Verb – Satz – Zeit: Zur temporalen Struktur der Verben im Französischen 9783111358376, 9783484301870

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German Pages 205 [208] Year 1987

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Table of contents :
1. Einleitendes
1.1. Zielsetzung und Gang der Arbeit
1.2. Aspekt — Aktionsart - Verbalcharakter: Versuch einer terminologischen Ortsbestimmung
1.3. Anmerkungen
2. Das Verb: Klassifikationen und Klassen
2.1. Verbklassifikationen verschiedener Autoren
2.1.1. Vendlers Klassifikation
2.1.2. Die Klassifikation von Godel
2.1.3. Die Klassifikation von François
2.1.4. Die Klassifikation von Wilmet
2.2. Die vier Vendlerschen Verbklassen
2.2.1. Die accomplishments
2.2.2. Die achievements
2.2.3. Die states
2.3. Anmerkungen
3. Übergänge zwischen den einzelnen Klassen
3.1. Das Prinzip der Kompositionalität: Grundlegendes
3.2. Die Reihung - ein Erklärungsversuch des Einflusses pluralischer Elemente im Satz
3.3. Anmerkungen
4. Die Neuinterpretation der Vendlerschen Kategorien: ein Überblick
Anmerkungen
5. Empirische Untersuchungen zur Lexembezogenheit der temporalen Struktur und der syntaktischen Einflüsse auf diese am Beispiel frequenter französischer Verben
5.1. Einleitendes
5.1.1. Ziel der Untersuchungen
5.1.2. Materialbeschaffung und Auswahl der Verben
5.1.3. Untersuchte Konstruktionen
5.1.4. Einschränkungen hinsichtlich des aufnehmbaren Materials
5.1.5. Überlegungen zur Methode oder: Warum gerade Valenzergänzungen?
5.2. Beispielsammlung
5.2.1. Darstellungsmodus
5.2.2. Von A wie aimer bis G wie garder
5.3. Fazit der empirischen Untersuchungen
5.4. Anmerkungen
Resümee
Literatur
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Verb – Satz – Zeit: Zur temporalen Struktur der Verben im Französischen
 9783111358376, 9783484301870

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Linguistische Arbeiten

187

Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Gabriele Beck

Verb - Satz - Zeit Zur temporalen Struktur der Verben im Französischen

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1987

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Beck, Gabriele: Verb — Satz — Zeit : zur temporalen Struktur d. Verben im Franz. / Gabriele Beck. - Tübingen : Niemeyer, 1987. (Linguistische Arbeiten ; 187) NE: GT ISBN 3-484-30187-2

ISSN 0344-6727

D 93

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1987 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck, Darmstadt.

Für Conny und

Xaddi

Without abstraction and idealization there is no systematization. (SEARLE 1969: 56)

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist die gekürzte Fassung der 1985 von der Philosophischen Fakultät der Universität Stuttgart angenommenen Dissertation, in der eine im Anschluß an Vendler (1957, 1967) konzipierte temporalstrukturelle Klassifikation herausgearbeitet und auf das Französische angewandt wird. Obwohl Vendler nur vier Klassen von Verben unterscheidet, scheint seine Klassifikation alle primären Strukturierungsmbglichkeiten der Zeit zu berücksichtigen. Im Unterschied zu anderen auf Vendler basierenden Klassifikationen sind die Klassen in dieser Arbeit nicht distributionell, sondern konzeptuell definiert; in diesem Zusammenhang war es notwendig, die Definition der states neu zu überdenken. Dabei sei Zeno Vendler besonders herzlich für seine Unterstützung gedankt. Mein Dank gilt ebenso den beiden Betreuern dieser Arbeit, Herrn Prof. Rohrer und Herrn Prof. Baumgärtner, für ihre Anregungen und ihre Hilfe. Nicht zuletzt sei den Herausgebern für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe gedankt.

Berlin, im April 1987

Gabriele Beck

XI

Inhaltsverzeichnis

1. 1.1. 1.2. 1.3.

Einleitendes Zielsetzung und Gang der Arbeit Aspekt - Aktionsart - Verbalcharakter: Versuch einer terminologischen Ortsbestimmung Anmerkungen

l l 7 20

2. 2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.1.4. 2.2. 2.2.1. 2.2.2.

Das Verb: Klassifikationen und Klassen Verbklassifikationen verschiedener Autoren Vendlers Klassifikation Die Klassifikation von Godel Die Klassifikation von Francois Die Klassifikation von Wilmet Die vier Vendlerschen Verbklassen Die accomplishments Die achievements

23 23 23 24 26 28 35 35 36

2.2.2.1.

Die achievements und die Tempora

37

2.2.2.2. Die Verbalperiphrase etre en train de und die achievements 2.2.3. Die states

40 42

2.3.

Anmerkungen

63

3. 3.1. 3.2.

Übergänge zwischen den einzelnen Klassen Das Prinzip der Kompositionalität: Grundlegendes Die Reihung - ein Erklärungsversuch des Einflusses pluralischer Elemente im Satz Anmerkungen

77 77 82 89

Die Neuinterpretation der Vendlerschen Kategorien: ein Überblick Anmerkungen

92 96

3.3. 4.

XII

5.

5.1. 5.1.1. 5.1.2. 5.1.3. 5.1.4. 5.1.5. 5.2. 5.2.1. 5.2.2. 5.3. 5.4.

Empirische Untersuchungen zur Lexembezogenheit der temporalen Struktur und der syntaktischen Einflüsse auf diese am Beispiel frequenter französischer Verben . . . . 98 Einleitendes 98 Ziel der Untersuchungen 98 Materialbeschaffung und Auswahl der Verben 99 Untersuchte Konstruktionen 100 Einschränkungen hinsichtlich des aufnehmbaren Materials . 102 Überlegungen zur Methode oder: Warum gerade Valenzergänzungen? 104 Beispielsammlung 106 Darstellungsmodus 106 Von A wie aimer bis G wie garder 107 Fazit der empirischen Untersuchungen 161 Anmerkungen 165 Resümee

169

Literatur

. 175

l.

Einleitendes

1.1.

Zielsetzung und Gang der Arbeit

Seit Curtius, Reiff, Streitberg und Brugmann, um nur vier der frühen Autoren herauszugreifen, beschäftigen die Begriffe Aspekt und Aktionsart die moderne Sprachwissenschaft. Bis heute haben diese Termini nichts von ihrer Faszination eingebüßt, und zahlreiche Arbeiten sind in der Zwischenzeit zu diesem Thema verfaßt worden, so daß weder das Literaturverzeichnis noch unsere Untersuchungen Vollständigkeit beanspruchen wollen. In dieser Arbeit sollen einige unterschiedliche Richtungen der sogenannten Aktionsart-Forschung aufgearbeitet werden, wobei mehr Wert auf die Unterschiedlichkeit der Richtungen als auf Vollständigkeit innerhalb einer Richtung gelegt wird. Andererseits werden auch Aspekte der Verbklassifikation in diese Arbeit eingehen, die mit der Aktionsartforschung nur wenig gemein haben. Im zweiten Kapitel dieser Arbeit werden vier Autoren und ihre Klassifikationen exemplarisch vorgestellt. Daran anschließend finden sich grundlegende Überlegungen zu den Klassen states, achievements und accomplishments. Da die Klasse der activities in der Gegenüberstellung mit den accomplishments und den states zur Genüge beschrieben wird, erübrigt es sich, diese Klasse in einem eigenen Abschnitt zu behandeln. Im dritten Kapitel wird auf "Übergange", "Verschiebungen" zwischen den zuvor dargestellten Verbklassen eingegangen: wir versuchen, die Möglichkeiten und Grenzen der Komposif.ionali.tat aufzuzeigen, und stellen eine eigene Interpretation vor, von uns Reihung genannt, die es ermöglicht, "Übergänge" von einer Klasse in die andere zu erläutern, oder besser, das "klassenuntypische" Verhalten mancher Verben in manchen Kontexten zu erklären. Dies ist die Stelle, auf den Einfluß pluralischer Elemente im Satz einzugehen und den Versuch zu unternehmen, diesen Einfluß zu systematisieren und in Zusammenhang mit der "Ausgangs"-Klasse des Verbs zu sehen. Allem voran und sich direkt an diese einleitenden Worte anschließend wird Grxindsätzliches angesprochen: die Abgrenzung des eigentlichen Unter-

suchungsgegenstandes dieser Arbeit. Eine kurze Erörterung der Termini Aspekt, Aktionsart und Zeitcharakter scheint vonnöten, zum einen um einer klaren Terminologie willen, zum ändern, um diese Untersuchung gegen mögliche Fehlerwartungen zu schützen. Von dieser theoretischen Basis ausgehend, sollen die im folgenden herausgearbeiteten Klassen auf das Französische angewandt werden. Diese exemplarische Anwendung schlägt sich im fünften Kapitel nieder: dem Beispielteil stehen dort die Anmerkungen gegenüber, in denen Argumente für die Einordnung in die eine oder andere Klasse diskutiert werden. Grundlegend für unsere Betrachtungen sind die Arbeiten von Zeno Vendler (1957, 1967); die Untersuchungen und die herauszuarbeitende Klassifikation orientieren sich damit allein an Merkmalen der temporalen Struktur. Ein Kriterium wie die Agentivität, das in anderen, sich an Vendler anschließenden Klassifikationen Verwendung findet - vgl. z.B. Äqvist (1978), Dowty (1972 und 1979), Guenthner / Hoepelman / Rohrer (1978), Hoepelman (1981), Hoepelman / Rohrer (1980) und Steube (1983) - wird in unserer Klassifikation nicht berücksichtigt. Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, daß man zwar die Agentivität als ein mögliches Kriterium für eine Verbklassifikation heranziehen kann, daß es jedoch wenig sinnvoll erscheint, innerhalb einer temporalstrukturellen Klassifikation ein nicht—temporales Kriterium anzuwenden, wenn dieses nicht ausdrücklich der Definition von Subklassen vorbehalten bleibt. Andererseits scheint Vendler nicht richtig interpretiert worden zu sein, wenn der von ihm gemachte Unterschied zwischen states und activities an dem Kriterium der Agentivität festgemacht wird - vgl. 2.2.3. Vendlers Klassifikation zeichnet sich, im Vergleich zu manch anderen Klassifikationen, durch eine relative "Armut" an Klassen aus - vgl. z.B. Hoepelman (1981) und Steube (1983). Die neun von Anita Steube unterschiedenen Klassen lassen sich jedoch gemäß ihrer temporalen Struktur auf Vendlers - bzw. unsere - vier Klassen "verteilen"; Anita Steube differenziert nicht nur anhand temporaler Kriterien, sondern auch mit Hilfe von Agentivität, Phasen etc. Auch Jaap Hoepelman (1981), der dreizehn Klassen herausarbeitet, berücksichtigt in seiner Klassifikation, da er von den russischen Aktionsarten ausgeht, weit mehr als die temporale Struktur. Seyfert (1979: 311) formuliert bereits, was bei jeder Klassifikation in Rechnung zu stellen ist:

Dabei muß man sich immer vor Augen halten, daß Klassifikationen immer nur hinsichtlich gemeinsamer Elemente vorgenommen werden. Sie sagen nichts darüber aus, ob und uiie sich die zusammengefaßten Elemente in anderen Hinsichten unterscheiden. Die vier Vendlerschen Klassen, wie auch die unsrigen, lassen sich gewiß noch weiter untergliedern, will man anhand von Präsuppositionen, Implikationen, dem Kriterium der Wiederholbarkeit etc. subklassifizieren. Sowohl Elle a aperqu son cadeau als auch Elle s'est evanouie bezeichnen jedoch punktuelle Geschehen, sind also der Klasse der achievements zuzurechnen; beide Sachverhalte unterscheiden sich aber in Hinblick auf einen initiierten Nachzustand. Analog zu diesen beiden Beispielen könnte man mit Hilfe anderer Kriterien noch weitere Subklassen unterscheiden. Da die von uns konzipierten Klassen außereinzelsprachlich anwendbar sein sollen, können sie nicht anhand einzelsprachlicher Erscheinungen wie der Verträglichkeit mit Temporaladverbialen, Verbalperiphrasen etc. definiert werden. Of course a set of tests to specify whether a verb of certain language belongs to certain category is language-bound, and as long as we have no precise criteria to compare the semantics of such environments in different languages, to consider a verb of, say, Georgian and a verb of English as both being "Stative" or "Accomplishment", rests on a decision on our part, i.e. it is a hypothesis. (HOEPELMAN 1981: 4-5)

Sind die Klassen konzeptuell definiert, ist es möglich, die Verträglichkeit mit temporalen Satzkonstituenten anhand der temporalen Struktur zu erklären; die temporale Struktur ist insofern Teil einer semantischen Beschreibung von Aussagen. D'ou les etudes combinatoires, legitimes en elles-memes, mais dont l'interet reel ^side dans leur au—dela: quelles conclusions peut—on tirer des distributions qui ne sont que des comportements resultatifs. (POTTIER 1980: 24l)

En realidad, la unica deduccion correcta es que las categorias no pueden definirse como "classes de formas" (porque son modos significativos, funciones semantical, y no grupos de palabras abstrac-

tas). [...] Por otra parte, la definition no se realiza en el piano de los "objetos"; no se propone decidir si tales y cuales palabras, concretas abstractas, son no son sustantivos o adjetivos, sino justificar esa misma decision, estableciendo que significa ser sustantivo o adjetivo, es decir, deslindando conceptos. [...] Por la misma razon, no pueden aceptarse los intentos de reducir la definicion de las categorias a la descripcion e historia de las palabras. La descripcion y la historia no se ocupan de conceptos, sino de objetos; y los objetos se muestran, se describen, se representan, se clasifican y — si se trata de objetos historicos — se puede hacer su historia, mas no se definen. Por lo tanto, ni la gramatica descriptiva ni la historia lexica pueden proporcionar definiciones. Las llamadas definiciones "historicas" y "descriptivas" son, en realidad, comprobaciones de hechos y caracterizaciones de "objetos": no nos dicen que es una categoria verbal, sino solo como son y que ocurre con las palabras (o formas) que le corresponden, en tal o cual lengua. (COSERIU 1957: 18)

Wenn in dieser Arbeit in der Regel von Kerbklassifikation gesprochen wird, so ist hierzu anzumerken, daß eine Klassifikation anhand der temporalen Struktur für Infinitive bzw. Verben nicht möglich ist, sondern daß nur Aussagen eine Zeitstruktur aufweisen. Wenn wir dennoch von Verbklassifikation sprechen, wenn wir dennoch einem Verb (in einer konkreten Aussage) das Etikett einer der vier Klassen zuweisen, so hat das traditionelle Gründe: von Vendlers Ansatz ausgehend, untersuchen wir nun einmal Verben in Hinblick auf "ihre" temporale Struktur. Wir können mit der traditionellen Sprechweise nicht immer brechen, haben uns jedoch bemüht, deutlich zu machen, daß diese "Verb"klassen genau genommen Klassen von Aussagen sind. Ausgangspunkt der empirischen Untersuchungen sind die durch die Verbsyntax bedingten Modifikationen der temporalen Struktur des Gesamtsatzes, ihre (eventuelle) Regelhaftigkeit und ihre Interpretation. Die Untersuchungen beschäftigen sich also weder mit der Akzeptanz bzw. Inakzeptanz bestimmter Sätze oder Syntagmen mit temporalen Elementen noch mit einer möglichen Interpretation derselben. Wie sich im Verlauf der Untersuchung herausgestellt hat, können auch nicht zur Valenz zu rechnende Satzkonstituenten einen Einfluß auf die temporale Struktur des Gesamtsatzes haben; damit gerät die Grundlage für die Annahme einer dem Verb zuzuschreibenden Temporalstruktur, die durch Satzkonstituenten lediglich modifiziert würde, ins Wanken: die temporale Struktur ist nicht

mehr aus der Verbsyntax und damit aus der Verbal"handlung", also der Verbsernantik ableitbar. Da sich die empirische Untersuchung auf den Einfluß der zur Valenz zu rechnenden Konstituenten beschränkt, wird der Einfluß von z.B. Umstandsangaben nicht systematisch erfaßt, sondern fließt nur gelegentlich in die Betrachtungen ein. Der Ausdruck Verbalhandlung - oder selten auch nur Handlung - darf nicht im handlungstheoretischen Sinn verstanden werden: unter diesen Begriff fallen sowohl Handlungen, Geschehen, Zustoße etc. als auch Zustande. Mit beiden Begriffen soll das bezeichnet werden, was das Verb (respektive die Aussage) denotiert: einen Vorgang, einen Zustand, eine Handlung etc. Was daran interessiert, ist der zeitliche Verlauf des Geschehens, auch wenn, wie im Fall von Zuständen, gar nichts "geschieht". Der Einfachheit halber haben wir den Begriff Verbalhandlung als Sammelbezeichnung für die in handlungstheoretischer Hinsicht zu differenzierenden Erscheinungen gewählt. Auch Geschehen ist in dieser weiten Bedeutung zu verstehen. Die Begriffe Zustand und state sind nicht synonym: state bezeichnet eine von vier Klassen, Zustand ist ein handlungstheoretisch definierter Begriff und steht somit z.B. der Handht-ng gegenüber. Zuletzt darf Kollektiv nicht mit Kollektivum, verwechselt werden. Mit Kollektivhandlung — wobei "Handlung" wiederum nicht im handlungstheoretischen Sinn verstanden werden soll — wird ein Sachverhalt bezeichnet, bei dem das pluralische Subjekt gemeinsam eine "Handlung" ausführt (und nicht jeder einzelne einen getrennt zu betrachtenden "Akt" vollbringt) bzw. bei dem an dem pluralischen Objekt als einer Gruppe etwas "passiert". Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: wenn Parlamentarier ein Gesetz ändern, so ändert nicht jeder einzelne in einem distinkten Akt ein und dasselbe Gesetz, sondern die Gesamtheit der betreffenden Parlamentarier ändert dieses in einem (kollektiven) Akt. Dagegen liegen in dem Satz Ils se demand-erent leurs noms mehrere Geschehen vor: jeder einzelne fragt nach dem Namen des ändern, das Geschehen besteht somit nicht nur aus einem Akt, sondern setzt sich aus zu unterscheidenden Akten zusammen. Daß diese Unterscheidung nicht ohne Einfluß auf die temporale Struktur ist, versteht sich von selbst. Unter Kollektivum ist das in der Linguistik Gängige zu verstehen: ein Substantiv, der Form nach Singular, jedoch eine Vielheit von Objekten zusammenfassend. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß bei der isolierten Wiedergabe der Beispielsätze in der Regel auf die Darstellung von Kursiv— bzw. Fettdruck verzichtet wird. Den fremdsprachlichen Beispielen werden oft deutsche Übersetzungen beigefügt, um die semantischen Unterschiede in möglichst knapper Form deutlich zu machen und um die Möglichkeiten

der sprachlichen Realisierung ein und derselben Unterscheidung einander gegenüberzustellen, ohne daß dabei explizit auf systemeigene Realisierungen eingegangen wird.

1.2.

Aspekt — Aktionsart — Verbalcharakter: Versuch einer terminologischen Ortsbestimmung

Man darf in diesem Abschnitt keine ausfuhrliche Darstellung des Gebrauchs dieser Begriffe in der bisher erschienenen Literatur erwarten dies allein würde Seiten füllen. 1 Im folgenden wollen wir uns nur um die Abgrenzung der Begriffe Aktionsart und Verbalcharakter (bzw. Zeitcharakter) bemühen, da diese für den hier behandelten Zusammenhang von besonderer Bedeutung sind.2 Da die Gegenüberstellung aller drei Begriffe die Unterschiede zwischen den einzelnen nur um so deutlicher hervortreten läßt, sei zu Beginn dieses Abschnitts kurz auf den Begriff Aspekt eingegangen. Kittredge (1970: 3l) gibt eine Definition von Aspekt, die einem Russischlehrbuch entnommen sein könnte. Imperfective stressing the progressivity to stress the verbal aspect.

verbs are used when the context does not call for completion of the action instead they emphazise the or repetition of the action. Perfective verbs are used completion of the action. Such distinctions are called

Die Dualität wird oft als eines der Charakteristika des slawischen Aspekts verstanden. Das Russische (wie auch — mutatis mutandis - die anderen slawischen Sprachen) besitzt in seinem Verbalsystem die Möglichkeit, jedes Verb auf jeder Zeitstufe mit zwei morphologisch differenzierten Formen zu charakterisieren. (KLEIN 1974: 77)

Einige Zeilen weiter fahrt Klein fort: Sinnvoller wäre es, von einer Aspefcfdualität zu sprechen, um die Binarität zum Ausdruck zu bringen, die das russische Verbalsystem in bezug auf jedes Verb beherrscht. (KLEIN 1974: 77)

um das (1974: 79) zu präzisieren Lexikalische Differenzierungen des Deutschen wie "jagen", "erjagen" haben nichts mit Aspekt zu tun. Das Russische hält für jedes der beiden Verben ein Verbum mit zwei Aspektgliedern parat. Isattenko (1968: 360, 381-385) andererseits weist darauf hin, daß zahlreiche Verben in nur einer Aspektform vorliegen. Da er davon ausgeht, daß der Aspekt die Verbbedeutung nicht modifiziert, 3 entziehen sich jene "Aspekt"-Paare seiner Definition, die zwar der Form nach durch Affigierung abgeleitet sind — geht man also vom rein formalen Gesichtspunkt aus, so scheinen diese Verbpaare "Aspekt"-Partner zu sein - die aber auf Grund einer modifizierten Verbbedeutung mehr sind als reine Aspektkorrelate. [...] von "Aspektkorrelation^n" darf man nur dann sprechen, wenn beide Glieder des Aspektpaares bedeutungsmäßi.g völlig identisch, d.h. synonym sind. (ISAOENKO 1968: 399)

Damit liegen die Aktionsarten, gemäß seinem Verständnis von Aspekt, immer nur unpaarig vor - vgl. Isa£enko (1968: 387-388) sowie die Ausführungen zum Begriff Aktionsart weiter unten. Für das Polnische stellt Schenker (1966: 257) fest, "Polish verbs are either perfective or imperfective", um an anderer Stelle (1966: 262), unter Auflistung der Ausnahmen, zu ergänzen "A few simple imperfective verbs do not have perfective counterparts". In diesem Zusammenhang erscheint interessant, worauf Agrell (1908: 83, Anmerkung 1) für das Polnische hinweist: Sehr wenige Verba, z.B. ofiarowao, das auch das Pf. [Anm.: vum] — hat, können zugleich perfektiv und imperfektiv

Perfektisein.

Damit ist nicht der These der \spektopposition widersprochen, es wird jedoch deutlich, daß diese Opposition nicht immer in zwei verschiedenen Formen zum Ausdruck kommen muß. Auch für das Russische konstatiert Isa£enko (1968: 351; Hervorhebung G.B.), daß es "zahlreiche Verben gibt, die für beide Aspekte gemeinsame Formen haben". Wenn die Opposition Imperfekt : Perfekt oft als das romanische Pendant der slawischen Aspektdualität interpretiert wird, so muß dies dahingehend eingeschränkt werden, daß diese beiden Formen etwas ausdrücken

können, daß der Unterscheidung von unabgeschlossen / repetitiv-gewohnheitsmäßig : abgeschlossen / eingeschränkt repetitiv entspricht, daß dies jedoch nicht generell so sein muß. Der Gebrauch des französischen im parfait z.B. wird von mehr Faktoren bestimmt als von dem oben angeführten linken Teil der Opposition - Analoges gilt für das passe simpl.f / passe compose. Nach diesen kurzen Ausführungen zum Aspekt soll auf die für diese Arbeit interessantere Unterscheidung zwischen Aktionsart und Verbalcharakter / Zeitcharakter eingegangen werden. Zunächst zum Begriff Aktionsart bei Klein (1974: 103): Im Gegensatz zu den aspektuellen Oppositionswerten (im.perfektiv perfektiv), mit denen jedes Verbum morphologisch gekennzeichnet werden kann, handelt es sich bei den Aktionsarten um lexikali.schsemantische Kategorien, die dem einzelnen Verbum, inhärent sind. [...] Aktionsarten sind aber nicht paradigmatische Bestandteile des morphologischen Inventars, sondern lexikalisch-sem.antische Kategorien. (Das Russische hat für jedes der erwähnten vier Verben eine perfektive und eine imperfektive Form.) Klein macht den Unterschied zwischen Aspekt und Aktionsart an der Opposition Morphologie (Aspekt) : Semantik (Aktionsart) fest. Connie (1976: 4) bezeichnet den Aspekt als "subjektiv", d.h. als Interpretation einer Situation; analog dazu wird die Aktionsart häufig mit "objektiv" charakterisiert: sie bezeichnet ein festgelegtes, durch die Aktionsart näher bestimmtes "Merkmal" der Handlung. Agrell (1908: 2) unterscheidet zwei Fälle einer Perfektivierung, also etwas, das - so könnte man auf den ersten Blick meinen - mit der Aspektkorrelation zu tun hat: a) Das Präfix bewirkt n u r Aspektänderung (markiert nur, da s s die Handlung vollendet ist, sagt aber nicht wie; durch du Präfigierung ist nur ein Hinweis auf den Moment der Vollfi>dung hinzugebracht) z.B. z-robiö 'machen', s-pytac 'fra.gcn', s—konstatowao 'konstatieren'. b) Das Präfix markiert näher -wie die Ha n d lung ausgeführt wird, bewirkt nicht n r .4 s pektänderung, sondern bestimmt auch eine g t wisse Aktionsart, z.B. tikoriczyc" gegenüber skoriczy«'·, przynaglid gegenüber znaglic". nakierowac gegen über skierowac\

10

Die Aktionsart weist also - im Gegensatz zur Aspektbildung, die keinerlei Bedeutungsveränderung bewirkt - einen, wenn auch nur leichten, Bedeutungsunterschied im Vergleich zum Ausgangsverb auf. Agrell (1908: 2) präzisiert: Hier will ich nur im Anschluß an eine Erörterung bei Soerensen ("Polnische Grammatik", S. 184) die verschiedenen Bedeutungsnuancen [Hervorhebung der Verf.] von vier Komposita des Verbums koriczyo mit einander vergleichen, die bisher alle als nur perfektivbildend betrachtet worden sind. Einige Zeilen weiter kann er auf Grund seines Vergleiches konstatieren, daß in drei Fällen die (drei verschiedenen) Präfixe eine "Aspektänderung (Perfektivierung) mit verschiedenen Aktionsartfärbungen" (1908: 3) bewirken, in einem Fall "bewirkt die Präposition n u r Aspektänderung, ist bloss perfektivbildend ohne die Zeitart der Vollendung näher zu bestimmen" (1908: 3); diese sogenannte Präposition * ist wiederum von den drei zuvor angeführten Präfixen verschieden. Er (1908: 78) spricht in diesem Zusammenhang von "Bedeutungswerte[n] der zur Perfektivierung dienenden Verbalpräfixe", woraus geschlossen werden kann, daß, im Unterschied zum Aspekt, durch die Aktionsarten eine Bedeutungsvariante zum Ausgangsverb hinzukommt, auch wenn Agrell (1908: 1) diese Bedeutungsnuancierung einschränkt:5 Die Präfixe geben dem Verbum keine eigentlich neue Bedeutung, sondern bezeichnen nur wie die Handlung vollendet wird. Ich nenne diese Präfixe aktionsartbildend. Was er unter Aktionsart verstanden wissen will, macht er (1908: 78-79) deutlich: Unter Aktionsart verstehe ich, wie in der Einleitung schon hervorgehoben worden ist, nicht die beiden Hauptkategorien des slavischen Zeitwortes, die unvollendete und die vollendete Handlungsform (das Imperfektivum und das Perfektivum) - diese nenne ich Aspekte. Mit dem Ausdruck Aktionsart bezeichne ich bisher fast gar nicht beachtete - geschweige denn klassifizierte - B e de ^ tungsfunktionen der Verbalkomposita (sowie einiger Sim.plicia und Suffixbildungen), die genauer ausdrucken ivie die Handlung vollbracht wird, die Art und Weise ihrer Ausführung markieren.

