Verantwortungsteilung im Genehmigungsrecht: Entwicklung und Aspekte der Umsetzung eines Sachverständigenmodells für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren [1 ed.] 9783428525065, 9783428125067

Gegenstand der Publikation ist eine Konturierung und Regulierung einer Verantwortungsteilung im Ordnungsrecht, untersuch

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German Pages 683 Year 2010

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Verantwortungsteilung im Genehmigungsrecht: Entwicklung und Aspekte der Umsetzung eines Sachverständigenmodells für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren [1 ed.]
 9783428525065, 9783428125067

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1155

Verantwortungsteilung im Genehmigungsrecht Entwicklung und Aspekte der Umsetzung eines Sachverständigenmodells für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren

Von Christof Häfner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOF HÄFNER

Verantwortungsteilung im Genehmigungsrecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1155

Verantwortungsteilung im Genehmigungsrecht Entwicklung und Aspekte der Umsetzung eines Sachverständigenmodells für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren

Von Christof Häfner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12506-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im August 2005 fertiggestellt und im Sommersemester 2006 von der Juristischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Inaugural-Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde die Arbeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung, der Literatur sowie der Änderungen der Rechtslage bis Ende 2008 auf einen Stand gebracht, der die Aussagen der Arbeit auch auf aktueller Grundlage darstellt und ihre unveränderte Aktualität zeigt. Besonders herzlich möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Rainer Wahl, für die wohlwollende Betreuung und Unterstützung bei der Auswahl des Themas sowie der Anfertigung dieser Arbeit bedanken. Darüber hinaus gilt es Dank zu sagen für die zügige Korrektur, aber insbesondere auch für die lehrreiche Zeit an seinem Lehrstuhl, an die ich sehr gerne zurückdenke. Für die zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtes gilt mein Dank dem Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Prof. Dr. Voßkuhle. Im Laufe der Anfertigung einer Dissertation gibt es aber neben dem akademischen Lehrer auch viele andere, die mich begleitet und unterstützt haben, unter anderem durch konstruktive Gespräche sowie durch die notwendige Ablenkung, die ebenfalls eine Stärkung sein kann. Da an dieser Stelle nicht jeder namentlich genannt werden kann, der Dank verdient hat, möchte ich mich auch ohne namentliche Nennung bei all denjenigen bedanken, die sich hierdurch zu Recht angesprochen fühlen können. Hervorheben möchte ich jedoch an dieser Stelle meinen Freund Herrn Dr. Bernd Köster, der mir immer mit Rat zur Seite gestanden hat und sich um das Korrekturlesen sehr verdient gemacht hat. In den Höhen und Tiefen des akademischen Lebens war meine Familie immer ein wichtiger Rückhalt. Wertvolle Ratschläge und Unterstützung habe ich dabei stets von meinem Onkel, Herrn Hertingk Diefenbach, erhalten. Daneben ist aber auch meine „angeheiratete“ Familie zu nennen, aus der ich den Vater meiner Frau, Herrn Uwe Rieckhoff, besonders nennen möchte, der mit viel Engagement zum Gelingen des „Unternehmens Dissertation“ beigetragen hat. Meine Frau Gesa Häfner, geb. Rieckhoff, hat mir in anstrengender Zeit stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden und eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Fertigstellung dieser Arbeit. Für diese Begleitung bin ich ihr sehr dankbar.

8

Vorwort

Den Reigen der Danksagungen schließe ich ab mit einem besonderen Dank an meine Eltern, deren uneingeschränkte und großzügige Unterstützung mir meinen bisherigen Lebensweg und diese Dissertation ermöglicht hat. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im Mai 2009

Christof Häfner

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

§1

21

§2

§3

Die Privatisierungsdiskussion und das Ordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die rechtswissenschaftliche Erfassung und Begleitung der Privatisierung . . .

30

1. Die verschiedenen Privatisierungsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

2. Der Begriff der Verantwortung im Ordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

a) Der Begriff der Verantwortung und die Verwaltungsverantwortung . .

37

b) Der Anknüpfungspunkt – Der Verantwortungsbegriff im Ordnungsrecht

40

3. Verantwortungsteilung und Verantwortungsstufung . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

a) Das Konzept der Verantwortungsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

b) Die mittelbare Staatsverantwortung und die Gewährleistungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

c) Die Verantwortungsteilung und die Privatisierungsbegriffe . . . . . . . . .

55

d) Verantwortungsteilung und Deregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

Kapitel 1

§4

Das Ordnungsrecht und das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren

58

Allgemeines zum Ordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

1. Strukturmerkmale des Ordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

2. Funktionen des Genehmigungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

a) Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

b) Interesse des Antragstellers an Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

c) Interessen der Drittbetroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

d) Rechtsschutz bzw. Grundrechtsschutz durch Verfahren . . . . . . . . . . . .

65

e) Verfahrenseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

f) Der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

g) Das Interesse der Allgemeinheit an einer Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . .

69

3. Weitere Kriterien zur Beurteilung von Instrumenten der Verfahrensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

10

§5

§6

Inhaltsverzeichnis a) Das Kriterium der funktionellen Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

b) Die Wahrung der materiellen Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

c) Das Erfordernis einer Risikoabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

4. Verantwortung im Ordnungsrecht: Die Bestimmung der Aufgabe . . . . . .

72

Die Rolle interessenabhängiger Privater im Genehmigungsverfahren . . . . . . .

74

1. Die Rolle des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

2. Die Rolle von Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

3. Systematik und abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

Konzepte der Einbeziehung unabhängiger Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

1. Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

a) Die Einsatzmöglichkeiten der Mediation im Genehmigungsverfahren

86

b) Die Funktionalität einer Mediation und das Genehmigungsverfahren .

90

2. Die Einbeziehung von Verwaltungshelfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

3. Genehmigungsverfahren und Sachverständigenmodell . . . . . . . . . . . . . . .

96

a) Das Modell der gestuften Eröffnungskontrolle – Typen eines präventiven Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

aa) Genehmigungsfreiheit / Untersagungsermächtigung für den Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

bb) Anzeigeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

cc) Anmeldeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 dd) Vereinfachtes Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ee) Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 ff) Die Rahmengenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Zertifizierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Die Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Die „Neue Konzeption“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Sachverständige Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Die ökonomischen Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5. Systematisierung / Typologisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Systemkonforme und systemverändernde Instrumente . . . . . . . . . . . . . 113 b) Verwaltungssubstitution – Verwaltungskompensation – Verwaltungsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Kontrollsubstitution – Kontrollkompensation – Kontrollergänzung . . . 116 d) Weitere Typologisierungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 6. Die Auswahl eines der Instrumente als Grundlage der weiteren Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 §7

Das System der gestuften Eröffnungskontrolle im BImSchG . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Das Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Inhaltsverzeichnis

11

2. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG . . . . . . . . 119 3. Das Anzeigeverfahren nach § 15 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4. Zulassung vorzeitigen Beginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5. Die Teilgenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 §8

Die Sachverständigen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Der Begriff des Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Die klassische Funktion des Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Erweiterungen des Funktionsspektrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4. Der Sachverständige und die Rollenverteilung im Verfahren . . . . . . . . . . 128 5. Der Sachverständige im Verwaltungsverfahren nach dem VwVfG . . . . . . 129 6. Weitere Erscheinungsformen sachverständiger Tätigkeit im Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 7. Die Sachverständigen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Die Einbeziehung in das Genehmigungsverfahren nach der 9. BImSchV 134 b) Weitere Möglichkeiten der Einbeziehung von Sachverständigen im BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Der Hintergrund der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Die Einbeziehung von Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Übertragbare Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Die Regelung des § 26 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Die Rolle der Behörde im Rahmen der §§ 26, 29a BImSchG . . . . . . . 140 e) Sachverständige im Rahmen der Abnahmeprüfung . . . . . . . . . . . . . . . 140 f) Sachverständige im Emissionshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Die Einbeziehung von Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Die Regelungen über die Verifizierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Die Regelung des § 20 Abs. 2 TEHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 g) Umwelt-Audit und Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Kapitel 2 Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells für das Genehmigungsverfahren §9

147

Verfahrensprivatisierung und Deregulierung im Genehmigungsrecht . . . . . . . 148 1. Die Verfahren des Bauordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Problembefund im Bauordnungsrecht und Ziele der Reformen . . . . . . 150

12

Inhaltsverzeichnis b) Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Überlegungen zur Privatisierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . d) Die Regelungsmodelle der reformierten Bauordnungen . . . . . . . . . . . . aa) Genehmigungsfreie bzw. verfahrensfreie Vorhaben . . . . . . . . . . . bb) Die sogenannten Genehmigungsfreistellungsverfahren . . . . . . . . . (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Elemente des Genehmigungsfreistellungsverfahrens . . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das baurechtliche Anzeigeverfahren (Verfahrenstypus des Anmeldeverfahrens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendungsbereich und -voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . (2) Elemente des baurechtlichen Anzeigeverfahrens . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das vereinfachte Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Elemente des vereinfachten Genehmigungsverfahrens . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die sogenannte planungsrechtliche Genehmigung . . . . . . . . . . . . (1) Charakter der planungsrechtlichen Genehmigung und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Elemente der planungsrechtlichen Genehmigung . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Das reguläre Genehmigungsverfahren / Die klassische Baugenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Raum für Tätigkeit von Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungselemente der Einbeziehung von Sachverständigen im Bauordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatlicher Prüfverzicht bei der Vorlage von Sachverständigenbescheinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Regulierung der Einbeziehung des privaten Sachverstands . . . . . . aa) Die Ausgangsstufe: Die Bauvorlageberechtigung . . . . . . . . . . . . . bb) Die Zusatzstufe – besondere Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der besonders qualifizierte Sachverständige . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Einbeziehung besonders qualifizierter Sachverständiger . . . . ee) Vier-Augen-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Einzelne Modelle im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beauftragung der Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155 156 158 162 164 169 171 180 181 182 183 188 188 190 193 213 214 215 216 217 218 222 223 229 229 231 232 233 234 234 234 236 236 239

Inhaltsverzeichnis

13

d) Haftungsregelungen / Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das Abweichungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zusammenfassung und abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Tätigkeit von Sachverständigen im Rahmen der Zulassung von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die verschiedenen Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Beteiligung Sachverständiger im Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorprüfung durch unabhängige Sachverständige – § 25a AMG . . bb) Sachverständigengutachten nach § 24 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Regelung des § 25 Abs. 5 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Zulassungskommission – § 25 Abs. 6 AMG . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Kommission nach § 25 Abs. 7 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) § 7a AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240 241 243

§ 10 Zusammenfassung: Elemente eines Sachverständigenmodells . . . . . . . . . . . . . 1. Die Elemente eines Sachverständigenmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Notwendige Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungsbedürftige Problembereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256 256 256 258 260 262

245 246 247 248 249 250 252 254 254 254

Kapitel 3 Das Sachverständigenmodell im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren § 11 Die Eignung des Sachverständigenmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Diskussion im Baurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gefahrenintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Standardisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Nachbarinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Verfügbarkeit geeigneter Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Verantwortungsfähigkeit des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Aufgabenadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Durchsetzbarkeit des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Substituierbarkeit der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Wettbewerb und Haftung als qualitätssteigernde Elemente . . . . . . . . . . . .

263 263 263 265 266 267 268 269 272 273 274 275 275

14

Inhaltsverzeichnis 12. Risiken einer Umsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 13. Ergebnis – Die Eignung des Sachverständigenmodells für das Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

§ 12 Die Genehmigungsvoraussetzungen und das Sachverständigenmodell . . . . . . 278 1. Die Grundpflichten und ihr Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG – Der Schutzgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG: Der Vorsorgegrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 288 c) § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG: Der sogenannte Entsorgungsgrundsatz . . . 294 d) § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG: Energienutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Die Konkretisierung der Grundpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Die Bedeutung von unbestimmten Rechtsbegriffen im Rahmen der Grundpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Der Ansatz der Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 c) Der Sonderfall: Konkretisierung als zwingende Voraussetzung . . . . . . 304 3. Die Instrumente der Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 4. Die Konkretisierung durch Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Die Ermächtigungsgrundlage des § 7 BImschG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 aa) § 7 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG: Technische Anforderungen . . . . . . . . . 309 bb) § 7 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG: Emissionsgrenzwerte . . . . . . . . . . . . . 310 cc) § 7 Abs. 1 Nr. 2a BImSchG: Anforderungen an den Energieeinsatz 311 dd) § 7 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG: Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 ee) § 7 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG: Sicherheitstechnische Prüfungen . . . . 312 ff) Die Problematik der Festlegung von Immissionswerten . . . . . . . . 312 gg) Die Einbeziehung technischer Regelwerke nach § 7 Abs. 5 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 b) Die Verordnungsermächtigungen des § 48a BImSchG . . . . . . . . . . . . . 314 5. Die einzelnen Rechtsverordnungen und ihr Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 a) Die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 aa) Anforderungen der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 bb) Die Verordnung und die Pflichten im Genehmigungsverfahren . . 319 b) Die Verordnung über Großfeuerungsanlagen (13. BImSchV) . . . . . . . 321 c) Die Verordnung über die Verbrennung von Abfällen (17. BImSchV) . 324 aa) Der Inhalt der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 bb) Besonderheiten für das Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 327 d) Die Verordnung über Immissionswerte (22. BImSchV) . . . . . . . . . . . . 328 e) Sonstige Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 6. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 a) Allgemeines zur Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften . . . . 334

Inhaltsverzeichnis

7. 8. 9.

10. 11.

12.

13.

aa) Die Rechtsfigur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Umfang der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die TA Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Immissionswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Arten von Immissionswerten und Aussagegehalt . . . . . . . . . . (2) Prüfung der Einhaltung der Immissionswerte . . . . . . . . . . . . . (3) Die Einzelfallentscheidung im Wege der Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung zu den Immissionswerten . . . . . . . . . . . . . bb) Die Emissionswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Emissionsminderungsgebote der TA Luft . . . . . . . . . . . . (2) Emissionsminimierungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Messungen und Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ableitung der Abgase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zusammenfassung zu den Emissionswerten . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung zur TA Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) TA Lärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Immissionsrichtwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) TA Abfall und TA Siedlungsabfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung von durch offiziell eingesetzte Gremien erarbeiteten Normen Die sogenannten BVT-Merkblätter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Konzeption der IVU-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bedeutung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Ergebnis zu den BVT-Merkblättern . . . . . . . . Die Konkretisierung durch technische Regelwerke und sonstige Normen . Die Konkretisierung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Konkretisierung durch die Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Privatisierung und die Art der zu privatisierenden Vorgaben . . . . c) Der Begriff „Stand der Technik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einhaltung der sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften . . . . . . . a) Planerische Elemente der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung b) Planerische Vorgaben und sachverständige Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Ergebnis: Privatisierungsspielräume bei der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eine Analyse anhand des Vollzugsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

335 342 353 354 355 356 359 361 363 364 366 368 368 369 369 370 370 372 373 374 374 375 379 380 382 385 385 393 395 396 396 400 401 403 404 405

16

Inhaltsverzeichnis

b) c) d) e)

aa) Die Anforderungen aus Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Anforderungen aus normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Anforderungen aus technischen Regelwerken . . . . . . . . . . . . . dd) Die im Einzelfall zu entwickelnden Anforderungen . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materieller Ansatz I – Die Art der inhaltlichen Vorgaben . . . . . . . . . . Materieller Ansatz II – „Blockbildung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenschau der beiden Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Vollzug der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 13 Grundstrukturen eines Sachverständigenmodells für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verfahrensinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Grundelement: Die sachverständige Bescheinigung . . . . . . . . . . . b) Ergänzendes Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfahren für isolierte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abweichungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung zu den isolierten Verfahren . . . . . . . . . . . . bb) Die mögliche Rolle von Gegengutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Entscheidung im Einzelfall durch ein sachverständiges Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewährleistungsverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aspekte der Ausgestaltung des Sachverständigenmodells . . . . . . . . . . . . . a) Die Ausgestaltung des Grundmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rolle von Abweichungs- und Kontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Notwendigkeit und Durchführung von Abweichungsverfahren cc) Die Notwendigkeit und Durchführung von Kontrollverfahren . . . . dd) Allgemeines Öffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bündelung der isolierten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die Einbettung in das „Gesamtverfahren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Herstellung einer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Der Inhalt der Sachverständigenbescheinigungen . . . . . . . . . . . . .

406 408 408 410 411 412 414 416 417 418 419 419 420 420 421 421 422 423 423 424 424 425 427 428 429 430 431 431 432 433 435

3. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435

Inhaltsverzeichnis

17

Kapitel 4 Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

437

§ 14 Die Vorgaben des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 1. Die Grundrechte des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 a) Die Grundrechte als Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 aa) Das Konzept der Grundrechte als Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . 439 bb) Die Existenz einer grundrechtlichen Schutzpflicht im Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 cc) Der Inhalt der Schutzpflicht im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 dd) Ergebnis zu den grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . 453 b) Die Perspektive der Antragsteller und Betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 aa) Eingriff in die Rechte der Antragsteller und Betreiber durch Pflichtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 bb) Anspruch auf die mit einer Genehmigung verbundene Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 2. Die Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 a) Die Kategorie der sogenannten „notwendigen“ Staatsaufgaben . . . . . . 460 b) Umweltschutz und Genehmigungsverfahren als Staatsaufgabe . . . . . . 463 c) Die Wahrnehmung von Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 d) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 3. Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 a) Die Geltung des Funktionsvorbehalts im Immissionsschutzrecht . . . . . 469 b) Konsequenzen bzw. Anforderungen aufgrund der Geltung des Funktionsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 c) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 4. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 5. Die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 6. Das Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 a) Der Gegenstand der demokratischen Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . 479 b) Die demokratische Legitimation im Rahmen eines Sachverständigenmodells – demokratische Legitimation und privater Sachverstand, Befund und Realität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 c) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 7. Das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 a) Anforderungen an das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

18

Inhaltsverzeichnis b) Die Justizgewährleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 8. Das Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 9. Zusammenfassung der inhaltlichen Rahmenbedingungen des Grundgesetzes: Das Minimum einer staatlichen Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

§ 15 Europarechtliche Grenzen einer Verfahrensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Primärrecht der europäischen Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eine Schutzpflichtendimension der europäischen Grundrechte (EG und EU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die IVU-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vorgaben der IVU-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis zu einer Verfahrensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Spielräume aufgrund des Anwendungsbereiches . . . . . . . . . . (1) Der formelle Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der materielle Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Spielraum bei der Gestaltung des Genehmigungsverfahrens . (1) Die Kontrolle der Vorgaben des untergesetzlichen Regelwerks (a) Das deutsche Regelwerk und der Begriff der „allgemein bindenden Vorschrift“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Vorgaben in Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . (α) Umsetzung von Richtlinien und normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . (β) Die Zulässigkeit der Verwendung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . (dd) Sonstige Verwaltungsvorschriften und technische Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sonstige Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Regelung des Genehmigungsverfahrens und die Kontrollbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die „zuständige Behörde“ – Notwendigkeit einer staatlichen Instanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesamtschau und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Industrieanlagenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die „Großfeuerungsanlagenrichtlinie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die UVP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

505 507 509 513 513 514 515 515 515 516 516 517 517 518 518 519 521 525 525 527 528 529 530 531 532

7. Zusammenfassung zu den europarechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . 534

Inhaltsverzeichnis

19

Kapitel 5 Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Eine Problemskizze

535

§ 16 Die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 1. Gewährleistungsverwaltungsrecht als Ausdruck der Gewährleistungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 2. Elemente eines Gewährleistungsverwaltungsrechts im Ordnungsrecht . . . 540 3. Zusammenfassung und weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 § 17 Die Regulierung der Sachverständigentätigkeit – Die Kontrolle der Kontrolleure 548 1. Anforderungen an die Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 a) Allgemeine (nicht-fachliche) Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 b) Aufgabenspezifische, aber nicht fachliche Anforderungen . . . . . . . . . . 551 c) Die fachlichen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 d) Die ausreichende Haftungsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 2. Rechtliche Konzepte zur Kontrolle der Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . 555 a) Die direkte Kontrolle von Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 b) Inhalt der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 c) Die repressive Kontrolle der Sachverständigen und die Überwachung . 562 d) Repressive Befugnisse im Hinblick auf fehlerhafte sachverständige Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 e) Private Kontrolle der Kontrolleure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 f) Publizität und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 g) Die Beauftragung des Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 h) Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 3. Regelungen in anderen Gebieten und Bezugnahme darauf . . . . . . . . . . . . 569 4. Rechtsstellung der Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 a) Beleihung und Verwaltungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 b) Der Sachverständige im Rahmen des Sachverständigenmodells . . . . . 572 5. Die Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 6. Die Ergebnissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 § 18 Die Stellung der Betroffenen und Fragen des Drittschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 580 1. Die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 2. Der Rechtsschutz im Rahmen des Sachverständigenmodells . . . . . . . . . . 581 a) Zivilrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 b) Öffentlich-rechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 aa) Kritik am Wegfall einer Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 bb) Der Rechtsschutz im deregulierten Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586

20

Inhaltsverzeichnis c) Genehmigung und Deregulierung – die Problematik der vereinfachten Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahrensrechtliche Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

589 590 592 592 593

§ 19 Die Kompetenzen der Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wirkung von sachverständigen Bescheinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Regelung einer Rückholoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die repressive Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kapazitätseffekt und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übergang vom Opportunitätsprinzip zum Legalitätsprinzip . . . . . . . . . 4. Kostenfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachteilige Auswirkungen der Kostenlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Evaluation und Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

593 593 595 596 596 597 598 598 599 599 600

Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680

Einleitung § 1 Die Privatisierungsdiskussion und das Ordnungsrecht Die Reformdiskussion im Verwaltungsrecht hat es inzwischen schon so weit gebracht, dass man geneigt ist, von einer Tradition der Reformdiskussion zu sprechen. Ein zentraler Bestandteil dieser Reformdiskussion ist dabei das Verhältnis zwischen der Verwaltung und den Privaten, so dass man präziser auch von einer Tradition der Privatisierungsdiskussion sprechen könnte. 1 Gerade in diesem Verhältnis zwischen Staat und Privaten, insbesondere in der Einbeziehung Privater, wurde und wird häufig der „Königsweg“ zur Lösung der unterschiedlichsten Probleme des Staates und seiner Verwaltung gesehen. Maßgeblich befördert wurde die Diskussion unter den Aspekten des „Standorts Deutschland“ und des „schlanken Staats“, 2 der später auch zum „aktivierenden Staat“ werden 1

Bestes Beispiel für eine derartige „Tradition“ sind die Tagungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer, bei denen die Privatisierung bzw. Einbeziehung Privater regelmäßig Gegenstand ist, s. nur VVdStRL 29 („Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private), VVdStRL 52 („Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten“), VVdStRL 54 („Privatisierung von Verwaltungsaufgaben“), VVdStRL 56 („Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung“), VVdStRL 62 („Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung“). S. aus der umfangreichen und hier nicht vollständig wiederzugebenden Literatur Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001; Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991; Becker, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, 1997; Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, 1987; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, 2004; Mahlberg, Gefahrenabwehr durch gewerbliche Sicherheitsunternehmen, 1988; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 2003; s. auch Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, 2000. S. zur Reformdiskussion Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (35); dort auch zu der Entwicklung dieser Diskussion und den jeweils dominierenden Schwerpunkten. Steiner, DÖV 1970, 526 ff. S. zur Reformdiskussion auch die Sammelbände von Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993; dies., Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998 sowie von Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und schlankem Staat, 1999. 2 S. dazu und auch zu der Reformdiskussion im allgemeinen Buchner, FS Odersky, S. 183 ff.; Busse, DÖV 1996, 389 ff.; Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (259); Ossenkamp,

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sollte, 3 wobei sich bereits in diesem Begriff eine verstärkte Beachtung der Rolle der „zu aktivierenden“ Privaten ausdrückt. Insbesondere das Mittel der Privatisierung erscheint auch als ein „Trend der Zeit“. 4 Grundsätzlich wurde Privatisierung als ordnungspolitisch gewünscht eingestuft. 5 Die Diskussion folgte unterschiedlichen Zielsetzungen, wie z. B. der Staatsentlastung und der Mobilisierung von gesellschaftlichen Potentialen zur Verbesserung der Aufgabenerfüllung. 6 Wesentlicher Bestandteil waren auch Ziele ordnungspolitischer Art. Die Diskussion ist und war von unterschiedlichen Leitbegriffen geprägt. Die maßgeblichen Begriffe waren und sind Flexibilität und Innovationsoffenheit, Effizienz 7, Öffentlichkeit, Verantwortung 8, Deregulierung 9, Verfahrensprivatisierung 10 sowie Verfahrensvereinfachung, gesellschaftliche Selbstregulierung 11, Akzeptanz und Kooperation 12, das Neue Steuerungsmodell 13 und nicht zuletzt auch die Verfahrensbeschleunigung. 14

ZG 1996, 160 ff. (Zwischenbericht über den Sachverständigenrat „Schlanker Staat“); Schneider, Volker, Öko-Audit und Deregulierung im Immissionsschutzrecht, S. 107 ff, 113 ff. (insbes. S. 114 f.). Kritisch zu der Aussagekraft des Begriffes „Schlanker Staat“ Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 121. Vgl. auch Engelhardt, WiVerw 2000, 65 ff. So wurde die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland auch als Perspektive der Reformdiskussion, insbesondere angesichts des Standortwettbewerbs im europäischen Binnenmarkt, bezeichnet, Bauer / Pleyer, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 603 (613). Heute wird in einer weiter reichenden Perspektive von einem Wettbewerbsdruck unter dem Stichwort „Globalisierung“ gesprochen. 3 S. dazu Schuppert, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, Die Verwaltung, Beiheft 4, S. 201 (248). S. zu diesem Ansatz Moderner Staat – Moderne Verwaltung. Das Programm der Bundesregierung 1999, S. 7 ff. 4 S. auch allgemein zu der Forderung nach Privatisierung Schoch, DVBl. 1994, 962 (965 f.). 5 Möschel, FS Gernhuber, S. 905 (908 ff). Siehe zu einer anderen Entwicklung, nämlich dem Verhältnis zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht Leisner, „Privatisierung“ des Öffentlichen Rechts, insbes. S. 146 ff. 6 Burgi, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 155 (161). 7 S. dazu insbesondere den Sammelband von Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998; s. auch Wagner, NVwZ 1995, 1046 ff. S. auch Niedobitek, DÖV 2000, 761 ff.; Voßkuhle, Die Verwaltung 34 (2001), 347 ff.; Leisner, „Privatisierung“ des Öffentlichen Rechts, S. 134 ff.; Holtkamp, VerwArch 99 (2008), 259 ff. 8 Zu den Leitbegriffen Effizienz, Öffentlichkeit und Verantwortung Schmidt, VerwArch 91 (2000), 149 (143 ff.). 9 S. dazu das Stichwort: Investitionshemmnisse durch Überregulierung, s. Wagner, NVwZ 1995, 1046 (1048). Ebenfalls dazu Buchner, FS Odersky, S. 183 (187). S. zur Deregulierung durch ein Sachverständigenmodell im Bauordnungsrecht Ritter, DVBl. 1996, 542 ff.; Dolde, NVwZ 2006, 857 ff. 10 Hoffmann-Riem, DVBL. 1996, 225 ff.

§1 Die Privatisierungsdiskussion und das Ordnungsrecht

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Diese Diskussion reagierte auf unterschiedliche Problembefunde 15 sowie gewandelte Vorstellungen von Staat und Staatlichkeit. 16 Angesichts des sowohl quantitativen wie auch qualitativen Aufgabenzuwachses des Staates 17 wurde seine Überforderung befürchtet. Konstatiert wurde eine Unbeweglichkeit oder gar Handlungsunfähigkeit eines mit Aufgaben übersättigten und überforderten „fetten Staates“. 18 Gerade im Umweltrecht wird bereits von einer umweltstaatlichen Dimension gesprochen. 19 Von dem Staat wird erwartet, dass er nicht nur eine vorgegebene gesellschaftliche Ordnung durch nachträgliche und punktuelle Korrekturen beschränkt, sondern vielmehr die komplexe und vielfach verfloch11 S. Groß, Die Privatisierung ordnungsrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren auf der Grundlage des Öko-Audit Systems, S. 26. 12 Zu dem Bedarf an Kooperationen s. Weidner, in: van den Daele / Neidhardt (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung, S. 195 (195 ff.). 13 S. Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (75). 14 S. dazu Eckert, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, 1997; Rengeling (Hrsg.): Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren – Deregulierung, 1996; BMWi (Hrsg.): Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren, 1994; Dose / Holznagel / Weber (Hrsg.): Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, 1994; Buchner, FS Odersky, S. 183 (191 ff.); eine empirische Untersuchung dazu ist Grundlage des folgenden Werkes: Ziekow / Oertel / Windoffer, Dauer von Zulassungsverfahren, 2005; s. dazu auch Ziekow / Windoffer / Oertel, DVBl. 2006, 1477 ff. Zu Bestrebungen zur Verfahrensbeschleunigung aus neuerer Zeit siehe Teßmer, ZUR 2006, 469 ff. Zu den Begriffen der Deregulierung, der Verfahrensvereinfachung und der Verfahrensbeschleunigung s. Knemeyer, FS Blümel, S. 259 ff. Beispiel einer Beschleunigungsbestrebung aus neuerer Zeit ist das „Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte (BauGBÄndG 2006), s. dazu Blechschmidt, ZfBR 2007, 120 ff.; Mitschang, ZfBR 2007, 433 ff. Neben der Staatsentlastung und der Beschleunigung nennt Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 286 auch die innovativere Gestaltung des Verfahrens als mögliches Ziel einer Privatisierung durch die Beteiligung von Sachverständigen. 15 S. dazu die Auflistung bei Schmidt-Preuß, FS Kriele, S. 1157 (1159 f.). Dabei ist zu beachten, dass die verschiedenen Problembefunde nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern sich häufig gegenseitig bedingen oder sogar verschiedene Auswirkungen bzw. Ausprägungen einer gemeinsamen zugrundeliegenden Problemlage sind. 16 S. dazu Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 5 ff. Zu einer „modernen Staatlichkeit“ vgl. auch Hoffmann-Riem, FS Klaus Vogel, S. 47 ff. 17 S. dazu Grimm, in: ders. (Hrsg.): Staatsaufgaben, S. 613 (621 ff.); s. auch den Sammelband von Grimm (Hrsg.): Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990; vgl. auch Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, 225 (225); Kloepfer / Elsner, DVBl. 1996, 964 (964 f.); König, K., VerwArch 79 (1988), 241 (244 f.); Schulze-Fielitz, in: Dose / Voigt (Hrsg.): Kooperatives Recht, S. 225 (244); s. die Feststellung bei Breuer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen I, S. 231 (233) m.w. N. 18 Kloepfer / Elsner, DVBl. 1996, 964 (964). 19 Schmehl, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 191 (191).

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tene Risikogesellschaft im Sinne einer aktiven Initiierung der gesellschaftlichen Entwicklung unter Antizipierung drohender Risiken und Krisen umfassend steuert. 20 In diesem Zusammenhang wurde auch in zunehmendem Ausmaß eine sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts festgestellt oder zumindest befürchtet. 21 Insbesondere wurden Zweifel geäußert, ob das überkommene Arsenal rechtlicher Instrumente unter den Vorzeichen der Zeit in der Lage ist, die bestehenden Probleme zu lösen bzw. so beschaffen ist, dass es seine Zwecke erfüllen kann. Angeführt wurde, dass das statische Recht nicht mit der dynamischen, unvorhersehbaren Entwicklung der modernen Technologie mithalten könne, was in der Diskussion auch unter dem Stichwort der „Flexibilität und Innovationsoffenheit“ thematisiert wurde. 22 Eines der zentralen Probleme, mit denen der Aufgabenzuwachs verbunden ist, besteht darin, dass dieser auf begrenzte Ressourcen trifft, insbesondere an Personal, wobei angesichts finanzieller Restriktionen zudem keine Abhilfe zu erwarten ist. 23 Im Rahmen der Diskussion wurden unterschiedliche Lösungsansätze zur Behebung der Probleme angeführt. Dabei setzen zahlreiche Versuche der Abhilfe an der Schnittstelle von Staat und Privaten an. Neben der die Privatisierungsdiskussion ohnehin beherrschenden Absicht der Nutzung externer Ressourcen und externen Sachverstands wurden auch die Deregulierung und der Abbau von Verwaltungsverfahren 24, der Abbau des gerichtlichen Rechtsschutzes, das Bemühen um Akzeptanz 25 und Legitimation 26 einer Entscheidung sowie das Zusammenwirken von öffentlicher Hand und Privaten im Rahmen des sogenannten Kooperationsprinzips 27 vorgeschlagen. 20 Bäuerle, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 135 (135). 21 Schmidt, VerwArch 91 (2000), 149 (151 f.) mit umfangreichen Nachweisen. S. auch dazu den Sammelband von Grimm (Hrsg.): Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990. 22 Vgl. dazu Schmidt, VerwArch 92 (2000), S. 149 (151, 155 f.); Lange, VerwArch 82 (1991), 1 (3). 23 S. dazu Hoffmann-Riem, in: ders. / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 11 (14 ff.); Dose, in: ders. / Voigt (Hrsg.): Kooperatives Recht, S. 91 (95, 100); Engelhardt, WiVerw 2000, 65 (90); s. auch Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (378, 383) (der auch auf auf den Mangel an spezifischem Fachwissen hinweist); s. zur Beratung des Staates in diesen Situationen Mandelartz, DVBl. 2008, 209 (213). Überlegungen zu einem Kostenvergleich im Rahmen der Privatisierung von Justizvollzugsanstalen finden sich bei Mühlenkamp, DÖV 2008, 525 ff. 24 Mit der Folge einer höheren Verantwortung des Vorhabenträgers bei vermindertem Bestandsschutz, vgl. Schoch, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (244). 25 S. Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, 1996. 26 Zu Fragen der Legitimation s. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 201 ff.

§1 Die Privatisierungsdiskussion und das Ordnungsrecht

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Allerdings kann man sich manchmal auch nicht des Eindrucks erwehren, als finde die Privatisierungsdiskussion in Wellen statt und entfalte von Zeit zu Zeit eine Eigendynamik (wenn sie auf einer „aufsteigenden Welle“ stattfindet). Daneben können auch durchaus unterschiedliche Phasen der Privatisierung festgestellt werden. So führte beispielsweise im Bereich der Daseinsvorsorge die erste Welle der Privatisierungen dazu, dass Unternehmen der Leistungserbringung, insbesondere im Infrastrukturbereich, erst organisational privatisiert wurden und in einem weiteren Schritt eine materielle, allerdings regulierte Privatisierung stattfand. In einer weiteren Phase konzentrierte sich die Diskussion auf die Regulierung der Deregulierung und das Gewährleistungsverwaltungsrecht. Nunmehr scheint in diesem Bereich eine weitere Ebene der Privatisierungsdiskussion angebrochen zu sein. Zahlreiche Leistungen kann die öffentliche Hand nicht mehr finanzieren, muss sie aber weiterhin erbringen. In diesem Dilemma heißt das neue Allheilmittel, der neue Königsweg nunmehr „Public Private Partnership“. 28 Diese Gestaltungsform findet insbesondere dann Anwendung, wenn der Staat weiterhin eine Verantwortung für die Erstellung einer Leistung wahrnimmt, aber die Durchführung und die (primäre) Finanzierungslast Privaten überantwortet. Ein insbesondere im Rahmen des Umweltrechts thematisierter Problembefund ist zudem das sogenannte Vollzugsdefizit 29, das sich letztlich als eine Abweichung des tatsächlichen Ist- vom normativ geforderten Soll-Zustand im Umwelt27 S. dazu Bauer, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 251 ff.; Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 ff.; Gusy, ZUR 2001, 1 ff.; Jarass, UPR 2001, 5 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 56 ff.; Koch, NuR 2001, 541 ff.; Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295 ff.; Murswiek, ZUR 2001, 7 ff.; Müggenborg, NVwZ 1990, 909 ff.; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 78; Schrader, DÖV 1990, 326 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dose / Voigt (Hrsg.): Kooperatives Recht, S. 225 ff.; Dose / Voigt, in: dies. (Hrsg.): Kooperatives Recht, S. 11 (auf S. 33 zur Kooperation als Element der Verfahrensbeschleunigung); Voßkuhle, ZUR 2001, 23 ff. S. auch BVerfGE 98, S. 83 ff. 28 S. aus der inzwischen umfangreichen Literatur beispielsweise Heitsch, UPR 2005, 121 ff.; Reicherzer, DÖV 2005, 603 ff.; Schuppert, Grundzüge eines zu entwickelnden Verwaltungskooperationsrechts – Regelungsbedarf und Handlungsoptionen eines Rechtsrahmens für Public Private Partnership, Gutachten 2001; Tettinger, DÖV 1996, 764 ff.; Ziekow, Verankerung verwaltungsrechtlicher Kooperationsverhältnisse (Public Private Partnership) im VwVfG, Gutachten, 2001. 29 Ein solches wird im Schrifttum einhellig angenommen und ist auch durch empirische Untersuchungen belegt. S. bereits die Studie von Mayntz / Derlien / Bohne / Hesse / Hucke / Müller, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, 1978; s. ebenfalls das Umweltgutachten 1974 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, BT-Drs. 7/2802, Tz. 660 ff. und das Umweltgutachten 1978 dieses Rates, BT-Drs. 8/1938, Tz. 1521 ff. S. Lübbe-Wolff, in: Roßnagel / Neuser (Hrsg.): Reformperspektiven im Umweltrecht, S. 97 (98) mit umfangreichen weiteren Nachweisen; dies., NuR 1993, 217 ff. m.w. N.; s. auch Bäuerle, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 135 (137 ff.); ebenfalls Bohne, DVBl. 1994, 195 (195) m.w. N.; s. die Beiträge in Grimm (Hrsg.): Wachsende Staatsaufgaben-Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990; s. auch Groß, Die Privatisierung ordnungsrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren auf der Grundlage des Öko-Audit-Systems, S. 123; Feststellung auch

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recht beschreiben lässt. 30 Dieses hat zahlreiche Ursachen; unter anderem wird der zu geringe Personaleinsatz, die unzureichende Verwaltungsorganisation sowie eine Vollzugsunfreundlichkeit des zu vollziehenden Rechts angeführt. 31 Darüber hinaus wird auf eine vollzugsabgeneigte Motivationslage der Normadressaten hingewiesen 32. Eine Verbindung aus Vollzugsdefizit und begrenzten Ressourcen kann insofern hergestellt werden, als dass ein Kapazitätseffekt als Ergebnis einer Entlastung der Behörden an anderer Stelle, beispielsweise dem präventiven Verfahren, der Behebung dieses Vollzugsdefizits dienen kann. 33 Dies führt hin zu der Bedeutung der Reformdiskussion für das Ordnungsrecht. Die klassischen Rechtsinstitute des Ordnungsrechts, und zwar die einer direkten Steuerung dienenden, hoheitlich implementierten Gebote, Verbote und Genehmigungspflichten, wurden zunehmend als unzureichend für die sich stellenden Probleme angesehen. 34 Angeführt wird ein mangelhafter Informations- und Kommunikationsfluss, auch die übrige strukturelle und funktionelle Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens soll die verfassungsrechtliche Herstellung eines Interessenausgleichs erschweren oder sogar unmöglich machen. 35 Daher rückte ebenfalls das Recht der Genehmigungen in den Blickpunkt der Reformdiskussion. 36 Ein wesentlicher Trend der Reformdiskussion im Genehmigungsrecht 37 bestand in der so genannten Beschleunigungsdiskussion, die sich auch in mehrebei Breuer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen I, S. 231 (232 f.) m.w. N.; Lorenz, UPR 1991, 253 ff. Zum Vollzugsbzw. Erfüllungsdefizit im Bereich des internationalen Umweltschutzes s. Ehrmann, Erfüllungskontrolle im Umweltvölkerrecht, S. 19 m. umfangreichen Nachweisen. 30 Ludwig, Privatisierung, S. 113. Vgl. dazu auch Stich, FS Ule zum 70. Geburtstag, S. 215 (219). 31 S. auch Schneider, Volker, Öko-Audit und Deregulierung im Immissionsschutzrecht, S. 117. Differenzierend im Hinblick auf die Ursachen Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 2 Fn. 4. Zu der Vollzugsunfreundlichkeit s. Bäuerle, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 135 (138). 32 S. Lübbe-Wolff, in: Roßnagel / Neuser (Hrsg.): Reformperspektiven im Umweltrecht, S. 97 (98); auch Schneider, Volker, Öko-Audit und Deregulierung im Immissionsschutzrecht, S. 117. 33 Zu diesem Zusammenhang s. auch Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 214; auch Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (84); Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (383); auch Bohne, DVBl. 1994, 195 (199). Vgl. auch BR-Drs, 869/92 (Beschluss), S. 3. 34 Dose / Voigt, in: dies. (Hrsg.): Kooperatives Recht, S. 11 (11); s. auch Ganse / Gasser / Jasch, Öko-Audit. Umweltzertifizierung, S. 11; s. auch Ringelmann, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 227 (227). Eine ausführliche Diskussion zu den Instrumenten im Umweltrecht und eine Auseinandersetzung mit ihrer Leistungsfähigkeit findet sich bei Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 ff. 35 Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 241; Mayer-Tasch, Umweltrecht im Wandel, S. 24 f. 36 S. beispielsweise Bullinger, Beschleunigte Genehmigungsverfahren für eilbedürftige Vorhaben, 1991; Steinberg / Allert / Grams / Scharioth, Zur Beschleunigung des Ge-

§1 Die Privatisierungsdiskussion und das Ordnungsrecht

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ren Gesetzen niederschlug. 38 In diesem Zusammenhang wurde als Ursache der Probleme auch das Ausmaß der Risikoübernahme durch den Staat im Rahmen der Erteilung einer Genehmigung identifiziert. 39 Zur Behebung der Problembefunde im Ordnungsrecht wurde eine große Bandbreite an Vorschlägen unterbreitet. Beispielsweise wurde bereits frühzeitig gefordert, eine verstärkte Eigenüberwachung für Anlagen mit geringem Umweltrisiko zuzulassen 40, Bauartzulassung und Typengenehmigungen statt Einzelgenehmigungen wie auch die erweiterte Zulassung vorläufiger Genehmigungen sowie die Zulassung der Errichtung von Anlagen vor Abschluss des Genehmigungsverfahrens vorzusehen. 41 Des Weiteren wurden Versicherungslösungen vorgeschlagen, nehmigungsverfahrens für Industrieanlagen, 1991; BMWi (Hrsg.), Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren, 1994. S. auch Buchner, FS Odersky, S. 183 (192 ff.); Busse, DÖV 1996, 389 (393); Fluck, in: Hendler / Marburger / Reinhardt / Schröder (Hrsg.): Rückzug des Ordnungsrechts im Umweltrecht, S. 165 ff.; Ossenkamp, ZG 1996, 160 (163 f.); s. auch Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (86 ff.). S. zu der Reformwelle, aber insbesondere unter dem Aspekt der Rechtszersplitterung Wahl, NVwZ 2002, 1192 (1193). 37 Zu dem Begriff des Genehmigungsrechts vgl. Wahl, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 237 (237). 38 Aus der umfangreichen Literatur zu der Beschleunigungsdiskussion, auf deren vollständige Darstellung an dieser Stelle verzichtet wird, s. Bullinger, JZ 1991, 53 ff.; ders., Beschleunigte Genehmigungsverfahren für eilbedürftige Vorhaben, 1991; Rombach, Der Faktor Zeit im umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 147 ff.; Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 31 ff.; Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 139 (145); ders., in: Dose / Voigt (Hrsg.): Kooperatives Recht, S. 225 (244). Zu den gesetzgeberischen Maßnahmen zählen die Beschleunigungsgesetze aus dem Jahr 1996, also das Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz – GenVerfBeschlG v. 12. 9. 1996, BGBl. I 1354 und das Gesetz zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren v. 9. 10. 1996, BGBl. I 1498. Zu der Beschleunigungsgesetzgebung s. Bonk, NVwZ 1997, 320 ff; Stüer, DVBl. 1997, 236 ff.; Jäde, UPR 1996, 361 ff. Kritisch zu der Beschleunigungsdiskussion, auch hinsichtlich der Prämissen, Infratest Industria, Empirische Untersuchung der Genehmigungsverfahren für gewerbliche Investitionsvorhaben in Deutschland, Frankreich, England, Italien, Spanien und Belgien sowie ihre Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich, S. 1 – 2 und 6 – 11. S. auch Bohne, DVBl. 1994, 195 (195); Wulfhorst, VerwArch 88 (1997), 163 (165). Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass die Zeitdauer nur ein die Investitionsentscheidung betreffender Aspekt unter vielen ist, s. dazu die Untersuchung von Steinberg / Allert / Scharioth / Grams, Zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für Industrieanlagen, 1991; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 1996, BT-Drs. 13/4108, S. 69 Tz. 81; Schäfer, NVwZ 1997, 526 (526) spricht von einer psychologischen Grundeinstellung, dass die Genehmigungsverfahren zu lang seien. 39 Steinberg, NVwZ 1995, 209 (214 ff.); Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (49). 40 Vgl. dazu Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1994 Kurzfassung 1994 S. 32.

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die ebenfalls eine Rücknahme der präventiven Kontrolle zum Gegenstand hatten. Ein weiterer, auf vorhandenen Rechtsinstituten aufbauender Vorschlag bestand in der Verwendung der Verfahren der gestuften Eröffnungskontrolle bei gleichzeitiger Übernahme der Verantwortung für die Einhaltung des materiellen Rechts durch den Vorhabenträger sowie private Sachverständige. In der Folge gab es auch im Bereich der Genehmigungsverfahren erste Deregulierungsbestrebungen. Prominentestes Beispiel ist dabei der Abbau präventiver Zulassungserfordernisse im Bauordnungsrecht und die damit verbundene Nutzung selbstregulativer Mechanismen, 42 aber ebenfalls illustrativ ist die Übernahme von Kontrollaufgaben durch Private im Rahmen des Neuen Harmonisierungskonzepts der EU und die damit verbundene Zurückdrängung des Ordnungsrechts bei der präventiven Kontrolle 43. Daneben wurden immer wieder ökonomische Instrumente als Mittel der Wahl ins Spiel gebracht. 44 Diese konnten aber bislang vor allem in der Form der Abgabe und neuerdings, beschränkt auf die Emissionen an Treibhausgasen, durch das neue Emissionshandelssystem der EU Bedeutung erlangen, wobei die Einführung eines Handelssystems nicht auf autonom deutsche, sondern internationale Bestrebungen zurückgeht. 45 Insbesondere ist interessant, dass die in diesem Rahmen erforderlichen Kontrollprobleme im Wesentlichen mit Hilfe von Sachverständigen gelöst werden sollen, die die primäre Ebene der Kontrolle vollständig übernehmen – die Kontrolle durch staatliche Behörden ist auf Stichproben beschränkt. Zahlreiche dieser Vorschläge sind mit einer Reduzierung der staatlichen Kontrollintensität verbunden. 46 Dies bedeutet, dass Private die dadurch entstehenden 41 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1994, S. 30 f.; vgl. auch Wagner, NVwZ 1995, 1046 (1049 f.). 42 Vgl. Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (87); Knemeyer, FS Blümel, S. 259 ff. (insbes. 264 ff.). Diese Bestrebungen in den Kontext des Schlanken Staates stellend und dies als Privatisierung der Bauaufsicht bezeichnend, Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 ff.; ebenfalls im Kontext von Beschleunigung und Privatisierung Berg, BauR 1995, 611 ff.; s. auch Brenner, LKV 1996, 305 ff.; neben der Beschleunigung auch die Vereinfachung thematisiert Stollmann, NordÖR 2000, 400 ff. 43 Vg. dazu insbesondere im Hinblick auf das Ordnungsrecht v. Danwitz, in: Hendler / Marburger / Reinhardt / Schröder (Hrsg.): Rückzug des Ordnungsrechts im Umweltrecht, S. 53 (61 f.). Dies betrifft allerdings weniger Verfahren der Anlagenzulassung als die präventive Kontrolle von Waren als Gegenstand des grenzüberschreitenden Handels. 44 Eine Auseinandersetzung damit, gerade im Vergleich mit dem Ordnungsrecht, findet sich bei Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 (485 ff.). 45 Auf die Kontrollprobleme bei einem Emissionshandelssystem weist hin LübbeWolff, NVwZ 2001, 481 (488). 46 S. dazu auch schon Buchner, FS Odersky, S. 183 (194). S. auch Fleckenstein, in: Rengeling (Hrsg.): Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, S. 219 (219). Dies kann auch durch den Wegfall des Genehmigungsverfahrens erreicht werden. Interessant ist dabei der empirische Befund, dass die Häufigkeit der Notwendigkeit eines nachträgli-

§1 Die Privatisierungsdiskussion und das Ordnungsrecht

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Lücken ausfüllen müssen, und als ein Mittel dieser Privatisierung erscheinen immer wieder die Sachverständigen. Aber auch abgesehen von einer derartigen Privatisierung durch direkte Übernahme staatlicher Kontrollaufgaben im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, zeigen sich im Genehmigungsrecht immer mehr Einbruchstellen für private Tätigkeit; neue Elemente werden zunehmend für eine Beteiligung Privater offen gestaltet. Dabei wurden zunehmend selbstregulative Elemente wie eine Eigen- bzw. Selbstüberwachung oder aber eine regulierte private Selbstüberwachung in unterschiedlichen Bereichen entweder direkt in das Genehmigungsrecht eingebaut oder aber parallel dazu institutionalisiert. Prominentestes Beispiel ist hier sicherlich das Umwelt-Audit, aber auch das Immissionsschutzrecht selbst zeigt sich zunehmend offener für eine Beteiligung Privater. 47 Vor dem Hintergrund sowohl der allgemeinen als auch der speziell auf das Genehmigungsrecht bezogenen Reformdiskussion erscheint es sinnvoll, Deregulierung und Verfahrensprivatisierung im Zusammenhang mit der Genehmigung und dem Genehmigungsverfahren näher zu untersuchen. Insbesondere gilt es zu betrachten, ob derartige (selbstregulative) Elemente, Elemente einer Verfahrensprivatisierung oder sogar einer weitergehenden Privatisierung eine Rolle im Ordnungsrecht spielen sollen und welche Folgen dies zeitigt. Insbesondere erscheint es sinnvoll, die Stärkung der Selbstverantwortung und die damit verbundene Verantwortungsteilung rechtlich zu strukturieren und allgemeine Verantwortungsregeln zu entwickeln – es bedarf einer rechtlichen Konturierung, um die Verantwortungsteilung zu regulieren. 48 Eine derartige Konturierung und Regulierung einer Verantwortungsteilung im Ordnungsrecht, insbesondere im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Diese konzentriert sich auf das Sachverständigenmodell und thematisiert dieses als ein Modell, das den unterschiedlichen Postulaten der Reformdiskussion Rechnung tragen und sie möglichst weitgehend erfüllen soll. Dabei geschieht dies vor dem Hintergrund, dass das deutsche Genehmigungsrecht zwei gegenläufigen Tendenzen ausgesetzt ist, die es langfristig vor eine Zerreißprobe stellen werden. Auf der einen Seite steht die herkömmliche konditionale Programmierung, abgesichert durch das überlieferte Grundrechtsverchen ordnungsrechtlichen Einschreitens von der Mehrzahl der Befragten (83 Prozent) als unabhängig davon angesehen wird, ob vorher ein Genehmigungsverfahren oder ein Anzeigeverfahren durchgeführt worden ist, s. dazu Ziekow / Oertel / Windoffer, Dauer von Zulassungsverfahren, S. 66. 47 S. dazu unten Kapitel 1. 48 Vgl. dazu Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.) Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (88); Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (84).

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ständnis. Dieser gegenüber steht eine dem angelsächsischen Recht entstammende und über die EU vermittelte finale Programmierung und ein prozedurales Verständnis des Genehmigungsrechts. Dem wiederum steht in Deutschland eine Geringschätzung des Verfahrens gegenüber, die sich sowohl auf legislativer als auch auf judikativer Ebene zeigt, z. B. in den Regelungen über die Fehlerfolgen 49. Das Sachverständigenmodell bewegt sich innerhalb dieses diffizilen Geflechts – es zielt primär auf ein richtiges Ergebnis, das nunmehr sachverständig ermittelt werden soll. Wie zu zeigen sein wird, ist der ideale Anwendungsbereich des Sachverständigenmodells ein Bereich der konditionalen Programmierung. Gleichzeitig entzieht es Teile des Verfahrens dem Einflussbereich der Verwaltung, denn es findet dadurch eine Verfahrensprivatisierung statt. Diese wird staatlicherseits durch eine indirekte Qualitätskontrolle begleitet. Insofern verändert sich der Charakter der Rolle, die der Staat im Verfahren einnimmt.

§ 2 Die rechtswissenschaftliche Erfassung und Begleitung der Privatisierung Privatisierungen wurden in zahlreichen Rechtsgebieten durchgeführt. Dabei sind unterschiedliche Phänomene aufgetreten. Dies löst das Bedürfnis nach einer Erfassung und Systematisierung aus. Nachfolgend soll zentral auf die wesentlichen, in diesem Zusammenhang entwickelten Begrifflichkeiten eingegangen werden, und zwar die Erfassung der Phänomene der Privatisierung durch unterschiedliche Privatisierungsbegriffe (dazu 1.), den Begriff der Verantwortung als Grundlage des Konzepts der Verantwortungsteilung (dazu 2.) und die Diskussion um Verantwortung und Verantwortungsteilung, die einen weitaus stärkeren Bezug zu der jeweiligen Aufgabe aufweist (dazu 3.).

1. Die verschiedenen Privatisierungsbegriffe Die Phänomene der Privatisierung werden durch unterschiedliche Privatisierungsbegriffe erfasst und systematisiert. Angesichts der breiten, einheitlichen Ver49 Beispielshaft zu nennen sind hier § 46 VwVfG, § 44a VwGO und §§ 214 f. BauGB. Dem gegenüber steht auch eine Tendenz zur Regelung einzelner Verfahrenselemente. Insbesondere sind hier die durch das GenVerfBeschlG eingefügten §§ 71a ff. VwVfG zu nennen. Allgemein zu dem Konzept der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der gerichtlichen Kontrolle auf der einen Seite und dem Konzept der Richtigkeitsgewähr durch Verfahren auf der anderen Seite siehe auch Dolde, NVwZ 2006, 857 (862). Allerdings hat das OVG Koblenz, Beschluss vom 25. 1. 2005 – 7 E 12117/04, NVwZ 2005, 1208 (1211) angenommen, dass immissionsschutzrechtliche Verfahrensregeln dann drittschützend sein können, wenn eine Öffentlichkeitsbeteiligung zur Umsetzung der Umweltverträglichkeitsprüfungsvorschriften vorgesehen ist.

§2 Erfassung und Begleitung der Privatisierung

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wendung dieser Begriffe ist es müßig, diese noch einmal ausgiebig darzustellen; es kann vielmehr vorliegend nur darum gehen, diese noch einmal als Grundlage der Untersuchung in einem kurzen Überblick vorzustellen. 50 Ausgangspunkt ist eine grobe Charakterisierung des Oberbegriffs Privatisierung. Diese besteht in einer Verlagerung von Angelegenheiten, die bisher von der öffentlichen Hand wahrgenommen wurden, in den privaten Bereich bzw. in die diesem vorgelagerten Grauzonen. 51 Dabei können Organisationsprivatisierung, Vermögensprivatisierung, Finanzierungsprivatisierung, materielle Privatisierung, funktionelle oder funktionale Privatisierung und Verfahrensprivatisierung unterschieden werden. Die Organisationsprivatisierung (oder auch formelle Privatisierung) 52 zeichnet sich dadurch aus, dass der Staat bzw. ein Verwaltungsträger sich einer Aufgabe nicht entledigt, sich zu ihrer Wahrnehmung aber der Formen des Privatrechts bedient, indem er sich zur Aufgabenwahrnehmung als Eigengesellschaften gegründeter juristischer Personen des Privatrechts bedient. Auch die Beleihung wird als eine Form der Organisationsprivatisierung angesehen. 53 Letztlich handelt es sich um eine besondere Form der Organisationsprivatisierung, da nicht eine juristische Person des Privatrechts geschaffen und mit der Aufgabe betraut wird, sondern eine natürliche Person, die anders als eine juristische keine eigene Funktionslogik erhalten kann. Im Ergebnis handelt es sich strukturell um das Gleiche – eine öffentliche Aufgabe verbleibt weiterhin in der Zuständigkeit eines Trägers hoheitlicher Verwaltung, die Durchführung selbst wird aber durch ein Subjekt des Privatrechts durchgeführt, das jedoch in die Verwaltung eingebunden wird. Das Privatrechtssubjekt handelt eben nicht als Privatrechtssubjekt, sondern als Teil der Verwaltung, auch wenn dies nach außen nicht immer deutlich wird. Unter einer Vermögensprivatisierung wird die Übertragung staatlichen Eigentums auf Private verstanden. Dies kann beispielsweise in Form der Veräußerung von Grundeigentum, aber auch in der Veräußerung von Beteiligungen geschehen. Die Finanzierungsprivatisierung ist eine relativ neue Figur im Rahmen dieser Begrifflichkeit und dient der Übertragung einer Aufgabe insofern auf Private, als 50 S. aus der umfangreichen Literatur zu diesen Begriffen Burgi, NVwZ 2001, 601 (603); ders., Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 10 ff.; Di Fabio, JZ 1999, 585 (585 ff.); Gädeke, Öffentliche und private Entsorgungsverantwortung, S. 202 ff.; Gersdorf, JZ 2008, 831 (831 f.); Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1043 f.); Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 18 ff.; Mayen, DÖV 2001, 110 ff.; Schoch, DVBl. 1994, 962 (962 f.); Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 370 ff.; Weisel, Das Verhältnis von Privatisierung und Beleihung, S. 46 ff.; etwas andere, sektorspezifisch entwickelte Privatisierungsbegriffe verwendet Wiesemann, NVwZ 2005, 391 (392 f.); Schmidt, LKV 2008, 193 (193). 51 Weisel, Das Verhältnis von Privatisierung und Beleihung, S. 46. 52 Teilweise wird sie auch als Scheinprivatisierung bezeichnet, Mayen, DÖV 2001, 110 (111). 53 Burgi, FS Maurer, S. 581 (586); ders., Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 79; Peine, DÖV 1997, 353 (362).

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dass sie die Finanzierungslast tragen müssen, gleichzeitig aber unterschiedlich strukturierte Einnahmen erzielen können. Gegenstand dieser Form der Privatisierung sind die bereits oben erwähnten Public-Private-Partnerships. 54 Die materielle Privatisierung zeichnet sich durch eine echte Aufgabenverlagerung in den privaten Sektor aus. Der Staat nimmt eine Aufgabe nicht länger wahr. Durch die Reduzierung des Aufgabenbestands tritt eine Staatsentlastung ein. 55 Die funktionale Privatisierung, die auch Teilprivatisierung 56 oder Erfüllungsprivatisierung 57 genannt wird, wird klassischer Weise mit der Verwaltungshilfe in Verbindung gebracht. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Aufgabenzuständigkeit und damit die Aufgabenverantwortung beim Staat bzw. dem Träger öffentlicher Verwaltung verbleibt, der Vollzug der Aufgabe, also die Leistungserstellung und die eigentliche Aufgabendurchführung, aber auf einen privaten Verwaltungshelfer übertragen wird. 58 An ihrem Ende steht somit ein Fall der privatrechtsförmig erbrachten Verwaltungshilfe; die funktionale Privatisierung ist 54 Gut illustriert werden kann diese Form der Privatisierung anhand des Beispiels des mautfinanzierten Baus, Betriebs und der Unterhaltung einer Fernstraße. Der Private trägt die Finanzierungslast für Bau, Betrieb und Unterhaltung und wird dadurch entlohnt, dass er die Mauteinnahmen (eventuell auch nur teilweise), erhält. S. zu derartigen Modellen in Deutschland auch Dreher, NZBau 2002, 245 ff.; Roth, NVwZ 2003, 1056 ff. Die ersten derartigen Public-Private-Partnerships auf der Grundlage des sogenannten A-Modells, wurden im Laufe des Jahres 2007 an die privaten Betreiber vergeben und werden derzeit bereits umgesetzt. 55 Wobei wohl weiterhin eine Gewährleistungsverantwortung beim Staat verbleiben kann, s. das Konzept von Reichard, in: Frieder / Naschold u. a. (Hrsg.): Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 101 ff., 119, zitiert nach Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 373. 56 Zu beachten ist, dass nach Schoch, DVBl. 1994, 962 (963) alle Formen der Privatisierung für eine Teilprivatisierung geeignet sind und daher der Begriff der Teilprivatisierung nicht auf die funktionale Privatisierung eingeengt werden kann. Die Bezeichnung als Teilprivatisierung verwendet Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 371, der damit zum Ausdruck bringen will, das ein Teil der Aufgabe privatisiert wird, nicht aber die Aufgabenzuständigkeit. 57 Schmidt, LKV 2008, 193 (193). 58 Schoch, DVBL. 1994, 962 (963); Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 371; Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 31; Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 134. Dabei werden die Betreiber- und Betriebsführungsmodelle als Gegenstand der funktionalen Privatisierung bezeichnet. An dieser Stelle wird deutlich, dass ein einheitlicher Lebensvorgang u.U. gleichzeitig mehrere Formen der Privatisierung darstellen kann. Insbesondere derartige Betreiber- und Betriebsführungsmodelle stellen gleichzeitig eine Finanzierungsprivatisierung und eine funktionale Privatisierung dar, wobei diese Unterscheidung sich allerdings lediglich auf die verschiedenen Gegenstände der Privatisierung, nämlich zum einen die Finanzierungslast und zum anderen die Aufgabendurchführung selbst (der Gegenstand der Finanzierung, die insoweit nur Hilfsmittel der Aufgabendurchführung ist), bezieht.

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dabei schlicht durch das funktionale Bezogensein auf eine staatliche Tätigkeit (und nicht mehr durch eine Unselbständigkeit des Helfers) gekennzeichnet. 59 Die funktionale Privatisierung wird auch vereinzelt als Unterfall der materiellen Privatisierung angesehen, 60 was allerdings die Unterschiede nicht hinreichend erfassen dürfte. Während bei der materiellen Privatisierung eine Aufgabe insgesamt privatisiert wird, wird es bei der funktionalen Privatisierung nur ein Teil der Aufgabe. Die Verfahrensprivatisierung gilt als der jüngste der Begriffe und weist noch am wenigsten Konturen auf, zumal die Verfahrensprivatisierung auch Aspekte der anderen Formen einer Privatisierung aufgreift. Zu eng dürfte es sein, eine Verfahrensprivatisierung lediglich dann anzunehmen, wenn die Sachentscheidung weiterhin von der Behörde zu treffen ist und nur vorbereitende Verfahrensschritte von Privaten wahrgenommen werden. 61 Der Begriff der Verfahrensprivatisierung geht darüber hinaus. Erfasst wird, dass bisher behördliche Verfahrensbestandteile in die Verantwortung des Antragstellers gegeben werden (verfahrensentlastende Eigenbeiträge), dass ein privates Verfahrensmanagement durch den Einsatz behördlich beauftragter privater Projektmanager oder privater Verfahrensmittler oder durch Übertragung bestimmter Prüfaufgaben auf Private erfolgt, oder aber, dass Prüf- und Planungsvorgänge aus der behördlichen Verantwortung herausgenommen und in die Hände privater Sachverständiger gelegt werden. 62 Insofern ist der Begriff der Verfahrensprivatisierung weiter als derjenige der funktionalen Privatisierung, greift aber Phänomene der funktionalen Privatisierung, wie aber auch der formellen, bei einem engen Verständnis der Aufgabe auch der materiellen 63 Privatisierung auf. Jedenfalls erfasst der Begriff 59 Burgi, FS Maurer; S. 581 (586); Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 6 Rn. 21; Schoch, DVBL. 1994, 962 (963); vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob Korioth, DÖV 1996, 665 (671 f.) das Sachverständigenmodell im Baurecht zutreffend unter die funktionale Privatisierung subsumiert. 60 S. dazu, allerdings zutreffender Weise ablehnend Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 80 ff. 61 S. Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (89). Zum Begriff der Verfahrensprivatisierung s. auch Hoffmann-Riem, in: ders. / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 9 (13 f.) = DVBl. 1996, 225 (226); Peine, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 95 (101 f.). 62 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 372. Vgl. auch Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 30; vgl. Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, 225 (226); s. auch Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 43 f., der sich allerdings mangels terminologischer Klarheit und Trennschärfe kritisch äußert; wohl auch Weisel, Das Verhältnis von Privatisierung und Beleihung, S. 50. Etwas enger Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 31, der die funktionale Privatisierung im Wesentlichen als deckungsgleich mit der Verfahrensprivatisierung ansieht und daher nur vorbereitende Verfahrensbeiträge als Gegenstand der Verfahrensprivatisierung ansieht.

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der Verfahrensprivatisierung die Fälle, in denen der Staat zwar weiterhin die materiellen Regeln vorgibt, allerdings seine Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der konkreten Rechtsverwirklichung teilweise zugunsten privat durchgeführter Verfahrenselemente zurücknimmt. 64 Auch wenn dieser Begriff unterschiedliche Phänomene erfasst und Unschärfen aufweist, so wird er doch für die Privatisierung im Bauordnungsrecht, die in Form von Sachverständigenmodellen geschehen ist, verwendet. Auf derartige Modelle der Reduzierung oder gar des völligen Wegfalls staatlicher Kontrolle wendet auch Schmidt-Kötters den Begriff der Verfahrensprivatisierung an und sieht davon die Organisation der Verwaltung selbst wie auch die Organisation ihrer Aufgaben bei der Ausgestaltung der präventiven Kontrolle durch Genehmigungsverfahren, ihre Handlungsformen sowie auch den völligen Wegfall präventiver staatlicher Kontrolle umfasst. 65 Insofern bezieht er ihn auf alle Elemente der Ausgestaltung eines Sachverständigenmodells. 66

2. Der Begriff der Verantwortung im Ordnungsrecht Die Privatisierungsdiskussion ist geprägt von unterschiedlichen Schlüsselbegriffen und Leitbildern. Als Leitbild wird der „Gewährleistungsstaat“ genannt, als Schlüsselbegriffe die mit diesem Leitbild verbundenen Begriffe der „regulierten Selbstregulierung“ und der „Verantwortungsteilung“. 67

63 So auch Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (35). 64 Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 41, 121; Goerlich, DVBl. 1996, 1 (3). Vgl. auch Hoffmann-Riem, in: ders. / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 9 (19 ff.). 65 Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (35). 66 So auch Ritter, DVBl. 1996, 542 (546 f. Unzutreffend dürfte es daher sein, das Sachverständigenmodell als funktionale Privatisierung anzusehen, so aber Korioth, DÖV 1996, 665 (671 f.). 67 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (283 ff.) mit umfangreichen Nachweisen zu diesen Begriffen; Trute, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, Die Verwaltung, Beiheft 2, S. 9 (10). S. zu den Bezeichnungen des Begriffes der Verwaltungsverantwortung als „Leitbegriff“, „Schlüsselbegriff“ oder „interdisziplinärer Verbundbegriff“ Röhl, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, Die Verwaltung, Beiheft 2, S. 33 (33) mit Nachweisen. Letztlich handelt es sich bei der privaten Kontrolle durch den Sachverständigen, die im Rahmen des nachfolgend zu entwickelnden Sachverständigenmodells erfolgt, aufgrund des begleitenden und einrahmenden Rechts (siehe dazu Kapitel 5) um eine Erscheinungsform des Modells der hoheitlich regulierten Selbstregulierung, vgl. Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 285 m.w. N.

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Der Begriff des Gewährleistungsstaates 68 und seine Bedeutung für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren werden im Verlauf dieser Arbeit untersucht und präzisiert. Unter dem Begriff der regulierten Selbstregulierung 69 kann die Einbeziehung Privater zur Verfolgung eigennütziger Interessen verstanden werden, 70 wobei diese Einbeziehung durch den Staat in der Form reguliert wird, dass die Tätigkeit und Aufgabenwahrnehmung strukturiert und geformt, eventuell aber auch lediglich beaufsichtigt werden. 71 Nach Schmidt-Aßmann weist dieses Konzept folgende Ordnungsmerkmale auf: 72 (1.) Erhalt der Eigenrationalität beider Subsysteme, d. h. einerseits der staatlichen Neutralität und andererseits der gesellschaftlichen Spontanität, (2.) Erhalt der Flexibilität gegenüber einmal getroffenen Arrangements, (3.) Notwendigkeit der fortgesetzten Selbstbeobachtung in beiden Teilsystemen, die mit einer Tendenz zur Publizität verbunden ist, und (4.) Strukturbildung mit Hilfe staatlicher Gesetze, die dem Regelungszusammenhang Zielvorgaben und Rahmen setzen. Interessanterweise nennt er drei Positionen, die in diesem Zusammenhang zu beachten sind, und zwar: (1.) die Interessen der die Selbstregulierung tragenden Kräfte, (2.) die Interessen Dritter 68

S. dazu insbesondere Kapitel 5. S. dazu grundlegend Hoffmann-Riem, in: ders. / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261 (300 ff.); Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 ff.; s. auch die Beiträge in dem Beiheft 4 zu der Zeitschrift die Verwaltung mit dem Titel: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaats; daraus insbesondere Voßkuhle, S. 197 ff. (auf S. 198 Fn. 6 finden sich zahlreiche weitere Nachweise); ebenfalls Schmidt-Aßmann, S. 253 ff.; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht – unter besonderer Berücksichtigung der Selbstverpflichtungen, 2001; Finckh, Regulierte Selbstregulierung im Dualen System, 1998; Körber, Staatliche Steuerung und gesellschaftliche Selbstregulierung in der Chemikalienkontrolle, 1998; Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1997), 160 ff.; Trute, DVBl. 1996, 950 ff.; zur Selbstregulierung s. auch Ziesak, Regulierung oder Selbstregulierung, 2002; s. auch die Beiträge in dem Sammelband von Klopfer (Hrsg.): SelbstBeherrschung im technischen und ökologischen Bereich. Selbststeuerung und Selbstregulierung in der Technikentwicklung und im Umweltschutz, 1998. 70 So Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (87); zu den Regulierungsbegriffen s. im Einzelnen Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 347 ff.; s. auch Ritter, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 6 (14); Hoffmann-Riem, JZ 1999, 421 (423 ff.), allerdings bezogen auf den Bereich der Justiz. Auf S. 424 nimmt er Bezug auf die Eigenlogik, z. B. von Güteverfahren, wobei für das Begriffsverständnis die freiwillige Teilnahme scheinbar nicht erforderlich ist. Zur hoheitlichen Regulierung gesellschaftlicher Selbstregulierung im Umweltschutz s. auch Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 28 (1995), 425 (430 ff.). 71 Vgl. dazu auch Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (262 f.). Zur erforderlichen Kontrolle der Kontrolleure auch im Rahmen der Nutzung selbstregulativer Elemente Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1997), 160 (173); Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 310. 72 in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, Die Verwaltung, Beiheft 4, S. 253 (264 f.). 69

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und (3). die Interessen der staatlichen Akteure, 73 was genau die Interessenstruktur im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens widerspiegelt. Gerade aber das Merkmal der Einbeziehung Privater, die eigennützig ihre eigenen Interessen verfolgen, ist zu relativieren, denn es wird, wie sich bereits aus dem Begriff selbst ergibt, ein Spannungsfeld aus Fremd- und Selbstbestimmung beschrieben. 74 Daher stellt sich die Frage, wie viel Selbstbestimmung sich mit der Regulierung und wie viel Fremdbestimmung sich mit der Selbstregulierung verträgt. Jedenfalls wird die Einbeziehung von Sachverständigen in präventive Verfahren über ein Sachverständigenmodell, das den Rückzug des Staates aus der präventiven Kontrolltätigkeit voraussetzt, als derartige regulierte Selbstregulierung angesehen. 75 Dies kann wohl damit begründet werden, dass hier Private tätig werden müssen, um ihr Eigeninteresse, nämlich das übergreifende Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens, zu verwirklichen. Darüber hinaus werden Sachverständige aufgrund privatrechtlicher Beauftragung tätig. Reguliert wird dies über die Verfahrensmodelle der gestuften Eröffnungskontrolle, die Regulierung der Einbeziehung von Sachverständigen sowie über ein Gewährleistungsverwaltungsrecht. 76 Dazu kann, ohne es an dieser Stelle allerdings erschöpfend ansprechen zu wollen, kritisch angemerkt werden, dass grundsätzlich die Selbstregulierung die Nutzung der eigenen Handlungslogik Privater und die Nutzung ihrer eigenen Interessen für eine Aufgabenerfüllung verlangt. 77 Die verpflichtende, rechtlich weitgehend ausgestaltete Einbeziehung im Rahmen eines Sachverständigenmodells deckt sich nur begrenzt mit diesem Begriffsverständnis. Diese Form der Einbeziehung zeichnet sich nicht nämlich durch die Einräumung von Freiräumen, wie sie die Selbstregulierung kennzeichnen, aus. Die private Tätigkeit wird weitgehend vorstrukturiert, so dass sich die Frage stellt, inwieweit die Bezeichnung als Selbstregulierung noch gerechtfertigt erscheint. Die Verfolgung des Ziels der Zulassung, aber auch des Ziels der Aufgabenerfüllung durch den 73 Schmidt-Aßmann, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, Die Verwaltung, Beiheft 4, S. 253 (262). Als zu beachtende Probleme im Hinblick auf die staatlichen Akteure nennt er ein Informations-, ein Handlungsund ein Mentalitätsproblem. 74 Vgl. dazu Voßkuhle, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, Die Verwaltung, Beiheft 4, S. 197 (199). 75 Vgl. Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1997), 160 (194 ff.); Schmidt-Aßmann, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, Die Verwaltung, Beiheft 4, S. 253 (256, 260); Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 308; Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (87). Diese Einordnung scheint vor dem Hintergrund der 4 Deregulierungstypen bei Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 347 ff., als nachvollziehbar. 76 Zu dem Begriff s. unten, Kapitel 5. 77 Vgl. das Verständnis auch bei Gusy, ZUR 2001, 1 (4).

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Sachverständigen, mag selbstbestimmt sein, die eigentliche Aufgabenwahrnehmung aber nur in geringem Umfang. Jedenfalls wird dieses Leitbild der weiteren Untersuchung nicht zu Grunde gelegt, da es nur eingeschränkt geeignet erscheint, die Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privaten im Rahmen eines Sachverständigenmodells näher zu beleuchten. Es kann die Handlungslogik und die entstehenden Interessenlagen sowie Problemfelder identifizieren, ist aber gerade nicht auf die Aufgabenverteilung hin angelegt. Die Begriffe der staatlichen Steuerung und der gesellschaftlichen Selbstregulierung stellen zwar einerseits den Problembefund, andererseits aber auch das erhoffte Lösungsmittel dar, sie können jedoch darüber hinaus die Aufgabenwahrnehmung nicht strukturierend erfassen. Dies ist aber der Anspruch des Konzepts der Verantwortungsteilung. Daher ist als ordnungsbildender Topos und zur Strukturierung der weiteren Überlegungen der Begriff der Verantwortungsteilung zu untersuchen. a) Der Begriff der Verantwortung und die Verwaltungsverantwortung Der Begriff der Verantwortungsteilung baut auf dem Begriff der Verantwortung auf. Er wird gerne als „großes Wort“ 78 bezeichnet und nahezu ubiquitär verwendet. 79 Allerdings bleibt, ganz im Gegensatz zu der Häufigkeit der Verwendung, der genaue Bedeutungsgehalt in der konkreten Verwendung häufig unklar. 80 Als Grundlage einer nutzbringenden Verwendung dieses Begriffes, insbesondere im Zusammenhang mit dem Konzept der Verantwortungsteilung, gilt es daher, sich über seine Struktur und seinen Inhalt die notwendige Klarheit zu verschaffen. Indem sein Bedeutungsgehalt hinsichtlich eines mit seiner Verwendung verbundenen „Transports von Inhalten“ klar herausgearbeitet wird, kann er „aufnahmefähig“ für neue Verwendungen gemacht werden. Der Begriff der Verantwortung weist eine bestimmte Struktur auf und zeichnet sich durch gewisse Kriterien aus, 81 und zwar muss es als personalen Bezugspunkt einen Träger der Verantwortung geben. Die Verantwortung bedarf 78

S. Di Fabio, Ein großes Wort, FAZ vom 2. Mai 2002, S. 10. Zu den zahlreichen, die Bedeutung hervorhebenden Bezeichnungen für den Begriff der Verantwortung s. auch Dreier, in: Neumann / Schulz (Hrsg.): Verantwortung in Recht und Moral, S. 9 (10). 80 Es wird häufig ein Bedeutungsgehalt unterstellt, ohne dass dem Umstand Rechnung getragen wird, dass der Verantwortungsbegriff trotz, oder gerade auch wegen seiner inflationären Verwendung stark ausfüllungsbedürftig und kontextabhängig geblieben ist, Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003) 267 (270 Fn. 9); Röhl, DVBl. 2006, 1070 (1070). 81 S. Sachs, DVBl. 1995, 873 (876 ff); dort sind allerdings die Aspekte der Zurechnung sowie des weisungsunabhängigen Entscheidungsspielraums nicht enthalten. S. insofern 79

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eines Gegenstands, regelmäßig ein zu beeinflussendes Verhalten des Verantwortungsträgers. Sie bedarf eines Maßstabes, um das zu verantwortende Verhalten zu bewerten, und es bedarf einer Zurechnung zwischen Träger der Verantwortung und Verantwortungsgegenstand (Subjekt und Objekt der Verantwortung), die die Verantwortung begründet. Darüber hinaus kann eine Verantwortung nur bestehen im Fall der Existenz eines weisungsunabhängigen Entscheidungsspielraums (Verantwortung als notwendiges Korrelat von Freiheit). Unklar ist, ob die Existenz einer die Verantwortung einfordernden Instanz erforderlich ist, die auch als Gegenüber des Verantwortungsträgers oder als Verantwortungsadressat bezeichnet wird. Zudem verlangt zumindest das Ursprungsverständnis der Verantwortung eine Sanktion. Von besonderer Bedeutung für den Inhalt des Begriffes der Verantwortung ist der Verantwortungsgegenstand. Dabei kann im Wesentlichen unterschieden werden zwischen einer retrospektiven Verantwortung, einer prospektiven Verantwortung und einer faktischen Verantwortung. Die retrospektive Verantwortung, die auch als klassische Verantwortung bezeichnet wird, ist ein Zurechnungsbegriff. Die Grundlage dieser Zurechnung besteht in der Zuständigkeit für eine Aufgabe, zu deren Erfüllung der Verantwortungsträger verpflichtet ist. 82 Infolge der neuartigen und neu dimensionierten Risiken des modernen Staates 83 sowie zunehmender gesellschaftlicher Komplexität, die sich auch in der Notwendigkeit von Zustandsveränderungen äußert, hat sich der Verantwortungsbegriff von dieser retrospektiven Verantwortung aus weiterentwickelt. Dies äußert sich in einem Perspektivenwechsel, der dazu führte, dass nunmehr auch demjenigen eine Verantwortung zugeschrieben wird, der für die Erledigung einer in der Zukunft liegenden bestimmten Aufgabe zuständig ist. 84 Dabei handelt es sich um die Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (54 und 55); s. auch Di Fabio, Ein großes Wort, FAZ v. 2. Mai 2002, S. 10; zu dem Kriterium des Verantwortungsgegenstandes s. Röhl, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, Die Verwaltung, Beiheft 2, S. 33 (35 ff.). Unklar ist, ob alle Kriterien vorliegen müssen. So wohl Voßkuhle, a. a. O., S. 55, wobei er allerdings nicht die Sanktion als eigenes Kriterium nennt, und ausgehend von seinem Verständnis der die Verantwortung einfordernden Instanz, ist sie für ihn auch nicht ein solches. 82 S. zu dieser Bayertz, in: ders. (Hrsg.): Verantwortung. Prinzip oder Problem?, S. 3 ff.; Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 178 ff.; Kaufmann, in: Lampe (Hrsg.): Verantwortlichkeit und Recht, S. 204 (205 f.); Picht, Der Begriff der Verantwortung, in: Wahrheit, Vernunft, Verantwortung, S. 318 ff.; Röhl, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, Die Verwaltung, Beiheft 2, S. 33 (35); im Hinblick auf die Aufgabe auch Schwartländer, Beitrag Verantwortung, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, S. 1577 (1582 f.). 83 Höfling, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 155 (156 f.). 84 Röhl, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, Die Verwaltung, Beiheft 2, S. 33 (36). Birnbacher, in: Bayertz (Hrsg.): Verantwortung. Prinzip oder Problem?, S. 143 (146). Dieser Gedanke findet sich auch schon bei Picht, Wahrheit, Vernunft, Verantwortung,

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sogenannte prospektive Verantwortung. Aber auch hier zeigt sich wieder der Anknüpfungspunkt der Aufgabe, die zu Grunde liegende Aufgabe ist Substrat jeder Verantwortung. 85 Die faktische Verantwortung wiederum beschreibt die Situation, dass der Träger dieser Verantwortung die tatsächliche Entscheidung in einem gewissen Ausmaß beeinflusst, ohne dass die Folge einer Zurechnung gezogen wird. 86 Die vorliegende Untersuchung befasst sich damit, dass ehemals staatliche Aufgaben nunmehr durch Private wahrgenommen werden. Dementsprechend befasst sich ein zu entwickelndes rechtliches Instrumentarium weder mit der Zurechnung vergangenen Fehlverhaltens noch mit der Beeinflussung einer staatlichen Entscheidung. 87 Es geht vielmehr um die rechtliche Strukturierung der Erledigung einer Aufgabe, die in der Zukunft liegt. 88 Dementsprechend betrifft die hier interessierende Verantwortung, die im Rahmen eines Sachverständigenmodells bewältigt werden soll, die Kategorie der prospektiven Verantwortung. Im Rahmen der Unterteilung der Verantwortung in eine Handlungs-, eine Folgen- und eine Ergebnisverantwortung handelt es sich um eine Ergebnisverantwortung – die Strukturierung des Sachgebiets dient einem Ergebnis, nämlich der Einhaltung des materiellen Rechts im Rahmen eines privaten Vorhabens. Allerdings ist eine maßgebliche Begrenzung des Begriffes der Verantwortung zu beachten – er ist nämlich zutreffend als heuristischer Begriff eingestuft worden. Letztlich geht es bei der Verantwortung darum, moralische und ethische, aber auch rechtliche Pflichten zu erfassen und die Wahrnehmung dieser Pflichten sowie das Einstehen für Pflichtversäumnisse zu strukturieren. Allerdings dient der Begriff der Verantwortung nicht dazu, derartige Pflichten selbst zu begründen. Insofern baut er auf einem Pflichtenbestand, der außerhalb dieses Begriffes begründet wird, auf. In gleicher Weise ist er in der rechtlichen Diskussion nicht S. 323; s. dazu auch im Hinblick auf Art. 20a GG als Ausdruck einer Zukunftsverantwortung Dreier, in: Neumann / Schulz (Hrsg.): Verantwortung in Recht und Moral, S. 9 (31 ff.); s. auch Höfling, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 155 (156); s. dazu auch Krawietz, in: Bayertz (Hrsg.): Verantwortung. Prinzip oder Problem?, S. 184 (191 ff.), der allerdings der prospektiven Verantwortung als eigener Verantwortungskategorie kritisch gegenüber steht. 85 S. auch Kahl, Staatsaufsicht, S. 534 f.; zum Zusammenhang zwischen Verantwortung und Aufgabe s. auch Trute, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167 ff.; vgl. auch Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 118 ff. 86 Röhl, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, Die Verwaltung, Beiheft 2, S. 33 (37). 87 Zu diesem Phänomen der faktischen Verantwortung Privater und der darauf bezogenen Verfahrensverantwortung des Staates Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (286). 88 Zu dem Aspekt der Zuständigkeit für eine Aufgabe Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 42.

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geeignet, Anhaltspunkt für Rückschlüsse insbesondere auf staatliche Aufgaben zu liefern. Der Begriff der Verantwortung gewinnt Konturen alleine dann, wenn eine dem Verantwortungsbegriff vorgelagerte Entscheidung dahingehend besteht, dass eine bestimmte Aufgabe wahrgenommen wird. Dies kann durch eine staatliche Entscheidung geschehen, kann sich aber auch aus höherrangigem Recht, namentlich der Verfassung, ergeben. Es ist also unzutreffend, den Verantwortungsbegriff normativ aufzuladen und daraus eine Schlussfolgerung zu ziehen, etwa in der Form: Weil eine Verantwortung besteht, muss der Staat ....! Dementsprechend bleibt der Verantwortungsbegriff als Maßgabe für die staatliche Verwaltung inhaltsleer, soweit der Staat nicht entweder aus der Verfassung oder aber aufgrund einer einfachrechtlichen Entscheidung dazu verpflichtet ist, Verantwortung wahrzunehmen und einer Aufgabe zu erfüllen. 89 Mit dem Verantwortungsbegriff kann eine Aufgabenerfüllung entweder durch den Staat oder auch Private nur dann erfasst werden, wenn die Verpflichtung zur Wahrnehmung der Aufgabe außerhalb dieses Begriffes begründet worden ist. Der Begriff der Verantwortung dient einer Strukturierung dieser Aufgabenwahrnehmung. b) Der Anknüpfungspunkt – Der Verantwortungsbegriff im Ordnungsrecht Dementsprechend stellt sich für das Ordnungsrecht die Frage, welche Aufgabe der Verantwortung zu Grunde liegt und welcher Anknüpfungspunkt für die Verantwortung besteht, damit der Begriff nicht nur inhaltsleer verwendet wird. Gegenstand der Untersuchung ist die präventive Schranke, also ein überwindbares präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. 90 Diese kann durch unterschiedliche Formen der sogenannten gestuften Eröffnungskontrolle überwunden werden. Sollte dabei eine Genehmigung erforderlich sein, hängt das Überwinden der Schranke davon ab, dass die Behörde die beantragte Tätigkeit des Privaten als in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben ansieht. Und hierin zeigt sich der Charakter der Aufgabe der Verwaltung – die Tätigkeit besteht in der Kontrolle einer privaten Tätigkeit. Demnach trifft die Verwaltung eine Verantwortung für die Verwirklichung bzw. Einhaltung des materiellen Rechts. Die Wahrnehmung dieser Verantwortung erfordert entweder auf präventiver oder aber auch auf repressiver Ebene eine Kontrolle, denn allein dadurch kann die Übereinstimmung eines Vorhabens mit dem materiellen Recht festgestellt werden. Somit wird die Aufgabe: Gewährleistung der Einhaltung des materiellen Rechts durch eine Kontrolle privater Vorhaben wahrgenommen. Diese Aufgabe 89 Vgl. dazu auch Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (190). 90 S. dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 55.

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und die Frage ihrer Wahrnehmung bzw. die verschiedenen Rollen der Akteure, die zu ihrer Wahrnehmung berufen sind, sind Gegenstand der Untersuchung. Die Kontrollpflicht im Rahmen des Ordnungsrechts umfasst mehrere Dimensionen, und zwar spielen hier eine Rolle die Verifizierung des Kontrollgegenstandes, die Ermittlung der Kontrollmaßstäbe im Einzelfall sowie die Überprüfung des Kontrollgegenstandes auf Übereinstimmung mit diesen Maßstäben. Aber alle drei Aspekte zusammen bilden die notwendige Kontrolle eines genehmigungsbedürftigen Vorhabens und sind somit von der Verantwortung umfasst. Im Hinblick auf die Aufgabe der Gewährleistung der Einhaltung des materiellen Rechts lässt sich zudem zwischen einer Verantwortung in sachlicher Hinsicht und einer in zeitlicher Hinsicht unterscheiden. Die Verantwortung in sachlicher Hinsicht bezieht sich auf den jeweiligen Zeitpunkt einer Kontrolltätigkeit und bedeutet lediglich, dass das Objekt der Kontrolle zu diesem Zeitpunkt mit den Vorgaben übereinstimmt. Die Dimension der Verantwortung in zeitlicher Hinsicht berücksichtigt auch die Frage der zukünftigen Übereinstimmung des Kontrollobjekts mit sowohl den jetzigen als auch den zukünftigen Bestimmungen. Hier geht es sowohl um die Frage der Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung im Rahmen einer aktuellen, an sich statischen Kontrolle als auch um die Frage, wie die Effektivität einer zukünftigen Kontrolle gesichert werden kann. Da sich die präventive Kontrolle als Ausgangspunkt jeglicher Kontrolltätigkeit im Regelfall in einer Genehmigung niederschlägt geht es hier um die zeitliche Wirkung einer Genehmigung, also die Bestandskraft. Jedenfalls handelt es sich im Rahmen der Regelung und Strukturierung der präventiven Kontrolle immer darum, eine zukünftige Aufgabe, nämlich die zukünftige Kontrolle von Vorhaben, zu regeln, und dementsprechend handelt es sich hier um eine prospektive Verantwortung. Ein weiteres, allerdings von der Funktion her unterschiedliches, Beispiel dafür, dass eine Verantwortung in Form einer Kontrolle besteht, ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Diese trägt eine Verantwortung für die Gewährleistung eines effizienten Individualrechtsschutzes; die dabei wahrzunehmende Aufgabe ist die richterliche Kontrolle. 91 Hier zeigt sich somit ein verallgemeinerungsfähiger Zusammenhang zwischen einer Gewährleistung und der diese erfüllenden Kontrolle.

3. Verantwortungsteilung und Verantwortungsstufung Der Begriff der Verantwortung hat insbesondere im Rahmen des nun darzustellenden Konzeptes der Verantwortungsteilung eine besondere Bedeutung für 91

Burmeister, JUTR1988 (UTR Band 5), S. 121 (127).

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die Erfassung und Strukturierung des Zusammenwirkens von öffentlichem und privatem / gesellschaftlichem Sektor infolge einer Privatisierung. Grundlage dieser Bedeutung ist die Erkenntnis, dass Verantwortung nicht notwendigerweise unteilbar ist. 92 Grundlegend werden dabei zwei Formen der Verantwortungsteilung unterschieden. Zum einen wird die Verantwortung für ein Objekt einem Kollektiv aus mehreren Personen zugeordnet, die z. B. in einer juristischen Person zusammengefasst sind und innerhalb derer wiederum bestimmten Personen jeweils eine spezifische Verantwortung zugewiesen ist. 93 Zum anderen besteht die Möglichkeit der Parzellierung großer Verantwortungsobjekte und der Zuweisung der einzelnen Parzellen im Sinne einer Aufteilung von Handlungskompetenzen an einzelne Verantwortungssubjekte. 94 In diesem letzteren Sinne soll der Begriff der Verantwortungsteilung nachfolgend verstanden werden. Eine Aufgabe, auf die sich die untersuchte Verantwortung bezieht, kann demnach in mehrere Teile aufgespalten, und diese Teilaufgaben können als Gegenstand einer eigenen (Teil-)Verantwortung verschiedenen Verantwortungsträgern zugewiesen werden. Damit besteht die Möglichkeit, verschiedene Rollen von Verwaltung und Privaten im Rahmen der Erfüllung einer Aufgabe zu erfassen und zuzuordnen. Dementsprechend hat sich im Rahmen der Reformdiskussion das Konzept der Verantwortungsteilung zu einem vielfach verwendeten Instrument der Ordnungsbildung entwickelt; 95 es kann als zentrale Begrifflichkeit im Rahmen der Zuordnung von staatlichen und privaten Akteuren bezeichnet werden. Dieses Konzept dient dazu, neuartige Zuordnungen von Handlungskompetenzen zu erfassen, und zwar im Kooperationsspektrum von staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren. Dabei sollen auch und gerade neuartige Verknüpfungen dieser Akteure bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben erfasst werden. Da die Verantwortungsteilung die Abkehr von der rein staatlichen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erfassen soll, lässt sich ihr Wesen beschreiben als „die planmäßige und gesetzesgeleitete eigenverantwortliche Beteiligung gesellschaftlicher Kräfte bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ 96. Alternativ wird auch gefordert, den Begriff der Verantwortungsteilung durch den Begriff der Verantwortungsverteilung zu ersetzten, da es letztendlich um 92

Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 36. Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (56). 94 Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (56). Auch Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 144, S. 160/161 verwendet den Begriff der Verantwortungsteilung teilweise in diesem Sinne. 95 Zu dieser Funktion des Begriffes der Verantwortungsteilung s. Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (285). 96 Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (49). Dieser Effekt wird auch beschrieben als die Nutzung und Initiierung gemeinwohstifenden privaten Engagements durch Verantwortungsteilung, s. Gersdorf, JZ 2008, 831 (834). 93

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die klare Verteilung der Verantwortung zwischen Staat und Privaten gehe. 97 Damit wird allerdings nicht mehr das spezifische Bedürfnis der Zuordnung von staatlichem und privatem Handeln erfasst, nämlich die gemeinsame oder auch arbeitsteilige bzw. aufeinander bezogene Erfüllung einer insgesamt einheitlich staatlichen Aufgabe. a) Das Konzept der Verantwortungsteilung Im Rahmen des Konzepts der Verantwortungsteilung 98 wird versucht, die Aufgabenverteilung und die Struktur der Aufgabenerfüllung in verschiedenen Aufgabenfeldern zu erfassen und damit das vorgefundene Kooperationsspektrum zu strukturieren. 99 Damit soll der Bereich durchdrungen werden, der dadurch gekennzeichnet ist, dass eine neue Form der Arbeitsteilung zwischen Staat und Privaten bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch den Staat induziert worden ist. 100 Das Konzept blickt dabei perspektivisch auf den staatlichen Akteur und ist damit eine Chiffre für die Intensität der staatlichen Aufgabenwahrnehmung, wobei als Bezugspunkt die eigenhändige Zielverwirklichung durch den Staat dient. 101 Im Wesentlichen geht es darum, die Verantwortung des Staates bzw. der Verwaltung in reduzierter Form neu zu bestimmen. 102 Diese Einschränkung des Konzeptes greift allerdings zu kurz. Letztlich würde es bereits dem Begriff der Verantwortungsteilung widersprechen, die Perspektive des privaten Akteurs vollständig auszublenden, so dass insofern eine Erweiterung des Konzepts vorzu97 Battis, DVBl. 2000, 1557 (1561). Aus neuerer Zeit auch Schoch, NVwZ 2008, 241 (244). 98 S. dazu die unterschiedlichen Ansätze, im Einzelnen bei Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (43 f.); Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 402 ff.; ders., in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 103 (114 ff.); ders., in: Gusy (Hrsg.): Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, S. 72 (102 ff.); ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (421 ff., 427 ff.); Trute, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (13 ff.); Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 ff.; Weiss, DVBl. 2002, 1167 (1173 ff.); s. dazu auch Wallerath, JZ 2001, 209 (216 f.). Zur Anwendung in einzelnen Bereichen s. z. B. Huber, ZUR 2004, 1 (3); Pitschas, DÖV 1998, 907 (911 ff.). 99 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (43 f.). 100 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaats, Die Verwaltung, Beiheft 4, S. 253 (254); Burgi, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 155 (161). 101 Trute, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 171 (198). 102 Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 297.

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nehmen ist. 103 Es werden Rollen erfasst und zugeordnet, und eine Beschränkung auf die Perspektive der Verwaltung würde dabei eine unnötige Verkürzung der Perspektive darstellen. Die Grundlage dieser Zuordnung und damit Grundlage der Verantwortungsteilung ist das so genannte Konzept der Verantwortungsstufung. 104 Im Rahmen dieses Konzeptes werden unterschiedliche Formen der Verantwortung entwickelt, die in einem Stufenverhältnis zueinander stehen. Allerdings ist der Begriff der Stufung missverständlich und auch vor dem Hintergrund der Zielsetzung problematisch. In der Regel besteht nämlich zwischen den meisten der verschiedenen Typen oder Formen von Verantwortung gerade kein Stufenverhältnis. 105 Gegenstand des Konzeptes ist auch keine Hierarchie verschiedener Formen der Verantwortung. Es handelt sich vielmehr um verschiedene Formen bzw. Elemente einer aufeinander bezogenen Aufgabenwahrnehmung. Diese sind nicht gestuft, sondern stehen in einem Zuordnungs- und Ergänzungsverhältnis. Diese Phänomene werden teilweise auch als arbeitsteilige Gemeinwohlrealisierung bezeichnet. 106 Es geht dabei in der Regel darum, dass die verschiedenen Formen der Verantwortung in ihrer Zusammenschau ein bestimmtes Niveau der Aufgabenwahrnehmung garantieren. 107 Die verschiedenen Formen der Verantwortung, die in diesem Zusammenhang entwickelt wurden, dienen insbesondere der Erfassung und Zuordnung verschiedener Rollen und strukturieren die Aufgabenwahrnehmung. Es werden dadurch unterschiedliche Formen der staatlichen Aufgabenwahrnehmung und auch -verpflichtung kenntlich gemacht. Die jeweilige Aufteilung einer Aufgabe und die Wahrnehmung der daraus entstehenden Aufgabenteile werden durch unterschiedliche Verantwortungsarten abgedeckt, wobei die genaue Zusammenstellung der unterschiedlichen Verantwortungsarten bereichsspezifisch erfolgt. Inzwischen sind unterschiedliche Verantwortungstypologien entstanden, 108 die, je nach Konzeption, verschiedene Verantwortungstypen unterscheiden. Nach 103

S. dazu unten. S. dazu Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 402 ff.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (421 ff.); von Verantwortungsformen niedrigerer Stufen spricht auch Kahl, Die Staatsaufsicht, S. 536; vgl. auch Schoch, DVBl. 1994, 962 (975). Die Stufung ist letztlich Voraussetzung dafür, dass Räume frei von staatlicher Verantwortung entstehen, in denen Private Verantwortung übernehmen können. 105 Insbesondere besteht dies nicht zwischen den Verantwortungsbegriffen. Die Aufgaben, die den unterschiedlichen Typen der Verantwortung zu Grunde liegen, mögen gleichwohl vereinzelt in einem Über-Unterordnungsverhältnis stehen, zumindest sind entsprechende Kompetenzen erforderlich. Dies gilt z. B. für die Kontrollverantwortung. 106 Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (56). Trute, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (14) spricht davon, dass der Begriff der Verantwortungsteilung darauf aufmerksam macht, dass beide gemeinsam zur Zielverfolgung beitragen. 107 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (286 Fußnote 65). 104

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Schmidt-Aßmann liegen zwischen den beiden Polen der vollen Erfüllungsverantwortung und der staatlichen Rahmensetzung für private Aktivitäten (Rahmenverantwortung 109) die folgenden Verantwortungstypen: die Einstandsverantwortung in den Fällen gesellschaftlicher Schlechterfüllung, die Organisationsverantwortung, die Überwachungsverantwortung und die Beratungsverantwortung. 110 Auf dieser Einteilung aufbauend, nennt Kahl darüber hinaus die Gewährleistungs-, die Regulierungs- und die Auffangverantwortung, 111 wobei die Auffangverantwortung auch als latente Erfüllungsverantwortung verstanden werden kann. Hoffmann-Riem wiederum nennt in Abgrenzung zu der Erfüllungsverantwortung die Gewährleistungs- und die Auffangverantwortung, bezeichnet diese aber, auf andere Konzeptionen Bezug nehmend, nur als weitere Verantwortungsbegriffe. 112 Nach Schoch 113 und Bauer 114 reicht das „Stufensystem“ von einer Erfüllungsverantwortung (bei Leistungserbringung durch den Staat selbst) über die Kontrollverantwortung (bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private) und die Privatisierungsfolgenverantwortung (nach erfolgter Privatisierung ehemaliger Verwaltungsaufgaben) bis hin zur sog. Beobachtungsverantwortung (zum eventuellen Einsatz von Hoheitsbefugnissen gegenüber Privaten). 115

108 S. insbesondere Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (43 f.); ders., Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 109 ff.; Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (278 ff.); Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 337 ff.; Hoffmann-Riem, FS Klaus Vogel, S. 47 ff.; ders., DÖV 1997, 433 (440 ff.); ders., in: ders. / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 9 (22 ff.); s. auch Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 373 f.; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 402 ff.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (421 ff.); ders., in: Ipsen (Hrsg.): Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (26 ff.); Weiss, DVBl. 2002, 1167 (1173 ff.). 109 Dieser Begriff findet sich bei Weiss, DVBl. 2002, 1167 (1174); die beiden Pole der Verantwortung finden sich auch bei Kahl, Die Staatsaufsicht, S. 535; Trute, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167 (198 f.). 110 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert (Hrsg.): Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts. Grundfragen, S. 11 (44). Dieser Einteilung folgt auch Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (231 ff.). 111 Kahl, Die Staatsaufsicht, S. 536. 112 Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, 225 (230 ff.) = in: ders. / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 9 (24 ff.). 113 Schoch, in: Erichsen (Hrsg.): Kommunale Verwaltung im Wandel, S. 101 (112). In seinem Aufsatz DVBl. 1994, 962 (975) bezieht er sich noch ausschließlich auf die Verantwortungsbegriffe und die Verantwortungsstufung bei Schmidt-Aßmann, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (44). 114 Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (278 ff.). 115 Diese Formen der Verantwortung nennen auch Benz / König, in: König / Benz (Hrsg.): Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 606 (645).

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Trute wiederum differenziert zwischen staatlicher Verantwortung für das Kooperationsergebnis, staatlicher Gewährleistungsverantwortung bei privater Leistungserbringung, staatlicher Regulierungs- und Koordinationsverantwortung und der bereits genannten staatlichen Rahmenverantwortung. 116 Noch kleinteiliger unterscheidet Schuppert zwischen Erfüllungs-, Überwachungs-, Finanzierungs-, Organisations-, Beratungs-, Einstands- und sozialer Abfederungsverantwortung. 117 Voßkuhle hingegen wählt als Anknüpfungspunkt eine ablauforientierte und damit eine weniger funktionale Sichtweise und differenziert nach den Verwirklichungsphasen arbeitsteiliger Gemeinwohlkonkretisierung. 118 Er unterscheidet in seiner Typologisierung zwischen Maßstabs-, Vorbereitungs-, Verfahrens-, Implementations-, Kontroll-, Realisations- und Folgenverantwortung. 119 Damit lenkt er zwar den Blick darauf, welche funktionalen Aspekte im Rahmen einer kooperativen Wahrnehmung durch Staat und Private zu beachten sind, und strukturiert somit die Konkretisierung des Gemeinwohls. Er strukturiert dadurch aber nicht das Zusammenwirken von Staat und Privaten im Rahmen der einzelnen Phasen. Diese Strukturierung kann somit gerade nicht eine Zuordnung der Rolle der Verwaltung im Verhältnis zu der Rolle derjenigen Privaten, die im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben tätig sind, herstellen. Für diese Zuordnung zieht er eine andere Begrifflichkeit heran, und zwar unterscheidet er im Rahmen der Verteilungsmodi der Verantwortung zwischen Beteiligungs-, Rezeptions-, Delegations-, Kompensations- und Anreizmodell. 120 Diese Modelle sind sehr gut geeignet, das Zusammenspiel von staatlicher und privater Tätigkeit zu erfassen. Dieser Einteilung wird allerdings nicht weiter gefolgt, da sich zum einen die oben dargestellte Terminologie der Verantwortungsteilung weitgehend etabliert hat, was ihren Einsatz im Rahmen der Untersuchung angesichts des erreichten Begriffsverständnisses als sinnvoller erscheinen lässt. Zum anderen erscheint diese Terminologie als geeigneter, gerade die Struktur staatlicher Handlungen im Rahmen arbeitsteiliger Gemeinwohlkonkretisierung zu erfassen und darzustellen. Für die vorliegende Untersuchung erscheint aber eine derartige Strukturierung der Aufgabenverteilung sinnvoll. 116 Trute, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches und privates Recht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167 (199 ff.). 117 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 404; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (423); ders., in: Gusy (Hrsg.): Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, S. 72 (79 f.); ders., in: Ipsen (Hrsg.): Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (29); ders., DÖV 1995, 761 (768). 118 S. dazu auch Weiss, DVBl. 2002, 1167 (1174). Die Unterscheidung von Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 373 f. bezieht sich eher auf eine Unterteilung des Verfahrens in einzelne Verantwortungsbereiche. 119 Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (69 ff.). Diese Unterscheidung findet sich auch bei Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 409; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (428). 120 S. Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (78 ff.).

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Allerdings neigt die Begrifflichkeit in den unterschiedlichen Ausdifferenzierungen dazu, die Konturen zu verlieren. Zwischen den beiden oben genannten Polen spannt sich mit gleitenden Übergängen ein Spektrum unterschiedlicher Verantwortungsarten bzw. -formen. 121 Grund für diese Ausdifferenzierung ist nicht zuletzt das weite Aufgabenspektrum, das mit diesen Begriffen erfasst werden soll. Die unterschiedlichen Formen der Aufgabenwahrnehmung unterscheiden sich bereichsspezifisch, und diese Ausdifferenzierung entspricht den Bestrebungen, die verschiedenen Konstellationen möglichst genau zu beschreiben. Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass die Phänomene der arbeitsteiligen Aufgabenwahrnehmung durch das Konzept der Verantwortungsteilung und die verschiedenen Formen der Verantwortung, die dieses unterscheidet, erfasst werden können. Allerdings erscheint diese Ausdifferenzierung nicht praktikabel. Wünschenswert wäre eine allgemeine, für unterschiedliche Bereiche gleichermaßen geeignete und zudem in ihrem Umfang auch handhabbare Terminologie. Dafür werden in einem ersten Schritt drei Grundtypen der Verwaltungsverantwortung 122 unterschieden, und zwar Erfüllungsverantwortung 123, Gewährleistungsverantwortung und Auffangverantwortung. 124 Diese werden in einem zweiten Schritt weiter ausdifferenziert, wobei beispielsweise Überwachungs- und Regulierungsverantwortung als Elemente der Gewährleistungsverantwortung verstanden werden. Dabei ist die Erfüllungsverantwortung 125 als intensivste Form staatlicher Verantwortungswahrnehmung dadurch gekennzeichnet, dass der Staat in eigener Regie das Ergebnis herbeiführt. 126 Der Staat gibt die inhaltlichen, verfahrensmäßigen und organisatorischen Regeln für die Aufgabenerledigung vor und führt die Aufgabe durch seine Verwaltung entweder unmittelbar oder mittelbar selbst durch. 127 Die Annahme einer Erfüllungsverantwortung bedeutet allerdings nicht 121 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 91. 122 So Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 404 ff.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (423 ff.); ders., in: ders. (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 299 (312). 123 Allerdings erscheint es hier gefährlich, den Begriff der Ergebnisverantwortung als Synonym für die Erfüllungsverantwortung zu verwenden, wie dies Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (442) macht, denn auch bei einer Aufgabe der Erfüllungsverantwortung drückt gerade der Terminus der Gewährleistungsverantwortung aus, dass weiterhin eine Verantwortung für das Ergebnis der Aufgabenerledigung besteht. 124 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 404; Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (440 ff.). 125 S. zu diesem Begriff Bauer, VVdStRL 54 (1995), 143 (278); Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 90; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 404; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (423). 126 Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (442).

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den Ausschluss jeglicher privater Tätigkeit in dem entsprechenden Bereich. So verlangt z. B. die Erfüllung der meisten Leistungsaufgaben mindestens eine technische Ausführungshilfe privater Unternehmen. 128 Somit kann die Erfüllungsverantwortung dahingehend charakterisiert werden, dass in jeder Phase der Aufgabenwahrnehmung (Vorbereitung, Vollzug, Kontrolle) eine staatliche Entscheidungsbefugnis besteht bzw. zu bestehen hat. Die Einbeziehung von Privaten als Verwaltungshelfer ist hier möglich, ebenso der Einsatz von Sachverständigen in der klassischen Form. 129 Eine Gewährleistungsverantwortung besteht in denjenigen Fällen, in denen sich der Staat der Verantwortung für die verwaltungsmäßige Durchführung entledigt, nicht aber der staatsrechtlichen Verantwortung für eine an den Grundsätzen des Verfassungsrechts orientierte Aufgabenerledigung insgesamt. 130 Für die Verfahrensprivatisierung bedeutet dies, dass der Staat nicht alle für die Erfüllung seiner materiellen Regelungsziele notwendigen Verfahrenselemente selbst erbringt. Er muss allerdings gleichzeitig sicherstellen, dass auch bei anderen Verfahrensgestaltungen das Ergebnis so beschaffen ist, dass die Regelungszwecke erreicht werden. 131 Die hier erforderliche Tätigkeit des Staates wird häufig umschrieben als „enabling“ statt „providing“; der Staat soll die Möglichkeit einer gemeinwohlverträglichen Entscheidung gewährleisten. 132 Letztendlich geht es um die Bändigung von Individualinteressen zwecks Sicherung der Möglichkeit von praktischer Konkordanz der verschiedenen Interessen im multipolaren und multidimensionalen Interessenfeld. 133 Letztlich soll eine Tätigkeit der pri127 Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (231). 128 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapital Rn. 90. 129 S. zu unterschiedlichen Formen der Einbeziehung von Sachverständigen unten Kapitel 1. 130 Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (232); s. auch Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, 225 (230 f.) = in. ders. / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 9 (24 ff.); Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 404; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (423). Andere in diesem Kontext verwendete Begriffe sind auch die Steuerungsverantwortung, Reservestellung des Staates, Infrastrukturverantwortung und Infrastruktursicherung, vgl. Attendorn, DÖV 2008, 715 (716) mit weiteren Nachweisen. Dementsprechend ist ein Bereich der Privatisierung, in dem die Gewährleistungsverwantwortung besonders zum Tragen kommt, derjenige der funktionalen Privatisierung, vgl. auch Franzius, VerwArch 99 (2008), 351 (353). 131 Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (232). 132 Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, 225 (230) = in: ders. / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 9 (24). S. auch Reinermann, Die Krise als Chance: Wege innovativer Verwaltungen, Speyerer Forschungsberichte Nr. 139, S. 26. S. auch Attendorn, DÖV 2008, 715 (715) mit umfangreichen Nachweisen (wobei die Hauptperspektive in diesem Zusammenhang die Infrastrukturdienstleistungen sind).

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vaten Erfüllung und damit letztlich auch den Marktkräften überlassen werden, gleichzeitig soll aber auch die Berücksichtigung eigentlich marktexterner Ziele sichergestellt 134 und damit im Hinblick auf diese Ziele ein Marktversagen verhindert werden. Im Endeffekt mahnt Hoffmann-Riem hier die Schaffung eines Privatverfahrensrechts für die Tätigkeit Privater im Rahmen der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben als Ausdruck der Gewährleistungsverantwortung an. Dementsprechend wird als Gegenstand der Gewährleistungsverantwortung eine Ausgestaltung und Regulierung der Tätigkeit von Privaten gesehen. 135 Damit soll der Staat indirekt sicherstellen bzw. gewährleisten, dass das Ergebnis der Tätigkeit von Privaten gemeinwohlkonform ist. Diesem Ziel dient die Überwachungsverantwortung als Unterkategorie der Gewährleistungsverantwortung. 136 Gegenstand der Überwachungsverantwortung ist im Wesentlichen die staatliche Aufsicht. 137 Insofern entspricht diese Kategorie der in anderen Typologien verwendeten Kontrollverantwortung. 138 Die bereits angesprochene Schaffung eines Privatverfahrensrechts, also die Regelung der Voraussetzungen der Tätigkeit von Sachverständigen sowie die Tätigkeit selbst, ist Gegenstand der Regulierungsverantwortung als Unterkategorie der Gewährleistungsverantwortung. Diese trägt dem Umstand Rechnung, dass es nicht in allen, wohl sogar nur in den wenigsten Bereichen möglich sein dürfte, ein ausreichendes Eigeninteresse der Privaten an einer Einhaltung sämtlicher Vorschriften und Vorgaben zu induzieren. Daher bedarf es der Regulierung, die darüber hinaus die Voraussetzungen für eine effektive Sachverständigentätigkeit auch bei den Klienten schaffen muss. 139 Die weitere grundlegende Verantwortungskategorie ist die Auffangverantwortung 140. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass es, wie auch im Bereich der Erfüllungsverantwortung selbst, keine Garantie dafür gibt, dass die angestrebten 133 Hoffmann-Riem, in: ders. / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 9 (24, 25). 134 Franzius, VerwArch 99 (2008), 351 (353). 135 Hoffmann-Riem, DVBl. 1999, 125 (126) bezeichnet diese Dimension der Verantwortung auch als Rechtssetzungsverantwortung. Siehe zu diesem Aspekt auch Franzius, VerwArch 99 (2008), 351 (355 f.). Attendorn, DÖV 2008, 715 (716) spricht von einer Privatisierungsfolgenverantwortung, wobei die Differenzierung zu dem von ihm ebenfalls verwendeten Begriff der Gewährleistungsverantwortung in der Sache unklar ist. 136 S. dazu auch Hoffmann-Riem, DVBL. 1999, 125 (126). 137 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 406; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (425 f.); vgl. auch Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (233). 138 S. dazu Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (279); Schoch, in: Erichsen (Hrsg.): Kommunale Verwaltung im Wandel, S. 101 (112). 139 Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (232). 140 S. dazu Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 407 f.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (426); Hoffmann-Riem, DÖV 1999, 221 (221).

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Ziele auch erreicht werden bzw. die Tätigkeit der Privaten als gemeinwohlkonform angesehen werden kann. Es besteht, verkürzt ausgedrückt, die Gefahr gesellschaftlicher bzw. privater Schlechterfüllung, die eine Folge eines Steuerungsversagens bzw. einer unzureichenden Wahrnehmung der oben beschriebenen Gewährleistungsverantwortung darstellt. Gegenstand der Auffangverantwortung ist eine korrigierende oder substituierende Tätigkeit des Staates, die in unterschiedlicher Form durchgeführt werden kann. Gegenstand der Auffangverantwortung kann eine Übernahme der Tätigkeit selbst sein, was auch als Wahrnehmung einer Einstandsverantwortung bezeichnet werden kann. 141 Daneben kommt auch in Betracht die Nutzung eines Rechts zur korrigierenden Intervention, etwa durch Untersagung des Betriebs einer schädigenden Anlage, oder aber eine Abfederungsverantwortung, die keine Korrektur der Ergebnisse einer privaten Tätigkeit, sondern nur den Ausgleich für ein Versagen bei der Wahrnehmung insbesondere der Gewährleistungsverantwortung (und dort der Regulierungsverantwortung) beinhaltet. 142 In ähnlicher Weise kommt die Privatisierungsfolgenverantwortung zum Tragen. Diese folgt daraus, dass der Staat sich einer Aufgabe nicht folgenlos entledigen kann, sondern für die Folgen des Privatisierungsprozesses einstehen muss, die er ursprünglich nicht beabsichtigt hat. 143 Damit handelt es sich bei der Privatisierungsfolgenverantwortung 144 entweder um ein Synonym für die Abfederungsverantwortung oder um einen eigenständigen Unterfall der Auffangverantwortung. Allerdings ist Voraussetzung sowohl der Gewährleistungs- als auch Auffangverantwortung eine Kenntnis der Tätigkeit von Privaten und der Ergebnisse dieser Tätigkeit. Dafür bietet es sich an, eine begleitende Kategorie der Beobachtungsverantwortung zu verwenden. Diese umfasst die allgemeine Pflicht des Staates, die ordnungsgemäße Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Auge zu behalten. 145 Diese Verantwortung setzt sich aus verschiedenen Komponenten zu141 So wohl Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (442), der damit die Einstandsverantwortung als Unterfall der Auffangverantwortung ansieht, während Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 91 ersichtlich davon ausgeht, dass der Begriff der Einstandsverantwortung einen umfassenderen Anwendungsbereich hat. Er sieht die Einstandsverantwortung als Grundlage für alle Verantwortungsstufen, die – zunächst als Basisgarantie gefasst – in konkreten Situationen Leitlinien für einen aufgabenadäquaten Einsatz und Abgleich administrativer und privater Handlungsmöglichkeiten aufzeigen soll. 142 Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (442). 143 Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (232); Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (279). 144 Wobei hier darauf hinzuweisen ist, dass der Begriff der Privatisierungsfolgenverantwortung bzw. des Privatisierungsfolgenrechts teilweise auch weiter verstanden wird und dieses Verständnis dann eher dem der Gewährleistungsverantwortung bzw. des Gewährleistungsverwaltungsrechts entspricht, vgl. etwa Schoch, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 221 (234 ff.).

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sammen; und zwar muss der Staat zum einen die Wirksamkeit seiner eigenen Handlungen, z. B. seiner Vorgaben, die er im Rahmen einer Gewährleistungsverantwortung gemacht hat, beobachten, und zum anderen muss er die realen Umstände einer Aufgabenerfüllung beobachten, um einer bei Schlechterfüllung wiederauflebenden Verantwortung Rechnung tragen zu können. Grundsätzlich ist somit erforderlich eine Zustandsbeobachtung bzw. ein Monitoring. Darüber hinaus können diese drei Grundtypen der Verantwortung um die Figur der Durchführungsverantwortung ergänzt werden. Die Durchführung der eigentlichen Aufgabe ist in der Regel der dem Privaten übertragen Verantwortungskomplex, und erst dessen Einbeziehung ermöglicht es, tatsächlich die Verantwortungsteilung und nicht bloß eine Verantwortungslage der Verwaltung zu erfassen. Dies ermöglicht eine analytisch klarere Analyse, zumal auch denkbar ist, Funktionen z. B. der Überwachungs- oder Beobachtungsverantwortung auf Private zu übertragen. 146 Dabei ist auch hier zu beachten, dass diese Verantwortungsbegriffe keine eigene Wertung ausdrücken können, auch wenn sie dies suggerieren. So muss beispielsweise die Aufgabe, die einer Gewährleistungsverantwortung entspricht, erst positiv festgestellt werden, um dann als solche bezeichnet werden zu können. Grundsätzlich lässt sich aus dem „wie“ der Aufgabenerfüllung keine Rückschluss auf das „ob“ ziehen. 147 Insbesondere kann aus dem Begriff der Gewährleistungsverantwortung selbst keine Aufgabe abgeleitet werden. Vor dem Hintergrund der oben ermittelten Aufgabe, die Einhaltung des materiellen Rechts sicherzustellen, und der darauf gerichteten Kontrollteilung handelt es sich somit bei der Verantwortungsteilung im Ordnungsrecht um eine sachgerechte Aufteilung der Kontrollen und eine Bestimmung der auf die privaten Kontrollen bezogenen Rest-Verantwortung des Staates. b) Die mittelbare Staatsverantwortung und die Gewährleistungsverantwortung Im Ergebnis fällt auf, dass die beiden Pole einer Verantwortung des Staates, und zwar die Erfüllungsverantwortung und die Rahmenverantwortung, eindeutig zu bestimmen sind, aber dazwischen eine ausgeprägte Differenzierung herrscht. Diese Differenzierung dient allerdings nicht zwingend der Einordnung der staatlichen Verantwortungstragung in den Übergang zwischen den beiden Polen, 145 Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (233). 146 S. dazu die Einbeziehung von Sachverständigen als Verifizierer im Emissionshandelsrecht (§§ 5 Abs. 3 und 10 Abs. 1 TEHG). S. dazu unten Kapitel 1. 147 Anders wohl Franzius, VerwArch 99 (2008) 351 (352 Fn. 5), der wohl von einer derartigen Rückwirkung ausgeht.

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sondern untergliedert eine dazwischen liegende staatliche Verantwortung. Es werden dadurch die unterschiedlichen Aspekte einer staatlichen Verantwortung erfasst, sollte sich der Staat entschließen, einer Aufgabe in der Weise nachzukommen, dass er einen zwischen den beiden Polen liegenden Erfüllungsmodus wählt. Alle Formen der Verantwortung, die oben als Aspekte des Konzeptes der Verantwortungsteilung vorgestellt worden sind, beschreiben die unterschiedlichen Aufgaben in der Konstellation, dass ein Privater die Durchführungsverantwortung 148 trägt und der Staat auf einer zurückgezogenen Ebene sicherstellen muss, dass diese durchführende Tätigkeit Privater gewissen Standards genügt und insbesondere in diesem Rahmen das Gemeinwohl ausreichend zur Geltung kommt. Diese Rolle des Staates kann somit als mittelbare Verantwortung beschrieben werden, wobei sich diese mittelbare Verantwortung dann zusammensetzt aus den einzelnen, bereichsspezifisch wahrgenommenen Formen der Verantwortung. Dementsprechend würde sich die Struktur der verschiedenen staatlichen Verantwortungslasten als Übergang von der Erfüllungsverantwortung über die mittelbare Staatsverantwortung hin zur Rahmenverantwortung darstellen. Die mittelbare Staatsverantwortung erfasst somit alle Fälle, in denen noch eine staatliche Aufgabenverantwortung in dem Sinne besteht, dass der Staat zu einer inhaltlichen Sicherstellung des Gemeinwohls verpflichtet ist. Der Staat ist darauf verpflichtet, dass er durch Ausübung der mittelbaren Staatsverwaltung sicherstellt, dass bestimmte Situationen eintreten bzw. Ziele inhaltlicher Art erreicht werden. In diesem Sinne beschreiben dann die unterschiedlichen Verantwortungstypen Teilaspekte der Wahrnehmung dieser mittelbaren Staatsverantwortung. In diesem Sinne würde die Gewährleistungsverantwortung die Gestaltung des Handlungsrahmens betreffen, die Auffangverantwortung die Pflicht zum Eingreifen bei Schlechterfüllung, d. h bei Versagen der Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung, und die Beobachtungsverantwortung die Pflicht des Staates zur Bereitstellung von Instrumenten zur Feststellung einer Schlechterfüllung. Allerdings scheint sich der Blick zunehmend auf den Begriff der Gewährleistungsverantwortung zu verengen. So wird von einer allgemeinen Gewährleistungsverantwortung gesprochen. 149 Insbesondere wird der Anwendungsbereich dieser Verantwortungsform dadurch inhaltlich aufgeladen, dass in der oben dargestellten Beschränkung der Verantwortung auf die drei Grundtypen der Erfüllungs-, Gewährleistungs- und Auffangverantwortung der Begriff der Gewähr148 Dieser Begriff der Durchführungsverantwortung findet sich auch bei Köck, UPR 2002, 61 (61). 149 Weiss, DVBl. 2002, 1167 (1174); vgl. auch ders., Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 291 ff. So sieht auch Knauff, VR 2003, 269 (273 f.) die Gewährleistung als Grundform der staatlichen Aufgabenerfüllung. Siehe aus neuerer Zeit auch Schoch, NVwZ 2008, 241 (244).

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leistungsverantwortung weit ausgedehnt wird. Er soll sowohl Regulierung als auch Aufsicht umfassen. 150 Der Begriff der Auffangverantwortung wird dabei beschränkt auf die Tätigkeit der Verwaltung bei gesellschaftlicher Schlechterfüllung, also auf den Fall, dass die Privaten die an sie gerichteten Erwartungen nicht erfüllen und auch die Ausübung der Gewährleistungsverantwortung einschließlich der Aufsicht nicht dazu führt, dass das private Handeln die gewünschten Ergebnisse zeitigt. 151 Die Auffangverantwortung kann demnach als latente Erfüllungsverantwortung begriffen werden. Sie kann aber auch darin bestehen, dass ein bereits als Ausdruck eines Versuches staatlicher Steuerung geschaffenes Gewährleistungsverwaltungsrecht, das allerdings nur eine unzureichende Steuerungsleistung erbringt, nachgebessert wird, um eine verbesserte Steuerungsleistung zu erreichen. 152 Der Staat muss sich nämlich, um im Falle der gesellschaftlichen Schlechterfüllung seiner Auffangverantwortung gerecht werden zu können, auf allen relevanten Ebenen eine Zugriffsoption vorbehalten. 153 Die Bedeutung des Begriffes der Gewährleistungsverantwortung 154 kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass er sich in der auf die Verantwortungstei150 Vgl. Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 300 ff.; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 424 ff.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (424 ff.). Entgegen Weiss ist dieses enge Verständnis der Auffangverantwortung bei Hoffmann-Riem fraglich (in DÖV 1997, 433 (44); ders., DVBl. 1996, S. 225 (230 ff.) = in: ders. / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 9 (24 ff.)), da dieser auch noch von einer Begleitverantwortung spricht und nicht eindeutig klar ist, ob er nicht auch Aspekte der Aufsicht als Gegenstand der Auffangverantwortung sieht. Enger kann Hoffmann-Riem, DÖV 1999, 221 (221) verstanden werden. Die Verbindung aus privater und staatlicher Aktivität wird zutreffend dadurch ausgedrückt, dass für das Modell des „Gewährleistungsstaates“ die „Aktivierung privater Kräfte, die allerdings gekoppelt ist an den rechtlichen Rahmen gemeinwohlsichernder Regelungsstrukturen“, prägend ist, vgl. Schoch, NVwZ 2008, 241 (242). 151 Zu diesem Verständnis der Auffangverantwortung s. Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 336 ff.; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 407 f.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), 415 (425). 152 Die Auffassung von Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 336 ff., der die Auffangverantwortung im Wesentlichen auf derartige Nachbesserungsversuche begrenzen will, ist zu eng. Sie erklärt sich vor dem Hintergrund seiner Konzeption der Gewährleistungsverantwortung, da er den Staat im Regelfall auf diese beschränken will und demzufolge eine weitergehende Erfüllungsverantwortung auch im Falle der Realisierung der Auffangverantwortung dieser Konzeption nicht entsprechen würde. 153 S. Schmidt-Preuß, in: Kloepfer (Hrsg.): Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, S. 89 (94), wobei er dort die Zugriffsoption als Gegenstand der Gewährleistungsverantwortung begreift, was insofern von der hier entwickelten Konzeption abweicht; ders., VVdStRL 56 (1997), 160 (174); zu eng wiederum das Verständnis dieser Zugriffsoption bei Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 337. 154 S. zu der Verwendung dieses Begriffs neben den bereits genannten Beiträgen auch Britz, Die Verwaltung 37 (2004), 145 ff.; Hösch, WiVerw 2000, 159 (165); HoffmannRiem, DVBl. 1999, 125 (125 f.); Köck, UPR 2002, 61 (61); Reese, ZUR 2001, 14 (15); Rei-

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lung bezogenen Terminologie durchgesetzt hat. So bezeichnet der Begriff des Gewährleistungsverwaltungsrechts das Verwaltungsrecht, das den Prozess der arbeitsteiligen Aufgabenerfüllung in jeder Phase unter dem Blickwinkel größtmöglicher Gemeinwohlrealisierung anleiten soll. 155 Die Gewährleistungsverwaltung wird als eigener Verwaltungstyp behandelt, 156 und als neues Leitbild wurde der Gewährleistungsstaat entdeckt. 157 Somit bleibt festzuhalten, dass der Begriff der Gewährleistungsverantwortung zwar nur einen Teilbereich der mittelbaren Staatsverantwortung beinhaltet, allerdings einen wesentlichen. Zudem regelt er den Kernbereich der mittelbaren Staatsverwaltung, denn die Ausübung der Gewährleistungsverantwortung ist bei Wahl der richtigen Konzeption ausreichend zur materiellen Ausübung der mittelbaren Staatsverantwortung. Die anderen Elemente beziehen sich auf den Fall der gesellschaftlichen Schlechterfüllung und damit auf den Fall, dass die umgesetzte Konzeption letztlich nicht zu den angestrebten Ergebnissen führt. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, im Folgenden zentral den Begriff der Gewährleistungsverantwortung zu verwenden. Dies rechtfertigt sich zum einen aus der eingebürgerten Terminologie, von der nicht ohne Not abgewichen werden soll. Zum anderen erfasst die Bedeutung des Begriffes der Gewährleistungsverantwortung auch das Ziel dieser Arbeit, die Entwicklung einer Konzeption der Verantwortungsteilung für das Genehmigungsrecht.

cherzer, NuR 2002, 594 (600); Rodi, ZG 2000, 231 (237); Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (247); Uechtritz, DVBl. 2002, 739 (744); v. Danwitz, NVwZ 2000, 615 (620); Wallerath, JZ 2001, 209 (216). 155 S. dazu Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (305, 307 ff.); dazu auch SchmidtAßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kap. Rn. 117. 156 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kap. Rn. 116. 157 Siehe allgemein zu dem Gewährleistungsstaat als Leitbild Schoch, NVwZ 2008, 241 (241 f.). S. auch den Titel des Beihefts Nr. 4 zu der Zeitschrift Die Verwaltung: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates. S. auch den Titel von Franzius, VerwArch 99 (2008), 351 ff. sowie den des Sammelbandes von Schuppert (Hrsg.): Der Gewährleistungsstaat – Ein Leitbild auf dem Prüfstand, 2005 und den von Bauer, H. u. a. (Hrsg.): Das öffentliche Recht vor den Herausforderungen des Gewährleistungsstaates (zitiert nach Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (269 Fn. 5)). Zur Verwendung s. auch Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 ff.; Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 10; Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (9); ders., DVBl. 1999, 125 (125 f.); ders., DÖV 1999, 221 (insbesondere 221 f.); Knauff, VR 2003, 268 (268, 269 ff.); Ladeur / Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), 141 ff.; Trute / Denkhaus / Kühlers, Die Verwaltung 37 (2004), 451 (465 ff.);Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (291).

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c) Die Verantwortungsteilung und die Privatisierungsbegriffe Mit den verschiedenen Privatisierungsbegriffen sowie der Begrifflichkeit der Verantwortungsteilung wurden nunmehr zwei wesentliche Ordnungsinstrumente für Phänomene der Privatisierung vorgestellt. Daher stellt sich jetzt die Frage, ob diese unverbunden nebeneinander stehen oder aber ein Zusammenhang ermittelt werden kann. So kann eine erste Verbindung zwischen der materiellen Privatisierung und der Erfüllungsverantwortung hergestellt werden, denn die materielle Privatisierung stellt zumindest eine Aufgabe der Erfüllungsverantwortung dar. Der Staat zieht sich vollkommen aus der Aufgabe zurück. Unklar ist dabei allerdings, ob eine materielle Privatisierung auch vorliegt, wenn der Staat noch eine Gewährleistungsverantwortung behält; jedenfalls ist nicht ausgeschlossen, dass der Staat weiterhin eine Rahmenverantwortung innehat und daher den Rahmen für die private Tätigkeit schafft. Eine Verknüpfung von Gewährleistungs- und Auffangverantwortung mit den Privatisierungsbegriffen ist nur bedingt möglich. Am ehesten besteht noch eine Verbindung zu den Begriffen der funktionalen Privatisierung und der Verfahrensprivatisierung. Diese erfassen allerdings primär die Tatsache, dass bisher von der Verwaltung wahrgenommene Aufgaben und Tätigkeiten nunmehr durch Private wahrgenommen werden. Insofern ist die oben genannte Durchführungsverantwortung im Rahmen sowohl einer funktionellen Privatisierung als auch einer Verfahrensprivatisierung auf die Privaten übergegangen. Die Gewährleistungs- und die Auffangverantwortung beschreiben nunmehr die Aufgaben, die der Staat nach einer Übertragung der Durchführungsverantwortung und damit nach einer funktionellen Privatisierung oder einer Verfahrensprivatisierung erfüllen muss. Dementsprechend kann festgehalten werden, dass die vorliegende Untersuchung eine Verfahrensprivatisierung sowie die darauf bezogene Gewährleistungsverantwortung des Staates zum Gegenstand hat. d) Verantwortungsteilung und Deregulierung Dabei ist schon vorab auf einen Umstand hinzuweisen, der nur sporadisch problematisiert wird, allerdings nicht zu unterschätzen ist. Häufig wird eine Begriffstrias aus Verfahrensbeschleunigung, Deregulierung und Privatisierung verwendet, um Reformen anzumahnen oder zu beschreiben. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass Deregulierung und Privatisierung zielharmonisch sind. Vielmehr schließen sie sich in weitem Umfang sogar aus. 158 Jedenfalls ist eine regulierte Privatisierung kein taugliches Instrument zur Ver-

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minderung der oft beklagten Normenflut. 159 Gerade eine Privatisierung durch Verantwortungsteilung dient nicht der Bereinigung des Rechts, sondern führt erst einmal zu der Erstellung neuer Regeln, und zwar hinsichtlich der Steuerung der Verantwortungsteilung. Ein Abbau materieller Regeln geht somit nicht mit der Einführung einer Verantwortungsteilung einher und ist auch nicht das Ziel bzw. soll nicht notwendigerweise erfolgen. Das Ziel der Verantwortungsteilung besteht vielmehr in der Entlastung der jeweils betroffenen Behörden; durch eine Verschiebung der Aufgabenerfüllung auf private Akteure sollen nämlich bei der Behörde Kräfte freiwerden, um sich auf bestimmte, als wichtig angesehene und bisher nicht in ausreichendem Maße erfüllte Aufgaben zu konzentrieren.

§ 3 Gang der Untersuchung Im Rahmen der einleitenden Überlegungen zu der Reformdiskussion hat sich ergeben, dass das Ordnungsrecht ebenfalls Gegenstand dieser Diskussion ist. Es gab und gibt unterschiedliche Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Rechtsinstituts der Genehmigung und des auf Erteilung der Genehmigung gerichteten Genehmigungsverfahrens. Dabei konnte allerdings im Rahmen der Reformdiskussion nicht restlos geklärt werden, ob die Zweifel berechtigt waren und sind. Insbesondere fehlt weithin eine erforderliche empirische Grundlage, die zudem lediglich ein zu berücksichtigender Aspekt wäre. Insbesondere die mit der Genehmigung verbundene Rechtsstellung als Dienstleistung der Behörde und ihre Bedeutung für die Investoren lässt sich wohl kaum quantifizieren. Jedenfalls wurden zahlreiche Instrumente zur Reform des Genehmigungsrechts vorgeschlagen, und einige Regelungen wurden auch verwirklicht. Häufig wurden Elemente der Privatisierung als Lösung vorgeschlagen. Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Untersuchung darauf, ein Instrument dieser Verantwortungsteilung zu identifizieren, das am ehesten geeignet erscheint, die Postulate der Reformdiskussion zu erfüllen und im Hinblick auf seine Umsetzung zu analysieren. Dementsprechend zielt die Untersuchung darauf, Möglichkeiten und Bedingungen der Einführung einer Verantwortungsteilung im Wege der Verfahrensprivatisierung, und zwar durch ein Sachverständigenmodell, zu untersuchen. Als Referenzgebiet wird dafür das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ausgewählt. Dies ist, nicht zuletzt aufgrund der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wohl das bedeutendste 158 S. dazu Gusy, in: ders. (Hrsg.): Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, S. 330 (343); Battis, DVBl. 2000, 1557 (1558 f.). Siehe zu dem ebenfalls in Teilen bestehenden Zielkonflikt zwischen Beschleunigung und Deregulierung Dolde, NVwZ 2006, 857 (863). 159 Battis, DVBl. 2000, 1557 (1559).

§3 Gang der Untersuchung

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Verfahren für die Zulassung von Industrieanlagen. Darüber hinaus war es bereits Gegenstand sowohl der Reformdiskussion als auch erster Reformbestrebungen. Dafür ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, welche Formen der Beteiligung von Privaten als geeignet erscheinen, als Mittel der Verfahrensprivatisierung wirksam eingesetzt zu werden. Weiterhin gilt es zu untersuchen, welches Ausmaß an privater Beteiligung bereits heute im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren besteht, da dies einen ersten Einblick in bereits verwirklichte Elemente der Verantwortungsteilung und damit bereits erste Aufschlüsse über Möglichkeiten einer Privatisierung geben kann (Kapitel 1). Aufgrund der Feststellung, dass die externen Sachverständigen, insbesondere als Mittel einer regulierten Fremdkontrolle, geeignet für eine eingehendere Untersuchung erscheinen, wird nunmehr ein Sachverständigenmodell entwickelt. Diese Entwicklung beruht auf der Analyse der Einbeziehung von Sachverständigen in zwei Referenzgebieten, und zwar dem Bauordnungsrecht und dem Arzneimittelrecht (Kapitel 2). Dieses Sachverständigenmodell, bestehend aus abstrahierten Bausteinen, wird anschließend auf seine Umsetzungsmöglichkeiten im Immissionsschutzrecht hin untersucht, wobei dies eine eingehende Analyse der zu kontrollierenden Materie voraussetzt. Abschließend sollen Aspekte eines Sachverständigenmodells im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren kurz skizziert werden (Kapitel 3). Im Anschluss daran werden die Grenzen einer derartigen Verfahrensprivatisierung, die sich aus höherrangigem Recht ergeben, erarbeitet und auf ihre Bedeutung für ein derartiges Sachverständigenmodell hin untersucht. Dies geschieht allerdings in dem Bewusstsein, dass das Verfassungsrecht nur wenig „harte“ Kriterien zur Beurteilung bereithalten dürfte (Kapitel 4). In dem abschließenden 5. Kapitel geht es nunmehr darum, Elemente der Umsetzung eines Sachverständigenmodells, letztlich das aufgrund der Gewährleistungsverantwortung des Staates zu schaffende Gewährleistungsverwaltungsrecht, kurz zu skizzieren (Kapitel 5). Die Arbeit schließt mit einer Schlussbetrachtung und einem Ausblick auf eine mögliche Bedeutung und Normierung des Sachverständigenmodells.

Kapitel 1

Das Ordnungsrecht und das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren § 4 Allgemeines zum Ordnungsrecht Möglichkeiten und Umfang einer Privatisierung können nicht losgelöst von dem jeweils betroffenen Rechtsgebiet betrachtet werden. Dessen Inhalt und Strukturmerkmale liefern Maßstäbe und bestimmen den Regelungsbedarf einer Verfahrensprivatisierung.

