauxiliar, wie z.B. steigen in die Temperatur steigt, das nicht ausdrückt, daß die Temperatur hinterher hoch war, sondern lediglich, daß sie höher war als vorher (s. dazu auch Kap. 6.3.4).
45
Die Lizenzierungsbedingungen für die attributive Verwendung des Partizips Π werden im nächsten Abschnitt besprochen, die fur das unpersönliche Passiv in Kapitel 4.2.3. Auf die er-Nominalisierungen gehe ich nicht ein; sie werden etwa bei Kaufmann (1995b:397ff) behandelt.
57
Attributives Partizip 11. Eng mit den Überlegungen zur Wahl des Perfektauxiliars bei intransitiven Verben hängt die Frage zusammen, welche Intransitiva den attributiven Gebrauch des Partizips II erlauben. (35) a. die geschmolzene Butter, der eingetroffene Zug, der verstorbene Künstler b. * der getanzte Mann, * die gelaufene Frau, *der geblutete Hund
Auch hier ist das Vorliegen eines Nachzustands die entscheidende Bedingung für die Akzeptabilität der Konstruktion. Das ist bereits von Blatz ( 759(5/1970:609) erkannt worden, der schreibt, daß das Partizip II nur dann attributiv gebraucht werden kann, "wenn ein durch die Handlung herbeigeführter Z u s t a n d bezeichnet wird"; ähnlich auch Wilmanns (1906:106) und Curme (7904/1915): A perfect participle cannot be formed from all intransitive verbs that are conjugated with sein, but only from those in which a condition resulting from the action of the verb is expressed. Thus we can say ein entlaufener Sklave an escaped slave, because the slave has changed his condition by escaping from bondage, but we cannot say ein gelaufener Sklave [...] because there is no change of state resulting from the action. (Curme 7904/1915:270f)
Daß die Zulässigkeit eines attributiv verwendeten Partzips II bei Intransitiva an die gleichen semantischen Restriktionen geknüpft ist, wie die Wahl von sein als Perfektauxiliar, ist verschiedentlich beobachtet worden (z.B. Becker 1870:244, Wustmann 1891:189, Paul 1902.165).46 Neuere lexikalisch-semantische Arbeiten wie etwa Kaufmann (1995a: 166f) oder Zaenen (1993:141f) bestätigen diese Auffassung. Interpretation des attributiven Partizips II: Bei Verben, die einen Nachzustand implizieren, wird das Partizip II in attributiver Position so interpretiert, daß der bezeichnete Nachzustand zu der Zeit vorliegt, die das übergeordnete Verb ausdrückt; das eigentliche Ereignis liegt damit vor dieser Zeit (36). Bei Verben ohne Nachzustand wie in (37) wird das durch das Partizip ausgedrückte Ereignis als gleichzeitig zur Haupthandlung verstanden: (36) a. er besuchte die zerstörte Stadt (Zerstörung < Besuch < Gegenwart) b. er hält sich in der zerstörten Stadt auf (Zerstörung < Aufenthalt o Gegenwart) (37) a. er besuchte die bedrohte Stadt (Bedrohung o Besuch < Gegenwart) b. er hält sich in der bedrohten Stadt auf (Bedrohung o Besuch o Gegenwart)
Ein solcher Zusammenhang zwischen Verbsemantik und temporaler Interpretation des Partizips hat bereits Meigret (1550) in seiner französischen Grammatik beobachtet. Demnach wird das Passivpartizip bei nicht telischen Verben ("acçion a continuité") präsentisch-gleichzeitig interpretiert (38a), das von telischen Verben ("sinificaçion est teile q'elle denote perfección e fin d'acçion") dagegen als Zustandsausdruck in Bezug auf eine vergangene Handlung (38b): 47 (38) a. l'hom' eymé du monde 'der von der Welt geliebte Mann'
46
47
Es ist aber auch bemerkt worden, daß einige wenige Bewegungsverben, die sein als Perfektauxiliar nehmen {gehen, laufen), kein attributives Partizip Π zulassen (Blatz 1896l\970:609, Curme 7904/1915:270f) Zitiert nach Engwer( 1931:57).
58
b. un home blessé 'ein verwundeter Mann' Daß ähnliche Zusammenhänge auch in den germanischen Sprachen bestehen, ist meines Wissens zuerst Wustmann (1891) in seiner "Kleinen deutschen Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen" aufgefallen. So würden Partizipien II zwar im Allgemeinen eine relative Vergangenheit ausdrücken, bei manchen Verben allerdings wäre eine Gegenwartsinterpretation obligatorisch. So wird uns mit Wustmann (1891:189) "ganz gruselig" beim Lesen der Zeitungsannonce in (39a); hier sei natürlich (39b) adäquater. (39) a. die von dem verstorbenen Rentier Sch. bewohnte Wohnung ist zu Ostern anderweit zu vermieten b. die von dem verstorbenen Rentier Sch. bewohnt gewesene Wohnung ist zu Ostern anderweit zu vermieten Generalisiert wurde diese Beobachtung, die dann auch zum Standardrepertoire der in der Aktionsartforschung diskutierten Phänomene gehörte, von Beckman (1899). 48 Demnach hat nur das Passivpartizip der transitiven Durativa (ohne Nachzustand) Präsensbedeutung (das von vier Säulen getragene Dach), das der anderen (telischen) Verben dagegen nicht (die gesäuberte Stube, die gefundene Lösung). Zustandspassiv. Neben dem Vorgangspassiv (werden-Passiv) kennt das Deutsche mit dem Zustandspassiv (.ve/«-Passiv) eine zweite Passivform.49 Es erlauben allerdings nicht alle transitiven Verben ein Zustandspassiv, und auch die Klasse der Verben mit Vorgangspassiv ist nicht identisch mit der Klasse der Verben, die ein Zustandspassiv bilden können. 50 Im Zustandspassiv sind meines Erachtens vor allem solche Verben akzeptabel, die
48 49 50
Zitiert nach Andersson (1972:100). Dieser Abschnitt basiert auf Engelberg ( 1994a:38fi). Im Französischen und Englischen werden sowohl Vorgangs- als auch Zustandspassiv mit den entsprechenden Formen von 'sein' gebildet. Als Zustandspassiv werden die Formen dort interpretiert, wo sie von intransitiven Verben gebildet werden, die ja kein Vorgangspassiv erlauben, oder von transitiven (durativen oder punktuellen) Nachzustandsverben, bei denen der Agens nicht als PP realisiert wird. Ein Zusammenhang zwischen zustandspassivischen Interpretationen und Nachzustandsverben ist schon früh erkannt worden. Lowth (1762:63) etwa bemerkt, daß nur bestimmte intransitive Verben im Englischen ein Zustandspassiv ("a state or condition of Being") erlauben und sondert dabei Verben aus, die Orts- und Zustandsveränderungen ausdrücken. Ein Passiv mit to be (I am come, I was gone, I am grown, I was fallen) findet sich demnach "chiefly in such Verbs as signify some sort of motion, or change of place or condition". Hinsichtlich der Passivinterpretation im Französischen stellt Diez (1844:185f) in seiner romanischen Grammatik fest, daß das Passivpartizip mit 'sein' in den romanischen Sprachen Vergangenheit ausdrückt bei "Transitiva, deren Thätigkeit entweder auf einen Moment eingeschränkt ist wie in Ergreifen, Überraschen, Wecken, Überwinden, Verlassen, Endigen, Tödten, oder doch ein Endziel voraussetzt wie in Machen, Herstellen, Schmücken, Bauen, Schlagen, Beladen", z.B. l'ennemi est battu 'der Feind ist geschlagen'; Gegenwart bedeutet es dagegen bei Verben, die eine Tätigkeit bezeichnen, "welche nicht begonnen wird um vollendet zu werden, wie in Lieben, Hassen, Loben, Tadeln, Bewundem, Verlangen, Sehen, Hören", z.B. il est aimé de tout le monde 'er wird von aller Welt geliebt'.
59 eine Zustandsveränderung ausdrücken (40).51 Ausgeschlossen sind dagegen Verben, die durative oder punktuelle Ereignisse ohne Zustandsveränderung ausdrücken (41) oder Ereignisse, die keinen Nachzustand, sondern einen nachfolgenden Prozeß implizieren (42): (40) a. das Hemd ist gebügelt b. die Brücke ist gesprengt c. das Haus ist solide gebaut52 (41) a. b. c. d. e.
?
Vie Katze ist gestreichelt *der Mann ist getroffen (im Sinne von begegnen) der Professor ist geduzt ^der Fisch ist gequält ''-der Schlüssel ist gesucht
(42) a. *der Ball ist geworfen b. der Mann ist geschubst
Nach Beckman (1899) allerdings erlauben nicht nur telische Verben ein Zustandspassiv. Bei atelischen Verben wird das Zustandspassiv ähnlich wie die entsprechenden attributiven Partizipien (s.o.) temporal anders interpretiert, was sich in den folgende Äquivalenzen für Zustandspassiva von atelischen (43a) vs. telischen Verben (43b) niederschlägt.53 (43) a. [ich bin geliebt b. [ich bin zerstört
O ¡ ζ: χΡATIENS) b. E-STR: ... o (—»j ζ: χΡATIENS)
z.B. trocknen, reparieren, sprengen bewachen, bewohnen, vernachlässigen
Z.B.
In der Literatur werden die beiden Fälle in (45) gewöhnlich so dargestellt, daß entweder der (45a) entsprechende Typ als resultativ in Opposition zum Vorgangspassiv beschrieben wird und der (45b) entsprechende Typ als nicht-resultativ (z.B. Brandt 1982:28£f, Brinker 1990:122ff), oder der erste Typ wird als elliptisches Vorgangspassiv wie in (46) und damit als verbale Form aufgefaßt und der zweite Typ als adjektivische Form (z.B. Lenz 1993a:52).56 (46) a. der Wagen ist repariert = b. der Wagen ist repariert worden
Die beiden Beispiele in (46) unterscheiden sich allerdings hinsichtlich der Modifizierbarkeit durch verschiedene Typen von Adverbialen: (47) a. der Wagen ist (*in drei Stunden / *unter großer Anstrengung) repariert b. der Wagen ist (in drei Stunden / unter großer Anstrengung) repariert worden
Diese Unterschiede scheinen mir gegen die von Lenz (1993a) favorisierte Ellipsenlösung zu sprechen. Wenn man annimmt, daß Ellipsen durch syntaktische Bedingungen lizenziert sind und keine semantischen Veränderungen herbeiführen, sollte man solche semantisch motivierten Unterschiede in der Modifizierbarkeit des Prädikats nicht erwarten. Auch die Tatsache, daß manche Verben ein Vorgangspassiv, aber kein Zustandspassiv erlauben, spricht nicht gerade für eine Ellipsenlösung: (48) a. der Lehrer ist geduzt worden b. *der Lehrer ist geduzt
Unter der Repräsentation in (45) muß dagegen nicht auf das Vorgangspassiv rekurriert werden. Ebenso ist es nicht nötig, einen resultativen und einen nicht-resultativen Typ des Zustandspassivs zu unterscheiden. Im Zustandspassiv wird einfach das Vorliegen eines in der Verbbedeutung angelegten Zustande ausgedrückt. Dabei sind die unterschiedlichen Interpretationen der temporalen Relation dieses Zustands zum Ereignis ebenfalls lexikalisch gesteuert. Einbettung unter aspektuelle Verben: Die Einbettung von Verben unter aspektuelle Phasenverben wie finish und stop zeigt bestimmte Zusammenhänge mit Nachzustands55
56
Eine vergleichbare Auffassung vertritt Abraham (1990:6), der das Vorkommen einer "state phase" in den von ihm vorgeschlagenen Ereignisstrukturen als Bedingung fur das Auftreten des Zustandspassivs nennt. Vgl. die Diskussion und weitere Literaturangaben in Lenz (1993a:49fï). Für den adjektivischen Charakter der Zustandspassiva vom Typ (45b) spricht nach Lenz (1993a:51f) ihre Präfigierbarkeit mit un- (unbewohnt, unbewacht). Wie vernachlässigen zeigt, ist diese Präfigierung allerdings nicht bei allen Formen dieses Typs möglich ( ?? unvemachlässigt).
61 Implikationen auf. So unterscheiden sich die beiden Verben dahingehend, daß nur stop, nicht aber finish, auch Verben im Komplementsatz erlaubt, die keinen Nachzustand involvieren (Vendler 1957:145, Kenny 1963:177, Dowty 1979:57): (49) a. b. c. d.
John stopped painting the house John stopped walking John finished painting the house *John finished walking
Einen vergleichbaren Zusammenhang mit Nachzuständen eingebetteter Verben zeigen die Verben schaffen und gelingen. Unter Negation verhalten sich schaffen und gelingen unterschiedlich, wenn sie ein Verb mit impliziertem Nachzustand einbetten. Bei schaffen entsteht eine Ambiguität dahingehend, ob der vorangehende Prozeß negiert wird oder der Nachzustand, während bei gelingen immer der Nachzustand negiert wird (Engelberg 1994a:44): (50) a. ich habe es nicht geschafft, den Wagen zu reparieren 'ich habe an dem Wagen repariert, ihn aber nicht wieder fertigbekommen' 'ich habe nicht angefangen, den Wagen zu reparieren' b. es ist mir nicht gelungen, den Wagen zu reparieren 'ich habe an dem Wagen repariert, ihn aber nicht wieder fertigbekommen' *'ich habe nicht angefangen, den Wagen zu reparieren'
Imperfektiv-Paradox'. Wenn das Verb einen Nachzustand involviert (z.B. dry in 51a), kann von einem Satz A, der dieses Verb im Progressiv enthält, nicht auf einen Satz Β geschlossen werden, der genauso ist wie A, nur daß das Verb im Perfekt (oder in der einfachen Vergangenheitsform) steht, denn nur aus dem perfektischen Satz folgt das Erreichen des Nachzustands (in diesem Fall the hair was dry), während der progressive Satz offen läßt, ob der in der Verbbedeutung angelegte Nachzustand auch tatsächlich erreicht wird. Eine Schlußfolgerung vom progressiven auf den perfektischen Satz ist dagegen möglich, wenn kein solcher Nachzustand impliziert ist (z.B. drive in 51b): (51) a. -ι [she was drying her hair —> she has dried her hair] b. [she was driving her new car —> she has driven her new car]
Diese Zusammenhänge werden zum erstenmal bei Ryle (1949:149f) formuliert, nach dem Nachzustandsverben (bei ihm "achievement verbs") im Progressiv keine Schlußfolgerung auf das Erreichen des Nachzustands zulassen: [ . . .] we very often borrow achievement verbs to signify the performance of the corresponding task activities, where the hopes of success are good. A runner may be described as winning his race from the start, despite the fact that he may not win it in the end; and a doctor may boast that he is curing his patient's pneumonia, when his treatment does not in fact result in the anticipated recovery.
Garey (1957:105) formuliert das Imperfektiv-Paradox als Testverfahren für Telizität, wobei telische, also im Wesentlichen Nachzustandsverben, die beschriebene Implikation im Gegensatz zu atelischen Verben nicht zulassen:
62 [...] if one was verting, but was interrupted while verging, has one verbed? (Si on veriait, mais a été interrompu tout en verbaut, est-ce qu'on a verbél) Substitute the test verb where the formula has verè: Si on se noyait..., Si on jouait au bridge ..., and so on. 57
Das als Imperfektiv-Paradox bezeichnete Phänomen des Fehlens der in (51a) dargestellten Implikation betrifft Verben mit einer Ereignisstruktur wie in (52a), also durative Verben mit Nachzustand, während die Implikation möglich ist bei durativen Verben wie (52b):58 (52) a. E-STR: ... (->¡ en[+DUR])... , z ) b. E-STR: ... (—»i e"[+DUR]) ...
z.B. trocknen(x), trocknen(x,y), essen(x,y) z.B. joggen(x), quälen(x,y),fahren(x,y)
Das Imperfektiv-Paradox geht zurück auf die sogenannte Subintervall-Eigenschaft von Prädikaten, die kurz gesagt darin besteht, daß ich mit einem Ausdruck, der ein Verb des Typs (52b) enthält (z.B. sie hat ihren Hund gequält), nicht aber mit einem Ausdruck der auf ein Verb vom Typ (52a) zurückgeht (z.B. sie hat ihren Hund erwürgt), sowohl auf ein bestimmtes Ereignis als auch auf einen echten Teil dieses Ereignisses referieren kann. Dies ist in verschiedenen Formulierungen und Präzisierungen seit der indogermanischen Aktionsartforschung festgehalten worden. So ist nach Wustmann (1894:4f), [...] jedes transitive Verbum perfektiv zu nennen, bei dem ein Aufhören, ein Unterbrechen der Thätigkeit zugleich den ganzen Begriff der Handlung negirt. Ich baue ein Haus kann ich nur im Hinblick auf den Abschluß meiner Thätigkeit, auf die Vollendung des Hauses sagen; wenn ich eher aufhörte, hätte ich eben kein Haus gebaut, sondern nur an einem Hause gebaut.
Die Subintervall-Eigenschaft ist später in verschiedenen semantischen Arbeiten formalisiert worden und liegt etwa Krifkas (1989b:228) Unterscheidimg von gequantelten und divisiven Prädikaten zugrunde. Zusammenfassung·. Die Bedeutung mancher Verben beinhaltet das Erreichen eines bestimmten Zustande eines der Ereignispartizipanten. In diesem Kapitel wurde gezeigt, daß das Vorliegen eines solchen Nachzustands für die Lizenzierung und Interpretation einer Reihe von Konstruktionen relevant ist: • Intransitive Verben, in deren Bedeutung ein Nachzustand angelegt ist, nehmen sein als Perfektauxiliar. • Das Partizip II kann bei solchen intransitiven Verben attributiv verwendet werden, die einen Nachzustand implizieren. • Bei (transitiven) Verben, die einen Nachzustand implizieren, wird das attributive Partizip II relativ zum durch das finite Verb ausgedrückten Ereignis temporal anders interpretiert. • Verben, die einen Parallel- oder Nachzustand in der Verbbedeutimg angelegt haben, können im Zustandspassiv auftreten, wobei Verben mit Nachzustand temporal anders als solche mit Parallelzustand interpretiert werden. 57
58
Ähnlich auch Kenny (1963:172f), der die folgenden Implikationsunterschiede zwischen den beiden Verbklassen festhält: (i) John is deciding whether to join the army —» John has not yet decided to join the army (ii) I am living in Rome -» I have lived in Rome Genauer betrifft das Imperfektiv-Paradox bei zweistelligen Verben nur bestimmte Varianten, nämlich diejenigen, die ein Akkusativobjekt realisieren, wie sie bastelt einen Papierdrachen, im Gegensatz etwa zu sie bastelt oder sie bastelt an einem Papierdrachen. Ich gehe im nächsten Kapitel auf solche Phänomene ein.
63 • Die Einbettbarkeit eines Verbs unter aspektuelle Verben und seine Interpretation in solchen Kontexten hängen vom Vorliegen eines Nachzustands ab. • Die Erklärung des Imperfektiv-Paradoxes muß auf das Vorliegen von in der Verbbedeutung angelegten Nachzuständen rekurrieren. Nachzustände stehen auch im Zusammenhang mit verschiedenen im nächsten Kapitel zu besprechenden Phänomenen, wie der Zulässigkeit einer α/7-Konstruktion, der Modifizierbarkeit durch Zeitspannen- und Zeitdaueradverbiale und anderen Vorkommensbeschränkungen.
2.2.3 Durativität und Punktualität Punktualität und Achievements in der Aktionsartforschung: Die Unterscheidung von Verben, die punktuelle Ereignisse bezeichnen, von solchen, die auf Ereignisse von Dauer referieren, geht bereits auf die ältere Aktionsartforschung zurück. Streitberg (1891:71f) differenziert innerhalb der "Perfektiva" zwischen momentanen Verben und durativ-perfektiven. Erstere legen "den Schwerpunkt einzig und allein auf den moment der Vollendung, den augenblick des résultâtes", letztere "heben den moment der Vollendung hervor, setzten ihn aber in ausdrücklichen gegensatz zu der voraufgehenden d a u e r der handlung". 59 Eine vergleichbare Unterscheidung zwischen durativen Nachzustandsverben, bei denen lediglich der Schwerpunkt auf die Handlungsgrenze gelegt wird ("momentanéité relative"), und punktuellen, die tatsächlich auf einen Moment beschränkt sind ("momentanéité absolue"), trifft auch Romberg (1899:4f), der bereits einige der mit diesen Eigenschaften verknüpften Phänomene anführt (s.u.). Die Unterscheidung zwischen Punktualität und Dauer ist in der Folgezeit immer wieder aufgegriffen worden; angeführt wird in dem Zusammenhang meist Vendler (1957), dessen allerdings nicht rein lexikalische Vierteilung verbenthaltender Ausdrücke zum gebräuchlichen Paradigma für aspektuell-aktionsartliche Klassifizierungen geworden ist. Wie in Kapitel 2.1.2 dargestellt wurde, unterscheidet Vendler (1957) "Accomplishments" (Durativa mit Nachzustand), "Activities" (Durativa ohne Nachzustand), "States" (Zustände) und "Achievements" (punktuelle Verben), wobei die in Klammern gesetzten Erklärungen die annähernden Korrespondenzen der vendlerschen Termini mit den in der vorliegenden Arbeit verwendeten ereignisstrukturellen Begriffen angeben, in dem Sinne, daß den vendlerschen Klassen im Regelfall Verben dieser Typen zugrundeliegen. Vendler klassifiziert allerdings verbenthaltende Prädikate, während es mir um verblexikalische, ereignissortale Beschränkungen geht, die allerdings u.a. die lexikalische Basis für aspektuelle Klassen im Stile Vendlers darstellen. Die von Vendler (1957) als "Achievements" eingeführte Klasse hat allerdings verschiedene Interpretationen erfahren, die den Zusammenhang zwischen den Begriffen 'Achievement' und 'Punktualität' oft unklar erscheinen lassen. Vendler (1957) selbst hat
Grob vereinfachend kann man sagen, daß Streitbergs Perfektiva den Durativa mit Nachzustand in dieser Arbeit entsprechen. Streitberg unterschied allerdings noch nicht zwischen grammatischem Aspekt und Aktionsart. So ist in der älteren Indogermanistik der Begriff der Punktualität dann häufig auch zur Beschreibung des perfektiven Aspekts in echten Aspektsprachen herangezogen worden.