11

Eine Aktionsart kann die Verbalhandlung in Bezug auf zwei Momente bestimmen: Zeitverlauf (Aktionsart = Zeitart) und Resultaterreichen, wobei in einigen Fällen zugleich Subjektskausativität (grammatisches Subjekt = psychologisches; Konativität) hervortritt. Gewöhnlich werden beide Momente ausgedruckt, z.B. bei dem Durativum [: ukoiiczyo], dem Augmentativum [: rozrdznio] usw., aber es kann auch nur das eine markiert sein: das blosse Resultaterreichen, une bei dem Resultativum [: zemrzeo], oder der blosse Zeitverlauf, so bei dem Präteritivum [: posiedzieö] und fast auch bei dem Perdurativ u m [: przenocowac1], welches jedoch als resultaterreichend betrachtet werden kann (das Resultat = ein Zeitverlauf). Das zuletzt Gesagte mag vielleicht an die Aspektopposition erinnern, jedoch hat der "Zeitverlauf" nichts mit dem Imperfektivum und das Resultaterreichen nichts mit dem Perfektivum zu tun. Der Aspekt ist die Schau, die Aktionsart partialisiert einen "Teil" der Verbalhandlung und beschreibt nur diesen. Zusammenfassend sei hervorgehoben, daß Agrell in der Aktionsartbildung eine Bedeutungsbereicherung in bezug auf das Ausgangsverb sieht; er (1908: 127) erwähnt die "Aktionsartfunktionen und ihre[n] subtilen Bedeutungsdifferenzeri" und kritisiert (ebenda), daß "als reine Aspektänderung Bedeutungskomplexe behandelt sind, die einen viel reicheren Gehalt haben". Auf einen Punkt, den Agrell nur indirekt anspricht, 6 muß besonders hingewiesen werden: die Aktionsarten sind Determinierungen eines Ausgangsverbs und sind daher stets in Zusammenhang mit diesem zu sehen. Die Aktionsarten (lat. actiones verbiß sind im Russischen allgemeine Verbbedeutungen, welche die Art und Weise des inneren AMaufs eines Geschehens betreffen, von einem gegebenen Ausgangsverb gebildet werden und durch formale Kennzeichen (Präfixe, Suffixe, Laut- und Akzentwechsel) charakterisiert sind. Die Aktionsarten liegen immer nur in einem Aspekt vor und sind somit "unpaarig" (Perfektiva oder Imperfektiva tantum). Dadurch unterscheiden sie sich von jenen präfigierten Verben, die in Aspektpaaren auftreten. (ISA(iENKO 1988: 387)

Formulierungen wie "des inneren Ablaufs eines Geschehens" oder "von einem gegebenen Ausgangsverb gebildet werden" machen deutlich, daß es sich bei den Aktionsarten nicht urn selbständige Lexeme handelt (Aktion«-

12

arten = Arten von Aktionen), sondern daß ein abgeleitetes Verb in Opposition zu einem Ausgangsverb steht (Aktionsarten = Arten einer Aktion). Isa£enko (1968: 400, Hervorhebung d.A.) weist eindeutig auf diesen Bezug zu einem Ausgangsverb hin: Da sie [Anm.: die Verben auf -Hyrt, die keine gleichstämmigen imperfektiven Simplizia aufweisen] keinen frequentativen Verben des imperfektiven Aspekts gegenüberstehen, können sie auch, nicht als Aktionsarten aufgefaßt werden, denn jede Aktionsart bezeichnet ja die Modifizierung eines Ausgangsverb. Ahnliches sagt auch Deutschbein (1920: 80): Weiterhin habe ich darauf hingewiesen, daß die Aktionsarten mit der Assoziationstätigkeit unseres Bewußtseins auf das engste zusammengehören. Durch die Aktionsart voird eine gegebene Handlung [bzw. Vorgang] auf eine zweite assoziierte Handlung (bzw. Vorgang) bezogen; und die aufeinander bezogenen Handlungen (bzw. Vorgänge) werden in unserem Bewußtsein miteinander verglichen. In seiner Einteilung der Aktionsarten (1920: 81-83) sieht er diese immer "im Vergleich zur assoziierten Handlung", "im Vergleich zum assoziierten Vorgang". Mit dieser Formulierung soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß eine Aktionsart nicht isoliert zu sehen ist, sondern in engem Zusammenhang mit dem Verb steht, das sie modifiziert; es ist also eine Opposition Aktionsartpartner : Ausgangsverb anzunehmen. 7 Eine Aktionsart ist damit keineswegs dem Ausgangsverb inhärent in dem Sinn, daß ein Verb eine bestimmte Aktionsart hat, sondern die dem Verb inhärenten Möglichkeiten 8 der Aktionsartbildung werden durch die (ebenso wie der Aspekt) morphologisch gebildete(n) Aktionsart(en) ausgeschöpft. Die Aktionsarten sind insofern semantische Kategorien, als die Bedeutung des Ausgangsverbs modifiziert wird, sie sind jedoch nicht lexikalisch- semantisch - zumindest nur eingeschränkt, - , da diese Modifizierung auf einer Ableitung beruht, die eine begrenzte Anzahl von Affixen dafür verwendet. Will man bei der Opposition Lexikon : Morphologie zur Erklärung der Unterschiede zwischen den drei hier abzugrenzenden Begriffen bleiben, so muß in bezug auf die Aktionsarten festgestellt werden, daß sie eine Kombination aus lexikalischer Einheit (Ausgangsverb) + morphologischem Inventar (Affix) sind, wobei das Ausgangsverb in der (morphologisch gebildeten) Ableitung eine semantische "Präzisierung" erfährt - in welcher Hinsicht, hängt von der entsprechenden Aktionsart ab.

13

Die Beispiele, die Klein (1974: 104-107) als Aktionsarten anführt, legen die Vermutung nahe, daß er den wichtigen Zusammenhang zwischen Ausgangsverb und Aktionsart(en) übersehen hat. Will man das Aktionsartensystem aufs Deutsche übertragen, so kann man verblühen, als Aktionsart von blühen interpretieren, jedoch haben, in bezug auf das Französische, jouer und se noyer für sich allein genommen keine Aktionsart. Gemäß der hier vorgestellten "strengen" Definition dieser Kategorie wäre es einzig möglich, eine Aussage darüber zu machen, was ...-Aktionsart von jouer (bzw. se noyer) respektive von welchem (Ausgangs-) Verb jouer / se noyer ...-Aktionsart wären. Die folgenden deutschen und französischen Beispiele sind nur als approximativer Vergleich gedacht, um die Unterschiede zwischen Perfektivum und Imperfektivum bzw. das Phänomen der Aktionsarten zu illustrieren. Deutschbein (1939: 132-133) stellt einige sprachliche Mittel vor, die es ermöglichen, "einen Vorgang unter perfektivem bzw. imperfektivem Aspekt zu sehen" (1939: 132); dazu gehört der Gebrauch von Akkusativ vs. Dativ bei bestimmten Verben (vgl. 1939: 132) - man vergegenwärtige sich den Unterschied zwischen Das Schiff verschwand in der Ferne ("perfektiv") und Das Schiff verschwand in die Ferne ("imperfektiv") — sowie die Opposition zwischen einem substantivierten Infinitiv und einem Verbalsubstantiv — Deutschbein führt diesbezüglich das Kaufen ("imperfektiv") an und stellt diesem das ("perfektive") der Kauf gegenüber (vgl. 1939: 133). Dies mag als Illustration der Aspektopposition genügen; dabei wurde jedoch weder berücksichtigt, daß das Imperfektivum zum Ausdruck einer habituellen Handlung Verwendung findet, noch daß es als unmarkierte Form interpretiert werden muß, das Perfektivum hingegen als die markierte, d.h. als die Form, die eben gerade den genau definierten Verwendungsbeschränkungen unterliegt. Auch ein anderer wichtiger Unterschied, der bei den Vergleichen von Formen nicht—slawischer Sprachen mit der Dichotomie imperfektiv : perfektiv in der Regel zu kurz kommt, blieb vernachlässigt: die Tatsache, daß in den slawischen Sprachen das Verb im gesamten, Verbalparadigma einer der beiden Kategorien angehören muß. Das gesamte russische Verbalsystem mit all seinen Formen ist von der Aspektkategorie beherrscht. Jedes russische Verb vind jede konkrete verbale Form gehört einem der beiden Aspekte — perfektiv oder imperfektiv - an. (tSA^ENKO 1968: 347)

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Zwar finden sich im Französischen und im Deutschen Mittel, die Opposition perfektiv : imperfektiv zum Ausdruck zu bringen, es gibt jedoch keine obligatorischen grammatischen Morpheme, die diese Opposition im gesamten Verbalparadigma repräsentierten. In Hinblick auf die Aktionsarten muß ergänzt werden, daß diese ein Ausgangsverb nicht nur in bezug auf dessen Phasen (ingressiv, inchoativ, resultativ, ...), sondern auch in bezug auf die Stärke und Qualität der Handlung (attenuativ, iterativ, semelfaktiv, ...) determinieren können, diese Ausgangshandlung in Zusammenhang mit einer zweiten Handlung darstellen können (komitativ) u.a.m. 9 Vom Verb blühen ausgehend, seien als "Aktionsarten mit Phasenbedeutung" (vgl. Isabenko 1968: 388-414 oder Deutschbein 1920: 81-82) das perfektiv-ingressive erblühen und das perfektiv-egressive verblühen angeführt - vgl. Deutschbein 1920: 82). Für die quantitativ-qualitative Modifikation kann man ecrire ecrivasser und ecrivailler gegenüberstellen, disputer : disputailler, crier : criailler, repeter : repetailler, tousser : toussailler, toussoter und pleuvoir : pleuvasser, pleuvoter, pleuviner die Beispiele stammen aus Wandruszka (1976: 88-90). Dabei ist für das Französische festzustellen, daß ein Suffix verschiedene "Aktionsarten" bezeichnen kann: -asser markiert in pleuvasser das Diminutivum, in ecrivasser das Intensivum; daneben gibt es Fälle, in denen, bei ein und demselben Verb, verschiedene Suffixe eine (anscheinend) identische "Aktionsart" bilden wie z.B. bei pleuvoir, wo pleuvasser mit pleuvoter und pleuviner konkurriert oder bei ecrire, wo ecrivasser neben ecrivailler steht. Die komitative Aktionsart kann im Deutschen annähernd durch ein Partizip Präsens (er arbeitete singend) oder eine Periphrasierung mit dabei (er arbeitete und sang dabei) zum Ausdruck gebracht werden. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß die hier angeführten Beispiele des Deutschen und Französischen als eine Illustration der Phänomene Aspekt und Aktionsart verstanden werden sollen - nicht mehr und nicht weniger. Inwieweit die angeführten "Beispiele" als echte Entsprechungen der slawischen Formen zu bewerten sind, soll hier nicht diskutiert werden. Den letzten der drei Begriffe, den Verbalcharakter, definiert Isacenko (1968: 419) folgendermaßen: Allgemeine semantische Züge, die sich in einer Reihe von Verben wiederholen und sich aus der individuellen Verbbedeutung abstrahieren lassen, nannten ivir den Verbalcharakter. Er konkretisiert das (1968: 397-398)

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Der Unterschied zwischen, dekursiven und frequentativen Verben ist zunächst ein rein semantischer. Das Kriterium dieser Einteilung ist die "Allgemeinbedeutung" der "Zerlegbarkeit / Unzerlegbar keil des verbal ausgedrückten Vorgangs in Teilvorgänge". Die Termini dekursiv und frequentativ beziehen sich also auf bestimmte semantische Elemente des Verbs, die wir unter dem Artbegriff "Verbalcharakter" (russ. xapa'KTep rnardnbHoro fle'öcTBHHj zusammenfassen wollen. Das, was wir hier Verbalcharakter nannten, hat weder mit Aspekten, noch mit Aktionsarten etwas zu tun. Der Verbalcharakter ist ein Merkmal der inneren [Anm.: Hervorhebung G.B.] Verbbedeutung. Allerdings äußert sich der frequentative Verbalcharakter auch grammatisch darin, daß man zu frequentativen Verben vom Typus KO/IOTL· 'stechen' die einmalige Aktionsart bilden kann: Tt 'einen Stich versetzen'. Der Zusammenhang zwischen Aktionsart und Verbalcharakter wird an anderer Stelle abermals deutlich: Semelfaktiva lassen sich also nur von solchen imperfektiven SimpLizien bilden, die einen frequentativen Verbalcharakter aufweisen. Dekursive Verben vom Typus ^uaTi 'nachdenken' bilden keine Semelfaktiva. (ISA^ENKO 1 68: 398)

Verbalcharakter ist, gemäß Isa£enkos Definition, die Abstraktion bestimmter Merkmale der Verbsemantik: z.B. homogene Zeitstruktur ("dekursiv"), zyklisch -wiederholbare Zeitstruktur ("frequentativ"), aber auch die Merkmale determiniert / indeterminiert, wie sie im Russischen bei den Verben der Fortbewegung zu finden sind - zu letzterem vergleiche man IsaKenko (1968: 419). Comrie (1968: 41) seinerseits unterscheidet imperfectivity und durativity: ersteres ist die (aspektuelle) Interpretation einer Handlung, letzteres ist mit dem Lexem gegeben. Auch Deutschbein stellt den beiden Kategorien Aspekt und Aktionsart eine dritte gegenüber: den Zeitcharakter. Aspekte, Aktionsarten und Tempora sind also Mittel des Gefüges der menschlichen Rede; hingegen gehört der Zeitcharakter eines Wortes, streng genommen, der Bedeutungslehre an, und es wäre Aufga-

16 be eines wissenschaftlichen Wörterbuches, bei jeder auch dieses Zeitmoment zu berücksichtigen.

Worterklärung

(DEUTSCHBEIN 1939: 135; Hervorhebung G.B.)

Er trennt dann (1939: 135-136) zwischen durativen und nicht-durativen Verben, auch "perfektiv" und "imperfektiv" oder "non-conclusive" ( = durativ) und "conclusive" (= nicht-durativ) apostrophiert, und stellt fest 10 [...] die durativen gestatten eine Zeitbestimmung auf die Frage: Wie lange? Hingegen gestatten die nichtdurativen Verben nur die Frage: in (innerhalb) welcher Zeit geschieht der Prozeß? Deutschbein faßt den Unterschied zwischen Aktionsart und Zeitcharakter folgendermaßen: 11 Die Aktionsarten stellen den Rhythmus eines zeitlichen Prozesses dar, der sich objektiv dem Bewußtsein des Sprechenden darbietet. Hingegen stellt der Zeitcharakter die quantitative zeitliche Ausdehnung eines Verbalb egriffes dar. Es handelt sich dann um dehnbare und nichtdehnbare Größen. Die zeitliche Extensität ist also an die Grundbedeutung des Verbums gebunden, während die Aktionsart eine irgendwie geartete sprachliche Situation, die dem Satze zugrunde liegt, zur Voraussetzung hat. (DEUTSCHBEIN 1939: 138)

Wenn Deutschbein (1939: 135) jedoch davon ausgeht, daß der Zeitcharakter "an das Wort als R e p r ä s e n t a n t e n einer Vorstell u n g g e b u n d e n " sei, so muß diese Aussage auf den Satz als "Repräsentanten" des gesamten Vorgangs erweitert werden. Daher schließt die Grundbedeutung jedes Verbs (die im Deutschen am eindeutigsten durch den substantivierten Infinitiv, z.B. das Gehen, das Schreiben, im Ne. durch das Gerund ausgedrückt wird) eine irgendwie bestimmte Anschauung und Auffassung der Zeit ein, die eben die in Betracht kommende Gemeinschaft von einem Vorgang usw. hat. (DEUTSCHBEIN 1939: 134)

Die Vorstellung vom zeitlichen Verlauf eines Vorgangs kann nicht allein im Verb stecken, da der Vorgang respektive sein Verlauf zumindest noch

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von den beteiligten Aktanten bestimmt wird, wie man an den Beispielen noch sehen wird. Dies ist, in bezug auf unseren Untersuchungsgegenstand, sowohl am Begriff des Zeitcharakters des Verbalbegriffes (Deutschbein) als auch am Begriff \erbalcharakter (Isac*enko) auszusetzen. In Hinblick auf Vendlers Arbeiten sind beide Begriffe passend: auch Vendler weist die von ihm herausgearbeiteten time schemata Verben zu. Wir geben dabei dem anschaulicheren Begriff Zeitcharakter den Vorzug, da Verbalcharakter auf Grund seiner allgemeineren Definition auch Merkmale der Verbsemantik einschließt, die keinen Bezug zur temporalen Struktur aufweisen. Wenn Isacenko (1968: 387) sagt, "Die große Mehrzahl der russischen Verben steht außerhalb der Aktionsarten", so unterstreicht dies, daß die Aktionsarten, gemäß Isacenkos Definition, weder Gegenstand Vendlers noch unserer Untersuchungen sind. Zum Verhältnis Aspekt : Aktionsart : Zeitcharakter / Verbalcharakter bleibt anzumerken, daß es im Rahmen einer gesonderten Untersuchung interessant wäre, die Beziehungen bzw. die Restriktionen zwischen diesen drei Kategorien herauszuarbeiten; daß zwischen diesen drei Kategorien Interdependenzen bestehen, wird immer wieder angedeutet. Agrell (1908: 80) konstatiert diesbezüglich In der Natur [Hervorhebung der Verf.] gewisser Tätigkeiten liegt es, dass ein vollendeter Anfangsmoment niemals oder fast nie allein steht. Die Verbot, für solche Handlungen werden, wenn sie m.it einem momentanen Prä. fix verbunden werden (z—, za-), stets (oder überwiegend) Ingressiva. So ist es der Fall mit zagrac", zaspiewao, zadao, zapiakad, zaakompaniowac" u.a. Solche Handlungen werden normaler Weise nie augenblicklich abgeschlossen, sie sind ihrer Natur nach Durativa. Andere Zeitwörter, in deren Bedeutung [Hervorhebung der Verf.] niemals ein kontinuierlicher, ununterbrochener Handlungsverlauf liegen kann und die als konkrete Imperfektiva iterierende Augenblicke bezeichnen, werden als Perfektiva überwiegend momentan: zadygotati (zittern), zamigotac" (flimmern) etc. sowie (1908: 124; Sperrung im Original, Hervorhebung G.B.) Durch Nachweis der Aktionsartbildung und Entlokalisierung der Präverbia erhält man auch die Antwort auf die Frage: Wie bekommt ein unvollendetes V e r bum s im, pie x seine vollendete Form? Die Antwort lautet: Durch ein F o r m, an s (in der Regel ein Präfix), das eine Aktions-

18 art markiert, die das Zeitwort s e i n e m B e d e u t u n g s w e r t e n a c h h a b e n k a n n oder durch, ein Formans (- ein Präfix), das dieselbe lokale Relation ausdruckt, d i e s c h o n d e m B e g r i f f e d e r V e r b a l tätigkeit innewohnt. Auch Isa&nko (1968: 364-365, 381-384) geht auf die Zusammenhange zwischen Verbbedeutung und Perfektivierung ein - wobei das Ergebnis der Perfektivierung jedoch kein Aspektpartner ist, sondern als Aktionsart interpretiert werden muß, so daß bei diesen Verben, nach Isa£enkos AspektDefinition, kein Perfektivum existiert. Seine endgültige Haltung in bezug auf den Zusammenhang zwischen Verbbedeutung und Aspektunpaarigkeit bleibt jedoch unklar, da er einerseits einen solchen Zusammenhang leugnet Das Fehlen eines perfektiven Gliedes wird man auch hier nicht ohne weiteres aus der Bedeutung dieser Verben ableiten können. (ISA^ENKO 1

8: 383)

und Von irgendeinem notwendigen Zusammenhang zwischen Verbbedeutung und perfektivem Aspekt kann, wie man sieht, keine Rede sein. (ISA^ENKO 1 68: 382)

andererseits jedoch, "in einzelnen Fällen", eine semantische Erklärung für das Fehlen eines Aspektpartners zuläßt: Bei echt russischen Verben kann wohl in einzelnen Fällen die konkrete lexikalische Bedeutung für das Fehlen eines perfektiven Aspektpartners verantwortlich gemacht werden [...] (ISA^ENKO 1968: 384)

Auch weisen Wendungen wie "da sehr viele Verben gewisse Aktionsarten nur im imperfektiven Aspekt ausdrücken können" (1968: 384) oder "deren Zugehörigkeit zum perfektiven Aspekt (bei Fehlen des entsprechenden Imperfektivums) mit ihrer spezifischen Aktionsartbedeutung zusammenhängt" (1968: 382-383) auf eine Interdependenz zwischen Aktionsartbedeutung und Aspektunpaarigkeit hin. Führt Isa£enko dabei jedoch sowohl die ingressive als auch die delimitative, semelfaktive, kumulative

19

und distributive Aktionsart als diese spezifischen Aktionsarten an, so scheint ein Zusammenhang zwischen dem Zeitcharakter und der Aspektunpaarigkeit nicht unbedingt gegeben. Zusammenfassend sei eine Brücke zwischen den Aktionsarten und dem Zeitcharakter einerseits und den Aktionsarten und dem Aspekt andererseits geschlagen. Die Aktionsarten sind, als Modifikation eines Verbs, selbst wieder Verben; damit haben sie aber auch — geht man von einem KeröaZcharakter oder Zeitcharakter des Verbums aus - einen Verbalcharakter / Zeitcharakter, der mit dem des Ausgangsverbs übereinstimmen kann, aber nicht muß. Die Aktionsartbildung ihrerseits kann mit einer Perfektivierung Hand in Hand gehen; es handelt sich bei dieser perfektiven Verbform jedoch nicht um das perfektive Aspektkorrelat zu einem Imperfektivum, da die Affigierung neben der Perfektivierung die Aktionsart spezifiziert und somit die Bedeutung des Ausgangsverbs modifiziert.

20

1.3.

Anmerkungen

l Es sei für diesbezügliche Untersuchungen auf Dietrich (1973: 117-156, insbesondere 117-133), Dombrovszky (1961), Prangois (197 : 69-75), Heger (1963), Hittmair (1935/36), Hollmann (1937), Imbs (1960) Knobloch (1965 ff.: Stichwort Aspekt), Pollak (1960, 1962) sowie Schwyzcr (1959: 246-248) hingewiesen.

2 Einschränkend sei vorausgeschickt, daß auch in der Slawistik nicht generell streng zwischen Aktionsart und Verbalcharakter getrennt wird und daß der Begriff Aktionsart auch dort für verschiedenste Merkmale Verwendung findet, die einzelne Verben zu Gruppen zusammenfassen lassen. Isacenko gehört in dieser Hinsicht zu denjenigen, die Aktionsart nur im strengen Sinn verstanden wissen wollen. Diese Haltung ermöglicht es jedoch gerade, die Unterschiede zwischen Verbalcharakter respektive Zeitcharakter und Aktionsart deutlich zu machen. Die Unterschiede zwischen beiden sind derart fundamental, daß eine Differenzierung auch in terminologischer Hinsicht angebracht erscheint. An dieser Stelle sei Herrn Dr. Winter vom Osteuropa-Institut an der Freien Universität Berlin für seine Hinweise und Erläuterungen herzlichst gedankt.

3 Isac'enko (1968: 35l) spricht davon, daß die lexikalische Bedeutung der Aspektkorrelate identisch ist. Den bestehenden "Unterschied" zwischen den Aspektpartnern siedelt Isacenko auf der grammatikalischen und nicht auf der lexikalischen Ebene an.

4 Es darf nicht weiter überraschen, daß Agrell den Begriff Präposition verwendet: zum einen lassen sich die Präfixe häufig von Präpositionen ableiten, zum ändern verwendet er die Begriffe Präfix und Präposition, synonym: Die Präfixe geben dem Verbum keine eigentlich neue Bedeutung, sondern bezeichnen nur, wie die Handlung vollendet wird. Ich nenne diese Präfixe aktionsartbildend. In vorliegender Untersuchung

21 werde ich zeigen, dass wenn ein Verbum simplex mit Präposition verbunden wird, die Verhältnisse nicht so einfach und schematisch liegen •wie die Sache bei den deskriptiven Grammatikern dargestellt wird. (AGRELL 1908: 1)

Man vergleiche außerdem, wie er (1908: 2) die Begriffe Präposition und Präfix stellvertretend verwendet. Informell sei ergänzt, daß ein und dasselbe Präfix zur Bildung verschiedener Aktionsarten dienen kann, so wie verschiedene Präfixe zur Bildung ein und derselben Aktionsart dienen können - vgl. dazu für das Polnische Agrell (1908: 81). Ferner wird in Agrell (1908: 85-120) deutlich, daß ein und dasselbe Präfix sowohl aktionsartbildend sein kann als auch die Aspektopposition zum Ausdruck bringen kann.

5 Weder Aspekt noch Aktionsartbildung liegt in folgendem Fall vor: Die Präposition gibt dem Zeitwort eine ganz neue (gewöhnlich lokale) Bedeutung, z.B. wyjechac" 'ausfahren', rozbiö 'zerschlagen', oddao 'abgeben' usw., zarobiö 'verdienen' von robic1 'machen', roztworzyd 'auflösen, verdünnen' von tworzyc" 'schaffen, bilden' usw. (AGRELL 1908: 1)

Ähnliches findet man auch im Deutschen, wo fliehen : entfliehen, blühen: erblühen, verblühen noch deutlich als "Partner" zu erkennen sind. Eine "ganz neue Bedeutung" durch Präfigierung - und somit ein fehlender Zusammenhang zwischen Ausgangsverb und Ableitung - kann z.B. für die Paare fallen : gefallen oder dienen : verdienen konstatiert werden. Diese Paare mögen zwar historisch voneinander ableitbar sein, von der synchronen Sprachbetrachtung her kann jedoch nicht von einer "Modifizierung" eines Avis gang sverbs gesprochen werden.

6 Agrell (1908: 79; Herv. G.B.) sagt in bezug auf die Ingressiva z.B. "Was sie als vollendet fixieren ist der Anfang einer Tätigkeit, [...]"; man vergleiche zu diesem Punkt außerdem Agrell (1908: l, 78 und 121).

7 Hierbei handelt es sich nicht, wie beim slawischen Aspekt, um ein Oppositionspaar, denn ein (Ausgangs-) Verb kann mehrere, verschiedene Aktionsarten haben.

22

Das, was die Aktionsarten besonders akzentuieren, muß mit der Bedeutung des Ausgangsverbs verträglich sein respektive die Verbsemantik legt eine bestimmte Interpretation des Aktionsartenkompositums nahe - man vergleiche auch das Zitat aus Agrell (1908: 80) am Ende dieses Abschnitts.

9 Selbst IsaKenko (1968: 414) weist darauf hin, daß seine (recht umfangreiche) Darstellung der Aktionsarten nicht vollständig ist. Agrell (1908: 82) gibt eine Aufstellung von zwanzig verschiedenen Aktionsarten mit einer schematischen Darstellung des Handlungsverlaufs und einem "Typverbum".

10 Die Ähnlichkeit mit dem, was Vendler (1957, 1967) schreibt, ist frappierend. Auch Coaerius (1976: z.B. 100) Graphiken weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit denen in Deutachbein (1939: 140, 143 und vor allem 146) auf.

11 Wie bereits deutlich wurde, beschränken sich die Aktionsarten jedoch nicht nur auf die Akzentuierung zeitlicher Phasen einer Verbalhandlung, sondern es können auch weitere Elemente der Verbsemantik des Ausgangsverbs mit ihrer Hilfe präzisiert werden.

23

2.

Das Verb: Klassifikationen und Klassen

2.1.

Verbklassifikationen verschiedener Autoren

2.1.1.

Vendlers Klassifikation 1

Vendlers (1957, 1967) erster Klassifizierungsschritt besteht darin, zwischen Verben, die in der continuous form gebraucht werden können, und solchen, die in dieser Form agrammatikalische Sätze bilden, zu unterscheiden. Erstere bezeichnet er als processes (1967: 99). Sie haben gemein, that they consist of successive phases following one another in time. Indeed, the man who is running lifts up his right leg one moment, drops it the next, then lifts his other leg, drops it, and so on. (VENDLER 1967: 99)

Processes vollziehen sich also in der Zeit, sind daher in Teilintervalle zerlegbar. In Hinblick auf diese Zerlegbarkeit muß jedoch auf einen Unterschied innerhalb dieser Kategorie hingewiesen werden: ein Teil der processes ist im Ablauf strukturierbar - auf Grund eines für das Geschehen essentiellen Abschlusses — , 2 der andere Teil ist im Handlungsverlauf homogen strukturiert (vgl. Vendler 1967: 101). Während letztere, activities genannt, auf Grund der Homogenität in beliebig zu wählende Teile unterteilbar sind, weisen erstere, die accomplishments, eine geordnete Zeitstruktur auf - diese Feststellung ist in Hinblick auf die Verträglichkeit mit temporalen Elementen von Bedeutung. Innerhalb der nonprocesses, der Verben, die nicht in der continuous form gebraucht werden können, sind wiederum zwei Klassen zu unterscheiden. Die states "can be predicated for shorter or longer periods of time" (Vendler 1967: 102), während die achievements nur über "single moments of time" (1967: 102) eine Aussage machen und daher in zeitlicher Hinsicht nicht unterteilbar sind - cf. Vendler (1967: 114). Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß Vendlers Klassifikation in zwei Schritten vor sich geht: der erste besteht darin, zwei Klassen zu unterscheiden, die dadurch bestimmt sind, ob der Gebrauch der continuous form bei diesen Verben möglich ist. Diese beiden Klassen werden

24

mit Hilfe der temporalen Struktur weiter unterteilt:3 die processes in activities und accomplishments (Homogenität vs. Abschluß), die nonprocesses in states und achievements (Prädikation über ein Intervall vs. Punktualität).

2.1.2.

Die Klassifikation von Godel

Godel (1950) unterscheidet verbes d'etat und verbes d'evenement, Verben-des-Seins und Verben-des-Werdens. Die verbes d'etat sind dadurch zu charakterisieren, daß sie etwas Sich—in—der—Zeit—gleichmäßig—Vollziehendes repräsentieren - etwas in temporalstruktureller Hinsicht Homogenes also -, während die verbes d'evenement ein Geschehen bezeichnen, das progressiert — mit dem Ablauf des Geschehens wird ein Ereignis, ein Zustandswechsel herbeigeführt. Godel (1950: 37, 39) sieht die verbes d'etat durch einen aspect statique, die verbes d'evenement hingegen durch einen aspect processif charakterisiert.4 Die beiden Kopulaverben etre und devenir bringen das zum Ausdruck, was die Opposition statique : processif ausmacht: L'opposition definie en parlant des copules etre, devenir, est done celle de deux aspects complementaires: statique et processif. (GODEL 1950: 39)

und

L'aspect statique est le terme negatif d'une opposition qu'on peut representer par le couple lat. virere : virescere. La valeur statique du premier est exactement delimitee par celle de son correlatif: l'etat, c'est l'absence du devenir. (GODEL 1950: 37)

Damit wird ein wichtiger Unterschied zu Vendler deutlich: interessiert Vendler vorrangig die temporale Struktur, so spielt diese bei Godel keine Rolle. Auch wenn Godel in bezug auf die verbes d'etat von einem homogenen Verlauf des Verbalgeschehens ausgeht, so ist das Nicht-Homogene

25 für ihn jedoch nicht durch einen Abschluß ("set terminal point", Vendler 1967: 100), sondern durch eine Zustandsveränderung bestimmt, die wiederum bei Vendler nicht berücksichtigt wird. Daneben ist für Godel die Dauer des Geschehens (Punktualität vs. zeitliche Ausdehnung) unbedeutend. La langue peut distinguer des modalites du devenir — lenteur ou soudainete, p.ex. —; et id encore, ce n'est pas la duree ou l'absence de duree qui est essentielle a la definition de l'aspect, mais l'idee d'un changement, d'un evenement envisage comrne un point de depart, si Von pense a l'etat consecutif, ou comme un terme, si pense a la situation anterieure: devenir, c'est commencer d'etre, et c'est aussi aboutir a un etat. (GODEL 1950: 37-38)

Ferner bemerkt er En considerant les exemples donnes par Meillet, on pouvait se demander si il dort, il brille denotent des etats ou des actions. La chose n'importe guere: ces verbes, comme aussi il marche, ont dans leurs signifies un trait commun, celui de n'impliquer ernenn changement, aucune rupture dans le cours des choses. C'est par ce caractere negatif, plutot que par la notion positive de duree, que st definit l'aspect statique: entre l'etat momentane fetre malade^ f·/ l'etat permanent fetre medecinj, il n'y a pas de difference aspect ive. (GODEL 1950: 37)

Auch handlungstheoretische Unterschiede interessieren in Godels Klassifikation nicht; an anderer Stelle wird dies abermals deutlich: La transposition en verbe du predicat copule + adjectif a sä contrepartie dans les periphrases du type etre aux prises (avec), etre en quete (de), synonymes de verbes swnples a valeur netternent actin flutter, chercherj: l'action est assimilee a un etat ctu sujet. Ma-i.fi cette assimilation ne semble pas absolum,ent libre: eile impliq'U( qu'il s'agit d'une action en cours, dont on n'envisage ni l.c dtbul ni l'aboutissement. L'action ainsi consideree coincide avec l'etot: c'f.s·/ un element d'une situation donnee a un certain morn,ent, abstraction faite de ce qui l'a engendree et de ce qui pourra en refnMc-r. Tel est le caractere semantique des verbes d'etaf, abstro-its· oij cor>-

26 crets; et puisque ce caractere ne distingue pas l'etat de faction en cours, il apparait qu'il faut, ou bien otendre a tous ces cas la denomination de verbes d'etat, ou bien, ce qui est preferable, parier de verbes d'aspect statique. (GODEL 1950: 37)

Godel gliedert die Verben mit Hilfe des Kriterienpaares kontinuierlicher Ablauf vs. Veränderung ("changement", "evenement", "rupture" - cf. 1950: 37, 38). Diese beiden Kriterien führen ihn zu der Dichotomic aspect statique für ein indeterminiert kontinuierliches Geschehen und aspect processif für ein Geschehen, das eine Veränderung, ein Resultat herbeiführt.