1. Strukturmerkmale des Ordnungsrechts Das Ordnungsrecht zeichnet sich insbesondere durch folgende Merkmale aus: • Der Gegenstand des Verfahrens ist ein durch einen Privaten getragenes Vorhaben; • der private Vorhabenträger bestimmt den Gegenstand des Verfahrens; • der Vorhabenträger leistet im Rahmen der Antragstellung erhebliche Beiträge zu dem Verfahren, das gesamte Verfahren ist von diesem Dualismus geprägt; • das materielle Recht reguliert die Ausführung des Vorhabens durch den Privaten; • die Konkretisierung der materiellen Vorgaben geschieht in mehreren Stufen und durch unterschiedliche Instanzen, dabei sowohl abstrakt-generell als auch konkret-individuell; • die Verwaltung konkretisiert die materiellen Vorgaben und kontrolliert deren Einhaltung; • die Kontrolle ist sowohl präventiv als auch repressiv; • präventiv wird ein formalisiertes Verfahren durchgeführt; • im Gegensatz zu der Regelung der §§ 24 und 26 VwVfG zeichnet sich das Verfahren durch einen höheren Anteil an Verfahrensteilhabe bzw. Teilhabelast aus; und • typischerweise wird eine Dreiecksbeziehung zwischen Vorhabenträger, Behörde und Betroffenen geregelt, wobei auf Letztere und ihre Interessen Rücksicht zu nehmen ist.

§4 Allgemeines zum Ordnungsrecht

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Im Ordnungsrecht geht es um eine Zielverwirklichung. Es soll sichergestellt werden, dass ein Zustand entsteht, wie er durch den Gesetzgeber vorgesehen worden ist. Das Objekt des Verfahrens ist das private Vorhaben, das den entsprechenden Vorgaben genügen muss. Dabei besteht das Verfahren aus der Kontrolle des Vorhabens auf die Einhaltung der dem materiellen Recht entnommenen Vorgaben. Dementsprechend handelt es sich bei der auf die Zielverwirklichung gerichteten Tätigkeit weder um eine positive Eigenausführung noch eine positive Beeinflussung; es wird ein privat motiviertes und durchzuführendes Verhalten auf Übereinstimmung mit regulierenden Vorgaben hin überprüft. Dabei soll nicht negiert werden, dass ein erheblicher gestaltender Einfluss seitens der Verwaltung besteht. Dadurch wird allerdings das „Wesen“ des Vorhabens nicht beeinflusst; es besteht jedoch die Möglichkeit einer „negativen“ Einflussnahme für den Fall, dass Vorgaben nicht eingehalten werden. Aufgrund dieses bloß „regulierenden“ Charakters unterscheidet sich das Ordnungsrecht von den Rechtsbereichen, in denen die zunehmende Verwendung der Begriffe der Verantwortung und der Verantwortungsteilung ihren Ursprung hat, da dort die Verwaltungstätigkeit herkömmlicherweise unmittelbar auf eine positive Herstellung eines Zustands gerichtet war. 1 In diesen Fällen diente der Begriff der Verantwortungsteilung dazu, einen Rückzug des Staates aus der positiven Gestaltung hin zu einer bloß regulierenden Tätigkeit zu erfassen. Gleichzeitig manifestierte sich darin auch das Bestreben, eine bestimmte Rolle des Staates festzuschreiben und damit bremsend auf die Privatisierung als Trend der Zeit zu wirken. Es wurde eine Mindestrolle des Staates als Grenze der Privatisierung etabliert und über die bloße Erfassung hinaus versucht, diese dogmatisch zu verankern. Zudem entspricht das Genehmigungsverfahren nicht dem durch die §§ 24 und 26 VwVfG vermittelten Bild. Vielmehr zeichnet es sich durch eine bedeutendere Rolle des Vorhabenträgers aus, insbesondere in Form zahlreicher Mitwirkungspflichten. Er muss das Verfahren durch einen Antrag in Gang bringen, und in diesem Zusammenhang muss er Unterlagen beibringen und Untersuchungen durchführen. 2 Er ist in der Pflicht, der Verwaltung die Erfüllung der maßgeblichen Vorgaben darlegen zu müssen. Und nicht zuletzt hat der Antragsteller das maßgebliche Interesse an der Entscheidung. Infolge des regulierenden Charakters sowie der Verfahrensgestaltung bzw. des Verfahrensablaufs ist das Genehmigungsverfahren durch eine Aufgabenteilung geprägt. Diese ist allerdings unstrukturiert und trägt zur Verdeckung von Entscheidungsstrukturen bei.

1 Insbesondere der Infrastrukturbereich, s. dazu Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998. 2 Im Rahmen der UVP gehen diese Untersuchungspflichten sogar über den Bereich des Antragstellers hinaus.

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

2. Funktionen des Genehmigungsverfahrens Grundlage und Ausgangspunkt jeder Überlegung zu dem Genehmigungsrecht müssen die Funktionen sein, die dieses einerseits nach geltender Rechtslage, andererseits als Ergebnis einer kritischen Betrachtung aber auch zukünftig erfüllen soll. Diese bewerteten Funktionen sind der Maßstab, anhand dessen jedes Privatisierungsvorhaben beurteilt werden muss. Grundsätzlich werden in einem umfassenden Genehmigungsverfahren anhand der Antragsunterlagen die umweltrelevanten Auswirkungen der Errichtung und des Betriebes der gesamten Anlage überprüft. Werden alle genannten Genehmigungsvoraussetzungen vom Betreiber erfüllt, so wird eine Genehmigung erteilt. 3 Das Genehmigungsverfahren ist ein Prozess der Informationsverarbeitung und kann als Verwirklichungsmodus des materiellen Rechts gesehen werden, dessen Konkretisierung es dient. 4 Dieser Verwirklichungsmodus muss gleichzeitig verschiedene Funktionen erfüllen. 5 Die Vielfältigkeit dieser Funktionen wird von Wahl mit dem Begriff des „magischen Vielecks“ beschrieben. 6 Konkret zu nennen sind das Erzielen materiell rechtmäßiger Entscheidungen, die Konkretisierung der Vorgaben, die Minimierung des Investitionsrisikos durch – partiellen – Bestandsschutz, die Realisierung und der Ausgleich grundrechtlich geschützter Verfahrensrechte sowie die dauerhafte Erledigung durch eine möglichst „gerichtsfeste“ Entscheidung. 7 Vereinfacht ausgedrückt, dienen Verfahren der Überprüfung und Durchsetzung der objektiv geltenden Rechtslage und der Möglichkeit der Geltendmachung von subjektiven Rechten. 8 Nicht zu vergessen ist auch die Legitimationsfunktion, auch im Sinne einer Akzeptanz der Entscheidung. 9 Von besonderer Bedeutung im Rahmen der Verfahrensgewähr sind Richtigkeitsgewähr, Rechtssicherheit des Antragstellers, Berücksichtigung der Interessen der Drittbetroffenen und auch Akzeptanz der Entscheidung, da unklar ist, inwieweit die Privaten die originär staatliche Aufgabe des Interessenausgleichs übernehmen können. Das Genehmigungserfordernis und das Genehmigungsver3 Vgl. dazu Wahl, FS Kutscheidt, S. 199 (201); Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 221. 4 BVerwGE 28, S. 268 (270); Wahl, VVdStRL 41 (1983), 151 (153 f). 5 S. dazu Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 794 ff. 6 S. Wahl, VVdStRL 41 (1983), 151 (157 ff.). 7 S. Rombach, Der Faktor Zeit im umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 153 ff. 8 Lautner, VR 1999, 37 (43). 9 Wahl, VVdStRL 41 (1983), 151 (158 f.); s. Würtenberger, Akzeptanz, insb. S. 16 ff.; s. auf S. 42 ff. den Hinweis auf die Konfliktschlichtungsfunktion der Verwaltung und den fehlenden Grundkonsens in der Gesellschaft.

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fahren sollen nämlich die Berücksichtigung der gebotenen Schutzvorkehrung bereits bei Planung und Errichtung der Anlage gewährleisten und einen angemessenen Ausgleich zwischen den Grundrechtspositionen gefährdeter Dritter und des Vorhabenträgers unter Berücksichtigung der Allgemeinbelange herbeiführen. 10 a) Richtigkeitsgewähr Das in Artt. 20, 19 Abs. 4 und 28 GG zum Ausdruck kommende Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass jedes Verwaltungsverfahren eine Gewähr für die materielle Richtigkeit der Entscheidung bieten muss. 11 Es soll das Wissen generieren, das dazu beiträgt, die „richtige“ Entscheidung zu entwickeln sowie die Rationalität der Entscheidung zu fördern. 12 Daher bietet das Verfahren dem Betroffenen die Möglichkeit, als Beteiligter mit selbständigen Befugnissen auf die Herbeiführung einer sachlich und rechtlich zutreffenden Entscheidung hinzuwirken. 13 Eine Richtigkeitsgewähr ist zudem Ausdruck des Vorrangs des Gesetzes, der eine nach Maßgabe des Gesetzes „richtige“ Entscheidung verlangt. Es besteht somit ein enger Zusammenhang zwischen der Verfahrensausgestaltung und der Richtigkeit des Verfahrensergebnisses. Somit müssen auch sämtliche Instrumente der Verfahrensprivatisierung eine Richtigkeitsgewähr 14 bieten. Dabei ist zu beachten, dass die grundsätzliche Annahme rechtmäßigen Verhaltens, die für staatliche Behörden gilt, nicht für private Akteure gilt und somit ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden muss. Bei der Ausgestaltung eines privaten Verfahrens der präventiven Kontrolle muss der Staat demnach Vorsorge dafür treffen, dass richtige und damit rechtmäßige Entscheidungen getroffen werden. Zu diesem Zweck kann er eine gleichlaufende Motivation herstellen (durch Induzierung eines privaten Interesses an der Richtigkeit, z. B. durch monetäre Anreize). Ein weiteres mögliches 10

Rebentisch, FS Feldhaus, S. 83 (86); BVerfGE 53, S. 30 (57 f.) – „Mülheim-Kär-

lich“. 11

Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 54 und 57. Kahl, VerwArch 95 (2004), 1 (27); Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 211; in dieser Hinsicht s. auch BayVGH Urteil v. 19. 10. 1993, NuR 1994, 244 (245); Urteil v. 5. 7. 1994, DVBl. 1994, 1198 (1199); OVG Koblenz, Urteil v. 29. 12. 1993 – 1 C 10893/92.OVG, ZUR 1995, 146 (149). 13 So Ule, zitiert nach Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 55. 14 So bezeichnet auch Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (298), die richtige Entscheidung als Verfahrensziel. Interessant ist hierbei das empirische Ergebnis, dass die Häufigkeit eines nachträglichen Einschreitens unabhängig davon ist, ob vorher lediglich ein Anzeigeverfahren oder aber ein Genehmigungsverfahren durchgeführt worden ist, s. Ziekow / Oertel / Windoffer, Dauer von Zulassungsverfahren, S. 65. 12

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Steuerungsinstrument ist die Kontrolle der Kontrolle. 15 Dies wäre Ausdruck der Wahrnehmung einer mittelbaren Staatsverantwortung bzw. der oben dargestellten Gewährleistungsverantwortung. b) Interesse des Antragstellers an Rechtssicherheit Nicht zuletzt wegen des Risikos der Entwertung einmal getätigter Investitionen besteht auch ein Interesse des Antragstellers an der durch die Genehmigung vermittelten Rechtssicherheit. 16 Diese wird über die Konkretisierung der Genehmigungsvoraussetzungen 17 und den Bestandsschutz 18 erreicht. Die Verfahrensprivatisierung führt jedoch zu einem Verlust an Bestandsschutz und damit an Rechtssicherheit. 19 Allerdings besteht bereits heute im Immissionsschutzrecht aufgrund der Dynamisierung der Grundpflichten ohnehin nur ein eingeschränkter Bestandsschutz. Gleichzeitig ist jedoch auch das Interesse der Betreiber an der Rechtssicherheit anerkennens- und schützenswert. Es ist ein Element jeder Investitionsentscheidung und kann der Attraktivität eines Standorts dienen, wobei diese eine wesentliche Triebkraft der gesamten Reformdiskussion und -bestrebungen darstellt. Dementsprechend muss auch im Rahmen einer Verfahrensprivatisierung eine Ausgestaltung gewählt werden, in der eine Vorhersehbarkeit der den Anlagenbetreiber betreffenden Entscheidungen gewährleistet ist. Eine größere Eigenverantwortung darf nicht automatisch zu einem Zustand der Unsicherheit führen. Dementsprechend wurde die Genehmigung von der Schlichter-Kommission als Dienstleistung angesehen, mit der das Risiko der Gesetzeskonformität abgedeckt werde und die nachfrageorientiert angeboten und erbracht werden müsse. 20 Zudem wurde die Erbringung dieser Dienstleistung durch Private für möglich gehalten. 21 Weiterhin wurde eine Verfahrensbeschleunigung durch eine 15

S. dazu Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1997), 160 (194) sowie Kapitel 5. So für das Baurecht Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (4). 17 So auch Sach, Genehmigung als Schutzschild?, S. 48 f. (Stabilisierungsfunktion der Genehmigung). 18 Zum Bestandsschutz s. Wickel, Bestandsschutz, S. 123 ff.; Sach, Genehmigung als Schutzschild?, S. 95 ff.; Eiermann, VBlBW. 2000, 135 (139 ff.) m.w. N.; im Fall der Genehmigungsfreiheit vgl. BayVGH, Urteil v. 15. 3. 1999 –14 B 93.1542, BayVBl. 2000, 210 (211). 19 Seidel, NVwZ 2004, 139 (139); s. zur Verringerung des Bestandsschutzes Gehrke / Brehsan, NVwZ 1999, 932 ff.; vgl. zu dem beschränkten Umfang der Baugenehmigung VGH München, Beschl. vom 27. 12. 2001 – 26 ZB 00.2890, BayVBl. 2002, 499; OVG Münster, Urteil v. 14. 9. 2001 – 7 A 620/00, NVwZ-RR 2002, 564 (565 f.). 20 Vgl. BMWi, Investitionsförderung, Rn. 139 und 204; s. auch Beckmann, NuR 2003, 715 (715). 16

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Harmonisierung mit dem Zeitbedarf der Investoren vorgeschlagen. 22 Im Ergebnis sollte danach die Genehmigung als ein dispositives Instrument der Verfahrensbeschleunigung ausgestaltet werden, das je nach Bedarf im Einzelfall in Anspruch genommen wird. 23 Dementsprechend ist ein Interesse eines Vorhabenträgers an einer Vergewisserung der Rechtmäßigkeit der Anlage auch im Rahmen der Verfahrensprivatisierung anzuerkennen. Ihm muss Gelegenheit gegeben werden, sich mit einer gewissen Beachtlichkeit auch für staatliche Stellen von der Rechtmäßigkeit seines Tuns zu überzeugen. c) Interessen der Drittbetroffenen Angesichts des dreiseitigen Rechtsverhältnisses aus Vorhabenträger, Genehmigungsbehörde und den von der Anlage Betroffenen regelt bzw. gestaltet die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ein mehrdimensionales und multipolares Interessengeflecht. Das Genehmigungsverfahren soll der Konfliktbewältigung dienen und die verschiedenen Interessen, seien es öffentliche oder grundrechtlich geschützte, berücksichtigen und zu einem für alle tragbaren Ausgleich bringen. 24 Dabei müssen in zunehmendem Maße Zielkonflikte erkannt und bewältigt werden. 25 Die Entwicklung von einer kontrollierenden hin zu einer begleitenden, optimierenden Verwaltung ist bislang rechtlich kaum erfasst. 26 Die Verwaltung kann durchaus gemeinsam mit dem Antragsteller auf eine optimale Gestaltung des Verfahrens im Sinne einer optimalen Unternehmergenehmigung hinarbeiten. 27 Dabei bewegt sich das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren in einem Spannungsfeld von Innovation und Risikobewältigung und 21 BMWi, Investitionsförderung, Rn. 203 spricht von teilweiser Privatisierung; Beckmann, NuR 2003, 715 (715 f.) versteht dies als Forderung, dass der hoheitliche Charakter des Genehmigungsverfahrens prinzipiell aufgegeben werden müsse. 22 Bullinger, Beschleunigte Genehmigungsverfahren für eilbedürftige Vorhaben, S. 11 ff.; ders., JZ 1991, 118 ff. 23 BMWi, Investitionsförderung, Rn. 200, 209 ff.; kritisch dazu Rebentisch, FS Feldhaus, S. 83 (84 ff.). 24 S. BVerfGE 53, 30 (75), Sondervotum Simon / Heußner; BVerwGE 60, S. 297 (303 f., 307, 312); Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (298), der dazu auch § 1 Abs. 6 BauGB zitiert und einen Ausgleich der Interessen gegen- und untereinander fordert. 25 Auch im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung als gebundene Entscheidung bestehen Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume zugunsten der Verwaltung, und zwar bei den Methoden und dem Umfang der Sachverhaltsermittlung sowie der Prognose zukünftiger Entwicklungen. An dieser Stelle können Wertungen der Verwaltung mit einfließen, s. Würtenberger, Akzeptanz, S. 44. 26 Zur Problemlage Hoffmann-Riem, DVBl. 1994, 605 (606 f.). S. aber die Ansätze in §§ 71a ff. VwVfG.

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muss eine praktische Konkordanz zwischen Förderungs- und Schutzauftrag herstellen. 28 Die Genehmigung fixiert mit hoheitlicher Verbindlichkeit die durch das Vorhaben bewirkte Beeinträchtigung auch von Drittinteressen und bietet dadurch den Drittbetroffenen einen Ansatzpunkt für die Geltendmachung ihrer Rechte 29. Eine Reduzierung bzw. ein „Rückbau“ des Rechtsinstituts Genehmigung führt nun aber nicht dazu, dass diese Mehrdimensionalität selbst reduziert wird, sondern es wird lediglich die Problembearbeitung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eingeschränkt. Angesichts der Notwendigkeit der Herstellung eines Interessenausgleichs können Vereinfachungseffekte aber auch dadurch entwertet werden, dass die Problembewältigungskapazität des Genehmigungsverfahrens nicht mehr ausreicht, um für eine Befriedung zu sorgen, zumal fraglich ist, ob und inwiefern eine entsprechende Bereitschaft zur Hinnahme der Entscheidungen von Sachverständigen besteht, wenn eigene Interessen und Rechte betroffen sind. Unabhängig von der Herstellung eines objektiv bestmöglichen Interessenausgleichs, muss dieser auch im Sinne einer Akzeptanz des Ergebnisses vermittelt werden. Zumindest dürfte auch im Rahmen verfahrensprivatisierender Elemente die Einbindung der Vertreter der Interessen, die zurücktreten müssen, erforderlich sein, damit die Betroffenen sich nicht einer Entscheidung ausgeliefert fühlen. Gerade im Falle einer Entscheidung gegen einzelne Interessen bewährt sich die Verwaltung als neutrale Entscheidungsinstanz, die mit staatlicher Autorität ausgestattet und an das Gemeinwohl gebunden ist. Sie bietet in solchen Fällen die Chance auf eine Befriedung der Situation. Ihr obliegt und gebührt auch von Verfassung wegen die Aufgabe der Gemeinwohlkonkretisierung; 30 und dazu zählt auch die Aufgabe der (letztverbindlichen) Herstellung eines Interessenausgleiches, bei der es sich somit um eine originär staatliche Aufgabe handelt. Im Rahmen der Bewertung der Auswirkungen einer Verfahrensprivatisierung ist aber nicht zwingend ein Idealmaßstab anzulegen. Vielmehr kann als Maßstab auch das bestehende Genehmigungsverfahren und dessen Eignung zur tatsächlichen Herstellung eines Interessenausgleichs sowie zur Herstellung und Wahrung des Rechtsfriedens herangezogen werden. Zum Zwecke der Bewertung und des Vergleichs könnte das Kriterium der volkswirtschaftlichen Effizienz (die sogenannte Pareto-Effizienz) auf die vorliegende Untersuchung übertragen werden. Danach liegt eine Verbesserung einer Situation (Pareto-Verbesserung) nur dann 27

Würtenberger, Akzeptanz, S. 44; s. auch Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590 (599). 28 Vgl. dazu Kahl, DVBl. 2003, 1105 ff. 29 Für die Baugenehmigung Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (4). Zu den Auswirkungen des „Rückbaus“ des Rechtsinstituts Genehmigung auf den Rechtsschutz, vgl. Seidel, NVwZ 2004, 139 (139 ff.) m.w. N. 30 Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (307).

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vor, wenn zwar einer bessergestellt, aber niemand anderes schlechter gestellt wird. Eine Verbesserung, gleich welcher Art, aufgrund einer Verfahrensprivatisierung würde somit nur dann zu einer Gesamtverbesserung führen, wenn die Drittbetroffenen in ihrer Interessenwahrnehmung durch die neuen Instrumente nicht schlechter gestellt werden als zuvor. Allerdings würde dies bedeuten, dass ein bestimmtes Ausmaß des Drittschutzes festgeschrieben und zum Maßstab der Bewertung gemacht wird, was eine Bewertung der Angemessenheit dieses Drittschutzes verhindert. Das Ausmaß des Drittschutzes ist vielmehr normativ durch eine Entscheidung des Gesetzgebers festzusetzen und kann nicht ohne entsprechende Entscheidung lediglich durch die Anwendung eines derartigen Kriteriums festgeschrieben werden. Daher sollte die Pareto-Effizienz als Beurteilungskriterium erst dann eingesetzt werden, wenn ein bestimmtes Ausmaß an Rechtsschutz vorgegeben worden ist. d) Rechtsschutz bzw. Grundrechtsschutz durch Verfahren Die Ausgestaltung und die entsprechende Durchführung des Verfahrens entfalten rechts- bzw. grundrechtsschützende Wirkung. 31 Dementsprechend leitet das BVerfG aus den betroffenen materiellen Grundrechten einen Anspruch auf ein geordnetes Verfahren ab. 32 Jedoch ist in Gesetzgebung und Rechtsprechung die Tendenz erkennbar, 33 dem Verfahren eine bloß dienende Funktion zuzuschreiben und Verfahrensfehler als unbeachtlich anzusehen. 34 31 S. dazu Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 55 ff.; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1 (1 ff.); unten Kapitel 4. 32 BVerfGE 53, S. 30 (62 ff.); Laubinger, VerwArch 73 (1982), 60 (61 ff.); Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 75 ff.; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 1. 33 Zu den verschiedenen „Phasen“ der Rezeption dieses Gedankens in Deutschland Kahl, VerwArch 95 (2004), 1 (3 ff.). 34 S. dazu insbes. die durch das GenVerfBeschlG 1996 zugunsten der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern modifizierten §§ 45, 46 VwVfG; Bonk, NVwZ 1997, 320 (324 ff.); Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101 (101 ff.); Oberrath / Hahn, VBlBW 1997, 241 (241 f.); Schmitz / Wessendorf, NVwZ 1996, 955 (957); Stüer, DVBl. 1997, 326 (330). Allerdings scheint dieser Funktion des Verfahrens, wie an der UVP ersichtlich, auf europäischer Ebene eine größere Bedeutung beigemessen zu werden. S. zu dem dortigen verfahrensrechtlichen Denken Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (295 ff.). Kritisch zu der Geringschätzung des Verfahrens Berkemann, DVBl. 1998, 446 (447 f.); Bonk (s. oben) S. 326; HoffmannRiem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 9 (46 f.); Hufen, JuS 1999, 313 (313 f, 319 f.); Meyer, in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8 ff.; Niedobitek, DÖV 2000, 761 (764 ff.); Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 10 ff., 116 ff.; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1997, 281 (287); Schoch (s. oben) S. 291 f. Ein Überblick findet sich bei Voßkuhle, Die Verwaltung 34 (2001), 347 (349 ff.). Zu der ergänzenden Regelung durch das 6. VwGOÄndG s. auch Meyer, in: Knack, VwVfG, § 45 Rn. 3; Milligramm, SächsVBl. 1997, 107 (insbesondere 109 f.); Schenke, NJW 1997, 81 ff.; Redeker, NVwZ 1997, 625 ff.

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Diese Bedeutung des Verfahrens kann jedoch nicht losgelöst von der materiellen Programmierung des Ergebnisses betrachtet werden. Gerade dann, wenn das materielle Recht die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens nicht mehr abstrakt und generell vorausbestimmt, nimmt das Verfahren der Ergebnisfindung eine selbständige grundrechtsschützende Bedeutung an und kann deswegen bei fehlerhafter Abweichung auch selbständig Grundrechte verletzen. 35 Es gewinnt somit an Bedeutung, je unzulänglicher die gesetzliche Determinierung ausgestaltet ist. Vor diesem Hintergrund wird angesichts der dichten materiellen Vorgaben dem Grundrechtsschutz durch Verfahren im Ordnungsrecht nur eine geringe Bedeutung beigemessen. Allerdings kann diese einschränkende Ansicht nicht uneingeschränkt auf den Bereich des Immissionsschutzrechts übertragen werden. Die Vorgaben sind in einem erheblichen Umfang konkretisierungsbedürftig, so dass den Entscheidungen der Verwaltung und damit auch dem Verfahren eine durchaus große Bedeutung zukommt. Dementsprechend entfaltet die Schutzfunktion der Grundrechte auch auf dieser Ebene Bedeutung. e) Verfahrenseffizienz Das Genehmigungsverfahren muss auch dem Grundsatz der Verfahrenseffizienz genügen, 36 der für das Verwaltungsverfahren in § 10 S. 2 VwVfG normiert 37 und auch verfassungsrechtlich verankert ist. 38 Aus Art. 20 Abs. 2 GG wird abgeleitet, dass die Organe der vollziehenden Gewalt nicht nur als solche existieren, sondern auch, dass diese Organe leistungsfähig und zu einer raschen, wirksamen und rationellen Erfüllung ihrer Aufgaben imstande sein müssen. 39 Dabei lässt sich zwischen der Produktionseffizienz (Zweck-Mittel-Relation) 40 und der 35

Grimm, NVwZ 1985, 865 (870). S. zu diesem Gebot Schromek, Mitwirkungspflichten, S. 69 f; s. auch Niedobitek, DÖV 2000, 761 (762 ff.). Allgemein auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 2005. 37 Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die nicht-förmlichen, sondern auch für die förmlichen Verwaltungsverfahren, s. Brohm, DVBl. 1990, 321 (322); Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 287. 38 So die wohl h.M., vgl. BVerwGE 67, S. 206 (209); Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 10 Rn. 2 m.w. N.; Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 54 (zur Raschheit und Wirksamkeit des Vollzugs als Element des Rechtsstaatsprinzips), 200; Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 76; Niedobitek, DÖV 2000, 761 (762 f.). Zur Ableitung des Verfassungsrangs aus dem Rechtsstaatsprinzip s. Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210 f.), wobei dies dadurch möglich wird, dass Effektivität als Erreichung einer sachgerechten Lösung definiert wird. Eine Unvereinbarkeit von Effizienz und Rechtsstaatlichkeit nimmt hingegen Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 58 an. Anzumerken ist hier insbesondere, dass die Auffassungen auch vom Verständnis des Begriffes der Effizienz abhängen; denkbar wäre auch, zwischen Effektivität und Effizienz zu unterscheiden. Jedenfalls ist zumindest ein Teilaspekt der Effizienz vom Rechtsstaatsprinzip erfasst. Zweifelnd auch Ziekow, in: ders. (Hrsg.): Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, S. 51 (53). 36

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Zielerreichungseffizienz unterscheiden, 41 wobei letztere im Sinne der Verwirklichung der gesetzlichen Zielvorgaben verstanden werden soll. 42 Im Rahmen des Verständnisses der Effizienz im Sinne einer Zweck-Mittel-Relation soll das Verhältnis zwischen dem Einsatz finanzieller, sächlicher und zeitlicher Ressourcen und der Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung optimiert werden. Die angestrebten Ziele sollen mit dem geringstmöglichen Aufwand erreicht werden. In dieser Hinsicht hat die Verfahrenseffizienz eine nur dienende Funktion; sie ist kein Primärziel des Verwaltungsverfahrens und hat auch keinen Eigenwert. Gleichwohl ist der Gedanke der Verfahrenseffizienz sowohl bei der Gestaltung des Verfahrens als auch bei der Ausnutzung von Spielräumen zur Verfahrensgestaltung durch die Verwaltung zu beachten. Die Effizienz steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zu der Rechtsbindung, denn grundsätzlich kann eine effiziente Verfahrensgestaltung nur im Rahmen der rechtlichen Vorgaben erfolgen. Dabei wird die Rechtsbindung nicht nur als gleichgewichtiger Faktor des magischen Vielecks, sondern als ein K.O.Faktor beschrieben. 43 Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt auf der Verfahrensebene, da dort die Rechtsbindung aufgrund der Fehlerfolgenregelung der §§ 45, 46 VwVfG eine „zweiter Klasse“ ist und der Effizienz untergeordnet wird. Ein vergleichbares Spannungsverhältnis besteht zwischen Effizienz und Rechtsschutz, insbesondere im Hinblick auf den Grundrechtsschutz durch Verfahren. 44 Dieser zieht der Effizienz eine äußerste Grenze. Allerdings ist effektives Handeln dann dem Rechtsschutz gleichgerichtet, wenn es als Handeln im Sinne einer optimalen Zielverwirklichung angesehen wird, da dann die gesetzlichen Vorgaben verwirklicht sind. 45 Im Sinne einer optimalen Zielverwirklichung streiten auch Rechtsargumente für die Effizienz bzw. legitimieren sie und damit die Verfahrensprivatisierung. So 39 Niedobitek, DÖV 2000, 761 (763); Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 200. 40 Es handelt sich um das Erfordernis eines ressourcenschonenden Mitteleinsatzes, vgl. dazu Voßkuhle, VerwArch 92 (2001), 184 (197 ff.). 41 Zu dieser Unterscheidung s. schon Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, deutlich auf S. 38; s. auch Burmeister, JUTR 1988 (UTR Band 5), S. 121 (155), der dies bezeichnet als optimales Zweck-Mittel-Verhältnis sowie als Intensität der Verwirklichung von Handlungszielen. Die dort ebenfalls erwähnten außerrechtlichen Zwecke sind nur insofern zu berücksichtigen, als dass sie Niederschlag in rechtlichen Regeln gefunden haben. 42 Vgl. Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210). 43 Niedobitek, DÖV 2000, 761 (763). 44 S. Degenhart, DVBl. 1982, 872 (876 ff.); dort auch Hinweise auf weitere Rechtsschutzgarantien des Verfassungsrechts im Verwaltungsverfahren. 45 Zu der Ableitung dieses Sachgerechtigkeits- und Effektivitätsgebots aus dem Rechtsstaatsprinzip Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210).

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

verlangt das Rechtsstaatsprinzip, das auf die Rechtsverwirklichung gerichtet ist, 46 eine effektive Durchsetzung der von der Rechtsordnung gewährten Rechtspositionen sowie eine effiziente Verfahrensgestaltung und kann damit insbesondere für eine Beteiligung Sachverständiger sprechen. Dies gilt auch für den Anspruch auf eine Genehmigung, da es sich um eine derartige Rechtsposition handelt. Ein ähnlicher Gedanke findet sich mit dem Grundsatz der praktischen Wirksamkeit bzw. „effet utile“ auch im europäischen Recht. 47 Ein absoluter Wert der Verfahrenseffizienz lässt sich nicht ermitteln. Gerade im Rahmen komplexer Verwaltungsentscheidungen ist es schwierig, Effizienzverluste aufzuspüren. Jedoch bietet die Verfahrenseffizienz das Gerüst, unterschiedliche Verfahrensgestaltungen miteinander zu vergleichen, denn die Verfahrenseffizienz kann auch als ein Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips interpretiert werden – das bestmögliche Verfahrensergebnis als Ziel soll mit dem mildesten Mittel, nämlich dem geringsten Aufwand, erreicht werden. Als Vergleichsmaßstab dient das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren in der heutigen Ausgestaltung. Instrumente der Verfahrensprivatisierung müssen einen Mehrwert bieten, was insbesondere dann problematisch ist, wenn die angeblichen Vorteile den Aufwand der Einführung überkompensieren sollen. 48 Dann ist eine Prognoseentscheidung erforderlich. Es handelt sich demnach um ein geeignetes und aufgrund der verfassungsrechtlichen Fundierung auch gebotenes Kriterium zur Bewertung von Verfahrensprivatisierungen. f) Der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung Das Genehmigungsverfahren muss so ausgestaltet werden, dass eine Genehmigung möglichst zügig erteilt wird. Dieser Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung wird bereits den bestehenden Regeln des BImSchG entnommen. 49 Danach hat die Genehmigungsbehörde in jedem Verfahrensabschnitt die für eine zügige 46 Dieser Inhalt dürfte umfasst sein von dem von Sachs angenommenen Gebot zur Herstellung von Rechtssicherheit, GG, Art. 20 Rn. 122; er ist daneben mit dem ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip zu verankernden Rechtsschutzgebot (s. dazu Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 5.) insofern verbunden, als dass Rechtsschutz durch die Verwirklichung rechtmäßiger Zustände zu gewähren und insofern Effizienz auch Aspekt des Gebotes zur Herstellung rechtmäßiger Zustände ist. S. auch Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (219 f.). 47 S. zu diesem Bleckmann, Europarecht, Rn. 559; s. auch (neben anderen) das Urteil des EuGH v. 19. 11. 1991, Verbundene Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I 5357 – Francovich, insbes. Rn. 33 des Urteils; s. dazu auch Wegener, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.): EUV / EGV, Art. 220 EG Rn. 15. 48 So für die Mediation, s. dazu auch Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 286 f. 49 Schäfer, DÖV 1977, 85 (88). S. allgemein zu dem Gedanken der Verfahrensbeschleunigung Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kapitel Rn. 55 f., 2. Kapitel Rn. 20 f.

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Durchführung des Verfahrens erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dementsprechend ist bei verschiedenen Alternativen der Verfahrensgestaltung diejenige zu bevorzugen, die – ohne den Zweck des Verfahrens zu beeinträchtigen – zu einer Beschleunigung des Verfahrens beiträgt. g) Das Interesse der Allgemeinheit an einer Kontrolle Es besteht auch ein Interesse der Allgemeinheit an der Kontrolle der risikobehafteten Tätigkeiten von Privaten und damit an der Durchführung eines Genehmigungsverfahrens. Unabhängig von der Frage des anthropozentrischen oder ökozentrischen Verständnisses des Umweltrechts 50 ergibt sich aus der ausdrücklichen Regelung des § 3 Abs. 1 BImSchG sowie aus den in § 3 Abs. 2 BImSchG genannten Schutzgütern die Bedeutung des Immissionsschutzes für die Allgemeinheit 51. Dieses Interesse der Allgemeinheit ergibt sich auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, insbesondere den Grundrechten und Art. 20a GG.

3. Weitere Kriterien zur Beurteilung von Instrumenten der Verfahrensprivatisierung Neben diesen Funktionen als Ausgangsbasis einer Beurteilung verfahrensprivatisierender Instrumente kommen weitere Beurteilungskriterien in Betracht. a) Das Kriterium der funktionellen Äquivalenz Die als Alternative zum Ordnungsrecht oder als Ergänzung vorgeschlagenen Instrumente müssen von der Steuerungsleistung her funktional oder funktionell äquivalent sein. 52 Diese funktionale oder funktionelle Äquivalenz wird damit 50 S. dazu Koch (Hrsg.): Umweltrecht, § 3 Rn.1 ff (S. 79 f.); Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 19 ff (S. 19 ff.). 51 S. die durch Luftverunreinigungen und Lärm verursachten Schäden, Koch (Hrsg.): Umweltrecht, § 4 Rn. 1 ff. 52 So auch dies voraussetzend Führ, in: Roßnagel / Neuser (Hrsg.): Reformperspektiven im Umweltrecht, S. 211 (249). Zu dem Kriterium der funktionalen Äquivalenz s. Groß, Privatisierung, S. 52, 101 f. S. zu der Problematik dieses Begriffs auch Feldhaus, UPR 1997, 341 (342 f.). Dieses Kriterium wurde im Rahmen der Diskussion um das Öko-Audit insbesondere im Umweltpakt Bayern 1995 entwickelt, dazu Schneider, V., Öko-Audit und Deregulierung, S. 129 ff. Darin wurde festgelegt, dass verfahrensmäßige Entlastungen nur so weit gewährt werden, wie eine gleichwertige Übernahme von Eigenverantwortung vorliegt. Dementsprechend müssen z. B. bei Maßnahmen der Selbstorganisation und Selbstkontrolle die gleichen Ziele erreicht werden wie bei staatlicher Kontrolle.

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umschrieben, dass zwei Instrumententypen die gleichen Zielsetzungen und die gleiche Steuerungswirksamkeit besitzen. 53 Dabei „seien die jeweiligen Zielsetzungen durch eine ‚Interpretation von Wortlaut und Zweck der einschlägigen Bestimmungen zu ermitteln‘, während die Feststellung der Steuerungswirksamkeit eine prognostische Abschätzung des künftigen Verhaltens von Anlagenbetreibern erfordere, die einerseits auf praktischen Erfahrungen mit der Durchsetzung des Ordnungsrechts und andererseits auf einer Analyse der Rechtskonformität der am Umwelt-Audit-System teilnehmenden Unternehmen beruhe.“ 54 Nur dann wird als gewährleistet angesehen, dass im Rahmen des „neuen Verfahrenselements“ die materiellen Umweltschutzstandards in gleichem Maße eingehalten werden, wie dies bei den Instrumenten des Umweltordnungsrechts der Fall ist. Die funktionelle Äquivalenz wird auf drei Ebenen untersucht, wobei auf einer ersten die Ziele zu identifizieren sind; auf den weiteren Ebenen werden die abstrakte und die konkrete Steuerungswirksamkeit untersucht. Es handelt sich bei der funktionellen Äquivalenz allerdings nicht um ein eigenständiges Kriterium. Es stellt vielmehr eine Methode dar, die Sicherstellung der oben erörterten Funktionen des Genehmigungsverfahrens zu untersuchen. b) Die Wahrung der materiellen Standards Die Wahrung der materiellen Standards ist Maßstab jeder Verfahrensprivatisierung, denn das Ziel einer Änderung des Steuerungsmechanismus’ ist eine Entlastung der Verwaltung, nicht aber ein geringerer Umweltschutz – es geht nur um andere Wege, diesen zu erreichen. 55 Dieses Kriterium wird in der gesamten Diskussion nicht in Zweifel gezogen, sondern ist Grundlage vieler Beiträge. 56 53 BMU (Hrsg.), Bericht der Bundesrepublik Deutschland: Verhältnis von Öko-Audit und ordnungsrechtlichen Kontrollen, in: Umweltpolitik, S. 11 (12), zitiert nach Groß, Privatisierung, S. 52; Schneider, V., Öko-Audit und Deregulierung, S. 131; s. auch Moormann, ZUR 1997, 188 (191). 54 BMU (Hrsg.), Bericht der Bundesrepublik Deutschland: Verhältnis von Öko-Audit und ordnungsrechtlichen Kontrollen, in: Umweltpolitik, S. 11 (12), zitiert nach Groß, Privatisierung, S. 52. 55 So wird auch für das Bauordnungsrecht festgestellt, dass die verfahrensrechtlichen Ansätze (zur Vereinfachung und Beschleunigung) nicht auf eine Veränderung der Anforderungs-, sondern der Prüfmasse zielen, s. Jäde, UPR 1994, 201 (203); ders., BayVBl. 1998, 7 (13); Simon, BayVBl. 1994, 332 (333); für die Deregulierungsvarianten Entscheidungsverzicht und Verfahrensprivatisierung auch Ritter, DVBl. 1996, 542 (545). 56 Siehe auch Groß, Privatisierung, S. 56, 57, 59; für die Privatisierung im Rahmen des Bauordnungsrechts s. Goerlich, SächsVBl. 1996, 1 (2); ebenfalls Führ, in: Koch (Hrsg.): Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, S. 73 (76), dieser arbeitet auch gut heraus, dass es hier also darum geht, die Verantwortungstragung zu variieren, nicht aber den Verantwortungsmaßstab; Huber, in: Hendler / Marburger / Reinhardt / Schröder (Hrsg.): Rückzug des Ordnungsrechts im Umweltschutz, UTR Band 48, S. 217 (218).

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Zudem lässt sich auch bezweifeln, ob in der heutigen komplexen sozioökonomischen Realität ein Abbau materieller Standards überhaupt möglich ist. 57 So wird für das Umwelt-Audit betont, dass es als ein verfahrensorientiertes System nicht geeignet sein kann, materielle Standards zu ersetzen. 58 Kritisch ist jedoch anzumerken, dass dieses Kriterium implizit davon ausgeht, dass sich materielles Recht und Verfahrensrecht trennen lassen. Umgekehrt ist es aber auch nicht auszuschließen, dass hohe Standards im materiellen Recht adäquate rechtsstaatliche Verfahren bedingen, 59 also die tatsächliche Wahrung der formell beibehaltenen Standards auch von einer entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens abhängt. Diese These kann jedoch genauso wenig wie die entgegengesetzte, nämlich dass das eigentliche Problem des Genehmigungsverfahrens das ausufernde materielle Recht ist, in diesem Rahmen abschließend beurteilt werden. Maßgabe für diese Untersuchung ist vielmehr, dass die Gewährleistung eines unveränderten materiellen Anforderungsniveaus auch im Rahmen einer Verfahrensprivatisierung und damit einer Verantwortungsteilung sicherzustellen ist. c) Das Erfordernis einer Risikoabwägung Im Rahmen des oben beschriebenen dreiseitigen Rechtsverhältnisses sind die Nachbarn und Drittbetroffenen an dem Verfahren beteiligt und maßgeblich an seinem Ergebnis interessiert. Da gerade diese Gruppe den negativen Auswirkungen und Gefahren der Anlage ausgesetzt ist und ihre Rechtslage unmittelbar durch die Genehmigung gestaltet wird, ist die Auswirkung der Verfahrensprivatisierung auf die Risikosituation der Drittbetroffenen zu betrachten. Eine derartige 57

So für das Bauordnungsrecht, aber durchaus verallgemeinerbar Ritter, DVBl. 1996, 542 (545); so wohl auch die Meinung im Rahmen der Diskussionen zum Erlass der ersten (Reform-)Bayerischen Bauordnung, vgl. Simon, BayVBl. 1994, 332 (333); als Argument gegen die Möglichkeit eines Abbaus oder einer Verringerung des Regelungsgehalts des materiell-öffentlichen Rechts werden hier die bestehenden öffentlichen und privaten Interessenkonflikte genannt. Daneben wird auch ein allgemein wachsender Regulierungsbedarf, insbes. im Bereich des Umweltschutzes, als Argument gegen die Möglichkeit eines Abbaus materieller Standards genannt. Zu einer Verminderung der materiellen Anforderungen im Baurecht s. aber Weber, NVwZ 1995, 148 (148); für das Bauordnungsrecht offenlassend, ob ein Abbau materieller Standards nicht gewollt oder nicht möglich ist Jäde, ZfBR 1996, 241 (245); das Bedürfnis einer Vereinfachung betonend, gleichzeitig aber die Hindernisse darstellend, ders., ThürVBl. 1998, 193 (195 f.); ders., GewArch 1995, 187 (188), bezeichnet die materielle Vereinfachung als in die Kategorie des politisch Unmöglichen gehörend; ebenfalls ders., UPR 1994, 201 (202). 58 Schneider, V., Öko-Audit und Deregulierung, S. 130, dort auch (S. 129 Fn. 533) umfangreiche Nachweise zu der Forderung nach der Wahrung der materiellen Standards; ebenfalls Moormann, ZUR 1997, 188 (190). 59 So Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (2).

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Risikoabwägung liegt auch schon bisher dem System der gestuften Eröffnungskontrolle zugrunde, da die Zuordnung eines Vorhabens zu einem Verfahrenstyp im Wesentlichen risikoabhängig ist. 60 Eine ähnliche risikobezogene Abstufung kennt auch das EG-Recht, das auf der einen Seite das selbstregulative Element des Umwelt-Audit vorsieht, diesem auf der anderen Seite aber dadurch Grenzen zieht, dass die IVU-Richtlinie unter dem Aspekt der anlagenbezogenen Sicherheit Genehmigungserfordernisse aufstellt. 61 Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung: Risiko und Schutz hängen nicht nur von den Elementen der Verfahrensprivatisierung, sondern dem gesamten rechtlichen Instrumentarium ab.

4. Verantwortung im Ordnungsrecht: Die Bestimmung der Aufgabe Eine Verbindung zwischen den Begriffen Verantwortung und Ordnungsrecht geschieht über die im Ordnungsrecht zu erfüllenden Aufgaben. Für diese wird Verantwortung getragen, und anhand dieser kann auch die Verantwortungsteilung im Ordnungsrecht analysiert werden. Die Bestimmung der Aufgabe kann am besten anhand der einzelnen präventiven Verfahrensarten geschehen, die das öffentliche Recht für die Überwachung privater Tätigkeit bereithält und die zusammen ein System der gestuften Eröffnungskontrolle bilden. Bei diesen handelt es sich um Verfahrensfreistellung, Anzeigeverfahren, Anmeldeverfahren, Erlaubnis und Ausnahmebewilligung. Bei der Verfahrensfreistellung und dem Anzeigeverfahren kann die Verwaltung nur die bereits aufgenommene private Tätigkeit überwachen und repressive Maßnahmen in Form von Untersagung oder nachträglichen Auflagen bzw. sonstige differenzierte Maßnahmen ergreifen. Voraussetzung ist, dass sie überhaupt Kenntnis von bestehenden Störungen oder drohenden Gefahren erhält. Demgegenüber bieten die übrigen Verfahrensarten der Verwaltung grundsätzlich die Möglichkeit, bereits vor der Aufnahme der privaten Tätigkeit einzugreifen. Insofern handelt es sich um Instrumente der präventiven Kontrolle. 62 Der Einsatz dieser Instrumente bedeutet, dass die Verwaltung sich nicht auf eine generelle Überwachung eines Lebensbereichs beschränkt, 63 sondern diese Überwachung 60 S. Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (52). 61 S. auch Schmidt-Preuß, FS Kriele, S. 1157 (1178 f.). 62 Die Verfahrensfreistellung sowie das Anzeigeverfahren stellen somit zwar Formen der gestuften Eröffnungskontrolle dar, bieten allerdings nur geringe Möglichkeiten präventiven Eingreifens. Bei der Erlaubnis handelt es sich um das traditionelle Institut der präventiven Kontrolle, Wahl, Art. Erlaubnis, HdUR I, Sp. 528.

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im Sinne einer Eröffnungskontrolle vorverlagert und die Aufnahme der Tätigkeit zwingend von einem behördlichen Verfahren abhängig gemacht wird. 64 Es muss eine Schranke überwunden werden, sei sie bloß formell (Anzeige), formell und zeitlich (Anmeldung) oder materiell (Erlaubnis und Ausnahmebewilligung). Bis auf die rein formelle Schranke des Anzeigeverfahrens hängt das Überwinden der jeweiligen Schranke von einer Entscheidung der Genehmigungsbehörde ab. Dabei kann das Überwinden durch den Entschluss zum Nicht-Einschreiten, durch eine vorzeitige Freigabe oder durch die Erteilung der begehrten Genehmigung geschehen. Maßgeblich für die Entscheidung ist, ob die Behörde zu dem Ergebnis kommt. dass die beantragte Tätigkeit des Privaten den gesetzlichen Vorgaben entspricht oder nicht. Damit zeigt sich der Charakter der Aufgabe der Verwaltung – sie besteht in der Kontrolle einer privaten Tätigkeit auf Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben. Die Verwaltung trifft somit die Verantwortung, für die Verwirklichung des materiellen Rechts Sorge zu tragen. Auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit nimmt ihre Verantwortung für die Gewährleistung eines effizienten Individualrechtsschutzes durch eine (allerdings richterliche) Kontrolle wahr 65. Hier zeigt sich ein verallgemeinerungsfähiger Zusammenhang zwischen einer Gewährleistung und einer Kontrolle zu deren Verwirklichung. Die Kontrollpflicht im Ordnungsrecht umfasst mehrere Dimensionen; und zwar spielen hier die Verifizierung des Kontrollgegenstandes, die Ermittlung der Kontrollmaßstäbe im Einzelfall sowie die Überprüfung des Kontrollgegenstands auf Übereinstimmung mit diesen Maßstäben eine Rolle. Dies zusammen bildet die notwendige Kontrolle eines genehmigungsbedürftigen Vorhabens und stellt die Aufgabe dar, für die die Verantwortung besteht. Im Rahmen der Kontrolle lässt sich eine sachliche und eine zeitliche Dimension unterscheiden. In sachlicher Hinsicht bezieht sich die Kontrolle auf die Übereinstimmung des Kontrollgegenstandes mit den gesetzlichen Vorgaben im Zeitpunkt der Prüfung. In zeitlicher Hinsicht ist auch die zukünftige Übereinstimmung des Kontrollobjekts mit sowohl den jetzigen als auch den zukünftigen Bestimmungen zu berücksichtigen. Dabei geht es sowohl um die Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung im Rahmen einer aktuellen, an sich statischen Kontrolle als auch um die Sicherung der Effektivität einer zukünftigen Kontrolle.

63 Mit der Möglichkeit, bei der Kenntniserlangung von Störungen oder drohenden Gefahren einzugreifen. 64 S. Wahl, Art. Erlaubnis, HdUR I, Sp. 528/529. 65 Burmeister, JUTR 1988 (UTR Band 5), S. 12 (127).

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§ 5 Die Rolle interessenabhängiger Privater im Genehmigungsverfahren Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist bereits heute im erheblichen Umfang von einer Mitwirkung Privater, 66 insbesondere des Antragstellers, geprägt 67 und enthält Elemente einer Verantwortungsteilung. Auf einer ersten Ebene soll im Folgenden untersucht werden, welche Rolle interessenabhängige Private im Genehmigungsverfahren spielen. Grundsätzlich kann die Struktur der Beteiligung von Privaten und die Rollenverteilung anhand des sogenannten Entscheidungsfindungs- bzw. Vollzugsmodells der Verwaltung verdeutlicht werden, 68 das einer Darstellung anhand der Einzelelemente des Verfahrens vorzuziehen ist. 69 Es bietet einen strukturellen Rahmen, innerhalb dessen die Beteiligung Privater erfasst und systematisiert werden kann. Die einzelnen Elemente des Genehmigungsverfahrens werden den einzelnen Stufen des Vollzugsmodells zugeordnet. Nach diesem Vollzugsmodell wird die Entscheidungsfindung und somit die Kontrolltätigkeit in die Ermittlung des Ist-Zustandes, die Ermittlung des SollZustandes sowie in die Entscheidung, die den Vergleich dieser beiden Zustände darstellt, unterteilt. Die Ermittlung des Ist-Zustandes besteht aus der Sachverhaltsermittlung, die des Soll-Zustandes aus der Konkretisierung der Norm; daran schließt sich die Subsumtion unter die Norm mit anschließender Entscheidung an. Bei der hier vorliegenden gebundenen Entscheidung ist die Subsumtion mit der anschließenden Entscheidung gleichzusetzen. Die Erfüllung dieses Vollzugsmodells stellt auch die Verwirklichung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Die Übereinstimmung einer Entscheidung mit den rechtlichen Vorgaben hängt von der richtigen Feststellung des Sachverhalts, der richtigen Auslegung der anzuwendenden Normen und der richtigen Subsumtion des Sachverhalts unter diese Rechtsvorschriften ab. 70 Für die weitere Untersuchung wird auf die Normkonkretisierung mangels Relevanz für die Untersuchung nicht eingegangen. Zwar spielen Sachverständige dort eine große Rolle, jedoch lediglich im Rahmen einer abstrakten Konkretisierung und weniger im Einzelfall. Da die abschließende Entscheidung nach wie vor 66

So auch Erbguth, UPR 1995, 369 (369). Was auch als Ausdruck des Verursacherprinzips verstanden werden kann, s. zu diesem Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht, Berlin 1997. 68 S. dazu Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 82. 69 So insbesondere schriftlicher Antrag, Stellungnahmen anderer Behörden, Erörterung der Einwendungen, Prüfung und Entscheidung der Behörde, vgl. § 10 BImSchG in Verbindung mit den Normen der 9. BImSchV. 70 Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (159). 67

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in der alleinigen Kompetenz der Behörde liegt, wird daher auf die Mitwirkung Privater an der Sachverhaltsermittlung eingegangen, und zwar die Beteiligung der Antragsteller und der Einwender bzw. Drittbetroffenen. Die Sachverhaltsermittlung ist ein zentraler Bestandteil jedes Verwaltungsverfahrens. Sie liefert die Entscheidungsgrundlage der Verwaltung und hat im Rahmen des Entscheidungsprozesses eine herausragende Funktion, da die Qualität der Entscheidung untrennbar mit der Menge und der Güte der Informationen verknüpft ist, auf der sie gründet. 71 Dementsprechend bedeutet eine Beteiligung am Verfahren auch einen erheblichen Einfluss auf die spätere Entscheidung. 72 Um so wichtiger ist die sogenannte Verfahrensverantwortung, d. h. die Beherrschung des Verfahrens und des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalts. 73 Grundsätzlich ermittelt die Behörde nach § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG 74 den Sachverhalt von Amts wegen. 75 Der Amtsermittlungsgrundsatz ist damit wesentliches Leitprinzip der Sachverhaltsermittlung. Er ist auf der Ebene der Verfassung verankert 76 und weist die Prozessverantwortung („process ownership“) der Verwaltung zu 77. Diese trägt dem Grundsatz nach die volle Verantwortung für die vollständige und richtige Ermittlung des Sachverhalts. 78 Sie muss sich vom Vorliegen oder Nicht-Vorliegen der einzelnen Tatsachen eine eigene Überzeugung bilden. 79 Dabei bestimmt die jeweils handelnde Behörde Art und Umfang der Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. 80 Sie ist zur Ermittlung aller 71

Schromek, Mitwirkungspflichten, S. 1. So wird vor allem für das Planungsrecht darauf hingewiesen, dass im Verfahren der für die Entscheidung relevante Sachverhalt konstituiert wird, so dass man Verfahrensbeteiligung in gewissem Sinne auch als Entscheidungsbeteiligung sehen kann, Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (288), mit weiteren Nachweisen in Fn. 3. Ein vergleichbares Maß an Beeinflussung besteht nicht im Ordnungsrecht. 73 S. zu der Verfahrensverantwortung Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (303 ff.). 74 Gleichlautende Regelungen finden sich in § 88 Abs. 1 AO sowie in § 20 Abs. 1 SGB X. 75 S. dazu ausführlich Schromek, Mitwirkungspflichten, S. 19 ff. 76 Kohnert, NVwZ 1998, 136 (137); Lukes, in: ders. / Bischof / Pelzer (Hrsg.): Sachverständigentätigkeit im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 13 (25); Berg, Die Verwaltung 1976, 161 (165) Seidel, Privater Sachverstand, S 91. Weber / Hellmann, NJW 1990, 1625 (1629). 77 Holoubek, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 193 (208). 78 Brühl, JA 1992, 193 (196); s. auch Seidel, Privater Sachverstand, S. 91. 79 Nach h.M. bestimmt sich der dabei zu erreichende Überzeugungsgrad dahingehend, dass ein jeden vernünftigen Zweifel ausschließender Grad von Wahrscheinlichkeit ausreicht. Die unterschiedlichen Aussagen hierzu dürften kaum praktische Auswirkungen haben, s. allg. dazu Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 94; s. auch Kopp, VwVfG, § 24 Rn. 22; Peters, JuS 1991, 54 (58) spricht davon, dass der Ver72

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bedeutsamen, auch für den Antragsteller günstigen Umstände verpflichtet. Ihr obliegt eine vollständige, gründliche und unparteiische Sachverhaltsaufklärung. 81 Dies gilt auch in antragsabhängigen Verfahren; die Dispositionsmaxime wirkt sich nur auf Einleitung, Verfahrensgegenstand und Beendigung aus. 82

1. Die Rolle des Antragstellers Soweit die Theorie – ganz anders sieht aber die Praxis der Genehmigungsverfahren aus. Insbesondere bei komplexen Entscheidungen ist die Verwaltung ohne private Mitwirkung gar nicht zur angemessenen Aufgabenerfüllung in der Lage, was bereits Elemente der Kooperation zur Folge hat. 83 So sind gerade die der Dispositionsmaxime unterliegenden Genehmigungsverfahren auf private Beiträge des Antragstellers hin ausgelegt, wobei allerdings nach wie vor der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, d. h. die Behörde ermittelt grundsätzlich den Sachverhalt, den sie ihrer Entscheidung schließlich zugrunde legt, von sich aus. 84 Der Antrag ist das zentrale Element der Mitwirkung des Antragstellers an der Sachverhaltsermittlung, 85 zumal über den Antragsinhalt der Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes gesteuert wird. 86 Anders als im Rahmen der späteren Überwawaltungssachbearbeiter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überzeugt sein müsse; dies verlangt auch Schromek, Mitwirkungspflichten, S. 37 (dort auch detaillierte Nachweise), wobei nach ihm diese Wahrscheinlichkeit dann erreicht ist, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse überschauender Mensch noch zweifelt bzw. eine andere Auffassung bei vernünftiger Überlegung nicht denkbar ist. Demnach scheinen auch diese Auffassungen mit der h.M. übereinzustimmen. 80 Dieses wird als Konkretisierung des allgemeinen Verfahrensermessens nach § 10 VwVfG angesehen, Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (160); s. zu dem Meinungsstreit, ob der Genehmigungsbehörde (oder aber der ermittelnden Behörde allgemein) im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ein Ermessen eingeräumt ist, Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 94 ff. Das Verfahrensermessen ist nach den Vorgaben des § 10 Satz 2 VwVfG auszuüben, Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 21 Rn. 2; dies erscheint auch angesichts der verschiedenen Ziele, denen das Verwaltungsverfahren genügen muss, als angemessen, siehe dazu das „magische Vieleck“ bei Wahl, VVdStRL 41 (1983), 151 (157 ff.). 81 Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (159); s. auch Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 94 m.w. N. Zur Sicherung des öffentlichen Interesses dadurch vgl. Holoubek, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 193 (204). 82 Vgl. Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 89 ff. 83 Schulze-Fielitz, in: Dose / Voigt (Hrsg.): Kooperatives Recht, S. 225 (241). 84 Clausen, in: Knack: VwVfG, § 24 Rn. 5. 85 Dabei ist zwischen dem Antragsinhalt und der Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung zu unterscheiden. Einige der Informationen, und zwar insbesondere die nach § 3d der 9. BImSchV erforderlichen, erschöpfen sich darin, das Antragsziel näher zu bestimmen. Andere Informationen können als Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung

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chung besteht hier eine für die Verwaltung günstige Motivationslage des Antragstellers, da dieser die staatliche Entscheidung begehrt und daher ein Interesse daran hat, die für eine positive Sachentscheidung benötigten Unterlagen beizubringen. 87 Dabei ist allerdings anzumerken, dass diese günstige Motivationslage zwar einerseits das Vollzugsniveau im Rahmen der präventiven Kontrolle erhöht, andererseits dies aber durch eine hohe Ressourcenbeanspruchung erkauft wird. Der Antrag wird durch eine vorgelagerte Kooperation von Behörde und Antragsteller vorbereitet; es werden Beratungen 88 und Vorverhandlungen durchgeführt. 89 Der Antragsinhalt wird näher festgelegt; ihm sind insbesondere bestimmte, näher bezeichnete Unterlagen beizulegen. 90 Die Antragsunterlagen müssen das Vorliegen sämtlicher Genehmigungsvoraussetzungen darlegen 91 und sind die Grundlage für die behördliche Sachprüfung und Entscheidung 92. In dieser Rollenverteilung beschränkt sich die Aufgabe des Projektträgers darauf, der Behörde die entscheidungserheblichen Tatsachen mitzuteilen. Er muss beinahe angesehen werden, so dass insofern eine eindeutige Zuordnung zu dem Bereich der Dispositonsmaxime (worüber soll entschieden werden) oder dem Bereich des Untersuchungsgrundsatzes (was ist Grundlage der Entscheidung) möglich ist. 86 Schoch, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (224); zu dem Zusammenhang zwischen Antragsinhalt und Genehmigungsinhalt s. auch BVerwGE 84, S. 220 (226 f.). 87 S. dazu vor allem Lübbe-Wolff, NuR 1993, 217 (218 ff.); Wahl, FS Kutscheidt, S. 199 (201 f.); s. auch Knopp, NuR 1993, 401 (402); s. allg. Gassner, DVBl. 1984, 703 ff. Allerdings ist diese Annahme dann problematisch und kritisch zu hinterfragen, wenn die Verwaltung selbst ein erhebliches Interesse an den Investitionen hat, die mit der Genehmigung verbunden sind. Die damit verbundene Ansiedlung von Unternehmen stellt einen Wirtschaftsfaktor dar, und angesichts eines Erfolgsdrucks auch der Verwaltung sowie des weltweiten Wettlaufs um Investitionen hat sie u. U. dem Druck des Projektträgers wenig entgegenzusetzen. Es lässt sich die Gefahr nicht von der Hand weisen, dass die Vorschriften zum Schutz der Umwelt durch Verfahren in einem „race to the bottom“ ausgehöhlt werden. 88 Vgl. § 71c VwvfG; § 2 Abs. 2 der 9. BImSchV. 89 Sie nehmen oft mehr Zeit in Anspruch als das spätere Genehmigungsverfahren, Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 51, und dienen einem intensiven Informationsaustausch über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 132. Angesichts der einseitigen Interessenlage, nämlich dem dominierenden Eigeninteresse des Antragstellers an der Genehmigung, kann jedoch nicht von einer Rechtspflicht zur Kooperation bzw. Beratung i.S. einer „Zweck- und Risikogemeinschaft“ von Antragsteller und Genehmigungsbehörde bei der Bestimmung des erforderlichen Umfangs der Antragsunterlagen gesprochen werden; so aber SchulzeFielitz, in: Dose / Voigt (Hrsg.): Kooperatives Recht, S. 225 (241). 90 § 3, §§ 4 – 4e der 9. BImSchV; s. dazu auch Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 74 ff. 91 Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 170; Sellner / Reidt / Ohms, Imissionsschutzrecht, 2. Teil Rn. 63 (s. dort Rn. 61 ff. zur Vollständigkeitsüberprüfung und zur nachträglichen Ergänzung). 92 Sellner, Immissionsschutzrecht (2. Auflage, Vorauflage), Rn. 128.

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ausschließlich Angaben über die beantragte Anlage und die von dieser ausgehenden Ursachen für Umweltbelastungen (insbesondere Emissionen) einreichen, also die Emissionen beschreiben. 93 Die Wirkungen, vor allem die zu erwartende Immissionsbelastung, werden von der Behörde berechnet und prognostiziert; die Bewertung ist Sache der Behörde und geschieht im Rahmen der Entscheidung. 94 Die Pflichten des Vorhabenträgers sind allerdings deutlich erweitert, wenn das Vorhaben UVP-pflichtig ist. 95 Die UVP ist ein unselbständiger, integraler Bestandteil des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens 96 und sieht in ihren ersten beiden Phasen 97 ein Zusammenspiel aus vorgelagerter Steuerung und privater Tätigkeit vor. Während im Rahmen der vorgelagerten Steuerung durch das sogenannte Scoping die Reichweite der für ein Vorhaben voraussichtlich erforderlichen Unterlagen festgelegt wird, 98 regelt § 6 UVPG bzw. im Immissionsschutzrecht § 4e der 9. BImSchV die mit der UVP-Pflicht verbundene erweiterte Beteiligungspflicht in Form der wesentlichen Aufgaben des Vorhabenträgers. 99 Dadurch sind die Mitwirkungslasten des Vorhabenträgers im Vergleich zum herkömmlichen 93 Bunge, DVBl. 1987, 819 (822); auch Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (169). So spricht auch § 4 Abs. 3 der 9. BImSchV lediglich davon, dass die vorzulegende Kurzbeschreibung einen Überblick über die voraussichtlichen Auswirkungen auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft ermöglichen soll, während erst der im Rahmen der UVP geltende § 4e der 9. BImSchV die detaillierte Ermittlung der Auswirkungen zum Gegenstand hat. 94 Bunge, DVBl. 1987, 819 (822); ders., Die Umweltverträglichkeitsprüfung im Verwaltungsverfahren, S. 39. Dies entspricht auch einer Beschränkung der Mitwirkungslast der Beteiligten am verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf die eigene Sphäre, vgl. BVerwG, Urteil v. 7. 11. 1986 – 8 C 27/85, NVwZ 1987, 404 (405). 95 Vgl. §§ 3 ff UVPG. Im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung ergibt sich diese Verpflichtung aus § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV, der allerdings ergänzend und korrigierend auszulegen ist, damit er den Vorgaben des UVPG entspricht, vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht Band 2, § 1 der 9. BImSchV, Rn. 19 ff., insbesondere Rn. 21 ff. Dabei sind die in Anlage 1 zum UVPG aufgeführten Anlagen UVP-pflichtig. Während sich somit die UVP-Pflicht selbst nach dem UVPG bestimmt, wurden im Übrigen die entsprechenden Vorschriften über die Verordnungsermächtigung in das Immissionsschutzrecht integriert, um die unmittelbare Anwendung der Vorschriften des UVPG zu vermeiden, Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band 1, BImSchG, § 10 Rn. 28. 96 Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 95; Vallendar, UPR 1992, 212 (215). 97 der auf 5 Phasen angelegten UVP, vgl. Bunge, Art. Umweltverträglichkeitsprüfung, HdUR II, Sp. 2478 (2486). Der Antragsteller ist nur in die beiden ersten Phasen involviert. 98 S. § 5 UVPG bzw. im Immissionsschutzrecht § 2a Abs. 1 der 9. BImSchV. S. dazu Kment, in: Hoppe (Hrsg.): UVPG, § 5 Rn. 2; s. auch Ritter, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 95 ff. Dem Antragsteller soll bei der Erfüllung der erweiterten Pflichten geholfen werden, Vallendar, UPR 1992, 212 (215 f.). 99 Auf deren Darstellung soll hier im Einzelnen verzichtet werden. Für eine ausführliche Darstellung sei verwiesen auf Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung,

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Recht der Anlagenzulassung auch im Immissionsschutzrecht nicht unbeträchtlich erweitert worden, 100 insbesondere im Hinblick auf raumbezogene Informationen. 101 Es fällt nunmehr in die Verantwortung des Vorhabenträgers, wesentliche Teile des Abwägungsmaterials beizubringen. 102 Die Analyse und die Prognose der Umweltauswirkungen eines Projekts werden in die primäre Verantwortung des Vorhabenträgers transferiert. 103 Demnach verändert sich der Umfang der beizubringenden Informationen in sachlicher Hinsicht, denn die eigenen Ermittlungen 104 beziehen sich auf mehr Aspekte als vorher, und dabei insbesondere auf nicht zum eigentlichen Anlagenbereich gehörende Aspekte. 105 Die Mitwirkung des Antragstellers bezieht sich auf den gesamten Bereich der Sachverhaltsermittlung. 106 Er muss sogar eine Übersicht über die wichtigsten von dem Antragsteller geprüften technischen Verfahrensalternativen beilegen. 107 Ohne die UVP sind, trotz dahingehender Ansätze, die Beschreibung der Umweltauswirkungen und die Zustandsbeschreibung fast ausschließlich von der Verwaltung vorzunehmen. 108 S. 51 ff.; Erbguth / Schink, UVPG, § 6 Rn. 3 ff. Zur Umsetzung des § 6 UVPG durch § 4e der 9. BImSchV s. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band 2, § 4e der 9. BImSchV Rn. 1. 100 Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 76. Dabei ist der Antragsteller jedoch dahingehend frei, in welcher Form er die Angaben vorlegt, d. h. er muss sie nicht als eigenständige Umweltverträglichkeitsstudie vorlegen, sondern kann die Angaben auch auf unterschiedliche Unterlagen verteilt vorlegen, s. BVerwG, Beschluss vom 10.110.2006 – 9 B 27/05, NVwZ 2007, 84 (85). 101 Dabei ist die Immissionsprognose nicht mehr Gegenstand der UVP, was aber nur deshalb der Fall ist, weil sie infolge der Umsetzung der IVU-Richtlinie für alle Anlagen verbindlich wurde, Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 213/ 214. Allerdings müssen die Unterlagen nicht nur eine Immissionsprognose enthalten, sondern auch eine Prognose hinsichtlich der Auswirkungen der Immissionen, Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 4e der 9. BImSchV Rn. 8. 102 Erbguth / Schink, UVPG, § 6 Rn. 1. 103 Knopp, NuR 1993, 401 (402); Gassner / Winkelbrandt / Bernotat, UVP, S. 21 f. 104 Bzw. der Umfang und die Art der erforderlichen Tätigkeiten, was auch damit beschrieben wird, dass der Vorhabenträger konzipieren, disponieren, recherchieren, evaluieren und erforderlichenfalls kompensieren muss, s. Knopp, NuR 1993, 401 (402); Gassner / Winkelbrandt / Bernotat, UVP, S. 22. 105 S. ausführlich zu dem Umfang der beizubringenden Unterlagen im Immissionsschutzrecht Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band 2 § 4e der 9. BImSchV Rn. 4 ff.; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 211 ff. 106 Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 86, 126. 107 Da § 6 UVPG weiter geht als § 4e der 9. BImSchV, sind auch die Standortalternativen vorzulegen. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG, weil wegen der unzureichenden Umsetzung die Sperrwirkung des § 4 UVPG nicht eingreift, Peters, UVPG, § 6 UVPG Rn. 11. Ebenfalls muss auf Schwierigkeiten bei der Erstellung der Angaben hingewiesen werden. Damit wird der Genehmigungsbehörde eine weitere Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf mögliche lückenhafte Angaben ermöglicht, Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 2, § 4e der 9, BImSchV Rn. 33.

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Allerdings verbleibt es auch im Verfahren der UVP bei der Aufklärungspflicht der Behörde. Diese wird lediglich zu einem bestimmten – allerdings weitgehenden – Teil auf den Vorhabenträger abgewälzt. 109 Diese Erweiterung der Pflichtenstellung über die Sphäre des Anlagenbetreibers hinaus wird neben der umfangmäßigen Erweiterung als qualitativer Unterschied angesehen. 110 Dabei wird insbesondere den Vorlagepflichten 111 und deren Umfang entnommen, dass die UVP zu „einer phasenspezifischen Aufspaltung der Verfahrensverantwortung (geführt hat), die die erste Phase des UVP-Verfahrens den einander dialektisch zugeordneten Verantwortungen der verfahrensleitenden Behörde und des Projektträgers zuweist“, 112 was zu einer Hineinnahme des Projektträgers in die Verfahrensverantwortung und damit zu einer kooperativen Verantwortungsteilung führen soll. Dies erscheint allerdings zu weitgehend, denn letztlich bleibt die übergreifende Verfahrensverantwortung der Behörde unberührt. 113 Eine eigene Sachverhaltsermittlung durch die Verwaltung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vorhabenträger zahlreiche Unterlagen vorlegen und Bewertungen vornehmen muss. 114 Vielmehr ist die Behörde nicht aus ihrer Verantwortung für die Richtigkeit der Sachverhaltsermittlung entlassen. Diese wird wahrgenommen durch eine nachvollziehende und kontrollierende Amtsermittlung 115. In dieser Hinsicht endet die Untersuchungspflicht der Behörde nicht dort, wo die Mitwirkung der Beteiligten beginnt. 116 Diese ist vielmehr die Grundlage der kontrollierenden Untersuchung durch die Behörde. 117 108

Schneider, J-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 76; Jarass, Umweltverträglichkeitsprüfung bei Industrievorhaben, S. 50; Weber, Die Umweltverträglichkeitsrichtlinie im deutschen Recht, S. 139 ff.; Bunge, DVBl. 1987, 819 (822); ders., Die Umweltverträglichkeitsprüfung im Verwaltungsverfahren, S. 39 f.; Wendling, ET 1988, 291 (296). 109 Weber / Hellmann, NJW 1990, 1625 (1629 f.). 110 Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 76. 111 Auf deren Darstellung im Einzelnen hier verzichtet wird; für eine ausführliche Darstellung sei verwiesen auf Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 51 ff.; Erbguth / Schink, UVPG, § 6 Rn. 3 ff. 112 Schmidt-Aßmann, FS Doehring, S. 889 (894). 113 Schoch, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (228). 114 Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (173 f.). 115 Nach Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (174, Fn. 68), ist dieser Begriff von Schneider in seiner gleichnamigen Untersuchung geprägt worden und ist dem Begriff der nachvollziehenden Abwägung nachgebildet. 116 So aber Borgs, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 26 Rn. 7; so auch Grupp, VerwArch 80 (1989), 44 (51), wobei dieser diesen Satz eher darauf bezieht, dass in diesem Fall keine Amtsermittlung und damit auch keine Entscheidung ergeht. 117 Die Behörde muss auch, wenn aufgrund von Schwierigkeiten die Angaben lückenhaft sind, eigene Ermittlungen anstellen und damit im Bereich der privaten Ermittlung tätig werden, s. Czaika, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 2, § 4e der 9. BImSchV Rn. 33; Kutscheidt / Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 5 der 9. BImSchV Rn. 16.

§5 Die Rolle interessenabhängiger Privater

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Dementsprechend wird im Rahmen der UVP die Bedeutung der Beiträge des Antragstellers für die abschließende Entscheidung nicht aufgewertet. Auch hier entspricht die Verfahrensgestaltung der Struktur eines auf Antrag zu bescheidenden Zulassungsverfahrens, bei dem die Verfahrensrollen so verteilt sind, dass der Antragsteller aktiv werden und seine eigene Sache betreiben muss. Ihm ist der Bereich der Initiative zugewiesen, aber nicht als ausschließliche, sondern als von der Behörde zu überprüfende und korrigierende Tätigkeit. Im Rahmen dieser phasenspezifischen Aufteilung der Verfahrensverantwortung bleibt die Letztentscheidungsbefugnis und damit die Letztverantwortlichkeit beim Staat. 118 Es erfolgt somit eine quantitative, letztendlich aber nicht entscheidend qualitative Aufwertung des privaten Verfahrensbeitrags (insofern nicht schon die quantitative Erweiterung des Aufgabenbestandes als solche als qualitative Erweiterung der Rolle des Antragstellers angesehen wird, was allerdings abzulehnen ist 119). Die Kooperation wird jedoch stärker rechtlich strukturiert. In diesem Sinne stellt die nachvollziehende Amtsermittlung nichts anderes dar als ein Instrument, wie die Verwaltungsbehörde ihre Prozessverantwortung, die ihr aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes obliegt, wahrnehmen kann. 120 Daneben verpflichtet § 26 Abs. 2 VwVfG den Antragsteller auch über die Antragstellung hinaus zur Mitwirkung. Allerdings wird keine zwangsweise durchsetzbare Pflicht statuiert, 121 sondern eine Mitwirkungslast, die einer Obliegenheit entspricht. 122 In diesem Fall ist die Behörde nicht zur Durchführung einer eigenen Amtsermittlung verpflichtet, vielmehr endet die behördliche Amtsermittlungspflicht dort, wo die Mitwirkungslast der Beteiligten beginnt. 123 Aus der unterbliebenen Mitwirkung kann dann, eventuell allerdings erst nach entsprechendem behördlichen Hinweis, eine für den Beteiligten nachteilige Entscheidung folgen, 124 insbesondere aufgrund unterbliebener Ermittlungen. Eine nach dieser Vorschrift erbrachte Mitwirkung ändert aber nichts an der Verantwortung der Behörde für die Sachverhaltsermittlung.

118

Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (175). So aber Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 76. 120 Holoubek, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 193 (209). 121 OVG Koblenz, Urteil v. 4. 4. 1986 – 8 A 30/85 NuR 1987, 185 (186). 122 Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (161); BVerwGE 34, 248 (249 f.). 123 St. Rspr., BVerwG NVwZ 1987, Urteil v. 7. 11. 1986 – 8 C 27/85, 404 (405); BVerwG, Urteil v. 8. 7. 1959 – IV C 250/57, NJW 1959, 2134 (2134); Grupp, VerwArch 80 (1989), 44 (51); Clausen, in: Knack, VwVfG, § 26 Rn. 37; Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 48, § 24 Rn. 29; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 26 Rn. 43; kritisch v. Pestalozza, FS Boorberg, S. 185 (192 f.). 124 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 26 Rn. 36 f. 119

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

2. Die Rolle von Einwendungen Eine erhebliche Bedeutung kommt auch den Beiträgen Dritter zu. Dabei können die Anzeigen und Mitteilungen von Verbänden 125 und die Einwendungen Drittbetroffener, die im Zweifel ein Interesse an der Nicht- bzw. „Nicht-so“Erteilung der Genehmigung haben, unterschieden werden. 126 Die Einwendungsbefugnis bietet die Möglichkeit, Abwehransprüche gegen das Vorhaben vorzubringen; die Rechtsgrundlage der geltend gemachten Abwehransprüche kann sowohl dem öffentlichen als auch dem privaten Recht entstammen. 127 Eine Einwendung muss darauf gerichtet sein, dass eine Genehmigung nicht oder „nichtso“ (Modifzierung des Vorhabens) erteilt wird, wobei jede Art von Bedenken, die gegen das Vorhaben aus der Sicht der Nachbarschaft und der Allgemeinheit bestehen können, als Gegenstand in Betracht kommt. 128 Diese Bürgerbeteiligung stellt ein Recht zur Mitwirkung durch jedermann dar, weist allerdings eine Funktionsschwäche auf. 129 Die damit verbundene Absicht ist es, zum Erkenntnisgewinn der Behörde beizutragen und die Entscheidungsgrundlagen der Behörde zu erweitern. 130 Die behördliche Ermittlung fängt „nach“ der Erhebung der Einwendungen an, die Behörde überprüft die Stichhaltigkeit der Einwendungen. 131 Damit sind die Einwendungen ein – wenn auch nur unterstützender – Teil der Kontrolle. 132 Aufgrund der Präklusionsvorschrift den § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG stellt sich dieses Mitwirkungsrecht aber zugleich auch als Mitwirkungslast dar. Dabei handelt es sich sowohl um eine formelle 133 als auch eine materielle Präklusion, 134 aufgrund derer die verspäteten Einwendungen nicht mehr zur Begründung einer 125

Peters, JuS 1991, 54 (55). Grundsätzlich verfolgen gerade die europarechtlichen Regelungen die Konzepte der informierten Öffentlichkeit und der Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, siehe bspw. Dolde, NVwZ 2006, 867 (860). 127 Dietlein, in: Landmann / Rohmer: Umweltrecht I, § 10 BImSchG Rn. 129. 128 Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 2. Teil Rn. 89. Vgl. zu den Einwendungen auch BVerwG, Urteil v. 17. 7. 1980 – 7 C 101/78, DVBl. 1980, 1001 (1002). 129 S. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 14/15. S. auch Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 242 ff. 130 Engelhardt, WuV 2000, 65 (76); Peters, Jus 1991, 54 (55). 131 Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 174. 132 Zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit s. auch Rossen-Stadtfeld, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungskontrolle, S. 117 ff. 133 Der Einwender wird von dem weiteren Genehmigungsverfahren ausgeschlossen, Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 379. Am Erörterungstermin nehmen nur die Einwender teil, die ihre Einwendungen fristgemäß vorgebracht haben; den „verspäteten“ Einwendern wird die Genehmigungsentscheidung nicht zugestellt, s. Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 2. Teil Rn. 93 f. 126

§5 Die Rolle interessenabhängiger Privater

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gegen die Genehmigung gerichteten Anfechtungsklage herangezogen werden können. 135 Allerdings lässt eine Präklusion von Einwendungen den Umfang der Sachverhaltsermittlung unberührt. 136 Insofern sich aus den verspäteten Einwendungen Anhaltspunkte ergeben, die für die Ermittlung des wahren, vollständigen und entscheidungsrelevanten Sachverhalts von Bedeutung sind, sind diese Einwendungen u. U. sogar von Amts wegen im Rahmen der Sachverhaltsermittlung zu berücksichtigen. 137 Als Gegner des Vorhabens können die Einwender jedoch nicht in ein Konzept der Verantwortungsteilung eingebunden werden, das von einer gemeinsamen Lösung einer Aufgabe ausgeht. 138 Es dürfte auch nicht möglich sein, ihnen eine weitergehende Funktion zuzuweisen, da ihre Einbeziehung funktionale Defizite aufweist. Die Existenz von Drittbetroffenen, ihre Wehrfähigkeit und ihre Beteiligung an dem Genehmigungsverfahren sind nicht planbar. Die bloße Möglichkeit, dass Einwendungen erhoben werden, kann kein sinnvoller Baustein eines Kontrollkonzeptes sein. Auch besteht keine Pflicht der Dritten zur Geltendmachung ihrer Einwendungen. Sie dienen zwar der umfassenden Information der Behörde; 139 es kann aber nicht in einer die Behörde entlastenden Weise darauf vertraut werden, dass bestimmte Einwendungen, wenn sie nicht durch betroffene Bürger geltend gemacht werden, auch nicht existieren. Gegen dieses Defizit hilft auch nicht die Induzierung eines Interesses an dem Vorbringen, was durch verschärfte Präklusionsregeln geschehen könnte. Die Abhängigkeit der Sachverhaltsermittlung davon, dass eine interessierte, informierte und zur rechtlichen Auseinandersetzung bereite und potente Anzahl Drittbetroffener existiert, würde erhebliche rechtsstaatliche Bedenken auslösen. Zudem muss angesichts der Interessenrichtung das Vorbringen ohnehin durch die Behörde auf Wahrheit und Relevanz überprüft werden. 134 So die h.M., s. Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 91; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 10 BImSchG Rn. 159 f. BVerwG, Urteil v. 17. 7. 1980 – 7 C 101/78, DVBl. 1980, 1001 (1002). 135 Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 98; rechtskonstruktiv ist strittig, ob die materielle Präklusion einen materiellen Verlust des Abwehranspruchs oder nur einen Ausschluß des Tatsachenvortrags und damit den Verlust der Klagbarkeit darstellt (s. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 384), was aber dahingestellt bleiben kann, da das Ergebnis dadurch nicht beeinflusst wird. S. auch Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 2. Teil Rn. 93 f. 136 BVerwG, Urteil vom 17. 7. 1980 – 7 C 101/78, DVBl. 1980, 1001 (1005). 137 So auch Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 2. Teil Rn. 96; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 90. 138 Es ist insbesondere nicht angemessen, von einer Privatisierung der Sachverhaltsermittlung zu sprechen, Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 174. Damit kann auch nicht von einer Verantwortungsteilung gesprochen werden. 139 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 10 BImSchG Rn 122. Als weitere Zwecke nennt er noch die Sicherung der Abwehrrechte Drittbetroffener sowie den Schutz des Betreibers vor nachträglichen Einwendungen.

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

3. Systematik und abschließende Bemerkungen Je nachdem, welcher Ermittlungsbeitrag durch Private erbracht worden ist, können verschiedene Formen der Ermittlungstätigkeit der Behörde unterschieden werden. Grundsätzlich kann zwischen Bereichen ohne Mitwirkung von Privaten (exklusive Amtsermittlung) und Bereichen, in denen eine Mitwirkungspflicht besteht, unterschieden werden. 140 Im letzteren Fall kann weiter zwischen einer kontrollierenden, einer unterstützenden und einer ersetzenden Ermittlung durch die Behörde unterschieden werden. Bei der nachvollziehenden Amtsermittlung handelt es sich um eine kontrollierende Ermittlung. Die Genehmigungsbehörde überprüft die Angaben des Mitwirkungspflichtigen daraufhin, ob sie zugunsten der Beteiligten fehlerhaft und unvollständig sind. Gegenstand der Untersuchung durch die Behörde ist nicht die originäre Erlangung von Daten, also die eigene Ermittlungstätigkeit, sondern die eventuelle Falsifizierung der vorgelegten Informationen. 141 Dabei werden diese nur auf ihre immanente Plausibilität und ihre methodische Fundierung hin überprüft. 142 Sowohl die Berechtigung als auch die Verpflichtung zu dieser Art der Ermittlung ergeben sich daraus, dass die Behörde eine eigene Überzeugung von der Richtigkeit des Sachverhalts gewinnen muss und sie zudem nicht auf eine Art der Ermittlung beschränkt ist. Allerdings können all diese Mitwirkungspflichten zumindest in rechtlicher Hinsicht 143 in keinem Fall die Ermittlung des Sachverhalts durch die Behörde ersetzen; der Untersuchungsgrundsatz gilt vielmehr uneingeschränkt. Diese nachvollziehende Amtsermittlung trägt auch der funktionalen Schwäche der Einbeziehung interessenabhängiger Privater, nämlich gerade deren Interesse an dem Ausgang des Verfahrens, Rechnung; es ist eine neutrale Kontrolle erforderlich.

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S. zu dem nachfolgenden Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 116 ff. 141 Schromek, Mitwirkungspflichten, S. 15 und 212 ff. 142 Wahl, in: Kroeschell (Hrsg.): Recht und Verfahren, S. 155 (162). 143 Ob die rechtliche Bewertung einer umfassenden Verantwortung der Behörde für die Sachverhaltsermittlung insbesondere bei komplexen Entscheidungen noch der Realität entspricht, ist eine andere Frage, die letztlich einer empirischen Klärung bedarf, aber zumindest bezweifelt werden kann.

§6 Konzepte der Einbeziehung unabhängiger Privater

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§ 6 Konzepte der Einbeziehung unabhängiger Privater Im Rahmen der anhaltenden Reformdiskussion wurden Vorschläge gemacht, wie die Regelungen bzw. Ausgestaltung von Genehmigungsverfahren modifiziert werden könnten, um die behaupteten, angenommenen, vermuteten und tatsächlichen Defizite zu beheben. Nunmehr gilt es, die unterschiedlichen Instrumente einer Verfahrensprivatisierung daraufhin zu untersuchen, welches als geeignet für einen Einsatz im Genehmigungsverfahren erscheint. Dabei sollen im weiteren Verlauf vor allem die Möglichkeiten einer Verfahrensprivatisierung über die Einbeziehung von unabhängigen Dritten untersucht werden. Zwar könnte es in Betracht kommen, dem Antragsteller eine erweiterte Rolle zuzugestehen 144 oder aber auch die Einwender stärker in die Pflicht zu nehmen. Beide Varianten weisen jedoch funktionale Defizite auf. Der Antragsteller ist interessengebunden, weshalb er niemals funktionell äquivalent zu einem staatlichen Verfahren sein kann. Auch die Inpflichtnahme der potentiellen Einwender ist nicht funktionell äquivalent, denn sie würde voraussetzen, dass immer dann, wenn es erforderlich ist, eine ausreichend interessierte Öffentlichkeit existiert, die auch in der Lage ist, die ihr eingeräumte Verfahrenspositionen adäquat wahrzunehmen. Der Einsatz und auch die Ausrichtung der Öffentlichkeit sind allerdings nicht planbar. Ihre Wirkungsweise ist vielmehr in erheblichem Maße gerade mit ihrer Spontaneität und ihrer Unorganisiertheit verbunden: Die öffentliche Aufmerksamkeit besetzt Politikfelder und einzelne Angelegenheiten oft eher zufällig und in der Nachhaltigkeit unberechenbar. 145 Das ist gerade mit Faktoren wie dem zufälligen Grad der Betroffenheit von finanzstarken und in der Öffentlichkeit beachteten Elementen zu erklären. Es besteht vor diesem Hintergrund die Gefahr struktureller Asymmetrien. Es kann nämlich zu dem unerwünschten Ergebnis kommen, dass nur solche Interessen zu Wort kommen, denen die Aktivierung der Öffentlichkeit leicht fällt. 146 Im Wesentlichen können drei verschiedene Arten der Einbeziehung unabhängiger Dritter bzw. unabhängiger Sachverständiger unterschieden werden, und zwar (1.) die Einbeziehung als Mediator bzw. im Rahmen einer Mediation, (2.) die entscheidungsvorbereitende Einbeziehung als Verwaltungshelfer (bis hin zu einer vollständigen Übernahme der Sachverhaltsermittlung durch den privaten 144 S. zu einer derartigen Entwicklung im Rahmen der nachvollziehenden Amtsermittlung oben und Schneider, J.-P., Nachvollziehende Amtsermittlung, S. 88 ff. 145 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kapitel Rn. 168. 146 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kapitel Rn. 168, der in diesem Zusammenhang auf die Gefahr einer einseitigen Interessenselektion hinweist.

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

Akteur) sowie (3.) eine Einbeziehung Sachverständiger, die eine (potentiell) abschließende Überprüfung zumindest einiger Aspekte ermöglicht.

1. Mediation Ein häufig zum verstärkten Einsatz auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren genanntes Instrument ist die Mediation. 147 Damit würden Aushandlungsprozesse, die durch einen privaten Dritten als Mediator gesteuert werden, in das Genehmigungsverfahren integriert. Mit den verhandlungsorientierten und partizipativen Verfahren, zu denen die Mediationsverfahren gehören, verbinden sich hohe Erwartungen im Hinblick auf eine erweiterte Partizipation, Verfahrensgerechtigkeit, höhere Transparenz, rationale und kooperative Konfliktbewältigung sowie Akzeptanz. Dies soll zu konsensuellen, wohlfahrtssteigernden, faireren, schnelleren, flexibleren, billigeren und gerechteren Konfliktlösungen führen 148. a) Die Einsatzmöglichkeiten der Mediation im Genehmigungsverfahren Vorgeschlagen wird ein Einsatz der Mediation im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung, 149 wobei dem Mediator, je nach konkreter Aufgabe, zusätzlich 147 Zur Nutzung der Mediation im Umweltrecht s. Weidner, in: van den Daele / Neidhardt (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung, S. 195 ff.; Holzinger, in: van den Daele / Neidhardt (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung, S. 232 ff. S. zu dem Konzept der Mediation Härtel, JZ 2005, 753 (insbesondere 755 ff.); Köster, Die Privatisierung des Bauleitplanverfahrens und der Einsatz von Mediation in den Beteiligungsverfahren, S. 61 ff.; Schillinger, VBlBW 2001, 396 ff.; Holznagel, Jura 1999, 71 ff.; ders., IUR 1990, 37 ff.; Pitschas, NVwZ 2004, 396 ff.; Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, insbes. S. 6 ff.; Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989; ebenfalls Brohm, DVBl. 1990, 321 ff.; Kunig / Rublack, Jura 1990, 1 ff.; Passavant, DÖV 1987, 516 ff., dort auch Hinweise auf sinnvolle Einsatzbereiche, nämlich Planungs- und Standortentscheidungen (erste Projekte an der Harvard Law School, S. 519); s. auch Holznagel, Konfliktlösung durch Verhandlungen, Baden-Baden 1990; Wagner / Engelhardt, NVwZ 2001, 370 ff.; s. auch die Beiträge in den beiden Sammelbänden von Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Baden-Baden 1990; s. auch Troja, ZfU 1997, 317 (325 ff.); Gaßner / Holznagel / Lahl, Mediation, insbesondere S. 33 ff. Allgemein zu dem Einsatz von Verhandlungselementen im Verwaltungsvollzug Rossen-Stadtfeld, VerwArch 97 (2006), 23 ff. Erfahrungsberichte zu der Nutzung der Mediation im Verwaltungsprozess finden sich bei Ortloff, NVwZ 2006, 148 ff. 148 Holzinger, in: van den Daele / Neidhardt (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung, S. 232 (232); Weidner, in: van den Daele / Neidhardt (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung, S. 195 (215); Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 65 ff. 149 Vgl. Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 42 f.; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 261 ff.

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auch weitere Tätigkeiten der Sachverhaltsaufklärung übertragen werden können. 150 Derartige Kompetenzen dienen vorrangig dazu, die Verhandlungen zu unterstützen oder einen Konsens zu ermöglichen bzw. als dessen Grundlage zu dienen; sie dienen dann dem Ziel, eine Verhandlungslösung zu erreichen. Zwar wäre auch denkbar, ihm über das Mediationsverfahren hinaus auf einer weiteren Ebene die eigenverantwortliche Ermittlung des Sachverhalts zu übertragen und diesen dann als weitere Entscheidungsgrundlage zu nutzen. Dies ist aber nicht mehr von dem Konzept der Mediation erfasst; zudem würde es den Mediator u. U. in seiner Funktionalität beeinträchtigen. Die Mediation im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung soll durch die Einbeziehung von Aushandlungsprozessen eine Entlastung des Genehmigungsverfahrens bewirken. Ziel ist eine Abarbeitung der Einwendungen außerhalb des Verfahrens. Gleichzeitig wird davon eine Verbesserung der Funktionalität der Öffentlichkeitsbeteiligung bzw. des Erörterungstermins erhofft. 151 Dabei sind verschiedene Ausgestaltungen des Status des Konfliktmittlers möglich. Als eine erste Variante wäre es denkbar, ihn im Rahmen einer Beleihung zu einem „Amtsträger der Exekutive“ zu machen. Dies wird allerdings aus Gründen der Distanz von Verwaltung und Konfliktmittler als nicht empfehlenswert angesehen. Als weitere, entgegengesetzte Ausgestaltungsvariante kommt eine rein private Ausgestaltung in Betracht. Diese wird wiederum als zu diffus angesehen, um die mit der Ausübung einer bestimmten Verfahrensverantwortung verbundenen Kompetenzen allseits hinreichend abzusichern. Daher wird als weitere Möglichkeit an eine Zwischenform gedacht, die darin besteht, dass dem Konfliktmittler

150 So überlegt auch Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 53, einem Verfahrensmittler besondere Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung einzuräumen. 151 Die Öffentlichkeitsbeteiligung wird im Hinblick auf strukturelle Schwächen kritisiert. Es wird u. a. eine Verzerrung der Interessenrepräsentanz angenommen. Zudem fehle es der Behörde häufig an der notwendigen inhaltlichen Distanz zum beantragten Vorhaben, Schmidt, VerwArch 91 (2000), 149 (157) m.w. N. Er verweist auch explizit auf den Einsatz der Mediation zur Behebung dieser Mängel. S. dazu auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kapitel Rn. 167. So besteht laut Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (311), in der Literatur Einigkeit, dass das Einwendungsund Erörterungsverfahren bei Großverfahren nahezu völlig seinen Zweck verfehlt, laut eines Genehmigungsbeamten habe die Öffentlichkeitsbeteiligung auf die Sachentscheidung praktisch keinen Einfluß, dort auch die entsprechenden Nachweise; s. auch die Ausführungen bei Gaßner / Holznagel / Lahl, Mediation, S. 13 ff.; s. auch Holznagel, Jura 1999, 71 (72), der auch darauf hinweist, dass in diesem Verfahrensstadium Zweifel an der Offenheit und Chancengleichheit bei der Beeinflussung des Entscheidungsergebnisses sowie an der Neutralität der Behörde bestünden, dort auch w. N.; ders., Beschleunigung, S. 152, 166; s. auch zu den faktischen Bindungswirkungen von Vorverhandlungen und den Auswirkungen auf das Genehmigungsverfahren Schoeneberg, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 57.

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nach einer Übereinkunft der Beteiligten ein Amt verliehen wird, das durch eine gemeinsam verabschiedete Geschäftsordnung gestaltet wird. 152 Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage wird es grundsätzlich als zulässig angesehen, einen Mediator zur Unterstützung der Behörde im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung, die für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren durch § 10 Abs. 3 und 6 BImSchG sowie §§ 9 ff. der 9. BImSchV geregelt wird, beizuziehen 153 bzw. Aushandlungsprozesse in das Verfahren zu integrieren. 154 Allerdings verlangt das Konzept der Mediation in seiner Reinform, dass der Mediator die Verhandlungsleitung inne hat. Der Mediator müsste in die Rolle der Behörde schlüpfen. Zudem wäre damit auch die Selektion und Bewertung der Einwendungen und der gesammelten Informationen im Hinblick auf die spätere Entscheidung verbunden. Eine derart weitgehende Befugnis würde, anders als eine nach § 10 VwVfG zulässige bloß vorbereitende bzw. ergänzende Heranziehung der Mediation, gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen 155 und ist aufgrund der geltenden Rechtslage nicht möglich. 156

152 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band II, S. 9 (26 f.); Troja, ZfU 1997, 317 (329). 153 Vgl. dazu auch Troja, ZfU 1997, 317 (330), der eine informelle Vorbereitung und Begleitung des Anhörungsverfahrens durch Mediation als im Rahmen des geltenden Rechts zulässig erachtet; Holznagel, Jura 1999, 71 (75) sieht ebenfalls die unterstützende Tätigkeit als zulässig, aber auch als Grenze des Zulässigen und damit äußerste Möglichkeit, an; in der weitergehenderen Auffassung von Passavant, DÖV 1987, 516 (522 f.) ist diese Möglichkeit als Teil wohl enthalten; dahingehend wohl restriktiver Kunig / Rublack, Jura 1990, 1 (5), bei denen allerdings unklar bleibt, ob die restriktive Haltung sich auch auf diese bloß unterstützende Tätigkeit eines Mediators erstreckt; zumindest Kunig, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 43 (49 f.) spricht nur von einer Unzulässigkeit einer Rolle des Mediators, die einer Verhandlungsführung gleichkommt, während er den „indirekten“ Einsatz dritter Instanzen als zulässig ansieht (Einnahme der Rolle eines Mittlers, ohne durch Verfahrensrecht dazu angehalten zu sein). Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 280 fordert die Beteiligung der Behörde an einem solchen Mediationsverfahren. 154 S. Pitschas, NVwZ 2004, 396 (399), der zur Begründung auf den sowohl für förmliche wie auch für nicht-förmliche Verwaltungsverfahren geltenden § 10 VwVfG verweist. 155 So wohl auch Brohm, DVBl. 1990, 321 (326), der aber auf S. 322 wohl eine Pflicht zur Nutzbarmachung kooperativer Elemente feststellt; Kunig / Rublack, Jura 1990, 1 (5), die verlangen, dass die Behörde eine eigene, zumindest nachvollziehende Bewertung des von privater Seite Vorgebrachten vornimmt; Holznagel, Jura 1999, 71 (75); ebenfalls Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 282 und 290, wobei die Fundstelle der von Trieb zitierten Ansicht, der Untersuchungsgrundsatz unterstütze die Einführung (Gaßner / Holznagel / Lahl, Mediation, S. 50), die Frage der rechtlichen Zulässigkeit nicht behandelt. 156 S. Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 274 ff. Die Verhandlungsleitung ist eine hoheitliche Aufgabe (Holznagel, Jura 1999, 71 (75)). Da es sich um eine Beleihung handelt, erfordert es eine gesetzliche Grundlage, so wohl auch Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 50. Etwas unklar Pitschas NVwZ 2004,

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Daneben wird auch vorgeschlagen, einen Mediator als Dritten im Sinne von § 5 Satz 2 UVPG bzw. § 2a Satz 2 9. BImSchV anzusehen und für das Scoping heranzuziehen. 157 Allerdings ist dies wohl kaum der richtige Ort für ein Mediationsverfahren; 158 zudem kann dem Mediator auch hier keine Verfahrensleitung eingeräumt werden. 159 Er ist auf eine bloße Mitwirkung beschränkt. 160 Mangels der Möglichkeit, die hoheitlichen Aufgaben wie die Leitung des Erörterungstermins, die abschließende Sachverhaltsaufklärung sowie die Verhandlungsleitung zu übertragen, kann das bisherige Einwendungsverfahren bzw. der Erörterungstermin nicht durch ein Mediationsverfahren ersetzt, 161 sondern allenfalls um Elemente der Mediation angereichert werden. Die oben genannten

396 (400). Er verneint zum einen eine Übertragbarkeit der Verhandlungsleitung. Allerdings sieht er es gleichzeitig als zulässig an, dass der Mediator weder als Verwaltungshelfer noch als Beliehener, sondern verwaltungssubstituierend tätig wird. Dabei will er im Rahmen der Mediation gesetzliche Verfahrensregeln fortgelten lassen, wobei er dies nicht begründet. Ersichtlich beschränkt er den Begriff der Verhandlungsleitung auf die Gesamtleitung, will aber diese Schranke nicht auf die Leitung von Einzelaspekten erstrecken. Zudem scheinen die geltenden Gesetze von einer Wahrnehmung der Rolle des Verhandlungsleiters durch einen Angehörigen der Behörde auszugehen, s. Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 49. Dies erfordert auch die Zweckprägung dieses Verfahrensabschnitts, Kunig, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 43 (50). Ebenfalls gegen eine Zulässigkeit der Mediation spricht die Formenstrenge des § 10 BImSchG, die der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Behördenhandelns dient und damit keine Möglichkeit für ein Mediationsverfahren lässt. 157 Troja, ZfU 1997, 317 (332). 158 Hier sollen nicht die Einwendungen abgearbeitet werden sondern lediglich der Untersuchungsrahmen festgelegt werden, Schoeneberg, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 58; s. zu dem Sinn des § 5 Satz 2 UVPG auch Storm / Bunge (Hrsg.): HdUVP, Band 1, § 5 UVPG Rn. 26. 159 Ähnliches gilt auch im Rahmen des § 4b BauGB. Dieser sieht vor, dass insbesondere zur Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens die Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten nach §§ 2 bis 4a BauGB einem Dritten übertragen werden kann. Damit wird zwar eine Mediation ermöglicht, allerdings enthält diese Vorschrift keine Ermächtigung zur Übertragung der hoheitlichen Stellung der Verhandlungsleitung, s. dazu Köster, Die Privatisierung des Bauleitplanverfahrens und der Einsatz von Mediation in den Beteiligungsverfahren, insbesondere S. 50 ff.; Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, § 4b Rn. 6. 160 Storm / Bunge (Hrsg.): HdUVP, Band 1, § 5 UVPG Rn. 27. Diese Einschränkung ergibt sich auch daraus, dass hier ersichtlich Kompetenzen der verfahrensleitenden Stelle („hinzuziehen“) normiert sind, aber nicht die Übertragung der Verfahrensleitung. 161 Holznagel, in: Dose / Holznagel / Weber (Hrsg.): Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, S. 151 (164). Gegen eine Ersetzung des Verfahrens durch eine Mediation auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kapitel Rn. 137; dort weist er aber darauf hin, dass die im Rahmen einer Mediation gefundenen Lösungen zwar nicht ungeprüft, aber mit einer Vermutung der Richtigkeit in das spätere Verfahren eingestellt werden können.

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Vorschriften haben nur deklaratorischen Charakter, da bereits die verfahrensleitende Stellung der Behörde zu dieser Hinzuziehung berechtigt. 162 Eine Erweiterung der bestehenden Möglichkeiten sah § 89 UGB-KomE vor. Nach § 89 Abs. 2 – 6 UGB-KomE hätte die Genehmigungsbehörde die Durchführung einzelner Abschnitte des Verfahrens, insbesondere des Erörterungstermins, einem Verfahrensmittler, einer anderen Behörde oder einer anderen Stelle übertragen können. Diese Regelung sollte der Entlastung der Genehmigungsbehörde dienen und damit zur Verfahrensbeschleunigung beitragen. Es sollte gerade über die schon bisher nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 der 9. BImSchV mögliche informelle Mediation hinausgegangen werden. 163 Dabei ist allerdings unklar, in welchem Umfang Aufgaben hätten übertragen werden können. Die technische Durchführung der Sachverhaltsermittlung wäre nicht erfasst gewesen, da sich die Regelung nur auf Verfahrensabschnitte mit Konfliktpotential, wie z. B. den Erörterungstermin, bezieht. Als weitere Variante würde es auch in Betracht kommen, das Anhörungsverfahren fortzuentwickeln und im Sinne eines Mittlerverfahrens auszugestalten, in das vor allem eine von der Genehmigungsbehörde zu unterscheidende Anhörungsbehörde einzubeziehen wäre. 164 b) Die Funktionalität einer Mediation und das Genehmigungsverfahren Wie bereits dargelegt, entspricht der Einsatz eines Konfliktmittlers ohne die Verhandlungsleitung nicht dem Konzept der Mediation, 165 die sich durch eine neutrale Verhandlungsleitung auszeichnet, was bedeutet, dass die Verwaltung zu einem Akteur unter anderen „degradiert“ würde. Zudem müssten die anderen Grundsätze der Mediation, namentlich die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Allparteilichkeit, die Neutralität und die Vertraulichkeit, als Funktionsvoraussetzungen gegeben sein. 166 Zudem stellt sich die Frage, ob ein Einsatz der Mediation im Erörterungstermin überhaupt Sinn macht, da dieser „durch rechtliche Re162 Kment, in: Hoppe (Hrsg.): UVP-G. Kommentar, § 5 Rn. 22. Vgl. auch Storm / Bunge (Hrsg.), HdUVP, Band 1, § 5 UVPG Rn. 27. 163 UGB-KomE, zu § 89, S. 641. 164 S. dazu Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (312 f.). 165 Die Mediation verlangt eine selbständige Verhandlungsleitung und damit, dass die Behörde als einer der Akteure am Verhandlungstisch sitzt, Troja, ZfU 1997, 317 (330); s. auch Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 291. Bei einem Verlust dieser Funktion wird schon die Nachfrage der Behörde nach einem Mediator bezweifelt, Trieb, ebd. Ebenso Brohm, DVBl. 1990, 321 (326). 166 S. Pitschas, NVwZ 2004, 396 (397).

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striktionen inhaltlicher und zeitlicher Art geprägt (ist), die einen erfolgreichen Einsatz konfliktbewältigender Verhandlungslösungen behindern können. Schon infolge seiner späten Lage erlaubt er es meist nicht, das Entscheidungsprogramm in seiner vollen Komplexität abzuarbeiten. Die vorausgegangenen Vorklärungen bedingen zudem regelmäßig Vorabbindungen. Auch sind am Erörterungstermin meist zu viele Personen beteiligt, als dass erfolgsversprechende Aushandlungsprozesse im Termin initiiert werden können“. 167 Dementsprechend wäre eine Mediation im Rahmen des Erörterungstermins mit funktionalen Mängeln behaftet. Darüber hinaus ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung eine gebundene Entscheidung. Zudem handelt es sich bei den Genehmigungsvoraussetzungen weitgehend um technische Anforderungen und damit nicht um Vorgaben, die einem offenen Verhandlungsprozess zugänglich sind. Fraglich ist damit, ob es Verhandlungsspielräume gibt, die den Einsatz einer Mediation als sinnvoll erscheinen lassen. 168 Solche existieren nicht aufgrund der Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen. Jedoch werden Absprachen, in denen auch ein Verzicht auf subjektive Abwehrrechte enthalten sein kann, als geeignet angesehen, einen sinnvollen Ausgleich widerstreitender Interessen herzustellen. 169 Ein derartiger wirksamer Verzicht auf den Schutz des BImSchG ist zwar möglich 170 und führt dazu, dass die Immissionen zumutbar bzw. unerheblich sind. 171 Mit einem derartigen Verzicht könnten aber Verschärfungen oder Modifikationen 167 Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 51; auch aus den Ausführungen von Troja, ZfU 1997, 317 (325) ergibt sich, dass der Erörterungstermin wohl ein zu später Zeitpunkt ist; darauf weist auch hin Burmeister, JUTR 1998 (UTR Band 5), S. 121 (158). 168 Dies bezweifelt aber Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (300 f.), der einen sinnvollen Einsatzbereich lediglich im Bereich der Erstellung des Bebauungsplanes sieht. Zu einer Einschränkung von möglichen Verhandlungslösungen durch rechtliche Vorgaben s. auch Holzinger, in: van den Daele / Neidhardt (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung, S. 232 (249); s. dort auch zu Entscheidungen der Verhandlungsteilnehmer sowie dem zugrundeliegenden Kalkül im Hinblick auf die Teilnahme an der Mediation. 169 Bodanowitz, NJW 1997, 2351 (2352); Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 61. 170 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 61; Bodanowitz, NJW 1997, 2351 (2352); grundsätzlich auch Koch, in: ders. / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 3 Rn. 76, der die Bedeutung des Verzichts allerdings einschränkend als einen Ausschluss des Prozessrisikos interpretiert, was damit zusammenhängt, dass er einen Blick auf die möglichen Konstellationen bzw. Konfliktpotentiale außerhalb der individuellen Zustimmung wirft; Schlemminger / Fuder, NVwZ 2004, 129 (131 f.). Zum Verzicht auf öffentlich-rechtliche Abwehransprüche s. auch BGHZ 79, S. 131 (137 ff., 141). Enger Müggenborg, NVwZ 2003, 1025 (1031), der einen Verzicht nur dann für möglich hält, wenn dadurch eine Lösung des Lärmschutzkonflikts selbst erzielt würde. Eine engere Auffassung ergibt sich auch nicht aus BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2002 – 4 BN 3/02, NVwZ-RR 2002, 329 und BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 – 4 C 53.76, BauR 1978, 385 (386 f.), da sich diese beiden auf öffentliche Belange in der Bauleitplanung beziehen und damit auf Aspekte, die nicht der Dispositionsbefugnis eines einzelnen Bauherrn unterliegen.

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anderer Vorgaben durchgesetzt werden. Allerdings ist zu beachten, dass eine derartige Einwilligung sich nicht auf Personen erstreckt, die sich erst künftig im Einwirkungsbereich aufhalten. Zudem können Private als Betroffene nicht wirksam auf die Einhaltung öffentlicher Belange verzichten. 172 Auch kann die Behörde nicht auf die Einhaltung von Voraussetzungen, die dem öffentlichen Interesse dienen, verzichten. 173 Derartige Anforderungen sind nicht dispositiv bzw. disponibel, was sich aus der Gesetzesbindung der Verwaltung und auch aus der Bindung an untergesetzliche Normen ergibt. 174 Dementsprechend bestehen wohl nur geringe Spielräume für Verhandlungszugeständnisse bzw. geringe Spielräume für bindende Ergebnisse, die in das Verfahren eingebunden werden könnten. 175 Der Überlegung, der Verwaltung Möglichkeiten der Dispensierung von der Gesetzesbindung einzuräumen, ist vor dem Hintergrund des ohnehin bereits bestehenden Vollzugsdefizits sowie aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit eine Absage zu erteilen. 176 Angesichts dieses rechtlichen Korsetts 177 erscheint ein sinnvoller Einsatz der Mediation, der auch die erhofften Effekte hervorbringt, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens selbst zweifelhaft. Einem Einsatz im Rahmen der Sachverhaltsermittlung steht zudem entgegen, dass eine Verquickung von Mediation und Verwaltungsverfahren mit dem Konzept der Mediation nicht vereinbar ist. Der Mediator ist nämlich ein Konfliktmittler, kein Sachverhaltsermittler. Eine Sachverhaltsermittlung durch den Mediator könnte und sollte sinnvollerweise alleine dazu dienen, die Aufgabe der Konfliktmittlung zu unterstützen. 171 Bodanowitz, NJW 1997, 2351 (2352); Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 61; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltschutz I, § 3 BImSchG, Rn. 15 g. 172 BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 – 4 C 53.76, BauR 1978, 385 (386 ff.); BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2002 – 4 BN 3/02, NVwZ-RR 2002, 329 (329). 173 Koch, in: ders. / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 3 Rn. 76; vgl. auch Schlemminger / Fuder, NVwZ 2004, 129 (132), die auch einen Verzicht des Arbeitgebers auf Rechte, die den Schutz der Arbeitnehmer bezwecken, für unwirksam halten. 174 S. allgemein zu den Bindungen der Behörde auch Schillinger, VBlBW 2001, 396 (400), die zugleich auch darauf hinweist, dass die Verwaltung auch als Normgeber tätig werden kann und somit eine potentielle Gestaltungsmacht hat, die sich mit den Voraussetzungen einer Mediation nicht notwendigerweise verträgt. 175 S. dazu auch Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 334 f.; so weist auch Holznagel, Jura 1999, 71 (73) für die Modelle in den USA darauf hin, dass die gefundenen Lösungen nicht der technischen Anlagengenehmigung widersprechen dürfen. 176 S. dazu Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 73 f.; darüber hinausgehend wird auch schon die grundsätzliche Möglichkeit, das Recht von Verhandlungslösungen abhängig zu machen, bezweifelt, da dies nicht damit vereinbar sei, dass der Verwaltung die Erhaltung und Herstellung verfassungsgemäßer Zustände aufgegeben ist, s. Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (303). 177 Ein hinreichend großes Arsenal von Entscheidungsalternativen ist aber Voraussetzung für eine Verhandlungslösung, vgl. auch Hoffmann-Riem, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.): Staatswissenschaften: Vergessene Disziplin oder neue Herausforderung, S. 85 (90).

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Daneben käme aber auch in Betracht, die Mediation zur Verbesserung der Informationsgrundlagen und Entscheidungsvorbereitung im Vorfeld der Verwaltungsverfahren einzusetzen oder aber als begleitende Veranstaltung von der eigentlichen Verwaltungsentscheidung getrennt durchzuführen. 178 Das entspricht der Forderung nach einer frühzeitigen 179 Beteiligung, so z. B. im Rahmen eines „runden Tisches“. 180 Im Vorfeld der Planung bestehen zudem noch Einflussmöglichkeiten, 181 weshalb eine Beteiligung in diesem frühen Stadium Sinn machen würde, zumal auch durch besondere Vorkehrungen die Akzeptanz des Vorhabens verbessert werden könnte. 182 Es würde sich dabei um einen umfassenderen Einsatz handeln, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Vorteile der Mediation 183 bei einem auf den Erörterungstermin begrenzten Einsatz nicht zum 178 Die Möglichkeit der Mediation als eine von dem Genehmigungsverfahren getrennte Veranstaltung stellt dar Troja, ZfU 1997, 317 (329); s. dazu auch Weber, in: Dose / Holznagel / Weber (Hrsg.): Beschleunigung von Genehmigungsverfahren S. 135 (142 ff.). Eine grundsätzliche Trennung zwischen einer Ersetzung, Änderung oder Ergänzung bestehender Institute und dem Einsatz außerhalb von, oder vor Beginn von Verwaltungsverfahren sieht auch Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (296). 179 Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Planung noch verändert und andere Interessen berücksichtigt werden können. 180 Weber, in: Dose / Holznagel / Weber (Hrsg.): Beschleunigung von Genehmigungsverfahren S. 135 (142 ff.). 181 Zu den Einflussmöglichkeiten in der Planung s. Schillinger, VBlBW 2001, 396 (403). Konfliktminimierende Alternativen könnten bei einem frühen Einsatz zu einem Zeitpunkt erarbeitet werden, zu dem sie noch Verwirklichungschancen haben. S. auch Hirschler, in: Dose / Holznagel / Weber (Hrsg.): Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, S. 47 (65), der bei einem derartigen Einsatz die Mediation allerdings nicht als Ersatz für ein Verwaltungshandeln oder gar als das Genehmigungsverfahren selbst ansieht. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Mediation bzw. die Vermeidung oder Aufbrechung einer durch den Antrag bedingten Verengung der Alternativenfülle, s. Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 64 f. 182 Denkbar ist, dass der Antragsteller u.U. bereit ist, das mit seinem Antrag beabsichtigte Vorhaben im Rahmen eine alternativen Ausgestaltung zu verwirklichen, wenn ihm rechtzeitig erkennbar wäre, dass auf diese Weise das Konfliktpotential vermindert würde und er gleichwohl zum Erfolg käme, s. Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 68. Aufgrund der Akzeptanz können Rechsstreitigkeiten vermieden und damit auch eine Beschleunigung erzielt werden. Dieser Effekt ist allerdings unklar. Während Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, auf S. 331 davon ausgeht, dass durch eine Mediation der Zeitaufwand wächst, wird von Troja, ZfU 1997, 317 (325) angenommen, dass die Mediation auch der Beschleunigung diene, da in einer Gesamtbetrachtung der erhoffte Wegfall von Gerichtsverfahren auch zu einer Zeitersparnis führe. In dieser Hinsicht auch Würtenberger, Akzeptanz, S. 16 f., 65 ff. Insgesamt wird eine Beschleunigung jedoch nur bei einer Gesamtbetrachtung vermutet. Dieser Effekt kann allerdings nicht belegt werden und hängt davon ab, dass alle potentiellen Kläger in das Mediationsverfahren eingebunden werden können, was sich durchaus als problematisch erweisen kann. 183 Hier ist insbesondere zu erwähnen, dass umstritten ist, ob der Einsatz der Mediation ein Verwaltungsverfahren beschleunigt oder verzögert, was gerade für die oben

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Tragen kommen können. 184 Allerdings kann ein Entscheidungsvorschlag nur innerhalb der rechtlichen Spielräume bzw. Vorgaben 185 entwickelt werden, ohne dass die Entscheidungskompetenz der Behörde angetastet wird. 186 Vor diesem Hintergrund erscheint die Mediation kaum als Regelinstrument geeignet, sondern allenfalls als ein Instrument, das einzelfallbezogen eingesetzt werden kann, zumal sie auch mit einem hohen Aufwand verbunden ist. Im Hinblick auf die Verfahrensprivatisierung ist zudem anzumerken, dass dieser Einsatz nur die Ermittlung bzw. Ausgestaltung der Vorgaben zum Gegenstand hat und damit nicht die Frage nach der Ausgestaltung der Kontrolle dieser Vorgaben beantworten könnte. Eine Mediation ist kein Kontrollinstrument; auch ist das oben aufgezeigte Modell zur Einführung der Mediation de lege ferenda nicht auf eine verfahrensabschließende Entscheidung gerichtet. Demgegenüber geht es im Genehmigungsverfahren um die Kontrolle der Einhaltung von Vorgaben, nicht um ihre Entwicklung. Ein derartiges begleitendes Modell kann nur einen geringen Beitrag zu einer Reform des Genehmigungsverfahrens leisten. Es handelt sich eher um eine Verwaltungsergänzung, 187 also um private Verfahren, die Verwaltungsverfahren nicht ersetzen können und dies auch nicht sollen, sondern als zusätzliche, unterstützende Schritte der Problemlösung konzipiert sind. 188 dargestellte Reformdiskussion von Relevanz wäre. Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 75, weist darauf hin, dass die Mediation in den USA auch im Interesse der Beschleunigung der Durchführung von Vorhaben eingeführt und auch unter dem Aspekt der Ersparnis von Zeit (Kosten) beibehalten worden ist; demgegenüber weist Breuer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 231 (240) auf die Autoren hin, die eine zeitliche Verzögerung befürchten und erwarten; so sieht auch Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295 (302) den ordnungsrechtlichen Vollzug nicht als aufwendiger an als den rein kooperativen Vollzug, wozu Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 295 (308), anmerkt, dass die amerikanischen Berichte dies eindrucksvoll bestätigt hätten. 184 Einen entsprechend umfassenden Einsatz fordert auch Burmeister, JUTR 1988 (UTR Band 5), S. 121 (158 f.). 185 Und damit beschränkt auf über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Anforderungen, auf die planungsrechtliche Gestaltung sowie „weiche“, gesetzlich nicht strikt vorgegebene Anforderungen. Allerdings könnten dadurch bislang wenig beeinflussbare Aspekte wie die Standortentscheidung zum Gegenstand einer positiven Einflussnahme gemacht werden, wohingegen derzeit nur eine „negative“ Standortprüfung vorgenommen wird. Zudem stellt sich die Frage, bis zu welcher Grenze Aushandlungen mit der unverzichtbaren Letztverantwortung des Staates zu vereinbaren sind, vgl. dazu Hoffmann-Riem, Mittlerunterstütze Verhandlungslösungen S. 93. 186 S. Trieb, Konsens und Verwaltungsverfahren, S. 315 ff., insbesondere 316, 317, sowie für die Voraussetzungen schon S. 274 f., da dort auch Rahmenbedingungen dieser Lösung dargestellt werden. Danach begrenzt gerade der Vorrang des Gesetzes die Einsatzmöglichkeiten von Verhandlungslösungen und erlaubt nur die Ausarbeitung eines Entscheidungsvorschlages für die Behörde; ebenfalls die Letztentscheidungskompetenz der Behörde nicht antasten will Troja, ZfU 1997, 317 (327). Vgl. auch Holznagel, Jura 1999, 71 (72).

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2. Die Einbeziehung von Verwaltungshelfern Klassisch wird der Begriff des Verwaltungshelfers verwendet zur Umschreibung bzw. zur Bezeichnung unselbständig tätiger Privater, die Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörde wahrnehmen. 189 Nunmehr wird der Begriff der Verwaltungshilfe auch im Rahmen der funktionalen Privatisierung verwendet und dabei insbesondere für die Fälle der Durchführungsprivatisierung sowie der Übertragung vorbereitender Tätigkeiten auf Private. 190 Insofern wird der Verwaltungshelfer phänomenologisch erfasst durch Teilbeiträge durchführenden, Teilbeiträge vorbereitenden und Teilbeiträge durchführend – vorbereitenden Charakters. 191 Er wird auch als Erfüllungsgehilfe im Rahmen einer öffentlichrechtlich zu erledigenden Aufgabe beschrieben. 192 Bereits das derzeitige immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren enthält Möglichkeiten für eine Einbeziehung von Verwaltungshelfern. 193 Eine Einbeziehung als Verwaltungshelfer stellt immer eine unterstützende Tätigkeit dar, erschöpft sich aber auch darin. Er führt zwar Aufgaben für die Verwaltung durch, sei es in Form nach außen in Erscheinung tretender, vollziehender Aktivitäten, sei es in Form vorbereitender Aktivitäten. Dementsprechend wird die Genehmigungsbehörde zwar entlastet, allerdings nicht von der Entscheidungslast, 194 sondern nur von der Verfahrenslast. Der Verwaltungshelfer trifft keine Entscheidungen. Er führt eine Aufgabe durch, ohne eine Gestaltungs-, geschweige denn eine Entscheidungsbefugnis zu haben. Es bleibt somit, 187 Eine bloße Ergänzung der Normalverfahren sieht auch Weidner, in: van den Daele / Neidhardt (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung, S. 195 (219). So wohl auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, Kapitel 6 Rn. 137. 188 Breuer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen Band I, S. 231 (237), dort auch Verweis auf die US-amerikanische Verwendung bzw. Diskussion von Mediationsverfahren. 189 Burgi, in: Erichsen (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 32. 190 Vgl. Burgi, in: Erichsen (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 31. Zum Begriff der funktionalen Privatisierung s. auch oben Einleitung, § 2. 191 Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 100 ff. 192 Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht. Band I, § 22 Rn. 53. 193 So kommt als Projektmanager i. S.v. § 2 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 der 9. BImSchV jeder Dritte in Betracht, der außerhalb der Genehmigungsbehörde steht und als „Verwaltungshelfer“ eingesetzt wird, Kutscheidt / Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, 9. BImSchV, § 2 Rn. 17. Danach kann ein privater Sachverständiger mit der Prüfung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen betraut werden, vgl. Czajka, in: Feldhaus, BImSchR, Band 2, § 2 der 9. BImSchV, Rn. 37. Ebenfalls darunter fallen dürfte der sogenannte „entliehene Rechtsanwalt“, Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (297). Vgl. dazu Schwarz, in: HoffmannRiem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 188 ff. 194 Zur Bedeutung der fortbestehenden Entscheidungsverantwortung s. Stehlin, Verkehrswegeplanung, S. 179 ff.

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ganz im Gegensatz zu einem Entscheidungsverzicht, bei einer Entscheidung der Behörde selbst. Im Hinblick auf die vorbereitenden Tätigkeiten stellt sich dann allerdings die Frage, in welchem Umfang die Behörde ihre Entscheidung verantworten kann und muss 195 sowie diejenige nach der Verantwortungsstruktur der Behörde. 196 Jedenfalls verbleibt es für die Behörde bei der Entscheidungslast, was gleichzeitig bedeutet, dass sie auch das dahin führende Verfahren letztlich weitgehend verantworten muss.

3. Genehmigungsverfahren und Sachverständigenmodell Angesichts der weiterhin bei der Behörde verbleibenden schwerwiegenderen Entscheidungslast stellt sich die Frage, ob die Behörde nicht sinnvollerweise von einzelnen Entscheidungsaspekten dadurch entlastet werden kann, dass den unabhängigen, sachverständigen Dritten mehr Kompetenzen zugestanden werden. Dies könnte sowohl in effizienter Weise den Personalbedarf, insbesondere an qualifizierten Sachverständigen, als auch die Verfahrenslast reduzieren und verspricht somit, den oben dargestellten Defiziten zu begegnen. Eine Verknüpfung privater und behördlicher Tätigkeit kann dadurch verwirklicht werden, dass einzelne Tätigkeiten bzw. Prüfungspunkte aus dem Prüfungsumfang der Verwaltung herausgenommen werden. Die Kontrolle (einzelner Punkte) und die damit verbundene Verantwortung werden auf Private übertragen, und die entsprechende Kontrolltätigkeit durch die Genehmigungsbehörde wird eingestellt. Somit wird die behördliche Kontrolle zurückgedrängt bzw. ersetzt. Dies wird allgemein und vor allem im Baurecht als Privatisierung über Sachverständigenmodelle bezeichnet. 197 a) Das Modell der gestuften Eröffnungskontrolle – Typen eines präventiven Verfahrens Der vormals „präventive staatliche Kontrolle“ genannte Sachbereich wird heute als „Eröffnungskontrolle“ bezeichnet. 198 Eine solche liegt immer dann vor, wenn eine formelle Schranke für die Durchführung eines Vorhabens besteht 195 S. dazu Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (285 f.). 196 S. dazu Stehlin, Verkehrswegeplanung, S. 179 ff. 197 Ritter, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 6 (17 ff.). 198 Wahl, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht IV, GenTG, Vor § 8 Rn. 1, der auf die gelungene begriffliche Neuprägung durch den Entwurf des § 50 UGB-AT (Professorenentwurf zum UGB, s. Kloepfer / Rehbinder / Schmidt-Aßmann / Kunig, UGB-Entwurf – Allgemeiner Teil, S. 264 ff.) verweist; s. auch Wahl / Melchinger, JZ 1994, 973 (977); auch

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und erst aufgrund einer staatlichen Kontrolle oder Kontrolloption entfällt. 199 Die einzelnen Verfahrenstypen weisen eine unterschiedliche Kontrollintensität und unterschiedlich hohe verfahrenstechnische Schwellen für die Zulässigkeit eines Vorhabens auf. Demnach kann durch die Wahl eines angemessenen Verfahrenstyps auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden. 200 Grundsätzlich lassen sich dabei folgende Formen der Eröffnungskontrolle unterscheiden: 201 • • • • •

Untersagungsermächtigung für den Einzelfall, 202 Anzeigeverfahren, Anmeldeverfahren, vereinfachtes Genehmigungsverfahren, und Genehmigungsverfahren.

Keine Rolle spielt für die vorliegende Untersuchung die Unterscheidung zwischen präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und repressivem Verbot mit Ausnahmebewilligung, da diese weniger verfahrensrechtlich als materiell-rechtlich relevant ist. 203 Durch eine Umwandlung von Genehmigungsvorbehalten in weniger intensive Instrumente der Eröffnungskontrolle wird die staatliche Kontrolle bzw. Verantwortung zurückgenommen und ein Spielraum für eine Verfahrensprivatisierung Kloepfer verwendet den Begriff der Eröffnungskontrolle, Umweltrecht, § 5, Rn. 41 ff., wobei er darauf hinweist, dass diese Instrumente teilweise auch im Rahmen der Befolgungskontrolle Verwendung finden können. 199 S. dazu Wahl, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht IV, Vor § 8 GenTG Rn. 3; sowie allgemeiner ders., Art. „Erlaubnis“, in: HdUR, Band I, Sp. 528 ff. 200 Zur Verhältnismäßigkeit des präventiven Prüfverfahrens s. auch BVerfGE 20, 150, 154 ff. 201 S. dazu (bis auf das vereinfachte Genehmigungsverfahren) Wahl, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht Bd. IV, Vor § 8 GenTG Rn. 2; ders., Art. „Erlaubnis“, in: Kimminich / von Lersner / Storm (Hrsg.): HdUR I, Sp. 528 ff.; ebenfalls Sparwasser / Engel / Voßkuhkle, Umweltrecht, § 2 Rn. 62 ff. Nachfolgend wurde eine Erweiterung um die im Rahmen der Verfahrensprivatisierung im Bauordnungsrecht entwickelten Kategorie des vereinfachten Genehmigungsverfahrens vorgenommen, s. dazu Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 100 f.; Gegenstand ist nur die Kontrolle eines eingeschränkten Prüfprogramms, die Kontrolle der restlichen Punkte obliegen dem Antragsteller oder von ihm zu beauftragenden Sachverständigen. 202 Die allerdings, streng genommen, keine Form der Eröffnungskontrolle darstellt. 203 So wird sie als Typus intensiverer Kontrolle beschrieben, vgl. Wahl / Melchinger, JZ 1994, 973 (977), wobei allerdings anzumerken ist, dass bei beiden Typen eine umfassende Kontrolle vorgesehen ist, nur bei der Ausnahmebewilligung im Gegensatz zu der präventiven Kontrollerlaubnis eine größere Entscheidungsbefugnis der Behörde besteht und daher die Kontrolle als intensiver beschrieben werden kann. Dies ergibt sich auch daraus, dass eine höhere Entscheidungsverantwortung (die bei dem Verbot mit Ausnahmebewilligung besteht) eine intensivere Kontrolle bedingt.

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eröffnet. Sobald eine Kontrolle des Staates entfällt, besteht die Möglichkeit, eine sachverständige Kontrolle an deren Stelle vorzusehen. Dabei ist grundsätzlich auch denkbar, dem Antragsteller Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf das durchzuführende Verfahren einzuräumen. Eine dementsprechend bestehende Genehmigung „nach Wahl“ wird auch mit einer Beschleunigung „nach Wahl“ gleichgesetzt. Dabei ist eine Wahlmöglichkeit sowohl in der Form denkbar, dass der Vorhabenträger auf Teilleistungen des Verfahrens oder auch das gesamte Verfahren verzichtet, als auch in der Form, dass dem Vorhabenträger die Möglichkeit bzw. das Wahlrecht eingeräumt wird, die Durchführung eines regelmäßig nicht vorgesehenen Genehmigungsverfahrens zu verlangen. 204 Er kann sich damit Rechts- und Investitionssicherheit verschaffen. 205 Allerdings erscheint es durchaus problematisch, dem Vorhabenträger die Entscheidung über das angemessene Maß staatlicher bzw. behördlicher Kontrolle zu übertragen. aa) Genehmigungsfreiheit / Untersagungsermächtigung für den Einzelfall Diese Kategorie erfasst die Verfahrensgestaltungen, in denen keine präventive staatliche Kontrolle vorgesehen ist und die Behörde auch nicht über die Durchführung eines Vorhabens informiert wird. Obwohl diese Ausgestaltungsvariante streng genommen keine Eröffnungskontrolle darstellt, stellt sich dies im Rahmen der Modelle der Verfahrensprivatisierung u. U. etwas anders dar. So kann die Privilegierung der Freistellung von behördlichen Verfahren mit der Pflicht verknüpft werden, bestimmte sachverständige Prüfungen durchführen zu lassen und die entsprechenden Nachweise für spätere Überwachungsmaßnahmen vorzuhalten. Somit kann diese Kategorie zwar nicht als Eröffnungskontrolle, wohl aber als (optionales) Element eines verfahrensprivatisierenden Sachverständigenmodells eingestuft werden. Angesichts des vollständigen Wegfalls jeglicher Prüfungen und (durch Wartefristen gesicherter) Prüfoptionen für staatliche Instanzen sowie einer nicht institutionalisierten Kenntnisnahme der Verwaltung von der Durchführung des entsprechenden Vorhabens wird hier die staatliche Verantwortung zugunsten ei204

S. Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (58 f., 67 f.), dort auch zur logischen Grenze dieses Modells (bis wohin kann bei Wegfall eines Genehmigungsverfahrens dennoch seine Durchführung verlangt werden); zum Verzicht des Investors auf Leistungen BMWi, Investitionsförderung, Rn. 294 ff., insbesondere Rn. 301, wobei dieser Verfahrensaspekt eher inhaltlich als verfahrensrechtlich diskutiert wird, so dass deren Ergebnisse nur eingeschränkt übertragbar sind. 205 Zur Investitionssicherheit durch die Bestandskraft einer Genehmigung s. BMWi, Investitionsförderung, Rn. 295; s. allgemein auch Sach, Die Genehmigung als Schutzschild?, insbesondere S. 95 ff.

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ner zumindest präventiv alleinigen Verantwortung des Vorhabenträgers reduziert. Es ist seine Pflicht, die Übereinstimmung seines Vorhabens mit den gesetzlichen Vorschriften zu überprüfen. bb) Anzeigeverfahren Der Begriff des Anzeigeverfahrens wird für drei verschiedene Verfahrensmodelle verwendet, in denen die Behörde zwar Kenntnis über ein Vorhaben erlangen soll, aber keine positive Entscheidung über die Zulässigkeit des Verfahrens treffen muss: • eine Anzeige, die als solche unmittelbar zur Ausführung berechtigt; • eine Anzeige, die nach einer Wartefrist zur Ausführung berechtigt, wobei diese Wartezeit der Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit dient; 206 • eine Anzeige, die nach einer Wartefrist zur Ausführung berechtigt, wobei diese Wartefrist eine materielle Prüfung durch die Behörde ermöglichen soll. Dementsprechend können zwei Varianten einer Prüfoption, und zwar die einer verfahrensrechtlichen und die einer materiellen, unterschieden werden. Terminologisch wird zwischen den verschiedenen Varianten dadurch unterschieden, dass die Variante, in der eine Wartefrist eine materielle Prüfoption sichert, als Anmeldeverfahren bezeichnet wird. 207 Dementsprechend wird die materielle Kontrolle als Abgrenzungskriterium verwendet, was auch vor dem Hintergrund einer Untersuchung über eine Privatisierung dieser Kontrolle der materiellen Anforderungen sinnvoll erscheint. Im Übrigen soll weiterhin der Begriff des Anzeigeverfahrens verwendet werden. Somit muss für die Abgrenzung der jeweilige Zweck der Wartefrist festgestellt werden. Da jedoch grundsätzlich auch eine Wartefrist, die einem verfahrensrechtlichen Zweck dient, eine materielle Prüfung nicht verbietet, 208 kommt es für die Abgrenzung auf den Hauptzweck der Wartefrist an. Dieser Zweck dürfte regelmäßig auch eindeutig feststellbar sein, so dass insofern keine Abgrenzungsprobleme bestehen dürften. 206 So auch ein Vorschlag der Schlichter Kommission, s. BMWi, Investitionsförderung, Vorschlag Imsch 10 (S. 112). S. dazu auch § 15 Abs. 2 BImSchG. 207 Anders aber Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 80, die ein Verfahren bereits dann als Anmeldeverfahren bezeichnen, wenn mit der Anmeldung Unterlagen über die umweltrelevante Tätigkeit vorgelegt werden müssen, die der Behörde eine Prüfung ermöglichen. So auch Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 8 Rn. 27. Die hier verwendete Terminologie orientiert sich an dem GenTG. Die bloße Vorlage von Unterlagen dient aber vor allem der Sicherstellung, dass die Behörde ihre Prüfoption auch innerhalb der Frist wahrnehmen kann, so dass die Vorlage umfangreicherer Unterlagen kein eigenes Abgrenzungsmerkmal ist, sondern Folge des eigentlichen Abgrenzungsmerkmals, nämlich der durch eine Wartefrist gesicherten Prüfoption. 208 Was nicht zuletzt damit begründet werden kann, dass die repressiven Befugnisse uneingeschränkt bestehen bleiben und somit ein Zuwarten auf den Zeitraum der repressiven Kontrolle nicht als sinnvoll erscheint.

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Das Anzeigeverfahren 209 ist dementsprechend dadurch gekennzeichnet, dass der Vorhabenträger das Vorhaben der zuständigen Behörde zur Kenntnis bringen muss. Die Behörde hat dann die Möglichkeit zur Untersagung im Einzelfall, allerdings kann (grundsätzlich) sofort mit der Ausführung des Vorhabens begonnen werden. Allein die Information der Behörde führt zur Aufhebung der formellen Schranke, es sei denn, diese Aufhebung der formellen Schranke unterliegt einer eigenen Prüfung im Hinblick auf die Wahl des richtigen Verfahrens. Grundsätzlich obliegt der zuständigen Behörde keine materielle Prüfaufgabe mehr, auch keine (ausdrückliche) Prüfoption, 210 und insbesondere auch keine Prüfverpflichtung, womit ihrem Nichtstun kein rechtlicher Gehalt beigemessen werden kann. 211 Das Verfahren dient der Erleichterung der repressiven Tätigkeit, da die Behörde die Informationen erhalten soll, die sie benötigt, um im Bedarfsfall einschreiten zu können. 212 Die Verletzung der Informationspflichten wird dabei lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet, rechtfertigt als solche aber nicht die Untersagung des anzuzeigenden Vorhabens. 213 Das Anzeigeverfahren kann mit einer präventiven Kontrolle durch Sachverständige verknüpft werden, 214 indem sachverständige Nachweise bzw. Bescheinigungen über die Einhaltung bestimmter Vorgaben gefordert werden, die entweder vorgelegt oder zumindest vorgehalten werden müssen. Diese Überprüfung durch qualifizierte Sachverständige soll die Richtigkeitsgewähr der Genehmigung (in Hinblick auf den tatsächlichen Prüfungsumfang) ersetzen. 215 Sollten Abweichungen von einzelnen gesetzlichen Bestimmungen bzw. Kontrollmaßstä209 S. dazu Fritz, Art. „Anzeigepflicht“, in: Kimminich / von Lersner / Storm (Hrsg.): HdUR I, Sp. 137 ff.; s. auch Fluck, in: Hendler / Marburger / Reinhardt / Schröder (Hrsg.): Rückzug des Ordnungsrechts im Umweltrecht (UTR 48), S. 165 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 41 ff., dort auch zu den Gründen für die Einführung eines Anzeigeverfahrens. Dieser Verfahrenstyp richtet sich nach dem „Urtyp“ des Anzeigeverfahrens, nämlich § 14 GewO, dazu ausführlich Marcks, in: Landmann / Rohmer, GewO Band I, § 14. Hervorzuheben ist die „Gleichzeitigkeit“ von Anzeige und Aufnahme der Tätigkeit. 210 Für das baurechtliche Genehmigungsfreistellungsverfahren, das nach der hier verwendeten Terminologie dem Anzeigeverfahren entspricht, Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 277. 211 Was sich schon daraus ergibt, dass gleichzeitig mit der Anzeige mit der Ausführung des Vorhabens begonnen werden darf. 212 Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 43. 213 Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 8 Rn. 26. Allerdings können schon an dieser Stelle Überlegungen dahingehend angestellt werden, dass bei einem verstärkten Einsatz dieses Instruments andere Rechtsfolgen, auch die Untersagung des Vorhabens, an die Verletzung der entsprechenden Pflicht geknüpft werden sollten. 214 Diesen Vorschlag erwähnt, ohne aber irgendwelche, geschweige denn weitergehende Details zu nennen auch Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (84). 215 S. Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (84).