64 solche Ausdrücke als Achievements aufgefaßt, die auf Zeitpunkte bezogen sind: Achievements "can be predicated only for single moments of time" (Vendler 1957:146). Für ein Achievement wie win a race gilt demnach. " Ά won a race between t\ and t-i means that the time instant at which A won that race is between t\ and tj." (Vendler 1957:149) Möglicherweise haben die von Vendler (1957) angeführten Beispiele wie win the race, die, recognize somebody, reach the hilltop dazu geführt, daß in der Folgezeit andere Aspekte bei der Bestimmung von Achievements in den Vordergrund traten. Mourelatos (1978:417) wies auf die vermeintliche Ähnlichkeit von Accomplishments und Achievements hin, die darin bestünde, "that both accomplishments and achievements are actions that involve a product, upshot, or outcome." Ohne die Unterscheidung zwischen beiden Klassen ganz aufzugeben, faßt er sie daraufhin in einer übergeordneten Klasse "events (performances)" zusammen, die dann der Klasse der "processes (activities)" gegenübergestellt wird. Dowty (1979:180ff) wiederum sah hinter der vendlerschen AccomplishmentAchievement-Unterscheidung vier verschiedene Distinktionen verborgen, von denen ihm die zwischen Prädikaten, welche ein Verursachungsereignis implizieren, und solchen, die das nicht tun, am zentralsten erscheint, zentraler als etwa eine auf der Zeitdauer basierende Unterscheidung. Damit werden Accomplishment-Verben zu solchen, die in CAUSE-BECOME-Strukturen dekomponiert werden, und Achievements zu solchen, die als BECOME-Verben auftreten. Dowtys Auffassung liegt mehr oder weniger explizit vielen Deutungen des Achievement-Begriffs zugrunde, u.a. der von Pustejovsky (1991:57ff), der Accomplishments und Achievements die gleiche Ereignisstruktur zugrundelegt und diese in beiden Fällen mit einer Dekomposition verknüpft, die ein BECOME-Prädikat enthält60. Punktuelle vs. durative Verben: Auf der Zeitpunkt-Zeitdauer-Unterscheidung basiert dagegen die Klassifikation von Moens (1987:42), die zudem innerhalb der punktuellen Ausdrücke zwischen "points" (hiccup, tap, wink) und "culminations" (recognize, spot, win the race) unterscheidet. Letztere sind telisch und entsprechen in der vorliegenden Arbeit punktuellen Verben mit Nachzustand wie etwa platzen in Lex. 12, erstere sind atelisch und korrespondieren mit punktuellen Verben ohne Nachzustand wie z.B. zucken in Lex. 13:61 platzen: E-STR:
x nom (—>i EI[+PKT]:
X PATIENS)
I e 1 I +PKT L: XPATIENS)
Lex. 13: Ereignisstruktur von zucken.
Diese Unterscheidung ist im Übrigen unabhängig von der Stelligkeit der Verben und findet sich entsprechend auch bei zweistelligen Verben. So ist zerbrechen(\,y) ein punktuelles Verb mit Nachzustand, während kneifen(x,y) keinen Nachzustand impliziert. Insofern als auch Durativa als ein- und zweistellige Verben jeweils mit und ohne Nachzustand auftreten, ergeben sich folgende Unterscheidungen, auf die die nachfolgende Besprechung verschiedener Phänomene rekurrieren wird: 62
VERBKLASSEN Mit Nachzustand Einstellig
PKT Zweistellig Einstellig
zucken (x)
rülpsen(x)
platzen (x)
zerbrechen (x)
knallen (x)
blitzen(x)
bersten(x)
explodieren(x)
kneifen{x,y)
pieksen(x,y)
joggen (x)
gelieren (x)
erröten (x)
trocknen (x)
schmelzen(x)
quälen (x,y) Zweistellig
zerbrechen (x,y)
sprengen (x,y) erstechen (x,y)
schnarchen (x)
brummen (x) lachen (x)
DUR
knicken (x,y)
schlagen (x,y) treffen(x,y)
verwöhnen (x,y)
schieben (x,y) streicheln(x,y)
basteln (x,y)
reparieren (x,y)
glätten (x,y)
zerdrücken (x,y)
Abb. 3: Matrix einer Verbklassifikation nach Punktualität, Auftreten eines Nachzustands und Stelligkeit.
Die Matrix entspricht damit in etwa der Kreuzklassifikation zwischen "events that are extended and those that are not" und "events that have consequences and those that do not" bei Moens (1987:43),63 erweitert um die Dimension der Stelligkeit. Die kreuzklassifizierten Eigenschaften 'punktuell / durativ' vs. 'mit / ohne Nachzustand' spiegeln natürlich nur einen Ausschnitt aus den in der vorliegenden Arbeit verwendeten Verbrepräsentationen wieder. Die Vierteilung entspricht dabei den vier Ereignisstrukturtypen in (53): (53) a. b. c. d. 62
63
E-STR E-STR E-STR E-STR
..(_>IEN[+PKT]) ...! Z ) ..(_>, en[+PKT])... .. (->! EN[+DUR])... < Z) .. (_>, e n[+DUR])...
Natürlich lassen sich auch nullstellige Verben wie regnen und dreistellige Verben wie geben entsprechend klassifizieren. Ähnliche Klassifikationen finden sich auch in Moens / Steedman ( 1988:16f), Ehrich ( 1991:452) und Engelberg (1994b:56).
66 Vermeintliche Gegenargumente gegen die Punktualitätsunterscheidung\ Die Relevanz einer Klassifizierung von Ausdrücken als punktuell oder "achievements" ist verschiedentlich bestritten worden. Kenny (1963:177) geht in seiner Klassifikation auf ein Punktualitätskriterium gar nicht ein; so enthält die Klasse der "performances" sowohl durative als auch punktuelle Nachzustandsverben. Auch Mourelatos (1978:417) und Dowty (1979:181iï) halten eine auf der Dauer-Punktualitäts-Unterscheidung basierende Klassifikation für höchstens zweitrangig. Später ist von Tenny (1987:25fi), Klein (1994:88) und insbesondere von Verkuyl (1989:55ff) und daran anschließend von Egg (1994:50fí) gegen die Notwendigkeit der Ausgrenzung einer Achievement-Klasse argumentiert worden. Verkuyl (1989:55ff) fuhrt die folgenden Beispiele für Ausdrücke an, die sowohl als Achievement als auch als Accomplishment verstanden werden können, um die Irrelevanz dieser Unterscheidung zu begründen: (54) a. type / write a business letter b. type / write the letter ρ
So müsse (54a) in einer auf Schreibmaschinen basierenden Kultur als Accomplishment aufgefaßt werden, während es heutzutage möglich sei, durch das Betätigen einer einzigen Computer-Taste einen Geschäftsbrief zu produzieren. Darauf würde man dann ebenfalls mit (54a) referieren, das sich in diesem Fall als Achievement erweise. Genau andersherum könne (54b) im Schreibmaschinenzeitalter als Achievement aufgefaßt werden, während es in modernen Zeiten als Accomplishment auftrete, wenn der Vorgang aufgrund einer Please-wait!-Aufforderung auf dem Bildschirm unerfreulich in die Länge gezogen wird. Verkuyls (1989:57) Fazit: Wolle man die Accomplishment-Achievement-Unterscheidung aufrecht erhalten, müsse man sowohl für (54a) als auch für (54b) eine wenig motivierte Ambiguität annehmen. Die Unterscheidung von Punktualität und Dauer sei hier wie auch sonst eine rein ontologische ohne linguistische Relevanz. Mittwoch (1991:75) hat u.a die folgenden drei Argumente gegen Verkuyls Auffassung vorgebracht: 64 • Erstens ist sie skeptisch, daß (54a), sowie das ebenfalls von Verkuyl angeführte Beispiel draw a circle, dazu verwendet werden können, um auf die (punktuelle) Betätigung einer Taste auf der Computer-Tastatur zu referieren. Sollte das doch möglich sein, so ist dies als eine Bedeutungserweiterung des Verbs anzusehen. (Die unterschiedliche Auffassung von Mittwoch und Verkuyl will ich hier nicht weiter diskutieren.) • Zweitens stellt sie fest, daß es unproblematisch ist, davon auszugehen, daß bestimmte Verben für die Punktuell-Durativ-Unterscheidung nicht markiert sind. Es gibt auch Verben wie meet und drop, die bezüglich der Unterscheidung agentiv vs. nicht-agentiv unmarkiert sind, ohne daß dies ein Argument gegen die Existenz oder Relevanz semantischer Rollen darstellt. • Drittens schließlich weist sie darauf hin, daß es genügend punktuelle Verben gibt (z.B. notice), für die eine Accomplishment-Lesart nicht zu erhalten ist. 64
Mittwoch (1991:77fl) zeigt darüber hinaus auch, welche Probleme die Aufgabe der Achievement-Accomplishment-Unterscheidung für Verkuyls (1989) Aspektkompositionstheorie aufwirft. Auf die Kritik von Mittwoch (1991) wird im Übrigen allerdings weder in Verkuyl (1993:46fi), wo die Argumentation aus Verkuyl (1989) noch einmal wiederholt wird, noch in Egg ( 1994) eingegangen.
67 Ich schließe mich dieser Argumentation an und will im Folgenden vor allem versuchen, eine Reihe empirischer Argumente für die Unterscheidung von Punktualität und Durativität sowie ihre lexikalische Relevanz zu präsentieren. Dabei werde ich Punktualität und Durativität als die Eigenschaften von Ereignissen auffassen, extrem kurz bzw. von längerer Dauer zu sein. 65 Sie sind damit nicht wie bei Verkuyl (1989), Egg (1994) und wohl auch Vendler (1957) als Eigenschaften von verbalen Prädikaten zu verstehen, sondern als sortale Beschränkungen über den Ereignissen, auf die Verben referieren. Wenn ich der Kürze halber oft von punktuellen oder durativen Verben spreche, so ist das zu berücksichtigen. Zeitpunktadverbiale. Eine naheliegende Eigenschaft punktueller Verben ist es, durch Zeitpunktadverbiale modifiziert werden zu können; dies gilt sowohl für punktuelle Veiben mit als auch für solche ohne Nachzustand: (55)
a. die Bombe explodierte genau in dem Augenblick b. genau in dem Augenblick kniff sie ihn
E-STR: ... (->j e n [ + P K T l ) . . . < (->¡ z) E-STR: ... (—»j e n [ + P K T l ) . . .
Diese Modifizierbarkeit ist entsprechend dort, wo Punktualität als relevante Verbeigenschaft angenommen wird, ins Feld geführt worden, z.B. bei Romberg (1899:4f) oder bei Vendler (1957:146) als Kriterium für Achievements. Nun können allerdings auch Verben anderer Klassen mit Zeitpunktadverbialen verbunden werden (Engelberg 1994a:21f): (56)
a. um fünf Uhr backte ich einen Kuchen b. um fünf Uhr quälte ich den Hund
E-STR: ...(->! e"[+DUR])... < (->¡ ζ) E-STR: ... e"[+DUR])...
Während das Verhältnis zwischen dem Zeitpunkt, den das Adverbial denotiert, und der Ereigniszeit bei Verben wie explodieren eindeutig ist - sie sind identisch - wird das Zeitpunktadverbial bei durativen Verben (mit oder ohne Nachzustand) abhängig vom Tempus interpretiert. Bei einen Kuchen backen bezieht sich das Zeitpunktadverbial im Futur (präfenert) auf den Beginn des Ereignisses, im Präteritum (präferiert) auf den Verlauf und im Plusquamperfekt auf den Nachzustand: (57)
a. um fünf Uhr werde ich einen Kuchen backen b. 'um fünf Uhr werde ich anfangen, einen Kuchen zu backen' c. 9 'um fünf Uhr werde ich dabei sein, einen Kuchen zu backen' d. * 'um fünf Uhr werde ich das Kuchenbacken beendet haben'
(58)
a. um fünf Uhr backte ich einen Kuchen b. ? 'um fünf Uhr fing ich an, einen Kuchen zu backen' c. 'um fünf Uhr war ich dabei, einen Kuchen zu backen' d. * 'um fünf Uhr hatte ich das Kuchenbacken beendet'
(59)
a. um fünf Uhr hatte ich einen Kuchen gebacken b. * 'um fünf Uhr fing ich an, einen Kuchen zu backen' c. * 'um fünf Uhr war ich dabei, einen Kuchen zu backen' d. 'um fünf Uhr hatte ich das Kuchenbacken beendet'
65
Was "extrem kurz" genau zu bedeuten hat, wird in Kapitel 6.3.3 erläutert.
68 Einen interessanten Unterschied hinsichtlich dieser temporalen Interpretation zeigen dabei Verben, bei denen ein duratives Ereignis impliziert ist (z.B. backen), gegenüber punktuellen Verben, bei denen ein vorausgehendes duratives Ereignis präsupponiert ist (z.B. verlieren in der Lesart ein Spiel / Rennen verlieren). Beide verhalten sich bezüglich bestimmter Eigenschaften gleich; so erlauben etwa beide den Progressiv {er war am Backen / am Verlieren). Dazu bemerkt Krifka (1989a: 118), daß bei einem Verb wie verlieren die Progressivform offenbar die Vorbereitungphase für ein momentanes Ereignis ausdrückt und diese Verben deshalb sowohl eine Achievement- als auch eine Accomplishment-Verwendungsweise haben. Das läßt erwarten, daß sie sich auch bezüglich Zeitpunktadverbialen wie Accomplishments, also durative Nachzustandsverben, verhalten können. Das ist aber nicht so, wie der Vergleich zwischen (58) und (60) zeigt: (60) a. um fünf Uhr verlor er das Schachspiel b. ??'um fünf Uhr fing er an, ein Schachspiel zu verlieren' c. ?'um fünf Uhr war er dabei, ein Schachspiel zu verlieren' d. 'um fünf Uhr und nicht früher hatte er ein Schachspiel verloren'
Punktuelle Verben mit präsupponierter Vorbereitungsphase bilden also offenbar temporalaspektuell eine Klasse für sich (nach Engelberg 1994a:22f). Zeitspannenadverbiale bei durativen Nachzustandsverben·. Durch in eingeleitete Zeitspannenadverbiale treten typischerweise mit Verben auf, die ein duratives Ereignis und einen Nachzustand implizieren: 66 (61)
a. b. c. d.
sie reparierte ihr Motorrad (in zwei Stunden) sie joggte in zwei Stunden) sie knickte den Umschlag (??in zwei Stunden) sie klopfte in zwei Stunden)
E-STR E-STR E-STR E-STR
... (—>i ent+DUR])... < (—>j z) ... (_>,ien[+DUR]) ...
...(-^ent+PKT]) ...! Z) ... (-»J e"[+PKT])...
Daß bestimmte durative Nachzustandsverben im Gegensatz zu anderen Verbtypen Zeitspannenadverbiale erlauben, ist zuerst von Romberg (1899:4) bezüglich des Französischen (ew-PPs) angeführt worden. Sütterlin (1909:92) und Wellander (1911:72) bemerken, daß sogenannte perfektive Verben im Deutschen ein in-, aber kein lang-Adverbial zulassen: (62) a. wir erstiegen den Berg in vier Stunden b. *wir erstiegen den Berg vier Stunden lang
Später wurden die /«-Adverbiale durch Vendler (1957:146f), Kenny (1963:176) und Verkuyl (1972:6) als Kennzeichen von Accomplishment-Ausdrücken (bzw. "performance verbs" bei Kenny und "terminative aspect" bei Verkuyl) erneut in die aspektuelle Diskussion gebracht. 67 66
67
Wird über eine bestimmte Anzahl von Ereignissen gesprochen, so können auch punktuelle Nachzustandsverben mit Zeitspannenadverbialen auftreten (Romberg 1899:4f): (i) *Maëstricht se rendit en huit jours Maastricht ergab sich in acht Stunden' (ii) en un jour, trois villes se rendirent à l'ennemi 'in einem Tag ergaben sich drei Städte dem Feind' Vendler (1957:146) diskutiert die in-Adverbiale im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Frage How long did it take to ... ? als Kennzeichen fur Accomplishments.
69 Im Laufe der Forschung wurde deutlich, daß die Zulässigkeit von Zeitspannenadverbialen nicht allein durch die Bedeutung oder Klassenzugehörigkeit des Verbs bestimmt ist, sondern von mehreren Faktoren abhängt: i) der Verbvalenz, ii) den NP-Bedeutungen und iii) der Verbbedeutung. i) Verbvalenz: Wustmann (1894:4) stellt fest, daß eine Direktionalphrase oder ein direktes Objekt zu perfektiven Lesarten führt, also - in Vendlers Termini - aus Activities Accomplishments macht: 68 (63) a. ich gehe (in die Kirche) b. ich baue (ein Haus)
Ähnlich bemerkt Romberg (1899:7), daß es bei Ausdrücken wie il écrivit une lettre ('er schrieb einen Brief) das durch das Ereignis geschaffene Objekt ist, an dem sich die Begrenztheit der Handlung ausdrückt. Auch Pedersen (1901:220f) stellt fest, daß die von ihm als "terminativ" bezeichnete Bedeutung eines Verbs von den Verbindungen abhängt, in denen es vorkommt: Die Verbindung des verbums mit einem das ziel bezeichnenden adverbium ("präposition") hat naturgemäss diese Wirkung, ebenso aber auch oft die hinzufugung eines bestimmten Objektes. Ich trinke ist cursiv, ich trinke aus oder ich trinke das wasser ist terminativ. 69
Eine Accomplishment-Lesart erfordert also eine bestimmte Art von Ergänzung, und zwar bei zweistelligen Verben, wie Pedersen (1901:221) bemerkt, ein direktes Objekt wie in (64a) und nicht eine das gleiche Argument realisierende PP (64b): (64) a. jeg skriver brevet (dan. ) b. jeg skriver pú brevet
'ich schreibe den Brief 'ich schreibe an dem Brief
Neben Verben mit Direktionalphrase und zweistelligen Verben, die eine Akkusativ-NP regieren, erlauben aber auch bestimmte intransitive Verben ein /«-Adverbial, wenn sie den anderen beiden Bedingungen genügen, z.B. (65a) vs. (65b): (65) a. das Schiff sank in fünf Minuten b. *der Mann tanzte in fünf Minuten
ii) NP-Bedeutungen. Nun führen direkte Objekte nur dann zu einer AccomplishmentLesart, wenn die Objekt-NP einer bestimmten semantischen Bedingung genügt. So hat Jacobsohn (1933:300) beobachtet, daß ein artikelloser Plural oder ein Massennomen in Objektposition Activity-Lesarten ("durativ") hervorruft, andere NPs AccomplishmentLesarten ("perfektiv"): (69) a. er schrieb Briefe {zwei Stunden lang I*in zwei Stunden) b. er schrieb einen Brief (*zwei Stunden lang / in zwei Stunden) 68
69
Satz (63a) scheint dafür allerdings ein eher schlechtes Beispiel, da er mit in-Adverbialen nicht gut verträglich ist: ?? er ging in zwanzig Minuten in die Kirche. Außerdem ist zu bemerken, daß nicht alle Präpositionalphrasen Activities in Accomplishments überfuhren (vgl. Engelberg 1994a:8ff): (i) sie lief (in zwei Stunden) um den See (ii) sie lief (*in zwei Stunden) entlang des Sees Zu intransitiven Unergativa, die wie austrinken Zeitspannenadverbiale erlauben, vgl. auch Engelberg (1997:14ff).