2.1.3.

Die Klassifikation von Francois

Francois (1978) klassifiziert Verben bzw. Verbalphrasen mit Hilfe einer semantischen Beschreibung, die mit den Merkmalen developpement und changement arbeitet.6 Dabei bezieht sich developpement auf die zeitliche Extensität des Geschehens, changement auf einen herbeigeführten Zustandswechsel. Diese Merkmale können jeweils mit " + " oder " —" belegt sein, so daß Francois vier Klassen unterscheiden kann: 1. [ + developpement, + changement] 2. [+ developpement, - changement] 3. [- developpement, + changement] 4. [- developpement, - changement]. Ein Verb der ersten Klasse, der verbes teliques, ist z.B. dessiner qqch; diese Klasse deckt sich nur zum Teil mit den Vendlerschen accomplishments. Ein Verb der zweiten Gruppe, der verbes duratifs, ist dessiner; in dieser Klasse vereinigt Francois den Teil der Vendlerschen accomplishments, die keinen Nachzustand initiieren, die Vendlerschen activities und die Vendlerschen states. Zur dritten Klasse, den verbes transformatifs, gehört z.B. s'evanouir. Die letzte der vier Klassen nennt Francois verbes ponctuels; clater de rire sei hier als Beispiel angeführt. Die dritte und die vierte Klasse machen zusammengenommen die Vendlerschen achievements aus.

27

Die Trennung der traditionell punktuell 7 genannten Verben in einerseits die Klasse der transformatifs und andererseits in die der ponctuels rechtfertigt Francois (197 : 92) mit folgendem Beispielpaar: während Helene s'est evanouie depuis une heure akzeptabel ist, mutet Pierre a eclate de rire depuis une heure merkwürdig an. Franyois (vgl. 1978: 92, 98) erklärt dieses unterschiedliche Verhalten damit, daß [+ changement] einen Zeitpunkt vorgibt, von dem an ein eingetretener Nachzustand bis zum Sprechzeitpunkt andauern kann, während bei den Verben mit dem Merkmal [- changement] kein Resultat, kein Nachzustand angenommen werden kann, über dessen Dauer bis zum Sprechzeitpunkt eine Aussage gemacht werden könnte. 8 Francois stellt weiter fest, daß der einzige Unterschied zwischen den teliques und den transformatifs darin besteht, daß bei ersteren "le proces qui aboutit ä ce changement se developpe dans le temps" (1978: 9l), letztere hingegen ein "developpement temporel minime, presque nul sur le plan du temps perc,u — ä l'inverse du temps physique" (1978: 91) haben. Die Unterscheidung temps physique und temps perc/a verdeutlicht, daß die Zeit nicht nur physikalisch meßbar ist, sondern auch eine psychologische Komponente besitzt: mit [- developpement] soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß diese Verben keine zeitliche Ausdehnung im physikalischen Sinn haben — dies ist unmöglich, da sich jegliches Geschehen in der Zeit vollzieht 9 -, sondern mit diesem Merkmal soll dem Sachverhalt Rechnung getragen werden, daß die zeitliche Ausdehnung dieser Geschehen von Sprecher und Hörer als minimal, als ein Punkt interpretiert wird.10 Bei einer Reihe von Verben kann die zeitliche Ausdehnung jedoch nicht ein für allemal festgelegt werden; in Abhängigkeit von der bezeichneten Situation kann eine positive zeitliche Ausdehnung respektive Punktualität vorliegen, so daß Francois außer den vier vorgestellten Klassen eine "Zwischenklasse" telique / transformatif (1978: 91) annimmt. Cette unique difference dans le developpement temporel du proces avant l'instant du changement permet de comprendre que certains verbes ne se laissent classer comme telique ou transformatif qu'en, fonction d,e la situation. Les verbes teliques semblent done com.porter les deux traits primitifs d'aktionsart (+ developpement / + changement), les verbes transformatifs (- developpement / + changement) et les verbes teliques / transformatifs — selon lo, situation - les traits (+/- developpement / + changement). (FRANCOIS 1978: 91)

28 In Zusammenhang mit den beiden zuvor dargestellten Klassifikationen kann auf folgende Parallelität hingewiesen werden: Vendlers (1967: 106) Unterscheidung "time stretch" vs. "time instant" findet sich in Frangois' [+/- developpement] wieder, und Godels Opposition devcnir : etre entspricht [+/- changement].

2.1.4.

Die Klassifikation von Wilmet

Wilmet (1980) unterscheidet vier Klassen mit Hilfe von Präsuppositionen, Implikationen, der Beschreibung der Zeitstruktur und der Verträglichkeiten mit verschiedenen, nicht nur, aber auch temporalen Satzkonstituenten. Seine vier Klassen nennt er verbes sto^tifs, verbes imperfectifs, verbes ponctuels und verbes conclusifs. Der Einfachheit halber sei mit den verbes imperfectifs begonnen. Les verbes imperfectifs engendrent l'evenement verbal des leur terminus a quo. Cette propriete est mise en evidence par une inference implicative: Pierre commence ä / est en train de marcher => "Pierre a marche". Accessoirement, Us acceptent une precision temporelle pendant un temps : Pierre a marche pendant trois heures. (WILMET 1980: 6l)

Da sich Wilmet (1980: 6l) in einer P'ußnote von Vendler distanziert, 11 seien den Wilmetschen Definitionen direkt die Abschnitte aus Vendler (1957, 1967) gegenübergestellt, in denen dieser seine Klassen beschreibt. Zu den activities sagt Vendler (1957: 145) z.B. folgendes: Thus we see while running or pushing a cart has no set terminal point, running a mile and drawing a circle do have a "climax", which has to be reached if the action is to be what it is claimed to be. In other words, if someone stops running a mile, he did not run a mile; if one stops drawing a circle, he did not draw a circle. But the man who stops running did run, and he who stops

29

pushing the cart did push it. Running a mile and drawing a circle have to be finished, while it does not make sense to talk of finishing running or pushing a cart. Accordingly, the question, "For how long did he push the cart?" is a significant one, while "How long did it take to push the cart?" sounds odd. On the other hand, "How long did it take to draw the circle?" is the appropriate question, and "For how long did he draw the circle?" is somewhat queer. And, of course, the corresponding answers will be, "He was pushing it for half an hour" and "It took him twenty seconds to draw the circle" or "He did it in twenty seconds," and not vice versa.12 und (1967: 100) // it is true that someone is running or pushing a cart now, then even if he stops in the next moment it will be still true that he did run or did push a cart.13 Die verbes perfectifs

definiert Wilmet (1980:62) wie folgt:

Les verbes perfectifs engendrent I'evenement verbal du terminus a quo au terminus ad quern: Pierre commence a / est en train de sortir ^ "Pierre est sorti". Cette propriete est mise en evidence par une inference presuppositive: Pierre sort -» "Pierre etait a I'interieur". Accessoirement, Us acceptent une precision temporelle en u n temps sans effet de repetition: Pierre est sorti du labyrinthe en trois heures. Um die Ähnlichkeit mit Vendler (1957: 146) deutlich zu machen, soll dieser selbst zu Wort kommen. It appears, then, that running and its kind go on in time in a homogeneous way; any part of the process is of the same nature as the whole. Not so with running a mile or writing a letter; they also go on in time, but they proceed toward a terminus which is logically necessary to their being what they are. Somehow this climax casts its shadow backward, giving a new color to all that went before.

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Was die von Wilmet konstatierte Implikation angeht, so findet sich in Vendler (1957: 145) folgendes: On the other hand, if I say of a person that he is running a mile or of someone else that he is drawing a circle, then I do claim that the first one will keep running till he has covered the mile and that the second will keep drawing till he has drawn the circle. If they do not complete their activities, my statement will turn out to be false. [...] In other words, if someone stops running a mile, he did not run a mile; if one stops drawing a circle, he did not draw a circle. [...] Running a mile and drawing a circle have to be finished, while it does not make sense to talk of finishing running or pushing a cart. dem er in einer Fußnote hinzufügt: Of course it might remain true that they tried to run a mile or draw a circle. Eine Presupposition, wie Wilmet sie anspricht, findet in Vendlers Klassifikation keine Berücksichtigung. Die Intention der Annahme einer solchen Presupposition bleibt unklar, da es sich, wie bei den verbes conclusifs noch deutlich wird, nicht um einen pr'äsupponierten Vor-Zustand handeln kann, der durch Vollzug des Verbalgeschehens in einen veränderten Nachzustand überführt wird. Welche Präsupposition sollte man für II a couru un cent metres annehmen, die in Zusammenhang mit einer Klassifikation nach überwiegend temporalen Kriterien und zugleich als Unterscheidungsmerkmal gegenüber den verbes statifs und den verbes imperfectifs sinnvoll wäre? Die Klasse der verbes perfectifs abschließend sei angemerkt, daß sortir nicht als verbe perfectif interpretiert werden sollte. Die Angabe der Dauer des Geschehens bezieht sich bei sortir auf das Vor-Geschehen - vgl. auch Vendler (1957: 147-148) -, Pierre sort du labyrinthe aber bezeichnet ein punktuelles Geschehen. Während sich Pierre dem Ausgang nähert, hat das eigentliche Geschehen noch nicht begonnen; daher ist es möglich, sich mit einem futurischen Tempus auf das Ereignis zu beziehen: Pierre va sortir / Pierre sortira du labyrinthe. Betrachtet man die vierte Klasse, die verbes conclusifs, so scheint sich diese Klasse mit Vendlers achievements zu decken.

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Les verbes conclusifs engendrent l'evenement verbal au terminus ad quem: eclater, exploser ... (WILMET 1980: 62)

Auch bei dieser Klasse seien der Presupposition dieselben Einwände entgegengehalten. Cette propriete est mise en evidence par une inference presuppositive du type 3 (La bombe eclate -> "La bombe eta.it intacte") [.„] (WILMET 1980: 62-63)

Welche sinnvolle Präsupposition sollte man für U a apercu l'oiseau annehmen? Was die Implikation angeht, die Wilmet (1980: 62-63) anspricht [...] une inference implicative du type 2 (La bombe est en train d'eclater =* "La bombe a eclate"), ce qui signifie que l'atteinte du terminus ad quem est liee au depassement du terminus a quo. so sei darauf aufmerksam gemacht, daß diese Implikation im Fall der verbes conclusifs sprachlicher Ausdruck des "gegenwärtigen" Vollzugs ist, der, auf Grund der Punktualität, mit dem Vollzogen-Haben bzw. mit dem Vollzogen-Sein zusammenfällt; dies gilt jedoch nicht - von einigen besonders zu interpretierenden Situationen abgesehen - für die verbes imperfectifs. Nach dem, was Vendler (1957: 147) in Zusammenhang mit dem Gebrauch des Präsens bei den punktuellen Verben sagt,14 muß diese "Implikation" eingeschränkt werden. Eine Implikation (in bezug auf ein Präsens) ist gegeben, wenn das Präsens als Reporterpräsens verwendet wird. Handelt es sich hingegen um ein praesens pro futuro, was in den meisten Fällen der Fall sein dürfte, so kann keine Implikation angenommen werden - auf die futurische Interpretation der Verbalperiphrase etre en train de mit punktuellen Verben wird in Abschnitt 2.2.2.2. eingegangen. Die von Wilmet konstatierte Implikation von "La bombe est en train d'eclater" kann also in dieser Form nicht bestehen bleiben. Was Vendler mit "definite moment" (1957: 146), "single moment" (1957: 147), "the time instant" (1957: 149) "unique and definite time instants" (1957: 149) bezeichnet, bringt Wilmet durch Wendungen wie "que l'atteinte du terminus ad quem est liee au depassement du terminus a quo" (1980: 63) oder "Les verbes conclusifs engendrent l'evenement verbal au terminus ad quem" (1980: 62) zum Ausdruck.

32

Mit der Punktualität in Einklang steht auch die Tatsache, daß das Geschehen nicht in bezug auf den Beginn partialisiert werden kann. Accessoirement, les verbes conclusifs refusent la periphrase commencer a (*L& bombe commence ä eclater, sinon par figure: eclater en larmes / de colere / de sante ..., ou bien entendu au pluriel: Les grenades commencent ä exploserj [...] (WILMET 1980: 63)

Wenn Wilmet jedoch feststellt, die verbes conclusifs ließen keine "consideration d'un etat resultant" (1980: 63) zu, so scheint das eine vorschnelle Behauptung zu sein. Punktuelle Verben wie se reveiller oder perdre initiieren sehr wohl einen Nachzustand; es ist jedoch eine Subklasse der punktuellen Verben anzunehmen, die keinen Nachzustand evozieren. Zu Wilmets (1980: 63) Charakterisierung der verbes conclusifs Ils acceptent au contraire [.'] la periphrase mettre un temps ä: La grenade a mis deux heures ä exploser. bleibt zweierlei anzumerken. Zum einen ist mettre un certain temps a auch mit den verbes perfectifs kombinierbar, zum ändern bezieht sich die angegebene Zeitspanne auf das Vor-Geschehen und nicht auf das eigentliche Verbalgeschehen, was in Zusammenhang mit sortir bereits angesprochen wurde. Um mit Vendler (1957: 147-148) zu antworten Even if one says that it took him three hours to reach the summit, one does not mean that the reaching of the stimmit went on during those hours. Obviously it took three hours of climbing to reach the top. Put in another way: if I write a letter in an hour, then I can say, "I am writing a letter" at any time during that hour; but if it takes three hours to reach the top, I cannot say, "I am reaching the top" at any moment of that period. "Was die letzte zu behandelnde Klasse angeht, die verbes statifs, drückt sich Wilmet zu Beginn recht vage aus:

so

Les verbes statifs excluent toute progression entre leur terminus a quo et leur terminus ad quem: etre, exister, savoir, connaitre, aimer (adynamique), croire ... (WILMET 1 80: 61)

33

Was könnte mit "progression" gemeint sein? Vielleicht das, was Vendler (1957: 144-145, Herv. G.B.) folgendermaßen beschreibt: This difference suggests that running, writing, and the like are processes going on in time, i.e., roughly, that they consist of successive phases following one another in time. Indeed, the man who is running lifts up his right leg one moment, drops it the next, then lifts his other leg, drops it, and so on. But although it canbe true of a subject that he knows something at a given moment or for a certain period, knowing and its kin are not processes going on in time. It may be the case that I know geography now, but this does not mean that a process of knowing geography is going on present consisting of phases succeeding one another in time. Wilmet (1980: 61) führt zu den verbes statifs weiter aus: Us se reconnaissent en principe a leur incompatibilite — deja signalee — avec la periphrase etre en train de (et de fagon moins reguliere a leur inappetence pour l'imperatif et les adverbes volontairement, deliberementj ou a la lecture iterative qu'entraxne obligatoirement le reactif vite (il croit vite = "il est credule", tandis que il marche vite = "il ne tarde jamais a marcher, il est irritable" ou "il se deplace rapidement").15 Vendler (1957: 149) seinerseits macht für die states auf folgendes aufmerksam: Following this lead back to states, we find indeed that one cannot know, believe, or love deliberately or carefully, and none of us can be accused of, or held responsible for, having "done" so either. und

As to states, the lack of continuous tenses (e.g., "I am knowing, loving, and so forth") is enough to distinguish them from activities and accomplishments, and the form of time determination ("How long ...?" "For such—and—such a period") should be sufficient to keep them from being confused with achievements. (VENDLER 1957: 148)

34 In Hinblick auf Presupposition und Implikation stellt Wilmet (1980: 61) für die verbes statifs fest: Les verbes statifs ne permettent aucune inference re aime Marie ne presuppose pas "Pierre n'aimait parer au type 3 ci-dessous); Pierre commence a plique pas "Pierre a aime Marie" (comparer au

particuliere: Pierpas Marie" (comaimer Marie n'imtype 2).

- die Verben des dritten Typs sind die verbes perfectifs, die des zweiten die verbes imperfectifs. Auch dieses Beispiel macht nicht deutlich, was Wilmet mit Hilfe der Presupposition erklären will. Da Pierre commence a aimer Marie gerade zum Ausdruck bringen soll, daß Pierre mit Marie noch nicht in einer Beziehung steht, die mit lieben bezeichnet werden könnte,16 sollte die Implikation "Pierre a aime Marie" sinnvollerweise gar nicht zur Diskussion stehen; Pierre aime Marie impliziert jedoch "Pierre a aime Marie". Die Ähnlichkeit zwischen den Wilmetschen und den Vendlerschen Klassen ist offensichtlich; Schwierigkeiten beim Vergleich beider Klassifikationen ergeben sich, sobald es um Implikation und Präsupposition geht. Daß diese Kriterien jedoch nicht gleichgewichtig mit dem Zeitkonzept sind und daß bei einer Klassifikation, die verschiedene Kriterien heranzieht, eine Hierarchisierung derselben notwendig ist, versteht sich von selbst.

35

2.2.

Die vier Vendlerschen Verbklassen

2.2.1.

Die accomplishments

Vendler beschreibt die Zeitstruktur dieser Klasse mit den Worten: A was drawing a circle at t means that t is on the time stretch in which A drew that circle. (VENDLER 1967: 106)

und bemerkt zusätzlich: Accomplishments, on the other hand, imply the notion of unique and definite time periods. (VENDLER 1967: 106-107)

Die temporale Struktur der accomplishments weist also genau festgelegte Grenzen auf ("definite") und hat damit eine genau bestimmte zeitliche Ausdehnung. Während die activities unbestimmte Zeit andauern können, nehmen die accomplishments einen begrenzten Zeitraum ein: Vendler (1967: 106) spricht in Zusammenhang mit den accomplishments von "the time stretch", in bezug auf die activities hingegen von"a time stretch" (seine Hervorhebungen). Auf Grund der angesprochenen fixierten zeitlichen Ausdehnung sind die accomplishments nicht beliebig unterteilbar ("unique"): sie weisen wegen des ausgezeichneten End—Punktes (= Abschluß) eine (temporale) Struktur auf, die eine beliebige Unterteilung unmöglich macht, während die activities in ihrer Zeitstruktur homogen und daher willkürlich unterteilbar sind ("not unique", Vendler 1967: 106). In engstem Zusammenhang mit der (Un-) Möglichkeit der beliebigen Unterteilung steht die (Un—) Möglichkeit, die Verbalhandlung jederzeit zu beenden, was wiederum in unterschiedlichen Implikationen seinen Ausdruck findet: // it is true that someone is running or pushing a cart now, then even if he stops in the next moment it will be still true that he did run or did push a cart. On the other hand, even if it is true that someone is drawing a circle or is running a mile now, if he stops in the next moment it may not be true that he did

36 draw a circle or did run a mile. In other words, if someone stopsrunning a mile, he did not run a mile; if one stops drawing a circle, he did not draw a circle. But the man who stops running did run, and he who stops pushing the cart did push it. Running a mile and drawing a circle have to be finished, while it does not make sense to talk of finishing running or pushing a cart. (VENDLER 1967: 100)

Activities und accomplishments verbindet die Tatsache, daß die temporale Struktur beider Klassen anhand des Verlaufs in der Zeit zu charakterisieren ist ("processes") - dies unterscheidet sie eindeutig von den states. Beide Klassen verbindet ferner die positive zeitliche Ausdehnung, die der Handlungsverlauf aufweist - dies unterscheidet sie von den achievements. Der wesentliche Unterschied zwischen den activities und den accomplishments liegt in der Absenz / Präsenz dieses ausgezeichneten Punktes der temporalen Struktur, des Abschlusses: die activities weisen eine homogene Temporalstruktur auf - mit allen implikatorischen Konsequenzen -, während die Zeitstruktur der accomplishments gerade durch den Abschluß zu kennzeichnen ist.

2.2.2.

Die achievements

Now some of these verbs [Anm.: die nonprocesses] can be predicated only for single moments of time (strictly speaking), while others can be predicated for shorter or longer periods of time. One reaches the top hill, wins the race, spots or recognizes something and so on at a definite moment. (VENDLER 19 7: 102)

For achievements: A won a race between t, and ta means that the time instant at which A won that race is between t, and t?. (VENDLEH 1967: 106)

Die achievements sind also dadurch zu charakterisieren, daß ihre temporale Struktur keine zeitliche Ausdehnung aufweist und daher graphisch

37 durch einen Punkt repräsentiert werden kann (punktuelle Verben). Vendler (1967: 112) unterscheidet achievements "that initiate a state" und solche "that start activities" - man denke z.B. an avoir (= haben, bekommen), savoir (= wissen, erfahren), connaitre (= kennen, kennenlernen) und se taire (= schweigen, verstummen). Diese Unterscheidung ist für die Definition der Klasse der achievements irrelevant und dient nur der Unterscheidung von Subklassen. Ebenso können die Merkmale [+/Nachzustand] (il s'est evanoui vs. eile a eclate de rire),17 [+/- Einmaligkeit] (il est mort vs. il a aperqu son porte-feuille) oder [+/— direkte Wiederholbarkeit] (Jean-Paul a tousse vs. il a perdu son parapluie) einer Subklassifizierung dienen.18 Es sei informativ ergänzt, daß achievements auch die terminative Phase eines accomplishments bezeichnen können: manger qqch ist nicht nur als essen, sondern auch als auf—essen zu interpretieren. Aus Marie va la (= la soupe) manger ist nicht zu schließen, daß Marie noch nicht zu essen angefangen hat; diese Aussage kann auch den Sachverhalt des ^/-Essens bezeichnen - nur so ist seine Verwendung auch nach Beginn des Essens zu erklären. Trotz aller angedeuteten Differenzierungsmöglichkeiten vereinigt das Merkmal [+ Punktualität] alle hier angeführten achievements und grenzt sie gegen die drei anderen Klassen ab; auf die Schwierigkeiten bei der Anwendung dieses Merkmals wird noch an anderer Stelle eingegangen.

2.2.2.1. Die achievements und die Tempora

Wie bereits festgestellt wurde, ist das Charakteristikum der achievements ihre Punktualität: Beginn und Ende der Verbalhandlung fallen zusammen. Damit deutet sich die Problematik bereits an: wie kann ein Verbalgeschehen, bei dem Beginn und Ende nicht zu trennen sind, auf den Anfang hin fixiert werden? Wie ist die Periphrase etre en train de mit achievements zu interpretieren? Wie verträgt sich der Gebrauch des Indikativ Präsens mit der Punktualität? Für das Präsens konstatiert Fuchs (1979: 35):19 En (1) II ecrit, il [Anm.: l'enonciateur] presente le deroulement du proces comme en cours au moment T (valeur aspectuelle dite d"'in-

38 accompli"): le deroulement est vcdide, c'est-a-dire que T se situe en un point quelconque de l'intervalle, entre le debut franchi (ce n'est que "par exces" qu'il peut co incider avec ce debut, puisque des que le deroulement commence, le debut est, en fait, franchi), et le terme non franchi (ce n'est que "par defaut" qu'il peut co incider avec ce terme puisque meme quand le deroulement s'acheve, le terme n'est, en fait, pas franchi). Bei den achievements reduziert sich dieses "Intervall" auf einen Punkt, und es stellt sich die Frage, wie etwas, dessen zeitliche Ausdehnung als minimal konzeptualisiert ist, en cours sein kann bzw. wie man das Sprechzeitintervall zwischen dem debut franchi und dem terme non franchi unterbringen will. Diese Problematik erklärt, weswegen - wie bereits Vendler (1967: 103) bemerkt - ein Präsens als Historisches Präsens bzw. pro futuro gebraucht wird, der tatsächliche, präsentische Vollzug des Geschehens jedoch in der Regel mit Hilfe des Perfekts versprachlicht wird: ein Präsens im Sinne eines aktualen Präsens kann nur als sogenanntes "Reporterpräsens" existieren — wenn unter aktualem Präsens die (zumindest partielle) Synchronie von Sprechzeitintervall und Aktzeitintervall verstanden wird. Während bei den anderen Klassen das Präsens den Sachverhalt bezeichnet, daß das Sprechzeitintervall Teil des Zeitraums ist, für den der Sachverhalt als gültig dargestellt wird, ist bei den achievements eine zeitliche Überlappung nur dann möglich, wenn das Geschehen in direkter zeitlicher Übereinstimmung mit dem punktuellen Ereignis verbalisiert wird und der Sachverhalt des accompli aus stilistischen Gründen vermieden werden soll, um den Anschein höchster Aktualität zum Ausdruck zu bringen - genau das ist mit "Reporterpräsens" gemeint. En (2) II a ecrit, l'enonciateur presents le deroulement du proces comme n'etant plus en cours au moment T (valeur aspectuelle dite d"'accompli"): le deroulement n'est plus valide, c'est—a—dire que T se situe en un point exterieur a l'intervalle, au—delä du terme franchi (il ne peut plus co'incider avec aucun point de l'intervalle). (FUCHS 1979: 35)

Dieser Abschnitt erklärt, weswegen eher mit il est entre als mit ü entre, mit ü a go,gne als mit il gagne auf den aktualen Vollzug referiert wird: auf Grund der punktuellen Temporalstruktur der achievements ist mit dem Vollzug (= Aktualität) zugleich der Sachverhalt des accomplissement gegeben, der jedoch nicht durch das Präsens, sondern durch z.B. das passe compose zum Ausdruck kommt.

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Ein Präsens bezeichnet bei den achievements also nicht das eigentlich Gegenwärtige, während das passe compose auf den aktualen Vollzug referieren kann. As a matter of fact the point can be made stronger still: in cases of pure achievement terms the present tense is almost exclusively used as historic present or as indicating immediate future: Now he finds the treasure (or wins the race, and so on) is not used to report the actual finding or winning, while the seemingly paradoxical Now he has found it or At this moment he has won the race is. (VENDLER 1967: 103)

Es ist bei einem achievement keine eigentlich präsentische Phase gegeben, in der nicht ein anderes Tempus als das Präsens Verwendung finden konnte. Das Präsens kann zum einen futurisch interpretiert werden und ist damit durch ein Tempus der einfachen Zukunft ersetzbar -, oder es ist, im Fall des "Reporterpräsens", der Sachverhalt des accomplissement gegeben, so daß es durch das passe compose ersetzt werden kann. Daneben bleibt festzuhalten, daß während des Vor-Geschehens ein Zeitpunkt eintreten kann, zu dem man sich auf das achievement-Ereignis in den Zeiten Futur I, futur proche, Präsens und passe compose beziehen kann und dennoch von ein und demselben Ereignis spricht: Borg gagne le match, Borg gagnera le match, Borg va gagner le match und Borg a gagne le match können zu ein und demselben Zeitpunkt geäußert werden, je nachdem, unter welchem "Aspekt" das Geschehen dargestellt werden soll; dies ist einzigartig und u.E. nur für achievements gültig. Wie ist dieser Sachverhalt zu erklären? Auf die "Äquivalenz" von Futur I, futur proche und Präsens wurde bereits eingegangen. Es ist andererseits jedoch möglich, das Geschehen, bei absoluter Sicherheit seines Eintretens bzw. als Ausdruck der absoluten Sicherheit seines Eintretens, bereits als accompli darzustellen. Dies ist in der Form, d.h. mit Hilfe des passe compose, nur möglich, weil der Eintritt des Geschehens zugleich der Abschluß ist. Bei achievement-Geschehen ist keine Phase zwischen Beginn und Ende des Geschehens zwischengeschaltet, die nur durch ein Tempus der Zukunft überbrückt werden könnte. Die Aktualität des achievement—Ereignisses (= Gegenwart) ist also, auf Grund der punktuellen Temporalstruktur, durch das Merkmal [+ accom-

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pli] zu kennzeichnen. Da es kein Tempus gibt, das den Ereigniszeitpunkt als Element des Sprechzeitintervalls darstellt, gibt es in strengem Sinn kein Tempus, das genau den Vollzug dieses Geschehens als gegenwärtig präsentiert. Das Präsens ist dafür nur begrenzt geeignet, da es das Sprechzeitintervall innerhalb des Aktzeitintervalls lokalisiert und nicht umgekehrt, weswegen das Geschehen zugleich als inaccompli dargestellt wird, was wiederum in Widerspruch zur temporalen Struktur des Ereignisses steht. Mit dem passe compose andererseits kann man sowohl auf das "gegenwärtige" Ereignis — da es sich um ein achievement—Ereignis handelt - als auch auf ein vorrangegangenes Ereignis referieren.

2.2.2.2. Die Verbalperiphrase etre en train de und die achievements

Funktion dieser Verbalperiphrase ist es, das Geschehen in seinem Vollzug zu präsentieren. Ma.is en reconstruisant cette position du sujet face au proces, l'interlocuteur peut lui associer une interpretation dans le plan aspectuel, et y voir une maniere de considerer l'interieur de Intervalle [Herv. G.B.] associe au deroulement du proces [Herv. G.B.] : en effet le sujet peut etre declare engage dans la realisation du proces tant que celui-ci se deroule. (FUCHS 1979: 36)

Unter Verwendung dieser Verbalperiphrase wird also der "Mittelteil" des Geschehens, ohne Einbeziehung von Anfang und Ende, partialisiert. Dabei drängt sich sofort die Frage auf, wie bei einer Klasse, die durch Punktualität gekennzeichnet ist, ein "Mittelteil" isoliert werden kann. Dennoch sind Messner est en train d'atteindre le sommet; l'equipe de Saint-Germain est en train de gagner le match; on est en train de partir oder soutenez-la, eile est en train de s'evanouir akzeptable Sätze. Der Kontext des letzten Beispiels kann als Interpretationshilfe dienen: das Begleitereignis eines Sturzes im Fall des Ohnmächtig-Werdens soll dadurch gemildert

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werden, daß eile gestützt wird. Damit kann für die Interpretation der Kombination etre en train de + achievement konstatiert werden: 1. Das Ereignis tritt erst nach, dem Sprechzeitpunkt / Betrachtzeitpunkt ein;21 2. Der Sprecher ist überzeugt, daß das Ereignis eintreten wird; der Vollzug des Geschehens wird antizipiert. Die "Phase", auf die etre en train de referiert, ist nicht durch das achievement—Ereignis gegeben, sondern durch ein Vor-Geschehen, das den Schluß auf das erwartete Eintreten des Geschehens nahelegt. Für die accomplishments und die activities hingegen zeigt sich ein anderes Bild: Paul est en train d'ecrire une lettre; Marie est en train de jouer; je ne peux pas t'aider, je suis en train de faire la vaisselle; Josette est en train d'eplucher les legumes sind nicht futurisch zu interpretieren. Das Verbalgeschehen, das bei diesen beiden Klassen eine zeitliche Ausdehnung auf weist, kann in Vollzug dargestellt werden. 22

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2.2.3.