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ben erforderlich sein, ist denkbar, dass diese in einem „Abweichungsverfahren“ isoliert genehmigt werden. 216 Das Anzeigeverfahren ist somit dadurch geprägt, dass das Vorhaben ohne präventive staatliche Kontrolle durchgeführt werden kann und der Behörde die repressive Kontrolle durch eine formalisierte und institutionalisierte Information erleichtert wird. cc) Anmeldeverfahren Das Anmeldeverfahren 217 zeichnet sich dadurch aus, dass der Behörde zusätzlich eine durch eine Wartefrist gesicherte präventive materielle Prüf- bzw. Kontrolloption eingeräumt wird. Insofern eine – fakultative – Prüfung stattfindet, gleicht es dem Genehmigungsverfahren; es unterscheidet sich von diesem aber dadurch, dass es nicht mit einer formellen Bestandsschutz vermittelnden Genehmigung abschließt. 218 Durch die Vorlage umfangreicherer Unterlagen (Information zumindest über wesentliche Aspekte) wird sichergestellt, dass die Behörde die Prüfoption innerhalb der Frist effektiv wahrnehmen kann. Eine Verbindung mit der obligatorischen Einbeziehung von Sachverständigen, ähnlich der bei dem Anzeigeverfahren aufgezeigten Möglichkeit, ist selbstverständlich auch hier möglich. Auch hier ist also davon auszugehen, dass keine Verpflichtung besteht, die Kontrolloption auszuüben. Dies würde dem Wesen des Anmeldeverfahrens nicht gerecht werden, das gerade keine abschließende Entscheidung vorsieht. Die präventive Kontrolloption dient allein der Behörde zur sachgerechten Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Dementsprechend hat auch eine behördliche Passivität bzw. Nicht-Ausübung der Option keinen rechtlichen Aussagegehalt zugunsten des Vorhabenträgers; ein solcher ist gerade einem Verfahren mit einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. dd) Vereinfachtes Genehmigungsverfahren Das vereinfachte Genehmigungsverfahren – in dem hier verstandenen Sinne 219 – ist gekennzeichnet durch ein reduziertes Prüfprogramm. Die staatliche Kontrolle 216

Damit kann eine Umgehung der grundsätzlichen gesetzlichen Zuweisung eines Vorhabens zu einem Verfahrenstyp verhindert werden, denn ansonsten könnte mittels einer kleinen Abweichung die Genehmigungspflicht wieder aufleben. 217 S. zu diesem Verfahrenstyp Wahl, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht IV, Vor § 8 GenTG, Rn. 3; ebenfalls Jäde, GewArch 1995, 187 (191), allerdings unter der Bezeichnung Anzeigeverfahren (nähere Ausführungen zu der Terminologie im Baurecht unten in Kapitel 2); s. zu dem Anmeldeverfahren des Chemikaliengesetzes (§§ 4 ff. ChemG) Kloepfer, Umweltrecht, § 17 Rn. 44 ff. 218 Jäde, NWVBl. 1995, 206.

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ist nicht mehr umfassend, sondern bezieht sich nur noch auf Teilaspekte, wobei die Reduktion der staatlichen Kontrolle entweder durch eine reine SelbstKontrolle oder aber eine obligatorische sachverständige Kontrolle ersetzt wird. Dieser hier beschriebene Verfahrenstyp ist dabei nicht zu verwechseln mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG. Dieses zeichnet sich nicht durch ein reduziertes Prüfprogramm, sondern eine Reduzierung von Verfahrensschritten aus. 220 Damit soll ein unangemessener Verwaltungsaufwand und vor allem eine unnötige Belastung des Antragstellers vermieden werden. 221 Das inhaltliche Prüfprogramm wird demgegenüber nicht verändert, sondern entspricht demjenigen des regulären Genehmigungsverfahrens. Die das vereinfachte Genehmigungsverfahren abschließende Genehmigung ist nur eine beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitserklärung. 222 Sie erfasst ausschließlich die der staatlichen Kontrolle unterliegenden Genehmigungsvoraussetzungen. In Hinblick auf die von privaten Sachverständigen geprüften Aspekte, über die eine sachverständige Bescheinigung entweder der Behörde vorliegen oder die von dem Vorhabenträger vorgehalten werden muss, entfaltet die Genehmigung keine Wirkung mehr; der entsprechende Prüfungspunkt wird nicht mehr zum Bestandteil der verfahrensabschließenden behördlichen Entscheidung. 223 Somit verändert sich der Inhalt einer Genehmigung im Vergleich zu dem Idealbild einer herkömmlichen Genehmigung. ee) Genehmigungsverfahren In einem regulären Genehmigungsverfahren werden alle materiellen öffentlich-rechtlichen Vorgaben entweder einer Materie oder aber insgesamt (Konzentrationswirkung) umfassend geprüft. Durch die abschließende Genehmigungsentscheidung erklärt die Behörde, dass alle gesetzlichen Vorgaben, auf die sich der Genehmigungsvorbehalt bezieht, eingehalten werden und sie die Gewähr für eine ordnungsgemäße Kontrolle übernimmt. Private können im Wege der Beleihung und als Auftragnehmer der Behörde in das Verfahren einbezogen werden. 219 S. zu dessen Entwicklung Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 219 ff.; allg. dazu auch Jäde, GewArch 1995, 187 (191 f.). 220 Nach § 19 Abs. 2 BImSchG werden die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 10 Abs. 2 bis 4, 6, 8, 9 BImSchG), den Einwendungsausschluss (§ 11 BImSchG) und die privatrechtsgestaltende Wirkung der Genehmigung (§ 14 BImSchG) nicht angewandt. S. zu den anzuwendenden Vorschriften und den durchzuführenden Verfahrensschritten auch Jarass, BImSchG, § 19 Rn. 6 ff. 221 Jarass, BImSchG, § 19 Rn. 1. 222 Jäde, GewArch 1995, 187 (191). 223 BayVGH, Beschluss v. 17. 10. 1999 – 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000 377 (377 f.); Preschel, DÖV 1998, 45 (47).

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Bei der abschließenden, Bestandsschutz vermittelnden Genehmigung handelt es sich um eine umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. 224 Die Genehmigungsbehörde und damit eine staatliche Stelle hat eine umfassende Kontrollverantwortung. ff) Die Rahmengenehmigung Dem vereinfachten Genehmigungsverfahren sehr nahe steht die Rahmengenehmigung. Auch sie ist mit einem reduzierten Prüfprogramm verbunden. Konzeptionell wurde eine Rahmengenehmigung in Verbindung mit dem UmweltAudit vorgeschlagen. 225 Allerdings würde es sich dabei letztlich nur um eine Variante des vereinfachten Genehmigungsverfahrens handeln, denn die Rahmengenehmigung würde für einen reduzierten Prüfungsumfang stehen. Lediglich für die ergänzende Sachverständigentätigkeit würde sich eines bestehenden Regelungssystems bedient, das die Kontrolle durch die Sachverständigen regelt und die Funktion des Gewährleistungsverwaltungsrechts 226 erfüllt. Dementsprechend handelt es sich letztlich lediglich um eine spezielle Ausgestaltungsvariante eines Sachverständigenmodells“. b) Zertifizierungsverfahren Die Zertifizierungsverfahren bzw. Konformitätserklärungen durch Zertifikate eröffnen die Möglichkeit, sachverständige Kontrollen ohne Einbindung in ein Verwaltungsverfahren zu organisieren. Es handelt sich dabei um eine rein private Eröffnungskontrolle, die allerdings eine staatliche repressive Tätigkeit, z. B. in Form einer Untersagung (bzw. Nachmarktmaßnahme), nicht zwingend ausschließt, die aber an bestimmte Anforderungen oder Verfahren gebunden wird. Maßgeblich für die Entwicklung war die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH. Diese stellte die Grundlage für die Strategie zur Verwirklichung des Binnenmarktes dar. 227 Die Anwendung 224

Jäde, UPR 1994, 201 (201). Vgl. BMWi, Investitionsförderung, Rn. 542. Zu einer Verbindung des Öko-Audit mit dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren in der Form, dass die Ergebnisse übernommen werden und insofern ein Verzicht auf die Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen erfolgt, s. auch Tegethoff, Nebenbestimmungen, S. 225 ff.; s. dazu auch Hansmann, in: Rengeling (Hrsg.): Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, S. 207 (215). 226 Dieser Begriff des Gewährleistungsverwaltungsrechts bringt zum Ausdruck, dass eine fortbestehende Gewährleistungsverantwortung des Staates eine qualitätssichernde Tätigkeit des Staates sowie ein dazu geeignetes Instrumentarium erfordert. S. dazu näher unten Kapitel 5. 227 S. das Weißbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaft zur Vollendung des Binnenmarktes KOM (85) 310; Entschließung des Rates vom 14. Juni 1985 über eine 225

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dieser Verfahren beinhaltet eine Zurückdrängung von Genehmigungsvorbehalten und damit von Verwaltungsentscheidungen hin zu einer Konformitätserklärung durch Zertifikate, 228 also einer Zertifizierung. Unter einer solchen „versteht man eine Bescheinigung der Konformität eines Produktes oder einer Dienstleistung mit den einschlägigen technischen Regeln, meist Normen, in ihrer jeweils neuesten Fassung.“ 229 aa) Die Grundlage Aus Art. 28 EG folgt der Grundsatz der Gleichwertigkeit und der gegenseitigen Anerkennung. 230 Nach dem danach geltenden Herkunftslandprinzip darf ein Produkt, das in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht worden ist, grundsätzlich im gesamten Binnenmarkt frei gehandelt werden. 231 Es dürfen keine besonderen Anforderungen an das Produkt (nicht-tarifäre Handelshemmnisse) festgesetzt werden. Es ist unzulässig, wenn ein Produzent oder Zwischenhändler „seine Erzeugnisse, die er in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft verkaufen möchte, ändern muss, um sie den Normen oder den gesetzlichen Vorschriften dieses Landes anzupassen, oder wenn er sie dort einem Prüf- oder Zertifizierungsverfahren unterwerfen muss“. 232 Grundsätzlich verkehrsfähige Produkte dürfen auch keinen nationalen Zulassungsverfahren mehr unterworfen werden. 233

neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und Normung Abl. EG Nr. C 136, S. 1 ff. (85/C / 136/01); s. dazu auch v. Danwitz, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 187 (188 ff.); Jörissen, Produktbezogener Umweltschutz und technische Normen, S. 13 ff.; allg. zur Harmonisierungspolitik der EG auch Rönck, Technische Normen als Gestaltungsmittel des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 70 ff.; von Borries / Petschke, DVBl. 1996, 1343 ff. 228 S. zu dieser Entwicklung auch v. Danwitz, in: Hendler / Marburger / Reinhardt / Schröder (Hrsg.): Rückzug des Ordnungsrechts im Umweltschutz (UTR Band 48), S. 53 (61 f.). 229 Böshagen, in: Schwappach (Hrsg.): EU-Rechtshandbuch für die Wirtschaft, § 18 Rn. 1. 230 EuGH Urteil v. 20. Februar 1979 RS 120/78 Slg. 1979, S. 649 ff. – Cassis de Dijon. S. zu der Anwendung dieses Prinzips auf die anderen Grundfreiheiten Streinz, Europarecht, Rn. 937 ff.; 828 ff. 231 Zu dem erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug s. Becker, in: Schwarze (Hrsg.): EU-Kommentar, Art. 28 Rn. 19 f. 232 Böshagen, in: Schwappach (Hrsg.): EG-Rechtshandbuch, S. 97. 233 Was sich sowohl aus der Unzulässigkeit nicht-tarifärer Handelshemmnisse als auch aus Gründen der verfahrensrechtlichen Gleichbehandlung ergibt, wenn also eingeführte Produkte einer Kontrolle unterliegen, denen im Inland hergestellte Produkte nicht unterliegen. S. dazu insbesondere den Äquivalenzgrundsatz und die sogenannte MilchkontorEntscheidung.

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Allerdings sind nationale Regelungen bzw. Anforderungen und auch Zulassungsverfahren, die deren Einhaltung gewährleisten, dann zulässig, wenn sie durch die Rechtfertigungsgründe des Art. 30 EG gedeckt sind oder sonstigen zwingenden Erfordernissen dienen. 234 Allerdings muss eine nationale Regelung verhältnismäßig sein. 235 In derartigen Zulassungsverfahren darf jedoch nicht die Einhaltung der einzelnen technischen Anforderungen, wohl aber des Schutzniveaus des Mitgliedsstaates, in den eingeführt wird, verlangt und überprüft werden. 236 Sollte das Produkt bereits im Ausfuhrmitgliedstaat zugelassen sein, hat sich das Zulassungsverfahren im Einfuhrmitgliedstaat auf die Feststellung der Gleichwertigkeit der bereits durchgeführten Prüfungen zu beschränken. 237 Die Berufung auf die Rechtfertigungsgründe sowie auf zwingende Erfordernisse ist aber dann nicht möglich, wenn der fragliche Bereich durch europarechtliche Regelungen harmonisiert worden ist. Eine abschließende sekundärrechtliche Regelung steht somit nationalen Alleingängen entgegen, 238 es sei denn, es besteht eine primärrechtliche Ermächtigung dazu. 239 Der von diesen Harmonisierungsrichtlinien gezogene Rahmen ist nunmehr maßgeblich für die Durchführung der geeigneten Kontrollen und den Erlaß von Schutzmaßnahmen. 240 Dies gilt allerdings nur, wenn es sich um eine vollständige Harmonisierung handelt. 241 234 Diese zwingenden Erfordernisse hat der EuGH in seinem Cassis-de-Dijon Urteil entwickelt: EuGH Urteil vom 20. Februar 1979 RS 120/78 Slg. 1979, S. 649 (662) – Entscheidungsgrund 8. Die zwingenden Erfordernisse sind nicht abschließend, Leible, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.): Das Recht der Europäischen Union, Art. 28 Rn. 19. Dort auch umfangreiche Nachweise zu der Rechtsprechung des EuGH zu den zwingenden Erfordernissen. Dazu zählt unter anderem der Umweltschutz, vgl. EuGH Urteil vom 20 September 1988 RS 302/86 Slg. 1988, S. 4607 (4629, 4630); EuGH Urteil vom 14. 7. 1998, Rs. C284/95, Slg. 1998 I-4301 – Safety Hi-Tech; EuGH, Urteil v. 14. 7. 1998, Rs. C-341/95, Slg. 1998-I, S. 4355 – Bettati. 235 Wenn mehrere Mittel in Betracht kommen, ist das zu wählen, das den freien Warenverkehr am wenigsten behindert“, EuGH Urteil vom 20. September 1988 RS 302/ 86 Slg. 1988, S. 4607 (4629) – Entscheidungsgrund 6. 236 Vgl. dazu v. Borries / Petschke, DVBl. 1996, 1343 (1344 ff.); v. Danwitz, UTR 48, S. 53 (61), der betont, dass gerade keine Überprüfung anhand der möglicherweise differierenden Regelungen anderer Mitgliedstaaten stattfinden darf; s. auch Happe, FS Bleckmann, S. 119 (123); s. auch Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat zur Vollendung des Binnenmarktes, KOM (85) 310 endg. v. 14. 6. 1985, Rn. 63; v. Danwitz, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 187 (190); EuGH Urteil vom 28. 1. 1986 RS 188/84, Slg. 1986, S. 419 (436 Rz. 17) – Holzbearbeitungsmaschinen. 237 V. Borries / Petschke, DVBl. 1996, 1343 (1345). 238 S. dazu EuGH Urteil v. 14. 7. 1988, Rs. 298/87, Slg. 1988, S. 4489 Rn. 15 – Vergleichsverfahren gegen Smanor; EuGH, Urteil v. 10. 11. 1982, Rs. 261/81, Slg. 1982, S. 3961 Rn. 12 – Rau / de Smedt; EuGH, Urteil v. 20. 11. 1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, S. 649 Rn. 8 – Cassis de Dijon. Kingreen, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.): EUV / EGV, Art. 28 – 30 Rn. 18. 239 Epiney, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.): Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag (2. Aufl.), Art. 28 EG Rn. 24.

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bb) Die „Neue Konzeption“ Da sich eine Vollharmonisierung als zu aufwendig erwiesen hat, ist für die Harmonisierung die sogenannte Neue Konzeption 242 entwickelt worden. Diese verwirklicht ein Zusammenspiel aus Normgebung und Normkontrolle und erkennt die Notwendigkeit einer gewissen präventiven Kontrolle an. Danach beschränkt sich die Harmonisierung nunmehr thematisch auf die Festlegung grundlegender Sicherheitsstandards bzw. -anforderungen und sonstiger Anforderungen einschließlich des Umweltschutzes, die im Interesse der Gemeinschaft erforderlich sind. 243 Diesen grundlegenden Sicherheitsanforderungen müssen die Erzeugnisse genügen, um in den Verkehr gebracht zu werden. 244 240 Ständige Rechtsprechung des EuGH, s. Urteil vom 23. 5. 1996 RS C-5/94 Slg. 1996-I, S. 2553 (2610) – Entscheidungsgrund 18 sowie Urteil vom 20. 9. 1988 RS 190/ 87 Slg. 1988, S. 4689 (4720) – Entscheidungsgrund 10 mit Nachweisen zu den weiteren Urteilen. Eine Abweichung erfordert eine Änderung des Gemeinschaftsrechts, Leible, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.): Das Recht der Europäischen Union, Art. 28 Rn. 57. Einseitige Ausgleichs- oder Abwehrmaßnahmen dürfen auch nicht ergriffen werden, um einer möglichen Missachtung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften durch andere Mitgliedstaaten zu begegnen. 241 Die also auch im Hinblick auf die Rechtfertigungsgründe sowie die Schutzgüter der zwingenden Erfordernisse eine abschließende Bestimmung trifft, v. Danwitz, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 187 (191). Der Ausschluss nationaler Schutzmaßnahmen gilt auch dann, wenn die Richtlinie weder gemeinschaftliche Kontrollverfahren noch Sanktionen vorsieht, EuGH Urteil v. 23. 5. 1996 RS C-5/94 Slg. 1996, S. 2553 (2611) – Entscheidungsgrund 19. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten gem. Art. 10 und 249 EG alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das Gemeinschaftsrecht zur Geltung zu bringen. Hinsichtlich der in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet durchgeführten Kontrollen müssen sich die Mitgliedstaaten gegenseitig Vertrauen entgegenbringen. 242 Entschließung des Rates v. 7. 5. 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und Normung, ABl. EG Nr. C 136 v. 4. 6. 1988, S. 1 ff.; s. zu dieser Feldhaus, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 137 (148 f.); v. Danwitz, ebenfalls in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 187 ff.; Klindt, EuZW 2002, 133 ff. 243 V. Danwitz, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 187 (191); dementsprechend wurden in den Anhängen zu den sektoriellen Harmonisierungsrichtlinien die grundlegenden Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltanforderungen festgelegt, während die Konkretisierung dieser grundlegenden Produktanforderungen und damit der Sicherheitsstandards durch die europäischen Normungsorganisationen erfolgte, vgl. Di Fabio, Produktharmonisierung durch Normung und Selbstüberwachung, S. 22. Damit ähnelt die Neue Konzeption strukturell dem deutschen Umweltordnungsrecht, das auch zwischen der Vorgabe von Zielen und der Konkretisierung durch untergesetzliche Normen ausgeht, s. zu dieser Struktur auch Feldhaus, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 137 (137 f.). 244 Jörissen, Produktbezogener Umweltschutz und technische Normen, S. 19. Eine derartige Harmonisierung hat bereits in verschiedenen Bereichen stattgefunden. Beispielshaft hat Di Fabio verschiedene Bereiche der Gerätesicherheit, zu denen Harmonisierungsrichtlinien vorliegen, dargestellt. Diese sind die Maschinen-Richtlinie (89/392 EWG), eine Richtlinie hinsichtlich der Anforderungen an Druckbehälter (87/407 EWG), eine Richt-

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Diese grundlegenden Sicherheitsanforderungen sollen durch Normen ausgefüllt werden, die durch die europäischen Normungsgremien erarbeitet werden. Bei einem Produkt, das diesen entspricht, wird (widerlegbar) vermutet, das die grundlegenden Anforderungen der Richtlinien eingehalten sind. 245 Die erforderliche Kontrolle der Einhaltung dieser Normen wird nicht mehr durch staatliche, sondern durch private Instanzen vorgenommen, und zwar mittels einer Zertifizierung. 246 Dabei sieht das sogenannte „Globale Konzept“ ein in sich geschlossenes System zur Überprüfung von Produkten und zur Bescheinigung ihrer Konformität vor. 247 Verliehen wird das sogenannte CE – Zeichen. Dem Zertifizierungssystem liegt eine Dreiteilung zugrunde 248, und zwar in die first, die second und die third party certification. Die first party-certification stellt eine Erklärung des Herstellers des zu zertifizierenden Produktes dahingehend dar, dass sein Produkt oder sein Qualitätssicherungssystem den anzuwendenden Regelwerken entspricht (Herstellerselbstbescheinigung). Die second party-certification bedeutet demgegenüber eine Kontrolle von außen, allerdings nicht durch eine unabhängige Stelle, sondern durch einen Interaktionspartner, im Geschäftsbereich zum Beispiel durch die Kunden. Die Kontrolle durch eine außerbetriebliche neutrale Institution (Prüfstelle) ist Gegenstand der third party-certification. Genügen die Erzeugnisse laut Bescheinigung des Herstellers oder des Zertifikats einer Prüfstelle den grundlegenden Anforderungen, 249 so können sie frei vertrieben werden, ohne dass ihre Konformität regelmäßig kontrolliert wird. Die nationalstaatlichen Behörden dürfen die mit einem CE – Zeichen versehenen Produkte bei der Einfuhr und der Verwendung nicht behindern, diese dürfen also keinem präventiven Zulassungsverfahren unterliegen. Auf repressiver Ebene (Nachmarktmaßnahmen) sind die Behörden allenfalls zu Stichprobenkontrollen berechtigt. 250 linie hinsichtlicher der Sicherheit von Spielzeug vom 3. Mai 1988 (88/378 EWG), eine Richtlinie hinsichtlich aktiver implantierbarer medizinischer Geräte vom 20. Juni 1990 (90/385 EWG), die Richtlinie über Medizinprodukte vom 14. Juni 1993 (93/42 EWG), eine Richtlinie hinsichtlich Gasverbrauchseinrichtungen vom 29. Juni 1990 (90/396 EWG) und die Bauproduktenrichtlinie. S. auch Klindt, EuZW 2002, 133 (135). 245 Diese Normen sind jedoch nicht verbindlich. Allerdings trifft den Hersteller in dem Fall, dass er nicht nach diesen Normen produziert, die Beweislast dafür, dass seine Erzeugnisse mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen übereinstimmen, Jörissen, Produktbezogener Umweltschutz und technische Normen, S. 19. 246 Ein entsprechendes Zertifikat wird dabei vergeben, wenn ein Produkt oder ein Qualitätssicherungssystem am Maßstab insbesondere von technischen Normen überprüft wird und die überprüfende Stelle zu einem positiven Prüfergebnis kommt. Das Zertifikat dokumentiert für die Öffentlichkeit die geprüfte Konformität und erzeugt ein entsprechendes Vertrauen, vgl. Seidel, Privater Sachverstand, S. 265. 247 Jörissen, Produktbezogener Umweltschutz und technische Normen, S. 22. 248 Di Fabio, Produktharmonisierung durch Normung und Selbstüberwachung, S. 25; dort auch zum Folgenden. 249 Falls keine europäische Norm existiert oder der Hersteller von einer bestehenden Norm abweichen will, ist eine Baumusterprüfung erforderlich.

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Sie können aber den Gegenbeweis der fehlenden Richtlinienkonformität antreten, allerdings nur in einem vergemeinschafteten Sonderverfahren. 251 Isolierte Zulassungsentscheidungen einzelner Mitgliedstaates sind somit nicht mehr möglich, vielmehr müssen die Ergebnisse aus anderen Staaten berücksichtigt werden. 252 Damit ist die verbleibende Kompetenz der Mitgliedstaaten, gegen Produkte mit dem CE – Kennzeichen vorzugehen, näher normiert. 253 Im Rahmen dieser Konzeption treten an die Stelle des in einer aktiven Rolle befindlichen und nominell dominanten Staates, der präventiv genehmigt und laufend überwacht, Prüfungsinstitutionen der Wirtschaft, die staatlich nicht etwa beliehen, sondern nur anerkannt (akkreditiert) sind. 254 Insofern die zu erteilenden Zertifikate durch Sachverständige erteil werden, werden diese auch als Verifikateure bezeichnet. 255 Die Einwirkung des Staates besteht nur noch aus einer mittelbaren Steuerung und Kontrolle. Die Art der Verantwortungswahrnehmung verändert sich somit qualitativ. Wesentliches Merkmal dieses Regelungsmodells ist es, dass präventive staatliche Genehmigungsverfahren völlig entfallen (womit auch ein Verzicht auf entsprechende Prüfung und Entscheidung verbunden ist) und durch ein in sich geschlossenes, abgestuftes Zertifizierungssystem ersetzt werden. Der bisherige Anwendungsbereich, für den bereits positive Erfahrungen 256 vorliegen, ist das Produktrecht. 257 In diesem Zusammenhang wurde die Neue Konzeption auch als Wendepunkt in der Entwicklung des gemeinschaftlichen Ordnungsrechts bezeichnet. 258

250 Jörissen, Produktbezogener Umweltschutz und technische Normen, S. 20. Vgl. auch Di Fabio, Produktharmonisierung durch Normung und Selbstüberwachung, S. 45 f., 64, 65, 67, 69, 74. 251 Di Fabio, Produktharmonisierung durch Normung und Selbstüberwachung, S. 24. Dauerhafte Schutzmaßnahmen sind unzulässig. Vorläufige Schutzmaßnahmen müssen im gemeinschaftsrechtlichen Schutzklauselverfahren mit ggf. anschließender Normprüfung bestätigt werden, v. Danwitz, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 187 (200). 252 Becker, in: Schwarze (Hrsg.): EU-Kommentar, Art. 30 Rn. 70. 253 S. dazu v. Danwitz, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 187 (198, 207 ff.). 254 Di Fabio, Produktharmonisierung durch Normung und Selbstüberwachung, S. 79. Zu Akkreditierungsverfahren s. allgemein auch Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (318 ff.). Zu einer Privatisierung auch auf Ebene der Akkreditierung, d. h. der Aufsicht siehe Gesmann-Nuissl / Strübbe, DVBl. 2007, 146 ff.; kritisch dazu Windmann, DÖV 2007, 948 ff. 255 Vgl. Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, insbesondere S. 279 ff. 256 Nach v. Danwitz, UTR 48, S. 53 (62) hat diese Deregulierung keine spürbaren Sicherheitsdefizite geoffenbart; ders., in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 187 (208 f.). 257 S. die Einteilung bzw. Zuordnung bei Feldhaus, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 137 (148 ff.).

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Im Rahmen der Beschleunigungsdiskussion gab es Vorschläge, dieses europarechtliche Instrumentarium von Akkreditierung und Zertifizierung dahingehend zu überprüfen und auch zu nutzen, dass Genehmigungsverfahren in Zertifizierungsverfahren umgewandelt werden. 259 Bislang wird diese Konzeption allerdings nur für das Produktrecht genutzt, das sich von dem Recht der Anlagenzulassung unterscheidet. 260 Angesichts der Ablösung der präventiven staatlichen Kontrolle durch Zertifizierungsverfahren im Produktrecht stellen diese ein Komplementärverfahren zu den Verfahren der Eröffnungskontrolle dar. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Zertifizierungsverfahren überhaupt eine ausreichende Problembewältigungskapazität haben, um für die Zulassung von stationären Anlagen verwendet zu werden. Bisher gelten sie für die Zulassung marktgängiger Produkte, bei denen eine Einzelzulassung schon aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen Produkte nicht in Betracht kommt; und die Zulassung marktgängiger Produkte weist erhebliche Unterschiede zu der Anlagenzulassung auf. Angesichts des geringeren Gefahrenpotentials reicht im Regelfall eine Konformitätserklärung und bei etwas gefährlicheren Produkten eine Zertifizierung durch benannte Stellen. Allerdings weist selbst ein in der Gefahrenintensität gesteigertes Produkt ein weitaus geringeres Gefahrenpotential auf als eine stationäre Anlage. 261 Die Problemstellungen sind bei der Produktzulassung eher standardisierbar und deutlich weniger komplex als bei der Anlagenzulassung. Im Hinblick auf die Beachtung öffentlicher Belange ist auch fraglich, ob im Umweltrecht eine vergleichbar weitgehende Verlagerung der Regelsetzung in den privaten Bereich möglich ist. 262 Zudem ist es eine bedenkliche Kumulation privater Kompetenzen, wenn sowohl die Entwicklung der konkreten Vorgaben für die einzelne Anlage als auch die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben vollständig in privater Hand liegt. c) Sachverständige Gremien Denkbar ist auch der Einsatz von Sachverständigen-Gremien. 263 Diese werden häufig organisatorisch pluralisiert und gegenüber der Verwaltung weisungsun258 Mitteilungen der Kommission über die stärkere Nutzung der Normung in der Gemeinschaftspolitik vom 19. 12. 1995 KOM (95) 412 endg. Nr. 1.2. 259 S. Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (43). 260 Der Anwendungsbereich erstreckt sich zwar auf Aspekte einer derartigen Anlagenzulassung, allerdings nur auf den produktbezogenen. Die Reichweite der Anlagenzulassung geht aber darüber hinaus. 261 So wird zwar die Marktgängigkeit von Medizinprodukten und Gasverbrauchseinrichtungen über ein Zertifizierungsverfahren hergestellt, und diese Produkte weisen eine gewisse Gefährlichkeit auf, jedoch grundsätzlich eine geringere als (möglicherweise) eine stationäre Anlage. 262 Feldhaus, in: Rengeling (Hrsg.): Umweltnormung, S. 137 (157).

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gebunden autonomisiert, um die fachliche Autorität überzeugender zur Geltung zu bringen. 264 Diese fachliche Autorität könnte dann zur Begründung einer weitergehenden Entscheidungsgewalt herangezogen werden, wobei auch die Pluralisierung durch sogenannten kritischen Sachverstand eine Bedingung dafür wäre. Allerdings eignet sich ein derartiges Instrument eher für die Entscheidung strittiger Einzelfragen als für eine umfassende Einbeziehung in ein Zulassungsverfahren, da nicht ersichtlich ist, dass Sachverständigengremien die insgesamt anfallende Komplexität sowie den Arbeitsaufwand sinnvoll bewältigen könnten.

4. Die ökonomischen Instrumente Die sogenannten ökonomischen Instrumente des Umweltschutzes gehen über den ordnungsrechtlichen Ansatz und die Perspektive einer Kontrolle anhand festgelegter Maßstäbe hinaus. 265 In Betracht kommen dabei der Zertifikate-Handel, 266 Abgaben 267 und das sogenannte Versicherungsmodell. 268 Da jedoch weder der Zertifikate-Handel noch das Abgabenrecht in ihrer Funktionslogik bzw. Wirkungsweise darauf beruhen, unabhängige Dritte in die Kontrolle von Vorhaben einzubeziehen, werden sie im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht weiter behandelt. Eine (wenn auch indirekte) Einbeziehung unabhängiger Dritter kann alleine bei dem sogenannten Versicherungsmodell angenommen werden. Dabei handelt es sich um einen weitgehend auf Marktmechanismen bzw. die Induzierung von Eigeninteressen setzenden Vorschlag zur Reduktion staatlicher Verantwortung. Er beruht maßgeblich auf einem Vertrauen in eine Einbeziehung privaten Sachverstands. 269 Die Grundidee besteht dabei darin, dass bei einer obligatorischen Versicherung der Anlage in gewissem Umfang auf eine präventive Kontrolle verzichtet werden kann, weil die Versicherungen aus Gründen der Minimierung ihres Risikos die Anlage nur bei einer entsprechenden Kontrolle durch ihre 263 S. dazu die Beispiele bei Greipl, Art. 19 Abs. 4 GG und Entscheidung von unabhängigen Sachverständigenausschüssen, S. 48 ff. 264 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (195). 265 S. dazu allgemein Cansier, NVwZ 1994, 642 ff. 266 Der durch das Emissionshandelssystem in Europa für CO 2-Emissionen verwirklicht worden ist. Eine Ausdehnung auf andere Treibhausgase ist in den Normen angelegt. 267 Zu den Abgaben als Instrument des Umweltschutzes s. auch Hendler / Heimlich, ZRP 2000, 325 ff.; Sacksofsky, NJW 2000, 2619 ff.; v. Zezschwitz, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 251 ff.; Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, 1153 ff. In der ökonomischen Terminologie handelt es sich um eine Pigou-Steuer. 268 S. dazu Bohne, DVBL. 1994, 195 ff. 269 Bohne, DVBl. 1994, 195 ff.; ders., in: Böhret / Hill (Hrsg.): Ökologisierung des Rechts- und Verwaltungssystems, S. 128 (147); s. auch Schlichter, DVBl. 1995, 171 (175).

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eigenen Sachverständigen (oder Vorlage von sachverständigen Nachweisen) versichern und somit eine Kontrolle der Anlage sichergestellt ist. Die Reduzierung der präventiven Kontrolle soll demnach durch eine Gefährdungshaftung und eine obligatorische Deckungsvorsorge kompensiert werden. Gleichzeitig hat der Anlagenbetreiber ein Interesse an niedrigen Versicherungsprämien, was allerdings eine Befolgung der Vorschriften voraussetzen dürfte. Die Zuordnung zu den ökonomischen Instrumenten beruht darauf, dass dieses Versicherungsmodell im Wesentlichen über Anreizmechanismen funktionieren soll. Der Einsatz von Sachverständigen wird dabei nicht institutionalisiert, sondern es wird auf das Eigeninteresse sowohl der Betreiber als auch der Versicherungen vertraut. Deren eigenes ökonomisches Interesse zielt auf eine Vermeidung von Haftung und soll den entscheidenden Anreiz zur Kontrolle durch Sachverständige darstellen. Es handelt sich damit um einen indirekten ökonomischen Anreizmechanismus. Dadurch soll die klassische Kontrolle der Anlage erreicht werden; lediglich die Durchführung der Kontrolle und das Interesse an einer Einhaltung der materiellen Vorgaben soll durch ökonomische Anreize induziert werden. Denkbar ist allerdings eine Ergänzung dieser ökonomischen Anreize durch eine Verpflichtung zur Einschaltung von Sachverständigen zumindest im Hinblick auf bestimmte kontrollbedürftige Aspekte. Dabei wird vorgeschlagen, im Rahmen zweier Versicherungsmodelle je nach Gefährdungspotential entweder ganz auf eine behördliche präventive Kontrolle zu verzichten oder aber bei hoher Gefährlichkeit eine Kontrolle beizubehalten. Denkbar ist somit auch eine Kombinationslösung aus Versicherung und fortbestehender Kontrolle. Darüber hinaus kann auch eine sachverständige Kontrolle institutionalisiert werden, indem bestimmte Aufgaben auf Sachverständige übertragen werden 270 oder bestimmte Bescheinigungen erforderlich sind. Dabei kann als Voraussetzung für eine Tätigkeit von Sachverständigen in diesen Bereichen der Abschluss einer Haftpflichtversicherung vorgeschrieben werden; diese würde gesetzlich „ausgestaltet“. Auch insofern wird ein indirekter Mechanismus zur Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle genutzt, da auch die Sachverständigen für ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolg ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen müssen (Reputation, Haftung, Prämien der eigenen Haftpflichtversicherung; weitere mögliche ökonomische Konsequenzen wären beispielsweise der Verlust des Honorars und die Auferlegung der Kosten etwaig erforderlicher Doppelbegutachtungen). Zudem können die repressiven Befugnisse der Behörde erhalten werden; ihr kann daneben auch die Möglichkeit eingeräumt werden, präventiv eine Genehmigung zu verlangen oder durch andere Maßnahmen tätig zu werden. 271

270 271

So die Versicherungsmodelle, Bohne, DVBl. 1994, 195 (196, 201). Bohne, DVBl. 1994, 195 (197, 200).

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Allerdings bestehen erhebliche Bedenken gegen dieses Modell. Grundsätzlich eröffnet es die Möglichkeit der ökonomischen Abwägung zwischen den Kosten der Normeinhaltung und denen des Schadens, den das Umweltrecht gerade nicht ermöglichen soll. 272 Gleichzeitig ist fraglich, ob auch alle Schäden versicherbar sind 273 und in hinreichend engem zeitlichen Abstand und auch im Hinblick auf die Kausalität so feststellbar sind, dass die Haftung realistisch erscheint und potentielle Schadensersatzansprüche ihre Anreizwirkung entfalten können. Des Weiteren müssen auch die Geschädigten über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um ihre Ansprüche geltend zu machen, zumal angesichts der Nachweisprobleme Prozessrisiken bestehen. Umstritten ist auch die Funktionalität des Versicherungsmodells im Hinblick auf die Vorsorge. 274 Ebenfalls besteht eine Gefahr der Gefährdung von Umweltbelangen aufgrund kollusiven Zusammenwirkens und der Bereitschaft, Investitionsbelangen unter Inkaufnahme von bestimmten Risiken den Vorrang einzuräumen. 275 Daneben ist auch die bei Nicht-Einhaltung der Vorgaben erforderliche Rückgängigmachung des Vorhabens problematisch – es besteht Vollzugsgegendruck, auch im Hinblick auf die Bedeutung der Anlage als Wirtschaftsfaktor; hinzu kommen Haftungsprozesse und die Verzögerungen aufgrund verwaltungsgerichtlicher Prozesse. Umgekehrt erscheint es als Nachteil für die Betreiber, dass eventuell Konzentrationswirkung sowie Bestandsschutz entfallen. Voraussetzung sind des Weiteren realistische versicherungstechnische Lösungen, die die Effizienz nicht mindern. 276 Denkbar und sinnvoll erscheint es aber, das Versicherungsmodell als Ergänzung zu einer Verfahrensprivatisierung vorzusehen und somit die Vorteile beider Instrumente zu nutzen. Insbesondere kann dadurch im Rahmen des Sachverständigenmodells die Eigenverantwortung gestärkt werden. Gerade eine Kombination dieser Instrumente verspricht eine Gleichwertigkeit des Instrumentariums mit einer behördlichen Kontrolle. Dementsprechend kann zusammenfassend festgehalten werden, dass ein alleiniger Einsatz des Versicherungsmodells problematisch ist, es aber als interessantes Mittel zur Ergänzung anderer Instrumente angesehen werden kann.

272 So mögen ökonomische Aspekte zwar bei der Bestimmung zum Beispiel des Standes der Technik eine Rolle spielen, allerdings niemals isoliert. Zudem wird diese Abwägung dann auch von einer demokratisch legitimierten Instanz durchgeführt. 273 Z. B. Schäden durch den Normalbetrieb. 274 Problematisch ist dies, weil eine Nicht-Einhaltung der Vorsorgebestimmungen i. d. R. nicht zu einem Schaden führt, s. aber Bohne, DVBl. 1994, 195 (199, 201). 275 Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (78). 276 Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (89).

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5. Systematisierung / Typologisierung a) Systemkonforme und systemverändernde Instrumente Grundsätzlich kann zwischen systemkonformen, -verändernden und -externen Instrumenten unterschieden werden. Damit würde sich die Unterscheidung auf das bestehende (traditionelle) immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren als Ausgangspunkt beziehen. Für die Zuordnung der Instrumente zu den Kategorien ist danach abzugrenzen, ob sie in das bisherige System des Genehmigungsverfahrens eingebaut werden könnten (systemkonform) oder eine eigene, von diesem zu unterscheidende Handlungslogik aufweisen, dieses daher modifizieren (systemverändernd) oder aber unverbunden neben das Genehmigungsverfahren gestellt werden, um Effekte zu erreichen, die mit dem Genehmigungsverfahren vermeintlich alleine nicht erreicht werden können. 277 Allerdings ist eine exakte Trennlinie bei dieser Unterscheidung schwierig zu ziehen. Denkbar ist, dass systemkonforme Instrumente eine staatliche Kontrolle und abschließende Entscheidung verlangen. Es könnte aber auch auf die Handlungslogik abgestellt werden. Danach wären solche Instrumente systemkonform, die eine verpflichtende Kontrolle und eine Bestätigung der Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften vorsehen, die also lediglich eine Modifikation der Aufgabenwahrnehmung, so z. B. durch die Übernahme durch andere Akteure, bedeuten. In diesem Fall würde die Unterscheidung aber nur einen geringen Erkenntniswert aufweisen, da dann alle Instrumente einer Kontrolle, auch die verfahrensprivatisierenden, systemkonform wären. b) Verwaltungssubstitution – Verwaltungskompensation – Verwaltungsergänzung Denkbar wäre aber auch, das Zusammenspiel aus der Tätigkeit der Verwaltung und der privaten Tätigkeit durch die Begriffe Verwaltungssubstitution, -kompensation und -ergänzung beschreibend zu erfassen. 278 Der Begriff der Verwaltungssubstitution erfasst die Konstellationen, in denen eine staatliche Entscheidung entfällt. Der Staat verzichtet bei einer öffentlichrechtlichen, staatlichen Aufgabe auf die Ausübung seiner Vollzugskompetenz und lässt an seiner Stelle Private tätig werden bzw. überlässt diesen Bereich pri277 Z. B. eine Verbesserung der Akzeptanz durch eine projektbegleitende Mediation (außerhalb des Verfahrens). 278 Denkbar wäre, diese Begrifflichkeit um die Verwaltungsunterstützung zu ergänzen, die vor allem in der Einbeziehung von Sachverständigen als Verwaltungshelfer zur Entscheidungsvorbereitung bestehen dürfte. Allerdings ist diese Kategorie für die Zwecke der Untersuchung wenig erkenntnisfördernd.

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vater Tätigkeit. 279 Es handelt sich nicht um Beleihung oder Verwaltungshilfe. Die Privaten werden selbständig und unabhängig von behördlichen Weisungen tätig, wobei die staatliche Kompetenz lediglich ruht. Typischer Beispielsfall ist die Übernahme behördlicher Kontrolle durch Sachverständige und deren Nachweise durch Bescheinigungen. Die entsprechende Kontrolltätigkeit der Verwaltung wird eingestellt; diese muss auch die sachverständigen Bescheinigungen nicht mehr durch eine eigene Entscheidung würdigen. Damit findet ein Austausch des die Entscheidung treffenden Akteurs statt, allerdings wird die Verwaltungstätigkeit durch einen funktionell gleichen Einsatz Privater als Verwaltungssubstitut ersetzt. 280 Dementsprechend handelt es sich um Verwaltungssubstitution, wenn innerhalb eines fortbestehenden Genehmigungsverfahrens Private bisher von der Verwaltung wahrgenommene Prüfungen unmittelbar übernehmen, wobei nicht das gesamte Verfahren übernommen werden muss, sondern es ausreicht, wenn einzelne Prüfungen übernommen werden. Damit erfasst dieser Begriff den Kernbereich einer Privatisierung durch ein Sachverständigenmodell. 281 Darüber hinaus kann zwischen einer erzwungenen und einer offenen Verwaltungssubstitution unterschieden werden. Bei einer erzwungenen Verwaltungssubstitution führt die Rücknahme staatlicher Tätigkeit zu einer Verpflichtung, diese durch korrespondierende bzw. ausgleichende private Tätigkeit zu ersetzen, wenn also eine sachverständige Bescheinigung vorgehalten oder vorgelegt werden muss. Eine offene Verwaltungssubstitution liegt dagegen vor, wenn die entsprechende Aufgabe in dem Sinne materiell privatisiert wird, dass zumindest das „Ob“ der Tätigkeit der autonomen Entscheidung der privaten Akteure überlassen wird. Damit ist nicht präjudiziert, ob das „Wie“ der Tätigkeit einer staatlichen Regulierung unterworfen wird. Eine derartige offene Verwaltungssubstitution ist nicht Gegenstand eines Sachverständigenmodells für das Immissionsschutzrecht. Elemente der Verwaltungssubstitution sind im Sachverständigenmodell somit die Notwendigkeit einer Vorlage (oder das bloße Vorhalten) der sachverständigen Bescheinigung, die ausschließlich oder lediglich optionale Prüfung durch den Sachverständigen sowie die Frage der Person des Auftraggebenden (eigen279

Von Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 139. In diesem Sinne versteht von Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 139 ff. den Begriff der Verwaltungssubstitution, auch wenn sie ihn als Gegenstück zur Beleihung entwickelt. Sie zählt Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen auf. Insbesondere die Beispiele der ersten Gruppe sehen eine Übernahme von Kontrolltätigkeiten durch Private vor (vgl. die Ausführungen zu § 24c GewO und dem TierZG). Aber auch die zweite Gruppe ist in diesem Sinne zu verstehen. Zwar bezieht sie sich auf die Übernahme andersartiger Aufgaben, allerdings wird auch dort die Aufgabe in der gleichen Art und Weise, wie sie die staatliche Behörde ausgeführt hat, nunmehr von Privaten durchgeführt. 281 Zu dem Begriff s. auch Ritter, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechtsund Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 6 (17 ff.). 280

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verantwortlich durch den Antragsteller, unter Einbeziehung der Behörde oder gar durch die Behörde selbst 282). Die Verwaltungskompensation dient einem funktionell andersartigen Ausgleich 283 (unter Nutzung eines anderen Wirkungsmechanismus) für den Wegfall einer Verwaltungstätigkeit durch die Tätigkeit Privater. Dieser Ausgleich kann auch bloß unterstützender Natur sein. Der Verwaltungskompensation unterfällt nicht die Gewährleistung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben aufgrund ihrer unmittelbaren präventiven Kontrolle durch eine externe Instanz. Vielmehr sollen die Defizite kompensiert werden, die daraus resultieren, dass nunmehr nicht mehr staatliche Behörden, sondern entweder private Stellen tätig werden oder aber die entsprechende Tätigkeit ganz wegfällt. Gegenstand einer derartigen Kompensation ist insbesondere die Gewährleistung der Qualität sachverständiger Prüfungen durch eigene Instrumente der Kontrolle der Sachverständigen, also einer Kontrolle der Kontrolleure. Somit kann das gesamte „Sachverständigenrecht“ (also die Anforderungen an die Qualifikation, die sonstigen Anforderungen sowie die begleitenden staatlichen Kontrollen, eventuell auch die Elemente der Beauftragung) als Element der Verwaltungskompensation angesehen werden. Auch das Umwelt – Audit könnte als Instrument der Verwaltungskompensation dienen. Dabei handelt es sich zwar auch um ein Kontroll-Instrumentarium, allerdings wird in grundsätzlich verschiedener Art und Weise kontrolliert, und es werden andere Aspekte kontrolliert. 284 Die Funktionslogik beruht auf der Freiwilligkeit der Teilnahme. Zudem enthält das Umwelt – Audit – System eigene Regelungen zur Qualitätssicherung, insbesondere im Hinblick auf die Umweltgutachter. Auch Anforderungen an die Unternehmensorganisation, wie eine „Grundpflicht zur umweltsichernden Betriebsorganisation“ im Rahmen des § 5 BImSchG, können in diesem Sinne kompensatorisch wirken. 285 Der Begriff der Verwaltungsergänzung soll diejenigen Instrumente beschreiben, die nicht dazu dienen, einen Ausgleich für den Wegfall von Verwaltungstätigkeit darzustellen, sondern die darauf abzielen, Funktionsdefizite der Verwaltung durch zusätzliche, außerhalb des direkten Einflußbereiches der Verwaltung und eventuell auch außerhalb des Verwaltungsverfahrens liegende (sozusagen begleitende) Instrumente auszugleichen. Als Beispiel genannt werden kann auch an 282 S. dazu im Baurecht die Figur des Prüfingenieurs für Baustatik, der allerdings als Beliehener anzusehen war und somit streng genommen nicht unter den Begriff der Verwaltungssubstitution fällt. 283 Auf einen eventuell notwendigen Ausgleich weist auch Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (51), hin. 284 Zwar wird auch die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben geprüft, regelmäßig allerdings erst nach Errichtung und Betriebsaufnahme. Es handelt sich nicht um ein Element rein präventiver Kontrolle. 285 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 34 mit näheren Ausführungen.

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dieser Stelle das Konzept der sogenannten Umweltschutzbeauftragten (insbesondere der Immissionsschutzbeauftragter). Ebenfalls Gegenstand dieses Modells wäre die Verwendung von Mediation als begleitendem Instrument außerhalb des eigentlichen Genehmigungsverfahrens (also nicht ihr Einsatz im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung). Zusammenfassend kann somit das Sachverständigenmodell als eine Kombination aus Verwaltungssubsitution und Verwaltungskompensation angesehen werden. Zum einen substituieren die sachverständigen Bescheinigungen eine behördliche Entscheidung (zumindest teilweise), zum anderen werden Elemente einer Verwaltungskompensation in Form einer Regulierung der Sachverständigentätigkeit vorgesehen. Die Tatsache, dass nicht die Verwaltung handelt, wird kompensiert dadurch, dass die Sachverständigen einer sowohl präventiven als auch repressiven Kontrolle unterworfen werden. Im Bauordnungsrecht wird bei dem Einsatz von Sachverständigen häufig von einer Kompensation der Verwaltung gesprochen. 286 Die in diesem Zusammenhang genannten Instrumente, nämlich die Übernahme der entsprechenden Prüfungen durch Sachverständige und die sachverständige Bescheinigung der Einhaltung der Vorgaben, sind nach der hier dargestellten Konzeption keine Instrumente der Verwaltungskompensation, sondern der Verwaltungssubstitution. c) Kontrollsubstitution – Kontrollkompensation – Kontrollergänzung Da es im Rahmen des Genehmigungsrechts um die Kontrolle von Vorhaben geht, kann in der Begrifflichkeit auch auf die Kontrolltätigkeit eingegangen werden und die Begriffstrias aus Kontrollsubstitution – Kontrollkompensation – Kontrollergänzung verwendet werden. Parallel zur obigen Betrachtung besteht die Kontrollsubstitution aus einer „Eins – zu – Eins“ – Übernahme staatlicher Kontrolle durch Private, die Kontrollkompensation aus ergänzende Maßnahmen, eventuell mit anderem Wirkungsmechanismus, zur Qualitätssicherung bzw. zur Sicherung der Einhaltung der materiell-rechtlichen Vorgaben. Die Kontrollergänzung würde die Ergänzung der eigentlichen Kontrolltätigkeit durch begleitende, die Qualität sicherstellende Instrumente erfassen. Es handelt sich letztlich um Parallelbegriffe zu den vorher besprochenen, die lediglich terminologisch klarer fokussiert sind.

286 Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (255); auch Korioth spricht von einer Kompensation durch private Prüfpflichten, DÖV 1996, 665 (672); ebenfalls Jäde, ZfBR 2000, 519 (524, 525, 526); ders., ZfBR 1996, 241 (248); ders., ThürVBl. 1998, 193 (197, 199 f.).

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d) Weitere Typologisierungsversuche Eine weitere Typologisierung setzt umfassend an und unterscheidet (1.) den Sachverständigen als Beweismittel, (2.) die amtlich anerkannten Sachverständigen, denen Ermittlungsaufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen sind, (3.) die „Projektmanager“ und „Konfliktvermittler“ als aktiv mitgestaltende, entwurfsverfassende Sachverständige, (4.) die behördliche Überwachung substituierende und die behördliche Überwachung ergänzende Sachverständige sowie (5.) die hoheitliche Rezeption von Regelwerken sachverständiger Normungsorganisationen. 287 Das Sachverständigenmodell wird der Substitution zugeordnet („Behördliche Überwachung substituierende Sachverständige“) und in diesem Zusammenhang zwischen den verschiedenen Verfahrenstypen und den Kategorien, die die Stellung des Sachverständigen ausgestalten (verantwortliche Sachverständige und der besonders qualifizierte Entwurfsverfasser), unterschieden. 288 Allerdings kann diese Typologie die Gesamtheit des Sachverständigenmodells und den Charakter sowie die Art und Weise der Aufgabenerfüllung nur unzureichend erfassen. Die rechtliche Ausgestaltung der Sachverständigentätigkeit als Gegenstand eines Gewährleistungsverwaltungsrechts 289 wird nicht erfasst. Auch eine Unterscheidung nach der Beauftragung kann das Sachverständigenmodell nur unzureichend strukturieren, da dieses auf dem Grundsatz einer Beauftragung des Sachverständigen durch den Vorhabenträger beruht. Somit werden die verschiedenen Elemente des Sachverständigenmodells nicht strukturiert, und die Typologisierung verspricht für die Zwecke der Untersuchung keinen Erkenntnisgewinn.

6. Die Auswahl eines der Instrumente als Grundlage der weiteren Untersuchung Im Hinblick auf die oben vorgestellten Modelle der Einbeziehung von unabhängigen Dritten stellt sich die Frage, welches Modell als geeignet erscheint für eine eingehendere Untersuchung. Dabei kann vorab festgehalten werden, dass es zwar grundsätzlich sicherlich vorzugswürdig ist, mit der Kontrolle eine Instanz zu betrauen, die in ihrer Gesamtheit vollständig an das Gemeinwohl gebunden ist. Allerdings ist das normative Modell einer interessenneutralen, allein am (wie auch immer zu definierenden) Gemeinwohl orientierten Instanz weder rechtsnormativ noch faktisch voll einlösbar. 290 287

Seidel, Privater Sachverstand, S. 195 ff. Seidel, Privater Sachverstand, S. 256 ff. 289 Das wiederum die Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung darstellt, s. dazu unten Kapitel 5. 288

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Angesichts der bereits oben zu den einzelnen Modellen geäußerten Bedenken und ihrer limitierten Einsatzfähigkeit erscheint grundsätzlich die Variante der Einbeziehung von Sachverständigen (als „unabhängigen Dritten“) mit einer „verfahrensabschließenden“ Funktion am sinnvollsten und auch geeignet. Sie erscheint insbesondere aufgrund der verwaltungssubstituierenden Rolle der Sachverständigen als das Modell, das durchaus als funktional äquivalent zu einer behördlichen Kontrolle angesehen werden kann und somit am ehesten verspricht, ohne einen deutlichen Qualitätsverlust eingesetzt werden zu können. Darüber hinaus handelt es sich bei den Sachverständigen zumindest prinzipiell um die Personengruppe, die als geeignet erscheint, größere Erfüllungslasten zu übernehmen und damit eine weitergehende Erfüllungsverantwortung zu übernehmen. Ihre Einbeziehung weist eine ähnliche Funktionalität auf wie die bisherige staatliche Kontrolle. Zudem handelt es sich, trotz der Beauftragung durch die Betreiber, um eine betreiberunabhängige Fremdkontrolle, da bereits die Definition des Sachverständigen eine Unabhängigkeit verlangt und diese auch institutionell abgesichert werden kann. Zudem erfüllt ein Einsatz von Sachverständigen auch und gerade zahlreiche der oben genannten Aspekte und Ziele einer Reform und kann wohl zumindest einige der oben angeführten Probleme des Staates und der Verwaltung beheben – es wird privater Sachverstand nutzbar gemacht, den die Verwaltung nicht mehr in dem bisherigen Umfang bereithalten muss, was auch unter Kostenaspekten hervorzuheben ist. Darüber hinaus wird auch die Aufgabenausführung effektiver, da ein Eigeninteresse der Sachverständigen an einer effektiven Durchführung besteht. Ordnungspolitisch entspricht dem Einsatz von Sachverständigen ein Rückzug des Staates. Zudem bietet die Berufsgruppe eine gewisse Gewähr für eine dauerhafte und verantwortungsvolle Aufgabenwahrnehmung, was auch für eine Einbeziehung in ein auf eine gewisse Verlässlichkeit angewiesenes Schutzkonzept spricht. Daneben bietet ein derartiger Einsatz die Chance, neue Berufsgruppen zu entwickeln, die auch Chancen auf eine Tätigkeit im internationalen Rahmen haben, zumindest im europäischen. Dies dürfte insbesondere im Falle einer Harmonisierung der Anlagenzulassung der Fall sein, die zwar aktuell nicht ansteht, in deren Richtung allerdings schon erste Schritte erfolgt sind, so z. B. durch die IVU-Richtlinie. Von erheblicher Bedeutung ist darüber hinaus, dass dieses Instrument die realistischsten Umsetzungschancen zu haben scheint, da schon eine dahingehende Rechtsentwicklung in anderen Rechtsgebieten, namentlich im Bauordnungsrecht, stattgefunden hat – wobei allerdings auch noch auf die Unterschiede der verschiedenen Rechtsgebiete einzugehen sein wird. Die Untersuchung konzentriert sich somit im weiteren Verlauf auf die potentielle Rolle der Sachverständigen im Genehmigungsverfahren, also eine Ver290

Hoffmann-Riem, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.): Staatswissenschaften: Vergessene Disziplin oder neue Herausforderung?, S. 85 (90).

§7 Das System der gestuften Eröffnungskontrolle im BImSchG

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waltungssubstitution durch eine Kontrollübernahme. Kurz gesagt – es wird die Einführung eines Sachverständigenmodells im Rahmen des Genehmigungsverfahrens untersucht.

§ 7 Das System der gestuften Eröffnungskontrolle im BImSchG Das Immissionsschutzrecht enthält bereits Ansätze eines Systems der gestuften Eröffnungskontrolle, allerdings ohne damit ein Sachverständigenmodell zu verfolgen. Als Grundlage der weiteren Untersuchung wird dieses in einem kurzen Überblick vorgestellt.

1. Das Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren wird geregelt durch § 10 BImSchG sowie die Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV). Es erfasst sowohl Erst- 291 als auch Änderungsgenehmigungen. In diesem Rahmen wird das materielle Recht durch die Genehmigungsbehörde umfassend geprüft; dem entspricht die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG. Es hat eine volle Sachverhaltsermittlung nach den allgemeinen Regeln, d. h. letztverantwortlich durch die Behörde zu erfolgen; die Übereinstimmung des Vorhabens mit sämtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist zu prüfen (§ 6 Abs. 1 BImSchG). Die Genehmigung ist damit als umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zu werten. 292

2. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG Das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG gilt für die durch die 4. BImSchVO festgelegten Anlagen unter den durch diese Norm vorgezeichneten Bedingungen und zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass bestimmte Vorschriften nicht zur Anwendung kommen. Dabei handelt es sich aber nicht um materielle Normen; vielmehr werden Verfahrensbestandteile 291 Dabei richtet sich die einschlägige Verfahrensart für die Genehmigung neuer Anlagen nach der 4. und der 13. BImSchV, die eine enumerative und der Rechtssicherheit dienende Aufzählung enthalten, Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 21 Rn. 46. 292 Zu den Wirkungen der Genehmigung s. Sach, Genehmigungs als Schutzschild?, 1994.

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für das vereinfachte Verfahren als nicht anwendbar erklärt. 293 Der Vorhabenträger kann allerdings auch die Durchführung des regulären Genehmigungsverfahrens beantragen, wobei diesem Antrag in jedem Fall stattgegeben werden muss. 294 Dementsprechend wurde hier nicht das Modell der vereinfachten Genehmigung als nur beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung gewählt. Der Prüfungsumfang wird nicht eingeschränkt, und die Genehmigung ist nach wie vor eine umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Im Hinblick auf das Verhältnis von Behörde und Privaten gelten die allgemeinen Regeln. 295

3. Das Anzeigeverfahren nach § 15 BImSchG Das Anzeigeverfahren 296 für die Änderungen von Anlagen, die nicht nach § 16 BImSchG genehmigungspflichtig sind, ist in § 15 BImSchG geregelt. 297 Es folgt dem Modell der Schlichter-Kommission, wurde aber primär entsprechend der europarechtlichen Vorgaben (IVU-Richtlinie) gestaltet. 298 Es handelt sich um einen Zwitter aus Anzeige- und Anmeldeverfahren. Die Genehmigungsbehörde hat nach Eingang der Anzeige zu prüfen, ob die Änderung einer Genehmigung bedarf. Der Vorhabenträger darf die Änderung vornehmen, sobald die zuständige Behörde ihm mitteilt, dass das Vorhaben keiner Genehmigung bedarf, oder sie sich innerhalb eines Monats nicht geäußert hat. 299 Es besteht somit eine „Wartefrist“ von einem Monat. Einer Genehmigung bedarf die Änderung, wenn es sich um eine „wesentliche“ handelt, wobei eine solche nur bei der Möglichkeit von negativen Auswirkungen auf die Schutzgüter des § 1 BImSchG angenommen wird. 300 Maßgeblich ist damit die Bedeutung der Maßnahme für 293 Z. B. die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung, s. dazu im Einzelnen Jarass, BImSchG, § 19 Rn. 11. 294 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 19 BimSchG, Rn. 46. 295 Vgl. zu dem Inhalt der vereinfachten Genehmigung neben den Ausführungen zu dem regulären Genehmigungsverfahren auch Jarass, BImSchG, § 19 Rn. 13 und 15; ebenfalls Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 19 BImSchG Rn. 41 f. 296 Im Rahmen der Beschleunigungsgesetzgebung neu gefasst durch das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren vom 9. 10. 1996, BGBl. I S. 1498. S. dazu allgemein auch Büge / Tünnesen-Harmes, GewArch 1997, 48 ff.; Fluck, VerwArch 88 (1997), 265 ff.; Hansmann, NVwZ 1997, 105 ff.; Knitsch, ZUR 1996, 247 ff; Moormann, UPR 1996, 408 ff. 297 S. dazu Fluck, VerwArch 88 (1997), 265 ff.; Führ, UPR 1997, 421 ff.; Kutscheidt, NVwZ 1997, 111 ff. 298 S. dazu auch Fluck, VerwArch 88 (1997), 265 (266 f.). 299 Wobei weder die Mitteilung, dass das Vorhaben keiner Genehmigung bedarf, noch das Verstreichenlassen der Frist eine Genehmigung oder die Fiktion einer solchen darstellen, vgl. Jäde, ZfBR 1997, S. 171 (178).

§7 Das System der gestuften Eröffnungskontrolle im BImSchG

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die Außenwelt. Insofern die Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass keine wesentliche Änderung vorliegt, bleibt es bei der bloßen Anzeige, d. h. es liegt ein Anzeigeverfahren im Sinne des Systems der gestuften Eröffnungskontrolle vor. Die Wartefrist dient somit nur einer eingeschränkten Kontrolle der Änderung auf ihre Genehmigungsbedürftigkeit und ändert nichts an der Einstufung als Anzeigeverfahren. Dem Antragsteller soll das Risiko der Wahl der Verfahrensart abgenommen werden. Dem entspricht auch der nur eingeschränkte Umfang der beizufügenden Unterlagen, denn diese sind nur beizulegen, soweit sie zur Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit erforderlich sind. Eine über die allgemeinen Regeln hinausgehende Beteiligung von Sachverständigen ist nicht vorgesehen. Sachverständige Bestätigungen sind weder Voraussetzung der Durchführung eines Anzeigeverfahrens noch führen sie dazu, dass behördliche Prüfungen entfallen.

4. Zulassung vorzeitigen Beginns Nach § 8a BImSchG kann auf Antrag der vorzeitige Beginn zugelassen werden. Dabei handelt es sich um ein eigenständiges Genehmigungsverfahren, das einzig und allein zum Gegenstand hat, ob schon vor Erteilung der Genehmigung in der Hauptsache mit der Ausführung begonnen werden darf. Es handelt sich jedoch um ein „abhängiges“ Verfahren, denn es kann nur laufen und positiv beschieden werden, wenn ein Verfahren zur Erteilung der Genehmigung in der Hauptsache läuft. Dies ermöglicht eine Beschleunigung des gesamten Verfahrens, 301 allerdings trägt der Antragsteller ein gesteigertes Risiko. Zwar prüft die Genehmigungsbehörde, ob mit einer Entscheidung zu Gunsten des Vorhabenträgers (Unternehmers) gerechnet werden kann, allerdings muss der Unternehmer sich verpflichten, im Falle der negativen Bescheidung in der Hauptsache alle durch den vorzeitigen Beginn entstandenen Schäden zu ersetzen. Auch ist seine Position rechtlich nicht verfestigt. So kann die Zulassung, die ja einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, befristet und darüber hinaus sogar jederzeit widerrufen werden. 302 Sie entfaltet somit keinerlei Bindungswirkungen zugunsten des Antragstellers. 303 Nicht einmal über einzelne Aspekte der späteren Genehmigung wird – ähnlich wie z. B. bei einem Bauvorbescheid – abschließend entschieden. 300 Hier ist nicht der Platz für eine Darstellung der Kriterien, s. dazu aber Jarass, BImSchG, § 16 Rn. 5 ff.; Fluck, VerwArch 88 (1997), 265 (270 ff.). 301 Dieser Effekt war zumindest das Ziel der Einführung dieser Regelung; s. Fluck, DÖV 1994, 885 (887). 302 Schreier, NVwZ 1993, 529 (530). 303 S. auch Jarass, BImSchG, § 8a Rn. 19; Schreier, NVwZ 1993, 529 (530).

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Auch im Rahmen dieses Verfahrens spielt die Vorlage sachverständiger Nachweise keine über die allgemeinen Regeln hinausgehende Rolle. Als Gegenstand derartiger Nachweise kommen die Prognose der Hauptsache (Genehmigungsfähigkeit), eventuell einzelner Teilaspekte, die Reversibilität der Ausführungshandlungen und eventuell deren Kosten in Betracht. Insbesondere der letzte Aspekt sollte nicht unterschätzt werden, denn obwohl unter den „Beginn der Errichtung“ nur Maßnahmen fallen, die wieder rückgängig gemacht werden können, 304 können diese durchaus umfangreich sein.

5. Die Teilgenehmigung Eine Teilgenehmigung kann unter den Voraussetzungen des § 8 BImSchG erteilt werden. Es handelt es sich um eine echte Genehmigung. Sie unterscheidet sich von der regulären Genehmigung allein dadurch, dass sie sich auf einen Ausschnitt aus dem Gesamtvorhaben bezieht. Im Übrigen handelt es sich um eine umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, denn über den erfassten Anlagenteil wird abschließend, endgültig entschieden. 305

§ 8 Die Sachverständigen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren Die als Mittel der Wahl identifizierten Sachverständigen unterliegen einem stetigen Bedeutungszuwachs. 306 Bereits heute spielen Sachverständige eine bedeutende Rolle im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Eine Nutzung von privaten Sachverständigen findet sich in zahlreichen weiteren Bereichen. 307 Dabei wird eine begriffliche Klärung häufig vernachlässigt. Eine solche ist jedoch unabdingbare Voraussetzung, um ihre Tätigkeit rechtlich zu erfassen und die Grundlage für eine verstärkte Verantwortungsübernahme 308 zu schaffen. 304

Fluck, DÖV 1994, 885 (888). OVG Lüneburg, Beschluss v. 29. 9. 1986 – 7 D 4/86, NVwZ 1987, 342 (343); Jarass, BImSchG, § 8 Rn. 25. 306 So schon Nicklisch, BB 1981, 1653 (1653). 307 S. auch den Überblick bei Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (289 ff., insbes. 294 ff.); Böttger, in: PraxisHdbSachverständigenR, § 1 Rn. 1 ff; s. zu der Bedeutung der Sachverständigentätigkeit auch Brohm, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR II, 2. Auflage, § 36 Rn. 1 ff.; Voßkuhle, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR III, 3. Auflage, § 43 Rn. 54 ff. Vgl. zur Bedeutung der Sachverständigen auch Vierhaus, NVwZ 1993, 36 ff. 308 Wie in dem nachfolgend besprochenen Sachverständigenmodell. 305

§8 Die Sachverständigen

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Dabei existieren unterschiedlichste Gründe und Argumente für die Einbeziehung von Sachverständigen. Natürlich geht es um Arbeitsentlastung und Kostenersparnis. Andererseits geht es auch um die Gewinnung von Sachverstand, der in den Behörden nicht vorhanden ist. Auch mag es darum gehen, Entscheidungen durch außerhalb der Verwaltung stehende Personen zu legitimieren und dadurch ihre Durchsetzbarkeit zu erhöhen. 309 Letztlich geht es aber vor allem um die Gewinnung spezifischer, bei den Behörden selbst häufig nicht vorhandener Sachkunde. Vor diesem Hintergrund wird angemerkt, dass die kritische Auseinandersetzung mit oder gar die Zurückweisung der jeweiligen Ratschläge schwer falle 310 und ein erheblicher Einfluss der Sachverständigen auf die Entscheidung besteht. 311

1. Der Begriff des Sachverständigen Angesichts der zahlreichen Bezugnahmen in unterschiedlichen Rechtsgebieten stellt sich die Frage, wer überhaupt alles als Sachverständiger bezeichnet werden kann – eine begriffliche Klärung tut not. Die zahlreichen Tätigkeitsfelder bedingen zugleich auch die Schwierigkeiten, eine handhabbare Definition zu finden. Viele Definitionen sind zu eng, da sie sich lediglich auf eine spezifische Funktion von Sachverständigen in einem konkreten Rechtsgebiet beziehen und nur schwerlich verallgemeinert werden können. Daher wird auch von einer „unbewältigten Vielgestaltigkeit“ 312 gesprochen. Zugleich wird bezweifelt, dass es eine gesicherte oder überwiegend anerkannte Definition des Sachverständigen im deutschen Recht gibt. 313 Der Begriff „Sachverständiger“ wird also nicht legal 309 Zu Gründen für die Einbeziehung von Sachverständigen s. Brohm, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HdbStR II, 2. Auflage, § 36 Rn. 1; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 130 ff. So dürfte auch die Durchsetzung von unangenehmen Entscheidungen häufig Motivation für die Beauftragung von Unternehmensberatungen durch Unternehmen sein, da deren Umsetzung bei einer Berufung auf unternehmensextern festgestellte Notwendigkeiten einfacher fällt. Eine ähnliche Strategie findet sich bei der Durchsetzung politischer Entscheidungen über den „Hebel“ der EG / EU. Dort ist die nationale Regierung zwar bei der Entscheidung beteiligt, kann sich bei der unangenehmen Durchsetzung dann aber auf die EG / EU berufen. Ein differenziertes Bild hat aber auch die empirische Untersuchung von Ziekow / Oertel / Windoffer ergeben, s. dies., Dauer von Zulassungsverfahren, S. 63. Während die höhere Fachkunde gerade in komplexen Fällen zu einer Präferenz der Einbeziehung von Sachverständigen führt, werden diese für die Akzeptanz als weniger geeignet angesehen als der Rückgriff auf behördliches Fachwissen (Träger öffentlicher Belange). 310 Vgl. Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (187). 311 Vgl. Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 ff. 312 Stober, FS Friauf, S. 545 (546). 313 Stober, Der öffentlich bestellte Sachverständige zwischen beruflicher Bindung und Deregulierung, S. 16, der vor diesem Hintergrund den Begriff des Sachverständigen als

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definiert; die Normen setzen vielmehr den Begriff regelmäßig voraus. 314 Dies gilt insbesondere auch für die Verfahrensordnungen, die den Sachverständigen als Beweismittel aufführen. 315 Dieser Befund korrespondiert nicht mit der großen Bedeutung von Sachverständigen für den Staat. 316 Grundlegend kennzeichnend für den Einsatz von Sachverständigen ist, dass es um Problembewältigungen geht, die der Betroffene, in dessen Rechts- und Pflichtenkreis diese Aufgabe eigentlich fällt, mangels Sachkunde bzw. kraft gesetzlicher Vorgaben nicht alleine bewerkstelligen kann bzw. darf. 317 Dabei kann die Frage, wer Sachverständiger ist und wie seine Pflichten zu bestimmen sind, nur aus dem Begriff selbst und der Zweckbestimmung seiner Tätigkeit beantwortet werden. 318 Der Wortlaut allein ist allerdings nicht bzw. nur mäßig ergiebig. 319 Danach ist jemand als Sachverständiger gekennzeichnet, wenn er von einer Sache etwas versteht 320 bzw. wenn er für ein bestimmtes Gebiet in besonderem Maße sachkundig ist. 321 Oder anders gewendet, ist ein Sachverständiger eine natürliche oder eventuell auch juristische Person, die aufgrund ihrer Sachkunde Aussagen macht. 322 Eine weitgehende Einigkeit besteht über grundlegende definitorische Merkmale bzw. Grundmerkmale und Anforderungen für den Beruf des Sachverständigen, 323 die eine gewisse Begriffsbestimmung ermöglichen. 324 Dabei handelt es sich um die folgenden: „Typusbegriff“ ansieht, also als einen Begriff, der sich nicht definieren, sondern nur beschreiben lässt (S. 17 ff.); die Existenz einer einheitlichen Definition zweifelt auch an Böttger, in; PraxisHdbSachverständigenR, § 1 Rn. 6. 314 S. Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 10; ders., NJW 1985, 1185 (1187); Böttger, in: PraxisHdBSachverständigenR, § 1 Rn. 6; Stober, Der öffentlich bestellte Sachverständige zwischen beruflicher Bindung und Deregulierung, S. 15; Heintz, in: Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 72 Rn. 107. 315 Tettinger, in: ders. / Wank, Gewerbeordnung, § 35 Rn. 5. 316 S. dazu Brohm, in: Isensee / Kirchhoff (Hrsg.): HbStR II, 2. Auflage, § 36 Rn. 1 ff. 317 Seidel, Privater Sachverstand, S. 7. 318 Wellmann, Der Sachverständige in der Praxis, S. 1. Letztlich handelt es sich um eine Kombination aus grammatikalischer und teleologischer Auslegung, insbes. im Hinblick auf die Aufgaben der Sachverständigen. 319 S. auch Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 10. 320 Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 10. 321 So Wellmann, Der Sachverständige in der Praxis, S. 1; Jessnitzer / Frieling / Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 1, bezeichnen ihn unter Rückgriff auf das Wörterbuch der Brüder Grimm als „Spezialist“. 322 Lukes, in: ders. / Bischof / Pelzer, Sachverständigentätigkeit im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 13; Jessnitzer / Ulrich / Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 1; Seidel, Privater Sachverstand, S. 7 und S. 345, Ergebnis Nr. 2; Nicklisch, DB 1981, 1653 (1653).

§8 Die Sachverständigen

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• eine besondere / überdurchschnittliche Fachkunde, • die persönliche, unabhängige, weisungsfreie und unter ausschließlicher Anwendung objektiver Maßstäbe gewissenhafte Erbringung der Leistung, 325 und • die Verfügbarkeit bzw. das Zur-Verfügung-Stellen der Sachkunde für jedermann, d. h. der Sachverständige muss gewerblich tätig sein und von Gerichten und Behörden laufend für eine Tätigkeit als Sachverständiger herangezogen werden. 326 Die besondere Sachkunde ist Grundvoraussetzung und Kernelement des Sachverständigenbegriffs. 327 Danach muss die betreffende Person über einen Kenntnis- und Erfahrungsschatz verfügen, der das durchschnittliche Können und Wissen, das auch Teilgebiet eines Berufs sein kann, übersteigt; die Person muss mithin überdurchschnittliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen aufweisen, um sich als Sachverständiger bezeichnen und tätig werden zu können. 328 Diese Spezialkenntnisse und besonderen Fähigkeiten und Erfahrungen, die auf einem bestimmten, abgrenzbaren Sachgebiet 329 bestehen, müssen nachprüfbar durch Studium, Ausbildung und berufliche Betätigung erworben worden sein. 330 Es müssen demnach neben den verlangten Kenntnissen auch ausreichende prakti323 Schulze-Werner, in: Friauf (Hrsg.): GewO, § 35 GewO Rn. 8 f.; s. auch Nicklisch, BB 1981, 1654 (1654 f.). 324 Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 10; so i. E. wohl auch Bock, in: PraxisHdbSachverständigenR, § 7 Rn. 13. 325 S. dazu Klocke, Der Sachverständige und seine Auftraggeber, S. 54; s. zur weisungsfreien, unabhängigen und persönlichen Aufgabenerledigung auch Bleutge, GewArch 1994, 447 (449); zur Objektivität s. auch Roßnagel, DVBl. 1995, 644 (646 f.). 326 Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 10; Schulze / Werner, in: Friauf (Hrsg.): GewO, § 36 GewO Rn. 8; die dort vorgenommene Einschränkung auf gutachterliche Tätigkeit wird hier weggelassen, weil sie sich aus der Norm des § 36 GewO erklärt. Das OLG München, Urteil vom 23. 10. 1975 – WRP 1976, 202, verlangt, dass die Heranziehung durch Gerichte oder Behörde von Fall zu Fall erfolgt. 327 BVerwGE 45, S. 235 (238 und 248). 328 Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 10 und Rn. 60 ff.; ders., NJW 1985, 1185 (1187); im einzelnen auch Schulze-Werner, in: Friauf (Hrsg.): GewO, § 36 Rn. 17 ff.; s. auch OLG Münster, Urteil vom 20. 10. 1994 – 29 U 6380/93 – GewArch 1995, 297 (298) = WRP 1995, 57; OVG NW, Urteil vom 21. 4. 1983 – 4 A 928/82 –, GewArch 1983, 334 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 15. 6. 1977 – VII OVG A 151/ 755 – GewArch 1977, 377; LG Dormund, Urteil vom 17. 5. 1990 – 16 O 1/90 und vom 7. 7. 1992 – 19 O 59/92, WRP 1994, S. 72; s. auch VG Gießen, Urteil vom 20. 2. 2002 – 8 E 4718/99-, GewArch 2003, 472; VG Leipzig, Urteil vom 15. 8. 2000 – 5 K 429/99 – GewArch 2001, 203. Nach der Rspr. muss das durch Prüfungen nachgewiesene Fachwissen den Standard der Mitbewerber in besonderer Weise übertreffen, BGH Urteil v. 23. 5. 1984, NJW 1984, 2365; aus neuerer Rspr. s. VG Gießen, Urteil v. 20. 2. 2002 – 8 E 4718/ 99 – GewArch 2002, 472; VG Leipzig, Urteil v. 15. 8. 2000 – 5 K 429/99, GewArch 2001, 203. 329 Das auch Teilgebiet eines Berufs sein kann, Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 GewO Rn. 10.

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sche Erfahrungen vorliegen. 331 Diese Sachkunde muss den Personen unabhängig, unparteiisch, persönlich und weisungsfrei zur Verfügung gestellt werden, die ihr im Vertrauen auf ihre Unabhängigkeit die Prüfung, Beurteilung und Bewertung von Sachverhalten von besonderer Schwierigkeit übertragen. 332

2. Die klassische Funktion des Sachverständigen Die Grundlage des Verständnisses von Sachverständigen und ihren Aufgaben ist die sogenannte klassische Funktion. Diese liegt insbesondere den Verfahrensordnungen zugrunde. Das Paradebeispiel dafür ist der gerichtliche Sachverständige. 333 In der klassischen Funktion trifft der Auftraggeber eine Entscheidung und benötigt dafür zusätzlichen externen Sachverstand, der allerdings nicht in den eigentlichen Entscheidungsprozess einbezogen ist. 334 Es handelt sich um eine beratende Funktion; geboten wird eine Hilfestellung für den Entscheider. Dieses Verständnis drückt sich dann in Definitionen des Sachverständigen aus, wenn als Begriffsmerkmal die gutachterliche Tätigkeit gefordert wird. 335 Im Rahmen dieser Funktion können drei Arten der Tätigkeit unterschieden werden. 336 Der Sachverständige: 337 • vermittelt dem Auftraggeber die fehlenden Kenntnisse und Erfahrungssätze; • stellt für seinen Auftraggeber aufgrund seiner besonderen Sachkunde Tatsachen fest; 338

330 Schulze-Werner, in: Friauf (Hrsg.): GewO, § 36 Rn. 18; insbes. im Hinblick auf Erfahrungen s. auch Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 62. 331 Roßnagel, DVBl. 1995, 644 (646); Schirp, NVwZ 1996, 560 (562). 332 Schulze-Werner, in: Friauf (Hrsg.): GewO, § 36 Rn. 9; Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO, Band 2, § 36 Rn. 11; s. auch OLG München, Urteil vom 20. 10. 1994 – 29 U 6380/93, GewArch 1995, 297 (298). 333 S. zu diesem umfassend Jessnitzer / Ulrich / Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007. 334 Wobei allerdings eine tatsächliche Abhängigkeit komplexer Verwaltungsentscheidungen von den vorberei-tenden sachverständigen Gutachten besteht. 335 VG Gießen, Urteil v. 20. 2. 2002 – 8 E 4718/99 – GewArch 2002, 472; VG Leipzig, Urteil v. 15. 8. 2000 – 5 K 429/99, GewArch 2001, 203. 336 Bleutge, NJW 1985, 1185 (1185); s. auch Seidel, Privater Sachverstand, S. 7 f.; Nicklisch, BB 1981, 1653 (1654). 337 Hier nach Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 12. 338 Z. B. die chemische Zusammensetzung eines schadensstiftenden Stoffes, die Erkundung von Altlasten (liegt eine Bodenkontamination / Gewässerkontamination vor; welche Stoffe sind die Abfälle); so auch Gutachten darüber, ob technische Vorrichtungen dem Stand der Technik entsprechen bzw. was der Stand der Technik ist; ist dieser schon fortgeschritten; einzelne Vorfragen zur Beurteilung wie die praktische Eignung.

§8 Die Sachverständigen

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• zieht unter Anwendung seiner besonderen Sachkunde aus festgestellten Tatsachen Schlüsse und hält die dabei gefundenen Beurteilungen in einem Ergebnis fest. 339 Allerdings sind diese scheinbar klaren Abgrenzungen in der Realität schwer durchführbar. 340 Jedenfalls ist es Ausdruck der klassischen Funktion, wenn das Wesen jeder Sachverständigentätigkeit darin gesehen wird, dass der Sachverständige seine besondere Sachkunde in Form eines Gutachtens einem Auftraggeber zur Verfügung stellt, dem das erforderliche Wissen und die notwendige Erfahrung zur Beurteilung eines tatsächlichen Sachverhalts fehlen. 341

3. Erweiterungen des Funktionsspektrums Das klassische Verständnis reicht allerdings nicht mehr aus, alle Erscheinungsformen sachverständiger Tätigkeit zu erfassen. In verschiedenen Rechtsgebieten geht der Sachverständigeneinsatz über die eben beschriebene klassische Funktion, also die bloße Vermittlung von tatsächlichen Erfahrungssätzen, Schlußfolgerungen oder von bloßen Tatsachenfeststellungen, hinaus, die letztlich den Auftraggeber zur Beurteilung eines Geschehensablaufs kundig machen sollen, ihn im Übrigen aber in seiner Entscheidung nicht entlasten. Für Sachverständige existiert ein umfangreiches Funktionsspektrum. 342 Es handelt sich dabei um Formen intensiverer funktionaler Privatisierung. Der Sachverständige kann als gestaltender Akteur bis hin zum (Mit)Entscheider und damit als entscheidender Akteur in Erscheinung treten. 343 Dementsprechend bietet sich eine Systematisierung der Sachverständigentätigkeit im Hinblick auf ihre Bedeutung für die abschließende Entscheidung an. 344 Das gesamte Funktionsspektrum kann auf einer Skala zunehmender Bedeutung 339 Im Altlastenbereich z. B. die Berechnung einer Gesamtkontamination durchführen und deren Verteilung aufgrund der Entnahme von Stichproben feststellen. Daran anschließend kann er beurteilen, wie der Schaden zu sanieren ist, welche Sanierungsmethode angebracht ist und ob diese auch dauerhaft sicher ist, um weitere Schädigungen zu vermeiden, sowie ob aufgrund bestimmter Bodenkontamination ein Gewässerschaden droht. 340 Nicklisch, BB 1981, 1653 (1653). 341 Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I,§ 36 Rn. 12. 342 Vgl. Brohm, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 2. Auflage, § 36 Rn. 17 ff. 343 Seidel, Privater Sachverstand, S. 8; s. dort auch die Beispiele zu einer derartigen Tätigkeit. Nicht weiter untersucht wird die Situation, dass Sachverständige nur zur Legitimation einer auch ohne die Beratung getroffenen Entscheidung dienen sollen. Vorliegend geht es nur um das Funktionsspektrum, das auch in der tatsächlichen Nutzung des Sachverstands besteht. 344 Siehe aber auch die auf unterschiedlichen Arten der Tätigkeit basierende Unterteilung bei Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (378 f.).

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der Tätigkeit für die Entscheidung bzw. das Ergebnis und damit in ein „Von-Zu“ Schema eingeordnet werden. Ausgehend von der klassischen Funktion, die für eine Unterstützung einer Entscheidung steht, geht die Bedeutung des Sachverständigen über eine die Entscheidung beeinflussende und eine die Entscheidung bestimmende bis hin zu einer entscheidenden Tätigkeit, in der der Sachverständige den eigentlich zu Beratenden vollständig verdrängt hat. Entlang dieses Schemas bewegt sich der Sachverständige von einer handlungsersetzenden 345 Einbeziehung in Richtung einer entscheidungsersetzenden Einbeziehung. Somit kann von Sachverständigen nicht nur dann gesprochen werden, wenn eine sachkundige Person im Rahmen der klassischen Funktion tätig wird. Vielmehr ist dieser Begriff weiter und erfasst (im Rahmen des Verwaltungsrechts) sämtliche Erscheinungsformen einer Einbeziehung Privater, wenn das auslösende Moment die Nutzbarmachung des privaten Sachverstands für die Durchführung einer öffentlichen Aufgabe ist. Dies ist dabei unabhängig davon, welche konkrete Form diese Aufgabendurchführung annimmt, ob sie also in einen Entscheidungsablauf integriert ist oder daneben steht. Entscheidend ist die Relevanz für die Durchführung einer öffentlichen Aufgabe, die nach wie vor Gegenstand einer fortbestehenden Verantwortung des Staates bzw. der Verwaltung ist. Letztendlich folgt dieses erweiterte Verständnis der Erkenntnis, dass Sachkunde immer wichtiger wird und auch eine immer umfassendere Sachkunde zur Beurteilung immer komplexer werdender Sachverhalte erforderlich ist. Eine Kongruenz von Sachverstand und Entscheidungsbefugnis rückt in immer weitere Ferne, und selbst die Beratung, also die klassische Funktion des Sachverständigen, befähigt die entscheidenden Personen nicht wirklich zu einer eigenen Entscheidung. Gleichzeitig gibt es aber auch Fälle, in denen eine sachverständige Entscheidung gegenüber einer behördlichen nicht als defizitär erscheint. 346

4. Der Sachverständige und die Rollenverteilung im Verfahren Unabhängig von Art und Funktion der wahrgenommenen Aufgabe kann die Tätigkeit des Sachverständigen auch anhand der Rollenverteilung analysiert und strukturiert werden. Dabei lässt sich die Einbeziehung Sachverständiger typologisch wie folgt erfassen: 347 345 Handlungsersetzend insofern, als dass der Entscheidende die Kenntniserlangung als eigene Handlung durchführen müsste und diese Handlung in der klassischen Funktion durch den Sachverständigen ersetzt wird. 346 So im Rahmen der Prüf- und Überwachungsaufgaben bei KFZ nach §§ 21, 29 StVZO oder aber bei überwachungsbedürftigen Anlagen nach §§ 11, 14 GSG.

§8 Die Sachverständigen

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• das Grundmodell nach §§ 24, 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwVfG, • der Sachverständige als Erfüllungsgehilfe eines Ermittlungspflichtigen, • der Sachverständige mit einzelnen Ermittlungsbefugnissen – ein sogenannter „Beauftragter“, und • der Sachverständige mit Entscheidungsfunktion. Die ersten beiden Kategorien unterscheiden sich nur hinsichtlich der unterschiedlichen Beauftragungs- und Bezahlungslast; 348 im Hinblick auf die Pflicht der Behörde zur Würdigung des Gutachtens und zur Bildung einer eigenen Meinung bestehen keine Unterschiede. Dem Antragsteller werden Aufklärungspflichten auferlegt, die er nicht selbst, sondern nur durch die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder einer sachverständigen Prüfung erfüllen kann. 349 Die anderen beiden Kategorien erfassen eine zunehmende Verselbständigung des Sachverständigen, wobei die letzte Kategorie eine von der behördlichen Tätigkeit völlig losgelöste Tätigkeit des Sachverständigen erfasst, die dadurch gekennzeichnet ist, dass er bestimmte Fragen alleine untersucht und entscheidet, im Übrigen aber keinerlei Verknüpfungen mehr bestehen. Unter die Kategorie des Sachverständigen mit Entscheidungsfunktion fällt auch der als neuer Sachverständigentypus bezeichnete Verifikateur, dessen Tätigkeit u. a. darin besteht, ein bestätigendes Urteil über die Konformität (auch u. U. eine nur teilweise) eines Objektes mit den darauf anzuwendenden öffentlich-rechtlichen Maßstäben. 350

5. Der Sachverständige im Verwaltungsverfahren nach dem VwVfG Der für die Einbeziehung von Sachverständigen in das Verwaltungsverfahren maßgeblichen Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG und ihrem Verständnis liegt die oben beschriebene klassische Funktion zugrunde. 351 Sie ermöglicht eine Sachverständigentätigkeit, die alle Elemente der oben dargestellten klassischen Funktion zum Gegenstand hat. 352 Damit ist zwar grundsätzlich 347

Die ersten drei Punkte der Typologie nach Seidel, Privater Sachverstand, S. 195 ff. Seidel, Privater Sachverstand, S. 205. 349 S. auch Seidel, Privater Sachverstand, S. 196. 350 Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 279 ff. In dieser Funktion wird das zu überprüfende Normprogramm letztlich privat vollzogen, was insofern von Scholl als privatrechtliches Sachverständigen-Vollzugsmodell bezeichnet wird (und von Trute als „System privatisierten Vollzugs des Umweltrechts“, vgl. Trute, UTR 48, 13 (38)). 351 S. insbesondere auch die Abgrenzung des Sachverständigenbeweises zu anderen Erscheinungsformen der sachverständigen Tätigkeit durch Skouris, AöR 107 (1982), 215 (219 ff.). 348

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die Einbeziehung von Sachverständigen in die Sachverhaltsermittlung möglich. Allerdings verlangt der Amtsermittlungsgrundsatz von der Behörde, den Sachverhalt abschließend festzustellen und zu würdigen. Jedenfalls wird die Behörde durch das Vorliegen eines Sachverständigengutachtens nicht davon entbunden, den Sachverhalt in eigener Verantwortung aufzuklären (und die erforderlichen, notfalls weiteren Beweise zu erheben). 353 Diese Verantwortung realisiert sich im Verhältnis zu privaten Verfahrensbeiträgen in unterschiedlicher Weise, abhängig von der Art des privaten Verfahrensbeitrags. Sachverständige Gutachten dürfen von der Behörde nicht ungeprüft übernommen werden, sondern müssen zum Gegenstand eigener Überzeugung gemacht werden. Die Behörde muss sich mit dem Gutachten auseinandersetzen und sich auf der Grundlage dieses Inhalts eine eigene Meinung bilden 354 bzw. sich den Inhalt zu eigen machen. Das Gutachten entfaltet allerdings dann eine gewisse Bedeutung, wenn die Behörde von dem Ergebnis abweichen will. Vor dem Hintergrund, dass es der Kompensation eines Wissensmangels dienen soll, muss die Behörde ihre Abweichung davon begründen. Diese Begründung muss zu erkennen geben, dass die Behörde über ausreichendes Fachwissen verfügt, um eine abweichende Meinung verantworten zu können. 355 Bei der Frage, ob die eigene Sachkunde ausreicht, hat die Behörde einen gewissen Beurteilungsspielraum. 356 Falls sich die sachverständige Beratung auch auf die Bewertung bezieht, gilt ebenfalls, dass diese Beratung die Behörde nicht von einer eigenständigen Bewertung im Sinne rechtsstaatlicher Aufgabenerfüllung entbindet. Ein Sachverständiger bereitet lediglich die Entscheidung der Behörde vor; die Behörde wird dabei weder von einer eigenen Wertung noch der rechtlichen Subsumtion entbunden. 357 352

Zu eng bzw. jedenfalls missverständlich ist es, wenn als Sachverständige nur diejenigen Personen angesehen werden, die der Behörde kraft ihrer Sachkunde Sätze liefern, mittels derer der entscheidenden Bedienstete aus den vorliegenden Tatsachen die richtigen Schlüsse ziehen kann, so Clausen, in: Knack, VwVfG, § 26 Rn. 21; s. auch KoppRamsauer, § 26 Rn. 27, der einfach von einer Vermittlung fehlenden Fachwissens spricht. 353 BVerwGE 35, S. 50 (51). 354 Seidel, Privater Sachverstand, S. 92; BVerwGE 80, S. 224 (227); Lukes, in: ders. / Bischof / Pelzer, Sachverständigentätigkeit im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 13 (27); Hegele, Die Bedeutung von Sachverständigengutachten, S. 63, 67; Kopp, § 24 Rn. 14, 23; Skouris, AöR 107 (1982), 215 (246 f.); Lange, Fehler und Fehlerfolgen im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 81. 355 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 26 Rn. 29; Seidel, Privater Sachverstand, S. 95. 356 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 26 Rn. 29. 357 Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 68; unter Hinweis auf die Gefahr der Verlagerung der faktischen Entscheidungsbefugnis auf die Sachverständigen bei Komplexität der Entscheidung Di Fabio, VerwArch 81 (1990) 193 (193 ff.); darauf weist auch hin Skouris, AöR 107 (1982), 215 (246).

§8 Die Sachverständigen

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Neben der „klassischen“ Einbeziehung über Gutachten wird auch eine weitergehende Übertragung der Sachverhaltsermittlung auf sogenannte Verfahrenshelfer erörtert. 358 Allerdings ist eine derartige Übertragung der Sachverhaltsermittlung auf Verfahrenshelfer nur eingeschränkt zulässig. Die Behörde muss nämlich die Entscheidung inhaltlich verantworten können, 359 womit ihr eine Schlüsselstellung im Rahmen der Sachverhaltsermittlung eingeräumt ist. Angesichts der Gefahr, dass aufgrund der privaten Vorbereitung eine faktische Einschränkung der Entscheidungsfreiheit eintritt, 360 besteht eine Verfahrensverantwortung der Behörde; 361 teilweise wird eine „Strukturschaffungspflicht“ angenommen. 362 Die Behörde darf sich somit nicht darauf beschränken, lediglich die Entscheidung zu treffen und zu formulieren – es ist unzulässig, die Erhebung der Entscheidungsgrundlage vollständig und ohne Regulierung auf Private zu übertragen, also Erhebung und Bewertung der Entscheidungsgrundlage ungeprüft privaten Verfahrenshelfern zu überlassen. 363

6. Weitere Erscheinungsformen sachverständiger Tätigkeit im Verwaltungsverfahren Sachverständige Beratung findet sich in vielen, insbesondere aber in den naturwissenschaftlich-technisch geprägten Bereichen. 364 In einer kleinen Auswahl soll nachfolgend aufgezeigt werden, wie vielfältig bereits heute eine Verfahrensprivatisierung stattgefunden hat 365 und Sachverständige sowohl in klassischer Funktion als auch darüber hinausgehend 366 in unterschiedlicher Form innerhalb eines auf eine hoheitliche Zulassung gerichteten Verwaltungsverfahrens tätig werden. 358 S. dazu auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999. S. auch Erbguth, UPR1995, 369 ff.; Schwarz in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 195 ff. 359 Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (304); Köchling, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 201 (205). 360 S. dazu auch Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 134. 361 Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (303 ff.). 362 Diese wird von Burgi angenommen. Siehe dazu unten Kapitel 5. 363 Böckel, DÖV 1995,102 (107). 364 S. dazu bereits oben. S. beispielsweise zu der Einschaltung Privater bei der Vorbereitung von Entscheidungen im Gesundheitswesen Stollmann, DÖV 1999, 183 ff. 365 S. Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (295). 366 Dabei bezieht sich die nachfolgende Darstellung nicht auf sonstige Einbeziehungen Privater wie z. B. im Rahmen von Kollegialorganen oder die gesetzlich vorgeschriebenen Elemente der Eigenüberwachung im Umweltrecht durch die so genannten Betriebsbeauftragen u.ä.

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

Im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren werden Sachverständige aufgrund von § 20 AtomG in der klassischen Funktion tätig. 367 Durch die Hinzuziehung Sachverständiger soll die Behörde in die Lage versetzt werden, bei den in der Regel technisch komplizierteren Sachverhalten ihre Aufgaben mit ausreichendem Sachverstand erfüllen zu können. 368 Nicht zu ihren Aufgaben gehört es, rechtliche Wertungen vorzunehmen. 369 Dennoch wird ein hohe Vorprägung behördlicher Entscheidungen in atomrechtlichen Verfahren durch Äußerungen technischen Sachverstands festgestellt. 370 Ein bedeutender Bereich der präventiven Tätigkeit von Sachverständigen ist der Bereich der technischen Überwachung. 371 So ist die Sicherheitsüberprüfung von Kraftfahrzeugen nach §§ 21, 29 StVZO und auch von überwachungsbedürftigen Anlagen nach §§ 11, 14 GSG fast schon klassische Domäne von Sachverständigen. Insbesondere die Erteilung der TÜV-Plakette nach § 29 StVZO stellt eine eigenverantwortliche, verfahrensabschließende Entscheidung dar. 372 Der Sachverständige erlässt einen Verwaltungsakt. 373 Zahlreiche Erscheinungsformen sachverständiger Tätigkeit finden sich im Bauordnungsrecht. 374 Dort kann von einer Privatisierung mit Hilfe eines Sachverständigenmodells gesprochen werden, da Sachverständige dort in weitem Umfang Prüfungsaufgaben der Bauaufsichtsbehörden übernehmen. Es handelt sich um verwaltungssubstituierende Tätigkeit. Aufgrund sachverständiger Tätigkeit entfallen die Genehmigung und die entsprechende behördliche Tätigkeit ganz oder zumindest teilweise. Die Überwindung einer präventiven Schranke wird (zumindest partiell) nicht mehr von einer behördlichen Entscheidung, sondern dem positiven Ergebnis einer sachverständigen Prüfung abhängig gemacht. Die Einbeziehung von Privaten in Zulassungsverfahren hat auch § 89 UGBKomE zum Gegenstand gehabt. Danach hätte die Genehmigungsbehörde einzelne Abschnitte des Verfahrens, insbesondere den Erörterungstermin, einem 367

S. dazu Schirp, NVwZ 1996, 560 ff. Roßnagel, DVBl. 1995, 644 (644). 369 Siehe OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3. 8. 1992 – 4 K 3/91 –, UA S. 26; VG Karlsruhe, Urteil vom 21. 12. 1994 – 10 K 1805/93 –, UA S. 17, zitiert nach Roßnagel, ZUR 1994, 185 (188), dort auch zu de Thematik. 370 Schirp, NVwZ 1996, 560 (562). 371 S. Nicklisch, DB 1982, 2277 (2279). 372 Seidel, Privater Sachverstand, S. 8. 373 Die genaue Einstufung der Tätigkeit ist umstritten, jedoch geht die Rspr. im Wesentlichen von einer hoheitlichen Tätigkeit und damit auch (je nach konkreter Tätigkeit) vom Erlass eines Verwaltungsakts aus, BGH, Urteil v. 11. 1. 1973 – III ZR 32/71, NJW 1973, 458 (458 f.); VGH München, Urteil v. 11. 2. 1974 – Nr. 5 VII 72, DÖV 1975, 210 (210 f.). 374 S. dazu ausführlich unten in Kapitel 2. 368

§8 Die Sachverständigen

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Verfahrensmittler oder einer anderen Stelle übertragen können. Dabei meint der Begriff der anderen Stelle sowohl öffentliche als auch private Einrichtungen, die insbesondere zur sachverständigen Unterstützung der Genehmigungsbehörde einbezogen werden können. Durch diese Regelung sollten die Ansätze für eine neutrale Konfliktmittlung gesetzlich institutionalisiert werden, ohne dabei die bestehenden Möglichkeiten einzuschränken. 375 Daneben werden auch im Rahmen der Überwachung zahlreiche Aufgaben, insbesondere Untersuchungen, Erhebungen oder Auswertungen, von Privaten wahrgenommen. 376 Auf der Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse trifft die Überwachungsbehörde ihre Entscheidungen. Eine umfangreiche Einbeziehung von Sachverständigen findet sich auch im Bereich öffentlich-rechtlicher Planungen. Eine entscheidungsbestimmende Funktion erfüllen Sachverständige im Rahmen des abfallrechtlichen Standortauswahlverfahrens. Sie eruieren selbständig Standortalternativen. 377 Daneben erstellen Sachverständige auch Planungsentwürfe. 378 Zudem hat auch die Ausarbeitung eines Vorhaben- und Erschließungsplanes gem. § 12 BauGB durch private Planungsbüros eine vergleichbare Bedeutung für das Ergebnis. 379 Eine Einschaltung Privater in die Aufstellung von Bebauungsplänen sieht auch § 4b BauGB vor. 380 Etwas außerhalb des eigentlichen Verwaltungsverfahrens, aber von zunehmender Bedeutung ist die Tätigkeit von Gutachtern, die im weitesten Sinne Zertifikate verleihen. Sachverständige spielen als sogenannte „Umweltgutachter“ 381 eine zentrale Rolle im Bereich des Umwelt-Audit. 382 Das Gleiche gilt für den Bereich des europäischen „Neuen Harmonisierungskonzepts“. 383 Dieses sieht ein 375

UGB-KomE, Zu § 89 S. 641. S. dazu Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 165 ff., 217 ff.; s. auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 140 f.; als Beispiel nennt Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (188) § 40 Abs. 2 Krw- / AbfG. 377 Hoppe / Bleicher, NVwZ 1996, 421 (422). 378 Wie DEGES und ihre Parallelgesellschaften, s. dazu Wahl, DVBl. 1993, 517 ff. 379 Dabei bringt ein privater Investor seine Vorstellungen in den Planungsprozess ein; die Planung soll die Grundlage der privaten Investition sein und macht sich damit gleichzeitig von den privaten Vorstellungen in gewisser Weise abhängig. Zwar gibt es aufgrund der sogenannten Flachglas-Entscheidung Restriktionen im Hinblick auf eine Vorabbindung. Aufgrund des derzeit stattfindenden Wettbewerbs um Investitionen kann aber faktisch davon ausgegangen werden, dass der private Investor einen erheblichen Einfluss hat. S. zu dem Ablauf allgemein auch Brohm, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 23 ff.; Erbguth, VerwArch 89 (1998), 189 (203 ff.); Köster, ZfBR 2005, 147 ff. 380 S. dazu Köster, Die Privatisierung des Bauleitplanverfahrens und der Einsatz von Mediation in den Beteiligungsverfahren, insbesondere S. 50 ff.; Schmidt-Eichstaedt, BauR 1998, 899 ff.; Stüer, DVBl. 1997, 1201 (1206); Reidt, NVwZ 1998, 592 f. 381 Dies sieht als neues Berufsbild an Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (244). 382 S. dazu Streck, Der EMAS-Umweltgutachter und die Deregulierung des deutschen Umweltrechts, 2001. 376

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

abgestuftes System der betrieblichen Eigenüberwachung und der durch Dritte kontrollierten Selbstüberwachung vor, 384 in dem u. a. private Sachverständige im Rahmen einer Fremdüberwachung die Richtlinienkonformität von Produkten untersuchen. In diesem Zusammenhang erlangen auch die letztlich durch private Normungsorganisationen aufgestellten Normen als Maßstab für die Vergabe der Zertifikate eine besondere Bedeutung.

7. Die Sachverständigen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren Bereits heute spielen Sachverständige eine bedeutende Rolle im Immissionsschutzrecht. So sind wegen der Komplexität der Auswirkungen genehmigungsbedürftiger Anlagen nicht selten Sachverständigengutachten erforderlich, um beurteilen zu können, ob eine Anlage die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt. 385 Dabei stellt sich die Beibringung von Nachweisen hinsichtlich der Erfüllung von Genehmigungsvoraussetzungen als Ausdruck der Mitwirkungslast nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG dar. 386 Um die Bedeutung vollständig erfassen zu können, muss ein Blick über den Tellerrand des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens hinaus auf das Gesamtbild des Immissionsschutzrechts geworfen werden. a) Die Einbeziehung in das Genehmigungsverfahren nach der 9. BImSchV Eine Möglichkeit zur Einschaltung eines Projektmanagers bereits im Rahmen der Antragstellung sieht § 2 Abs. 3 S. 3 Nr. 5 der 9. BImSchV vor. Der behördliche Verfahrensbevollmächtigte, der die Gestaltung des zeitlichen Verfahrensablaufs und die organisatorische und fachliche Abstimmung überwacht, kann sich auf Vorschlag oder mit Zustimmung und auf Kosten des Antragstellers eines solchen bedienen, wenn dies der Verfahrensbeschleunigung dient. 383

Beschluss des Rates vom 13. Dezember 1990. Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (244). 385 Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 55. Vgl. als Beispiel aus dem gerichtlichen Verfahren BayVGH, Urteil vom 20. 7. 1994 – Az. 20 A 92.40087 u. a., BayVBl. 1995, 531 (533), in dem die von Sachverständigen auf der Grundlage der TA Luft ermittelten Kenngrößen als Grundlage der behördlichen und auch gerichtlichen Entscheidung angesehen wurden. Allgemein zu der Bedeutung von Sachverständigenwissen für Verwaltungsentscheidungen Nussberger, AöR 129 (2004), 282 ff. 386 Hinsch, ZUR 2008, 567 (571); dort auch zur Beibringung von Prognosen (von Schallimmissionen) durch den Antragsteller bzw. durch von diesem beauftragten Sachverständigen. 384

§8 Die Sachverständigen

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Eine ausdrückliche und besondere Regelung über die Einbeziehung von Sachverständigen in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren enthält § 13 der 9. BImSchV. Dieser modifiziert die grundsätzlich auch hier geltenden allgemeinen Regeln der §§ 24, 26 VwVfG. 387 Die Norm unterscheidet zwischen behördlichen und Privatgutachten. Ein behördliches Gutachten kann dann eingeholt werden, wenn es für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen notwendig ist und keine der beteiligten Behörden die Frage mit Sicherheit beantworten kann. Bei der zu begutachtenden Frage kann es sich auch um eine Rechtsfrage handeln. 388 Falls dem Antrag nach § 4b Abs. 2 der 9. BImSchV ein anlagenbezogener Sicherheitsbericht nach § 18 Abs. 1 der Störfall-Verordnung oder aber bestimmte Teile des Sicherheitsberichts nach § 9 der Störfall-Verordnung beizulegen sind, bedarf es keiner weiteren Prüfung der Notwendigkeit. 389 Darüber hinaus können mit Zustimmung des Antragstellers nach § 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BImSchV Gutachten dann eingeholt werden, wenn sie der Beschleunigung des Verfahrens dienen. Die Partei- bzw. Privatgutachten nach § 13 Abs. 2 der 9. BImSchV werden vom Antragsteller vorgelegt. Für die Abgrenzung zwischen den behördlichen und den Partei- bzw. Privatgutachten kommt es darauf an, wer der Auftraggeber des Gutachtens ist. 390 Die Privatgutachten sind Teil der Antragsunterlagen und anders auszulegen als die behördlichen Gutachten. 391 Insofern kommt ihnen für die Überzeugungsbildung der Behörde eine geringere Aussagekraft zu als den behördlichen Gutachten, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass der Auftraggeber Einfluss auf die Gestaltung des Gutachtens nehmen kann. Die Behörde kann ein weiteres, nun behördliches Gutachten in Auftrag geben. 392 Allerdings besteht die Möglichkeit, ein Privatgutachten zu einem behördlichen zu machen. Dafür muss die Auftragserteilung an einen Gutachter im Einverständnis mit der Genehmigungsbehörde erfolgen, wobei sich dieses Einverständnis auf alle Aspekte des Auftrags beziehen muss. 393 Das Gleiche gilt dann, wenn der Auftrag für das Gutachten an einen gem. § 29a Abs. 1 Satz 1 BImSchG für den einschlägigen Bereich bekanntgegebenen Sachverständigen oder einen Sachverständigen i. S. d. § 29a Abs. 1 Satz 2 BImSchG erteilt wird. Allerdings wird gefordert, diese Vorschriften eng auszulegen, da sich das Gutachten nach wie 387

Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 429. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 13 der 9. BImSchV Rn. 4; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 55. 389 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 13 der 9. BImSchV Rn. 3. S. dazu auch BR-Drs. 869/92/Beschluss, S. 8. 390 Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 56. 391 Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 56. 392 S. BR-Drs. 869/92, S. 9. 393 BR-Drs. 869/92, S. 9 f. S. § 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV. 388

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vor im finanziellen und sachlichen Einflussbereich des Antragstellers bewegt. Daher soll § 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV nur anwendbar sein, wenn die Behörde einen maßgeblichen Einfluss auf den Inhalt des Auftrags nimmt. 394 Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 der 9. BImSchV bezieht sich die Beratungspflicht der Behörde auch auf die vorzulegenden Gutachten. Durch diese Erörterung in einem sehr frühen Stadium legt sich die Behörde aber nicht fest, welche Gutachten sie letztendlich für erforderlich hält. 395 Demnach wird zwar das Grundmodell über den Sachverständigenbeweis modifiziert, allerdings wird damit den Sachverständigengutachten keine weitergehende Wirkung im Hinblick auf die abschließende Entscheidung eingeräumt. Vielmehr ist nach wie vor eine eigene Überzeugung der Behörde erforderlich. Allerdings ist durchaus zweifelhaft, ob diese rechtliche Einstufung der tatsächlichen Bedeutung von Sachverständigen für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren entspricht. So hängt z. B. die Konkretisierung des Begriffes des „Standes der Technik“ im Einzelfall maßgeblich von Sachverständigengutachten ab, auf denen dann sowohl die Behörden- als auch die eventuell erforderliche Gerichtsentscheidung basieren. Sobald ein Sachverständigengutachten vorliegt, muss sich die Behörde zwar immer noch grundsätzlich eine eigene Meinung bilden. Allerdings haben die Sachverständigengutachten auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren eine herausgehoben Stellung, zumal die Sachverständigen gerade herangezogen werden, um Erkenntnisdefizite zu beheben. Daher kann die Behörde ihren eigenen Sachverstand nicht einfach an die Stelle des herangezogenen Sachverstands setzen. Sie muss vielmehr begründen, wenn sie eine andere als die sachverständige Meinung hat und der Entscheidung zugrunde legen will. Somit besteht eine hohe faktische Bindungswirkung. 396 Auch ohne eine rechtliche Verpflichtung ist im Ergebnis zur Durchsetzung einer anderen Annahme ein Gegengutachten 397 erforderlich.

394 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 10 BImSchG Rn. 204; ders., in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 13 der 9. BImSchV Rn. 5; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 57; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 435; Storost, in: Ule / Laubinger, BImSchG, § 10 F2. 395 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 137. 396 Was auch, wie Urteile belegen, für die Rechtsprechung gilt, vgl. z. B. BVerwG, Urteil v. 11. 12. 2003 – 7 C 19/02, NVwZ 2004, 611 ff. Auf Ebene der Verwaltung ist denkbar, dass ein Gutachten unmittelbar Bestandteil der Genehmigung ist, vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. 12. 2006 – 7 ME 145/07, NVwZ 2007, 357 (358). 397 Wobei ein solches in begründeten Zweifelsfällen eingeholt werden soll. Eine Verpflichtung zur Einholung von Gegengutachten ist dabei auch als Mittel der Verfahrensprivatisierung denkbar.

§8 Die Sachverständigen

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b) Weitere Möglichkeiten der Einbeziehung von Sachverständigen im BImSchG Nicht nur auf den Bereich des Genehmigungsverfahrens sind die nachfolgend dargestellten Möglichkeiten der Einbeziehung von Sachverständigen beschränkt. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG kann durch Rechtsverordnung festgelegt werden, dass die Betreiber bestimmte sicherheitstechnische Prüfungen sowie bestimmte Prüfungen von sicherheitstechnischen Unterlagen durch Sachverständige nach § 29a BImSchG durchführen lassen müssen. § 29a BImSchG räumt der zuständigen Behörde die Möglichkeit ein, eine derartige Prüfung im Rahmen der Überwachung im Einzelfall anzuordnen. 398 Die Regelungen stehen zudem in engem Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Satz 2 der 9. BimSchV, 399 der die Begutachtung der Sicherheitsanalyse im Genehmigungsverfahren für notwendig erklärt. Das Recht, sicherheitstechnische Überprüfungen im Genehmigungsbescheid anzuordnen, wird durch die vorliegenden Regelungen nicht berührt. 400 Dabei ist der Begriff der sicherheitstechnischen Überprüfung umfassend zu verstehen. 401 aa) Der Hintergrund der Regelungen Die Durchführung sicherheitstechnischer Überprüfungen durch Sachverständige dient dazu, die Einhaltung der Betreiberpflichten zu kontrollieren. 402 Durch die notwendige Übertragung der Prüfungen auf einen Sachverständigen soll die Behörde entlastet werden. 403 Insbesondere im Hinblick auf das Vollzugsdefizit bei der Kontrolle durch staatliche Stellen wurde die Notwendigkeit abgeleitet, die Eigenverantwortung der Betreiber zu stärken, zumal diese auch gegenüber der Behörde einen Kenntnisvorsprung hinsichtlich der Anlage hätten. 404 Die Regelungen dienen der ständigen Kontrolle der Anlagen auf ihre Sicherheit. 405 bb) Die Einbeziehung von Sachverständigen Nach § 29a Abs. 1 Satz 1 BImSchG können die genannten Prüfungen den nach Landesrecht bekannt gemachten, d. h. anerkannten Sachverständigen übertragen 398

Schmidt-Kötters, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (85). 399 S. auch Lechelt, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 29a Rn. 4. 400 Jarass, BImSchG, § 29a Rn. 2. 401 Zu den Einzelheiten s. Lechelt, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 29a Rn. 17 ff. 402 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 112. 403 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 52. 404 BT-Drs. 11/4909, S. 13. 405 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 29a BImSchG Rn. 1.

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

werden. 406 Vor der Bekanntgabe müssen Fachkunde, Zuverlässigkeit und gerätetechnische Ausstattung überprüft werden. 407 Die Unabhängigkeit wird dabei als Element der Zuverlässigkeit behandelt. 408 Umstritten ist, ob darüber hinaus ein Entscheidungsspielraum der Behörde besteht, wobei anerkannt ist, dass eine Bedürfnisprüfung nicht vorgenommen werden darf. 409 Da es sich bei der Tätigkeit der Sachverständigen um eine grundrechtlich geschützte handelt, erscheint die Annahme einer gebundenen Entscheidung als konsequent. Grundlage der Bekanntgabeentscheidung sind nach einer Übereinkunft des LAI 410 die „Richtlinien für die Bekanntgabe von Sachverständigen nach § 29a Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes“. 411 Diese regeln sowohl die Kriterien als auch das Verfahren. Detailliert geregelt sind insbesondere die nähere Qualifikation für die Annahme der Fachkunde sowie die einzelnen Fachgebiete, für die eine Bekanntgabe erfolgen kann. Daneben kann im Rahmen der Anordnung im Einzelfall dem Betreiber auch erlaubt werden, die Prüfung auf andere, in § 29a BImSchG genannte Sachverständige zu übertragen. Dafür ist jeweils Voraussetzung, dass der Betreffende über die erforderliche Sachkunde, Zuverlässigkeit und gerätetechnische Ausstattung

406 Jarass, BImSchG, § 29a Rn. 11. Zu den Grenzen der Übertragung s. insbesondere Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 123; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 55. Danach darf der Behörde nicht ihre Kontrollaufgabe aus der Hand genommen werden (zu der Überwachungsaufgabe s. Mösbauer, NVwZ 1985, 457 ff.), was dann der Fall wäre, wenn den Sachverständigen ein „Kontrollspielraum“ eröffnet würde. Das Bestehen eines derartigen Kontrollspielraums wird angesichts der dichten Vorgaben allerdings verneint. Im Rahmen von § 29a BImSchG können auch Personengemeinschaften als Sachverständige im Sinne dieser Norm angesehen werden, obwohl sich der Wortlaut des § 29a BImSchG dabei von § 26 BImSchG unterscheidet, der ausdrücklich von bekanntgegebenen „Stellen“ spricht. Allerdings wäre eine einzelne natürliche Person mit der Beurteilung der im Raum stehenden komplexen Sachverhalte häufig überfordert, Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 29a BImSchG Rn. 22; Jarass, BImSchG, § 29a Rn. 12; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG, Rn. 57. 407 Allgemeine Auffassung, Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 29a BImSchG Rn. 23, § 26 BImSchG Rn. 46 ff.; Jarass, BImSchG, § 29a Rn. 12; Engelhardt / Schlicht, BImSchG, § 29a Rn. 7. 408 Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 12. 409 Gegen einen Entscheidungsspielraum Jarass, BImSchG, § 29a Rn. 14; Lechelt, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 20a Rn. 37; für einen Entscheidungsspielraum Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 29a BImSchG Rn. 23 (dort sowie § 26 BImSchG Rn. 50 zur Unzulässigkeit einer Bedürfnisprüfung); Engelhardt / Schlicht, BImSchG, § 29a Rn. 7. 410 80. Sitzung des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) vom 2. –4. Mai 1995. 411 Aktuelle Fassung abgedruckt bei Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 29a BImSchG Rn. 24.

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verfügt. 412 Aufgrund des uneingeschränkten Verweises ist eine Einbeziehung aller in § 29a Abs. 1 BImSchG genannten Sachverständigen auch durch eine Verordnung nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG möglich, zumal diese noch Regelungen im Hinblick auf die Qualifikation der Sachverständigen enthalten 413 und so ein eventuelles Defizit durch entsprechende Regelungen aufgefangen werden kann. cc) Übertragbare Prüfungen Der Betreiber kann zu sicherheitstechnischen Prüfungen verpflichtet werden, also solchen Prüfungen, die Aufschluss darüber geben sollen, unter welchen Voraussetzungen mit welcher Wahrscheinlichkeit welche Schäden durch die Anlage hervorgerufen werden können. 414 Die Prüfungen können sich auf alle mit Störfällen in Zusammenhang stehenden Risiken beziehen. 415 Erfasst werden auch Fragen der Sicherheitsorganisation. 416 Darüber hinaus kann zudem eine Prüfung sicherheitstechnischer Unterlagen, wie z. B. des nach § 9 der 12. BImSchV zu erstellenden Sicherheitsberichts, angeordnet werden. Im Rahmen einer Verordnung nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG können unterschiedliche Aspekte der durchzuführenden Prüfungen festgelegt werden. So können durch die Verordnung die Anlagenteile, für die die Prüfungen vorzunehmen sind, die Zeiträume und Zeitpunkte der Prüfungen, das Prüfverfahren, die Prüfmethoden und das einzusetzende Prüfgerät, die Auswertungsmethode und die eigentlichen Prüfziele festgelegt werden. Der Verordnungsgeber muss dabei eindeutig erkennen lassen, nach welcher Sicherheitsphilosophie er die Sicherheit der Anlage bewertet wissen will. 417 c) Die Regelung des § 26 BImSchG Nach § 26 BImSchG kann die zuständige Behörde den Betreiber dazu verpflichten, Art und Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Emissionen sowie die Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage durch eine bekanntgegebene Stelle prüfen zu lassen. Auch für die Bekanntgabe nach § 26 BImSchG hängt die erforderliche Eignung von der Fachkunde, der Zuverlässigkeit und der gerätetechnischen Ausstattung ab. 418 Dabei werden durch die Bekanntgabe keine 412

S. dazu im Einzelnen Jarass, BImSchG, § 29a Rn. 8, § 26 Rn. 28; Lechelt, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 29a Rn. 41. 413 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG, Rn. 57. 414 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 29a BImSchG Rn. 12. 415 Jarass, BImSchG, § 29a Rn. 6. 416 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 29a BImSchG Rn. 12. 417 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 119; dazu allgemein ders., UPR 1993, 129 ff.

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besondere Rechtsposition und keine öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Befugnisse verliehen. 419 d) Die Rolle der Behörde im Rahmen der §§ 26, 29a BImSchG Abschließend bleibt zu diesen Formen der Einbeziehung von Sachverständigen allerdings anzumerken, dass die Tätigkeit der Sachverständigen auf eine Ermittlungstätigkeit begrenzt bleibt. Sie liefern die Grundlage für eine Tätigkeit der Behörde, wobei ihre Begutachtungen einen gewissen Einfluss ausüben mögen. Allerdings bleibt die Behörde nach wie vor dazu verpflichtet, sich für ihre Entscheidungen eine eigene Überzeugung zu bilden. e) Sachverständige im Rahmen der Abnahmeprüfung Nicht Bestandteil des Genehmigungsverfahrens i. e. S. ist die Abnahmeprüfung, die aber nichtsdestotrotz in engem Zusammenhang dazu steht. Die Abnahmeprüfung wird zwar als Bestandteil der Überwachung nach § 52 BImSchG angesehen und liegt damit in der Kompetenz der Überwachungsbehörde, nimmt aber letztlich eine Zwitterstellung ein, denn sie soll dazu dienen, dass sich die Überwachungsbehörde davon überzeugt, dass dann, wenn eine genehmigungsbedürftige Anlage nach ihrer Errichtung in Betrieb genommen wird, alle Anforderungen der Genehmigung eingehalten sind. Für die Durchführung dieser Abnahmeprüfung kann sich die Überwachungsbehörde Dritter, in der Regel Sachverständiger, bedienen. 420 Dabei soll jedoch die Verfahrens- und Entscheidungsherrschaft nach wie vor bei der Überwachungsbehörde liegen, weshalb eine generelle Beteiligung externer Sachverständiger an der Durchführung von Abnahmeprüfungen nur dort als sinnvoll angesehen wird, wo sich klar abgegrenzte Prüfungsaufgaben festlegen lassen (z. B. Anlagensicherheit, Ermittlung von Emissionen und Immissionen [Art und Ausmaß], Analyse eingesetzter Stoffe und von Erzeugnissen). 421

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Vgl. dazu Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 26 BImSchG Rn. 46 ff. 419 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 26 BImSchG Rn. 38. 420 Pütz / Buchholz, Anzeige- und Genehmigungsverfahren, S. 333 f. Derartige Prüfungen an genehmigungsbedürftigen Anlagen durch externe Sachverständige werden mit wachsender Komplexität und Umweltrelevanz immer mehr an Bedeutung gewinnen, zumal es für die Überwachungsbehörde immer weniger sinnvoll und möglich sein wird, eine umfassende Kontrolle industrieller Anlagen mit eigenen Kräften selbst vorzunehmen. 421 Pütz / Buchholz, Anzeige- und Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 334.

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f) Sachverständige im Emissionshandel Eine durchaus bedeutende Rolle spielen Sachverständige auch im Rahmen des Emissionshandels nach dem TEHG und dem ZuG 2007. 422 Die dabei stattfindende sachverständige Kontrolle kann zwar nur bedingt mit der präventiven Kontrolle im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens verglichen werden, denn letztlich handelt es sich vor allem um eine Kontrolle der Richtigkeit von Daten. Gleichwohl wird ein Teilbereich aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung herausgeschnitten und in ein eigenes, ökonomisches Regime überführt, das einer kostenminimalen Verringerung der Emission an Treibhausgasen dienen soll. 423 aa) Die Einbeziehung von Sachverständigen Das Emissionshandelssystem und sein Vollzug vertrauen in weitem Umfang auf Sachverständige. Das TEHG nutzt das Instrument der sachverständigen Überprüfung / Verifizierung 424 sowohl im Rahmen der Zuteilung der Emissionsrechte als auch im Rahmen der Überwachung. 425 Nach § 5 Abs. 3 TEHG müssen die jährlich abzugebenden Emissionsberichte durch Sachverständige überprüft werden, 426 und § 10 Abs. 1 TEHG schreibt vor, dass die Anträge auf Zuteilung von Emissionsberechtigungen durch Sachverständige zu verifizieren sind. Die Überprüfung der Emissionsberichte, die ein zentrales Vollzugselement darstellen, ist im Hinblick auf die Abgabeverpflichtung nach § 6 Abs. 1 TEHG von Bedeutung. Diese bezieht sich zwar nicht auf die berichteten, sondern die tatsächli422 S. aus der umfangreichen Literatur zu diesem Thema Frenz, Emissionshandelsrecht, 2005; Kobes, NVwZ 2004, 513 ff. und 1153 ff.; Körner / Vierhaus, TEHG, 2005; Burgi, NVwZ 2004, 1162 ff.; Michaelis / Holtwisch, NJW 2004, 2127 ff.; Mager, DÖV 2004, 561 ff; Reuter / Busch, EuZW 2004, 39 ff.; Schweer / Ludwig, DVBl. 2004, 932 ff.; Weidemann, DVBL. 2004, 727. ff. 423 Zur Wirkungsweise s. Schweer / v. Hammerstein, TEHG, Einleitung Rn. 35 ff. Dabei ist das Verhältnis des Emissionshandels zu dem Ordnungsrecht im Einzelnen noch umstritten, vgl. Mager, DÖV 2004, 561 ff.; s. auch Schweer / v. Hammerstein, TEHG, Einleitung, Rn. 44 ff. Jedenfalls bezieht sich der Emissionshandel auf die Vorsorgepflicht im Hinblick auf CO 2 sowie die Pflicht zur effizienten Energienutzung. 424 Nach der DIN EN ISO 8402 (diese DIN definiert Begriffe der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements) ist unter Verifizierung das „Bestätigen aufgrund einer Untersuchung und durch Bereitstellung eines Nachweises, dass festgelegte Forderungen erfüllt worden sind“, zu verstehen. Das Wort Verifizierung leitet sich vom Lateinischen veritas (= Wahrheit) ab. Demnach wird der Wahrheitsgehalt überprüft. 425 Allerdings fehlt bislang noch das gesamte untergesetzliche Regelwerk. 426 Dabei nutzt das TEHG den Spielraum der EH-RL, die es den Mitgliedstaaten überlässt, ob sie die Überprüfung durch die zuständige Behörde oder aber durch unabhängige Sachverständige vornehmen lassen wollen, s. Schweer / v. Hammerstein, TEHG, § 5 Rn. 37.

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

chen Emissionen. Allerdings erfolgt eine Überprüfung der Emissionsberichte nach § 5 Abs. 4 Satz 1 TEHG nur stichprobenartig, so dass in der Regel davon auszugehen sein wird, dass die Emissionsberichte die Grundlage für die Abgabeverpflichtung sind. Im Rahmen von § 10 TEHG bezieht sich die Verifizierung auf die Daten bzw. Angaben, die dem Zuteilungsantrag zu Grunde liegen. Die Betreiber müssen im Rahmen dieses Antrags die zur Prüfung nach § 9 Abs. 1 des TEHG erforderlichen Unterlagen beifügen. Diese Beteiligung von Sachverständigen soll einen Ausgleich dafür darstellen, dass die Beibringung der für den Emissionshandel erforderlichen Daten in weitem Umfang in die primäre Verantwortung der Betreiber gestellt worden ist, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an den Daten haben. Die Behörden selbst erheben im Rahmen des TEHG i. d. R. keine Daten. Die Verifizierung soll die Qualität der von den Betreibern gelieferten Daten gewährleisten; gleichzeitig ist die zuständige Behörde jedoch zu einer Überprüfung berechtigt. 427 Die Betreiber müssen also überprüfbare bzw. verifizierbare Unterlagen erstellen. Konsequenterweise ist es auch nicht Aufgabe der Sachverständigen, die Daten zu erheben. Sie müssen vielmehr überprüfen, ob die von den Betreibern gelieferten Daten gewissen Standards genügen. Kriterien für die sachverständige Prüfung bestehen nur für den Bereich der Überwachung (Emissionsberichte). 428 Diese Kriterien enthält der Anhang 3 zum TEHG, 429 der eine wortgenaue Umsetzung von Anhang V der Emissionshandelsrichtlinie ist. Im Wesentlichen sollen dabei die Überwachungssysteme sowie stichprobenartig die Daten kontrolliert werden, wobei auch eine Analyse der Fehlerquellen zu erfolgen hat. Weitere Hinweise lassen sich den so genannten „monitoring guidelines“ entnehmen, 430 die detaillierte Vorgaben für die Tätigkeit der Sachverständigen enthalten. 427 Nach S. 13 der Begründung zum TEHG liegt die Letztentscheidung über einen Zuteilungsantrag bei der Behörde, der damit insbesondere eine stichprobenartige Prüfung der befürworteten Anträge sowie eine Entscheidung in Zweifelsfällen obliegt. 428 Die zu fordernden Angaben und Unterlagen, die Art der beizubringenden Nachweise sowie die Kriterien für die Verifizierung von Zuteilungsanträgen sollen durch eine Rechtsverordnung geregelt werden Die Verordnungsermächtigung, die allerdings bislang noch nicht ausgeübt wurde, enthält § 10 Abs. 5 TEHG. 429 Drucksache 15/2681, S. 14. 430 Entscheidung der Kommission vom 29. Januar 2004 zur Festlegung von Leitlinien für Überwachung und Berichterstattung betreffend Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates K (2004) 130, ersetzt durch die Entscheidung der Kommission vom 18. Juli 2007, 2007/589/EG. Diese sind nach ihrer Begründung insbesondere gestützt auf Artikel 14 Abs. 1 der Richtlinie. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die MGL eine Bindungswirkung für die Unternehmen entfalten und damit insgesamt ausreichend umgesetzt worden sind. Die Problematik entsteht insbesondere dadurch, dass sie nach dem Anhang 2 zum TEHG bei der Abgabe von Emissionsberichten lediglich zu berücksichtigen sind. Es stellt sich die Frage, ob dies schon eine ausreichende Umsetzung darstellt. Aus Gründen der Rechtsklarheit und

§8 Die Sachverständigen

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Zusammenfassend bleibt damit festzuhalten, dass Gegenstand der Verifizierung eine Überprüfung von Angaben ist. Dabei sind im Wesentlichen die Überwachungssysteme sowie die Daten selbst zu überprüfen. Dies hat auch durch Stichproben zu erfolgen. Daneben ist Bestandteil der Verifizierung eine Fehlerquellenanalyse. Unklar ist allerdings, wie im Hinblick auf fehlende Daten zu verfahren ist. Zumindest ist die Relevanz der fehlenden Daten zu ermitteln. Offen bleibt auch, ob und unter welchen Voraussetzungen bei fehlenden Daten die Sachverständigen die Verifizierung ganz verweigern können. bb) Die Regelungen über die Verifizierer Sowohl § 5 Abs. 3 Satz 2 TEHG als auch § 10 TEHG verlangen, dass die Verifizierung durch eine sachverständige Stelle erfolgt, die von der zuständigen Behörde bekannt gegeben worden ist. Kriterien für die Sachverständigen enthält des TEHG wiederum nur für den Bereich der Überwachung (Emissionsberichte), und zwar sind diese in dem Anhang 4 zum TEHG enthalten, der wörtlich die Nr. 12 des Anhangs V zur Emissionshandelsrichtlinie übernommen hat. 431 Im Übrigen wird Bezug genommen auf andere Regelungen über Sachverständige, und zwar können als Sachverständige unabhängige Umweltgutachter oder Umweltgutachterorganisationen (EMAS-Gutachter), die im Rahmen ihrer jeweiligen Zulassung nach dem Umweltauditgesetz zur Verifizierung nach Satz 3 berechtigt sind, und Personen, die nach § 36 Abs. 1 der GewO zur Verifizierung von Zuteilungsanträgen nach Satz 3 öffentlich als Sachverständige bestellt worden sind, im Rahmen des Emissionshandelssystems tätig werden. 432 Dabei erfordert § 36 GewO für die öffentliche Bestellung von Personen als Sachverständige für bestimmte Sachgebiete, dass sie eine besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen. 433 Für die öffentliche Bestellung nach § 36 GewO sind i. d. R. die Industrie- und Handelskammern zuständig. 434 Bei diesen ist ein Antrag auf Bestellung und Vereidigung zu stellen, wobei Rechtssicherheit sowie zur besseren praktischen Handhabung ist eine eigene, detaillierte Umsetzung empfehlenswert. 431 Danach muss ein Sachverständiger unabhängig von dem Betreiber sein, dessen Erklärung geprüft wird, seine Aufgabe professionell und objektiv ausführen und vertraut sein mit den einschlägigen rechtlichen Vorschriften sowie dem Zustandekommen aller Informationen über die einzelnen Emissionsquellen. 432 Voraussetzung ist daneben ihre Bekanntgabe, die ohne weitere Prüfung auf Antrag erfolgt. 433 Zu den Voraussetzungen und der besonderen Fachkunde s. im Einzelnen oben. 434 S. für Berlin: § 1 der Verordnung des Senats von Berlin über die öffentliche Bestellung von Sachverständigen durch die Industrie- und Handelskammer zu Berlin vom 10. November 1967 (GVBl. S. 1571; für Bayern: s. Art. 7 des Gesetzes zur Ergänzung und Ausführung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (AGIHKG) vom 25. März 1958 (GVBl. S. 40).

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Beschränkungen im Sachgebiet auf bestimmte Anlagetypen mit beantragt werden sollen. Die fachlichen Bestellungsvoraussetzungen 435 für eine Tätigkeit als Verifizierer nach dem TEHG hat das Institut für Sachverständigenwesen e.V. zusammengestellt. 436 Es verlangt, wie oben bereits angedeutet, den Nachweis überdurchschnittlicher Fachkenntnisse, praktischer Erfahrungen und der Fähigkeit, Zuteilungsanträge entsprechend dem TEHG zu verifizieren. Die erforderliche besondere Fachkunde besitzt danach, wer aufgrund seiner Ausbildung, beruflichen Bildung, praktischen Erfahrung sowie ggf. Fortbildungsmaßnahmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben geeignet ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen werden im einzelnen spezifiziert. Zudem wird davon ausgegangen, dass die zu bestellenden Sachverständigen sowohl im Rahmen von § 10 TEHG als auch von § 5 TEHG tätig werden können. Neben diesen Bezugnahmen auf andere gesetzliche Regelungen über Sachverständige besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Bekanntmachung durch die zuständige Behörde, die die Eignung selbst prüft. 437 cc) Die Regelung des § 20 Abs. 2 TEHG Im Hinblick auf eine Einbeziehung Privater ist auch auf die Regelung des § 20 Abs. 2 TEHG hinzuweisen. Danach können die im Emissionshandel bestehenden Aufgaben des Umweltbundesamtes auf juristische Personen als Beliehene übertragen werden. Zu den übertragbaren Aufgaben dürfte auch die präventive und repressive Kontrolle der Sachverständigen zählen. g) Umwelt-Audit und Immissionsschutzrecht Die verschiedenen Bestandteile und Verfahrensschritte des Umwelt-Audit bilden eine der ordnungsrechtlichen Überwachungen teilweise ähnliche, allerdings freiwillige Eigenüberwachung zur Einhaltung von Umweltvorschriften. 438 Wesentlicher Bestandteil ist eine Überprüfung durch unabhängige Umweltgutachter. 435 Vorliegend soll nicht auf die gem. § 36 GewO erforderlichen persönlichen Voraussetzungen, und zwar Zuverlässigkeit, Unabhängigkeit usw., eingegangen werden. S. dazu näher Tettinger, in: ders. / Wank / Sieg, Gewerbeordnung, § 36 Rn. 36 ff. 436 Überprüfungen der fachlichen Eignung werden z. B. durch ein Fachgremium dieses Instituts vorgenommen; die Überprüfungen bestehen aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. 437 So gehen sowohl § 5 als auch § 10 TEHG davon aus, dass eine Bekanntmachung erst aufgrund einer Prüfung durch die zuständigen Behörde erfolgen kann; nur in den beiden ersten genannten Fällen prüft die zuständige Behörde nicht mehr. Allerdings fehlt für die Ausnutzung dieser Variante zur Zeit noch das untergesetzliche Regelwerk. Zudem hat die DEHSt angekündigt, von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch machen zu wollen. 438 Jarass, FS Kutscheidt, S. 305 (309).

§8 Die Sachverständigen

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Für die vorliegende Untersuchung ist die Ermächtigung des § 48e BImSchG interessant, aufgrund derer eine Verordnung überwachungsrechtliche Erleichterungen sowie Erleichterungen zum Inhalt der Antragsunterlagen in Genehmigungsverfahren für solche Organisationen vorsehen kann, die in das EMASVerzeichnis / Register eingetragen sind. Von anderen Vorgaben des Immissionsschutzrechts, insbesondere den materiellen Vorgaben, kann keine Privilegierung gewährt werden. 439 Auf dieser Grundlage ist die EMAS-Privilegierungsverordnung 440 erlassen worden, die Erleichterungen zur Betriebsorganisation, zum Immissionsschutz- und Störfallbeauftragten sowie bei Ermittlungen, Prüfungen und Berichten enthält. 441 Eine weitere Erleichterung enthält § 4 Abs. 1 S. 2 der 9. BImSchV, nach dem bei der Prüfung der Vollständigkeit der Genehmigungsunterlagen die EMAS-Teilnahme zu berücksichtigen ist. h) Zusammenfassung Abschließend bleibt festzuhalten, dass zumindest im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zwar Sachverständige in der klassischen Funktion einbezogen werden, sie allerdings weder „eigenverantwortlich“ entscheidungsvorbereitend tätig werden noch Entscheidungsfunktionen wahrnehmen. Jegliche Form der Einbeziehung verlangt noch nachträglich eine eigene Überzeugungsbildung seitens der Genehmigungsbehörde. Das Genehmigungsverfahren ist dem Anspruch nach geprägt durch eine umfassende Kontrollverantwortung der Genehmigungsbehörde sowohl für das Verfahren als auch für sein Ergebnis. Die Sachverständigen haben keine eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung. Ihre Rolle erschöpft sich vielmehr darin, der entscheidenden Behörde die Grundlage für ihre Entscheidungen zu liefern. Im Rahmen des Immissionsschutzrechts gilt etwas anderes, wenn auch in Grenzen, allenfalls für das Emissionshandelsrecht, da dort das geltende Recht zumindest die Möglichkeit vorsieht und anerkennt, dass die Tätigkeit der Sachverständigen Grundlage für den Vollzug sein kann, wobei eine Kontrolle durch die Behörde nur in Form von Stichproben vorgesehen ist. Im Hinblick auf das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren bleibt somit festzuhalten, dass bislang Sachverständigenbescheinigungen nicht dazu führen können, dass, wie etwa im Bauordnungsrecht, eine behördliche Überprüfung entfällt bzw. dass die Beibringung eines Gutachtens in einem Verfahren, 439

Jarass, FS Kutscheidt, S. 305 (311 f.); Knopp, NVwZ 2001, 1099 (1100). „Verordnung über immissionsschutz- und abfallrechtliche Überwachungserleichterungen für nach der Verordnung (EG) Nr. 761/2001 registrierte Standorte und Organisationen“ vom 24. 6. 2002, BGBl I 2247 (EMASPrivilegV). Diese Verordnung wurde daneben auf § 19 Abs. 4 und § 55a KrW- / AbfG gestützt. 441 Zum Inhalt im Einzelnen Jarass, FS Kutscheidt, S. 305 (314 ff.). 440

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Kap. 1: Das Ordnungsrecht

in dem nicht mehr alle Aspekte durch die Genehmigungsbehörde überprüft werden, obligatorisch ist. Es gibt somit keine sachverständige Tätigkeit, die eine behördliche überflüssig macht bzw. ersetzt. Die Sachverständigen sind vielmehr rechtlich von der Entscheidung getrennt. Dies wirft Fragen auf, denn die tatsächliche Rolle von Sachverständigen für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist erheblich. Sie bzw. ihre Gutachten prägen die Entscheidungen, denn letztlich werden die Sachverständigen gerade einbezogen, weil die Behörde nicht über den erforderlichen Sachverstand verfügt oder aber eine Entscheidung legitimieren will. Dementsprechend dürfte in vielen Fällen eine Entscheidung von einem entsprechenden Sachverständigengutachten abhängen, was auch durch die Praxis bestätigt wird.