70 Diese Eigenschaftsopposition ist in späteren Theorien zur Aspektkomposition zunächst als ein semantisches Merkmal beschrieben worden, etwa bei Verkuyl (1972:51) als [UNSPECIFIED QUANTITY OF X] versus [SPECIFIED QUANTITY OF X] oder bei Platzack (1979.79) als [±DIVID], wobei die nicht-divisiven [-DIVID]-Ausdrücke wie ein Brief die Eigenschaft haben, nicht auch auf echte Teile des Objekts zuzutreffen, das sie bezeichnen. Später hat Krifka (1989b:228) die aspektuell relevante Opposition so beschrieben, daß in Accomplishment-Ausdrücken die Objekt-NPs gequantelt prädizieren müssen und nicht kumulativ. Für kumulative Referenz gilt: Wenn auf zwei Entitäten ein bestimmtes Prädikat angewendet werden kann, dann kann es auch auf die Zusammenfassung dieser Entitäten angewendet werden (Äpfel und Äpfel ergibt wieder Äpfel, drei Äpfel und drei Äpfel ergibt dagegen nicht drei Äpfel). Demgegenüber gilt für gequantelte Referenz. Wenn auf eine Entität ein Prädikat angewendet werden kann, so kann es nicht auf einen echten Teil dieser Entität angewendet werden (ein Teil von drei Äpfel ist nie drei Äpfel, auf einen Teil von Äpfel kann dagegen wiederum mit Äpfel referiert werden), iii) Verbbedeutungen·. Daß nur bestimmte Verben mit einem /«-Adverbial verknüpft werden, ist, wie oben bereits erwähnt, zuerst von Romberg (1899:4) und Sütterlin (1909:92) beobachtet worden. Jacobsohn (1933:297f) nahm später an, daß transitive Verben mit effizierten Objekten (67a) und Objekten der vollständigen Aneignung (67b) im Gegensatz zu Verben mit affizierten Objekten (67c) /«-Adverbiale zulassen. (67) a. ich schrieb einen Briefen fünf Minuten) b. er aß einen Apfel {in fünf Minuten) c. der Mann schlug den Hund (??in fünf Minuten)
Diese Bedingung erfaßt allerdings manche mit /«-PPs verträgliche Verben wie mähen, streichen oder reparieren noch nicht. Krifka (1989b: 241) geht davon aus, daß Verben, die ein inkrementelles Thema selegieren, mit /«-Adverbialen auftreten. Ein inkrementelles Thema liegt etwa bei essen vor, das impliziert, daß sein Objektreferent, z.B. ein Apfel, Stück für Stück von dem Essen-Ereignis betroffen ist, so daß jedem Teil des Ereignisses ein Teil des Apfels entspricht und mit dem Abschluß des Ereignisses der Apfel vollständig gegessen ist. 70 Allerdings können auch eine Reihe von Ausdrücken, die nicht inkrementell sind (z.B. das Fahrrad reparieren, ein Haus bauen, ein Hemd waschen), mit /'«-Adverbialen auftreten und werden demnach von Krifkas Bedingung nicht erfaßt. 71 Die eingangs angeführte Bedingung, daß durative Nachzustandsverben mit Zeitspannenadverbialen auftreten, 72 berücksichtigt dagegen auch die von der Inkrementalitätsbedingung nicht abgedeckten Fälle (reparieren, trocknen, bauen).73 Dabei gilt diese Bedingung sowohl für
70 71 72
73
Zur formalen Ausarbeitung dieser Idee vgl. Krifka ( 1989a:207). Vgl. dazu etwa Engelberg (1995a, 1997:7f), Eckardt (1996b). Auch Pustejovsky (1991:62) knüpft die Zulässigkeit von /'«-Adverbialen an das Vorliegen eines Nachzustands in der Ereignisstruktur. Es sind bei den Zeitspannenadverbialen zwei Lesarten zu unterscheiden. (i) in zehn Minuten wird er den Flur putzen (ii) er wird den Flur in zehn Minuten putzen Bei der einen fällt das Ende der angegebenen Zeitspanne mit dem Beginn des Ereignisses zusammen (i), bei der anderen mit dem Ende des Ereignisses (ii) (Engelberg 1994a: 19, vgl. auch Wellander 1911:72). In diesem Kapitel geht es immer nur um die zweite Lesart. Die beiden Lesarten unterscheiden sich dadurch, a) daß die Adverbiale verschiedene Positionen im
71 transitive wie auch für die in der Aspektkompositionstheorie meist nicht behandelten unakkusativen Intransitiva, wobei es bei letzteren mangels direkten Objekts natürlich der Subjektreferent ist, an dem sich die Zustandsveränderung vollzieht: 7 4 (68) a. sie trocknete ihr Haar in fünf Minuten b. ihr Haar trocknete in fünf Minuten
E-STR: ... (->j en[+DUR])... < (_>j z ) E-STR: ... (-»j en[+DUR])... < (_>j z )
Zeitspannenadverbiale bei punktuellen Nachzustandsverben. Es ist bemerkt worden, daß auch punktuelle Verben mit Nachzustand /«-Adverbiale erlauben (Vendler 1957:147), wobei im Gegensatz zu durativen Nachzustandsverben das in dann eher als after bzw. nach verstanden werde (Mourelatos 1978:417, Piñón 1996): 75 (69) a. Ines hat den Gipfel in fünf Stunden erreicht = b. Ines hat den Gipfel nach fünf Stunden erreicht
(Beispiel aus Piñón 1996)
Tatsächlich sind aber nicht alle punktuellen Nachzustandsverben mit /«-Adverbialen voll akzeptabel (auch dort nicht, wo nach-Adverbiale möglich sind): (70) a. ^der Stock zerbrach in drei Minuten b. ?der Ballon platzte in vier Minuten c. ? ? i/e erstach ihn in zwanzig Minuten d. I^sie knickte den Umschlag in zwei Stunden Bereits Romberg (1899:15) vermutete, daß unter den punktuellen Nachzustandsveiben vor allem solche das Zeitspannenadverbial erlauben, die das Vorausgehen eines anderen Ereignisses präsupponieren, wie etwa achever 'vollenden, austrinken', terminer *beendigen'. atteindre 'erreichen' 76 . Diese Vermutung scheint plausibel angesichts der folgenden Beispiele, in denen entweder die Sätze aufgrund der Eigenbedeutung der Verben (71a, 71b) oder aufgrund des Kontextes (71c) ein vorausgehendes Ereignis präsupponieren: 77
74
75
76 77
Satz bevorzugen, b) daß in Sprachen wie dem Französischen unterschiedliche Präpositionen für die beiden Lesarten zur Verfugung stehen (dans fur die erste, en für die zweite) (Romberg 1899:26), c) daß die erste Lesart auch mit nicht gequantelten Objekten (iii) und mit Zeitdaueradverbialen (iv) auftreten kann: (iii) in zehn Minuten wird er Rosinen essen (iv) in zehn Minuten wird er eine Zeitlang Rosinen essen Darüber hinaus gibt es allerdings auch unergative Intransitiva, die /«-Adverbiale erlauben, wie austrinken, frühstücken, duschen; zu deren Behandlung vgl. Engelberg (1997). Auch werden Ausdrücke wie eine Sonate spielen, die ebenfalls Zeitspannenadverbiale erlauben, von den hier beschriebenen Restriktionen nicht erfaßt; zur Lösung dieses Problems vgl. etwa Eckardt ( 1996b) oder Egg ( 1994:27fl). Mourelatos (1978) und Piñón (1996) sprechen von "Achievements"; dieser Terminus wurde wie im einleitenden Abschnitt dieses Kapitels angemerkt - von Vendler (1957:148) zur Bezeichnung punktueller Ausdrücke eingeführt, ohne daß er zwischen solchen mit und ohne Nachzustand unterschied, während in der Literatur es üblich geworden ist, v.a. punktuelle Verben mit Nachzustand als Vertreter dieser Klasse anzuführen, so daß gewöhnlich nicht ganz klar ist, welche Verbklasse genau in den jeweiligen Arbeiten mit dem Begriff Achievements' bezeichnet wird. Vgl. etwas ausführlicher zu einer ähnlichen Auffassung auch Platzack (1979:93f) Daß das Verb finden selbst kein vorhergehendes Suchen präsupponiert, sieht man an Beispielen wie zufällig fand sie den alten Ring in der Sofaritze.
72 (71) a. sie gewann das Spiel in vierzig Minuten b. sie trank das Glas in zwei Minuten aus c. sie fand den alten Ring in fünf Minuten
(Teilnahme präsupponiert) (Trinken präsupponiert) (Suchen präsupponiert)
Fazit: Erstens erlauben durative Verben mit Nachzustand (72a) Zeitspannenadverbiale und zweitens punktuelle Verben mit Nachzustand, wenn das Stattfinden eines vorausgehenden durativen Ereignisses (lexikalisch oder kontextuell) präsupponiert ist (72b). Im zweiten Fall schließt die vom Zeitspannenadverbial angegebene Zeit das präsupponierte Ereignis mit ein. (72) a. E-STR: ... (-> t emf+DUR]) . . . < ( - » [ Z) b. E-STR: ... (-> P em[+DUR])... en[+PKT]) ...
l z ) ... (—•[ e"[-PKT]) ... (—>i en[+PKT]) < z) ... (—>j en[+PKT])
Die entsprechenden Verben erhalten dann eine iterative Interpretation: Wir verstehen (74b) so, daß Karla mehrmals klopfte, bzw. (74d) so, daß sie Karl mehrmals in dem Hotel traf. Fazit: Mit Zeitdauerangaben verträglich sind durative Verben ohne Nachzustand wie in (75a) und punktuelle Verben ohne Nachzustand wie in (75b) in iterativer Lesart: (75) a. E-STR: ... (->i en[+DUR]) b. E-STR: ... (->i en[+PKT])
Progressiv. Sowohl die englische "progressive form" als auch die als "Emscher-Durativ" oder "Rheinische Verlaufsform" bekannte progressive am-Konstruktion unterliegen bestimmten verblexikalischen Beschränkungen hinsichtlich ihres Vorkommens. 81 Die Frage, warum bestimmte Verben unter welchen Bedingungen im Progressiv auftreten können, hat allerdings schon mehr Antworten hervorgebracht, als an dieser Stelle referiert werden können. 82 Es seien darum, bevor ich auf den Zusammenhang zwischen Punktualität und Progressivität eingehe, nur zwei Ansätze erwähnt, die allerdings insofern konträr sind, als nur der erste auf aktionsartliche Begriffe Bezug nimmt. Dieser erste Ansatz basiert auf Vendler (1957.144Í), der annimmt, Zustände ("states") und punktuelle Ausdrücke ("achievements") seien von durativen Ausdrücken mit und ohne Nachzustand ("accomplishments", "activities") dadurch unterschieden, daß nur letztere den Progressiv erlauben: (76) a. b. c. d.
* she is knowing something * she is recognizing somebody she is running she is drawing a circle
("state") ("achievement") ("activity") ("accomplishment")
Es ist allerdings immer wieder beobachtet worden, daß auch bestimmte Zustandsveiben und punktuelle Verben im Progressiv auftreten können (Beispiele aus Dowty 1979:137,173): (77) a. the socks are lying under the bed b. John was falling asleep
81
82
("state") ("achievement")
Ereignisse ausdrücken und damit ebenfalls Zeitdauerangaben erlauben: sie zerbrach eine halbe Stunde lang Geschirr. (Vgl. z.B. Mori / Löbner / Micha 1992:253). Die am-Konstruktion wird bereits bei Curme (7904/1915:408) als Progressivkonstruktion des Deutschen erwähnt (du bist am Ausgehen·, sie war am Kartoffelschälen) und hat in jüngerer Zeit durch Andersson (1989) zur Ruhrgebietsvariante und Bhatt / Schmidt (1993) zur rheinischen Variante zwei ausfuhrlichere Untersuchungen erfahren. Der am-Progressiv unterliegt neben den in diesem Abschnitt noch zu besprechenden aktionsartlichen auch argumentstrukturellen Restriktionen. So sind im Standarddeutschen lediglich intransitive Konstruktionen verbreitet (sie ist am Arbeiten), während der Progressiv in den regionalen Varianten auch transitiv verwendet wird (Hörbeleg: sie sind ihre Mongoleireise am planen)·, Konstruktionen mit Direktionalphrasen sind allerdings auch hier etwas markierter Oer ist in die Stadt am Laufen). Vgl. etwa Binnick (1991:281ñ) zu verschiedenen Theorien oder die Zusammenstellung von Daten in Quirk et al. (1972:94fï).
74 Der zweite, nicht-aktionsartliche Ansatz geht auf Carlson (1977:168) zurück, der behauptet, daß Progressivfähigkeit durch die Unterscheidung von Verben in "individual-level" und "stage-level" Prädikate 83 erfaßt werden könne, insofern als nur letztere den Progressiv erlauben. 84 Daher kann das Stage-Level-Zustandsverb in (77a) im Progressiv stehen, im Gegensatz zu dem Individual-Level-Zustandsverb in (76a). Aber auch Carlsons Annahme ist nicht korrekt. So hat etwa Mittwoch (1991:83) bemerkt, daß auch manche Stage-LevelPrädikate nicht im Progressiv auftreten, wie see, hear oder want.85 Auch wird die mangelnde Progressivfähigkeit von Vendlers Standardbeispiel für punktuelle Verben, recognize, nicht erklärt, denn auch dabei handelt es sich um ein Stage-Level-Prädikat. Insofern als dieses Kapitel die Relevanz des Punktualitätsbegriffs aufzeigen will, stellt sich hier vor allem die Frage, welcher Zusammenhang zwischen Punktualität und der Zulässigkeit und Interpretation der Progressivform besteht. Die Antwort muß meines Erachtens drei Fälle unterscheiden und zeigt dabei, daß die Punktualitätsbeschränkung sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Interpretation des Progressive eine Rolle spielt: i) Punktuelle Verben ohne Nachzustand können im Progressiv auftreten und werden dann iterativ interpretiert; 86 die folgenden deutschen Beispiele folgen der Ruhrgebietsvariante des a/w-Progressivs: (78) a. b. c. d.
Rebecca was knocking Rebecca was hopping Rebecca was pinching Jamaal her eyelid was twitching
Rebecca war am Klopfen Rebecca war am Hüpfen Rebecca war Jamaal am Kneifen ihr Lid war am Zucken
ii) Solche punktuellen Verben mit Nachzustand erlauben den Progressiv, bei denen entweder a) lexikalisch präsupponiert ist oder b) kontextuell erschlossen werden kann, daß der Ereignispartizipant in Subjektposition auch in ein unmittelbar vorausgehendes Ereignis involviert ist, das in enger kausaler oder konsekutiver Relation zu dem punktuellen Ereignis steht. So ist durch gewinnen in (79a) präsupponiert, daß Rebecca an dem Spiel teilnimmt, und durch ankommen in (79b), daß sie vor dem Ankommen unterwegs war. Dem Sterben, wie in (79c), wiederum geht ein Krank- oder Verletztsein voraus, das dieses verursacht, und (79d) kann etwa in einem Kontext auftreten, in dem von der Schneelast die Rede ist, die den Zweig nach unten drückt . (79) a. b. c. d.
Rebecca was winning (the game) Rebecca war (das Spiel) am Gewinnen η Rebecca was arriving ·Rebecca war am Ankommen Jamaal was dying ?Jamaal war am Sterben (gebräuchlicher lag im Sterben) the twig was breaking der Zweig war am Abbrechen
iii) Verben wie erkennen, erblicken, bemerken oder erstaunen, die punktuelle Ereignisse mit Nachzustand bezeichnen, für die kein den Agens (oder Experiencer) involvierendes, 83 84
85
86
S. dazu Kapitel 3.1.3. Ryle (1949:116) hatte ähnlich bemerkt, daß Dispositionsausdrücke, also solche, mit denen man von jemandem sagt, "that he is able to do certain things, when the need arises, or that he is prone to do and feel certain things in situations of certain sorts", nicht im Progressiv auftreten. Zumindest sind ganz bestimmte, stark eingeschränkte Kontexte nötig, damit diese Verben auch im Progressiv akzeptabel sind; vgl. dazu Binnick (1991:288). Vgl. zum Englischen Quirk et al. (1972:96), zum Japanischen Mori / Löbner / Micha (1992:226fï).
75
vorausgehendes Ereignis lexikalisch präsupponiert ist oder kontextuell erschlossen werden kann, erlauben keinen Progressiv:87 (80) a. b. c. d.
??
Rebecca Rebecca ?? Rebecca ?? that was ??
was recognizing him ?Rebecca war ihn am Erkennen was spotting the eagle ??Rebecca war den Adler am Erblicken ?? was noticing that Rebecca war das am Bemerken astonishing Rebecca - das war Rebecca am Erstaunen
Die beiden schon angeführten Arbeiten zum deutschen α/w-Progressiv gehen ebenfalls auf die Frage der lexikalischen Beschränkungen ein. Nach Andersson (1989:101) können alle telischen und nicht-telischen Verben mit Ausnahme von Zustandsverben den am-Progressiv bilden. Damit kann Andersson den in den Beispielen (78) bis (80) aufgeführten Unterschieden im Bereich punktueller Verben aber offensichtlich nicht gerecht werden. Bhatt / Schmidt (1993:72f) nehmen ebenfalls keinen Bezug auf eine Punktuell-Durativ-Unterscheidung: Sie gehen davon aus, daß nur Individual-Level-Prädikate und nicht-dynamische, nicht von einem Agens kontrollierte Stage-Level-Prädikate (z.B. sehen, hören, riechen) nicht im Progressiv auftreten können. Das verwendete Klassifikationsschema geht auf Hoekstra (1992:160) zurück, dem zufolge für ein nicht-dynamisches Ereignis gilt. "[...] an event is denoted, but there is no progress in the event, i.e. every point in the timespan within which the predicate holds is identical to every other." Insofern seien flow und rain dynamisch gegenüber see und hear Da punktuelle Verben wie die in (78) bis (80) nicht diskutiert werden und auch unklar ist, in welcher Weise der Dynamizitätsbegriff auf sie anzuwenden wäre,88 scheint auch dieser Ansatz nur eingeschränkt zur Bestimmung der Progressivfähigkeit von Verben geeignet zu sein. Fazit: Nur wenn auf den Punktualitätsbegriff rekurriert wird, können die Vorkommensund Interpretationsbeschränkungen für Verben in der "progressive form" und im am-Progressiv erfaßt werden. Demnach erlauben punktuelle Verben ohne Nachzustand den Progressiv in iterativer Interpretation (81a) und Verben mit Nachzustand können im Progressiv auftreten, wenn das Stattfinden eines dem punktuellen Ereignis vorausgehenden durativen Ereignisses mit gleichem Partizipanten wie das punktuelle Ereignis entweder lexikalisch präsupponiert ist (81b) oder kontextuell erschlossen werden kann: (81) a. E-STR: ... ( ^ e"[+PKT]) b. E-STR: ... (->p eH+DUR]: x ) . . . < (_>, en[+PKT]: x ) . . . < (_>j z )
"an "-Konstruktion: Bei manchen Verben im Deutschen alterniert das Akkusativ-Objekt mit einer Präpositionalphrase, eingeleitet durch α/7.89 Diese Alternation findet sich bei 87
88
89
Der Nachzustand ist bei diesen Verben jeweils ein mentaler Zustand. So ist etwa die Folge davon, daß man etwas bemerkt, daß man es daraufhin weiß, die Folge davon, daß man etwas erblickt, daß man es daraufhin sieht. Es ist überhaupt rätselhaft, was es heißen soll, daß alle Zeitpunkte innerhalb des Intervalls, in dem ein Prädikat gilt, identisch sind. Der Begriff 'identisch' kann entweder absolut oder relativ verstanden werden. Im ersten Fall wären natürlich nur bei Intervallen, die aus lediglich einem Zeitpunkt bestehen, alle Zeitpunkte t j bis t„ in dem Intervall identisch. Im zweiten Fall müßte 'identisch' als 'identisch hinsichtlich einer Eigenschaft' aufgefaßt werden; Hoekstra versteht aber Verben offenbar als Prädikate über Ereignisse und nicht über Zeiten, so daß nicht klar ist, um welche Eigenschaften es hier gehen könnte. Dieser Abschnitt basiert auf Engelberg ( 1994b).
76 Verben wie schreiben, reparieren, lesen, kochen, bauen, malen, stricken, essen, manipulieren, nähen, etc.: (82) a. sie schrieb einen neuen Roman / an einem neuen Roman b. sie reparierte ihr Motorrad / an ihrem Motorrad
Ausgeschlossen von dieser Alternation sind solche transitiven Verben, die Zustände oder punktuelle Ereignisse bezeichnen (83a, 83b, 83c). Unter den Verben, die auf Ereignisse von Dauer referieren, sind wiederum nur die mit der ««-Konstruktion akzeptabel, die eine Zustandsveränderung beinhalten (83d vs. 83e). 90 (83)
a. b. c. d. e.
sie sie sie sie sie
kannte einen guten Arzt / *an einem guten Arzt kniff ihren Freund / *an ihrem Freund sprengte eine Brücke / *an einer Brücke quälte ihren Dackel / *an ihrem Dackel nähte ein Abendkleid / an einem Abendkleid
E-STR E-STR E-STR E-STR E-STR
(->1*) (—>1 e"[+PKT]).
(—>1 eW+PKT]). 1 e n[+DUR])
(_>! e n[+DUR])
< (->i «)
Die Beschränkungen für die an-Konstruktion wurden von Filip (1989:276ff) dahingehend bestimmt, daß nur nicht-punktuelle, inhärent telische Verben mit inkrementellem Objekt die Konstruktion erlauben. Daß Inkrementalität eine zu strenge Restriktion ist, sieht man - wie schon oben bei der Diskussion um die Lizenzierung von Zeitspannenadverbialen an Verben wie reparieren oder kochen, die keine inkrementelle Abarbeitung involvieren, trotzdem aber mit der an-PP konstruiert werden können. Eine weitere Beschränkung für die ««-Konstruktion besteht darin, daß das Subjekt ein (belebter) Agens sein muß (Filip 1989:283f):91 (84) a. er bügelte an seinem Chorhemd b. ^die Maschine bügelte an dem Chorhemd (aus Engelberg 1994a: 37)
Fazit. Die ««-Konstruktion kann bei solchen zweistelligen Verben anstatt des Akkusativobjektes auftreten, die ein duratives, agentivisches Ereignis mit Nachzustand bezeichnen: (85)
90
91
E-STR:
... ( - > ! e"[+DUR]: xAGENS, yPATIENS) ...
her hair has dried] c. [she has felled the tree -> the tree has fallen]
Die gleichen Verben im Progressiv zeigen aber nur zum Teil das gleiche Inferenzverhalten: (93) a. [she was melting the butterthe b. [she was drying her hair -> c. -i[she was felling the tree ->
butter was melting] her hair was drying] the tree was falling]
Der Grund für die fehlende Implikation in (93c) ist offensichtlich: Die Aktivitäten, die das Fällen eines Baumes ausmachen, finden statt, bevor der Baum fallt. Bezogen auf die Zeit, von der in (93c) die Rede ist, folgt aus dem Am-Fällen-Sein kein Am-Fallen-Sein. Das gilt nicht für die anderen beiden Beispiele: Wenn jemand dabei ist, sein Haar zu trocknen, so trocknet sein Haar dabei. Bezogen auf die Zeit, von der die Rede ist, folgt in (93b) der intransitive aus dem transitiven Satz. Die temporalen Relationen zwischen Teilereignissen bestimmen also das Inferenzverhalten der Verben im Progressiv. Nur solche Kausativa mit einer Ereignisstruktur wie in (94a), nicht aber solche mit der Ereignisstruktur in (94b), implizieren im Progressiv den entsprechenden nicht-kausativen Satz im Progressiv (d.h., einen Satz, der lediglich e n beschreibt). (94) a. E-STR: (->¡ e">: x, y) o (->j e»: y)... b. E-STR: (—»i e m : x, y) < (—>i en: y)... Zeitspannenadverbiale und temporale Relationen: Typisch für durative Nachzustandsverben ist die Möglichkeit, durch ein Zeitspannenadverbial modifiziert zu werden, wie etwa anstreichen in (95a). Einige solcher Nachzustandsverben, und zwar auch solche, die in ihrer nicht-kausativen Variante /«-Adverbiale erlauben (95b, 95c), sind mit solchen Adverbialen kaum akzeptabel (95d, 95e):93 (95) a. b. c. d. e. f.
sie strich das Haus in zehn Minuten an das Haus brannte in drei Stunden nieder der Tanker versank in drei Stunden ?? s/e brannten das Haus in drei Stunden nieder ^ 'die Rakete versenkte den Tanker in drei Stunden sie fällte den Baum in fünf Minuten
Mit niederbrennen liegt ein Verb vor, das eine ähnliche temporale Struktur wie das im letzten Abschnitt besprochene fällen hat. Das Verursachungsereignis, in diesem Fall das Anzünden des Hauses, geht dem verursachten Ereignis, hier dem Herunterbrennen des Hauses, voraus. Daß aber die Vorzeitigkeitsrelation zwischen den Teilereignissen allein die Modifikation durch Zeitspannenadverbiale nicht ausschließt, zeigt fällen in (95f), das eine solche Modifikation zuläßt. Nun kennzeichnet fällen, daß das verursachende Ereignis durativ ist und das verursachte punktuell (Lex. 15), während die Verhältnisse bei niederbrennen genau andersherum liegen (Lex. 16). Offenbar gilt also, daß ein /«-Adverbial nur 93
Kaufmann ( 1995a:241 ff) diskutiert solche Beispiele.