Die states

Vendler selbst sagt über diese Klasse relativ wenig; vom time schema For states: A loved somebody from tt to t£ means that at any instant between t t and t2 A loved that person. (VENDLER 1967: 10 )

und In an analogous way, while achievements involve unique and definite time instants, states involve time instants in an indefinite and nonunique sense. (VENDLER 1967: 107)

abgesehen, grenzt er diese Klasse konzeptuell kaum mehr von den drei anderen Klassen ab. Für ihn sind die states zur Genüge durch die Inkompatibilität mit der continuous form und auf Grund der Tatsache der Prädikation über ein Zeiiintervall bestimmt. As to states, the lack of continuous tenses (e.g., I am knowing, loving, and so forth) is enough to distinguish them from activities and accomplishments, and the form of time determination (How long ...? For such and such a period,) should be sufficient to keep them from being confused with achievements. (VENDLER 1967: 104)

In (1967: 106) findet sich der Abschnitt, der u.E. bewirkt, daß states in der Regel, in Ermangelung eines besseren Kriteriums, mit Hilfe der Absenz von Agentivität klassifiziert werden. We may conclude this digression by saying that states and some achievements cannot be qualified as actions at all. Dem kann man nur zustimmen; Vendler sagt nämlich, daß states keine Handlungen ("actions") sind, er sagt jedoch nicht, daß activities - und in Analogie dazu auch accomplishments und achievements —, nicht auch

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den handlungstheoretisch definierten Zuständen zugerechnet werden können - und sei es nur eine Subklasse der drei Klassen. Ziel der nun folgenden Überlegungen ist es, in einer temporalstrukturellen Klassifikation ein temporales Kriterium auch für die Abgrenzung der Klasse der states zu finden. 23 Drei Punkte sind gegen eine handlungstheoretisch definierte Klasse der states vorzubringen: 1. Ein handlungstheoretisches Kriterium kann in einer kohärenten Klassifikation nach der temporalen Struktur nur einer Subklassifikation dienen. 2. Die Vendlersche Klasse der activities kann nur mit Mühe mit dem Merkmal [ + Agentivität] in Einklang gebracht werden. 24 3. Man interpretiert Vendler nicht richtig, wenn man möglichen bzw. geforderten Gebrauch der continuous form mit Agentivität gleichsetzt, denn Vendler (1967: 105, 106) selbst macht deutlich, daß Agentivität und der Gebrauch der expanded form nicht Hand in Hand gehen; wie sonst wäre es möglich, die Klasse der achievements, die nach Vendler durch Absenz der continuous form charakterisiert ist, in eine agentive und eine nicht-agentive respektive eine voluntative und eine nicht-voluntative Subklasse zu unterteilen. 25 Vendlers erstes Kriterium für die Definition der Klasse der states ist die Inakzeptanz der continuous tenses. Dabei steht jede neue, sich an Vendler anschließende Klassifikation vor der Schwierigkeit, ein Kriterium, das eirif Erscheinung einer Einzelsprache, in diesem Fall des Englischen, berücksichtigt, zu verallgemeinern, damit die Klassen außereinzelsprachlich definiert werden können. 2e Wenn Vendler sagt, daß die states "can be predicated for shorter or longer periods of time" (1967: 102) und daß "states last for a period of time" (1967: 103), so hilft auch das nicht, die states gegen die activities abzugrenzen. Eine Gegenüberstellung der Zeitkonzept o von states und activities läßt ebenfalls keine eindeutigen Schlüsse auf die Konzeption der states zu. For activities: A was running at time t means that tim.e instant t is on a time stretch, throughout which A -was running. [...] For states: A loved somebody from ii to t 2 means that at any instant betvjeen t j and t2 A loved that person.

sowie

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This shows that the concept of activities that are not unique or definite. [...] In achievements involve unique and definite volve time instants in an indefinite and

calls for periods of time an analogous way, while time instants, states innonunique sense.

(VENDLER 1967: 106-107)

Da das Kriterium Agentivität für eine Klassifikation nach der temporalen Struktur nicht akzeptabel ist, findet sich eventuell in der Interpretation der expanded form ein Hinweis auf die in temporaler Hinsicht bestehenden Unterschiede zwischen einem Verb wie z.B. to run und einem Verb wie to know. Es soll also kein Pendant der continuous form gesucht, sondern das herausgearbeitet werden, was diese Form, im Unterschied zur simple form, zum Ausdruck bringt. Da die states in der erstgenannten Form nicht erscheinen können, kann gefolgert werden, daß den states gerade das fehlt, was die expanded form akzentuiert. Neben - oder gerade auf Grund — der Introspektion in den Handlungsverlauf stellt die continuous form das Geschehen als aktualisiert,27 als zeitbezogen dar: das Geschehen gruppiert sich um einen Zeitpunkt herum, auf den durch die expanded form besonders referiert wird. Auf Ahnliches weist auch Francois hin: Dans son etude "Verbs and Times" (1967: 97—121) V endler distingue les proces composes de phases qui s'enchainent sur l'axe temporel et les proces dont il n'est pas possible de prendre un instantane (cet instantane etant rendu en anglais par la forme progressive). Eine Bindung an die Zeit spricht auch Reichenbach (1947: 290) an: The English language uses the present participle the event covers a certain stretch of time.

to indicate that

Der in einem state ausgesagte Sachverhalt wird nicht mit einem Zeitraum ("stretch of time") in Verbindung gebracht, sondern er wird losgelöst von jeglicher Zeitlichkeit ausgesagt. Diese Interpretation deckt sich auch mit der Tatsache, daß He is working at Siemens gerade dann akzeptabel ist, wenn die Arbeit bei Siemens als ein nur vorübergehender Job verstanden wird, wenn die Prädikation also gerade nicht losgelöst von der Zeit zu interpretieren ist. Aus Reichenbachs Formulierung wird andererseits deutlich, weswegen auch die achievements, die doch im Gegensatz zu den states zeit— bzw.

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situationsgebunden sind, ebenfalls nicht (bzw. nur in einer bestimmten Interpretation) in der expanded form erscheinen können: ihnen fehlt die zeitliche Ausdehnung, so daß wiederum kein Zeitraum zur Verfugung steht, aus dem heraus ein Punkt partialisiert werden könnte. Auch Bach (1981: 75-79) sieht im Gebrauch der expanded form einen Zeitbezug gegeben ("TEMPORARY"), im Falle der simple form hingegen nicht ("NONTEMPORARY"). Wenn Deutschbein in Zusammenhang mit der progressive form von einem "In—Erscheinung-Treten" und einem "Zur—Wirklichkeit—Werden des Prozesses" (beide 1939: 191) spricht, wenn er sagt, "daß diesen [Anm.: präsentischen Vorgang] der Sprechende sich vergegenwärtigt" (1939: 196-197), "so daß die Wirklichkeit, die Aktualität dieses Vorgangs apperzipiert wird" (1939: 197), wenn er in diesem Zusammenhang den "erlebten Sachverhalt" (1939: 197) erwähnt und darauf hinweist, daß der in der expanded form dargestellte Vorgang "viel stärker als unmittelbar gegenwärtig empfunden" (1939: 191) wird, so sind das zwar recht psychologische Beschreibungen, jedoch scheinen sie gerade das zum Ausdruck zu bringen, was den states fehlt und was mit atemporal gemeint ist: der (fehlende) Bezug zu einem Zeitpunkt oder Intervall der Zeitachse. Im Gegensatz zu den activities, deren Verwendung im (aktualen) Präsens mit einer Identifikation mit dem Sprechzeitpunkt einhergeht - daher die sogenannte Aktualisierung -, machen states eine von der Zeit losgelöste, eine von Situationen abstrahierende Aussage, und sind somit Prädikationen, die Allgemeingültigkeit beanspruchen. 28 Nous caracterisons le fonctionnement de type etat de la maniere suivante: le proces fonctionne comme hors-bornage et hors-determination; cela signifie en particulier qu'aucune borne n'est envisageable dans la mesure ou il n'y a ni deroulement ni progression. D'ou un traitement de l'etat comparable a celui que nous a-vions propose au chapitre II pour la propriete: au proces se trouve associe non pas un intervalle metis un axe indetermine. (FUCHS / LEONARD 197 : 330-381; Herv. G.B.)

Fuchs / Leonard (1979: 367) unterscheiden drei "Geschehen"strukturen: borne, non-borne und hors-bornage; accomplishments und achievements gehören zur ersten Gruppe, die activities sind durch non—borne charakterisiert, und hors-bornage kennzeichnet die Klasse der states. Damit werden die Unterschiede zwischen den achievements, den accomplishments und den activities einerseits und den states andererseits deutlich: geht das Ende des Geschehens im Fall der drei zeitbezogenen Klassen in das Kon-

46 zept derselben ein - die Kategorie borne weist eine festgelegte hintere Grenze auf, die der non-6orn.es hat keine festgelegte hintere Grenze, womit jedoch, kon-zeptuell, in beiden Fällen eine Grenze anzunehmen ist -, so ist für das Zeitkonzept der states eine Grenze, eine Begrenzung irrelevant. Die states entziehen sich einer zeitlichen Beschränkung, da sie sich jeglicher Strukturierung des Zeitverlaufs entziehen - insofern sind sie hors—bornage, und insofern sind sie atemporal.29 Dowty (1972 a: 55) weist in seinem Beispiel gerade auf die Bedeutung des Zeitbezugs hin, ohne daraus jedoch den Schluß zu ziehen, daß die temporal zu definierende Klasse der states sich nicht mit den handlungstheoretisch definierten statives deckt. For example, (22) would probably not be accepted by most speakers of English, but for residents of Austin, Texas it is perfectly normal. (22) Did you see the tower orange? An die gestellte Frage würde sich wohl eine Gegenfrage des Nicht-Austiners anschließen, in der die Interpretation des Satzes hinterfragt wird. In Austin it is generally known that the University of Texas has a conspicuous tower, normally lighted with white lights at night, but lighted with orange lights after major athletic victories. (DOWTY 1973 a: 55)

Nach dieser Zusatzinformation weiß der Hörer, daß er das Attribut orange nicht als einen permanenten Zustand des Turms interpretieren darf, und der in dieser Konstruktion wie auch in der expanded form zum Ausdruck kommende Zeitbezug wird akzeptabel, da verständlich. Es versteht sich von selbst, daß die Unterscheidung zeitbezogen : atemporal bzw. non-borne : hors-bornage eine Frage der Interpretation des Sachverhalts ist und weder an der realen Dauer des Geschehens noch an der Tatsache der Unveränderlichkeit festgemacht werden kann. On a toujours distingue entre des lexemes evoquant des proces ponctuels, ou duratifs. Parmi ces derniers, certains n'evoquent pas en eux—memes de terme (imperfectifs proprement dits) alors que d'autres renvoient a une activite qui normalement cessera. II faut

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bien s'entendre sur un point: U s'agit de la conceptualisation du referent, et non de celui—ci. S avoir est conqu imperfectif, ce qui ne veut pas dire que dans la, realite on ne peut pas oublier. (POTTIER 1980: 343)

Ein fehlender Zeitbezug, eine fehlende "Konkretisierung" wird von zahlreichen Autoren angesprochen, ohne daß dieses Merkmal zur Unterscheidung einer eigenen Klasse herangezogen würde. Agrell (1908: 10) weist auf folgenden Unterschied hin: Für Präsentia -wie krowa bodzie, szpilka k^uje ist die Benennung durativ wenig angemessen. Entweder ist die Bedeutung abstrakt = 'die Kuh kann (oder pflegt zu) stossen', 'die Nadel sticht (wenn man mit ihr in Berührung kommt)', - oder sie ist konkret = 'Sieh, wie die Kuh mit den Hörnern stösst (und wieder stösst)', 'Ich fühle, wie die Nadel sticht (und wieder sticht)' und bezeichnet eine Mehrheit von momentanen Handlungen, keine ununterbrochene (kontinuierliche) Folge von in einander übergehenden Zustanden, was eben den Begriff der Duration ausmacht. Auch Coseriu (1971: 252) spricht, Juan Luis Vives resümierend, die Unterscheidung Abstraktion : Aktualisierung an: Er [Vives] bemerkt nämlich, daß diese Gleichsetzung [Anm.: von est disputans und disputat] in sprachlicher Hinsicht keineswegs allgemein gültig ist. Abgesehen davon, daß in gewissen Fällen (wie Socrates laudatur, Socrates diligitur,) der Partizipialausdruck einfach unmöglich sei, weil das Latein keine entsprechenden Partizipien habe, stellt er fest, daß est dormiens für dormit annehmbar sei, nicht aber est pingens, est amans, est docens in Sätzen wie: hie docte pingit, hie amat illam, hie docet filios meos, da in solchen Sätzen das konjugierte Verb consuetudinem bedeutet, das Partizip hingegen "praesentem actionem notat" [...] Zeitlosigkeit wird auch von Bull (1960: 17) konstatiert: The event, in this instance [Anm.: betrachtet unter einem großen Maß an Abstraktion], may be considered to be outside of time, that is, not oriented to any axis.

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Spricht Wandruszka (1976: 56) von einem '"aktualisierenden Kontexttypus'" und von einem "nicht—aktualisierenden Kontext", so legt diese Differenzierung die Vermutung nahe, man könne mit ihrer Hilfe Zeitbezug und Atemporalität unterscheiden. Setzt man zur Gegenprobe Verben, die normalerweise nicht zu dieser Gruppe [Anm.: transitive Verben, die in absoluter Konstruktion eine Gewohnheit bezeichnen] zu zählen sind, in einen nicht-aktualisierenden Kontext [...] ein, entstehen zumindest ungewöhnliche Sätze: (25) ?Je connais quelqu'un qui rit (WANDRUSZKA 1976: 56)

Die konstatierte "Ungewöhnlichkeit" hat eher in der Verletzung der Regeln einer sinnvollen Konversation ihre Ursache, als daß sie durch den Widerspruch nicht—aktualisierender Kontext : aktualisierender Kontexttypus — d. h. nicht eine Gewohnheit bezeichnend — erklärt werden könnte. Je connais un gars qui a gagne contre Connors oder Je connais une jeune fille qui est a Paris jusqu'a samedi et qui pourrait acheter ce livre pour toi sind absolut akzeptabel; dieser sogenannte nicht-aktualisierende Kontext kann sehr wohl mit aktualen Situationen ("une jeune fille + etre + ä Paris", "un gars + avoir gagne + contre Connors") kombiniert werden.30 Den Unterschied zwischen aktualisierend und abstrahierend spricht auch Brennenstuhl (1975: 92—99) an; sie unterscheidet einen statischen und einen ereignisbeschreibenden Gebrauch. Wir sehen, daß ein ereignisbeschreibend gebrauchtes Verb ein einzelnes bestimmtes Ereignis bezeichnet und daß ein statisch gebrauchtes Verb die Fähigkeit, etwas zu tun, bezeichnet [...] oder das gewohnheitsmäßige oder regelmäßige Tun [...]. [Die Sätze] 4s, 8s, 9s erlauben beide Interpretationen, (BRENNENSTUHL 1975: 96)

Dabei kann die Grenze zwischen aktualisierend und abstrahierend nicht in der Bedeutung des Verbs gesucht werden. Sog, Vorgangsverben, ja sogar typische sog. Handlungsverben, können sowohl in Agentereignisverursachungssätzen als auch in charakterisierenden Sätzen, die ja keine Ereignisverursachung geschweige denn eine Handlung beschreiben, als Prädikat gebraucht

49 -werden. Umgekehrt können sog. Zustandsverben als Prädikat Agentereignisverursachungssätzen gebraucht werden.

von

(BRENNENSTUHL 1975: 93)

und Zweitens kann man nicht sagen, daß ein Verb ein Zustandsverb oder Vorgangsverb ist, denn es lassen sich wohl immer Gegenbeispiele finden, wo es nicht als solches gebraucht -wird. Was allein festgestellt werden kann, ist, ob ein Verb in einem bestimmten Satz (Satztyp) als zustandsbeschreibend oder vorgangsbeschreibend gebraucht wird (werden kann). Ich nenne dies den statischen resp. ereignisbeschreibenden Gebrauch. (BRENNENSTUHL 1975: 94)

Sie verdeutlicht das z.B. anhand der Beispiele "Franz zersägt einen Baum in 3 Stunden" und "Franz zersägte den Baum in 3 Stunden" (Brennenstuhl 1975: 95, Beispielsatz 6s respektive 6e). Daß ein Satz in Hinblick auf den Ausdruck von Atemporalität bzw. Zeitbezug ambig sein kann, macht ihre Bemerkung "4s, 8s, 9s erlauben beide Interpretationen" deutlich. Indirekt spricht auch Vendler (1967: 99-100; Herv. G.B.) den fehlenden Zeitbezug an. This difference [Anm.: der unterschiedliche Gebrauch der continuous form bzw. der simple form bei activities und states] suggests that running, "writing, and the like are processes going on in time, that is, roughly, that they consist of successive phases following one another in time. [...] But although it can be true of a subject that he knows something at a given moment or for a certain period, knowing and its kin are not processes going on in time. It may be the case that I know geography now, but this does not mean that a process of knowing is going on at present consisting of phases succeeding one another in time. In Zusammenhang mit den specific rung zu sprechen:

states kommt er auf die Aktualisie-

Now the curious thing is that while cabdrivers - that is, people of whom one can always say that they drive a cab — sometimes are actually driving a cab, rulers - that is people of whom one can al-

50 ways say that they rule a country - are never actually ruling a country, that is, they are never engaged in a specific activity of ruling a country comparable to the specific activity of driving a cab. (VENDLER 1967: 108)

Es wird also der Aktualisierung to be actually driving a cab die In—Aktualisierung to drive a cab (= to be a cabdriver} gegenübergestellt. An dieser Stelle muß auf eine Subklasse der states, die habits, eingegangen werden. Generic (or "habitual") predicates are, on Carlson's view of them, quite a different matter. Even when we predicate them of an individual at a particular time, it is really not a property that individual's current stage has at that moment that makes them true, but our "total experience" with previous stages of that individual, cf. Carlson's discussion of John smokes. But note that classic stative predicates like know and love are like this as well. Though these are not derived from stage-level predicates of the language as are "habitual" predicates, it is here again our total experience with prior stages of an individual that somehow makes them true. John knows French is made true not by John's doing anything at that moment, but by past occasions of John—stages having stage—properties of speaking French, and John loves Mary is somehow or other made true by past (and presumbly future) instances of John—stages bearing certain relations to Mary—stages. To the extent that an interval of time could be said to be "the" interval of their truth, it would seem to be (in most cases) only a large and vaguely defined interval including a vague number of past instances of the truth of certain stage-predicates, and presumbly including a vague number of future instances of certain stage-predicates. [...] Therefore it seems not surprising that our language should treat them as true of an individual (as opposed to his stages) at any moment within this vague interval, rather than make us somehow try to indicate the large interval that we have in mind. As Quine might say, both habituals and statives like know and love express "dispositions". The usefulness of such predicates as know, like, believe, intelligent, soluble, fragile [...] in language is that they indicate a potential for having stage—properties of a certain kind at some future or hypothetical time. And this potential exists at any one moment during the whole interval of

51 their truth as much as at any other moment. The intervals at which stage predicates are true, by contrast, are shorter, have distinct boundaries, and may have truth conditions that differenciate among parts of the interval, so it is perhaps not surprising that our language has a means for locating the present (or some past or future event) at a time within such an interval for stage-predicates but not for object—predicates. (DOWTY 1979: 179-180)

— gerade die progressive form ermöglicht eine Projektion in das Intervall hinein; vgl. auch Dowty (1979: 180). Dowty bezeichnet das Zeitintervall im Falle der states als "vaguely defined"; es ist jedoch eine technische Vereinfachung, daraus schließen zu wollen, "Therefore it seems not surprising that our language should treat them as true of an individual (as opposed to its stages) at any moment within this vague interval, rather than make us somehow try to indicate the large interval we have in mind". Dennoch hilft diese Interpretation der states, zu erkennen, weswegen state-Aussagen von Situationen und den dadurch bestimmten Zeitpunkten abstrahieren. Wenn Dowty in bezug auf den wahren Satz John loves Mary behauptet, für alle Zeitpunkte habe "John liebt Mary" Gültigkeit, so muß John zu allen Zeitpunkten eines nur "vage" definierten Zeitraums mit Mary in einer Beziehung stehen, die man mit lieben bezeichnen kann. Nun ist John loves Mary aber auch dann wahr, wenn es Augenblicke oder Phasen gibt, in denen John's Liebe zu Mary nicht gerade sehr ausgeprägt ist. Die Tatsache, daß dieses Faktum bei der Aussage John loves Mary keinerlei Rolle spielt, zeigt, daß die Aussage von den konkreten Sachverhalten, von den konkreten Gegebenheiten (zu konkreten Zeitpunkten) abstrahiert. John loves Mary ist eine "generalisierende" Aussage, die weder mit den konkreten Situationen, in denen John für Mary nun tatsächlich Liebe empfindet, noch mit denjenigen, in denen John für Mary keine Liebe empfindet, in Verbindung gebracht werden sollte. Man sollte daher für state—Aussagen auch nicht von einer All—Quantifizierung über reale Zeitpunkte ausgehen; die states müssen als a-temporale, von der Zeit, von Zeitpunkten und den damit verbundenen "Sachverhalten" abstrahierende Aussagen interpretiert werden. Daß die All-Quantifizierung in technischer Hinsicht ein angenehm zu handhabendes, in sprachlicher Hinsicht jedoch nicht unbedingt ein adäquates Mittel der Beschreibung ist, wird besonders in den Fällen deutlich, in denen (sprachlich) ein Urteil über jemanden oder etwas gefällt wird, das Allgemeingültigkeit beansprucht, das jedoch "nur" auf einer einzigen "Erfahrung" beruht. Es ist durchaus möglich, jemanden nach einer er-

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sten Begegnung einen ungehobelten Menschen zu nennen, auch wenn das Ungehobelt-Sein nur einmal manifest wurde. Dieser eine Anlaß ist für den Sprecher. Grund genug, dem Jemand das Etikett ungehobelt zuzuweisen - auch daraus wird ersichtlich, daß Aussagen dieser Art als von konkreten Situationen und den damit verbundenen Zeitpunkten losgelöst zu interpretieren sind.31 Comrie (1976: 28) macht deutlich, daß die Frage der Allgemeingültigkeit eine Frage der Interpretation eines Sachverhalts ist. The problem of just what constitutes a characteristic feature of an extended period of time, rather than an accidental situation, is conceptual, rather than linguistic, as can be illustrated using the example Sally used to throw stones at my window in the morning; clearly if she threw stones two or three times only, the sentence is inappropriate, while it is appropriate if over a period of several years she threw stones at my window every morning; but between these two extremes, it is more difficult to determine precisely how often, and with what degree of regularity (for surely a few mornings could pass without the stones), Sally would have to throw stones to make this an appropriate utterance. In other words, once we have decided [Herv. G.B.] that something constitutes a characteristic situation, we are free to use an explicitly habitual form to describe it, but the decision that a situation is [Herv. G.B.] characteristic is not in itself linguistic. Man sollte unterstreichen, daß diese Entscheidung auch keineswegs eine statistische ist: es macht wenig Sinn, die Häufigkeit der Einzel-Realisierungen angeben zu wollen, die ein Charakteristikum "notwendigerweise" braucht, um als solches konzeptualisiert zu werden. Die Entscheidung, ob etwas als Charakteristikum verstanden wird oder nicht, hängt von Sprecher und Hörer und eben deren Interpretation der Gegebenheiten ab. Ist etwas einmal als Charakteristikum konzeptualisiert, so stellt sich die Frage nach den Realisierungen nicht mehr - ob eine Charakterisierung später revidiert wird / werden muß bzw. ob sie als "inappropriate" empfunden wird, ist eine Frage der Wirklichkeit bzw. der (eventuell erst später gegebenen) Einschätzung derselben. Eine von vornherein gegebene zeitliche Beschränkung ist jedoch gerade bei einem Charakteristikum nicht festzustellen, da es einen Zug, eine Tendenz benennt und nicht angibt, wie häufig ein bestimmter Sachverhalt vorliegt. Ein Charakteristikum ist eine allgemeine Aussage, die Gültigkeit beansprucht, ohne diese auf einen bestimmten Gültigkeitszeitraum einzuschränken, was natürlich nicht

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damit verwechselt werden darf, daß diese Aussage eventuell nur eine bestimmte Zeit Gültigkeit hat. Das eine ist die Interpretation der Welt durch die Sprache, das andere bezieht sich gerade auf die Gegebenheiten in der realen Welt.32 Es widerspräche geradezu der Definition von Charakteristikum, dieses an Situationen binden zu wollen: ein Charakteristikum ist ein Charakteristikum, eben weil es von konkreten Sachverhalten und den damit verbundenen Situationen und Zeitpunkten abstrahiert. Wenn die meisten Autoren bei einer Verbklassifikation, auch wenn sie eigentlich temporale Merkmale als Kriterien beansprucht, zwei Klassen immer wieder anhand der Agentivität gegeneinander abgrenzen, so wird doch im Rahmen derselben Untersuchungen auf temporale Besonderheiten der statischen Verben hingewiesen, die sich mit dem decken, was wir als Charakteristikum der states sehen, was aber im Rahmen der handlungstheoretisch definierten Stativa nur für eine Subklasse Gültigkeit beanspruchen kann. Steubes (1983) Klasse der Stativa wird zum einen durch das Merkmal [- Agentivität] bestimmt: Für Siativa gilt wie für Aktivitäten das Andauern eines Geschehens innerhalb einer Zeitspanne; der Unterschied liegt im nichtanalysierten Teil der Bedeutung der Verben: Stativa bezeichnen Zustände, Aktivitäten, Handlungen. (STEUBE 1983: 154)

Zum ändern macht sie auf den mangelnden Zeitbezug und die mangelnde Zeitbeschränkung aufmerksam: 33 In allen Beispielen (außer Stativa, die eine unendliche Aktzeit ausdrucken) ist Aktzeit in der Satzsemantik echte oder unechte Untermenge von Betrachtzeit ("jetzt, gerade"). (STEUBE 1983: 156)

und

Suchen wir nach Beschränkungen in der Kombination mit anderen Tempora, foMen die Stativa auf, die eine unbegrenzte Dauer ausdrücken: "gleichen, heißen, scheinen, wiegen, sein, .-". Sie sind nicht mit aktueller Gegenwart kombinierbar und bei Verwendung anderer Tempora nicht mit Adverbien, die kurze Betrachtzeit ausdrücken ("gestern, neulich"). (STEUBE 1983: 156)

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Es gibt jedoch auch Nicht-states wie z.B. Er hat ein Haus gebaut, die nicht oder nur schwer mit gestern bzw. neulich kombinierbar sind und die sich auch über einen Schlafenden aussagen lassen - vgl. zu letzterem Vendler (1967: 110-111). Die positive Erfüllung dieser Kriterien ist auch davon abhängig, ob die Verbal"handlung" gemäß der Vorstellung, die Sprecher und Hörer von der Wirklichkeit haben, in der bestimmten Zeit "vollzogen" bzw. durchlaufen sein kann. Steube (1983: 154) bemerkt zurecht: Die Länge der Dauer [Anm.: eines Zustands bzw. eines Geschehens] ist vom jeweils beschriebenen Sachverhalt abhängig und wird außerlinguistisch bestimmt. Gerade diese außersprachliche Bestimmung erschwert die Formulierung von Regeln wie "Wenn Verb v nicht mit dem und dem Adverb (in dem und dem Tempus) kombinierbar ist, dann ist v ein state". Die von Steube konstatierte "Unverträglichkeit" der Stativa mit der aktuellen Gegenwart steht in Zusammenhang mit der bereits festgestellten Nicht-Identifikation von Präsens und Sprechzeitpunkt. Bei einer stateAussage stellt das Präsens mit keinem Punkt der Zeitachse eine Relation her, sondern die der Aussage zugemessene Gültigkeit muß als auch zum Sprechzeitpunkt gültig beschrieben werden. Diese Inkompatibilität rechtfertigt eine (temporal bestimmte) Unterteilung der handlungstheoretisch definierten Stativa in eine atem,porale und eine temporal-restringierte Klasse, wobei die hier definierten states der ersten, die nicht-agentiven activities der zweiten Klasse zuzurechnen sind. Peter ist krank gehört in handlungstheoretischer Hinsicht zweifellos zu den Stativa; die Inkompatibilität mit der aktuellen Gegenwart oder besser die Unmöglichkeit der Interpretation des Präsens als aktuelle Gegenwart - gilt in diesem Falle jedoch nicht. Peter ist krank weist den gleichen Bezug zur Gegenwart auf wie Peter schreibt einen Aufsatz oder Peter liest ein Buch: Peter ist nämlich jetzt gerade krank, so wie Peter jetzt gerade einen Aufsatz schreibt oder ein Buch liest, weswegen Peter ist krank als activity und nicht als state klassifiziert werden sollte Analoges kann auch für z.B. Gretel liegt (gerade) auf der Couch oder Wir sitzen (gerade) bei Tisch festgestellt werden. Der in temporaler Hinsicht wesentliche Unterschied zwischen den activities (sowie den beiden anderen zeitbezogenen Klassen) und den states besteht also in dem Merkmal [- Atemporalität] bzw. [+ Zeitbezug] einerseits und [+ Atemporalität] andererseits. Einer ereignisbeschreibenden.