Kapitel 2

Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells für das Genehmigungsverfahren Aufgrund der obigen Erwägungen stellt sich ein verstärkter Einsatz von Sachverständigen in der präventiven Kontrolle bzw. deren Übertragung auf Sachverständige als das angesichts des derzeitigen Genehmigungsverfahrens und regulatorischen Umfelds geeignetste Instrument einer Verfahrensprivatisierung dar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um die Weiterentwicklung einer bereits bestehenden Rolle von Sachverständigen handeln würde und darüber hinaus die Sachverständigen gerade im naturwissenschaftlich-technischen Bereich ihre Eignung bereits unter Beweis gestellt haben. Dafür muss allerdings die Sachverständigentätigkeit rechtlich erfasst und mit einer eventuell fortbestehenden Tätigkeit staatlicher Behörden verknüpft werden. Daher soll nun ein Modell für die Einbeziehung von Sachverständigen entwickelt werden, bei dem die bereits oben vorgestellten Verfahrenstypen der gestuften Eröffnungskontrolle zum Einsatz kommen. Diese regeln eine abgestufte Aufgabenwahrnehmung durch den Staat. Der damit verbundene Rückzug des Staates eröffnet dann den Raum für eine eigenverantwortliche Sachverständigentätigkeit. Diese Entwicklung eines Sachverständigenmodells bzw. die Identifikation von dessen Grundelementen geschieht unter Rückgriff auf in anderen Materien verwirklichte Modelle, die als Anhalts- und Ausgangspunkt zum einen für mögliche Ausgestaltungen, zum anderen aber auch für notwendige Verfahrenselemente dienen (s. dazu § 9). Auf dieser Grundlage werden dann Grundelemente eines Sachverständigenmodells für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren identifiziert bzw. entwickelt (s. dazu § 10).

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

§ 9 Verfahrensprivatisierung und Deregulierung im Genehmigungsrecht 1 Verfahrensprivatisierungen und Deregulierungen 2 und die damit verbundene exponiertere Rolle von Privaten, insbesondere von Sachverständigen, sind schon seit längerem kein bloß theoretisches Konstrukt mehr. Sie wurden und werden bereits vielfach eingesetzt und spielen in einzelnen Materien eine große Rolle. Dies gilt auch für die Ebene der präventiven Genehmigungen bzw. Genehmigungsverfahren. Insbesondere die oben beschriebenen Verfahrenstypen und das System der gestuften Eröffnungskontrolle (sowie die damit verbundene Rolle von Sachverständigen) haben Eingang in das geltende Recht gefunden. Besonders ausgeprägt ist dies im Bauordnungsrecht geschehen, das als maßgebliches Referenzgebiet dienen soll (dazu 1.). Als weiteres Referenzgebiet wird auf das Arzneimittelrecht eingegangen (dazu 2.), dessen Regelungsansatz und -modelle sich von dem Bauordnungsrecht unterscheiden.

1. Die Verfahren des Bauordnungsrechts Das größte Experimentierfeld der Verfahrensprivatisierung in Genehmigungsverfahren stellt das Bauordnungsrecht dar. Es hat durch die Reformbestrebungen bzw. im Rahmen der Beschleunigungsgesetzgebung erhebliche Veränderungen erfahren. 3 Diese Veränderungen geschahen im Zuge der Diskussion um Staatsverschlankung, Deregulierung, funktionale Privatisierung und gesellschaftliche Selbstregulierung. 4 Die wesentliche Veränderung ist ein Instrumentenwandel im Rahmen der präventiven Kontrolle – weg von der umfassenden Genehmigung 5 und hin zu 1 Zu der Verwendung dieses Begriffes s. Wahl, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 237 (237 ff.). 2 Zu dem Zusammenhang von Privatisierung und Deregulierung, die wegen des bei der Privatisierung wiederum erforderlichen Regulierungsaufwandes letztlich nicht zielharmonisch sind (wobei auf einer ersten Ebene Privatisierung durch Deregulierung erfolgen kann), s. auch die Einleitung. 3 S. zu der umfassenden Reformtätigkeit beispielhaft Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Bauordnungsrecht, S. 30 ff.; Gnatzy, Verfahrensliberalisierung im Bauordnungsrecht der Länder, 1999; Löffelbein, Genehmigungsfreies Bauen und Nachbarrechtsschutz, 2000; Jäde, WiVerw 2005, 1 ff.; ders., ThürVBl. 2004, 197 ff.; ders., ThürVBl. 1998, 193 ff., alle mit umfangreichen Nachweisen. Umfangreiche Nachweise finden sich auch bei Jäde, NVwZ 2003, 668 (668 Fn. 1); Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 1 Rn. 420 ff. 4 Seidel, NVwZ 2004, 139 (139); s. dazu auch Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (585); Battis, DVBl. 2000, 1557 ff.; s. auch Ortloff, NVwZ 1998, 581 (581).

§9 Verfahrensprivatisierung und Deregulierung

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einer Kombinationslösung aus staatlicher Kontrolle, privater Eigen- sowie privater Fremdkontrolle durch Sachverständige. 6 Dabei wurde die staatlich erteilte Genehmigung zu Gunsten einer bedeutenderen Rolle von Sachverständigen zurückgedrängt. Dies wird als Privatisierung des Baugenehmigungsverfahrens bezeichnet. 7 Eine Privatisierung auch auf materieller Ebene in dem Sinne, dass auf die Einhaltung bestimmter Anforderungen nach Maßgabe des öffentlichen Rechts verzichtet wird, findet dagegen gerade nicht statt. 8 Gleichzeitig ist das Baurecht durch einen Interessengeflecht gekennzeichnet – es bestehen sowohl parallel laufende als auch entgegengesetzte Interessen, die durch das Baurecht zu einem Ausgleich gebracht und dadurch befriedet werden sollen. 9 Prägend ist eine Dreiecksbeziehung aus Bauherr, Drittbetroffenen und staatlichen Behörden. Im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens müssen daher insbesondere auch die Rechte und schützenswerten Interessen Drittbetroffener, wie etwa der Nachbarn, und das Planungsrecht der Gemeinde gewahrt werden. 10 Dem haben auch die Reformbestrebungen im Bauordnungsrecht insofern Rechnung getragen, als dass die ersten Deregulierungsbestrebungen auf Gebäude mit einem geringen Konfliktpotential, nämlich Wohngebäude, beschränkt wurden. 11 Der Blick auf das im Baugenehmigungsrecht verwirklichte Sachverständigenmodell ist auch deshalb gerechtfertigt, weil eine gewisse Verwandtschaft, wenn nicht sogar z. T. auch eine Austauschbarkeit der beiden Verfahren besteht, 12 wobei sicherlich das Baugenehmigungsverfahren das Verfahren für einfache, nicht 5 Altes Konzept: Grundsätzliches Erfordernis der Baugenehmigung, die als umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestaltet ist, s. auch Löffelbein, Genehmigungsfreies Bauen und Nachbarrechtsschutz, S. 25 ff.; Jäde, GewArch 1995, 187 (187 ff.). 6 Diesen Wandel aufgreifend s. aus der umfangreichen Literatur auch Ortloff, NVwZ 1995, 112 ff.; s. auch Jäde, ThürVBl. 1998, 193 (194 f.); ders., ZfBR 1996, 241 (243 f.); ders., LKV 1998, 465 (465); Seidel NVwZ 2004, 139 (139). 7 Bauer / Pleyer, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 603 (603). Diese weisen daneben auch darauf hin, dass aufgrund der Bauprodukte-Richtlinie die Bauprodukte entsprechend der Neuen Konzeption einer Überprüfung weitgehend durch Private im Rahmen der Erteilung des CEZeichens unterliegen, s. dazu auch Kapitel 1. S. dazu, allerdings eher kritisch, Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (7). 8 Koch, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 170 (179). 9 Auf Interessenzusammenhänge und Spannungsfelder weist hin Lautner, VR 1999, 37 (39). 10 Simon, BayVBl. 1994, 332 (333). 11 S. Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung Nordrhein-Westfalen, S. 33 (35). 12 So wurde die Zulassung von Windkraftanlagen weitgehend dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren übertragen, vgl. Art. 2 der Verordnung zur Änderung

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

aber für komplexe Vorhaben ist. 13 Es ist samt dem dahinter stehenden materiellen Recht auf Bauvorhaben gleichsam mittlerer Art und Güte, auf alltägliche Standardfälle zugeschnitten. 14 Allerdings ist die Leistungsfähigkeit des Baugenehmigungsverfahrens nicht darauf beschränkt. Auch der Gesetzgeber hält die beiden Verfahren in gewissem Umfang für (partiell) austauschbar. Aufgrund von Einschränkungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht ist in diesen Fällen die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG entfallen und die baurechtliche Genehmigungsbedürftigkeit wieder aufgelebt. 15 Das Baugenehmigungsverfahren wirkt in diesen Fällen als Auffangverfahren. Gerade bei Forschungs- und Entwicklungsanlagen 16 wurde demnach das Baugenehmigungsverfahren für mit „hochkomplexen Anlagen belastbar gehalten, die noch nicht einmal über das Versuchsstadium hinausgekommen sind, deren Risikopotentiale also noch gar nicht verlässlich beurteilt werden können und die jedenfalls einer sehr sorgsamen, konservativen Abschätzung unterworfen werden müssen“ 17. Darüber hinaus zeigt sich die Leistungsfähigkeit des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens auch darin, dass das Fachrecht sich häufig des Baugenehmigungsverfahrens als Transmissionsriemen fachrechtlicher Anforderungen bedient hat. 18 Als Gegenargument kann jedoch angeführt werden, dass das Fachrecht auch immer wieder eigene Genehmigungsverfahren geschaffen hat, so gerade das immissionsschutzrechtliche. a) Problembefund im Bauordnungsrecht und Ziele der Reformen Die Reformbestrebungen wurden durch verschiedene (zumindest vermutete) Mängel des „alten“ Rechts ausgelöst. Als Hauptmängel wurden dabei zu viele und zu detaillierte Rechtsvorschriften, ein unbefriedigender Ablauf des bauaufsichtlichen Verfahrens und Qualifikationsdefizite bei den am Bau Beteiligten ausgemacht. 19 Dabei lassen sich diese Hauptkritikpunkte noch weiter auffächern: 20 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung v. 20. 6. 2005, BGBl I, 1687. Vgl. BVerwG, Urteil v. 30.6.04 – 4 C 9.03. 13 Vgl. Jäde, ZfBR 1997, 171 (172). 14 Jäde, ZfBR 1996, 241 (248). 15 Vgl. Jäde, ZfBR 1997, 171 (172). 16 § 1 Abs. 6 der 4. BImSchV, geändert durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen vom 16. 12. 1996 (BGBl. I S. 1959), in Kraft getreten am 1. 2. 1997. 17 Jäde, ZfBR 1996, 241 (249). 18 Jäde, ThürVBl. 2004, 197 (198). 19 Ritter, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 6 (13) = DVBl. 1996, 542 (544). 20 S. dazu Pfaff, VBlBW 1996, 281 (281).

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Insbesondere die Genehmigungsverfahren wurden als zu langwierig, 21 die Projektprüfungen als zu umfänglich und der Behördenapparat als zu schwerfällig identifiziert. 22 Die Bürgerbeteiligungen und der Rechtsschutz seien zu aufwändig und behinderten die notwendigen Investitionen; zudem habe auch die Rechtsprechung zu einer überzogenen Verfeinerung der Normanwendung beigetragen. 23 Regelmäßig wird daneben der Umfang der materiell-rechtlichen Vorgaben als Grund für zahlreiche Defizite im Vollzug identifiziert, da diese für die Komplexität und deren Folgen in erheblichem Umfang verantwortlich seien, jedoch zugleich festgestellt, dass mit einer entscheidenden Reduzierung des materiellen Rechts nicht zu rechnen sei. 24 Ein vorrangiges Ziel der Reformgesetzgebung war die Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens. 25 Daneben wurden auch die allgemeinen Ziele einer Entstaatlichung und Privatisierung des bauaufsichtlichen Verfahrens ver21

Zumindest in dem Fall der, meist investitionsträchtigen, Problemfälle, s. Stich, DVBl. 1984, 905 (909). Zur Notwendigkeit einer Beschleunigung s. auch Ortloff, FS Gelzer, S. 223 (225). 22 S. Lautner, VR 1999, 37 (40). 23 Lautner, VR 1999, 37 (40) m.w. N. Einen ganz anderen Vorschlag eines öffentlichen Baugenehmigungsverfahrens, vergleichbar § 10 BImSchG, machte bereits Stich, DVBl. 1984, 905 (911). Sein Ziel war dabei, spätere Anfechtungen und die sich daraus ergebenden Unsicherheiten zu vermeiden. 24 Ritter, DVBl. 1996, 542 (545); Jäde, GewArch 1995, 187 (188) rechnet damit, dass dadurch Beschleunigungseffekte erreicht werden könnten, zählt die Reduzierung allerdings zur Kategorie des „politisch Unmöglichen“, ähnlich Simon, BayVBl. 1994, 332 (333), nach dessen Ansicht ein politischer und administrativer Konsens bestehe, dass es angesichts der Interessenkonflikte nicht möglich sei, diese Reglungsdichte entscheidend abzubauen oder zu verringern; s. dazu auch Mampel, NVwZ 1996, 1160 (1160); Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (2). S. auch Battis, DVBl. 2000, 1557 (1559); Calliess, Die Verwaltung 34 (2001), 169 (193); Pfaff, VBlBW 1996, 281 (281); Schulte, VBlBW 1996, 289 (295). Aus der fortbestehenden materiellen Anforderungsmasse leitet Degenhart, NJW 1996, 1433 (1437), eine fortbestehende staatliche Verantwortung für diese ab. Zu Möglichkeiten der Reduktion s. Jäde, WiVerw 2005, 1 (53 ff.), zu Ansätzen der Rücknahme s. Lautner, VR 1999, 37 (41). 25 Degenhart, NJW 1996, 1433 (1433); Goerlich / Krüger, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 551 (551); Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren, S. 29; Lautner, VR 1999, 37 (40); Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (586 f.); Weber, NVwZ 1995, 148 (149). Damit sollte insbesondere eine Stärkung und Sicherung des Wirtschaftsstandortes erreicht werden, Martini, DVBl. 2001, 1488 (1489); s. auch Preschel, DÖV 1998, 45 (45); Schulte, Bernd H., DVBl. 2004, 925 (926); Korioth, DÖV 1996, 665 (665). Es wurde und wird ein Zusammenhang zwischen Verfahrensdauer auf der einen Seite und Investitionsfreude sowie – entscheidungen der Unternehmer auf der anderen Seite angenommen, s. BMWi: Investitionsförderung, 1994; Bullinger, Beschleunigte Genehmigungsverfahren für eilbedürftige Vorhaben, 1991; ders., DVBl. 1992, 1463 (1466); ders., JZ 1991, 53 ff.; Steinberg, Zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für Industrieanlagen, 1991; s. auch Oeter, DVBl. 1999, 189 (189).

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folgt. 26 Des Weiteren sollte auch eine Entbürokratisierung erreicht 27 sowie die Effizienz verbessert 28 werden. Zentraler Bestandteil der Reformbestrebungen war eine Verfahrensprivatisierung. 29 Dies geschah auf zwei Wegen: Die klassische Baugenehmigung wurde zu Gunsten von Verfahren ohne abschließende Entscheidung wie dem Anzeigeverfahren oder dem Genehmigungsfreistellungsverfahren zurückgedrängt. Des Weiteren wurde sie in weitem Umfang durch ein Verfahren mit einem reduzierten Prüfungsumfang wie dem vereinfachten Genehmigungsverfahren ersetzt. 30 Zudem wurde eine Deregulierung durch den Verzicht auf den Einsatz präventiver Verfahren durchgeführt. 31 Dazu wurde der das Bauordnungsrecht prägende Dualismus zwischen genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien Vorhaben aufgehoben. 32 Diese Ansätze zielten dabei auf eine Beschleunigung und Vereinfachung nicht durch eine Verminderung der Anforderungs-, sondern der Prüfmasse. 33 Diese Entwicklung wurde auch prägnant als „Abschied von der Baugenehmigung“ bezeichnet. 34 Sie hatte einen Wandel des Verständnisses der Bauaufsicht zum Gegenstand. Es kam somit zu einer Abkehr von einem einheitlich öffentlich-rechtlich ausgestalteten Prüf- und Überwachungssystems zu einem in Teilbereichen zivilrechtlich orientierten System. 35 Dabei sollte die Deregulierung bei gleichzeitiger Stärkung der Verantwortlichkeiten des Bauherrn und der anderen am Bau Beteiligten erreicht werden; 36 primär ist der Bauherr nunmehr selbst dafür verantwortlich, dass sein Bauvorha26 Ring, LKV 1995, 236 (236); zur Forderung der Übertragung von Aufgaben der Bauaufsichtsbehörde auf Private s. auch Lautner, VR 1999, 37 (40) m.w. N. 27 Gubelt, NVwZ 2000, 1013 (1013); s. auch Gramlich, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 521 (537). 28 Lautner, VR 1999, 37 (40). 29 S. Battis, DVBl. 2000, 1557 (1561). 30 Oeter, DVBl. 1999, 189 (189 f.); s. auch Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (571); in gleicher Weise unterscheidet Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 ff. 31 Schulte, DVBl. 2004, 925 (927); ders., BauR 1998, 249 (251); dort auch zur Deregulierung durch die oben beschriebenen Methoden der Straffung komplexer Regelungsmaterien. 32 Hoppe / Bonker / Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 16 Rn. 19. 33 Goerlich, SächsVBl. 1996, 1 (2, 3 f.); Jäde, UPR 1994, 201 (203); Preschel, DÖV 1998, 45 (45). 34 Ortloff, NVwZ 1995, 112 (112, 119); s. auch Schulte, Bernd H., DVBl. 2004, 925 (926); Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 1 Rn. 402. Siehe auch die Erwiderung Jädes auf Ortloff, NVwZ 1995, 672 ff.; ders., UPR 2002, 87 (87); ders., ZfBR 2000, 519 (519); Dahlke-Piel, UPR 2002, S. 81; Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (265). 35 Lautner, VR 1999, 37 (41).

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ben den materiellen Vorgaben entspricht. 37 Die neuen Verfahrensmodelle setzen voraus, dass der Bauherr entweder selbst oder mit Hilfe qualifizierten Sachverstands in der Lage ist, sich die Rechts- und Investitionssicherheit, die ihm bislang die Baugenehmigung vermittelte, selbst zu beschaffen. 38 Letztlich bedeutet dies, dass nun besonders qualifizierte Sachverständige, denen als Kompensation für den Rückzug des Staates und den Wegfall staatlicher Kontrollen Prüfaufgaben übertragen wurden, die Gewähr für die Einhaltung des materiellen Rechts bieten müssen. 39 Die Bewertung dieser Reformen ist uneinheitlich. Als Vorteile der Neuregelungen wurden dabei der Abbau des hoheitlichen Staatsanteils, der Gewinn an personeller und verfahrensmäßiger Kapazität bei der Behörde, die Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit und die bessere Qualifikation der am Bau Beteiligten genannt. 40 Allerdings wird im Hinblick auf die verfolgten Ziele ein positiver Effekt der Reformen auch bezweifelt. Diese Zweifel werden insbesondere im Hinblick auf die Eignung zur Vereinfachung, Verbilligung und Beschleunigung geäußert. 41 So wird die Behörde zwar durch den Wegfall von Aufgaben entlastet, jedoch ist auch der Vollzugsaufwand zu berücksichtigen, der Konsequenz aus dem Abbau der präventiven Kontrolle bei fortbestehender Gewährleistungsverantwortung ist und der daraus resultiert, dass die Behörden eine wirksame Aufsicht und Kontrolle sicherstellen müssen. Eine derartige wirksame Kontrolle verlangt bei manchen Fragen eine eingehende und zeitintensive Prüfung. Dementsprechend wird gefordert, nur das privater Prüfung zu überlassen, 36 Wobei die Stärkung eher einer verstärkten Inanspruchnahme privater Verantwortlichkeit entspricht, da sie nicht freiwillig geschieht, sondern automatische Folge einer Rücknahme der staatlichen Prüfungen ist, s. Jäde, GewArch 1995, 187 (189). 37 S. auch Ortloff / Rapp, NJW 1996, 2346 (2347); Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (269 f.); Decker, BauR 2008, 443 (450); Erbguth / Stollmann, JZ 2007, 868 (872); Glaser / Weißenberger, BayVBl. 2008, 460 (460); OVG Münster, Beschluss vom 6. 7. 2006 – 10 B 695/06, NWVBl. 2007, 23. 38 Preschel, DÖV 1998, 45 (45). 39 Vgl. Simon, BayVBl. 1994, 332 (340), der es gleichzeitig auch für gleichgültig hält, ob diese Gewähr durch eine Verwaltungsbehörde oder einen besonders qualifizierten Sachverständigen geboten wird. Allgemein zur Übertragung von Prüfaufgaben auch Jäde, GewArch 1995, 187 (189). 40 Ritter, DVBl. 1996, 542 (546). 41 Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 67 Rn. 3 für das Genehmigungsfreistellungsverfahren. Sie nennen insbesondere den hohen Beratungsbedarf, den Aufwand für das repressive Vorgehen, die Verlängerung dann, wenn ein Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Auf die repressive Belastung der Behörden, die die Entlastungseffekte aufhebt, weisen auch hin Glaser / Weißenberger, BayVBl. 2008, 460 (465). Ortloff, NVwZ 1995, 112 (118) spricht von einem Beschleunigungseffekt nur für den Fall, dass Genehmigungsfiktionen eingeführt werden. S. auch Decker, BauR 2008, 443 (451 f.); Degenhart, SächsVBl 1995, 1 (7); Goerlich, SächsVBl. 1996, 1 (2 ff.); Korioth, DÖV 1996, 665 (670 ff., 672); Mampel, NVwZ 1996, 1160 (1164 f.); Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (949).

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was nach Maß, Zahl und Gewicht eindeutig bestimmbar ist, die bewertungsoffenen Entscheidungen jedoch bei der Behörde zu belassen. 42 Zudem wird kritisch angemerkt, dass einem wirklichen Erfolg dieser Reformen die unveränderte hohe materielle Regelungsdichte entgegen stehe. Auch könne eine Beschleunigung schlicht durch ein besseres Verfahrensmanagement erzielt werden. 43 Daneben wird auf die Sicherheit, die die Baugenehmigung vermittelt, sowie die Haftungsrisiken, die sich in erhöhten Kosten niederschlagen, hingewiesen. 44 Unvermeidliche Folge der oben beschriebenen verfahrensrechtlichen Ansätze seien Einschränkungen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu Lasten des Einzelnen. 45 Die Verlagerung der Verantwortung auf den Bauherrn und andere Private wird daher auch als Danaergeschenk bezeichnet. 46 Problematisiert werden auch die Auswirkungen der Reformen auf den Rechtsschutz des Nachbarn. 47 Kritisch wird daneben angemerkt, dass die Deregulierung 42

Lautner, VR 1999, 37 (47). Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (262). 44 So wird die Baugenehmigung auch als dem Schutz des Bauherrn dienend und daher als eine Art Verbraucherschutz bezeichnet, Lautner, VR 1999, 37 (46); Simon, BayVBl. 1994, 332 (333); Gramlich, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 521 (529, 537 ff.). Einen Anspruch auf ein Bestandsschutz vermittelndes Verwaltungsverfahren leitet Held, UPR 1999, 210 ff., aus der Verfassung ab. Auf die fehlende Rechtssicherheit als Grund für mangelnde Akzeptanz des Kenntnisgabeverfahrens in BW weist hin Pfaff, VBlBW 1996, 281 (283); auf das Phänomen der „Flucht in das Baugenehmigungsverfahren“ weist auch hin Schulte, DÖV 1996, 551 (554); von einer Privatisierung von Haftung, Risiken und Kosten spricht Goerlich, SächsVBl. 1996, 1 (4). S. dazu auch vor dem Hintergrund praktischer Erfahrungen Kristenpfad, LKV 1996, 93 (94). Die Gegenthese vertritt Jäde, NVwz 1995, 672 (673 f.), der davon spricht, dass die umfassende Betreuung des Bauherrn als Böllsche fürsorgliche Belagerung empfunden werden könne. Nach Koch, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 170 (187) muss derjenige, der am Rande des Rechts bauen möchte, auch die entsprechenden Risiken tragen. Allg. zu dieser Problematik Ortloff / Rapp, NJW 1996, 2346 ff.; Knemeyer, FS Blümel, 259 (273). Das Element des Verbraucherschutzes sieht Dahlke, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 62 (68) durch die Tätigkeit der Sachverständigen als denjenigen, die die Verantwortung übernehmen, als erfüllt an. 45 Jäde, UPR 1994, 201 (203); s. dazu auch Degenhart, SächsVBl. 1996, 1 (4). 46 Dahlke-Piel, SächsVBL 1999, 121 (130); Gramlich, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 521 (550); s. zu den Auswirkungen auf den Bauherrn bis hin zu höheren Kosten auch Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (949); Oeter, DVBl. 1999, 189 (196 f.); Korioth, DÖV 1996, 665 (672). Zudem wird angenommen, dass die Bauherrn versuchen, den Verfahren ohne abschließende Entscheidung durch provozierte Ausnahmen oder Ausübung einer Wahlrechts zu entkommen, was zudem negativ auf das ursprüngliche Ziel der Beschleunigung zurückwirke, Schulte, DVBl. 2004, 925 (928). 47 S. beispielsweise Löffelbein, Genehmigungsfreies Bauen und Nachbarrechtsschutz, 2000; Kruhl, Nachbarschutz und Rechtssicherheit, 1999; Mampel, DVBl. 1999, 1403 ff.; 43

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häufig zu einer weitgehenden Nichtbeachtung des materiellen Rechts und damit zu baurechtswidrigen Zuständen führe, da die (formelle) Genehmigungsfreiheit de facto als völlig unbeschränkte Baufreiheit missverstanden werde. 48 b) Gang der Untersuchung Die Reformbestrebungen in den verschiedenen Bundesländern haben dazu geführt, dass sich im Bauordnungsrecht eine Vielzahl von Lösungen entwickelt hat, 49 die ein bislang unausgeschöpftes Lösungsreservoir für andere Genehmigungsverfahren darstellen. Es bietet sich an, diese Vielzahl als Grundlage einer weiteren Untersuchung zu verwenden und so das vorhandene Lösungsreservoir aufzufinden und auszuschöpfen. Dabei wird in den verschiedenen Bauordnungen unter gleichen oder doch ähnlichen Bezeichnungen sachlich in hohem Maße Unterschiedliches geboten, 50 wobei unterschiedliche Bezeichnungen das Gleiche, identische Bezeichnungen aber auch Unterschiedliches bedeuten können. Zu diesem Zwecke wird die Vielzahl der gefundenen Lösungen exemplarisch durch eine an den Verfahrenstypen 51 ausgerichtete systematische Sammders., NJW 1999, 975 ff.; Oeter, DVBl. 1999, 189 ff.; Sacksofsky, DÖV 1999, 946 ff.; Seidel, NVwZ 2004, 139 ff.; Dahlke-Piel, SächsVBl. 1999, 121 (129 f.). S. dazu ausführlicher Kapitel 5. 48 Lautner, VR 1999, 37 (47); ein erhebliches Defizit stellt Schmaltz, NdsVBl. 2003, 257 (257) fest, da bei Überprüfungen (8 % der Baumaßnahmen) sich der Verdacht auf Baurechtsverstöße zu 50 % bestätigt habe. 49 Zu der Vielfältigkeit der Ausgestaltungen s. Jäde, ZfBR 2000, 519 (520 ff.); s. auch den Überblick bei Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Bauordnungsrecht, 1. Halbband, S. 39 ff.; kritisch Schulte, DVBl. 2004, 925 (925 ff.); Nachteile gerade auch für den Standort, der eigentlich verbessert werden sollte, sieht Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (588); s. dazu auch schon Jäde, NVwZ 1995, 672 (674); Ortloff, NVwZ 1995, 112 (119). Angesichts der Entwicklung wurde die MBO auch als Muster ohne Wert bezeichnet, Mampel, BauR 2002, 719 ff.; vgl. Jäde, NVwZ 2001, 982 (982 f.). Zu dem Versuch, eine neue MBO zu schaffen und damit auf eine Vereinheitlichung hinzuwirken s. Jäde, ZfBR 2003, 221 ff.; ders., NVwZ 2003, 668 ff.; ders., ZfBR 2002, 21 ff.; ders., UPR 2002, 87 ff.; Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 1 Rn. 406 ff.; Dahlke-Piel, UPR 2002, 81 ff.; zu der neuen Musterbauordnung s. Jäde, Musterbauordnung 2002, 2003; zu einer ersten Umsetzung in Thüringen s. Jäde, ThürVBl. 2004, 197 ff. Positiv gewendet wird dies allerdings auch als Wettbewerb der Modelle beschrieben, s. Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (265). 50 Jäde, ZfBR 1996, 241 (243); zur genaueren Unterscheidung der Verfahren s. auch Jäde, NWVBl. 1995, S. 206; auf die unterschiedliche Terminologie hinweisend ders., ThürVBl. 1996, 49 (49). Zu der Vielfalt der Bezeichnungen s. auch Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (948). 51 Zu einer ausführlichen Typisierung, Systematisierung und Aufzählung s. Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 342 ff.; ebenfalls Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Bauordnungsrecht, 1. Halbband, insbes. S. 39 ff.,

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lung einzelner Regelungen dargestellt, was der Ordnung und Systematisierung der Regelungen dient, um auf dieser Grundlage Elemente eines konsistenten Sachverständigenmodells zu entwickeln. Dabei zeigt sich, dass trotz aller Unterschiede hinsichtlich der Reform des Verfahrens und der Bezeichnungen letztlich in allen Bauordnungen der gleiche Grundansatz und die gleichen Grundtypen verwendet werden 52 und die Bauordnungen somit ähnliche verfahrensrechtliche Lösungen gefunden haben. Unterschiede bestehen im Hinblick auf den materiellen Anwendungsbereich der jeweiligen Verfahren sowie in gewissem Umfang auch im Hinblick auf die Modalitäten, den Umfang und die Wirkungen der privaten Kontrolle, was allerdings die Entwicklung gemeinsamer Grundlinien nicht hindert. c) Allgemeine Überlegungen zur Privatisierungsfähigkeit Im Rahmen dieser Privatisierung stellt sich nahezu zwangsläufig auch die Frage nach den Grenzen der Privatisierung. Teilweise wird dabei das gesamte Bauordnungsrecht pauschal als prinzipiell privatisierbar angesehen, 53 nicht aber die Überprüfung bauplanungsrechtlicher Vorgaben. 54 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit wird in materieller Hinsicht als Kernbestandteil präventiver Genehmigungsverfahren bezeichnet. 55 Dieser Ausschluss einer Privatisierung der Kontrolle soll allerdings dann nicht gelten, wenn die Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit schon durch einen qualifizierten Bebauungsplan i. S. d. § 30 Abs. 1 BauGB getroffen worden ist. 56 Dementsprechend muss präzisiert werden: Im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens ist zwischen der Entscheidung, die der Zulässigkeit zu Grunde liegt, und 73 f.; Löffelbein, Genehmigungsfreies Bauen und Nachbarrechtsschutz, S. 58 ff. (dieser fasst das Genehmigungsfreistellungsverfahren und das baurechtliche Anzeigeverfahren unter der Kategorie des genehmigungsfreien Bauens zusammen); Jäde, NVwZ 2001, 982 (983); ders., GewArch 1995, 187 (189 ff.). 52 Jäde, NVwZ 2001, 982 (983). 53 Jäde, UPR 1994, 201 (205). 54 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 320; Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (272). Allerdings bezieht sich diese Einschränkung nicht auf die Kontrolle bereits getroffener und einfach ablesbarer (auch bauplanungsrechtlicher) Entscheidungen, sondern vielmehr auf die Situation, dass im Baugenehmigungsverfahren noch bauplanungsrechtliche Probleme zu bewältigen sind. S. auch Ritter, DVBl. 1996, 542 (545). 55 Wobei allerdings ergänzend angemerkt wird, dass die Grenze zwischen dem Bauordnungs- und dem Bauplanungsrecht im Hinblick auf das Bauordnungsrecht mit städtebaulichem Einschlag neu definiert werden müsste, Jäde, UPR 1994, 201 (205), der dabei insbesondere auf die Abstandsflächen hinweist. 56 S. Jäde, UPR 1994, 201 (205). Aus diesem Grunde ist das Vorliegen eines qualifizierten Bebauungsplans regelmäßig Anwendungsvoraussetzung für Verfahren ohne abschließende Entscheidung, und wird die Baugenehmigung häufig auf das Bauplanungsrecht beschränkt, vgl. auch Preschel, DÖV 1998, 45 (47).

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der Kontrolle der Einhaltung der sich daraus ergebenden Vorgaben zu unterscheiden. Die Entscheidung selbst ist einer Privatisierung entzogen, was sich auch aus dem Demokratieprinzip und der Bedeutung für die Gestaltung des Interessenausgleichs ergibt. Der durch das Bauplanungsrecht verwirklichte Interessenausgleich soll weiterhin in staatlichen Händen verbleiben. Die Kontrolle kann allerdings dann privatisiert werden, wenn eine eindeutige und auch für den Privaten leicht erkenn- bzw. ablesbare Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bereits besteht. Bereits an dieser Stelle zeigt sich eine Grenze der Privatisierung – eine staatliche bzw. behördliche Entscheidung ist weiterhin dann erforderlich, wenn ein materieller Interessenausgleich zwischen Privaten hergestellt werden soll. Umgekehrt ist eine derartige Entscheidung dann nicht mehr erforderlich, wenn ein solcher Interessenausgleich aufgrund einer staatlich beherrschten Entscheidung bereits hergestellt worden ist. Diese Unterscheidung kann mit der Neutralität der Entscheidungsträger und der Befriedungsfunktion, die einer Entscheidung durch eine demokratisch legitimierte Autorität innewohnt, erklärt werden. Eine derartige staatliche Entscheidung ist im Hinblick auf die planungsrechtliche Zuordnung der Grundstücksnutzungen erforderlich und ist nur dann bereits getroffen, wenn sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit aus ausreichend detaillierten Vorgaben eines Bebauungsplans ergibt. Eine vergleichbare Trennlinie kann auch im Bauordnungsrecht gezogen werden. Dort ist eine Unterscheidung zwischen den materiellen Sicherheitszwecken und den einzelnen, möglicherweise unterschiedlichen (technischen) Wegen, diesen Sicherheitszwecken gerecht zu werden, möglich. Da die Festlegung der Sicherheitszwecke den grundlegenden Maßstab enthält, spricht vieles dafür, die Entscheidung über die Sicherheitszwecke, also das sowohl erreichbare als auch für die Zulässigkeit bestimmter Vorhaben erforderliche Maß an Sicherheit, staatlichen Instanzen vorzubehalten. Sie enthalten dann die grundlegende hoheitliche, demokratisch legitimierte Entscheidung über die Anforderungen, denen ein Vorhaben genügen muss. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Wege, die eingeschlagen werden können, um den materiellen Sicherheitszwecken gerecht zu werden, handelt es sich allenfalls um eine sachverständige Wertung. Es stellen sich somit im Wesentlichen technische Fragen, zumindest verlangt deren Beurteilung keine materielle Herstellung eines Interessenausgleichs mehr. Dieser wird durch die Festlegung der materiellen Sicherheitszwecke hergestellt. Daher spricht einiges dafür, dass die Entscheidung über den richtigen Weg privaten Sachverständigen anvertraut werden kann. Dabei wird eine mögliche Unterscheidung zwischen einer rechtlichen, dem Bebauungsplan sowie den Sicherheitszwecken zugrunde liegenden, und einer sachverständigen Wertung, die der Entscheidung über den richtigen Weg zugrunde liegt, deutlich. Insgesamt lässt sich jedenfalls festhalten, dass gegen die derzeitige Ausgestaltung des Bauaufsichtsrechts keine grundsätzlichen Bedenken bestehen. Dies

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kann insbesondere damit gerechtfertigt werden, dass die Behörde die Herstellung eines Interessenausgleichs weiter in den Händen hält, nicht von der Überwachung der materiellen baurechtlichen Belange entbunden ist, hinsichtlich der Präventivkontrolle nur ein Prüfungsverzicht vorliegt und darüber hinaus eine Kompensation dadurch vorgesehen ist, dass die prüfenden Privaten besonderen Anforderungen genügen müssen und gesondert überwacht werden. 57 d) Die Regelungsmodelle der reformierten Bauordnungen Im Folgenden sollen anhand einer repräsentativen Auswahl gemeinsame Grundlinien der verschiedenen Regelungen herausgearbeitet und entwickelt werden. Weitgehend berücksichtigt wird die bayerische Bauordnung, 58 die (einschließlich ihrer Vorgänger BayBO 1994 59 und BayBO 1998 60) auch an der Spitze der Entwicklungen hin zu der Verfahrensprivatisierung steht. Sie hatte Experimentier- und Modellcharakter. Durch mehr Eigenverantwortung Privater bzw. eine Privatisierung sollten die gegebenen Zulassungsverfahren von ihren Verkrustungen und Überbürokratisierungen entlastet werden. 61 Diesem Reformprozess lag bzw. liegt ein dreistufiges Reformmodell zugrunde. 62 Ziel war es, das bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren auf einen unverzichtbaren Kern zurückzuführen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die übrigen Prüffelder durch besonders qualifizierte und besonders verantwortliche Private abgedeckt werden. 63 Die erste Reformstufe hatte die Genehmigungsfreistellung bestimmter Wohnbauvorhaben zum Gegenstand, allerdings unter der Voraussetzung, dass bestimmte qualifizierte bautechnische Nachweise erbracht wurden. Zur Kompensation wurde dies mit einer an erweiterte Voraussetzungen gebundenen Bauvorlageberechtigung verbunden. 64 Die zweite Stufe beinhaltete die schrittweise Ersetzung der heute in erster Linie von Fachbehörden und anderen sachkundigen Trägern öffentlicher Belange zu erbringenden Gutachten (bautechnischen Nach57

S. Lautner, VR 1999, 37 (44). Bayerische Bauordnung (BayBO 2008), Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und Änderungsgesetz vom 24. 7. 2007 (GVBl. S. 499), Neubekanntmachung der Bayerischen Bauordnung (BayBO vom 14. 8. 2007 (GVBl. S. 588)). 59 Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung bau- und wasserrechtlicher Verfahren vom 12. 4. 1994 (GVBl. S. 210); Neubekanntmachung der BayBO vom 18. 4. 1994 (GVBl. S. 251). 60 Zweites Gesetz zur Beschleunigung baurechtlicher Verfahren vom 26. 7. 1997 (GVBl. S. 323); Neubekanntmachung der BayBO vom 4. 8. 1997 (GVBl. S. 433, ber. 1998 S. 270, BayRS 2132 – 1-I). 61 Die der Gesetzgeber annahm, s. auch Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 8. 62 S. dazu Lautner, VR 1999, 37 (41); Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 8 ff.; Schulte, BauR 1998, 249 (254 f.); Amtl. Begr., LT-Drs. 12/13482, S. 35. 63 Jäde / Weinl / Dirnberger, BayVBl. 1994, 321 (324). 64 Lautner, VR 1999, 37 (41). 58

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weisen) durch Privatgutachten besonders qualifizierter Sachverständiger. Diese Nachweise entfalten eine Fiktion zugunsten der Einhaltung der geprüften Anforderungen und sollen grundsätzlich nicht mehr von der Bauaufsichtsbehörde nachgeprüft werden. 65 In der dritten, bislang noch nicht vollständig verwirklichten Stufe 66 soll(te) dann die Baugenehmigung auf eine nur noch bauplanungsrechtliche Genehmigung reduziert werden. Die Einhaltung des Bauordnungsrechts soll dann nur noch „besonders qualifizierten Entwurfsverfassern“ überlassen werden. Dieser dritten Stufe liegt somit konzeptionell die Unterscheidung zwischen ordnungs- und planungsrechtlichen Bestandteilen der Genehmigung zu Grunde. 67 Dabei sind die neuesten Varianten des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens dieser Vorstellung bereits sehr weitgehend angenähert. 68 Da die grundsätzliche Konzeption der Verfahrensmodelle im Rahmen der Einführung der BayBO 2008 unverändert geblieben ist, werden nachfolgend primär die Regelungen der BayBO 1998, allerdings unter Einbeziehung der Regelungen der BayBO 2008, dargestellt. 69 Daneben werden die Regelungen der BauO Nordrhein-Westfalens weitgehend berücksichtigt, 70 die mit dem Ziel einer Verfahrensbeschleunigung novelliert worden ist. 71 In ihr ist, wie jetzt auch in der BayBO 2008 (und anders als in der BayBO 1998), die planungsrechtliche Genehmigung nicht ausdrücklich angelegt, allerdings wird der Anwendungsbereich der Verfahren ohne abschließende Entscheidung weit ausgedehnt. 72 Es wird an dem Modell der Baugenehmigung als umfassender öffentlich-rechtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung auch zukünftig festgehalten. Zudem wird sachverständigen Bescheinigungen keine Fik65 Lautner, VR 1999, 37 (41); Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 14. Zur Ausweitung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens bis zur Grenze der Sonderbauten s. BayVerfGH, Entscheidung vom 13. 1. 2000 – Vf 18 VII-96, BayVBl. 2001, 47 (48). 66 Für dieses „Experiment“ sollen erst mit der zweiten Stufe der Privatisierung des Bauordnungsrechts, also dem besonders qualifizierten Sachverständigen nach Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998, Erfahrungen gesammelt werden, Lechner, in: Simon, BayBO, Art. 66 Rn. 1. 67 Art. 60 BayBO 2008 stellt zwar schon eine Annäherung an dieses Konzept dar, erstreckt nach seiner Nr. 2 den Prüfungsumfang aber immer noch auf bauordnungsrechtliche Vorgaben. Die ausdrückliche Regelung zur planungsrechtlichen Genehmigung in Art. 90 BayBO 1998 ist in der BayBO 2008 nicht mehr enthalten. 68 Siehe dazu im Einzelnen unten. 69 Da es im Rahmen dieses Kapitels primär um die Untersuchung beispielhafter Regelungen geht, erscheint die BayBO 1998 nach wie vor als geeignete Grundlage dieser Untersuchung. 70 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Landesbauordnung – (BauO NRW) i. d. F. der Bekanntmachung vom 1. März 2000 (GV NRW 2000, S. 256). 71 S. zu diesen Neuregelungen auch Stollmann, NWVBl. 1995, 41 ff. 72 Wohngebäude sind im Geltungsbereich von Bebauungsplänen bis zur Hochhausgrenze von der Baugenehmigungspflicht freigestellt, s. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 1 Rn. 407.

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tionswirkung beigemessen. Ihre Wirkung wird vielmehr auf eine Vermutungswirkung beschränkt. 73 Zudem wird ausführlich auf die Regelungen der Musterbauordnung 2002 (MBO 2002) und deren erste Umsetzungen 74 eingegangen, die angesichts der fortdauernden Reformtätigkeit im Bauordnungsrecht 75 versucht, den „Wildwuchs“ im Bauordnungsrecht wieder zu bereinigen und dabei die neuen Verfahrensmodelle aufgreift. 76 Die in den verschiedenen Bauordnungen verwendeten Verfahrenstypen bilden insgesamt ein, wenn auch im Einzelfall terminologisch uneinheitliches, System gestufter bauaufsichtlicher Zulässigkeitskontrolle, bestehend aus: 77 • • • • • •

genehmigungsfreien / verfahrensfreien Vorhaben, dem Genehmigungsfreistellungsverfahren, dem baurechtlichen Anzeigeverfahren, 78 der vereinfachten Baugenehmigung, der planungsrechtlichen Genehmigung und der klassischen / regulären Baugenehmigung. 79

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Die Vermutungswirkung verleiht der Sachverständigenbescheinigung insofern öffentlich-rechtliche Wirkung, als dass die entsprechende Tatsache für nicht mehr beweisbedürftig erklärt wird, s. dazu Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 299. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Konzept hinzuweisen, dass ein sachverständiger Nachweis lediglich eine Beweislastregel enthält und somit nicht den Prüfungsumfang der Behörde reduziert, vgl. dazu Scholl, a. a. O., S. 297. Da sich diese Variante aber letztlich im klassischen Bereich der Genehmigung bewegt, wird sie hier nicht weiter untersucht. 74 Zu der MBO 2002 s. Jäde, MBO 2002, 2003; ders., NVwZ 2003, 668 ff.; ders., ZfBR 2003, 221 ff. Zu der Umsetzung in Thüringen s. Jäde, ThürVBl. 2004, 197 ff. In dem genannten Aufsatz finden sich auch Anmerkungen zur Berücksichtigung der MBO 2002 in den übrigen neueren Reformen der Bauordnungen (S. 198). An der brandenburgischen Bauordnung, die am 1. September 2003 in Kraft getreten ist (verkündet am 21. Juli 2003), scheiden sich die Geister. Nach Waschki, Brandenburgische Bauordnung 2003, S. 9 wurden die bis dahin bekannten Vorschriften der neuen MBO berücksichtigt, während Jäde auf die Abweichungen hinweist. 75 S. z. B. Wittkowski, NVwZ 2003, 671 ff. 76 S. dazu Jäde, ZfBR 2002, 21 ff.; Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 1 Rn. 406 ff. 77 Hoppe / Bönker / Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 15 Rn. 19. Allerdings nutzen die einzelnen Bauordnungen nicht alle Varianten, sondern verwenden meist ein drei- oder vierstufiges System, vgl. Erbguth / Stollmann, JZ 2007, 868 (871 f.). 78 Zu einer Unterscheidung der Anzeige- und Freistellungsverfahren in Anzeigeverfahren mit Untersagungsbefugnis, Anzeigeverfahren unter Vorbehalt und Anzeigeverfahren mit Verpflichtung zur Entscheidung über die Genehmigungsbedürftigkeit s. Calliess, Die Verwaltung 34 (2001), 169 (171 f.).

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Diese relativ differenzierte Einteilung dient dazu, eine eindeutigere Zuordnung der einzelnen Verfahren zu ermöglichen, die verfahrensrechtlichen Besonderheiten hervorzuheben und möglichst viele Erkenntnisse für die Untersuchung zu gewinnen. Die vermeintlich einfache Zuordnung der Verfahren zu den einzelnen Verfahrenstypen ist jedoch nicht immer nach allen Kriterien eindeutig, 80 zumal es Gestaltungen gibt, die Elemente verschiedener Verfahrenstypen verschmelzen. Vorliegend wird insbesondere zwischen Genehmigungsfreistellungsverfahren und baurechtlichem Anzeigeverfahren unterschieden. 81 Allerdings enthalten die jeweiligen Bauordnungen nicht kumulativ beide Verfahren, sondern immer nur eines der beiden. Dabei ähneln sich auch die Anwendungsvoraussetzungen beider Verfahren. 82 Beiden gemeinsam ist der charakterisierende Wegfall einer verfahrensabschließenden Entscheidung in Form einer Genehmigung. 83 Die beiden Verfahrenstypen unterscheiden sich allerdings in einem verfahrensrechtlichen Element: Während das Genehmigungsfreistellungsverfahren der Bauaufsichtsbehörde keine durch eine Wartefrist gesicherte Prüfoption zugesteht, enthält das baurechtliche Anzeigeverfahren eine solche. Daher entspricht das Genehmigungsfreistellungsverfahren in der allgemeinen Terminologie dem Verfahrenstypus des Anzeigeverfahrens, das baurechtliche Anzeigeverfahren dem Verfahrenstypus des Anmeldeverfahrens. Zuordnungskriterium ist hier, wie bei den genannten allgemeinen Verfahrenstypen, die Existenz einer Wartefrist. Eine Wartefrist in diesem Sinne liegt allerdings nur dann vor, wenn sie eine Option auf ma79 Dabei differenzieren Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 1 Rn. 18 im Hinblick auf den Prüfungsumfang drei Stufen, und zwar das enumerativ geregelte Prüfungsprogramm, die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die durch die Bauaufsichtsbehörde im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind, sowie die umfassende Prüfung aller öffentlich-rechtliche Vorschriften. Dieser Differenzierung wird nachfolgend nicht gefolgt, da sie für die vorliegende Untersuchung keine weiteren Erkenntnisse verspricht. Insbesondere geht es um die Reduktion des Prüfungsumfangs innerhalb einer Materie, und dabei hilft die Unterscheidung zwischen der zweiten und der dritten Variante nicht. 80 S. Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Bauordnungsrecht, 1. Halbband, S. 75 ff. 81 Auch wenn diese Differenzierung häufig nicht getroffen wird, s. z. B. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 69 ff.; Elbert / Hogrebe, VR 1996, 163 (164 Fn. 9); Stollmann, NWVBl. 1995, 41 (41 Fn. 9); Ortloff, NVwZ 1995, 112 (117); Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (948), die damit auch die bestehenden Unterschiede ignoriert. S. zu der Unterscheidung Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 246 ff., S. 270 ff.; Jäde, ZfBR 1996, 241 (246 f.). 82 Vgl. auch Jäde, ThürVBl. 1998, 193 (198); Calliess, Die Verwaltung 34 (2001), 169 (171). 83 Vgl. Jäde, ZfBR 2000, 519 (523). Die Aufhebung des Bauverbots wird generellabstrakt durch eine Entscheidung des Gesetzgebers bewirkt, Preschel, DÖV 1998, 45 (47). Dieses Element wird auch als Kernstück der Baurechtsnovellen bzw. als wesentlicher Bestandteil der Änderungen in den Landesbauordnungen bezeichnet Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 69; Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (947). Zur Unterscheidung im nachfolgenden Sinne s. auch Jäde, NWVBl. 1995, 206 (206).

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terielle Vollprüfung darstellt und eine Untersagung ermöglichen soll, also den Charakter eines Elements der präventiven Kontrolle enthält und die Möglichkeit einer solchen absichert. aa) Genehmigungsfreie bzw. verfahrensfreie Vorhaben Die verschiedenen Bauordnungen sehen vor, dass bestimmte Bauvorhaben genehmigungsfrei bzw. verfahrensfrei sind. 84 Diese Kategorie von Vorhaben unterfällt in der allgemeinen Typisierung dem Typus der Untersagungsermächtigung für den Einzelfall. Das Instrumentarium der Behörde wird allein repressiv ausgestaltet; die Entscheidung über die Zulässigkeit der betroffenen Vorhaben wird dabei nicht mehr durch eine konkret-individuelle Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde, sondern durch eine abstrakt-generelle Entscheidung des Gesetzgebers getroffen. 85 Dementsprechend erübrigen sich eigentlich Regelungen des präventiven Verfahrens; es wird keine präventive Kontrolle, auch keine durch private Stellen, vorgesehen. Es sind auch keine Bauvorlagen mehr vorzulegen, die ein erstes Element der Kompensation durch privaten Sachverstand beinhalten. 86 Die Grundlage dieser Genehmigungsfreiheit besteht in der Regel in der Vermutung, dass kleinere Vorhaben nicht geeignet sind, öffentlich-rechtliche Vorschriften oder öffentlich-rechtlich geschützte Rechtsgüter Dritter zu tangieren. 87 Allerdings wird der Bauherr nicht von der Einhaltung der materiellen Vorgaben entbunden, 88 so dass die Behörde bei deren Nicht-Einhaltung repressiv einschreiten kann. Die betroffenen Vorhaben sind in der Regel in enumerativen Katalogen enthalten, 89 wobei die Regelungen so vielfältig sind, dass sich allgemeine Grundsätze kaum entwickeln lassen. 90

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Neue Terminologie der MBO 2002, vgl. § 61 MBO 2002; § 63 ThürBO; vgl. Jäde, ThürVBl. 2004, 197 (199). Dabei dient die geänderte Bezeichnung vor allem der Unterscheidung zu der Genehmigungsfreistellung, s. Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 61, S. 196, was aber nichts daran ändert, dass diese Bezeichnung zusätzlich auch die Charakteristik der präventiven Kontrolle besser zum Ausdruck bringt. 85 Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (267). 86 Diese sind i. d. R. von Bauvorlageberechtigten anzufertigen, für die gewisse fachliche Anforderungen gelten. 87 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 13 Rn. 12. 88 S. dazu allgemein Goerlich, SächsVBl. 1996, 1 (2). Diese Bindung ist teilweise explizit, wenn auch letztlich nur klarstellend, geregelt, so z. B. in § 65 Abs. 4 BauO NRW. 89 S. dazu auch Jäde / Weiß, BayVBl. 1998, 7 (12), die auch darauf hinweisen, dass die Tatbestände der Genehmigungsfreiheit in der BayBO in Anlehnung an die MBO gestaltet worden sind (§ 62 MBO a.F., s. dazu Böckenförde / Temme / Krebs, MBO, 6. Auflage 1999 bzw. § 61 MBO 2002). Ein Überblick über die genehmigungsfreien Vorhaben findet sich bei Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 13 Rn. 46 ff.; für die Genehmigungsfreiheit von Nutzungsänderungen s. Rn. 23 f.

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Eine verfahrensrechtliche Besonderheit enthält § 66 Satz 2 BauO NRW (Genehmigungsfreiheit von Anlagen). Danach muss der Bauherr sich vor der Benutzung (nicht vor Errichtung!) von dem Unternehmer oder einem Sachverständigen bescheinigen lassen, dass die (genehmigungsfreie) Anlage den öffentlichrechtlichen Vorschriften entspricht. Die Bescheinigung muss allerdings lediglich rechtzeitig eingeholt worden sein, sie muss jedoch der Bauaufsichtsbehörde nicht mehr vorgelegt werden. 91 Eine Untersagung der Inbetriebnahme oder des Betriebs der Anlage kommt dann in Betracht, wenn der Bauherr die Bescheinigung der Bauaufsichtsbehörde nicht auf Verlangen vorlegt oder wenn Zweifel an der Sachkunde und Erfahrung desjenigen bestehen, der die Bescheinigung ausgestellt hat, oder wenn der Inhalt der Bescheinigung selbst Anlass zu Zweifeln gibt. 92 Diese Verknüpfung mit einer Sachverständigentätigkeit stellt in dieser Verfahrensgruppe eine Besonderheit dar. Grundsätzlich besteht ein weitgehender Konsens, keine präventive Kontrolle kleinerer Vorhaben mehr durchzuführen. Allerdings handelt es sich dabei um eine verfahrensrechtliche Möglichkeit für den Fall, dass zwar grundsätzlich ein Interesse daran besteht, gewisse Vorhaben verfahrensfrei zu stellen, dagegen aber Bedenken wegen einer zwar geringen, aber dennoch vorhandene Kontrollnotwendigkeit bestehen. Dieser kann dadurch Rechnung getragen werden, dass eine verfahrensrechtliche Verpflichtung zur Durchführung einer Fremdkontrolle ohne Einschaltung der Genehmigungs- oder Aufsichtsbehörde vorgesehen wird. Kritisch gegenüber den Regelungen über die Genehmigungsfreiheit wird angemerkt, dass sie in der Regel keine Möglichkeit bieten, die Genehmigungsfreiheit selbst überprüfen zu lassen und damit dem Bauherrn neben dem materiellen auch ein verfahrensrechtliches Risiko aufbürden 93. Dieses Risiko erscheint angesichts detaillierter Kataloge allerdings als gering.

90 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 13 Rn. 45. Allerdings wird der Anwendungsbereich durch bundesrechtliche Vorgaben begrenzt, denn da zumindest bei Vorhaben im Geltungsbereich von Bebauungsplänen gem. § 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB eine rechtzeitige Information der Gemeinde sichergestellt werden muss, kommen insofern nur solche Vorhaben in Betracht, die nicht im Sinne von § 29 BauGB planungsrechtlich relevant sind, s. auch Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 61, S. 196. 91 Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 66 Rn. 15; Boeddinghaus / Hahn / Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen II, § 66 Rn. 17. 92 S. VV BauO NRW, abgedruckt bei der Kommentierung zu § 66 BauO NRW bei Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW. 93 S. zu der Kritik auch Gramlich, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 521 (540).

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bb) Die sogenannten Genehmigungsfreistellungsverfahren 94 Zahlreiche Bauordnungen sehen ein Genehmigungsfreistellungsverfahren vor, 95 das in der allgemeinen Typologie grundsätzlich dem Typus des Anzeigeverfahrens entspricht. Charakteristisch ist, dass der Bauaufsichtsbehörde keine präventive Prüfaufgabe obliegt und ihr auch keine Option auf eine präventive Prüfung eingeräumt wird, 96 was allerdings nicht ausschließt, dass sie bei Kenntnis eines Verstoßes gegen materielle Anforderungen auch schon vor Baubeginn präventiv tätig wird. 97 Nach einigen Regelungen ist eine Einbeziehung der Bauaufsichtsbehörde im Wege einer Anzeige vor Baubeginn vorgesehen. 98 Dabei handelt es sich allerdings lediglich um eine informatorische Beteiligung, teilweise sogar ohne 94 Zu diesem Verfahren s. Jäde, GewArch 1995, 187 (190 f.); ders., in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen BauO NW, S. 33 ff.; ders., ZfBR 2000, 519 (523 f.), dort auch auf die Unterschiede zum baurechtlichen Anzeigeverfahren eingehend; Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 277 ff.; Löffelbein, Genehmigungsfreies Bauen und Nachbarrechtsschutz, S. 58 ff.; Bonifacio, Das Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 67 BauO NW, 1998; Erbguth / Stollmann, JZ 1995, 1141 (1142 ff.); dies., BayVBl. 1996, 65 ff.; Mampel, NVwZ 1996, 1160 ff.; zur Vorgängernorm des Art. 58 BayBO 2008 und Art. 64 BayBO 1998, dem Art. 70 BayBO 1994 s. Kreuziger, Die Genehmigungsfreistellung im Baurecht, 1997; Manssen, NVwZ 1996, 144 ff.; Neuhausen, BauR 1996, 192 ff.; ders., BauR 2000, 326 ff.; Schmaltz, NdsVBL. 2003, 257 ff.; ders., NdsVBl. 1995, 241 ff.; Simon, BayVBl. 1994, 332 (334 ff.); Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (948) differenziert nicht zwischen Genehmigungsfreistellung und baurechtlichem Anzeigeverfahren; Schulte, BauR 1995, 174 (178 f.). 95 Art. 64 BayBO 1998 (Art. 58 BayBO 2008, wobei die Neuregelung von der verfahrensrechtlichen Seite keine wesentlichen Neuerungen gebracht hat, Wolf, Bayerische Bauordnung (BayBO) 2008, Art. 58 Vorabanmerkung); § 66 BremLBO; § 62 LBauO M-V; § 67 BauO NRW; § 69a NBO; § 68 BauO LSA; § 67 LBauO Rh-Pf; § 55 HessBauO i.V. m. V.1. des Anhangs 2; § 56 HessBauO; § 63a ThürBO, §§ 1, 59 Abs. 4 LBO BW (dort bezeichnet als „Kenntnisgabeverfahren“). 96 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 277. Wie bereits oben erwähnt, unterscheiden zahlreiche Autoren bei der Klassifizierung der Verfahren nicht nach diesem Kriterium und damit nicht ausreichend zwischen Genehmigungsfreistellungsverfahren und baurechtlichen Anzeigeverfahren. Dabei entspricht das in der sächsischen Bauordnung vorgesehene Genehmigungsfreistellungsverfahren (§ 62 SächsBauO) nicht dem hier besprochenen Typus des Genehmigungsfreistellungs-, sondern dem des baurechtlichen Anzeigeverfahrens, da in diesem Verfahren die Wartefrist auch die Möglichkeit der Kontrolle durch die Bauaufsichtsbehörde schützt. 97 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 299 (beispielsweise Kenntnis durch Einwendungen von Nachbarn). 98 S. dazu die Regelung in § 67 Abs. 5 BauO NRW (ohne Vorlage der Bauvorlagen und von Nachweisen); § 66 Abs. 7 BremLBO; § 68 BauO LSA; § 69a Abs. 4 Satz 3 NBO sieht u.U. eine Weiterleitung der Unterlagen durch die Gemeinde an die Bauaufsichtsbehörde vor; § 62 Abs. 3 LBauO M-V (in der früheren Fassung des § 64 Abs. 5 LBauO M-V war eine Erklärung von Entwurfsverfasser und Sachverständigen über die Einhaltung materiell-rechtlicher Vorgaben vorgesehen).

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Vorlage der Bauunterlagen, 99 eventuell aber mit Erklärung des Entwurfsverfassers über die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften, so dass insofern auch die Bezeichnung als Mitteilungsverfahren naheliegen würde. 100 Es besteht keine Wartefrist, so dass auch eine präventive Prüfung grundsätzlich nicht möglich, jedenfalls eine Möglichkeit dazu nicht rechtlich abgesichert ist. Denkbar ist allerdings auch, dass die Bauaufsichtsbehörde überhaupt nicht informiert wird, 101 sie also gar nicht mehr eingeschaltet wird. Dann findet lediglich eine verfahrensmäßige Einbeziehung der Gemeinde statt, 102 wobei diese nach einigen Regeln der Bauaufsichtsbehörde die Bauunterlagen zukommen lassen muss. 103 Unter Umständen ist sogar eine Annäherung an die bloß repressive Untersagungsermächtigung für den Einzelfall, also die schlichte Genehmigungsfreiheit, feststellbar. 104 Zentraler Bestandteil des Genehmigungsfreistellungsverfahrens ist eine präventive Beteiligung der Gemeinde. 105 Eine solche ist im Baurecht erforderlich, weil die Planungshoheit der Gemeinde tangiert wird. 106 Ihr ist das Vorhaben anzuzeigen. Der Bauherr darf mit der Ausführung seines Vorhabens erst nach Ablauf einer Frist, meist von einem Monat, beginnen. Erst dieser Fristablauf führt zum Wegfall der formellen Schranke. Innerhalb dieser Frist kann die Gemeinde das Vorhaben zwar nicht untersagen, wohl aber die Einleitung eines Genehmigungsverfahrens verlangen. 107 Die Abgabe dieser Erklärung liegt im Ermessen und dient der Sicherung bauplanungsrechtlicher Absichten der Gemeinde (§§ 14, 15 BauGB). 108 Je nach Bundesland ist diese Erklärung auch 99

Preschel, DÖV 1998, 45 (46). Vgl. dazu die aufgrund der Neufassung der jeweiligen Bauordnung aufgehobenen Regelungen des § 64 LBauO M-V und des § 69a NBO, dabei werden auch keine detaillierten Unterlagen, sondern nur generelle Beschreibungen sowie Erklärungen verlangt; es geht um eine schlichte Kenntnisvermittlung, s. Krüger, Anzeige- Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Baurecht, 1. Halbband, S. 101. 101 So die ehemalige Regelung in Bayern, Art. 64 BayBO 1998. Art. 58 Abs. 3 BayBO 2008 sieht nunmehr aber eine unverzügliche Weiterleitung an die Bauaufsichtsbehörde vor. 102 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 278. 103 So beispielsweise nach Art. 67 BayBO 1998 (Art. 64 BayBO 2008) (vgl. dazu auch Busse / Dirnberger, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 58 Rn. 4) oder auch nach § 68 Abs. 5 BauO LSA. 104 So auch Jäde, ThürVBl. 1998, 193 (198). 105 S. dazu insbesondere die Regelung in Bayern (Art. 64 BayBO 1998 / Art. 58 BayBO 2008) und die Regelung in NRW (§ 67 BauO NRW). 106 Ohne Beteiligung der Gemeinde wird die Planungshoheit der Gemeinde nur unzureichend gewährleistet, s. dazu Jäde, UPR 1995, 81 (82). S. aber zu Regelungen, die zwischenzeitlich existierten und auf eine Beteiligung der Gemeinde verzichteten, Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 301 f. Gegen einen Verzicht auf eine Beteiligung der Gemeinde bestehen erhebliche rechtliche Bedenken. 107 S. auch Erbguth / Stollmann, JZ 1995, 1141 (1143). 100

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dann zulässig, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Genehmigungsfreistellung nicht vorliegen oder die Gemeinde Zweifel an der Übereinstimmung des Vorhabens mit öffentlich-rechtlichen Normen hat. 109 In Berlin entspricht dabei die Einbeziehung der Bauaufsichtsbehörde dieser Rolle der Gemeinde, was sich daraus ergibt, dass es sich bei dieser um die Bezirksämter handelt, die nach § 1 AGBauGB die Aufgaben wahrnehmen, für die nach dem BauGB die Gemeinden zuständig sind. 110 Die Gemeinde hat dementsprechend ein Prüfungsrecht; sie hat allerdings weder eine Prüfungsverpflichtung 111 noch eine Erklärungspflicht. 112 Das Prüfungsrecht ist ihr grundsätzlich zur Wahrung ihrer eigenen Interessen eingeräumt; 113 ein Tätigwerden dient nicht den Interessen des Bauherrn oder der Bauaufsichtsbehörde. 114 Dementsprechend hat eine Nicht-Erklärung keinen Aussagegehalt zu Gunsten des Bauherrn, 115 zumal keine Verpflichtung besteht, bei dem Erkennen 108

Gerade diese sollen geschützt werden, s. dazu auch Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 281 ff.; Jäde, LKV 1996, 13 (14); s. auch Neuhausen, BauR 1996, 192 (192). 109 S. zu den Gründen der gemeindlichen Erklärungen sowie den verschiedenen Ausgestaltungen Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Bauordnungsrecht, 2. Halbband, S. 323 ff.; Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, 279 ff., insbesondere S. 280, wo er allerdings auch gleichzeitig auf restriktivere Regelungen hinsichtlich der Erklärungsgründe der Gemeinde verweist.; s. auch Stollmann, NWVBl. 1995, 41 (42), auch mit Erläuterungen hinsichtlich des Erklärungsspielraums der Gemeinde. S. Stüer, Bau- und PlanR, Rn. 1250. 110 In Berlin kann die Bauausichtsbehörde die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nicht nur aufgrund planungsrechtlicher Gegebenheiten, sondern auch aufgrund von Rechtswidrigkeit sowie Besonderheiten der Grundstückssituation verlangen, s. Hahn / Radeisen, Bauordnung für Berlin, § 63 Rn. 8. 111 Eine Prüfpflicht besteht, wenn überhaupt, nur hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Vorgaben, nicht aber hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Vorhaben; gegen eine Prüfverpflichtung spricht sich auch aus der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen (LTDrs. NW 11/7153, S. 138 (182); ausdrücklich normiert ist ein Ausschluss einer Prüfungsverpflichtung in § 69a Abs. 4 Satz 2 NBO; Jäde, BayVBl. 1994, 363 (364); ders., BayVBl. 1994, 321 (325); eine Prüfverpflichtung bejahen hingegen Neuhausen, BauR 1996, 192 (196); Simon, BayVBl. 1994, 332 (336). 112 Allerdings hat sie von ihrem Prüfungs- und Erklärungsrecht nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung Gebrauch zu machen und es nach pflichtgemäßen Ermessen auszuüben, d. h. sobald und soweit dies erforderlich ist, Simon, BayVBl. 1994, 332 (334, 336). Sie darf die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nicht willkürlich, d. h. ohne sachlichen Grund, verlangen, Neuhausen, BauR 1996, 192 (197); Jäde / Weinl / Dirnberger, BayVBl. 1994, 321 (325); Jäde, BayVBl. 1994, 363 (364). 113 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 281 ff.; s. auch Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Bauordnungsrecht, 2. Halbband, S. 330 ff.; vgl. Jäde, ZfBR 2000, 519 (523); Preschel, DÖV 1998, 45 (49). 114 Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (45). 115 S. auch Jäde, UPR 1995, 81 (83). Dem Bauherrn wird nicht die Verantwortung für die Einhaltung sowohl des Verfahrensrechts als auch des materiellen Rechts abgenommen,

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eines Verstoßes gegen materielle Vorgaben eine Erklärung im Hinblick auf eine Genehmigungsbedürftigkeit abzugeben oder aber den Bauherrn dahingehend aufzuklären bzw. auf den Verstoß hinzuweisen. 116 Bei dieser verfahrensrechtlichen Einbeziehung der Gemeinde handelt es sich nicht, auch nicht dem Charakter nach, um ein bauaufsichtliches Verfahren. 117 Die Beteiligung hat gerade nicht die Funktion einer präventiven bauaufsichtlichen Kontrolle, die Gemeinde wird nicht zur Bauaufsichtsbehörde, und das Verfahren wird dadurch nicht zu einem baurechtlichen Anzeigeverfahren (Typus des Anmeldeverfahrens). 118 Die Gemeinde kann das Vorhaben nicht untersagen, sondern lediglich sicherstellen, dass die Bauaufsichtsbehörde präventiv tätig werden kann, 119 indem sie das Baugenehmigungsverfahren als praktikablen Lösungsmechanismus einsetzt. 120 Es handelt sich also nicht um eine institutionalisierte Prüfoption. Insgesamt kann diese Ausgestaltung als eine Kombination bauordnungsrechtlicher Genehmigungsfreiheit (bzw. Anzeigepflicht im Sinne der allgemeinen Typologie) mit einer vorgeschalteten Beteiligung der Gemeinde charakterisiert werden. 121 An der Einstufung als Genehmigungsfreistellungsverfahren ändert sich auch dann nichts, wenn, wie bei § 62 MB 2002 sowie § 56 HessBauO, die Bauaufsichtsbehörde entweder zeitgleich 122 oder aber durch unverzügliche Vorlage der Unterlagen durch die Gemeinde 123 informiert wird. Damit wird ein Element des Anzeigeverfahrens aufgenommen, denn durch diese Parallelinformation wird ein präventiver bauaufsichtlicher Zugriff ermöglicht. 124 Diese Regelungen stellen somit in gewisser Weise eine Verschmelzung beider Verfahrensarten dar. 125 Gleichzeitig wird jedoch für die Regelung der HessBauO betont, dass sie eine echte Baugenehmigungsfreiheit bewirke und kein Anzeige- und KenntnisgabeJäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (45). 116 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 284 f. 117 Neuhausen, BauR 1996, 192 (199); Jäde, NWVBl. 1995, 206 (207); ders., in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (45). 118 Jäde, LKV 1996, 13 (14); ders., NVwZ 1995, 672 (672 f.). 119 S. dazu Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 298 f. 120 Jäde, NVwZ 1995, 672 (673); ders., in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (45). 121 Jäde, BayVBl. 2000, 481 (482). Dabei kann die Beteiligung der Gemeinde auch als negatives Tatbestandsmerkmal angesehen werden. 122 Nach § 56 Abs. 3 S. 1 HessBauO durch Vorlage einer Zweitausfertigung durch den Bauherrn. 123 § 62 Abs. 3 Satz 1 MBO 2002, § 63a Abs. 3 ThürBO. 124 Jäde, NVwZ 2003, 668 (668). 125 Jäde, NVwZ 2001, 982 (983).

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verfahren darstelle, 126 da die Bauaufsichtsbehörde nicht mehr präventiv mit der Option einer Prüfung eingeschaltet sei, was durch den ausdrücklichen Ausschluss einer Prüfungspflicht unterstrichen werde. Auch wenn die Wartefrist zumindest faktisch zugunsten der Bauaufsichtsbehörde besteht, 127 ist dieser Ansicht zuzustimmen, da die Frist nicht rechtlich abgesichert ist, sondern durch eine Erklärung der Gemeinde, dass kein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt und sie keine Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB beantragen wird, verkürzt und damit der Bauaufsichtsbehörde genommen werden kann. Zudem wirkt es sich auch nicht auf die Zulässigkeit aus, wenn die Bauaufsichtsbehörde nicht informiert wird. 128 Zwar entspricht es grundsätzlich der Charakteristik des Genehmigungsfreistellungsverfahrens, wenn der Bauaufsichtsbehörde keine Möglichkeit zur präventiven bauaufsichtlichen Überprüfung mehr eröffnet ist, 129 jedoch können diese Regelungen, trotz der Zwitterstellung, mangels rechtlicher Absicherung der Wartefrist diesem Verfahrenstyp zugeordnet werden, zumal dessen Elemente insgesamt überwiegen. Zusammenfassend lässt sich damit folgendes festhalten: Prägend für das Genehmigungsfreistellungsverfahren ist, dass keine präventive bauaufsichtliche Prüfung mehr vorgesehen ist und auch keine Möglichkeit dazu im Sinne einer Prüfoption durch eine Wartefrist eingeräumt wird. Unabhängig von der gewählten Ausgestaltungsvariante liegt die Verantwortung für die Einhaltung der materiellrechtlichen Anforderungen beim Bauherrn und in zweiter Linie auch bei den von ihm am Bau Beteiligten, und zwar vor allem bei dem Entwurfsverfasser und den anderen Sachverständigen. 130 Sämtliche Prüfpflichten und die Verantwortung für die Durchführung des Vorhabens werden auf den Bauherrn und Sachverständige übertragen. 131 Diese Übernahme der Verantwortung wird 126

Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. § 56 S. 383. Vgl. auch LTDrs. 15/3635 vom 19. 2. 2002, S. 147. 127 Und nicht, wie wohl Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. § 56 Abs. 3 S. 409 annehmen, nur zu Gunsten der Gemeinde besteht, was bedeuten, würde, dass die Mitteilung nur den Zweck hätte, der Bauaufsichtsbehörde die Bestimmung der Wartefrist zu ermöglichen. 128 Es wirkt sich somit nicht auf die Zulässigkeit des Vorhabens aus, wenn die Gemeinde ihre Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung nach § 62 Abs. 3 Satz 1 MBO 2002 nicht erfüllt. Im Fall der HessBauO stellt eine Nichtvorlage der Zweitausfertigung der Unterlagen eine Ordnungswidrigkeit dar, Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. § 56 Abs. 3 S. 409, führt aber auch nicht zur Unzulässigkeit des Vorhabens. 129 Jäde, ZfBR 1996, 241 (246). 130 Jäde, GewArch 1995, 187 (190); Preschel, DÖV 1998, 45 (46); s. auch Meininger, LKV 2002, 20 (21). Die Regelungen der Landesbauordnungen, die die Bindung an das materielle Recht beinhalten (z. B. § 67 Abs. 5 i.V. m. § 65 Abs. 4 BauO NRW), sind lediglich klarstellend, s. auch Neuhausen, BauR 1996, 192 (192). 131 Preschel, DÖV 1998, 45 (46 f.).

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in einigen Bauordnungen auch noch dadurch formalisiert, dass der Bauherr eine Erklärung des Entwurfsverfassers über die materielle Ordnungsmäßigkeit des Vorhabens vorlegen muss. 132 Allerdings bestehen aber auch, je nach Bauordnung, Möglichkeiten, durch Ausübung eines Wahlrechts bzw. durch Bauanfrage 133 oder Vorbescheid 134 zumindest im Hinblick auf kritische Aspekte dieser Verantwortung auszuweichen. (1) Anwendungsbereich Ein Blick auf den Anwendungsbereich des Genehmigungsfreistellungsverfahrens bietet erste Aufschlüsse sowohl über die Fähigkeiten zur Problemlösung als auch die Übertragbarkeit dieses Verfahrens. Im Hinblick auf die Art des Vorhabens enthalten die Bauordnungen regelmäßig eine Aufzählung der Vorhaben, die unter diesen Verfahrenstyp fallen. 135 Nach einer ursprünglichen Beschränkung auf unproblematische Vorhaben, die in aller Regel nicht geeignet sind, öffentlich-rechtliche Schutzgüter oder Rechte Dritter zu berühren, 136 gilt dieses Verfahren mittlerweile auch für Vorhaben, deren Beurteilung eine komplexere Struktur aufweist. 137 Allerdings erfasst es vor allem Wohngebäude, 138 was auch mit den vergleichsweise geringen damit verbundenen Interessenkonflikten zusammenhängt und einen Zusammenhang der Verfahrensprivatisierung mit der Herstellung eines Interessenausgleichs mit den Betroffenen zeigt. Zudem ist erforderlich, dass das Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes oder eines Vorhaben- und Erschließungsplans liegt, 139 132

Diese Verpflichtung gilt nicht nur für das Genehmigungsfreistellungsverfahren, s. Ortloff / Rapp, NJW 1996, 2346 (2347). S. z. B. die in der BauO Bln entfallene Regelung des § 56a Abs. 3 BauO Bln; § 66 Abs. 4 BremLBO; der frühere § 64 Abs. 5 LBauO M-V (nicht mehr der aktuelle § 62 Abs. 3 LBauO M-V); für bestimmte Vorgaben § 67 Abs. 2 BauO NRW. 133 Meiniger, LKV 2002, 20 (21). 134 Zu der Frage der Zulässigkeit eines Vorbescheids s. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 118 ff. 135 Diese Variante wird auch als „kleine Lösung“ bezeichnet, Jäde, ZfBR 2000, 519 (524). Dort auch zu der großen Lösung, die sich die Unterscheidung zwischen normalen Bauten und Sonderbauten zunutze macht und die Trennlinie zwischen Verfahrenstypen anhand dieser Grenzlinie zieht. In Betracht kommt die große Lösung insbesondere bei der Unterscheidung zwischen dem regulären und dem vereinfachten Genehmigungsverfahren. 136 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 13 Rn. 17. 137 Sauter, BayVBl. 1998, 2 (5). Durch die BayBO 2008 wurde der Anwendungsbereich bis zur Sonderbaugrenze erweitert, vgl. Decker, BauR 2008, 443 (446); Jäde, BayVBl. 2008, 33 (41). 138 Ortloff, NVwZ 2001, 997 (999).

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der in Kraft getreten und wirksam sein muss. 140 Etwas unklar ist die Rechtslage bei Zweifeln an der Gültigkeit des Bebauungsplans. 141 Im Falle der nachträglich festgestellten Nichtigkeit des Bebauungsplans entfällt die Grundlage des Vorhabens ex tunc. Sollte die betreffende Bauordnung keine Regelung über einen Vertrauensschutz enthalten, trägt der Bauherr auch dieses Risiko der materiellen Rechtmäßigkeit. 142 Weiterhin muss das Vorhaben plankonform sein, was dann der Fall ist, wenn es ohne Ausnahmen und Befreiungen zuzulassen wäre. 143 Es darf auch kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegen. 144 Umstritten ist, ob eine Plankonformität auch dann angenommen werden kann, wenn ein Fall des § 23 Abs. 2 oder Abs. 3 BauNVO vorliegt. 145 Sollte das Vorhaben nicht in diesem Sinne plankonform sein, kann dem durch eine isolierte Zulassung der Abwei139 Degenhart, NJW 1996, 1433 (1434); Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (39). 140 Jäde, NWVBl. 1995, 206 (207); Stollmann, NWVBl. 1995, 41 (42); Erbguth / Stollmann, BayVBl. 1996, 65 (65). S. zu den Problemen bei Unwirksamkeit Bonifacio, Das Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 67 BauO NW, S. 84 ff.; Jäde, BayVBl. 1994, 321 (325); ders., in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung Nordrhein-Westfalen, S. 33 (40 ff.); ders., UPR 1995, 81 (83); Neuhausen, BauR 1996, 192 (193); Mampel, NVwZ 1996, 1160 (1161 f.). 141 Nach Simon, BayVBl. 1994, 332 (334), sind auch die für nichtig gehaltenen Bebauungspläne mangels einer Verwerfungskompetenz der Verwaltungsbehörden noch anzuwenden; dort auch ausführlicher zu dieser Voraussetzung. 142 So wohl auch Mampel, NVwz 1996, 1160 (1161 f.), dort auch zu anderen Ansichten. Vgl. VG Dresden, Beschluss vom 29. 7. 1999 – 4 K 1362/99 u. a., SächsVBl. 1999, 305 (307); BayVGH, Beschl. v. 8. 10. 2004 – 1 NE 04.1437 (zitiert nach Jäde, BayVBl. 2006, 197 (203 Fn. 132). S. zu dieser Frage auch Kuchler / Erhard, BayVBl. 2004, BayVBl. 2004, 652 ff. sowie die Erwiderung von Jäde, BayVBl. 2005, 332 ff. Eine Regelung zum Vertrauensschutz fehlt in den meisten Ländern, vgl. Ortloff, NVwZ 2000, 750 (752). Zu einer möglichen Regelung, die den Vertrauensschutz an die Durchführung der Baumaßnahme anknüpft, s. Schmaltz, NdsVBl. 1995, 241 (246); differenziert auch Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. § 56 S. 414. Nach der Regelung des § 67 Abs. 8 BauO NRW ist allerdings bauaufsichtliches Einschreiten in diesem Fall ausgeschlossen, wenn nicht die Beeinträchtigung der Rechte Dritter ein solches erfordert, vgl. Neuhausen, BauR 2000, 326 (328 f.). 143 S. Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (39), dort auch weitere Details; s. auch Bonifacio, Das Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 67 BauO NW, S. 66 ff.; Neuhausen, BauR 1996, 192 (195). Die BayBO 2008 sieht auch ausdrücklich vor, dass die örtlichen Bauvorschriften eingehalten werden müssen, vgl. Art. 58 Abs. 2 Nr. 2 BayBO 2008. Daneben muss die Erschließung gesichert sein (Jäde, a. a. O. S. 43; Neuhausen, a. a. O. S. 196), womit regelmäßig die im Bebauungsplan vorgesehene Erschließung gemeint ist, Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 93. 144 Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung Nordrhein-Westfalen, S. 33 (40). 145 Für eine Anwendbarkeit Jäde, NWVBl. 1995, 206 (206 f.); ders., in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW,

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chung, eine Zulassung im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens oder aber durch den Wegfall dieses Verfahrens und das Wiederaufleben der Genehmigungsbedürftigkeit Rechnung getragen werden. 146 Dementsprechend hängt eine Genehmigungsfreistellung davon ab, dass in Form eines Bebauungsplans eine staatliche Entscheidung den Grundstücken Nutzungsmöglichkeiten zugewiesen hat, ein Interessenausgleich hergestellt worden ist und sich dadurch eine Schicksalsgemeinschaft der Planbetroffenen realisiert. Eine Bebauung auf Grundlage eines rechtmäßigen Bebauungsplans verletzt nicht Nachbarrechte. 147 In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist anzumerken, dass die Berücksichtigung einer Abweichung sicher gestellt ist, wobei unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten denkbar sind. (2) Elemente des Genehmigungsfreistellungsverfahrens Für eine Ausgestaltung der Verantwortungsübernahme durch Private bzw. des Sachverständigenmodells sind von besonderem Interesse die Regelung der sachverständigen Kontrolle, der Abweichung von rechtlichen Bestimmungen sowie Fragen der Nachbarinformation. • Sachverständige Kontrolle Die Regelungen der Genehmigungsfreistellungsverfahren sehen keine völlige Freiheit von präventiver Kontrolle vor. Durch die Einbeziehung privaten Sachverstands soll die Einhaltung der materiellen Vorgaben sichergestellt werden. Diese Kompensation geschieht nicht nur durch eine präventive Kontrolle vor Ausführung, sondern auch durch eine (ebenfalls privatisierte) Kontrolle der BauausfühS. 33 (39) m.w. N.; ders., BayVBl. 1994, 321 (325); Dirnberger, in: Jäde / Weinl / Dirnberger / Bauer / Eisenreich, Die neue BayBO, Art. 70 Rn. 58; Bonifacio, Das Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 67 BauO NW, S. 66 ff. Die Plankonformität wird damit begründet, dass es sich bei einem Überschreiten von bzw. Zurückbleiben hinter Baugrenzen und Baulinien nicht um Ausnahmen oder Befreiungen i. S. d. § 31 BauGB, sondern um zum Wesen der Baulinie bzw. Baugrenze, mit ihr gleichsam festgesetzte „definitorische Bandbreiten“ handele. Gegen eine Anwendbarkeit Neuhausen, BauR 1996, 192 (195); Stollmann, NWVBl. 1995, 41 (42); Simon, BayVBl. 1994, 332 (334). Dabei weist Simon auf S. 336 insbesondere auf das Erfordernis einer behördlichen Entscheidung über die Zulassung einer derartigen Abweichung hin. Wenn es kein eigenes Verfahren dafür gebe, dann sei der Anwendungsbereich des Genehmigungsfreistellungsverfahrens nicht eröffnet. 146 S. dazu unten. 147 Neuhausen, BauR 1996, 192 (199), dort auch (199 f.) zu den dennoch bestehenden Möglichkeiten eines Verstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften (insbes. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO).

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rung. 148 Auch diese enthält ein Element präventiver Kontrolle, da sie zwischen der Errichtung und der Nutzung des Vorhabens steht; sie enthält allerdings im Hinblick auf die nachträgliche Kontrolle der Ausführung auch ein repressives Element. 149 Es bietet sich an, zwischen einer präventiven Kontrolle im engeren und einer im weiteren Sinne zu unterscheiden. Die erstgenannte muss vor Beginn jeglicher Ausführung stattfinden, während letztere zwischen der Ausführung und der Nutzung des Vorhabens zu seinem bestimmungsgemäßen Zweck steht. 150 Da sie zudem nur einen weiteren Anwendungsfall des Sachverständigenmodells darstellt, 151 konzentriert sich die weitere Untersuchung auf die präventive Kontrolle i. e. S. Die in deren Rahmen vorgesehenen Verfahrenselemente knüpfen daran an, dass auch im Rahmen der Genehmigungsfreistellung Unterlagen vorgelegt werden müssen. 152 Grundsätzlich kann weiterhin die Einreichung der Bauvorlagen verlangt werden. 153 Diese sind in der Regel von einem Entwurfsverfasser zumindest zu unterschreiben, der bauvorlageberechtigt sein muss. 154 Die Bauvorlageberechtigung knüpft wiederum an eine bestimmte Qualifikation als erforderliches Kriterium an. 155 148 Es handelt sich um eine begleitende Kontrolle. S. dazu auch Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, A 2.2.8. 149 Wohl aber einer präventiven Kontrolle i.w. S., denn auch die Überwachung bzw. Kontrolle der Bauausführung liegt zeitlich vor der Nutzung des Gebäudes zu dem vorbestimmten Zweck. 150 So müssen in NRW bei der Fertigstellung der baulichen Anlage Bescheinigungen von staatlich anerkannten Sachverständigen vorliegen, wonach diese sich durch stichprobenhafte Kontrollen während der Bauausführung davon überzeugt haben, dass die bauliche Anlage entsprechend der sachverständigen Nachweise errichtet oder geändert worden ist, Neuhausen, BauR 1996, 192 (199). 151 Man könnte auch zwischen einer präventiven, einer begleitenden und einer repressiven Kontrolle unterscheiden. 152 S. dazu die offene Regelung des § 62 Abs. 3 MBO 2002; dieser bedarf einer Ausfüllung durch die Muster-Bauvorlagenverordnung, Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 62 Abs. 3, S. 209. 153 Davon geht wohl auch § 62 Abs. 2 MBO 2002 aus; Art. 64 Abs. 2 BayBO 1998 (Art. 58 Abs. 3 BayBO 2008) i.V. m. § 3 BauVorlV sieht nur eine beschränkte Vorlagepflicht vor, weder Baubeschreibung noch bautechnische Nachweise sind einzureichen, vgl. zur Regelung der BayBO Taft, in: Simon, BayBO, Art. 64 Rn. 15; § 63 Abs. 3 BauO Bln; Einreichung der vollständigen Bauvorlagen ohne bautechnische Nachweise nach § 66 Abs. 4 LBauO Brem; § 56 Abs. 3 Satz 1 HessBauO; § 67 Abs. 2 Satz 1 LBauO Rh-Pf; § 68 Abs. 3 Satz 1 BauO LSA. 154 S. zu diesem Zusammenhang § 65 Abs. 1 MBO 2002; § 66 BauO Bln 2005 (vorher § 58 BauOBln); §§ 61 Abs. 4, 67 Abs. 5 BauO LSA 2005 (vorher § 68 Abs. 3, 7, § 70 Abs. 4 Satz 1, 2 BauO LSA) sowie § 64 Abs. 1 LBauO Rh-Pf. 155 Niedersachsen stellt für die Genehmigungsfreistellung nach § 69a NBO zudem bestimmte Anforderungen an den Entwurfsverfasser. Er muss den Anforderungen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 – 3 NBO entsprechen und ausreichend haftpflichtversichert sein.

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Ergänzend werden einzelne, näher festgelegte Kontrollaspekte (z. B. die Standsicherheit) einer besonderen sachverständigen Prüfung überantwortet und die Vorlage diesbezüglicher Nachweise gefordert, wobei für die sachverständige Prüfung nach dem Schwierigkeitsgrad des Vorhabens differenziert wird. Im einfachsten Fall wird dafür die Bauvorlageberechtigung als ausreichend angesehen, 156 teilweise allerdings verbunden mit zusätzlichen Anforderungen. 157 Zum Teil wird auch einfach auf Bauingenieure oder Architekten zurückgegriffen, die in Listen der entsprechenden Kammern eingetragen sind und über eine ausreichende Haftpflichtversicherung verfügen. 158 Auf einer weiteren Ebene wird gefordert, dass die entsprechenden Nachweise oder Bescheinigungen, insbesondere die bautechnischen Nachweise, durch Sachverständige mit bestimmter Qualifikation erstellt oder geprüft worden sein müssen, wobei die Bauordnungen in diesem Zusammenhang regelmäßig entweder auf Prüfingenieure 159 oder staatlich anerkannte Sachverständige zurückgreifen. 160 Verfahrensrechtlich ist dabei bedeutsam, dass die bautechnischen Nachweise z. T. nicht mehr als Teil der einzureichenden Bauvorlagen anzusehen sind, sondern nach einer separaten Regelung zu erbringen sind. 161 Daneben wird häufig in Form einer Garantieerklärung eine Erklärung des Entwurfsverfassers sowie der für die einzelnen Fachgebiete hinzugezogenen Sachverständigen verlangt, dass das Vorhaben den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorgaben (oder einem bestimmten Ausschnitt daraus) entspricht, 162 u.U. auch, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens vorliegen. 163 Diese Erklärung tritt an die Stelle der bauaufsichtlichen Prüfung 164 und soll die Einhaltung des materiellen Rechts zusichern. 165

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So z. B. § 68 Abs. 6 Nr. 1 BauO LSA. Vgl. z. B. Art. 68 Abs. 7 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 2 und 3 BayBO 2008); § 66 Abs. 2 LBauO M-V. 158 So § 69a Abs. 1 Nr. 4 NBO für den Nachweis über die Standsicherheit. Zusätzliche Berufserfahrung verlangt beispielsweise § 66 Abs. 2 MBO 2002. 159 So früher § 56a Abs. 3 Satz 3 BauO Bln; der jetzt geltende § 67 Bau Bln 2005 spricht ausschließlich von einer bauaufsichtlichen Prüfung bestimmter Nachweise. 160 § 68 Ab. 6 Nr. 2 und Nr. 3 BauO LSA. 161 Vgl. § 67 BauO Bln, s. dazu Hahn, BauR 2006, 1420 (1423). 162 § 69a Abs. 3 Nr. 2 und 3 NBO; § 67 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW (Brandschutz); s. die frühere Fassung des § 64 Abs. 5 LBauO M-V; § 66 Abs. 4 LBauO Brem. 163 So die nunmehr entfallene Regelung des § 56a Abs 3 Satz 2 BauO Bln. 164 Große-Suchsdorf / Lindorf / Schmaltz / Wiechert, Niedersächsische Bauordnung (7. Auflage), § 69a Rn. 31. Zur Einschränkung dieser an sich umfassenden Erklärung s. OLG Celle, 24. 9. 1997 – 22 Ss 204/97 (Owi) – BRS 60 Nr. 160, zitiert nach der o. g. Kommentierung. 165 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 117; s. auch Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (267). Degenhart, SächsVBL. 1995, S. 1 (6) äußert Kritik und sieht 157

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

Die verwirklichten Strukturen können gut anhand einiger Beispielsregelungen verdeutlicht werden. Nach der bayerischen Bauordnung müssen die Bauvorlagen 166 gem. Art. 64 Abs. 6 i.V. m. Art. 68 BayBO 1998 (Art. 64 i.V. m. Art. 61 BayBO 2008) von einem bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser stammen sowie von diesem und ggf. einem Sachverständigen unterschrieben sein. 167 Des Weiteren müssen vor Bauausführung bzw. vor Ausführung des entsprechenden Abschnittes gewisse Nachweise erstellt sein (Art. 64 Abs. 5 Satz 1 BayBO 1998), die allerdings weder der Gemeinde noch der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen sind. Diese Nachweise sind durch einen sogenannten Nachweisberechtigten erstellen zu lassen, dessen Regelung in Art. 68 Abs. 7 BayBO 1998 (Art 62 Abs. 1 BayBO 2008) an die Bauvorlageberechtigung anknüpft und je nach anzufertigendem Nachweis und Schwierigkeit des Vorhabens weitere Anforderungen an Berufserfahrung und Qualifikation stellt. Nachweise, die nicht durch einen Nachweisberechtigten erstellt worden sind, sind nicht gültig. 168 Für gesondert genannte Vorhaben müssen darüber hinaus die Nachweise über die Standsicherheit einschließlich der Feuerwiderstandsdauer tragender Bauteile durch besonders qualifizierte Sachverständige i. S.v. Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008) bescheinigt werden. Diese müssen den Anforderungen der SVBau genügen und zugelassen sein. 169, 170 Als ein Element privater Kontrolle muss in Nordrhein-Westfalen den einzureichenden Bauvorlagen gem. § 67 Abs. 2 BauO NRW eine Erklärung des Entwurfsverfassers beigefügt werden, dass das Vorhaben den Anforderungen an den Brandschutz entspricht. 171 Wie in Bayern ist im Rahmen der Bauvordie Erklärung nicht als gleichwertigen Ersatz einer präventiven behördlichen Prüfung an. Zum Umfang der Erklärung s. auch Große-Suchsdorf / Lindorf / Schmaltz / Wiechert, Niedersächsische Bauordnung, § 69a Rn. 35. 166 Wobei im Hinblick auf den Umfang der vorzulegenden Unterlagen nach der Art des Gebäudes differenziert wird. Während regelmäßig die gesamten Bauvorlagen nach § 1 BauVorlV (Verordnung über die Bauvorlagen im bauaufsichtlichen Verfahren, den Abgrabungsplan und die bautechnischen Nachweise [Bauvorlagenverordnung – BauVorlV] vom 8. 12. 1997 [GVBL S. 822, ber. 1998 S. 271, BayRS 2132 –1-2-I], geändert durch Verordnung vom 28. 12. 1999 [GVBl S. 589]) erforderlich und vorzulegen sind, gelten für Wohngebäude geringer Höhe reduzierte Anforderungen an den Umfang der Bauvorlagen (§ 3 BauVorlV). 167 Neben der Unterschrift des Bauherrn, Art. 64 Abs. 6 i.V. m. Art. 67 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BayBO 1998 (Art 64 Abs. 4 BayBO 2008). 168 Taft, in: Simon, BayBO, Art. 64 Rn. 33. 169 Verordnung über die verantwortlichen Sachverständigen im Bauwesen (Sachverständigenverordnung Bau – SVBau) i. d. F. der Bekanntmachung vom 24. September 2001 (GVBl. S. 578). Diese wurde erlassen auf Grundlage von Art. 90 Abs. 9 BayBO 1998. 170 Bemerkenswert hinsichtlich der BayBO 2008 ist, dass die Regelung, welche Nachweise vorzulegen sind, von den Verfahrenstypen entkoppelt sind und sich auf die Schwierigkeit des jeweiligen Verfahrens beziehen, vgl. Jäde, BayVBl. 2008, 33 (34). 171 S. dazu schon Stollmann, NWVBl. 1995, 41 (43).

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lagen die Bauvorlageberechtigung erforderlich, die in § 70 Abs. 3 BauO NRW geregelt ist. Daneben sieht § 67 Abs. 4, 7 BauO NRW eine weitergehende Einbeziehung privaten Sachverstands vor. 172 Bei den im Rahmen dieses Verfahrens anspruchsvolleren Vorhaben müssen bestimmte Nachweise, und zwar über die Standsicherheit, den Schall- und den Wärmeschutz, erstellt worden sein, wobei diese Nachweise entweder von einem staatlich anerkannten Sachverständigen 173 erstellt oder aber geprüft worden sein müssen. Dabei wird im Hinblick auf den Standsicherheitsnachweis zwingend ein Vier-Augen-Prinzip vorgesehen, d. h. dieser muss in jedem Fall durch einen staatlich anerkannten Sachverständigen geprüft worden sein, auch wenn der Ersteller selbst ein staatlich anerkannter Sachverständiger ist. 174 Allerdings sind diese Nachweise weder vorzulegen, noch gehören sie zu den Bauvorlagen, 175 sondern sie müssen lediglich beim Bauherrn vor Baubeginn vorliegen und auf Verlangen der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt werden. Auch die Regelung des § 62 LBauO M-V beruht weitgehend auf der Bauvorlageberechtigung. Bis auf den Standsicherheitsnachweis, der von einem Architekten oder bauvorlageberechtigten Ingenieur mit besonderer Berufserfahrung gefertigt werden muss, müssen die übrigen Nachweise von Bauvorlageberechtigten i. S.v. § 65 Abs. 2 LBauO M-V aufgestellt sein. Nach der Vorgängerfassung der LBauO M-V musste zudem eine Garantieerklärung des Entwurfsverfassers und der von diesem einbezogenen Sachverständigen darüber vorliegen, dass die von ihnen gefertigten Bauvorlagen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen. Weitere Unterlagen sind nach Fertigstellung einzureichen. 176 Auch in Niedersachsen muss der Entwurfsverfasser eine umfassende Garantieerklärung über die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften abgeben, die sich auch auf die Abstimmung und Berücksichtigung der von den Sachverständigen gefertigten Unterlagen bezieht. Hinsichtlich dieser Garantieerklärung und der Bauvorlagen wird ein Entwurfsverfasser verwendet, was konzeptionell und von den Anforderungen her der in den anderen Bauordnungen verwendeten Bauvorlageberechtigung entspricht. Bestimmte zu erbringende Nachweise müssen dabei zwar grundsätzlich ebenfalls von diesen Entwurfsverfassern, aber nur von solchen mit einer bestimmten Qualifikation, erstellt werden 177. Es besteht 172

S. dazu auch Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (256). Sachverständige nach der auf Grundlage von § 85 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 erlassenen „Verordnung über staatlich anerkannte Sachverständige nach der Landesbauordnung – SVVO“ vom 29. 4. 2000 (GV. NRW S. 422), geändert durch VO vom 25. 9. 2001 (GV. NRW S. 708). 174 Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 67 Rn. 37. 175 Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (58). 176 S. dazu im Einzelnen Ring, LKV 1995, 236 (239). 177 Vgl. § 69a Abs. 1 Nr. 4 und 5 NBO. 173

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

kein Dualismus durch Einbeziehung eines staatlich anerkannten Sachverständigen. Zusammenfassend lässt sich demnach feststellen, dass die Genehmigungsfreistellung an eine Kompensation in Form einer Einbeziehung von Sachverständigen geknüpft ist; die Anfertigung von Nachweisen und die Rolle des privaten Sachverstands werden aufgewertet. Diese Einbeziehung wiederum differenziert nach dem Schwierigkeitsgrad der Vorhaben, den zu kontrollierenden Anforderungen sowie den qualitativen Anforderungen an die privaten Sachverständigen. Eine Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist unterschiedlich geregelt. Grundlegendes Konzept ist die Selbstkontrolle der am Bau Beteiligten. • Abweichungsverfahren Der Wegfall der verfahrensabschließenden Entscheidung entbindet jedoch nicht von der Einhaltung der materiellen Vorgaben. 178 Allerdings kommen im Fall ihrer Nicht-Einhaltung auch Ausnahmen, Befreiungen und Abweichungen in Betracht. Nachfolgend wird für das Bauordnungsrecht der Begriff der „Abweichung“ als Oberbegriff verwendet, wie dies auch durch einige der neueren Bauordnungen geschieht. 179 Grundsätzlich kommen sowohl bei Ausnahmen und Befreiungen i. S.v. § 31 BauGB als auch bei Abweichungen drei unterschiedliche verfahrensrechtliche Varianten in Betracht, und zwar: • der Wegfall der Genehmigungsfreistellung, 180 • die isolierte Feststellung der Zulässigkeit der Abweichung, auch durch Vorbescheid, sowie • eine Entscheidung über die Abweichung im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens. Im Hinblick auf bauplanungsrechtliche Ausnahmen und Befreiungen sind alle Varianten verwirklicht. Dabei eröffnet insbesondere das Wiederaufleben der Genehmigungspflicht im ersten Fall 181 die Möglichkeit, bei einem entsprechenden 178

S. dazu auch Goerlich, SächsVBl 1996, 1 (2). S. z. B. § 67 MBO 2002. Dieser Begriff erfasst jedoch nicht die Ausnahmen und Befreiungen i. S.v. § 31 BauGB. Vgl. §§ 56 Abs. 4, 63 HessBauO. Für Art. 70 BayBO 1998, Dhom, in: Simon, BayBO, Art. 70 Rn. 1. 180 § 56 Abs. 2 Nr. 4 HessBauO. 181 So sieht die Landesbauordnung NRW keine isoliertes Abweichungsverfahren für bauplanungsrechtliche Vorschriften vor, da sich § 73 BauO NRW nur auf Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Vorschriften bezieht. S. auch Neuhausen, BauR 1996, 192 (195). Die Genehmigungsfreistellung entfällt des Weiteren beispielsweise in den Regelun179

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Interesse durch eine kleine Abweichung die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens zu erreichen. Eine isolierte Zulassung kann in Form der Erteilung eines Vorbescheids 182 oder durch eine Entscheidung in einem eigens dafür vorgesehenen Verfahren 183 geregelt werden. Letzteres schließt mit einer auf die konkrete Frage beschränkten Baugenehmigung ab 184 und kann, je nach Ausgestaltung, mit dem Genehmigungsfreistellungsverfahren dadurch verbunden werden, dass im Rahmen der Anzeige bei der Bauaufsichtsbehörde 185 ein entsprechender Antrag gestellt wird. 186 Zahlreiche Bauordnungen sehen eine Entscheidung im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens vor. 187 Ähnliche verfahrensrechtliche Möglichkeiten wurden für die Abweichungen realisiert. Neben einem generellen Ausschluss der Möglichkeit der Abweichung (§ 56 Abs. 2 Nr. 4 HessBauO) können in der überwiegenden Zahl der Fälle Abweichungen im Rahmen eines isolierten Verfahrens oder aber aufgrund eines Vorbescheids 188 zugelassen werden. 189 Die Abweichung ist in der Regel gesondert zu beantragen 190 und wird zum Gegenstand eines isolierten Verfahrens, das auch mit einer auf diese Frage beschränkten Genehmigung (oder Zulassung) abschließt. gen der Bauordnungen Bayerns und Hessens. Für Bayern wird ausdrücklich erwähnt, dass die Genehmigungsfreiheit auch bei einem Abweichen von den örtlichen Bauvorschriften entfällt, s. Simon, BayVBl. 1994, 332 (336). In Thüringen dürfte § 63e Abs. 2 ThürBO, der die Abweichung von bauplanungsrechtlichen Vorschriften regelt, ebenfalls nicht auf das Genehmigungsfreistellungsverfahren anwendbar sein, da er, anders als andere Regelungen, nicht spezifisch erwähnt wird. 182 So beispielsweise § 66 Abs. 3 Satz 1 Alt 2 LBauO Brem; so früher § 56a Abs. 2 Nr. 1 BauO Bln; diese Möglichkeit kommt insbesondere auch dann in Betracht, wenn das Vorhaben nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt; s. dazu Ortloff, LKV 1998, 131 (134). 183 So beispielsweise § 69a Abs. 6 NBO; s. auch die entfallene Regelung in Mecklenburg-Vorpommern nach § 64 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V, der den Anwendungsbereich dieser isolierten Zulassung ausdrücklich auch auf die örtlichen Bauvorschriften erweiterte; wohl auch § 68 Abs. 1 BauO LSA; dort ist nach § 72 Abs. 1 BauO LSA auch ein Vorbescheid möglich, was angesichts der bestehenden Wahlmöglichkeit zugunsten einer Baugenehmigung konsequent ist. S. auch § 67 Abs. 2 MBO 2002. 184 Preschel, DÖV 1998, 45 (48). 185 Insoweit eine solche überhaupt erforderlich ist. 186 Was dann allerdings Probleme für eine Bindung des Verfahrens an Fristen aufwirft, vgl. als Beispiel die Regelung des § 56a Abs. 3 Satz 4 BauO Bln. 187 § 51 Abs. 5 S. 1 LBO BW; so die entfallene Regelung des § 56a Abs. 3 S. 4 BauO Bln; § 1 Abs. 1 S. 2 Hamb BauAnzeigeV; § 66 Abs. 5,4 S. 6 LBO Saar; § 68 Abs. 8 S. 3 SächsBO; § 74 Abs. 8 LBO Schl.-H. 188 Vgl. dazu Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 92. 189 S. dazu die Nachweise bei Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 91. 190 Und zu begründen, s. beispielsweise § 67 Abs. 2 MBO 2002.

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

Ein behördliches Abweichungsverfahren sehen Art. 70 Abs. 3 BayBO 1998 (Art. 63 Abs. 3 BayBO 2008) sowie §§ 67 Abs. 5, 68 Abs. 7 BauO NRW vor. Danach kann die Genehmigungsbehörde über Abweichungen von den nicht zu prüfenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften auf besonderen Antrag und bereits vor dem Verfahren nach § 67 BauO NRW 191 entscheiden. Es bedarf eines ausdrücklichen Antrags auf Zulassung dieser Abweichung. Durch den Abweichungsbescheid wird die Übereinstimmung mit dem materiellen Recht hergestellt; er entfaltet somit legalisierende Wirkung. 192 Besonders hervorzuheben sind die Regelungen, nach denen eine behördliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer Abweichung komplett entfallen kann. So sieht § 67 Abs. 1 MBO 2002 (§ 66 Abs. 4 S. 2 MBO 2002) als Option vor, dass eine Abweichung auch ohne diesbezügliche Zulassungsentscheidung zulässig ist, wenn die bautechnischen Nachweise durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt worden sind. Geregelt ist damit in diesem Fall ein Prüfverzicht, der im Übrigen die bauaufsichtlichen Befugnisse unberührt lässt. 193 Die BayBO enthält darüber hinausgehend sogar eine Rechtmäßigkeitsfiktion, da nach Art. 69 Abs. 4 S. 1, 2 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008) die Voraussetzungen von Abweichungen als eingehalten gelten, wenn der Bauherr die Bescheinigung eines für diese Frage aufgrund der SVBau zugelassenen Sachverständigen vorlegt. 194 Die Behörde hat diese Frage nicht mehr zu prüfen. 195 Dies wird auch mit der Unterscheidung zwischen den materiellen Sicherheitszwecken und dem Weg, diese zu erreichen, erklärt. Die materiellen Sicherheitszwecke beinhalten die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers und den Interessenausgleich. Es ist daher entscheidend, diese materiellen Sicherheitszwecke einzuhalten. 196 Es ist dabei jedoch grundsätzlich nicht unerwünscht, wenn dies auf anderem Weg geschieht. 197 Insofern kommt es nicht auf eine detailgenaue Umsetzung an. Ohne eine staatliche Entscheidung kann aber nicht von den materiellen Sicherheitszwecken abgewichen werden. Damit lässt sich die Rechtslage dahingehend charakterisieren, dass die grundsätzliche Entscheidung über die Anforderungen durch den Gesetzgeber getroffen worden ist, aber die Einzelfallentscheidung über den geeigneten Weg, diese zu

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Neuhausen, BauR 1996, S. 192 (192); Stollmann, Abweichungsregelungen, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 149 (167) bezeichnet die vorherige Durchführung als sinnvoll. 192 Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 64, 65. 193 Jäde, MBO 2002, Erl. zu § 66 Abs. 4, S. 230. 194 S. Jäde / Weiß, BayVBl. 1998, 7 (13), die auf dessen hohe Qualifikation verweisen. 195 Schwarzer / König, BayBO, Art. 69 Rn. 20. 196 Jäde / Weiß, BayVBl. 1998, 7 (15); Jäde, BayVBl. 1994, 321 (323). 197 Jäde, BayVBl. 1994, 363 (365).

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erreichen, eine allenfalls sachverständige Wertung enthält und durch Private getroffen werden kann. • Nachbarinformation Nach einigen Regelungen über das Genehmigungsfreistellungsverfahren ist der Nachbar zu informieren. 198 Dabei sind unterschiedliche Ausgestaltungen dieser Informationspflicht denkbar. 199 Sie kann zu verschiedenen Zeitpunkten bestehen. Denkbar ist insbesondere eine Information zeitgleich mit der Einreichung der Unterlagen bei der Gemeinde oder der Bauaufsichtsbehörde. 200 Alternativ denkbar ist eine Information vor Baubeginn, wobei dem Bauherrn dann überlassen bleibt, ob er diese Informationspflicht unmittelbar vor Baubeginn oder aber bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfüllt. 201 Unterschiedlich können auch die Folgen sein, die an eine Verletzung dieser Informationspflichten geknüpft werden. Denkbar ist auf der einen Seite eine Ausgestaltung als unmittelbar sanktionslose Obliegenheit. 202 So setzt die Genehmigungsfreistellung der bayerischen Bauordnung nicht voraus, dass die Nachbarbeteiligung nach Art. 64 Abs. 3 BayBO 1998 (Art. 58 Abs. 5 BayBO 2008) durchgeführt worden ist. 203 Auf der anderen Seite kann diese Pflicht so ausgestaltet sein, dass ein Vorhaben, das ohne eine derartige Nachbarinformation errichtet wird, formell baurechtswidrig ist und daher auch das Risiko entsprechender bauaufsichtlicher Maßnahmen besteht. 204

198 Andere wiederum regeln die Beteiligung des Nachbarn nur im Rahmen von Genehmigungsverfahren bzw. der Zulassung von Abweichungen (insofern sind die Regelungen auf die Zulassung isolierter Abweichungen zumindest analog anzuwenden), s. etwa § 70 MBO 2002; § 62 HessBauO; s. auch § 72 NBO, der aber ein Einsichtsrecht regelt, das auch im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens zur Anwendung kommen kann. 199 Umstritten ist auch der Umfang der Informationspflicht. Zutreffend verlangen Schwarzer / König, BayBO, Art. 64 Rn. 24 eine Benachrichtigung, die einen Anstoß für den Nachbarn enthält, sich über das Vorhaben zu informieren. Weitergehend, aber ohne Stütze im Wortlaut des Gesetzes, Gröpl / Schleyer, BayVBl. 1998, 97 ff. 200 So Art. 64 Abs. 3 BayBO 1998 (Art. 58 Abs. 3 BayBO 2008). 201 § 67 Abs. 4 Satz 3 BauO NRW; s. dazu auch Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (56). 202 So in Bayern zumindest nach der BayBO 1994, s. Dirnberger, in: Jäde / Weinl / Dirnberger / Bauer / Eisenreich, Die neue BayBO, Art. 70 Rn. 152; Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (56). 203 Koch / Molodovsky / Famers, Bayerische Bauordnung I, Art. 64 Anm. 6.1 (die Regelung in der BayBO 2008 ist weitgehend unverändert). 204 Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (56).

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

(3) Zusammenfassung Im Rahmen dieser Verfahrensart besteht grundsätzlich keine präventive bauaufsichtliche Kontrolle mehr. 205 Das Vorhaben wird, wenn überhaupt, der Bauaufsichtsbehörde nur informatorisch zur Kenntnis gebracht. 206 Die vorgesehene Beteiligung der Gemeinde dient, wie oben dargelegt, gerade nicht der präventiven Kontrolle der bauaufsichtlichen Vorgaben, sondern soll nur helfen, deren spezifische Interessen hinsichtlich des Bauplanungsrechts zu wahren. Eine Übertragung dieses Elements ist daher nur in einer entsprechend vergleichbaren Situation sinnvoll, ein weitergehender Einsatz scheidet aus. Die maßgeblichen Regelungselemente, die für die Entwicklung eines Sachverständigenmodells relevant sein können, sind die Einbeziehung von privatem Sachverstand sowie die Möglichkeit der isolierten Entscheidung über Abweichungen. Im Hinblick auf die Kompensation für den Wegfall der behördlichen Prüfung durch privaten Sachverstand, die aufgrund der uneingeschränkten Bindung an das materielle Recht bedeutsam ist, zeigt sich, dass je nach zu prüfender Frage und Schwierigkeitsgrad des Vorhabens differenziert wird und die Aufgaben auf ein gestuftes System des privaten Sachverstands verteilt werden. Dem Bauherrn wird allerdings ein gewisses Maß an Unsicherheit und damit verbundener Belastung zugemutet. Ein Ausdruck dieser Unsicherheit ist das dem Bauherrn vereinzelt eingeräumte Wahlrecht zu Gunsten der Durchführung eines (vereinfachten) Genehmigungsverfahrens. 207 Ebenfalls Ausdruck dieser Unsicherheit sind die Überlegungen, wie der Bauherr auch ohne ein solches Wahlrecht die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens erreichen kann. Durch die Einräumung des Wahlrechts soll einer „Flucht in das Regelverfahren“ vorgebeugt werden. 208 Gleichzeitig soll dem Bauherrn eine interessengerechte Verfahrensgestaltung, insbesondere im Hinblick auf sein vermutetes oder bestehendes Interesse an Rechtssicherheit, ermöglicht werden. Er kann damit der gesteigerten Eigenverantwortung entkommen. Die Bilanz aus Vor- und Nachteilen einer Verfahrensart kann nur der einzelne Bauherr ermitteln, sie kann nicht 205

Jäde, GewArch 1995, 187 (190). Erbguth / Stollmann, JZ 1995, 1141 (1143). 207 Ein derartiges Wahlrecht ist nicht vorgesehen in der MBO 2002, in Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz (dort ist umgekehrt vorgesehen, dass der Bauherr unter bestimmten Voraussetzungen aus dem vereinfachten Genehmigungsverfahren in das Genehmigungsfreistellungsverfahren wechseln kann); vorgesehen ist ein solches in Nordrhein-Westfalen und in Sachsen-Anhalt. Damit gilt nach wie vor, dass es für das Genehmigungsfreistellungsverfahren eher typisch ist, wenn dem Bauherrn kein derartiges Wahlrecht eingeräumt ist, s. dazu auch Erbguth / Stollmann, JZ 1995, 1141 (1143). 208 Goerlich / Krüger, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 551 (557). 206

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abstrakt ermittelt werden. 209 Allerdings verursacht die Ausübung des Wahlrechts einen Prüfungsaufwand und verhindert (teilweise) die eigentlich angestrebte Reduzierung behördlicher Prüfungen. Damit widerspricht das Wahlrecht dem eigentlichen Zweck der Reformen und gefährdet die Erreichung der angestrebten Ziele. Deshalb werden diese Regelungen kritisiert, insbesondere auch unter dem Aspekt des Zieles der Entbürokratisierung. 210 cc) Das baurechtliche Anzeigeverfahren (Verfahrenstypus des Anmeldeverfahrens) 211 Einige Bauordnungen sehen anstelle eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens ein Anzeigeverfahren vor. 212 Dieses unterscheidet sich von dem oben dargestellten Genehmigungsfreistellungsverfahren dadurch, dass nach der erforderlichen Anzeige 213 an die Bauaufsichtsbehörde 214 noch eine Wartefrist von meistens einem Monat nach Eingang der vollständigen Anzeige einzuhalten ist, bevor mit der Bauausführung begonnen werden darf. Damit ist der Bauaufsichtsbehörde eine Prüfoption eingeräumt. 215 Dabei ist an eine stichprobenartige Überprüfung 209 Eine derartige Verfahrenswahl entspricht im Übrigen auch den Vorstellungen der Schlichter-Kommission. 210 Gubelt, NVwZ 2000, 1013 (1015). Positiv wohl Ortloff, NVwZ 2000, 750 (750, 752), der die Einführung eines Wahlrechts als Reaktion auf die geäußerte Kritik ansieht und diese rückläufigen Entwicklungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein betont. 211 S. zu diesem Verfahren Jäde, ZfBR 1996, 241 (246); ders., ZfBR 2000, 519 (523); ders., ThürVBl. 1996, 49 ff.; Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 246 ff. (der dies auch als qualifizierte Anzeige bezeichnet); Schulte, DÖV 1996, 551 ff. 212 Gerade bei diesem Verfahren variieren die Bezeichnungen stark. So gehört auch das Kenntnisgabeverfahren nach § 51 LBO BW zu der Kategorie des baurechtlichen Anzeigeverfahrens (s. zu diesem Verfahren Dürr / Reichert, Baurecht, Rn. 240 ff.); § 58 BbgBO (Bauanzeigeverfahren); § 62b SächsBO (Anzeigeverfahren); § 74 LBO SchleswigHolstein (Baufreistellung für Wohngebäude und Nebenanlagen); s. den bis 30. 4. 2004 gültigen § 62b ThürBO (Genehmigungsfreiheit bei Wohngebäuden und Nebenanlagen). Auch das Anzeigeverfahren nach Art. 53 Abs. 4 S. 2 BayBO 2008 (Beseitigung von Anlagen) unterfällt dieser Verfahrenskonzeption. 213 Die i. d. R. auch eine Erklärung des Entwurfsverfassers und der anderen Sachverständigen über die Rechtmäßigkeit des Vorhabens beinhalten muss. 214 Im Rahmen verschiedener Verfahren wird das Vorhaben der Gemeinde angezeigt, die die Unterlagen an die Baurechtsbehörde weiterleiten muss (so das Kenntnisgabeverfahrens in Baden-Württemberg, s. zu diesem auch Pfaff, VBlBW 1996, 281 (282)). Nach der allerdings inzwischen geänderten Regel des § 69 Abs. 5 S. 1 BbgBO begann die Frist sogar erst nach der Weiterleitung durch die Gemeinde an die Bauaufsichtsbehörde zu laufen. 215 „Potentielle bauaufsichtliche Prüfung“, Jäde, GewArch 1995, 187 (191). SchmidtPreuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (590) bezeichnet dies als „Quasi-Kontrolle“.

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

gedacht. 216 Die Frist gibt der Bauaufsichtsbehörde die Gelegenheit, den Baubeginn zu untersagen. 217 An dieser Stelle realisiert sich die verbleibende staatliche Verantwortung. Da die Wartefrist die Option für eine volle materielle Überprüfung des Vorhabens sichert, fällt es in der allgemeinen Terminologie unter die Verfahrensart der „Anmeldung“. Der Einräumung einer bloßen Prüfoption bedeutet gleichzeitig, dass insofern kein Pflichtprüfungsprogramm mehr besteht. Als Konsequenz tragen auch hier Bauherr und Entwurfsverfasser das Nonkonformitätsrisiko; die Schutzfunktion der öffentlich-rechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung entfällt ersatzlos. 218 Es besteht kein Vertrauensschutz; das Vorhaben bleibt – auch nach Fristablauf – dem ungehinderten Zugriff der Bauaufsichtsbehörde offen, wenn sich dazu später Veranlassung ergibt. 219 Auch hier ist eine Einbeziehung der Gemeinde dahingehend denkbar, dass sie innerhalb dieser Frist die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens verlangen kann. 220 (1) Anwendungsbereich und -voraussetzungen Das baurechtliche Anzeigeverfahren stellt letztlich das Komplementärverfahren zu dem Genehmigungsfreistellungsverfahren dar, so dass die jeweiligen Anwendungsbereiche und -voraussetzungen zumindest in den Anfängen weitgehend übereinstimmten. 221 Diese Aussage gilt nicht mehr uneingeschränkt in den Fällen, 216 S. Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (5), der dies allerdings als nicht ausreichend ansieht; s. amtliche Begründung dieses Aufbaubeschleunigungsgesetzes, LT-Drs. 1/4096, S. 72. 217 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 247. Die ehemals in § 63 Abs. 8 S. 1 SächsBO (a.F.) enthaltene spezialgesetzliche Ermächtigung für eine Untersagung innerhalb der Prüfungsfrist besteht nicht mehr; vielmehr ist auch in Sachsen für den Fall eines Baurechtsverstoßes auf die allgemeinen Befugnisse zurückzugreifen, s. zu der alten Regelung Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (590). 218 Goerlich / Krüger, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 551 (555). Dort auf S. 558 zum nicht bestehenden Vertrauensschutz. S. dazu auch SächsOVG, Beschluss vom 17. 11. 1998 – 1 S 669/98 –, SächsVBl. 1999, 131 (131 f.). Auf eine mögliche Ingerenz der Bauaufsichtsbehörde weist hin Jäde, ZfBR 1996, 241 (246). 219 Jäde, GewArch 1995, 187 (191); Preschel, DÖV 1998, 45 (47). Einen Vertrauensschutz zieht demgegenüber Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (6) in Erwägung. 220 So die Regelung des § 63 Abs. 1 Nr. 4 SächsBauO, s. dazu Gramlich, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 521 (543); Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (590 f.), der auch auf die geltende Willkürgrenze für die gemeindliche Erklärung hinweist; s. auch VG Münster, Urteil vom 26. 11. 1998 – 2 K 819/98 –, BauR 1999, 626 (626 f.).

§9 Verfahrensprivatisierung und Deregulierung

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in denen der Anwendungsbereich des vereinfachten Genehmigungsverfahrens erheblich ausgeweitet wurde. Das Vorhaben muss planungsrechtlich einfach sein, d. h. es muss im Geltungsbereich eines wirksamen Bebauungsplans oder einer entsprechenden Satzung liegen, aus dem bzw. der sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ergibt. Dabei stellen sich für den Fall der Unwirksamkeit die gleichen Probleme im Hinblick auf einen Vertrauensschutz für den Fall der später festgestellten (ex-tunc) Nichtigkeit, zumal die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht im Verantwortungsbereich des Bauherrn liegt. 222 Auch im Rahmen des Anzeigeverfahrens werden dem Bauherrn Wahlrechte eingeräumt, mit denen er anstelle des Anzeigeverfahrens die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens verlangen kann. 223 Umgekehrt ist auch die Ausgestaltung denkbar, dass ein Anzeigeverfahren nur auf Wunsch des Bauherrn durchgeführt wird. 224 (2) Elemente des baurechtlichen Anzeigeverfahrens Auch hier sollen wieder prägende Elemente dargestellt werden, die für ein Sachverständigenmodell von Bedeutung sein können. Neben der sachverständigen Kontrolle und den Abweichungen ist hier die Wartefrist samt der damit verbundenen Prüfoption von Interesse. • Anzeige und die Elemente sachverständiger Kontrolle Grundlage und Auslöser des baurechtlichen Anzeigeverfahrens ist eine Anzeige bei der Bauaufsichtsbehörde, die unterschiedliche Vorlagepflichten beinhaltet, wobei teilweise auch noch eine Beteiligung der Gemeinde vorgeschaltet wird. 225 221

Calliess, Die Verwaltung 34 (2001), 169 (171). Vgl. auch (früher) § 74 Abs. 1 Satz 1 LBO Schl.-H; § 63 Abs. 1, 2 SächsBO; § 66 Abs. 1 Satz 1 LBO Saar; § 1 BauanzeigeVO Hamburg; früher auch § 58 Abs. 1 BbgBO, der inzwischen für das Anzeigeverfahren einen geringeren Anwendungsbereich festlegt, s. zu der Vorgängernorm aber auch Jäde, LKV 1998, 465 (446 f.). 222 Zu der Problematik und Lösungsmöglichkeiten s. Goerlich / Krüger, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 551 (558 ff.). Eine ausdrückliche Regelung des Vertrauensschutzes ab Baubeginn enthielt z. B. § 63 Abs. 11 SächsBauO a.F. 223 So § 51 Abs. 7 LBO BW, ein vergleichbares Wahlrecht in Berlin ist entfallen, Ortloff, LKV 1998, 131 (133); § 66 Abs. 10 LBO Saar; § 74 Abs. 13 LBO Schl.-H. Nicht vorgesehen in Hamburg, Sachsen und Thüringen. 224 So § 58 Abs. 1 BbgBO, vgl. zu der Vorgängervorschrift auch Jäde, LKV 1998, 465 (465 f.). 225 So früher nach der in der Zwischenzeit geänderten Regelung des 69 Abs. 3 BbgBO; s. dazu auch Jäde, LKV 1998, 465 (467 f.).

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

Grundsätzlich sind im Rahmen der Anzeige die Bauvorlagen in dem gleichen Umfang einzureichen, wie dies auch im Genehmigungsverfahren erforderlich ist, 226 und daher werden keine geringeren Anforderungen an sie gestellt. 227 Sie müssen regelmäßig von einem Entwurfs – oder Planverfasser unterschrieben sein, der auch ihr Ersteller ist. 228 Bei ihm muss es sich regelmäßig um einen Bauvorlageberechtigten handeln. Dessen Einbeziehung stellt die erste Stufe der Nutzung sachverständiger Qualifikation und dementsprechend in nahtloser Anknüpfung an das Modell des Genehmigungsverfahrens eine erste Ebene der Qualitätssicherung dar. Er trägt die Verantwortung dafür, dass der Entwurf den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, 229 sowie für die Koordination der allgemeinen Planung und darauf bezogener Fachplanung des Bauvorhabens, insbesondere für den Fall der Einbeziehung weiterer Sachverständiger oder Fachplaner. 230 Er muss darüber hinaus in vielen Fällen ebenfalls eine Garantieerklärung über die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben abgeben. 231 Diese kann sich ebenfalls auf die Anwendungsvoraussetzungen des Verfahrens 232 oder aber darauf, dass keine Abweichungen erforderlich sind, 233 beziehen. 234 Auch im Rahmen des baurechtlichen Anzeigeverfahrens wird auf einer weiteren Stufe bzw. Ebene verlangt, dass mit der Erstellung oder der Prüfung 235 bestimmter Nachweise Sachverständige mit besonderer Sachkunde zu beauftragen sind. 236 Zurückgegriffen wird dabei auf Sachverständige, die auf bestimmten 226 So beispielsweise im Rahmen das Kenntnisgabeverfahrens nach § 51 LBO BW aufgrund der Regelung des § 52 Abs. 2 LBO BW. Für Brandenburg s. § 58 Abs. 5 i.V. m. § 57 Abs. 2 BbgBO. 227 S. Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (5). 228 S. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 11 Rn. 16. S. müssen sie z. B. nach § 74 Abs. 1 Satz1 LBauO Schl.-H. von einem Bauvorlageberechtigten gefertigt sein. 229 Dies ist in Baden-Württemberg ausdrücklich geregelt, § 43 Abs. 1 LBO BW. 230 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 11 Rn. 6. Derartige Sachverständige wird er i. d. R. für den Fall, dass ihm eigene Sachkunde auf einem Gebiet fehlt, hinzu ziehen. Diese müssen die von ihnen erstellen Bauvorlagen auch unterschreiben, § 52 Abs. 2 Satz 2, § 43 Abs. 2 LBO BW. 231 § 3 Abs. 2 Nr. 8 BauanzeigeV Hamburg; § 66 Abs. 3 LBO Saar; § 63 Abs. 4 SächsBO; § 74 Abs. 6 LBauO Schl.-H; so auch der frühere § 62b Abs. 2 ThürBO. Nach § 66 Abs. 3 LBO Saar; § 74 Abs. 6 LBauO Schl.-H ist auch eine Erklärung der von ihm hinzugezogenen Sachverständigen über die Einhaltung des öffentlichen Rechts in dem von ihnen geprüften Teil. 232 Vgl. beispielsweise § 66 Abs. 3 LBO Saar sowie den früheren § 62b Abs. 2 ThürBO. 233 Vgl. beispielsweise § 57 Abs. 2 BbgBO; sowie den früheren § 62b Abs. 2 ThürBO. 234 Eine Pflicht zur Erklärung des Bauherrn enthalten § 66 Abs. 3 LBO Saar; § 74 Abs. 6 LBauO Schl.-H.; beide verlangen allerdings Erklärungen des Bauherrn nur im Hinblick auf bestimmte Voraussetzungen, namentlich die Anlage oder Ablösung eines Kinderspielplatzes (Saarland) sowie die Verpflichtung zur Herstellung oder Ablösung von Stellplätzen, Garagen oder Abstellplätzen für Fahrräder.

§9 Verfahrensprivatisierung und Deregulierung

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Listen geführt werden, 237 auf die Rechtsfigur des staatlich anerkannten Sachverständigen 238 oder die des Prüfingenieurs für Baustatik 239. Auch die Regelung in Baden-Württemberg baut auf der Bauvorlageberechtigung auf, 240 wobei der Planverfasser ausdrücklich auf die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen verpflichtet ist 241 und eine Garantieerklärung abgeben muss. 242 Auf einer weiteren Ebene müssen die bautechnischen Nachweise durch einen Prüfingenieur für Baustatik geprüft werden, der eine Prüfbestätigung abzugeben hat. 243 Diese Prüfung entfällt bei kleineren Vorhaben, wobei dann der Standsicherheitsnachweis durch eine ausreichend qualifizierte Person erstellt werden muss. 244 Insofern wird nach der Schwierigkeit des Vorhabens differenziert. In Sachsen ist ein gestuftes System der Erstellung und Prüfung der bautechnischen Nachweise geregelt, das auch auf das dort als Genehmigungsfreistellung bezeichnete Verfahren (§ 62 SächsBO) Anwendung findet. Während grundsätzlich nach § 66 Abs. 1 SächsBO die Bauvorlageberechtigung für die Erstellung bautechnischer Nachweise ausreicht, muss der Standsicherheitsnachweis bei niedrigeren Gebäuden durch besonders qualifizierte Personen erstellt werden. 245 Bei größeren bzw. schwierigeren Vorhaben ist nach § 66 Abs. 3 SächsBO 235 Wobei dann auch vorgesehen ist, dass bei einer Prüfung durch einen der näher bestimmten Sachverständigen der Nachweis auch durch einen anderen, nicht zwingend derart qualifizierten, erstellt werden darf. 236 Wobei dieses Element deutlich weniger ausgeprägt erscheint als bei dem Komplementärverfahren (dem Genehmigungsfreistellungsverfahren), was wohl auch damit zusammenhängt, dass dort keine Prüfoption mehr besteht. 237 So § 66 Abs. 2 Nr. 2 LBO Saar, § 67 LBO Saar. Für Schleswig-Holstein: Personen, die in der Liste der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig Holstein geführt werden, § 74 Abs. 4, § 73 Abs. 4 Nr. 3 LBauO Schl.-H. 238 Vgl. § 63 Abs. 8 Satz 5 SächsBO. 239 Vgl. § 66 Abs. 2 Satz 5 LBO Saar. 240 S. zu dieser Sauter / Vàmos, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, I Anhang 1. 241 § 52 Abs. 1, 2. § 43 LBO BW. 242 § 11 Abs. 2 Nr. 2 LBOVVO (Verordnung der Landesregierung und des Wirtschaftsministeriums über das baurechtliche Verfahren (Verfahrensverordnung zur Landesbauordnung – LBOVVO) vom 13. 11. 1995 (GBl. S. 794), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. 5. 2003 (GBl. S. 228). 243 § 17 Abs. 2 LBOVVO, zum Prüfingenieur s. auch die Verordnung des Wirtschaftsministerium über die bautechnische Prüfung baulicher Anlagen (Bauprüfverordnung – BauPrüfVO) vom 21. 5. 1996 (GBL. S. 410), zuletzt geändert durch Art. 46 G vom 1. 7. 2004 (GBL. S. 469). 244 § 18 LBOVVO. 245 § 66 Abs. 2 SächsBO. Es muss sich um einen Bauingenieur oder Architekten mit einer mindestens dreijährigen Erfahrung in der Tragwerksplanung handeln, der in einer Liste bei der Ingenieurkammer eingetragen ist.

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

eine bautechnische Prüfung des Standsicherheitsnachweises und auch des Brandschutznachweises erforderlich. • Fristen / Prüfoption Kennzeichnend für das baurechtliche Anzeigeverfahren ist die Prüfoption. Diese wird durch eine Frist von i. d. R. einem Monat gesichert, 246 innerhalb derer die Bauaufsichtsbehörde die Ausführung des Bauvorhabens untersagen kann. Dieser Prüfoption steht allerdings keine Prüfpflicht gegenüber. 247 Eine solche ist teilweise explizit ausgeschlossen worden, 248 was aus der Absicht resultiert, jegliche Verantwortung der Behörde zu vermeiden; ihr Nichts – Tun soll keine Vermutung zugunsten einer Einhaltung der Vorgaben auslösen. Eine Prüfpflicht wird auch nicht in dem Fall angenommen, in dem die Feststellung eines Verstoßes gegen formelles oder materielles Recht eine Pflicht zur Untersagung begründet. 249 Zweck der Prüfoption ist im Wesentlichen, dass die primäre Verantwortlichkeit des Bauherrn sich nicht erst gegenüber der repressiven, sondern bereits gegenüber einer präventiven Kontrolle bewähren soll. 250 Kennzeichnend ist, dass die Prüfoption auf eine umfassende materielle Kontrolle zielt und eine präventive Untersagung ermöglichen bzw. gewährleisten soll. Auch die Normierung einzelner Versagungsgründe schränkt die Möglichkeit der umfassenden Prüfung nicht ein, zumal i. d. R. einer dieser Gründe über den Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die gesamte Rechtsordnung erfasst. 251 Sollte im Rahmen der Überprüfung ein Verstoß gegen formelles oder materielles Recht festgestellt werden bzw. einer der normierten Versagungsgründe eingreifen, ist zum Teil ausdrücklich eine Untersagungspflicht normiert. 252 Im Übrigen ist von einer Ermessensentscheidung auszugehen. 246

So § 59 Abs. 4 LBO BW; § 58 Abs. 3 Satz 1 BbgBO; § 74 Abs. 9 Satz 1 LBauO Schl.-H.; in Hamburg 2 Wochen nach dem bestätigten Eingang, § 5 Abs. 1 BauanzeigeV; differenzierte Regelung im Saarland mit mehren Prüfschritten und Bestätigung der Freistellung durch die Bauaufsichtsbehörde; 3 Wochen in Sachsen, § 62 Abs. 3 Satz 3 SächsBO n.F., § 63 Abs. 8 Satz 1 SächsBO a.F. 247 Jäde, ZfBR 1996, 241 (246). 248 Vgl. beispielsweise § 51 Abs. 5 Satz 2 LBO BW, der sogar einen Prüfverzicht, allerdings kein Prüfverbot enthält, Sauter / Vàmos, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, § 51 Anm. 10; § 74 Abs. 7 LBauO Schl.-H., dort wird ausdrücklich die Möglichkeit einer Ermessensprüfung nach § 66 Abs. 1 LBauO Schl.-H. aufrecht erhalten, s. auch Arndt / Jensen / Thomsen / Witt, Handkommentar zur LBO Schleswig-Holstein, § 74 Rn. 21. 249 Jäde, LKV 1998, 465 (469). 250 Jäde, UPR 1995, 81 (81 f.). 251 S. für § 58 Abs. 4 BbgBO (zur insofern übereinstimmenden Vorgängernorm) Jäde, LKV 1998, 465 (468). 252 So § 58 Abs. 2 BbgBO, s. zur Vorgängernorm Jäde, LKV 1998, 465 (469). Die Untersagung ist zu begründen.