80 dann voll akzeptabel ist, wenn der Agens, soweit vorhanden, bis zum Ende der Zustandsänderung, also dem Beginn des Nachzustands, ins Ereignis involviert ist. Genau das ist bei anstreichen (Lex. 14) und fällen (Lex. 15), 94 nicht aber bei niederbrennen2 (Lex. 16) der Fall: 95 anstreichen·. E-STR:
xnom, yakk (->i e 1 ^ 01 -^]: xAGENSjPATIENS)
e2[+DUR]:
i e 1 [+DUR] : xAGENSjPatiens) < (_>.j e 2 [ + P K T l: yPATIENS) < (-J.J
z:
yPATIENS)
Lex. 15: Ereignisstruktur von fällen. niederbrennen ι : y n o m E-STR: (->1 e 1 t + D U R l : yPATIENS) < (-»j 2 ; yPATIENS) niederbrennen2'. x nom , y akk E-STR: (->1 e 1 [ +PKT l: χAGENS yPATIENS) < (-»j e 2[+DUR] ; yPATIENS) < (—>1 z: yPATIENS)
Lex. 16: Ereignisstruktur von niederbrennen. Agens beim "bleiben"-Passiv: Neben dem in Kapitel 2.2.2 schon besprochenen mit sein gebildeten Zustandspassiv kennt das Deutsche eine weitere Passivkonstruktion, und zwar die mit bleiben.96 Das A/e/¿e«-Passiv kann wie auch das sem-Passiv von Verben gebildet werden, bei denen ein resultierender Zustand in der Verbbedeutung angelegt ist, wie in (96a, 96b) vs. (96c, 96d). Ausgeschlossen ist es allerdings bei irreversiblen Zuständen wie in (96e, 96f): 97 94
95
96 97
Insofern punktuelle Ereignisse als Ereignisse von sehr kurzer Dauer charakterisiert sind (s. Kap. 6.3.3), ist der Agens bei fällen genaugenommen nur bis kurz vor dem Einsetzen des Nachzustands, also dem Liegen des Baums, beteiligt; dieser kurze Moment ist aber offenbar nicht relevant. In welchem Maße diese Eigenschaften durch die Verbbedeutung festgelegt sind und in welchem Maße durch den Kontext, ist dabei von Fall zu Fall verschieden. In begrenztem Maße lassen sich etwa für niederbrennen auch Beispiele konstruieren, die eine nicht-punktuelle Agenshandlung beinhalten: durch ständiges Anfachen des Feuers brannten sie das Haus in drei Stunden nieder. Dieser Abschnitt basiert auf Engelberg ( 1994a:40fï). Diese Restriktion muß sicherlich noch strenger formuliert werden, bzw. müßte erklärt werden, in welchem Sinn in (i) und (ii) reversible und in (iii) und (iv) irreversible Zustände vorliegen: (i) die Tür blieb geschlossen (ii) die Seile blieben verknotet (iii) -der Wagen blieb repariert (iv) -das Geschirr blieb gespült
81 (96)
a. die Straße bleibt gesperrt
die Straße ist
b. die Kaserne bleibt bewacht
die Kaserne ist
bewacht
c. ^der Professor
^der Professor
ist geduzt
d.
bleibt geduzt
gesperrt
??
Freundin bleibt gequält
die Freundin ist gequält
e.
?
Vi'e Brücke bleibt gesprengt
die Brücke ist
gesprengt
f.
?
V / e Akten bleiben vernichtet
die Akten sind
vernichtet
Auf das für dieses Kapitel relevante Phänomen im Zusammenhang mit dem bleiben-Passiv machen Höhle (1978:40f) und Lenz (1993b: 10) aufmerksam: Während einige Verben in b leiben -Konstruktionen eine Agensphrase erlauben, ist diese bei anderen Verben, die ein einfaches bleiben-Passiv erlauben, ausgeschlossen. (97)
a. die Fabrik blieb (von den Arbeitern)
besetzt
b. das Haus blieb (vom Sicherheitsdienst) c. die Straße blieb (von der Polizei) d. der Strom blieb Çvom Ε-Werk)
bewacht
gesperrt abgeschaltet
e. die beiden blieben (??vom Standesbeamten) f. die Tür blieb ( ' ? v o n Kurt)
verheiratet
geschlossen
g. der Tänzer blieb (??vom Garderobier)
angezogen
h. die Akten blieben (??von Müller) alphabetisch
sortiert
Während Höhle (1978:41) sich über die Gründe für diese Beschränkungen im Unklaren ist, vermutet Lenz (1993b), daß es durative Veiben sind, die im Gegensatz zu nicht-durativen im bleiben-Passiv eine Agensphrase erlauben. Das scheint insofern nicht richtig, als sich auch unter den Verben, die keine vow-PP zulassen, solche wie in (97g) und (97h) finden, die im Aktivsatz Ereignisse von Dauer bezeichnen. Vielmehr gilt, daß der resultierende Zustand vom Handlungsagens kontrolliert werden muß. Während in (97e) der Standesbeamte zwar den Nachzustand des Verheiratetseins herbeiführt, hat er auf dessen Aufrechterhaltung keinen Einfluß, im Gegensatz zu (97c), wo die Polizei nicht nur die Straßensperrung herbeigeführt hat, sondern auch die Dauer der Sperrung kontrolliert. Es gilt also, daß Verben wie sperren, bei denen der Nachzustand vom Agens kontrolliert ist (98a), eine Agens-Phrase im bleiben-Passiv erlauben, ebenso wie Verben, die wie bewachen die Aufrechterhaltung eines Zustandes parallel zur Agenshandlung ausdrücken (98b). (98) a. E-STR: b. E-STR:
... < ( - > i z: xAGENS; yPATIENS)
(z.B. sperren,
...o(->lZ:xAGENS;yPATIENS)
(z.B. bewachen,
besetzen) bedrohen)
Dabei ist auch hier anzumerken, daß die Zustandskontrolle, wie bei bewachen, lexikalisch impliziert sein kann oder, wie bei abschalten in (97d), kontextuell erschlossen wird. Prospektivadverbial. Durch für eingeleitete temporale Präpositionalphrasen geben typischerweise die Dauer eines Nachzustands an. 98 Solche 'Prospektivadverbiale'99 können jedoch nicht mit allen Nachzustandsverben auftreten: 98
99
Die Darstellung in Engelberg (1994a:27), an die sich dieser Abschnitt zum Prospektivadverbial anlehnt, basiert auf umfangreichen Textkorpusanalysen zur für- PP. Der Name Prospektivadverbial' soll festhalten, daß es sich auf den Nachzustand, also auf eine nach der eigentlichen Ereigniszeit liegende Phase bezieht.
82 (99)
a. die Arbeiter besetzten die Fabrik für eine Stunde b. die Polizei sperrte die Straße für eine Stunde c. Bernard verließ Botswana für einige d.
??
Wochen
s/e aß den Apfel für eine Stunde
e. ^sie putzte den Flur für eine Stunde f.
??
si'e verlor den Schlüssel für einige
Stunden
Von den Fällen in (99) zu unterscheiden ist eine andere temporale Lesart der für-PP. Anders als in (99) gibt die für-PP in (100) nicht die Dauer des Nachzustandes an, sondern die Länge der Zeit, in der das Bestehen des Nachzustands der Erfüllung eines bestimmten Zwecks dient. So beinhaltet (99b), daß die Sperrung nach einer Stunde aufgehoben wurde, aber weder meint (100a), daß das Haus nach fünf Jahren zusammenbricht, noch (100b), daß das Motorrad am Abend wieder schmutzig ist. Die finale für-PP in (100) und die prospektive in (99) sind also auseinanderzuhalten.100 (100) a. sie bauten ein Haus für die fünf Jahre, die sie in Duisburg bleiben b. sie putzte das Motorrad für den heutigen
wollten
Nachmittag
Hinsichtlich der Restriktionen für das Auftreten des Prospektivadverbials wurde angenommen, daß die durch die für-PP modifizierten Nachzustände reversibel sein müssen.101 Das erklärt allerdings nur die Unakzeptabilität von (99d), nicht aber die von (99e) und (99f). Tatsächlich haben wir es hier mit ähnlichen Restriktionen zu tun wie denen für das Auftreten der Agens-Phrase beim bleiben-Passiv. Ein Prospektivadverbial kann nur dann auftreten, wenn der Agens den Nachzustand kontrolliert. Genau das ist in (99a) der Fall, wo die Fabrik solange besetzt ist, wie die Arbeiter sie besetzt halten, in (99b), wo die Polizei die Dauer der Sperrung unter Kontrolle hat, und in (99c), wo davon auszugehen ist, daß Bernard seinen Aufenthaltsort, in oder außerhalb Botswanas, selbst bestimmen kann. Zweistellige, agentische Verben mit einer Ereignisstruktur wie in (101a) erlauben also im Gegensatz zu solchen vom Typ (101b) ein Prospektivadverbial:102 ( 101 ) a. E-STR:
... < ( - ^ z: xAGENS, yPATIENS)
(z.B. sperren(x,y), besetzen(x,y), b. E-STR: . . . < ( - • ! * : yPATIENS) (z.B. essen(x,y),
verlieren(x,y),
verlassen(x,y)) töten(x,y))
Zwei Anmerkungen sind zu dieser Analyse zu machen. Die erste betrifft die Möglichkeit agensloser, intransitiver Nachzustandsverben, durch die für-PP modifiziert zu werden: ( 102) a. der See fror für einen Monat zu b. der Schatz verschwand für Jahrhunderte
100
101
102
(aus Kaufmann 1995a:246) unter einem
Trümmerhaufen
Unter bestimmten Bedingungen tritt die für-PP außerdem auch mit einfachen durativen oder Zustandsverben auf; auch Substantive vom Stage-Level-Typ erlauben für-PPs ( K a i s e r für drei Wochen)·, vgl. dazu Engelberg (1994a:28f). Das nimmt etwa Pustejovsky (1991:74) fürs Englische an, wo das Prospektivadverbial (he left the house for twenty minutes) und das Zeitdaueradverbial (he jogged for twenty minutes) die beiden Lesarten der for-PP konstituieren; auf diese Ambiguität der for-PP im Englischen hatte bereits Morgan ( 1969:61 ) hingewiesen. Auch hier gilt, daß die Nachzustandskontrolle auch kontextuell erschlossen sein kann, wie in sie schob die Arbeit für eine halbe Stunde beiseite.
83 Ähnlich wie bei der Diskussion des Zeitspannenadverbials im vorletzten Abschnitt gelten die angeführten Bedingungen nur für den Fall, daß ein Agens vorhanden ist. Dabei war das Auftreten eines Zeitspannenadverbials dahingehend beschränkt, daß der Agens über die gesamte Ereignisdauer bis zum Eintreten des Nachzustands in das Ereignis involviert sein muß, während für das Prospektivadverbial gilt, daß er bis zum Ende des Nachzustands am Ereignis kontrollierend beteiligt sein muß. Die zweite Bemerkung betrifft die Art des Einflusses, die der Agens auf den Nachzustand haben muß. Die Identität der Restriktionen für das Prospektivadverbial und der für den Agens beim bleiben-Passiv sagt voraus, daß sich jedes Verb gleich bezüglich der beiden Phänomene verhalten sollte. Das ist meistens (103), aber nicht immer (104) der Fall: (103) a. sie besetzten die Fabrik für zwei
Stunden
b. die Fabrik blieb von ihnen besetzt (104) a. Kurt Schloß die Tür für fünf b. ? V i e Tür blieb von Kurt
Minuten
geschlossen
Die Bedingungen für die Agens-Phrase beim bleiben-Passiv scheinen insofern strenger, als der Agens den Resultatszustand über die ganze Zeit hinweg aktiv kontrollieren muß, während es für das Prospektivadverbial genügt, wenn die Dauer des Nachzustands intendiert ist und bei Beginn des Nachzustands davon auszugehen ist, daß der Nachzustand vom Agens revidiert werden kann oder er dessen Revision zumindest miteinkalkuliert hat. So impliziert Satz (104a), daß entweder i) im Fall, daß das Schließen-Ereignis schon länger als fünf Minuten vor der Sprechzeit liegt, Kurt die Tür tatsächlich nach fünf Minuten wieder geöffnet hat, oder ii) im Fall daß das Schließen-Ereignis erst kurz vor der Sprechzeit liegt, Kurt selbst die Tür nach Ablauf der fünf Minuten wieder öffnen wird, oder er davon ausgeht, daß jemand anders die Tür nach fünf Minuten wieder öffnen wird. 1 0 3 Implikationen beim Zustandspassiv: Das schon in Kapitel 2.2.2 besprochene Zustandspassiv bezeichnet einen in der Verbbedeutung angelegten Zustand, der Ergebnis des verbalen Ereignisses ist. Das Verhältnis zwischen dem Zustand und diesem Ereignis ist abhängig von der Verbbedeutung, und die entsprechenden lexikalischen Unterschiede schlagen sich in dem Inferenzverhalten der passivischen Sätze nieder: 1 0 4 ( 1 0 5 ) a . [der Wagen ist repariert (von jmdm.)
—>
b. -—¡[der Wagen ist repariert (von jmdm.) -> (106) a. -¡[die Bank ist bewacht (von jmdm.) b. [die Bank ist bewacht (von jmdm.)
103
104
jemand hat den Wagen
repariert]
jemand repariert {gerade) den Wagen]
—>
jemand hat die Bank
—>
jemand bewacht (gerade) die Bank]
bewacht]
Es sei nicht verschwiegen, daß eine Gruppe von Verben sich nach wie vor dieser Analyse entzieht; so gibt es bei Ortswechselverben fast bedeutungsgleiche Paare, bei denen das eine Verb mit einem Prospektivadverbial deutlich unakzeptabler ist als das andere: (i) er ging ins Museum für eine Stunde vs. ? ? er betrat das Museum für eine Stunde (ii) er verließ Berlin für zwei Wochen vs. ??er fuhr aus Berlin für zwei Wochen ab Man mag annehmen, daß abfahren im Gegensatz zu verlassen eher eine nachfolgende Aktivität (das Fahren) als einen Nachzustand beinhaltet, aber das Beispiel (i) läßt sich so nicht erklären. Über die Akzeptabilität der von-Phrase in den Beispielen (105) bis (107) besteht Uneinigkeit; sie soll hier auch lediglich andeuten, daß es sich um agentivische Verben / Verbvarianten handelt, genauer, um solche, die einen Agens und einen Patiens valenzfordern.
84 (107) a. [die Straße ist blockiert (von jmdm.) b. [die Straße ist blockiert (von jmdm.)
—> ->
jemand hat die Straße blockiert] jemand blockiert {gerade) die Straße]
Während aus dem Zustandspassiv von reparieren also der perfektische, nicht aber der präsentische Aktivsatz folgt, läßt das Zustandspassiv von bewachen die Folgerung auf den präsentischen, nicht aber den perfektischen Aktivsatz zu, und aus dem Zustandspassiv des agentivischen blockieren folgen beide Aktivsätze. Diese Folgerungen spiegeln unterschiedliche Relationen in den Ereignisstrukturen der jeweiligen Verben wieder. So konstituiert reparieren ein typisches duratives Nachzustandsverb (108a), bewachen referiert dagegen auf eine Handlung, die dazu dient, etwas in einem bestimmten Zustand des Geschütztseins, Gesichertseins zu halten (108b), und blockieren schließlich bezeichnet eine Handlung, die zu dem Nachzustand des Blockiertseins führt, welcher aber, im Gegensatz zu reparieren, von dem Handlungsagens kontrolliert wird (108c): Wird eine Straße von Demonstranten blockiert, so bleibt sie solange blockiert, wie die Demonstranten den Blockadezustand aufrechterhalten. 105 (108) a. E-STR: ... < (->i z: yPATIENS) b. E-STR: ... o (->[ ζ: χAGENS^ yP ATIENS) c. E-STR: ...iz: XAGENS; yPATIENS)
(zB. reparieren) (z.B. bewachen) (zB. blockieren)
Zusammenfassung·. In diesem Kapitel wurde gezeigt, daß das Auftreten einer Reihe von Phänomenen abhängt von temporalen Relationen zwischen Teilereignissen und der Involvierung von Ereignispartizipanten in einzelne Teilereignisse: • Die temporalen Relationen zwischen verursachendem und verursachtem Teilereignis bestimmen, welche Implikationen von kausalen Sätzen im Progressiv auf die entsprechenden nicht-kausalen Sätze im Progressiv gelten. • Die kontinuierliche Einbindung des Agens in das Ereignis bis zum Eintreten des Nachzustands bestimmt die Zulässigkeit von m-Adverbialen bei Nachzustandsverben, während die kontrollierende Beteiligung des Agens am Nachzustand selbst das Auftreten von Prospektivadverbialen und von präpositionalen Agens-Phrasen beim bleiben-Passiv lizenziert. • Die zeitliche Einordnung eines verbspezifischen Zustande, entweder als parallel zur Agenshandlung oder als der Agenshandlung nachfolgend, erklärt, warum bestimmte Folgerungen von Sätzen im Zustandspassiv auf entsprechende aktivische Sätze möglich sind.
105
Auf ähnliche Fälle macht Rodenbusch (1907:125) aufmerksam: so sei der Schnee deckte die Erde dreifach ambig zwischen der Lesart (i) 'der Schnee deckte sie vollständig zu' (in Vendlers Termini ein Accomplishment), (ii) 'der Schnee deckte sie immer mehr zu' (in Vendlers Termini eine Activity) und (iii) 'die Erde war von einer Schneedecke bedeckt', also einer Nachzustandslesart, wie sie auch bei blockieren vorliegt. Auch hier bezeichnet ein Verb also sowohl den Prozeß des Herbeifiihrens eines bestimmten Resultats als auch das Resultat selbst.
3
Argumentstruktur
3.1
Prädikat-Argument-Strukturen
3.1.1 Thematische Argumente Prädikate und Argumente: Nach der verbreitetsten Grundannahme verbsemantischer Theorien sind Verben als Prädikate zu repräsentieren, die über eine Liste von Argumentstellen verfugen, welche durch Argumentvariablen (xj, x 2 , ...) einer Prädikatskonstante (KAUF, ESS, GEH,. . .) repräsentiert werden. Die intuitive Idee hinter Prädikat-ArgumentStrukturen ist, daß Argumente bestimmten Entitäten entsprechen und Prädikate Eigenschaften dieser Entitäten oder Relationen zwischen Entitäten beschreiben. Prädikate unterscheiden sich dabei in ihrer Stelligkeit, d.h., sie können unterschiedlich viele Argumente fordern: P(x), Q(xi,x2>, R(xi,...,xn). Die Anzahl der Argumentstellen eines bestimmten Prädikats ist allerdings fest und somit charakteristisch für dieses Prädikat. Gemeinhin wird davon ausgegangen, daß die den Argumenten entsprechenden Entitäten in verschiedener Weise in das durch das Verb bezeichnete Ereignis involviert sind. Solche Argumente sollen hier thematische Argumente genannt werden, in Gegenüberstellung zu den später zu besprechenden Ereignisargumenten (Kap. 3.1.3). Die Anzahl der Argumente·. Insofern als Prädikate hier zur Repräsentation von natürlichsprachlichen Ausdrücken herangezogen werden, stellt sich natürlich die Frage, wie eine den sprachlichen Daten gerecht werdende Entscheidimg über die Anzahl der Argumente eines verbalen Prädikats getroffen werden kann. Das Problem der Stelligkeit von Prädikaten ist innerhalb der Linguistik vor allem in der Valenztheorie diskutiert worden, hier aber vor allem als Frage nach der Anzahl und Art der vom Veib geforderten syntaktischen Ergänzungen. Die Arbeit von Jacobs (1987/1994:33fl) hat allerdings gezeigt, daß der Begriff 'Argument' zwar in regelhaften Zusammenhängen steht mit solchen Einheiten wie der syntaktisch spezifizierten Valenzstelle, der inhaltlich spezifizierten Valenzstelle, der notwendigen Ergänzung oder der des Ereignisbeteiligten, aber keinesfalls mit einer davon gleichgesetzt werden kann, auch nicht in dem Sinne, daß jedem Argument ein Element auf einer der anderen Ebenen zugeordnet werden kann und umgekehrt (s. Kap. 3 .2.2).1 Eine Präzisierung dessen, was als Argument eines Prädikats aufzufassen ist, sollte zum einen unsere Intuition spezifizieren, warum ein Verb wie warten genau zwei eng mit ihm verbundene semantische Stellen hat, und zwar die, die in (la) realisiert sind, im Gegensatz zu der temporalen und lokalen Phrase in (lb). Eine Bemerkimg zur Terminologie: "Komplemente' oder "Ergänzungen' (der in der deutschen Valenztheorie übliche Terminus) sind Ausdrücke, die syntaktischen Valenzforderungen eines Verbs (oder eines anderen Lexems) genügen. Ein Komplement' sättigt eine syntaktische Valenzstelle des Verbs; ein 'Adjunkt' oder - wie es in der Valenztheorie genannt wird - eine '(freie) Angabe' tut dies nicht. Den •Komplementen' entsprechen auf semantischer Ebene 'Argumente', die den semantischen Valenzforderungen eines Verbs genügen. Ein 'Argument' sättigt eine Argumentstelle, also eine semantische Valenzstelle des Verbs. Ein "Modifikator' als semantische Entsprechung des 'Adjunkts' tut dies nicht.