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einer auf ein Ereignis - und damit auf die Zeit - referierenden Aussage steht somit eine von der Zeit und den damit verbundenen konkreten Realisierungen irgendwelcher Eigenschaften abstrahierende Aussage gegenüber. Die Unterscheidung abstrakte Eigenschaft : Realisierung hat Tradition; Aristoteles (Kategorien: Kap. 8) unterscheidet innerhalb der Beschaffenheiten zwischen Zuständen 34 und Eigenschaften. Die Beschaffenheit gehört zu den Worten, welche in mehrfachem Sijine gebraucht 'werden. Als die eine Art sollen die Eigenschaften und Zustände gelten. Die Eigenschaft unterscheidet sich von dem Zustande dadurch, dass sie viel anhaltender und dauerhafter ist. Solcher Art sind die Kenntnisse und die Tugenden; [...] sie [die Tugenden] unterliegen nicht leicht einer Veränderung oder einem Wechsel. Als Z u s t and, e gelten dagegen die, welche veränderlich sind und schnell wechseln, wie z.B. die Wärme, die Erkältung, die Krankheit, die Gesundheit und anderes der Art. Der Mensch verhält sich zu ihnen in einer gewissen Weise; aber er verändert sich dabei schnell und geht aus der Wärme in einen kalten Zustand und aus dem Gesundsein in das Kranksein über und ebenso ist es mit den ändern Zuständen, sofern nicht von diesen Zuständen etwa einer durch die Länge der Zeit eingewurzelt und unheubar geworden oder nur schwer zu verändern ist, wo man dann denselben mehr für eine Eigenschaft erklären wird. Es erhellt also, dass man nur diejenigen Beschaffenheiten Eigenschaften nennen mag, die längere Zeit anhalten und schwer veränderlich sind. (ARISTOTELES Kategorien: 21-23)

Neben den Eigenschaften und Zuständen 35 unterscheidet er als die zweite Art der Beschaffenheiten das natürliche Vermögen oder Unvermögen, als eine dritte Art die leidenden Beschaffenheiten oder leidenden Zustände - die er deshalb leidend nennt, weil die menschlichen Sinne, um sie wahrzunehmen, etwas erleiden oder weil sie in Folge eines Erleidens, eines Ereignisses, entstehen - sowie eine vierte Art, die sich auf das Aussehen der Dinge bezieht - vgl. Aristoteles (Kategorien: 22-25). Dies genügt ihm mit dem Vermerk: Vielleicht fände sich wohl noch eine andere Art von Beschaffenheiten; indess sind die bisher erwähnten wohl die, welche am meisten so genannt werden. (ARISTOTELES Kategorien: 25)

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Es ist aufschlußreich, daß Aristoteles nicht bei allen vier Arten die Eigenschaft dem Zustand - also die Abstraktion der Aktualisierung — gegenüberstellt. Weder für die zweite Art, das Vermögen oder Unvermögen, noch für die vierte Art, die Gestalt betreffend, nimmt er einen der Eigenschaft (= Beschaffenheit) entsprechenden Zustand an. Er begründet dies für das Vermögen respektive Unvermögen wie folgt: [...]; denn diese Bestimmungen werden nicht wegen irgend eines Zustandes Beschaffenheiten genannt, sondern weil in ihnen ein natürliches Vermögen oder Unvermögen enthalten ist, vermittelst dessen etwas leicht bewirkt wird, oder kein Erleiden statt hat. So heissen z.B. die Faustkämpfer und die Läufer nicht deshalb so, weil sie sich irgendwie verhalten, sondern weil sie ein naturliches Vermögen haben, etwas leichter zu vollbringen; ebenso heisst man gesund, weil man ein natürliches Vermögen hat, vermöge dessen man von eintretenden Ereignissen nicht leicht etwas erleidet, und man heisst krank, weil man in dieser Hinsicht unvermögend ist und von Zufälligkeiten leicht etwas erleidet. (ARISTOTELES Kategorien: 23)

Aristoteles unterscheidet somit zwei Interpretationen des Adjektivs krank, je nachdem, ob es sich um das aktuelle Kranksein, das für ihn ein Zustand ist - vgl. das Zitat Kategorien: 21-22 -, oder um das atemporale Kranksein handelt, das mit kränkelnd oder kränklich von krank unterschieden werden kann. Auch in Zusammenhang mit errötet sein und zornig sein stellt Aristoteles den Zeitbezug der Abstraktion ("denn die Menschen werden darnach beschaffene genannt") gegenüber. Weder der, welcher aus Scham erröthet, wird roth genannt, noch der, welcher aus Furcht erblasst, blass, sondern man sagt eher, dass sie etwas erlitten haben; deshalb heissen diese Fälle leidende Zustände und nicht leidende Beschaffenheiten. (ARISTOTELES Kategorien: 24)

und In Uebereinstimm.ung hiermit spricht man auch von leidenden Beschaffenheiten und Zuständen bei der Seele. Alles was gleich von der Geburt in Folge schvjer veränderlicher Zustände entsteht, heisst

57 eine leidende Beschaffenheit, z.B. die Raserei, der Zorn und anderes Aehnliche; denn die Menschen werden darnach beschaffene genannt, nämlich zornige oder rasende Menschen. [...] Alles dagegen, was aus schnell wieder vergehenden Erregungen entsteht, heisst ein leidender Zustand, z.B. wenn Jemand, weil er geärgert wird, in Zorn geräth; man heisst dann nicht ein Zorniger, wenn mär» in solchem Zustande zornig wird, sondern es heisst mehr, dass man etwas erlitten habe. Solche Fälle heissen deshalb leidende Zustände und keine leidenden Beschaffenheiten. (ARISTOTELES Kategorien: 34-35; Herv. G.B.)

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Zustand und einer Beschaffenheit im Sinne Aristoteles' besteht darin, daß die Beschaffenheit charakterisiert: man kann danach beschaffen genannt werden. Einige der Beispiele, die Vendler als qualities bezeichnet und die er den states zuordnet, sind damit den aristotelischen Zuständen zuzurechnen. In connection with the last group [die states], an obvioxts idea, emerges. From the point of view of time schemata, being married, being present or absent, healthy or ill, and so on also behave like states. But then we can take one more step and realize that this -is true of all qualities. Indeed, something is hard, hot, or yellow for a time, yet to be yellow, for instance, does not mean thai process of yellowing is going on. Similarly, although hardening is process (activity or accomplishment), being hard is a state. No' l als auch die Wiederholung bedingen eine zeitliche Ausdehnung des Geschehens, was u.a. die Verträglichkeit ("ursprünglich") punktueller Vorgänge mit durativen Temporalangaben erklärt. Für die Wiederholung stellt Coseriu (1980: 2l) fest: Cette dimension est etroitement apparentee a celle de duree; en effet, une action repei^e se presente dans son ensemble comme durative et un semelfactif peut etre momentane. Dietrich (1973: 143) spricht den Einfluß an, den die Reihung, ohne diese als solche zu benennen, auf die temporale Struktur - und damit auch auf die Verträglichkeit mit Verbalperiphrasen — haben kann. Ebenso sind punktuelle Vorgänge im allgemeinen "unteilbar": *el vaso esta rompiendo (konnte evtl. bei der Betrachtung eines Zeitlupenfilmes gesagt werden). Auf die Unmöglichkeit von *el soldado estuvo disparando un tiro hat schon Güi y Gaya hingewiesen. Solche Handlungen können in der Regel nur in der Wiederholung [.'], also bei einem "verbalen Plural", partialisiert werden: el soldado estuvo disparando tiros; fueron llegando los huespedes. Das Geschehen ist partialisierbar bzw. punktuelle Geschehen sind mit durativen Temporalangaben kombinierbar, weil die Teilgeschehen respektive die Wiederholungen einen Zeitraum füllen, weil sie eine "Kette" von Ereig-

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nissen konstituieren, die einen Abschluß aufweisen kann - die Aussage verhält sich in diesem Fall wie ein accomplishment, da die Anzahl der Reihungen bzw. der Wiederholungen begrenzt ist (was nicht als Antonym zu indefinit verstanden werden darf) -, eine "Kette", die aber auch ohne Abschluß sein kann, so daß die Aussage in ihrem syntaktischen Verhalten Ähnlichkeiten mit den activities auf weist. Der Unterschied zwischen beiden Interpretationen liegt in der Struktur des ausgefüllten Zeitraums: nimmt im Falle der Reihung das eine Geschehen den (einen) Zeitraum ein, so ist im Falle der Wiederholung der ausgefüllte Zeitraum Rahmen für das Protoereignis und seine Wiederholung(en). Einige Beispiele sollen die Notwendigkeit verdeutlichen, eine temporalstrukturelle Klassifikation um die Möglichkeit einer klassenexternen Interpretation scheinbarer Klassenübergänge bzw. klassenuntypischen Verhaltens zu erweitern. Die Sätze Durch die Ritze drang Wasser; Sie schreibt Briefe und Er ißt Plätzchen beschreiben Vorgänge, die allem Anschein nach keinen Abschluß auf weisen, also (theoretisch) beliebig lange andauern können - eine Klassifizierung als activity erscheint insofern gerechtfertigt. Mit der Klassifizierung als activity nicht vereinbar ist hingegen die Tatsache, daß in allen drei Fällen ein Nachzustand impliziert wird: Wasser ist durch die Ritzen eingedrungen, ist also im Innern, (einige) Briefe sind geschrieben, existieren also überhaupt erst, und einige der Plätzchen sind gegessen, existieren als solche also nicht mehr. Dieser implizierte Nachzustand steht in Widerspruch zu dem Konzept der Fortsetzbarkeit nach Belieben und damit der unbegrenzten Dauer, da ein Geschehen nicht beliebig lange fortgesetzt werden kann, wenn es einen Nachzustand initiiert, der es zwangsläufig beendet. Die Reihung kann das scheinbare activity-Verhalten mit dem implizierten Nachzustand in Einklang bringen. Faßt man den Sachverhalt "sie + schreiben + Briefe" als pluralisiertes "sie + schreiben + Brief" auf, so stellt der implizierte Nachzustand kein Interpretationsproblem dar: mit Abschluß eines jeden ein-fachen Aktes ihres Briefe-Schreibens ist untrennbar ein initiierter Nachzustand verbunden. Die beliebige Fortsetzbarkeit erklärt sich andererseits aus der un—begrenzten Pluralisierung des ein-fachen Sachverhalts. Die Tatsache, daß gewisse, der Form nach pluralische Geschehen, zum einen nur nacheinander ausgeführt werden können (Le controleur appela trois numeros), zum ändern gerade in ihrer "Pluralität" das eine Geschehen erst ausmachen (Les deux cousins se sont donne la main), zuletzt sowohl pluralisiert als auch singular interpretiert werden können (II s'est fait des oeufs a la coque), diese Tatsachen erschweren die Erstellung formalisierter Regeln und rechtfertigen die Annahme der Reihung sowie der

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These von der Satzgebundenheit der temporalen Struktur. Eine Formalisierung erscheint unmöglich, da auch eine Erweiterung der semantischen Beschreibung der Lexeme um Merkmale wie z.B. [+/— Kollektivität] nicht angemessen ist: ein Lexem wie depute kann nicht generell durch das Merkmal [+ Kollektivität] charakterisiert werden; erst in der Realisierung im Satz, auf Grund unseres Wissens um den Ablauf des Geschehens, kann man dieses "Merkmal" zur semantischen Beschreibung der Aussage Les deputes ont change la loi heranziehen, ein Merkmal, das nicht ohne Einfluß auf die temporale Struktur ist.

89

3.3.

Anmerkungen

l Auf den Einfluß eines Kollektivums macht bereits Vendler (1967: 104, Fn. 10) aufmerksam: For those -who like oddities: It took the battalion twenty minutes to cross the border; They are crossing the border. Such are the borderline cases I mean to ignore at this stage. In Kapitel 5 wird in Zusammenhang mit dem Verb entrer ausführlich auf die Parallelität zwischen mass nouns und Kollektiva eingegangen: beide sind der Form nach singularisch, beide sind jedoch in einzelne "Bestandteile" gliederbar. Auf Grund dieser Bestandteile ist aber gerade eine Pluralitat von Elementen gegeben, die wegen ihrer Distinktivität eine Pluralisierung des Geschehens bewirken können: ein Kollektivum als Subjekt kann verschiedene Subjekte bereitstellen, die (je einmal) eine Verbalhandlung vollziehen und auf Grund der anzunehmenden Reihung distinkter Geschehen eine temporale Ausdehnung bewirken können. Ein Kollektivum als Objekt stellt die verschiedenen Objekte, an denen sich (je einmal) das Geschehen vollziehen kann, und auf Grund dieser Pluralisierung wird das Geschehen abermals zeitlich ausgedehnt. In diesem Zusammenhang muß angemerkt werden, daß ein Kollektivum nicht automatisch eine Reihung bewirken muß: in le troupeau arreta le train liegen nicht gereihte Einzelgeschehen vor, sondern le troupeau als Kollektiv bringt den Zug zum Stehen, eventuell mehrfach, aber nicht gereiht.

2 Im Fall von tout und neutralem le kann die Pluralisierung durch eben die Elemente bewirkt werden, auf die tout bzw. le referieren.

3 Dowtys Analyse der degree—achievements läßt den Schluß zu, verschiedene Teilgeschehen anzunehmen: der Vergleichswert, d.h. der bereits erreichte Grad, variiert von tt zu t i+1 , und mit jeder Variation liegt ein zu unterscheidendes Teilgeschehen vor.

90

A sentence like The soup cooled for ten minutes should be analyzed as saying that for each time t within an interval of ten minutes duration, there is some resolution of the vagueness of the predicate cool by which the soup is cool is true at t but not true at t—1. Conditions on the acceptable resolutions of the predicate cool will in effect require that a different, higher threshold of coolness (i.e. a lower temperature for the threshold) be chosen for each successive time in the interval; otherwise the soup could not simultaneously count as cool with respect to one time and resolution of vagueness and also count as not cool for the next time and its resolution of vagueness. [...] What is necessary for this analysis to work is that the way of resolving vagueness must be capable of being chosen differently for each time t within the interval represented by the durational adverb. (DOWTY 197 : 90)

und

And if this is the case, then the mapping of truth conditions of sentences like (36) — (38) will not produce a contradiction for the same reason that no contradiction is produced with mass nouns and plural indefinites in durative constructions: the variable in the stative sentence will be bound by a different quantifier in each temporal world in the model. That is, a sentence like (36) will have the interpretation that at each t in the interval ten minutes, the soup became cooler than it was at the previous t in the interval. (DOWTY 1978: 59; Hervorhebunj der Verf.)

Zu jedem t L ist also ein achievement vollzogen, nämlich das, kühler geworden zu sein als im Vergleich zu t^ (und somit abgekühlt zu haben). Es sind damit so viele achievements anzunehmen, wie es Zeitpunkte gibt, zu denen die Gradstufen verglichen werden können, also theoretisch unendlich viele. Damit ist jederzeit, eine Veränderung zu dem vorhergehenden Zustand feststellbar, was den gleichzeitig möglichen Gebrauch von Präsens und Perfekt erklärt (Der Wasserstand sinkt, er ist dabei aber bereits ,vom ersten Augenblick an gesunken). Die Reihung "bewirkt" jedoch nicht unter allen Umständen eine Pseudo-activity-Struktur. Wenn ein Grenzwert angenommen werden kann, der erreicht werden muß / kann, so verhalten sich die gereihten achievements wie ein accomplishment, d.h. sie sind mit temporalen Elementen kombinierbar, mit denen auch ein accomplishment kombinierbar ist: Der Wasserstand war in zwei

91

Stunden auf normal gesunken; Die Suppe hatte sich in zehn Minuten abgekühlt; 7Der Wind hatte in zwei Stunden gedreht vs. Der Wind hatte in zwei Stunden auf NNO gedreht; *Sie hatte in 14 Tagen abgenommen vs. Sie hatte in 14 Tagen 4 Kilo abgenommen; Sie hat 5 Wochen lang abgenommen vs. */?Fim/ Wochen lang hat sie 5 Kilo abgenommen.

4 Zwei Beispiele können das illustrieren: " 1 commencait ä comprendre ... (...) ... qu'il ne s'agit pas de se mesurer, mais de s'assassiner.'" (GR: comprendre, Bsp. 24) bringt gerade zum Ausdruck, daß der Sachverhalt allmählich bewußt wird, d.h. die Tragweite des Inhalts ist nicht sofort in ihrer Gesamtheit erkannt. Auch '"Ils commencaient ä comprendre qu'ä la guerre, approcher est plus important, plus difficile que combattre.'" (GR: approcher, Bsp. 35) kann so interpretiert werden; daneben kann commencer aber auch den Anfang eines Intervalls bezeichnen, das gerade auf Grund der durch ils bedingten Reihung zustande kommt: ein Teil von ils hat bereits erkannt, daß "sich nähern wichtiger und schwieriger ist als kämpfen", der andere Teil jedoch noch nicht.

5 Dowty (1972, 1979) spricht lediglich den indefiniten Pluralformen einen Einfluß auf die temporale Struktur zu. Die Beispiele in Kapitel 5 werden jedoch deutlich machen, daß, wie zu erwarten ist, auch der definite Plural einen Einfluß auf die temporale Struktur haben kann. Der Unterschied zwischen den beiden Pluralformen kann auch darin gesehen werden, daß die Anzahl der Variablen im Falle eines indefiniten Plurals unbestimmt, ungenannt ist - ohne deswegen unbeschränkt zu sein -, im Falle eines definiten Artikels jedoch festgelegt ist. Da es sich in beiden Fällen um eine "Vielheit" von Bezeichnetem handelt, über die eine Aussage gemacht wird, sollte diese Pluralität auch in beiden Fällen in variierenden Platzhaltern ihren Ausdruck finden.

6 Die iterativen Temporalangaben lassen sowohl eine Interpretation als Angabe der inneren Frequenz (Der Wetterhahn drehte sich mehrmals um seine eigene Achse) als auch als Angabe der Anzahl der Wiederholungen zu (Ich habe ihn letzte Woche dreimal getroffen}. Adverbs of number and frequency indicate the number of times that a generic event occurs or its frequency. (BENNETT 1977: 510; Herv. G.B.)

92

4.

Die Neuinterpretation der Vendlerschen Kategorien: ein Überblick

Grundlage der hier vorgestellten Klassifikation waren Vendlers Arbeiten von 1957 bzw. 1967, nicht zuletzt, weil seine Klassifikation alle nichtkomplexen Fälle des Zeitverlaufs zu erfassen scheint; dennoch bestehen zwischen beiden Klassifikationen Unterschiede, die sich am übersichtlichsten mit Hilfe zweier Stammbäume verdeutlichen lassen. Das erste Stemma repräsentiert Vendlers Klassifikation, das zweite faßt die hier konzipierten Klassen hierarchisch zusammen.

Verb

I.

nonprocesses

achievements

states

processes

accomplishments

activities

II.

(klassifizierbare) Aussage

state

zeitbezogene Aussage

achievement

[+/-

Atemporalität]

[+/-

Punktualität]

[+/-

Abschluß] Reihung

accomplishment

activity

93

Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Klassifizierungen besteht darin, daß Vendler seine Klassifikation als Ferb-Klassifikation versteht,1 während in den von uns konzipierten Klassen Aussagen in temporalstruktureller Hinsicht zusammengefaßt werden. Wie aus den Ausführungen bereits deutlich wurde, ist die Klasse der states (und damit ihr Pendant der zeitbezogenen Aussage) unabhängig von den Sachverhalten in der realen Welt konzipiert: eine atemporale Aussage wird als atemporal interpretiert, sie bringt Atemporalität zum Ausdruck. Dagegen bezieht sich die Konzeption der übrigen drei Klassen auf die Realisierung des "Geschehens": dieses kann punktuell (achievement) oder von gewisser Dauer sein (accomplishments und activities), einen Abschluß auf weisen (accomplishment) oder homogen strukturiert sein (activity). Da jedoch auch die zuletzt genannten Faktoren Einfluß auf die Verträglichkeit mit z.B. Subklassen von Temporaladverbialen haben, sind auch sie für eine wissenschaftliche Beschreibung von Sprache interessant. Die states 2 stehen in der hier vorgestellten Klassifikation zurecht außerhalb des Anwendungsbereichs jeglicher temporaler Kriterien, da einer Klasse, die durch Atemporalität zu charakterisieren ist, nicht ein zeitbezogenes Merkmal wie [+/- Punktualität] respektive [ + /- Dauer], [+/- Abschluß] oder [+/- Reihung] zugewiesen werden kann. 3 Dennoch muß der fehlende Zeitbezug in einer nach temporalstrukturellen Kriterien definierten Klassifikation berücksichtigt werden, da auch die Negation jeglicher Zeitbezogenheit ein in temporalstruktureller Hinsicht essentielles Merkmal ist. Da die Unterscheidung zeitbezogen : atemporal für eine temporalstrukturelle Klassifikation von grundlegender Bedeutung ist, nehmen die beiden Klassen zeitbezogene Aussage und atemporale Aussage (= state) in unserer Klassifikation die unterste Stufe der Hierarchie ein, sind in temporalstruktureller Hinsicht am wenigsten differenziert - im Stammbaum erscheinen sie damit an oberster Stelle, unmittelbar unter der Kategorie klassifizierbare Aussage. Die sich anschließende Differenzierung innerhalb der Klasse zeitbezogene Aussage betrifft die Opposition punktuell vs. durativ. Das Merkmal [ + Punktualität] unterscheidet - in temporalstruktureller Hinsicht - die achievements von der Klasse durativ, während die beiden Klassen accomplishment und activity durch das Merkmal [— Punktualität] zu beschreiben sind. Die in dieser Klassifikation feinste Unterscheidung beruht auf der Opposition mit Abschluß : ohne Abschluß. Die Klasse accomplishment ist mit

94

dem Merkmal [+ Abschluß] zu kennzeichnen, während die Klasse activity durch [- Abschluß] zu charakterisieren ist. Damit ergeben sich für die vier Klassen state, achievement, accomplishment und activity folgende Beschreibungen: 1. state [+ Atemporalität] 2. achievement [— Atemporalität] [+ Punktualität] 3. accomplishment [— Atemporalität] [— Punktualität] [+ Abschluß] 4. activity [- Atemporalität] [- Punktualität] [— Abschluß]. Aus dieser Beschreibung heraus ist zu verstehen, weswegen bei der Anwendung dieser Klassifikation gerade die Unterscheidung der Klassen achievement und accomplishment besondere Schwierigkeiten bereiten kann: beide Klassen weisen gewisse, wenn auch nur scheinbare Ähnlichkeiten auf, so daß es, sollte das Merkmal [+/— Punktualität] nicht eindeutig zugeordnet werden können, zu Interferenzen kommen kann. Achievements und accomplishments ähneln sich in der Hinsicht, daß die temporale Struktur beider Klassen mit Hilfe eines "ausgezeichneten Punktes" beschrieben wird: die temporale Struktur der achievements beschränkt sich auf diesen einen Punkt, die der accomplishments weist im Abschluß diesen ausgezeichneten Punkt auf. 4 Bereitet die Unterscheidung [+/- Punktualität] Schwierigkeiten, bleibt der "ausgezeichnete Punkt" das Merkmal, das den beiden Klassen achievement und accomplishment gemeinsam ist und das sie deutlich von den activities abhebt.5 Eine zweite scheinbare Ähnlichkeit ist zwischen den beiden Klassen state und activity festzustellen. Diese beruht gerade auf dem (im Falle der states scheinbaren) Fehlen eines "ausgezeichneten Punktes": machen für die Klasse der activities die Merkmale [— Punktualität] und [- Abschluß] deutlich, daß innerhalb der temporalen Struktur kein (Zeit-) Punkt besonders hervortritt, so ist für die states auf Grund des fehlenden Zeitbezugs die Existenz eines ausgezeichneten Punktes von vornherein auszuschließen. Mehr noch, jede Beschreibung der states, die auf Zeitpunkte Bezug nimmt, widerspricht der Konzeption dieser Klasse. Ein anderer Punkt, in dem Vendler weiterentwickelt wurde, ist die Einführung der sogenannten Reihung. Sie bietet die Möglichkeit, "pluralisierte" Zeitstrukturen adäquat zu analysieren und zu beschreiben. Eine solche Pluralisierung ist in Zusammenhang mit mass nouns und Kollektiva, pluralischen Subjekten und Objekten (sowohl definit als auch indefinit), den sogenannten graduals u.a. festzustellen. Die Erweiterung einer temporalstrukturellen Klassifikation um diese frequentativ-pluralisierte Interpretationsmöglichkeit der zeitbezogenen Klassen 6 ermöglicht es erst, die Fälle zu erklären, die bisher nicht adäquat beschrieben werden konn-

95

ten, wie z.B. 11 a ecrit des lettres; R a mange des gateaux oder R a chauffe la soupe (avant de la manger). Im Unterschied zu der dem. Geschehen externen Wiederholung - extern, da sich das Geschehen zu distinkt zu konzeptualisierenden Zeitintervallen als solches wiederholt —, bezieht sich die Reihung auf die innere Strukturiertheit eines als eine Einheit zu interpretierenden Geschehens. Diese Interpretation der Einheitlichkeit steht in Zusammenhang mit der Tatsache, daß der Ereigniszeitraum des einen Geschehens als ein Intervall verstanden wird, während sich im Falle einer Wiederholung das Aktzeitintervall bzw. genauer der AktzeitroAmen aus mehreren Ereignisintervallen zusammensetzt: aus dem Erst-Ereignisintervall, das unabhängig von den Wiederholungen gesehen werden kann, und dem (den) Wiederholungs-Ereignisintervall(en). Eine gereihte Temporalstruktur ist dann anzunehmen, wenn eine Aussage in bezug auf ihre temporale Struktur keiner der drei zeitbezogenen Klassen in einer adäquaten Weise zugeordnet werden kann, da der ausgesagte Sachverhalt auf Grund seiner "inneren Pluralität" eine Komplexität aufu>eist, die in den Konzepten der drei zeitbezogenen Klassen nicht berücksichtigt ist. [+/- Punktualität] und [+/- Abschluß] sind Merkmale, die nur jedem ein—fachen Sachverhalt zugewiesen werden können. Für komplexe, pluralisierte Geschehen sind im Falle von [+ Punktualität] des Einfachgeschehens Punkte anzunehmen, im Falle von [+ Abschluß] Abschlüsse, die zeitlich zwar zusammenfallen können, jedoch nicht müssen, auf alle Fälle aber zu unterscheiden sind. Die Reihung ist ein sekundäres, auf alle drei zeitbezogenen Klassen anzuwendendes Verfahren, einer Art von (in temporalstruktureller Hinsicht) komplexen Sachverhalten Rechnung zu tragen und diese Sachverhaltsdarstellungen adäquat zu beschreiben. Dabei bietet die Reihung den Vorteil, diese Art der Komplexität aus den Konzepten der nicht-komplexen Klassen abzuleiten.

96

Anmerkungen

l Vendler weist jedoch bereits auf die Unterschiede zwischen to think that : to think of : to think about hin (1967: 111), erwähnt die "Sonderfälle" It took the battalion twenty minutes to cross the border und They are crossing the border (1967: 104, Fn. 10) und differenziert z.B. zwischen to run und run a mile (1967: 100, 102), so daß Francois (1984: 10) zu der Feststellung gelangt, "Vendler klassifiziert offenbar nicht nur Verben, sondern eher Verbalphrasen bzw. Elementarsätze)".

2 In der Klasse der states werden alle Aussagen zusammengefaßt, die durch [+ Atemporalität] zu kennzeichnen sind, so daß auch generische Aussagen und Darstellungen von Gewohnheiten zu dieser Klasse zählen die Gemeinsamkeit des Merkmals [+ Atemporalität] rechtfertigt dies.

3 Dieser Feststellung widerspricht auch nicht ein Satz wie z.B. Er liebte sie sein Leben lang. Seine Liebe zu ihr mag zwar - in der realen Welt eine bestimmte Zeit Gültigkeit haben, gehabt haben etc., diese Gültigkeitsdauer der Aussage Er liebt sie ist jedoch Teil der realen Welt und geht in die sprachwissenschaftliche Beschreibung der Klassen nicht ein. Auch Vendler weist auf den Unterschied zwischen der zeitlichen Gültigkeit in der realen Welt und dem konzeptuell festzustellenden fehlenden Zeitbezug hin, wenn er sagt (persönliche Mitteilung), [...] although states are in time [Anm.: d.h. sie haben in der realen Welt einige Zeit Gültigkeit], they do not show time [...]

4 [+/— Abschluß] ist nur in Zusammenhang mit [— Punktualität] zu sehen: der Abschluß ist das (sich konzeptuell auf einen Punkt reduzierende) Ende eines (damit automatisch) durativen Geschehens. Für die Beschreibung von achievements ist das Kriterium [+/- Abschluß] irrelevant, da diese Klasse von vornherein durch [+ Punktualität] definiert ist; ein isolierbarer Abschluß kann daher auf Grund der Definition nicht angenommen werden.

97

Bei beiden Klassen - und das unterscheidet sie essentiell von der dritten Klasse mit Zeitbezug - kann dieser ausgezeichnete Punkt einen Nachzustand initiieren. Obwohl dieses Faktum für die Definition der Klassen irrelevant ist, wird hier eine weitere Parallelität zwischen accomplishments und achievements deutlich.

6 Auf Grund der atemporalen Definition der states ist die Reihung, ebenso wie die anderen auf die Zeit referierenden Merkmale auch, für die Beschreibung dieser Klasse irrelevant.

98

5.

Empirische Untersuchungen zur Lexembezogenheit der temporalen Struktur und der syntaktischen Einflüsse auf diese am Beispiel frequenter französischer Verben

5.1.

Einleitendes

5.1.1.

Ziel der Untersuchungen

In diesem Kapitel sollen frequente Verben des Französischen untersucht werden in Hinblick auf - ihre Zugehörigkeit zu den hier in Anschluß an Vendler konzipierten Klassen; - die Zugehörigkeit eines Verbs zu verschiedenen Klassen je nach Form und Art l der Valenzergänzung; - die Zugehörigkeit eines Verbs zu verschiedenen Klassen auch bei identischer Form und Art der Valenzergänzung; — die Zugehörigkeit eines Verbs zu einer Klasse bei nicht—identischer Form und Art der Valenzergänzung; - die Systematik der "Verschiebung" unterschiedlicher Verben mit identischer Form und Art der Valenzergänzung innerhalb der vier Klassen; - die Möglichkeit, Verben ohne Kontext zu klassifizieren; - die Notwendigkeit, Sätze zu klassifizieren. In diesem Kapitel sollen also kompositionell konzipierte Regeln — vgl. z.B. Dowty (1972, 1979) und Verkuyl (1972) - auf ihre Anwendbarkeit hin überprüft werden, so daß am Ende dieser Arbeit ein Hinweis darauf gegeben werden kann, ob sich, vom Verb ausgehend, die temporale Struktur des Satzes kompositionell errechnen läßt oder ob nur die Aussage als Ganzes in temporaler Hinsicht klassifizierbar ist. Um die Möglichkeit einer Verfeinerung der Kompositionsregeln offenzuhalten, soll auch der konkret realisierte Verbkontext (Subjekt, Objekt etc.) berücksichtigt werden.