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Die Wartefrist, die die Prüfoption und die Möglichkeit der Untersagung sichert, wird erst dann ausgelöst, wenn die Anzeige und die beizufügenden Unterlagen vollständig und fehlerfrei sind. 253 Weder die Tatsache, dass die Behörde die Frist verstreichen lässt, noch eine vorzeitige Baufreigabe entfalten eine Feststellungswirkung im Hinblick auf die Einhaltung der Vorgaben. Insbesondere eine vorzeitige Baufreigabe stellt einzig und allein eine Erklärung dahingehend dar, dass die Bauaufsichtsbehörde keine Untersagung des Vorhabens aussprechen wird. 254 Der Bauherr trägt die Verantwortung für die materielle Rechtmäßigkeit und damit auch das entsprechende Risiko; dieses kann nicht auf die Behörde übergehen. • Abweichungen Im Hinblick auf den Umgang mit Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen werden im Wesentlichen die bereits im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens verwendeten Konzeptionen eingesetzt. In der Regel sind Abweichungen gesondert zu beantragen. Über diesen Antrag ist dann auch gesondert durch Verwaltungsakt zu entscheiden, wobei dies auch als Element des Anzeigeverfahrens vorgesehen ist. 255 Das „Abweichungsverfahren“ ist somit entweder als Teil des baurechtlichen Anzeigeverfahrens 256 oder aber als isoliertes Verfahren ausgestaltet. 257 Eine derartige „isolierte“ Zulassung, sei es als Element des Anzeigeverfahren, sei es außerhalb dieses Verfahrens oder als Vorbescheid, ist allerdings nicht uneingeschränkt nach allen Regelungen möglich, insbesondere im Hinblick auf bauplanungsrechtlich erforderliche Ausnahmen und Befreiungen. 258 Ist sie nicht möglich, lebt bei einer Abweichung die Genehmigungspflicht wieder auf. 253 Jäde, LKV 1998, 465 (472). Keine Auswirkungen hat eine Unvollständigkeit der Unterlagen allerdings in Brandenburg. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Unvollständigkeit extra als Untersagungsgrund nach § 58 Abs. 4 Nr. 3 BbgBO normiert worden ist. S. zur Vorgängernorm auch Jäde, in: ders. / Dirnberger / Reimus, Bauordnungsrecht Brandenburg, § 69 BbgBO Rn. 95. 254 S. Jäde, LKV 1998, 465 (469 ff.). 255 Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (5). 256 § 52 Abs. 5 LBO BW; § 74 Abs. 9 LBO Schl.-H. 257 § 60 BbgBO; § 67 Abs. 2 S. 1 und S. 3 SächsBO. 258 So ist im Rahmen des Verfahrens nach § 63a ThürBO wohl die Regelung über Abweichungen nach § 63e ThürBO anzuwenden, allerdings kann im Rahmen dieser Regelung nicht über Abweichungen vom Bauplanungsrecht entschieden werden, weil die Konformität mit dem Bebauungsplan bereits Anwendungsvoraussetzung des Verfahrens ist. Der Vorbescheid nach § 73 ThürBO findet keine Anwendung, da im Rahmen der Genehmigungsfreistellung kein Bauantrag vorliegt und die Vorschrift nicht für anwendbar erklärt worden ist. In Sachsen findet sich in § 67 Abs. 2 S. 1 SächsBO die ausdrückliche Regelung, dass Abweichungen auch von den Vorschriften eines Bebauungsplans erlaubt werden können. Vgl. auch § 56 LBO BW.

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(3) Zusammenfassung Auffallend ist, dass das baurechtliche Anzeigeverfahren als Anmeldeverfahren eigentlich eine gegenüber dem Genehmigungsfreistellungsverfahren gesteigerte Prüfintensität aufweist, der Anwendungsbereich beider Verfahren allerdings mehr oder weniger identisch ist. Dies dürfte im Wesentlichen mit unterschiedlichen Vorstellungen in den Ländern im Hinblick auf die Notwendigkeit und das Ausmaß der präventiven Kontrolle zusammenhängen. Jedoch zeigt sich, dass gleichsam als Ausgleich für die aufgrund der gesicherten Prüfoption intensivere staatliche Kontrolle die entsprechende private Kontrolle durch Sachverständige in manchen Fällen deutlich weniger intensiv ausgestaltet worden ist. Sie ist dann sehr viel stärker auf der Ebene der Bauvorlageberechtigung angesiedelt und beruht damit weniger auf dem Einsatz staatlich anerkannter Sachverständiger. 259 dd) Das vereinfachte Genehmigungsverfahren Das vereinfachte Genehmigungsverfahren gilt als wesentlicher Baustein, um die Zielsetzungen einer stärkeren Eigenverantwortlichkeit des Bauherrn und der Rücknahme der behördlichen Kontrolltätigkeit zu verwirklichen. 260 Im Bauordnungsrecht 261 folgt es nicht dem Modell des Wegfalls von Verfahrensschritten, sondern dem der Reduktion des Prüfumfangs. 262 Zwar endet das Verfahren nach wie vor mit der Erteilung einer Genehmigung, allerdings prüft die zuständige Bauaufsichtsbehörde das Vorhaben nicht mehr auf die Einhaltung aller für das Vorhaben einschlägigen Vorgaben. 263 Dies gilt insbesondere für bauordnungsrechtliche Regeln. 264 Der Prüfungsumfang wird auf einen Kernbereich 259 Die Kontrolle auch der Beauftragung in Sachsen, die das Bild etwas verzerrt hatte, besteht nicht mehr, s. dazu unten. 260 Koch / Molodovsky / Famers, BayBO I, Art. 73 Anm. 1.2. Vgl. BGH, Urteil vom 27. 9. 2001 – VII ZR 391/99 –, BauR 2002, 114 (114): „Abbau staatlicher Bauaufsicht unter gleichzeitiger bewußter Verstärkung der Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten“. 261 S. dazu Jäde, ZfBR 1996, 241 (248); S. zu dessen Entwicklung Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 216; allg. dazu auch Jäde, GewArch 1995, 187 (191 f.); ders., ThürVBl. 1998, 193 (197), dort auch Hinweise auf nicht einheitliche Bezeichnung und entspr. Nachweise der gesetzlichen Regelungen. Winkler, BayVBl. 1997, 744 ff. 262 S. dazu oben. S. auch Jäde, UPR 1995, 81 (83); ders., ThürVBl. 2004, 197 (201). Zwar ist eine Kombination mit einer Ablaufvereinfachung und damit dem anderen Verständnis eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens (vgl. § 19 BImSchG) möglich, Jäde, LKV 1998, 465, aber nicht von Relevanz für die Entwicklung des Sachverständigenmodells. 263 S. für das vereinfachte Genehmigungsverfahren in Bayern Simon, BayBO, Art. 73 Rn. 3. 264 Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (948); dies betrifft i. d. R. zumindest technische Vorgaben. Teilweise entfällt, bis auf Abweichungen, jegliche Prüfung des Bauordnungs-

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reduziert, 265 wobei dieser von den verschiedenen Bauordnungen unterschiedlich weit definiert wird. Charakteristisch ist, dass entweder die prüfungsrelevanten Vorschriften aufgezählt werden (positive Beschreibung), 266 wobei regelmäßig zumindest die bautechnische Prüfung entfällt, 267 oder dass negativ beschrieben wird, welche Anforderungen im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nicht mehr zu prüfen sind. Tendenziell weisen die „Positiv“ – Modelle einen höheren Grad an Deregulierung auf. 268 Dabei ist der kleinste gemeinsame Nenner die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit; diese ist nach allen Regelungsmodellen Gegenstand des Pflichtprüfprogrammes im vereinfachten Genehmigungsverfahren. 269 Unterschiede bestehen insbesondere im Hinblick auf den darüber hinausgehenden Prüfungsumfang. Aufgrund dieser Konzeption handelt es sich bei der in diesem Verfahren erteilten Genehmigung nur um eine eingeschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. 270 Inhalt und Wirkungen 271 beziehen sich nur auf das Prüfungsprogramm, wobei dazu auch fakultative Erweiterungen über den obligatorischen Prüfungsumfang hinaus zählen. Diese Beschränkung gilt für den verfügenden und den gestaltenden Teil der Baugenehmigung. 272 Es liegt somit in der Verantwortung des Bauherrn sowie der übrigen am Bau Beteiligten, die übrigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften einzuhalten. 273 rechts, vgl. beispielsweise den nach dem Vorbild der MBO 2002 gestalteten § 57 Abs. 1 HessBauO. 265 Jäde, ZfBR 1996, 241 (248). 266 So in Art. 73 BayBO 1998 (Art. 59 BayBO 2008), für den der BayVGH, Beschluss vom 27. 10. 1999 – 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000, 377 feststellt, dass die nicht aufgeführten Vorschriften nicht zu prüfen sind. In NRW s. § 68 Abs. 1 S. 4 BauO NRW; s. dazu Bonifacio, Das Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 67 BauO NW, S. 12; s. auch die Aufzählung bei Stollmann, NWVBl. 1995, 41 (46). 267 BayVerfGH, Entscheidung vom 13. 1. 2000 – Vf. 18 VII – 96, BayVBl. 2001, 47 (48); s. auch zur Bayerischen Bauordnung: Simon, BayVBl. 1994, 332 (338); s. dazu den Überblick bei Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 16. 268 Jäde, ZfBR 2000, 519 (521). Dort auch ein Überblick zu den unterschiedlichen, im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu prüfenden Vorschriften. 269 Vgl. auch Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 19. 270 Jäde / Dirnberger / Bauer / Weiß, BayBO, Anm. 1 zu Art. 73 BayBO; Jäde, GewArch 1995, 187 (191). S. auch BayVGH, Beschluss vom 27. 10. 2001 – 26 ZB 00.2890, BayVBl. 2002, 499 (499); BayVGH, Beschluss vom 27. 10. 1999 – 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000, 377 (377). 271 Also Bindungswirkung, Vertrauensschutz und Bestandsschutz. 272 S. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. 11. 1991 – 8 B 11955/91 –, BauR 1992, 219; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. 12. 1996 – 1 M 5481/96 –, UPR 1997, 159. 273 Winkler, BayVBl. 1997, 744 (744). Von deren Einhaltung ist er aber auch nicht dispensiert, s. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 21; s. dazu auch schon oben Kapitel 2 § 9 1.a.

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Der reduzierte Prüfungsumfang bedeutet keine Reduzierung der Bindung an das materielle Recht. 274 Diese Beschränkung und Standardisierung eines Ausschnitts aus dem umfassenden Prüfprogramm geschieht vor dem Hintergrund, dass die erfassten Vorhaben nur einen Teil der ansonsten im Baugenehmigungsverfahren umfassend zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen berühren und zumindest in der Regel bauordnungsrechtlich 275 einfach sind, so dass die ordnungsgemäße bautechnische Planung und Ausführung unter bestimmten Voraussetzungen dem privaten Bauherrn überlassen werden kann. 276 Angesichts der Bewährung dieses Verfahrens in der Praxis wurde das Verfahren durch Ausweitung des Anwendungsbereiches und weitere Reduzierung des Prüfungsumfangs aufgewertet, 277 dem Bauherrn also mehr Verantwortung zugetraut. (1) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des vereinfachten Genehmigungsverfahrens wird in verfahrensrechtlicher Hinsicht zum einen durch die grundsätzliche Anordnung der Genehmigungsbedürftigkeit 278 und zum anderen, darauf aufbauend, durch eine nähere Bestimmung entweder der Vorhaben, die unter das vereinfachte, oder der Vorhaben, die unter das reguläre Genehmigungsverfahren fallen, bestimmt. 279 Dabei kann auch zwischen Positiv- und Negativmodellen in dem Sinne unterschieden werden, dass entweder die dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterfallenden Vorhaben (positiv) aufgezählt werden oder aber das vereinfachte Genehmigungsverfahren zum Regelverfahren gemacht wird und die dem regulären Genehmigungsverfahren unterfallenden Vorhaben aufgezählt werden. 280

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Vgl. Ortloff / Rapp, NJW 1996, 2346 ff.; Dürr / Bücken-Thielmeyer / Himstedt, BauR Sachsen Anhalt, Rn. 254. 275 Die darüber hinaus bauplanungsrechtlich einfachen Vorhaben sind Gegenstand des Genehmigungsfreistellungs- oder des Anzeigeverfahrens. 276 S. zu beiden Argumenten Winkler, BayVBl. 1997, 744 (744). Im Hinblick auf das Kriterium bzw. Argument des bauordnungsrechtlich Einfachen gilt dies angesichts der Ausdehnung des Anwendungsbereiches bis hin zur Grenze der Sonderbauten (bzw. teilweise unter Einschluss der „kleinen Sonderbauten“, s. Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 4 und Einl. Rn. 100, 101) nicht mehr uneingeschränkt. 277 So Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, § 57 Erl. S. 423 f.; s. auch zur weiteren Entwicklung Jäde / Famers, BayVBl. 2008, 33 (34). 278 Im Gegensatz zu dem Wegfall einer verfahrensabschließenden Entscheidung. 279 So regelt § 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW in den Nrn. 1 –19 die Vorhaben näher, die dem regulären Genehmigungsverfahren unterfallen sollen. 280 Jäde, ZfBR 2000, 519 (522); dort auch eine Aufzählung von dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterfallenden Vorhaben.

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Materiell bestimmt sich der Anwendungsbereich des vereinfachten Genehmigungsverfahrens in Abgrenzung zu dem regulären Genehmigungsverfahren vor allem nach der Art des Vorhabens. Dabei können kleine und große Varianten des vereinfachten Genehmigungsverfahrens unterschieden werden, und zwar je nachdem, ob der Anwendungsbereich bis zu Gebäuden mittlerer oder lediglich kleiner Höhe geht. 281 In einigen Ländern sind darüber hinaus auch Sonderbauten („kleine Sonderbauten“) Gegenstand des vereinfachten Genehmigungsverfahrens. 282 Im Übrigen werden auch bei einem weiten Anwendungsbereich entweder pauschal die Sonderbauten 283 oder aber ein detaillierter Katalog von Vorhaben, 284 der im Wesentlichen die Sonderbauten abdeckt, aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen. Beispielhaft können die verschiedenen Möglichkeiten für den Anwendungsbereich anhand der Regelung der MBO 2002 verdeutlicht werden. Diese sieht verschiedene Optionen bzw. Ausgestaltungsmöglichkeiten für das vereinfachte Genehmigungsverfahren vor. In der Variante F umfasst das vereinfachte Genehmigungsverfahren die einfachen Vorhaben, in den Varianten B bis E unterschiedliche Zusammenstellungen von Vorhaben mittlerer Schwierigkeit 285 und in der Variante A alle Vorhaben bis auf die Sonderbauten.

281 Hochhäuser sind, soweit ersichtlich, nach allen Regelungen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. 282 Wobei diese Zuordnung wohl auch von der Definition des Begriffs „Sonderbau“ abhängt. S. den Überblick bei Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 16. Allerdings sind die Zuordnungen nicht immer ganz eindeutig nachvollziehbar, da einige der Bauordnungen, die nach dieser Übersicht auch Sonderbauten zum Gegenstand des vereinfachten Genehmigungsverfahrens machen, diese ausdrücklich ausschließen, so in Bayern, in Sachsen, in Schleswig-Holstein und die Regelung der MBO 2002 („Außer bei Sonderbauten“, Art. 73 BayBO, Variante [A] des § 63 MBO 2002; „mit Ausnahme der Sonderbauten“, § 75 LBO Schl.-H.; „Außer bei Sonderbauten“, § 63 SächsBauO, s. dazu auch Bothe / Schröder, Sächsische Bauordnung, Einführung A II 2. b), S. 16). Die LBO SA definiert nicht den Begriff der Sonderbauten, jedoch würde nach der Begriffsdefinition z. B. der BayBO (Art. 2 Abs. 4 Satz 2 BayBO 1998 (Art. 2 Abs. 4 BayBO 2008)) der Anwendungsbereich des regulären Genehmigungsverfahrens entsprechend dem Katalog des § 62a LBO SA umfassend den Bereich der Sonderbauten abdecken. Im Hinblick auf den Katalog des § 68 BauO NRW wird vertreten, dass dieser nur die „großen“ Sonderbauten erfasse, s. Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 15 f. Dies kann auch mit der Definition des § 54 BauO NRW erklärt werden. 283 § 63 MBO 2002; Art. 73 BayBO 1998 (Art. 59 BayBO 2008); § 62a SächsBO; § 75 LBO S-H; § 63b Abs. 1 ThürBO. 284 So § 68 BauO NRW; § 67 LBO SA. 285 Es kann nicht von einem Anwendungsbereich auf mittlere Vorhaben als Unterscheidungskriterium zu der Variante A gesprochen werden, denn nach den Regelungen einzelner Bauordnungen, wie z. B. Art. 2 Abs. 4 Satz 3 BayBO 1998, dient der Begriff des Vorhabens mittlerer Schwierigkeit als Auffangbegriff und erfasst auch die Vorhaben der Variante A.

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So ist das vereinfachte Genehmigungsverfahren sowohl in Bayern als auch in Nordrhein-Westfalen zum Standard- oder Regelgenehmigungsverfahren geworden, 286 wobei es in Bayern bis zur Grenze der Sonderbauten geht, während sein Anwendungsbereich in Nordrhein-Westfalen nur zu Gunsten der „großen“ Sonderbauten eingeschränkt wird. 287 Dementsprechend verbleiben für das reguläre Genehmigungsverfahren nur noch die gefahrenträchtigsten Bauvorhaben, bei denen auf eine umfassende präventive Prüfung nicht verzichtet werden kann. 288 Das vereinfachte Genehmigungsverfahren gilt auch für Vorhaben, die nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen. Dabei gilt es auch für die Vorhaben, die zwar bautechnisch, nicht aber bauplanungsrechtlich einfach sind, und stellt somit in einem gewissen Umfang ein Komplementärverfahren 289 zu dem in der jeweiligen Bauordnung enthaltenen Genehmigungsfreistellungsoder Anzeigeverfahren dar, 290 auch wenn es aufgrund der Ausdehnung des Anwendungsbereichs über die Bedeutung als Komplementärverfahren hinausgeht.

286 Für Bayern vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. 10. 1999 – 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000, 377 (377); Koch / Molodovsky / Famers, BayBO I, Art. 73 Anm. 1.2; für Nordrhein-Westfalen vgl. Gubelt, NVwZ 2000, 1013 (1013, 1015); Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 4; Neuhausen, BauR 2000, 326 (327). 287 Zu dem Begriff der Sonderbauten s. bereits oben. Allgemein kann jedoch auch hier darauf hingewiesen, dass der Ausnahmekatalog des § 68 BauO NRW im Wesentlichen deckungsgleich mit dem Begriff der Sonderbauten nach Art. 2 Abs. 4 BayBO 1998 (wobei die Aufzählung des Art. 2 Abs. 4 BayBO 2008 an diejenige in Art. 2 Abs. 4 BayBO 1998 anknüpft, vgl. Decker, BauR 2008, 443 (446)) und § 2 Abs. 4 MBO 2002 ist. 288 Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 4. Angesichts der häufig existierenden speziellen Verfahren für die Zulassung der nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterfallenden Vorhaben wird auch vermutet, dass Baugenehmigungen zukünftig faktisch nur noch im vereinfachten Verfahren erteilt werden, Gramlich, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 521 (541). 289 Vgl. Winkler, BayVBl. 1997, 744 (744), dies gilt aber für die Regelung der BayBO 1994. Angesichts der Ausdehnung des Anwendungsbereiches durch die BayBO 1998 hat das vereinfachte Genehmigungsverfahren einen Anwendungsbereich, der über die Einstufung als Komplementärverfahren hinausgeht; es hat nämlich auch Bedeutung im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, vgl. ebd., S. 745. S. zu der Regelung Mecklenburg-Vorpommerns Ring, LKV 1995, 236 ff. Zudem geht es, je nach Ausgestaltung, insofern über ein Komplementärverfahren hinaus, als dass der Prüfungsumfang auch noch bauordnungsrechtliche Fragen erfassen kann, insbesondere wenn es nicht nur bauordnungsrechtlich einfache Vorhaben erfasst. 290 Dies wird besonders deutlich in der Regelung der hessischen Bauordnung. Danach findet das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 57 HessBauO immer dann Anwendung, wenn ein Vorhaben vorliegt, das grundsätzlich Gegenstand des Genehmigungsfreistellungsverfahrens nach § 56 HessBauO ist, bei dem aber die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 HessBauO nicht vorliegen. Diese können als Anwendungsvoraussetzungen beschrieben werden, die auch die vermutete Einfachheit des entsprechenden Vorhabens zum Ausdruck bringen.

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In den Fällen, in denen die einzelnen Bauordnungen dem Bauherrn auch ein Wahlrecht zwischen einem Verfahren ohne oder mit abschließender Genehmigung einräumen, fungiert das vereinfachte Genehmigungsverfahren auch als Alternativverfahren zu dem entsprechenden Verfahren ohne abschließende Entscheidung. 291 Wenn ein Vorhaben dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterfällt, wird dem Bauherrn regelmäßig kein Wahlrecht zu Gunsten des regulären (umfassenden) Genehmigungsverfahrens eingeräumt. 292 (2) Elemente des vereinfachten Genehmigungsverfahrens Die unterschiedlichen Regelungselemente des vereinfachten Genehmigungsverfahrens dienen dazu, bei Rücknahme der staatlichen Prüfungstätigkeit und deren Verlagerung auf Private ein adäquates Sicherheitsniveau und gleichzeitig die Einhaltung des materiellen Rechts sicherzustellen. • Prüfungsumfang und Prüfungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde Das obligatorische Prüfprogramm wird grundsätzlich standardisiert, wobei diese Standardisierung zum Teil katalogmäßig geschieht. 293 Dabei ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit als sogenannter Kernbestandteil der Baugenehmigung immer Teil des Pflichtprüfprogramms der Behörde. 294 Diese Verantwortung der Behörde ergibt sich aus deren besonderer Bedeutung für die Herstellung des erforderlichen Interessenausgleichs, der zentral mit der Zuordnung von Nutzungen und der Betroffenheit der Nachbarn im Sinne einer Schicksalsgemeinschaft zusammenhängt. Daneben befinden sich in unterschiedlichem Umfang Vorgaben des Bauordnungsrechts im obligatorischen Prüfungsprogramm. Systematisch lassen sich dabei 4 Stufen unterscheiden, und zwar (1.) der Verzicht lediglich auf die Prüfung bautechnischer Nachweise, (2.) der Verzicht auf die Prüfung wesentlicher Teile des Bauordnungsrechts, (3.) ein weitgehender Verzicht auf die Prüfung des Bauordnungsrechts sowie (4.) ein völliger Wegfall der Prüfung des Bauordnungsrechts mit Ausnahme von Abweichungen (je nach Modell). 295 Am 291 S. beispielsweise § 67 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW. S. allgemein zu dem Wahlrecht oben in der Zusammenfassung zu dem Genehmigungsfreistellungsverfahren. 292 So für Bayern Wolf, in: Simon, BayBO, Band 1, Art. 73 Rn. 3; Winkler, BayVBl. 1997, 744 (744). Kritisch auch unter dem Aspekt der fehlenden Investitionssicherheit Decker, BauR 2008, 443 (449 ff.). Für Nordrhein-Westfalen: Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 18, die allerdings auf die Möglichkeit der behördlichen Prüfung von Nachweisen auf Antrag nach § 68 Abs. 5 BauO NRW hinweisen. 293 Vgl. Art. 73 Abs. 1 BayBO 1998 (Art. 59 Abs. 1 BayBO 2008); § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW, s. zu dem Prüfungsprogramm auch Winkler, BayVBl. 1997, 744 (745 f.); Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 17 ff. 294 Jäde, ThürVBl. 1998, 193 (197); s. auch Winkler, BayVBl. 1997, 744 (745), die im Hinblick auf die Erschließung nur den bauplanungsrechtlichen, nicht aber den bauordnungsrechtlichen Erschließungsbegriff als Teil des Pflichtprüfprogramms ansieht.

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konsequentesten ist die Regelung des § 63 MBO 2002, nach der Vorschriften des Bauordnungsrechts lediglich im Rahmen der Zulassung einer beantragten Abweichung zum Prüfungsgegenstand im Rahmen des vereinfachten Verfahrens werden. 296 Sowohl in Bayern (Art. 73 BayBO 1998 (Art. 59 BayBO 2008)) als auch in Nordrhein-Westfalen werden die zu prüfenden Vorschriften positiv aufgelistet. 297 Nach beiden Regelungen sind die Abstandsflächenvorschriften zu prüfen, zumal diese subjektiv-öffentliche Nachbarrechte entfalten 298 und damit für einen Interessenausgleich von Bedeutung sind. Ebenfalls mit den möglichen Auswirkungen auf Dritte zu begründen ist die Prüfung der Anforderungen des Arbeitsschutzes nach Art 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBO bei baulichen Anlagen für gewerbliche und industrielle Zwecke. 299 In dem vereinfachten Genehmigungsverfahren der BayBO 2008 entfällt allerdings sowohl die Prüfung der Abstandsvorschriften als auch die der Anforderungen des baulichen Arbeitsschutzes. Das zugrundeliegende Konzept entspricht somit, im Rahmen des Anwendungsbereichs dieses Verfahrens, dem der planungsrechtlichen Genehmigung. Die Anforderungen, die nicht mehr Bestandteil des obligatorischen Prüfungsprogramms sind, werden in die primäre Verantwortung des Bauherrn entlassen 300 und von der Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich nicht mehr geprüft. 301 Allerdings kann, je nach Konzeption, die Behörde das Prüfprogramm aufgrund einer Ermessensentscheidung auch auf diese Anforderungsmasse erweitern, 302 die insoweit als fakultatives Prüfprogramm 303 bezeichnet werden kann. Das Bestehen einer 295 S. dazu den Überblick bei Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 16. Neben der Regelung des § 63 MBO 2002 zählen zu dieser Stufe Regelungen aus Sachsen Anhalt (§ 67 Abs. 2 BauO LSA), Bremen (vgl. die Zuordnung bei. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap 14 Rn. 16) und Hessen (§ 57 HessBauO) (früher auch die Regelung in Brandenburg (§ 57 BbgBO) (s. auch Waschki, Brandenburgische Bauordnung 2003, S. 33)). 296 Ähnlich die Regelung des § 57 HessBauO. Das Gleiche sieht im Ergebnis auch § 67 Abs. 2, 3 BauO LSA vor. 297 S. für NRW Gädtke / Temme / Heintz / Czepzck, BauO NRW, § 68 Rn. 17 ff. Dies stellt eine Abkehr von dem Modell der BauO NRW 1995 dar, in dem die nicht mehr zu prüfenden Vorschriften aufgezählt wurden. 298 Art 73 Abs. 1 Nr. 1 BayBO 1998; Winkler, BayVBl. 1997, 744 (746). 299 Weitere Vorschriften betreffen beispielsweise die bauliche Gestaltung, die Garagen- und Stellplätze sowie die Ablösung der Garagen- und Stellplatzpflicht (beide), die Bereitstellung von Spielplätzen, die Außenwerbung sowie Warenautomaten (die letzten Anforderungen nur Nordrhein-Westfalen). 300 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 25. 301 Koch / Molodovsky / Famers, BayBO I, Art. 73 Anm. 3.7. So auch für § 57 Abs. 1 HessBauO Schröer, NZBau 2006, 499 (499). 302 Jäde, ThürVBl. 2004, 197 (202); Koch / Molodovsky / Famers, BayBO, Art. 73 Anm. 5.2; Winkler, BayVBl. 1997, 744 (747), dort auch eine Aufzählung der nicht mehr zu prüfenden Anforderungen. Anders wohl der BayVGH, der eine strikte Begrenzung

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Prüfungskompetenz kann damit begründet werden, dass ein Ausschluss der Prüfungskompetenz widersprüchlich wäre, denn ein repressives Einschreiten ist unzweifelhaft zulässig; und dann macht es wenig Sinn, wenn die Behörde bis zu ihrer Prüfung zuwarten muss. 304 Einige Bauordnungen schließen eine derartige Erweiterung des Prüfungsprogramms allerdings ausdrücklich aus. 305 Aber auch in den Fällen, in denen eine Erweiterung als zulässig angesehen wird, besteht im Hinblick auf diese Anforderungsmasse mit Rücksicht auf die gesetzgeberischen Intentionen weder eine Prüfpflicht noch eine Pflicht zum präventiven Einschreiten. 306 Die Behörde übernimmt gerade keine Verantwortung für die Erfüllung dieser Anforderungen. 307 Teilweise wird allerdings eine Pflicht der Behörde, Maßnahmen zu ergreifen, dann angenommen, wenn sie konkrete und ernsthafte Hinweise darauf hat, dass die Bescheinigung falsch ist. 308 Zudem kann eine Entschließung, keine Prüfung durchzuführen, bei hoher Intensität der möglichen Störung oder Gefährdung für wichtige Rechtsgüter ermessensfehlerhaft sein. 309 Sollte die Behörde aufgrund einer Ermessensentscheidung ihre Prüfungskompetenz ausüben und dabei einen Verstoß gegen die Vorschriften des fakultativen Prüfungsprogrammes feststellen (oder aber ein offenkundiger Verstoß vorliegen), stehen ihr unterschiedliche Möglichkeiten zur Reaktion zur Verfügung, 310 wobei sie grundsätzlich nicht zu einem präventiven Vorgehen bei einem erkannten materiellen Rechtsverstoß außerhalb des Pflichtprüfungsprogramms verpflichtet ist. 311 der Behörde auf das (Pflicht-)Prüfungsprogramm in gefestigter Rspr. annimmt, s. Jäde, BayVBl. 2003, 97 (105). So auch Wolf, in: Simon, BayBO, Art. 73 Rn. 40. 303 Neben dem obligatorischen und fakultativen Prüfungsprogramm kann auch noch ein externes Prüfungsprogramm festgestellt werden, dass aus den Vorschriften besteht, die der Baugenehmigung durch das Fachrecht „aufgedrängt“ werden. 304 Eine ausdrückliche Regelung enthält beispielsweise § 60a Abs. 2 BauO Bln, nach der die Bauaufsichtsbehörde zur Prüfung anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften befugt ist und bei festgestellten Verstößen die Genehmigung versagen kann. In Thüringen konnte die Bauaufsichtsbehörde, abweichend von der dort nur geringen Einschränkung des Prüfungsumfangs, die Prüfung des Standsicherheitsnachweises aus besonderem Grund anordnen (§ 62a Abs. 5 ThürBO, in Kraft bis 30. 4. 2004). Dann wurde letztlich der Prüfungsmaßstab der Vollgenehmigung angewendet, vgl. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 23. 305 Vgl. § 67 Abs. 5 BremLBO. Indirekt § 64 Abs. 1 HessBauO, der auf den Prüfungsumfang im Baugenehmigungsverfahren verweist. 306 So auch Jäde, ZfBR 1996, S. 241 (248); Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 25. 307 Koch / Molodovsky / Famers, BayBO, Art. 73 Anm. 6.10. 308 Ritter, DVBl. 1996, 542 (546). 309 S. dazu Koch / Molodovsky / Famers, BayBO, Art. 73 Anm. 5.2. 310 Vgl. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 25; s. dazu auch Jäde, ZfBR 1996, 241 (248); Koch / Molodovsky / Famers, BayBO, Art. 73 Anm. 5.3.

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

Es steht daneben in dem Ermessen der Behörde, die Erteilung der Baugenehmigung zu verweigern. 312 Mangels Sachbescheidungsinteresses besteht bei einem erkannten Verstoß kein Anspruch auf die Baugenehmigung, 313 wobei eventuell einschränkende Voraussetzungen zu beachten sind. 314 Einer Verweigerung der Baugenehmigung kann in diesem Fall die ausdrückliche Beschränkung des Prüfprogramms nicht entgegengehalten werden. 315 Allerdings ist die Behörde auch nicht daran gehindert, die Genehmigung zu erteilen 316 und dabei bloß auf den von ihr erkannten Fehler hinzuweisen. Dies kommt insbesondere bei behebbaren Mängeln in Betracht, wobei sich bei geringfügigen Verstößen auch eine Revision der Bauvorlagen durch die Bauaufsichtsbehörde anbietet. 317 Es kommt aber auch dann in Betracht, wenn ein Dispens durch die Bauaufsichtsbehörden möglich ist. Daneben steht ihr auch die Möglichkeit offen, den Fehler zu ignorieren. Dies führt aber nicht dazu, dass die Behörde im Hinblick auf diesen erkannten Fehler keine bauaufsichtlichen Maßnahmen mehr ergreifen kann oder darf. 318 Vielmehr sind gerade die unterschiedlichen bauaufsichtlichen Maßnahmen, insbesondere die Anordnung der Beseitigung, die Untersagung der Nutzung sowie die vorbeugende Untersagung der Ausführung, weiterhin zulässige Mittel. 319 311 Jäde, ThürVBl. 2004, 193 (202); anders wohl Hess. VGH, Beschluss vom 28. 8. 2002 – ZU 778/02, ZfBR 2003, 69 (nur Leitsatz). 312 Vgl. BVerwGE 20, S. 124 ff.; st. Rspr. des OVG Koblenz seit NVWZ-RR 1992, 289, s. Schröer, NZBau 2006, 449 (459); OVG NW, Urteil vom 20. 5. 1985 – 11 A 2364/83, DÖV 1986, 575 (575 f.); so auch BayVGH, Beschluss vom 24. 1. 2006 – 14 ZB 04.3116 (zitiert nach Jäde, BayVBl. 2008, 517 (525)); Buse / Dirnberger, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 59 Rn. 3. Nach Jäde, a. a. O., kann auch BayVGH, Urteil vom 25. 7. 2002 – 02.164 keine anderweitige Auffassung entnommen werden (so aber Schröer, NZBau 2006, 499 (500). Offen ist dabei, ob eine Offenkundigkeit des Verstoßes zu verlangen ist, bejahend BayVGH, Urteil vom 9. 3. 2006 – 26 B 05.555; dagegen Jäde, BayVBl. 2008, 517 (525), dort auch weitere Nachweise. S. auch Numberger, BayVBl. 2008, 741 (743). Kritisch zu der Problematik Decker, BauR 2008, 443 (449 f.). 313 Jäde, UPR 1995, 81 (84); ders., BayVBl. 1994, 321 (323); ders., ThürVBl. 2004, 197 (202); Dürr / Bücken-Thielmeyer / Himstedt, Baurecht Sachsen-Anhalt, Rn. 254; Winkler, BayVBl. 1997, 744 (747 f.); s. dazu auch Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 24; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 12. 8. 1993 – 7 B 123/93, NVwZRR 1994, 381. S. auch Numberger, BayVBl. 2008, 741 (743); Reicherzer, BayVBl. 2000, 750 (752). So wohl auch der BayVGH in seinem Beschluss vom 28. 12. 1998 – 14 B 95.1255, zitiert nach Jäde, BayVBl. 2000, 481 (484). 314 Jäde, ThürVBl. 2004, 197 (202). Dort setzt sich Jäde auch mit der Rspr. des BayVGH auseinander, der eine Ablehnung dieser Möglichkeit, die Genehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses zu versagen, entnommen wird (BayVGH, Urteil vom 16. 7. 2002 – 2 B 01.1644, BayVBl. 2003, 505). 315 Es wird als eine formelle Frage betrachtet, und die Grundsätze über die Zulässigkeit des Baugesuches seien unberührt geblieben, s. Jäde, UPR 1995, 81 (84). 316 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 24. 317 S. dazu eingehender Winkler, BayVBl. 1997, 744 (748). 318 Jäde, UPR 1995, 81 (84). 319 Koch / Molodovsky / Famers, BayBO, Art. 73 Anm. 5.3.

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Zwar wäre demnach auch ein derartiges Vorgehen mit der im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens bestehenden Verantwortungsverteilung konform, es wäre aber wesentlich arbeitsintensiver, da regelmäßig durch nachträgliche Anordnungen eingeschritten werden muss. 320 Es wäre auch wenig bürgerfreundlich. Zwar kann den allgemeinen Regelungen des VwVfG, namentlich den Beratungs- und Auskunftspflichten des § 25 VwVfG und des § 71c VwVfG, die den vorliegenden Sachverhalt nicht erfassen, keine allgemeine Aufklärungsund Belehrungspflicht entnommen werden; die Erteilung weitergehender Auskünfte und Belehrungen steht vielmehr im Ermessen der Behörde. 321 Allerdings würde die Erteilung der Genehmigung ohne Hinweis auf den erkannten Fehler zumindest dem Geist dieser Vorschriften widersprechen. • Sachverständige Nachweise bzw. Bescheinigungen Der Rückzug des Staates aus der unmittelbaren präventiven Kontrolle überläßt die Einhaltung dieser Anforderungen allerdings nicht dem guten Willen des Bauherrn. Vielmehr findet auch hier eine Regulierung der Selbstverantwortung des Antragstellers statt. Dabei bedienen sich die Bauordnungen der bereits bekannten Elemente, d. h. sie vertrauen auf die Bauvorlageberechtigung sowie besonders qualifizierte Sachverständige und nutzen damit das bereits beschriebene mehrstufige System der Einbeziehung von Privaten. Zudem wird das bereits oben dargestellte Element der Konformitäts- bzw. Garantieerklärung genutzt. 322 Auf einer ersten Stufe ist eine grundlegende Einbeziehung privaten Sachverstands in Form der Bauvorlageberechtigung vorgesehen, die für die – auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren einzureichenden – Bauvorlagen erforderlich ist. 323 Allerdings bezieht sich die Pflicht zur Einreichung von Bauvorlagen regelmäßig nur auf die zur Beurteilung des Vorhabens und zur Bearbeitung des Antrags erforderlichen Unterlagen, 324 was dazu führen kann, dass die Bauvorlagen nicht umfassend den Bereich des fakultativen Prüfungsprogramms abdecken 325 und somit diese Qualifikation eventuell nur eine eingeschränkte Bedeutung erlangt. 320

Winkler, BayVBl. 1997, 744 (748). Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 25 Rn. 10 ff. 322 So beispielsweise § 57 Abs. 2 BbgBO. 323 Insofern gilt grundsätzlich das Gleiche wie im Rahmen der regulären Baugenehmigung. S. für die BayBO Schwarzer / König, BayBO, Art. 73 Rn. 11. S. grundsätzlich auch § 68 MBO 2002, der für alle Bauanträge und damit auch für die im vereinfachten Genehmigungsverfahren Geltung beansprucht. 324 Vgl. z. B. § 68 Abs. 2 Satz 1 MBO 2002; Art. 67 Abs. 2 BayBO 1998 (Art. 64 Abs. 2 BayBO 2008); § 62 Abs. 2 Satz 1 BbgBO; § 60 Abs. 2 Satz 1 HessBauO; § 64 Abs. 2 ThürBO. 325 So wohl Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. § 60.2 S. 460, nach denen sich der Umfang der einzureichenden Unterlagen je nach einschlägigem 321

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Gegenstand der sachverständigen Kompensation für den Wegfall der bauaufsichtlichen Prüfung sind vor allem die bautechnischen Nachweise, 326 durch die die staatliche Kontrolle substituiert wird. 327 Diese hat der Bauherr anfertigen zu lassen und, je nach Regelung der einzelnen Bauordnung, auch vorzulegen. Soweit diese verlangt werden, werden entweder an die Ersteller oder aber die Prüfer dieser Nachweise besondere Anforderungen gestellt, wobei das mehrstufige System aus Bauvorlageberechtigung, Bauvorlageberechtigung mit Zusatzanforderungen und besonders qualifizierten, häufig staatlich anerkannten Sachverständigen genutzt wird. Dabei wird nach Schwierigkeitsgrad des Vorhabens differenziert; ein abgestuftes Regime regelt detailliert, welche konkreten Nachweise von welcher Art von Sachverständigen anzufertigen sind. Ein dreistufiges System der Kompensation stellt § 66 MBO 2002 zur Verfügung. Nach § 66 Abs. 1 MBO 2002 reicht grundsätzlich die allgemeine Bauvorlagenberechtigung für die Erstellung bautechnischer Nachweise aus. Abweichend davon werden in den Absätzen 2 und 3 weitere Regelungen für den Standsicherheitsnachweis sowie den Brandschutznachweis getroffen, denen nach der gesetzlichen Wertung eine gesteigerte Bedeutung zukommt. Abs. 2 fordert eine zusätzliche oder besondere Qualifikation für den Ersteller dieser Nachweise. 328 Bei einem höheren Schwierigkeitsgrad, der entweder an die Gebäudeklasse als abstraktes Kriterium der Schwierigkeit anknüpft oder aber einer näheren Bestimmung durch eine Rechtsverordnung bedarf, 329 sieht § 66 Abs. 3 MBO 2002 für Genehmigungsverfahren unterscheiden kann. Genaueres wird regelmäßig untergesetzlich (durch Bauvorlagenverordnungen) festgelegt. S. auch Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 37. 326 Vgl. auch Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 66, S. 225. Im Rahmen der BayBO 1998 wird dabei zwischen den Bauvorlagen i. S. d. Art. 67 Abs. 2 BayBO i.V. m. § 1 Abs. 1 BauVorlV und den bautechnischen Nachweisen unterschieden. Die bautechnischen Nachweise sind nur noch (teilweise) bei den uneingeschränkt genehmigungspflichtigen Sonderbauten Teil der Bauvorlagen, vgl. Schwarzer / König, BayBO, Art. 67 Rn. 5; §§ 1 Abs. 1 Nr. 4 und 10 BauVorlV. Im Übrigen sind die bautechnischen Nachweise nur noch zu erstellen, aber nicht mehr automatisch mit vorzulegen, s. dazu Gaßner / Würfel, in: Simon, BayBO, Art. 67 Rn. 67; Jäde, BayBO, Art. 67 Rn. 8. 327 Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (598). 328 Dabei ist nach dieser Vorschrift der Standsicherheitsnachweis durch einen Tragwerksplaner zu erstellen, und zwar immer dann, wenn kein Prüfsachverständiger (entspricht der Konzeption des staatlich anerkannten Sachverständigen) diesen prüft, was nur bei größeren Vorhaben der Fall ist. Somit weist diese Regelung einen weiten Anwendungsbereich auf. Die Erstellung des Brandschutznachweises durch einen zu schaffenden qualifizierten Brandschutzplaner ist nur bei größeren Vorhaben erforderlich. Vgl. Jäde, MBO 2002, zu § 66 S. 227 f. 329 Dieses wird für bestimmte (kleinere) Vorhaben grundsätzlich, d. h. unabhängig von einem Kriterienkatalog in einer Rechtsverordnung, ausgeschlossen, da bei diesen die Eigenverantwortung des Bauherrn und der übrigen am Bau Beteiligten als ausreichend angesehen wird Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 66 Abs. 3 S. 229.

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diese Nachweise darüber hinaus ein Vier-Augen-Prinzip vor und stellt i.V. m. der Regelung des § 66 Abs. 4 MBO 2002 die anspruchsvollste Stufe der Einbeziehung von Sachverstand dar. Entsprechend dem optionalen Charakter 330 sieht diese Regelung entweder das herkömmliche Vier-Augen-Prinzip, also eine bauaufsichtliche Prüfung des durch einen Sachverständigen angefertigten Nachweises, oder aber eine Bescheinigung des Prüfsachverständigen an deren Stelle vor, womit die Möglichkeit einer Vollprivatisierung des Vier-Augen-Prinzips unter Einschluss der Prüfung von Sonderbauten eröffnet ist. 331 Dabei ist diese Bescheinigung, d. h. Prüfung durch einen Prüfsachverständigen, unabhängig von dem Ersteller der Nachweise erforderlich. 332 Abgesehen von dieser Regelung des VierAugen-Prinzips werden nach § 66 Abs. 3 MBO 2002 die bautechnischen Nachweise nicht mehr geprüft. Auch die BayBO regelt eine differenzierte und gestufte Einbeziehung privaten Sachverstands. Dort entfällt die präventive bautechnische Prüfung durch die Behörde. Als Ausgleich sind für die besonders bedeutsamen Bereiche der Bautechnik bestimmte Nachweise zu erstellen. 333 Die abgestuften verfahrensmäßigen Anforderungen richten sich insbesondere nach der Art des Nachweises und der Schwierigkeit des Vorhabens. Die Nachweise sind durch einen Nachweisberechtigten zu erstellen, wobei die Nachweisberechtigung durch Art. 68 Abs. 7 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 1, Art. 61 BayBO 2008) geregelt wird. Allerdings findet sich bereits im Rahmen der Nachweisberechtigung eine erste Stufung. Während grundsätzlich die Bauvorlageberechtigung als ausreichend angesehen wird (Art. 68 Abs. 7 S. 1 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBO 2008)) 334 und damit die erste Ebene der sachverständigen Kompensation geregelt wird, wird für bestimmte Nachweise angeordnet, dass nur besonders qualifizierte Bauvorlageberechtigte als Nachweisberechtigte anzusehen sind (Art. 68 Abs. 7 Satz 2 und 3 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 2 und 3 BayBO 2008)). Insbesondere werden eine bestimmte Berufser330 Dem Charakter der MBO 2002 als entwicklungsoffenem Rahmen geschuldet, dazu Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 66, S. 225. 331 Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 66, S. 225. 332 Gleichzeitig wird auch geregelt, dass es einer sachverständigen Prüfung im Einzelfall nicht bedarf, wenn für das Vorhaben eine Typenprüfung vorliegt, die entweder bauaufsichtlich oder durch einen privaten Prüfsachverständigen (je nach Ausgestaltung in der Bauordnung) erteilt sein kann. 333 Über die Standsicherheit einschl. der Feuerwiderstandsdauer tragender Bauteile, den Schall-, den Wärme- und den vorbeugendem Brandschutz, Art. 64 Abs. 5, Art. 73 Abs. 2 Satz 1, Art. 68 Abs. 7 BayBO 1998 (vgl. Art. 62 BayBO 2008). S. auch BayVerfGH, Entscheidung v. 13. 1. 2000 – Vf. 18-VII-96, BayVBl. 2001, 47 (48). 334 Die Nachweise sind vor Baubeginn bzw. vor Ausführung des jeweiligen Abschnitts zu erstellen. Sie müssen nicht an der Baustelle vorgehalten und auch nicht vorgelegt werden, s. Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, Art. 73 Rn. 13.

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fahrung sowie eine bestimmte Qualifikation verlangt. Damit ist eine zweite Ebene der sachverständigen Kompensation geregelt. Auf einer dritten Ebene müssen bei Vorhaben mittlerer Schwierigkeit die Nachweise für die Standsicherheit einschließlich der Feuerwiderstandsdauer nicht nur erstellt, sondern auch im Sinne von Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008), d. h. durch einen besonders qualifizierten, den sogenannten verantwortlichen 335 Sachverständigen 336 bescheinigt sein. Dieser soll auf einem bestimmten, in der seiner Schaffung zu Grunde liegenden Rechtsverordnung 337 näher zu bezeichnenden Fachbereich besonders fachkundig sein, so dass die Behörde sich daher aus der Prüfung dieses Bereiches zurückziehen kann. 338 Nach Art. 73 Abs. 2 Satz 3 BayBO 1998 konnte die Behörde zudem bei einem untypisch abweichenden Schwierigkeitsgrad die Erstellung des Standsicherheitsnachweises durch einen verantwortlichen Sachverständigen auch bei Vorhaben geringer Schwierigkeit anordnen, wenn nach ihrer Einschätzung die Qualifikation des Nachweisberechtigten nach Art. 68 Abs. 7 BayBO 1998 zumindest eventuell unzulänglich war. Eine derartige Anordnung stand im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. 339 Wenn eine Bescheinigung eines verantwortlichen Sachverständigen nach Art. 73 Abs. 2 i.V. m. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 BayBO 2008) oder aufgrund anderer Bescheinigungsverpflichtungen erstellt wird, ist diese nach Art. 72 Abs. 6 BayBO 1998 (Art. 68 Abs. 6 BayBO 2008) an der Baustelle vorzuhalten. 340 Sie muss der Behörde nicht vorgelegt werden und stellt keine Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung dar. 341 335

So die Bezeichnung bei Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, Art. 90 Rn. 14. Vgl. die SVBau (Fn. 169). Die SV Bau ist in Anhang 4 bei Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, abgedruckt. Die Verordnung greift nicht alle möglichen Regelungselemente der Verordnungsermächtigung auf, s. Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, Art. 90 Rn. 14. S. auch Decker, in: Simon, BayBO, Art. 90 Rn. 72. 337 Diese Verordnungsermächtigung sieht unter anderem vor, dass Regelungen getroffen werden können über die Fachbereiche, auf denen die Sachverständigen tätig werden können, über die Anforderungen an die Sachverständigen sowie das Anerkennungsverfahren, die Überwachung der Sachverständigen, das Erfordernis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung sowie Regelungen über die Vergütungen. 338 Decker, in: Simon, BayBO, Art. 90 Rn. 74. 339 In der BayBO 2008 ist eine derartige Regelung nicht mehr enthalten. 340 S. dazu Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, Art. 69 Rn. 18, 19; s. auch BayVGH, Beschl. v. 27. 10. 1999, Az. 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000, 377 (377 f.). 341 So ist es im vereinfachten Genehmigungsverfahren auch bei Vorhaben mittlerer Schwierigkeit keine Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung, dass ein Nachweis über die Standsicherheit erstellt und durch einen verantwortlichen Sachverständigen nach § 10 SVBau bescheinigt worden ist (BayVGH, Beschl. v. 27. 10. 1999, Az. 2 CS 99.2387, BayVBL. 2000, 377), vielmehr müssen die Sachverständigenbescheinigungen lediglich an der Baustelle vorliegen (Art. 73 Abs. 2 Satz 2 i.V. m. Art. 72 Abs. 6 Satz 3 BayBO 1998 (Art. 68 Abs. 6 BayBO 2008)), s. auch Jäde, BayVBl. 2000, 481 (484). Anders aber für die Bescheinigungen von verantwortlichen Sachverständigen, die 336

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In den bautechnischen Nachweisen muss die Übereinstimmung des Vorhabens mit den technischen Anforderungen festgestellt und bestätigt werden, dass diese in den vorliegenden Bauvorlagen eingehalten sind, oder es müssen notwendige Änderungen oder Ergänzungen gefordert werden. 342 Sofern von den öffentlich-rechtlichen Vorschriften abgewichen werden soll, muss der Ersteller des Nachweises (sofern nicht die Regelung des Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008) eingreift) den Bauherrn darauf hinweisen, dass es zur rechtmäßigen Ausführung des Vorhabens eines Antrags auf Erteilung einer – isolierten – Abweichung nach Art. 70 Abs. 3 BayBO 1998 (Art. 63 Abs. 3 BayBO 2008) bei der Bauaufsichtsbehörde und der behördlichen Entscheidung bedarf. 343 Das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 68 BauO NRW begnügt sich mit einer zweistufigen Regelung. Die Bauvorlagen sind durch einen bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser anzufertigen. Daneben sind als Ausgleich für den Wegfall staatlicher Prüfungen sachverständige Nachweise bzw. Bescheinigungen anzufertigen. Diese sind nach § 68 Abs. 3 BauO NRW bei bestimmten Vorhaben (geringerer Schwierigkeit) durch einen bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser zu erstellen 344 und vorzulegen. 345 Im Übrigen sind nach § 68 Abs. 2 BauO NRW bei bestimmten Vorhaben bestimmte, näher bezeichnete Nachweise durch besonders qualifizierte, und zwar staatlich anerkannte Sachverständige zu erbringen. 346 Somit wird sowohl für die Anforderungen an den Sachverständigen bzw. die private Kontrolle als auch den genauen Umfang der vorzulegenden freiwillig im Auftrag des Bauherrn erstellt werden. Diese müssen mit dem Bauantrag vorgelegt werden, Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, Art. 69 Rn. 19. 342 Taft, in: Simon, BayBO, Art. 64 Rn. 34. 343 Taft, in: Simon, BayBO, Art. 64 Rn. 34. 344 Was sich regelungstechnisch daraus ergibt, dass, anders als bei den in § 68 Abs. 4 BauO NRW genannten Vorhaben, nicht auf die Vorlage der entsprechenden Nachweise verzichtet wird, diese allerdings auch nicht durch einen staatlich anerkannten Sachverständigen zu bescheinigen sind. Demnach sind mangels besonderer Anforderungen an den Ersteller bautechnischer Nachweise (vgl. dazu Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 46) diese Nachweise in dem genannten Fall durch einen bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser zu erstellen, §§ 58, 70 BauO NRW. 345 Bei einer Nichtvorlage der entsprechenden Nachweise ist der Bauantrag unvollständig, was dazu führt, dass die Bearbeitungsfrist nach § 68 Abs. 8 BauO NRW nicht läuft, vgl. HessVGH, Beschluss vom 8. 11. 1996 – 4 TG 3776/96, BRS 58 Nr. 133; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. 2. 2002 – 8 A 11330/01, BauR 2002, 1228 = DÖV 2002, 710; Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 67. Die Behörde kann dann die Genehmigung verweigern oder auf die Unvollständigkeit hinweisen und die Vervollständigung des Bauantrags verlangen. 346 Dabei reicht allerdings, anders als in Bayern, nicht aus, dass diese lediglich dem Bauherrn vorliegen, sie müssen vielmehr der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt werden, s. Dahlke, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 62 (66). Weiterhin sieht § 68 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW vor, dass der Bauaufsichtsbehörde gleichzeitig die staatlich anerkannten Sachverständigen zu

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Nachweise nach dem jeweiligen Vorhaben und insbesondere seinem Schwierigkeitsgrad differenziert. 347 Die Stufung des privaten Sachverstands ist hier über die Bauvorlageberechtigung und über die Rechtsfigur des staatlich anerkannten Sachverständigen verwirklicht. 348 Auch die Regelung des § 59 HessBauO, die nach § 57 Abs. 1 S. 3 HessBauO im vereinfachten Genehmigungsverfahren Anwendung findet, unterscheidet für die Erstellung der bautechnischen Nachweise nach der Qualifikation und baut auf der Nachweisberechtigung auf, die grundsätzlich zur Erstellung der bautechnischen Nachweise ausreicht. Nachweisberechtigte mit besonderer Qualifikation werden aufgrund einer Rechtsverordnung vorgesehen 349 und für den Standsicherheitsnachweis bei allen Vorhaben mit Ausnahme enumerativ aufgezählter schwieriger Vorhaben eingesetzt. Daneben werden sie für die Nachweise über den Brand-, Schall- und Wärmeschutz eingesetzt. Diese Nachweise müssen von derartigen Nachweisberechtigten erstellt sein, es kommt kein Vier-Augen-Prinzip zur Anwendung. Ein solches kommt vielmehr bei dem Einsatz staatlich anerkannter Sachverständiger zum Einsatz. 350 Diese müssen die Nachweise über die Standsicherheit und den Brandschutz in enumerativ aufgeführten Fällen bescheinigen. An diese Sachverständigen sollen spezifische erhöhte bzw. herausgehobene Anforderungen – insbesondere im Hinblick auf die Qualifikation, und zwar im Einzelnen in Bezug auf Ausbildung, Berufserfahrung, persönliche Zuverlässigkeit, Unabhängigkeit, Fort- und Weiterbildung – gestellt werden. Diese Sachverständigen sind als Korrelat für den Wegfall der bauaufsichtlichen Prüfung erforderlich und ermöglichen der Behörde, darauf zu vertrauen, dass die bauaufsichtlichen Anforderungen im jeweiligen Bereich erfüllt sind. 351 Etwas anders strukturiert ist die Regelung in Brandenburg. Mangels besonders geregelter Anforderungen in § 66 Abs. 1 BbgBO ist davon auszugehen, dass i. d. R. die Bauvorlageberechtigung i. S.v. § 48 Abs. 4 BbgBO ausreicht. Die Grundregelung des § 66 Abs. 2 BbgBO wiederum verzichtet auf eine Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde, es sei denn, eine solche ist ausdrücklich vorgebenennen sind, die mit den stichprobenhaften Kontrollen der Bauausführung beauftragt worden sind. 347 § 68 Abs. 2 – 4 BauO NRW, vgl. im Einzelnen Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 37 ff. 348 Rechtsverordnung nach § 85 Abs. 2 Nr. 4 BauO NRW. 349 Die Ermächtigungsgrundlage findet sich in § 80 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 HessBauO. Vgl. Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. zu § 59, 59.3. S. 449 f., die die aufgrund der erlassenen Verordnung (NBVO) nachweisberechtigten Personen näher aufzählt. Dabei wird auf unterschiedliche Qualifikationen zurückgegriffen, u. a. auf Ingenieure bestimmter Fachrichtungen mit Berufserfahrung und Eintragung in einer Liste. 350 Geregelt durch eine auf der Grundlage von § 80 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 HessBauO erlassenen Rechtsverordnung. 351 Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. zu § 80, 80.5, S. 591.

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sehen. In diesem Fall sind dann die Nachweise dieser vorzulegen, durch sie zu überprüfen, und sie muss durch einen Prüfbericht die Richtigkeit bestätigen. 352 Als Alternative zur bauaufsichtlichen Prüfung werden z. T. die Prüfsachverständigen 353 angesehen, vgl. § 66 Abs. 4, 5 und 6 BbgBO. Somit findet sich auch hier wieder die Stufung des privaten Sachverstands über Bauvorlageberechtigung und staatlich anerkannte Sachverständige. Auch Mecklenburg-Vorpommern hat die Erstellung der bautechnischen Nachweise nach § 66 Abs. 1 LBauO M-V grundsätzlich auf die Bauvorlageberechtigten übertragen. Alleine für den Standsicherheitsnachweis und den Brandschutznachweis werden besondere Anforderungen an die Qualifikation und die Berufserfahrung aufgestellt. Allerdings kann die Behörde eine Prüfung der Nachweise über die Standsicherheit anordnen, womit ein weiteres potentielles Element der Kontrolle geregelt wird, was als Ausgleich dafür gesehen werden kann, dass hier für die bautechnischen Nachweise auf die Rechtsfigur des staatlich anerkannten Sachverständigen verzichtet wird. Im Regelfall hängt die Erteilung der vereinfachten Genehmigung dann nicht mehr von dem Inhalt der bautechnischen Nachweise ab, wenn die dort behandelten Fragen nicht mehr Gegenstand des obligatorischen Prüfprogrammes sind, denn die Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung korrespondieren mit dem Prüfungsumfang der Genehmigungsbehörde. 354 Auch wenn es auf den Inhalt nicht mehr ankommt, so ist doch die Nichtvorlage nicht folgenlos. Teilweise wird der Baubeginn ausdrücklich von der Vorlage der Nachweise abhängig gemacht. Wenn die Vorlage von Nachweisen im Rahmen des Antrags erforderlich ist, ist in der Regel wohl anzunehmen, dass der Antrag zwar wirksam gestellt ist, 355 jedoch unvollständig ist und in der Regel keine Frist auslöst. Allerdings gibt es keinen Grund, in diesem Fall eine Erweiterung des Prüfungsprogrammes der Bauaufsichtsbehörde auch auf die Fragen, für die entgegen der Regelungen keine Nachweise vorgelegt worden sind, anzunehmen. 356

352 Vgl. Waschki, Brandenburgische Bauordnung, S. 40. Diese Vorschrift findet als lex specialis auf jeden Fall im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren Anwendung, auch wenn die Überprüfung bauordnungsrechtlicher Fragen durch § 57 BbgBO zumindest nicht regelmäßig vorgesehen ist. 353 Wobei es sich um staatlich anerkannte Sachverständige handelt, vgl. die auf Grundlage von § 80 Abs. 3 BbgBO erlassene Brandenburgische Prüfsachverständigenverordnung – BbgPrüfSV v. 19. 12. 2006, GVBl. II/06, S. 18. 354 Vgl. BayVGH, Beschl. v. 27. 10. 1999, Az. 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000, 377 (377). 355 So für Bayern Schwarzer / König, BayBO, Art. 67 Rn. 4. Darüber hinaus kann ihre Vorlage auch entscheidend für den Baubeginn oder aber den Beginn bestimmter Abschnitte der Bauausführung sein. Vgl. Art. 73 Abs. 2 S. 1 i.V. m. Art. 64 Abs. 5 S. 1 und 3 BayBO. S. BayVGH, Beschl. v. 27. 10. 1999, Az. 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000, 377 (378). 356 So aber Ring, LKV 1995, 236 (238). Dies entspricht nicht dem Zweck der Verlagerung der Verantwortung.

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Auffallend ist, dass die verschiedenen Bauordnungen kein eigenes formalisiertes (Kontroll-) Verfahren enthalten, das einer potentiellen Überprüfung der Nachweise dient, etwa durch eine eigene Beauftragung von Sachverständigen oder durch Gegengutachten. Dies erscheint jedoch als entbehrlich, denn die Behörde kann diese i. d. R. aufgrund einer Ermessensentscheidung zum Gegenstand ihrer Prüfung machen. Darüber hinaus verfügt sie über uneingeschränkte repressive Handlungsmöglichkeiten und kann daher angemessen reagieren • Abweichungen Da das Bauplanungsrecht nach wie vor „Kernbestandteil“ der Prüfung ist, ist die Behandlung der Abweichungen 357 von Normen außerhalb des Prüfungsumfangs der Behörde im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens von geringerer Relevanz als bei Anzeige- und Genehmigungsfreistellungsverfahren. Jedenfalls sind die Abweichungen nicht mehr, wie bei der „klassischen“ oder regulären Baugenehmigung, Teil der Baugenehmigung selbst. 358 Dabei ist in vielen Fällen ein isoliertes bzw. selbständiges Verfahren durchzuführen. 359, das dann auf gesonderten Antrag getrennt durchzuführen und zu bescheiden ist. Auch bei isolierter Durchführung richtet sich das Verfahren entweder aufgrund ausdrücklicher Anordnung oder entsprechender Anwendung nach den Vorschriften über das Genehmigungsverfahren. 360 Alternativ kann dieses Abweichungsverfahren in das vereinfachte Genehmigungsverfahren integriert werden, indem der Prüfungsumfang auf beantragte Abweichungen ausgeweitet wird und die Bauaufsichtsbehörde automatisch über beantrage Abweichungen mitentscheiden soll, wie dies dem Modell der MBO 2002 entspricht. 361 Wesensmerkmal dieser Regelungen ist, dass auch hier ein gesonderter Antrag auf Zulassung dieser Abweichung erforderlich ist. 362 Eine derartige gesonderte Normierung der Abweichung bei gleichzeitiger (zumindest 357 Zu den Begriffen s. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 189. 358 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 191. 359 S. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 387, wobei diese den Begriff des selbständigen Verfahrens auch dann gebrauchen, wenn es mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren verbunden wird. Zu der Regelung in NRW s. Stollmann, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 149 ff. 360 Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 390. 361 § 63 MBO 2002. Dies ist bereits in Hessen, § 57 Abs. 1 Nr. 2 HessBauO, und Thüringen, § 63b Abs. 1 ThürBO verwirklicht. 362 Dies ergibt sich bereits daraus, dass dieser Zulassungsantrag, anders als bei dem regulären Baugenehmigungsverfahren, nicht als konkludent mit dem Bauantrag gestellt angesehen werden kann, da die Erteilung der Genehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht von der Zulassung einer Abweichung (von nicht innerhalb des

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möglicher) Verbindung der Entscheidung über die Abweichung mit der Entscheidung im vereinfachten Genehmigungsverfahren findet sich in Art. 70 Abs. 1 BayBO 1998 (Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO 2008). 363 Es handelt sich somit zwar um ein selbständiges, allerdings mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren verbundenes Verfahren mit einem beschränkten Prüfprogramm. 364 Die BayBO 2008 sieht durch das Konzept der „beantragten Abweichung“ in Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO 2008 eine Verbindung der Entscheidung über die Abweichung mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren vor. 365 Eine zwingende Aufnahme der Entscheidung über die Abweichung in den Prüfungsumfang regelt § 57 Abs. 1 Nr. 2 HessBauO. Dem entspricht allerdings nicht eine Pflicht der Behörde, das Bauvorhaben auf eventuell erforderliche Abweichungen zu überprüfen, damit diese erteilt werden können. 366 Gleichzeitig regelt § 63 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 HessBauO, dass ein gesonderter schriftlicher und begründeter Antrag erforderlich ist, auf den dann allerdings das Prüfprogramm auch begrenzt ist. Grundsätzlich wird diese Entscheidung, trotz der automatischen Verbindung mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren, als isolierte Abweichung, Ausnahme oder Befreiung bezeichnet. 367 Die Regelung der HessBauO folgt dem Modell der MBO 2002. Dort werden Abweichungen über die Regelung Pflichtprüfungsprogrammes liegenden Vorschriften) abhängt, so im Ergebnis auch Winkler, BayVBl. 1997, 744 (748). Vgl. auch Dohm, in: Simon, BayBO, Art. 73 Rn. 51. Ein derartiger Zulassungsantrag müsste konsequenterweise dann als konkludent mitgestellt angesehen werden, wenn eine Abweichung von dem Pflichtprüfungsprogramm erforderlich ist, da insofern die Baugenehmigung von deren Zulassung abhängt. Dies dürfte im vereinfachten Genehmigungsverfahren für eine bauplanungsrechtliche Ausnahme oder Befreiung relevant sein (insbesondere in Bayern, wo sich der Art. 70 BayBO 1998 (Art. 63 BayBO 2008) auch auf derartige Ausnahmen und Befreiungen bezieht). S. dazu Dhom, in: Simon, BayBO, Art. 70 Rn. 52). Nach Jäde / Famers, BayVBl. 2008, 33 (34) schließt die Antragsregelung der neuen BayBO 2008 nur eine Amtspflicht der Behörde aus, nach Abweichungen zu suchen, eine Zulassung auch ohne Antrag auf Abweichung sei allerdings möglich. Als selbständiges Verfahren gewinnt die Abweichungsvorschrift dementsprechend nur Bedeutung für das Bauordnungsrecht (fakultatives Prüfprogramm). 363 Die Entscheidung über die Abweichung wird nach Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, Art. 70 Rn.14 sowie (zur Regelung der BayBO 1998) Jäde, in: ders. / Dirnberger / Bauer / Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Band 3, Art. 70 Rn. 8a mit der Entscheidung über die Genehmigung verbunden, eine isolierte Entscheidung ergeht nur im Fall des Genehmigungsfreistellungsverfahrens und bei einer Verfahrensfreistellung. S. dazu auch Simon, BayVBl. 1994, 332 (340), der sich allerdings kritisch äußert. Von der Möglichkeit der Verbindung („kann“) sprechen Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 193. Dem entspricht auch, dass nach Jäde / Famers, BayVBl. 2008, 33 (34) die Abweichung im Rahmen der Genehmigung ohne speziellen, darauf gerichteten Antrag zugelassen werden kann. 364 Gegenstand dieses selbständigen Verfahrens ist nur die Prüfung, ob der Widerspruch zu den materiellen Vorgaben durch die beantragte Abweichung aufgehoben werden kann, Dhom, in: Simon, BayBO, Art. 70 Rn. 53. 365 Vgl. Jäde / Famers, BayVBl. 2008, 33 (34). 366 Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Anm. 57.2.

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des § 63 Nr. 2 MBO 2002 ebenfalls in das Prüfprogramm aufgenommen. Damit wird vor allem klargestellt, dass über beantragte Abweichungen im vereinfachten Genehmigungsverfahren trotz grundsätzlich unveränderten Prüfungsumfangs entschieden werden kann. 368 Die Abweichungen sind nach der ausdrücklichen Regelung des § 63 Nr. 2 MBO 2002 grundsätzlich zu beantragen. Damit wird der Prüfungsumfang allerdings ebenfalls nur auf die beantragte Abweichung erweitert, nicht aber auf das gesamte Bauordnungsrecht. 369 Unklar im Hinblick auf die Zuordnung zu den beiden Varianten ist § 68 Abs. 7 BauO NRW, nach dem die Genehmigungsbehörde über die Abweichungen von den im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nicht zu prüfenden Vorschriften auf besonderen Antrag entscheidet. 370 Über diesen Antrag ist eine Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde notwendig, die der im vereinfachten Verfahren zu erteilenden Genehmigung vorgreift. 371 Neben diesen beiden Varianten ist auch denkbar, dass die Zulassung einer Abweichung im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht möglich ist und damit das Vorhaben dem regulären Genehmigungsverfahren unterfällt. 372 Dies lässt sich mit dem Charakter des vereinfachten Genehmigungsverfahrens als beschleunigtem Verfahren mit kurzen Fristen, das keine Kapazität zur Bewältigung derartiger Probleme hat, erklären. 373 Im Sinne der einfachen und schnellen Durchführung wird es auf baurechtskonforme Vorhaben beschränkt, denn eine Belastung mit isolierten Verfahren kann sich potentiell auch kontraproduktiv auswirken. Als anderes Extrem ist denkbar und auch verwirklicht, dass die staatlich anerkannten Sachverständigen als Mittel einer weitergehenden Privatisierung verwendet werden, indem ihre Bescheinigungen auch bei Abweichungen ausrei367 S. Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Anm. 63.3. Isolierte Ausnahme und Befreiung insofern, als dass auch eine solche zugelassen werden kann, da die Konformität mit den bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen nicht Anwendungsvoraussetzung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens ist. 368 Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 63 S. 215. 369 Jäde, NVwZ 2003, 668 (669). 370 Danach können Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Vorschriften zugelassen werden, Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 64. 371 Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 65. 372 Wie z. B. in § 57 Abs. 2 BbgBO. Danach muss der Bauherr erklären, dass keine Abweichungen nach §§ 60, 61 BbgBO erforderlich sind. Daraus lässt sich schließen, dass die BbgBO davon ausgeht, dass das vereinfachte Genehmigungsverfahren nicht mit der Erteilung von Abweichungen verbunden werden kann. Alternativ denkbar ist auch, dass die Regelungen über Abweichungen von ihrem Anwendungsbereich her ausdrücklich beschränkt werden oder aber dass ihre Anwendbarkeit schlicht nicht normiert wird. 373 Zur Vorgängerregelung Jäde, LKV 1998, 465 (471); ders., in: ders. / Dirnberger / Reimus, Bauordnungsrecht Brandenburg, Band II, § 69 BbgBO Rn. 115.

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chen, und zwar dann, wenn es, wie oben angedeutet, nicht um eine Abweichung von materiellen Sicherheitszwecken geht, sondern um eine unterschiedliche Art und Weise, diese einzuhalten. 374 So sieht Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008) vor, dass die bauaufsichtlichen Anforderungen auch dann als eingehalten gelten, wenn ein besonders qualifizierter, verantwortlicher Sachverständiger bescheinigt, dass die Voraussetzungen für eine Abweichung vorliegen und der Bauherr diese Bescheinigungen vorlegt. 375 Geregelt wird somit eine Fiktion der Rechtmäßigkeit; das Vorhaben gilt auch ohne eine behördliche Zulassung der Abweichung als mit der betreffenden Anforderung vereinbar. 376 Eine präventive Tätigkeit der Behörde findet nicht mehr statt. Ziel der Regelung war es, das Bauordnungsrecht insgesamt in seiner Anwendung flexibler zu gestalten. Es soll freier, leichter und letztlich vermehrt von den Bauordnungsvorschriften abgewichen werden können. 377 Diese Regelung hat jedoch eine echte Verlagerung bauaufsichtlicher Verantwortlichkeit auf den Bauantragsteller und den von ihm eingeschalteten verantwortlichen Sachverständigen zum Gegenstand. 378 Die dahinter stehende Überlegung war, dass die Qualifikation der Sachverständigen so hoch ist, dass sie die – mindestens durchschnittliche – Qualifikation der Mitarbeiter der unteren Bauaufsichtsbehörden in ihrem Fachbereich deutlich übersteigt, so dass eine nochmalige Kontrolle wenig sinnvoll erscheint. 379 Die Bedeutung dieser Vorschrift liegt darin, dass es nunmehr auf die materiellen Zielsetzungen des Bauordnungsrechts ankommt und nicht mehr auf die Wege, diese zu erreichen, zumal das Bauordnungsrecht grundsätzlich gegenüber den Wegen neutral ist. 380 Es kann nie unerwünscht sein, dass ein materielles Ziel auf einem anderen als dem von der Bauordnung vorgeschlagenen Weg erreicht wird. 381 Die Vorgaben des Bauordnungsrechts sind als technische Regeln kein 374 S. dazu die Regelungen der §§ 66 Abs. 4 S. 2, 67 MBO 2002 und Art. 69 Abs. 4 S. 2 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 Satz 2 BayBO 2008). 375 Entsprechend konnte aufgrund der Verordnungsermächtigung der BayBO 1998 diesen Sachverständigen die Befugnis eingeräumt werden, von bauordnungsrechtlichen Vorschriften gem. Art. 70 BayBO 1998 abzuweichen. 376 Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, Art. 69 Rn. 20; Jäde / Famers, BayVBl. 2008, 33 (36); enger Geiger, in: Simon, BayBO, Art. 69 Rn. 38, der dieser Bescheinigung eine nur beschreibende Wirkung beimessen will und danach noch eine Ermessensentscheidung der Behörde als erforderlich ansieht. 377 Simon, BayVBl. 1994, 332 (340). 378 Geiger, in: Simon, BayBO, Art. 69 Rn. 33. 379 Decker, in: Simon, BayBO, Art. 90 Rn. 82. 380 Vgl. Jäde, UPR 1994, 201 (204). 381 Jäde, BayVBl. 1994, 363 (365). Sauter, BayVBl. 1998, 2 (3) betont, dass das Ziel entscheidend ist.

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„Wert an sich“, sondern standardisierte (und insofern auch rationalisierende Wirkung entfaltende) Wegweisungen zu bestimmten bausicherheitsrechtlichen und -technischen Ergebnissen. Allerdings kann der Sachverständigenbescheinigung keine einer behördlichen Ermessensentscheidung vergleichbare rechtsbegründende Wirkung zugesprochen werden – die gefundene Lösung muss innerhalb der von der Zielsetzung der Norm gedeckten Bandbreite liegen, und die Bescheinigung wirkt somit lediglich deklaratorisch-deskriptiv; der Sachverständige wird als echter privater Sachverständiger tätig. 382 Eine ähnlich weitgehende Regelung enthält § 66 Abs. 4 Satz 2 i.V. m. § 67 Abs. 1 S. 2 MBO 2002 (jeweils bei der optionalen Entscheidung der Bauordnung für das Modell des Prüfsachverständigen). Danach bedarf es der Zulassung einer Abweichung dann nicht, wenn der bautechnische Nachweis durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt wird. Die Regelung enthält einen Prüfverzicht, d. h. bei Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung werden die Anforderungen nicht mehr geprüft. Dieser Prüfverzicht gilt wegen der angenommenen Gleichwertigkeit bauaufsichtlicher und privater Prüfung auch in den Fällen, in denen der bescheinigte bautechnische Nachweis eine Abweichung von einer materiellrechtlichen Anforderung voraussetzt. 383 Der Prüfsachverständige bietet eine ausreichende Gewähr für die Einhaltung des materiellen Rechts, womit ein vollständiger Rückzug aus der präventiven Prüfung gerechtfertigt erscheint. Er nimmt seine Aufgaben ausschließlich privatrechtlich im Verhältnis zu dem Bauherrn wahr. 384 Geregelt wird allerdings lediglich ein Prüfverzicht und keine Legalitätsfunktion wie in Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008), nach dem die Anforderungen bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises als eingehalten gelten; die bauaufsichtlichen Befugnisse bleiben unberührt. 385 In materieller Hinsicht ist für die Zulassung der Abweichung regelmäßig erforderlich, dass die Abweichung unter Berücksichtigung des Zwecks (Schutzzweck) der jeweiligen Anforderung (von der abgewichen werden soll) und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. 386 Somit hängt die Abweichungsentscheidung davon ab, ob und in welchem Umfang dadurch öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange berührt werden. 387 Sie kommt nur dann in Betracht, wenn 382

Jäde / Weiß, BayVBl. 1998, 7 (13). Jäde, NVwZ 2003, 668 (669); Jäde, MBO 2002, § 66 Abs. 4, S. 231, der auch betont, dass von dieser Regel bautechnische Anforderungen berührt werden. 384 S. Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 66, S. 226. 385 Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 66 Abs. 4, S. 230. 386 So z. B. § 63 HessBauO; Art. 70 Abs. 1, 3 BayBO 1998 (Art. 63 Abs. 1, 2 BayBO 2008); § 73 Abs. 1 BauO NRW; § 67 Abs. 1 MBO 2002; § 63e ThürBO; § 75 Abs. 1 BauO LSA; eingeschränkter § 67 Abs. 1 LBauO M-V; differenzierter z. B. § 68 SächsBO; §§ 85, 86 NBO. S. auch Simon, BayVBl. 1994, 332 (340); vgl. auch VGH München, Beschluss v. 16. 7. 2007 – 1 CS 07.1340, KommJur 2008, 149 ff. 383

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der betroffene Nachbar nicht schutzwürdig ist oder die Gründe, die für die Abweichung sprechen, derart gewichtig sind, dass die Interessen des Nachbarn ausnahmsweise zurücktreten müssen. 388 Damit zeigt sich auch hier, dass gerade die Berücksichtigung nachbarlicher Interessen eine Nähe zur Herstellung eines Interessenausgleichs aufweist und auch im Einzelfall in der Regel einer staatlichen Behörde obliegt, die eine isolierte Zulassung, sozusagen eine „kleine“ Genehmigung, erteilt. Dementsprechend wird als Regelungskonzept von Sachverständigenmodellen deutlich, dass es der Zulässigkeit eines in einem deregulierten Verfahren zuzulassenden Vorhabens nicht entgegenstehen soll, wenn dieses nicht passgenau den Vorgaben entspricht, sondern es werden Abweichungen berücksichtigt. Diese können isoliert oder im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zugelassen werden, wobei dann die Kompetenz zur Entscheidung nach wie vor bei der Behörde verbleibt, die diese Entscheidung im Hinblick auf den erforderlichen Interessenausgleich treffen soll. Allerdings zeigt sich als weiterführendes Modell auch die Möglichkeit, zwischen den Sicherheitszwecken und den Wegen, sie zu erfüllen, zu unterscheiden. Dann kann die sachverständige Entscheidung über den richtigen Weg privatisiert werden, solange die Entscheidung über das zu erreichende Ziel staatlich beherrscht bleibt. Gerade das anzustrebende Ziel stellt aber die Verwirklichung eines Interessenausgleichs dar, weniger der Weg, um dieses zu erreichen. • Entscheidungsfristen Das vereinfachte Genehmigungsverfahren ist typischerweise mit kurzen Entscheidungsfristen für die Behörde verbunden, 389 wobei diese meistens begrenzt verlängerbar sind. In einigen Bundesländern wird eine Fristüberschreitung mit einer fiktiven Baugenehmigung sanktioniert, 390 wobei die Frist dann vereinzelt nicht als Entscheidungsfrist, sondern als Genehmigungsfrist bezeichnet wird. 391 387 388

Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Anm. 63.1. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 3. November 1999 – 8 A 10951/99, BauR 2000,

551 ff. 389 Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (948), dort auch Nachweise zu den einzelnen Entscheidungsfristen (zwischen 3 Monaten, § 57 Abs. 2 HessBauO; § 63 Abs. 2 Satz 1 LBauO MV; § 69 Abs. 4 Satz 1 SächsBO; § 67 Abs. 5 Satz 1 LBO SL; § 67 Abs. 4 S. 1 LBO Bremen; § 75 Abs. 8 LBO SH, 2 Monaten, § 57 Abs. 4 BbgBO, 6 Wochen, § 68 Abs. 8 Satz 1 BauO NRW, 1 Monat, § 66 Abs. 4 Satz 5 i.V. m. Satz 2 Hs. 1 Alt. 1 LBauO Rh-Pf, § 61 Abs. 3 Satz 4 i.V. m. Satz 2 HambBO und früher sogar 10 Arbeitstagen, s. die alten Regelungen in § 66 Abs. 9 Satz 1 und 6 BauO Sachsen-Anhalt) § 62a Abs. 3 Satz 1 und 3 SächsBauO). S. auch Saurer, DVBl. 2006, 605 (607), dort auch zur grundsätzlichen Kritik an den Fiktionsregelungen; kritisch zu Fristenregelungen ohne Sanktionen Schulte, VBlBW 1996, 289 ff. 390 Die grundsätzlichen Verfahrensprobleme von Fiktionsregelungen waren bereits Gegenstand der Rechtsprechung, hingewiesen sei an dieser Stelle auf: BVerwG, Be-

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Derartige Fiktionsregeln bzw. fiktive Baugenehmigungen werden insbesondere als geeignet zur Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens angesehen, wobei allerdings auch die negativen Effekte auf die Beschleunigung in den Fällen berücksichtigt werden müssen, in denen es zu Streitigkeiten kommt, die anderweitig schon frühzeitig hätten bereinigt werden können. 392 Grundsätzlich kann zwischen einer verfahrensrechtlichen Genehmigungsfiktion und einer materiellen Rechtmäßigkeitsfiktion unterschieden werden. Während die bloß verfahrensrechtliche Genehmigungsfiktion den fingierten Verwaltungsakt rechtsbehelfsanfällig ausgestaltet, 393 wird bei der materiellen Rechtmäßigkeitsfiktion die fingierte Genehmigung als materiell rechtmäßig ausgestaltet. 394 Die Bauordnungen haben sich für die bloß verfahrensrechtliche Genehmigungsfiktion entschieden, die insbesondere für den Bauherrn mit Rücknahmerisiken behaftet ist. 395 Zwar gilt dann die Genehmigung ausdrücklich als erteilt, 396 sie gilt aber nicht als rechtmäßig. 397 Allerdings bedingt eine solche Gestaltung, dass auch bei einem nicht entscheidungsreifen Bauantrag die Genehmigungsbehörde schluss v. 20. 11. 1973 – IV B 156/73, DÖV 1974, 201 (Wirkung des Fiktionszeugnisses); BVerwGE 48, S. 87 (Lauf der Fiktionsfrist; Rücknahme eines rechtswidrigen Fiktionszeugnisses. S. zu den Fiktionsregeln auch Jäde, UPR 1995, 81 (84 f.); ders., UPR 1994, 201 (204 f.), dort auch zu den verschiedenen Varianten der Fiktionsregelungen; kritisch ders., GewArch 1995, 187 (188); Ortloff FS Gelzer, S. 223 ff.; zu der ehemaligen Regelung in M-V (§ 63 Abs. 7 LBauO M-V), s. Ring, LKV 1995, 236 (238) (jetzt s. § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V). S. § 67 Abs. 4 LBO Brem; § 5 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 HmbWoBauErlG; § 57 Abs. 2 HessBauO (mit Einschränkung für Vorhaben im Außenbereich); § 68 Abs. 1, 4 LBO Rh-Pf; § 67 Abs. 5, 72 Abs. 4 LBO Saar; § 67 Abs. 7 SächsBO. Allg. Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 35 Rn. 24. 391 So Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 219. Anders z. B. Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. zu § 57, 57.2 S. 434; die an der Benennung als Entscheidungsfrist festhalten; s. auch Dammert / Kober / Rehak, Die neue Sächsische Bauordnung, § 67 Rn. 22. 392 Ortloff, FS Gelzer, S. 223 (225 und 228); ders., NVwZ 1995, 112 (118); Stich, DVBl. 1984, 905 (910); s. auch Gramlich, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 521 (545); Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (267). 393 Was eine geringere Rechtssicherheit des Bauherrn bedeutet, vgl. Jäde, GewArch 1995, 187 (188). Dafür, dass regelmäßig diese Variante der Fiktion vorliegt, Saurer, DVBl. 2006, 605 (606). S. zu Fragen der Rücknahme auch Dammert / Kober / Rehak, Die neue Sächsische Bauordnung, § 67 Rn. 29; zur Rechtswidrigkeit und Rücknehmbarkeit über § 48 VwVfG s. auch Dürr / Ebner, Baurecht, Rn. 236. 394 S. zu diesen beiden Varianten Jäde, UPR 1994, 201 (204). 395 Dies wird auch damit charakterisiert, dass dem Bauherrn „Steine statt Brot“ gegeben würden, Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (268). Anders aber für Rh-Pf Jeromin, in: ders. (Hrsg.): LBauO Rh-Pf, § 66 Rn. 76 ff. 396 Und steht einer tatsächlich erteilten zumindest verfahrensrechtlich und prozessual gleich, s. Dammert / Kober / Rehak, Die neue Sächsische Bauordnung, § 67 Rn. 29. 397 So auch Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, § 57, Erl. S. 435, die die fiktive Genehmigung nur verfahrensrechtlich und prozessual wie eine tatsächlich erteil-

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die Genehmigung rechtzeitig versagen muss, bloß um den Eintritt der Fiktion zu verhindern. 398 Eine derartige rechtzeitige Versagung kann auch bei unvollständigen Unterlagen dann erforderlich werden, wenn die entsprechende Frist selbst in dem Fall zu laufen beginnt, dass die Unterlagen unvollständig sind. 399 Der Eintritt einer Genehmigungsfiktion, deren Wirkung im Übrigen auf den Prüfungsumfang der vereinfachten Genehmigung beschränkt ist, 400 lässt jedoch den Charakter des vereinfachten Genehmigungsverfahrens unberührt. Der Bauherr wird nicht von der Pflicht zur Erstellung bzw. Vorlage sachverständiger Nachweise entbunden. Sollten diese nicht vorliegen, kommt der Erlass einer Baueinstellung in Betracht. 401 Als weitere Gestaltungsmöglichkeit kommt daneben in Betracht, dass ein Fristablauf lediglich den Wegfall der formellen Schranke zum Gegenstand hat, ohne dass gleich ein Verwaltungsakt fingiert wird, der dann auch nur nach §§ 48, 49 VwVfG aufgehoben werden kann. 402 Des Weiteren existieren auch Modelle, die Fristenregelungen ohne eine solche Fiktion enthalten. 403 Allerdings besteht hier eine Amtspflicht zur rechtzeitigen te Baugenehmigung behandeln wollen. Unklar hier Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 219. Dort wird nicht im Hinblick auf die verschiedenen Formen der Fiktion differenziert. Allerdings sollen die fingierten Baugenehmigungen nur unter denselben engen Voraussetzungen rücknehmbar oder widerrufbar sein wie eine ausdrücklich erteilte Baugenehmigung. Bspw. führt auch eine sich aus den Bauvorlagen ergebende, aber nicht zugelassene Abweichung zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung, vgl. Ortloff, NVwZ 2006, 999 (1001). 398 Vgl. Jäde, UPR 1995, 81 (85). Allerdings kann auch der Bauherr auf den Eintritt der Fiktionswirkung verzichten und dieses Dilemma beheben, vgl. VGH Hessen, Beschluss v. 13. 8. 2007 – 3 UZ 522/07, BauR 2008, 1290 (1290 f.). 399 Unter dem Aspekt der „beschleunigten Ablehnungen“ äußert sich auch Jäde, ZfBR 1996, 241 (245) kritisch zu Genehmigungsfiktionen. 400 Sie kann keine weitergehende Wirkung haben als die regelmäßig zu erteilende Genehmigung. 401 Dammert / Kober / Rehak, Die neue Sächsische Bauordnung, § 69 Rn. 35. Eine Genehmigungsfiktion tritt insbesondere dann nicht ein, wenn nur unvollständige Unterlagen vorgelegt werden, VG des Saarlandes, Urteil v. 23. 4. 2008 – 5 K 360/07, LKRZ 2008, 379 ff. 402 Etwas unklar ist daher, ob Ortloff, FS Gelzer, S. 223 (228) zu Recht von einer fiktiven Baugenehmigung bei einem Verfahren spricht, bei dem nach einer Anzeige an die Behörde innerhalb von einem Monat mit dem Bauen begonnen werden kann, wenn das Vorhaben nicht innerhalb eines Monats untersagt worden war. Zu derartigen Regelungen s. auch BVerwGE 20, S. 12 (14 f.), wobei das BVerwG bei diesen Verfahren auch nicht von einer fiktiven Baugenehmigung spricht. 403 So in Bayern und Thüringen, wobei sich das vereinfachte Genehmigungsverfahren in Thüringen von den gleichnamigen Verfahren in den anderen Ländern hinsichtlich des bauaufsichtlichen Prüfungsumfangs unterscheidet, vgl. Ortloff, NVwZ 1995, 112 (117 Fn. 57). S. auch § 64 i.V. m. 70 Abs. 4 BauO Bln, wonach der Bauantrag als voll-

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Entscheidung, so dass ein Anspruch auf Schadensersatz Folge einer Fristüberschreitung sein kann. Auf verfahrensinterne Fristsetzungen soll hier nicht näher eingegangen werden. 404 Grundsätzlich bleibt daher festzuhalten, dass im Hinblick auf den verbleibenden behördlichen Prüfungsumfang Fristsetzungen, die mit einer Genehmigungsfiktion sanktioniert werden, denkbar sind, allerdings in diesem Fall zahlreiche Probleme aufwerfen. 405 • Prüfungsanordnung Im Hinblick auf die sachverständigen Bescheinigungen, die der Bauherr regelmäßig vorzulegen hat, differenzieren die Bauordnungen in abstrakt-genereller Weise nach der Schwierigkeit und den besonderen Gefahren des jeweiligen Bauwerkes. Ein Beispiel für eine Öffnung für den Einzelfall sieht Art. 73 Abs. 2 S. 3 BayBO 1998 (sowie die allgemeinere Regelung des Art. 69 Abs. 4 S. 3 BayBO (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008 406)) vor, nach dem die Bauaufsichtsbehörde bei besonders schwierigen Vorhaben 407 die Vorlage von Bescheinigungen verantwortlicher (besonders qualifizierter) Sachverständiger 408 verlangen kann. Die Anordnung ist gegenüber dem Bauherrn zu treffen. Sie liegt im Ermessen der Behörde und kann auch auf Teile des Bauwerks beschränkt werden. 409 Dementsprechend kann die Bauaufsichtsbehörde für einen von der abstrakt-generellen Einordnung

ständig gilt, wenn dies nicht innerhalb von drei Wochen geltend gemacht wird. Keine Fiktion enthalten ebenfalls § 68 Abs. 6 BauO NRW und früher in Berlin § 60a BauO Bln, vgl. Ortloff, LKV 1998, 131 (134). Das Gleiche gilt für die Entscheidungsfrist im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 57 Abs. 4 BbgBO, s. auch zur Vorgängerregelung Jäde, LKV 1998, 465 (472); ders., in: ders. / Dirnberger / Reimus, Bauordnungsrecht Brandenburg Band II, § 69 BbgBO Rn. 123. 404 S. dazu aber Jäde, ZfBR 1996, 241 (244 f.). 405 Zur Frage der Erforderlichkeit einer Norm, die Gegenstand einer Fiktion ist, s. Sauter, BayVBl, 1998, 2 (4). Probleme bestehen insbesondere im Hinblick auf den Bestandsschutz und aufsichtsrechtliche Befugnisse. 406 Eine Art. 72 Abs. 2 Satz 3 BayBO 1998 entsprechende Regelung ist in der BayBO 2008 nicht mehr enthalten. 407 Nach Schwarzer / König, BayBO, Art. 69 Rn. 18 besteht diese Befugnis nur in Ausnahmefällen. Genannt wird der Schwierigkeitsgrad der Konstruktion, des Baugrunds, des Grundwassers oder besonderer Werkstoffe. 408 Also einem Sachverständigen, der entsprechend der Vorgaben der nach Art. 90 Abs. 9 BayBO 1998 (Art. 80 Abs. 2 BayBO 2008) erlassenen Rechtsverordnung zugelassen worden ist. Dabei handelt es sich um die Verordnung über die verantwortlichen Sachverständigen im Bauwesen (Sachverständigenverordnung Bau – SV Bau), abgedruckt bei Schwarzer / König, Bayerische Bauordnung, Anhang 4. 409 Winkler, BayVBl. 1997, 744 (746).

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abweichenden Schwierigkeitsgrad des Vorhabens im Einzelfall eine anspruchsvollere Variante der sachverständigen Kontrolle durchsetzen. (3) Zusammenfassung Das vereinfachte Genehmigungsverfahren schließt zwar grundsätzlich mit einer Genehmigung und damit einer behördlichen Entscheidung ab, jedoch ist regelmäßig der Umfang der bauaufsichtlichen Prüfung und damit auch der Umfang der Baugenehmigung eingeschränkt. 410 Die im Rahmen dieses Verfahrens ergehende Baugenehmigung stellt also keine umfassende, sondern nur eine beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung dar. 411 Gleichzeitig soll die Einhaltung der materiellen Vorgaben durch die Institutionalisierung von Elementen einer privaten sachverständigen Kontrolle gewährleistet werden. Im Regelfall sind sachverständige Bescheinigungen für die aus dem staatlichen Prüfungsumfang herausfallenden Vorgaben anzufertigen, teilweise auch vorzulegen. Im Hinblick auf diese Nachweise wird somit die staatliche durch eine sachverständige Kontrolle substituiert. Die Entscheidung über den angemessenen und zulässigen Umfang sachverständiger Kontrolle erfolgt auf mehreren Ebenen. Auf einer ersten Ebene unterscheiden sich die Regelungen darin, für welche Vorhaben das vereinfachte Genehmigungsverfahren angewendet werden soll und wie weit der staatliche Prüfverzicht für bauordnungsrechtliche Anforderungen reicht. Auf einer weiteren Ebene werden dann die Substitution durch sachverständige Nachweise bzw. Bescheinigungen und die Kompensation geregelt. Gegenstand der Kompensation ist die Regulierung der sachverständigen Kontrolle. Als primären Zugriffsmechanismus nutzt diese qualitative Anforderungen, indem sie ein abgestuftes System von Sachverständigen mit ansteigenden qualitativen Anforderungen regelt. Die erforderlichen Nachweise sind, je nach Schwierigkeitsgrad der Frage und nach Einschätzung des Gesetzgebers, durch Sachverständige der unterschiedlichen Qualifikationsstufen anzufertigen. Trotz aller Detailunterschiede bestehen weitgehende Übereinstimmungen hinsichtlich der Regelung des Umgangs mit Abweichungen. Diese werden in einem mehr oder weniger isolierten bzw. selbständigen Verfahren geprüft und zugelassen. Nur im Ausnahmefall reichen sachverständige Bescheinigungen für die Zulässigkeit der Abweichung aus, wobei dies einen besonders qualifizierten Sachverständigen voraussetzt. 410

BayVGH BayVBl. 2000, 377. Jäde / Dirnberger / Bauer / Weiß, BayBO, Anm. 1 zu Art. 73 BayBO; s. auch Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (268) (reduzierte Feststellungswirkung); s. auch Jäde, ThürVBl. 1998, 193 (197); ders., ZfBR 1996, 241 (248). 411

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Wie bereits bei den anderen Verfahren fällt auf, dass kein Kontrollverfahren in der Form vorgesehen ist, dass die Überprüfung der sachverständigen Nachweise bei entsprechendem Anlass formalisiert wird, sei es durch eine Überprüfung durch die Behörde, die Beauftragung von Gegensachverständigen oder die Beauftragung der Erstellung von sachverständigen Bescheinigungen, die an die Stelle der vom Bauherrn vorgelegten treten. Ein derartiges Verfahren erscheint jedoch angesichts der fortbestehenden behördlichen Kompetenzen entbehrlich. Insgesamt wird die Kombination aus der Regulierung der sachverständigen Tätigkeit und der fortbestehenden repressiven Kontrolle als (ausreichende) Erfüllung der Gewährleistungsverantwortung angesehen. Durch die angenommene Gleichwertigkeit dieses Systems mit dem der staatlichen Kontrolle wird die Einführung des Sachverständigenmodells gerechtfertigt. ee) Die sogenannte planungsrechtliche Genehmigung In der dritten Stufe sieht der Reformprozess der bayerischen Bauordnung die Reduzierung der staatlichen Prüfung auf ihren Kernbestandteil, das Bauplanungsrecht, und die Einführung der entsprechenden planungsrechtlichen Genehmigung vor, die in Art. 66 BayBO 1998 angelegt war. 412 Das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren in der weiterentwickelten Fassung nach Art. 59 BayBO 2008 ist nunmehr grundsätzlich eine derartige planungsrechtliche Genehmigung, allerdings eben auch beschränkt auf dessen Anwendungsbereich. Die weitere Überprüfung der Planung kann mit ihrer Bedeutung für den Interessenausgleich erklärt werden, denn gerade mit dem Planungsrecht wird eine Zuordnung der denkbaren Grundstücksnutzungen durchgeführt, die auch die gesamte bauliche Situation in der Nachbarschaft wesentlich prägt. Alle anderen Prüfungspunkte, also das gesamte Bauordnungsrecht, werden dann privater Kontrolle überantwortet. 413 Das Leitziel dieses Konzepts wird auch prägnant als „Privatisierung des Baugenehmigungsverfahrens“ bezeichnet. 414 Allerdings bedingt dieses Modell die Schaffung eines besonders qualifizierten Entwurfsverfassers, und dies ist bisher noch nicht erfolgt. 415

412

S. dazu auch schon oben. S. Jäde, GewArch 1995, 187 (189); Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 330; Sauter, BayVBl. 1998, 2 (4 f.). Eine entsprechende Regelung ist in der BayBO 2008 nicht mehr enthalten. 413 Jäde, UPR 1994, 201 (205); Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 330; Amtl. Begr. des Regierungsentwurfs zur BayBO 1994, LT-Drs. 12/13482 v. 18. 11. 1993, S. 60; s. auch Jäde, BayVBl. 1994, 321 (324), der aber auch auf das Bauordnungsrecht mit städtebaulichem Einschlag hinweist. 414 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 331. 415 Ursprünglich war eine derart weitgehende Regelung neben Bayern nur noch im Saarland vorgesehen, s. auch Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 330.

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(1) Charakter der planungsrechtlichen Genehmigung und Anwendungsbereich Wie nunmehr auch an Art. 59 BayBO 2008 erkennbar, handelt es sich bei der planungsrechtlichen Genehmigung letztlich um eine Sonderform der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden Genehmigung. Bei ihr wird, genauso wie bei dem vereinfachten Genehmigungsverfahren, der Prüfungsumfang im Hinblick auf das Bauordnungsrecht reduziert. Ursprünglich sollte die Reduktion des Prüfungsumfangs der planungsrechtlichen Genehmigung weiter gehen als die bei dem vereinfachten Genehmigungsverfahren, allerdings erscheint diese Absicht insofern als überholt, als bereits heute einige Genehmigungsverfahren einen vergleichbar reduzierten Prüfungsumfang aufweisen. 416 Unterschiede können jedoch im Hinblick auf den materiellen Anwendungsbereich bestehen, wobei allerdings nach einigen Regelungen der Anwendungsbereich des vereinfachten Genehmigungsverfahrens bereits sehr weit ausgedehnt worden ist. Der Anwendungsbereich der planungsrechtlichen Genehmigung soll hingegen nach Maßgabe einer Rechtsverordnung bestimmt werden, wobei die Vorschrift potentiell auf einen umfassenden Anwendungsbereich hin angelegt ist. Die Rechtsverordnung kann aber auch, gerade zur Einführung dieses Verfahrens, einen begrenzten Anwendungsbereich festlegen. 417 Zudem ist eine Dualität der Präventivprüfung insofern angelegt, als dass dem Bauherr die Wahl gelassen wird – die planungsrechtliche Genehmigung findet im Einzelfall nur Anwendung, wenn die Bauvorlagen durch einen besonders qualifizierten Entwurfsverfasser unterschrieben werden. 418 Der Bauherr ist dazu aber nicht gezwungen. Er kann sich zur Überwindung der präventiv-rechtlichen Sperre sowohl einer privaten als auch einer hoheitlichen Prüfung bedienen. 419 Die Verantwortung für die Einhaltung des Bauordnungsrechts wird vollkommen auf den Bauherrn und den qualifizierten Entwurfsverfasser verlagert, die angesichts der mit diesem Verfahren verbundenen Privatisierung eine erhöhte Verantwortung trifft. 420 Das Richtigkeitsrisiko für die Tätigkeit des besonders qualifizierten Entwurfsverfassers liegt beim Bauherrn, der allerdings Rückgriff bei dem Entwurfsverfasser nehmen kann, so dass insofern eine vollständige Risikoverlagerung vom Staat auf die am Bau beteiligten Privaten stattfindet. 421 416

S. dazu oben. Zu den derartigen Bestrebungen im Rahmen der MBO s. auch Jäde, ZfBR 2002, 21 (24). 417 Vgl. Koch / Molodovsky / Famers, BayBO, Art. 66 Anm. 3.1. 418 Lechner, in: Simon / Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 11. 419 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 333. 420 Lechner, in: Simon / Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 1. Vgl. auch Art. 55 BayBO 1998 (Art. 49 BayBO 2008). 421 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 331.

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(2) Elemente der planungsrechtlichen Genehmigung Auch dieses Verfahren ist, wie die übrigen dargestellten, geprägt durch eine Dialektik staatlicher und privater Kontrolle. Interessant sind der besonders qualifizierte Entwurfsverfasser als Element privater Kontrolle sowie die fortbestehende staatliche Verantwortung. • Der besonders qualifizierte Entwurfsverfasser Wegen des umfangreichen Kontrollverzichts werden besondere Anforderungen an den besonders qualifizierten Entwurfsverfasser gestellt, der die Wahrung der materiellen Vorgaben sicherstellen und die wegfallende bauaufsichtliche Prüfung kompensieren soll. 422 Oder umgekehrt: Gerade die besondere Qualifikation ermöglicht den weitgehenden staatlichen Prüfverzicht. 423 Der besonders qualifizierte Entwurfsverfasser soll in besondere öffentliche Verantwortung genommen werden. 424 Er muss Anforderungen genügen, die über die bloße Bauvorlageberechtigung hinausgehen. Allerdings muss die Figur eines besonders qualifizierten Entwurfsverfassers durch eine Rechtsverordnung auf der Grundlage von Art. 90 Abs. 10 BayBO 1998 425 geschaffen werden. Geregelt werden können die Qualifikation, die Zuverlässigkeit und die Unabhängigkeit, das Anerkennungsverfahren und die Überwachung sowie auch eine Altersgrenze, das Erfordernis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung und die Vergütung des Entwurfsverfassers. Es handelt sich auch angesichts der erforderlichen gesonderten Anerkennung nicht bloß um einen Bauvorlageberechtigten mit einigen Zusatzqualifikationen, sondern um eine besondere Form des (staatlich 426) anerkannten Sachverständigen. • Prüfungsumfang und Prüfungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde Der obligatorische oder auch zwingende Prüfungsumfang bezieht sich auf die (planungsrechtlichen) Vorgaben, die als Kernbestandteil hoheitlicher Prüfung angesehen werden und von der Behörde zwingend zu prüfen sind. Mangels Relevanz für die Untersuchung wird der sogenannte externe Prüfungsumfang nicht weiter erörtert. 427

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S. Jäde, GewArch 1995, 187 (189). S. Schwarzer / König, BayBO, Art. 66. 424 Jäde, GewArch 1995, 187 (189). 425 Die BayBO 2008 enthält folgerichtig diese Regelung nicht mehr. 426 Die Befugnis zur Anerkennung konnte nach der Regelung der BayBO 1998 auch auf Private übertragen werden, Art. 90 Abs. 10 Nr. 2 BayBO 1998. 427 Dieser kann auch als aufgedrängter Prüfungsumfang bezeichnet werden und betrifft zum einen den Prüfungsumfang einer Genehmigung, die aufgrund der Baugenehmigung 423

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Die Prüfung der Vorgaben, die zwar Bestandteil des Prüfungsumfangs der regulären Genehmigung, nicht aber Bestandteil des obligatorischen Prüfungsumfangs der planungsrechtlichen Genehmigung sind (also im Wesentlichen die bauordnungsrechtlichen Anforderungen), liegt im Ermessen der Behörde, 428 womit diese Anforderungsmasse auch hier als fakultativer Prüfungsumfang bezeichnet werden kann. Im Hinblick auf diese Vorgaben entfaltet die Tätigkeit des besonders qualifizierten Entwurfsverfassers keine Fiktionswirkung. 429 Gegenstand ist lediglich ein Prüfverzicht, der die allgemeinen aufsichtsrechtlichen Befugnisse nach Art. 60 Abs. 2 BayBO 1998 (Art. 54 Abs. 2 BayBO 2008) unberührt lässt. Im Übrigen ähnelt die Gestaltung der planungsrechtlichen Genehmigung der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden. Ihre Wirkung beschränkt sich auf den Prüfungsumfang. Sie weist somit einen eingeschränkten feststellenden und verfügenden Teil, einen eingeschränkten Vertrauens- und einen eingeschränkten Bestandsschutz auf. 430 Sollte die Behörde einen Verstoß gegen materielle Vorgaben der fakultativen Prüfmasse feststellen, stehen ihr im Rahmen einer einzelfallbezogenen differenzierten Ermessensbetätigung die gleichen Reaktionsmöglichkeiten wie im vereinfachten Genehmigungsverfahren zur Verfügung: 431 Neben einer Bauberatung kommt eine Versagung der Genehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses, eine Erteilung mit und ohne Hinweis und eine Erteilung mit Auflage oder Nebenbestimmung in Betracht. 432 (3) Zusammenfassung Die planungsrechtliche Genehmigung kann, grob gesagt, als Variante oder Unterfall der vereinfachten Baugenehmigung angesehen werden. Sie stellt eine entfällt, und zum anderen die Vorgaben, für deren Prüfung sich das Fachrecht des Baugenehmigungsverfahrens bedient, vgl. Lechner, in: Simon / Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 16. Anzumerken ist, dass die gleichen Unterlagen einzureichen sind wie auch im regulären Genehmigungsverfahren und diese daher nicht auf den Prüfungsumfang der Behörde beschränkt sind, s. Lechner, a. a. O. Rn. 12. Damit können diese Unterlagen auch Gegenstand einer erweiterten Prüfung durch die Behörde sein. 428 Lechner, in: Simon / Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 29. 429 Wie sie ein Nachweis nach Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008) entfaltet, s. dazu oben. 430 Lechner, in: Simon / Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 37. 431 Vgl. Lechner, in: Simon / Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 29. 432 Nach Lechner, in: Simon / Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 41 kommt eine Erteilung auch mit Zulassung der Abweichung in Betracht. Allerdings ist, wie bereits oben erörtert, nicht davon auszugehen, dass ein Antrag auf Abweichung konkludent mit der Einreichung des Bauantrages gestellt ist, da der Bauherr nicht von einer Prüfung dieser Prüfmasse ausgeht und von ihrer Einhaltung die Erteilung der Baugenehmigung nicht abhängt.

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extreme Form dar, in der der Umfang der bauaufsichtlichen Prüfung auf einen Kernbestandteil reduziert ist. Der bayerische Gesetzgeber geht dabei von der Notwendigkeit aus, eine besondere Kompensation durch die Schaffung eines besonders qualifizierten Entwurfsverfassers vorsehen zu müssen. Dies ist allerdings nur eine besondere anspruchsvolle Variante des privaten Sachverstands, die sich aus einem potentiell umfassenden Anwendungsbereich ergibt. ff) Das reguläre Genehmigungsverfahren / Die klassische Baugenehmigung Die klassische Baugenehmigung wird nicht völlig von den oben dargestellten Verfahrenstypen verdrängt. An dem regulären Genehmigungsverfahren mit dem Abschluss durch die klassische Baugenehmigung wird für bestimmte Bereiche zumindest bislang festgehalten, und es ist dementsprechend noch in allen Bauordnungen einschließlich der MBO 2002 enthalten. Es soll der umfassenden Kontrolle von Vorhaben mit besonderer Schwierigkeit dienen, insbesondere von Vorhaben mit einem erhöhten Gefahren- und Umweltkonfliktpotential. 433 Allerdings haben auch das klassische bzw. reguläre Baugenehmigungsverfahren und die darin erteilte Baugenehmigung in einigen Regelungen Veränderungen erfahren. Dabei lassen sich zwei Entwicklungslinien feststellen, die eng miteinander verwoben sind, wobei die eine sich auf das Verhältnis zu den nach dem Fachrecht zu erteilenden Genehmigungen, die andere sich auf die zu prüfenden materiellen Vorgaben bezieht. Nach der „klassischen“ Konzeption dient die Baugenehmigung der umfassenden Prüfung des Vorhabens am Maßstab der einschlägigen materiellen Normen und stellt eine umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung dar. 434 Dieses klassische Verständnis ist besonders deutlich in den Regelungen erkennbar, nach denen die Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn dem Vorhaben „öffentlich-rechtliche Vorschriften“ nicht entgegenstehen bzw. es ihnen entspricht. 435 In materieller Hinsicht bedeutet dies, dass all die Vorschriften von der für die Baugenehmigung zuständigen Behörde geprüft werden müssen, die nicht von anderen Behörden präventiv kontrolliert wurden. 436 Damit wird die Baugenehmigung als Transmissionsriemen für sämtliche an das Vorhaben gestellten öffentlich-rechtlichen Anforderungen genutzt. 437 Darüber hinaus muss die Baubehörde auch dann materiell prüfen, wenn das Fachrecht eine formelle 433

S. Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. zu § 58, S. 440. Von diesem Verständnis gehen nach wie vor die meisten Bauordnungen aus, s. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 30. 435 S. dazu Mampel, BauR 2002, 719 (719). 436 Vgl. Schwarzer / König, BayBO, Art. 72 Rn. 11. 437 Sauter, BayVBl. 1998, 2 (3). 434

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Konzentration in dem Sinne enthält, dass die fachrechtlich erforderliche Genehmigung durch die Baugenehmigung ersetzt wird. 438 In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde diese Vorschrift im Sinne der „Schlusspunkttheorie“ verstanden, die sich auf das Verhältnis der Baugenehmigung zu den nach anderen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen bezieht. 439 Eine Baugenehmigung sollte dann nicht erteilt werden dürfen, wenn die im Übrigen erforderlichen Genehmigungen noch nicht erteilt waren, womit sie als der Schlusspunkt der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsprüfung verstanden wurde. 440 Die präventive Sperre sollte erst mit einer umfassenden Feststellung der materiellen Legalität aufgehoben werden. 441 Dabei durfte die Baubehörde nur das Vorliegen der anderweitig erforderlichen Genehmigungen, nicht aber deren inhaltliche Richtigkeit prüfen. 442 Es handelte sich somit um ein verfahrensrechtliches Prüfungsrecht und eine Koordinationsfunktion, jedoch nicht um eine Konzentrationswirkung, da die Baugenehmigung eine solche in der Regel nicht aufweist. 443 Teilweise wurde sie auch als „Abschlussattest“ der öffentlich-rechtlichen Ordnungsmäßigkeit des Vorhabens bezeichnet. 444 Dieses Verständnis der Baugenehmigung wurde jedoch sowohl durch zahlreiche Oberverwaltungsgerichte als auch durch das Bundesverwaltungsgericht aufgegeben. 445 Allerdings ist die Schlusspunkttheorie und ihre Koordinationsfunktion in den Bauordnungen mit dem oben genannten Regelungsinhalt weiter438

S. dazu mit Beispiel Schwarzer / König, BayBO, Art. 72 Rn. 12. Auch bezeichnet als Konkurrenz paralleler Anlagengenehmigungen. S. dazu Gaentzsch, NJW 1986, 2787 ff.; Ortloff, in: Finkelnburg / Ortloff, Öffentliches Baurecht II, S. 132; Jäde, WiVerw 2005, 1 (33 ff.); s. auch Schmidt-Preuß, DVBl. 1991, 229 ff. 440 BVerwGE 26, S. 287 (288); BVerwG, Beschluss vom 15. 7. 1994 – 4 B 109/94, NVwZ-RR 1995, 66; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 20. 5. 1985 – 11 A 2364/83, DÖV 1986, 575; Mampel, BauR 2002, 719 (720). 441 Ortloff, FS Gelzer, S. 223 (226). 442 Vgl. Mampel, BauR 2002, 719 (721 ff.). 443 S. auch Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 17. Die Ausnahme zu diesem Grundsatz findet sich in Brandenburg: Nach der neuen Regelung des § 67 Abs. 1 Satz 2 BbgBO schließt die Baugenehmigung die für das Vorhaben erforderlichen weiteren behördlichen Entscheidungen ein. S. zu dieser Regelung auch Ortloff, NVwZ 2003, 1218 ff.; Waschki, Brandenburgische Bauordnung 2003, S. 43. Dieser begründet dies insbesondere mit der Rechtssicherheit, die der Bauherr erhält. 444 Jäde, ZfBR 1996, 241 (247). 445 BVerwG, Urteil v. 14. 9. 2001 – 7 A 620/00 –, BauR 2002, 451; BVerwG, Urteil v. 20. 11. 1995 – 4 C 10.95, BauR 1996, 227 ff.; s. auch BVerwG, Beschluss v. 6. November 1996 – 4 B 213.96, BauR 1997, 282 f.; s. dazu ebenfalls BVerwG, Beschluss v. 25. 10. 1995 – 4 B 216/95 –, NVwZ 1996, 377; BVerwG, Urteil v. 20. 11. 1995 – 4 C 10/95-, NVwZ 1996, 378; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 14.9. 2001 – 7 A 620/ 00, BauR 2002, 451 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 19. 7. 1990 – 5 S 1384/89 –, NVwZ-RR 1991, 284; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 28. 9. 1990 – 8 S 1847/90-, NVwZ-RR 1991, 140; BayVGH, Beschluss v. 18. 3. 1993 – Gr. S. 1/1992 – 1 B 90.3063, 439

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hin umstritten. 446 Angesichts der Möglichkeit, die Schlusspunkttheorie beizubehalten, wurde sie allerdings teilweise auch positiviert. 447 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die brandenburgische Regelung, die erstmals im deutschen Recht der Baugenehmigungen einen Fall der dominanten Konzentration enthält. 448 Demgegenüber wurde die Schlusspunkttheorie in einigen neueren Bauordnungen sowie der MBO 2002 aufgegeben, 449 was häufig durch eine Beschränkung des Prüfungsumfangs der Baugenehmigung geschah. 450 So regelt § 64 MBO 2002 451 nur noch, dass die Bestimmungen der §§ 29 – 38 BauGB, die Anforderungen der Vorschriften der MBO 2002 sowie die aufgrund der MBO 2002 erlassenen Vorschriften und das aufgedrängte Fachrecht zu prüfen sind. 452 Es wird somit ein Fall der sogenannten rezessiven Konzentration geregelt. 453 Diese setzt das Fachrecht dahingehend unter Deregulierungsdruck, dass dieses auch die Art und Weise der Kontrolle der Einhaltung von Vorgaben regeln muss. Insgesamt wird diese Konzeption der Baugenehmigung auch als baurechtliche Genehmigung bezeichnet. 454 Eine andere Gruppe von Bauordnungen beschränkt den Prüfungsumfang der im regulären Verfahren zu erteilenden Genehmigung auf die Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Verfahren bzw. im Baugenehmigungsverfahren oder aber von der Baurechtsbehörde 455 zu prüfen sind. 456 Diese undifferenzierte Abgrenzung UPR 1993, 275; s. weitere Nachweise bei Mampel, BauR 2002, 719 (720); s. dazu auch Jäde, ZfBR 1996, 241 (247). 446 Mampel, BauR 2002, 719 (721 ff.). Diesen Regelungsgehalt weisen noch auf die Vorschriften des § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO Rh-Pf und des § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. 447 S. dazu, insbesondere zu den Auswirkungen der Rechtsprechung auf die Schlusspunkttheorie sowie den Umfang der einzelnen Baugenehmigungen, Jäde, ZfBR 1996, 241 (247) mit Nachweisen. 448 § 67 Abs. 1 BbgBO, dazu Hecker, BauR 2008, 629 ff.; nunmehr auch Hamburg, §§ 62, 72 Abs. 2 HambBO. Dies begrüßend Ortloff, NVwZ 2003, 1218 (1218 f.); kritisch, allerdings vor allem unter dem Aspekt der Rechtszersplitterung, Jäde, ThürVBl. 2004, 197 (198). Positiv zu dem Aspekt der Rechtssicherheit in diesem Fall Hübner, LKV 2006, 160 (163). 449 S. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 17. 450 S. zu den Entwicklungen Jäde, ZfBR 1996, 241 (247); die Entwicklung wird auch als Abschied von der Schlusspunkttheorie beschrieben, Preschel, DÖV 1998, 45 (46). 451 Sowie beispielsweise § 58 HessBauO; § 65 BauO Bln, s. dazu auch Knuth, in: Wilke / Dageförde / Knuth / Meyer / Broy-Bülow, Bauordnung für Berlin, § 65 Rn. 1. 452 S. dazu Jäde, MBO 2002, Zu § 64; ders., NVwZ 2003, 668 (669); er weist darauf hin, dass damit insbesondere Deregulierungsdruck auf das Fachrecht ausgeübt werden soll. 453 Vgl. Jäde, ThürVBl. 2004, 197 (200); s. auch Hübner, LKV 2006, 160 (161). 454 Jäde, WiVerw 2005, 1 (33); ders., ThürVBl. 2004, 197 (199). 455 So § 58 Abs. 1 LBO BW.

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führt trotz des erkennbaren Anspruchs eines eingeschränkten Prüfungsumfangs allerdings nicht dazu, dass lediglich diejenigen Vorschriften Bestandteil des Prüfungsumfangs sind, die dem Baurecht zugerechnet werden können, es sind vielmehr auch weitere anlagenbezogene Vorschriften zu prüfen. 457 Im Hinblick auf diese Regelungen wird allerdings von einer Aufgabe der „klassischen“ Baugenehmigung als umfassender öffentlich-rechtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung gesprochen. 458 Eine ausdrückliche Beschränkung des Prüfungsumfangs auf das öffentliche Baurecht enthält demgegenüber § 75 NBO. 459 Insgesamt bleibt vor dem Hintergrund der Privatisierungsdiskussion jedoch offen, wie sich die Aufgabe der Schlusspunkttheorie, die auch als Dekonzentration der Baugenehmigung bezeichnet wird, wegen der Auflösung ihrer rechtlichen oder immerhin faktischen Bündelungswirkung auswirkt – bremsend oder beschleunigend. 460 Allerdings sind die oben besprochenen Einschränkungen des Prüfungsumfangs zu unterscheiden von der Reduktion des Prüfungsumfangs im Rahmen eines Sachverständigenmodells. Unabhängig von der Frage, ob die Baugenehmigung nach wie vor im Sinne der Schlusspunkttheorie oder allgemein als umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung angesehen werden kann, 461 kann sie doch in allen Fällen zumindest als eine im Sinne des Baurechts unbeschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung angesehen werden. Sie hält im Grundsatz nach wie vor an einer umfassenden Prüfung der materiellen baurechtlichen Fragen, sowohl derjenigen des Bauplanungsrechts als auch derjenigen des Bauordnungsrechts, durch die Baugenehmigungsbehörde fest. Die „Aufgabe“ der Prüfung des Fachrechts enthält keine Entscheidung über 456

Vgl. Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 (Art. 68 Abs. 1 BayBO 2008); § 72 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V, § 64 Abs. 1 Satz 1 HessBauO und § 70 Abs. 1 Satz 1 SächsBO. S. dazu und weitere Nachweise bei Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 26 ff. Dort wird noch weiter danach unterschieden, ob eine enumerative Aufzählung der zu prüfenden Vorgaben enthalten ist oder ob ohne Differenzierungen auf öffentlichrechtliche Vorschriften verwiesen wird. Dafür, dass mit dieser Formulierung eine Aufgabe der Schlusspunkttheorie verbunden ist, s. auch Dammert / Kober / Rehak, Die neue Sächsische Bauordnung, § 72 Rn. 18. 457 S. den Überblick der noch zu prüfenden Vorschriften bei Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 28. Zu einer Einschränkung auf das Baurecht durch die ThürBO s. Jäde, ThürVBl. 2004, 197 (199). 458 Jäde, ZfBR 1996, 241 (247); Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 26. 459 Allerdings wird dort gefordert, dass die Baugenehmigung nur unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der anderen Genehmigungen erteilt wird, so GroßeSuchsdorf / Lindorf / Schmaltz / Wiechert, Niedersächsische Bauordnung, § 75 Rn. 37 f. unter Verweis auf Sächs. OVG vom 8. 6. 1995 – 1 S 154/95 – BRS 57 Nr. 187. 460 Jäde, ZfBR 1996, 241 (248). 461 S. dazu Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 14 Rn. 30.

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die Kontrollbedürftigkeit, sondern nur eine verfahrensrechtliche Entscheidung. Es ist kein Aspekt der Privatisierung. Grundsätzlich entsprechen Inhalt und Bindungswirkung der Genehmigung der behördlichen Sachentscheidungskompetenz. 462 In deren Umfang wird die öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeit des Vorhabens festgestellt; wenn sie nicht eingeschränkt ist, handelt es sich nach wie vor um eine umfassende öffentlichrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. (1) Anwendungsbereich Das reguläre Baugenehmigungsverfahren wird in der Regel dann verwendet, wenn wegen eines hohen technischen Schwierigkeitsgrades oder einer ganz besonderen Nutzung eine umfassende Prüfung durch eine staatliche Behörde zwingend erforderlich ist. 463 Dies ist der Fall bei Vorhaben mit einem erhöhten Gefahren- und Umweltkonfliktpotential. Ohne dass eine vollständige Übereinstimmung ausgemacht werden kann, geht der Konsens zumindest dahin, dass jedenfalls die Sonderbauten (bzw. „großen“ Sonderbauten) Gegenstand des regulären Genehmigungsverfahrens sein müssen. Verfahrenstechnisch wird entweder das vereinfachte oder das reguläre Genehmigungsverfahren zum Standardgenehmigungsverfahren gemacht, und die dem jeweils anderen Verfahren unterfallenden Vorhaben werden enumerativ aufgezählt. 464 In Bayern ist das vereinfachte Genehmigungsverfahren zum Standardgenehmigungsverfahren gemacht worden. Das reguläre Genehmigungsverfahren gilt dagegen nur noch für Sonderbauten 465 als den baurechtlichen Vorhaben mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad. 466 Ihm werden somit die Vorhaben zugeordnet, die einen hohen Koordinierungsbedarf auslösen und mit einem erheblichen Gefahrenpotential befrachtet sind. 467 Es stellt daher in gewissem Maße das „Auffangverfahren“ dar und gilt vor allem für den Bereich der besonderen bau(sicherheits)rechtlichen Risiken. 468 Für die Anwendung des regulären Geneh462

Ortloff, NVwZ 2001, 997 (1000). Meininger, LKV 2002, 20 (21 f.); s. auch Jäde / Weiß, BayVBl. 1998, 7 (8). 464 Die Regelung des § 63 MBO 2002 kann aufgrund der verschiedenen angebotenen Optionen nicht eindeutig einer dieser beiden Varianten zugeordnet werden. Bis auf die Variante A, die das vereinfachte Genehmigungsverfahren in negativer Formulierung als Standardgenehmigungsverfahren regelt, regeln die anderen Varianten das reguläre Genehmigungsverfahren als Standardgenehmigungsverfahren. 465 Schwarzer / König, BayBO, Art. 72 Rn. 2. 466 Bei der Dreigliederung in Vorhaben geringer Schwierigkeit, mittlerer Schwierigkeit und Sonderbauten, s. Jäde / Weiß, BayVBl. 1998, 7 (8); oder aber aufgrund der enumerativen Aufzählung wegen hohen Gefahrenpotentials, s. § 2 Abs. 4 MBO 2002, dazu Jäde, MBO 2002, Erl. zu § 2 Abs. 4 S. 28. 467 Vgl. Jäde, ZfBR 2000, 519 (525). 463

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migungsverfahrens ist dementsprechend die positive Feststellung erforderlich, dass ein Sonderbau vorliegt. Auch in Nordrhein-Westfalen handelt es sich gem. § 68 BauO NRW bei dem vereinfachten Genehmigungsverfahren um das Standard- bzw. Regelgenehmigungsverfahren. Der Anwendungsbereich des regulären Genehmigungsverfahrens ergibt sich letztlich indirekt aufgrund der enumerativen Aufzählung in § 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW. Dabei handelt es sich ebenfalls um Sonderbauten, 469 teilweise werden diese Vorhaben auch als „große“ Sonderbauten bezeichnet. 470 (2) Raum für Tätigkeit von Sachverständigen Der grundsätzlich (zumindest baurechtlich) umfassende behördliche Prüfungsauftrag und -umfang würde konsequenterweise bedeuten, dass es keinen Spielraum für eine Sachverständigentätigkeit gibt, die über die klassische Funktion hinausgeht und entscheidungsersetzenden Charakter besitzt. Dementsprechend erscheint eine Verantwortungsteilung aufgrund einer eigenverantwortlichen Übernahme von Prüfungs- und Kontrollaufgaben ausgeschlossen. Bemerkenswerterweise sind auch hier Lockerungsbestrebungen erkennbar. Die regulären Genehmigungsverfahren werden zunehmend für eine Tätigkeit von Sachverständigen geöffnet. Allerdings geschieht dies in unterschiedlichem Ausmaß. 471 Der Abschied von der Baugenehmigung 472 führt nicht nur zu ihrer Aufgabe im Rahmen der deregulierten Verfahren, sondern auch zur Lockerung ihres Zustandekommens im regulären (umfassenden) Genehmigungsverfahren. 468

Jäde / Weiß, BayVBl. 1998, 7 (8). S. Boeddinghaus / Hahn / Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen II, § 68 Rn. 8. 470 So Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 68 Rn. 15 (die allerdings auch darauf hinweisen, dass die Grenze zwischen vereinfachtem und regulären Genehmigungsverfahren fließend bzw. unscharf wird, da auch im Rahmen des regulären Genehmigungsverfahrens durch die Vorlage sachverständiger Nachweise Prüfungen entfallen können. Die Bezeichnung „große Sonderbauten“ findet sich auch bei Boeddinghaus / Hahn / Schulte; Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen II, § 68 Rn. 8. 471 S. zu diesen Bestrebungen auch Jäde, ZfBR 2002, 21 (23). Eine Reduktion des Prüfungsumfangs erfolgt zudem dann, wenn eine Typenprüfung für bautechnische Nachweise vorliegt. Diese Typenprüfung ist allerdings öffentlich-rechtlich geregelt und stellt somit keinen Anwendungsfall einer Privatisierung dar. § 66 Abs. 4 Satz 3 MBO 2002; dort ist nicht einmal die Option einer Durchführung durch den Prüfsachverständigen vorgesehen, s. Jäde, MBO 2002, Erl. zu § 66 Abs. 4 Satz 3, S. 231. Nach § 66 SächsBauO (nach § 73 der vorherigen SächsBauO war die Sächsische Landesstelle für Bautechnik zuständig, s. Dammert / Kober / Rehak / Wieth, Die neue Sächsische Bauordnung, § 73 Rn. 4) ist eine Prüfung durch ein Prüfamt erforderlich, s. Dammert / Kober / Rehak, Die neue Sächsische Bauordnung, § 66 Rn. 33; bei der Einbeziehung einer privaten Stelle würde diese Regelung eine Beleihung darstellen. 472 Ortloff, NVwZ 1995, 112 ff.; Jäde, ThürVBl. 1998, 193 (194 f.). 469

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Nach einigen Regelungen kann eine behördliche Prüfung für bestimmte Punkte dann entfallen, wenn dafür die Bescheinigung eines Sachverständigen vorgelegt wird, der ausreichend qualifiziert und auch zugelassen ist. Die drei verwirklichten Modelle 473 unterscheiden sich durch die Wirkung der sachverständigen Bescheinigung. Während eines einen Prüfverzicht regelt, misst ihnen ein weiteres eine Vermutungswirkung und das dritte eine Fiktionswirkung bei. 474 • Prüfverzicht bei Vorlage sachverständiger Bescheinigung Die Regelung eines bloßen Prüfverzichts beschränkt den Prüfungsumfang der Genehmigung und trennt einen Bereich der staatlichen von einem der privaten Kontrolle. Die bauaufsichtlichen Eingriffsmöglichkeiten werden nicht eingeengt, ein präventives Tätigwerden bleibt weiterhin möglich. Eine derartige Regelung enthält der verfahrensübergreifend ausgestaltete § 59 HessBauO, der allerdings, mit Ausnahme seines Abs. 5, nicht für Sonderbauten und damit nur für einen Teilbereich des regulären Genehmigungsverfahrens nach § 58 HessBauO gilt. 475 Nach § 59 Abs. 1 S. 2 HessBauO entfällt bei Vorlage eines den Vorgaben entsprechenden bautechnischen Nachweises die bauaufsichtliche Prüfung. Dabei enthält die Regelung ein abgestuftes Regime darüber, welcher bautechnische Nachweis bei welchem Vorhaben 476 durch welche Form des privaten Sachverstands erstellt werden muss, was dann als Voraussetzung des Prüfverzichts anzusehen ist. Einen Prüfverzicht enthält auch die Regelung der MBO 2002. Er ist nach § 64 Satz 2 MBO 2002 im regulären Genehmigungsverfahren anwendbar. Selbst wenn der Option des Prüfsachverständigen nicht gefolgt wird, regelt § 66 Abs. 4 Satz 1 MBO 2002, dass die bautechnischen Nachweise nicht geprüft werden, allerdings mit Ausnahme der durch § 66 Abs. 3 MBO 2002 geforderten Nachweise bei anspruchsvolleren (größeren) Vorhaben mit einem erhöhten Risikopotential. Davon erfasst sind aber nur die Nachweise über die Standsicherheit und den Brandschutz. Daraus ergibt sich indirekt, dass zumindest im Hinblick auf einige bautechnische Nachweise ein Prüfverzicht geregelt wird. Wenn sich ein Land für die Option des Prüfsachverständigen entscheidet, werden auch die Nachweise nach § 66 Abs. 3 MBO 2002 nicht mehr bauaufsichtlich geprüft. 477

473

Von denen eines in fast allen Bauordnungen zu finden ist; die Ausnahmen sind Baden-Württemberg und Niedersachsen. 474 Diese Unterscheidung findet sich schon bei Jäde, BayVBl. 1994, 321 (323). 475 Der Schnittbereich ergibt sich daraus, dass das reguläre Genehmigungsverfahren nicht nur für Sonderbauten gilt, sondern einen weitergehenden Anwendungsbereich hat. 476 Bei eingeschränktem Anwendungsbereich für Sonderbauten. Die Regelung gilt nach § 59 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 HessBauO bei Sonderbauten nur für die Nachweise für den Schall- und Wärmeschutz.

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Die BbgBauO hat sich demgegenüber für eine umfangreiche bauaufsichtliche Prüfung entschieden. Nach § 66 Abs. 4 BbgBauO sind die Standsicherheitsnachweise entweder bauaufsichtlich oder durch Prüfingenieure für Standsicherheit zu prüfen. Auch die Brandschutznachweise sind behördlich zu prüfen, § 66 Abs. 5 BbgBauO. Dessen Abs. 6 regelt einen staatlichen Prüfverzicht für die bautechnischen Nachweise des Wärmeschutzes und der Energieeinsparung, wenn diese durch staatlich anerkannte Sachverständige geprüft (oder erstellt) worden sind. Im Übrigen sind die in § 66 Abs. 7 BbgBauO genannten Nachweise nicht mehr zu prüfen, wie auch nach § 66 Abs. 2 BbgBauO alle sonstigen nicht genannten Nachweise. 478 Einen ebenfalls nur bescheidenen Prüfungsverzicht enthält für das reguläre Genehmigungsverfahren in Sachsen-Anhalt § 77 Abs. 1 Satz 2 LBO LSA, nach dem Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz sowie die Übereinstimmung mit den örtlichen Bauvorschriften grundsätzlich nicht geprüft werden. Ausdrücklich wird geregelt, dass die bauaufsichtlichen Kompetenzen der Bauaufsichtsbehörde nicht eingeschränkt sind, so dass ihr grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen wie im vereinfachten Genehmigungsverfahren, wenn ein Verstoß gegen nicht mehr zu prüfende Vorschriften festgestellt wird. 479 • Vermutungswirkung Eine Vermutungswirkung hat zum Gegenstand, dass die Anfertigung von Nachweisen – allerdings nur bei entsprechend qualifizierten, vor allem staatlich anerkannten Sachverständigen – alleine oder zusammen mit ihrer Vorlage eine Vermutung zu Gunsten des Bauherrn entfaltet, dass die einschlägigen bauaufsichtlichen Anforderungen im Hinblick auf den geprüften und bescheinigten Sachverhalt eingehalten sind. 480 Diese Vermutung ist widerlegbar. Der Baubehörde wird somit noch ein Rest an Prüfungsbefugnis belassen. Sie wird zwar grundsätzlich nicht mehr im Hinblick auf diese sachverständig bescheinigten Aspekte tätig, die präventive behördliche Kontrolle wird jedoch nicht 477 Einen ähnlich komplexen, nur indirekt zu erschließenden Prüfverzicht, enthält die ThürBO. Nach § 63d Abs. 5 ThürBO werden bautechnische Nachweise außer in den Fällen des § 63d Abs. 3 ThürBO nicht geprüft. Danach werden allerdings nur die Nachweise über Standsicherheit und Brandschutz geprüft, und zwar auch nicht bei allen Vorhaben, die dem regulären Genehmigungsverfahren unterliegen. Insofern besteht keine Kongruenz, so dass sich im Ergebnis daraus ein Prüfverzicht (1.) für andere bautechnische Nachweise und (2). u.U. auch für die Nachweise über Standsicherheit (Ausnahme) sowie Brandschutz (etwas häufiger) ergibt. 478 Zur Vorgängerregelung Tippmann, Brandenburgische Bauordnung (BbgBO) 1998/ 2003 – Synopse, Zu § 66, S. 182. 479 So für die ähnliche, inzwischen aber überholte Regelung der SächsBO Dammert / Kober / Rehak / Wieth, Die neue Sächsische Bauordnung, § 70 Rn. 8. 480 Jäde, GewArch 1995, 187 (192). S. auch Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 72 Rn. 104.

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vollkommen ausgeschlossen. Zudem schützt der Nachweis nicht vor repressiven Maßnahmen. Die Behörde wird aber zu berücksichtigen haben, dass das Bauordnungsrecht regelmäßig die Einschaltung einer solchen fachlich angemessen qualifizierten Person als hinreichende Gewähr für die Einhaltung der jeweiligen bauordnungsrechtlichen Anforderungen ansieht. 481 Somit unterscheidet sich diese Vermutungswirkung von einer Vermutung, die Grundlage einer behördlichen Entscheidung ist. Auch eine solche ist zwar naturund wesensgemäß widerlegbar. Sie würde der Behörde nicht nur einen Rest an Prüfungskompetenz, sondern sogar eine Prüfungspflicht belassen, die ihr als Amtspflicht mit Haftungssanktion obliegt. 482 Der Sachverständige ist dabei ein bloßer Zuarbeiter der Bauaufsichtsbehörde, die die volle Außenverantwortung für ihre Entscheidung trägt. 483 Ein derartiges Modell ist nicht gewollt. Eine Vermutungswirkung findet sich in § 72 Abs. 6 BauO NRW, 484 mit dem der Gesetzgeber die Konsequenz daraus ziehen wollte, dass in der Praxis vielfach auf privaten Sachverstand zurückgegriffen wurde. 485 Danach kann die Einhaltung bauordnungsrechtlicher Vorschriften durch Bescheinigungen von Sachverständigen nachgewiesen werden. 486 Folge ist ein grundsätzlicher Prüfverzicht. 487 Die Bauaufsichtsbehörde ist nicht mehr zu einer behördlichen Nachprüfung verpflichtet, 488 es sei denn, es gibt Anhaltspunkte oder gar Verdachtsmomente, wonach die gesetzliche Vermutung im Einzelfall ausnahmsweise nicht zutrifft (Widerlegung der Vermutung). 489 Dabei sieht diese Vorschrift auch eine Stufung vor, wenn die Vermutungswirkung von einem Vier-Augen-Prinzip abhängt – es ist eine Bescheinigung über die Prüfung dieser Nachweise erforderlich. 490

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Jäde, NVwZ 2003, 668 (669). Jäde, ZfBR 1996, 241 (249). 483 Jäde, ZfBR 1996, 241 (249). 484 Andere Vermutungsregelungen enthalten § 71 Abs. 6 BremLBO; § 66 Abs. 4 LBauO M-V; § 65 Abs. 4 LBauO Rheinland-Pfalz; § 73 Abs. 3a LBO Schl.-H. 485 Amtl. Begr. LT-Drs. 11/7153, S. 195. 486 Nach § 72 Abs. 6 Satz 3 BauO NRW kann die Bauaufsichtsbehörde auch die Vorlage solcher Bescheinigungen verlangen. 487 S. auch Boeddinghaus / Hahn / Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen II, § 72 Rn. 38. 488 S. auch Schulte, BauR 1998, 249 (256). S. auch die ausdrückliche Klarstellung in § 65 Abs. 4 Satz 3 LBauO Rh-Pf. 489 Dahlke, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 62 (66). 490 So nach § 72 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW für die Nachweise über die Standsicherheit und den Brandschutz, s. dazu Boeddinghaus / Hahn / Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen II, § 72 Rn. 39. 482

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• Fiktionswirkung Eine Fiktionsregelung stellt eine echte funktionale Privatisierung dar. Sie hat zum Gegenstand, dass bei der Vorlage von Nachweisen die entsprechenden bauaufsichtlichen Anforderungen als eingehalten gelten. Damit wird deutlich, dass bei Vorlage solcher Bescheinigungen eine (präventive) bauaufsichtliche Prüfung weder stattfindet noch auch nur stattfinden darf und die Behörde auf die repressive Kontrolle beschränkt wird. 491 Eine solche Regelung im Sinne einer materiellen Legalitätsfiktion 492 enthält der in Bayern für alle Bauvorhaben geltende, bereits oben beschriebene Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008). 493 Danach wird bei entsprechender sachverständiger Bescheinigung die materielle Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens fingiert. Die Fiktion tritt an die Stelle der nach bauaufsichtlicher Prüfung erklärten Feststellung, dass das Vorhaben mit den öffentlich-rechtlichen Vorgaben vereinbar ist. 494 Die Behörde hat dann die jeweiligen Anforderungen nicht mehr zu prüfen, 495 sondern nur noch, ob die Bescheinigung von einem entsprechenden Sachverständigen stammt. 496 Dies wird teilweise als materielle Fiktion in dem Sinne verstanden, dass mit der Bescheinigung die materielle Rechtmäßigkeit des Vorhabens feststeht. 497 In der Folge wird es als Voraussetzung eines bauaufsichtlichen Einschreitens regelmäßig als notwendig (und auch möglich) erachtet, dass die Fiktion aus der Welt geschafft wird, wobei dies durch eine Rückgabe der der Behörde vorzulegenden Bescheinigung in entsprechender Anwendung des Art. 69 Abs. 3 BayBO 1998 (Art. 65 Abs. 2 BayBO 2008) geschehen müsse. 498 Ohne eine derartige Beseiti491 S. Jäde, GewArch 1995, 187 (192). Nach Sauter, BayVBl. 1998, 2 (6) entfällt eine bauaufsichtliche Prüfung auch der Möglichkeit nach; Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (271). 492 So Sauter, BayVBl. 1998, 2 (6); zur BayBO 2008 Jäde, in: ders. / Dirnberger / Bauer / Weiss, Die neue Bayerische Bauordnung, Band 1, Art. 62 Rn. 60; Busse / Dirnberger, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 62 Rn. 1; s. auch Jäde, BayVBl. 2008, 33 (36). 493 Andere Regelungen wie bspw. § 67 Abs. 3 BauO Bln schränken nur die Prüftätigkeit ein, Hahn / Radeisen, Bauordnung für Berlin, § 67 Rn. 9. 494 Geiger, in: Simon, BayBO, Art. 69 Rn. 35. Ebenfalls § 72 Abs. 6 LBO Saar. 495 Schwarzer / König, BayBO, Art. 69 Rn. 20. 496 Zur BayBO 1998 Busse, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 69 Rn. 6, der gleichzeitig auf die weitergehende Auffassung von Jäde hinweist, ohne selbst dazu Stellung zu nehmen. 497 Zur BayBO 2008 Busse / Dirnberger, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 62 Rn. 1; Jäde, in: ders. / Dirnberger / Bauer / Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Band 1, Art. 62 Rn. 65. Zur BayBO 1998 Jäde / Weinl / Dirnberger, BayVBl. 1994, 321 (323); Jäde / Weinl / Dirnberger / Bauer / Eisenreich, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 76 Rn. 84 ff.; wohl auch Schwarzer / König, BayBO, Art. 69 Rn. 21, denn diese gehen davon aus, dass die Baubehörde dann, wenn sie feststellt, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden, die Fiktion aus der Welt schaffen muss. Wohl auch Jäde, MBO 2002, § 66, Erl. S. 230, der den bloßen Prüfverzicht als Gegenbild zu der materiellen Legalitätsfiktion der bayerischen Bauordnung darstellt.