86 (1)
a. Rebecca •wartet auf Jamaal b. Rebecca wartet seit vier Uhr an der
Haltestelle
Zum anderen sollte eine solche Präzisierang uns Kriterien an die Hand geben, nach denen wir problematische Fälle entscheiden können, wie etwa die Frage, ob die unterstrichenen Konstituenten in (2) auf Argumente zurückzuführen sind oder nicht. (2)
a. Dirk trägt das Fahrrad in den Keller b. sie stellt den Honig in den Schrank c. er wohnt in
Ottmarsbocholt
d. sie trägt ihm das Fahrrad e. er spielt mit seinen Freunden
Um diese Fragen zu entscheiden, können Überlegungen zum Argumentstatus auf verschiedenen Ebenen angestellt werden: • Es wird nach systematischen Korrelationen zwischen vermeintlichen Argumenten und Form und Verhalten der den Argumenten entsprechenden Konstituenten auf der syntaktischen Ebene gesucht. • Es wird gezeigt, in welcher Hinsicht die Entscheidung über den Argumentstatus von den Bedingungen der kompositioneilen semantischen Verarbeitung von Verbbedeutungen abhängt. • Es werden Überlegungen angestellt zum semantischen Status von Argumenten und ihren Beziehungen zum Prädikat. Ich werde in den folgenden Abschnitten auf verschiedene solcher Versuche eingehen, den Status von Argumenten und damit die verbspezifische Argumentanzahl zu bestimmen. Argumente und Phrasen·. Zunächst muß festgestellt werden, daß alle Versuche scheitern, den Argumentstatus an die Obligatheit seines syntaktischen Ausdrucks zu knüpfen. So können Einheiten, denen intuitiv Argumentstatus zukommt, syntaktisch unausgedrückt bleiben (3a,b). Wir müssen sogar syntaktisch unrealisierbare Argumente konzedieren, wollen wir dem Gegenstand einer Handlung wie zuschlagen (3c) oder zufassen Argumentstatus zubilligen. Darüber hinaus können syntaktische Phrasen, die Argumente ausdrücken, unter Diathesen ihren Obligatheitsstatus verlieren. So realisiert die Subjekt-NP in einem Aktivsatz unzweifelhaft ein Argument des Verbs. Dieses Argument ist im entsprechenden Passivsatz, ausgedrückt als vo«-PP, dagegen fakultativ (3d). (3)
a. b. c. d.
sie wartet (auf Jamaal) sie ißt (ein Honigbrötchen) *weil sie Jamaal zuschlägt der Antrag wurde (von der Behörde)
abgelehnt
Weiterhin sind Argumente bekanntlich bei ihrer syntaktischen Realisierung nicht verbunabhängig auf Ausdrücke bestimmter Kategorien festgelegt. So sind Argumente weder auf NPs beschränkt (4a,b), noch realisieren NPs notwendigerweise Argumente (4c,d): (4)
a. b. c. d.
sie wartet auf Jamaal sie hofft, daß er kommt sie wartet den ganzen Taz schlaf mir nicht ein!
87 Der Akkumulierbarkeitstest: Operationale Verfahren, die zur Ermittlung von Argumenten geeignet sein könnten, indem sie auf - so Jacobs (7987/1994:17) - "natürlichsprachliche Korrelate der Argumenthaftigkeit" verweisen, sind vor allem in der Valenztheorie im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Ergänzungen und freien Angaben diskutiert worden. Diese Diskussion über die Adäquatheit und Probleme der verschiedenen Ausgliederungs- und Substitutionsverfahren soll hier nicht in aller Vollständigkeit wiederholt werden.2 Ich möchte lediglich einige der interessanteren Verfahren diskutieren. So erscheint das in der traditionellen Valenztheorie angeführte Kriterium der Nichtakkumulieibarkeit von Ergänzungen als vermeintliches syntaktisches Korrelat der Argumenthaftigkeit. Demnach erhöhen Ergänzungen, nicht aber Angaben die syntaktische Komplexität des Ausdrucks und erlauben somit keine Rekursivität (Fourquet / Grunig 1971:15).3 Die Akkumulation von Lokativangaben wie in (5a) ist damit grammatisch, nicht aber die des Themaarguments in (5b): (5)
a. sie ißt am Tisch in der Küche in ihrer neuen Wohnung b. ißt die Pizza das große Stück die Spezialität
Beschränkt wird die Akkumulieibarkeit von Konstituenten dadurch, daß diese in einem inhaltlichen Verhältnis zunehmender Spezifität, wie in (5a) im Gegensatz zu (6a), stehen müssen (Jacobs 1987/1994:61). Spezifizierbarkeit allein lizenziert Akkumulation von Konstituenten allerdings nicht. So ist (6b) trotz des Spezifikationsverhältnisses ungrammatisch. (6)
a. ?? sie ißt in einer Kneipe in einem Restaurant b. -er wurde vom Aufsichtsrat vom stellvertretenden Vorsitzenden eingeladen (aus Jacobs 1987/1994:62)
Was ist also die zusätzliche Bedingung für Nichtakkumulierbarkeit? Wie Jacobs (7987/1994:62) gezeigt hat, ist es nicht die Argumenthaftigkeit der Konstituente 4 Vielmehr sind solche Konstituenten nicht akkumulierbar, die in einer Relation der Beteiligtheit zum Verb stehen, d.h., wenn sie Mitwirkende oder Betroffene des Verbereignisses bezeichnen und nicht Entitäten, die dieses Ereignis in lokale, kausale, temporale, finale oder ähnliche Zusammenhänge einordnen. Argumentstatus können aber, wie wir noch sehen werden, auch nicht-beteiligte Einheiten haben. Beteiligtheit und Argumenthaftigkeit sind also unabhängig voneinander. Damit erklärt sich im Übrigen auch die Beobachtung Beckmanns (1994a: 121), daß Instrumentalphrasen im Gegensatz zu lokalen Adjunkten nicht akkumulierbar sind, z.B.: *er schneidet den Käse mit dem Küchengerät mit der
Einen guten Überblick über diese Diskussion geben etwa Biere (1976), Heibig (1982:24fi), Jacobs (1987/1994) und v.a. Starrer (1992:54ff). Diese Behauptung entspricht in etwa der Annahme in der Prinzipien- und Parameter-Theorie, daß Adjunkte das Bar-Level der Konstruktion unverändert lassen (vgl. Radfords 1988:232 "Adjunct Rule"). Auch Grammatiktheorien wie die LFG (Bresnan 1982b:164f) und HPSG (Pollard / Sag 1987:134) basieren ihre Unterscheidung von Komplementen und Adjunkten auf dem Akkumulierbarkeitskriterium, wobei in Pollard / Sag (1987:135) der syntaktische Komplementbegriffmit dem semantischen Begriff des Arguments l:l-korrespondieit. In der Nachschrift in Jacobs (¡987/1994:72) wird allerdings ein gewisser Einfluß von Argumenthaftigkeit auf die Akkumulierbarkeit eingeräumt.
88 Brotmaschine. Während instrumentale Phrasen keine Argumente des Verbs sind, so sind Instrumente doch am Ereignis unmittelbar beteiligt und somit nicht akkumulierbar. Andere syntaktische Kriterien, wie etwa die von Pollard / Sag (1987:132ff) angeführte Beschränkung, daß argumentrealisierende Komplemente näher am Verb stehen als freie Angaben, oder die Annahme, daß die relative Ordnung von Adjunkten zueinander, nicht aber die von Komplementen semantisch relevant ist, werden schon von den Autoren selbst als brauchbares Abgrenzungskriterium in Frage gestellt. Das Problem einer syntaktisch basierten Argumentbestimmung'. Es scheint also schwierig, eindeutige syntaktische Korrelate der semantischen Argument-Modifikator-Unterscheidung zu finden.5 Aber selbst wenn sich syntaktische Phänomene finden ließen, 6 die eine Zweiteilung der zwischen Verben und ihren Dependenzien bestehenden syntaktischen Relationen in Komplemente und Adjunkte erforderten, so ließe dies immer noch nicht den Schluß auf ein semantisches Korrelat dieser Zweiteilung zu. Nicht alle syntaktischen Differenzierungen spiegeln auch semantische Unterscheidungen wider. So korrespondiert mit der syntaktischen Unterscheidung zwischen NPs und PPs keine prinzipielle semantische Unterscheidung. Ein Verb kann einen Ereignisbeteiligten wie denjenigen, auf den man wartet in (7), in der einen Sprache als NP und in der anderen als PP realisieren; gleiches gilt etwa für eine Zeitdauerangabe wie in (8). Einen Bedeutungsunterschied zwischen (7a) und (7b) bzw. (8a) und (8b) ergibt sich aus der PP-NP-Unterscheidung nicht. (7)
a. she is waiting pp{for the postman] b. periménei >jp[ton tachidròmo] (Neugriechisch) 'warten'-3 SG-PRES [DET-AKK-SG Briefträger'-AKK-SG]
(8)
a. she was waiting pp [for two hours] b. sie wartete js¡p[z>vei Stunden]
Genuin semantische Begriffe wie der des Arguments müssen also zunächst eine semantische Begründung über semantische Phänomene finden. Erst die Qualität dieser Begründung bestimmt das Erklärungspotential für mögliche syntaktische Echos. Ich werde im Folgenden also versuchen, semantische Eigenschaften zu finden, die eine Unterscheidung von Argumenten und Modifikatoren ermöglichen. Der "geschehen"/"tun"-Test:: Ein semantisch interessantes operationales Verfahren, das geeignet erscheint, zur Ermittlung des Argumentstatus beizutragen, ist der geschehen/tunTest. 7 Demnach sind genau die Konstituenten, die ein Argument realisieren, nicht in einen geschehen/tun-Satz ausgliederbar:8
5
6
7
Angesichts der Tatsache, daß eine solche Korrelation den meisten gängigen Syntaxtheorien zugrundeliegt, stellen sich Prinzipien und Generalisierungen, die darauf basieren, in Frage; vgl. etwa Beckmann ( 1994a: 119ff) zur Prinzipien-und-Parameter-Theorie (Adjunct-IslandConstraint, Bindungstheorie), Jacobs (7987/1994:63) zur LFG (Biuniqueness Condition). Daß es keine eindeutigen syntaktischen Korrelate gibt, soll nicht heißen, daß es keine Zusammenhänge zwischen syntaktischen Phänomenen und Argumenthaftigkeit gibt. So stellt Jacobs (7957/1994:64) fest, daß ein Verb nur dann Forderungen an die Form eines seiner Begleiter stellt (z.B. Kasusforderungen), wenn dieses ein semantisches Argument des Verbs ist. Vgl. z.B. Eroms (1981:33ñ), Heibig (1982:29); ein ähnliches Verfahren stellt Conrad (1978:lOOf) vor: Demnach fragt Was tut/macht ...? nach einem Prädikat einschließlich seiner
89 (9)
a. Rebecca wartet an der Haltestelle auf Jamaal b. *Rebecca wartet an der Haltestelle, und das tut sie / geschieht aufJamaal c. Rebecca wartet auf Jamaal, und das tut sie / geschieht an der Haltestelle
Demnach realisiert die fakultative PP auf Jamaal, nicht aber die fakultative lokale PP an der Haltestelle ein Argument von warten. Auf gleiche Weise zeigt der Test auch die Nichtargumenthaftigkeit von fakultativen Modal- und Temporalbestimmungen auf. Wenden wir diesen Test auf die problematischen Fälle in (2) an, so erweisen sich zunächst sowohl die fakultative Direktionalangabe in (10a) als auch die obligatorische Direktionalangabe in (10b), die obligatorische Lokalangabe in (10c) und der benefaktive Dativ in (lOd) als Argumente, 9 während die Komitativ-Phrase in (10e) zumindest gemäß des tunTests ein Modifikator ist. 10 (10) a. b. c. d. e.
*Dirk trägt das Fahrrad, und das tut er / geschieht in den Keller *sie stellt den Honig, und das tut sie / geschieht in den Schrank *er wohnt, und das tut er / geschieht in Ottmarsbocholt *sie trägt das Fahrrad, und das tut sie / geschieht ihm er spielt, und das tut er mit seinen Freunden / ??geschieht mit seinen Freunden
Der Wert operationaler Verfahren liegt nun bekanntlich nicht darin, daß sie uns eine Theorie über die in Frage stehenden Phänomene liefern könnten. Vielmehr lassen solche Verfahren, die zu interessanten oder intuitiv plausiblen Unterscheidungen fuhren, die Vermutung zu, daß sich über die Betrachtung der sprachlichen Operation, die das Verfahren konstituiert - in diesem Fall die Adjunktion an das Verb geschehen - interessante theoretische Lösungswege für die untersuchten Phänomene auftun. An der Subjektposition nimmt geschehen einen ereignisbezeichnenden Ausdruck, auf den sich die in den Adjunktpositionen von geschehen befindlichen Phrasen beziehen. In dieser Hinsicht ist der geschehen-Test für den Veraibeitungsaspekt von Argumenten und Modifikatoren interessant, da er mit Annahmen über die Bedeutung solcher PPs wie an der Haltestelle (9) in der Hinsicht korrespondiert, daß solche Adverbiale Prädikationen über Ereignisse sind. Das wird in Kapitel 3.1.3 noch ausgeführt. Direktionalphrasen wie in den Keller in (2a) können dagegen nicht als ausgegliederte Ereignisprädikationen verstanden werden und müssen - auch aus Gründen, die im nächsten Abschnitt noch angesprochen werden - als verbale Argumente aufgefaßt werden.
8
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Argumente. Die Frage selbst kann demnach nur von freien Adverbialbestimmungen begleitet sein: (i) Hans hielt gestern abend einen Vortrag. Was machte / tat Hans gestern? (ii) Hans fährt nach Moskau? *fVas machte / tat Hans nach Moskau? Es gibt neben dem geschehen/tun-Test noch andere Ausgliederungsverfahren, wie z.B. den undTvrar-Test, der allerdings nicht als Kriterium für Argumenthaftigkeit zu verwenden ist (vgl. dazu Jacobs /0S7/1994:18). Auch agentive von-Phrasen in passivischen Sätzen ermittelt der Test als Argumente gegenüber den fast bedeutungsgleichen durch-Phrasen, die demnach Modifikatoren sind (Eroms 1981:49): (i) Karl wurde bei der Arbeit gestört;??das geschah von den Kindern (ii) Karl wurde bei der Arbeit gestört; das geschah durch die Kinder Auf das davon abweichende Ergebnis des geschehen-Tesls gehe ich weiter unten noch ein.
90
Das Implikationskriterium·. Ein häufig angeführtes semantisches Kriterium der Argumenthaftigkeit besagt, daß für diejenigen Entitäten Argumentvariablen angesetzt werden müssen, die durch die Verbbedeutung impliziert sind.11 So folgt etwa aus Dieter ißt der Satz Dieter ißt etwas, weshalb gemäß dem Implikationskriterium die durch die AkkusativNP realisierte Stelle Argumentstatus hat. Ein Problem dieses Kriteriums liegt darin, daß gewöhnlich bei Verben (warten, essen, schlafen, etc.) auch ein Situationsort und eine Situationszeit notwendigerweise mitverstanden werden, wir aber lokale und temporale Konstituenten intuitiv nicht als Argumente ansehen möchten (Jacobs 7987/1994:18). Nun wird in der klassischen Valenztheorie davon ausgegangen, daß solche "freien Angaben" ohnehin jedem Verb hinzugefügt werden können (z.B. Ballweg-Schramm et al. 1976:19, Schumacher et al. 1981:145). Demnach könnte man ihnen den Argumentstatus mit der Begründung absprechen, daß sie nicht verbspezifisch sind. Daß dem nicht so ist, ist allerdings verschiedentlich beobachtet worden (z.B. Stepanowa / Heibig 1978:150): (11) a. *er beherrscht mehrere Fremdsprachen im Garten b. "er kennt auf dem Flughafen seinen Freund
Wollen wir also nicht alle lokalen, temporalen und modalen Bestimmungen als Argumente auffassen, scheidet dieses Kriterium zur Ermittlung der Argumenthaftigkeit aus.12 Wir werden darüber hinaus noch sehen, daß man aus anderen Gründen auch nicht-implizierten Stellen, wie etwa benefaktiven Dativen, Argumentstatus zubilligen möchte.13 Das Rollen-Kriterium·. Ein weiteres Kriterium besagt, daß die semantische Rolle, die ein Argument spielt, durch das Verb bestimmt sein muß.14 So sind etwa die beiden Argumente von essen durch das Verb als Agens und Patiens spezifiziert. Anders sieht die Lage bei wohnen aus: Jacobs (/PS7/1994:18f) bemerkt, daß die notwendige Ergänzung bezüglich ihrer semantischen Rolle nicht festgelegt ist und neben lokalen auch verschiedene andere Arten modifizierender Ausdrücke zuläßt:
11
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Davidson (79S5/1986:232f) vertritt diese Auffassung im Zusammenhang mit der Diskussion von Adverbialen als Ereignisprädikaten. Ähnliche Argumentationen lassen sich auch für andere Typen von Verbbegleitem führen. So ist ftlr die Lesart von schlagen in (i) sicherlich ein Instrument impliziert, aber auch fiiir (ii) läßt sich nicht bestreiten, daß Augen als Instrumente zum Sehen mitverstanden sind, worauf man sich schließlich auch in (iii) darauf einigen könnte, daß ohne Beteiligung eines Gedächtnisses kein Erinnern möglich sei. Unseren Intuitionen über den Argumentbegriff kommt man über solche Implikationen aber wohl nicht näher. (i) er schlug den Nagel in die Wand (mit einem Hammer) (ii) er betrachtete den Nagel in der Wand (mit seinen wachen Augen) (iii) er erinnerte sich an den Nagel in der Wand (mit seinem guten Gedächtnis) Dazu kommt, daß in vielen Fällen nicht leicht zu entscheiden ist, ob bestimmte Entitäten durch die Verbbedeutung impliziert sind (vgl. die Beispiele in Kamp / Roßdeutscher 1992:44ff). Bei schreiben etwa hängt es von der Besetzung der Objektstelle ab, ob ein Rezipient impliziert ist. In (i) ist der Rezipient auch bei Nichtrealisierung des Dativs mitverstanden, in (ii) wohl nicht: (i) sie schrieb (jemandem) einen Brief (ii) sie schrieb (jemandem) ein Gedicht Vgl. etwa Jacobs (7987/1994:19); auch Pollard / Sag (1987:134) und Dowty (1991:577) fuhren an, daß der semantische Beitrag von Adjunkten unabhängig vom Verb ist, während der von Argumenten vom Verb abhängt.
91 (12) a. b. c. d.
Luise Luise Luise Luise
wohnt schön wohnt zur Miete wohnt ganz anders als Gerda wohnt in Oberhausen
Das Rollen-Kriterium widerspricht damit allerdings dem geschehen-Test, wie Beispiel (13) zeigt. Die Verbbegleiter können nicht ausgegliedert werden und sollten demnach Argumente sein: (13) a. ??Luise wohnt, und das tut sie in Oberhausen b. ''Luise wohnt, und das tut sie mit allem Komfort
Nach Jacobs (7987/1994:19) kann der geschehen-Test allerdings ohnehin nur bei nichtnotwendigen Konstituenten als brauchbares Indiz für Argumenthaftigkeit angewendet werden, da die Ausgliederbarkeit die syntaktische Weglaßbarkeit voraussetzt. Über den Argumentstatus obligatorischer Konstituenten wie der Ortsangabe in (12d) sagt uns der geschehen-Test also zunächst nichts. Möglicherweise zeigen aber Beispiele wie (14), daß in Oberhausen und mit allem Komfort kein Argument von wohnen realisieren. Hier wird das Notwendigkeitsproblem durch Füllung der Stelle mit einer anderen Konstituente umgangen, die lokale Angabe kann in diesem Fall durchaus in einen geschehen-SaXz ausgegliedert werden:15 (14) a. ΊLuise wohnt mit allem Komfort, und das tut sie in Oberhausen b. "'Luise wohnt in Oberhausen, und das tut sie mit allem Komfort
Die Beispiele lassen jedenfalls nicht den Schluß zu, daß in Oberhausen in (14a) als Adjunkt semantisch eine grundsätzlich andere Rolle spielt als in (14b). Ich nehme daher an, daß diese notwendige Ergänzung von wohnen kein Argument realisiert.16 Direktionale und lokale Konstituenten zeigen generell einen deutlichen Unterschied hinsichtlich möglicher semantischer Rollen, die sie ausfüllen. Lokale Phrasen können dort, wo sie eine syntaktisch obligatorische Stelle des Verbs ausfüllen, in den meisten Fällen mit Phrasen ganz anderer semantischer Kategorien alternieren. Das sieht man nicht nur bei wohnen (15), sondern auch bei sich befinden (16), sich aufhalten (17), liegen (18) oder verbringen (19): (15) a. *Jana wohnt b. Jana wohnt in Dortmund / luxuriös / zur Miete (16) a. *Peter befindet sich b. Peter befindet sich in Dortmund / wohl
(aus Jacobs 1987/1994:19)
(17) a. ^Toni hält sich auf b. Toni hält sich in Dortmund / mit unwichtigen Arbeiten auf (18) a. * der Urlaubsort liegt b. der Urlaubsort liegt sehr schön / an einem See 15
16
(aus Blume 1993:54)
Die leichte Unakzeptabilität in den beiden Beispielen ist meines Erachtens nicht auf die Ausgliederung der Konstituenten zurückzuführen, sondern auf die leichte Unverträglichkeit von tun mit dem Verb wohnen, welches es in dem Nebensatz substituiert. Das wird in Kapitel 3.2.3 noch genauer ausgeführt.