99

5.1.2.

Materialbeschaffung und Auswahl der Verben

Der Tresor de la langue franc.aise (im Text mit "TLF" gekennzeichnet), Les verbes a la, fois transitifs et intransitifs en frangais contemporain von Mira Rothemberg (im Text "MR" gekürzt) und die zweite Auflage des Französischen Verblexikons von Busse / Dubost ("FVL" im folgenden) werden exhaustiv auf Beispiele durchgesehen, die bei gleicher Form und Art der Valenzergänzung unterschiedlichen Klassen zuzuweisen sind, wobei u.U. nur ein Beispielsatz für jede der Form und Art nach identische Verbverwendung bei unterschiedlicher Klassenzugehörigkeit in die Beispielsammlung aufgenommen wird. Der Grand Robert, je nach Auflage als "GR" oder "GR*" angeführt, wird nur in Hinblick auf die Pronominalkonstruktionen systematisch ausgewertet. Zitate bekannter Autoren und Eigenschöpfungen (mit "GB" signiert), die sehr häufig nicht analysierbaren Beispielsätzen der ausgewerteten Werke nachempfunden sind, ergänzen die Sammlung. Die Auswahl der zu untersuchenden Verben wird anhand der Frequenz getroffen: die häufigsten Verben liefern zahlenmäßig die meisten Beispiele in relativ vielen Konstruktionen, womit ein Vergleich zwischen den verschiedenen Verben erleichtert bzw. überhaupt erst möglich wird. Dieses statistische Kriterium soll ferner zentrale Verben des Grundwortschatzes ausweisen und zugleich, auf Grund der Unparteilichkeit, neue Verben in die Diskussion einbringen. Untersucht werden die Verben, die nach Juilland / Brodin / Davidovitch (1970) gemäß dem usagre-Koeffizienten 2 unter den 400 häufigsten Wörtern rangieren und die zugleich im Franqais fondamental verzeichnet sind. Einschränkungen ergeben sich dadurch, daß der TLF zum Zeitpunkt der Untersuchungen nur bis Band 9 (- incarner) zur Verfügung steht und daß von dem erstellten Verbverzeichnis die Auxiliar- und Modalverben bzw. die Verbalperiphrasen aller, avoir, commencer, continuer, devoir, etre und faire ausgenommen werden. Damit ergibt sich folgende Liste von 27 Verben: aimer, ajouter, aller, appeler, apporter, apprendre, arreter, arriver, attendre, avoir, changer, eher eher, comprendre (dt. verstehen, nicht Verständnis haben für) connaltre, croire, demander, devenir, dire, donner, ecrire, entendre (dt. hören), entrer, etre, expliquer, faire, falloir und garder. Da es uns nicht möglich ist, für devenir begründete Aussagen über dessen temporale Struktur zu machen, wird dieses Verb in der Beispielsammlung nicht berücksichtigt.

100

Sind in Juilland / Brodin / Davidovitch (1970) keine Angaben zu den Homonymen verzeichnet, so wird der durch eine hochgestellte "l" markierte Eintrag des FVL gewählt. Da figurative Verwendungen nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden sollen, werden nur die Lemmaeinträge des FVL herangezogen, die mit "l", "a" oder "la" markiert sind — entsprechend wird die Auswahl in Hinblick auf die anderen auszuwertenden Werke getroffen. Ausnahmen hiervon liegen im Fall von dire vor, bei dem beide Lemmata untersucht werden, da die Unterscheidung im FVL nur redaktionelle Gründe hat - vgl. FVL (1983: XXI) - sowie, auf Grund der Frequenz, im Fall von comprendre und etre, wo jeweils der mit "2" markierte Lemmaeintrag untersucht wird. Unberücksichtigt bleiben auch die Beispiele, die als vom franqais standard abweichend markiert sind.

5.1.3.

Untersuchte Konstruktionen

Durch die Auswahl der Verben werden die zu untersuchenden Konstruktionen wesentlich mitbestimmt; insgesamt werden folgende Satzbaupläne untersucht: 1. N - V 2. N - V - qp 3. N - V - adj 4. N - V - n 5. N - V - que S Ind 6. N - se V 3 7. N - se V - adj 8. N - se V - n 9. N - se V - que S Ind 10. N - V - N 10.1. il - V - N 11. N - V - N - qp 12. N - V - N - adj 13. N - V - N - n 14. N - V - N - qui Rel S 15. N - V - N - comme N

101 16. N - V - pour n - N 17. N - se V - N 18. N - V - ä N 19. N - V - ä N - que S Ind 20. N - V - ä N - Int. ind. 21. N - se V - a N 2 2 .N - V - N - ä N 22.1. i l - V - N - a N 23. N - V - N - ä N - qp 24. N - V - de n - que S Ind Das nachfolgende Verzeichnis gibt eine Übersicht der Satzbaumuster, die bei den jeweiligen Verben untersucht werden; die Zahlen in der Klammer beziehen sich auf die in obiger Liste angeführten Konstruktionen. aimer (l, 6, 10) ajouter (6, 21, 22) aller (l, 2) appler (6, 10, 11, 22) apporter (10, 11) apprendre (l, 10, 17, 22) arreter (l, 6, 10) arriver (l, 2, 10.1.) attendre (l, 6, 10) avoir (10, 11, 16) changer (l, 10) chercher (l, 6, 10) comprendre (6, 10) connaltre (6, 10, 13, 15) croire (l, 7, 8, 10. 12, 13) demander (10, 17, 22) dire (5, 9, 19, 20, 24) dormer (10, 17, 18, 21, 22) ecrire (l, 6, 10, 18, 22) entendre (l, 10, 14) entrer ( 1 , 2 ) eire (2, 3, 4) expliquer (10, 17, 22) /aire (7, 10, 12, 13) falloir (10.1., 22.1.) garder (6, 10, 11, 12, 23) Wie aus dieser Liste ersichtlich ist, gehen nicht alle bei einem Verb möglichen Satzbaumuster in die Untersuchungen ein. Ziel dieser Betrachtun-

102

gen soll es sein, identische Konstruktionen bei verschiedenen Verben anzuführen, um einen Vergleich des "Verhaltens" der Verben in identischen Strukturen zu ermöglichen. Andererseits sollen die Satzbaupläne nicht zu stark eingeschränkt werden, um neues Licht auch auf den Einfluß bisher nicht beachteter Satzkonstituenten zu werfen.

5.1.4.

Einschränkungen hinsichtlich des aufnehmbaren Materials

Im Verlauf der empirischen Untersuchungen wird sich zeigen, daß ein Verb nicht anhand jedes x-beliebigen Satzes mit eben diesem Verb klassifizierbar ist. Anhand von "II voulut ajouter la parole aux habits" (GR: ajouter) kann man weder ajouter noch vouloir eine temporale Struktur zuweisen, sondern, besteht man auf der Verbbezogenheit der temporalen Struktur, allenfalls vouloir ajouter - Analoges ist für "II commencait ä comprendre ... (...) ... qu'il ne s'agit pas de se mesurer, mais de s'assassiner" (GR: comprendre) festzustellen. "En ces troubles annees [...] nous nous battions pour nos verites, pour nos raisons d'etre - et aussi pour nous faire d'autres yeux, d'autres oreilles, une fagon neuve de sentir le monde" (TLF: etre) läßt ebenfalls keine sinnvolle Analyse der temporalen Struktur des Infinitivs faire zu. Fragen, Imperative und Ausrufe scheinen sich generell einer temporalstrukturellen Klassifikation zu entziehen - man denke z.B. an "Ajoutez quelquefois, et souvent effacez" (GR: ajouter), "Souffrez qu'ä mon logis j'ajoute encore une aile" (GR: ajouter), "Pourquoi faut-il que vous m'aimiez?" (TLF: falloir, II.B.3.) bzw. "II faut un poete pour decrire ce spectacle!" (GR: falloir, II). Die beiden letzten Beispiele sowie "II lui fallait ce bijou k tout prix, coüte que coute" (GR: falloir, II) machen deutlich, daß sich auch die Modalität, in diesem Fall von falloir bestimmt, einer temporalstrukturellen Klassifikation entgegenstellen kann. Performative Akte wie "Je vous donne un mois pour reflechir, se hata d'ajouter le chevalier" (TLF: donner, I.A.2.b.), Beispiele wie "Vous etes ici chez vous" (TLF: etre, 2e., I.B.l.a.) oder "[...] je te donne mon bonbon,

103

prends-le, c'est pour toi" (TLF: dormer) verdeutlichen, daß in pragmatischer Hinsicht besonders zu interpretierende Äußerungen anhand einer temporalstrukturellen Klassifikation nicht adäquat beschrieben werden können. Auch II dort encore oder Elle est deja partie entziehen sich den vier Klassen. Zu diesem Zeitpunkt ist es uns nicht möglich, endgültig zu erklären, weswegen sich manche Sätze einer temporalstrukturellen Klassifikation entgegenstellen. Auffällig ist, daß hierbei zum einen die Pragmatik eine Rolle zu spielen scheint und daß sich zum ändern subordinierte Sätze einer Klassifikation entziehen - man vergegenwärtige sich z.B. "Elle voulait que Paul et Georges fussent toujours d'accord, parce que ce serait gentil de rester comme ya, tout les trois, en sachant qu'on s'aimait bien" (TLF: aimer) —, wobei festzuhalten ist, daß das gesamte konditionale Satzgefüge in temporalstruktureller Hinsicht nicht klassifizierbar ist.4 Das untersuchte Corpus ist jedoch zu klein, um diesbezüglich endgültige Aussagen machen zu können. Es kann vorläufig festgehalten werden, daß, mit Einschränkungen hinsichtlich der Pragmatik, nur Aussagesätze klassifiziert werden können, die im Text als Hauptsätze fungieren, wobei konditionale Satzgefüge gänzlich auszunehmen sind. Die Tatsache, daß die Einschränkungen hinsichtlich einer temporalstrukturellen Klassifizierbarkeit auf der Ebene des Textes, der Beziehungen der Sätze untereinander und der pragmatischen Interpretation derselben zu suchen sind, ist aus der Konzeption dieser Klassifikation als Ferbklassifikation nur schwer zu verstehen, während sie mit einer Konzeption als Klassifikation von Sätzen leicht zu vereinbaren ist.

104

5.1.5.

Überlegungen zur Methode oder: Warum gerade Valenzergänzungen?

An dieser Stelle soll nicht die Rolle, die die Aktanten in der Verbsemantik spielen, aufgearbeitet werden, vielmehr soll kurz skizziert werden, weswegen sich gerade die Valenzergänzungen anbieten, den Einfluß der Satzkonstituenten auf die temporale Struktur des Verbs zu untersuchen. Analog steht es mit den Verben: kennen beinhaltet eine Bezugsstruktur des Typs "jemand - kennen - etwas/jemanden", oder allgemeiner: kennen (x,y). (BUSSE / DUBOST 1983: XI)

Die Vermutung ist naheliegend, daß nur die an der Verbalhandlung beteiligten Aktanten eine temporalstrukturelle Modifikation eben dieser Verbalhandlung "bewirken" können, da die Aktanten die Verbalhandlung erst konstituieren, erst "definieren". Uns interessiert nun die Valenz ("Wertigkeit") des Verbs. Im Prinzip besteht Abhängigkeit zwischen dem Verb und den übrigen Satzgliedern: deren Erscheinen setzt das Gegebensein eines Verbs voraus. Ganz pauschal formuliert kann man sagen, daß ein Teil der Satzglieder grundsatzlich beliebig erscheinen kann: die so genannten Umstandsangaben. Dieser Teil der Satzglieder bezeichnet der "Verbalhandlung" externe Faktoren, etwa den Zeitpunkt der "Handlung", ihren Grund, ihren Zweck, die Art und Weise usw. Gewisse andere Satzglieder jedoch können nur bzw. müssen bei bestim.mten Teilklassen des Verbs erscheinen (das ist der kombinatorische Aspekt der Valenz) und bezeichnen gerade Faktoren (nämlich die "Mitspieler"), die zur Definition der "Verbalhandlung" gehören. Mit anderen Worten, die Valenz der Verben ist ebensosehr ein syntaktisches wie ein semantisches Phänomen. (BUSSE / DUBOST 1977: XI-XII)

Widerspricht es nicht der Vorstellung von der Ferbbezogenheit der temporalen Struktur, wenn Satzkonstituenten, die "der 'Verbalhandlung' externe Faktoren" bezeichnen — und die die Verbalhandlung nur fakultativ er-

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ganzen —, das mitbestimmen, was als der Verbalhandlung inhärent verstanden wird, nämlich ihre temporale Struktur? Muß man nicht, wenn man davon ausgeht, Verben zu klassifizieren, die "modifizierenden Elemente" auch in der Verbsemantik, also in den "Mitspielern" suchen und nicht in den fakultativen Angaben, die kein Element der Verbsemantik sind? Im Rahmen einer verbzentrierten Klassifikation liegt es nur nahe, den Untersuchungen der syntaktischen Einflüsse auch eine verbzentrierte Syntax zugrunde zu legen. Insofern kann man im Rahmen der These von der Verbbezogenheit der temporalen Struktur getrost von der Arbeitshypothese ausgehen, daß gerade die Aktanten einen Einfluß auf die verbale Temporalstruktur haben. Dank der gefundenen Beispiele können jedoch auch nicht zur Valenz zählende Konstituenten berücksichtigt werden, und es wird sich zeigen, daß auch diese die temporale Struktur "mitbestimmen".

106

5.2.

Beispielsammlung

5.2.1.

Darstellungsmodus

Der Beispielteil ist zweispaltig angelegt: der Kolonne mit der Strukturformel steht die Spalte mit dem Beispiel und der entsprechenden Klassenbezeichnung gegenüber, woran sich gegebenenfalls Bemerkungen anschließen, in denen u.a. die Klassifizierung begründet wird. Die kontextuell gefüllten Strukturformeln sollen die morphologische Form der Verbergänzung übersichtlich darstellen, so daß die Auffindung analoger Beispiele erleichtert wird. Sind Pronomina in Klammern gesetzt, so erscheinen sie im Beispielsatz in etwas anderer Form oder an anderer Stelle, können aber von ihnen abgeleitet werden: so steht "(je)" für / und vorangestelltes me wird an der seiner syntaktischen Funktion entsprechenden Position des Satzbauplans durch "(me)" wiedergegeben. Die Satzkernstrukturen, die, eventuell vereinfacht, aus dem FVL übernommen bzw. in wenigen Fällen analog dazu "nachgebaut" werden, sind allen Beispielen der gleichen Konstruktion vorangestellt. Die Beispielsätze werden ohne Darstellung der typographisch besonders markierten Hervorhebungen angeführt; Kürzungen innerhalb des Beispielsatzes sind wie gewöhnlich durch "[...]" gekennzeichnet, ohne daß Kürzungen des Kontextes eines Beispiels besonders markiert werden. Der Einfachheit halber werden die Beispielsätze in 5.2.2. ohne Anführungszeichen aufgelistet, da anhand der Signa eindeutig feststellbar ist, ob es sich um einen zitierten oder um einen von uns beigesteuerten Satz handelt. Bei Zitaten aus dem TLF und dem GR bzw. GR* entspricht die Zahl nach dem Doppelpunkt der Numerierung der Beispiele in beiden Werken, Angaben in römischen und arabischen Ziffern bzw. lateinischen und griechischen Buchstaben entsprechen der Gliederung beider Wörterbücher; auf das FVL wird nur durch das Signum verwiesen. Fehlen bei diesen drei Werken Hinweise zum Infinitiv, so finden sich die Beispielsätze unter demselben Stichwort wie der an dieser Stelle behandelte Infinitiv lautet. Bei Zitaten aus Rothemberg (1974) verweisen die Angaben nach dem Doppelpunkt auf die entsprechende Seitenzahl. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die hier konstatierten Klassenzugehörigkeiten keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Da die Klassenzugehörigkeit auch von der Interpretation der Beispiele abhängt, mag der Leser bei dem einen oder anderen Satz auf Grund einer zusätzli-

107

chen Interpretationsmöglichkeit eine zusät2liche Klassifikationsmöglichkeit entdecken. Auf die Möglichkeit der generischen Interpretation wird im allgemeinen nicht ausdrücklich hingewiesen.

5.2.2.

Von A wie aimer bis G wie garder

AIMER

N -V

il-V

R arme. R n'est plus libre. (GB) [state]

N - V- N

il-V-les

II aime les bons plats. (FVL) [state]

elle-V-(le)

II savait ce que sä mere pensait. En ce moment, eile l'aimait. (GB) [activity] Die Kombination aimer und en ce moment bedarf einer Erklärung. In dem hier angeführten Beispiel wird die Liebe nicht generell gültig, sondern momentanisiert dargestellt: es ist von einem konkreten Zeitintervall die Rede, in dem sich die Mutter ihrer Liebe bewußt ist, in dem sich die Liebe "manifestiert", ähnlich einem Gefühl wie Freude odrr Trauer.

108

il-V-le

... en entendant M. de Charlus dire, de cette voix aig e et avec ce sour-ire et ces gestes de bras: 'Won, fai prefere so. voisine, la fraisette", on pouvait dire: "Tiens, il aime le sexe fort", [...] (TLF: 26)

[state] (je)—V—Dieu

Depuis man enfance, cette idee m'etait familiere que je serais l'ami de DieiL. J'aimais Dieu: J'ai aime Dieu avant de le craindre. Maintenant, tout a change. (TLF: 11) [state]

N - se V

on-(se) V

On s'aimait bien, (GB) [state]

il-(se) V

II s'est aime toujours, il s'aime, mais cet amour de soi n'est pas I'amour-propre. R saisit seulement toutes occasions d'etendre et de renforcer le sentiment de son etre. (TLF: 103) [state]

AJOUTER

β

Ν - se V

les-(se) V

... il y a autant d'actions distinctes et independantes que de combinaisons binaires entre les particules; les effets des actions ou des forces s'ajoutent, se neutralisent, se composent ou se combinent entre eux selon des lois mathematiques; mais les forces memes ne changent ni de sens, ni d'energie, par suite du conflit ou du concert qui s'etablit entre elles. (TLF: 19) [state / achievement gereiht]

109

Es kann sich einerseits um eine allgemeine Aussage über ein Geschehen (= state), andererseits um die (synchrone) Beschreibung des aktualen Ablaufs eines Geschehens handeln. Da sich die Wirkungen im Augenblick des Verstärkens verstärkt haben, muß eine punktuelle Temporalstruktur angenommen werden. Wegen der Möglichkeit eines graduellen Verlaufs und auf Grund des pluralischen Subjekts distinkter Handlungsträger muß von einer Reihung ausgegangen werden.

N - V - N - k N il—V—des—la

Parmi les marins il y en a qui decouvrent des mondes. Ils ajoutent des terres a la terre et des etoiles aux etoiles. (G B) [state] Da es sich um eine allgemeine Aussage über einen Teil der Seeleute und nicht um die Beschreibung eines konkreten Ereignisses handelt, sollte dieses Beispiel als state klassifiziert werden.

elles-V-un-leur

Elles ajoutaient un ajustement h leur beaute. (GB) [achievement gereiht] Die punktuelle Temporalstruktur findet ihre Begründung in der Tatsache, daß das bezeichnete Geschehen als das Erreichen eines Resultats interpretiert werden muß: mit dem Erreichen des Resultats ist dieses sogleich erreicht. Auf Grund des nicht-kollektiv zu interpretierenden Subjekts ist von einer Reihung auszugehen.

N - se V - a N

cet-(se) V-son

Cet appoint s'ajoute a son salaire. (GR: [achievement / state]

110

Da das bezeichnete Geschehen resultativ ist, muß es mit [+ Punktualität] charakterisiert werden; die Lesart als allgemeingültige Aussage rechtfertigt die Klassifikation als state. le-V-sa

Le charme s'ajoute h sä beaute. (GR: [activity / state] Als allgemeingültige Aussage verstanden muß dieser Satz als state klassifiziert werden, dient er hingegen der Beschreibung einer Person in einer konkreten Situation, so handelt es sich um eine activity.

ALLER

N -V

eile-V

[...] eile allait devant comme un Soldat, les bras ballants, et chantant a tue-tete; [.„] (TLF: i) [activity]

le-V

Le tilbury allait bon train, mais le boulevard etait encombre de voitures, et souvent U etait force de ralentir sä marche, [...] (TLF: ) [activity]

N - V — qp (Angabe des Ziels)

M.L.-V-ä la

Mess Lethierry alia a la feiietre, l'ouvrit, la referma, revint a la table, [„.] (TLF: 15) [ accomplishment]

elle-V-a (la)

Elle va a l'ecole. (GB) [accomplishment / state] Bezeichnet diese Aussage den konkreten Gang zur Schule, so ist sie als accomplishment zu klassifizie-

Ill

ren, bezeichnet sie hingegen den Sachverhalt, daß eile schulpflichtig ist, so liegt ein state vor. on-V-au

0 au theatre ce soir. (GB) [accomplishment / ? ] Die Interpretation dieses Beispiels als der Gang zum Gebäude mag sich zwar nicht sofort aufdrängen, ist aber möglich. Diese Interpretation bereitet der Klassifikation keinerlei Schwierigkeiten: es handelt sich zweifellos um ein accomplishment. Schwieriger liegt der Fall, wenn der Besuch des Theaters respektive einer Vorstellung evoziert wird. Käme zum Gang (accomplishment) noch der Aufenthalt (activity) hinzu, oder sollte man den Gang durch die Theatervorstellung (accomplishment) ergänzen? Keine der vier Klassen scheint geeignet, die temporale Struktur der zweiten Lesart dieses Beispiels zu repräsentieren. Auch die Kombination zweier Klassen erscheint wenig sinnvoll, da On au theatre ce soir nicht den Besuch der Vorstellung bezeichnet, ihn jedoch evoziert, was es wiederum nicht möglich erscheinen läßt, dieser Aussage stillschweigend eine accomplishment—Struktur zuzuweisen. Es bleibt festzuhalten, daß es "Verben" gibt, die sich in einer bestimmten Verwendung der Klassifizierung entziehen, da keine adäquaten Klassen zur Verfügung stehen. Im Augenblick sehen wir keine Möglichkeit, die vier Klassen derart zu erweitern, daß eine adäquate Klassifizierung der zweiten Lesart möglich wäre. Analoge Probleme werden ebenso bei der Konstruktion aller + Infinitiv wie z.B. bei Elle va diner und bei Verwendungen wie Elle va au cinema / au zoo / chez le dentiste / au restaurant / au cirque auftreten und sind nicht auf das Französische beschränkt, wie folgendes Beispiel deutlich macht: Salve a ilustre companhia ... — Apertava äs maos, ia contando: — Tou morrendo de sono, quase näo dormi. Andei no Bataclan com o arabe Nacib, aca-

112 bamos indo pro, casa da Machadao, comida e muIher ... Mas nao podia deixar de comparecer ao desembarque de Mundinho ... (AMADO 1970: 45)

ces-V-a une

Ces petites arteres vont a une glande orbiculaire. (GB)

[state] Der "Transferierung" von aller in die Klasse der states trägt man sicherlich nicht Rechnung, wenn man diese auf den Merkmalszug [- belebt] des Subjekts zurückführt, viel eher sollte die "Zeitlosigkeit" dieser Aussage damit begründet werden, daß das Subjekt als unbeweglich, unbewegbar konzeptualisiert wird. Dieser Tatbestand hat aber zur Folge, daß man, will man die von Dowty u.a. formulierten Regeln mit Hilfe semantischer Merkmale "verfeinern", diese auf jedes Verb abstimmen muß: spielt bei aller die Konzeptualisierung der Beweglichkeit / Bewegbarkeit eine Rolle, so ist dieses Merkmal bei anderen Verben nicht von Bedeutung. Daneben werden diese Merkmale je nach Konstituente und Konstruktion differenziert sein müssen: ist bei aller die Beweglichkeit / Bewegbarkeit des Subjekts von besonderer Relevanz, so ist sie für die Angabe des Ziels offenbar uninteressant — U alia a la maison de son grand—pere und il alia a sä voiture unterscheiden sich nicht in ihrer temporalen Struktur -, bei avoir andererseits scheint sie in der Konstruktion N — V — N - qp für das direkte Objekt von Bedeutung zu sein (j'ai ces papiers dans mon porte— feuille vs. il a des taches de rousseur sur le nez). Diese wenigen Beispiele erhellen, wie präzise Kompositionsregeln formuliert sein müßten, so daß sich die Frage aufdrängt, inwieweit es sich um Regeln handelt, die doch, gemäß der Definition des Begriffes Regel, eine Abstraktion von Einzelf"allen darstellen und daher nicht nur für einen Infinitiv Gültigkeit haben sollten.

113

APPELER

8

N - V- N

il-V-(vous)

J'ai passe la nuit pres de lui: U a prononce souvent votre nom; U vous appelait; [.„] (TLF: i) [achievement iteriert] Die Iteration des Geschehens steht außer Frage: U a prononce souvent votre nom; U vous appelait weist eindeutig auf die Wiederholung hin. Da das bezeichnete Geschehen nicht auf das Aussprechen eines oder mehrerer Wörter referiert, sondern eben das Resultat dieses Aussprechens bezeichnet, sei U vous appelait als achievement klassifiziert.

la-V-son

La brebis appelle son agneau (TLF: I.B.I.a., remarque z) [achievement (iteriert?)] Eine semelfaktive Lesart ist nicht auszuschließen, da es sich um eine zum Geschehen synchrone "Reportage" handeln kann. Der Gebrauch des Präsens kann jedoch auch damit motiviert werden, daß das Geschehen auf Grund einer Wiederholung eine zeitliche Ausdehnung aufweist: der Sprechzeitpunkt ist Subintervall des Aktzeitintervalls, das den Rahmen für das wiederholte Geschehen stellt.

N - V - N - qp

le—V—m.G.—pres de lui Heureux d'avoir une raison pour remettre l'execution, le Procureut—general appela par un geste monsieur Gault pres de lui. (TLF: 5) [achievement]

114

Bei diesem Beispiel bleibt die Angabe gp ohne "Einfluß" auf die temporale Struktur. Dieses Beispiel macht in besonderem Maße deutlich, daß das bezeichnete Geschehen als ein Resultat zu interpretieren ist: mit einer Geste ruft der Generalstaatsanwalt monsieur Gault zu sich, das bezeichnete Geschehen ist also Ergebnis bzw. Folge eines Tuns. la-V-les-au

La cloche appelait les religieux au choeur. (GB) [achievement iteriert] Trotz des pluralischen Objekts ist keine Reihung anzunehmen - zur Begründung vergleiche man 3.1. Auch dieses Faktum erschwert eine Formalisierung.

N - V - N - k N le—V—(nous)—son

Le pauvre batelier consterne nous appelait a son aide avec des gestes d'affliction et des cris de detresse. (TLF: 13) [achievement] Neben der Beschreibung des Vollzugs einer Handlung kann il nous appelait auch als Aufforderung interpretiert werden. Diese unterschiedliche Interpretierbarkeit bleibt nicht ohne Einfluß auf die Tempuswahl: der Sachverhalt, daß jemand eben ein Leuchtzeichen gegeben hat, kann zum einen mit U nous a appeles, zum ändern aber auch mit il nous appelle versprachlicht werden. Mit der ersten Aussage nimmt man auf die (bereits ausgeführte) Handlung Bezug, mit der zweiten Äußerung referiert man auf den Aufforderungscharakter des bezeichneten Tuns. Dank der Präzisierung avec des gestes d'affliction et des cris de detresse kann eindeutig entschieden werden, daß das angeführte Beispiel das Geschehen bezeichnet und nicht den Aufforderungscharakter desselben betont.

115

N - se V

une-(se) V

Une bände de poules s'appelait. (GB) [achievement gereiht (+iteriert?)] In diesem Beispiel hat das reziproke se Einfluß auf die temporale Struktur des Gesamtsatzes: mehrere Hühner rufen sich gegenseitig, das Geschehen setzt sich aus verschiedenen Einzelgeschehen zusammen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich die Hühner immer wieder "zurufen", muß die Möglichkeit einer iterativen Interpretation des pluralisierten Geschehens offen gehalten werden.

APPORTER

N - V- N

elle-V-la

Elle apporte la bouteille avec un verre. (GB) [accomplishment]

N - V - N - qp

la-V-un peu-dans la La petite fille apporte un peu de gaiete darts la maison. (TLF: 13) [activity / state] Die Klassifikation als activity beruht auf der Tatsache, daß dieser Satz eine Situation beschreiben kann. Beansprucht diese Aussage hingegen Allgemeingültigkeit, so ist sie als state zu klassifizieren.

116

APPRENDRE

10

N -V

il—V

H apprend bien (TLF: I.A.I.a.) [state]

eile—V

Elle apprend vite. (GB) [state]

N - V- N

eile—V—le

Elle apprit le catechisme a force de l'entendre. (GB) [accomplishment]

les—V—le

Les domestiques apprennent le vice chez leurs malt res .- entres purs et na'ifs - il y en a dans le metier, Us sont vite pourris, au contact des habitudes depravantes. (TLF: 9) [state]

il—V—la

II a appris la geographic avec un vieux professeur. (FVL) [state] Im Unterschied zu eile a appris le catechisme a force de l'entendre, das auf eine konkretisierbare Situation referiert — der Katechismus ist erlernbar -, beschreibt il a appris la geographic avec un vieux professeur keinen zeitlich lokalisierbaren Sachverhalt, sondern macht eine von konkreten Situationen abstrahierende Aussage.

117

N - V - N - & N

je-V-le et la-(lui)

Je lui apprerids le frangais natation superficielle. (FVL) [accomplishment gereiht]

fondam.ental

et la

Die Reihung wird bedingt durch die Kombination zweier Geschehen, nämlich "je + lui + apprendre + le frangais fondamental" und "je + lui + apprendre + la natation superficielle". Beide Geschehen können zwar synchron verlaufen, müssen jedoch nicht zu demselben Zeitpunkt abgeschlossen sein.

N - se V - N je-me V—(le)

Tout ce que je sais, je me le suis appris moi—meme. (GR: s'apprendre, Z.)

[accomplishment gereiht] Wegen der Komplexität des Geschehens (tout ce que je sais) ist eine Reihung anzunehmen. on-(se) V-la

On s'apprend la preparation de divers repas. (GB) [accomplishment gereiht] Die Reibung findet sowohl in der Gegenseitigkeit als auch in der Komplexität des Geschehens (de divers repas) ihre Begründung. Dieses Beispiel veranschaulicht, wie schwierig eine Formalisierung des syntaktischen Einflusses ist: trotz des morphologisch singularischen la preparation zeichnet sich la preparation de divers repas in temporalstruktureller Hinsicht durch Komplexität aus.