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gung der Fiktion dürfe nur noch unter den Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 5 BayBO 1998 (Art. 54 Abs. 4 BayBO 2008) eingegriffen werden. 499 Dagegen bestehen jedoch Bedenken. 500 Bei der obigen Variante würde es sich um eine bestandskraftähnliche Wirkung handeln. Da jedoch vorrangig die präventiven Befugnisse der Behörde eingeschränkt werden sollten, erscheint eine Unterscheidung zwischen präventiver und repressiver Ebene überzeugender. Dem Ziel der Reform, dem Bauherrn und den am Bau Beteiligten eine erhöhte Verantwortung aufzuerlegen, würde es widersprechen, aufgrund einer derartigen Bescheinigung die repressiven Befugnisse zu beschränken, denn eine gesteigerte Verantwortung muss sich auch vor repressiver Kontrolle bewähren und hat zur Folge, für fehlerhafte Bescheinigungen einstehen zu müssen. Eine Beseitigung der Fiktion als Voraussetzung repressiver bauaufsichtlicher Tätigkeit ist daher abzulehnen. • Auswirkungen auf den Inhalt der Genehmigung Daran anschließend stellt sich aber die Frage, wie sich derartige Reduktionen des Prüfungsumfangs auf den Inhalt der Genehmigung auswirken. Im Fall der Vermutung kann dafür, dass die Baugenehmigung weiterhin eine umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung darstellt, angeführt werden, dass es sich gerade um eine Vermutung handelt. Die Bauaufsichtsbehörde soll davon ausgehen, dass die Voraussetzungen vorliegen. Zudem ist ihr eine Prüfungskompetenz eingeräumt, so dass sie die Widerlegung der Vermutung prüfen kann. Allgemein streitet zudem die Rechtsklarheit für einen einheitlichen und nicht von Fall zu Fall variierenden Inhalt der Genehmigung. Die entscheidenden Argumente sprechen allerdings gegen die Annahme, dass die Baugenehmigung sich immer noch auf diese Aspekte erstreckt. Die Bauaufsichtsbehörde ist grundsätzlich nicht zur Nachprüfung verpflichtet. 501 Zudem ist gerade ein Prüfverzicht beabsichtigt, und im Rahmen der gesamten Bauordnungsreform hat ein Prüfverzicht zur Folge, dass der Inhalt der Genehmigung reduziert wird. Zudem bestehen Bedenken, ob selbst bei, hier ohnehin nicht vorhandener, ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ein ungeprüfter Inhalt (ohne Normierung einer staatlichen Entscheidungsbeherrschung auch inhaltlicher Art) 498

Schwarzer / König, BayBO, Art. 69 Rn. 21. Schwarzer / König, BayBO, Art. 69 Rn. 21; zur Regelung der BayBO 2008 Jäde, in: ders. / Dirnberger / Bauer / Weiss, Die neue Bayerische Bauordnung, Band 1, Art. 62 Rn. 65. 500 Eine Fiktion wird auch abgelehnt von Geiger, in: Simon, BayBO, Art. 69 Rn. 35, der bei unrichtiger Bescheinigung die Baugenehmigung als rechtswidrig ansehen will. Allerdings überzeugt die Begründung nicht, da der Gesetzgeber die Möglichkeit fehlerhafter naturwissenschaftlicher Feststellungen bewusst in Kauf genommen hat. 501 Dies wird durch § 72 Abs. 6 Satz 4 BauO NRW ausdrücklich klargestellt. 499

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privater Tätigkeit zum Inhalt einer staatlichen Entscheidung gemacht werden kann. Darüber hinaus wäre es widersprüchlich, die geplante Verantwortungsverlagerung auf Private durch eine derartige Verantwortung der Bauaufsichtsbehörde letztlich zu konterkarieren. 502 Somit umfasst die Genehmigung bei keiner der oben genannten Varianten die Aspekte, die die Behörde aufgrund des Vorliegens sachverständiger Bescheinigungen nicht mehr prüft. (3) Zusammenfassung Zwar halten im Wesentlichen alle Bauordnungen im Grundsatz an der Möglichkeit einer umfassenden bauaufsichtlichen Prüfung fest. Dieser Grundsatz oder Anspruch einer umfassenden Prüfung zumindest des Baurechts wird zwar nicht aufgegeben, aber de facto durchbrochen, indem gewisse bautechnische Prüfungen in den meisten Bauordnungen durch Sachverständige geschehen können. Da dies, wie oben dargelegt, gleichzeitig zu einer Beschränkung des umfassenden Inhalts der Baugenehmigung führt, wird im Ergebnis der Anspruch einer zwingend umfassenden staatlichen Prüfung in Teilgebieten auch bei der klassischen Baugenehmigung aufgegeben. Das hat u. U. einen von Baugenehmigung zu Baugenehmigung unterschiedlichen Inhalt der Genehmigung zur Folge, was zwar im Grundsatz der Rechtsklarheit abträglich ist, aber keine bedeutsamen Auswirkungen hat, da sich der Inhalt ohnehin nur aus den mit einem Gestattungsvermerk versehenen Bauvorlagen ablesen lässt. 503

2. Regelungselemente der Einbeziehung von Sachverständigen im Bauordnungsrecht Allen oben dargestellten Modellen ist eine Rücknahme des behördlichen Prüfungsumfangs, verbunden mit einer Substitution der staatlichen Kontrolle durch private Sachverständige sowie ergänzende Kompensationsmechanismen, gemeinsam. Durch diese Regulierung soll den grundrechtlichen Schutzpflichten Rechnung getragen werden, denn der betroffene Bürger soll durch die Zurücknahme der staatlichen Verantwortung in den zu schützenden Bereichen nicht beeinträchtigt oder gefährdet werden. 504 Es muss auch bei geänderten Verfahrensregeln ein näher zu definierender Sicherheitsstandard gewahrt bleiben. 505 Die Einbeziehung der Sachverständigen dient deshalb dazu, die Gemeinwohlrichtigkeit des Ergeb502 So kennt nunmehr laut Jäde / Weiß, BayVBl. 1998, 7 (9 f.), die BayBO Genehmigungen nur noch als beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen. 503 Vgl. auch Ortloff, NVwZ 1998, 581 (584). 504 Schulte, BauR 1998, 249 (255).

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nisses zu gewährleisten, 506 zumal nicht automatisch davon ausgegangen werden kann, dass bei allen Beteiligten ein Eigeninteresse an einer strikten Einhaltung der Normen besteht. Die Sachverständigen dienen dabei als Gegengewicht zu dem privaten Interesse des Vorhabenträgers und sollen die Funktion der Gemeinwohlsicherung erfüllen. Die regulierte Sachverständigentätigkeit dient somit als Substitutions- und Kompensationsmechanismus und erfüllt die im Rahmen der Einführung eines Sachverständigenmodelles bestehende Gewährleistungsverantwortung. 507 Dabei wird letztlich versucht, die Eigeninteressen von Sachverständigen im Sinne einer Wahrung des Gemeinwohls zu nutzen. Bei diesen handelt es sich zumindest um das Interesse an der Vermeidung einer Haftung sowie, je nach Ausgestaltung, an einer fortbestehenden Berechtigung zur Tätigkeit im Rahmen der „Zulässigkeits“verfahren. Die Verwirklichung des Sachverständigenmodells im Bauordnungsrecht zeigt weiterhin, dass die Einbeziehung privaten Sachverstands als die geeignete Maßnahme dafür angesehen wird, dass auch bei veränderten Verfahrensregelungen der bisherige Sicherheitsstandard gewahrt bleibt. Vor diesem Hintergrund stellt der Staat auf eine ausschließliche Zuständigkeit und Verantwortlichkeit privater Sachverständiger 508 ab: Ihre Tätigkeit soll die behördlichen Prüfvorgänge ersetzen. 509 Allerdings erschöpft sich die Kompensation nicht darin, bloß das Erfordernis sachverständiger Tätigkeit zu regeln. Grundlage eines Sachverständigenmodells ist vielmehr ein System besonders qualifizierter und besonders verantwortlicher Privater, die das normativ vorgegebene Qualitätsniveau sichern. 510 Gleichzeitig muss ein System der Kontrolle dieser Sachverständigen vorgesehen sein. 511 Eine Kompensation gerade durch derartige Sachverständige ist Voraussetzung eines Wegfalls staatlicher Kontrollen, zumal Fragen von besonderer 505

Dies kann nicht einfach auf den bisherigen Sicherheitsstandard fixiert werden, so aber Dahlke, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 62 (64). S. dazu und zur Differenzierung zwischen dem normierten Sicherheitsstandard sowie der verfahrensrechtlichen Garantie der Einhaltung auch unten Kapitel 4 (Grundrechte). 506 Calliess, Die Verwaltung 34 (2001), 169 (196 f.). 507 Schulte, BauR 1998, 249 (255); Ritter, DVBl. 1996, 542 ff. Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, spricht davon, dass sich der Staat insofern eine Garantiefunktion der Sachverständigen zunutze macht. 508 Eine Beleihung dürfte aus funktionalen sowie verfassungsrechtlichen Gründen nicht erforderlich sein. 509 Dahlke, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 62 (67 f.). 510 Vgl. Jäde, UPR 1994, 201 (205); s. auch Dahlke, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 62 (65). 511 Dahlke, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 62 (60), der die berufsständische Selbstkontrolle dabei als ausreichend ansieht.

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Sicherheitsrelevanz nicht ohne jegliche qualitätssichernde Vorkehrungen privater Verantwortung überlassen werden können. 512 Nur durch ein derartiges System der Regulierung der Sachverständigen sowie der risikoangemessenen Verteilung der Aufgaben auf die Sachverständigen kann der Staat seinen qualitativen Schutzverpflichtungen im Rahmen eines Sachverständigenmodells gerecht werden und gerade in sicherheitsrelevanten Fragen die Beachtung des erforderlichen Qualitätsniveaus sicherstellen. Daher knüpfen die Kompensationsmodelle an Sicherheitsrelevanz, Schwierigkeitsgrad und Gefahrenpotential des nicht mehr präventiv bauaufsichtlich geprüften Anforderungsbereichs an und verteilen diese Aufgaben auf unterschiedlich qualifizierte Sachverständige, teilweise unter Normierung eines Vier-AugenPrinzips. 513 Dabei müssen die Bauordnungen Antworten darauf finden, was die verschiedenen Gruppen von Sachverständigen leisten können, welche Qualifikationsanforderungen gestellt werden müssen und in welchen Fällen eine Kompensation durch Private einen Wegfall staatlicher Prüfung rechtfertigen kann. Die Verantwortlichkeiten sind dabei klar zu verteilen. Insbesondere muss geklärt werden, was die regelmäßig involvierte Gruppe der bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser zu leisten imstande ist, wann zusätzliche Qualifikationsanforderungen erforderlich werden und ab wann ein Vier-Augen-Prinzip anzuwenden ist. 514 Dabei stellt sich dann die Folgefrage, ob dieses Prinzip unter Einbeziehung der staatlichen Behörden oder, wie bei § 66 MBO 2002 (Option des Prüfsachverständigen), auf rein privater Ebene ausgestaltet wird. Um eine Grundlage für die Entwicklung des Sachverständigenmodells zu schaffen, sollen die Gemeinsamkeiten in der Regulierung der Sachverständigentätigkeit im Rahmen der Sachverständigenmodelle im Bauordnungsrecht nachfolgend kurz zusammengefasst werden. a) Staatlicher Prüfverzicht bei der Vorlage von Sachverständigenbescheinigungen Grundsätzlich lassen sich zwei Formen des staatlichen Prüfverzichts unterscheiden. In der ersten, regelmäßig angewandten Variante sind die Prüfungskompetenzen aufgrund des angewandten Verfahrenstyps klar verteilt. Die Kompetenzen können dann nicht zwischen staatlichen und privaten Stellen wandern. Vielmehr ist es im Rahmen der entsprechenden Verfahren zwingend erforderlich, dass der Private die entsprechenden Nachweise beibringt. Die andere Variante enthält ein einzelfallbezogenes Komplementär-Verhältnis von behördlicher und 512 513 514

Jäde, ZfBR 1996, 241 (248). S. dazu Jäde, ZfBR 2002, 21 (25). Jäde, ZfBR 2000, 519 (525).

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sachverständiger Prüfungskompetenz – bei Vorlage entsprechender sachverständiger Nachweise entfällt die behördliche Prüfung. Letztlich wird damit dem Bauherrn eine gewisse Wahlmöglichkeit über den Umfang der Genehmigung sowie über das Verfahren eingeräumt. Grundlage der Rücknahme der staatlichen Kontrolle ist regelmäßig die Vorlage von sachverständigen Nachweisen und Bescheinigungen, die durch im Hinblick auf die betroffene Aufgabe angemessen qualifizierte Sachverständige zu erstellen sind. Nach einigen Modellen werden keine besonderen Anforderungen an den Ersteller in dem Fall gestellt, dass der Nachweis durch eine entsprechend qualifizierte Person geprüft wird, was somit als gleichwertig angesehen wird. In dieser Form wird auch als intensive Form der privaten Kontrolle das VierAugen-Prinzip zwingend auf privater Ebene institutionalisiert. Dann müssen private Sachverständige die Nachweise immer kontrollieren, denn erst die Bescheinigung durch diese privaten Sachverständigen reicht aus, um einen staatlichen Kontrollverzicht zu ermöglichen. b) Die Regulierung der Einbeziehung des privaten Sachverstands Grundsätzlich geht der staatliche Prüfverzicht mit einer mehrstufigen und -elementigen Regulierung der Einbeziehung von Sachverständigen einher. Dabei kann eine gemeinsame Struktur festgestellt werden, und zwar beruht die Regulierung, insgesamt gesehen, auf einem Dreiklang von Elementen bestehend aus (1.) der Art der Aufgabe, die der sachverständigen Prüfung überantwortet werden soll, (2.) der Art und Weise der Einbeziehung des privaten Sachverstands, also der Regelung der konkreten Tätigkeit, sowie (3.) einer Regelung, welcher Sachverständige für die betreffende Aufgabe vorgesehen ist und welche Qualifikation er erfüllen muss. Im Hinblick auf das dritte dieser Elemente sehen die Bauordnungen ein abgestuftes System privaten Sachverstands vor, das die Zuordnung auf die verschiedenen Stufen mit bestimmten Anforderungen an die Qualifikation verbindet. Entsprechend werden unterschiedlich anspruchsvolle Aufgaben übertragen. Dabei wird ein Zwei-, Drei- oder Vierklang der privaten Kompensation geschaffen, wobei die Anforderungen an die Qualifikation in der Regel in zwei oder drei Stufen geregelt werden. Grundlage ist regelmäßig die Bauvorlageberechtigung, die für zahlreiche Aufgaben als ausreichende Qualifikation angesehen wird. Auf einer weiteren Stufe müssen die Bauvorlageberechtigten für bestimmte, näher spezifizierte Nachweise weitergehende Anforderungen erfüllen; die Bauordnungen regeln dann einen Bauvorlageberechtigten „mit Zusatzqualifikation“. 515 Als weitere, dritte Stufe sehen die Bauordnungen verschiedene Konzepte vor, die auch zum Teil kombiniert

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berücksichtigt sind (so die BayBO 2008). Zum Teil wird ein besonders qualifizierter, regelmäßig staatlich anerkannter Sachverständiger vorgesehen (auch Prüfsachverständiger genannt, Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008). Dessen Einbeziehung kann als Vier-Augen-Prinzip ausgestaltet sein. Alternativ können die Augen drei und vier auch diejenigen der Behörde sein. 516 Zur Abrundung, sozusagen als „vierter“ Klang, sehen einige Bauordnungen eine „Garantieerklärung“ der Beteiligten im Hinblick auf die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben vor. aa) Die Ausgangsstufe: Die Bauvorlageberechtigung Die Bauvorlageberechtigung als ein wesentliches Element privater Selbstkontrolle war in den Bauordnungen bereits vor den Reformbestrebungen enthalten. Indem der Bauantrag regelmäßig mit der Bauvorlageberechtigung verknüpft wurde, wurde ein bestimmtes Qualitätsniveau sichergestellt. Bauvorlageberechtigt sind regelmäßig fachlich qualifizierte Personen, namentlich Architekten und Ingenieure. Diese genügen schon aufgrund ihres Berufsrechts gewissen Grundanforderungen an eine private Kontrolle. 517 Die Bauvorlageberechtigung wird teilweise als ausreichende Qualifikation für die Erstellung bautechnischer Nachweise angesehen. 518 Dabei gibt es nicht zwingend einen einheitlichen Tatbestand der Bauvorlageberechtigung. Die BayBO differenziert im Hinblick auf die bauvorlageberechtigten Personen auch nach dem Schwierigkeitsgrad des Vorhabens. 519 Nach Art. 68 Abs. 3 und 4 BayBO 1998 (Art. 61 Abs. 3 und 4 BayBO 515 Häufig wird auch nur eine bestimmte Qualifikation wie die des Bauingenieurs herangezogen. 516 S. für Sachsen-Anhalt Haar, LKV 2007, 254 (255); § 65 BauO LSA. Diese Konzeption wird hier nicht weiter untersucht, da sie eine Durchbrechung des Sachverständigenmodells darstellt. Dennoch ist hier zu erwähnen und zu berücksichtigen, dass die bauaufsichtliche Prüfung auch durch Sachverständige erfolgen kann, und zwar als Beliehene, vgl. Meyer, in: Wilke / Dageförde / Knuth / Meyer / Broy-Bülow, Bauordnung für Berlin, § 67 Rn. 3. 517 S. dazu eingehend Schulte, BauR 1998, 249 (252 f.). 518 Nicht zwingend aber für die Erstellung aller bautechnischen Nachweise. So schließt z. B. die Bauvorlageberechtigung nach Art. 68 BayBO 1998 (Art. 61 BayBO 2008) die Berechtigung zur Erstellung bestimmter bautechnischer Nachweise mit ein, Art. 68 Abs. 7 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBO 2008); s. dazu auch Kanther, BayVBl. 1999, 300 (301). Auch in Brandenburg reicht grundsätzlich die Bauvorlageberechtigung aus, vgl. §§ 66 Abs. 1, 48 Abs. 4 BbgBO. Diese weitgehende Regelung ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass bestimmte bautechnische Nachweise in Brandenburg nach § 66 BbgBauO fast immer geprüft werden, entweder bauaufsichtlich oder durch Prüfsachverständige. Nur nach § 66 Abs. 7 BbgBauO werden bei kleineren Vorhaben bestimmte bautechnischen Nachweise nicht mehr geprüft. Zu beachten ist, dass die Verordnungsermächtigung des § 80 Abs. 3 BbgBO, mit der der bauaufsichtlich anerkannte Sachverständige geschaffen werden kann, als mögliche Regelung vorsieht, Prüfungen von der Bauaufsichtsbehörde auf Prüfingenieure oder andere Sachverständige zu verlagern. 519 Vgl. Kanther, BayVBl. 1999, 300 (301 f.).

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2008) werden Bauvorlageberechtigte mit einem unterschiedlichen Kompetenzspektrum geschaffen. 520 bb) Die Zusatzstufe – besondere Anforderungen Darüber hinaus ist denkbar, dass zwar grundsätzlich die Bauvorlageberechtigung ausreichen soll, allerdings für bestimmte Nachweise gewisse qualitative Zusatzanforderungen an den Bauvorlageberechtigten gestellt werden. In Betracht kommt dabei vor allem eine längere Berufserfahrung, eventuell auf einem besonderen Gebiet. cc) Der besonders qualifizierte Sachverständige Grundsätzlich beruhen die meisten im Rahmen der Bauordnungsreform gewählten Modelle darauf, dass die Figur eines besonders qualifizierten, staatlich anerkannten Sachverständigen geschaffen wird. Dieser wird einem öffentlichrechtlichen Regime unterworfen, das sowohl die Qualifikation und die Aufnahme der Tätigkeit als auch die Ausübung der Tätigkeit regelt. Die näheren Anforderungen, die an die besonders qualifizierten Sachverständigen 521 zu stellen sind, sowie das Zulassungsverfahren regeln Rechtsverordnungen. Geregelt werden Qualifikation, Berufserfahrung sowie Unabhängigkeit und die staatliche Kontrolle dieser Anforderungen, 522 wobei dies im Einzelnen von den Anforderungen der Materie abhängt. dd) Die Einbeziehung besonders qualifizierter Sachverständiger Grundsätzlich kommen zwei Regelungsmodelle für die Einbeziehung besonders qualifizierten Sachverstands in Betracht. Dabei ist im Wesentlichen danach zu unterscheiden, durch wen die Beauftragung erfolgt und in wessen Aufgabenbereich der Sachverständige tätig wird. Die klassische Form der Einbeziehung war die Übertragung von Prüfaufgaben durch die Behörde auf Sachverständige. 523 Wesensmerkmal dieser Variante ist 520 S. dazu die differenzierte Regelung des Art. 68 BayBO 1998 (Art. 61 BayBO 2008); s. auch § 48 Abs. 4, 6 und 7 BbgBauO. 521 Unabhängig von der Bezeichnung im Einzelfall wird immer eine besondere Qualifikation gefordert. 522 S. dazu auch Dahlke, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 62 (67). 523 Grundlage waren die in den meisten Ländern erlassenen Bauprüfungsverordnungen (BauPrüfVO), die die Übertragung bestimmter Aufgaben auf einen Prüfingenieur für Baustatik bzw. ein Prüfamt für Baustatik ermöglichen; vgl. Gnatzy, Verfahrensliberali-

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eine Beauftragung durch die Behörde. Die Ergebnisse dieser Tätigkeit werden ohne weitere Kontrolle als Bestandteil der bauaufsichtlichen Entscheidung ausgewiesen. 524 Diese Sachverständigen übernehmen dann die Verantwortung für die Vollständigkeit und die Richtigkeit der Prüfungen in gleicher Weise, wie sie der Bauaufsichtsbehörde gegenüber dem Bauherrn obliegt. 525 Dabei handelt es sich zwar auch um eine Form der Privatisierung bauaufsichtlicher Aufgaben, allerdings nur um eine Organisations-, nicht auch um eine Funktionsprivatisierung. 526 Die entsprechend dieser Ermächtigungen beauftragten Sachverständigen sind zwar Privatpersonen, nehmen aber hoheitliche Aufgaben wahr und werden insofern als Beliehene im öffentlichen Auftrag 527 tätig, und zwar auch dann, wenn sie nicht von der Behörde, sondern vom Bauherrn beauftragt worden sind. 528 In diesem Modell besteht die Verantwortung der Behörde fort; sie bedient sich nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben Privater, 529 womit es letztlich nicht als Bestandteil des hier untersuchten Sachverständigenmodells angesehen werden kann. Die alternativ mögliche Ausgestaltung des besonders qualifizierten Sachverständigen ist die Rechtsfigur eines staatlich anerkannten Sachverständigen. 530 Dieser wird in der Regel aufgrund der Beauftragung durch den privaten Bauherrn in dessen Verantwortungsbereich tätig. 531 Wesensmerkmal ist allerdings eine staatliche Kontrolle der Sachverständigen, also eine Kontrolle der Kontrolle, die sich regelmäßig dadurch äußert, dass der Sachverständige staatlich anerkannt sierung, S. 311 f., dort auch Nachweise der einzelnen Bauprüfverordnungen der Länder. S. auch (unter Hinweis auf den Charakter als Beleihung) Schulte, BauR 1998, 249 (254). Zu einem Prüfingenieur für vorbeugenden Brandschutz in Sachsen s. Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (573). Diese Variante findet sich nach wie vor in sämtlichen Bauordnungen, s. den Überblick bei Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap. 16 Rn. 116. 524 Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 312. 525 Schulte, BauR 1998, 249 (254). 526 Jäde, ZfBR 1996, 241 (248). 527 Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (573). 528 Jäde, ZfBR 1996, 241 (248). 529 Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (579); Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 312, führt die fortbestehende Verantwortung der Behörde darauf zurück. dass sie bzw. ihr Rechtsträger aufgrund der Tätigkeit des Beliehenen unmittelbar amtshaftungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt ist. S. dazu auch Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (594). 530 S. dazu auch Schulte, BauR 1998, 249 (255 ff.). 531 Allerdings wird bei einem Blick auf die Regelungen deutlich, dass sich zwar der Auftraggeber und sein Verantwortungsbereich unterscheiden, allerdings Übereinstimmungen in Hinblick auf die qualitativen Anforderungen an die Sachverständigen bestehen, was sich anhand der beide Formen erfassenden Verordnungsermächtigung beispielsweise des § 85 Abs. 2 MBO 2002 sowie des § 85 Abs. 2 LBauO M-V zeigt.

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oder zugelassen werden muss. Die genaue Ausgestaltung dieser Rechtsfigur wird Rechtsverordnungen überlassen, die entweder einen Katalog an Kriterien vorsehen oder aber auch die Auswahl der zu regelnden Kriterien dem Ermessen des Verordnungsgebers überantworten. Bei den zu regelnden Anforderungen handelt es sich regelmäßig um (1.) die Fachbereiche und Fachrichtungen der Tätigkeit, (2.) die Anerkennungsvoraussetzungen (Ausbildung, Berufserfahrung, Unabhängigkeit, persönliche Zuverlässigkeit sowie Fort- und Weiterbildung) und das Anerkennungsverfahren, (3.) das Erlöschen, die Überwachung sowie Rücknahme und Widerruf der Anerkennung einschließlich der Festlegung einer Altersgrenze, (4.) die Aufgabenerledigung sowie die Notwendigkeit einer Einschaltung in Bezug auf Bauaufsichtsbehörde und Bauherrn, 532 (5.) die Vergütung und (6.) das Erfordernis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung. 533 Dabei kann auch in einem solchen Regelungsansatz die subjektive und die fachliche Qualifikation durch ein entsprechendes Rekrutierungs- und Begleitsystem unter Einsatz der Berufskammern der wirtschaftlichen Selbstverwaltung sichergestellt werden. 534 ee) Vier-Augen-Prinzip In einigen Fällen, in denen Bauordnungen das Konzept des Prüfsachverständigen nicht vorsehen, wird als weitere Stufe eine Prüfung bautechnischer Nachweise und damit ein Vier-Augen-Prinzip vorgesehen. Dabei handelt es sich um eine bauaufsichtliche Prüfung, die allerdings zum Teil auch durch Beliehene erfolgen kann. Das Vier-Augen-Prinzip kann auch dadurch umgesetzt werden, dass die Prüfung der bautechnischen Nachweise durch staatlich anerkannte Sachverständige erfolgt. ff) Einzelne Modelle im Überblick Die Stufung des privaten Sachverstands kann gut durch die Regelung der MBO 2002 verdeutlicht werden. Auf den ersten beiden Stufen soll die Qualität der Nachweise dadurch sichergestellt werden, dass qualitative Anforderungen an den Ersteller gestellt werden. So reicht auf einer ersten Stufe die Bauvorlagebe532 So die Regelung in Art. 90 Abs. 9 BayBO 1998. S. auch § 80 Abs. 3 BbgBO; eine nur wenige Kriterien nennende Regelung findet sich in § 82 Abs. 2 ThürBO. S. zudem die Regelungen des § 89 Abs. 2 LBO LSA und des § 85 Abs. 4 LBauO M-V. 533 Ein derartiges Erfordernis wird vereinzelt auch unmittelbar durch die Regelungen der Bauordnungen statuiert. 534 Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (594).

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rechtigung für die Erstellung der bautechnischen Nachweise (§ 66 Abs. 1 MBO 2002) aus, während auf der zweiten Stufe an den Ersteller der Nachweise über die Standsicherheit und den Brandschutz zusätzliche Qualifikationsanforderungen gestellt werden, wobei dort je nach Art des zu erstellenden Nachweises differenziert wird (vgl. § 66 Abs. 2 S. 1 und 3 MBO 2002). Auf der dritten Stufe taucht ein Element der Kontrolle, nämlich die Institutionalisierung des Vier-Augen-Prinzips auf. 535 Für die Ausgestaltung des Vier-Augen-Prinzips werden zwei Optionen angeboten. Möglich ist danach sowohl die Ausgestaltung durch eine staatliche Kontrolle, sei es durch eine Behörde, sei es durch Beliehene, als auch eine volle Aufgabenprivatisierung unter Einschaltung privater, ausschließlich privatrechtlich im Verhältnis zum Bauherrn tätiger Prüfsachverständiger (§ 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MBO 2002). 536 Ein solcher Prüfsachverständiger muss den Standsicherheitsnachweis bescheinigen, was im Ergebnis Prüfung und Bescheinigung bedeutet. 537 Insofern wird eine echte Aufgabenprivatisierung ermöglicht. Entscheidet sich eine Bauordnung für das Modell des privaten Prüfsachverständigen, so folgt daraus ein echter Prüfverzicht: Die (staatliche) Bauaufsicht zieht sich aus der (hoheitlichen) Prüfung zurück, weil und soweit für bestimmte Anforderungsfelder Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass – außerhalb des bauaufsichtlichen Regimes in der privatrechtlichen Beziehungssphäre zwischen dem Bauherrn und dem Prüfsachverständigen – auch ohne bauaufsichtliche Prüfung die jeweils einschlägigen Anforderungen des materiellen Rechts eingehalten werden. 538 Das Anforderungsprofil an die Sachverständigen muss daher gewährleisten, dass die private Kontrolle ein der staatlichen Kontrolle funktionell adäquates Leistungsniveau bietet und damit die erforderliche Gemeinwohlsicherung erreicht. Die bayerische Bauordnung unterscheidet zwischen den Bauvorlageberechtigten nach Art. 68 BayBO 1998 (Art. 61 BayBO 2008), 539 den Sachverständigen nach Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008) sowie (allerdings nur im Fall der BayBO 1998), insoweit anders als die anderen Bauordnungen, der Figur des besonders qualifizierten Entwurfsverfassers für die planungsrechtliche Genehmigung. 540, 541 Diese Sachverständigen sind jeweils mit den vorgesehenen 535 S. dazu Jäde, NVwZ 2003, 668 (669); ders., BauR 2008, 52 (54) weist auch darauf hin, dass sich die zusätzlichen Anforderungen wie das Vier-Augen-Prinzip damit rechtfertigen lassen, dass die Nachweise nicht mehr bauaufsichtlich geprüft werden. 536 Jäde, NVwZ 2003, 668 (669). 537 Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 66, S. 226. 538 Jäde, MBO 2002, Anm. zu § 66, S. 226. 539 Wobei näher nach Qualifikation und Ausmaß der Bauvorlageberechtigung unterschieden wird. Sie vermittelt jedoch grundsätzlich die Berechtigung zur Erstellung bautechnischer Nachweise (Art. 68 Abs. 7 Satz 1 BayBO 1998/Art. 62 Abs. 1 BayBO 2008), solange nicht höhere Anforderungen verlangt sind. 540 Die Verordnungsermächtigung des Art. 90 Abs. 10 BayBO 1998 zur Schaffung dieses besonders qualifizierten Entwurfsverfassers ist nicht ausgenutzt worden.

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Verfahren der präventiven gestuften Eröffnungskontrolle verknüpft. Während sowohl in dem Genehmigungsfreistellungsverfahren als auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. Art. 64 Abs. 5 (ggf. i.V. m. Art. 73 Abs. 2 S. 1) BayBO 1998 (Art. 62 BayBO 2008) die Nachweise differenziert entweder durch den Bauvorlageberechtigten oder aber durch einen verantwortlichen Sachverständigen 542 im Bescheinigungsverfahren 543 nach Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998 (Art. 62 Abs. 4 BayBO 2008) erbracht werden, wird der besonders qualifizierte Entwurfsverfasser im Rahmen der planungsrechtlichen Genehmigung nach Art. 66 BayBO 1998 tätig. Ein solcher besonders qualifizierter Entwurfsverfasser der 3. Privatisierungsstufe bedarf der Schaffung eines neuen Berufsbildes. 544 Insofern wurde ein Modell der gesteuerten Selbstregulierung in der BayBO angelegt und bislang teilweise verwirklicht. 545 Besonders bemerkenswert ist zudem, dass nach Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayBO 2008 Abweichungen dann nicht zugelassen werden müssen, wenn die bautechnischen Nachweise durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt werden. 546 Die Stufung des privaten Sachverstands in Hessen regelt § 59 HessBauO, der auch als Kernstück des insgesamt dreiteiligen, der Privatisierung dienenden Kompensationssystems der HessBauO bezeichnet wird. 547 Es enthält drei Stufen, und zwar die Erstellung der Nachweise durch Nachweisberechtigte, durch Nachweisberechtigte mit besonderer Qualifikation sowie die Prüfung und Bescheinigung der Nachweise durch bauaufsichtlich anerkannte Sachverständige, wobei dann an den Ersteller keine besonderen Anforderungen gestellt werden. 548 Auf dieser dritten Stufe wird somit an dem Vier-Augen-Prinzip, wenn auch in einer privatisierten Form, festgehalten. Ein derartiges Vier-Augen-Prinzip, bei dem sich zwei Private wechselseitig kontrollieren, wird auch als geeignet ange541 Art. 62 und Art. 68 BayBO 2008 sehen eine Annäherung an das Konzept der MBO vor, wobei der Prüfungsumfang z. T. auch einzelfallbezogen festgestellt wird, vgl. Jäde, BayVBl. 2008, 33 (36). 542 Im Sinne der aufgrund von Art. 90 Abs. 9 BayBO 1998 (Art. 80 Abs. 2 BayBO 2008) erlassenen SVBau. Bspw. führt die Erstellung des Brandschutznachweises durch einen verantwortlichen Sachverständigen zum Entfallen der bauaufsichtlichen Prüfung, §§ 11 ff. SVBau, vgl. Jäde, BauR 2008, 52 (55). 543 Die Bezeichnung wird verwandt in Anlehnung an Wolf / Strunz, Bayerische Bauordnung (BayBO) 1998, S. 3. 544 Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (262). 545 Wobei der genannte besonders qualifizierte Entwurfsverfasser in der BayBO 2008 nicht mehr enthalten ist. 546 Dabei wird ersichtlich davon ausgegangen, dass in diesem Fall die materiellen Sicherheitsanforderungen eingehalten werden, und insofern finden die gleichen Überlegungen Anwendung wie im Rahme der Harmonisierung durch die Neue Konzeption, s. dazu oben, Kapitel 1. 547 Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. zu § 59, S. 442. 548 Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Erl. zu § 59, S. 444.

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sehen, bei Vorhaben mit einem besonderen Gefährdungspotential die Einhaltung der materiell-rechtlichen Vorgaben zu gewährleisten. 549 c) Beauftragung der Sachverständigen Im Rahmen des Sachverständigenmodells wird der Private durch den Bauherrn beauftragt und in dessen Verantwortungsbereich tätig. Neben der Regulierung der Sachverständigen kann auch die Beauftragung selbst als Element der Qualitätssicherung ausgestaltet werden. Damit kann der Gefahr begegnet werden, die daraus resultiert, dass ein privater Bauherr eventuell Interesse daran hat, einen ihm gewogenen privaten Sachverstand einzubeziehen. Die Beauftragung wird dann aus dem zu privatisierenden Bereich herausgetrennt und kann als eigenständiger Gegenstand einer möglichen Privatisierung gesehen werden. In dieser Hinsicht war nach der inzwischen entfallenen Regelung des § 62a Abs. 2 Sätze 6 – 8 SächsBO 1999 550 die Beauftragung der Sachverständigen als Element der regulierten Privatisierung ausgestaltet. 551 Die Beauftragung war zwar Sache des Bauherrn, allerdings wurde dieser Beauftragung eine präventive Kontrolle in der Form vorgeschaltet, dass der Sachverständige, der beauftragt werden sollte, der Behörde vorher angezeigt werden musste. 552 Diese konnte die Anerkennung und die Fachrichtung überprüfen und gegebenenfalls (innerhalb von 14 Tagen) der Beauftragung widersprechen (Verfahrenstypus des Anmeldeverfahrens), 553 so insbesondere dann, wenn an der Unabhängigkeit des Sachverständigen Zweifel bestanden. Auch der Wechsel des Sachverständigen bedurfte der Zustimmung der Behörde. 549

Jäde, UPR 1994, 201 (205). Nach dem Text der SächsBO 1999, wie er bei Bruns, Sächsische Bauordnung (SächsBO). Synopse, abgedruckt ist, gab es eine derartige Regelung nur für das Anzeigeverfahren. Vorliegend wird der Text, wie er der Kommentierung von Bothe / Schröder, Sächsische Bauordnung, 4. Auflage, zu Grunde liegt, verwendet. Diese Regelung galt ursprünglich nach § 63 Abs. 5 SächsBO 1999 nur für das Anzeigeverfahren, wurde aber später in das vereinfachte Genehmigungsverfahren integriert und galt für das Anzeigeverfahren nur noch aufgrund der Verweisung in § 63 Abs. 8 SächsBO 1999. Ursprünglich war im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens in § 62a Abs. 2 SächsBauO sogar eine Beauftragung durch die Bauaufsichtsbehörde vorgesehen. 551 Also als eigenständiger Gegenstand der Privatisierung unter staatlicher Aufsicht, vgl. auch Goerlich / Krüger, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 551 (569). 552 S. dazu Dammert / Kober / Rehak / Wieth, Die neue Sächsische Bauordnung, § 63 Rn. 50, 51. Auf Gesetzesebene wurde auch das Erfordernis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung geregelt, wobei der Nachweis darüber vorgelegt werden musste, s. Bothe / Schröder, Sächsische Bauordnung, 4. Auflage, 62a.2.2. Entfallen ist ebenfalls die Beauftragung von Sachverständigen durch die Behörde selbst. S. dazu noch Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (580 f.). 550

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Zu Gunsten einer derartigen, die Neutralität und Unabhängigkeit des Sachverständigen gewährleistenden Ausgestaltung der Beauftragung werden die grundrechtlichen Schutzpflichten sowie das Rechtsstaatsprinzip angeführt. Gerade in sicherheitsrelevanten Bereichen sei es Aufgabe des Verwaltungsverfahrens, Neutralität, Distanz, Fairness und Objektivität gegenüber den am Verfahren Beteiligten zu gewährleisten, 554 weshalb die private Kontrolle in diesen Fällen institutionell in einer Weise ausgestaltet werden müsse, die sie weniger anfällig gegenüber wirtschaftlichen Interessen macht. Als derartiges Instrument wird eine Regulierung der Beauftragung angesehen, zum Teil wird auch eine behördliche Beauftragung gefordert. 555 Grundsätzlich ist eine derartige Kontrolle der Beauftragung sicherlich ein zusätzliches Instrument der Qualitätssicherung. Es ist allerdings nicht zwingend, dass diese institutionelle Unabhängigkeit gerade durch eine behördliche Beauftragung erstens erforderlich und zweitens gewährleistet ist. Heute gehen wohl alle Bauordnungen davon aus, dass die Regulierung der Sachverständigentätigkeit sowie ihre gestufte Einbeziehung zur Qualitätssicherung ausreichen. Es spricht auch nichts dagegen, dass gerade eine staatliche Anerkennung als zentrales Element der Qualitätssicherung ihre Aufgabe erfüllt. d) Haftungsregelungen / Sanktionen Zur Sicherstellung einer möglichst sorgfältigen und am Gemeinwohl orientierten Aufgabenerfüllung werden darüber hinaus auch zivil- und öffentlichrechtliche Sanktionsmechanismen eingesetzt. Der zivilrechtliche Sanktionsmechanismus nutzt die allgemeinen Haftungsregeln. 556 Danach haftet insbesondere der Sachverständige, der seine Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllt, gegenüber dem Bauherrn als seinem Vertragspartner. Daneben wird über den obligatorischen Abschluss einer Haftpflichtversicherung 557 eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung auch über einen wirtschaftlichen An553 Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (572) bezeichnet dies als Verschränkung von behördlicher und privater Kontrolle unter Einbeziehung behördenexternen Sachverstands. 554 Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (577); ders., DVBl. 1982, 872 ff.; Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (586). 555 Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (578). 556 S. dazu auch Ortloff / Rapp, NJW 1996, 2346 ff. S. auch Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (262 f.). 557 S. dazu auch Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (264), der dort auch auf die Möglichkeit einer Haftungsbegrenzung gegenüber dem Auftraggeber aufgrund von In-

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reiz angestrebt. Eine unzureichende Aufgabenerfüllung schlägt sich in Haftungsfällen nieder, die entweder zu einem Wegfall der Versicherung und damit der Berechtigung zur Tätigkeit insgesamt oder aber zu höheren Prämien führen und damit eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung induzieren. Als öffentlich-rechtlicher Sanktionsmechanismus, der indirekt die Sachverständigen zu einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung anhält, kommt in Betracht, fehlerhaftes Handeln im Rahmen der Erfüllung der Erklärungs- und Nachweispflichten als Ordnungswidrigkeit zu behandeln und mit Geldbußen zu belegen. 558 Zudem kann festgelegt werden, dass einem Bauherrn, der den ihn treffenden Pflichten zur Erstellung und Vorlage von Nachweisen durch ausreichend qualifizierte Nachweise nicht nachkommt, entsprechende Bußgelder drohen. 559 Ergänzend ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Qualitätssicherung nicht alleine von diesen Mechanismen abhängt, sondern dass als Instrument der Qualitätssicherung weiterhin eine präventive Restkontrolle sowie eine unbeschränkte repressive Kontrolle durch die Bauaufsichtsbehörden besteht, bei denen noch Bauakten geführt werden und denen Nachweise vorzulegen sind. 560 e) Das Abweichungsverfahren 561 Ein allen Verfahrenstypen mit reduziertem staatlichen Prüfungsumfang gemeinsamer Regelungsaspekt sind die Abweichungen, also die Situation, dass ein Vorhaben den einschlägigen Vorgaben, die sich nicht mehr im Prüfungsumfang der staatlichen Behörden befinden, nicht entspricht. Da nicht jede Abweichung eine Ausführung verhindern soll, ist eine Entscheidung über ihre Zulässigkeit erforderlich. Die beiden wesentlichen Instrumente, mit denen dieser Situation Rechnung getragen werden soll, sind der Vorbescheid und die Erteilung einer isolierten bzw. selbständigen Entscheidung (im Sinne einer „kleinen Genehmigung“). Der Vorbescheid stellt ein Instrument dar, mit dem bereits vor Einreichung des Bauantrags eine Entscheidung der Behörde zu einzelnen Fragen des Baudividualvereinbarung und allgemeinen Geschäftsbedingungen hinweist. Zur Forderung einer obligatorischen Haftpflichtversicherung s. auch Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (594). 558 Koch, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 170 (181). 559 S. dazu Koch, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 170 (176). 560 Und zwar sowohl vor Baubeginn als auch (je nach Regelung) nach Bauausführung, s. Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, A 2.2.8, S. 8. 561 S. dazu auch Decker, BayVBl. 2003, 5 ff.

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vorhabens beantragt werden kann. Er stellt grundsätzlich einen vorweggenommenen Teil der Baugenehmigung dar. Dementsprechend ist der Vorbescheid grundsätzlich nicht auf verfahrensfreie und dem Genehmigungsfreistellungsverfahren unterliegende Vorhaben sowie auf Fragen, die sich nicht im obligatorischen Prüfungsumfang des vereinfachten Genehmigungsverfahrens befinden, anwendbar, es sei denn, diese Anwendbarkeit wird ausdrücklich geregelt. 562 Der Ausschluss der Anwendbarkeit bei Verfahren ohne abschließende Entscheidung kann allerdings dann nicht gelten, wenn der Bauherr ein Wahlrecht zugunsten der Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens besitzt. Bei einem Verfahren mit derartiger Dispositionsmöglichkeit des Bauherrn kann ein Vorbescheid demnach beantragt und erteilt werden. 563 Daneben besteht häufig in unterschiedlichem Umfang die Möglichkeit, eine isolierte bzw. selbständige Zulassung einer Abweichung, je nach Ausgestaltung auch einer Ausnahme oder Befreiung von bauplanungsrechtlichen Vorgaben, zu erreichen. Im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Behandlung kann eine Abweichung dazu führen, dass ein anderer Verfahrenstyp einschlägig ist, ein isoliertes Verfahren stattfindet bzw. eine isolierte Abweichungsentscheidung ergehen kann 564 oder aber (im vereinfachten Genehmigungsverfahren) die Entscheidung darüber mit der ohnehin ergehenden Entscheidung verbunden wird. 565 In bestimmten Konstellationen können Abweichungen, denen sachverständige Entscheidungen über materielle Sicherheitsanforderungen zugrunde liegen, auch durch entsprechend qualifizierte und regulierte Sachverständige „zugelassen“ werden. In der Regel müssen Abweichungen gesondert beantragt werden. Dieser Antrag muss in der Regel schriftlich gestellt und zum Teil auch begründet werden. 566 Dabei wird allerdings die Gefahr gesehen, dass dann, wenn Abweichungen iso562

So die frühere Regelung des § 64 Abs. 4 LBauO M-V. Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap 14 Rn. 118 ff.; dort auch eine Aufzählung der Länder, in denen ein derartiges Wahlrecht besteht. Sollte das Wahlrecht allerdings zur Anwendung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens führen, gilt dies konsequenterweise nur für die Fragen, die bei Ausübung des Wahlrechts in den obligatorischen Prüfungsumfang des vereinfachten Genehmigungsverfahrens fallen. 564 S. z. B. § 73 Abs. 2 BauO NRW, der die selbständigen Abweichungen, d. h. Abweichungen von solchen Vorschriften, die nicht in den Prüfungsumfang eines Genehmigungsverfahrens eingebettet sind, regelt, s. dazu Boeddinghaus / Hahn / Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen II, § 73 Rn. 30. S. dazu auch Stollmann, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 149 ff., (insbesondere S. 166 f.); Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, § 73 Rn. 29 ff., insbes. Rn. 30, der ausdrücklich festhält, dass es sich um ein eigenständiges, besonders ausgestaltetes bauaufsichtliches Verfahren handelt. 565 Regelungstechnisch wird die Regelung über selbständige Abweichungen häufig mit der für unselbständige Abweichungen, d. h. solchen, die im Rahmen des Prüfungsumfangs der Behörde erteilt werden, verbunden. 563

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liert zugelassen werden müssen, die eigentlich angestrebte Verfahrensderegulierung wiederum durch neue Verfahren zunichte gemacht wird. 567 Es entsteht dadurch ein Verfahrensaufwand, der den Zielen der Reformen entgegengerichtet ist. Zudem wurde auch die Notwendigkeit von Abweichungen als ein Grund für die mangelnde Akzeptanz von Vorhaben ohne abschließende Genehmigungsentscheidung angeführt. 568 Daher wird zumindest für den Bereich des Bauordnungsrechts vorgeschlagen, dass soweit wie möglich Ausnahmetatbestände in rechtlich gebundene Regelzulässigkeitstatbestände umgewandelt werden sollten. Gleichzeitig werden jedoch auch Maßstabsverschärfungen für möglich gehalten, die über den allgemeinen Abweichungstatbestand flexibilisiert werden können. 569 Die Prüfungs- und Entscheidungskompetenzen sind zu verteilen, und das Verhältnis der Kompetenzen zueinander ist zu regeln – regelmäßig haben Sachverständige nur eine Prüfungs-, nicht aber eine Entscheidungskompetenz. Eine besondere Verteilung der Kompetenzen stellt die oben beschriebene Möglichkeit dar, auch die Zulässigkeit von Abweichungen privaten Sachverständigen zu überlassen, wobei diese dann nicht über die materiellen Sicherheitsziele, wohl aber über die Wege, diese zu erreichen, entscheiden können. Für diese Beurteilung kommt es primär auf Sachverstand an, denn es ist lediglich eine sachverständige, nicht aber eine darüber hinausgehende Wertung erforderlich. f) Zusammenfassung und abschließende Bewertung Die beiden verfahrensrechtlichen Ansätze der Bauordnungsreform haben zum einen den Verzicht auf verfahrensabschließende Entscheidungen und zum anderen die Reduktion des Prüfungsumfangs im Rahmen von Genehmigungsverfahren zum Gegenstand. Zum Einsatz kommt ein risikoadäquat abgestuftes verfahrensrechtliches Instrumentarium, mit dem den Anforderungen der grundrechtlichen Schutzpflichten Rechnung getragen wird. 570 Dabei wird all das der Kontrolle von Sachverständigen überantwortet, was von diesen selbst ohne größere rechtliche Schwierigkeiten geprüft werden kann. 571 Dieses Sachverständigenmodell wird auch als Ausdruck der Gewährleistungsverantwortung des Staates bei Zu566

Meiniger, LKV 2002, 20 (22). S. zu den Anforderungen im Einzelnen Stollmann, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 149 (152 ff., 162 f.). Dort auch auf S. 154 zur Würdigung nachbarlicher Interessen. 567 Jäde, UPR 2002, 87 (87). 568 S. dazu Pfaff, VBlBW 1996, 281 (283). 569 Jäde, UPR 2002, 87 (87). 570 Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (591). 571 Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (272).

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rücknahme staatlicher Prüfungen angesehen. 572 Es besteht, grob gegliedert, aus den folgenden Grundelementen: 573 • Einführung von Modellen der gestuften Eröffnungskontrolle, • Regelung der Erforderlichkeit und der Wirkung sachverständiger Nachweise, • Regelung eines abgestuften und differenzierten Systems des privaten Sachverstands einschließlich dessen Überwachung (qualitative Anforderungen, Stufung im Hinblick auf Anforderungen / erforderliche Kriterien / Zulassung), • Möglichkeit der Beibehaltung eines privatisierten Vier-Augen-Prinzips, • Regelung behördlicher Kompetenzen, insbesondere Beibehaltung der vollen repressiven Kompetenzen, und • Regelung eines Abweichungsverfahrens. Das Sachverständigenmodell besteht somit aus einer Substitution staatlicher Kontrolle durch private Sachverständige bei gleichzeitiger Kompensation des Wegfalls der staatlichen Richtigkeitsgewähr durch eine aus verschiedenen Elementen bestehende Regulierung der Sachverständigentätigkeit. Die oben dargestellte Stufung des Sachverstands gewährleistet zudem ein qualitatives Anforderungsprofil, das dem jeweiligen Risikopotential adäquat ist. 574 Der verfahrensrechtlichen Sicherung dient auch die Installation des Vier-Augen-Prinzips – teils mit, teils ohne Beteiligung der Behörde. 575 Im Verhältnis zum Dritten, im Baurecht also zum Nachbarn, wird jedoch auch geltend gemacht, dass nur die präventive (behördliche) Kontrolle diesem einen wirksamen Rechtsschutz gewährleisten könne. 576 Allerdings stellt auch die 572

Schulte, BauR 1998, 249 (255). Wobei hier, wie bereits oben erwähnt, nicht mehr die begleitende Kontrolle in Form der privatisierten Kontrolle der Bauausführung eingeschlossen ist, da dies ein weiterer Anwendungsfall eines Sachverständigenmodells ist. Auch hier sind Private einbezogen, an die gewisse Anforderungen gestellt werden. Erwähnenswert ist, das in NRW die im Rahmen der ersten Reformbestrebungen abgeschaffte Figur des Bauleiters wieder geschaffen worden ist, weil die Anzahl der wegen Verstößen gegen baurechtliche Vorschriften eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren erheblich gestiegen ist, da insbesondere bei kleineren Bauvorhaben die Bauherren darauf verzichtet haben, die Bauausführung durch sachkundige und erfahrene Personen koordinieren zu lassen, s. dazu auch Gubelt, NVwZ 2000, 1013 (1014). S. auch § 58 BauO NRW und § 53 MBO 2002. Bei einer Gesamtbetrachtung bleibt allerdings festzuhalten, dass die sachverständige Tätigkeit im Rahmen eines Sachverständigenmodells nicht punktuell beschränkt wird, sondern die Projektlaufzeit begleiten sollte. Essentiell für die Einhaltung der materiellen Vorgaben ist neben einer präventiven Kontrolle insbesondere, dass auch die Ausführung selbst die (kontrollierten) Vorgaben einhält. 574 Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (593). 575 Die Beauftragung selbst wird nicht (mehr) als eigenes Mittel der Kontrolle der Kontrolle verwendet. 576 Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (4). 573

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Kontrolle durch Sachverständige eine präventive Kontrolle dar, die durchaus als funktional adäquat betrachtet werden kann und eine entsprechende Leistungsfähigkeit aufweist. Jedenfalls scheint es so, als hätten sich die zugrundeliegenden Prognosen realisiert und sei es aufgrund des Sachverständigenmodells weder zu größeren Problemen bei der repressiven Kontrolle noch zu Verlagerungen der Streitigkeiten auf die Verwaltungsgerichte gekommen. 577 Es wird zumindest behauptet, dass die Reduktion der präventiven Kontrolle nicht zu einem im Vergleich zur früheren Rechtslage erhöhtem Abweichen von den Vorgaben des materiellen Bauordnungsrechts führe. 578 Verfassungsrechtlich gefordert wird eine Zugriffsoption der staatlichen Stellen. Diese müssen für den Fall des Versagens der privaten Kontrolle im Sinne einer Gewährleistungsverantwortung tätig werden können, um insbesondere die Schutzpflichten zu verwirklichen. Im Rahmen des Baurechts wird diese Zugriffsmöglichkeit als Ausdruck eines Letztentscheidungs-Mandats in den repressiven Eingriffsbefugnissen gesehen, 579 weshalb die repressive Kontrolle als unverzichtbar angesehen wird. 580 Allerdings wird bezweifelt, dass präventiv eine ausreichende Entlastung eintrete, die eine intensivere repressive Kontrolle und ein repressiv härteres Auftreten ermöglicht. 581 Als Ausgleich wird auch vertreten, dass sich das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde zum bauaufsichtlichen Einschreiten zu Gunsten des betroffenen Nachbarn reduziert und sich eher zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichtet. 582

3. Die Tätigkeit von Sachverständigen im Rahmen der Zulassung von Arzneimitteln Der Gefahrenabwehr dienen auch die verschiedenen möglichen Zulassungsverfahren für Arzneimittel. Dabei handelt es sich um komplexe Verwaltungsverfahren, teilweise wird auch von einem hochkomplexen Entscheidungsverfahren gesprochen. 583 Die Entscheidung wird überwiegend wissenschaftlich, aber auch wertend prognostizierend getroffen. Sie ist gekennzeichnet durch Verweisungen 577

Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (273). S. dazu Jäde, UPR 1998, 326 (327 f.). Dabei ist zu beachten, dass die heute festgestellten Verstöße zwar existieren, aber auch schon vor der Bauordnungsreform keine Übereinstimmung der materiellen Vorgaben mit den tatsächlich ausgeführten Vorhaben bestand. 579 Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (595); so auch Koch, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 170 (181). 580 So auch Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (273). 581 Goerlich, SächsVBl. 1995, 1 (4 f.). 582 S. dazu unten Kapitel 5. S. auch Jäde, UPR 1998, 326 ff. 578

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des Gesetzes auf außerjuristische Wissenschaftserkenntnisse und die Notwendigkeit zu komplizierten wissenschaftlichen Prognosen. Dementsprechend ist die entscheidende Verwaltung in großem Umfang auf Sachverstand, insbesondere wissenschaftlichen, angewiesen. Der Gesetzesvollzug bedarf deshalb im Entscheidungsalltag des Rates von Sachverständigen, so dass das arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren durch die Beteiligung Sachverständiger geprägt ist. 584 Diese sind in die zentralen Bereiche der Zulassung von Arzneimitteln eingebunden, und zwar in die Überprüfung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel und in die in diesem Zusammenhang erforderlichen Wertungen. Vor diesem Hintergrund soll untersucht werden, wie in diesen Verfahren externer Sachverstand eingebunden ist und welche Bedeutung er für die zu treffende Entscheidungen hat. a) Die verschiedenen Zulassungsverfahren Von „dem arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren“ zu sprechen, ist problematisch, da es im Wesentlichen drei Möglichkeiten gibt, die Schranke des präventiven Verbots des § 21 AMG 585 zu überwinden und Arzneimittel erlaubt in den Verkehr zu bringen, wobei es je nach konkretem Zulassungsverfahren verschiedene Formen der faktischen und auch rechtlichen Bindung an Sachverständigenvoten gibt. Das sogenannte zentrale Zulassungsverfahren 586 findet auf europäischer Ebene statt und wird durch die europäische Zulassungsagentur 587 durchgeführt; die Zulassungsentscheidung ergeht durch die Kommission bzw. einen bei der Kommission eingerichteten Ausschuss für Humanarzneimittel, 583 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (197). Zu dem Begriff der komplexen Verwaltungsentscheidung als Bezeichnung für solche Verwaltungsentscheidungen bzw. -verfahren, die technisch oder naturwissenschaftlich nur schwer überschaubar sind, s. SchmidtAßmann, VVDStRL 34 (1976), 221 (222 ff.); ders., Festgabe 25 Jahre BVerwG, S. 569 (569). 584 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (195). 585 Arzneimittel i. S.v. § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG dürfen gem. § 21 AMG nur mit einer Zulassung in den Verkehr gebracht werden. Dabei handelt es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. S. auch Sander, Arzneimittelrecht Band 1, AMG, § 21 Erl. 1. 586 S. dazu ausführlich Wagner, Europäisches Zulassungssystem für Arzneimittel und Parallelhandel, S. 169 ff. Es wird geregelt durch Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 2. 7. 1983, ABl. L 214 vom 24. 8. 1993, S. 1, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 649/98 vom 24. 3. 1998, ABl. EG Nr. L 88 vom 24. 3. 1998, S. 7. S. dazu auch die Mitteilung der Kommission über die gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren für Arzneimittel 98/C 229/03 – ABl. EG Nr. C 229 vom 22. 7. 1998, S. 4, geändert durch die Berichtigung der Mitteilung der Kommission über die gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren für Arzneimittel 1999/C 29/10 – ABl. EG Nr. C 29 vom 4. 2. 1999, S. 24, abgedruckt bei Sander, Arzneimittelrecht, Band 3m Anh. II/1c 1. 587 European Agency for the Evaluation of Medicines – EMEA.

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wobei zentraler Gegenstand ein Gutachten des Ausschusses für Arzneimittelspezialitäten ist. 588 Interessant ist die Regelung, dass die Kommission ihren Entscheidungsentwurf, den sie vor der endgültigen Entscheidung dem Antragsteller und den Mitgliedstaaten zuzuleiten hat, nur dann begründen muss, wenn sie von dem Gutachten der Agentur abweicht. 589 Daneben existieren auf nationaler Ebene das dezentrale Zulassungsverfahren sowie das vereinfachte Zulassungsverfahren für Importarzneimittel. Letzteres zeichnet sich nicht durch eine Verantwortungsteilung zwischen Staat und Privaten aus, vielmehr bezieht es sich auf in anderen Ländern zugelassene Arzneimittel. 590 Die weitere Betrachtung konzentriert sich auf das in §§ 21 ff. AMG geregelte dezentrale Zulassungsverfahren als das maßgebliche nationale Zulassungsverfahren. Dabei handelt es sich um das nationale Referenzverfahren, das als Grundlage des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung dient. Es stellt somit gleichsam die Grundlage für die Zulassung in allen Staaten der Europäischen Union dar. 591 Dies erklärt auch die Bezeichnung als dezentrales Verfahren. Die Zulassung löst allerdings keinen praktisch bedeutsamen materiellen Bestands-, resp. Vertrauensschutz aus. 592 Zudem befreit die arzneimittelrechtliche Zulassung den Antragsteller nicht von seiner zivil- oder strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§ 25 Abs. 10 AMG). b) Die Beteiligung Sachverständiger im Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG Vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchung sind die Elemente einer Beteiligung von Sachverständigen sowie die Bedeutung ihrer Tätigkeit für die abschließende Entscheidung zu untersuchen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Zulassungsvoraussetzungen zu berücksichtigen, auf die sich die sachverständige Tätigkeit bezieht, und zwar vor allem die Wirksamkeit und Un588 Committee für Proprietary Medicinal Products – CPMP, eingerichtet bei der EMEA. S. dazu Rehmann, AMG, Vor § 21 Rn. 4. Die Geschäftsordnung des Ausschusses sieht vor, dass jeder Vertreter (ein Vertreter pro Mitgliedstaat und ein Vertreter der Kommission bilden den Ausschuss) drei Sachverständige hinzuziehen darf, Art. 1 der Geschäftsordnung des Ausschusses für Arzneimittelspezialitäten der Kommission der Europäischen Gemeinschaft, abgedruckt bei Sander, Arzneimittelrecht, Band 3, Anh. II 3 c. 589 Rehmann, AMG, Vor § 21 Rn. 8. 590 Bzw. sogenannte fiktiv zugelassene Arzneimittel, s. dazu Rehmann, AMG, Vor § 21 Rn. 23 ff. 591 Dies ist allerdings insofern nicht zwingend, als dass bei Ablehnung der Anerkennung durch andere Staaten noch ein europäisches Verfahren folgt. S. dazu im Einzelnen das Ablaufschema bei Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): AMG, Vor § 21 Rn. 14. 592 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 184.

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bedenklichkeit von Arzneimitteln. Beide Merkmale sind schwer zu beurteilen, und beider Beurteilung bewegt sich in einem Umfeld potentiell großer Risiken. Die Wirksamkeit 593 und der therapeutischen Nutzen müssen im Rahmen einer Abwägung dazu in Beziehung gesetzt werden. Es ist also eine Nutzen-Risiko-Bilanz erforderlich, und die Abwägung muss eine Aussage darüber treffen, welche Nebenwirkungen und Schädigungen im Vergleich zum therapeutischen Nutzen noch vertretbar sind. 594 Privater Sachverstand wird im Rahmen dieses Zulassungsverfahrens unterschiedlich genutzt. Von besonderer Bedeutung ist, dass die sachverständigen Gutachten Bestandteil der Zulassungsunterlagen und diese wiederum Grundlage der Zulassungserteilung sind. 595 Die Zulassungsbehörde selbst nimmt keine Untersuchungen vor, um die pharmazeutische Qualität, die Unbedenklichkeit und die Wirksamkeit zu überprüfen. 596 aa) Vorprüfung durch unabhängige Sachverständige – § 25a AMG Eine erste Möglichkeit findet sich auf der Ebene der Vorprüfung nach § 25a AMG. Danach soll die Zulassungsbehörde den Zulassungsantrag durch unabhängige Sachverständige daraufhin überprüfen lassen, ob der Zulassungsantrag vollständig ist und das Arzneimittel nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ausreichend geprüft worden ist. Diese Vorschrift dient der Beschleunigung des Zulassungsverfahrens; 597 die Beteiligung von unabhängigen Sachverständigen ist vom Gesetzgeber als regelmäßiger Bestandteil des Zulassungsverfahrens vorgesehen („soll“), wobei diese als Beliehene han593 Zu den Schwierigkeiten der Überprüfung der Wirksamkeit s. Ausschussbericht, abgedruckt bei Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 vor der Kommentierung (Blatt 49 a-f2). 594 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (200). Dies wird gerade im Rahmen der zur Zeit auftretenden Arzneimittelrückrufe deutlich. So wurde das Arzneimittel Lipobay der Bayer AG wegen Verdacht der Auslösung von Muskelschwäche zurückgerufen. Dabei handelte es sich um einen Cholesterinsenker, also ein Arzneimittel, für das Ausweichprodukte verfügbar sind und das in der Regel bei „ungefährlicheren“ Krankheiten eingesetzt wird. Ähnliches gilt für das Schmerzmittel Vioxx der Merck Inc. aus den USA. Alternativ gibt es zahlreiche Krebs- und Aidsmedikamente mit weitaus schwerwiegenderen Nebenwirkungen, die aber angesichts der schwereren Krankheit und des damit höher und bedeutender eingeschätzten therapeutischen Nutzens hingenommen werden. 595 Zu dieser Funktion der Zulassungsunterlagen vgl. Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, § 21 AMG Anm. 57 ff. 596 Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 111 (wobei dort auch auf die Ausnahme im Rahmen der Zulassung von Blutzubereitungen, Sera, Impfstoffen und Testallergenen hingewiesen wird). 597 Vgl. auch den Ausschussbericht, abgedruckt bei Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG § 25 a.

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deln. 598 Die sachverständige Tätigkeit entfaltet jedoch keine Bindungswirkung für die Behörde, diese kann vielmehr eine abweichende Entscheidung treffen. Allerdings wird verlangt, dass sie zuvor etwaige Amtshandlungen des Sachverständigen förmlich aufhebt. 599 Aus dieser Konzeption ergibt sich keine weitere Erkenntnis über Möglichkeiten einer Verfahrensprivatisierung. bb) Sachverständigengutachten nach § 24 AMG Eine bedeutende Rolle wird den Sachverständigen durch den ebenfalls auf Beschleunigung durch Entlastung der Behörde abzielenden § 24 AMG eingeräumt. 600 Danach hat der Antragsteller mit den Antragsunterlagen Sachverständigengutachten vorzulegen, wobei an diese Sachverständigengutachten bestimmte inhaltliche Anforderungen gestellt werden. Die Pflicht des Antragstellers, Prüfungsergebnisse vorzuweisen, wird somit dadurch erweitert, dass die von dem Antragsteller vorzulegenden Nachweise durch Sachverständige begutachtet worden sein müssen. 601 Dementsprechend hat der Antragsteller neben der Vorlage der Prüfungsergebnisse die mit der Vorlage von sachverständigen Gutachten zu erfüllende Verpflichtung, die Nachweise zu erbringen, dass seine Prüfungen die Zulassungsreife des Produkts ergeben haben. Der Sachverständige muss dagegen keine eigenen Prüfungen anstellen. Es reicht allerdings nicht aus, wenn der Gutachter lediglich eine Meinung äußert, diese muss vielmehr auch – innerhalb des Gutachtens – nachvollziehbar sein. 602 Das Gutachten selbst muss eine kritische Bewertung der Erzeugnisqualität und der am Tier sowie am Menschen durchgeführten Untersuchungen sowie alle für eine Bewertung zweckdienlichen Angaben enthalten. 603 Maßstab für die Beurteilung der Qualität und der Vollständigkeit der Unterlagen sind die Arzneimittelprüfrichtlinien. Dabei ist nicht nur von Bedeutung, welche Untersuchungen durchgeführt worden sind, sondern auch die Angabe, nach welchen Methoden gearbeitet worden ist, wobei der Stand der Wissenschaft und Technik zu berücksichtigen ist. 604 598 Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 25a Rn. 1. 599 Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 25a Rn. 4. 600 S. dazu Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 24 Rn. 1; amtliche Begründung, abgedruckt bei Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 24 vor der Kommentierung. 601 Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 24 Rn. 1. 602 S. dazu Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 24 Rn. 4. 603 Es ist so abzufassen, dass sich der Leser ein klares Bild von den Eigenschaften, der Qualität, den vorgeschlagenen Spezifikationen und Kontrollverfahren, der Unbedenklichkeit, der Wirksamkeit sowie den Vorzügen und Nachteilen des Erzeugnisses machen kann, Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 24 Anm. 1.

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Die Gutachten können sowohl von internen als auch von externen Gutachtern erstellt werden. 605 Die Behörde ist nicht berechtigt, interne Gutachten etwa mit dem Hinweis auf Interessenkonflikte des Sachverständigen zurückzuweisen. 606 Nach § 24 Abs. 3 AMG müssen Angaben über den Sachverständigen beigefügt werden, damit die Behörde kontrollieren kann, ob der erforderliche Sachverstand vorgelegen hat. 607 Sie soll sich selbst ein Bild davon verschaffen können, 608 was mangels einer weiteren Regulierung erforderlich ist. Fehlt es an dem Sachverstand, so fehlt es an dem erforderlichen Gutachten. 609 Bemerkenswert ist, dass kein spezielles Anerkennungs- oder Zulassungsverfahren für die Sachverständigen vorgesehen ist. 610 Interessant ist diese Möglichkeit der Überprüfung von Sachverständigen im Einzelfall, erklärt sich aber aus der fehlenden Regulierung der Sachverständigen selbst. Da es sich um eine Einbeziehung in der klassischen Funktion handelt, kann im Übrigen als Erkenntnis lediglich festgehalten werden, dass auch hier eine Überprüfung der Sachverständigen für erforderlich gehalten wird und diese sich auch auf Qualifikation und Berufserfahrung bezieht. Allerdings muss der Sachverstand nicht notwendigerweise unabhängig sein. cc) Die Regelung des § 25 Abs. 5 AMG Die Bedeutung der Sachverständigentätigkeit im Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens folgt im Wesentlichen aus § 25 Abs. 5 AMG. Dabei fallen hier zwei Konzepte ins Auge, und zwar die ausdrückliche Regelung, dass die vom Antragsteller vorgelegten Sachverständigengutachten die Entscheidungsgrundlage der Behörde darstellen, sowie die Regelung über die Erstellung von Gegengutachten. Die Unterlagen einschließlich der sachverständigen Gutachten sind als Entscheidungsgrundlage von der Zulassungsbehörde dahingehend zu prüfen, ob sie 604

Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 24 Anm. 2. Rehmann, AMG, § 24 Rn. 1; Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 24 Anm. 8. 606 Sander, Arzneimittelrecht Band 1, AMG, § 24 Erl. C 2. Allerdings sind die beruflichen Beziehungen des Sachverständigen zum Antragsteller anzugeben (Richtlinie 91/ 507/EWG Anhang Teil 1 letzter Absatz), vgl. Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 24 Anm. 10. 607 Es muss sich um Personen mit wissenschaftlichen Kenntnissen und praktischer Erfahrung handeln, wobei insbesondere Ausbildung und Berufserfahrung darzulegen sind, Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 24 Anm. 9, Anm. 28. 608 Sander, Arzneimittelrecht Band 1, AMG, § 24 Erl. C 2. 609 Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 24 Rn. 3. 610 Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 24 Anm. 10. 605

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die beantragte Zulassung rechtfertigen 611. Allerdings verbleibt es dabei, dass die Entscheidung aufgrund der eigenen Sachkenntnis der Zulassungsbehörde (und / oder der Sachkenntnis derjenigen, die sie heranzieht (bspw. Gegensachverständige)) ergeht. 612 Sie ist zudem nicht auf die Prüfung der eingereichten Unterlagen beschränkt und kann insbesondere eigene wissenschaftliche Erkenntnisse heranziehen. Allerdings dürfte diese Regelung eine faktische Bindung der Behörde an diese durch externe Sachverständige vorgenommenen Wertungen zur Folge haben, 613 zumal auch davon ausgegangen wird, dass eine umfassende Überprüfung der Unterlagen schon aus personellen Gründen nicht bei jedem Zulassungsverfahren durchgeführt werden kann. 614 Daneben kann die Behörde zur Beurteilung auf die Sachkenntnis anderer zurückgreifen, und zwar auf diejenige der sogenannten Gegensachverständigen, die nach § 25 Abs. 5 Satz 6 AMG unabhängig sein 615 sowie über die erforderliche Sachkenntnis und Zuverlässigkeit verfügen müssen. Ihre Einschaltung liegt im Ermessen der Behörde, soll also anlassbezogen erfolgen. 616 Diese prüfen die Gutachten, die der Antragsteller nach § 24 AMG vorgelegt hat. 617 Die Behörde kann somit die Zulassungsunterlagen prüfen lassen und die Erkenntnisse und Beurteilung der Gegensachverständigen der Zulassung zu Grunde legen. 618 Bei bekannten Arzneimitteln geschieht dies, ohne dass es einer Prüfung der eingereichten Unterlagen durch die Zulassungsbehörde selbst nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG bedürfte. 619 Die Möglichkeit, eigene wissenschaftliche Erkenntnisse und Gegensachverständigen heranzuziehen, eröffnet der Behörde die Möglichkeit zur materiellen Überprüfung der Antragsunterlagen. 620 Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die arzneimittelrechtliche Zulassung im Wesentlichen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. 611

Rehmann, AMG, § 25 Rn. 16. Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 25 Rn. 3. 613 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (205). 614 Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 72 b. 615 S. dazu auch die Neunte Bekanntmachung der für den Vollzug des Arzneimittelgesetzes zuständigen Behörde, Stellen und Sachverständigen, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 23. 7. 1999, BAnz. Nr. 236a v. 14. 12. 1999, abgedruckt bei Sander, Arzneimittelrecht, Band 5, Anh II/68. 616 Vgl. Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 134, dort auch in Anm. 136 ff. zu weiteren Anforderungen an die Gegensachverständigen. 617 Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 25 Rn. 3. 618 Amtl. Begründung zu § 25 Abs. 5 AMG, abgedruckt bei Sander, Arzneimittelrecht Band 1, § 25 AMG A. 619 Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 86. 620 Sander, Arzneimittelrecht Band 1, AMG, § 25 Erl. C 13. 612

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

Im Hinblick auf die Bedeutung des Gutachtens eines Gegensachverständigen ist danach zu unterscheiden, ob es sich bei dem Arzneimittel um ein in der medizinischen Wissenschaft noch unbekanntes oder ein bekanntes handelt. Während bei dem unbekannten die Beurteilung des Gegensachverständigen nur Grundlage des der Zulassungskommission vorzulegenden Entscheidungsentwurfes wird, wird die Bedeutung bei bekannten Arzneimitteln erheblich aufgewertet. Die Behörde kann die Beurteilung der Gegensachverständigen übernehmen und ohne eigene Unterlagenprüfung der Zulassungsentscheidung zu Grunde legen. 621 Die Behörde wird somit dazu legitimiert, die Prüfung der Unterlagen nach außen zu verlagern und entsprechend der Voten der Gegensachverständigen zu entscheiden, wenn deren Beurteilung keinen offensichtlichen Verstoß gegen Denkgesetzlichkeiten und keine offenkundigen Unrichtigkeiten enthält. Sie und der entscheidende Beamte werden dadurch von ihrer Verantwortung entlastet, denn das Votum des Gegensachverständigen wird zur Regelentscheidungsgrundlage. 622 dd) Die Zulassungskommission – § 25 Abs. 6 AMG Zusätzlich regelt § 25 Abs. 6 AMG, dass vor der Zulassung eines (verschreibungspflichtigen 623) Arzneimittels eine Zulassungskommission zu hören ist. Damit handelt es sich um die verpflichtende Einbeziehung externen Sachverstands 624 in Form eines Sachverständigen-Gremiums. Ziel ist, ein hohes Maß an externem theoretischen und praktischen Sachverstand für die Entscheidung nutzbar zu machen. 625 Die Kommission hat die Aufgabe, die im Verfahren vorhandenen Unterlagen und Stellungnahmen der Gutachter zu beurteilen und eine eigene Stellungnahme über die Zulassungsfähigkeit des Arzneimittels abzugeben. 626 Ihr sind alle Unterlagen vorzulegen, die der Zulassungsbehörde eingereicht worden sind oder die sie zur Grundlage ihrer Entscheidung machen will. 627 Die Kommission kann 621

Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 140. Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 140; Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (206). 623 Die Verschreibungspflicht bestimmt sich nach § 49 AMG. Die sich daraus ergebende automatische Verschreibungspflicht bezieht sich auf Arzneimittel mit neuen Stoffen, deren Wirkungen noch nicht hinreichend bekannt sind und die deshalb auch nach der Zulassung weiter erforscht werden sollen, sowie auf neue Zubereitungen bekannter Stoffe, die ebenfalls noch nicht ausreichend erforscht sind, so dass ihre Wirkung weder bekannt noch bestimmbar ist, Rehmann, AMG, § 49 Rn. 1. 624 S. auch Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (202). 625 Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 148. 626 Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 25 Rn. 5. 627 Sander, Arzneimittelrecht Band 1, § 25 AMG, Erl. C 15. 622

§9 Verfahrensprivatisierung und Deregulierung

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jedoch nur Empfehlungen aussprechen; sie entscheidet nicht selbst, hat also keine Entscheidungskompetenz. 628 Allerdings regelt § 25 Abs. 6 Satz 3 AMG, dass die Zulassungsbehörde dann, wenn sie von der Empfehlung der Zulassungskommission abweichen will, die Gründe für die abweichende Entscheidung darlegen muss. Ihre Empfehlung bindet die Behörde somit zwar nicht, setzt sie aber zumindest unter einen Begründungszwang. Dies erfordert eine ausführliche Auseinandersetzung der Behörde mit den Argumenten der Kommission. 629 Eine abweichende Stellungnahme der Zulassungskommission zwingt die Zulassungsbehörde, sich noch einmal intensiv mit der wissenschaftlichen Problematik zu befassen. 630 Daraus sowie aus dem in der Kommission vorhandenen Sachverstand folgt in der Praxis eine hohe faktische Bindungswirkung; die Behörde folgt regelmäßig dem Votum der Kommission. 631 Eine derartige faktische Bindung an ein „mit hoher Autorität ausgestattetes Votum von Sachverständigen“ lag auch in der Intention des Gesetzgebers 632. Die Zusammensetzung der Kommission wird durch § 25 Abs. 6 Sätze 4 und 5 AMG geregelt. Sie wird vom Bundesministerium auf Vorschlag der Kammern, der Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Heilpraktiker sowie der pharmazeutischen Unternehmen benannt. Es sind somit Sachverständige zu benennen; die Auswahl ist jedoch auf die vorgeschlagenen Sachverständigen beschränkt, 633 wobei die in die Kommission berufenen Sachverständigen über die in § 25 Abs. 5 Satz 6 AMG genannte Qualifikation verfügen sollen. 634 Bei der Berufung sollen des Weiteren die Besonderheiten des zur Zulassung stehenden Arzneimittels berücksichtigt werden, was dazu führt, dass die Kommission in einer auf das Arzneimittel ausgerichteten Zusammensetzung einberufen werden muss. Nur die danach jeweils zuständigen Sachverständigen sind vor der Zulassung zu hören. 635 Allerdings haben das Bundesministerium und die Vorschlagsberechtigten i. E. einen weiten Spielraum. 636

628

Sander, Arzneimittelrecht Band 1, § 25 AMG, Erl. C 15. Sander, Arzneimittelrecht Band 1, § 25 AMG, Erl. C 15. 630 Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 160. 631 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (202). Hart / Hilken / Merkel / Woggan, Das Recht des Arzneimittelmarktes, S. 33 f. sprechen davon, dass die Behörde sich die Empfehlungen meistens bzw. i. d. R. zu Eigen macht. 632 Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, BT-Drs. 7/5091, S. 15. 633 Sander, Arzneimittelrecht Band 1, § 25 AMG, Erl. C 16. 634 Rehmann, AMG, § 25 Rn. 20. 635 Sander, Arzneimittelrecht Band 1, § 25 AMG, Erl. C 16. 636 Kloesel / Cyran, Arzneimittelrecht II, AMG, § 25 Anm. 161. 629

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

ee) Die Kommission nach § 25 Abs. 7 AMG Auch im Rahmen der Zulassung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel wird eine Kommission gebildet. Diese ist allerdings nicht an der Entscheidungsfindung 637 beteiligt, sie kann jedoch im Rahmen des Nachzulassungsverfahrens 638 beteiligt werden. In bestimmten Fällen ist sie zwingend zu beteiligen, und zwar in einzelnen festgelegten Therapierichtungen, wenn die Verlängerung versagt werden soll oder es sich um eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Ihr Votum ist nicht bindend, die Zulassungsbehörde muss aber ihre abweichende Entscheidung begründen. 639 ff) § 7a AMG Der nicht mehr bestehende § 7a AMG 640 sah für bestimmte Arzneimittel, deren Zulassung bis zum 29. Februar 1988 beantragt worden war, eine besondere Regelung über die Zulassungsprüfung vor. Erforderlich war, dass es sich um ein Medikament handelt, das mit einem nach § 21 AMG zugelassen Medikament nach Art und Menge der wirksamen Bestandteile und den Anwendungsgebieten identisch und hinsichtlich der Darreichungsform vergleichbar ist. Im Rahmen dieser Norm wurde die Zulassungsentscheidung im Hinblick auf zwei Tatbestandsmerkmale vollends auf Sachverständige delegiert. Voraussetzung für die Zulassung war, dass ein auf der Grundlage der Angaben und Unterlagen nach § 22 AMG erstelltes Gutachten eines von der zuständigen Bundesoberbehörde benannten unabhängigen Gegensachverständigen darüber vorlag, dass die Qualität des Arzneimittels dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht und (in bestimmten Fällen) das Arzneimittel mit dem bereits zugelassenen bioäquivalent ist. Es bestand also eine Bindung der Behörde an diese Gutachten der Gegensachverständigen, sie hatte insoweit keinen Entscheidungsspielraum mehr. 641 c) Zusammenfassung Das AMG sieht eine Einbeziehung von Sachverständigen nur in der klassischen Funktion vor. Dies bedeutet, dass die Zulassungsbehörde grundsätzlich die 637 Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 25 Rn. 6. 638 § 105 Abs. 3 Satz 1 AMG. Dieses Verfahren gilt für Arzneimittel, die sich vor Inkrafttreten des AMG im Verkehr befunden haben. 639 S. dazu Rehmann, AMG, § 25 Rn. 21. 640 Art. 1 des dritten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 20. Juli 1988, BGBl. I, S. 1050. 641 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (201).

§9 Verfahrensprivatisierung und Deregulierung

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letztverantwortliche Entscheidung trifft, ohne rechtlich gebunden zu sein. Der Gesetzgeber hat jedoch erkannt, dass dieser Anspruch angesichts der Tatsache, dass es sich um ein in weiten Teilen wissenschaftlich und daher sachverständig geprägtes Zulassungsverfahren handelt, nur bedingt der Realität standhält und eine weitergehende Bedeutung der sachverständigen Tätigkeit normiert. Besonders hervorzuheben ist die Bedeutung von Sachverständigen und Gegensachverständigen, die einen erheblichen faktischen Einfluss auf die Zulassungsentscheidung ausüben, zumal eine Abweichung häufig rechtfertigungsbedürftig ist. Von besonderem Interesse ist, dass das AMG trotz dieses Einflusses auch Sachverständige zulässt, die aus der „Sphäre“ des an der Zulassung interessierten pharmazeutischen Unternehmens kommen. Ebenfalls hervorzuheben ist die Einbeziehung der Zulassungskommission. Diese ist in erheblichem Umfang in die Entscheidungsfindung einbezogen 642 und prägt die Zulassungsentscheidung weitgehend. Dementsprechend lassen sich im AMG zwei Ordnungslinien der Einbeziehung externen Sachverstands in eine Verwaltungsentscheidung erkennen. 643 Zum einen ist dies die Bindungsintensität, wobei zwischen einer faktischen und einer rechtlichen Bindung (sowie eventuell Zwischenformen) zu unterscheiden ist. Zum anderen handelt es sich um die Frage der subjektiven Qualität des Gutachters – hier kann zwischen der Heranziehung von Sachverständigen aus der Interessensphäre des Antragstellers oder aber unabhängiger Sachverständiger unterschieden werden. Das AMG entscheidet sich für eine weitgehende Regelung – die Gutachten aus der Interessensphäre des Antragstellers werden Regelentscheidungsgrundlage, die eine Art „intendierte“ Wirkung erzeugen und die die Behörde bei einer Abweichung unter Rechtfertigungsdruck setzen. Dies ist eine Zwischenform zwischen bloß faktischer und auch rechtlicher Bindung. Die hier den Sachverständigen beigemessene Bedeutung ist deshalb interessant, weil es sich bei Arzneimitteln um Produkte mit großem Gefahrenpotential handelt, wie verschiedene Arzneimittelskandale und ihre Folgen zeigen. Da auch die Arzneimittelzulassung keine absolute Sicherheit gewährleisten kann, geht es letztlich immer um eine prognostische Abwägung zwischen erhofftem Nutzen und den drohenden Risiken vor dem Hintergrund der Substituierbarkeit. 644 Die Zulassungsentscheidung befindet sich in einem komplexen Interessengeflecht aus den Interessen der zu Behandelnden und den involvierten wirtschaftlichen Interessen.

642 Vgl. Anker, in: Deutsch / Lippert (Hrsg.): Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), § 24 Rn. 6. S. zu der Stellung der Ethikkommission im Rahmen der klinischen Prüfung Deutsch, NJW 2001, 3361 (3364 f.). 643 S. dazu auch Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (209). 644 Laufs, NJW 2001, 3381 (3381).

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

§ 10 Zusammenfassung: Elemente eines Sachverständigenmodells Diese Darstellung der Ausgestaltungen einer Einbeziehung von Sachverständigen in Genehmigungs- bzw. Zulassungsverfahren zielte darauf ab, Grundlinien der verfahrensrechtlichen Gestaltung der Sachverständigentätigkeit, der Verknüpfung mit der fortbestehenden Tätigkeit staatlicher Behörden sowie der Ausgestaltung und Regulierung der Sachverständigen und ihrer Tätigkeit selbst darzustellen. Dabei zeigt sich insbesondere, dass Deregulierungsbestrebungen zur Aufgabe weiter Bereiche der präventiven Kontrolle geführt haben. 645 In dieser Hinsicht kann Deregulierung als die Aufgabe staatlicher Regulierung durch unmittelbare Kontrolle verstanden werden. Ob eine derartige Deregulierung angesichts der in diesem Zusammenhang erforderlichen Regulierung der Sachverständigentätigkeit, also der Regulierung der Deregulierung, tatsächlich insgesamt eine Deregulierung darstellt, soll hier nicht untersucht werden, wird aber und darf bezweifelt werden. Daneben zeigt sich eine herausgehobene Bedeutung der Sachverständigentätigkeit auch in einer faktischen Beeinflussung von staatlichen Entscheidungen, gerade auch bei solchen mit hohem Gefahrenpotential wie im Bereich des Arzneimittelrechts. In diesem Zusammenhang werden sachverständige Bewertungen kraft gesetzlicher Anordnung zur Entscheidungsgrundlage der Behörde, und der Unterschied zwischen sachverständiger Tätigkeit und Entscheidung der Behörde wird marginalisiert; die beiden Ebenen werden miteinander verschmolzen. Auf der Grundlage der oben ermittelten Erkenntnisse soll nunmehr versucht werden, ein Sachverständigenmodell zu entwickeln, das sich sowohl der verschiedenen Typen der Eröffnungskontrolle bedient als auch die verschiedenen möglichen Gestaltungsvarianten sachverständiger Tätigkeit einbezieht. Dieses soll unabhängig von den Vorgaben eines konkreten Genehmigungsverfahrens entwickelt und in seinen Grundlinien skizziert werden, um es auf die Übertragbarkeit auf andere Genehmigungs- und Zulassungsverfahren hin zu überprüfen.

1. Die Elemente eines Sachverständigenmodells a) Allgemeine Überlegungen Die unterschiedlichen Formen sachverständiger Tätigkeit im Rahmen der präventiven Kontrolle lassen gewisse Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen 645 S. auch zu der Verwendung von Anmeldeverfahren im Gentechnikrecht als Ausdruck einer Deregulierung Wahl, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht IV, Vor § 8 GenTG Rn. 5. S. dazu auch Wahl / Melchinger, JZ 1994, 973 (977).

§10 Zusammenfassung

257

erkennen. Es können häufig ähnliche Regelungselemente festgestellt werden. Diese geben eindeutige Hinweise auf die Komplexe, die regelungsbedürftig sind, damit ein Sachverständigenmodell im Genehmigungsverfahren funktionsfähig ist und es den Anforderungen, die es erfüllen muss, auch gerecht werden kann. Das Grundelement jedes Sachverständigenmodells ist eine Regelung der fortbestehenden Eröffnungskontrolle durch die staatliche Behörde. Wie bereits erwähnt, ist eine Zurücknahme der staatlichen Kontrolle Voraussetzung dafür, dass ein Spielraum für eine Verantwortungsübernahme durch Private entsteht, sei es durch den Antragsteller selbst, sei es durch in das Verfahren einbezogene Private (wie z. B. Mediatoren), sei es durch externe, parallel zum staatlichen Verfahren tätig werdende Private. Der Umfang der privaten Verantwortung ergibt sich dann letztlich im Sinne einer Komplementarität staatlicher und privater Verantwortung als der gesamte Bereich, für den der Staat keine Verantwortung übernommen hat. Als zweiter Hauptteil muss geregelt werden, welche Verantwortungsteile auf welche Beteiligten entfallen und wie diese Verantwortung wahrzunehmen ist. Insbesondere ist dabei zu regeln, für welche Elemente der Kontrolle Sachverständige eingeschaltet werden sollen, wie die sachverständige Tätigkeit auszusehen hat und was zu bescheinigen ist. Ein weiteres zentrales Element ist eine umfassende Regulierung der fortbestehenden Gewährleistungsverantwortung (sofern eine solche aufrechterhalten werden soll), die wiederum aus zwei Elementen besteht. Zum einen ist eine Regulierung insbesondere der Sachverständigen erforderlich, und zwar sowohl in verfahrensrechtlicher Hinsicht (staatliche Anerkennung im Sinne eines eigenen „Zulassungsverfahrens“ für Sachverständige) als auch in materieller Hinsicht (welche Anforderungen müssen Sachverständige erbringen, auch in Hinblick auf eine eventuelle Haftpflichtversicherung). Zum anderen ist als zweites Element die fortbestehende Prüfungstätigkeit und Entscheidungskompetenz im Hinblick auf das Objekt der Kontrolle, nämlich die eigentlich zu kontrollierende Tätigkeit, zu regeln. Abschließend ist auch noch eine Regelung hinsichtlich der Verknüpfung der Tätigkeit von staatlichen Behörden und Sachverständigen, z. B. durch Abweichungsverfahren, zu treffen. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn für die Sachverständigen eine Diskrepanz zwischen Prüfungs- und Entscheidungskompetenz besteht, wenn sie also Fragen, die im Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit auftreten, nicht durch eigene Entscheidungen beantworten dürfen.

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

b) Notwendige Elemente In allgemeiner Form wurde für Sachverständigenmodelle im Bauordnungsrecht gefordert, dass sie folgende Anforderungen erfüllen müssen: 646 • • • • •

die die die die die

Kontrolle der Kontrolleure, Qualifikation der Sachverständigen, Sicherung des Schutzziels, Regressvorsorge bei Verfahrensfehlläufen und Klarheit der Verantwortungsbereiche.

An dieser Stelle soll nun in etwas konkreterer Form versucht werden, die erforderlichen Elemente eines Sachverständigenmodells zu benennen. Dabei sollen die vorstehenden Überlegungen aufgegriffen und verarbeitet werden. Bei den erforderlichen Elementen eines Sachverständigenmodells handelt es sich danach um die Folgenden: • Einsatz der gestuften Eröffnungskontrolle und der damit verbundenen Verfahrenstypen, um den benötigten Spielraum für den Einsatz der Sachverständigen zu schaffen und ihre verfahrensmäßige Einbeziehung sicherzustellen; • Identifikation der dem Sachverständigenmodell zugänglichen Aufgaben, eventuelle Identifikation exklusiver Aufgaben bzw. grundsätzliche Teilung der Prüfaufgaben; 647 • verfahrenstypbezogene Regelung der erforderlichen Sachverständigentätigkeit, d. h. Verwendung eines gestuften Modells der Sachverständigen sowie Regelung der Art und Weise der sachverständigen Kontrolle – die Stufung der Sachverständigen soll sich dabei primär an den Parametern Qualifikation und Berufserfahrung orientieren; • Regelungen über die Wirkung sachverständiger Nachweise; • Verknüpfung von Antragsteller und sachverständiger Tätigkeit, sei es durch Regelung der Beauftragung, sei es durch die Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage oder zur bloßen Vorhaltung des entsprechenden sachverständigen Nachweises; • Abweichungsverfahren, um die notwendige Flexibilität mit der Entscheidungskompetenz der Verwaltung zu vereinbaren; 648 • Regelungen hinsichtlich der Sachverständigen, d. h. insbesondere der Anforderungen, die sie zu erfüllen haben, und der Kontrolle der Kontrolle, bestehend 646

S. dazu auch Ritter, DVBl. 1996, 542 (546 f.). S. auch für das Vorgehen im Rahmen des Bauordnungsrechts Jäde, UPR 1994, 201 (205). 648 S. zu einem ähnlichen Konzept im Rahmen der integrierten Vorhabengenehmigung auch Sangenstedt, ZUR 2007, 505 (510). 647

§10 Zusammenfassung

259

aus einer Zulassung der Sachverständigen und deren Überwachung, womit indirekt die Einhaltung der nicht mehr durch die Verwaltung zu prüfenden Punkte / Vorgaben sichergestellt werden soll; • Regelungen der fortbestehenden Kompetenzen der Behörde hinsichtlich des konkreten sachverständigen Beitrags, zum Beispiel eine Kontrolle durch Stichproben, 649 und ggf. auch eine Institutionalisierung der Überprüfung der ordnungsgemäßen Erbringung der Nachweise; 650 • möglicherweise verfahrensrechtliche Bindungen der Kontrolle seitens der Behörde, so z. B. durch Erfordernis der Beauftragung von Gegensachverständigen, was allerdings optional von den Vorstellungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Materie abhängt, da auch ein Interesse an einem unmittelbaren Zugriff bestehen kann; sowie • rein tatsächlich die Existenz einer Berufsgruppe, die die Übernahme der für Sachverständige anfallenden Aufgaben gewährleistet. Das erste Element regelt die verfahrensmäßige Einbeziehung von Sachverständigen, indem durch die Rücknahme staatlicher Kontrollen und Entscheidungen überhaupt erst der für die Sachverständigentätigkeit erforderliche Spielraum geschaffen wird. Durch eine Reduktion staatlicher Kontrolltätigkeit und staatlicher Entscheidungsgewalt werden bestimmte Bereiche aus dieser entlassen und bedürfen nunmehr einer sachverständigen Kontrolle. Gegenstand des dritten Punktes ist eine Regulierung der Sachverständigen sowie der Durchführung der Kontrolle. Dabei geht es darum, in welcher Form die Sachverständigen das überprüfen sollen, was nach dem zweiten Element als Gegenstand sachverständiger Kontrolle identifiziert worden ist. Beispielsweise können für bestimmte Nachweise der bestimmungsgemäßen Errichtung auch Stichproben während der Ausführung des Vorhabens verlangt werden. 651 Gegenstand der Regulierung ist auch, dass je nach Bedeutung der Prüfaufgabe, wie im Bauordnungsrecht, unterschiedlich qualifizierte Sachverständige zum Einsatz kommen. Aspekt der Verknüpfung von Antragsteller und Sachverständigen als weiteres Element ist unter anderem die Frage der Beauftragung. Ebenfalls Gegenstand dieses Aspekts ist die Frage, ob der Antragsteller auch interessensnahe Sachverständige einsetzen darf, z. B. im Unternehmen vorhandenen Sachverstand. Das Abweichungsverfahren soll dann eingreifen, wenn die festgelegten, durch die Sachverständigen zu kontrollierenden Vorgaben sich als unzulänglich erweisen. Der Sachverständige hält zwar das Vorhaben in seiner konkreten Form für machbar, die rechtlichen Vorgaben enthalten jedoch keine ausreichende Aussage 649

Vgl. dazu § 5 Abs. 4 TEHG; s. auch § 14 Abs. 1 S. 2 ZuV 2007. Dies fordert wohl Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (581). 651 So z. B. § 67 Abs 5 BauO NRW. 650

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

darüber. Oder aber die Normen räumen der Behörde eine Entscheidungsbefugnis ein, die in ihrem Ermessen steht, was bei einer atypischen Sachlage denkbar ist. Ein derartiges Abweichungsverfahren kann auch dann erforderlich sein, wenn es sich bei den gesetzlichen Vorgaben vor allem um Zielvorgaben handelt, die aber daneben durch konkretisierende Normen ausgefüllt sind, die einen bestimmten Weg, das Ziel zu erreichen, vorgeben, aber andere, möglicherweise ebenfalls geeignete Wege nicht vorsehen. Die in dieser Situation zu fällende Entscheidung ist nicht normativ vorgeprägt, so dass die Entscheidung im Einzelfall ein größeres Gewicht besitzt. Das Abweichungsverfahren kann dann dazu dienen, auch die Zulässigkeit eines alternativen Weges, um das vorgegebene Ziel zu erreichen, feststellen zu lassen, womit es die Flexibilität des Verfahrens bei Wahrung der Entscheidungsgewalt der staatlichen Behörde sicherstellt. Es mag zwar eine gewisse Auslagerung auf Sachverständige auch in diesen Bereichen feststellbar sein, insbesondere wenn es sich um eine vorrangig sachverständige Wertung handelt. Dennoch bleibt es bei der Grundtendenz, den Interessenausgleich staatlichen Stellen vorzubehalten, um der Funktion der Genehmigung als Regelung eines mehrpoligen Verhältnisses gerecht zu werden. Ein weiterer, wesentlicher Aspekt der Regulierung der Sachverständigen ist, schlagwortartig gesprochen, die Kontrolle der Kontrolle, die oben als weiteres Element eines Sachverständigenmodells genannt ist. Diese wird als Instrument einer veränderten Steuerung genutzt, wobei das Ergebnis dabei indirekt gesteuert wird. Die Wahrung der Vorgaben des materiellen Rechts wird dadurch angesteuert, dass die Berufsgruppen, die zur Gewährleistung herangezogen werden, ein entsprechendes Maß an Qualifikation und normativ abgesicherter Gemeinwohlbindung aufweisen. Insgesamt lässt sich demnach festhalten, dass auf einer abstrakten Ebene ein Sachverständigenmodell für Genehmigungsverfahren existiert und dessen einzelne Bestandteile identifiziert und benannt werden können.

2. Regelungsbedürftige Problembereiche Neben den gemeinsamen Elementen eines Sachverständigenmodells können aber auch gemeinsame Problembereiche bzw. Konstellationen, die bei der Ausgestaltung der Verfahren zu lösen sind, festgestellt werden. Ein Sachverständigenmodell hat eine Umsteuerung des Kontrollregimes zum Gegenstand, und dies kann zu Friktionen führen. Diese können sich auf unterschiedlicher Ebene auswirken. Im Folgenden sollen daher einige Probleme skizziert werden, die im Rahmen bisheriger Deregulierungsbestrebungen erkennbar geworden sind und mit denen sich eine Umsetzung eines Sachverständigenmodells beschäftigen muss, und zwar:

§10 Zusammenfassung

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• Ist eine der Behörde ausdrücklich oder stillschweigend eingeräumte Prüfoption, insbesondere diejenige im Rahmen eines Anmeldeverfahrens, im Sinne eines bloßen Prüfungsrechts oder im Sinne einer Prüfverpflichtung zu verstehen? • Soll dem Antragsteller ein Wahlrecht hinsichtlich des durchzuführenden Verfahrens eingeräumt werden, also zwischen einem Verfahren ohne abschließende Genehmigung und einem mit einer solchen? • Wird dem Antragsteller das Risiko der Wahl der richtigen Verfahrensart abgenommen, d. h. wenn die Wahl der Verfahrensart von einer Abgrenzung abhängt, wird ein präventives Verfahren vorgesehen, das über Genehmigungsfreiheit oder Genehmigungsbedürftigkeit entscheidet? 652 • Werden einzelne Verfahren an Fristen gebunden, und werden solche Fristen mit einer Genehmigungsfiktion sanktioniert? • Wie wird der Rechtsschutz des Drittbetroffenen geregelt, wenn das Zentralelement des bisherigen Rechtsschutzes, die Klage gegen die Genehmigung, entsprechend der geringeren Bedeutung der Genehmigung eine geringere Rechtsschutzintensität aufweist als vor der Änderung? • Welche Wirkung hat eine sachverständige Bescheinigung bzw. welchen Schutz bietet sie dem jeweiligen Normadressaten, der diese Bescheinigung in Auftrag gegeben hat? Dabei können diese genannten Problembereiche nicht völlig isoliert voneinander gesehen werden, vielmehr bestehen unterschiedliche Zusammenhänge zwischen einigen von ihnen. So hat z. B. die Einrichtung eines präventiven Verfahrens zur Bestimmung der richtigen Verfahrensart zur Folge, dass sich die Frage einer Prüfpflicht stellt, denn hier findet eine präventive Einbeziehung einer Behörde statt, die damit die Möglichkeit zur Kontrolle hätte. Dies hängt allerdings wiederum davon ab, was an Unterlagen zur Beurteilung dieser Frage notwendig ist und gefordert wird. Die Einräumung eines Wahlrechts wiederum trägt verschiedenen Aspekten Rechnung. Zentraler Aspekt einer Argumentation zugunsten eines Wahlrechts ist der Aspekt der Rechtssicherheit. Die Rechtssicherheit, die die Genehmigung bietet, könnte für den einzelnen Vorhabenträger interessant sein. Ein solches Wahlrecht steht dabei in bester Tradition der Schlichter Kommission, die ja eine Beschleunigung nach Wahl des Investors als das geeignete Rezept angesehen hat. Damit würde es ebenfalls der Verantwortung des Investors überlassen, für welches Maß an Rechtssicherheit bzw. Verantwortungstragung er sich entscheidet. Der Nachteil besteht darin, dass mit einer flächendeckenden Einführung der genannten Instrumente erzielbare Beschleunigungs- und Verein652 Siehe dazu auch OVG Bautzen, Urteil v. 20. 7. 2006 – 1 B 260/06, LKV 2007, 230 ff., nach dem es nicht ausreichend ist, den Antragsteller hinsichtlich des Risikos der Wahl des richtigen Verfahrens auf Rechtsschutz gegen repressives Einschreiten zu verweisen. Siehe auch die Besprechung von Rosenkötter, NZBau 2007, 92.

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Kap. 2: Die Entwicklung eines Sachverständigenmodells

fachungseffekte u.U. nicht erreicht würden 653; zudem erhöht die Anzahl der in einem deregulierten Verfahrenstyp durchgeführten Verfahren der Eröffnungskontrolle die Gewöhnung der einzelnen Akteure an dieses Verfahren und erleichtert damit den Umgang. Für ein Wahlrecht spricht wiederum folgendes Argument: Die Effekte, die mit der Einführung eines Sachverständigenmodells verbunden sind, sind Gegenstand einer Prognose; und innerhalb dieser ist letztlich unsicher, welche konkreten Vorund Nachteile eine Einführung dieses Modells tatsächlich bringt. Dann aber kann die Entscheidung über das Verfahren auch dem Antragsteller und damit einer Marktentscheidung überlassen werden. Dann kann, ganz im Sinne der Ökonomie, anhand der Entscheidungen bzw. ihrer Anzahl auch eine Aussage über Sinn und Unsinn der jeweiligen Verfahrensart getroffen werden; zumindest kann daraus Nachbesserungsbedarf abgeleitet werden. Dies ist nur insofern verkürzend, als dass eine Marktentscheidung nur auf Seiten der Antragsteller, nicht aber auf staatlicher Ebene stattfindet. Es wird nur ein einseitiger Markt geschaffen, in dem die Auswirkungen auf die staatlichen Behörden letztlich nur externe Effekte darstellen, die nicht in das Kalkül der Antragsteller einbezogen werden, womit ein Fall des Marktversagens vorliegen würde. Allenfalls denkbar wäre, dass ein derartiges Marktversagen zu eigenen Lasten durch den Gesetzgeber aus Gründen der „Pflege“ der Investoren gewollt ist.

3. Zusammenfassung Zusammenfassend kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Einführung eines Sachverständigenmodells auf einer abstrakten Ebene skizziert werden kann. Sowohl die Elemente als auch die zu behandelnden Problembereiche können ermittelt werden, womit allerdings noch keine Aussage darüber verbunden ist, ob ein derartiges Modell auch praktikabel auf andere Rechtsgebiete und die dort existierenden Verfahren der Eröffnungskontrolle übertragen werden kann.

653 Das Kenntnisgabeverfahren wäre in Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in 25 – 30 % der Verfahren möglich gewesen, kam jedoch aufgrund des eingeräumten Wahlrechts nur in 1 – 2 % der Fälle zur Anwendung, Pfaff, VBlBW 1996, 281 (283).

Kapitel 3

Das Sachverständigenmodell im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren § 11 Die Eignung des Sachverständigenmodells Die im vorigen Kapitel identifizierten bzw. entwickelten Grundzüge und Grundelemente eines Sachverständigenmodells ergeben allenfalls die abstrakte Möglichkeit, Sachverständige in ein Genehmigungsverfahren einzubeziehen. Damit ist allerdings noch keine Aussage darüber verbunden, ob diese bloß verfahrensrechtliche Gestaltungsmöglichkeit ein geeignetes Regelungs- und Steuerungsmodell für eine konkret betroffene Materie darstellt. Daher geht es im Folgenden darum, ob dieses Sachverständigenmodell auch für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren geeignet ist. Dazu müssen die mit der Einführung eines Sachverständigenmodells verbundenen Vor- und Nachteile einander gegenübergestellt und miteinander abgewogen werden. In diesem Zusammenhang sind die Zielsetzungen sowohl des Genehmigungsverfahrens als auch einer Privatisierung zu berücksichtigen.

1. Die Diskussion im Baurecht Angesichts struktureller Ähnlichkeiten zwischen dem bauordnungsrechtlichen und dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren kann die Diskussion, die die Einführung des Sachverständigenmodells im Bauordnungsrecht begleitet hat, einige Anhaltspunkte liefern. So verfolgt das Bauordnungsrecht im Wesentlichen drei Ziele, und zwar soll es: 1 • Sicherheit gewährleisten (Schutz vor den mit Gebäuden verbundenen Gefahren), sowie • sozialpolitische Anforderungen (gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie Lebenserleichterungen) und • umweltpolitische Anforderungen erfüllen.

1

Vgl. Ritter, DVBl. 1996, 542 (543).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Der Aspekt der Gefahrenabwehr und damit der Gewährleistung von Sicherheit ist gemeinsames Element von Bauordnungsrecht und Immissionsschutzrecht. Die Gewährleistung umweltpolitischer Anforderungen ist allen Genehmigungsverfahren gemein, die Vorhaben mit Auswirkungen auf die Umwelt zum Gegenstand haben. Für eine Übertragbarkeit spricht, dass das Immissionsschutzrecht bzw. das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ähnliche Ziele, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, verfolgt. Auch der Reformgesetzgeber hat zumindest teilweise das Baugenehmigungsverfahren und das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für austauschbar gehalten. 2 Unabhängig davon ist auch ein Blick auf die Problembefunde im Bauordnungsrecht, die Auslöser der dortigen Reformtätigkeit gewesen sind, aufschlussreich. Auch dort wurde die Verfahrensdauer als zu lang angesehen. Die Einführung der oben beschriebenen Verfahrenstypen und somit des Sachverständigenmodells wurde als Maßnahme zur Vereinfachung und Beschleunigung angesehen, 3 wobei folgende Vorteile gesehen wurden: 4 • • • •

Abbau des hoheitlichen Staatsanteils, damit Staatsentlastung, Gewinn an personeller und verfahrensmäßiger Kapazität bei der Bauaufsicht, Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit und bessere Qualifikation der am Bau Beteiligten.

Gerade die Existenz des Kapazitätseffekts, also der Freisetzung personeller Kapazität zum Abbau des Vollzugsdefizits und zur beschleunigten Abarbeitung der verbliebenen Aufgaben, wurde jedoch verschiedentlich bezweifelt. Die Übereinstimmungen im Hinblick auf die Problembefunde und die Ziele der Reform legen eine Übertragbarkeit des Sachverständigenmodells nahe. Diese Vergleiche auf einer abstrakten Ebene erfassen jedoch nicht die tatsächlich bestehenden Unterschiede im Hinblick auf die Genehmigungsverfahren und die betroffene Materie. So wird für das baurechtliche Genehmigungsverfahren auch angemerkt, dass es auf relativ einfache Fälle zugeschnitten ist. 5 Umgekehrt wird jedoch auch festgestellt, dass das Baugenehmigungsverfahren gerade nicht auf massentypische Verfahren zugeschnitten sei; 6 teilweise wird auch seine Fähigkeit betont, als Auffangverfahren für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zu dienen. 7 Angesichts dieser divergierenden Einschätzungen sind weitere Kriterien zu ermitteln und zu untersuchen, die den tatsächlich bestehenden 2 3 4 5 6 7

S. Jäde, ZfBR 1996, 241 (249). S. auch Stollmann, NWVBl. 1995, 41. Ritter, DVBl. 1996, 542 (546). Jäde, UPR 1994, 201 (201). So Degenhart, NJW 1996, 1433 (1435). S. zu dieser Diskussion auch oben Kapitel 2, § 9.

§11 Die Eignung des Sachverständigenmodells

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Unterschieden Rechnung tragen können, wobei auch die verfassungsrechtlichen Aspekte einer Privatisierung zu beachten sind.

2. Die Gefahrenintensität Ein bedeutender Faktor, der die Beurteilung des Sachverständigenmodells maßgeblich beeinflusst, ist der Aspekt der Gefahrenintensität der betreffenden Anlage. Der die Anlage Genehmigende übernimmt mit der Genehmigung eine (Mit-)Verantwortung für die betreffende Anlage. 8 Die Entscheidung beinhaltet, dass die mit der Anlage verbundenen Gefahren letztlich als tolerierbar angesehen werden, weil die gesetzlichen Vorgaben dies vorsehen. Vor diesem Hintergrund ist zu untersuchen, ob und in welchem Umfang die potentiellen Gefahren, die von der zu genehmigenden Anlage ausgehen, die Übertragbarkeit der Kontrollaufgaben auf Private beeinflussen, insbesondere ob es der Gefahrenintensität angemessen ist, wenn private Entscheidungen letztlich ausschlaggebend für die Freigabe einer Anlage sind. Allerdings stellt sich schon vorab eine ganz andere Frage: Ist eine private Kontrolle überhaupt mit einem Qualitätsverlust verbunden? Der bei Privaten vorhandene Sachverstand könnte nämlich umgekehrt durchaus dafür sprechen, dass eine private Kontrolle auch vor dem Hintergrund der Gefahrenintensität gleichwertig ist. Diese Argumentation gewinnt an Gehalt bei einem Blick auf die Praxis. Dort haben sachverständige Gutachten eine erhebliche, in Zweifelsfällen häufig ausschlaggebende Bedeutung. Die strittigen Entscheidungen werden gerade mit Sachverständigengutachten untermauert und „legitimiert“. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass es schwierig ist, allein die bessere Qualität der privaten Kontrolle als Argument für die Aufgabenübertragung ins Feld zu führen, denn diese Praxis zeigt die bestehenden Möglichkeiten, dass staatliche Stellen sich privaten Sachverstand zunutze machen. Immerhin spricht die Qualität der Kontrolle angesichts der Qualifikation der Privaten nicht zwingend gegen eine Aufgabenübertragung. Zudem gibt es auch Möglichkeiten, über Aufsichts-, Haftungs- und Versicherungsregeln ein Eigeninteresse an der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung zu induzieren. Verschiedene Aspekte sprechen jedoch dafür, dass auch vor dem Hintergrund dieser Überlegung die private und die staatliche Kontrolle unterschiedlich zu bewerten sind, wobei vor allem der besondere Neutralitätsanspruch, dem die für den Staat Handelnden unterliegen, der Anspruch des Verwaltungsverfahrens und auch die Amtshaftpflicht zu nennen sind. Diese Aspekte bewirken eine Akzeptanz des staatlichen Verfahrens und des Verfahrensergebnisses, 9 so dass die 8

So spricht das BVerfG in BVerfGE 53, S. 30 (58) – Mülheim-Kärlich von einer Mitverantwortung für die von der Anlage ausgehenden Gefährdungen.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

potentiellen Gefahren durch die Betroffenen grundsätzlich eher akzeptiert werden. Die Akzeptanz spielt damit eine wichtige Rolle und stellt eine wesentliche Funktion des Verwaltungsverfahrens dar, zumal sie ein bedeutendes Element der Durchsetzung eines Vorhabens ist. Für den einzelnen, einer potentiellen Gefahr ausgesetzten Bürger spielt deshalb der Prozess, der der Entscheidungsfindung vorgelagert ist, eine immense Rolle. Das Verwaltungsverfahren bedeutet dabei die Entscheidung durch eine neutrale, dem Gemeinwohl, d. h. auch dem betroffenen Bürger, verpflichtete Stelle über diese Risiken; der Bürger ist bzw. fühlt sich nicht einseitig einem eventuell übermächtigem, dem Eigennutz verpflichteten Privaten ausgeliefert. Auch wenn (zumindest dem Anspruch des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nach) keine Gefahren bestehen, existiert grundsätzlich immer ein Risiko, vor allem in den Augen der betroffenen Bürger. 10 Diesen gegenüber erfüllt das Verfahren somit eine Funktion der Befriedung und der Sicherung. Sie können davon ausgehen, dass eine neutrale Prüfung und eine Minimierung der Risiken erfolgen. Jedenfalls verlangt das von der Verfassung geforderte Schutzkonzept eine Berücksichtigung der von der Anlage möglicherweise ausgehenden Gefahren. Diesen muss, insbesondere durch die präventive Kontrolle, angemessen Rechnung getragen werden.

3. Standardisierbarkeit Von erheblicher Bedeutung ist auch, ob und inwieweit die durchzuführenden Prüfungen standardisierbar sind. Zum einen bedeutet dies eine hohe Praktikabilität für die Sachverständigen, zum anderen einen nur geringen Einfluss von Wertungen, die eventuell dem Staat vorbehalten bleiben müssten. 11 So handelt es sich bei den im Bauordnungsrecht auftretenden Problemen um solche, die regelmäßig wiederkehren und im Grundsatz schon lange bekannt sind. Es wird z. B. als Ratio des Genehmigungsfreistellungsverfahrens angeführt, dass bei bauplanungsrechtlich und bautechnisch einfachen Vorhaben die Verantwortung für die Bauausführung dem Bauherrn und den von ihm beauftragten Personen übertragen werden kann. 12 Umgekehrt wird aber auch für das Bauordnungsrecht bezweifelt, dass 9 S. dazu allgemein Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, 1996. 10 So hängt die Annahme einer Gefahr von einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Schädigung ab; bloß vermutete Risiken, die nicht wissenschaftlich nachgewiesen sind, konstituieren nicht zwingend eine Gefahr und damit eine Maßnahme der Behörde, vgl. auch Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 42 ff. 11 Allgemein zu Aspekten einer Standardisierung s. auch Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 495 ff., 507 ff. 12 S. Korioth, DÖV 1996, 665 (671).

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das Anzeigeverfahren ein sachgerechtes Verfahren sei, da es sich hier nicht um massentypische Verwaltungsvorgänge handele. 13 Für den Fall, dass sich diese Bedenken gegen die Eignung als zutreffend herausstellen, müssten sie wohl erst recht im Rahmen des Immissionsschutzrechts Geltung beanspruchen. Jedoch ist bereits fraglich, ob dieser Einwand für das Bauordnungsrecht zutreffend ist. Dies kann angesichts der Fragestellungen und des im Rahmen der relevanten Berufsgruppen vorhandenen Sachverstands bezweifelt werden. Grundsätzlich geht es nämlich bei der Einführung des Anzeigeverfahrens nicht um eine Verlagerung auf „Private“ an sich, sondern um eine Aufgabenverlagerung und eine Kontrollwahrnehmung durch eine dafür geeignete Gruppe. Gerade die Sachverständigen erscheinen als geeignet, auch Vorgänge und Prüfungen, die nicht massentypisch sind, sachgerecht und angemessen zu beurteilen und zu bearbeiten. Damit kann dieser Einwand bereits für das Bauordnungsrecht als nicht stichhaltig zurückgewiesen werden. Dies lässt sich im Grundsatz auch auf das Immissionsschutzrecht übertragen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass im Immissionsschutzrecht die Anlagen und daher auch die mit ihrer Überprüfung verbundenen Aufgaben wesentlich komplexer sind. Darüber hinaus lässt sich bezweifeln, dass es im Immissionsschutzrecht ebenso eindeutige Regeln und überprüfbare Aussagen gibt wie im Baurecht. Insgesamt gelten auch im Immissionsschutzrecht, zumindest im Grundsatz, die zum Bauordnungsrecht getroffenen Aussagen. So haben bereits heute Sachverständige eine herausragende Rolle für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren inne. 14 Zudem gibt es in diesem auch zahlreiche Einzelfragen, bei denen sowohl die Vorgaben standardisiert sind als auch die Überprüfung standardisiert ablaufen kann. Letztlich kommt es auf die Vorgaben im Einzelfall an, die im Folgenden eingehend auf diesen Aspekt der Standardisierung und Überprüfbarkeit hin untersucht werden sollen. Jedoch bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass die Standardisierbarkeit im Sinne einer Je-desto-Beziehung die Übertragung von Kontrollaufgaben eher rechtfertigt als eine offene, im Einzelfall zu konkretisierende Frage. 15

4. Das Nachbarinteresse Insbesondere im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben muss ein Sachverständigenmodell die Nachbarinteressen ausreichend berücksichtigen und 13 Degenhart, NJW 1996, 1433 (1435); so wird für das Baurecht von erheblichen Baurechtsverstößen bei genehmigungsfreiem Bauen berichtet, Ring, LKV 1995, 236 (239). 14 S. nur das Urteil BVerwG, Urteil vom 11. 12. 2003 – 7 C 19/02, NVwZ 2004, 610 ff., das sich letztlich in der Sache ausschließlich auf Sachverständigengutachten stützt. 15 Das Gleiche gilt ebenfalls im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Erwägungen, s. dazu unten Kapitel 4.

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wahren. Die Nachbarn sind von den negativen Auswirkungen betroffen, und es gilt, das dreiseitige Genehmigungsverhältnis nicht unter Ausklammerung der Drittbetroffenen auf das zweiseitige Verhältnis von Antragsteller und Genehmigungsbehörde zu reduzieren. Grundsätzlich ist gerade der Staat berufen und auch dazu geeignet, einen Interessenausgleich zu schaffen. Insbesondere sind hier seine Neutralität und Gemeinwohlbindung zu nennen. Bisher regeln ein staatliches Verfahren und ein Verwaltungsakt als staatliche Entscheidung den Interessenausgleich zwischen Vorhabenträger und Nachbarn. 16 Fraglich ist, ob die genannten Aspekte bei privaten Entscheidungen sicher gestellt werden können. Dabei ist für dieses Kriterium ausschlaggebend, wann eine Entscheidung im materiellen Sinne zu treffen ist. Eine solche ist davon zu unterscheiden, dass ausschließlich eine Kontrolle von Vorgaben stattfindet. Es kommt eben nicht auf einen bloßen Vollzug bestehender Vorgaben, sondern eine Entscheidung in dem Sinne an, dass das Rechtsverhältnis zu einem Nachbarn bzw. einem in seinen rechtlich geschützten Interessen Betroffenen geregelt wird. Auch hier bietet das Bauordnungsrecht mit der Rechtsfigur des Dispenses ein Beispiel. Ein solcher kann von der Einhaltung nachbarschützender Vorschriften befreien. Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, wenn demokratisch nicht legitimierte Sachverständige autonom Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Nachbarn oder des in seinen rechtlich geschützten Interessen Betroffenen haben. Dabei ist jedoch nicht jede wertende Entscheidung gleich zu behandeln. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass auch wertende Entscheidungen naturwissenschaftlichen Kriterien unterliegen; und der dafür erforderliche Sachverstand liegt eben nicht unbedingt bei der Verwaltung, sondern eventuell gerade bei den Sachverständigen. Insbesondere Entscheidungen über die Schädlichkeit eines Stoffes bzw. seiner Konzentration können unter Umständen besser von Sachverständigen getroffen werden und werden faktisch auch häufig durch diese getroffen. 17 Es kann jedoch ein Grenzfall der „sachverständigen“ Wertung bestehen, der abzugrenzen ist von einer Wertung, die Umstände mit einbeziehen muss, die jenseits einer Frage liegen, die einer rein sachverständigen Bearbeitung zugänglich ist.

5. Die Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit Eine ähnliche Problematik wie bei der Berücksichtigung der Nachbarinteressen stellt sich bei den Entscheidungen, die Interessen der Allgemeinheit betreffen. 16

Für das Baurecht / die Baugenehmigung Korioth, DÖV 1996, 665 (670). S. beispielsweise BVerwG, Urteil vom 11. 12. 2003 – 7 C 19/02, NVwZ 2004, 610 ff. 17

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Hier kann auch als Ausschnitt dieser Problematik das Stichwort der „Generationengerechtigkeit“ genannt werden, das nicht zuletzt eine Verankerung in Art. 20a GG gefunden hat. Es ist daher sicherzustellen, dass möglicherweise involvierte Interessen der Allgemeinheit, zu deren Schutz der Staat berufen ist, nicht ohne Not einer Privatisierung geopfert werden. Grundsätzlich gilt es, gerade im Bereich des Genehmigungsrechts die Gemeinwohlorientierung sachverständigen Handelns sicherzustellen. Da die Sicherung des Gemeinwohls aber in der Regel kein Eigenziel des privaten Handelns (bzw. ist auch die Verwirklichung des Gemeinwohls kein Ziel der Privatrechtsordnung), sondern allenfalls ein Reflex privater Ziele (beispielsweise einer Reputation des jeweils Handelnden) ist, ist letztlich im Einzelfall darauf zu achten, dass diese Gemeinwohlbindung durch Einengung der Handlungsspielräume oder als Reflex privater Ziele sichergestellt ist oder aber eine an das Gemeinwohl gebundene Behörde einbezogen wird. Allerdings kann eine sachverständige Bewertung dann im Sinne des Gemeinwohls sein, wenn sich dieses über die Erfüllung sachverständig gesetzter Maßstäbe definiert und diese insofern rezipiert.

6. Die Verfügbarkeit geeigneter Dritter Auch das regulatorische Umfeld ist in den Vergleich und die Bewertung mit einzubeziehen. In dem Bereich des Bauordnungsrechts fällt auf, dass schon von alters her die Berufsgruppen der Architekten und (Bau-)Ingenieure bei Entwurf und Realisierung von Bauvorhaben mitwirken. 18 Dabei ist festzustellen, dass diese Berufsgruppen über ein hohes Qualitätsniveau und einen prinzipiellen Standard an Gemeinwohlbindung verfügen. 19 Somit standen schon vor Einführung des Sachverständigenmodells im Bereich des Baurechts geeignete Gruppierungen privater Dritter zur Verfügung, die die anfallenden Aufgaben übernehmen konnten. Dies zeigt eine natürliche Voraussetzung des Einsatzes des Sachverständigenmodells auf. Es kann nicht eingesetzt werden, ohne dass eine zu der Aufgabenwahrnehmung geeignete Berufsgruppe verfügbar ist. Diesen Zusammenhang zeigt auch die Einführung der planungsrechtlichen Genehmigung in Bayern auf. Dort konnte die planungsrechtliche Genehmigung nicht umgesetzt werden, 18

Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (252). Als Verfahrensbeteiligte im Baurecht sind die Entwurfsverfasser, die Architekten, die Unternehmer, die Bauleiter und die Sachverständigen anzusehen, vgl. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, Rn. 1324 ff. Die ebenfalls als Beteiligte anzusehenden Nachbarn und Gemeinden sind unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungssubstitution als uninteressant anzusehen. 19 Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (255). Zur Gemeinwohlfähigkeit der Sachverständigenbeteiligung siehe auch Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 113 f.

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bis das Berufsbild des besonders qualifizierten Entwurfsverfassers geschaffen worden war, was auf regulatorischer Ebene nicht geschah. Jedenfalls wird hier erkennbar, dass die Übernahme einer bestimmten Aufgabe ein bestimmtes Kenntnis- und Qualifikationsniveau erfordert, das eventuell von den bisher anerkannten bzw. vorhandenen Sachverständigen nicht erfüllt werden kann. Demnach kann festgehalten werden, dass auch die theoretische und absehbare Verfügbarkeit derartiger Sachverständiger nicht immer ausreicht. Die Einführung eines Sachverständigenmodells geht unter Umständen einher mit der Notwendigkeit, ein ganz neues Berufsbild zu schaffen und zu etablieren. Die Existenz eines Berufsbildes in einem regulatorischen Umfeld wie einem Genehmigungsverfahren hängt jedoch nicht nur davon ab, dass entsprechende Tätigkeitsfelder, die den Gegenstand des entsprechenden Berufsbildes darstellen, eröffnet werden. Ein Berufsbild ist zudem auch von einer Formung durch den Gesetzgeber abhängig. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Rechtsgebietes, denn trotz übergreifender Ähnlichkeiten hängt es von der konkret betroffenen Materie ab. Daneben sind auch die allgemeinen Anforderungen an Sachverständige (wie Neutralität, Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit) zu regeln, die sich aber in geringerem Ausmaß unterscheiden. Die Sachverständigentätigkeit muss also geregelt werden; jedes oben beschriebene Element des Sachverständigenmodells muss durch Regelungen, sei es auf gesetzlicher oder untergesetzlicher Ebene, ausgefüllt werden. Dementsprechend gilt, dass die Privatisierungsmodelle erst zeitlich nach dem Erlass von Regelungen hinsichtlich der Tätigkeit der Sachverständigen wirksam werden. Die rechtliche Formung des Berufsbildes ist konditional für eine Einführung des Sachverständigenmodells. 20 Somit lässt sich als grundlegende Voraussetzung festhalten, dass Sachverständige in ausreichender Anzahl 21 und mit geeigneter Vorbildung, einschlägiger berufspraktischer Erfahrung sowie geeigneter Ausstattung zur Verfügung stehen müssen. Vor dem dargestellten Hintergrund stellt sich die Frage, ob es im Immissionsschutzrecht den im Baurecht bekannten Berufsgruppen vergleichbare Akteure gibt, die eine größere Rolle im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs20

Für das Baurecht Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 325. Dies zeigte sich auch im Rahmen der Einführung des Emissionshandelssystems nach dem TEHG. Dort trat, vor allem aufgrund des knappen Zeitrahmens, als praktisches Problem auf, dass Sachverständige, die zur Verifizierung nach §§ 5 und 10 TEHG berechtigt sind, in ausreichender Anzahl nach § 36 GewO bestellt und vereidigt werden mussten. Dies war vor allem vor dem Hintergrund problematisch, dass die Verifizierung für die Stellung fristgebundener Anträge erforderlich war und daher rechtzeitig genügend Verifizierer zur Verfügung stehen mussten, um die knapp bemessenen Fristen einhalten zu können. 21

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verfahren spielen können, da alle Versuche seiner Privatisierung mit der Verfügbarkeit privater Akteure, die über die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme verfügen, stehen und fallen. Auch im Hinblick auf dieses Kriterium ist die Anwendbarkeit des Sachverständigenmodells auf das Immissionsschutzrecht unzweifelhaft zu bejahen, auch wenn eventuell erforderliche Vorarbeiten und Vorlaufzeiten nicht außer acht gelassen werden können. Bereits heute spielen Sachverständige im Genehmigungsverfahren sowie allgemein im Immissionsschutzrecht eine bedeutende Rolle. Hier kann wieder auf die bereits oben dargestellte Sachverständigentätigkeit im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren verwiesen werden. 22 So gibt es Berufsgruppen wie die Technischen Überwachungsvereine sowie Ingenieurfirmen, die bereits Erfahrung mit der Erstellung von Sicherheitsanalysen gesammelt haben und die daher geeignet sind, weitergehende Aufgaben zu übernehmen. 23 Zudem existiert eine für gerichtliche Entscheidungen bedeutsame Tätigkeit privater Sachverständiger. 24 Gerichtliche Entscheidungen beruhen inhaltlich in großem Umfang auf den Vorarbeiten Privater, die demnach über die erforderliche inhaltliche Kompetenz verfügen. Dabei haben sich auch schon entsprechende Berufsgruppen herausgebildet. Insbesondere der Umweltgutachter des Öko-Audit-Systems scheint für eine weitergehende Tätigkeit geeignet zu sein, zumal neuerdings das TEHG sich für die Verifizierung nach §§ 5, 10 TEHG 25 dieser Berufsgruppe im Rahmen des Emissionshandels bedient. Gerade die Einführung und die nähere Ausgestaltung des Emissionshandelssystems zeigen, dass geeignete Sachverständige zur Verfügung stehen. 26 So ist auch schon heute gerade für die Fragen der immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung ein 22

S. dazu Kapitel 1. Henrich, in: Dose / Holznagel / Weber (Hrsg.): Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, S. 71 (85). 24 S. BVerwG, Urteil vom 11. 12. 2003 – 7 C 19/02, NVwZ 2004, 610 (611) = DVBl. 2004, 683; BayVGH, Urteil vom 20. 7. 1994 – Az 20 A 92.40087, BayVBl. 1995, 531 (533). Siehe auch eine Immissionsbetrachtung des TÜV Energie und Umwelt, VGH Mannheim, Urteil vom 16. 6. 1998 – 10 S 909/97, NVwZ-RR 1990, 298 (302); Bestätigung der Werte aufgrund einer Studie bei VGH Mannheim, Urteil vom 28. 6. 1995 – 10 S 2509/93, NVwZ 1996, 297 (301); BVerwG Beschluss vom 24. 4. 1991 – 7 B 148.90, NVwZ 1991, 1187 (1188); BVerwG Beschluss vom 13. 7. 1989 – 7 B 50.89, Rz 23 ff., des Beschlusses (zitiert nach Juris). Gegenstand der Entscheidung des VGH Mannheim, Urteil vom 17. 6. 1997 – 10 S 607/96 –, NVwZ-RR 1998, 721 (725) war sowohl eine Immissionsprognose des TÜV Energie und Umwelt als auch ein Fachgutachten über die Schädlichkeitsgrenze. 25 Also der Verifizierung der Zuteilungsanträge (§ 5 TEHG) und der Emissionsberichte (§ 10 TEHG). 26 Das Hauptproblem in diesem Zusammenhang war nicht, dass sich genügend Sachverständige finden lassen, sondern dass diese nach den Vorschriften der §§ 5, 10 TEHG rechtzeitig in ausreichender Anzahl bekannt gemacht wurden, s. dazu bereits oben Fn. 20. S. zu diesen Regelungen Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1155, 1161). 23

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

externer Sachverstand vorhanden. Es ist nämlich durchaus üblich, die Erarbeitung der Anlagenkonzeption gerade im Hinblick auf ihre Genehmigungsfähigkeit externen Ingenieurbüros zu übertragen, denen die wesentlichen Genehmigungsvoraussetzungen bekannt sind. Zum Teil haben sich Ingenieurbüros auch darauf spezialisiert, ein Projekt bis zur Genehmigungsentscheidung zu betreuen, um es erst dann – einschließlich der Genehmigungsentscheidung – auf den „Auftraggeber“ zu übertragen. 27

7. Die Verantwortungsfähigkeit des Antragstellers Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Belastung der Antragsteller mit Eigenverantwortung grundrechtsrelevant sein könnte, ist auch zu überprüfen, ob die denkbaren Antragsteller solche sind, die mit dieser gesteigerten Verantwortung umgehen können. Durch das Sachverständigenmodell wird der Antragsteller im Vergleich zu dem herkömmlichen Genehmigungsverfahren in verschiedener Hinsicht belastet. Zum einen trägt er eine größere organisatorische und finanzielle Last, und zum anderen kommt ihm die Schutzwirkung der Genehmigung nicht mehr im gleichen Umfang zugute. 28 Diese ist nicht zuletzt auch ein Instrument der Rechtssicherheit zugunsten des Antragstellers. 29 Diese Problematik zeigte sich ebenfalls in der Diskussion im Baurecht, die sich darum drehte, ob die umfassende Rundumbetreuung entweder als aufgedrängt, lästig und schwerfällig empfunden wurde oder aber unter dem Aspekt der Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit geschätzt war, 30 wobei auch die mangelnde Rechtssicherheit als Argument für eine mangelnde Akzeptanz der Verfahren ohne abschließende Genehmigungsentscheidung angeführt wurde. 31 Die Belastung des Antragstellers ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Grundsätzlich muss die Fähigkeit zur Verantwortungstragung berücksichtigt werden. Diese gewinnt auch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung Bedeutung, denn die Auswirkungen können unterschiedlich ausfallen. Daneben sollte die gesteigerte Verantwortung nicht ausschlaggebend für einen Rückgang der Investitionstätigkeit sein, denn eine Reform würde dann ihren 27 Himmelmann, Immissionsschutzrecht, in: ders. / Pohl / Tünnesen-Harms, HbUR, B 1, Rn. 98. 28 Vgl. dazu allgemein Sach, Die Genehmigung als Schutzschild?, S. 46 ff., 50 ff. 29 S. dazu Beckmann, NuR 2003, 715 (715); vgl. auch Saurer, DVBl. 2006, 605 (607); Numberger, BayVBl. 2008, 741 (742). 30 Vgl. Lautner, VR 1999, 37 (46); zur Investitionssicherheit s. Jäde, GewArch 1995, 187 (187); Saurer, DVBl. 2006, 605 (607); Numberger, BayVBl. 2008, 741 (742). 31 Pfaff, VBlBW 1996, 281 (283).

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Sinn verlieren, wenn ihre Belastungen einen derartigen Negativ-Effekt auslösen würden. Damit stellt sich die Frage, bis zu welcher Grenze es Sinn macht, dem Antragsteller Verantwortung zu übertragen. Im Hinblick auf den Aspekt der Gleichbehandlung ist hier insbesondere zu beachten, dass es bei Großinvestoren häufig kein Problem sein wird, mit dieser Mehrbelastung und ihren Risiken umzugehen und sie zu bewältigen, während ein „Kleininvestor“ häufig Probleme haben wird, diese Mehrbelastung zu tragen. 32 Insofern ist die Bewertung des Sachverständigenmodells widersprüchlich – während gerade größere und komplexere Anlagen wegen der mit ihnen verbundenen Probleme nach wie vor einem weitgehend staatlichen Genehmigungsverfahren unterliegen sollten, werden gerade kleinere und mittlere Anlagen und damit kleinere und mittlere Investoren von der gesteigerten Verantwortung und Verfahrenslast getroffen. Die Großinvestoren, die die Risiken einer vergrößerten Verantwortungstragung besser verarbeiten können, kommen hingegen weiterhin in den Genuss der Verantwortungsübernahme durch den Staat. 33

8. Die Aufgabenadäquanz Das Sachverständigenmodell muss auch geeignet sein, die Aufgaben, die im Rahmen einer Privatisierung übertragen werden, zu bewältigen. Bei dieser Untersuchung ist zudem der angewendete Instrumentenmix zu berücksichtigen. Die Genehmigung hat sicher dann einen hohen Stellenwert und stellt hohe Anforderungen an eine Privatisierung, wenn das Umweltrecht im Wesentlichen auf einem ordnungsrechtlichen Ansatz aufbaut. Die Bedeutung der Genehmigung ist jedoch dann geringer, wenn insgesamt oder im Hinblick auf einzelne Aspekte des Immissionsschutzrechts eine Umsteuerung erfolgt. So wird teilweise gerade für den Bereich des Vorsorgeprinzips gefordert, an seiner Stelle ökonomische Instrumente einzusetzen, 34 wobei dies einer differenzierten Betrachtung bedarf und Pauschalurteile abzulehnen sind. 35 Eine derartige Umsteuerung hat das Emissionshandelssystem zum Gegenstand, aufgrund dessen im Hinblick auf das für den Treibhauseffekt mitverantwortliche CO 2 die anlagenbezogene Vorsorge durch eine „Globalvorsorge“ abgelöst wird. 36 32 So für den Bereich des Bauordnungsrechts und dem dort ebenfalls wahrgenommenen Problem Goerlich, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 147 (153 f.). 33 Diese Problematik beschreibt für das Bauordnungsrecht Goerlich, SächsVBl. 1996, 1 (5 ff.). 34 S. dazu Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 (484 Fn. 27 und 487 Fn. 47). Ein Hinweis auf diese These findet sich bei Kutscheidt, in: Dolde (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 437 (438). 35 Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 (482 ff.).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Um auf das Kriterium zurückzukommen – eine geringere Bedeutung der Genehmigung in einem Instrumentenmix rechtfertigt sicher, sie an weniger Bedingungen zu knüpfen und ihre Schranke bereits aufgrund ausreichender sachverständiger Nachweise zu heben. Eine zentrale Stellung der Genehmigung, wie zur Zeit, stellt höhere Anforderungen an ihre (teilweise) Substitution durch Sachverständige.