92 (19) a. *Karl verbrachte / *Karl verbrachte den Krieg b. Karl verbrachte den Krieg in angenehmer Gesellschaft / den Sommer mit Heinz / die Zeit unter Fischern
(aus Höhle 1978:19f)
Eine ähnliche Varianz zeigt sich bei obligatorischen Konstituenten, die durch Direktionalphrasen gefüllt werden, dagegen nicht: (20) a. *Sebastian stellt den Honig b. Sebastian stellt den Honig in den Schrank / * schön / *mit Mühe / *mit einem
Gabelstapler
Wo die Direktionalphrase keine obligatorische Valenzstelle füllt, zeigt sich allerdings oft eine mögliche Alternation mit Resultativkonstruktionen: (21)
a. die Mechanikerin joggte b. die Mechanikerin joggte ins Grävingholz c. die Mechanikerin joggte sich die Füße wund
Die Annahme, daß hier aufgrund der Variation zwischen (21b) und (21c) keine Rollenspezifik vorläge, beruht allerdings auf dem Irrtum, Direktionalphrasen würden - im Gegensatz zu der nicht-direktionalen Konstruktion in (21c) - so etwas wie eine semantische Rolle RICHTUNG ausfüllen. Semantische Rollen, das sei hier im Vorgriff auf Kapitel 4 gesagt, sind relationale Größen, die verbspezifisch die Rolle eines (thematischen) Arguments relativ zum Ereignis festlegen. In (21) ist die Mechanikerin Agens relativ zum Joggen-Ereignis, aber Agenshaftigkeit ist natürlich keine intrinsische Eigenschaft von Mechanikerinnen, wie man in Sätzen wie die Mechanikerin ist einem Herzinfarkt erlegen unschwer erkennt. Die Eigenschaft, eine Richtung anzugeben, ist dagegen sehr wohl eine intrinsische Eigenschaft von Direktionalphrasen wie ins Grävingholz und keineswegs eine durch das Verb joggen festgelegte semantische Rolle. Die semantische Relation, in der ins Grävingholz zum Verb joggen steht, besteht vielmehr darin, daß es den Resultatszustand bzw. die ereignisspezifische Veränderung des Joggen-Ereignisses angibt. Das wiederum ist keine intrinsische Eigenschaft von Direktionalphrasen, wie man an Beispielen wie sie blickte ins Grävingholz erkennt.17 In der semantischen Relation des Ereignisresultats bzw. der ereignisinternen Veränderung steht aber natürlich auch die Phrase in (21c). Im Gegensatz zu den verschiedenen Phrasen, die die zweite Valenzstelle von wohnen füllen können, bei denen keine gemeinsame zugrundeliegende semantische Rolle erkennbar ist, genügt die Direktionalphrase bei joggen also durchaus der zweiten Bedingung für Argumentstatus, daß sie nämlich eine durchs Verb festgelegte semantische Rolle ausfüllt, nämlich die, das Resultat zu spezifizieren. Kritik am "geschehen"/"tun"-Test: In jüngster Zeit ist von Blume (1997) vehement gegen den geschehen/tun-Tesl argumentiert worden. Ich will daher zum Abschluß dieses Kapitels auf die wichtigsten ihrer Argumente eingehen. Das erste betrifft ein offenbar kontraintuitives Ergebnis des Tests, die beiden folgenden stellen die Angemessenheit des Tests zur Ermittlung von Argumenten generell in Frage.
17
Andere Satzbeispiele mit Direktionalphrasen, die keinen resultierenden Ortswechsel ausdrücken, sind etwa: sie horchte nach draußen; sie flüsterte ihm ins Ohr, sie schrieb in ihr Tagebuch (aus Steinitz 1997:340f)·
93
i) Komitative w/í-PPs sind nach Blume (1997) z.T. Modifikatoren, wie etwa bei Bewegungsvetben (22a), z.T. Argumente, wie bei Interaktionsverben (22b); der geschehen-Test weist aber beide als Argumente aus (22c, 22d): (22) a. b. c. d.
sie sie sie sie
geht mit ihm in die Küche diskutiert mit ihm geht in die Küche; ??und das geschieht mit ihm diskutiert; ??und das geschieht mit ihm
ii) Mit dem Verb geschehen können deshalb keine Direktional-PPs verbunden werden, weil geschehen kein Bewegungsverb ist (*sie joggte und das geschah in den Park), und nicht etwa weil die Direktionalphrase möglicherweise ein Argument des substituierten Verbs (hier joggen) ist.18 iii) Die Ausgliederung von Konstituenten in geschehen-Sätze ist deshalb nicht möglich, weil die Konstituenten den Valenzforderungen von geschehen nicht genügen, und nicht etwa, weil sie Argumente des substituierten Verbs sind.19 Eine Verteidigung des "geschehen"/"tun"-Tests·. Folgende Bemerkungen sind zu den drei Kritikpunkten zu machen: Zu i): Dieses Argument basiert auf der starken Version des geschehen-Tests, nach der der Test in jedem möglichen Fall Argumente von Modifikatoren trennt. Es gibt allerdings durchaus Gründe, warum bestimmte Modifikatoren nicht ausgegliedert werden können: an Subjektposition des geschehen-Satzes wird das Ereignis aus dem Vorsatz aufgegriffen und die ausgegliederten Modifikatoren - so Krause (1977:61) in seiner Untersuchung über das Verb geschehen - müssen Prädikationen über dieses Ereignis sein.20 Eine KomitativPhrase prädiziert aber nicht lediglich über ein Ereignis; sie fordert vielmehr neben ihrem internen Argument ein Ereignis- und ein Individuen-Argument:21 (23) a. Klaus kocht mit Otto die Erbsensuppe b. *die Erbsensuppe kocht mit Otto
Da der geschehen-Satz aber kein weiteres Argument für ein belebtes Individuum enthält, können die semantischen Forderungen der mit-PP nicht erfüllt werden. In einen Satz mit tun, der ein solches Argument enthält, kann die mit-PP dagegen durchaus ausgelagert werden: (24) a. sie joggt; -und das geschieht mit Klaus b. sie joggt; und das tut sie mit Klaus
Eingeräumt werden muß allerdings, daß die Beispiele in (22) uns lediglich erlauben, die schwache Version des geschehen-Tests aufrecht zu erhalten, die uns sagt, daß Argumente 18
19 20 21
Blume (1997) führt hier das Beispiel *sie hustet und das geschah in den Aschenbecher an, wohl davon ausgehend, daß die Direktionalphrase bei husten kein Argument ist und daher auslagerbar sein sollte; ich gehe dagegen davon aus, daß Direktionalphrasen immer Argumente sind, so daß hier kein Widerspruch entsteht. Dieses Argument wird auch von Storrer (1992:80f,220f) angeführt. Ähnlich auch Eroms (1981:44). Die Komitativphrase mit Otto wäre also als λχλβ[ΜΓΓκοΜ(°Κ°>χ>6)] m übersetzen; zu Ereignisargumenten siehe Kapitel 3.1.3, zur Verarbeitung komitativer Modifikatoren Kapitel 3.3.2.
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nicht in geschehen-Szlze ausgliederbar sind und Modifikatoren dann ausgliederbar sind, wenn sie Prädikate über das Ereignis in Subjekt-Position des geschehen-Satzes sind.22 Zu ii): Dieses Argument scheint mir nicht überzeugend. Die Verben geschehen oder tun sind nicht nur keine speziellen Verben zur Bezeichnung von Bewegungen, es sind auch keine Verben speziell zur Bezeichnung instrumentgestützter Handlungen. Trotzdem erlauben sie Instrumentalphrasen: (25) a. sie ißt Curryhuhn; und das tut sie mit Stäbchen b. sie ißt Curryhuhn; nund das geschieht mit Stäbchen
Es ist ja gerade der Mangel an konkretem Gehalt, der die Geschehensverben als Testgrundlage so interessant macht. Die Verben greifen lediglich ein Ereignis auf, über das zuvor mit einem deutlich spezifischeren Verb prädiziert wird; eigene sortale Beschränkungen legen sie diesem Ereignis aber nicht auf. Daß Direktionalphrasen im Gegensatz zu Instrumentalphrasen nicht ausgegliedert werden können, liegt daran, daß erstere Argumente sind, das heißt, daß sie keine Prädikate über Ereignisse sind, und daß ihre Bedeutung - wie im letzten Abschnitt gezeigt - nicht unabhängig von der Bedeutung des Verbs ist, mit dem sie auftreten. Ausgegliedert in einen geschehen-Satz und damit außerhalb des Bereichs des Verbs, dessen Argument sie sind, können sie demnach auch nicht korrekt interpretiert werden. Zu iii): Das dritte Argument ist zweifellos das Zentralste und nicht leicht zu widerlegen. Tatsächlich stellt sich bei den Beispielen in (26) die Frage, ob deren Unakzeptabilität auf die Nichtausgliederbarkeit der Argumente des substituierten Verbs zurückgeht oder auf die Verletzung der Valenzforderungen von geschehen, das keine Akkusativ-NP oder nicht-lokale aw/-PP erlaubt: (26) a. er las; *und das geschah das Buch b. er wartete; *und das geschah auf den Bus
Um zu zeigen, daß die Nichtausgliederbarkeit von Argumenten tatsächlich eine Rolle spielt, müssen wir die beiden Phänomene isolieren. Wir müssen Beispiele finden, in denen die Valenzforderangen von geschehen oder tun nicht verletzt werden, Argumente aber trotzdem nicht ausgegliedert werden können.
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Man könnte in Bezug auf (23) und (24) einwenden, daß auch Instrumentalphrasen in dem Sinne dreistellig sind, daß sie neben ihrem internen Argument ein Ereignis- und ein Agensargument fordern. Trotzdem sind sie besser in einen geschehen-Satz auslagerbar als Komitativphrasen: (i) Klaus öffnete das Geschenk mit einer Schere (ii) Klaus öffnete das Geschenk; nund das geschah mit einer Schere Komitativ- und Instrumentalphrasen verhalten sich aber auch in manch anderer Hinsicht unterschiedlich. So wird die Komitativ-PP auch in einem Passivsatz ohne Agensphrase unakzeptabel, während die Instrumental-PP hier ohne weiteres möglich ist: (iii) Klaus öffnete das Geschenk mit seiner Schwester (iv) *das Geschenk wurde mit seiner Schwester geöffnet (v) Klaus öffnete das Geschenk mit seiner Schere (vi) das Geschenk wurde mit seiner Schere geöffnet Möglicherweise fordert die Komitativphrase nicht nur ein weiteres Individuenargument, sondern sogar die overte Realisierung dieses Arguments (s. dazu Kap. 3.3).
95 Mit tun und geschehen können z.B. mit-PPs auftreten, die weder als Komitative noch als Instrumentale interpretiert werden, sondern deren Bedeutung veibspezifisch ist. Diese OT/i-Phrasen sind also valenzabhängig, wobei die Beispiele in (27) und (28) zeigen,23 daß sie offenbar eine nicht weiter spezifizierte Patiens-Rolle innehaben. Überall dort, wo tun und geschehen ein im vorhergehenden Satz eingeführtes Ereignis wiederholen, kann die mit-PP einen Ereignispartizipanten aufgreifen - aber nur dann, wenn dieser wie in (27a, 28a) im Gegensatz zu (27b, 28b) in Relation eines (affizierten) Patiens zum Ereignis steht. (27) a. er schlägt / operiert / tätschelt Klaus - tut er das wirklich (mit ihm)? b. er verteidigt / beobachtet / liebt Klaus - tut er das wirklich '-(mit ihm)? (28) a. er ist verunglückt / geschmolzen / gefallen - ist das wirklich (mit ihm) geschehen? b. er hat gegessen ! gearbeitet / rumgenörgelt - ist das wirklich ??(mit ihm) geschehen?
Nun hatten wir bisher den geschehen!tun-T^sX so angewendet, daß das Argument des substituierten Verbs in seiner für dieses Verb spezifischen Form ausgegliedert wurde. Dies setzt - wie zu recht bemängelt wurde - voraus, daß auch Formvalenzen übertragen werden können. Nun bestand die ursprüngliche Idee des Tests aber darin zu zeigen, daß (semantische) Argumente nicht ausgliederbar sind; daß syntaktische Komplemente von einem anderen Vollverb aufgegriffen werden können, ist dagegen tatsächlich ausgeschlossen. Nun bietet uns die /w/Y-Konstruktion bei tun und geschehen die Möglichkeit zu überprüfen, ob ein nicht-realisiertes Patiensargument in einem geschehen!fun-Satz so wieder aufgegriffen werden kann, daß es den Valenzforderungen des Geschehensveibs genügt. Wenn die Ergebnisse des geschehen!tun-Tests völlig auf die Valenzforderungen von tun bzw. geschehen zurückgeführt werden könnten, sollten akkusativische Patiensargumente des substituierten Verbs in eine mit-PP des /¡/«-Satzes ausgegliedert werden können, da in diesem Fall die syntaktischen Valenzforderungen von tun (mit-PP) ebenso wie die semantischen (Patiens) erfüllt sind. Eine solche Ausgliederung ist, wie (29b) und (30b) zeigen, aber nicht möglich. (29) a. sie operieren den Mittelstürmer - tun sie das wirklich mit ihm? / geschieht das wirklich mit ihm? b. sie operieren heute; '-'und das tun sie mit dem Mittelstürmer / das geschieht mit dem Mittelstürmer (30) a. sie tritt den Mittelstürmer - tut sie das wirklich mit ihm? / geschieht das wirklich mit ihm? b. sie tritt; ??und das tut sie mit dem Mittelstürmer / ??und das geschieht mit dem Mittelstürmer
Es liegt also nicht an den Valenzforderungen von tun oder geschehen, daß der Patiens nicht ausgegliedert werden kann, sondern daran, daß er als Argument von operieren nur über die spezifischen Interpretationsbeschränkungen von operieren interpretiert werden kann, wozu eben all das gehört, was wir über jemanden wissen, der diese Argumentstelle von operieren ausfüllt, etwa daß er aufgeschnitten wird, an seinen Organen manipuliert wird und ihm ähnliche unangenehme Dinge widerfahren.24 23 24
Auf solche Beispiele hat mich Lothar Lemnitzer (pers. Mitt. ) hingewiesen. Eingedenk der Tatsache, daß geschehen einen Dativ erlaubt wie etwa in (i), könnte man angesichts von (ii) schließen, daß tatsächlich die Nichtausgliederbarkeit des Dativarguments für die
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Ich denke, dies sind plausible Argumente gegen die Einwände gegen den geschehen/tun-Test. Es sei auch nochmal darauf hingewiesen, daß solche operationalen Verfahren lediglich zweierlei leisten: In erster Linie sollen sie uns Hinweise auf bestimmte semantische Unterscheidungen geben, aber sie sollen natürlich keine semantische Theorie ersetzen. In dem Sinne kann man den geschehen-Test nach wie vor als eingeschränkt nützlich betrachten. In zweiter Linie sollen sie Licht auf das semantische Phänomen werfen, das den Test selbst konstituiert. Hier haben sich einige interessante Eigenschaften der Geschehensverben tun und geschehen herauskristallisiert.25 Zusammenfassung: Prädikat-Argument-Strukturen bilden die Basis fast aller verbsemantischer Repräsentationen. Als äußerst problematisch erweist sich dabei die Frage, über wieviele Argumente ein bestimmtes verbales Prädikat verfügt. Es wurde in diesem Kapitel gezeigt, daß die Anzahl, die Kategorie oder die Notwendigkeit der mit dem Verb auftretenden syntaktischen Konstituenten keinen Hinweis auf die Anzahl der semantischen Argumente des Verbs gibt. Auch die syntaktische Akkumulierbarkeit von Konstituenten oder die semantische Impliziertheit von Ereignisbeteiligten sind keine sicheren Kriterien für Argumenthaftigkeit. Es zeigte sich dagegen, daß zwei semantische Kriterien, die auch auf relevante Aspekte der semantischen Verarbeitung von Argumenten hindeuten, recht zuverlässig Argumente von Modifikatoren unterscheiden. Zum einen sind Argumente, die fakultativ realisiert werden, im Gegensatz zu Modifikatoren nicht in einen geschehen/tunSatz ausgliederbar. Zum anderen zeichnen sich Konstituenten, die Argumentpositionen besetzen, dadurch aus, daß sie eine vom Verb zugewiesene semantische Rolle ausfüllen. Das nächste Kapitel wird zeigen, daß diese Argumentauffassung zusätzlich durch die unterschiedliche Einbindung von Argumenten und Modifikatoren in Ereignisstrukturen begründet ist.
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Unakzeptabilität des Satzes verantwortlich ist, denn den Valenzforderungen von geschehen wird hier ja offenbar genüge getan: (i) ihm geschieht nichts Böses (ii) sie half; *und das geschah ihrem Freund Blume (1997) weist aber zurecht daraufhin, daß geschehen nicht nur formale, sondern auch inhaltliche Forderungen an seine Ergänzungen hat, und geschehen erlaube keine benefaktiven oder ähnliche Dative. Der Dativ, der mit geschehen in (i) und auch in solchen Ausdrücken wie (iii) auftritt, wird von Blume als Experiencer bezeichnet. Die Bedeutung solcher Dative ist allerdings völlig ungeklärt. Angesichts von Beispielen wie (iv) scheint mir eine Verwandtschaft mit Experiencern aber eher unwahrscheinlich. Interessanterweise sind solche Dative wie in (iii) in geschehen-Sätze ausgliederbar wie in (v), wenn auch unter leichten Akzeptabilitätseinbußen; demnach sollten solche Dative keine Argumente sein. Aufgrund der unklaren Bedeutung dieser Dative ist dies aber auch nicht von vornherein auszuschließen. (iii) dem Peter ist die Suppe angebrannt (iv) ohne es zu merken ist ihm die Suppe angebrannt (v) die Suppe ist angebrannt; ndas ist dem Peter geschehen (Beispiel aus Blume 1997) Eine ereignissemantische Behandlung von Geschehensverben würde allerdings darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Problemen im Umkreis von defmiten vs. indefiniten Ereignisbeschreibungen, von Ereignispräsuppositionen und von ereignisontologischen Fragen erfordern, wie sie z.T. bei Krause (1977) schon angesprochen werden.
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3.1.2 Argumente, Modifikatoren und Teilereignisse Teilereignisse und Argumentstatus: In den bisherigen Überlegungen zu Ereignissen und ihren Teilen wurde davon ausgegangen, daß die thematischen Argumente über semantische Relationen an bestimmte Teilereignisse geknüpft sind (s. Kap. 2.1.1). Ich möchte in diesem Abschnitt dafür argumentieren, daß dies eine Eigenschaft ist, die Argumente generell von Modifikatoren unterscheidet. Während thematische Argumente immer an bestimmte Teilereignisse semantisch gebunden sind, beziehen sich Modifikatoren auf beliebige Teilereignisse, die ihren Selektionsrestriktionen genügen. Beobachtungen von Unterschieden in der Interpretation von benefaktiven Dativen vs. benefaktiven für-PPs sowie das Verhalten von Komitativ- und Direktionalphrasen bestätigen dies. Benefaktive Dative und benefaktive "für"-PPs: Wenn wir die Benefizienten-Rolle wie die anderen semantischen Rollen als Relation zwischen dem Ereignis und einem Ereignispartizipanten auffassen,26 so können wir unter der Annahme von Teilereignissen überlegen, inwieweit eine solche Benefizienten-Relation zu einem bestimmten Teilereignis besteht. Hier zeigt sich nun ein Unterschied zwischen einer benefaktiven für-PP wie in (31a) und einem benefaktiven Dativ wie (3 lb): 27 (31) a. Karla öffnete die Tür für ihn b. Karla öffnete ihm die Tür
Ähnlich wie andere in Kapitel 2 besprochene Verben verstehen wir das von öffnen denotierte Ereignis wie in (31) als aus drei Teilereignissen bestehend: dem Agieren Karlas bezüglich der Tür (e1), dem Prozeß des Sich-Öffnens der Tür (e2) und dem Nachzustand, daß die Tür offen ist (z). Eine benefaktive /«r-Phrase kann nun Bezug auf jedes einzelne der drei Teilereignisse nehmen, in dem Sinne, daß jeweils das einzelne Teilereignis zugunsten des in die PP eingebetteten Partizipanten stattfindet (32). Ich versuche in (32), über einen Jones buttered the toast at midnight ii. —> Jones buttered the toast in the bathroom iii. —> Jones buttered the toast
Die angemessene Repräsentation für (39b) ist demnach (40a) und nicht (40b). Wenn (40a) zutrifft, so trifft auch jedes seiner Konjunkte zu, so daß die Folgerungen in (39b) gewährleistet sind. Repräsentationen wie die in (40a) werden im Folgenden als Davidsonische Repräsentationen bezeichnet. (40) a. 3e[BUTTER(jones,THE-TOAST,e) & AT-MIDNIGHT(e) & IN-THE-BATHROOM(e)] b. BUTTER(jones,THE-TOASTAT-MIDNIGHT,IN-THE-BATHROOM)
Die Darstellung (40b) erlaubt die Folgerungen in (39b) dagegen nicht und würde zudem aufgrund der Iterierbarkeit von Adverbialen eine unbegrenzte Erhöhung der Stelligkeit von Verben wie to butter erfordern, die in eine unendliche Anzahl neuer Prädikate BUTTER! (v,w), BUTTER2(V,W,X), BUTTER 3 (v,w,x,y) etc. mündet, denen aber eigentlich
immer das gleiche syntaktische Element zugrundeliegt (Davidson 1967:84). 34 Das linguistische Erklärungspotential von Ereignisargumenten'. Davidsons Vorschlag ist zwar erst mit einiger Verzögerung von der formalen Semantik aufgenommen worden, hat dann aber eine nicht mehr zu übersehende Fülle von Arbeiten inspiriert, die Ereignisargumente zur Erklärung verschiedenster semantischer Probleme nutzen. Dabei war er natürlich nicht der erste, der einen Zusammenhang zwischen Ereignissen und der Verbbedeutung herstellte. 35 Insbesondere die traditionelle Linguistik hat in informeller Weise versucht, über Vorstellungen von Ereignissen, ihren Sorten und Strukturen den Zusammenhang von Aspekt, Aktionsart und Verbbedeutung zu erhellen. Auch hat Davidson (1967) in Reichenbach (1947/1966) einen Vorgänger, der bereits Ereignisarginnente in die Repräsentation von Satzbedeutungen einführte. Dazu im nächsten Abschnitt mehr.