118

ARRETER

n

N -V

on-V

Arrives pr'es du mont oü naquit saint Francois, un moment I'on arrete pour laisser respirer apres si longue traite les chevaux fatigues; chacun s'elance a has du cache et me voita debout, croisant les bras, de long en large allant, flanant; ... (TLF: Z4)

[activity] Wie noch mehrfach deutlich werden wird, kann eine Aussage mit arreter sowohl den (punktuellen) Übergang von Bewegung zu Nicht-Bewegung als auch ein Verweilen (= faire halte, sejourner) beschreiben. Der Übergang ist durch Punktualität, der Aufenthalt durch Homogenität der temporalen Struktur gekennzeichnet. Dank un moment kann dieses Beispiel eindeutig als activity klassifiziert werden. le-V

Le car arreta plusieurs fois

sur

son parcours.

(FVL)

[achievement iteriert / activity iteriert]

N - V- N

un-V-le

Au bas de la rue Montmartre, un

embarras de

voitures arreta le fiacre. Les jeunes gens, qui avaient baisse la glace, entendaient la voix furieuse de Bachelard s'empoignant avec les cochers. Puis, quand la voiture se fut remise a rouler, Gueulin donna des details sur Ciarisse. (TLF: i) [achievement / activity]

Bei diesem Beispiel ist nicht zu entscheiden, ob es sich um das punktuelle Geschehen des Zum—Halten—

119 Bringens oder um das homogen strukturierte Geschehen des An-der-Weiterfahrt-Hinderns handelt. des-V-la

Des agents arretent la /oute. (GR: i, i.) [achievement gereiht / activity gereiht] Trotz des indefiniten pluralischen Subjekts des agents ist nicht grundsätzlich von einer gereihten Handlungsstruktur mit R > l auszugehen. Es ist für die temporalstrukturelle Interpretation nicht ohne Bedeutung, ob die Handlungsträger zusammen eine Handlung ausführen, wie dies der Fall sein kann - die Polizisten als Gruppe halten die Menschenmenge auf und nicht jeder einzeln -, oder ob die Handlungsträger getrennt zu interpretierende Akte vollbringen - jeweils ein Polizist bringt die Menschenmenge zum Stehen, so daß distinkte Geschehen anzunehmen sind. Wie in 3.2. bereits ausgeführt wurde, wird das Geschehen generell als gereiht interpretiert, wenn eine Pluralität des Geschehens möglich- ist, wobei der Reihungsfaktor R zwischen R = l und R > l variiert. Es bleibt festzuhalten, daß ein indefiniter Plural bzw. ein Kollektivum eine Art Kollektiv schaffen können, dessen Teile gemeinsam und gerade weil sie eine Gruppe sind, etwas tun oder etwas bewirken.

une—V—(les)

Une des crevasses profondes feu meurtrier. (GB) [activity]

les arreta sous

un

Sous un feu meurtrier läßt u.E. ebenso eindeutig wie un moment den Schluß auf ein homogen strukturiertes Geschehen zu. un-V-le

U n troupeau arreta le train. (G B) [achievement / activity] Bei diesem Beispielsatz hat das Kollektivum le troupeau keinen Einfluß auf die temporale Struktur

120 des Satzes — vgl. auch die Deutung dieses Beispiels in 3.2. il—V—le

H arreta le carrosse (MR: 157) [achievement / activity]

N - se V (des)-(se) V

De grosses larmes s'arretaient sur sä joue, brillan-

tes comme des diamants. (GB> [achievement gereiht / activity gereiht] ils-(se) V

Ils s'arr&terent au bord du troupeau. Alban resta un peu en retrait "Vaus pouvez avancer, il n'y a pas de danger", dit le due. — "Je veux d'abord voir comment se comporte ce betail", repondit Alban, ... (TLF: 37) [achievement gereiht / activity gereiht]

on-(se) V

On (= nous) s'arreta quelques jours a JVtmes. (GB) [activity gereiht]

je—(me) V

Je m'arrete vraiment a tout bout de champ; id, j'y suis depuis huit jours, et ne sais pas encore quand j'en partirai, (GE·. 57) [achievement gereiht / activity gereiht]

la-(se) V

La voiture s'arreta (MR : 157) [achievement / activity]

ARRIVER

N -V

le-V

Le sous—prefet arriva dans sa voiture qui stationna quelques maisons plus loin, [...] (TLF: ia) [ achievement]

121

quelques—V

Quelques mots de patois sont arrives a ses oreilles. (GB)

[achievement gereiht] il-V

II arrive a grands pas. (GB) [activity] Trotz eines Vermerks "par extension" (vgl. TLF und GR) sei dieses Beispiel angeführt. Auf Grund des veränderten bezeichneten Geschehens — nicht eine Ankunft, sondern ein Sich-Nähern wird beschrieben — kann dieser Satz nicht als achievement klassifiziert werden. Wegen des Zeitbezugs und der Möglichkeit, das nicht-punktuelle Geschehen jederzeit zu "beenden", ist diese Aussage zu den activities zu rechnen.

les-V

Les invites arrivent. (GB) [achievement gereiht] Im Fall von les invites sont en train d'arriver (mit einem Reihungsf aktor R > l ) wird der Sprechzeitpunkt innerhalb des Intervalls lokalisiert, das durch die gereihten Einzel-achievements bestimmt ist: ein Teil der Gäste ist bereits angekommen, der andere Teil wird noch erwartet.

N - V - qp

il-V-ä L.

Bonaparte aborde a terre. If. arrive a Lyon et prend la route du Bourbonnais. (GB) [ achievement]

des—V—en F.

Des marchandises provenant de tous les pa.ys arrivent chaque jour en France par mer, par l irre., et par air. (TLF: ) [state / achievement gereiht iteriert]

122

nous-V-ä P.

Nous arriverons a Paris a midi. (GR·: , i.) [achievement gereiht]

il - V - N

il-V-des

II est arrive des visites en votre absence. (GR-: , .) [achievement gereiht]

ATTENDEE

N -V

je-V

Je m'arrete un instant, fattends, je sens mon coeur battre; je fouille des yeux la place deserte. (TLF: 27)

[activity]

N - V- N

J.-V-P.

Jeanne attendait Pierre sous un ^verbere. (FVL) [activity]

elles-V-les

Dans la grande salle, debout derriere les comptoires, elles attendaient les clients. (TLF: i) [activity gereiht / state] Als Charakterisierung von elles ist diese Aussage als state zu werten, beschreibt sie hingegen eine konkrete Situation, muß sie als activity klassifiziert werden. Eine Reihung ist auf Grund des pluralischen Geschehens anzunehmen.

il-V-la

Depuis sä maladie grave, il attend la mart, (G B) [state]

123

Als Charakterisierung von il (in bezug auf dessen Einstellung dem Tod gegenüber) ist dieser Aussage Atemporalität eigen.

N - se V

elles—se V

AVOIR

EU.es se sont attendues l'une l'autre, chacune de leur cote, [...] (GR-: s'attendre 1.) [activity gereiht]

12

N - V- N

ils-V-un

A Londres, its avaient un petit appartement merveilleux. (G B) [state / activity] Diese Aussage kann sowohl zeitbezogen (sie wohnten dort z.B. während der Ferien) als auch atemporal (sie hatten dort ihren Wohnsitz) interpretiert werden.

(je)-V-une

J'ai une maison a la campagne. (FVL) [state]

cette-V-cinq

Cette maison a cinq pieces (TLF: i.c.i; [state]

le-V-une

Le moteur avait une panne. (GB) [activity]

ü-V-des

II avait des manieres gracieuses. (TLF: 4 ) [state / activity]

124

Anhand dieses isolierten Satzes ist nicht zu entscheiden, ob die Äußerung aktualisiert oder atemporal zu interpretieren ist. Auch der Kontext gibt darauf keine eindeutige Antwort: Papa venait de lisser sä belle moustache et de se passer la main dans les cheveux pour les faire boucler. R se redressa, fit trois ou quatre fois et tres fort: "hum! hum!" et s'assit a table. H avait des manieres gracieuses. Un veritable homme du monde comme on en voit sur les images. II souriait toujours si joliment. (DUHAMEL 1933: 36)

Es ist eine Frage der Interpretation dieser Textstelle, wo man die Grenze zwischen der situativen Beschreibung und der allgemeinen Charakterisierung des Vaters zieht. le—V—(des)

Le juge avait de fines moustaches brunes. (GB; [state] Zwar ist ein Bart etwas Veränderliches, solange man ihn jedoch trägt, ist er ein Merkmal, ein Charakteristikum des Trägers.

(je)—V-des

Mais voyez comme Us sont fins! J'ai des gants et pourtant, ils ont vu mon anneau au travers ... (TLF: 65)

[activity] Da vom Tragen von Handschuhen die Rede ist und nicht von deren Besitz, muß dieses Beispiel als activity klassifiziert werden. il—V—un

Aujourd'hui, U a un costume gris. (TLF: I.B.a.b.) [activity] Auch in diesem Beispiel bezeichnet avoir das Tragen eines Kleidungsstückes - vgl. auch die Interpretation des TLF.

125

(je)-V-un

J'ai un complet en tussor beige. (TLF·. 3) [state] Wie die beiden vorhergehenden Beispiele kann auch dieser Satz zeitbezogen, d.h. im Sinn von dt. tragen interpretiert werden. Der Kontext macht jedoch deutlich, daß in diesem Fall avoir auf den Besitz referiert. J'ai un complet en tussor beige. Mais il est d'ete et m'enrhume.

(je)-V-ce

J'ai eu ce livre a bon compte. (GB) [achievement] Nicht zuletzt dank des Zusatzes bon compte kann zweifelsfrei entschieden werden, daß eine punktuelle Zeitstruktur vorliegt: avoir bezeichnet weder den Besitz noch das Tragen, sondern das Inden-Besitz- Gelangen.

N - V - N - qp

(je)-V—ces

J'ai ces billets dans mon porte—feuille [...] (ÜR : 44) [activity]

le—V—des

Le fugitif

a des taches de rousseur sur

le nez.

(GB)

[state] Die beiden Beispielsätze dieser Konstruktion lassen sich auf die gleiche Verwendung von avoir qqch qp (= qqch est qp) zurückführen, dennoch wird ein Sachverhalt temporär, der andere hingegen permanent interpretiert. Dabei ist es belanglos, ob statt ces billets : des billets oder anstelle von des taches de rousseur : trois / quelques taches de rousseur steht. Beide Beispiele verdeutlichen, daß die vier Kategorien sinnvollerweise nicht Infinitiven zugeschrieben werden sollten, um dann mit Hilfe syntakto —

126

semantischer Regeln auf ganze Aussagen übertragen zu werden.

N - V - pour n - N (je)-V-ami-A.

J'ai pour ami d'enfance Andoche Finot, le füs du chapelier de rue du Cog, le vieux qui m'a lance dans le voyage pour la chapellerie. (TLF: «) [state]

J.-V-chapeau-une

Au bal costume de samedi dernier, Jean avait pour chapeau une assiette decoree d'un fromage d'Edam. (OB) [activity] Mit dieser Aussage werden weder Jean noch dessen Hüte charakterisiert.

cette-V-but-(le)

CHANGER

Cette recherche a pour but l'eclaircissement des relations entre A et B. (G B) [state]

13

N -V

le-V

Quatre ans seulement apres Hiroshima, le rapport des forces dans le monde changea brusquement h nouveau. (TLF: 23) [achievement]

le-V

Le vent a change. (GR: ) [achievement gereiht] Im Unterschied zu dem vorhergehenden Beispiel kann u.E. in diesem Fall von einer graduellen, sich

127 allmählich vollziehenden Veränderung ausgegangen werden, weswegen eine gereihte Temporalstruktur anzunehmen ist. nous-V

... nous changeons imperceptiblement, sans remarquer notre changement; [...] (GR: 59) [achievement gereiht / state] Dieser Satz bringt die graduelle Veränderung so deutlich zum Ausdruck, daß in Hinblick auf die Annahme einer Reihung keine Zweifel bestehen. Jeder Grad der Veränderung, auch der minimalste, wird als ein punktuelles Geschehen interpretiert, wobei sich das Gesamtgeschehen aus den Teilgeschehen zusammensetzt. Dank der Reihung ist man nicht gezwungen, zwei in temporaler Hinsicht verschieden strukturierte changer anzunehmen, sondern man kann die graduelle Veränderung von der punktuellen Struktur ableiten.

mon-V

Man corps change a chaque seconde. Je vieillis incessament. (GB) [achievement iteriert / state] Diese Aussage stellt die Veränderung nicht als ein komplexes Geschehen dar, sondern jeder einzelne Grad der Veränderung wird als ein unabhängiges, selbständiges Geschehen begriffen. Auf Grund der wiederholten Einzelgeschehen (ft chaque seconde) muß eine Iteration angenommen werden. Die beiden letzten Sätze machen deutlich, daß die Entscheidung, ob eine Reihung oder eine Iteration anzunehmen ist, nicht unbedingt von dem dargestellten außersprachlichen Sachverhalt bedingt ist, sondern eine Frage der Interpretation bzw. der Darstellung desselben sein kann.

(la)-V

L'affiche au cinama a change. (FVL) [ achievement]

128

le-V

Le proprietaire du bar a change. (FVL)

[achievement] les-V

Les couleurs changent. (FVL) [achievement gereiht]

N - V- N cette—V—la

Cette reponse change la situation. (MR: ise) [ achievement]

cette-V-(vous)

Cette coiffure [state]

cela—V-le

Sur ces entrefaites, il tomba malade, d'une fluxion de poitrine. Cela changed le tour de ses pensees. (TLF: Z) [ achievement]

les—V—la

Les deputes ont change la loi. (GB) [achievement]

vous change beaucoup. (GB)

Die Gesamtheit der betrachteten Parlamentarier hat in einem kollektiven Akt besagtes Gesetz geändert, weswegen das Geschehen keine pluralisch bedingte Komplexität aufweist. Daß die angesprochene Kollektivität nicht am Subjekt les deputes festgemacht werden kann, verdeutlichen Les deputes ont change d'hotel oder Les deputes ont change leur style de vie: selbst wenn alle Abgeordneten dasselbe und zur gleichen Zeit tun, so handeln sie doch nicht gemeinsam, so kommt nicht das eine Geschehen erst durch das Zusammenwirken aller zustande.

129

CHERCHER

14

N -V

il-V

II chercha dans so, poche et en tira une piece d'or. (GB) [activity]

N - V- N il-V-un

A present, il cherchait dans I'immensite un point d'appui sur lequel il put asseoir ses pensees toujours errantes. Une impression ineffarable de tristesse lui fit chercher partout quelqu'un qui fut aussi triste que lui—meme, ... (TLF: +) [state]

elle-V-un

Elle eher ehe un mari. (GB) [state]

elle-V-son

Elle cherche son mari. (GB) [activity] Das vorhergehende Beispiel dient einer Charakterisierung von eile, wahrend der letzte Beispielsatz eine konkrete Situation beschreibt. Die beiden unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten sind nur mit Mühe formalisierbar.

il-V-des

II chercha des mots dans le dictionnaire. (GB) [activity gereiht]

N- se V nous-nous V

Nous nous cherchions l'un l'autre ... (GR·. 43) [activity gereiht / state]

130

Beschreibt diese Aussage die konkrete Suche, so ist sie situativ lokalisierbar und muß als activity klassifiziert werden. Dient sie hingegen der Darstellung eines allgemeingültigen Sachverhalts - nous haben sich gesucht (und gefunden), d.h. sie passen gut zueinander -, so ist kein Bezug auf eine konkrete Situation gegeben, und die Aussage muß den states zugerechnet werden. il—se V

H se cherchait a travers l'amas de sentiments acquis, que l'education impose a l'enfant comme une seconde nature. (GR·. +2) [activity / state]

je-me V

Je me cherchais, je croyais me reconnoitre, je me perdais de vue, je courais a ma poursuite, je me retrouvais, hors d'haleine. A peine subissais-je un charme que je me dressais a le contredire. (TLF: 9) [activity (iteriert?)]

COMPRENDRE

15

N - V- N

je-V-(la)

La vie, je la comprends de moins en moins, et je l'aime de plus en plus. (TLF: a) [state]

je-V-peu

J'ai reconnu que j'etais peu de chose: raison, sentiment, instinct reunis, cela fait encore un etre si fini et une action si bornee, qu'il faut en revenir a l'humilite chretienne jusqu'h ce point de dire: "Je sens vivement, je com,prends fort peu et j'aime beaucoup". Mais il faut quitter l'Orthodoxie catholique quand eile dit: je pretends sentir et aimer sans rien comprendre. (TLF: 9) [state]

131

J.— V—(me)

Jean me comprend tres bien. (FVL) [activity] Da comprendre als Verständnis haben für ausgeschlossen sein soll, kann der Satz nur zeitbezogen interpretiert werden, nämlich als Jean comprend tres bien ce que je dis / fai dit.

je—V-tout

... tout a coup, feus le sentiment que le visage de ma mere avait change. (...) dans la conjugaison de tous ces signes, il me fallait bien distinguer quelque chose de nouveau, de tres triste et de tres angoissant. (...). Je compris tout cela soudain ... (TLF: 12)

[achievement gereiht / activity gereiht] Eine activity-Lesart ist nicht auszuschließen; Louis XIV fut roi de 1643 a 1715 macht deutlich, daß mit dem passe simple nicht generell auf die inchoative Lesart Bezug genommen wird.

N - se V ils—se V

Jls ne se comprenaient qu'assez difficüement les uns les autres, parce qu'ils ne parlaient pas tout a fait le me~me patois (TLF: n.B.a.a.) [activity gereiht / state]

je-me V

Je me comprends (TLF: II.B.Z.».) [activity] Der Kontext macht deutlich, daß se comprendre als comprendre ce qu'on vient de dire zu verstehen ist - vgl. auch den TLF: Tu la trouves jolie, cette füle-la, avec ton air de s'en ficher pas mal. Ce n'est pas une beaute qui ameute les foules, mais ... je me comprends: ceux qui ne la voient pas sont des imbeciles, ou des myopes. (COLETTE 1954: 210)

132

CONNAITKE

N - V- N

nous-V-(le)

Nous connaissons mal l'effet des substances chimiques contenues dans les aliments. (G B) [state]

je-V-(le)

je l'ai connu au college (TLF: in.B.) [achievement]

je-V-(la)

- Elle s'appelle? demanda L^ cy. — Mme d'Anglars. - Irma d'Anglars, je l'ai connuef" cria Gaga. (ZOLA Nana: 206)

[ achievement]

N - V - N- n je—V-(le)—enfant

je l'ai connu enfant (TLF: III.B.) [achievement / state]

N — V — N — comme n nous—V—(le)—client

Nous l'avons connu comme dient avant de le connartre comme ami (TLF: III.B.) [state]

N - se V

ils—se V

Ils se connaissent depuis longtemps. (GR·. n, i.) [state]

133

nous-nous V

Nous nous sommes connus a Paris. (GR: , i.) [achievement]

CROIRE

N -V

P.-V

Paul croit (MR: 100) [state]

je-V

Dans la solitude, favais entendu la voix du Seigneur (...). Des lors, le doute fut chasse de mon coeur; je crus et je priai! (TLF: 7) [state]

N - V- N

il-V-(la)

Alors, Pauline (...) lui raconta que le caissier [manchot] appuyait I'instrument [le cor] contre un mur; et il la crut parfaitement, en trouvant tres ingenieux. (TLF: i) [activity] II la crut parfaitement bezieht sich auf eine konkrete Situation und macht keine allgemeingültige, von der Zeit losgelöste - und deswegen als Charakterisierung zu interpretierende - Aussage über das Subjekt.

N - V - N- n

il-V-(me)-son ami

II me croit son ami. (FVL) [state]

134

N - V - N - adj

je-V-cette-impossible Je croyais cette experience impossible. (FVL) [state] L.-V-cette-inevitable Lenine croyait cette tendance inevitable (TLF: i.A.i.b.) [state] Beide Beispiele bringen eine Einschätzung des Satzobjekts zum Ausdruck, die nicht auf eine bestimmte Situation Bezug nimmt, sondern charakterisiert.

N - se V - n

il—se V—poete

II se croit poete. (G B) [activity / state]

N - se V - adj

il-se V-heureux

II se croit heureux. (GR-. se croire) [activity / state]

il-se V-demasqu6

II se croit demasque. (GB) [activity] Im Unterschied zu den beiden vorhergehenden Beispielen kann die letzte Aussage nur auf eine konkrete Situation Bezug nehmen, in der man sich demaskiert glaubt; eine atemporale Interpretation dieses Beispiels erscheint uns unmöglich.

135

DEMANDER

1

- V -

nous—V—la

A dix heures du soir, nous arrivames au village de Lans (...) Nous demandons la meilleure auberge de I'endroit, on nous l'indique CTLF: i.A.i.b.) [achievement gereiht / activity gereiht] Eine Frage ist eine Mitteilung, die als solche global zu interpretieren ist - vgl. auch die Anmerkungen zu appeler -; gerade darin unterscheidet sich die Mitteilung von z.B. der Artikulation eines Sachverhalts. Wenn man von einem Stotterer sagen kann, U lui a fallu tout a fait deux minutes pour demander un billet aller et retour / pour dire qu'il voulait aller a Marseille, so bekräftigt dies das Gesagte: die Zeitangabe steht in engstem Zusammenhang mit dem Artikulationsmodus, nicht aber mit der Mitteilung, die, als "Resultat" der Artikulation, eine punktuelle Zeitstruktur aufweist. Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, daß es bei diesem, wie auch bei einigen anderen Beispielen mit appeler, demander und dire, möglich ist, noch nach, der Äußerung mit einem Präsens auf dasselbe "Ereignis" zu referieren: eh! Marie! Us me demandent la meilleure auberge de l'endroit! Tu äs une idee ä qui üs peuvent s'adresser? In diesem Fall ist demander nicht mit poser une question, sondern mit vouloir savoir zu umschreiben. Es ist aufschlußreich, zwei mögliche Reaktionen auf eine Frage hinsichtlich des Einkommens zu vergleichen: Vous me demandez le chiffre de mes honoraires? und Vous m'avez demande le chiffre de mes honoraires? Die erste, rhetorische Frage referiert auf den "Nachzustand" des Sachverhalts "vous + poser -t- une question", nämlich auf den Sachverhalt "vous + vouloir savoir", während mit Hilfe der zweiten Äußerung der Inhalt der gesteil-

136

ten Frage hinterfragt wird; eine rhetorische Interpretation erscheint im zweiten Fall nur schwerlich möglich. Die Versprachlichung des "Nachzustandes" ist, im Unterschied zum Akt des Fragens, in temporalstruktureller Hinsicht der Klasse der activities zuzurechnen. le-V-cinq

Au guichet, le veterinaire demanda cinq biüets de deuxieme classe (TLF·. I.B.I.) [achievement gereiht] Auch dieses Beispiel stellt eine kompositionell orientierte Analyse der temporalen Struktur vor gewisse Probleme, da das pluralische Objekt nicht generell "Einfluß" auf die temporale Struktur hat: der Tierarzt kann in einem Akt nach allen fünf Fahrkarten fragen — in diesem Fall wäre der Reihungsfaktor gleich l -, er kann die Fahrkarten aber auch in fünf distinkten Akten verlangen, z.B. wenn es sich um fünf verschiedene Reiseziele handelt. Die Reihung bietet den Vorteil, daß sie beide Interpretationsmöglichkeiten voneinander ableiten kann.

N - V - N - ä N

le—V—le et le—(me)

Le cure me demanda le pourquoi et le comment. (GB)

[achievement gereiht / activity gereiht] un—V—une—(lui)

Un editeur americain lui demande une anthologie. (GB) [activity]

N - se V - N

je-me V-sa,son,son

Je me demande sä condition, son caractere, son age. (G B) [activity gereiht]

137

Es ist offensichtlich, daß im Falle des reflexiven Gebrauchs der Akt der konkreten Frage vernachlässigt wird: je me dema/nde ... referiert auf den Sachverhalt "je + vouloir savoir". je-me V-la

Je me demande la raison de son succes. (GB) [activity]

ils-se V-leurs

Ils se demanderent mutuellement leurs noms. (GR: se demander, 2.)

[achievement gereiht] Im Gegensatz zum reflexiven referiert der reziproke Gebrauch dieses Beispiels auf den konkreten Akt des Fragens und nicht auf die "im Raum stehende" Frage. Auf Grund der Gegenseitigkeit muß von einer Reihung ausgegangen werden.

DIRE

17

N - V - que S Ind

P.-V-que

Platon dit, dans le Phedon, que ... (GR ; in) [state]

il-V-que

II a dit qu'il faisait beau. (GB) [achievement] Wie bereits bei demander festgestellt, so können auch Äußerungen mit dem Verb dire einen "Nachzustand" bezeichnen: das Präsens referiert in diesen Fällen nicht auf den Akt des Sagens, sondern auf den Sachverhalt, daß das Gesagte "im Raum steht", noch gegenwärtig ist. Eine Hausangestellte z.B. kann, nachdem es geklingelt hat, zurückkehren und berichten: C'est un monsieur qui dit .... Der hier angeführte Beispielsatz dit qu'il faisait beau nimmt jedoch u.E. nur auf das Ereignis

138

der Äußerung Bezug, weswegen dieser Satz nur als achievement klassifiziert werden sollte.

N - V - 4 N - que S Ind

il-V-(me)-que

H m'a dit qu'il faisait beau. (FVL) [ achievement]

N - V - i N - Int. ind

je—V—(lui)—comment

Je lui dis comment je crois pouvoir faire. (vgl. TLF: I.A.I.e.)

[ accomplishment] Im Unterschied zum vierten Beispiel dieses Satzbauplanes wird in den drei ersten Beispielen nicht ein Faktum mitgeteilt, sondern eine Mitteilung wird in Form der indirekten Frage zusammengefaßt. Die Mitteilung ist komplex und kann einen bestimmten Zeitraum "füllen", ohne daß eine Iteration anzunehmen wäre: der Sprecher wiederholt nicht ein und denselben Satz, sondern er schmückt die Mitteilung aus, erklärt, begründet, erzählt. Wegen der zeitlichen Ausdehnung bei gleichzeitig anzunehmendem Abschluß seien dieses und die beiden folgenden Beispiele als accomplishments klassifiziert. il-V-(me) -pourquoi

II m'a dit pourquoi il rietait pas venu. (G B) [ accomplishment]

elle-V-(leur)-ce qui

Elle leur a dit ce qui s'etait passe. (GB) [ accomplishment]

elle-V-(me)-qui

Elle m'a. dit qui avait vole mon bracelet. (GB) [achievement]

139

N - se V - que S Ind

il-se V-que

La musique plate et les charmants pas de Mademoiselle Elssler lui causerent un enchaniernent qui l'etonna. R se disait vaguement qu'il ne jouirait pas longtemps encore de toutes ces belles choses, et a cause de cela elles ne lui donnaient pas d'humeur. (TLF: 3) [activity] Man vergleiche zur Begründung die entsprechenden Anmerkungen bei reflexivem demander.

je—me V—que

... le menton est opiniatre, le front raisonnable et volontaire sous les bandeaux mod,estes. Je me suis dit en examinant ce visage qu'on eat cru modelt par la douleur d'une longue vie, que la Fra.r>c< battue chercherait en elle-mfme les raisons de rm>tinuer sä route ... (TLF: 4) [activity]

ils-se V-que

Ils se sont dit qu'ils s'aimaient. (GR : se dire, z.) [achievement gereiht]

N - V - de N - que S Ind

il—V—moi—que

II a dit de moi que je n'etais pas faire cela. (FVL) [achievement]

capaMc

de

140

DONNER

1

N - V- N

les—V—leurs

Les dames de Rheims ont donne leurs pour la construction de la Justice. (G B) [achievement gereiht]

bijoux

il-V-les

D'une voix aigre, a peine intelligible, il donna les resultats du premier tour de scrutin (TLF·. I.A.s.d.) [achievement gereiht]

je-V-tout

J'ai tout donne, je n'ai plus rien. (FVL) [achievement] Im Gegensatz zu dem Beispiel "Tout ce que je sais, je me le suis appris moi-meme" (GR: s'apprendre, 2.) faßt tout nicht Verschiedenes zusammen, sondern setzt einen Schwellenwert, jenseits dessen alles gegeben ist. Auf Grund der angenommenen Schwelle muß diesem Beispiel eine punktuelle Temporalstruktur zugewiesen werden.

Madame-V-un

Madame la comtesse donne un bal. (G B) [activity]

N - V- a N

il-V—aux

II donne aux pauvres. (FVL) [achievement gereiht / state]

N - V - N - ä N le-V—sä—sä

Le pere a donne sä terre de Marville a sä fille. (GB)

[ achievement]

141

le-V-(la)-au

Le pretre a donne I'extrSme-onction au mourant. (GB)

[ accomplishment] je-V-mon— (te)

— Je mangerais bien man bonbon ._ Mais je m'en passerai, tiens, je te donne mon bonbon, prendsle, c'est pour toi. Et, sournoisement, eile guigne le bon effet de sä generosito. (TLF: Z)

Wegen der pragmatischen Zusatzinformation — je te donne mon bonbon ist als Angebot zu verstehen - sollte dieses Beispiel unanalysiert bleiben. il— V— (le)— (leur)

II leur donnait done (~) non pas un revenu de cinq mille francs, mais un capital de cent mille francs. Et ce capital de cent mille francs, il le leur donnait en consolides anglais ... (TLF: 7) [achievement gereiht] Eine Reihung mit einem Reihungsfaktor R > l ist für den Fall anzunehmen, daß jedem einzelnen ein Kapital von cent mille francs zugestanden wird.

il— V— un— (lui)

II lui donne un baiser. (GB) [activity] Im Gegensatz zu echt punktuellen Geschehen ist der bezeichnete Sachverhalt nicht auf einen Punkt reduziert: er kann zwar nur einen minimalen Zeitraum in Anspruch nehmen, im Unterschied zu echten achievements kann das Geschehen jedoch auch eine gewisse Zeit andauern. Da es keinen Abschluß aufweist, wird es als activity klassifiziert.

le— V— un— (lui)

Le patron lui (GB)

[state]

donne un

revenu de 500 francs.