9. Die Durchsetzbarkeit des materiellen Rechts Die Genehmigung einer Anlage nach dem BImSchG erstreckt sich nach § 4 Abs. 1 BImSchG auf Errichtung und Betrieb derselben. Gerade im Hinblick auf den Betrieb zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zu der Baugenehmigung. Dort bezieht sich die Kontrolle vor allem auf die Errichtung und die geplante Nutzung; eine andere Nutzung als die genehmigte ist aber von einer geringeren Gefahrenrelevanz als ein Betrieb einer immissionsschutzrechtlichen Anlage jenseits der materiellen Vorgaben. Die Genehmigung trägt diesem Zukunftsaspekt bislang dadurch Rechnung, dass z. B. Emissionsbegrenzungen in der Genehmigung festgelegt 37 oder Auflagen im Hinblick auf die spätere Erfüllung der Grundpflichten aufgenommen werden. 38 Es ist demnach zu überprüfen, ob das Sachverständigenmodell auch eine vergleichbare Sicherung des materiellen Rechts im Rahmen des zukünftigen Betriebs erbringen kann. Die Kapazität des Sachverständigenmodells auch hierzu kann angenommen werden. Letztlich handelt es sich um eine andere Art und Weise der Konkretisierung der Vorgaben. Diese werden zwar nicht mehr in einer Genehmigung festgeschrieben, sind aber in den generellen Normen und den sachverständigen Bestätigungen enthalten. Es kann dabei hier offen bleiben, ob eine Verpflichtung zum Betrieb entsprechend der „sachverständigen Genehmigung“ oder aber unmittelbar zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben besteht. Dem Anlagenbetreiber wird der Schutzschild der Genehmigung, nämlich die Erlaubnis zum Handeln in deren Rahmen, genommen, ihm wird aber keine Befugnis zum Betrieb außerhalb gesetzlicher Vorgaben eingeräumt. Dies belastet ihn zwar, ist aber für sich kein Argument gegen die Eignung des Sachverständigenmodells, sondern eventuell nur gegen dessen praktische Wirksamkeit.

36 Ohne jedoch eine globale Pflicht darzustellen, insbesondere aufgrund des begrenzten Anwendungsbereiches dieses Systems. S. Mager, DÖV 2004, 561 (564 f.); zu dem Streit über das Verhältnis des Emissionshandelssystems zu dem Vorsorge- und dem Effizienzgebot s. Kerth, Emissionshandel im Gemeinschaftsrecht, S. 296 ff. 37 S. Kutscheidt, DVBl. 2000, 754 (755). 38 S. Hansmann, NVwZ 1990, 409 (413).

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10. Substituierbarkeit der Aufgaben Ein weiteres maßgebliches und insbesondere logisches Kriterium der Eignung des Sachverständigenmodells ist die Substitutierbarkeit der Vollzugsaufgaben. Letztlich besteht das Sachverständigenmodell eben gerade darin, dass die Sachverständigen die behördliche Durchführung der Vollzugsaufgabe übernehmen, wobei diese Vollzugsaufgabe hier in der Kontrolle eines Antragsgegenstands auf Übereinstimmung mit bestimmten öffentlich-rechtlichen Vorgaben besteht. Dies hängt zusammen mit der bereits oben angesprochenen Frage der Standardisierbarkeit, denn eine Standardisierbarkeit ist jedenfalls ein Element, das für eine Substituierbarkeit der behördlichen Kontrolle spricht. Dabei geht die Substituierbarkeit darüber hinaus, denn Sachverständige können nicht nur standardisierte Aufgaben übernehmen, sondern auch gerade komplexe Aufgaben, die sachverständige Wertungen erfordern.

11. Wettbewerb und Haftung als qualitätssteigernde Elemente Grundsätzlich kann auch die Eigenlogik privaten Handelns, insofern im Sinne einer Gemeinwohlorientierung gesteuert, zugunsten einer verstärkten Sachverständigenbeteiligung sprechen. Private Sachverständige stehen miteinander im Wettbewerb, was unterschiedliche Steuerungsoptionen eröffnet, die qualitätssteigernd eingesetzt werden können. Insbesondere sind dies wirtschaftliche Anreize. Dabei ist die Reputation zu nennen, die durch qualitativ hochwertige Arbeit erworben wird und zusätzliche Aufträge generiert, die Honorare selbst, aber auch beispielsweise der Verlust des Honorars, die Vermeidung von Strafen sowie die Auferlegung von Kosten für Doppelbegutachtungen. Daneben wirkt insbesondere auch der Haftungsdruck qualitätssteigernd. Dabei ist nicht zu vernachlässigen, dass eine sinnvolle Regulierung die Wirksamkeit dieser Elemente sicherstellen muss. Ohne dies hier im Detail zu erörtern, 39 bleibt festzustellen, dass diese Wettbewerbs- und Haftungselemente genutzt werden können und die Wirksamkeit eines Sachverständigenmodells erhöhen können.

12. Risiken einer Umsteuerung Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass es im deutschen Recht eine gewachsene Auffassung gibt, dass eine präventive staatliche Kontrolle sinnvoll ist. 40 39 Siehe dazu näher Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, beispielsweise S. 411 ff. 40 So für das Baurecht Ortloff, FS Gelzer, S. 223 (229).

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Insbesondere stellt sich die Frage, wie die Rechtsanwender mit einer Umsteuerung umgehen können, da diese selbst mit Risiken für die Qualität der Kontrolle verbunden ist. Angesichts einer im Rechtsdenken verankerten Vorstellung ist es durchaus problematisch, wie radikal eine Umsteuerung überhaupt sein darf, damit sie auch ohne all zu große Brüche effektiv eingesetzt werden kann. Ein gutes Beispiel ist auch hier wieder die Umsteuerung im Bauordnungsrecht, die, wie auch das Drei-Stufen-Modell der Reform in Bayern zeigt, erst schrittweise und daher mit Gewöhnungsphasen umgesetzt worden ist. So wird dort auf psychologische Schwierigkeiten der Behörden hingewiesen, sich im Sinne der Reformgesetzgebung präventiv zurückzuhalten. 41 Daneben ist auch eine Gesamtbilanz der Auswirkungen zu erstellen. Die positiven Effekte, die mit einer Umsteuerung der präventiven Kontrolle verbunden sind, dürfen nicht durch negative „externe“ Effekte zunichte gemacht werden. Ein Mehraufwand auf repressiver Ebene sollte nicht die erwarteten Vorteile im negativen Sinne überkompensieren. 42 Erforderlich ist deshalb eine integrative Betrachtung des die Genehmigung prägenden Dreiecksverhältnisses.

13. Ergebnis – Die Eignung des Sachverständigenmodells für das Immissionsschutzrecht Gegen einen Einsatz des Sachverständigenmodells im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens spricht, dass die in diesem zu genehmigenden Anlagen ein höheres Risikopotential aufweisen als die im baurechtlichen Genehmigungsverfahren zu genehmigenden. Sie weisen zudem eine höhere Komplexität auf; ihre Beurteilung ist schwieriger und hat unter einer Vielzahl von Aspekten zu erfolgen, was insbesondere vor dem Hintergrund der Umsetzung der IVU-Richtlinie an Bedeutung gewonnen hat. Auch sind die betroffenen Rechtsmaterien vielfältiger. Im Sinne einer Je-Desto-Formel könnte man daraus auf die Notwendigkeit einer staatlichen Kontrolle schließen. Allerdings streiten umgekehrt auch erhebliche Argumente für die Einführung eines Sachverständigenmodells in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren. So kann die Komplexität der Anlagen nicht pauschal gegen eine Tätigkeit Privater ins Feld geführt werden. Zum einen ist häufig gerade die für solche Anlagen erforderliche Expertise im privaten Bereich vorhanden, und 41 Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (60). 42 Allerdings weist Jäde, in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 33 (59), darauf hin, dass im Bauordnungsrecht diese Befürchtungen nicht eingetreten seien; s. auch ders., LKV 1996, 13 (14).

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zum anderen entstehen auch neue Berufsgruppen mit der erforderlichen Expertise. Und vor dem Hintergrund der Reformdiskussion ist anzumerken, dass das Entstehen solcher neuer Berufsgruppen ordnungspolitisch zumindest nicht unerwünscht ist. Des Weiteren spricht auch die Komplexität einer Anlage dann nicht gegen eine Aufgabenübertragung auf Private, wenn die Prüfaufgaben nicht die Komplexität widerspiegeln. Denkbar ist, dass die durchzuführenden Prüfungen aufteilbar sind und einzelne, abgrenzbare Prüfaufgaben auf Private übertragen werden können. Für diese einzelnen Punkte kann das Komplexitäts-Argument nur eine eingeschränkte Geltung beanspruchen. Zudem soll auch keine ausschließlich private Genehmigung eingeführt werden. Vielmehr geht es um ein Zusammenspiel privater und behördlicher Tätigkeit, bei dem es nach wie vor den staatlichen Behörden vorbehalten bleibt, wertende Entscheidungen zu treffen. Es geht nur um die Übertragung von Kontrollaufgaben, bei denen auch die Verwaltung keinen oder nur sehr geringen Spielraum hätte, dessen Ausnutzung zudem ohne privaten Sachverstand in der Realität ohnehin fraglich wäre. Dieses Realitätsargument ist von entscheidender Bedeutung, denn bereits heute werden viele Entscheidungen de facto von Sachverständigen getroffen. Diese spielen eine entscheidende Rolle sowohl im Genehmigungs- als auch im darauffolgenden gerichtlichen Verfahren. Die Verwaltung ist entscheidend auf privaten Sachverstand angewiesen, um eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sicher zu stellen. Dementsprechend wäre eine „Aufdeckung der wahren Entscheidungsverhältnisse“ keine Revolution, sondern eben nur eine Aufgabe des Anspruches einer umfassenden, vollen Entscheidungsgewalt der Behörde, der der Realität ohnehin nicht mehr entspricht. Darüber hinaus kann die private Kontrolle zum Zwecke der Qualitätssicherung vor allem über Abweichungsverfahren mit der Verwaltung verknüpft werden, unter Umständen auch durch die Durchführung von Stichprobenkontrollen sowie eine fortbestehende repressive Befugnis. Allerdings gilt es, die Bedingungen für einen Einsatz des Sachverständigenmodells zu berücksichtigen: Die Kontrollbereiche, vor allem die im privaten Verantwortungsbereich, müssen eindeutig unterschieden und präzisiert sein. Die Eignung des Sachverständigenmodells für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist daher im Grundsatz zu bejahen. Die Reichweite und das mögliche Ausmaß der Anwendung bleiben einer detaillierten Untersuchung der Vorgaben des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens überlassen.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

§ 12 Die Genehmigungsvoraussetzungen und das Sachverständigenmodell Zentraler Aspekt des Sachverständigenmodells ist die Reduktion staatlicher Kontrolltätigkeit. Daher ist es eine essentielle Voraussetzung für seinen Einsatz, dass es materiell zu definierende Kontrollbereiche gibt, die für eine Kontrolle durch private Sachverständige angesichts der oben entwickelten Kriterien geeignet sind. Der Anwendungsbereich kann somit nur anhand der einzelnen Bestandteile des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ermittelt werden. Diese müssen in concreto einer Privatisierung der Kontrolle zugänglich sein. Gegenstand der Kontrolle im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind ihre Voraussetzungen. Diese sind im Folgenden kritisch auf ihre Überprüfbarkeit durch Private und daher maßgeblich daraufhin zu untersuchen, wie weitgehend erstens überhaupt noch materielle Entscheidungen zu treffen sind und zweitens, ob es sich dabei nur um Fragen sachverständiger oder aber darüber hinausgehender Wertung handelt. Ein interessanter Aspekt sowohl für die grundsätzliche Eignung als auch für eine Eignung im Detail ist dabei, ob sich generelle Kriterien dafür finden lassen, welche Prüfungsaufgaben in concreto auf Sachverständige übertragen werden können und ob dabei eine Aufspaltung von Rechtsmaterien möglich ist. In der Vergleichsmaterie des Bauordnungsrechts wurde die Trennlinie entlang der Unterscheidung von Bauordnungs- und Bauplanungsrecht gezogen, wobei letzteres der Privatisierung im Baugenehmigungsverfahren entzogen sein soll. 43 Ein denkbarer Ansatzpunkt könnte hier darin bestehen, eine Trennung zwischen den Anforderungen an die allgemeine Luftqualität einerseits und den Anforderungen an die Verursacher bzw. Verursachergruppen andererseits durchzuführen. 44 Die einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen sind somit im Wesentlichen daraufhin zu untersuchen, welche Vollzugsspielräume tatsächlich bestehen und in welchem Umfang die Genehmigungsbehörde auf die Genehmigung inhaltlich Einfluss nimmt und damit insbesondere auch auf das Verhältnis zu den Nachbarn. Es geht mithin um die Frage, im Rahmen welcher Genehmigungsvorausset43 Wobei allerdings auch eine Privatisierung der reinen Kontrolle bauplanungsrechtlicher Vorgaben insofern möglich ist, als dass die Privaten selbständig den Anwendungsbereich des Genehmigungsfreistellungsverfahrens beurteilen. Ganz ausgeblendet bleiben zudem die Privatisierungselemente bei der Erstellung der Bebauungspläne selbst. Trotz des nach wie vor geltenden Grundsatzes der Planungshoheit der Gemeinde werden insbesondere im Rahmen vorhabenbezogener Bebauungspläne erhebliche Verfahrensbeiträge von privaten Investoren erbracht. 44 So auch der Vorschlag für eine Neuorientierung der Luftreinhaltepolitik von Koch, Immissionsschutz 2001, 28 (31).

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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zungen die Genehmigungsentscheidung selbst die Lösung im Interessengeflecht darstellt. Und wenn eine Wertung o. ä. stattfindet, ist letztlich auch festzustellen, um was für eine Wertung es sich handelt, denn hier kommt auch die rein sachverständige Wertung in Betracht, die einer Privatisierung eher zugänglich ist. Die Voraussetzungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung enthält § 6 BImSchG. Diese ist als gebundene Entscheidung ausgestaltet, ihre Voraussetzungen weisen eine konditionale Struktur auf. 45 Sie enthalten auch unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Auslegung und Konkretisierung bei der Gesetzesanwendung bedürfen. 46 Dabei hat die Genehmigungsbehörde nach der Rechtsprechung keinen Beurteilungsspielraum. 47 Allerdings bestehen in der Praxis auch bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, so insbesondere bei der Entscheidung über Art und Umfang der dabei anzustellenden Ermittlungen und bei der Normkonkretisierung durch technische Anleitungen, vielfältige Gestaltungsspielräume für die Exekutive. 48

1. Die Grundpflichten und ihr Inhalt In § 5 BImSchG ist ein Katalog von Grundpflichten festgelegt, die auch als Herzstück der Anlagengenehmigung nach §§ 4 ff. BImSchG beschrieben werden. 49 Damit werden in Gestalt eines einheitlichen Schutzkonzepts die in § 1 BImSchG genannten Ziele und Schutzzwecke aktualisiert und in – im Detail freilich noch konkretisierungsbedürftige – Anforderungen an die Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen umgeformt. 50 Die Gundpflichten richten sich unmittelbar und verbindlich an den Betreiber. 51 Ihre Besonderheit ist ihr dynamischer Charakter. 52 Sie sind nicht nur als 45

S. dazu Breuer, FS Feldhaus, S. 47 (52). Rengeling, Der Stand der Technik, S. 13. 47 Steinberg, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band 1, S. 295 (301). 48 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht Band I, § 6 BImSchG Rn. 2. 49 Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (49). 50 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band 1, § 5 BImSchG Rn. 4; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 1. 51 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 1, 2; Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen (2. Auflage), Rn. 21; ders., DVBl. 1986, 314 (315); Feldhaus, in: ders.: Bundesimmissionsschutzrecht, Band 1, § 5 BImSchG Anm. 2, 11; Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (55); Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 61; Feldhaus, WiVerw 1986, 67 (71); Engelhardt / Schlicht, BImSchG, § 5 Rn. 2; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 25 ff.; Sach, Genehmigung als Schutzschild?, S. 89; Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 1; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, 46

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Genehmigungsvoraussetzung zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung einzuhalten, sondern während des gesamten Betriebs mit ihrem jeweils aktuellen Inhalt zu beachten. 53 Dieser ist nicht konstant, sondern wird über die Zeit anspruchsvoller und trägt den jeweils aktuellen konkreten Verhältnissen Rechnung. 54 Letztlich verändert er sich im Laufe der Betriebsdauer ständig. 55 Eine wesentliche Funktion der Grundpflichten ist die Reduktion des Bestandsschutzes. 56 Der Betreiber kann sich nachträglichen Anforderungen nicht unter Berufung auf den Bestandsschutz der Genehmigung entziehen. 57 Die Anlage ist somit grundpflichtenbelastet und muss prinzipiell ständig in einem dem aktuellen Inhalt der Grundpflichten entsprechenden Zustand betrieben werden. Unabhängig von der Frage der unmittelbaren Bindungswirkung besteht weitgehend Einigkeit dahingehend, dass die Grundpflichten konkretisierungsbedürftig sind. 58 Sie sind nicht selbstvollziehend und müssen durch Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften oder Einzelanordnungen zunächst rechtlich „aktiviert“ § 5 BImSchG Rn. 8 (ehemalige Kommentierung, aktuell wird § 5 BImSchG kommentiert von Dietlein); Johle, Die Beeinflussung privater Immissionsabwehransprüche durch das öffentliche Recht, S. 166 f.; a. A. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 9 f., der die Einordnung der Grundpflichten als unmittelbar geltende Pflichten als rechtsdogmatisch nicht völlig zweifelsfrei bezeichnet und dies mit einem Vergleich zu der allgemeinen Polizeipflicht begründet. 52 S. zu dem folgenden Himmelmann, Immissionsschutzrecht, in: ders. / Pohl / Tünnesen-Harms, HbUR, B1 Rn. 102; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 2; Wickel, DÖV 1997, 678 (679); Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (57 f.). 53 S. auch Breuer, FS Feldhaus, S. 47 (57); s. auch Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 43. 54 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 6. So verändern neue Erkenntnis z. B. der Wirkungsforschung wie auch Weiterentwicklungen der Emissionsminderungstechniken den materiellen Inhalt, s. Feldhaus, WiVerw 1986, 67 (71). 55 Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht Band 1, § 5 BImSchG Rn. 10 (ehemalige Kommentierung, aktuell wird § 5 kommentiert durch Dietlein); vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht Band 1, § 5 BImSchG Rn. 6. 56 S. auch Rid / Hammann, VBlBW 1988, 7 (9); Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 8. 57 Beyer, Die integrierte Anlagenzulassung, S. 86; Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 32; Feldhaus, BImSchG, § 4 Anm. 37; Sendler, UPR 1990, 41 (43). 58 Engelhardt / Schlicht, BImSchG, § 5 Rn. 2 sehen die Grundpflichten als unmittelbar kraft Gesetzes bestehende Pflichten, die grundsätzlich unabhängig von behördlichen Anordnungen zu erfüllen sind; deshalb dürfe der Betreiber sich nicht damit begnügen, die Anforderungen der Genehmigung oder nachträgliche Anordnungen zu beachten. Dabei berufen sie sich auf Jarass, DVBl. 1986, 314 (315), der die Grundpflichten allerdings nur als Obliegenheiten betrachtet, die die Berufung auf wirtschaftliche Härten im Falle nachträglicher Anordnungen ausschließen, was sich nicht mit der Aussage von Engelhardt / Schlicht deckt. Differenzierend Breuer, FS Feldhaus, S. 47 (55), der zwar grundsätzlich eine vergleichbare unmittelbare Verbindlichkeit annimmt. Er sieht aber z. B. die Vorsorgepflicht aufgrund der Notwendigkeit eines dahinter stehenden Konzeptes als konkretisierungsbedürftig an und folgt damit dem BVerwG, E 69, S. 37 (45); ähnlich

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werden, damit sie gegenüber dem Betreiber formell erzwungen werden können. 59 Grundlage der Konkretisierung durch hoheitliche Maßnahmen sind die jeweils existierenden Erkenntnisse über Entstehung und Wirkung der Immissionen bzw. Emissionen. Der Anlagenbetreiber muss zwar neue Erkenntnisse berücksichtigen, er ist jedoch zu eigener Forschung nicht verpflichtet. 60 Er muss seine eigene Pflichtenstellung nicht ermitteln, sondern bleibt auf konkretisierende behördliche Vorgaben angewiesen, um seiner Pflichtenstellung in angemessener Weise gerecht zu werden. 61 Zu beachten ist darüber hinaus auch die Normstruktur der Grundpflichten. Ihrer Struktur nach legen sie Ziele fest, überlassen es aber dem Betreiber, durch welche Maßnahmen er sie erreicht, d. h., es liegt grundsätzlich bei dem Anlagenbetreiber, welche Maßnahmen er ergreift, um der Schutz- bzw. Abwehrpflicht gerecht zu werden. 62 Sie sind somit nicht auf die Erzwingung einzelner konkreter Maßnahmen hin ausgelegt, sondern vielmehr darauf, dass ein den Grundpflichten entsprechender Zustand erreicht wird. Eine weitere Komplexität der Anforderungen ergibt sich daraus, dass die Grundpflichten nunmehr integrativ auszulegen sind. 63 Die vorgeschaltete allgemeine Integrationsklausel ist als interpretatorischer Angelpunkt für den gesamten § 5 Abs. 1 BImSchG zu verstehen, wobei diese Bindung und Verpflichtung der Grundpflichten an und auf einen integrativen Ansatz dazu dient, die Umsetzung der medienübergreifenden Aspekte in das untergesetzliche Regelwerk zu verlagern. 64 Seine wesentliche Entfaltung findet der medienübergreifende, integrative Ansatz im Bereich der Vorsorgepflicht. 65 Dabei bedingt der integrierKotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 1, nach dem die Grundpflichten auch ohne behördliche Anordnung zu beachten sind, allerdings nicht, soweit sie wegen zwingender Sachgesetzlichkeiten auf eine konstituierende Konkretisierung durch Rechtsverordnung oder Verwaltungsakt angewiesen sind, was namentlich für § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 BImSchG gelten soll. 59 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 11; Wickel, DÖV 1997, 678 (679); so nimmt auch Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht. Kommentar, Band 1 Teil 1, § 5 BImSchG Anm. 2, an, dass die Erfüllung der Grundpflichten nur durch formalisierte Eingriffe erzwungen werden kann; ebenso wohl Schwerdtfeger, NJW 1974, 777 (778); Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 64 f.; zu der Frage des Charakters der Grundpflichten hinsichtlich ihrer Geltung gegenüber dem Adressaten s. Pietrzak, Umweltrechtliche Grundpflichten – Möglichkeiten und Grenzen, S. 49 ff. 60 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 1. 61 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 11. 62 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 33; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht Band 1, § 5 BImSchG Rn. 100. 63 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 7. 64 Kugelmann, DVBl. 2002, 1238 (1244 f.); Koch / Prall, NVwZ 2002, 666 (668); Hansmann, ZUR 2002, 19 (20); Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 7. Kritisch im Hinblick darauf, dass sich der Einleitungssatz auch auf § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG bezieht, Enders / Krings, DVBl. 2001, 1389 (1393 f.).

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te Umweltschutz grundsätzlich eine Abwägung im Sinne eines intermedialen Nutzenvergleichs, 66 wobei der Schutzgrundsatz den möglichen Bereich einer derartigen Abwägung einschränkt. 67 Die Notwendigkeit eines Nutzenvergleichs ist auch Anlass für die Kritik daran, den integrierten Umweltschutz in das untergesetzliche Normwerk zu verlagern. 68 a) § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG – Der Schutzgrundsatz aa) § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG regelt eine Gefahren-Abwehrpflicht, 69 andere sehen darin eher eine Gefahren-Vermeidungspflicht. 70 Diese dient der Verhinderung des konkret und nachweisbar von der Anlage auf die Umgebung ausgehenden Beeinträchtigungspotentials. 71 Diese Schutzpflicht verbietet schädliche Umwelteinwirkungen und damit solche Immissionen, die geeignet sind, die Gefahr eines Schadens, erheblicher Nachteile oder erheblicher Belästigungen hervorzurufen. 72 Maßgeblich ist eine akzeptorbezogene Sichtweise; es kommt nicht auf den Ort der Entstehung, sondern auf die Lage am Einwirkungsort an. 73 Dabei sind nur die Immissionen relevant, die auch von Emissionen der Anlage zumindest mitverursacht werden. 74 Dies wird nicht anhand eines naturwissenschaftli65

Koch / Siebel-Huffmann, NVwZ 2001, 1081 (1084). Hansmann, ZUR 2002, 19 (19). 67 Koch, in: ders. (Hrsg.): Umweltrecht, § 4 Rn. 66; Koch / Siebel-Huffmann, NVwZ 2001, 1081 (1084). 68 Vgl. zur Kritik Wahl, ZUR 2000, 360 (365 f.); Lübbe-Wolff, NuR 1999, 241 ff.; demgegenüber hält Hansmann, ZUR 2002, 19 (20) die generelle Konkretisierung für geeigneter, da eine vollständige und umfassende Berücksichtigung sämtlicher Belange besser gewährleistet sei; auch die Behörden scheinen die Umsetzung des integrativen Ansatzes nicht von einem größeren Spielraum für eine fallbezogene Abwägung abhängig zu machen, s. Lübbe-Wolff, in: JUTR 2000 (UTR Band 54), S. 73 (85). 69 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 6; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 142; Scheuing, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, vor § 32 Rn. 89. 70 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 53; Engelhardt / Schlicht, BImSchG, § 5 Rn. 4. 71 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 24. 72 S. Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BImSchG. Zu den Begriffen s. auch Jarass, BImSchG, § 3, Rn. 24 f., insbesondere auch zur Verwendung des Gefahrenbegriffs im BImSchG; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 110 ff.; s. im Einzelnen auch Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 ff.; Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 45. Dabei ist die Abgrenzung zwischen den einzelnen Begriffen der Begriffstrias umstritten, vgl. Jarass, a. a. O.; Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 73 ff. 73 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rn. 67; Koch, in: ders. (Hrsg.): Umweltrecht, § 5 Rn. 71. 74 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 92; ausführlicher Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 11 ff.; s. auch Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 38, 66

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chen Kausalitätsbegriffs festgestellt, sondern verlangt nach dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 BImSchG eine qualitative, wertende Betrachtung. 75 Als Schaden ist die erhebliche Beeinträchtigung eines der Schutzgüter des § 1 BImSchG anzusehen. 76 Der Maßstab für das Vorliegen einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines negativen Effekts. 77 Dabei sind die Wahrscheinlichkeit des Störungseintritts sowie Art und Ausmaß der zu erwartenden Beeinträchtigung zu berücksichtigen. 78 Insofern kann eine Prognose erforderlich sein. Diese Prognose muss am wissenschaftlich-technischen Erkenntnisvermögen und der allgemeinen Lebenserfahrung orientiert sein. 79 Der negative Effekt muss erheblich sein, wobei die Erheblichkeit im Immissionsschutzrecht mit der Unzumutbarkeit gleichzusetzen ist. 80 Diese Unzumutbarkeit 81 wird nach der Rechtsprechung anhand einer situationsbezogenen Abwägung und Bewertung der widerstreitenden Interessen festgestellt 82. Zwar ist der gerade auch im Hinblick auf kleine Beiträge auf den Summationseffekt hinweist. Es kommt auf die Gesamtbelastung dieser Immissionen an, nicht auf den Immissionsbeitrag der einzelnen Anlage. Gleichgültig ist, ob die Emissionen durch Prozesse des Normalbetriebs, d. h. des bestimmungsgemäßen Betriebs bzw. des Betriebs zu dem vorgesehenen Verwendungszweck oder durch Störfälle verursacht werden. OVG Lüneburg, OVGE 32, 444; Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 21 Rn. 53; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 12; Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 27; Rehbinder, FS Sendler, S. 276; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 229; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 117; a. A. Feldhaus, WiVerw 1981, 191 (191), der dies zu den „sonstigen Gefahren“ rechnet; vermittelnd Dietlein, a. a. O., Rn. 96, der im Gegensatz zu einer generellen Einstufung auf Dauer und Stetigkeit abstellt. 75 Hansmann, NVwZ 2003, 266 (272 f.); vgl. zu der Kausalität auch Feldhaus / Schmitt, WiVerw 1984, 1 ff. 76 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 26a. Zu dem Erheblichkeitsbegriff s. ausführlich Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 348 ff. 77 Vgl. Himmelmann, Immissionsschutzrecht, in: ders. / Pohl / Tünnesen-Harms, HbUR, B1 Rn. 102; Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (12); dabei ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit wohl deckungsgleich mit der von Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen (2. Auflage), Rn. 25 verlangten ausreichenden Wahrscheinlichkeit, was sich daran zeigt, dass Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 67 nun ebenfalls von einer hinreichenden, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Wahrscheinlichkeit sprechen. 78 Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (12). 79 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 37. 80 Himmelmann, in: ders. / Pohl / Tünnesen-Harms, HbUR, B1 Rn. 109; Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 75; Feldhaus, DVBl. 1979, 301 (304 ff.); Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 43; vgl. auch Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (13, 17 f.); BVerwGE 50, S. 49 (55); BVerwGE 69, S. 37 (43). S. dazu aber Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 357 ff. 81 Zu der Bestimmung s. Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (17 ff.). 82 BVerwG, Urteil vom 30. 4. 1992 – 7 C 25.91, DVBl. 1992, 1234 (1235); BVerwGE 79, S. 253 (260); es sind danach also auch die Interessen der Verursacher der Immissionen

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

danach die Sichtweise eines Betroffenen zugrunde zu legen, diese wird jedoch als die eines verständigen Menschen und gerichtet auf einen Ausgleich widerstreitender Interessen innerhalb eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses im Wege der Güterabwägung gesehen. 83 Nach der Literatur soll dagegen alleine die Empfindlichkeit des Einwirkungsobjektes maßgeblich sein, 84 wobei der allgemeine Industrieförderungszweck des Immissionsschutzrechts berücksichtigt werden soll. 85 Es komme daher in diesem Rahmen nicht auf die Belastung des Anlagenbetreibers an. 86 Die Zumutbarkeit hängt jedoch von den örtlichen Umständen ab. 87 Des Weiteren ist umstritten, ob die beeinträchtigte Rechtsposition unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen muss. 88 Jedenfalls impliziert das Kriterium der Erheblichkeit eine Wertung, wobei sich lediglich die Frage stellt, welche Interessen in die Abwägung einzustellen sind. Dabei spricht bereits der Wortsinn für eine ausschließliche Berücksichtigung der Betroffenen, denn Immissionen sind als solche nur für diese, nicht aber für den Emittenten erheblich. Dessen Interessen wird durch eine generelle Berücksichtigung seiner Belange ausreichend Rechnung getragen; eine Schutznorm liefert hingegen keinen Anhaltspunkt für deren individuelle Berücksichtigung. 89 zu berücksichtigen. S. auch die Nachweise zu der Rspr. und den danach zu berücksichtigenden Gesichtspunkten wie den baurechtlichen Bestandsschutz, die Vorbelastungen und bauplanungsrechtlichen Vorgaben bei Classen, JZ 1993, 1042 (1042 f.). Rengeling, Der Stand der Technik, S. 29. 83 Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (19). 84 Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (18 f.); Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 69; Classen, JZ 1993, 1042 (1043 ff.); Jarass, JZ 1993, 601 (603), der insbesondere bemängelt, dass bei einer von den Gerichten angesprochenen wertenden Gesamtbetrachtung das Kriterium der Schädlichkeit jegliche Konturen verliere; Kotulla, in: ders (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 43, wobei dieser grundsätzlich auch zugesteht, dass das Zumutbarkeitskriterium Ausdruck des gesetzgeberischen Bemühens um Ausgleich widerstreitender Interessen zwischen dem für die Immissionen (mit-)verantwortlichen Betreiber und den insoweit betroffenen Dritten ist. 85 Demnach sollen die mit der Festlegung bestimmter Anforderungen für die Industrie generell verbundenen Folgen berücksichtigt werden, Himmelmann, in: ders. / Pohl / Tünnesen-Harms, HbUR, B1 Rn. 109; s. zu diesem Gedanken auch Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 351 (Gemeinwohlinteresse an einem hohen Industrialisierungsgrad); Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 69 ff. 86 Dolde, NVwZ 1986, 873 (882); Feldhaus, in: ders.: Bundesimmissionsschutzrecht, § 6 Anm. 8; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 22; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GKBImSchG, § 5 Rn. 324; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 85 ff.; Plagemann / Tietzsch, Stand der Wissenschaft und Stand der Technik als unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 28 f. 87 Himmelmann, in: ders. / Pohl / Tünnesen-Harms, HbUR, B1 Rn. 109 ff. Zu berücksichtigen ist der spezifische Charakter des Gebiets, der auch die Gebietsart, die Ortsüblichkeit auftretender Belastungen, die Vorbelastungen des Gebiets und das Verhalten der Betroffenen umfassen soll, Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 3 Rn. 44. 88 Dies verneint die Rechtsprechung, s. BVerwG, Urteil v. 24. 9. 1992 – 7 C 62/92, NJW 1993, 342 (343), während in der Literatur je nach betroffener Rechtsposition differenziert wird, vgl. Himmelmann, in: ders. / Pohl / Tünnesen-Harms, HbUR, B1 Rn. 113.

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Diese Zumutbarkeitsschwelle wird jedoch im Regelfall durch abstrakt-generelle Regelwerke konkretisiert, so dass die Zumutbarkeit dann gegeben ist, wenn die Werte unterhalb der dort angegebenen Schwellen bleiben, 90 womit eine ansonsten erforderliche Wertung des Einzelfalls 91 entbehrlich wird. Solange insbesondere bei Luftverunreinigungen die Belastungsgrenze nicht erreicht ist, halten sich die einzelnen Immissionsbeiträge im Rahmen der Anforderungen der Schutzpflicht. 92 Wer durch seine Anlage und die damit verbundenen Immissionen die „letzte“ Ursache für ein Überschreiten der Grenzwerte setzen würde, ist dazu verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, damit dies unterbleibt. 93 Allerdings kann darüber hinaus auch die eigentumsrechtliche Situation (im Sinne einer Situations-Belastung) dazu führen, dass bestimmte Belästigungen zumutbar sind. 94 Der Betreiber kann die Schutzpflicht dadurch erfüllen, dass er durch geeignete Anordnung der Beschaffenheit und des Betriebs die entsprechenden Emissionen vermeidet, wobei ihm selbst überlassen ist, welche Maßnahmen er zu diesem Zweck trifft. 95 Es sind auch Vereinbarungen mit den Betroffenen denkbar. Diese können sich vertraglich verpflichten, immissionsschutzrechtliche Abwehrrechte, die nach verbreiteter Ansicht verzichtbar sind, nicht geltend zu machen. 96 Daraus soll dann die Zumutbarkeit der entsprechenden Immission folgen. 97 Die Grenzen 89

Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 22 stellt darauf ab, dass das Gesetz an anderer Stelle zusätzlich zu dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung auch auf die Zumutbarkeit für den Anlagenbetreiber abstelle, so in § 17 Abs. 2 oder § 41 Abs. 2 BImSchG. Diese Argumentation ist allerdings nicht zwingend, da § 17 Abs. 2 BImSchG den besonderen Umständen der Einschränkung des Bestandsschutzes Rechnung tragen soll. § 41 Abs. 2 BImSchG eröffnet die Abwägung insbesondere im Hinblick auf ein bestimmtes Argument und zeigt damit erstens, dass eine Abwägung möglich ist, und regelt insbesondere, dass dem Kostenargument hier eine besondere Bedeutung zukommt. Das heißt aber nicht, dass das Kostenargument dann, wenn es nicht explizit genannt ist, nicht zu berücksichtigen ist; es kann daraus lediglich eine geringere Bedeutung gefolgert werden. 90 S. zu den einzelnen Konkretisierungen dieser Grundpflicht auch Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 28 ff.; kritisch im Hinblick auf die separierte und segmentierte Beurteilung einzelner Belastungsquellen durch das untergesetzliche Regelwerk Koch, in: ders. (Hrsg.): Umweltrecht, § 5 Rn. 71 m.w. N. Zugelassen wird dies von der Rspr., s. BVerwGE 101, S. 1 (1); BVerwG, Urteil v. 16. 5. 2001 – 7 C 16/00, NVwZ 2001, 1167 (1168 f.). 91 Dies ergibt sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, s. Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (13); zum Einzelfallbezug siehe auch Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 102. 92 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 29. 93 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 29; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 293. 94 BVerwGE 50, S. 49 (55). 95 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 33; Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 21 Rn. 54. 96 BGHZ 79, S. 131, 141 ff.; Engelhardt, NuR 1981, 145 ff.; Knothe, JuS 1983, 18 ff.; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 103, der jedoch dahin

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

sind die Rechtsgüter Dritter sowie die im Allgemeininteresse zu schützenden Güter. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Zustimmung alle künftigen Konflikte entfallen lässt. 98 Denkbar sind auch Maßnahmen außerhalb des Betriebsgeländes, wie z. B. der Erwerb von Grundstücken und Grunddienstbarkeiten, um eine Bebauung zu verhindern. 99 Die Behörde kann durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen entweder konkret erforderliche Emissionsbegrenzungsmaßnahmen vorschreiben 100 oder aber abstrakt mengenmäßige Emissionsbegrenzungen (Emissionswerte) festlegen. Alternativ kann auch das Ziel der Immissionsbegrenzung (Immissionswerte) vorgegeben werden, welches aber inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. 101 Es besteht ein erheblicher Vollzugsbedarf in Form von Inhalts- und Nebenbestimmungen; insbesondere im Hinblick auf das angegebene Ziel der Immissionsbegrenzung muss die Behörde dem Emittenten zahlreiche Vorgaben machen. Aufgrund dieser Forderungen kann es auch dazu kommen, dass den Emissions- oder Immissionsbegrenzungen nur durch eine geänderte Ausführung der Anlage Rechnung getragen werden kann. Dem hat der Antragsteller durch Einreichen entsprechender Antragsunterlagen Rechnung zu tragen. 102 Somit können anspruchsvolle Auflagen auch dazu führen, dass die Wahl eines möglichen Alternativstandorts in Erwägung gezogen wird und damit eine eigentlich der Behörde entzogene Entscheidung indirekt von ihr beeinflusst wird. 103 tendiert, diesem Verzicht keine materielle Auswirkung auf die Erheblichkeit beizumessen, sondern wie Koch, in: ders. / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 3 Rn. 76 f. den Zweck einer solchen Vereinbarung in einem Ausschluss des Prozessrisikos sieht. Dafür spricht, dass die zu einem bestimmten Zeitpunkt Betroffenen ansonsten darüber bestimmen würden, was auch in Zukunft als „erheblich“ anzusehen ist. Eine derartige Wirkung wäre immer potentiell ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter. Zum Verzicht, bezogen auf Lärm, Bodanowitz, NJW 1997, 2351 (2352). 97 In Hinblick auf eine Duldungspflicht aufgrund einer persönlichen Dienstbarkeit OVG Münster, Urteil vom 10. 11. 1988 – 21 A 1104/85, UPR 1989, 390 (391). 98 BVerwG Urteil vom 28. 4. 1978. 4 C 53.76-, DVBl. 1979, 622 (622); nach Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 103 ist daher eine derartige Vereinbarung nur praktikabel, wenn auch ein späterer Zuzug von Nachbarn oder in sonstiger Weise Betroffener nicht zu erwarten sei. 99 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 44. 100 S. die verschiedenen Beispiele bei Kotulla, in: ders (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 41, der auf Einbau von Filtern, Maßnahmen der besseren Verteilung und auch die zeitliche Gestaltung des Anlagenbetriebs hinweist. 101 St. Rspr.; BVerwGE 31, S. 15 ff.; BVerwGE 38, S. 209 ff.; die Behörde muss demnach mindestens den maßgeblichen Immissionswert, das Mess- und Beurteilungsverfahren zur Ermittlung der Immissionen und den Immissionsort bzw. die Immissionsorte, an denen die Immissionswerte einzuhalten sind, angeben, Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 106. 102 S. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 108 ff. 103 Grundsätzlich ist die Behörde an die Standortentscheidung des Antragstellers gebunden und kann Alternativstandorte nicht berücksichtigen, Kotulla, in: ders. (Hrsg.):

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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bb) § 5 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. BImSchG erfasst mit dem Begriff „sonstige Gefahren“ die Gefahren, die nicht durch Immissionen hervorgerufen werden, sondern auf sonstige Weise (sonstige Einwirkungen) und damit jegliche Umweltverschmutzung, womit sich der Bedeutungswandel im Zuge der Umsetzung der IVU-RL zeigt. 104 Allerdings bezieht sich dies nur auf Einwirkungen physischer Art. 105 Nicht erfasst werden nichtphysikalische Einwirkungen sowie solche immaterieller oder ideeller Art. 106 Im Wesentlichen sind die Einwirkungen durch Störfälle, 107 die Einwirkungen durch wägbare Stoffe sowie das unmittelbare Einleiten von Stoffen in Gewässer und Boden umfasst. 108 Im Hinblick auf die Anforderungen, d. h. die konkrete Gefährdung und die Erheblichkeitsschwelle, gelten die gleichen Kriterien wie bei der ersten Alternative. 109 Insbesondere bei Störfallrisiken ist eine zweistufige Prüfung erforderlich, und zwar muss ermittelt werden, welche Risiken der Anlage zugerechnet werden können und welche Wirkungen auf andere Rechtsgüter davon ausgehen können (zusätzliche Immissionen). 110 Im Hinblick auf die Kontrolle der Einhaltung dieser Schutzpflicht kann hier insbesondere festgestellt werden, dass mit dem Begriff der Erheblichkeit wie oben das Erfordernis einer Wertung im Rahmen dieser Kontrolle eröffnet wird. 111 Auch die Ermittlung der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bedarf einer Wertung, zumal hier das Ausmaß des möglichen negativen Effekts im Wege einer Prognose zu berücksichtigen ist. Die ansonsten verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe sind ebenfalls konkretisierungsbedürftig. 112

BImSchG, § 5 Rn. 24. Damit ist ihr ein gewichtiger Faktor der Genehmigungsfähigkeit entzogen. 104 So Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 24; Koch, in: ders. (Hrsg.): Umweltrecht, § 5 Rn. 103. 105 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 224; Schmatz / Nöthlichs, Immissionsschutz, Band 1, Erläuterungen zu § 1 BImSchG, Anm. 4. 106 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 125; ein weiteres Begriffsverständnis hat Ziegler, NJW 1991, 409 (409), der den umfassenden Schutz vor allen Gefahren als Inhalt der Schutzpflicht ansieht. 107 So sie denn unter diese Alternative subsumiert werden, wie von Feldhaus, WiVerw 1981, 191 (191); differenzierend Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 125. 108 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 127; s. auch die Aufzählung bei Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 224. 109 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 126. 110 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 234. 111 BVerwGE 69, S. 37 (43 f.); Feldhaus, DVBl. 1979, 301 (305), s. auch Sellner, Immissionsschutzrecht (2. Auflage), Rn. 27 (Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 75 gehen nur noch auf die umfassende untergesetzliche Konkretisierung ein); Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (18 ff.). 112 S. dazu Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (22 f.).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

cc) Die Schutzpflicht besteht auf jeden Fall auch im Interesse der betroffenen Nachbarn und hat somit drittschützenden Charakter. 113 Dieser kommt auch den Rechtsverordnungen zu, die die drittschützenden gesetzlichen Vorgaben und damit die Abwehrrechte konkretisieren. 114 Das Gleiche gilt für Verwaltungsvorschriften wie die TA Luft 115 und auch für sonstige technische Normen. 116 Dem Schutzgrundsatz kommt somit erhebliche Bedeutung für den Interessenausgleich zu. Die Genehmigung darf daher nur erteilt werden, wenn nach dem Erkenntnisstand zu dem Zeitpunkt der Genehmigungserteilung mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass durch den bestimmungsgemäßen Betrieb oder aber durch Störfälle eine der o. g. Beeinträchtigungen verursacht werden kann. 117 Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass die einzelnen Aspekte des Schutzgrundsatzes für Wertungen, die über bloß sachverständige Wertungen hinausgeht, offen sind. Für die Möglichkeit einer Privatisierung der Kontrolle stellt sich daher die Frage, wie weit der Vollzug über eine bloße Konkretisierung abstrakter Regelwerke hinausgeht, wie konkret die darin enthaltenen Vorhaben sind und ob auch eine Konkretisierung im Einzelfall erfolgt. Jedenfalls bestehen untergesetzliche Regelwerke, die konkrete Immissionswerte für unterschiedliche Formen der Immissionen, wie für Luftverunreinigungen, Geruchsimmissionen, Geräusche und Erschütterungen, enthalten. 118 Das Ausmaß der Konkretisierung wird unten näher untersucht. b) § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG: Der Vorsorgegrundsatz aa) Dieser Vorsorgegrundsatz verpflichtet nicht nur zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen, sondern darüber hinaus auch zu einer gegen sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und Belästigungen. Damit hat er auch die Vorsorge gegen Störfälle zum Gegenstand. 119 Klassischerweise wird sein Inhalt im Wege einer Abgrenzung zur Gefahrenabwehr bestimmt. 120 Die Vorsorge unter113 Vgl. Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 21 Rn. 557; Bier, ZfBR 1992, 15 (16); Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 114. Aus der Rspr. siehe bspw. OVG Weimar, Beschluss vom 22. 2. 2006 – 1 EO 707/05, LKV 2006, 468. 114 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 115. 115 BVerwG, Beschluss vom 21. 3. 1996 – 7 B 164/95, NVwZ-RR 1996, 498 (499). 116 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 115. 117 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 170; Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 42; s. in dieser Hinsicht auch BVerwGE 55, S. 250 (254 ff.). 118 S. dazu die einzelnen Nachweise bei Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 28 ff.; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 37 ff. 119 Czajka, FS Kutscheidt, S. 249 (253 ff.); vgl. auch Sellner, NJW Sonderheft für Weber, 2001, 62 (63); Neuser, UPR 2001, 366 ff. Die Erweiterung wurde auch mit den Anforderungen des integrativen Umweltschutzes begründet.

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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scheidet sich von dieser dadurch, dass sie nicht dem Schutz vor konkret bzw. belegbar schädlichen Umwelteinwirkungen dient, sondern dem Entstehen solcher Umwelteinwirkungen generell vorbeugt, sich also gegen potentiell schädliche Umwelteinwirkungen richtet. 121 Sie kann als ein der Gefahrenabwehr vorgelagerter Bereich verstanden werden. Gegenstand ist bereits die Abwehr von Gefahrenlagen und nicht nur die Abwehr von Schäden. 122 Es soll eine Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle geschaffen werden. 123 Letztlich ist die Gefahr für die Vorsorge das, was der Schaden für die Gefahrenabwehr ist. 124 Eine Vorsorgeschwelle lässt sich dabei kaum in gleicher Weise bestimmen wie die Gefahrenschwelle, da hier zu viele Aspekte der Wertung einfließen. 125 Die Vorsorge dient jedoch nicht nur der Schaffung dieser Sicherheitszone, sondern verfolgt eine Vielzahl von Zielen. 126 So soll sie dann eingreifen, wenn eine Zuordnung von Emittent und Immission nicht mehr möglich ist (Bereich der Fernwirkung), 127 und kann somit dann eingreifen, wenn bestimmte Ursachenzusammenhänge sich im Einzelnen noch nicht eindeutig feststellen lassen. 128 Daneben soll sie für die Schaffung und Erhaltung von Freiräumen sorgen 129 und kann insofern als planerisches Element angesehen werden. 130 Sie soll generelle 120 S. Schäfer, DVBl. 2002, 734 (736); Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 (162); Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 193; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im Technischen Sicherheitsrecht, S. 21, Fn. 12; im Hinblick auf die Erweiterung der Vorsorgepflicht s. Neuser, UPR 2001, 366 (372). 121 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 46; Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 47; s. zum Vorsorgebegriff Wahl / Appel, in: Wahl (Hrsg.): Prävention und Vorsorge, S. 1 (72 ff.). Vgl. BVerwGE 69, S. 37 (43), wo von möglicherweise schädlichen Umwelteinwirkungen gesprochen wird. 122 Wahl / Appel, in: Wahl (Hrsg.): Prävention und Vorsorge, S. 1 (76). 123 BVerwG, Beschluss vom 10. 1. 1995 – 7 B 112/94, NVwZ 1995, 994 (995); OVG Lüneburg, Urteil v. 3. 10. 1979 – VII OVG A 39/78, GewArch 1980, 203 (205); Rengeling, DVBl. 1982, 622 (623 f.); Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 178; letztlich gilt dies danach sowohl bei noch unbekannten als auch bei bekannten Ursachenzusammenhängen, dann im Sinne eines vorbeugenden Umweltschutzes, Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 48. 124 Günther, Umweltvorsorge und Umwelthaftung, S. 27. 125 Fleury, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht, S. 42 f. 126 So wird die Vorsorge auch als „multifunktionales Gebot“ bezeichnet, s. Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 48; s. auch Kutscheidt, FS Redeker, S. 439 (449). 127 BVerwGE 69, S. 37 (43 f.); Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 141. Nach Rengeling, Der Stand der Technik, S. 32, lässt sich dem Vorsorgegrundsatz ein Gebot der Risikominimierung, auch im Hinblick auf das Risiko von Schäden durch Fernwirkungen, entnehmen. S. auch Müller, NuR 1986, 16 ff. 128 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 460. 129 Dies ist allerdings umstritten. Fleury, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht, S. 8 bezeichnet dies nur als Literaturmeinung. Mit Nachweisen auch zur Rechtsprechung und auch zur Gegenansicht Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 47, der auch darauf hinweist,

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Standards ermöglichen, ohne dass im Einzelfall festgestellt werden muss, wo genau die Gefahrengrenze liegt. 131 Darüber hinaus enthält die Vorsorge auch eine Sanierungskomponente, denn sie soll auch zum Abbau bestehender Belastungen beitragen. 132 Weiterhin soll sie der gerechten Verteilung des zulässigen Potentials an Umweltbelastungen dienen. 133 Sie dient somit der Erreichung mehrerer Ziele, wobei keines dieser Ziele verabsolutiert werden darf. 134 bb) Im Hinblick auf die Anforderungen setzt die Vorsorge primär an den von der Anlage ausgehenden Emissionen an. 135 Der zentrale Begriff, der auch die Grenzen der Vorsorgepflicht vorgibt, ist der Stand der Technik. 136 Auch wenn die Einschränkung der Vorsorge auf Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung inzwischen entfallen ist, 137 kann grob dahingehend unterteilt werden, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dem Immissionsschutz und § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dem Emissionsschutz dient. 138 Die Möglichkeiten der Emissionsbegrenzung 139 nach dem Stand der Technik sind unabhängig von der Immissionssituation sowie der Abwehr raumbezogener Gefahrenlagen, also generell und gleichmäßig auszuschöpfen. 140 dass dieser planerischen Komponente nur dann Bedeutung zukommen kann, wenn sie durch Vorschriften konkretisiert wird; s. auch Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GKBImSchG, § 5 Rn. 474 ff.; Sellner, Immissionsschutzrecht (2. Auflage), Rn. 60; Grabitz, WiVerw 1984, 232 ff.; Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 48. 130 S. Fleury, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht, S. 8. 131 Vg. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 47, der im Hinblick auf dieses Kriterium darauf hinweist, dass diese Ermöglichung genereller Standard die Effizienz des Umweltschutzes erhöht und gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft; Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 48. 132 OVG Berlin, Urteil v. 17. 7. 1978 – OVG I B 157.75-, DVBl. 1979, 160; BGHZ 64, 220 (223); Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 491 ff.; s. auch im Hinblick auf risikoerhöhende Summationen Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 113. 133 S. Kutscheidt, FS Redeker, S. 439 (450), str., dort auch Nachweise zu den verschiedenen Ansichten. 134 Eine Herleitung und Aufzählung der verschiedenen Ziele findet sich bei Grabitz, WiVerw 1984, 232 (238); ebenfalls Sellner, Immissionsschutzrecht (2. Auflage), Rn. 60 (etwas kürzer Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 178 ff.); s. auch BVerwGE 65, S. 313 (320); s. auch Rengeling, Der Stand der Technik, S. 32 ff. 135 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 132; Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 117 bezeichnet dies als wichtigstes, wenn auch nicht alleiniges Instrument. 136 Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 181 ff. 137 S. auch Günter, NUR 2002, 394 (397); Neuser, UPR 2001, 366 ff.; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 132; in dieser Hinsicht bereits vor Änderung Rehbinder, BB 1976, 1 (4); dagegen vor Änderung Hansmann, DVBl. 1981, 898 (902). 138 Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 (169). 139 S. dazu allgemein Kutscheidt, DVBl. 2000, 754 ff. 140 Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (60 f.).

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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Die Festlegung des Standes der Technik bedingt Wertungen und Abwägungen. 141 Jedenfalls stellt die Vorsorge nach dem Stand der Technik einen technikbezogenen Ansatz dar, nach dem sich allein Anforderungen an die Art und Weise des Betriebs ergeben. 142 An dem Stand der Technik orientiert sich auch die nunmehr erfasste Vorsorge gegen sonstige Einwirkungen, 143 die sich auch auf Störfälle bezieht und demnach Unfälle und Betriebsstörungen unterhalb der Gefahrenschwelle erfasst. 144 Diese störfallbezogene Risikovorsorge geht über die vorbeugende Gefahrenabwehr hinaus. 145 cc) Vorsorge ist auch durch eine Begrenzung der Immissionen möglich. Dann ist eine räumliche Differenzierung, orientiert an der Immissionsbelastung und der durch die unterschiedliche Bodennutzung bedingten Immissionsempfindlichkeit, erforderlich. 146 Es handelt sich hierbei um eine raumbezogene Vorsorge. 147 Da die Vorsorgepflicht einen systematischen und gleichmäßigen Vollzug verlangt, ist sie nicht vereinbar mit einem eigenständigen Planungs- und Ermessensspielraum jeder einzelnen Immissionsschutzbehörde. 148 Sie kann nicht „ins Blaue“ hinein und nicht durch Einzelentscheidungen und -maßnahmen betrieben werden, sondern bedarf einer planerischen Grundlage. 149 Demnach ermöglicht diese 141

S. dazu im Einzelnen unten bei den Ausführungen zur Konkretisierung durch technische Regelwerke. 142 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 51; Kloepfer / Kröger, NuR 1990, 8 (15). Eine Betriebseinschränkung oder Betriebsaufgabe kann nicht verlangt werden, s. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 152 (in Rn. 154 aber mit dem Hinweis, dass eine Einschränkung des Betriebs die Folge bei raum- und immissionsbezogenen Maßnahmen sein kann). 143 Allerdings sind auch wirkungsbezogene Anforderungen möglich, Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 58. 144 BT-Drs. 14/4599, S. 126. Diese Erweiterung war insbesondere aufgrund der IVURL notwendig geworden, vgl. Czajka, FS Kutscheidt, S. 249 (250 f.). 145 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 57. Als Beispiel nennt er die Vorsorge gegen Leckagen einer Anlage. Bspw. kann die Verwendung spezieller Tankvorrichtungen vorgeschrieben werden, um bei Störungen des Tankvorgangs, zum Beispiel beim Abreißen der Schläuche, ein Austreten von Stoffen zu vermeiden. 146 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 55; Koch, in: ders. (Hrsg.): Umweltrecht, § 4 Rn. 114. 147 Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhaltsplanung, S. 132 ff.; s. auch Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 153. Als Beispiel einer derartigen Vorsorge wird das Verschlechterungsgebot genannt, das es im deutschen Umweltrecht selten gibt. Im Recht der Luftreinhaltung gilt es nach der TA Luft für SO 2, Rehbinder, in: Arbeitskreis für Umweltrecht (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, 04 Rn. 41 (S. 22 f.). In der neueren Auflage des genannten Werkes weist Rehbinder in Kapitel 3 Rn. 42 aber darauf hin, dass, auch aufgrund entsprechender Entscheidungen des BVerwG, dann kein Spielraum mehr für immissionsbezogene Vorsorge sei, wenn und soweit Emissionswerte bestehen. 148 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 480.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Grundpflicht hier eine Planung und Bewirtschaftung. 150 Ergebnis kann auch eine Einschränkung des Betriebs einer Anlage bis hin zu ihrer Verhinderung sein, zumal es bei dieser Variante der Vorsorge keine Beschränkung auf Maßnahmen zur Veränderung der Art und Weise des Betriebs wie im Rahmen der technikbezogenen Vorsorge gibt. 151 Damit zeigt sich für diesen Bereich deutlich, dass ein Vollzug durch Private nicht möglich ist, was sich aus der erforderlichen Planung sowie dem möglichen Eingriffscharakter ihrer Anwendung ergibt. dd) Die Vorsorge ist grundsätzlich konzeptabhängig, d. h., sie erfordert regelmäßig ein generelles Konzept, da Vorsorgemaßnahmen grundsätzlich einer gleichmäßigen Anwendung und somit eines langfristigen Konzepts, das auf einheitliche und gleichmäßige Durchsetzung angelegt ist, bedürfen. 152 Dementsprechend müssen die Vorsorgemaßnahmen grundsätzlich entweder durch Rechtsverordnung oder durch Verwaltungsvorschriften konkretisiert worden sein. 153 Eine Anwendung ohne konkretisierende Vorschriften kommt nur in Teilbereichen in Betracht. 154 Eine Konkretisierung ist aber dann nicht erforderlich, wenn es um die Anwendung des Standes der Technik geht, da dieser selbst ein generelles Konzept beinhaltet. 155 Er ist jedoch schon durch mehrere untergesetzliche Regelwerke 156 konkretisiert. 157 Derartige Konkretisierungen werden zudem in der Vollzugspraxis insbesondere im Hinblick auf die emissionsbezogenen Anforderungen als unabdingbar 149 Vgl. dazu Rehbinder, in: Arbeitskreis für Umweltrecht (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts 04 Rn. 34 (S. 18 f.), wobei in der neueren Auflage des genannten Werkes Rehbinder in Kapitel 3, Rn. 34 die Möglichkeit der Einzelfallentscheidung nennt; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 55; für die Möglichkeit von Einzelmaßnahmen auch Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 153; Grabitz, WiVerw 1984, 232 (243). 150 Vgl. Grabitz, WiVerw 1984, 232 (242 f.), der die Planungs- und Verteilungsfunktion unter dem Aspekt des dafür anzulegenden Maßstabs thematisiert; s. auch Sendler, UPR 1983, 33 (43); Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 55. 151 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 154; Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 21 ff. Zu der Unterscheidung zwische der wirkungs- und der technikbezogenen Vorsorge s. auch Rehbinder, in: Hansmann / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap 3, Rn. 54. 152 Kutscheidt, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 437 (441); Schäfer, DVBl. 2002, 734 (738). 153 Kutscheidt, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 437 (441); ausdrücklich bezogen auf die Begrenzung der Emissionen Schäfer, DVBl. 2002, 734 (738). 154 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 64. 155 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 67. 156 Insbesondere die TA Luft, die u. a. auch Emissionsreduktionen aus Gründen der Vorsorge enthält, die 13. BImSchV (Großfeuerungsanlagen) sowie die 17. BImSchV, die den Stand der Technik zur Vorsorge im Hinblick auf Müllverbrennungsanlagen normiert. 157 Die nach teilweise vertretener Ansicht bereits vor Umsetzung der IVU-Richtlinie einen integrativen Ansatz verfolgten, Koch, in: ders. (Hrsg.): Umweltrecht, § 4 Rn. 118; Feldhaus, DVBl. 1981, 165 (169).

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notwendig angesehen. 158 Ohne diese wird die Norm für praktisch vollzugsunfähig 159 und kaum geeignet für Einzelauflagen und Verfügungen gehalten. 160 Diese Aussage dürfte etwas pauschal sein, da durchaus auch bestimmte technische Einrichtungen, die noch nicht in generellen Regelungen enthalten sind, als dem Stand der Technik entsprechend gefordert werden können. 161 Dies wird aber wegen des erheblichen Aufwands nur in bestimmten Einzelfällen in Betracht kommen und kann nicht als für jeden Einzelfall praktische Vorgehensweise angesehen werden; der Aufwand würde die Vollzugskapazität sprengen. Allerdings dürfte der Vollzug im Einzelfall in Folge des integrativen Ansatzes an Bedeutung gewinnen. Grundsätzlich ist die Pflicht zu Vorsorge nach h. M. nicht drittschützend, 162 wobei allerdings teilweise danach differenziert wird, wogegen Vorsoge betrieben wird. 163 Der drittschützende Charakter der Vorsorge und damit auch der den Vorsorgegrundsatz konkretisierenden Normen wird insbesondere dann anerkannt, wenn Vorsorge im Hinblick auf erkannte individuelle Gefahren betrieben wird, so. z. B. durch Emissionsbegrenzungen für kanzerogene Stoffe 164 und solche Stoffe, für die nach gegenwärtigem Erkenntnisstand keine Grenzwerte 158

Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 49. VGH München, Urteil vom 20. 7. 1994 – 20 A 92.40087 u. a., BayVBl. 1995, 497 und 531 (532 f.); Franßen, FS Zeitler, S. 429 (452). 160 Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, 13. BImSchV, Vorbem. Rn. 8 (Kommentierung bis 42. EL). 161 Wobei es allerdings über die Befugnisse der Behörde hinausgeht, Maßnahmen zu verlangen, die dem Stand der Technik – noch – nicht entsprechen, s. Stich / Porger, Immissionsschutzrecht Bd. 1, § 5 BImSchG Rn. 18. 162 S. aus der insoweit wohl gefestigten Rechtsprechung BVerwGE 65, S. 313 (320); VGH Kassel, Urteil v. 7. 8. 2007 – 2 A 690/06, ZUR 2008, 150 (151 f.); VGH München, Beschluss v. 29. 5. 1998 – 22 CS 96.283, NVwZ 1998, 1191 (1194); VGH München, Urteil v. 8. 6. 1988, NVwZ 1989, 482; OVG Münster, Urteil v. 31. 1. 1984- 7 A 955/81, DVBl. 1984, 896 (896); OVG Lüneburg, Urteil vom 28. 2. 1985- 7 B 64/84, NVwZ 1985, 357 (359); ausdrücklich nur für den Fall der Unterschreitung der Irrelevanzgrenze OVG Münster, Urteil v. 10. 6. 2008 – 8 D 103/07.AK, ZUR 2008, 493 ff.; zu der (nunmehr) h. M. in der Lit. s. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 121; kritisch Lübbe-Wolff, NuR 2000, 19 (21 f.). 163 Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 51; Kutscheidt, FS Redeker, S. 439 (452 ff.). 164 So Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 51; vgl. VGH München, Urteil v. 20. 7. 1994 – 20 A 92.40087 u. a., BayVBl. 1995, 497 und 532 (533), der Nachbarn auch einen prinzipiellen Anspruch auf Einhaltung von Emissionsgrenzwerten einräumt, dies aber im Hinblick auf die konkret geprüfte Norm letztlich offen lässt. S. auch zu den Emissionsgrenzwerten der TA Luft für krebserzeugende Stoffe OVG Münster, Urteil v. 7. 6. 1990 – 20 AK 25/87, NVwZ 1991, 1200 (1201); VGH Mannheim, Beschluss v. 29. 6. 1994 – 10 S 2510/04, NVwZ 1995, 292 (296); Breuer, Rechtliche Bewertung krebserzeugender Immissionen, in: MURL NW (Hrsg.): Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 158 (170); Lübbe-Wolff, NuR 2000, 19 (23). 159

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festgesetzt werden können. 165 Damit zeigt sich, dass auch die Vorsorge dem Interessenausgleich der verschiedenen Betroffenen und damit der Herstellung einer praktischen Konkordanz dient, 166 wenn auch in geringerem Umfang als der Schutzgrundsatz. Anhand der Darstellung zeigt sich somit, dass die Vorsorge durchaus noch von wertenden Entscheidungen abhängt und nicht lediglich ein einfacher Gesetzesvollzug erforderlich ist. c) § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG: Der sogenannte Entsorgungsgrundsatz Die in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltene Grundpflicht regelt die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen. Während ursprünglich dem Betreiber als Adressaten die Wahl zwischen Vermeidung und Verwertung sowie die Wahl zwischen den verschiedenen dafür in Frage kommenden Möglichkeiten überlassen wurde, 167 ist nunmehr ausdrücklich ein Vorrang der Vermeidung normiert. 168 Der ausdrückliche Gesetzeswortlaut sieht eine Rangfolge von Vermeidung, Verwertung und Beseitigung vor und legt somit eine Pflichtenhierarchie fest. 169 Die Beseitigung ist damit von der sekundären zur tertiären Variante des Umgangs mit Abfällen geworden. Geregelt wird primär die Art und Weise des Umgangs mit Abfällen, also das „Ob“ der Methode. Das „Wie“ ist demgegenüber aufgespalten. Die Anforderungen an die Vermeidung richten sich dabei nach dem Immissionsschutzrecht, während die Erfüllung der Pflicht zur Verwertung oder Beseitigung sich 165

Vgl. Kutscheidt, FS Redeker, S. 439 (453 f.). Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 419 f. 167 Vgl. dazu Jarass, BImSchG, 4. Auflage, § 5 Rn. 70 ff.; Sellner, Immissionsschutzrecht (2. Auflage), Rn. 64; Kutscheidt, NVwZ 1986, 622 (623); Fluck, DVBl. 1997, 463 (466 f.); wohl auch grundsätzlich für einen Gleichrang, allerdings für einen prozeduralen Vorrang der Vermeidung sowie einen Vorrang der Vermeidung im Einzelfall („schadlos“) Rehbinder, DVBl. 1989, 496 (499, 500); a. A. hinsichtlich des Gleichrangs Führ, Sanierung von Industrieanlagen, S. 193; für den Vorrang der Vermeidung auch Rebentisch, NVwZ 1997, 417 (419); ders., NuR 1997, 181 (181). 168 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 80 ff.; Rebentisch, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 419 (422 f.), auch mit Bedenken zur materiellrechtlichen Zulässigkeit dieses Vermeidungsvorrangs unter dem Aspekt des Eingriffs in die Grundrechte des Betreibers; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 192; Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 214; die starre Regelung im Hinblick auf die Verwirklichung des integrativen Ansatzes kritisierend Feldhaus, ZUR 2002, 1 (4). 169 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): Bundes-Immissionsschutzgesetz, § 5 Rn. 78. Zu den Begriffen im Einzelnen s. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 181 ff. 166

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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nach den Vorgaben des Krw- / AbfG (und den sonstigen für Abfälle geltenden Vorschriften) richtet. 170 Damit finden für genehmigungsbedürftige Anlagen die Vorschriften des Krw- / AbfG unmittelbar ohne weitere Festlegung in einer Rechtsverordnung und uneingeschränkt Anwendung. 171 aa) Primär sind Abfälle somit zu vermeiden. Diese Pflicht findet ihre Grenze dann, wenn die Vermeidung technisch nicht möglich oder unzumutbar ist. Durch die Verwendung des Begriffes „technisch möglich“ wird bewusst zu dem des „Standes der Technik“ differenziert und auf den Einzelfall abgestellt. 172 Da es auf die technischen Möglichkeiten des Einzelfalls ankommt, wird die Schwelle im Regelfall unterhalb des Standes der Technik liegen. 173 Die Vermeidung ist jedoch technisch nicht möglich, wenn sie zu einer Einschränkung des Produktumfangs oder zu einer Änderung der Produktqualität führt. 174 Technisch möglich ist sie aber dann, wenn irgendein technisches Verfahren ohne längere Entwicklungsphase zur Verfügung steht 175 und einen geringeren Rückstandsanfall aufweist. 176 Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist nach verbreiteter Ansicht die rechtliche Zulässigkeit der jeweiligen Maßnahme. Im Hinblick auf die Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG ist zu unterscheiden: Während im Hinblick auf den Schutzgrundsatz von einer Nachrangigkeit auszugehen ist, dürfte im Vorsorgebereich eine Abwägung der beiden Grundpflichten erforderlich sein. 177 Die Vermeidung darf zudem nicht unzumutbar sein. Der Begriff der Zumutbarkeit entspricht im Wesentlichen dem der Verhältnismäßigkeit. 178 Der ökolo170 Sellner, NJW Sonderheft f. Weber 2001, 62 (63); Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 177. Auf die missglückte Formulierung dieser Vorschrift weist hin Rebentisch, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 419 (421). 171 Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 9 Rn. 3. 172 Mann, UPR 1995, 180 (183 f.); Kotulla, in: ders (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 83; ebenfalls auf den Einzelfall, d. h. die Bedingungen der konkreten Anlage und die Abfallart, stellt ab Fluck, DVBl. 1997, 463 (467); Jarass, § 5 BImSchG, Rn. 81. 173 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 188; Mann, UPR 1995, 180 (183 f.); Kunig, in: ders. / Paetow / Versteyl, KrW- / AbfG, § 5 Rn. 32; a. A. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): § 5 Rn. 666 m.w. N.; Breuer, Die Begrenzung von Abwasserbeseitigung, Abfallbeseitigung und Reststoffverwertung, S. 21; vgl. Asbeck / Schröder, DÖV 1992, 252 ff. 174 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 81; Enders / Krings, DVBl. 2001, 1389 (1396). 175 Rehbinder, DVBl. 1989, 496 (501) m.w. N.; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 81, VGH BW, Urteil v. 18. 3. 1991 – 3 S 2223/91, UPR 1992, 351 (352). 176 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 188. 177 Rebentisch, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.): Krw- / AbfG, § 9 Rn. 36; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 84. Für eine strikte Einhaltung auch der Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG Hansmann, NVwZ 1990, 409 (411 f.), der zur Begründung die Gleichrangigkeit der Grundpflichten anführt; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 189; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 655.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

gische Nutzen der Abfallvermeidung darf nicht außer Verhältnis zu der wirtschaftlichen Belastung des Anlagenbetreibers stehen, insbesondere im Hinblick auf Änderungen des Produktionsverfahrens oder auf den Einsatz von Roh-, Hilfsoder sonstigen Einsatzstoffen. 179 Dementsprechend findet sich auf dieser Ebene das Element der Wirtschaftlichkeit, 180 während zur Bestimmung der Zumutbarkeit betriebswirtschaftliche Faktoren heranzuziehen sind. Dieser individualisierende Maßstab nimmt Rücksicht auf die Möglichkeiten der einzelnen Anlage, ihres Trägers und Betreibers. 181 Erforderlich ist die Würdigung und Abwägung von wirtschaftlichen und ökologischen, also betriebsnützigen und gemeinwohldienlichen Anliegen. Auch die Auswirkungen auf die Preise und damit die Marktfähigkeit der aus dem Betrieb der Anlage gewonnenen Erzeugnisse sind in der Abwägung zu berücksichtigen. 182 Dieser Maßstab baut somit auf unternehmerischen Einschätzungen, Planungen und Bewertungen auf. 183 Damit sind im Wesentlichen die Umweltentlastungen in Verhältnis zu setzen zu den Kostenbelastungen der Unternehmer. Jedenfalls verlangt die Verhältnismäßigkeit, dass das Ergebnis der Gesamtbeurteilung noch einen auskömmlichen Anlagenbetrieb gewährleistet. 184 bb) Eine Verwertung ist jedoch dann einer Vermeidung vorzuziehen, wenn die Vermeidung zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führen würde als die Verwertung. 185 Damit wird eine einzelfallbezogene Betrachtung ermöglicht. In diesem Fall wird die Rangfolge der abfallbezogenen Grundpflichten durchbrochen. 186 Es ist somit eine Gegenüberstellung der jeweils in Betracht kommenden Maßnahmen mit Blick auf deren Umweltauswirkungen erforderlich. Die Verwertung wiederum genießt im Verhältnis zur Beseitigung bis zur Grenze der technischen Möglichkeit und wirtschaftlichen Zumutbarkeit Priorität, es sei denn, die Beseitigung ist im Vergleich zur Verwertung die umweltverträglichere Lösung. 187 178

Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 190. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 190. 180 Vgl. Rehbinder, DVBl. 1989, 496 (501). 181 BVerfG, Urteil v. 7. 5. 1998 – 2 BvR 1876/91 u. a.-, DVBl. 1998, 702 (704); a. A. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 670. 182 BVerfG, Urteil v. 7. 5. 1998 – 2 BvR 1876/91 u. a.-, DVBl. 1998, 702 (704); so auch Rehbinder, DVBl. 1989, 495 (501); Hansmann, NVwZ 1990, 409 (412 f.); a. A. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 672, der diesem Aspekt allenfalls Indizwirkung zugestehen will. 183 Und gewinnt insbes. dann ein hohes Maß an rechtlicher Wirksamkeit, wenn der Unternehmer durch Kosten- und Marktdispositionen mitwirkt, BVerfG, Urteil v. 7. 5. 1998 – 2 BvR 1876/91 u. a.-, DVBl. 1998, 702 (704). 184 S. Rebentisch, NVwZ 1997, 417 (420); Rehbinder, DVBl. 1989, 495 (501); s. auch Hansmann, NVwZ 1990, 409 (413); Kutscheidt, NVwZ 1986, 622 (623). 185 Nach Rebentisch, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 419 (425) ist diese Umkehrregel begrenzt auf die Vermeidung durch anlageninterne Rückführung. 186 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 192. 179

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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cc) Aus diesen Betrachtungen ergibt sich eine gesetzliche Offenheit für die Gegebenheiten und Bedingungen der jeweiligen Anlage. Diese bildet die normative Basis für die Notwendigkeit einer besonderen Kooperation bzw. Abstimmung zwischen Umweltbehörde und Anlagenbetreiber. 188 In deren Rahmen ist auch möglichen Zielkonflikten zwischen den verschiedenen Grundpflichten Rechnung zu tragen. 189 dd) Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens muss der Anlagenbetreiber nachweisen, dass er alle notwendigen Vorbereitungen für eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung 190 bzw. für eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende Beseitigung getroffen hat. Dabei muss auch die Erfüllbarkeit stoffbezogener Anforderungen beurteilt werden. Soweit die Maßnahmen innerhalb der Anlage durchgeführt werden sollen, muss der Betreiber die Anforderungen des Krw- / AbfG beachten. 191 Die insoweit vorgenommenen bzw. vorgesehenen Maßnahmen müssen eine hinreichend sichere Prognose dazu erlauben, dass die Pflichten eingehalten werden. 192 Soll die erforderliche Maßnahme durch einen Dritten erfolgen, so hat der Antragsteller darzulegen, dass insoweit ausreichende Vorkehrungen für die Sicherstellung der rechtmäßigen Durchführung getroffen worden sind. 193 Dazu hat er z. B. die erforderlichen Verträge abzuschließen. 194 In diesem Fall sind die Verwertungs- und Beseitigungsvorgänge als solche nicht Gegenstand der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung; 195 zu überprüfen ist dann nur de187 Dies ergibt sich unmittelbar aus § 5 Krw- / AbfG, Kotulla, in: ders (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 102. 188 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 192, unter Berufung auf BVerfG Urteil v. 7. 5. 1998 – 2 BvR 1876/91, 2 BvR 1083/02 u. a., NJW 1998, 2346 ff. 189 So ist z. B. denkbar, dass technisch mögliche und zumutbare Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung erhebliche Schwierigkeiten bei der Abfallentsorgung mit sich bringen; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 144; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht § 10 Rn. 152. Umgekehrt kann eine anlageninterne Rückführung und damit eine Vermeidung Probleme im Hinblick auf die Einhaltung der Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG hervorrufen, Rebentisch, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 419 (426). 190 Insbes. sind die Art der Verwertung und die Grundzüge des Verwertungsverfahrens darzulegen, vgl. Musterentwurf des LAI für eine Verwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG, NVwZ 1989, 130 (132). 191 Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 59. 192 Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 8 f. 193 So für die Verwertung Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 9, § 5 Rn. 88; in Problemfällen verlangt Hansmann, NVwZ 1990, 409 (413 ff.), den Nachweis von Verträgen mit längerer Laufzeit. 194 Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 59. 195 Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 9 Rn. 8.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

ren grundsätzliche Zulässigkeit. 196 So kann der Anlagenbetreiber z. B. durch eine Erklärung der zuständigen Abfallbehörde nachweisen, dass die betreffende Verwertung oder aber die Beseitigung ordnungsgemäß und schadlos erfolgen kann. 197 Im Wesentlichen geht es hierbei auf präventiver Ebene darum, dass die Erfüllbarkeit belegt ist und die notwendigen Vorkehrungen getroffen sind. Die Grundpflichtenerfüllung muss zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme, ggf. durch Nebenbestimmungen, sichergestellt sein. 198 Es sind grundsätzlich alle Vorgaben, d. h. auch die Abwägungsentscheidungen, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu kontrollieren, auch wenn z. B. die Pflicht zur Beseitigung sich erst im Laufe des Betriebs aktualisiert. Eine nachbarschützende Funktion wird § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG allenfalls im Ausnahmefall zugestanden, so für den Fall der Lagerung, der Behandlung und der Verwertung der Reststoffe, wenn sie denn anlagenintern erfolgen. 199 Daneben wird über den Verweis auf die Normen des Krw- / AbfG ein drittschützender Charakter dann angenommen, wenn die Normen, auf die verwiesen wird, selbst drittschützend sind. 200 Jedenfalls ist eine gewisse Ferne von dem durch die Genehmigung bewirkten Interessenausgleich festzustellen. Allerdings eröffnet gerade diese Grundpflicht Wertungen für den Einzelfall. So eröffnen selbst die Normen des Krw- / AbfG, auf die zur Erfüllung der Grundpflichten verwiesen wird, Wertungsspielräume, wenn sie auf das Wohl der Allgemeinheit verweisen. 201 Zwar ist denkbar, dass die Wertungsspielräume bei der Durchführung der Maßnahmen selbst nicht allzu groß sind, allerdings ist gerade die Entscheidung zwischen den verschiedenen in Betracht kommenden Varianten, also die Entscheidung über Vermeidung, Verwertung oder Beseitigung, wie dargestellt auch im Einzelfall von wertenden Gesichtspunkten geprägt. Dies gilt insbesondere für die Begriffe des „technisch Möglichen“, der Unzumutbarkeit sowie die Abwägung im Hinblick auf die zu erwartenden schädlichen Umweltauswirkungen. 196 Nr. II 1 LAI – VwV, NVwZ 1989, 130, 132; so verlangt auch das OVG Lüneburg, Urteil v. 20. 3. 1997 – 7 L 2062/95, NJW 1998, 398, dass die ordnungsgemäße Beseitigung gewährleistet ist, wofür eine Zwischenlagerung nicht ausreicht. 197 Die Abfallbehörde, die nach § 10 Abs. 5 BImSchG zu beteiligen ist, ist zudem außerhalb der Anlage für die Überwachung der Einhaltung der Pflichten zuständig, während die Immissionsschutzbehörde die Überwachung im Anlagenbereich durchführt. Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 9 Rn. 9, 59. 198 OVG Lüneburg, Urteil v. 8. 9. 1980 – 7 OVG A 42/78, GewArch 1981, 341 (342). 199 Sellner, Immissionsschutzrecht (2. Auflage), Rn. 65; in der Folgeauflage lehnen Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 217 eine drittschützende Wirkung grundsätzlich ab. 200 Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 71; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 195. 201 So § 5 Abs. 3 Satz 3 Krw- / AbfG im Rahmen der Verwertung.

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d) § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG: Energienutzung Diese Vorschrift verlangt eine sparsame und effiziente Energienutzung. 202 Im Gegensatz zu der früheren Fassung dieser Vorschrift ist der Erlass einer konkretisierenden Rechtsverordnung nicht konstitutiv für die Verbindlichkeit dieser Betreiberpflicht. 203 Anhaltspunkte für die inhaltlichen Anforderungen können § 4d der 9. BImSchV entnommen werden. Danach müssen die Unterlagen zum Energieverwendungsgebot „insbesondere Angaben über Möglichkeiten zur Erreichung hoher energetischer Wirkungs- und Nutzungsgrade, zur Einschränkung von Energieverlusten sowie zur Nutzung der anfallenden Energie“ enthalten. 204 Zudem ist die effiziente Energienutzung als Bestandteil des integrativen Umweltschutzes 205 nach dem Kriterium Nr. 9 des Anhangs zu § 3 Abs. 6 BImSchG schon bei der Bestimmung des „Standes der Technik“ und damit im Vorsorgebereich zu berücksichtigen. 206 Effizient heißt in diesem Zusammenhang wirtschaftlich, leistungsfähig und in angemessenem Verhältnis zum Ertrag. 207 Es soll ein hoher energetischer Wirkungsgrad gesichert werden. 208 Der Forderung nach „sparsamer“ Nutzung kommt dabei neben dem – weit zu verstehenden – Kriterium der Effizienz keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu. 209 Die zunehmende rechtliche Verselbständigung dieser Grundpflicht schlägt sich auch in den Antragsunterlagen nieder. 210 Der Antragsteller muss darlegen, in wel202 In der Fassung durch das sog. Artikelgesetz, Gesetz zur Umsetzung der UVPÄnderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Unweltrecht vom 27. 7. 2001 (BGBl. I, S. 1950). Zur Entstehungsgeschichte vgl. Schäfer, FS Feldhaus, S. 327 (328 f.); Sendler, UPR 2002, 281 (284). 203 Winkler, ZUR 2003, 395 (396); die korrespondierende Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung ist § 7 Abs. 1 Nr. 2a BImSchG, s. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 43. 204 Hansmann, ZUR 2002, 19 (23). 205 S. dazu schon Schäfer, FS Feldhaus, S. 327 ff. 206 S. Feldhaus, ZUR 2002, 1, 4. 207 Schäfer, FS Feldhaus, S. 327 (332). Ausführlich auch Winkler, ZUR 2003, 395 (396 f.). 208 Sellner, NJW Sonderheft für Weber, 2001, S. 62 (64). 209 Insbesondere darf die Behörde nicht über die Festlegung bestimmter Höchstwerte für den Energieeinsatz die Produktionsmengen steuern, Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 204; im Sinne des Abschaltens unnötiger Aktivitäten Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 99; BT-Drs. 14/4599, S. 127; hinsichtlich der Unzulässigkeit der Festlegung eines Höchsteinsatzes von Energie Sellner, NJW Sonderheft für Weber, 2001, S. 62 (64). 210 S. auch § 4d der 9. BImSchV.

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cher Weise eine möglichst effiziente Energienutzung in der geplanten Anlage sichergestellt ist. Insbesondere sind Betriebsabläufe und Maschinen so auszuwählen, dass möglichst wenig Energie verbraucht wird und die energetischen Verluste insgesamt so gering wie möglich gehalten werden. Zudem muss er in Erwägung ziehen, bestimmte Teilleistungen nicht selbst zu erbringen, sondern etwa am Markt nachzufragen. 211 Umstritten ist, wie weit die Befugnis der Behörde reicht, in die Gestaltungsfreiheit des Antragstellers im Rahmen der energetischen Gestaltung der technischen Einrichtungen, Verfahrensschritte und betrieblichen Einrichtung einzugreifen. 212 Die Pflicht zur sparsamen und effizienten Energienutzung wird jedoch zwangsläufig mit anderen Grundpflichten in Konflikt geraten, 213 etwa wenn zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen eine Nachverbrennung notwendig wäre. 214 Gerade eine Strategie der Emissionsvermeidung auf der letzten Stufe (end of the pipe-treatment), z. B. durch Einsatz von Filteranlagen, kostet auch Strom. 215 Im Rahmen dieser Konflikte sind die verschiedenen Grundpflichten als gleichrangig zu behandeln. 216 Damit bedarf es auch hier problemadäquater Abwägungsentscheidungen. 217 Demnach besteht über die Wertungsabhängigkeit der in dieser Grundpflicht selbst enthaltenen Begriffe „sparsam“ und „effizient“ hinaus ein erheblicher Abwägungsbedarf zwischen den verschiedenen Grundpflichten.

2. Die Konkretisierung der Grundpflichten Die Grundpflichten beschränken sich im Wesentlichen auf Zielvorgaben und weisen eine finale Struktur auf, wobei die zu erreichenden Ziele häufig nur 211 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 201. Zu der Möglichkeit des Energiecontractings als Gegenstand der Prüfung des Betreibers Schäfer, FS Feldhaus, S. 327 (332). 212 S. zu dieser Diskussion Winkler, ZUR 2003, 395 (397 f.). So scheint die h. M. davon auszugehen, dass die Entscheidungen über die Anlagentechnik im Bereich des Antragstellers liegen würde, s. Schäfer, FS Feldhaus, S. 327 (334); Rebentisch, Klimaschutz im Immissionsschutzrecht, S. 44 f.; Schmidt-Preuß, NVwZ 2000, 252 (258); Enders / Krings, DVBl. 2000, 1389 (1397); a. A. wohl Winkler, a. a. O.; Koch / Wieneke, DVBl. 2001, 1085 (1090). 213 Auf diese Möglichkeit weist hin Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 259 (264); s. auch Schäfer, FS-Feldhaus, S. 327 (333). 214 Junker / de la Riva / Schwarz (Hrsg.): Genehmigungsverfahren und Umweltschutz, Band 1, Aktuelles S. 189. 215 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 21. 216 Rebentisch, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 419 (432 f.). 217 Rebentisch, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 419 (433); Koch / Wieneke, DVBl. 2001, 1085 (1089).

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sehr abstrakt und unter Zuhilfenahme unbestimmter Rechtsbegriffe umschrieben sind. 218 Der Gesetzgeber hat weitgehend auf technische Detailregelungen verzichtet. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und generalklauselartiger Formulierungen haben zwar den Vorteil der Flexibilität, der aber mit einem Verlust an Rechtssicherheit erkauft wird. Dieser Nachteil ist jedoch auch durch die Materie des Umwelt- und Technikrechts bedingt, denn dieses ist im Interesse eines dynamischen Rechtsgüterschutzes auf in die Zukunft offene Regelungen angewiesen. 219 Jedenfalls bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass die Konkretisierung der Grundpflichten in nicht unerheblichem Umfang für Wertungen offen ist, die letztlich den Interessenausgleich zwischen Betreiber und Betroffenen erheblich beeinflussen. Darüber hinaus sind Abwägungsentscheidungen im Verhältnis zwischen den Grundpflichten notwendig. 220 Diese Wertungen können kaum als rein sachverständige Wertungen bezeichnet werden. Da für eine Kontrolle durch Sachverständige wesentlich vollziehbarere, d. h. konkretere, einfach ablesbare Anforderungen notwendig sind, stellt sich die Frage, in welchem Umfang bereits Konkretisierungen existieren, die eine ausreichende Standardisierung enthalten und damit durch Sachverständige überprüfbar sind. Die Möglichkeiten einer Privatisierung im Rahmen eines Sachverständigenmodells hängen maßgeblich von der Art und Weise der Konkretisierung sowie dem Umfang der Konkretisierung durch untergesetzliche Normen ab. Dabei ist eine begriffliche Klarstellung vonnöten. Zu unterscheiden ist zwischen der inhaltlichen Konkretisierung und der „Konkretisierung“ im Rahmen der Anwendung. Die inhaltliche Konkretisierung beschreibt den Vorgang, dass abstrakt-generelle Vorgaben zumindest in konkret-generelle, wenn nicht sogar in konkret-individuelle Vorgaben umgewandelt werden und nun auf den Einzelfall angewendet werden können. Auf einen weiteren Aspekt der Konkretisierung deutet dagegen die Aussage hin, dass die Grundpflichten nur bei entsprechender „Konkretisierung“ durchsetzbar seien. Insofern wird die Herstellung einer Außenverbindlichkeit im Rahmen der Anwendung der Vorgaben, und zwar sowohl durch konkret-generelle als auch konkret individuelle Vorgaben, ebenfalls als Konkretisierung bezeichnet. Insofern ist auch eine Kombination aus inhaltlicher Konkretisierung durch nicht verbindliche Normen und anschließender „Herstellung der Außenverbindlichkeit“ durch eine Einzelmaßnahme denkbar. Die Genehmigung enthält dabei Vorgaben, die sowohl verbindlichen Regelungen als auch solchen ohne „Außenverbindlichkeit“ entstammen. Auch diese 218 Pietrzak, Umweltrechtliche Grundpflichten, S. 57; Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 9. Als Zielvorgaben scheinen sie zudem dem Betreiber zu überlassen, wie er die entsprechenden Ziele erreichen will. 219 Marburger / Klein, JUTR 2001 (UTR Band 58), S. 161 (162); BVerfGE 49, S. 89 (137) – Kalkar. 220 S. Rebentisch, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 419 (433).

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sind von erheblicher Bedeutung für den Vollzug der Grundpflichten. Für eine Privatisierung zeigt dies das Problem auf, dass eventuell die Kontrolle eine vorhandenen Konkretisierung nicht ausreicht, sondern auch dem Aspekt der Herstellung einer Außenverbindlichkeit Rechnung getragen werden muss. a) Die Bedeutung von unbestimmten Rechtsbegriffen im Rahmen der Grundpflichten Angesichts der umfangreichen Bindung der Genehmigung an unbestimmte Rechtsbegriffe 221 wird zwar grundsätzlich abgestritten, dass durch diese den Behörden ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. 222 Jedoch ist durch einige Begriffe mehr oder weniger ausdrücklich ein Bereich der Abwägung und damit der Wertung eröffnet. So stellen auch die in den technischen Anleitungen enthaltenen Wertungen nicht nur eine Rezipierung wissenschaftlich sachverständiger Aussagen dar, sondern enthalten in erster Linie eine politische Entscheidung, zumal sich die Grenzen, z. B. zwischen schädlichen und unschädlichen Umwelteinwirkungen, aufgrund naturwissenschaftlicher Erkenntnis häufig nicht trennscharf ziehen lassen. 223 b) Der Ansatz der Konkretisierung Das deutsche Immissionsschutzrecht verfolgt traditionell den Ansatz einer Konkretisierung und Festsetzung der Genehmigungsanforderungen durch generelle Vorgaben, nicht zuletzt um Einzelfallentscheidungen zu minimalisieren. 224 Dieser Ansatz hat eine erhebliche Bedeutung für die Effektivierung der Grundpflichten. Die gesetzeskonkretisierenden Umwelt- und Technikstandards spielen nämlich eine Schlüsselrolle bei der Anwendung der Grundpflichten, 225 wobei das Ausmaß der erforderlichen Konkretisierung unterschiedlich ist. 221 Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (67). Sie sind von der Behörde auszufüllen und auf den Einzelfall anzuwenden. Zu den sich dabei stellenden Problemen vgl. Breuer, NJW 1977, 1025 (1028 f.). 222 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 9; BVerwGE 55, 250 (253 f.); Breuer, NJW 1977, 1025 (1028); s, dazu auch Ebinger, Der unbestimmte Rechtsbegriff im Recht der Technik, S. 244 ff.; Battis, JuS 1977, 162 (163); OVG Münster, Urteil v. 7. 7. 1976 – VII A 1804/75, NJW 1976, 2360 (2362). 223 Ebinger, Der unbestimmte Rechtsbegriff im Recht der Technik, S. 247 m.w. N.; OVG Lüneburg, Beschluss v. 28. 2. 1985 – 7 B 64/84, NVwZ 1985, 357 (358); s. auch Gusy, NVwZ 1995, 105 (105 f.). 224 S. Wahl, ZUR 2000, 360 (365). 225 Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (67). Dies wird auch damit umschrieben, dass das „Setzen (...) abstrakter Standards überhaupt erst die Voraussetzung dafür gewesen ist, die Grundpflichten des § 5 BImSchG mit Leben zu erfüllen“, Wasielewski, ZUR 2000, 373 (376).

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aa) Die Wahl dieses Ansatzes wird mit der betroffenen Materie begründet. Das Gesetz verweist auf einen naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnisspielraum, der keinen Fixpunkt der einzig richtigen Lösung kennt. Bei sinngerechter Gesetzesauslegung sei weder die einzelne Behörde noch das einzelne Gericht der Schiedsrichter der naturwissenschaftlichen und technischen Debatte in diesem offenen Erkenntnis- und Entwicklungsprozess, da ansonsten dilettantische oder divergierende Einzelfallentscheidungen vorprogrammiert wären. 226 bb) Darüber hinaus wäre ohne generelle Konkretisierungen der Inhalt der behördlichen Entscheidungen schwerer voraussehbar und berechenbar. 227 Die Vorschriften dienen der Vorhersehbarkeit der Anforderungen vor allem für den Anlagenbetreiber, aber auch für die von der Anlage betroffenen Dritten sowie die Öffentlichkeit insgesamt. 228 Verfahrensverzögernde Einzelfallentscheidungen fallen somit weg. 229 Die Rechtssicherheit wird erhöht. cc) Bereits oben wurde für das Vorsorgeprinzip dargelegt, dass eine Konkretisierung unabdingbar für die Vollzugspraxis ist. Ohne ausreichend bestimmte Standardisierung 230 wird die Norm für praktisch vollzugsunfähig gehalten. 231 Dadurch werden unbestimmte Rechtsbegriffe handhabbar und die einzelnen Genehmigungsbehörden entlastet, womit im Ergebnis das Genehmigungsverfahren beschleunigt wird. 232 Zudem wird die Qualität des Verwaltungsvollzugs als abhängig vom Ausmaß der Konkretisierung auf untergesetzlicher Ebene angesehen. 233 dd) Daneben wird auch betont, dass gerade das Verfahren, das bei der Festlegung genereller Standards befolgt wird, besonders geeignet sei, sachgerechte Anforderungen an die Anlagen zu ermitteln, zumal dabei sichergestellt sei, dass alle maßgebenden Gesichtspunkte in den Abwägungsprozess eingestellt würden, ihr Gewicht aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und die Entscheidung in Kenntnis der Bedeutung aller Aspekte getroffen würde. 234 226

Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (67 f.). Hansmann, ZUR 2002, 19 (19). 228 Steinberg, NuR 1999, 192 (193). 229 Hansmann, ZUR 2002, 19 (24). 230 Deren Wesen besteht in der generellen Fixierung naturwissenschaftlich und technisch fundierter Werte, Kriterien und Verfahren, die im Grenzbereich der Erkenntnisse und technischer Handlungsmöglichkeiten „gegriffen“ und vertretbar sind, nicht aber „allein richtig“ oder abschließend sein können, Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (68). 231 VGH München, Urteil v. 20. 7. 1994 – 20 A 92.40087 u. a., BayVBl. 1995, 497 und 531 (532 f.); Franßen, FS Zeitler, 429 (452); s. auch Gusy, NVwZ 1995, 105 (108); Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (68). 232 Steinberg, NuR 1999, 192 (193). 233 Feldhaus, JUTR 2000 (UTR Band 54), S. 169 (170 f.). 234 Hansmann, ZUR 2002, 19 (20), der auf den mehrjährigen Prozess mit Anhörung zahlreicher Sachverständiger, vielen Diskussionen mit den betroffenen Interessenvertre227

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ee) Als Vorteile der Einzelfallentscheidungen werden die Flexibilität und die damit ermöglichte Berücksichtigung anlagenspezifischer Besonderheiten gesehen, jedoch scheinen die Behörden nur bedingt an einem größeren Entscheidungsspielraum interessiert zu sein. 235 Zudem wird bezweifelt, dass die Immissionsschutzbehörden für die Anforderungen einer verstärkten Einzelfallprüfung ausreichend gerüstet seien, wobei auch darauf verwiesen wird, dass die Behörden gerade durch das Vorhandensein genereller Standards einem Druck von außen standhalten könnten. 236 Fraglich ist jedoch, ob angesichts des heutigen „Wettbewerbs um Investitionen“ die Exekutive überhaupt ein gesteigertes Interesse an einer harten Position gegenüber dem Investor hat, zumal sie gerne mit der Ansiedlung von Industrieunternehmen und der damit verbundenen Schaffung von Arbeitsplätzen wirbt. Eine gute Position der Verwaltung kann unter Umständen besser mit einer reduzierten Schutzwirkung der Genehmigung und dem faktischen Interesse des Investors an dem Erhalt der Investition erreicht werden. c) Der Sonderfall: Konkretisierung als zwingende Voraussetzung Wie bereits oben angedeutet, ist insbesondere für den Vorsorgegrundsatz, und zwar im Bereich der Fernwirkungen sowie bei einem nur schwach belegten Besorgnispotential und einem forcierten Einsatz der neuesten Technik, eine (generelle) Konkretisierung durch Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift erforderlich. 237 Dann muss ein „langfristiges, auf eine einheitliche und gleichmäßige Durchsetzung angelegtes Konzept“ bestehen, 238 um Rationalität, Rechtssicherheit und Gleichbehandlung zu sichern. 239 Verfassungsrechtlich wird tern und einer politischen Prüfung hinweist; zur Begründung der Exekutivkompetenz aufgrund der Berücksichtigung der pluralistischen Beteiligung von Sachverstand s. Gusy, NVwZ 1995, 105 (108). 235 S. Lübbe-Wolff, in: JUTR 2000 (UTR Band 54), S. 73 (74 f. und 79 ff.), die im Hinblick auf Einzelfallentscheidungen auf den Effizienzgewinn und die ökonomischen Aspekte wie z. B. Grenzvermeidungskosten hinweist. 236 Hansmann, ZUR 2002, 19 (19 f.). 237 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 66; Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 17 BImSchG Rn. 62. 238 BVerwGE 69, S. 37 (45); Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 17 BImSchG Rn. 62; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 66; s. zur Rspr. auch Wahl / Appel, in: Wahl (Hrsg.): Prävention und Vorsorge, S. 1 (136),differenzierend auf S. 137 ff.; Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 (169); Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung, S. 66 f.; Enders, Kompensationsregelungen im Immissionsschutzrecht, S. 95 ff.; a. A. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 524 f., der die Vorsorgepflicht generell, d. h. auch ohne Konkretisierung, als auch im Einzelfall unmittelbar geltendes und anwendbares Recht ansieht. 239 Wahl / Appel, in: Wahl (Hrsg.): Prävention und Vorsorge, S. 1 (136); Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 155; Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 (169) mit Betonung auf den Rationalisierungseffekt; Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung, S. 66 f.

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diese Pflicht zur Konkretisierung aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 240 oder dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot 241 hergeleitet. Eine derartige qualifizierte Konkretisierung wird jedoch dann für nicht erforderlich gehalten, wenn die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit gewahrt seien, 242 die Eigenart des Sachbereichs (seltene oder wenig untersuchte Konstellation) einer solchen entgegenstehe 243 oder eine Maßnahme zu einer eindeutigen Reduzierung der Immissionen im Einwirkungsbereich führe. 244 Eine derartige Konkretisierung wird für den Begriff des Standes der Technik ebenfalls für entbehrlich gehalten. 245

3. Die Instrumente der Konkretisierung Grundsätzlich bedarf es einer Konkretisierung durch untergesetzliches Regelwerk, um den relativ offenen Wortlaut des § 5 BImSchG mit Leben zu erfüllen. 246 Erst die untergesetzlichen Regelwerke treffen präzise Aussagen über die einzuhaltenden Anforderungen und setzen die unbestimmte Rechtsbegriffe der Gesetzesebene in exakte, quantifizierbare Größen um, indem sie technische Standards, Messverfahren sowie Grenz- und Richtwerte festlegen. 247 Die Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben kann auf verschiedenen Ebenen mittels unterschiedlicher Instrumente erfolgen. Auf genereller Ebene kommen dafür Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften in Betracht. Denkbar ist daneben gerade im Bereich des Umwelt- und Technikrechts eine Konkretisierung durch private Normung, die auch Gegenstand einer Verweisung sein kann. 248 Weiterhin ist die Bedeutung von Erlassen zu untersuchen. Unterschiede 240

So wohl BVerwGE 69, S. 37 (45). Danach soll die Grenze der Risikoproportionalität nicht im Einzelfall, sondern abstrakt für alle Anlagen über einen bestimmten Zeitraum ermittelt werden. 241 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 67. 242 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 17 BImSchG Rn. 62. 243 BVerfGE 59, S. 104 (114); BVerfGE 49, S. 168 (181); Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 77; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 67; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 61. 244 Dolde, NVwZ 1986, 873 (881); Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 77. 245 Dieser enthält bereits ein generelles Konzept, Jarass, BImSchG S 5 Rn. 67; nach Schwerdtfeger, WiVerw 1984, 217 (223) ordnet der Gesetzgeber die Vorsorge nach dem Stand der Technik unmittelbar von Gesetzes wegen selbst an; Rehbinder, FS Sendler, S. 269 (280); Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht Band I, § 17 BImSchG Rn. 62; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 525. 246 Scheidler, UPR 2008, 208 (209). 247 Ebenda, unter Verweis u. a. auf Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 470.

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bestehen vor allem im Hinblick auf die Bindungswirkung. Daneben ist auch eine Konkretisierung im Einzelfall möglich, wobei hier die Konkretisierung, die nicht in der Anwendung genereller Vorgaben besteht oder eine Abweichung von einer derartigen Norm zum Gegenstand hat, interessiert. 249 Zudem sind auch die Bedeutung und die Auswirkungen der sogenannten BVT-Merkblätter auf die Konkretisierung zu untersuchen. Die Regelungen, die „quantitative Festlegungen zur Begrenzung verschiedener Arten von anthropogenen Einwirkungen auf den Menschen oder die Umwelt“ enthalten, können allgemein auch als Umweltstandards bezeichnet werden. 250 Sie können nach dem verfolgten Zweck unterschieden werden 251 in Umweltqualitätsoder Immissionsstandards, Emissions-, Prozess- 252 und Sicherheitsstandards. 253 Die Umweltstandards enthalten dabei immer, was angesichts der oben dargestellten inhaltlichen Vorgaben folgerichtig ist, ein Element politischer bzw. wertender Entscheidung. 254 Dabei wird die Zuverlässigkeit dieser Standards als regelmäßig sehr groß angesehen, wenn sie von einem entsprechenden Sachverständigengremium und in einem entsprechenden Verfahren vorgelegt werden. 255 Jedoch können die zugrundegelegten Erkenntnisse „immer nur auf dem neuesten Stand unwiderlegten möglichen Irrtums“ beruhen. 256 Ihre Bedeutung wurde und wird nicht zuletzt durch die Umsetzung des integrierten Ansatzes im untergesetzlichen Regelwerk gestärkt. 257 Die Wahl der Instrumente bei Tätigkeit der Exekutivspitze wurde ursprünglich als eine Frage der Zweckmäßigkeit 258 angesehen, ist jedoch heute im Rahmen der Umsetzung von europarechtlichen Vorgaben auf die Form der Rechtsverord248 Zu den verschiedenen Formen der Verweisung und ihrer Zulässigkeit s. Marburger / Klein, JUTR 2001 (UTR Band 58), S. 161 (163 ff.). 249 Zu der Frage, ob der integrierte Ansatz es erfordert, dass der Einzelfallentscheidung eine größere Bedeutung beikommt, Calliess, ZUR 2008, 343 (349). 250 Steinberg, NuR 1999, 192 (192), wobei er auf die Definition des Sachverständigenrates für Umweltfragen, Umweltgutachten 1996, Tz 727 zurückgreift. 251 S. Steinberg, NuR 1999, 192 (193). 252 Befassen sich mit Produktionsverfahren. 253 Enthalten die im Interesse der Sicherheit gebotenen Schutzvorkehrungen. 254 Jarass, NJW 1987, 1225 (1226). 255 Rengeling, Der Stand der Technik, S. 40. 256 BVerfGE 49, S. 89 (135 ff.). 257 Zur Schaffung integrierter Umweltstandards s. allg. Steinberg, NuR 1999, 192 (insbesondere S. 195 ff.) Hansmann, ZUR 2002, 19 (21); s. dazu auch Wahl, ZUR 2000, 359 (365). 258 So hat Feldhaus, DVBl. 1981, 165 (171) grundsätzlich danach unterschieden, ob eine technische Entwicklung als im Wesentlichen abgeschlossen angesehen werden kann oder nicht. Falls dies der Fall war, sollte die Form der Rechtsverordnung gewählt werden, falls nicht wegen des Dynamisierungseffekts die der Verwaltungsvorschrift.

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nung eingeschränkt, 259 was dazu beiträgt, dass der Anwendungsbereich dieses Instruments tendenziell zunimmt. 260 Angesichts ihrer Bedeutung sollen nachfolgend die Strukturen der untergesetzlichen Konkretisierungen sowie einige ihrer wesentlichen Beispiele aufgezeigt werden, um daran zu untersuchen, ob und welche Privatisierungsspielräume bestehen.

4. Die Konkretisierung durch Rechtsverordnungen Die höchste Stufe der untergesetzlichen Konkretisierung von gesetzlichen Vorgaben ist die der Rechtsverordnung. Eine Rechtsverordnung ist abschließend verbindlich, und von ihr darf auch im Einzelfall nur bei Vorliegen einer entsprechenden Klausel (Öffnungsklausel) abgewichen werden. Die beiden wesentlichen Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass von Rechtsverordnungen im Rahmen des BImSchG sind § 7 und § 48a BImSchG. a) Die Ermächtigungsgrundlage des § 7 BImschG § 7 Abs. 1 BImSchG enthält die Ermächtigung, die Betreiberpflichten des § 5 BImSchG zu konkretisieren, 261 wobei gerade diese Konkretisierung eine hohe Grundrechtsrelevanz aufweist. 262 Eine nähere Ausgestaltung enthalten § 7 Abs. 2 und 3 BImSchG. Eine Ermächtigung für die Umsetzung bindender europäischer Vorgaben enthält § 7 Abs. 4 BImSchG. 263 Diese Vorschrift wird aber nicht weiter untersucht, da bereits anhand der anderen Bestimmungen die für die Frage der Privatisierung wesentlichen Grundzüge aufgezeigt werden können. Bedeutsam ist daneben auch der § 7 Abs. 5 BImSchG, der ausdrücklich vorsieht, dass der Normgeber im Hinblick auf eine bessere Lesbarkeit des Normtextes auf technische Regelwerke Privater verweisen kann, die durch sachverständige Stellen bekannt gemacht worden sind. § 7 BImSchG ermöglicht dem Verordnungsgeber, in Ausfüllung des vergleichsweise offenen Wortlauts des § 5 BImSchG bestimmte Mindeststandards aufzu259 Dies ist Folge der Rspr. des EuGH, s. auch Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (70 f.); s. allgemein zur Umsetzung von Rechtsakten der EU im Wege der Rechtsverordnung Calliess, NVwZ 1998, 8 ff. 260 Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (191). 261 Dies ergibt sich aus der Anknüpfung an die Begriffe Errichtung, Betrieb und Zustand nach Betriebseinstellung, Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 54. S. auch eingehender Ule / Laubinger, BImSchG, Band 1, § 7 Anm. II. 1. 262 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 60. 263 S. dazu allg. Calliess, NVwZ 1998, 8 ff.

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stellen. 264 Er stellt sich als ein Instrument dar, der „Dynamik“ der Grundpflichten durch die entsprechende Anpassung der jeweiligen Anforderungen an veränderte Sachgegebenheiten und neue wissenschaftliche Erkenntnisse gerecht zu werden. 265 Die Rechtsverordnungen nach § 7 BImSchG sind neben den nachträglichen Anordnungen nach § 17 BImSchG das Scharnier, um statische Genehmigung und dynamische Grundpflichten miteinander zu vereinbaren. 266 Sie ermöglichen einerseits eine flexible, einheitliche und standardisierte Gestaltung der Pflichtenstellung des Betreibers und beschränken insoweit den Bestandsschutz der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, verschaffen jedoch andererseits auch eine Rechtssicherheit für den Vollzug immissionsschutzrechtlicher Anforderungen. 267 Die Rechtsverordnungen können nicht über die Grundpflichten hinausgehen, jedoch steht dem Verordnungsgeber ein nicht unerheblicher Konkretisierungsspielraum zu, wobei einer Rechtsverordnung insbesondere nicht entgegengehalten werden könne, dass die Grundpflichten im Einzelfall auch bei geringeren Voraussetzungen erfüllt seien. 268 Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Rechtsverordnung eine abschließende Regelung enthält. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sie ausdrücklich vorsieht, dass weitergehende Anforderungen gestellt werden dürfen oder die Auslegung der Verordnung eindeutig auf das Recht der Behörde hinweist, zusätzlich auf weitergehende Pflichten aus § 5 BImSchG zurückzugreifen. 269 § 7 Abs. 1 BImSchG nennt eine beispielhafte Aufzählung von denkbaren Anforderungen an die einzelnen Anlagen, die zulässigerweise zum Gegenstand einer Rechtsverordnung gemacht werden können. Diese Aufzählung ist allerdings nicht abschließend, wie sich schon aus dem Begriff „insbesondere“ ergibt. 270 Die Vorschrift soll anlagenbezogene Anforderungen ermöglichen; sie dürfen nur Anforderungen an den Betreiber beinhalten. 271

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Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 1. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 1. 266 Kutscheidt, NVwZ 1984, 409 (413). 267 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 2; Ohms, Praxishandbuch Immissionsschutzrecht, Rn. 153. 268 Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 8; s. hinsichtlich der Begrenzung auch Schmatz / Nöthlichs, Immissionsschutz, Band 1, Erläuterungen zu § 7 BImSchG, Anm. 1. 269 Schmatz / Nöthlichs, Immissionsschutz, Band 1, Erläuterungen zu § 7 BImSchG Anm. 1 mit Hinweisen auf solche Vorschriften, die Abweichungen zulassen. 270 Vgl. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 97; Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 5; Engelhardt / Schlicht, BImSchG, § 7 Rn. 4. 271 Boisserée / Oels / Hansmann / Denkhaus, Immissionsschutzrecht Band 1, § 7 BImSchG Rn. 1; Schmatz / Nöthlichs, Immissionsschutz, Band 1, Erläuterungen zu § 7 BImSchG Nr. 1. 265

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aa) § 7 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG: Technische Anforderungen Eine Rechtsverordnung kann bestimmte technische Anforderungen in Hinblick auf die Errichtung, die Beschaffenheit, den Betrieb, den Zustand nach Betriebseinstellung und die betreibereigene Überwachung festlegen. Im Hinblick auf die Errichtung kann vorgeschrieben werden, dass die Anlage einer bestimmten Bauart entspricht oder bereits bei Errichtung spätere Betriebsanforderungen berücksichtigt werden. 272 Die Beschaffenheit der Anlage wird als Zustand nach Errichtung angesehen. Danach muss die technische und räumliche Einrichtung der Anlage sowohl bei der Errichtung als auch beim Betrieb so ausgelegt sein, dass die Einhaltung der Grundpflichten gewährleistet ist. 273 Technische Anforderungen an den Betrieb können sich auf die gesamte Betriebsweise, also sowohl auf die eigentliche Produktion als auch auf den sonstigen Betriebsablauf einschließlich Wartung und Unterhaltung der Betriebseinrichtungen, erstrecken. 274 Gegenstand der präventiven Kontrolle ist lediglich, dass ein entsprechender Betrieb gewährleistet ist. Weniger relevant für die präventive Kontrolle sind die technischen Anforderungen an den Zustand der Anlage und des Anlagegeländes nach Betriebseinstel272

Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 99. Als Beispiel nennt er, dass Großfeuerungsanlagen nach § 3 ff. der 13. BImSchV so zu konstruieren sind, dass die dort genannten Vorgaben zur Begrenzung der Emissionen einzuhalten sind (wobei diese Regelungen Grenzwerte enthalten und damit wohl eher als Anforderungen im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG anzusehen sind; eine Einstufung an dieser Stelle ergibt sich nur daraus, dass nach diesen Anforderungen bereits die Anlagen so zu errichten sind, dass sie diese Grenzwerte einhalten) oder Abfallverbrennungsanlagen so zu konstruieren sind, dass die Verbrennungsbedingungen des § 4 der 17. BImSchV sichergestellt werden können. Weiterhin kann hier an die Errichtung eines Bunkers nach § 3 Abs. 1 der 17. BImSchV gedacht werden. Ebenfalls kann unter diese Variante die Regelung von Mindestabständen, etwa zur nächsten Wohnbebauung wie in § 3 der 30. BImSchV für den Fall von biologischen Abfallbehandlungsanlagen, subsumiert werden. 273 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 28. Nach Rn. 33 gehören zur Beschaffenheit insbesondere die Ausstattung der Anlage, die Anordnung der Anlagenteile einschließlich der Lager, die verwendeten Werkstoffe, der Wartungszustand, die Art der Abgasreinigung und -führung (z. B. die Regelungen über Schornsteine, § 29 der 13. BImschV) und die Funktionsfähigkeit der Anlage. 274 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 101. Dabei kann vorgeschrieben werden, die tägliche Betriebsdauer zu beschränken. Vorgeschrieben werden kann auch der Einsatz oder aber der Ausschluss bestimmter Energieträger oder Rohstoffe, der Umfang und die Intervalle von Überwachungs- und Wartungsarbeiten sowie die Durchführung oder das Verbot bestimmter Prozessführungsschritte; s. auch Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 34. Als Beispiel genannt werden kann hier § 6 der 12. BImSchV, der bestimmte Pflichten an den Betrieb im Hinblick auf die Einhaltung der Pflichten des § 3 Abs. 1 und 3 der 12. BImSchV vorschreibt. Solche Anforderungen finden sich auch in den §§ 4 und 5 der 12. BImSchV. Weiterhin stellen die §§ 4 und 5 der 17. BImSchV Anforderungen an den Betrieb auf.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

lung. 275 Allenfalls kann überprüft werden (ist wohl aber im Regelfall im Rahmen des präventiven Verfahrens [noch] nicht relevant), dass die geforderten Handlungen möglich sind und etwaig erforderliche Vorkehrungen getroffen worden sind. Zudem können auch noch Anforderungen an die betreibereigene Überwachung festgelegt werden. 276 bb) § 7 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG: Emissionsgrenzwerte Als Emissionsgrenzwerte, die durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden können, sind unmittelbar verbindliche Grenzen der zulässigen Emissionen anzusehen. 277 Sie bedürfen keines weiteren Vollzugsaktes. Die Betreiber sind schon alleine aufgrund der Rechtsverordnung verpflichtet, die festgesetzten Grenzwerte nicht zu überschreiten. 278 Dabei können jedoch keine Emissionsgrenzwerte festgelegt werden, die über den gegenwärtigen Stand der Technik hinausgehen. Zwar enthält der Wortlaut keine ausdrückliche Begrenzung auf diesen, 279 allerdings ermächtigt § 7 Abs. 1 BImSchG nur zu Rechtsverordnungen, die nicht über die Grundpflichten hinausgehen. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG wiederum sieht eine Bindung an den Stand der Technik vor. Somit besteht schon über den Wortlaut eine Bindung an den Stand der Technik. 280 Denkbar ist allenfalls, für die Zukunft Werte festzusetzen, die über den aktuellen Stand der Technik hinausgehen, wobei 275 In Betracht kommen die Herstellung eines bestimmten Zustandes oder aber bestimmte Schutzvorkehrungen für stillgelegte Anlagenteile; s. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 35. 276 Dabei können die Art und die Frequenz der vorzunehmenden Messungen, die erfassten Schadstoffe, die Verfahren und die Weiterleitung an staatliche Stellen vorgeschrieben werden; s. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 103. Beispiele finden sich in § 6 Abs. 1 Nr. 1 der 12. BImSchV, den §§ 21 –28 der 13. BImSchV, die den Teil 4 mit dem Gegenstand Messung und Überwachung darstellen und in §§ 9 –16 der 17. BImSchV, die ebenfalls den Teil Messung und Überwachung darstellen. 277 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 38; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 104. Dietlein thematisiert dabei noch, ob sich aus der Verwendung der unterschiedlichen Begriffe Emissionswert und Emissionsgrenzwert Schlussfolgerungen ableiten lassen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass es teilweise nahe liegt, dass Emissionswerte der Behörde den Stand der Technik angeben, Emissionsgrenzwerte aber unmittelbar verbindlich seien. Da der Gesetzgeber allerdings auch die Begriffe in einer Form verwendet, die nicht dieser Deutung entsprechen, könne diese Schlussfolgerung jedoch nicht gezogen werden und müsste eine Auslegung der Ermächtigung im Einzelfall anhand des Normzwecks erfolgen. 278 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 104;. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 41. Beispiele für derartige Regelungen finden sich in den §§ 3 ff. der 13. BImSchV und in § 5 der 17. BImSchV. 279 Daraus leitet Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 105, ab, dass über den Stand der Technik hinausgehende Werte festgesetzt werden können. Damit verbindet er die Möglichkeit der normativen Beeinflussung des Standes der Technik. 280 S. auch Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 39.

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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eine Verpflichtung zur Ex-Post-Korrektur besteht, falls der Stand der Technik nicht wie erwartet voranschreitet. 281 cc) § 7 Abs. 1 Nr. 2a BImSchG: Anforderungen an den Energieeinsatz Energieeinsatz bedeutet die Verwendung von Energien, wobei dieser Begriff weit zu verstehen ist. 282 Im Zusammenhang mit der Anlage bedeutet er nicht lediglich die „Einspeisung“ von Energie in die Produktions- und Verarbeitungsabläufe, sondern es können auch Anforderungen an den energetischen Nutzungsgrad der Anlage gestellt werden, 283 was der Zwecksetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG, einen hohen energetischen Wirkungsgrad zu sichern, entspricht. 284 dd) § 7 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG: Messungen Rechtsverordnungen, die Messungen und das dabei anzuwendende Messverfahren vorschreiben, betreffen primär Fragen der Überwachung und nicht solche der präventiven Kontrolle. Präventiv kann allenfalls überprüft werden, dass ausreichende Vorkehrungen zur Durchführung solcher Messungen getroffen werden. Zudem handelt es sich hier bereits um eine private Kontrolltätigkeit, so dass sich an dieser Stelle die Überprüfung der Möglichkeiten einer weiteren Privatisierung erübrigt. Interessant ist aber die Gesetzesbegründung. Nach der Feststellung, dass sich angesichts von Schadensereignissen gezeigt habe, dass „das Überwachungssystem zur Verhinderung solcher Vorkommnisse lückenhaft (sei) und der Verbesserung (bedürfe)“, 285 wird auch festgestellt, dass Verbesserungen durch eine verstärkte hoheitliche Überwachung nur in begrenztem Umfang zu erzielen seien. Entscheidende Verbesserungen könnten durch eine Verstärkung der betreibereigenen Überwachung erreicht werden.

281

S. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 40 m.w. N. S. dazu Schäfer, FS Feldhaus, S. 327 (331), der dabei auf die durch diese Vorschrift umgesetzte IVU-RL hinweist. Darunter fallen sowohl Energieträger wie Kohle, Erdgas, Erdöl und Erdölerzeugnisse als auch nutzbare Abwärme und „veredelte“ Nutzenergie in Form von Strom, Heißwasser und Wasserdampf, Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 Rn. 44; Becker, Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung. Kommentar, Art. 3 Rn. 6; Dürkop / Kracht / Wasielewski, UPR 1995, 1 (7); Zöttl, NuR 1997, 157 ff. 283 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 Rn. 44, der z. B. Anforderungen an die Auswahl der Bauausführung oder die Betriebsabläufe nennt. 284 Sellner, in: NJW Sonderheft für Weber, S. 62 (64). 285 BT-Drs. 11/4909, S. 16. 282

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

ee) § 7 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG: Sicherheitstechnische Prüfungen Diese bereits oben näher beschriebene Ermächtigungsgrundlage ermöglicht es, den Betreiber zu sicherheitstechnischen Prüfungen, die er durch Sachverständige durchführen lassen muss, zu verpflichten. Auch hier ist bereits eine private Kontrolle in der Regelung angelegt, so dass sich eine weitere Untersuchung erübrigt. Interessant ist wiederum die Gesetzesbegründung, nach der es gerade im Angesicht von Schadensereignissen und der mit ihnen einhergehenden Umweltgefahren geboten sei, die „Eigenverantwortung der Betreiber für die Sicherheit ihrer Anlagen zu stärken. Staatliche Stellen können einen umweltverträglichen Anlagenbetrieb alleine nicht gewährleisten, da diese nicht die gleichen Detailkenntnisse haben können wie die Betreiber selbst“. 286 Diese sicherheitstechnische Überprüfung sei dem Betreiber allerdings in vielen Fällen ohne eine Hinzuziehung von Sachverständigen nicht möglich. 287 Dementsprechend zeigt sich an dieser Stelle, dass bereits die vorhandene Verordnungsermächtigung von der Möglichkeit einer Privatisierung der Kontrolle sicherheitsrelevanter Aspekte ausgeht. ff) Die Problematik der Festlegung von Immissionswerten Zweifelhaft ist, ob aufgrund der Verordnungsermächtigung nur anlagenbezogene oder auch immissionsbezogene Anforderungen festgelegt werden können. 288 Problematisch ist, dass Immissionsgrenzwerte nicht hinsichtlich der Quelle differenzieren könnten und der Betreiber nur einen beschränkten Einfluss auf die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte hat. 289 Nach den unterschiedlichen Meinungen ist eine derartige Festsetzung angesichts der Tatsache, dass die Aufzählung der möglichen Regelungsgegenstände nicht abschließend sei, entweder nur ausnahmsweise 290 oder aber ohne Weiteres 291 zulässig. Diese Zulässigkeit ergibt sich aber auch aus dem Bezug von § 7 BImSchG auf § 5 BImSchG. § 7 BImSchG spiegelt die Regelung des § 5 286

BT-Drs. 11/4909, S. 13. BT-Drs. 11/4909, S. 16. 288 Immissionen sind nicht anlagen-, sondern wirkungsbezogen, Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 26; dort auch Hinweis auf Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren. So hat der Innenausschuss, BT-Drs. 7/1519 S. 3 ausdrücklich festgestellt, dass Immissionen nicht anlagenbezogen seien. 289 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 82. Diese Bedenken werden jedoch insofern nicht geteilt, als dass § 48a BImSchG die Festlegung von Immissionswerten, allerdings aufgrund bindender europäische Vorgaben, ermöglicht, und die 22. BImSchV derartige Immissionswerte auch enthält. 290 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 26; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 82. 287

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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BImSchG wieder und ist jedenfalls vom Wortlaut her nicht enger. 292 Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, dass sämtliche nach § 5 BImSchG zulässigen Anforderungen auch Gegenstand einer Rechtsverordnung nach § 7 BImSchG sein können, zumal auch die Vertreter der engeren Auffassung den Anwendungsbereich des § 7 BImSchG grundsätzlich auf alle Grundpflichten erstrecken. 293 Zwar hat der Gesetzgeber im Rahmen der Schaffung des § 48 Abs. 1a BImSchG angenommen, dass das BImSchG keine Ermächtigungsgrundlage enthalte, um Immissionswerte für Schadstoffe, die nicht durch EG-Recht vorgegeben werden, durch Rechtsverordnung festzulegen. 294 Dies ist jedoch weniger mit der mangelnden Reichweite des § 7 BImSchG als mit der mangelnden Möglichkeit zu erklären, übergreifende Immissionswerte auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen bzw. für sämtliche Quellen zu erlassen. Diese neu geschaffene Regelung hat als Spezialregelung Vorrang vor § 7 BImSchG, so dass sich die Unsicherheiten über dessen Reichweite insofern erledigt haben dürften. Grundsätzlich scheint die Regelung fester Werte für eine Privatisierbarkeit der Kontrolle zu sprechen. Allerdings hängt dies auch von den anzuwendenden Messverfahren und deren Regelung ab. Dabei dürften jedoch Möglichkeiten der Absprache im Rahmen der Vor-Antragsberatung bestehen, die die Erstellung einer privaten Immissionsprognose auch mit Beachtlichkeit für die Behörde ermöglichen. gg) Die Einbeziehung technischer Regelwerke nach § 7 Abs. 5 BImSchG Alternativ zu einer inhaltlichen Regelung in einer Rechtsverordnung kann auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen sachverständiger Stellen, also insbesondere auf DIN-Normen, VDI-Richtlinien und ISO-Normen, verwiesen werden. 295 Diese Normen müssen ihrer Art nach für amtliche Anordnungen geeignet sein 296 und den Grundsätzen der Normklarheit und Justiziabilität entsprechen, also so formuliert sein, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Ver291 Battis, JuS 1977, 162 (166); Breuer, DVBl. 1978, 28 (37) und Fn. 101; etwas unklar Stich / Porger, Immissionsschutzrecht Bd. 1, § 7 BImSchG Rn. 3, 10, die nur von einer Konkretisierung aller Grundpflichten sprechen. 292 An diesem Befund ändert auch nichts, dass § 7 BImSchG das zusätzliche Merkmal „Beschaffenheit“ enthält. Stich / Porger, Immissionsschutzrecht Band 1, § 7 Rn. 10 nehmen für diese Regelung vor allem sprachliche Gründe an. Andere wiederum definieren den Begriff eigenständig. 293 S. Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 28, 29. 294 BT-Drs. 14/8450, S. 15. (Mit Ausnahme des Verkehrs). 295 S. auch Schmatz / Nöthlichs, Immissionsschutz, Band 1, Erläuterungen zu § 7 BImSchG Anm. 1. 296 BVerwG, Urteil vom 29. 8. 1961, I C 14/61, NJW 1962, 506 ff.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

halten danach ausrichten können. 297 Unzulässig ist allerdings eine dynamische Verweisung. 298 Eine solche ist als Delegation der Rechtssetzungsbefugnis auf eine nicht zur Rechtssetzung befugte private Vereinigung verfassungsrechtlich unzulässig. 299 Durch eine Verweisung kann das sachverständige Regelwerk mit einer rechtlich unmittelbaren Verbindlichkeit ausgestattet werden. Die Normadressaten müssen den Inhalt ohne weiteres befolgen. 300 b) Die Verordnungsermächtigungen des § 48a BImSchG § 48a Abs. 1 BImSchG soll die Umsetzung europäischer Vorgaben in das deutsche Umweltrecht erleichtern. 301 Er stellt insbesondere eine Reaktion auf die Rechtsprechung des EuGH dar, nach der Verwaltungsvorschriften, auch normkonkretisierende, keine ausreichende Umsetzung von EG-Richtlinien darstellen. 302 Nach § 48a Abs. 1a BImSchG können über die in Abs. 1 geregelte Erfüllung von bindenden Beschlüssen der EG hinaus durch Rechtsverordnung Immissionswerte für weitere Schadstoffe einschließlich der Verfahren zur Ermittlung sowie Maßnahmen zur Einhaltung dieser Werte und zur Überwachung und Messung erlassen werden. Aufgrund der Bindung an den in § 1 BImSchG genannten Zweck kann es hier allein um den Schutz- oder den Vorsorgezweck gehen. 303

297

Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 BImSchG Rn. 119. Vgl. BverfG, Beschluss v. 1. 3. 1978 – 1 BvR 786, 793/70, 168/71, 95/73, NJW 1978, 1475 (1477); Schmatz / Nöthlichs, Immissionsschutzrecht Band 1, Erläuterungen zu § 7 BImSchG, Anm. 1; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 50. 299 Vgl. BVerfGE 47, S. 285 (311 ff.) = NJW 1978, 1475 (1477); Breuer, AöR 101 (1976), 46 (65 f.); Koch, Rechtsverbindlichkeit technischer Regeln, 12; Denninger, Normsetzung im Umweltrecht, Rn. 139 ff.; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GKBImSchG, § 7 Rn. 105. 300 Derartige Verweisungen finden sich z. B. in §§ 8 Abs. 2 und 17 Abs. 4 der 13. BImSchV, die damit die Heizöle fixieren, die von der Vorschrift erfasst werden. 301 Jarass, BImSchG, § 48a Rn. 1. 302 S. dazu oben. Im Übrigen wird auch vermutet, dass aufgrund der Rspr. zu der drittschützenden Wirkung von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften diese nunmehr taugliches Mittel einer Umsetzung von Richtlinien seien. 303 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 48a BImSchG Rn. 13 a. Gemeint ist die Festlegung von Immissionswerten für luftverunreinigende Stoffe („weitere Stoffe“), für die (noch) keine Regelungen in Rechtsverordnungen nach Absatz 1 getroffen wurden. 298

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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5. Die einzelnen Rechtsverordnungen und ihr Inhalt Auf der Grundlage dieser Ermächtigungsgrundlagen sind verschiedene Rechtsverordnungen erlassen worden. Anhand eines kurzen Überblicks über einige wichtige Verordnungen soll die Charakteristik der Anforderungen herausgearbeitet werden, die diese Verordnungen an immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen stellen. Sie unterliegen jedoch einem stetigen Wandel; häufig lösen europäische Richtlinien einen Novellierungsbedarf aus. 304 a) Die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) Die sogenannte Störfall-Verordnung 305 dient der Verminderung von technischen Risiken, fordert dabei aber keine absolute Sicherheit, weil eine solche auch bei größter Vorsicht nicht zu erreichen ist. 306 Die Regelung von Maßnahmen, die zur Begrenzung der Auswirkungen etwaiger Störfälle zu treffen sind, zeigt, dass sie davon ausgeht, dass Störfälle eintreten können. Sie dient der Konkretisierung allgemeiner gesetzlicher Anforderungen, maßgeblich der des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. 307 Dabei kann sie die gesetzliche Regelung der Grundpflichten nicht einschränken und nur Mindestanforderungen festlegen. 308 Wird jedoch unter verschiedenen Mitteln zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten eines verbindlich festgeschrieben, ist die Behörde daran gebunden und kann kein anderes Mittel zu ihrer Erfüllung fordern. Dabei trägt sie auch dem Vorsorgegedanken in gewissem Umfang Rechnung, 309 obwohl sie vor der Erweiterung der Vorsorgepflicht auf die Anlagensicherheit erlassen wurde.

304 Zu Reformbestrebungen der 13. BImSchV wegen einer Umsetzung der Richtlinie 2001/80/EG vom 21. 10. 2001 über die Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft sowie des integrierten Ansatzes der IVU-Richtlinie (RL 96/61/EG) s. Kohls / Reese / Schütte, ZUR 2003, 377 (378). Einen Entwurf einer Verordnung zur Regelung der Energie- und Wärmenutzung erwähnt Schäfer, FS Feldhaus, S. 327 (335). 305 Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung – 12. BImSchV) vom 26. April 2000, BGBl. I., S. 603, in Kraft getreten am 3. Mai 2000. Zur Entstehungsgeschichte s. Feldhaus, UPR 2000, 121 (121). 306 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 12. BImSchV, Rn. 1. 307 Vgl. Feldhaus, WiVerw 1981, 191 (193); so für die Grundpflichten der StörfallVO Müggenborg, NVwZ 2000, 1096 (1099). 308 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 12. BImSchV Rn. 5; vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer I, § 3 BImSchG Rn. 3 ff. 309 So durch die Grundpflicht des § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV sowie die Verpflichtung auf die Einhaltung des Standes der Sicherheitstechnik in § 3 Abs. 4 der 12. BImSchV.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

aa) Anforderungen der Verordnung Da es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zentral um den Aspekt der Kontrolle der Vorgaben geht, wird nicht weiter auf den Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung eingegangen. 310 Für die Frage einer Privatisierung der Kontrolle interessieren vielmehr die Vorgaben selbst. Vorab ist noch darauf hinzuweisen, dass für die weitere Konkretisierung die drei Verwaltungsvorschriften, die für die alte Störfall-Verordnung bestanden, bei ähnlich lautenden Vorschriften heute zumindest als Erkenntnisquellen herangezogen werden können. Die Störfall-Verordnung differenziert für die Pflichten zwischen Betriebsbereichen und genehmigungsbedürftigen Anlagen, die nicht Betriebsbereich oder Teil eines solchen sind. Für die Betriebsbereiche gelten nach § 3 der Verordnung bestimmte Grundpflichten für alle Betreiber, die aus der Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG abgeleitet sind 311 und die in den §§ 4 bis 6 näher konkretisiert werden. Da es im BImSchG jedoch nicht den Betreiber eines Betriebsbereichs gibt, sind die Betreiber der Anlagen, die einen Betriebsbereich bilden, Adressaten der jeweiligen Pflichten. 312 Diese sind zur Störfallvorsorge, also zu Maßnahmen zur Verhinderung des Eintritts von Störfällen, verpflichtet. Diese Schutzvorkehrungen können sich auf die Lage, die Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage beziehen und technischer, personeller und organisatorischer Art sein. 313 Daneben sind als Gegenstand der Störfallabwehr Vorkehrungen zu treffen, um die Auswirkungen etwaiger („dennoch“) Störfälle zu begrenzen. 314 Es geht nicht um eine Vorsorge im Hinblick auf eine Verhinderung des Eintritts eines Störfalls, sondern um eine Vorsorge im Hinblick auf die Abwehr von Gefahren, die aus einem dennoch eingetretenen Störfall resultieren. 315 Konkretisierende Vorgaben enthält § 5 Störfall-Verordnung, der allerdings nicht abschließend ist („insbesondere“). Als selbständige Pflicht verlangt § 3 Abs. 4 Störfall-Verordnung die Einhaltung des Standes der Sicherheitstechnik. Diesem Maßstab müssen auch die nach 310 S. dazu auch Büge, DB 2000, 1501 (1501 f.); Müggenborg, NVwZ 2000, 1096 (1098 f.). 311 Wietfeldt, FS Feldhaus, S. 341 (349). 312 S. Feldhaus, UPR 2000, 121 (123 f.). 313 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 3 der 12. BImSchV Rn. 6. Müggenborg, NVwZ 2000, 1096 (1099) sieht in dieser Grundpflicht vor allem technische Vorgaben. 314 § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV. Zur Bezeichnung s. Pütz / Buchholz, Anzeige- und Genehmigungsverfahren, S. 100. Zur Bezeichnung als Vorsorgepflicht s. OVG NordrheinWestfalen, Beschluss v 18. 7. 1988 – 21 B 1092/88, NWVBl. 1988, 380 (382). 315 Gegenstand sowohl der Störfallvorsorge als auch der Störfallabwehr kann die Einrichtung von Sicherheitsabständen sein, VGH Kassel, Urteil v. 23. 1. 2001 – 2 UE 1899/96, UPR 2001, 396 (396, 398); s. im Hinblick auf die Vorsorge OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 18. 7. 1988 – 21 B 1092/88, NWVBl. 1988, 380 (382).

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den anderen Grundpflichten erforderlichen Maßnahmen genügen. 316 Beschaffenheit und Betrieb müssen insgesamt dem entsprechen, was die Fachwelt aufgrund des allgemeinen technischen Entwicklungsstandes bei Anlagen der betroffenen Art für praktisch geeignet und erforderlich hält, um Störfälle zu verhindern und Störfallauswirkungen zu begrenzen, 317 womit ein Mindestumfang an Maßnahmen verlangt wird, der unabhängig von den Standortverhältnissen und den Umständen des Einzelfalls durchgeführt werden muss. 318 Insgesamt verlangen dementsprechend diese Schutzpflichten grundsätzlich nur das objektiv Mögliche. Wenn aber die Einhaltung des Standes der Sicherheitstechnik nicht ausreicht, um Störfälle zu verhindern, müssen weitergehende Maßnahmen getroffen werden. 319 Wenn allerdings auch durch Schutzvorkehrungen nicht verhindert werden kann, dass das von der Anlage ausgehende Risiko das von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des möglichen Schadens abhängige sozial adäquate Maß überschreitet, ist die Genehmigung zu versagen. 320 Die Auskunftspflicht nach § 6 Abs. 4 Störfall-Verordnung versetzt die zuständige Behörde in die Lage, erforderliche Vorkehrungen zur Begrenzung von Störfallfolgen zu treffen. 321 Die Anzeigepflicht nach § 7 Störfall-Verordnung dürfte keine isolierte Bedeutung erlangen, da die erforderlichen Angaben, also zum Betreiber, zu den Funktionen der Anlage, der Art und Menge der gefährlichen Stoffe sowie über störfallrelevante Gegebenheiten in der näheren Umgebung, ohnehin im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu machen sind 322 und dann die Anzeigeverpflichtung entfällt. § 8 Störfall-Verordnung verpflichtet den Betreiber, vor Inbetriebnahme ein schriftliches Konzept zur Verhinderung von Störfällen auszuarbeiten, es umzusetzen und im Regelfall für die zuständige Behörde verfügbar zu halten. Dabei handelt es sich um ein reines Verfahrensinstrument, wobei allerdings kritisch angemerkt wird, dass unklar sei, wie und anhand welcher Maßstäbe die Behörde dieses Konzept überprüfen soll. 323 Jedenfalls muss es nicht automatisch der Behörde vorgelegt werden (und ist daher nicht Prüfungsgegenstand im präventiven Genehmigungsverfah316

Vgl. dazu Neuser, Störfallprävention S. 120 ff. Die Definition in § 2 Nr. 5 StörfallVO lehnt sich an die Definition des Standes der Technik in § 3 Abs. 6 BImSchG in der Fassung vor der Umsetzung der IVU-Richtlinie an. Dies dürfte im Hinblick auf den integrativen Ansatz unproblematisch sein, da die Störfallverhinderung und -abwehr nicht auf ein Medium begrenzt ist. 318 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 3 der 12. BImSchV Rn. 27. 319 Was bei neuartigen Anlagen oder Anlagen mit besonders großem Gefahrenpotential der Fall sein kann. Vgl. Feldhaus, WiVerw 1981, 191 (202). 320 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 3 der 12. BImSchV Rn. 7; ders., DVBl. 1981, 898 (900). Eine derartige Anlage darf weder errichtet noch betrieben werden. 321 Büge, DB 2000, 1501 (1502). 322 S. Feldhaus, UPR 2000, 121 (124). 317

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

ren). Vielmehr handelt es sich primär um ein betreibereigenes Instrument zur Wahrung der Pflichten aus der Verordnung. 324 Ihm liegt die Idee eines Managementsystems zugrunde, das zu einer best business practice hinführt. 325 Bei Erreichen bzw. Überschreiten der in Spalte 5 des Anhangs I genannten Mengenschwellen bestehen erweiterte Pflichten. Dann ist ein Sicherheitsbericht zu erstellen, der bestimmte, näher spezifizierte Informationen enthalten und unaufgefordert der Behörde vorgelegt werden muss (§ 9 Störfall-Verordnung). Indirekt ergibt sich aus § 13 Störfall-Verordnung, dass die Behörde einen vorgelegten Sicherheitsbericht zu überprüfen hat, womit es sich nicht länger nur um ein Instrument der Selbstüberwachung des Betreibers handelt. 326 Diese Prüfung wird, wenn ein Genehmigungsverfahren erforderlich ist, in dessen Rahmen durchgeführt. 327 Auch der Betreiber hat ihn regelmäßig sowie bei bestimmten Anlässen zu überprüfen. Entsprechend der Gefahrenlage kann die Behörde eine Beschränkung auf die Aspekte zulassen, die für die Abwehr von Gefahren und für die Beherrschung der Auswirkungen von Bedeutung sind. Die Pflicht des Betreibers zur Erstellung von Alarm- und Gefahrenplänen sowie zur Übermittlung bestimmter Informationen für externe Alarm- und Gefahrenpläne an die Behörde besitzt, genauso wie die Informationspflichten des § 11 Störfall-Verordnung, keine Bedeutung im Genehmigungsverfahren. Diese werden durch Ordnungsverfügungen durchgesetzt. 328 Daneben werden Behördenpflichten geregelt. Deren Erfüllung darf durch eine Verfahrensprivatisierung nicht gefährdet sein. Gleichzeitig ist vorstellbar, dass die Überprüfung des Domino-Effekts (§ 15 Störfall-Verordnung) 329 durch Private durchgeführt werden kann. Die Regelungen der §§ 17 und 18 Störfall-Verordnung, die für Anlagen, die nicht Bestandteil eines Betriebsbereichs sind, zum einen die Grundpflichten des 323 Feldhaus, UPR 2000, 121 (124). Diese Pflicht wird als inhaltlich unbestimmt kritisiert, s. Rebentisch, NVwZ 1997, 6 (8 f.). 324 Büge, DB 2000, 1501 (1503). 325 Vgl. Müggenborg, NVwZ 2000, 1096 (1100). 326 Büge, DB 2000, 1501 (1504). 327 So dass die Mitteilungspflicht des § 13 StörfallVO kaum praktische Bedeutung aufweist, Feldhaus, UPR 2000, 121 (125), der auch bemängelt, dass der Maßstab einer ohne immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführenden Überprüfung nicht feststehe. 328 S. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 10 der 12. BImSchV Rn. 22, § 11, Rn. 17. Zu einer derartigen Anordnung s. VG Stuttgart, Beschluss v. 15. 11. 2000 – 16 K 3890/00, NVwZ 2001, 830 (831). 329 Also der Möglichkeit höherer Eintrittswahrscheinlichkeit oder folgenschwererer Auswirkungen von Störfällen bei mehreren Anlagen aufgrund des Standorts, des Abstands oder der in den Anlagen vorhandenen Stoffe.