34
35
betrachten direktionale, im Gegensatz zu lokalen, temporalen und modalen Phrasen als Ergänzungen des Verbs, allerdings aufgrund ihrer Nichtakkumulierbarkeit; s. dazu Kap. 3.1.1. Man könnte die Folgerungen natürlich durch Bedeutungspostulate gewährleisten. Die Repräsentation in (40b) entspricht aber auch nicht den in den vorherigen Kapiteln dargestellten Auffassungen von Argumenthaftigkeit. Parsons (1990:4) verfolgt die Idee des Ereignisbezugs von Verben bis auf Panini, Plato und die Grammatiker von Port-Royal.
101 Ich werde im Folgenden einen kursorischen Überblick über zumindest einige der sprachlichen Phänomene geben, zu deren Erklärung die Einführung von Ereignisargumenten in die semantische Repräsentation für notwendig oder wünschenswert erachtet wurde.36 • Adverbiale Modifikation: Adverbiale des Ortes, der Zeit, der Art und Weise, des Instruments, etc. sind Prädikate über Ereignisse; s.o. (39b); • Anaphorische Wiederaufnahme: Ereignisse können über Pronomen anaphorisch wiederaufgenommen werden; s.o. (39a); • Quantifikation: über Ereignisse wird existenziell und mit Adverbien quantifiziert (es gab eine Explosion / vier Explosionen; er ist viermal / immer nach Mecklenburg-Vorpommern gefahren)', • Eigennamen: mit Eigennamen werden nicht nur Dinge, sondern auch Ereignisse benannt (Renaissance, Zweiter Weltkrieg, Superbowl VII, Watergate);37 • Ereignisnomen: bestimmte Substantive (z.T. Deverbativa) bezeichnen Ereignisse (Unfall, Heirat, Explosion, Veranstaltung)·, • Determination, adjektivische Modifikation, Relativsatzbezug: Ereignisnomen und Gerundien können wie gegenstandsbezeichnende Substantive mit Artikeln auftreten (die Explosion, the singing), Adjektive zu sich nehmen (die laute Explosion; the loud singing) und Bezugsnomen für Relativsätze (die Explosion, die...·, the singing, that... ) sein;38 • Deadjektivische Adverbien: der Bedeutungsbeitrag von deadjektivischen Adverbien scheint der gleiche wie der des zugrundeliegenden Adjektivs, nämlich Prädikation über ein Individuum, und zwar ein Ereignisindividuum (they sang the Marseillaise quietly, the quiet singing of the Marseillaise);39 • Aspekt: die Erklärung aspektueller Phänomene, sowohl im Bereich von Vendlerklassen und Aspektkomposition40 als auch im Bereich des grammatischen Aspekts (v.a. Progressiv) erfordert die Bezugnahme auf Ereignisse; • Tempus: temporale Phänomene werden seit Reichenbachs (1947/1966:287ff) Einfuhrung der Trichotomie 'Ereigniszeit - Referenzzeit - Sprechzeit' unter Einbeziehung von Ereignissen und ihrer Zeit erklärt; • Kausalität: oft verstanden als Relation zwischen Ereignissen ist die Auffassung und Repräsentation von Kausalität zentral für ereignisontologische und lexikalisch-semantisch Fragestellungen; • Phasen- und Ereignisverben, bestimmte einstellige Verben fordern ereignisbezeichnende Ausdrücke als Subjekt (geschehen, passieren, to occur, to happen, to take place)·, • "Perceptual reports": Perzeptionsverben im Englischen haben tempuslose Infinitivsätze ohne to oder that-Komplementsätze an Objektposition (Anna saw Bernard run\ Anna saw that Bernard was running)·, während letztere Propositionen darstellen, nimmt man für erstere an, daß sie Ereignisse bezeichnen.41 36
37 38 39 40 41
Ich verzichte hier weitgehend auf Literaturangaben; vgl. aber die Verweise in Parsons (1990), der viele der hier angeführten Phänomene in einem ereignissemantischen Ansatz diskutiert. Vgl. Reichenbach (1947/1966:273) und Brand (1976:134). Vgl. Parsons (1990:127ff). Vgl. Parsons (1990:18). Vgl. z.B. den Forschungsüberblick in Krifka ( 1989a:95ff). Vgl. dazu Parsons (1985:15ff) und Bennett (1988:40-
102 Ereignisargumente transformationeil oder lexikalisch projiziert: Ereignisargumente - so die allgemeine Annahme - werden als zusätzliches Argument verbaler Prädikate aus dem Lexikon projiziert. Das Verb to butter wie in Davidsons Beispiel in (39) hat demnach drei Argumentstellen wie in (41a). Das Ereignisargument wird wie die thematischen Argumente λ-abstrahiert (41b). (41) a. BUTTER(x,y,e) b. XxXyXe[BUTTER(x,y,e)]
Das Ereignisargument wird auch als referentielles, nicht-thematisches Argument des Verbs betrachtet. Es steht damit für die Entität, die das Verb bezeichnet und die zu einer der grundlegenden ontologischen Kategorien gehört, die unsere Semantik annimmt, eben zu der der Ereignisse. 42 Als referentielles Argument muß es ebenso wie die (ebenfalls referentiellen) Argumente von Substantiven nicht durch die Bedeutungen lexikalisch gefüllter Konstituenten gesättigt werden. 43 Stattdessen wird es nach gängigen Annahmen, die wir in Kapitel 7.1.2 noch kennenlernen werden, durch einen funktionalen Kopf gebunden. Die Annahme, daß Ereignisargumente über verbale Prädikate eingeführt werden, ist allerdings nicht selbstverständlich. Reichenbachs {1947!1966:269) Vorschlag zur Einführung eines Ereignisarguments ging etwa davon aus, daß ein Prädikat über ein Ding P(x) äquivalent ist mit einem Ausdruck, in dem P(x) als Funktion mit einem Ereignisargument auftritt, also [P(x)](e). Dabei wird P(x) durch eine Transformation in [P(x)](e) überfuhrt. Unter der Annahme existenzieller Bindung von e ist (42a) äquivalent mit (42b): (42) a. P(x) b. 3e[P(x)](e)
RUN(mary) 3e[RUN(mary)](e)
Reichenbachs Ansatz sei hier erwähnt, da er ein Beispiel dafür bietet, wie Ereignisse in die logische Repräsentation eingeführt werden, ohne sie lexikalisch zu projizieren. 44 Lexeme und Ereignisargumente: Unter den Theorien, die Ereignisargumente als Bestandteil der Argumentliste lexikalischer Prädikate annehmen, besteht allerdings keineswegs Einigkeit darüber, welche lexikalischen Einheiten über Ereignisargumente verfügen. Hier eine kurze Übersicht über verschiedene Auffassungen: 45 42
43
44
45
Die in Kap. 3.1.1 und 3.1.2 diskutierten Tests zur Ermittlung von Argumenten gelten offensichtlich nicht für Ereignisargumente. Der grundlegende Unterschied zwischen referentiellen Argumenten und den thematischen Argumenten, die über semantische Relationen an das referentielle Argument gebunden sind, wird durch die übliche und auch hier verwendete Darstellung von Prädikat-Argument-Strukturen allerdings nicht widergespiegelt. Es ist vorgeschlagen worden, auch für die semantische Repräsentation von Präpositionen und Adjektiven referentielle Argumente anzusetzen, Ort-, Zeit- und Skalenargumente fur Präpositionen (Rauh 1997, Haumann 1993:8ff, Zwarts 1992:193ff) und Gradargumente für Adjektive (s. Zwarts 1992:137ff und die Angaben darin). Die linguistische Argumentation orientiert sich dabei im Wesentlichen an ähnlichen Phänomenen wie sie fur Ereignisargumente herangezogen wurden: Modifizierbarkeit, Anaphorisierbarkeit, etc. Vgl. die Kritik an Reichenbachs Vorschlag in Davidson (1967:115ff) und Parsons (1990:60f,136f). Bierwischs (1988:23f) im Rahmen der Zwei-Ebenen-Semantik entworfene Idee, daß Ereignisse Propositionen instantiieren, basiert im Übrigen auf Reichenbachs Vorschlag. Dabei nehmen die meisten Theorien - soweit sie explizit darauf eingehen - zudem auch für Ereignisnomen ein Ereignisargument an.
103 alle Ν, V, A, Ρ: Higginbotham (1994:3f), Jacobs (1995); 46 manche Ν, V, A, Ρ: Kratzer (1990) (nur Stage-Level-Prädikate); nur deverbale N: Kratzer (1989); 47 manche V: Davidson (1967) (Handlungs- und Ereignisverben), Zwarts (1992) (StageLevel-Verben); • alle V (und evtl. deverbale Ν und ereignismodifizierende A und P): Parsons (1990) u.a.; • alle V (mit z.T. mehreren e-Argumenten): Pustejovsky (1988, 1995), Parsons (1990) (Kausatiweiben), Engelberg (1994a, 1995b). Die verschiedenen Ansätze lassen sich in Bezug auf ihre Behandlung von verbalen Prädikaten in drei Gruppen einteilen: Erstens solche Theorien, die für alle Verben genau ein Ereignisargument annehmen. Das ist der Normalfall, zumindest in satzsemantisch orientierten Arbeiten. Diesem Typ sind wohl auch die meisten ereignissemantischen Arbeiten zuzuordnen, die sich diesbezüglich nicht äußern. Zweitens ereignisstrukturbasierte Ansätze, die mehrere Ereignisargumente pro Verb zulassen. Diese Arbeiten sind schon in Kapitel 2.1.2 besprochen worden. Drittens schließlich Theorien, die davon ausgehen, daß bestimmte Verben über ein Ereignisargument verfügen, andere dagegen nicht. Diese Verbunterscheidung wird dabei meist an die Unterscheidung von "individual-level predicates" und "stage-level predicates" geknüpft. Darum wird es im folgenden Abschnitt gehen. • • • •
"Stage-level" vs. "Individual-level"·. Die Annahme, daß sich Wörter dahingehend unterscheiden, ob sie permanente Eigenschaften von Dingen oder vorübergehende Eigenschaften und Geschehnisse ausdrücken, basiert auf Beobachtungen, die sich bis in die traditionelle Linguistik des letzten Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. So stellt Paul (1880/1920:361) fest, daß Adjektive "nicht bloss zur Bezeichnung einer zum Wesen eines Dinges gehörigen Eigenschaft, sondern auch zur Bezeichnung einer vorübergehenden Eigenschaft gebraucht werden", ebenso wie Verben sich nicht nur auf Vorgänge beziehen, sondern auch "zur Bezeichnung von Zuständen, auch von bleibenden Zuständen" gebraucht werden können. Ahnlich bemerkt Sütterlin (1900 :77) eine durch die Wortklassen gehende Zweiteilung von Lexemen, die sich auf dauernde Eigenschaften beziehen (blau, schwer, Schwere, Farbe) und solche die vorübergehende Eigenschaften, Geschehnisse und Vorgänge bezeichnen (ärgerlich, schläfrig, springen, schlagen, Gedanke, Schlag). Eine ganz ähnliche Zweiteilung liegt Carlsons (1977:168) Unterscheidung der Verben in "individual-level" und "stage-level" Prädikate zugrunde. Letztere (z.B. run, eat) zeigen im Gegensatz zu ersteren (z.B. resemble, weigh, believe) im Futur und Präteritum eine Ambiguität zwischen einer generischen und einer aktuellen Lesart (43). Außerdem erlauben nur Stage-Level-, nicht aber Individual-Level-Prädikate den Progressiv (44): (43) a. he ate bananas (ambig zwischen Tie ate bananas on a certain occasion' und lie used to eat bananas') b. she resembled Queen Mary (nicht ambig) 46
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Die Ereignisargumente (bei Jacobs verallgemeinert "Situationsargumente") der im Satz vorkommenden Substantive, Verben, Adjektive und Präpositionen werden im Normalfall im Laufe der semantischen Verarbeitung miteinander identifiziert, es sei denn, es werden durch Ν, A oder Ρ zusätzliche Ereignisse eingeführt (Jacobs 1995). Bei "stage-level predicates" (s.u.) wird eine Variable für "spatiotemporal locations" angenommen (Kratzer 1989:252).
104 (44) a. he is eating bananas b. *she is resembling Queen Maty
Kratzer (1989, 1990) führt eine Reihe weiterer Phänomene an, in denen sich der Unterschied zwischen stage- und individual-level widerspiegelt, von denen hier zumindest zwei genannt seien. So erlauben nur Stage-Level-Prädikate wie available eine íAere-Einfiigung (45): (45) a. there are β remen available b. *there are firemen altruistic
Außerdem können lokale Adjunkte zwar Stage-Level-Verben (umkommen) modifizieren, nicht aber Individual-Level-Prädikate (schwarz sein)·, entsprechend ergibt sich folgende Ambiguität. (46) a. weil fast alle Flüchtlinge in dieser Stadt umgekommen sind 'weil [fast alle Flüchtlinge in dieser Stadt] umgekommen sind' 'weil fast alle Flüchtlinge [in dieser Stadt umgekommen sind]' b. weil fast alle Schwäne in Australien schwarz sind 'weil [fast alle Schwäne in Australien] schwarz sind' * 'weil fast alle Schwäne [in Australien schwaiz sind]'
Zwarts (1992:1283) benutzt die Wahrnehmungsverben im Englischen (see, hear, feel) als einen Indikator für die Unterscheidung von Ereignis- und Zustandsverben. Wahrnehmungsverben können ein fAaf-Komplement oder einen Infinitivsatz ohne to zu sich nehmen. Während es keine Beschränkungen für die eingebetteten Verben im that-Satz gibt, dürfen in den Infinitivsätzen keine Zustands-, sondern nur Ereignisverben auftreten: (47) a. ?? f/ie witness saw the accused hate his wife b. the witness saw that the accused hated his wife (48) a. the witness saw the accused strangle his wife b. the witness saw that the accused strangled his wife
Solche "perceptual reports" wie in (48a) stellen eine Relation zwischen einem Wahrnehmenden und einem Ereignis dar, wobei Ereignisse als " 'concrete' eventualities, located in time and space" verstanden werden, und Zustände als " 'abstract' eventualities, not located in time and space" (Zwarts 1992:129). In Anlehnung an Kratzers (1989) Unterscheidung von Stage- und Individual-Level-Verben nimmt Zwarts nun an, daß nur Ereignisverben wie to strangle, nicht aber Zustandsverben wie to hate über ein Ereignisargument verfügen.48 Die Frage, welche Verben Ereignisse bezeichnen, wird uns im Laufe dieser Arbeit noch häufiger beschäftigen (s. abschließend Kap. 7.1.1).
48
Daneben gibt es noch zwei andere Arten von VPs, die Zwarts (1992:132f) als Stativ ansieht und die daher nicht über ein Ereignisargument verfugen. Erstens Individual-Level-APs und -NPs wie be intelligent und be an architect. Dabei wird eine Ambiguität in der Kopula vorausgesetzt, die einmal Individual-Level- und einmal Stage-Level-Prädikate einfuhrt. Zweitens werden habituelle VPs wie Jill works in a library als Stativ aufgefaßt, wobei eine Operation angenommen wird, die das Ereignisargument des Verbs tilgt.
105 Zusammenfassung: Der Ereignisbezug bestimmter, v.a. verbaler Prädikate wird nach Davidson (1967) in der Argumentliste der Prädikatskonstante durch eine Individuenvariable für Ereignisse ausgedrückt. Über diese Variable wird z.B. mit temporalen und lokalen Adverbien prädiziert. Die meisten Ansätze gehen davon aus, daß Ereignisargumente lexikalisch projiziert werden. Es gibt aber sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche lexikalischen Einheiten Ereignisargumente haben. Unter den Ansätzen, die verbale Ereignisargumente voraussetzen, finden sich erstens solche, die für jedes Verb genau ein Ereignisargument annehmen, zweitens solche, die nur für manche Veiben ein Ereignisargument annehmen, und drittens schließlich solche, die davon ausgehen, daß Verben auch mehrere Ereignisargumente haben können.
3 .2
Syntaktische und semantische Valenz
3.2.1 Semantische Grundlagen und Notationen Einleitung. Ich werde mich in dieser Arbeit sehr ausführlich mit lexikalischen Repräsentationen von Verben befassen. Um die semantische Adäquatheit dieser Repräsentationen unter Verarbeitungsaspekten zu überprüfen, werde ich darüber hinaus auch auf kompositioneile satzsemantische Operationen eingehen. Syntaktische Ausdrücke, also auch Wörter als terminale Konstituenten, werden dazu in eine semantische Repräsentationssprache übersetzt. Dies geschieht im Rahmen einer typenbasierten Prädikatenlogik mit Lambda-Operator. Die semantischen Analysen in dieser Arbeit setzen lediglich aussagen- und prädikatenlogische Gnindkenntnisse voraus. Andere semantische Notation und Operationen werden eingeführt. Variablen, Konstanten, Operatoren. In den semantischen Repräsentationen dieser Arbeit kommen Konstanten und Variablen verschiedener Typen vor. Ich werde dabei die folgenden Notationskonventionen einhalten. • Individuenvariablen Variablen für Gegenstände:49 v, w, x, y, z, x', x", x"', ... Variablen für Ereignisse: e, e', e", e"\ ... Variablen für Teilereignisse: e 1 , e 2 , e m , en, ... Variablen für Zeiten: t, t', t", t'", ... Variablen für Propositionen: p, q, φ, φ, ρ', ρ", ρ"'... Sortenneutrale Individuenvariablen: k, 1, m k', k", k"', ... • Individuenkonstanten: rebecca, jamaal, frankfurt, .. • Prädikatsvariablen50 P, Q, R, Ρ', Ρ", P,M, ... • Prädikatskonstanten: QUÄL, HAUS, AUF, ... • Typenneutrale Variablen. α, α', α", α"1,... 49 50
'Gegenstände / Dinge' im weiten Sinne, also auch Personen und ähnliche "belebte Gegenstände'. An einigen Stellen der Arbeit verwende ich auch E als Variable für Ereignisprädikate.