142 In einer u.E. nicht formalisierbaren "Abhängigkeit" vom Objekt sind die Aussagen U lui donne un capital de cent mille francs / un baiser / un revenu de WOO francs unterschiedlichen Klassen zuzuweisen. Dieser Tatsache kann eine kompositionell definierte Klassifikation nicht Rechnung tragen. elle-V-sa-(lui)

Elle lui donna sa main a baiser (TLF: i.A.s.a.a) [achievement / activity] Im Unterschied zu eile lui donne un baiser kann eile lui donne sa main a baiser sowohl das HandReichen (punktuell) als auch das Hand-Hinhalten (homogen strukturiert) bezeichnen.

elle-V-du-(lui)

Elle lui a donne du poison. (GB) [ achievement]

ce—V—la—une

La jeune fille avait dessine un petit garqon. Ce gargon donnait la main a une jeune femme. (GB) [state]

N - se V - ä N il-se V-cette

L'ouvrier accepta l'enfant, l'orphelin adopta l'orpheline. H la prit, U la veilla, il la vötit, U la nourrit, il la garda, il l'eleva, il l'aima. II se donna tout entier a cette pauvre creature que la guerre civile jetait dans son uchoppe. (TLF? 5) [state]

tu-(te) V-mes

Tu t'es donne a mes interets comme si c'etaient les tiens (TLF: i.a.i.b./j) [activity / state] Dieser Satz kann sowohl auf eine konkrete Situation bezogen als auch atemporal interpretiert werden.

143

les-se V-Ch.

Les Genois se donnerent a Charles VI (TLF: 1.3.2.0.7) [achievement] Da sich die Genueser Bevölkerung in ihrer Gesamtheit, als Kollektiv, ergibt, ist keine Reihung anzunehmen. Der bezeichnete Sachverhalt, als Resultat eines konventionalisierten, kodifizierten Aktes, weist eine punktuelle Temporalstruktur auf.

N - se V - N les-se V-une

Les deux cousins se donnerent une poignee de main energique (TLF: I.B.I.) [activity] An dieser Stelle kann darauf hingewiesen werden, daß Gegenseitigkeit und Reihung nicht Hand in Hand gehen: der Akt des Sich-die-Hand-Gebens zeichnet sich gerade dadurch aus, daß zwei Beteiligte notwendig sind - Analoges ist auch für z.B. Les deux fermnes s'embrassent / se donnent la main oder Les deux hommes se donnent l'accolade festzustellen. Bei mehr als zwei Beteiligten muß jedoch von einer Reihung ausgegangen werden: ein Nacheinander der Geschehen ist nicht mehr auszuschließen.

les-se V-une

Les deux cousins se sont donne une gifle. (GB) [achievement gereiht] Im Gegensatz zu dem vorhergehenden Beispiel wird das Geschehen nicht durch die Gegenseitigkeit erst konstituiert, sondern jeder der beiden Beteiligten führt eine Handlung aus.

144

ECRffiE

19

N -V il-V

R ecrit (MR: 100) [state] Es mag überraschen, daß dieses aus dem Kontext gelöste Beispiel als state klassifiziert ist, kann es doch ebenso gut eine konkrete Situation beschreiben. Der Kontext wurde in der Absicht zurückgehalten, deutlich zu machen, welchen Einfluß die Interpretation einer Aussage auf deren Klassenzugehörigkeit haben kann. Daher sei an dieser Stelle der Kontext nachgereicht: "Mon mari est Ingenieur. Que fait le votre? - II ecrit" (MR: 100). Zweifellos ist nicht ein konkretes Tun der Ehemänner Gegenstand der Unterhaltung, sondern ihre berufliche Tätigkeit, weswegen das Beispiel atemporal zu interpretieren ist.

le-V

Le stylo ecrit bien (MR: [activity / state]

)

Diese Aussage ist sowohl zeitbezogen als auch atemporal interpretierbar: die zeitbezogene Interpretation referiert auf den Sachverhalt, daß der stylo zu einem konkret benennbaren Zeitraum gut schreibt, die atemporale Lesart weist dem Füller, von konkreten Situationen absehend, das Prädikat, gut zu schreiben, zu.

N - V- N

S.—V—un

Simenon ecrit un nouveau roman policier. (GB) [accomplishment]

145

N - V- äN

Philippe a ecrit a Therese. (G B) [ accomplishment]

Ph.-V-Th.

Da das bezeichnete Geschehen Zeit in Anspruch nimmt und nicht jederzeit zum Abschluß gebracht werden kann - U ecrit a Therese impliziert nicht "II + avoir ecrit + a Therese", der nicht explizit genannte, jedoch mitverstandene mitzuteilende Inhalt bestimmt den Abschluß -, wird diese Aussage als accomplishment klassifiziert. Ganz formal betrachtet kann also auch ein indirektes Objekt "Einfluß" auf die temporale Struktur haben.

N - V - N - k N (je)-V-une-M.

Rentree chez moi, fecrivis a Maurice une lettre pleine de tendresse et d'appel (TLF: n.B.) [accomplishment]

N - se V

Rs s'acrivaient pendant les classes. Et des lettres d'un ton tout a fait particulier, a ce qu'il para%t

ils-(se) V

(TLF: II.B.2.)

[state / accomplishment gereiht iteriert]

ENTENDRE

20

N -V

(je)-V

Les etourdissements surtout m'inquietent, la vue

baisse, j'entends mal (TLF: I.A.3.a.) [state]

146

N-V-N-quiRelS je-V-(le)-qui

Je l'entendis qui parlait longuement a son cheval (TLF: I.A.a.b.a)

[activity] Dieses Beispiel macht deutlich, daß entendre nicht nur in atemporal zu interpretierenden, sondern auch in zeitbezogenen Aussagen verwendet wird auch zeitbezogen zu interpretierende Beispiele zu entendre in absoluter Konstruktion sind nicht auszuschließen. Da die Zeitstruktur der Aussage auch davon bestimmt wird, was wahrgenommen wird, können zeitbezogen zu interpretierende Aussagen mit entendre (und in Analogie mit voir) nicht generell als achievement klassifiziert werden. Die temporale Struktur von j'ai entendu / fentends un pas ist zwar durch Punktualität gekennzeichnet das synchron mit dem Ereignis gebrauchte je l'ai entendu legt, unter anderem, diesen Schluß nahe -, jedoch beruht diese Punktualität auf der "akustischen Punktualität" von un pas. J'entends la sirene und je l'entends chanter machen deutlich, daß entendre-Geschehen eine zeitliche Ausdehnung haben (können), die im Fall von j'ai entendu un pas auf einen Punkt reduziert ist. In eben der Interpretation der zeitbezogenen Lesart unterscheiden wir uns von Vendler, der to hear, in Analogie zu to see, wohl zum einen als state, zum ändern nur als achievement klassifiziert hätte - vgl. Vendler (1967: 103-106, 113-119 und 119-120 in Hinblick auf "strained usage[s]" von to see). In Zusammenhang mit dem Gebrauch des passe compose zur Unterscheidung von achievements und activities sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß dieses Tempus auch bei noch in Vollzug befindlichen homogen strukturierten Geschehen verwendet werden kann, wenn nur der Eintritt des Geschehens konstatiert werden soll - z.B. im Rahmen

147

einer Wette oder als Kommentierung des erwarteten Einsetzens des Geschehens. In diesen Fällen wird der (erwartete / erhoffte) Eintritt des Geschehens sprachlich festgehalten, unter (sprachlicher) Vernachlässigung des weiteren Verlaufs, der, z.B. für den Gewinn der Wette, als irrelevant erachtet wird. Es sollte nochmals hervorgehoben werden, daß activities, auf Grund des fehlenden Abschlusses, mit dem Vollzug des Geschehens ein Vollzogenhaben implizieren, daß diese Implikation jedoch nicht sprachlicher Ausdruck für den Vollzug des Geschehens ist. Im Falle der achievements hingegen ist die Implikation in der Regel sprachlicher Ausdruck für das stattfindende (= stattgefundene) Geschehen (la bombe a explose), während das Präsens in der Regel pro futuro, historisch oder als "Reporterpräsens" verwendet wird. Auf Grund der für activities konstatierten Implikation ist der Gebrauch des passe compose bei gleichzeitigem Vollzug des Geschehens dann möglich, wenn der Eintritt desselben hervorgehoben werden soll. Diese "antizipierende" Verwendungsmöglichkeit des passe compose wiederum unterscheidet activities und accomplishments.

N - V- N

il—V—la

/{ entendait la musique de sä voix. (GB) [activity]

ils-V-la

Ils entendaient la messe avant de se m,ettre en route pour l'echafaud. (G B) [accomplishment gereiht] Da das bezeichnete Geschehen einen Abschluß aufweist, wird das Beispiel als accomplishment klassifiziert. Ein implizierter Nachzustand ist weder in Vendlers noch in unserer Klassifikation für die Definition der accomplishments relevant.

148

(je)-V-des

ENTRER

J'entends des voix dans le couloir. (FVL) [activity gereiht]

21

N -V le-V

le soleil entre a flots (TLF: A.I.a.) [activity] Dieses Beispiel, wie auch "le soleil entre par la fenc?tre" (TLF: A.I.a.), wird trotz Metonymie in die Beispielsammlung aufgenommen.

elle-V

Elle entra. (GB) [achievement] Da Elle entra, trotz eines eventuell nicht generell zu ignorierenden Vorgeschehens (z.B. das Sich-derTure-Nähern), das Überschreiten (= ÜberschrittenHaben) einer Schwelle bezeichnet und im Vollzug bereits vollzogen ist, wird dieses Beispiel als achievement klassifiziert.

N - V - qp

le-V-par la

le soleil entre par la fenetre (TLF: A.i.a.) [activity]

la-V-dans un

La boule entra dans un alveole rouge, en ressortit, erra encore, entra dans celui du 9. (TLF: z) [ achievement]

(la)—V—par les

l'eau entre par les fentes (TLF: A.i.a.) [achievement gereiht / state] Die atemporale und die zeitbezogene Lesart dieses Beispiels bedürfen keiner ausführlichen Erörterung:

149

im ersten Fall wird eine allgemeingültige Aussage gemacht - Wasser dringt (eben) durch Ritzen (weil diese nicht dicht sind) -, im zweiten Fall wird eine zeitlich lokalisierbare Situation beschrieben (gerade dringt (das) Wasser durch die Ritzen. In Zusammenhang mit diesem Beispielsatz sind zwei Punkte einer genaueren Analyse wert: 1. der "Einfluß" von mass nouns; 2. der Widerspruch zwischen der Annahme einer homogen strukturierten Temporalstruktur bei gleichzeitig gegebener Implikation eines Nachzustandes. Beginnen wir mit dem zweiten Punkt; gemäß den Tests verschiedener Autoren verhält sich l'eau entre par les fentes wie eine activity: Verträglichkeit mit dem Adverbial pendant ..., Präsens (Verb x) impliziert Perfekt (Verb x), beliebig lange Fortsetzbarkeit etc. So leitet Dowty (1972: 3l) aus dem Verhalten seines Beispiels "Water leaked through John's ceiling for six months" folgende Regel ab: // a sentence with an achievement verb contains a plural indefinite NP or mass noun NP (or if a sentence with an accomplishment verb contains such an NP as object), then it has the properties of a sentence with an activity verb (i.e., a verb in imperfective aspect.) wobei unklar bleibt, ob diese Feststellung einer Klassifizierung von to leak als activity gleichkommen soll. An anderer Stelle (1972: 29; Herv. G.B.) definiert er die activities gerade anhand ihres Verhaltens in konkreten Sätzen: The term "activity verb" will be retained to describe instances of particular verbs in particular sentences when those sentences have the appropriate surface syntactic features (according to the criteria in (23)) and an irresultative meaning when understood in their most typical (or otherwise specified) context. Auch die einer Klassifizierung als activity gegenüber schwächere Feststellung, besagter Satz verhalte sich wie ein Satz mit einem activity—Verb vernachlässigt die Tatsache, daß sowohl der französische

150

wie auch der englische Beispielsatz einen Nachzustand implizieren (etwa "Wasser + sein + im Innern"). Der festzustellende Nachzustand ist nicht mit der Konzeption einer activity vereinbar, denn wie kann ein homogen strukturiertes, d.h. beliebig, theoretisch "unendlich" lange fortsetzbares Geschehen einen Nachzustand initiieren, der mit seinem Eintreten das Geschehen beenden muß. Die Klassifizierung sowohl des englischen als auch des französischen Beispiels als activity ist also inadäquat. Für die mass nouns konstatiert Dowty (1979: 80) There may be reason to assume that indefinite plurals and mass nouns are to be logically represented as involving variables whose binding existential quantifier lies within the scope of the time quantifier of the surface sentence in which they arise. Sowohl der Plural als auch mass nouns können eine Vielheit von "Einheiten" bereitstellen, die jeweils als Subjekt oder Objekt der Aussage fungieren und das Geschehen damit pluralisieren können. Den wenn nicht kollektiv so pluralisierend zu interpretierenden mass nouns und Pluralformen können die Kollektiva hinzugesellt werden. Die Parallelität zwischen m,ass nouns und Kollektiva ist offensichtlich: beide benennen einerseits eine Einheit (Wasser, Salz etc. vs. Herde, Truppe etc.), beide sind andererseits in Bestandteile gliederbar - die mass nouns in variabel zu wählende Teile (z.B. Wassertropfen, Salzkörner etc.), die Kollektiva jedoch in festgelegte Teile, in Unter-Einheiten (z.B. Schafe, Soldaten etc.). Kollektiva und mass nouns sind also Einheiten, die aus identischen Elementen bzw. Teilen konstituiert gedacht werden können. Bezeichnet ein Kollektivum eine Gesamtheit gegebener Bestandteile, so ist ein mass noun ein "Kollektivum" minimaler Teile - die kleinste Einheit Wasser repräsentiert Wasser. Die Interpretation der mass nouns als "Einheit minimaler Teile" erklärt, weswegen in dem hier zu analysierenden Beispiel sofort mit dem Eintreten

151

des Geschehens ein Nachzustand festgestellt werden kann, der sich während des Geschehens nicht mehr verändert - nur die Menge, für die dieser Nachzustand konstatiert werden kann, nimmt zu, was die Analyse als gereihtes Geschehen bekräftigt. Auf Grund der Minimalität der Teile muß eine punktuelle Temporalstruktur, wegen der Pluralität der Teile muß eine Reihung angenommen werden. Der Vorteil der Analyse des zeitbezogenen l'eau entre par les fentes als gereihtes achievement liegt in der Tatsache, daß der zu konstatierende Nachzustand mit der achievement-Struktur vereinbar ist, während das scheinbare activity—Verhalten auf eine indeterminierte Reihung von Einzelgeschehen, ein scheinbares accomplishment-Verhalten (für den Fall, daß von einer als begrenzt konzeptualisierten Menge Wasser gesprochen wird) auf eine determinierte Reihung von Einzelgeschehen zurückgeführt wird. le-V-dans la

le couteau entre dans la gaine (TLF: A.i.b.) [achievement / state]

la-V—dans la

La clef entre dans la serrure (TLF: A.i.b.) [achievement / state]

le-V-en

le train entre en gare (TLF: A.I.a.) [achievement]

le-V-dans le

le bateau entre dans le port (TLF: A.I.a.) [achievement]

les-V-dans les

Les sangles lui entrent dans les bras (TLF: A.i.b.) [activity gereiht] Für diese figurative Verwendung von entrer ist eine homogene Temporalstruktur anzunehmen: nicht eine Zustandsveränderung, sondern ein Zustand wird beschrieben.

une-V-dans le

Une epine lui est entree dans le pied. (v8i. FVL) [achievement]

152

ETRE zz

N - V- n P.-V-le

Paul est le directeur (MR ; i?) [state]

(ce)-V-un

C'est un caniche. (TLF: ze, I.A.I.a.) [state]

elle-V-femme

Ce nom, c'etait Heloise. Elle etait femme, et eile ecrivait en latin; eile etait abesse, et eile ava.it un amant! (TLF: ae, ι.Α.ε.».«) [state]

la-V-terre

la foret etait terre de chasse (TLF: ze, I.A.2.a.«) [state]

cet—V—votre

Cet enfant [state]

elle-V-la

Elle etait la bonte meme hier, en me donnant cette somme. (C,B)

est votre fils (TLF: 2e, i.A.2.b./3)

[activity]

N - V - adj P.-V-intelligent

Paul est intelligent (MR : ie) [state]

il-V-blanc

C'est un caniche. II est blanc, et comme tous les chiens blancs en France, il a nom Black (TLF: Ee, I.A.l.a.)

[state]

153

(le)-V-calme

R allait tres vite, singulierement vite sur ce mauvais sentier qu'il n'avait cependant suivi qu'une fois — plus vite qu'elle — avec une assurance de somnambule. L'air etait calme autour d'eux, et si froid, qu'ils avaient l'impression d'une sorte de resistance imperceptible, ainsi que d'une legere soie qui se dechire. (TLF: 21) [activity] L'air etait calme beschreibt eine konkrete Situation und dient nicht einer generellen Charakterisierung der Luft.

elle-V-attirante

Elle est attirante. (GR : ) [activity / state] Dieses und das folgende Beispiel können sowohl Allgemeingültigkeit beanspruchen als auch auf eine konkrete Situation referieren.

M.-V-sympathique

Marie est sympathique. (FVL) [activity / state]

elle-V-fatiguee

Elle est fatiguee. (GB) [activity] Das Adjektiv fatiguee kann ohne generalisierenden "Zusatz" nur der Beschreibung, nicht jedoch dor Charakterisierung von Personen dienen.

N - V - qp

la—V—en bas

la voiture est en bas (TLF: ze, I.B.I.a., SYNT. et EXPR. b.) [activity]

sa-V-derriere (la)

Sa maison est derriere l'eglise. (G B) [state]

154

nous-V-ä 10

nous sommes a 10 minutes de la gare (TLF: 3e, I.B.l.a., SYNT. et EXPR. c.)

[activity]

mon-V-a 5

Man atelier est a 5 minutes de chez moi (TLF: 2e, I . B . l . a . , SYNT. et EXPR. c.)

[state] ce-V-ä 60

Ce village est a 60 km de la

prefecture.

(TLF: 2e, I.B.l.a., SYNT. et EXPR. c.)

[state] ma-V-en A.

filie est en Angleterre. (GB) [activity / state] Diese Aussage kann zeitbezogen - im Sinne von sich wo befinden - und atemporal - in der Lesart wo wohnen- interpretiert werden.

J.-V-dans le

Jeanne est dans le jar din. (FVL) [activity]

le-V-ici

le livre est id (MR: 135) [activity]

les-V-dans le

Les hommes sont dans le cafe. (GB) [activity / state] Die Klassifikation als state betrifft die generische Lesart dieses Beispiels. Auch generische Aussagen sind als states zu klassifizieren, da das in ihnen Ausgesagte, wie bei allen states, nicht auf einen Zeitraum begrenzt dargestellt wird, sondern Allgemeingültigkeit beansprucht, charakterisiert. Im Unterschied zu den nicht—generischen states referiert die Charakterisierung einer generischen Aussage nicht auf einzelne Vertreter einer Gattung, sondern auf die Gattung selbst.

155

EXPLIQUER

23

N - V- N elle-V—les

Elle expliquait les recettes. (GB) [accomplishment gereiht]

N - V - N - ä N elle-V-le-(me)

Elle m'a explique le fonctionnement d'une lampe a petrole (TLF. I.A.i.e.) [accomplishment]

le-V-un-ses

Le professeur

explique

un probleme a ses eleves.

(FVL)

[ accomplishment]

N - se V - N je-(me) V-son

Je m'explique tres bien son succes extraordinaire. (GB)

[activity? / state?] Bei diesem Beispiel sei die endgültige Klassifizierung dem Leser überlassen.

FAIRE

24

N - V -N elle-V-des

eile fait des crepes (MR: 43) [accomplishment gereiht / state]

156

une—V—son

Une cigogne a fait son riid autour de la cheminee (TLF: I.D.I.a.) [ accomplishment]

je-V-des

Je me (- pour moi) suis fait coque. (FVL) [accomplishment gereiht]

des oeufs

a la

Auch in diesem Fall muß indefinites des nicht die von Dowty (vgl. 1972: 31 oder 1979: 63) konstatierte "Wirkung" haben. Die Annahme einer Reihung (mit R = l bzw. R > 1) ermöglicht es, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß der beschriebene Sachverhalt in Form eines Geschehens - alle Eier werden zugleich, zusammen gekocht - oder in Form mehrerer und distinkter Geschehen vorliegen kann. Da des oeufs nicht generell eine infinite bzw. indefinite Menge bezeichnen muß, sondern auch eine bestimmte, numerisch jedoch nicht näher spezifizierte Menge bezeichnen kann, sollte in Zusammenhang mit dem indefiniten Artikel nicht generalisierend von einem activity—Verhalten ausgegangen werden - von dem mit der Analyse als activity unvereinbaren Nachzustand ganz abgesehen. Eine numerische Unbestimmtheit - nicht jedoch unbedingt Infinit-heit - wurde bereits für "Lazare, qui ne se coucha pas la premiere nuit, ecrivit jusqu'au jour des lettres a des parents eloignes." (Zola La joie de vivre: 211; Herv. G.B.) festgestellt. Nur eine unbegrenzt gedachte Menge "bewirkt", daß die entsprechende Aussage Ähnlichkeiten mit einer activity aufweist, während eine definit gedachte, numerisch jedoch nicht näher präzisierte Menge einen Abschluß "vorgibt", so daß sich besagte Aussage wie ein accomplishment verhält.

157

N - V - N- n

le—V—(les)—femme et rnari Le maire les a faits femme et mari (GR : m, 3.a) [achievement] Die Annahme einer punktuellen Temporalstruktur des Geschehens liegt in der Tatsache begründet, daß der Akt der Verheiratung Resultat einer konventionalisierten, kodifizierten Handlung ist. Trotz des pluralischen Objekts liegt nur ein Geschehen vor: es bedarf eines Mannes und einer Frau, um aus les Eheleute zu machen. Auch dieses Beispiel ist kompositioneil nur mit Mühe beschreibbar.

N - V - N - adj

je-V-(les)-belies

Je les avais faites belles pour heures (TLF: in.c.E.a.) [accomplishment gereiht]

il-V-(les)-riches

II les a faits riches. (GR : in, 3.») [achievement gereiht]

messe de huit

N - se V - adj

il-se V-petit

II se fit petit devant moi. (FVL) [activity / state] Die Klassifizierung als state berücksichtigt die Möglichkeit einer atemporalen Interpretation: besagte Haltung wird dem Subjekt nicht als Beschreibung einer konkreten Begebenheit, sondern als charakterisierende Eigenschaft zugewiesen.

elle-se V-menue

... eile [Lise] se rappela soudain que deux de ces barreaux otaient plus espaces a l'extremite de la grille et que dans son enfance eile parvenait a se

158 glisser par la. Elle se fit menue, rentrant ses omoplates l'une apres I'autre ... (TLF: 10) [activity] Elle se fait belle, eile να sortir. (G B) [accomplishment]

elle-se V-belle

FALLOIR

25

il - V - Ν H faut du pain (MR : 46) [activity / state]

il-V-du

Dieser Satz l t sowohl eine generalisierende - es herrscht ein (als kennzeichnend, nicht als tempor r begrenzt konzeptualisierter) Mangel an Brot als auch eine situative Interpretation zu - das Brot ist gerade (mal) knapp bzw. in einer bestimmten Situation (bei Tisch, im Haushalt) fehlt (das) Brot. il-V-de la

Avec lui, il faut de la patience. (FVL) [state]

il-V-ga

— Tu te nommes Berthaud? d'ou te vient ce nomla? — C'est mon nom de farnille; a Paris il faut ςα. (GR: 15)

[state]

il-V-Nil-V-une-(me)

N R me faut une allumette. (FVL) [activity]

159

il-V-du-(leur)

GARDER

/{ leur faut du pain. (GB) [activity / state]



Ν - V - Ν

il-V-la

II garde la porte d'un riche. (GB) [activity / state] Als Ausdruck einer profession ist II garde la porte d'un riche als state zu klassifizieren, in der Interpretation als (zeitbezogene) T tigkeit hingegen als activity.

une-V-ses

Une jeune fi e garde ses moutons Ια-haut, au bout du chemin. (GB) [activity] Da die Schafe als Herde, im Kollektiv, geh tet werden, ist von nur einem Geschehen auszugehen. Auch dieses Beispiel illustriert, da der Plural nicht einheitlich behandelt werden kann und nur schwer formalisierbar ist.

je-V-cette

Je garde cette cicatrice d'une chute de bicyclette que fai faite a Vage de dix ans. (GB) [state]

N - V - N - adj

le-V-les

Le vieux comte garda quelques instants les yeux CIOS (TLF: II.B.a.b.)

[activity]

160

Obwohl die Konstruktion N - V - N - adj einer hammei—/iai-Konstruktion gleicht - vgl. Hoepelman (1981: 84) -, ist dieses Beispiel nicht als accomplishment zu klassifizieren. Es erscheint unmöglich, in den transitiven Verben selbst einen Unterschied zu finden, der für die Veränderung am Objekt "verantwortlich" gemacht werden könnte: ein Verb wie to sleep laßt keine Veränderung erwarten, dennoch gehört Mike slept himself sober zu den accomplishments; was die Besonderheit der Interpretation von sleep oneself sober angeht, so sei auf Dowty (1979: 221-222) verwiesen.

N - V - N - qp il-V-son-sur la

II garde tout le temps son chapeau sur la tete. (FVL)

[activity / state]

N - se V mon C.-se V

Mon Cascaret, c'est—a—dire le fiance en question, se garde pour sa fiancee (TLF: n.A.a.b.) [state / activity] Diese Aussage kann den Verlobten zum einen charakterisieren, zum ändern kann sie sein Verhalten in einer konkreten Situation beschreiben.

N - V - N - ä N - q p il-V-les-(lui)-entre les II lui gardait un siens (TLF: n.A.a.a.) [activity]

instant les doigts entre les

161

5.3.

Fazit der empirischen Untersuchungen

Zu Beginn dieses Kapitels haben wir uns die Aufgabe gestellt, den Einfluß verschiedener Satzkonstituenten auf die temporale Struktur des "Verbs" näher zu untersuchen, um eine, wenn auch vielleicht nur vorläufige, Antwort auf die Frage zu finden, wie adäquat ein Regelapparat — vgl. Dowty (1972, 1979) und Verkuyl (1972) - die temporale Struktur eines Satzes beschreiben und erklären kann, mit dem Ziel, die temporale Struktur des Gesamtsatzes formalisieren und damit prognostizieren zu können. Im Laufe der Untersuchungen hat sich herausgestellt, daß ein wichtiger Faktor, der den "Einfluß" des Plurals zu bestimmen scheint, in der (nicht—) kollektiven Interpretation des bezeichneten Geschehens zu suchen ist: Les deputes ont change la ; La cloche appelle les religieux au choeur; Le eure les a faits fem.me et mari; Un troupeau arreta le train. Da das Merkmal [ + Kollektivität] keiner Satzkonstituente verbindlich zugewiesen werden kann, erscheint es unmöglich, die temporale Struktur des Gesamtsatzes anhand der temporalen Struktur des Verbs unter Zuhilfenahme der temporalen "Modifikationen", die die einzelnen Satzkonstituenten "beitragen", zu formalisieren. Die Tatsache, daß es Geschehen gibt, die sowohl eine gereihte als auch eine nicht-gereihte Interpretation (R = 1) zulassen, erschwert zusätzlich den Versuch der Formalisierung — man denke in diesem Zusammenhang z.B. an II s'est fait des oeufs a la coque. Es konnte gezeigt werden, daß auch die pronominale Konstruktion nicht ohne "Einfluß" auf die temporale Struktur des Satzes bleibt. Dabei wurde deutlich, daß im Falle eines reziproken Geschehens nicht generell von einer Reihung auszugehen ist; während Les deux cousins se sont donne une poignee de main energique kollektiv zu interpretieren ist, muß für Les deux cousins se sont donne une gifle eine Reihung angenommen werden. Auch ein reflexiv verwendetes Pronomen kann die temporale Struktur des Gesamtsatzes "beeinflussen": Je me demande la raison du succes ecrasant de cet opera bezeichnet ein Geschehen, daß sich auch in temporalstruktureller Hinsicht von dem mit Je lui demande la raison du succes ecrasant de cet opera bezeichneten Geschehen unterscheidet. Es ist daher in temporalstruktureller Hinsicht unabdingbar, Ils se demanderent la raison de son mariage (reziprok) von Ils se demanderent la raison de son mariage (reflexiv) zu unterscheiden.

162

Konnte für die unter aller angeführten Beispiele in Hinblick auf den Einfluß der Angabe des Ziels festgestellt werden, daß das Verbalgeschehen eine Begrenzung "erfährt", so hatte die Angabe des Ziels bei appeler keinerlei Einfluß auf die temporale Struktur des ganzen Satzes. Auch für apporter kann konstatiert werden, daß sich an der Klassifizierung der Beispielsätze nichts ändern würde, ließe man bei den Beispielen des Satzbaumusters N - V - N - qp die qrp-Ergänzung weg bzw. fügte man bei den Beispielen zu N - V - N eine qrp-Ergänzung hinzu. Das Beispiel Philippe ecrit a Therese machte deutlich, daß, gemäß rein formalistischen Kriterien, auch ein präpositionales Objekt (h N) die temporale Struktur des Gesamtsatzes "beeinflussen" kann. Der Einfluß des direkten Objekts ist ebenfalls keineswegs einheitlich zu behandeln. Bereits Wilmet (1980: 62, remarque 1) stellt fest: "On dissociera deux sous-classes de verbes imperfectifs suivant qu'un complement d'object les fait ou non basculer du type 2 [verbes imperfectif] au type 3 [verbes perfectifs]". Während das direkte Objekt bei ecrire die temporale Struktur zu beeinflussen scheint (U ecrit vs. U ecrit une lettre) hat das direkte Objekt bei chasser - vgl. auch Wilmet (1980: 62, remarque 1) keinen Einfluß auf die temporale Struktur des Gesamtsatzes: Pierre chasse dans la foret de Saverne; Pierre chasse un lievre. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß die transitive Verwendung von chasser in der Bedeutung dt. verjagen sich in der temporalstrukturellen Interpretation von den vorhergehenden Beispielen unterscheidet: Pierre chassa la mouche. Das Verb rouler illustriert, daß die Trennung in zwei Subklassen auch innerhalb ein und desselben Infinitivs verlaufen kann: R roule le tonneau vs. II roule une cigarette, das sowohl eine effizierte als auch eine affizierte Interpretation zuläßt. Das Merkmal [+ effiziert] kann jedoch nicht allein für die "Begrenzung" verantwortlich gemacht werden, wie die Beispiele L'enfant a peint un bouquet de fleur sur le mur vs. Elle a peint sä cuisine en blanc veranschaulichen. Die Klassifizierungen von R lui donne un capital de 100 000 francs / un revenu de 5000 francs / un baiser entziehen sich u.E. jeglichen Systematisierungsversuchen. Die sogenannte /iammer-/to