106 Darüber hinaus werde ich die üblichen Quantoren, Operatoren und Relatoren verwenden, 51 den Existenzquantor (Ξ), den Allquantor (V), den Lambda-Operator (λ), aussagenlogische Konnektoren (&, v, ->, ,y/.x>,e[QUÄL(xJy,e)] Xx/.eBy[ESS(x,y,e)]
Thematische Argumente können allerdings auch schon lexikalisch gebunden sein, z.B. durch einen Existenzquantor, und bedürfen dann keiner weiteren Sättigung. 53 Das ist etwa bei intransitivem essen der Fall (49b). Auf solche Fälle komme ich noch genauer in Kapitel 3.2.2 zu sprechen. Formal stellt sich λ-Abstraktion wie folgt dar, wobei das Prinzip auf logische Typen zurückgreift, die im Laufe dieses Kapitels noch eingeführt werden: 54 • λ-Abstraktion Wenn χ eine Variable vom Typ a und Z' ein Ausdruck vom Typ b ist, in dem χ als freie Variable vorkommt, dann ist Xx[Zr\ ein Ausdruck vom Typ . Die thematischen Argumente bei einer Prädikatskonstante wie QUÄL werden, wie wir später noch sehen, gewöhnlich über ihre semantischen Rollen identifiziert. Um momentanen Mißverständnissen vorzubeugen, werde ich die Variablen per Konvention immer so verwenden, daß χ für das der Nominativstelle entsprechende Argument steht, y für das der Akkusativstelle entsprechende Argument oder ein anderes zweites Argument und ζ für das der Dativstelle entsprechende Argument oder ein anderes drittes Argument. Die Reihenfolge der λ-gebundenen Variablen bei Lexemen ist so gewählt, daß sie der normalen Rei-
51
52
53
54
Vgl. dazu eine der gängigen Einfuhrungen in die formale Semantik, z.B. Chierchia / McConnell-Ginet ( 1990). Das Verb mit Apostroph, wie z.B. quälen', ist die abgekürzte Form der Obersetzung des Verbs quälen, steht also fur iyXx>x[QUÄL(x,y,e)]. Die Bindung des impliziten Arguments durch einen Existenzquantor ist sicher empirisch nicht adäquat; ich werde in Kapitel 3.2.2 auf eine angemessenere Repräsentation impliziter Argumente eingehen. So ist - wie im Laufe des Kapitels noch deutlich werden wird - z.B. Xe3y[ESS(x,y,e)] ein Ausdruck vom Typ , in dem die freie (nicht gebundene oder spezifizierte) Variable χ vom Typ e o vorkommt. Gemäß der Regel für λ-Abstraktion ist demnach XxXe3y[ESS(x,y,e)] ein Ausdruck vom Typ .v/.e'[EIN-KOLLEGE(z) & MH KO M(v,z,e')]
e. A^A\einem-Kollegen 'jnitKOM^Arbeitet'y. XyXe'' [XvXe'[EIN-KOLLEGE(z) & Mn K OM(v,z,e')](y)(e") & XxXe[ARBEIT(x,e)](y)(e")] f. λ-Konversion: XyXe"[EIN-KOLLEGE(z) & ΜΓΓ Κ θΜ(^ζ,ε") & ARBEIT(y,e")]
g. A^(A^(A\einem-Kollegen',mit^Qf^'),arbeitet')ßieglinder): XyXe"[EIN-KOLLEGE(z) & MHKOM(y.z>e") & ARBErT(y,e")](sieglinde) h. λ-Konversion: Xe"[EIN-KOLLEGE(z) & MHKOM(sieglmde,z,en) & ARBEIT( sieglinde,e")] i. nach Bindung von e: EIN-KOLLEGE(z) & MITKoM(sieglinde,z,e) & ARBEIT( sieglinde,e)
137 Diese Auffassung von Komitativphrasen umgeht die Probleme der ersten Lösung: • Sie erlaubt die Formulierung der prädikatsspezifischen Relationen (INTERAKTION). • Sie genügt dem Prinzip für Argumenthaftigkeit. • Sie erlaubt es, wie wir später noch sehen werden, auszudrücken, daß m i t ^ o u keine Verben mit implizitem Agens modifiziert. Es läflt sich im Übrigen auch hier zeigen, daß die Konjunktion der einzige anwendbare Kompositionsmodus bei der Verbindung von Verb und PP in (100e) ist. Funktionsauswertung wie in (10le) oder (101e') ist nicht möglich. Diese Ausdrücke sind nicht λ-konvertierbar, da das Funktionsargument nicht dem Typ der λ-gebundenen Variablen entspricht: (101) e. AF^emem-Kollegen^mitKOM'),1arbeitet'): *XvXe'[EIN-KOLLEGE(z) & Mn" K oM( v Ae')P^e[ARBEIT(x,e)]) e'. Anarbeitet',à\einem-Kollegen ',wiíkom 0): *XxXe[ARBEIT(x,e)](XvXe'[EIN-KOLLEGE(z) & MHKOM(v,z,e')]) Ebenso ausgeschlossen ist Individueneinfiihrung wie in (102e). Hier ist zwar λ-Konversion möglich (102f), aber der Typ des Ausdrucks () entspricht nicht dem zu seiner syntaktischen Kategorie {V,-c,. ,.,/nom} passenden Typ ( < e G , < e E , t » ) : (102) e. AI(Al(einem-Kollegen',mitKOM').arbeitet'): λβ"[λνλε'[ΕΙΝ-ΚΟΙΧΕΟΕ(ζ) & MITKoM(v,z>e')](yXe") & XxXe[ARBEIT(x,e)](yXe")] f. λ-Konversion: */,e"[EIN-KOLLEGE(z) & MnKoM(y,z,e") & ARBErr(y,e")] Zusammenfassung: Komitativ-PPs treten bei symmetrischen Verben wie diskutieren als Argumente auf, sonst als freie Modifikatoren. Die Komitativadverbiale fuhren ein Individuum mit schwachen Agenseigenschaften ein, und sie adjungieren nur an verbale Ausdrücke, die Ereignisse bezeichnen, in denen ebenfalls ein (eventuell schwacher) Agens auftritt. Die Präposition mitKOM impliziert dabei, daß diese beiden Agenzien in dem Ereignis in einer räumlichen oder interaktiven Relation stehen. Die semantische Verarbeitung von Komitativadverbialen erfolgt durch den Kompositionsmodus der Konjunktion, wobei gemäß der Kriterien für Argumenthaftigkeit, und um die gewünschten semantischen Folgerungen zu erhalten, die Präposition als dreistellige Funktion /.y/.xXe[MIT K oM( x ,y,e)] repräsentiert werden muß.
3.3.3
Instrumentaladverbiale und Passiv
Selektionsrestriktionen des instrumentalen "mit"·. Ahnlich wie die komitative mit-PP verbindet sich auch die instrumentale mit-PP (von hier an auch 'ra/fnsisTR-PP') mit Verben, die einen Agens valenzfordern (103a, 103b), während Verben ausgeschlossen sind, die Ereignisse bezeichnen, an denen zwar prinzipiell Instrumente beteiligt sein können, die aber keinen Agens implizieren (103c, 103d) (vgl. Nilsen 1 9 7 3 : 9 0 f f ) : m 111
Ein Patiens, der von dem Ereignis mit Hilfe des Instruments affiziert wird, muß vom Verb nicht selegiert werden. Instrumentalphrasen treten sowohl mit Verben auf, die nicht-afïïzierte Patiens selegieren (i), als auch mit intransitiven Verben (ii) (vgl. auch Beckmann 1994b: 123): (i) die Agentin beobachtete ihn mit einem Femglas (ii) die Stabhochspringerin sprang mit einem neuen Glasfiberstab
138 ( 1 0 3 ) a. Roswitha b. Roswitha
c.
??
er starb
d. ^das
tötete ihn mit einem schmolz
mit einem
Vanilleeis
Säbel
das Vanilleeis
mit einem Fön
Säbel
schmolz
mit einem Fön
Darüber hinaus gibt es weitere Restriktionen, die die Verknüpfung des Instrumentaladverbials mit solchen Verben ausschließen, die auf Ereignisse referieren, welche schwerlich mit einem Instrument ausgeführt werden können (104b, 104d): (104) a.
sie vernichtete
die Kakerlake
b. ^sie versteckte
c. sie sah den d. ??s/e fühlte
W/ÍINSTR
die Vogelspinne
Stern
WÍINSTR
die Kälte
einem
Pantoffel
WI/INSTR einem ... (?)
einem
Fernrohr
wifiNSTR einem
...(?)
Im Gegensatz zu den Komitativphrasen können instrumentale mit-PPs, wie in Kapitel 3 .3 .1 schon gezeigt, auch implizite Agenzien in persönlichen und unpersönlichen Passivsätzen modifizieren: ( 105 ) a. Kurt spülte das Geschirr b. das Geschirr
mit dem
Schwamm
-wurde mit dem Schwamm
c. es wurde mit dem Schwamm
gespült
gespült
Interpretationsbeschränkungen des instrumentalen "mit": Ahnlich wie beim komitativem mit gibt es beim instrumentalen mit Implikationen bezüglich der Relationen, in denen die Argumentreferenten zum Ereignis stehen. So genügt es nicht zu sagen, daß das durch die W/ÍINSTR-PP modifizierte Ereignis einen Agens hat und das eingeführte Instrument in dem Ereignis eine Rolle spielt. Es muß zudem festgehalten werden, daß das Instrument in dem Ereignis von einem Agens benutzt wird, und zwar nicht von irgendeinem Agens, sondern von dem durch das Verb eingeführten. Das instrumentale mit impliziert also, daß sein als Dativ-NP realisiertes Argument als Instrument in ein Ereignis involviert ist, in dem ein Agens vorkommt (106a), und daß dieser Agens das Instrument in dem Ereignis verwendet (106b). Die Ableitung muß dann sicherstellen, daß dieser Agens der vom Verb ausgezeichnete Agens ist: (106) a. MITiNsTR(x,y,e) -> AGENS(x,e) & INSTRUMENT^,e) b. MITiNSTR(x,y»e) GEBRAUCHS,y,e) Die Behandlung von Instrumentaladverbialen stellt also ähnlich wie die der Komitativadverbiale gegenüber der von Orts- und Zeitadverbialen zwei weitere Anforderungen: • Es muß ausgedrückt werden, daß Instrumentaladverbiale nur Ereignisse modifizieren, an denen ein Agens beteiligt ist. • Es muß ausgedrückt werden, daß in einem Satz wie Hubert wäscht Olga mit einem Schwamm es Hubert ist, der in dem Wasch-Ereignis den Schwamm benutzt. Passiv im Lexikon: Instrumentaladverbiale können auch mit Verben kombinieren, deren Agens implizit ist. Das heißt, sie können auch in Passivkonstruktionen auftreten, in denen der Agens nicht als von-PP realisiert ist. Bevor ich mich mit den semantischen Problemen beschäftige, die mit der Modifikation impliziter Argumente verbunden sind, will ich kurz
139 auf die Behandlung des Passivs eingehen. Wie viele andere Ansätze112 nehme ich an, daß dem Passiv eine lexikalische Regel zugrundeliegt. SYN. {V,-c,...,/akk/nom} SEM: λyλxλe[P(x,y,e)]
=
Passiv —
>
SYN: {Vpart.pas,...,/Pvo„/nom} SEM: λxλyλe[P(x,y,e)]
Lex. 30: Passivregel.
Diese Regel fuhrt die Grundform des Verbs mit ihren syntaktischen und semantischen Eigenschaften SYN und SEM in ein Passivpartizip V part . pa5 mit aus SYN und SEM abgeleiteten syntaktischen und semantischen Eigenschaften über.113 Die Passivregel ändert die syntaktische Valenz in bekannter Weise: aus /akk/nom wird /Pvo„/nom. Die semantische Repräsentation des Passivpartizips resultiert in einer Änderung der Reihenfolge der λpräfigierten Variablen, da die Argumentstelle für den Agens im Passiv zuerst gesättigt werden muß. Außerdem nehme ich an, daß die Passivierung keine lexikalische Bedeutungsänderung mit sich bringt, also die aktive und die passive Variante des Veibs durch die gleiche Prädikatskonstante repräsentiert sind. Man kann sich das Passiv semantisch als eine Funktion wie (107a) vorstellen, die die semantische Übersetzung des Aktiwerbs als Argument nimmt und die semantische Übersetzung des Passiwerbs als Wert gibt. In (107b) bis (107e) ist das am Beispiel quälen gezeigt: (107) a. /Passiv;
b. quälen': c.
λΡ[λχλγλε[Ρ(γΧχΧε)]]
).y'Xx7.e,[QUÄL(x,,y',e')] quälenJ. λΡ[λχλγλβ[Ρ(γΧχΧβ)]](λγ'λχ,λ6'[0υΑΚχ,,γ,,ε')])
d. λ-Konversion: e. λ-Konversion:
XxXyXe[Xy'Xx7x'[QUÄL(x',y',e')](yXxXe)] >.xXy>.e[QUÄL(x,y,e)]
Die präpositionale Agensphrase ist im Passiv fakultativ. Da Fakultativität zu einer neuen Veibvariante führt (s. Kap. 3.2.2), können wir eine Valenzreduktionsregel formulieren, die den um die vow-PP-Valenzforderung reduzierten Verbeintrag beschreibt: SYN: SEM:
{Vpart-pas,...,/Pvo«/nom} === vo/i-Reduktion ===> SYN: {Vpart.pas,...,/nom} λxλyλe[P(x,y,e)] SEM: XyXe[P(x±d,y,e)]
Lex. 31 : Reduktion der syntaktischen Valenzstelle für den Agens im Passiv.
Ich gehe davon aus, daß der implizite Agens dabei immer definitheitsneutral zu interpretieren ist, also im Kontext identifiziert werden kann, aber nicht muß. Auch hier kann der semantische Teil der Regel als Funktion verstanden werden, die die Variablenbindung manipuliert:
112
113
Das wird z.B. in der LFG angenommen (Bresnan 1982a:29), in der HPSG (Pollard / Sag 1987:21 l ñ ) und auch von Dowty (1982:920 Lexikalische Restriktionen, etwa dahingehend, daß bestimmte Zustandsverben kein Passiv bilden, sind hier nicht formuliert.
140 (108) a. b. c. d.
/vo"-Reduktion; XP[XyXe[P(X±dXyXe)]] AF(/ vo "- Reduk,ion ,A F (/ Passiv ,9«ä/e« ")): XP[XyXe[P(x±dXyXe)]](lx'Xy^e'[QUÄL(x'Jy',e')] ) λ-Konversion: /.y>.e[>.x'/.y'/.e'[QUÄL(x'>y,>e,)](x±dXy)(e)] λ-Konversion: /-.ylefQUÄLCxid.y.e)]
Die drei durch Passivierung und Valenzreduktion entstehenden Verbvarianten sind hier nochmal am Beispiel quälen zusammengefaßt: quälen ¡
SYN: SEM: TYP:
{V,-c,...,/akk/nom} Xy/,xXe[QUÄL(x,y,e)] ^ XP[P(y±d)]«e,t>,t> (λχ[φ])
15
Ich gehe hier wie im Folgenden davon aus, daß 3χ[φ], νχ[φ] oder λχ[φ] nur dann wohlgeformte Ausdrücke sind, wenn in φ mindestens ein freies χ vorkommt. Dabei soll φίχ±> seiner syntaktischen Kategorie entspricht. Damit selegiert das Passivpartizip gequält in (115e) syntaktisch eine Phrase, die sein eigentlich definitheitsneutrales Argument y mit der entsprechenden ±d-Markierung versieht, eine Aufgabe, die in diesem Fall eine Variante der Instrumentalphrase übernimmt. ( 115) a. b. c. d. e.
XPXelMTTiNSTRtx^y.e) & EINE-PEITSCHE(y) & P(x±dXe)] XyXxXe[MITINSTR(x,y,e)] SYN: {Ρ,...,/dat} XyXPXefMITíNSTRÍx^y^) &P(x±dXe)] SYN: {Ρ,...,/dat} λχλε^υΑίχχ,^Ί,ε)] SYN: {Vpart.pas,-c,...,/nom} XyXxXe[QUÄL(x,y,e)] SYN: {Vpart.pas,-c,...,/0/nom}
Die korrekte Ableitung des Ausdrucks (116a) kann nun mithilfe von Funktionsauswertimg vorgenommen werden. ( 116) a. mit einer Peitsche gequält wird
b.
mit-einer-Peitsche
c. gequält-wird'.
d.
': /-P).e[MITrNsTR(^dJyJe) & EINE-PEITSCHE(y) & P(x±dXe)] XwXvXe'[QUÄL(v,w,e')]
èF(mit-einer-Peitsche'gequält-wirdy.
λζ^ΡλερνίΓΓπ^τρ/χ^,γ,ε) & EINE-PEITSCHE(y) &Ρ(χ ± άχ6)]^λνλε , [0υΑΐχν^,ε')](ζ))
e. λ-Konversion: λζ[λΡλ6[ΜΓΓΙΝ8ΤΕ(χ±£ΐ,Υ,ε) & EINE-PEITSCHE(y) & P(x±dXe))(XvIe'[QUÄL( ν,ζ,e')] ) f. λ-Konversion: λζ[λε[ΜΙΤιΝ5Τκ(Χ± 0): (119) a. SYN: {V,-c,pas,...,/VALi.../VALn} SEM: λα1...λαηλε[φ[χ±£ΐ]] b. SYN: {V,-c,pas,...,/0/VALi.../VALn} SEM: λΡλα1...λαηλε[φ[χ± verbunden werden. (120) a. SYN: {V,-c,pas,...,/nom} SEM: XyXe[QUÄL(x±d,y,e) & M H ^ S T R ^ « 1 , z,e) & EINE-PEITSCHE(z)] b. SYN: {V,-c,pas,... ,/0/nom} SEM: λPλyλe[QUÄL(x ±d ,y,e) & MIT IN sTR(x ±d ,z,e) & EINE-PEITSCHE(z) & P(x ±d Xe)]
Trotz dieser Erweiterung hat auch diese Lösung einige schwerwiegende Schwächen: • Die eigentlich als Adjunkte aufgefaßten Adverbiale werden jetzt vom Verb und seinen Projektionen sowohl syntaktisch als auch semantisch valenzgefordert. • Es muß eine eigene Verbvariante angenommen werden, die außerhalb des Kontextes der Modifikation impliziter Argumente nicht auftritt und somit auch nicht unabhängig motiviert ist. • Das Verb muß dekomponiert werden. • V.a. aber läßt sich das verbale Partizip mit implizitem Agens nun auch mit solchen Adverbialen verbinden wie etwa der Komitativphrase, die in diesem Kontext nicht auftreten können. Komitatives mit müßte daher eine idiosynkratische, außerhalb des Formalismus stehende Markierung erhalten, daß es in einem Passivsatz mit implizitem Agens nicht zulässig ist. Eine Lösung mit Implizitenanhebung: Die Schwierigkeiten der gerade diskutierten Vorschläge lassen sich aber durch eine andere Vorgehensweise beheben. Diese Vorgehensweise möchte ich zunächst an dem schon bekannten Beispiel in (121a) erläutern. Sie basiert wie die anderen Vorschläge auf der Idee der Anhebung von Propositionen mit impliziten Argumenten in P-2, wodurch die Definitheitsmarkierung in ein höhertypiges Prädikat verschoben wird. Das Verb quälen hat im agenslosen Passiv, also z.B. in (121a) ein implizites, definitheitsneutrales Argument für den Quäler (x' ±d ) wie in (121b). Versuchen wir nun, die Präpositionalphrase mit einer Peitsche (121c) 117 per Funktionskomposition mit dem Verbkomplex zu verbinden, so wird zunächst das noch nicht gesättigte Patiens-Argument des Verbs (fett in 12ld) für die weitere Verarbeitung extrahiert. Dieser Ausdruck, nach λKonversion (12 le), ist aber offenbar keine zulässige semantische Repräsentation, denn die präpositionale Funktion fordert ein Argument vom Typ e£, während das Argument tatsächlich aber vom Typ ist. Beachten wir den Effekt der Patiensextraktion (ab 12le kursiv) nicht weiter und konzentrieren uns auf den Rest des Ausdrucks. Was eigentlich erreicht werden soll, ist eine Identifizierung des Agens- und des Ereignisargumentes der PP (x bzw. e) mit den entsprechenden Argumenten des Verbs (x ,±d bzw. e'). sowie eine Konjunktion der PP-Prädikate mit der verbalen Prädikatskonstante. Das gewünschte Ergebnis ist also (121h). Um die Funktionsauswertung in (121d) durchführen zu können, muß der Ausdruck in einer regulären Weise umgeformt werden, basierend auf der in P-2 formulierten Äquivalenz. Dazu wird entsprechend P-2 ein höherstufiges Prädikat gebildet, das auf den Ausdruck mit der definitheitsneutralen Variable appliziert, wobei die Definit-
17
Die beiden offenen Stellen der PP treten hier in umgekehrter Reihenfolge auf, XeXx statt λχλβ; darauf gehe ich weiter unten noch ein.
146 heitsmarkierung in den Funktor verschoben und die Variable λ-präfigiert wird (12 If). Das heißt, i) die beiden typgleichen Variablen χ und χ' (fett in 12le) tauschen λ-Operator und Definitheitsmarkierung (fett in 121f), wobei χ in (121e) die am tiefsten eingebettete λgebundene Variable der Funktion ist; ii) die präpositionale Funktion wird durch die Prädikatsvariable Ρ um den Typ .yXeXx[MITiNSTR(x,y,e)]
Dabei sieht es zunächst so aus, als führe diese Lösimg zur Annahme einer Ambiguität des instrumentalen mit. Tatsächlich ist die instrumentale Präposition aber nicht ambig im Gegensatz zur komitativen, sondern vielmehr unterspezifiziert. Die Reihe von λ-präfigierten Variablen vor einer offenen Proposition φ konstituiert eine Liste, also eine Menge von geordneten Elementen. Für diese geordnete Menge gilt bezüglich des komitativen mit die Spezifikation (124a), bezüglich des instrumentalen mit dagegen (124b), d.h., bei instrumentalem mit bleibt die Reihenfolge ("y>e)] ""'instr
SYN:
SEM: BPmifINSTR-L
BPm/rlNSTR-IL "«'KÖM
SYN:
SEM: BPm,rKOM"I: BPmjfKOM-H
{P,..,/dat} λγίλε,λχίίΜΙΤπν^ίχ,γ,ε)] • VxVyVe[MrriNSTR(x,y>e) -> AGENS(x,e) & INSTRUMENT^,e)] • VxVyVe[MITiNSTR(x,y,e) - » GEBRAUCHS,y,e)] {P,...,/dat} λγλχλε[ΜΙΤ Κ οΜ(χ^,ε)] • VxVyVe[MITKOM(x>y,e)
AGENS(x,e) & AGENS(y,e)] • VxVyVe[MITKOM(x,y,e) -> INTERAKTION(x,y,e)]
Lex. 34: Lexikoneintrag fur mit. 118 119
Die Reihenfolge von Argumentstellen variabel zu halten, ist anderem Zusammenhang von Jacobs ( 1995:60) vorgeschlagen worden, der dadurch freier Wortstellung Rechnung tragen will. Die beiden Bedeutungspostulate für whíinstr bzw. mi'/κοΜ können natürlich jeweils in einem Konjunkt zusammengefaßt werden; ihre Trennung ist rein darstellungstechnisch.
148 Noch ein Blick auf die Daten : Die bisherige Darstellung des Komitativadverbials ist am Beispiel von Sätzen wie (126) davon ausgegangen, daß es nur in Sätzen mit explizitem Agens auftreten kann: ( 126) a. ?V