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zweiten Teils mit Ausnahme der Vorschriften, die nur auf Betriebsbereiche passen, als auch einzelne der erweiterten Pflichten für anwendbar erklärt hatten 330, sind aufgehoben worden. Damit sind auch die entsprechenden Befreiungsmöglichkeiten zugunsten der Anlagenbetreiber entfallen, die in dem Fall, dass wegen günstiger Umgebungsbedingungen der Anlage eine ernste Gefahr nicht zu besorgen war, eingriffen. 331 bb) Die Verordnung und die Pflichten im Genehmigungsverfahren Die Bestimmungen der Störfall-Verordnung sind als Genehmigungsvoraussetzungen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu überprüfen. Im Hinblick auf die Pflichten, die sich im Wesentlichen auf den späteren Anlagenbetrieb beziehen, kann allenfalls überprüft werden, ob ihrer späteren Einhaltung etwas entgegensteht. Dann liegt der Schwerpunkt nicht auf präventiver Ebene, sondern auf der Überwachung ihrer Erfüllung. 332 Im Genehmigungsverfahren kann uneingeschränkt überprüft werden, ob die durch die Grundpflichten des § 3 der Störfall-Verordnung geforderten Schutzvorkehrungen getroffen worden sind und die Anlage den Anforderungen gerecht wird. Falls dies nicht der Fall ist bzw. sogar keine ausreichenden Schutzvorkehrungen möglich sind, ist die Genehmigung zu versagen. Allerdings sind solche Gefahrenquellen und Eingriffe nicht zu berücksichtigen, die als Störfallursachen vernünftigerweise ausgeschlossen werden können. 333 Auch erkannte Risiken können ausgeschlossen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit eines schadensverursachenden Ereignisses so gering ist, dass vernünftigerweise weder der Betrieb ganz untersagt werden kann noch zusätzliche Schutzvorkehrungen getroffen werden können. 334 Im Rahmen der Bestimmung des praktisch Vernünftigen sind auch 330

Vgl. Müggenborg, NVwZ 2000, 1096 (1103). Dies war der Fall, wenn die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts so gering ist, dass sie bei Anwendung des Maßstabes praktischer Vernunft als ausgeschlossen angesehen werden konnte, siehe in der ehemaligen Kommentierung Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 18 der 12. BImSchV, Rn. 7; zu dem Maßstab der praktischen Vernunft siehe BVerfGE 49, S. 89 (143). Insofern war ein Antrag auf Abweichung erforderlich. 332 So erwähnt Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 12. BImSchV, Rn. 34, lediglich die behördliche Überwachung nach § 52 Abs. 1 BImSchG sowie die Möglichkeit nachträglicher Anordnungen. Ebenso thematisiert das Vorblatt zum Regierungsentwurf der Artikelverordnung im Rahmen des Vollzugsaufwands nur die behördliche Überwachung (Abdruck diese Vorblatts bei Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 12. BImSchV, Vorb. Rn 2). 333 S. als Grundlage und zu dem Maßstab der praktischen Vernunft BVerfGE 49, S. 89 (143). 334 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 3 der 12. BImSchV Rn. 22. Anders OVG Lüneburg, Beschluss v. 6. 4. 1984 – 7 OVG B 16/93 –, DVBl. 1984, 890 331

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die Lebenserfahrung und das Sicherheitsverständnis des mit der betroffenen Anlagentechnik betrauten Ingenieurs zu berücksichtigen. 335 Jedenfalls ist eine Bestimmung des Maßstabes der praktischen Vernunft erforderlich, was jedoch über eine rein sachverständige Wertung hinausgehen dürfte. Im Rahmen dieser Überprüfung sind auch Konkretisierungen im Einzelfall erforderlich. So kann es bei der Festlegung von Sicherheitsabständen mangels einer normativen Festlegung erforderlich sein, dass diese von der Behörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bestimmt werden. Für die Beurteilung der Sicherheitsvorkehrungen ist eine Risikoermittlung und -bewertung erforderlich, wobei die Verantwortung dafür bei der Exekutive liegt und eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle besteht. 336 Für die Überzeugung der Behörde, dass ein ausreichender Gefahrenschutz vorhanden ist, kommt es in erster Linie darauf an, ob sie die Entscheidungsgrundlagen als ausreichend ansehen darf und die hiermit verbundenen Bewertungen ihr als hinreichend vorsichtig erscheinen. 337 Während die Anforderungen der Anzeigepflicht nach § 7 Störfall-Verordnung derzeit im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu erfüllen sind, kann eine Anzeigepflicht im Rahmen einer Verfahrensprivatisierung die Information der Behörde auch ohne Genehmigungsverfahren sicherstellen. Darüber hinaus sind im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren näher spezifizierte Teile eines Sicherheitsberichts (§ 9 Störfall-Verordnung) gemäß § 4b Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV den Genehmigungsunterlagen beizulegen. 338 Dabei wird durch § 13 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV bestimmt, dass die Heranziehung von Sachverständigen in der Regel notwendig ist. Somit muss dann, soweit nicht ein atypischer Fall vorliegt, mindestens ein umfassendes Sachverständigengutachten eingeholt werden. 339 Dieses dient der Sachverhaltsaufklärung und beschäftigt sich im Kern mit der Frage, ob die zu prüfenden Angaben mit naturwissenschaftlichen Gesetzen und Erfahrungssätzen übereinstimmen. Gegenstand ist allein die sicherheitstechnische Beurteilung der Angaben, nicht deren rechtliche Beurteilung. Das Gutachten soll die sicherheitsrelevanten Mängel aufweisen (891), das eine Eintrittswahrscheinlichkeit so nahe bei Null fordert, dass der Abstand zu einem absolut, d. h. physikalisch ausgeschlossenen Ereignis nur noch mathematisch ausdrückbar ist, in der Realität aber nicht mehr zum Tragen kommt; s. auch OVG Lüneburg, Urteil v. 20. 1. 1982 – 7 OVG A 119/76 –, UPR 1983, 161 (166). 335 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 3 der 12. BImSchV Rn. 22. 336 HessVGH, Urteil vom 23.1 2001 – 2 UE 299/96, UPR 2001, 396 (399). 337 OVG Münster, Beschluss vom 18. 7. 1988 – 21 B 1092/88, NVwZ 1989, 172 (173). 338 Daraus wird geschlossen, dass nach wie vor ein anlagenbezogener Sicherheitsbericht zugelassen bleibe, Büge, DB 2000, 1501 (1504). Müggenborg, NVwZ 2000, 1096 (1101) weist darauf hin, dass der Sicherheitsbericht in dem Umfang, in dem er sich auf eine zu genehmigende Anlage bezieht, vorzulegen sei. 339 Pütz / Buchholz, Anzeige- und Genehmigungsverfahren, S. 104.

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und – soweit möglich – Vorschläge unterbreiten, die geeignet sind, Mängel in der sicherheitstechnischen Auslegung der geplanten Anlage zu beseitigen. 340 Damit ist im Ergebnis die materielle Sicherheit Gegenstand der Überprüfung, nicht nur die formelle Ordnungsmäßigkeit des Berichts. Die Genehmigungsbehörde hat das Gutachten im Rahmen des Verfahrens zu würdigen. Insofern eine Befreiung nach § 18 Abs. 2 Störfall-Verordnung beantragt ist, ist zu prüfen, ob eine ernste Gefahr zu besorgen ist. Dazu ist ggf. ein Sachverständiger einzuschalten. 341 Dementsprechend bleibt festzuhalten, dass die Anforderungen dieser Verordnung nur einen geringen Konkretisierungsgrad aufweisen. Zudem sind Wertungen notwendig. Dabei handelt es sich jedoch häufig um rein sachverständige Wertungen, was sich auch an der vorgesehenen Einbeziehung von Sachverständigen zeigt. Zudem bedürfen die prozeduralen Pflichten des Betreibers nicht zwingend einer staatlichen Kontrolle. Allerdings besteht eine Verbindung einiger Pflichten mit Aufgaben der Behörde, die über das Genehmigungsverfahren hinausgehen. Insofern dürfte eine Privatisierung auf Grenzen stoßen. b) Die Verordnung über Großfeuerungsanlagen (13. BImSchV) Die vor dem Hintergrund der IVU-RL vollständig überarbeitete und dem aktuellen Kenntnisstand angepasste 13. BImSchV 342 enthält Anforderungen an bestimmte Feuerungsanlagen und stellt eine Konkretisierung der (vorsorgebezogenen) Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dar. 343 Sie legt zumeist Emissionsgrenzwerte fest 344 und zielt in erster Linie auf eine Verringerung der Emissionen. 345 Die materiellen Anforderungen finden sich im zweiten Teil der Verordnung, der ihr Kernstück darstellt. 346 Dabei werden Grenzwerte danach festgelegt, ob die 340

Pütz / Buchholz, Anzeige- und Genehmigungsverfahren, S. 104. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 18 der 12. BImSchV, Rn. 7. 342 Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Großfeuerungsanlagen – 13. BImSchV) vom 20. Juli 2004, BGBl. I, S. 1717. Zu den dahin führenden Reformbestrebungen s. Kohls / Reese / Schütte, ZUR 2003, 377 (378). 343 S. auch Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 243. 344 Davids, in: Feldhaus (Hrsg.): Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 13. BImSchV, Einführung Rn. 10. Sie enthält Emissionsgrenzwerte für Schwefeldioxid (SO 2), Stickstoffoxide (NO X), Staub, Kohlenmonoxid (CO), Quecksilber (Hg), weitere Schwermetalle sowie Dioxine und Furane. Dies ist analog zu der 2003 neu gefassten 17. BImSchV, vgl. Ohms, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 13. BImSchV Rn. 4. 345 Hansmann, UPR 1983, 321 (322). 341

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Feuerungsanlage mit festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen betrieben wird oder ob es sich um eine Gasturbinenanlage handelt. Die Emissionsgrenzwerte werden als Zahlenwerte festgelegt, bei denen es sich um Tagesmittelwerte, Halbstundenmittelwerte und auf die jeweilige Probennahmezeit bezogene Mittelwerte handelt. Die Grenzwerte geben dabei die höchstzulässige Massekonzentration der Luftverunreinigung im Abgas unter Zugrundelegung bestimmter Beurteilungskriterien vor. Dem Anlagenbetreiber bleibt grundsätzlich überlassen, mit welchen technischen Maßnahmen die Emissionsgrenzwerte eingehalten werden. 347 Dabei begründet die Verordnung in der Regel unmittelbar geltende Pflichten, 348 so dass die Anforderungen bei Neuanlagen eigentlich nicht in die Genehmigung aufgenommen werden müssten. Teilweise wird jedoch gefordert, dass dies zur Klarstellung geschehen sollte. 349 Die derzeitige Fassung der 13. BImSchV enthält, im Gegensatz zu der vorherigen, keine Dynamisierungsklauseln mehr. Die Emissionsgrenzwerte werden vielmehr auf der Grundlage einer präzisen Abwägung, die Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Rechnung trägt, definitiv festgelegt. 350 Insofern scheint der Verordnungsgeber davon auszugehen, dass die technische Entwicklung zu einem gewissen Abschluss gekommen ist, 351 denn grundsätzlich geben die Anforderungen in der VO nur den Stand der Technik zu dem Zeitpunkt des Erlasses wieder. Dabei kommt dem Verordnungsgeber im Hinblick auf den Regelungsinhalt ein gewisser Entscheidungsspielraum zu, zumal die Bestimmung des Standes der Technik durchweg das Ergebnis einer komplexen Abwägung ist. 352 346

Vgl. Begründung, BT-Drs. 15/3420, S. 20. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 249. 348 Zu Ausnahmen im Hinblick auf die eindeutige Feststellbarkeit der sich aus der Verordnung ergebenden Pflichten Ohms, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 13. BImSchV Rn. 23. 349 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 264. 350 Vgl. Ohms, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 13. BImSchV Rn. 25. 351 Die vorherige Fassung enthielt unterschiedliche Klauseln, in denen unter Rückgriff auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dynamisierte Anforderungen geregelt wurden. Diese offenen Regelungen wurden durch Beschluss der Umweltministerkonferenz im Wege einer bundeseinheitlichen Vollzugsanweisung stark eingeschränkt, vgl. Davids, in: Feldhaus (Hrsg.): Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 13. BImSchV, Einführung Rn 12. Jedenfalls muss die Behörde diese Dynamisierungsklauseln durch konkrete Anforderungen in der Genehmigung konkretisieren, Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 250. Eingehender Kutscheidt, NVwZ 1984, 409 (411); Runte, RdE 1985, 8 (9); Tegethoff, et 1985, 173 (173). 352 Davids, in: Feldhaus (Hrsg.): Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 13. BImSchV, Einführung Rn 11; nach Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, 13. BImSchV (ehemalige Kommentierung, aktuelle Kommentierung von Ohms), Vorbem. Rn. 9 muss dem Verordnungsgeber (im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben) der gleiche Gestaltungsspielraum eingeräumt werden, der sonst dem Gesetzgeber zusteht (vgl. zu diesem BVerfG, Beschluss v. 14. 1. 1981 – 1 BvR 612/72, NJW 1981, 1655 (1658)). 347

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Eine Möglichkeit der Dynamisierung enthält aber § 22 der 13. BImSchV. 353 Dieser stellt klar, dass weitergehende Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nicht ausgeschlossen sind. 354 Gleichzeitig verdeutlicht das Wort „insbesondere“, dass, trotz des grundsätzlichen Anspruchs der umfassenden und abschließenden Wiedergabe des Standes der Technik, auch zur Vorsorge andere oder weitergehende Anforderungen verlangt werden dürfen. 355 Allerdings berechtigt nicht jede Weiterentwicklung der Emissionsminderungstechniken die Behörde dazu, schärfere Anforderungen als die Verordnung zu stellen. Grundsätzlich dürfte eine abschließende Regelung der Vorsorgeanforderungen derartige weitergehende Anforderungen zur Vorsorge im Genehmigungsverfahren ausschließen, wobei dies für nachträgliche Anordnungen in § 17 Abs. 3 BImSchG ausdrücklich geregelt ist. Die 13. BImSchV beruht auf einem langfristigen, auf einheitliche und gleichmäßige Durchführung angelegten Konzept. Ihre Regelungen sind dabei als ein im Wesentlichen geschlossenes System anzusehen, das das Ergebnis einer komplexen Neubewertung des Maßes der Vorsorgepflichten bei Großfeuerungsanlagen darstellt. 356 Diesem System wäre es abträglich, wenn es bereits in jedem Einzelfall unter Rückgriff auf § 22 der 13. BImSchV durchbrochen werden könnte. 357 Allerdings werden weitergehende Anforderungen bei einem atypischen Sachverhalt ermöglicht. 358 Dies gilt auch dann, wenn sonstige, nicht auf Emissionsminderungstechniken beruhende Vorsorgemaßnahmen getroffen werden sollen (TA Luft) und sich der Stand der Technik so weit fortentwickelt hat, dass die in der Verordnung niedergelegten Standards ihre Konkretisierungsfunktion nicht mehr erfüllen können 359 und dies in einer Verwaltungsvorschrift zum Ausdruck kommt. 360 353 S. zu der entsprechenden Regelung der Vorgängerfassung Davids, in: Feldhaus (Hrsg.): Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 13. BImSchV, Einführung Rn 11. Sendler, UPR 1983, 33 (43) bezeichnet die Dynamisierung als das (damals) eigentlich Neue des BImSchG. Dieser Anpassungspflicht unterliegen sowohl Behörde als auch Verordnungsgeber. 354 Amtliche Begründung, BR-Drs. 95/83, S. Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 259. 355 Vgl. auch Begründung, BT-Drs. 15/3420, S. 28. Denkbar sind z. B. Anforderungen der TA Luft. 356 Davids, in: Feldhaus (Hrsg.): Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 13. BImSchV, Einführung Rn. 11. 357 Vgl. auch Ohms, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 13. BImSchV Rn. 26. 358 So Ohms, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 13. BImSchV Rn. 26 unter Berufung auf BVerwG, Beschluss vom 30. 8. 1996, 7 VR 2/96, NVwZ 1997, 497 und BVerwG Beschluss vom 10. 6. 1998, 7 B 25/98, NVwZ 1998, 1181. 359 Hansmann, UPR 1983, 321 (324) („ins Gewicht fallender technischer Fortschritt“); Davids, in: Feldhaus (Hrsg.): Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 13. BImSchV Einführung, Rn. 3, 11; („signifikante Fortentwicklung“); Rengeling, Der Stand der Technik, S. 58; Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 95/83; ähnlich wohl Roßnagel, in:

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Daneben können Ausnahmen dann zugelassen werden, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls einzelne Anforderungen der Verordnung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erfüllbar sind (§ 21 der 13. BImSchV). 361 Dies stellt eine einfachgesetzliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Im Hinblick auf Neuanlagen dürfte eine Ausnahme aber regelmäßig ausscheiden, da davon auszugehen ist, dass sie so konstruiert werden können, dass sie alle Anforderungen einhalten können. 362 Insgesamt kann die 13. BImSchV somit als durchaus geeignet für eine Privatisierung der Kontrolle angesehen werden. Sie gibt unmittelbar verpflichtende konkrete Werte vor, die in der Regel auch nicht für den Einzelfall modifiziert werden. Die zugrundeliegenden Wertungen haben bereits auf genereller Ebene stattgefunden. Den dargestellten Einfallstoren für Einzelfallentscheidungen (§§ 21 und 22 der 13. BImSchV) kann entweder durch einen (isolierten) Antrag an die Behörde auf Erlaubnis einer Abweichung oder aber durch die behördliche Einleitung eines Abweichungsverfahrens Rechnung getragen werden. Denkbar ist darüber hinaus, dass die Behörde die Entscheidung an sich ziehen kann, wenn sie strengere Anforderungen durchsetzen will. Denkbar ist auch eine Verpflichtung der Sachverständigen zum Hinweis, falls strengere Werte als die in der Verordnung festgesetzten nahe liegen. c) Die Verordnung über die Verbrennung von Abfällen (17. BImSchV) Die 17. BImSchV wurde aus Anlass der Umsetzung der Abfallverbrennungsrichtlinie der EG 363 im Jahr 2003 novelliert, 364 wobei weite Teile des Textes der 17. BImSchV 1990 unberührt geblieben sind. 365 Sie enthält emissionsbeKoch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 563, wobei er in erster Linie auf die Anpassungspflicht des Verordnungsgebers hinweist. 360 Kutscheidt, NVwZ 1984, 409 (411); Rengeling, Der Stand der Technik, S. 58. 361 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 261, dort auch in Rn. 261 Beispiele für die praktische Bedeutung der Vorschrift. 362 So wohl auch Davids, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 13. BImSchV, Einf., Rn. 25. 363 Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen, Abl. EG Nr, L 332 S. 91. 364 Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen – Siebzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2003, BGBl. I S. 1633. Zu der alten Fassung s. Führ, NWVBl. 1992, 121 ff. Trotz der Fortgeltung der alten Fassung für Altanlagen beschränkt sich die Untersuchung auf die für die Genehmigungsverfahren und damit für die Untersuchung relevante Novelle. 365 Theben, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 17. BImSchV Rn. 1. Diese wurde auf unterschiedliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt, für die meisten Vorgaben

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grenzende Anforderungen an Anlagen, in denen feste oder flüssige Abfälle oder ähnliche brennbare Stoffe verbrannt oder mitverbrannt werden, und konkretisiert die Vorsorgepflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, insbesondere den Stand der Technik. 366 Die Emissionsgrenzwerte sind sowohl für die Anlagenbetreiber als auch für die Behörden verbindlich. Es wäre auch mit der als gebundenen Entscheidung ergehenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht vereinbar, würde man der Behörde einen über die festgesetzten Grenzwerte hinausgehenden Entscheidungsspielraum zuerkennen. 367 Sie gehen grundsätzlich den Emissionsgrenzwerten nach Nr. 5. 2 der TA Luft vor (Nr. 1 Abs. 3 TA Luft). Daneben enthält sie Anforderungen an die Behandlung der anfallenden Abwärme und zur Wärmenutzung und konkretisiert damit auch, wenn auch nicht abschließend, die Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 BImSchG. 368 aa) Der Inhalt der Verordnung § 3 der 17. BImSchV enthält emissionsbezogene Anforderungen an die Anlieferung und die Zwischenlagerung der Einsatzstoffe, insbesondere an die Räume, vorzusehende Brandschutzeinrichtungen und die Behältnisse. § 4 der 17. BImSchV enthält unterschiedliche feuerungstechnische Anforderungen. Zu nennen sind insbesondere bestimmte, näher beschriebene Verbrennungsbedingungen, wobei die zuständige Behörde auch abweichende Verbrennungsbedingungen zulassen kann. Voraussetzung dafür ist, dass u. a. durch ein Gutachten nachgewiesen werden muss, dass keine größere Abfallmengen oder Abfälle mit einem erhöhten Gehalt an bestimmten Schadstoffen entstehen. Daneben werden weitere, näher spezifizierte technische Vorrichtungen, zum Beispiel zur Installation von Brennern, vorgesehen.

ist allerdings § 7 Abs. 1 BImSchG einschlägig, vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 17. BImSchV 1990, Rn. 3. 366 So Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 5 der 17. BImSchV 1990 Rn. 1; kritisch zur Verwirklichung dieses Ziels durch die 17. BImschV 1990 Führ, NWVBl. 1992, 121 (124). Das BVerwG hat mit Urteil vom 26. 4. 2007 – 7 C 1.06 (UPR 2007, 391) entschieden, dass diese Verordnung mit ihren baulichen und betrieblichen Anforderungen an die Anlage sowie mit der Festlegung der Emissionsgrenzwerte insoweit die Vorsorgepflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG abschließend konkretisiert. S. zu den Grenzwerten und dazu, dass sie obligationsgemäß sind, auch BVerwG, Beschluss vom 10. 6. 1998 – 7 B 25.98 –, NuR 1999, 41 = NVwZ 1998, 1181; VGH München, Urteil vom 20. 7. 1994 – 20 A 92.40087 u. a., NVwZ 1996, 284 (295). 367 BVerwG, Urteil vom 26. 4. 2007 – 7 C 15/06, NVwZ 2007, 1086 (1086). 368 Theben, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 17. BImSchV Rn. 3; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 266. Ohne Differenzierung nach den einzelnen Grundpflichten Lübbe-Wolff, NuR 2000, 19 (19). Sie weist auf S. 23 darauf hin, dass dann, wenn keine immissionsschutzrechtliche Vorgabe existiert, der Emissionsgrenzwert auch den Schutzgrundsatz operationalisiere.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

§ 5 der 17. BImSchV sieht Emissionsgrenzwerte für die wichtigsten luftverunreinigenden Stoffe, die von Anlagen im Sinne des § 1 der 17. BImSchV emittiert werden können, vor. 369 Es gibt drei verschiedene Formen von Emissionsgrenzwerten. Festgesetzt werden Tages- und Halbstundenmittelwerte. Daneben existiert die Regelung, dass kein Mittelwert, der über die jeweilige Probennahmezeit gebildet ist, bestimmte Grenzwerte überschreiten darf, wobei damit jeder denkbare Mittelwert, der innerhalb der Probezeit berechnet werden kann, gemeint ist. Darüber hinaus tragen die Regelungen auch möglichen Kombinationswirkungen Rechnung, 370 indem z. B. Summengrenzwerte festgesetzt werden. 371 Dabei gelten für Mitverbrennungsanlagen weitgehend die gleichen Emissionswerte wie für Abfallverbrennungsanlagen, wobei § 5a der 17. BImSchV Modifikationen zur Berücksichtigung der „Mit“verbrennung enthält. Während nach § 5a Abs. 4 der 17. BImSchV ein Emissionsgrenzwert als Mischwert zu berechnen ist, 372 erfolgt im Übrigen eine Anpassung über eine Modifikation des Bezugssauerstoffgehalts. 373 § 6 der 17. BImSchV regelt die Ableitungsbedingungen und erlaubt einen Rückgriff auf die TA Luft. Mangels entsprechender Konkretisierung ergeben sich somit aus der 17. BImSchV insofern keine unmittelbar verbindlichen Vorgaben; diese sind vielmehr in der Genehmigung festzusetzen. § 20 der 17. BImSchV enthält eine Öffnungsklausel, die mit der oben beschriebenen Regelung des § 22 der 13. BImSchV vergleichbar ist. Danach kann die Behörde weitergehende Anforderungen zur Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen stellen, aber auch zur Vorsorge selbst. 374 Die 17. BImSchV ist insoweit nicht abschließend, 375 weitergehende Befugnisse der Behörde bleiben bestehen. Dies ist aber auch hier unter Beachtung des Regelungsanspruchs der 17. BImSchV nur im Einzelfall bei atypischen Sachverhalten unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. 376 Dann können die Minimierungsgebote der 369

Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 5 der 17. BImSchV 1990

Rn. 1. 370

S. dazu ausführlich Rehbinder, FS Kutscheidt, S. 274 ff. Wie für Dioxine und Furane in § 5 Abs. 1 Nr. 4. S. auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b. S. ebenfalls die Festsetzung eines Gesamtkohlenstoffwertes in § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, jeweils der 17. BImSchV. 372 Im Vergleich zu der alten Fassung weist die Mischregel einen geringeren Anwendungsbereich auf, s. zu dieser Lübbe-Wolff, DVBl. 1999, 1091 (1094 ff.). 373 Aufgrund niedrigerer Bezugssauerstoffgehalte sind die zulässigen Emissionen pro Kubikmeter Abgas geringer als bei Verbrennungsanlagen; höhere Zahlenwerte gelten nur in einzelnen Fällen. S. dazu näher Theben, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 17. BImSchV Rn. 32. 374 S. auch Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 582. 375 Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 63. 376 BVerwG, Beschluss vom 10. 6. 1998 – 7 B 25/98, NVwZ 1998, 1181 (LS und 1182 f.). 371

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TA Luft von Bedeutung sein. 377 So kommen – bei Vorliegen eines atypischen Falls – weitergehende Anforderungen zur Minimierung der Emission von krebserzeugenden Stoffen in Betracht. Weitergehende Anforderungen können auch dann gefordert werden, wenn der Stand der Technik offensichtlich wesentlich fortgeschritten ist. 378 Des Weiteren können nach § 19 der 17. BImSchV Ausnahmen aufgrund von Verhältnismäßigkeitsüberlegungen zugelassen werden. bb) Besonderheiten für das Genehmigungsverfahren Die durch die 17. BImSchV geregelten Pflichten gelten grundsätzlich unmittelbar, d. h. eine weitere Umsetzung ist nicht erforderlich. Dies gilt nicht bei Anwendung einer Mischungsregelung, zumal dann die konkreten Pflichten nicht unmittelbar aus der Verordnung ablesbar und erkennbar sind. So verlangte § 5 Abs. 3 der 17. BImSchV 1990 aus Gründen der Rechtssicherheit, dass die maßgebende Emissionsbegrenzung stets durch die zuständige Behörde im Genehmigungsbescheid oder in einer nachträglichen Anordnung festgesetzt wurde. Ohne eine solche Festlegung hätten insofern keine durchsetzbaren Pflichten bestanden. 379 Entsprechend dürften auch im Rahmen des § 5a der 17. BImSchV ohne derartige Festsetzungen keine durchsetzbaren Pflichten bestehen, und zwar dann, wenn wie in § 5a Abs. 4 der 17. BImSchV eine Festlegung durch die Behörde oder nach § 5a Abs. 8 der 17. BImSchV eine Festsetzung im Genehmigungsbescheid erforderlich ist. Dies gilt dann nicht und ist auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht erforderlich, wenn wie in § 5a Abs. 1 bis 3 der 17. BImSchV lediglich Emissionsgrenzwerte für anwendbar erklärt werden, die bei anderen Anlagen unmittelbar gelten. Allerdings wird verlangt, dass die anderen, sich aus der 17. BImSchV ergebenen Pflichten zur Klarstellung in die Genehmigung aufgenommen werden sollten. 380 377 Hansmann, in: Landmann / Rohmer Umweltrecht II, § 5 der 17. BImSchV 1990, Rn. 2. Für den Rückgriff auf Anforderungen der TA Luft nur dann, wenn die 17. BImSchV für diese keine abschließende Bestimmung getroffen hat oder gar keine Grenzwerte vorsieht, Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 566. So ist auch bei Erlass der 17. BImSchV 1990 der Normgeber davon ausgegangen, dass die Minimierungsanforderungen der TA Luft ausgefüllt seien, allerdings nur, solange sich der Stand der Technik nicht wesentlich ändere, BR-Drs. 303/90, S. 38. 378 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 5 der 17. BImSchV 1990 Rn. 2. 379 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, § 5 der 17. BImSchV 1990, Rn. 11, 13. Die festgesetzte Emissionsbegrenzung galt dann allgemein für den Betrieb der Anlage; es kam nicht mehr darauf an, ob zu bestimmten Zeiten weniger Abfälle oder ähnlich brennbare Stoffe eingesetzt wurden, als es nach der Genehmigung zulässig war. Diese Voraussetzung für die Annahme durchsetzbarer Pflichten ist angesichts der erforderlichen Berechnungen unmittelbar einsichtig. S. zu der bei der Mischwertbildung nach § 5 Abs. 3 der 17. BImSchV 1990 erforderlichen Berechnung Hansmann, a. a. O., Rn. 7 ff.

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Interessanterweise findet sich hier eine Variante der privatisierten Ausführungskontrolle, da nach § 4 Abs. 2 und 6 der 17. BImSchV die Einhaltung der Anforderungen im Hinblick auf Verbrennungsbedingungen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme durch Messungen oder durch die Vorlage eines durch die zuständige Behörde anerkannten Gutachtens nachzuweisen ist. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Vorgaben weitgehend technischer Natur sind. 381 Die 17. BImSchV enthält zahlreiche fixe und unmittelbar geltende Werte. Angesichts der eher restriktiven Bedingungen für die Ausübung der Öffnungsklausel des § 20 der 17. BImSchV besteht auch keine Pflicht zur Überprüfung im Einzelfall daraufhin, ob diese Werte den Stand der Technik wiedergeben. 382 Neben der Kontrolle feststehender Grenzwerte sind rein sachverständige, weitgehend technische Berechnungen oder Beurteilungen durchzuführen. Somit besteht hier ein Spielraum für die Überprüfung dieser Vorgaben durch Sachverständige. Besonderheiten des Einzelfalls kann durch Abweichungsverfahren Rechnung getragen werden. d) Die Verordnung über Immissionswerte (22. BImSchV) Die 22. BImSchV 383 wurde auf § 48a Abs. 1 und 3 BImSchG gestützt und dient im Wesentlichen der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien zur Luftqualität. 384 Sie enthält verschiedene Immissionswerte für unterschiedliche Stoffe. 385 Dabei kann zwischen Grenzwerten, Alarmschwellen und Zielwerten sowie sonstigen Werten unterschieden werden. 386 Die Zielwerte beziehen sich auf einen zukünftigen Zeitpunkt und sind nicht strikt verbindlich, womit sie sich von den 380

Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 298. S. dazu auch die Beispiele bei Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GKBImSchG, § 5 Rn. 567, der zu der 17. BImSchV 1990 anmerkt, dass diese Anforderungen enthalten, die von der Auswahl schadstoffarmer Brennstoffe über feuerungstechnische Maßnahmen wie Wirbelschichtfeuerung, über Abgasreinigungsverfahren wie Rauchgasentschwefelung oder katalytische Reduktionsverfahren bis hin zu integrierten Maßnahmen der Emissionsminderung oder -vermeidung wie spezielle stickstoffoxidarme Brenner oder Stufenverbrennung und Abgasrückführung gingen. 382 So aber Führ, NWVBl. 1992, 121 (125) zur 17. BImSchV 1990, was aber mit grundsätzlichen Zweifeln an der Wiedergabe des Standes der Technik durch deren Regelungen zu erklären ist. 383 Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft (22. BImSchV) vom 11. 9. 2002, (BGBl I, S. 3626). 384 S. auch amtliche Fußnote zur Verordnung, Richtlinien abgedruckt bei Hansmann / Röckinghausen, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb. 22. BImSchV, Rn. 1. S. auch die Begründung BR-Drs. 200/02, S. 47 ff. = BT-DrS. 14/9404, S. 28 ff. 385 S. zu den Vorgaben der EU-Richtlinien für die einzelnen Stoffe Gerhold / Weber, NVwZ 2000, 1138 ff. 386 S. dazu Jarass, NVwZ 2003, 257 (260 f.). 381

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Grenzwerten unterscheiden. Außerdem wird das Beurteilungsverfahren geregelt, zumal die praktische Bedeutung eines Immissionswertes entscheidend davon abhängt, welches Beurteilungs- bzw. Messverfahren zum Einsatz kommt. 387 Ein Immissionswert wird ohne eine solche ergänzende Regelung über das Verfahren zur Ermittlung der Luftbelastung als nicht aussagekräftig angesehen. 388 Daneben regelt die Verordnung Details zur Aufstellung von Luftreinhalteplänen, 389 der Unterrichtung der Bevölkerung und die Berichtspflicht der Behörden. Grundsätzlich sind nur die Behörden Adressaten der Pflichten aus der 22. BImSchV. 390 Es handelt sich im Wesentlichen um finales Recht. 391 Mit ihrer Hilfe sollen in der Zukunft bestimmte Ziele erreicht werden. Damit unterscheidet sie sich von der TA Luft, die der Konkretisierung von konditionalem Recht dient. Im Hinblick auf die Genehmigung gilt, dass die Nicht-Einhaltung der Werte der TA Luft dazu führt, dass die Genehmigung nicht erteilt wird. Angesichts der bloß mittelbaren Wirkung scheint die 22. BImSchV nur eine geringe Bedeutung für das Genehmigungsverfahren zu besitzen, zumal die TA Luft häufig identische Werte enthält. Allerdings darf die TA Luft keine Luftverunreinigungen zulassen, deren Vermeidung gemäß der 22. BImSchV durch Luftreinhaltepläne sicherzustellen ist; auch dürfen die Regeln der TA Luft nicht den Regelungen eines Luftreinhalteplans widersprechen. 392 Eine Pflicht zur Berücksichtigung der Immissionswerte der 22. BImSchV auch im Einzelfall kann aber dann bestehen, wenn die TA Luft, die grundsätzlich die im Rahmen der Zulassung maßgeblichen Vorgaben enthält, von den Vorgaben der 22. BImSchV abweicht. Immissionsschutzrechtliche Genehmigungen dürfen nicht erteilt werden, wenn der Betrieb der fraglichen Anlage dazu führen würde, dass (verbindlich gewordene) Immissionswerte überschritten oder bestehende Überschreitungen verschärft werden. 393 Dies erscheint auch sachgerecht, denn 387

Jarass, NVwZ 2003, 257 (261). Hansmann, NuR 1999, 10 (14). 389 Diese Luftreinhaltepläne nach § 47 BImSchG haben im Wesentlichen verwaltungsinterne Wirkung, s. dazu auch Schulze-Fielitz, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 48 Rn. 98 ff. 390 Hansmann / Röckinghausen, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb 22. BImSchV, Rn. 9. 391 Zu dem finalen Recht s. Breuer, NVwZ 2004, 520 (523 f.). 392 Hansmann / Röckinghausen, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Vorb 22. BImSchV, Rn. 9; diesen Vorrang bringen auch die Vorschriften der TA Luft zum Ausdruck (Nr. 1 Abs. 5 letzter Satz, Nr. 6.1.5. letzter Satz und Nr. 6.2.3.5). 393 Jarass, NVwz 2003, 257 (263); so wohl auch Scheuing, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 48 a, Rn. 62, der Rechtsverordnungen nach § 48a BImSchG zwar eine eigenständige Durchsetzungsmöglichkeit abspricht, diese aber als tatbestandliche Ausfüllung der Normen des BImSchG, so auch der §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 BImSchG, ansehen will. Gerhold / Weber, NVwZ 2000, 1138 (1139); s. auch Scheidler, BauR 2008, 941 (949) 388

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

es wäre widersinnig, wenn die Behörde im Einzelfall die Möglichkeit hätte, eine Genehmigung zu erteilen, die von den in einer Rechtsverordnung festgelegten Werten abweicht. Systematisch handelt es sich bei den Vorgaben der 22. BImSchV um solche im Sinne des § 6 Abs. 1 BImSchG. Bei der TA Luft handelt es sich um die untergesetzliche Klarstellung. 394 Die Vorgaben der 22. BImSchV sind deshalb strikte Genehmigungsvoraussetzungen und konkretisieren die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 BImSchG. 395 Auch die Werte der 22. BImSchV sind fixe Werte, deren Einhaltung grundsätzlich durch Sachverständige überprüft werden kann. Erforderlich ist allerdings eine Immissionsprognose im Hinblick auf die Auswirkungen der zu errichtenden Anlage, die aber im Wesentlichen sachverständige Wertungen erfordern dürfte. e) Sonstige Rechtsverordnungen Auch die Rechtsverordnungen, die auf der Grundlage anderer Vorschriften erlassen sind, sind im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beachten. Exemplarisch wird daher im Folgenden die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) 396 dargestellt. Deren Werte sind über die Verzahnungsregelung des § 3 Abs. 3 BBodSchG zu berücksichtigen, nach der schädliche Bodenveränderungen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG darstellen. Der rechtliche Gefahrenmaßstab für diese Beurteilung, d. h. die maßgeblich die Gefahrengrenze markierenden Bodenwerte und die dazugehörigen Mess- und Beurteilungsverfahren, ergibt sich aus dem BBodSchG i.V. m. der BBodSchV. 397 Als gefahrenbezogene Werte enthält die Verordnung pro Stoff und Nutzung entweder Prüf- oder Maßnahmewerte. 398 Prüfwerte sind sogenannte Schwellenwerte, im Gegensatz zu Grenzwerten, die verbindlich festgelegte Höchstwerte darstellen. Bei ihrem Überschreiten wird das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung signalisiert und die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Prüfung indiziert. 399 Ob tatsächlich eine schädliche Bodenveränderung vorliegt, (der aber darauf hinweist, dass es bei einer nur geringen Grenzwertüberschreitung unverhältnismäßig sein kann, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu verweigern). Letztlich kann sich die TA Luft nicht in der Form gegen die 22. BImSchV durchsetzen, dass sie ihre Geltung behält und lediglich zu ändern ist. 394 Jarass, NVwz 2003, 257 (264). 395 Vgl. Gerhold / Weber, NVwZ 2000, 1138 (1139), die im Hinblick auf die Werte der Richtlinien eher zu der Annahme einer Konkretisierung der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1. Nr. 1 BImSchG neigen. 396 Abgedruckt bei Landmann / Rohmer, Umweltrecht IV, Ordnungsnummer 9.2. 397 Sondermann / Hejma, in: Versteyl / Sondermann, BBodSchG, § 3 Rn. 87; s. auch Landel / Vogg / Wüterich, BBodSchG, § 3 Rn. 28. 398 Hipp / Rech / Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 332.

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ist in diesem Fall anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. 400 Eine weitergehende Bedeutung haben Maßnahmewerte, denn bei ihrem Überschreiten ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG in der Regel davon auszugehen, dass schädliche Bodenveränderungen oder eine Altlast vorliegen. Sie kennzeichnen somit im Wege einer Regelannahme die Gefahrenschwelle, 401 und sobald sie eingreifen sind dementsprechend regelmäßig Maßnahmen erforderlich. 402 Entsprechend der Einstufung als Regelannahme bewirken sie eine eingeschränkte Verbindlichkeit; es handelt sich um Richtwerte mit starker, an Grenzwerte angenäherter Verbindlichkeit. 403 Eine Widerlegung der Regelannahme setzt einen Gegenbeweis durch den Verpflichteten voraus und kann dann zutreffen, wenn die der Festlegung eines Maßnahmewertes zugrundeliegenden Annahmen, etwa über die Ausbreitung eines Schadstoffes, auf die konkrete örtliche Situation nicht zutreffen. Sowohl bei Unterschreiten der Prüfwerte (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BBodSchV) als auch der Maßnahmewerte (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BBodSchV analog) 404 ist ein Gefahrenverdacht insoweit ausgeräumt. Daneben konkretisieren die Vorsorgewerte der BBodSchV die Vorsorgeanforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG. 405 Bei den Vorsorgewerten, die insofern die Vorsorgeanforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG konkretisieren, handelt es sich um Belastungsschwellen; bei ihrem Erreichen sind Anforderungen an die künftige Verminderung und Vermeidung zu stellen 406. Dabei besteht, wie bei den Maßnahmewerten, eine Regelannahme. Zudem ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchV auch Vorsorge gegen eine Anreicherung von Schadstoffen zu

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Dombert, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht IV, § 8 BBodSchG Rn. 10. Hipp / Rech / Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 342 nennt einzelne Kriterien wie die Bodenart, die Mobilität, Bioverfügbarkeit und das Abbauverhalten von Schadstoffen unter Berücksichtigung des maßgeblichen Wirkungspfades, die Exposition und die konkrete Nutzung sowie die Schutzwürdigkeit des betroffenen Schutzgutes; s. auch Rid / Petersen, NVwZ 1994, 844 (849). 401 Sandner, NJW 2000, 2542 (2544). S. zur (widerlegbaren) Regelannahme Hipp / Rech / Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 344. 402 Hipp / Rech / Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 378. 403 Dombert, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht IV, § 8 BBodSchG Rn. 13; Rehbinder, altlasten spektrum 1997, 263 (265); Hipp / Rech / Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 345; fraglich und zweifelhaft ist, ob die dort angegebene Gegenansicht von Ott, ZUR 1994, 53 (59) tatsächlich eine andere Auffassung zum Ausdruck bringt; Rid / Petersen, NVwZ 1994, 844 (849). 404 Dombert, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht IV, § 8 BBodSchG Rn. 14. 405 Was sich letzlich daraus ergbt, dass § 11 BBodSchV die in § 3 Abs. 3 S. 2 BBodSchG enthaltene Voraussetzung erfüllt, dass eine Rechtsverordnug regelt, welche Zusatzbelastung irrelevant ist. Vgl. dazu Wasielewski, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GKBImSchG, § 6 Rn. 27; im Hinblick auf die Emissionsmassenströme enthält § 3 Abs. 3 Satz 3 BBodSchG nur eine „Soll“- Vorschrift. 406 Rid / Petersen, NVwZ 1994, 844 (849). 400

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

treffen, für die keine Grenzwerte vorliegen. Es ist dann eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Insofern in der Verordnung fest vorgegebene Werte geregelt sind, erscheint es möglich, dass Sachverständige auch mit Maßgeblichkeit für behördliche Maßnahmen deren Unterschreitung feststellen. Problematisch ist der Einzelfallbezug bei einer Überschreitung der jeweiligen Werte. So ist bei einer Überschreitung eines Prüfwertes die Feststellung erforderlich, ob eine Gefahr besteht oder nicht. In gleicher Weise ist auch im Einzelfall eine Widerlegung der mit Maßnahmewerten verbundenen Regelvermutung möglich. Zwar ist durchaus vertretbar, dass insbesondere bei den Prüfwerten auch im Einzelfall lediglich sachverständige Wertungen erforderlich sind, zumal in der Praxis bereits heute derartige Beurteilungen durch Sachverständige vorgenommen werden. Allerdings können diese Fragen im Rahmen eines Sachverständigenmodells auch zum Gegenstand einer behördlichen Entscheidung gemacht werden, etwa in Form einer isolierten Entscheidung darüber. Denkbar, vor dem Hintergrund des Gefahrenpotentials aber problematisch, wäre die Anmeldung der sachverständigen Einschätzung der Bodenveränderung. Dies würde der Behörde zumindest eine gewisse Reaktionszeit für eine eigene Einschätzung einräumen. Der präventive Spielraum könnte dann durch die Möglichkeit einer Fristverlängerung, z. B. bei Anordnung eines Gegengutachtens, erweitert werden. Gleichzeitig wäre dann zu überlegen, ob eine, und wenn ja, welche Begründungslast die Behörde bei einer Abweichung von dem Inhalt des / der Gutachten treffen würde.

6. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Verwaltungsvorschriften stellen die traditionelle Handlungsform zur Setzung technischer Anforderungen an Anlagen dar. 407 Sie haben im Umwelt- und technischen Sicherheitsrecht, insbesondere aufgrund ihrer Standardisierungsfunktion, eine weitreichende Bedeutung erlangt. 408 Diese Bedeutung wurde nicht zuletzt durch die Umsetzung des integrierten Ansatzes im untergesetzlichen Regelwerk gestärkt. 409 407 S. Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (193). 408 Di Fabio, DVBl. 1992, 1338 (1338). 409 S. dazu Amtliche Begründung zum Artikelgesetz, BR-Drs. 674/00, S. 77; vgl. Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (270). Er weist auch auf S. 271 darauf hin, dass angesichts der weiten Beurteilungs- und Wertungsspielräume den Verwaltungsvorschriften der TA Luft und der TA Lärm ein besonderes Gewicht zukomme. Dieser Ansatz der Umsetzung des integrierten Ansatzes wird damit gerechtfertigt, dass auch die BVT-Merkblätter noch medial ausgerichtet seien und zudem zusätzliche Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Einzelfall der Umwelt wenig nützen, dafür aber die Genehmigungsverfahren verlängern würden. Vgl. zu diesen Argumenten Wasielewski, ZUR 2000, 373 (377).

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Die Ermächtigungsgrundlage zu ihrem Erlass enthält § 48 BImSchG. Die auf dieser Grundlage erlassenen Verwaltungsvorschriften konkretisieren die unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzes durch generelle, dem gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug dienende Standards, die entsprechend der Art ihres Zustandekommens in hohem Maße wissenschaftlich-technischen Sachverstand und allgemeine Folgenbewertungen verkörpern. Um solche Standards handelt es sich auch bei Emissionswerten, die angeben, welche Luftverunreinigungen, die von Anlagen ausgehen, nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Maß der gesetzlich gebotenen Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen konkretisieren. 410 Im Vergleich zu der Handlungsform der Rechtsverordnung 411 wird es als Vorteil von Verwaltungsvorschriften angesehen, dass sie eine flexible Anpassung an die schnell fortschreitende technische Entwicklung ermöglichen und die Regelwerke auf der Höhe der Zeit gehalten werden können. 412 Angesichts der langen Geltungsdauer der TA Luft 1986 (bis zum Erlass der TA Luft 2002) wird die Existenz dieser Vorteile in der Praxis aber bezweifelt. 413 Es scheint eher zutreffend zu sein, den Flexibilitätsgewinn in der eingeschränkten Normativität der Verwaltungsvorschriften zu sehen. 414 Ihnen wird eine labile und gegenüber Erkenntnisfortschritten offenere Wirkung zugeordnet, die sich in einer Regelvermutung ausdrückt, im atypischen Fall oder durch neue Entwicklungen aber ausgeräumt werden kann. 415 So ermöglicht es eine Verwaltungsvorschrift eher als eine Rechtsverordnung, Spannungsverhältnissen zwischen Norm und Wirk410

BVerwG, Beschluss vom 10. 1. 1995 – 7 B 112/94, NVwZ 1995, 994. Unabhängig von den weiteren Erwägungen werden auch die Rechtsverordnungen als geeignet angesehen, die erforderliche Rechtssicherheit mit der notwendigen Flexibilisierung zu verbinden, s. Battis, JuS 1977, 162 (166). 412 Vgl. die amtliche Begründung der BReg. BT-Drs. 7/179, S. 45 (Beratung des BImSchG); Breuer, DVBl. 1978, 28 (29); Knopp, NJW 1997, 417 (417); Feldhaus, DVBl. 1981, 165 (171). S. auch die Darstellung von Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (194). 413 Dies soll zeigen, dass Verwaltungsvorschriften nicht per se flexibler sind, Seibel, BauR 2004, 774 (784); Koch, in: ders. / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 48 Rn. 76; Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1022), der auf einen Aufwand hinweist, der nicht weniger zeitaufwendig sei als bei Gesetz oder Rechtsverordnung; s. auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kapitel Rn. 76; Koch, ZUR 1993, 103 (106). Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (191 f.) weist darauf hin, dass das Instrument der Rechtsverordnung zwar nicht unangemessen schwerfällig sei, jedoch die häufig geänderten Rechtsverordnungen auch eine geringe Regelungstiefe aufweisen würden und daher wiederum nicht ohne Bezugnahme auf weitere Regelwerke auskommen würden. S. auch Lübbe, in: Schmidt (Hrsg.): Das Umweltrecht der Zukunft, S. 243 (254 f.). 414 S. auch Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (710). 415 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kapitel Rn. 76. 411

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

lichkeit gerade in atypischen Sachverhaltsgestaltungen oder bei einer Weiterentwicklung des zugrundeliegenden Umweltstandards (z. B. Stand der Technik) gerecht zu werden. 416 Kritisch ist dabei allerdings anzumerken, dass trotz dieser Einschränkungen der jeweilige Stand der Verwaltungsvorschriften in der Rechtsprechung ein gewisses Beharrungsvermögen aufweist. 417 Jedenfalls kommt diesen Verwaltungsvorschriften in der Verwaltungspraxis eine erhebliche Bedeutung zu. Sie werden faktisch wie Rechtsnormen angewandt, soweit nicht die Atypizität des Einzelfalls oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse eine Abweichung erfordern. 418 Ihre praktische Bedeutung entspricht somit, unabhängig von der im Folgenden noch näher zu untersuchenden rechtlichen Bedeutung, weitgehend derjenigen von außenrechtlich verbindlichen Vorgaben, was letztlich Folge insbesondere des erheblichen Normierungsbedarfes ist. 419 a) Allgemeines zur Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften weist insofern eine hohe Relevanz für eine Verfahrensprivatisierung auf, als davon abhängt, ob und wie die Beachtung ihres Regelungsgehalts auch ohne vermittelnde Handlung der Behörde gesichert werden kann. Allgemein handelt es sich bei Verwaltungsvorschriften um solche Regelungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Instanzen an nachgeordnete Behörden ergehen und die dazu dienen, Organisation und Handeln (z. B. Gesetzesvollzug, Ermessensausübung, Verwaltungsverfahren) näher zu bestimmen. 420 Die hier relevante Funktion der Verwaltungsvorschriften besteht darin, die technischen Regeln und Standards für die Behörden verbindlich zu machen. 421 Sie sind, soweit es sich nicht um einen atypischen Sachverhalt handelt, aufgrund ihres Weisungscharakters für diese verbindlich. 422 Grundsätzlich 416

Vgl. Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (710). Biesecke, ZUR 2002, 325 (329); s. BVerwG, Urteil v. 21. 6. 2001 – 7 C 21/00, NVwZ 2001, 1165 (1166): „Gemessen daran reichen die Feststellungen des VGH nicht aus, um den Emissionsgrenzwert der TA Luft als überholt anzusehen“. 418 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 41. 419 Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (224). 420 Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht (12. Auflage 2002, Vorauflage), § 6 Rn. 31; ders., in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts V, 3. Auflage, § 104 Rn. 4. 421 Zu den Funktionen s. Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, (12. Auflage 2002, Vorauflage), § 6 Rn. 33 ff., für die vorliegende Rn. 38; Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage, § 2 Rn. 62. Zu den Funktionen s. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 8 ff. 422 Himmelmann, Immissionsschutzrecht, in: ders. / Pohl / Tünnesen-Harms, HbUR, B1 Rn. 120. 417

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beschränkt sich ihre Wirkung somit auf den Innenbereich der Verwaltung. 423 Sie sind zwar unzweifelhaft rechtliche Regelungen und damit Rechtssätze, jedoch stellen sie keine Rechtsnormen dar. 424 Sie begründen daher für die Bürger weder Rechte noch Pflichten. Eine Bindungswirkung besteht auch nicht gegenüber den Gerichten, vielmehr gilt der Grundsatz, dass Verwaltungsvorschriften „mit materiell-rechtlichem Inhalt (...) grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Maßstab gerichtlicher Kontrolle“ sind. 425 Diesem Verständnis war auch das BVerwG verhaftet, als es feststellte, dass die auf Grund von § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften mangels normativer Geltung weder den Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage noch die Gerichte bei der Anwendung des BImSchG binden und schließlich auch gegenüber den von den Immissionen einer genehmigungsbedürftigen Anlage betroffenen Personen keine normativen Grenzlinien zwischen zulässigen und unzulässigen Immissionen ziehen. 426 aa) Die Rechtsfigur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften Im Gegensatz zu dieser klassischen, reinen Charakterisierung weisen Verwaltungsvorschriften in unterschiedlichen Gestaltungen jeweils gewisse Außenwirkungen auf. 427 Insbesondere im Bereich des Umwelt- und technischen Sicherheitsrechts wurde ein eigener Weg für die Begründung einer weitergehenden Bindungswirkung eingeschlagen und der Verwaltung ein Mandat zur Normkonkretisierung übertragen. 428 Anfänglich stufte die Rechtsprechung die auf Grund von § 48 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen als antizipierte Sachverständigengutachten ein. 429 Diese seien wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Art und Weise ihrer Er423

Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 151; Jarass, JuS 1999, 105 (105 ff.); Mrasek-Robor, Technisches Risiko und Gewaltenteilung, S. 87. Weitergehende Bindungswirkung entsteht über die Selbstbindung der Verwaltung. S. den Überblick bei Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht (12. Auflage 2002, Vorauflage), § 6 Rn. 42 ff. 424 Wenn man den Begriff der Norm als bezogen auf das Außenrecht ansieht, s. BVerwGE 55, S. 250 (255); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 3; Sendler, UPR 1981, 1 (13); Papier, DVBl. 1978, 598 (599). Ein umfassenderes Verständnis des Begriffes der „Norm“ legt Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (705), zugrunde. Zu einer Einordnung der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften in das System der Rechtsquellen s. Di Fabio, DVBl. 1992, 1338 (1342). Er kommt zu dem Ergebnis, es handele sich um einen Rechtssatz eigener Art. 425 BVerfGE 78, S. 214 (227). 426 BVerwGE 55, S. 250 (255). 427 S. dazu im einzelnen Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 20 ff. 428 Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht (12. Auflage 2002, Vorauflage), § 6 Rn. 53.

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mittlung und ihres naturwissenschaftlich fundierten fachlichen Aussagegehalts nicht nur für die Entscheidungen der Fachbehörden, sondern auch für die kontrollierenden Gerichte bedeutsam. 430 Ihre Bindungswirkung sollte sich aus dem Beweisrecht ergeben – sie waren demnach als nichtförmliche Beweismittel zu verstehen, die im Sinne eines qualifizierten Erfahrungssatzes dafür sprechen, dass die festgelegten Grenzwerte den vom Gesetzgeber normierten technischen Standard zutreffend konkretisieren. Dafür musste als gesichert gelten können, dass sie zuverlässig und nicht durch neue Erkenntnisse überholt sind, dass im Entscheidungsfall kein atypischer Sachverhalt vorliegt 431 und sie keine gravierenden Mängel aufweisen. 432 Zudem konnte sich das Gericht mit Hilfe eines förmlichen Sachverständigenbeweises darüber hinwegsetzen. 433 Kritisch wurde gegen eine Einstufung als Gutachten jedoch angeführt, dass in Verwaltungsvorschriften auch politisch – wertende Beurteilungen eingehen. 434 Sie würden einen dezisionistischen, kompromisshaften Charakter tragen und seien nicht nur auf wissenschaftlich – technisches Erkenntnisinteresse hin orientiert. 435 Darüber hinaus stelle die vorgesehene Anhörung nicht sicher, dass der Sachverstand und die repräsentative Ausgewogenheit tatsächlich ihren Niederschlag auch in den Einzelheiten der Verwaltungsvorschrift finden würden. 436 Das Ergebnis des Interessenpluralismus sei nicht notwendigerweise ein angemessenes Schutzkonzept, sondern häufig nur ein Kompromiss. 437 Auch die Verwendung des terminus technicus „Verwaltungsvorschrift“ spreche gegen einen normativen bzw. quasinormativen Charakter. 438

429 BVerwGE 55, S. 250 (256) – Voerde; s. auch OVG Münster, Urteil vom 12. 4. 1978 – VII A 1112/74, DVBl. 1979, 316. Aus der dazu existierenden Literatur s. insbesondere Breuer, DVBl. 1978, 28; ders., DVBl. 1978, Anmerkung, 598 (599); ders., NJW 1977, 1025 (1029); ders., AöR 101 (1976), 79 ff. 430 Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201 (203). 431 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 74. 432 Skouris, AöR 107 (1982), 214 (233). 433 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 42. S. zu dieser Konstruktion auch Breuer, NJW 1977, 1025 (1029) m.w. N.; ders., AöR 101 (1976), 46 (79 ff.). Mit einem Sachverständigengutachten könne untersucht werden, ob das Regelwerk nach den entsprechenden Kriterien eine sachverständige Äußerung darstelle; Skouris, AöR 107 (1982), 215 (234). 434 BVerwGE 72 S. 300 (316 f.); OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. 2. 1985 – 7 B 64/ 84, DVBl. 1985, 1322 (1323); Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 42; Sendler, UPR 1981, 1 (13); Jarass, JuS 1999, 105 (108); Kunig, in: ders. / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 12 Rn. 29; Papier, FS Lukes, S. 159 (161); Koch, ZUR 1993, 103 (104). 435 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 74; ders., VerwArch 76 (1985), 371 (396). 436 Breuer, DVBl. 1978, 28 (34). 437 Rittstieg, NJW 1983, 1098 (1099). 438 Kloepfer, VerwArch 76 (1985), 371 (396).

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In der Folgezeit wurde im Atomrecht die Figur der „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift“ entwickelt, 439 die die Rechtsfigur des antizipierten Sachverständigengutachtens ersetzte. Trotz verschiedentlich geäußerter Bedenken 440 hat die Rechtsprechung nach anfänglichem Zögern 441 den vielfach geäußerten Forderungen nach einer Übertragung auf andere Rechtsgebiete 442 nachgegeben und die TA Luft als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift anerkannt, 443 die eine Bindungswirkung auch für die Gerichte entfaltet. 444 Dabei hat das 439 BVerwGE 72, S. 300 (321) – sogenanntes Whyl-Urteil; BVerwG, Beschluss v. 21. 3. 1996 – 7 B 164.95 NuR 1996, 522 (523); s. dazu auch Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 65 ff. 440 S. zu Zweifeln an der Übertragbarkeit auch Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (707 ff.), der allerdings der Kritik damit begegnet, dass § 48 BImSchG einen Beurteilungsspielraum nur für die abstrakte Konkretisierung enthalte und somit die Einzelfallentscheidung im Rahmen des Immissionsschutzrechts außerhalb dieser Verwaltungsvorschriften weiterhin voll gerichtlich überprüfbar sei. Die Notwendigkeit einer weitergehenden gesetzlichen Normierung des Verfahrens sieht Ladeur, UPR 1987, 253 ff. (insbes. 259 f.). S. auch Gerhardt, NJW 1989, 2234 ff.; Gusy, DVBl. 1987, 497 ff.; Wallerath, NWVBl. 1989, 153 ff. Ablehnend zu dieser Konstruktion Koch, ZUR 1993, 103 (104 ff.); Bönker, DVBl. 1992, 804 (808 f.) hält die Festlegung von Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften für unvereinbar mit dem Gesetzesvorbehalt. Kritisch im Hinblick insbesondere auf die Gewaltenteilung auch Wolf, DÖV 1992, 849 (856). Ablehnend wohl auch Guttenberg, JuS 1993, 1006 (1010). Gegen die Annahme einer über die Figur der Selbstbindung der Verwaltung hinausgehenden Bindungswirkung auch Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn. 58. 441 BVerwG, Beschluss v. 15. 2. 1988 – 7 B 219.87, DVBl. 1988, 539 (539) = UPR 1988 264. S. auch zu einer nur zögerlichen Reaktion des BVerfG Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2234); Koch, ZUR 1993, 103 (105). Allerdings ist auch auf den so genannten Buschhaus-Beschluss des OVG Lüneburg hinzuweisen, das schon im Jahr 1985 von einer über den Bereich der Verwaltung hinausgehenden, auch in gerichtlichen Verfahren zu beachtenden Bindungswirkung der TA Luft sprach, Beschluss v. 28. 2. 1985 –7 B 64/84, DVBl. 1985, 1322 (1323). 442 S. dazu Hill, NVwZ 1989, 401 ff.; Erbguth, DVBl. 1989, 473; Breuer NVwZ 1988, 104 (112 ff.); Jarass, NJW 1987, 1225 ff. So hat auch Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2238) die Anforderungen an das Verfahren im Rahmen des § 48 BImSchG als erfüllt angesehen; wohl auch in dieser Hinsicht Vallendar, UPR 1989, 213 (215). 443 BVerwG Urteil vom 21. 6. 2001 – 7 C 21.00, UPR 2001, 448; BVerwGE 110, S. 216 (218); BVerwGE 114, S. 342 (344); BVerwG Beschluss v. 10. 1. 1995 – 7 B 112.94, DVBl. 1995, 516; BVerwG, Beschluss vom 21. 3. 1996 – 7 B 164.95, NuR 1996, 522; BVerwG, Beschluss v. 31. 8. 1996 – 7 VR 2/96, NVwZ 1997, 497 ff.; VGH Mannheim, Urteil v. 28. 6. 1995 – 10 S 2509/93, VBlBW 1996, 56 ff.; OVG Münster, Urteil v. 9. 7. 1987 – 21 A 1556/86, DVBl. 1988, 152 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss v. 28. 2. 1985 – 7 B 64/84, DVBl. 1985, 1322 ff.; s. Hinweise auf Rechtsprechung auch zu anderen Verwaltungsvorschriften bei Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 44 Fn. 89. Zur TA Luft s. BVerwG, Urteil v. 29. 8. 2007 – 4 C 2.07, BauR 2008, 332 (333) = ZUR 2008, 32 (32) = UPR 2008, 61 (62). 444 BVerwGE 107, S. 338 (341); BVerwG, Beschluss v. 15. 2. 1988 – 7 B 219/87, NVwZ 1988, 824 (825); BVerwG, Beschluss v. 10. 1. 1995- 7 B 112/94, NVwZ 1995, 994; BVerwG, Beschluss v. 15. 2. 1988 – 7 B 219/87, DVBl. 1988, 539 (539); Jarass,

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

BVerwG aber weniger auf die Rechtsverbindlichkeit, sondern nur noch auf die eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit abgestellt. 445 Es hat an die normative Ermächtigungslehre angeknüpft und bei der Anerkennung von Beurteilungsspielräumen eine funktionsgerechte Abgrenzung von exekutivischen und gerichtlichen Kompetenzen vorgenommen. 446 Die Befugnis und der Auftrag zum Erlass einer derartigen Verwaltungsvorschrift werden dann angenommen, wenn die Anwendung der Norm im Einzelfall von einer zwischengeschalteten Regelung abhängt, die die von der Norm erfassten Sachverhalte, Bezüge und Belange wertend, optimierend, gegebenenfalls quantifizierend in ein anwendungsfähiges Programm umsetzt, wobei dieses auch Besonderheiten von Einzelfällen und abweichende Problemlösungen einschließt. 447 Die Verwaltungsvorschrift muss dann Vorgaben enthalten, die dem gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug dienen. Sie muss entsprechend der Art ihres Zustandekommens in hohem Maße wissenschaftlich-technischen Sachverstand und allgemeine Folgenbewertungen verkörpern. 448 Sie beinhaltet dabei generalisierende tatsächliche Festlegungen und sachverständige Wertungen. 449 Die mit diesen Verwaltungsvorschriften verknüpfte Bindungswirkung wird an mehrere Voraussetzungen geknüpft. Vereinfachend wird diese teilweise an drei Kriterien bzw. Modalitäten festgemacht, und zwar: (1.) der Qualität der Entscheidung (Mitwirkung der „beteiligten Kreise“, d. h. des gebündelten naturwissenschaftlich-technischen Sachverstands), (2.) der Qualität des Entscheidenden (Entscheidung durch die hierzu legitimierte oberste Stelle der Exekutive) und (3.) der Form der Entscheidung. 450 Die Voraussetzungen einer Bindungswirkung können aber noch weitergehend wie folgt differenziert werden: 451 BImSchG, § 48 Rn. 42 ff.; ders., JuS 1999, 105 (110); Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (706). 445 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 44, die auch auf eine Zurückhaltung des BVerfG gegenüber der Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte hinweisen. Siehe aber auch BVerwG, Urteil v. 29. 8. 2007 – 4 C 2.07, in dem von einer „im gerichtlichen Verfahren zu beachtenden Bindungswirkung“ gesprochen wird. 446 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 43. 447 Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2236). 448 Jarass, JuS 1999, 105 (109). Zu der Legitimationskraft des zu beachtenden Verfahrens s. auch schon OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. 2. 1984 – 7 B 64/84, DVBl. 1985, 1322 (1323). 449 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 40. 450 Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1020, 1021 f.). 451 S. dazu Wahl, NVwZ 1991, 409 (insbesondere 412); Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 45; Sparwasser, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 1017 (1035); Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2237). Ähnliche Kriterien, allerdings lediglich zur Begründung eines Erfahrungssatzes, nennt Rittstieg, NJW 1983, 1098 (1100). Einen Ausschnitt daraus nennt Jarass, JuS 1999, 105 (109). S. auch Wolf, DÖV 1992, 848 (851), der zusätzlich zu den nachfolgend genannten Kriterien auch noch einen außengerichteten Regelungsinhalt nennt.

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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• Die Konkretisierung von Umweltstandards durch Verwaltungsvorschriften muss gesetzlich angeordnet sein. Durch diese normative Ermächtigung wird sichergestellt, dass die erlassenen Vorschriften im Außenverhältnis durch eine gewisse demokratische Legitimation getragen sind. 452 Sie wird auch als Anknüpfungspunkt für die aus dogmatischer Sicht verlangte Annahme einer Beurteilungsermächtigung genommen. 453 • Die Anerkennung als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift wird dabei auch an Verfahrensmodalitäten geknüpft, insbesondere an die geordnete Organisation des Verfahrens der Standardisierung. Die Vorschriften werden dann von einer verfahrensrechtlichen Richtigkeitsgewähr getragen. 454 Dabei wird gerade die Einbeziehung der beteiligten Kreise als geeignet zur Mobili452 S. dazu auch eingehender Jarass, JuS 1999, 105 (108), der es in dieser Hinsicht allerdings als ausreichend ansieht, wenn das Gesetz ausdrücklich die Regelung einer Materie durch Verwaltungsvorschriften vorsieht. Gleichzeitig verortet er die demokratische Legitimation auch bei dem zuständigen Erlassorgan, das demokratisch legitimiert sein muss. Ders., NJW 1987, 1225 (1229); ders., in: Lukes (Hrsg.): Reformüberlegungen zum Atomrecht, S. 367 (382); s. auch zu der Ableitung von Beurteilungsspielräumen aus Gesetzesvorschriften Papier, DÖV 1986, 621 (625 f.). Kritisch zu dieser Begründung Erbguth, DVBl. 1989, 473 (insbesondere 485), der einen eigenen Funktionsbereich der Verwaltung annimmt, der die Bewertung außerrechtlicher Vorgaben für den Gesetzesvollzug, also außerrechtliche Erkenntnisungewissheiten, als den entscheidenden Anknüpfungspunkt ansieht; ähnlich auch Hill, NVwZ 1989, 401 (409). 453 Die Bezeichnungen variieren; s. dazu unten. S. dazu jedenfalls Papier, FS Lukes, S. 159 (162). Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2237) stellt noch mehr auf die Art der erforderlichen Normkonkretisierung sowie die Fähigkeit der Verwaltungsgerichte zur sachadäquaten Normkonkretisierung ab. Zum Erfordernis eines Beurteilungsspielraums s. Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (706 ff.); zu dem der Exekutive bei dem Erlass der TA Luft zustehenden Beurteilungsbereich s. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. 2. 1985 – 7 B 64/84, DVBl. 1985, 1322 (1323). Hansmann, in: Salzwedel (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kapitel 09, Rn. 6, spricht davon, dass der Gesetzgeber sich auf allgemeine Anforderungen beschränkt hat und die Aufgabe der Normkonkretisierung bewusst dem untergesetzlichen Vorschriftengeber übertragen hat (s. auch in der Folgeauflage Kap. 6 Rn. 98). Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (709) verlangt für die Annahme eines Beurteilungsspielraums, dass politische Organe handeln. 454 OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. 2. 1985 – 7 B 64/84, DVBl. 1985, 1322 (1323) m.w. N. Zu nennen ist hier insbesondere eine vorausgegangene Anhörung beteiligter Kreise. Breuer, NVwZ 1990, 211 (222) verlangt, dass das Erlassorgan in einem geordneten und nachvollziehbaren Verfahren zunächst den naturwissenschaftlichen und technischen Sachverstand eingeholt und darauf die teils kognitive, teils wertende und volitive Festlegung gestützt hat. Detailliert zu Anforderungen an die Transparenz und das Verfahren Salzwedel, NVwZ 1987, 276 (278 f.); Hill, NVwZ 1989, 401 (408); Jarass, JuS 1999, 105 (108); ders., in: Lukes (Hrsg.): Reformüberlegungen zum Atomrecht, S. 367 (383); ders., NJW 1987, 1225 (1229); v. Lersner, NuR 1990, 193 (195 ff.); Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, S. 108 ff. Kritisch zur Transparenz und Offenheit des Verfahrens auch Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (195); nach seiner Ansicht dient das Verfahren eher der Interessendurchsetzung, insbesondere ökonomischer und sozialer Belange, und damit nicht den technischen Belangen, womit er die Legitimationswirkung

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• • •





Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

sierung des die besondere Exekutivkompetenz rechtfertigenden Sachverstands angesehen. 455 Es muss eine gewissen Mindestanforderungen genügende Begründung vorhanden sein. 456 Die Regelwerke müssen in einem für amtliche Bekanntmachungen vorgesehenen Veröffentlichungsorgan rechtsstaatskonform veröffentlicht werden. 457 Die Verwaltung muss in relevanter Weise die Empfehlungen und Vorschläge von Sachverständigen bestätigen, gegebenenfalls auch unter eigener Verantwortung die kompetenten Aussagen sachverständiger Experten modifizieren. Erforderlich ist in jedem Fall eine tatsächliche Orientierung am Sachverstand. 458 Die Standards müssen willkürfrei ermittelt sein. Sie müssen von hinreichend konservativen Annahmen ausgehen, und die Verwaltung darf sich nicht blind auf eine herrschende Meinung verlassen, sondern es müssen alle wissenschaftlich und technisch vertretbaren Erkenntnisse berücksichtigt werden. Der Inhalt der Standards darf nicht veraltet, widerlegt oder erschüttert sein.

Verwaltungsvorschriften, die die oben genannten Bedingungen erfüllen, entfalten keine absolute Bindungswirkung für die Gerichte. Eine solche besteht vielmehr nicht in den drei folgenden, von den Gerichten zu überprüfenden Konstellationen: 459

bezweifelt. Gleichzeitig weist er auf § 159 Abs. 1 ProfE-UGB hin, der diese Anforderungen den für den Erlass von Rechtsverordnungen geltenden angleichen sollte. S. auch Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2238 f.). Aus verfassungsrechtlicher Perspektive, basierend auf einem Kompensationsgedanken, s. Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (224 ff.). Kritisch setzt sich Lübbe, in: Schmidt (Hrsg.): Das Umweltrecht der Zukunft, S. 243 (246 ff.) mit den Verfahrensanforderungen nach §§ 158 ff. UGB-AT des Professorenentwurfs auseinander und verlangt zahlreiche verfahrensrechtliche Vorkehrungen, die allerdings auch nach ihrer eigenen Einschätzung der Flexibilität abträglich wären. 455 Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (195), der es auch als das zu diesem Zeitpunkt in Hinblick auf die Breite des vertretenen Sachverstands, auf Pluralität und Ausgewogenheit des vertretenen Sachverstands beste Verfahren bezeichnete. S. zu dem besonderen Gewicht einer Verwaltungsvorschrift aufgrund der Anhörung der beteiligten Kreise auch Sendler, UPR 1993, 321 (326). Aus dem besonderen Sachverstand wird auf eine Richtigkeitsgewähr geschlossen, Kunig, in: ders. / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 12 Rn. 29. 456 S. dazu Salzwedel, NVwZ 1987, 276 (279). S. auch Breuer, NVwZ 1990, 211 (222), der verlangt, dass die Ermittlungs- und Bewertungsanteile einerseits des herangezogenen Sachverstands und andererseits der Exekutive offengelegt werden sollten. S. auch Hill, NVwZ 1989, 401 (408). 457 Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (159). 458 S. dazu Gusy, DVBl. 1987, 497 (502 ff.). 459 S. Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (709); s. dazu auch Jarass, JuS 1999, 105 (110); s. dazu auch Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutz-

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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• Bei nachweisbar fehlerhaften Bewertungen und einer Missachtung gesetzlicher Vorgaben. Der Normgeber muss von einem zutreffenden Verständnis der zu interpretierenden Rechtsvorschrift ausgegangen sein. 460 Es gilt der Vorrang des Gesetzes und daraus abgeleitet die Grenze der Rechtswidrigkeit. Neben der inhaltlichen Einhaltung der normativen Vorgaben ist auch die Einhaltung der Vorgaben an das Verfahren zu überprüfen. 461 • Bei Vorliegen eines atypischen Sachverhalts, also bei einem Sachverhalt, den „der Vorschriftengeber bei der von ihm notwendigerweise anzustellenden generellen Betrachtung nicht regeln konnte oder wollte“. 462 • Bei Überholung durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik. 463 Letzteres erfordert allerdings konkret feststellbare gesicherte Erkenntnisfortschritte; 464 die neuen wissenschaftlichen Kenntnisse müssen sich in gewisser Weise verfestigt haben. 465 Dafür müssen unter Berücksichtung aller zu dem Progesetz, S. 185 (202 f.). S. dazu auch ausführlich Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2239 f.); Erbguth, DVBl. 1989, 473 (486); Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6, Rn. 103; Hill, NVwZ 1989, 401 (409 f.); Lübbe-Wolff, DÖV 1987, 896 (898). Kunig, in: ders. / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 12 Rn. 30, 31, sprechen vor diesem Hintergrund von einer begrenzten Außenverbindlichkeit. 460 Hansmann, in: Salzwedel (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kapitel 09 Rn. 6; BVerwG, Beschluss v. 15. 2. 1988 – 7 B 219/87, NVwZ 1988, 824; BVerwG, Urteil v. 21. 6. 2001 – 7 C 21/00, NVwZ 2001, 1165; Hill, NVwZ 1989, 401 (409 f.) legt in diesem Zusammenhang besonderen Wert sowohl auf willkürfreie Ermittlungen als auch auf willkürfreie Bewertungen. 461 Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2239). 462 OVG Lüneburg, Beschluss v. 28. 2. 1985 – 7 B 64/84, DVBl. 1985, 1322 (1323). Vgl. auch Dolde, NVwZ 1986, 873 (880). 463 Teilweise kann die Rechtsprechung dahingehend verstanden werden, dass die Verwaltungsvorschriften dann, wenn sie durch den Erkenntnisfortschritt überholt sind, als rechtswidrig anzusehen sind („wenn sie damit den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden“); vgl. BVerwG, Beschluss v. 21. 3. 1996 – 7 B 164.95, NuR 1996, 522 (523). Allgemein zu dieser Anforderung s. des weiteren BVerwG, Beschluss v. 10. 1. 19957 B 112/94, NVwZ 1995, 994; BVerwG, Beschluss v. 22. 10. 1996 – 7 B 132/96, NVwZ-RR 1997, 279; BVerwG, Beschluss v. 15. 2. 1988 – 7 B 219.87 –, DVBl. 2000, 539; VGH Mannheim, Urteil v. 10. 7. 2000 – 10 S 792/99, DVBl. 2000, 1865 (1867). S. auch Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 52; Hatje / Hansmersmann, in: Kotulla (Hrsg.): BImSchG, § 48 Rn. 53; BVerwGE 55, S. 250 (258); BVerwG, Beschluss v. 15. 2. 1988 – 7 B 219/ 87, NVwZ 1988, 824; OVG Lüneburg, Beschluss v. 28. 2. 1985 –7 B 64/84, DVBl. 1985, 3122 (1323); Gusy, NVwZ 1995, S. 105 (111). 464 VGH Mannheim, Beschluss v- 29. 6. 1994 – 10 S 2510/93, NVwZ 1995, 292 (294); s. auch BVerwG, Urteil vom 21. 6. 2001 – 7 C 21.00, UPR 2001, 448 (449). Diese müssen sich auf die der Verwaltungsvorschrift zugrundeliegenden Annahmen beziehen, Jarass, JuS 1999, 105 (111). 465 Jarass, JuS 1999, 105 (111). Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, dass die neuen Erkenntnisse bereits zu brauchbaren Alternativen für eine Normanwendung oder gar -konkretisierung geführt haben, BVerwG, Beschluss vom 21. 3. 1996 – 7 B 164.95, NuR 1996, 522 (523).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

blem vertretenen Auffassungen die der Verwaltungsvorschrift zugrunde liegenden Annahmen als widerlegt oder doch als zentral in Frage gestellt einzustufen sein. 466 Der erforderliche Vergleich des Erkenntnisstandes bei Erlass zu dem derzeitigen Stand der Technik bezieht sich nicht nur auf die technische Machbarkeit emissionsbegrenzender Maßnahmen, sondern auch den dafür notwendigen wirtschaftlichen Aufwand. 467 Neuere Regelwerke erbringen nicht stets den Nachweis inzwischen vorhandener fortschrittlicher Verfahren, 468 allerdings ist ihr Vorliegen ein Indiz für neue Erkenntnisse. 469 Daher können sogar private Normungen dazu führen, dass Verwaltungsvorschriften unangewendet bleiben. 470 Zudem wird angenommen, dass die Bindungswirkung von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften tendenziell mit ihrem Alter abnimmt. 471 Jedenfalls bestehen hohe Anforderungen an die Feststellung eines derartigen Erkenntnisfortschrittes. 472 Vor diesem Hintergrund wird der Geltungsvorbehalt vereinzelt auch als Farce bezeichnet. 473 Sobald aufgrund einer der genannten Konstellationen die Bindungswirkung entfällt, sind die jeweils maßgebenden Normen des förmlichen Gesetzes eigenständig auszulegen und anzuwenden. Daneben kann eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift selbst eine Begrenzung ihrer eigenen Bindungswirkung beinhalten, indem sie zu schärferen Werten ermächtigt, sei es durch ausdrückliche Öffnungsklauseln oder eine Bezeichnung der Werte als Richtwerte. bb) Der Umfang der Bindungswirkung Sobald entsprechend der oben genannten Voraussetzungen eine Bindungswirkung einer Verwaltungsvorschrift besteht, schließt sich daran die Frage nach 466 Jarass, JuS 1999, 105 (111); Niederstadt, ZUR 1997, 211 (212) verlangt, dass sie wissenschaftlich widerlegt oder veraltet ist. 467 BVerwG Urteil vom 21. 6. 2001 – 7 C 21.00, UPR 2001, 448. 468 BVerwGE 77, S. 286 (290 f.); s dazu auch Gusy, in: Donner / Magoulas / Simon / Wolf (Hrsg.): Umweltschutz zwischen Staat und Markt, S. 241 (251 f.); ders., NVwZ 1995, 105 (111). Andere wiederum sehen diese jedenfalls als Indiz für neue Erkenntnisse an; s. OVG Münster, Urteil v. 12. 4. 1978 – VII A 1112/74, DVBl. 1979, 317; es muss sich um gesicherte neue Erkenntnisse handeln, VG Koblenz, Urteil v. 4. 3. 1986 – 7 A 17/83, NVwZ 1988, 176 (178). 469 OVG Münster, DVBl. 1979, 317; VG Koblenz, NVwZ 1988, 178. 470 S. auch Feldhaus, JUTR 2000, UTR Band 54, S. 169 (173). 471 Jarass, JuS 1999, 105 (111); Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, S. 166 ff. 472 S. auch Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (203); s. dazu auch Faßbender, UPR 2001, 15 (18 f.). BVerwGE 77, S. 285 (290 f.); dazu Gusy, in: Donner / Magoulas / Simon / Wolf (Hrsg.), Umweltschutz zwischen Staat und Markt, S. 241 (251 ff.); Gusy, NVwZ 1995, 105 (111). 473 Faßbender, UPR 2002, 15 (18).

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ihrer inhaltlichen Reichweite an. Dabei geht es nicht um die oben dargestellten Grenzen der Bindungswirkung, aufgrund derer den Verwaltungsvorschriften mit Außenwirkung eine, wenn auch gegenüber herkömmlichen Rechtssätzen abgeschwächte Bindungskraft bzw. -wirkung zukommt. 474 Für die Privatisierung ist vielmehr von Bedeutung der Umfang der Bindungswirkung in den Fällen, in denen diese grundsätzlich besteht und ihre Grenzen nicht erreicht sind. Falls es nämlich noch eines vermittelnden staatlichen Aktes bedarf, um eine Bindungswirkung auch gegenüber den Bürgern herzustellen, bestünde im Rahmen einer Privatisierung die Gefahr, dass die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und ihre Regelungen leer laufen. Daher sind ihre Wirkungen im Verhältnis zum Bürger, also das Ausmaß ihrer „Bürgergerichtetheit“ 475 zu untersuchen. Entscheidend ist die Frage, ob ihre Außenwirkung auch zu einer unmittelbaren Bindung der Bürger führt. Andernfalls erlangen sie für den Bürger nur aufgrund von Einzelfallentscheidungen Beachtlichkeit, zumal diese weder gegenüber den Behörden noch gegenüber den Gerichten andere Maßstäbe für ihr Vorhaben durchsetzen können. Für eine nähere Analyse dieser Frage der außenwirksamen Realisierung des Gesetzesinhalts und zur Ermittlung des verfassungskonformen Umfangs der Bindungswirkung im Verhältnis zu dem einzelnen betroffenen Bürger ist auf den rechtsdogmatischen Anknüpfungspunkt für normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften einzugehen. Den Äußerungen in der Literatur lässt sich in dieser Hinsicht kein eindeutiges Ergebnis entnehmen. 476 (1) In den „traditionelleren“ Begründungsansätzen wurde die Außen- und Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften über die Grundsätze der mittelbaren Außenwirkung sowie den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutz begründet. 477 Allerdings können beide Begründungsansätze letztlich zwar eine mittelbare Bindungswirkung begründen, aber keine unmittelbare Bindungswirkung im Verhältnis zu den Bürgern und zu den Gerichten. Dies resultiert daraus, dass sie letztlich indirekt nur an eine Praxis der Verwaltung anknüpfen, 474 Erbguth, DVBl. 1989, 473 (478); Ossenbühl, Festgabe 25 Jahre Bundesverwaltungsgericht, S. 433 ff. 475 Diesen Begriff verwendet auch Erbguth, DVBl. 1989, 473 (487). 476 Siehe aus neuerer Sicht bspw. Saurer, VerwArch 96 (2006), 249 ff., der die unterschiedlichen Begründungsansätze nebeneinander stellt und damit letztlich auch aufzeigt, dass noch keine gemeinsame dogmatische Basis gefunden worden ist. Die stete Fortentwicklung zeigt sich auch an dem Beitrag von Wahl, in: Festgabe BVerwG, 571 (598), in dem Wahl vor dem Hintergrund der europarechtlichen Erfordernisse und zwecks einer sinnvollen Fortentwicklung letztlich den Wegfall des Ausnahmevorbehalts vorschlägt. 477 Saurer, VerwArch 96 (2006), 249 (254) m.w. N. Zur Kritik an diesem Ansatz, insbesondere vor dem Hintergrund, dass trotz der anderslautenden Begründungsansätze letztlich doch auf den durch die Verwaltungsvorschrift verlautbarten Willensakt der Verwaltung abgestellt wird, siehe Beckmann, DVBl. 1987, 611 (616).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

aber keine eigenständige Befugnis der Verwaltung zur Rechtssetzung begründen können. (2) Einer der beiden dogmatischen Ansätze zur Begründung der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften knüpft an ein bestimmtes Verständnis der Funktionsteilung und Funktionenverteilung zwischen Legislative und Exekutive an. Die Befugnis der Exekutive zur Setzung von Standards ist das Ergebnis einer funktionell-strukturellen Betrachtung, nach der aus dem entsprechenden Funktionsbereich der Verwaltungsorgane eine selbständige administrative Regelungsgewalt und somit die Befugnis zum Erlass originären Administrativrechts mit Außenwirkung abgeleitet wird. 478 Darauf aufbauend, soll dem Inhalt von Verwaltungsvorschriften als solchem Bindungswirkung gegenüber den Bürgern zuerkannt werden; 479 das Entscheidungsprogramm soll somit unabhängig von einer Umsetzung durch Einzelakt Verbindlichkeit beanspruchen. Die Bindungswirkung wird zum Teil auch dogmatisch mit einer Selbstbindung der Verwaltung begründet, die danach schon durch einen administrativen Normsetzungswillen begründet werden kann. 480 478 Vgl. Hill, NVwZ 1989, 401 (402 ff.); s. auch Beckmann, DVBl. 1987, 611 (617); in dieser Hinsicht wohl auch Erbguth, DVBl. 1989, 473 (478 ff., insbes. 480 ff.), nach dem die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften auf eine strikte Beachtlichkeit hin angelegt sind; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 40 f.; vgl. auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 166 ff., 187 ff., 208 ff., 502 ff.; ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht (12. Auflage 2002, Vorauflage), § 6 Rn. 30, 42 ff.; ders., in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 3. Auflage, § 104 Rn. 12 f., 48 ff., 58 f.; Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 ff.; vgl. Bönker, DVBl. 1992, 804 (807); Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 94 ff.; vgl. dazu auch Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 354, 356; s. auch BVerfGE 40, S. 237 (248). S. auch Wahl, in: Festgabe BVerwG, S. 571 (583) zu dem Verständnis dieses Ansatzes als „administratives Ergänzungsrecht“; siehe dazu auch m.w. N. Leisner, JZ 2002, 219 (224). Zu einer Analyse unter funktionaler Betrachtung der Judikative siehe Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 363 ff. 479 Vgl. Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (161). Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die Vertreter dieser Auffassungen selbst selten von einer derartigen unmittelbaren Außenwirkung sprechen. Es scheint, als beruhe dies eher auf einer Interpretation durch Dritte. 480 S. vor allem Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts V, § 104 Rn. 53 ff. S. wohl auch Wolf, DÖV 1992, 849 (858); Guttenberg, JuS 1993, 1006 (1010); Menger, VerwArch 53 (1962), 390 (393) nimmt zwar ebenfalls an, dass die Verwaltung durch Verwaltungsanordnung einen Vergleichsmaßstab schaffen kann, geht jedoch nicht so weit, daraus eine Bindungswirkung auch nur für die Gerichte abzuleiten. Etwas unklar Zacher, Aussprache, VVdStRL 24 (1965), S. 234 (237 f.), der eine Rechtssetzungsbefugnis der Verwaltung ablehnt und eine Außenwirkung unter dem Aspekt der Selbstbindung für möglich hält. Dabei lässt er die Hintergründe offen, da er die dahin gehenden Entscheidungen als Reaktion auf Fehlentwicklungen ansieht. Oldiges, NJW 1984, 1927 (1930 f.) hält die Konstruktion anhand des administrativen Normsetzungswillens

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Eine derartige Kompetenz der Verwaltung wird allerdings nicht uneingeschränkt angenommen. Nach einem Ansatz besteht diese Möglichkeit nur im autonomen Gestaltungsbereich der Verwaltung, der von dem gesetzesgebundenen zu unterscheiden ist. Letzterer liegt bei einer abschließenden Regelung durch den Gesetzgeber vor. Eine solche liegt nach dieser Auffassung im Rahmen des § 48 BImSchG nicht vor, so dass ein Gestaltungsbereich der Verwaltung besteht, die somit außenwirksame Verwaltungsvorschriften erlassen darf. 481 Nach einem weiteren Ansatz besteht gerade dann ein Spielraum für außenverbindliche Verwaltungsvorschriften, wenn die wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber gefällt worden sind, die Verwaltung aber in Ausübung ihres eigenen Tätigkeitsbereichs unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisiert 482 und somit im Sinns des Grundgesetzes „unwesentliche Fragen“ regelt. Insofern wird der Wesentlichkeitslehre eine orignäre, d. h. nicht vom Gesetzgeber abgeleitete Rechtsetzungsgewalt der Exekutive für nicht-wesentliche Materien entnommen. 483 Dieser Ansatz scheint wie zugeschnitten auf die Verwaltungsvorschriften des Technik- und Umweltrechts, so dass danach die Befugnis der Exekutive zur Setzung originären Administrativrechts auch im Rahmen des § 48 BImSchG besteht. Insgesamt kann dieser auf den Funktionsbereich der Exekutive abstellende Ansatz eine unmittelbare Außenwirkung kaum zu begründen. Zwar ist die Existenz der Exekutive mit ihrer eigenen Funktionalität Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsprinzips. Angesichts der im Übrigen ausdrücklichen Regelung der Setzung außenverbindlichen Rechts erscheint es als unzureichend, eine Zuweisung derartiger Kompetenzen an die Exekutive allein mit ihrem Funktionsbereich zu begründen. Erforderlich ist ein weiterer, diese Kompetenz rechtfertigender Rechtsakt. 484

zwar für verfassungsrechtlich unzulässig, scheint aber einen Mittelweg zwischen dieser und der Selbstbindung aufgrund (antizipierter) Verwaltungsübung für angemessen zu halten, da er durchaus einen Entscheidungscharakter bejaht. Demgegenüber die tatsächliche Praxis als Anknüpfungspunkt für die Selbstbindung in den Vordergrund rückend BVerwGE 44, S. 1 (6); BVerwG, Beschluss v. 11. 10. 1985 – 1 B 102.85, DVBl. 1986, 110 (111); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 21. 481 S. Beckmann, DVBl. 1987, 611 (615 ff.). 482 Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (insbesondere 270 ff.); Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S. 69 f.; siehe weitere Nachweise bei Wahl, in: Festgabe BVerwG, S. 571 (583 Fn. 48). Allerdings erscheint es als fraglich, ob auf der Ebene der Verfassung ein derartiger Umkehrschluss zulässig ist, zumal der Wesentlichkeitsvorbehalt sich auch spezifisch auf das Parlament bezieht. 483 Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 304. Kritisch dazu Leisner, JZ 2002, 219 (224); dort auch weitere Nachweise zu diesem Ansatz. 484 S. Erbguth, DVBl. 1989, 473 (479); s. dazu sowie zu den einzelnen Begründungselementen auch Saurer, VerwArch 96 (2006), 249 (255 ff.).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

(3) Ein anderer Ansatz zur Begründung einer derartigen Befugnis der Exekutive ist die normative Ermächtigungslehre, 485 nach der diese Befugnis aus einer gesetzlichen Standardisierungs- oder Beurteilungsermächtigung abgeleitet wird. 486 Sie wird als Weiterentwicklung der Lehre vom Beurteilungsspielraum und des antizipierten Sachverständigengutachtens angesehen. 487 Grundlage ist die Annahme, dass der Gesetzgeber dazu befugt ist, eine Kompetenzentscheidung dahingehend zu treffen, dass er eine Entscheidung letztlich nicht vollständig und eindeutig fixiert, sondern der Verwaltung einen Spielraum einräumt und ihr die Kompetenz zur letztverbindlichen Entscheidung zuweist. 488, 489

485 Zur normativen Ermächtigungslehre Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 188 ff., insbesondere Rn. 206a zu den TAs; Schuppert, DVBl. 1988, 1200; Kind, DÖV 1988, 679 (680 f.) mit umfangreichen weiteren Nachweisen; Wahl, NVwZ 1991, 409 (410 ff.); er spricht auch von einem Siegeszug der normativen Ermächtigungslehre, s. ders., VBlBW 1988, 387 (389); s. auch ders., in: Festgabe BVerwG, S. 571 (578 ff.); wohl auch Gebhardt, NJW 1989, 2233 (2237); s. auch Nachweise besonders im Hinblick auf § 48 BImSchG bei Lübbe-Wolff, DÖV 1987, 896 (898 Fn. 12). Lübbe-Wolff erkennt wohl grundsätzlich eine derartige normative Ermächtigungslehre an, hält es aber vor deren Hintergrund für verfassungswidrig, wenn die Anwendung einer Norm gesetzlich von einer Ausfüllung durch die Verwaltung im Wege des Erlasses von Verwaltungsvorschriften abhängig gemacht wird. 486 BayVGH, Urteil vom 20. 7. 1994 – Az. 20 A 92.40087 u. a., BayVBl. 1995, 531 (533); von Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (92 f.); Di Fabio, DVBl. 1992, 1338 (1345), der daraus ableitet, dass sie gerichtlich wie Vollzugsentscheidungen mit eingeräumten Entscheidungsfreiheiten zu kontrollieren sind; Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 45, der auch die Unterscheidung zwischen dem Beurteilungsspielraum (für den Einzelfall) und dem Standardisierungsspielraum (für die abstrakt-generelle Konkretisierung) anspricht. Zudem argumentiert er, dass auch § 52a Abs. 1 S. 1 BImSchG von dem Bestehen eines Standardisierungsspielraums ausgehe, da er von den Pflichten der Anlagenbetreiber aufgrund allgemeiner Verwaltungsvorschriften spreche; Hill, NVwZ 1989, 401 (403); Leisner, JZ 2002, 219 (228). Für einen Standardisierungsspielraum bei der Ermächtigung nur zum Erlass abstrakt genereller Regelungen zur Konkretisierung Breuer, NVwZ 1990, 211 (222); s. dazu auch Jarass, NJW 1987, 1225 (1229). Etwas weit geht Wolf, DÖV 1992, 849 (851), wenn er diese Ansicht dahingehend versteht, dass damit Spielräume zur Setzung allgemeinverbindlicher Regeln eröffnet werden würden. Zu einer netzwerktheoretischen Fundierung der unmittelbaren Außenwirkung auf der Grundlage der Annahmen zur Bedeutung der Standardisierungsermächtigung siehe Ladeur, DÖV 2000, 217 (220 ff.). 487 Kind, DÖV 1988, 679 (681). 488 Kritisch Koch, ZUR 1993, 103 (104 und 106 f.), nach dem die Grundrechtswidrigkeit von Entscheidungen gerichtlich überprüfbar sein muss und der Gesetzgeber nicht im Wege der Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung die individuellen Rechte insofern gestalten bzw. dadurch vorenthalten könne. 489 Ähnlich strukturiert, wenn auch nicht auf der Tatbestandsebene, setzen die Begründungsversuche an, die den Erlass der Verwaltungsvorschriften als Ermessenausübung ansehen, s. Beckmann, DVBl. 1987, 611 (617); differenzierend zwischen Ermessens- und Beurteilungsrichtlinien Leisner, JZ 2002, 219 (227 f.), wobei sie zwar zu den Beurteilungsrichtlininen die normative Ermächtigungslehre darstellt, aber auch auf S. 230 letztlich auf Überlegungen zur Ermessensausübung Bezug nimmt. Konsequenterweise würde

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Dogmatische Bedenken im Hinblick auf die Annahme eines Beurteilungsspielraums im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, 490 die jedenfalls der Annahme einer Letztentscheidungsbefugnis im Einzelfall entgegenstehen, werden durch die Rechtsfigur der Standardisierungsermächtigung überwunden. Eine solche soll dann vorliegen, wenn eine Norm der Verwaltung zwar keine Letztentscheidungsbefugnis im Einzelfall, wohl aber die Befugnis einer letztverbindlichen Normkonkretisierung durch Verwaltungsvorschriften, also auf der der Einzelentscheidung vorgelagerten generellen Ebene, einräumt. 491 Konkretisierungen im Einzelfall sind weiterhin voll justiziabel. Demnach setzt der Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften eine normative Ermächtigung durch Einräumung eines administrativen Standardisierungsspielraums voraus. 492 Die Begründung dieses Ansatzes greift interessanterweise auf ähnliche Argumente zurück wie der erste Ansatz bei der Annahme administrativen Originärrechts. So wird die Existenz derartiger Spielräume der Verwaltung auch mit einer funktionsgerechten Abgrenzung exekutivischer und gerichtlicher Kompetenzen begründet, wie dies bei der Anerkennung von Beurteilungsspielräumen geschieht. 493 Für die Annahme einer normativen Ermächtigung wird angeführt, dass die Verwaltung zu der Ausübung besser in der Lage sei als die anderen beiden Gewalten, 494 so dass es sich letztlich um eine sachgerechte Abgrenzung von Befugnissen handele. 495 dann aber eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit der Ermessensgrenzen bestehen. Zudem würde dieser Begründungsansatz im Immissionsschutzrecht und den dort bestehenden „gebundenen“ Entscheidungen ins Leere laufen. 490 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 117, § 48 Rn. 43; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 BImSchG Rn. 46; vgl. auch BVerwGE 85, S. 368 (379). Gegen eine Annahme eines Beurteilungsspielraums spricht zudem insbesondere, dass es sich bei ihr um eine gebundene Entscheidung handelt. 491 S. dazu auch Breuer, NVwZ 1988, 104 (108 ff.); ders., DVBl. 1986, 849 (858). Allerdings wird in der Literatur dieser Terminologie nicht einheitlich gefolgt. So nimmt Beckmann, DVBl. 1987, 611 (615) – der im Übrigen außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzesvorbehalts auch die Existenz eines originären Administrativrechts annimmt – an, dass im Bereich des Gesetzesvorbehalts ein Beurteilungsspielraum zur Begründung autonomer Entscheidungsbereiche (wohl auch im Hinblick auf abstrakt-generelle Regelsetzung) dienen kann. Di Fabio, DVBl. 1992, 1338 (1340) spricht von einer normativ ausgeübten Beurteilungsermächtigung. Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1022), bezweifelt, dass ein administrativer Beurteilungsspielraum mit einer Dynamik der Anpassung begründet werden könne, da eine Standardisierung notwendigerweise dem Auftauchen neuer Probleme und der Entwicklung neuer Lösungen hinterher hinke. 492 Womit eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift eine Ausübung eines derartigen Standardisierungsspielraums darstellt; zu einem unzutreffenden Verständnis dieses Verhältnisses s. Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, S. 94 ff. 493 S. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 43. Zu der Argumentation Wahl, NVwZ 1991, 209 (411). 494 S. zu diesem Aspekt auch Gusy, DVBl. 1987, 497 (502).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Entscheidend für die Annahme einer Befugnis zum Erlass einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift ist demnach das Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigung im Sinne der normativen Ermächtigungslehre. Dabei lassen sich zwei Möglichkeiten unterscheiden, aus einer Norm eine derartige Ermächtigung abzuleiten. 496 Sie kann sich daraus ergeben, dass ein ausdrücklicher Auftrag an die Exekutive besteht, 497 sie kann sich aber auch aus dem Inhalt der Norm bzw. ihrer Ausfüllungsbedürftigkeit ergeben. Eine Feststellung nach der zweiten Möglichkeit bedarf einer Beurteilung der gesetzlichen Regelungsdichte, die zu erkennen gibt, ob Raum für eine Ermächtigung zur Normkonkretisierung besteht. 498 Die unterschiedlichen möglichen Dichtegrade einer gesetzlichen Regelung reichen vom Gesetzesbefehl über den Auftrag und die gesetzliche Kompetenzzuweisung (oder Handlungsermächtigung) bis hin zu einer Zielvorgabe sowie einer bloßen Schrankenziehung. 499 Eine abnehmende Dichte der Gesetze entspricht einem wachsenden Eigenanteil der Verwaltung im Hinblick auf die Rechtsentwicklung und -setzung. 500 Bei einer geringen Dichte ist das Gesetz darauf angelegt oder sogar darauf angewiesen, ergänzend konkretisiert zu werden. 501 Eine derartige geringe Regelungsdichte wird gerade bei Normen im Umweltrecht festgestellt. 502 Indiz für die Annahme einer administrativen Letztverantwortlichkeit ist zudem regelmäßig die Komplexität und Eigenart der Sachbereiche, hier die Erzeugung von Standards im Umwelt- und Technikbereich mit seinen rasch sich ändernden Umständen und umfassenden Sachverstand voraussetzenden Bewertungen. 503 § 48 BImSchG wird ein ausdrücklicher Auftrag zur Normkonkretisierung im Sinne der normativen Ermächtigungslehre entnommen. 504 Ergänzend wird die 495 496 497

Vgl. dazu Hill, NVwZ 1989, 401 (403 ff.). S. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 48 BImSchG Rn. 9a. Möglich ist auch eine konkludente Ermächtigung, vgl. Hill, NVwZ 1989, 401

(403). 498

S. dazu Wahl, VBlBW 1988, 387 (391). Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), 221 (230 f.); Wahl, VBlBW 1988, 387 (390); Hill, NVwZ 1989, 401 (403); Brohm, DVBl. 1986, 321 (330); ders., DÖV 1987, 265 (270). 500 Wahl, VBlBW 1988, 387 (390). 501 Hill, NVwZ 1989, 401 (403). 502 von Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (93). 503 BayVGH, Urteil vom 20. 7. 1994 – Az. 20 A 92.40087 u. a., BayVBl. 1995, 531 (533) unter Berufung auf Wahl, NVwZ 1991, 409 (411). Breuer, NVwZ 1988, 104 (108 ff.); ders., DVBl. 1986, 849 (858) will diesen Ansatz auf das Umwelt- und Technikrecht und damit auf das Vorliegen eines naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnisspielraums beschränken. Diese Einschränkung dürfte im Rahmen des Immissionsschutzrechts, beispielsweise für den Begriff des Standes der Technik, unzweifelhaft eingehalten sein. 504 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 48 BImSchG Rn. 9a. 499

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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Bindungswirkung der auf seiner Grundlage erlassenen Verwaltungsvorschriften maßgeblich auch mit dem bei ihrer Erstellung zu beachtenden Verfahren (verfahrensrechtliche Sonderregelung) und insbesondere der dabei vorgeschriebenen Anhörung unterschiedlicher fachkundiger Stellen begründet. 505 Weiterhin wird angeführt, dass diese spezifische gesetzliche Ermächtigungsgrundlage im Hinblick auf die ohnehin nach Art. 84 Abs. 2 GG bestehende Befugnis der Bundesregierung zum Erlass von (einfachen) Verwaltungsvorschriften nur dann Sinn mache, wenn sie mit einer gewissen (gerichtsfreien) Beurteilungs- oder Konkretisierungsermächtigung verbunden sei. 506 (4) Allerdings stellt sich die Frage, ob aufgrund der normativen Ermächtigungsgrundlage die hier interessierende unmittelbare Bindung für die Bürger abgeleitet werden kann. In erster Linie besteht eine Bindungswirkung für die Gerichte, 507 die bedeutet, dass normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften nicht gerichtlich aufgehoben werden können. 508 Der Geltungsanspruch nimmt an der prinzipiell unbegrenzten außengerichteten Bindungswirkung einer staatsunmittelbaren Norm teil. 509 Dabei bleiben allerdings die Gerichte nach wie vor dazu berufen, den allgemeinen abstrakten Bedeutungsgehalt der anzuwendenden Rechtsnormen selbständig und eigenverantwortlich zu bestimmen. 510 Zudem muss das Gericht die Einhaltung der Grenzen der Bindungswirkung überprüfen. 511 Die Bindungswirkung besteht somit nur, wenn sich die Verwaltung im Rahmen ihres durch diese Grenzen aufgezeigten Entscheidungsspielraums gehalten hat. Den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften wird daneben Drittwirkung in dem Sinne zugesprochen, dass eine Klage mit einem Verstoß gegen

505 BVerwGE 55, S. 250 (255 ff.), wobei auch vollzugspraktische Erwägungen angestellt werden (S. 257). Zu dem Aspekt des Ausgleichs der unterschiedlichen Belange und Interessen von Bund, Ländern und „beteiligten Kreisen“ Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (195); Battis / Gusy, Technische Normen im Baurecht, Rn. 65 ff. Zu dem Aspekt der Einbeziehung des fachlichen Sachverstandes s. auch Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 45. 506 Papier, FS Lukes, S. 159 (162). 507 S. dazu auch Sparwasser, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 1017 (1033 ff.); s. auch BVerwG, Beschluss vom 10. 1. 1995 – 7 B 112/94, NVwZ 1995, 994. 508 Gusy, DVBl. 1987, 497 (501). 509 Di Fabio, DVBl. 1992, 1338 (1345). 510 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Vorb. Rn. 8. 511 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Vorb. Rn. 8. Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. 6. 2001 – 7 C 21.00, NuR 2002, 47 (48); BVerwG, Urteil vom 20. 12. 2000 – 7 C 15.98, BVerwGE 110, 216 (218); BVerwG, Urteil vom 20. 12. 1999, NVwZ 2000, 440; BVerwG, Beschluss vom 10. 1. 1995 – 7 B 112.94, NVwZ 1995, 994.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

nachbarschützende Vorschriften der TA Luft begründet werden kann. 512 Die Verwaltung spricht in einem gesetzlich nur gering determinierten Bereich letztverbindlich für die staatliche Autorität. 513 Und da sich diese staatliche Autorität vorab gebunden hat, ist es insofern auch berechtigt, Dritten das Recht zuzugestehen, ein staatliches Handeln entsprechend dieser Vorabbindung einzuklagen. Da auch der Anlagenbetreiber die Einhaltung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften verlangen kann, sind die Verwaltungsbehörden im Außenverhältnis zu ihrer Anwendung verpflichtet. 514 Darüber hinaus wird auch im Rahmen der normativen Ermächtigungslehre eine unmittelbar die Bürger bindende Außenwirkung angenommen. 515 In diesem Zusammenhang wird zudem von einer intendierten Außenwirkung gesprochen, die eine derartige Bindungswirkung entfalten kann. 516 Aber auch wenn diese Lösung Charme hat und den Vollzug des Umweltrechts erheblich erleichtern könnte, begegnet sie jedoch Bedenken. Ein derartig weit gehendes Verständnis würde, mit Ausnahme der Grenzen der Bindungswirkung, den Unterschied zur Rechtsverordnung als verfassungsrechtlich vorgesehener Handlungsform der Administrative einebnen. Eine unmittelbare Bindungswirkung durch generelle Regelungen ist insbesondere vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Anforderungen den von der Verfassung dafür vorgesehenen Rechtsformen vorbehalten. 517 Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass durch eine Rechtsverordnung Recht geschaffen wird, durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften aber lediglich gesetzliche Entscheidungen konkretisiert werden. 518 Gegen eine unmittelbare Bindungswirkung spricht auch, dass angesichts der Grenzen der Bindungswirkung ein schwächerer Bindungsgrad und daher keine ausreichende Rechtssicherheit des Bürgers besteht. 512

Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Vorb. Rn. 10; VGH München, Urteil v. 8. 6. 1988 – 22B 83 A. 1681, NVwZ 1989, 482 (484); OVG Münster, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Entscheidungssammlung, Stand 1998 § 6 BImSchG Nr. 8, 8; Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 56 f.; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 BImSchG Rn. 19l; Brohm, in: ders. (Hrsg.) Drittes deutsch-polnisches Verwaltungsrechtssymposium, 1983, S. 33. 513 S. auch Hill, NVwZ 1989, 403 (407). 514 Jarass, JuS 1999, 105 (109 f.). 515 Marburger / Klein, JUTR 2001 (UTR Band 58), S. 161 (170). Unklar Gebhardt, NJW 1989, 2233 (2237 f.), der einen Vergleich mit der Rechtsverordnung zieht, ohne dies im Einzelnen zu erläutern. 516 Di Fabio, DVBl. 1992, 1338 (1345 Fn. 68); dem ersten Begründungsansatz folgt Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 39 f. 517 S. auch Papier, in: Merten (Hrsg.): Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 95 (108 f.); Schenke, VVdStRL 40 (1982), 313 (Aussprache); vgl. auch Lange, NJW 1992, 1193 (1195). 518 Insofern erscheint der Hinweis auf geringere Bindungen der Exekutive von Hill, NVwZ 1989, 401 (405) nicht als weit tragend.

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Dieser kann die Grenzen kaum selbst abschließend aus der Norm beurteilen und würde daher eventuell indirekt zu der Befolgung einer nicht bindenden Norm veranlasst. 519 Gegen eine derartige Bindungswirkung spricht daneben, dass Verwaltungsvorschriften auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit gültig bleiben. 520 Abschließend bleibt auch noch darauf hinzuweisen, dass die Begründung der Außenwirkung mit dem Funktionsbereich der Verwaltung 521 zwar ein Letztentscheidungsrecht im Verhältnis zur Judikative trägt, aber kaum zur Begründung einer unmittelbaren Bindung des Bürgers geeignet ist. 522 Es fehlt nämlich ein Tatbestand, der eine derartig weitgehende Bindungswirkung rechtfertigt. Somit besteht keine „rechtliche“ unmittelbare Bindung des Anlagenbetreibers. 523 Eine solche bedarf einer Festsetzung durch einen Verwaltungsakt. Es besteht eine faktische Verbindlichkeit dadurch, dass die konkretisierte Norm auch für die Bürger einen Geltungsanspruch erhebt und die Verwaltung ihr Handeln im Einzelfall inhaltlich an den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften ausrichtet und dazu auch von den Drittbetroffenen gezwungen werden kann. Dies beruht aber nicht auf einer unmittelbaren Bindung desjenigen, gegen den eingeschritten werden soll, durch die normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift selbst. Die Bindungswirkung einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift lässt sich daher als eine verbindliche Teilvorwegnahme der dem Bürger gegenüber zu treffenden Einzelentscheidung beschreiben. 524 Es kann, zumindest gedanklich, vor dem Hintergrund der noch erforderlichen Genehmigungsentscheidung, von einer außengerichteten Aufteilung des administrativen Entscheidungsprozesses gesprochen werden, wobei das Entscheidungsverfahren gleichsam als auf zwei Entscheidungsebenen aufgeteilt gedacht werden muss. 525 Die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften bündeln vorweggenommene Geneh519

Zwar können auch andere Normen ungültig sein, allerdings sind sie kraft Verfassung mit einer höheren, diese Problematik rechtfertigenden Legitimation ausgestattet. 520 Beckmann, DVBl. 1987, 611 (612). 521 Diese Begründung soll auch die Annahme einer normativen Ermächtigung der Verwaltung tragen. 522 Auch ohne eine unmittelbare Bindungswirkung gegenüber dem Bürger dürften die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften dem Bedürfnis der Exekutive nach einer adäquaten Handlungsform genügen. 523 So wohl auch die Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. 9. 1983 – 1 BvR 920/83, UPR 1983, 372 (374) = NJW 1983, 2931 (2932). Des Weiteren geht dies auch insofern aus der Rechtsprechung hervor, als dass sie bei Festlegung eines Emissionsgrenzwertes in der TA Luft auch weiterhin die Festlegung eines solchen im Einzelfall für erforderlich hält, s. BVerwG, Urteil vom 21. 6. 2001 – 7 C 21.00, NuR 2002, 47 (48). S. auch Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6, Rn. 104; Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.2.5 Rn. 15. 524 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 43. 525 Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (162). S. zu diesem Gedanken auch Schmidt-Salzer, VerwArch 60 (1969), 269 (289); Vogel, VVDStRL 24 (1966), 125 (160 f.).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

migungsbestandteile, ähnlich etwa einer Typengenehmigung, 526 und können als eine Vorformung und Systematisierung der späteren Genehmigungsentscheidung angesehen werden. Sie schichten grundlegende, etwa politisch-planerische Elemente in genereller Weise ab, so dass es sich bei ihnen im Ergebnis um eine gestufte Konkretisierung und verbindliche Teilvorwegnahme der dem Bürger gegenüber zu treffenden Entscheidung handelt. 527 Insofern bewirken sie eine Offenlegung der Vollzugsgrundsätze und der wesentlichen Inhalte und machen daher den Vollzug rechtsstaatlich und grundrechtlich vorhersehbar. 528 Zwar ist es zutreffend, nicht bloß von einer mittelbaren oder faktischen Außenwirkung, sondern auch von einer intendierten Bindungswirkung zu sprechen. 529 Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass keine vollumfängliche, den Bürger unmittelbar bindende Außenwirkung hergestellt wird, zumal auch der bloße Aspekt einer unmittelbaren Bindung eine grundrechtwesentliche Belastung darstellen kann und sie daher den verfassungsrechtlich dafür vorgesehenen Formen vorbehalten bleibt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften nicht zu einer unmittelbaren Verpflichtung des Bürgers führen. Sie haben auf einer gleitenden Skala der Bindungswirkungen eine über die klassische Verwaltungsvorschrift hinausgehende Bindungswirkung, die jedoch mangels einer unmittelbaren Bindung des betroffenen Bürgers nicht bis zur Ebene der Rechtsverordnung und damit der Rechtsnorm vorgerückt ist. Damit ist rechtsdogmatisch der erforderliche Abstand zur Rechtsverordnung gewahrt, denn es besteht sowohl inhaltlich (Grenzen der Bindungswirkung) als auch personell, d. h. im Hinblick auf die „direkten“ Adressaten, eine schwächere Bindung. Allerdings bestehen durchaus erhebliche faktische oder mittelbare Bindungswirkungen auch nach außen. Diese resultieren primär daraus, dass sie in einem fest umrissenen Bereich Maßstäbe für die staatliche Tätigkeit enthalten. Insofern sich also der einzelne Bürger in einem Bereich bewegt, innerhalb dessen eine staatliche Tätigkeit ausgeübt wird, die durch eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift geregelt wird, ist er faktisch an die Regelungen gebunden, weil er bei abweichendem Verhalten durch eine staatliche Handlung auf die Beachtung des Inhalts verpflichtet würde.

526

Hill, NVwz 1989, 401 (406). Hill, NVwZ 1989, 401 (406); Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (269); Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 347, 350. Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (162) spricht von einer verbindlichen Vorprägung der abschließenden behördlichen Entscheidung. S. dazu auch Guttenberg, JuS 1993, 1007 (1010). 528 Hill, NVwZ 1989, 401 (407); Rittstieg, NJW 1983, 1098 (1099); auch Pietzcker, NJW 1981, 2087 (2089). 529 So Hill, NVwZ 1989, 403 (406). 527

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

353

Daher lässt sich die Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften wie folgt charakterisieren: Sie sind verbindlich für die Verwaltung, und sie sind Maßstab und nicht nur eingeschränkt Subjekt gerichtlicher Kontrolle. Der einzelne Bürger muss sein eigenes Verhalten nur aufgrund eines „realisierenden“ 530 Aktes an ihrem Inhalt ausrichten, und im Hinblick auf Drittbetroffene ziehen sie, vermittelt durch „realisierende Akte“ der Verwaltung, die Grenze zwischen dem, was erlaubt, und dem, was nicht erlaubt ist. Diese Bindungswirkung weicht in der Praxis nur wenig von einer unmittelbaren Bindungswirkung ab. Im Falle einer Verfahrensprivatisierung bzw. eines Wegfalls der konkretisierenden Genehmigungsentscheidung kann aus dieser Sachlage nicht abgeleitet werden, dass die durch die Verwaltungsvorschriften „vorweggenommene“ Entscheidung nunmehr im Hinblick auf eine unmittelbare Bindungswirkung erstarkt. Vielmehr muss ein Modell der Privatisierung dieser mangelnden (rechtlichen) unmittelbaren Außenwirkung Rechnung tragen. b) Die TA Luft Der Erlass der TA Luft 2002 531 sollte der Umsetzung des integrativen Ansatzes dienen und daneben der Weiterentwicklung des Standes der Technik Rechnung tragen, zumal bereits der Zeitablauf seit Erlass der TA Luft von 1986 Fragen im Hinblick auf die Bindungswirkung aufgeworfen hatte. 532 Sie zielt auf eine Beurteilung von Anlagen, vorrangig immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen, 533 nach dem auf diese unmittelbar anwendbaren Immissionsschutzrecht 530

Im Sinne einer Realisierung des Inhalts für den Einzelnen. Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 24. 7. 2002, GMBl. 2002, S. 511 – 605. Zur Geschichte der TA Luft s. den Überblick bei Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rn. 70, 71. 532 S. dazu Otting, DVBl. 2001, 1792 (1793 ff.). Dabei wurde es trotz des integrativen Ansatzes des Gemeinschaftsrechts für sinnvoll gehalten, eine derartige medienbezogene Verwaltungsvorschrift zu erlassen, Hansmann, ZUR 2002, 19 (23), der auch darauf hinweist, dass die alte TA Luft bereits integrative Elemente enthalten habe; ders., in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Vorb. Rn. 12. Dies erscheint auch deswegen gerechtfertigt, weil auch den BVT-Merkblättern, von denen alle bis zum Erlass veröffentlichten berücksichtigt wurden, noch ein medienbezogener Ansatz zugrunde liegt, s. Wasielewski, ZUR 2000, 373 (377, auf 376 f. allg. im Hinblick auf die Anforderungen des integrierten Ansatzes); Pschera / Koepfer, NuR 2003, 517 (517). Im Hinblick auf den Zeitablauf und die Bindungswirkung hatte es auch schon unterschiedliche Beurteilungen in der Rechtsprechung gegeben. Zu dem Aspekt des Zeitablaufs Hansmann, in: Landmannn / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Vorb. Rn. 5. Im Hinblick auf die derzeitige TA Luft dürfte das Alter noch kein Problem darstellen, Seibel, BauR 2004, 774 (780). 533 Zur Anwendung auch auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen s. Gerhold, UPR 2003, 44 (45), dort auch zu dem Verhältnis zu Regelungen in Rechtsverordnungen. 531

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(insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG), 534 konkretisiert die dort festgelegten allgemeinen Anforderungen und dient ihrer inhaltlichen Ausgestaltung. 535 Sie dient im Übrigen der Ermessenslenkung der Behörden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Sachverhaltsermittlung in Genehmigungsverfahren. 536 Sie enthält grundsätzlich verbindliche Regelungen, Festlegungen und Vorgaben für die mit Genehmigungen, nachträglichen Anordnungen und Ermittlungsanordnungen befassten Verwaltungsbehörden. 537 Gegenstand ihrer Anwendung ist dabei ausdrücklich die Prüfung von Genehmigungsanträgen. Nach Nr. 3.1 TA Luft darf eine Genehmigung erst erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass den Anforderungen des Schutzgrundsatzes Genüge getan und ausreichende Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen ist. Dies wird anhand der Nrn. 4 und 5 der TA Luft überprüft. Bei der TA Luft handelt es sich um eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift in dem oben ausgeführten Sinne. 538 Sie enthält umfangreiche Vorgaben, 539 deren zentrale Charakteristika im Folgenden herausgearbeitet werden sollen. aa) Die Immissionswerte Nr. 4 TA Luft setzt die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG um. Die Beurteilung schädlicher Umwelteinwirkungen geschieht anhand von Immissionswerten. Diese werden für bestimmte Stoffe, wie z. B. Staub, Stickstoffoxid oder Schwefeldioxid, festgelegt und nach Schutzobjekten 540 sowie zeitlichem Bezug 541 differenziert. Zum Teil lassen sie zudem eine bestimmte Anzahl von Überschreitungen pro Kalenderjahr zu. 542 Mit ihnen nimmt die TA Luft eine 534

Hansmann, Die neue TA-Luft, NVwZ 2003, 266 (267). Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Vorb. Rn. 2. 536 S. Begründung zur TA Luft, BR-Drs. 1058/01. 537 BVerwG, Beschluss vom 10. 1. 1995 – 7 B 112/94, NVwZ 1995, 994. 538 BVerwG, Urteil v. 21. 6. 2001 – 7 C 21/00, NVwZ 2001, 1165; BVerwG, Urteil v. 20. 12. 1999 – 7 C 15/98, NVwZ 2000, 440; BVerwG, Beschluss v. 15. 2. 1988 – 7 B 219/87, NVwZ 1988, 824 (825); BVerwG, Beschluss v. 21. 3. 1996 – 7 B 164/95, NVwZ-RR 1996, 498 (499); Pschera / Koepfer, NuR 2003, 517 (518); Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 201 sehen sie als teilweise norminterpretierend und nur teilweise normkonkretisierend an. 539 Sie enthält u. a. allgemeine Grundsätze zum Genehmigungsverfahren, Immissionswerte (nur) für die wichtigsten luftverunreinigenden Stoffe, Verfahren zur Beurteilung von Immissionen, standardisierte Verfahren zur Berechung der Ausbreitung von Emissionen und zur Bestimmung der Schornsteinhöhe, Emissionsgrenzwerte für staub- und gasförmige Stoffe nebst Sonderregelungen für gasförmige Stoffe, Sonderregelungen für verschiedene Anlagen und Anforderungen an Emissionen. 540 Mensch, Vegetation, Ökosysteme, Staubniederschlag und Schadstoffdeposition. 541 Z. B. Jahres-, Tages oder Stundenbelastung. 535

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

355

Abwägung anhand der Zumutbarkeitsgrenze auf genereller Ebene vor, so dass diese im Einzelfall nicht mehr durchgeführt werden muss. Die Frage ist somit vorentschieden. 543 Dabei sind diese Werte allerdings nicht absolut, sondern es verbleibt noch ein erheblicher Spielraum für abweichende Entscheidungen im Einzelfall, zumal es sich bei den Immissionswerten nicht immer um Werte mit einer exakten Aussage, also Grenzwerte, sondern häufig nur um Anhaltswerte, also Werte mit indikatorischem Charakter, handelt. 544 (1) Arten von Immissionswerten und Aussagegehalt Bei Immissionswerten handelt es sich um quantifizierende Werte zur Beurteilung einer Immissionssituation, die als „Messlatte“ beim Vergleich der bestehenden oder zu erwartenden Immissionsbelastung mit den rechtlichen Anforderungen dienen, wobei es, abhängig von Inhalt und Zweck der Vorschrift, in der sie festgelegt werden, unterschiedliche Typen gibt. 545 So wird zwischen einem einseitigen und einem zweiseitigen Aussagegehalt unterschieden. Ein zweiseitiger Aussagegehalt bedeutet, dass aus einem Immissionswert sowohl abgeleitet werden kann, wann mit schädlichen Luftverunreinigungen zu rechnen ist, als auch, wann ihr Auftreten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Derartige Werte stellen daher eine Grenzlinie dar, von der nur beim Vorliegen atypischer Umstände abgewichen werden darf. 546 Ein einseitiger Aussagegehalt bedeutet hingegen, dass nur entweder aus einer Überschreitung der Schluss auf das Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen gezogen werden kann oder aber aus ihrer Einhaltung der Schluss auf das Nicht-Vorliegen. Der jeweils umgekehrte Schluss ist nicht möglich. Einen zweiseitigen Aussagegehalt haben in der TA Luft nur die Werte zum Schutz der menschlichen Gesundheit in der Nr. 4.2. Diese stellen Grenzwerte dar. 547 Dementsprechend kann bei den in Tabelle 1 der TA Luft festgelegten Werten davon ausgegangen werden, dass bei ihrer Einhaltung schädliche Um542

Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 206. Feldhaus, DVBl. 1979, 301 (305). 544 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 48 BImSchG Rn. 36. 545 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.1 Rn. 4. 546 Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6 Rn. 115, dort auch zum Folgenden (einseitiger Aussagegehalt); Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 48 BImSchG Rn. 34. 547 Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6 Rn. 115 (siehe auch in Kap. 9 Rn. 18 der Vorauflage); Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.2 Rn. 11; zu früheren Fassungen der TA Luft BVerwGE 55, S. 250 (insbes. 259 f.); Feldhaus / Ludwig, DVBl. 1983, 565 (566); Kutscheidt, NVwZ 1983, 581 (582). Gegen jegliche Immissionswerte und für Einzelfallprüfungen Führ, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 1 Rn. 108. Sie können grundsätzlich als Höchstwerte von Schadstoffkonzentrationen, die im Beurteilungsgebiet um die Anlage 543

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

welteinwirkungen nicht hervorgerufen werden; werden sie überschritten, ist mit schädlichen Umwelteinwirkungen zu rechnen. Jedoch ist im Einzelfall möglich, die Genehmigung auch bei einem Überschreiten zu erteilen, wenn die Zusatzbelastung gering ist oder Sanierungsmaßnahmen ergriffen werden. Die übrigen Immissionswerte der TA Luft 548 weisen nur einen einseitigen Aussagegehalt auf. Dementsprechend können bei ihrer Einhaltung schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden. Umgekehrt bestehen bei einem Überschreiten dieser Werte lediglich Anhaltspunkte für schädliche Umwelteinwirkungen. 549 Sie haben also keinen zwingenden Grenzwertcharakter und geben die Grenze zur Schädlichkeit nicht strikt an. Bei ihnen ist vielmehr eine Genehmigung auch bei Überschreitung dieser Werte möglich, und zwar entweder bei Unterschreiten einer Irrelevanzgrenze oder als Ergebnis einer Sonderprüfung. 550 Eine Einzelfallprüfung im Wege der Sonderfallprüfung ist daneben stets dann erforderlich, wenn die Immissionswerte keine Aussage enthalten; 551 allerdings müssen dann Anhaltspunkte für das Auftreten schädlicher Umwelteinwirkungen bestehen. 552 Eine derartige Prüfung ist auch in den Fällen durchzuführen, in denen die Nrn. 4.2 bis 4.5 TA Luft keine Immissionswerte enthalten sowie ebenfalls dann, wenn zum Zwecke der Einzelfallprüfung darauf verwiesen wird, s. z. B. Nr. 4.3.2 d) und 4.4.5 d) sowie 4.5.3 d). (2) Prüfung der Einhaltung der Immissionswerte In einem ersten Schritt muss die Behörde nach Nr. 4.1. Abs. 3 und 4 TA Luft den Umfang der Ermittlungspflichten festlegen. Von erheblicher Bedeutung für die Prüfung ist die Regelung des Messverfahrens, da die Immissionswerte ohne Festlegung eines bestimmten Messverfahrens praktisch keinerlei Aussagekraft besitzen, 553 so dass sie und das gesamte zugehörige Ermittlungs- und Beurteilungsverfahren eine untrennbare Einheit darstellen. 554

auf Mensch und Umwelt einwirken dürfen, beschrieben werden, Mager, DÖV 2004, 561 (561). 548 Tabellen 2, 3, 4, und 6 sowie Nr. 4.4.2 Abs. 2 TA Luft. 549 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.1 Rn. 6. 550 S. Hansmann, in: Salzwedel (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 9 Rn. 40; s. auch in der Folgeauflage Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap 6 Rn. 137. 551 So die Tabellen 3 und 4 für die in Nrn. 4.4.1 Abs. 2 und 4.4.2 Abs. 3 angesprochenen Fälle. 552 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.1 Rn. 6. 553 Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rn. 71; von Lersner, NuR 1990, 357 (358). 554 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.1 Rn. 7.

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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Grundlage der Prüfung der Einhaltung von Immissionswerten sind die Immissionskenngrößen für die Vorbelastung, die Zusatzbelastung und darauf aufbauend die Gesamtbelastung. Ihre Ermittlung ist detailliert in Nr. 4.6 der TA Luft geregelt. Die Bestimmung der Immissionskenngrößen soll allerdings in bestimmten, in Nr. 4. 1 Abs. 4 aufgeführten Fällen entfallen, so etwa bei einem Unterschreiten der in Tabelle 7 der TA Luft für bestimmte Stoffe genau festgelegten Bagatellmassenströme. 555 Zur Ermittlung werden nähere Vorgaben gemacht. Die Ermittlung derjenigen Kenngrößen für die Vorbelastung kann nach Nr. 4.6.2 TA Luft dann entfallen, wenn die Einhaltung der Immissionswerte für den jeweiligen Schadstoff nach Inbetriebnahme der Anlage erwartet werden kann, und zwar aufgrund der Ergebnisse bestehender Messungen und einer Abschätzung der Zusatzbelastung oder aufgrund sonstiger Erkenntnisse. Dabei kann auch Vorwissen berücksichtigt werden. Des Weiteren soll bei einer irrelevanten Zusatzbelastung die Bestimmung von Emissionskenngrößen entfallen, da dann durch die Anlage kein qualitativ kausaler Beitrag zu schädlichen Umwelteinwirkungen geleistet wird. 556 Diese Irrelevanzschwellen werden 4.2.2 der TA Luft entnommen und sind in Prozentsätzen des Immissions-Jahreswertes geregelt. Allerdings ist zur Bestimmung des Unterschreitens eine Berechnung der von der Anlage ausgehenden Zusatzbelastung nach Anhang 3 zur TA Luft erforderlich. Die Kenngröße für die Vorbelastung ist anhand von Messungen zu ermitteln. Diese setzen einen mit der Behörde abgestimmten Messplan 557 voraus. Sie sind auf das Beurteilungsgebiet zu beschränken, das nach in Nr. 4.6.2.5 TA Luft näher festgelegten Kriterien zu bestimmen ist. Die Messungen sind an Beurteilungspunkten durchzuführen, deren Festlegung ebenfalls näher geregelt ist. Der TA Luft liegt ein punktgenauer Ansatz zugrunde. 558 Durch eine Beschränkung auf allgemeine und verfahrensmäßige Vorgaben wird der Behörde ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt. 559 Im Interesse der Rechtssicherheit für den Betreiber wird eine Einschätzungsprärogative angenommen, die die Nachprüfbarkeit der Messplanung durch die Gerichte einschränkt. 560 Die Ermittlung der Kenngröße auf Grundlage dieser Messungen wird durch Nr. 4.6.3 TA Luft genauer geregelt.

555

Vgl. Nr. 4.6.1.1 zu einem Wegfall der Ermittlung auch bei dem Unterschreiten eines Bruchteils. 556 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.1 Rn. 14. 557 In diesem werden das Beurteilungsgebiet einschließlich der Beurteilungspunkte, die Messobjekte, das Messverfahren, der Messzeitraum, die Messhäufigkeit, die festzustellenden Messwerte und die Messdauer von Einzelmessungen festlegt. 558 S. dazu auch Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 206. 559 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.6.2.6 Rn. 2. 560 So Ohms, DVBl. 2002, 1365 (1367), der sich aber zugleich auch kritisch dazu äußert.

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Die Kenngröße für die Zusatzbelastung ist nach Nr. 4.6.4 TA Luft und dem in Anhang 3 festgelegten Berechnungsverfahren zu ermitteln. Zur Ermittlung der Gesamtbelastung wird nach Nr. 4.7 TA Luft eine Summe aus Vor- und Zusatzbelastung ermittelt und somit eine Immissionsprognose aufgestellt. 561 Anhand des Ergebnisses werden die Immissionswerte überprüft. Dabei dient der Vergleich der Kenngröße für die Vorbelastung mit den Immissionswerten der Klärung, ob bereits schädliche Umwelteinwirkungen bestehen. Der Vergleich der Kenngröße für die Zusatzbelastung mit den Irrelevanzwerten dient der Prüfung, ob und in welchem Umfang die überprüfte Anlage einen kausalen Beitrag zu den, je nach Prüfungsergebnis als schädlich eingestuften Umwelteinwirkungen leistet. 562 Eine Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Gesamtbelastung die Immissionswerte der Nrn. 4.2. bis 4.5 TA Luft unterschreitet. Dort wird zudem geregelt, ob und wann auch bei einem Überschreiten der Werte die Erteilung einer Genehmigung in Frage kommt, so etwa dann, wenn hinsichtlich des jeweiligen Schadstoffs die Zusatzbelastung durch die Emissionen der Anlage an dem betroffenen Beurteilungspunkt eine Irrelevanzgrenze unterschreitet. 563 Die Nr. 4.5 TA Luft, die den Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen regelt, nimmt neben eigenen, in Tabelle 6 festgelegten Werten Bezug auf die Prüfund Maßnahmewerte der BBodSchV und verlangt, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Überschreitung dieser Werte bestehen. Dabei wird aber nicht geregelt, was derartige hinreichende Anhaltspunkte sein sollen. 564 Daneben werden nähere Voraussetzungen dafür aufgestellt, wann auch bei Überschreiten der Werte eine Genehmigung erteilt werden kann. Bei allen Werten mit Ausnahme derjenigen, die dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen, darf eine Genehmigung bei Überschreitung nicht versagt werden, wenn die Irrelevanzschwelle unterschritten wird, wenn die Einhaltung der Werte durch Bedingungen sichergestellt wird, wenn die Einhaltung im Rahmen 561 Dabei ist gerade die Prognose der Immissionstages- und stundenwerte mit Unsicherheiten behaftet und mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6 Rn. 136. Kritisch im Hinblick auf den dabei bestehenden Einschätzungsspielraum der Sachverständigen OVG NordrheinWestfalen, Urteil v. 27. 4. 1992 – 21 A 800/88, UPR 1993, 105 (105); weniger kritisch BayVGH, Beschl. v. 20. 9. 1990 – 20 CS 89.2392 u. a., NVwZ-RR 1991, 463 (473). Zum Umfang der Überprüfung bei Änderungsgenehmigungen s. OVG Münster, Beschl. v. 8. 5. 2007 – 8 B 2477/06, ZUR 2007, 490 (491). 562 Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6 Rn. 135. 563 Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6 Rn. 137. Die Irrelevanzklausel ist umstritten und wird teilweise auch als rechtswidrig angesehen, s. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 207. 564 Gerhold, UPR 2003, 44 (47).

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eines Luftreinhalteplans nach einer Übergangsfrist zu erwarten ist oder wenn eine Sonderfallprüfung 565 ergibt, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch den Betrieb der Anlage nicht hervorgerufen werden können. Interessant im Hinblick auf eine Privatisierung ist die Möglichkeit von Nebenbedingungen, die die Einhaltung der Werte gewährleisten, 566 da eine derartige öffentlich-rechtliche Verpflichtung, z. B. durch privatrechtlich beauftragte Sachverständige, nicht erfolgen kann. (3) Die Einzelfallentscheidung im Wege der Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft Sonderfallprüfungen werden geregelt durch die Nr. 4.8 der TA Luft. Sie sind insbesondere dann durchzuführen, wenn für einen Stoff überhaupt keine Immissionswerte festgelegt worden sind, wenn die Festlegung von Immissionswerten nicht ausreichend ist oder wenn auf die Nr. 4.8 der TA Luft verwiesen wird. Von Bedeutung sind sie insbesondere für krebserzeugende Stoffe. Bei der Entscheidung über die Durchführung einer Sonderfallprüfung besteht kein Ermessen der Genehmigungsbehörde. 567 Eine derartige Prüfung ist durchzuführen bei hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch den jeweiligen Stoff hervorgerufen werden könnten. 568 Dies ist durch eine pauschale Prüfung anhand der Antragsunterlagen, der Einwendungen Dritter, der Stellungnahmen der beteiligten Behörden oder sonstiger Erkenntnisquellen zu ermitteln. 569 Hinreichende Anhaltspunkte bestehen, wenn Immissionswerte mit einem einseitigen Aussagegehalt überschritten werden. Dann geht es in der erforderlichen Sonderfallprüfung von vorneherein um die Frage, ob ein Beitrag zu schädlichen Umwelteinwirkungen ausgeschlossen werden kann. 570 Derartige Anhaltspunkte bestehen dann nicht, wenn nach Nr. 4.1 Abs. 4 TA Luft die Ermittlung von Emissionskenngrößen entfallen kann. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte bei einer durch Unterscheitung der Werte der Tabelle 565 Nr. 4.5.3 TA Luft enthält eine Modifikation der Sonderfallprüfung im Hinblick auf schädliche Bodenverunreinigungen und soll das behördliche Ermessen steuern. Zur Sonderfallprüfung s. im Folgenden. 566 Vgl. die Regelung der Nr. 4.5.2 b) TA Luft, nach der die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen, die die Einhaltung der Werte gewährleisten, durch eine Bedingung in der Genehmigung sichergestellt werden soll. 567 So aber zu der Vorgängerfassung Rengeling, Der Stand der Technik, S. 67. 568 Zum Vorliegen derartiger Anhaltspunkte vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 28. 3. 1995 10 S 105/93, NVwZ 1996, 297 (301); VGH Mannheim, Urteil vom 28. 6. 1995 – 10 S 2509/93, NVwZ-RR 1995, 639 (644). 569 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.8 Rn. 15; ders., in: Salzwedel (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap 9 Rn. 44. 570 Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap 6 Rn. 141.

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7 (Bagatellmassenströme) angezeigten Geringfügigkeit. Bei Stoffen, die nicht in der Tabelle enthalten sind, kann eine Vergleichsbetrachtung durchgeführt werden, die sich entweder daran orientiert, ob der betrachtete Stoff einem der aufgeführten Stoffe vergleichbar ist, oder aber auf die Grundlagen zurückgreift, von denen der Vorschriftengeber bei der Erstellung der Tabelle ausgegangen ist. 571 Hinreichende Anhaltspunkte bestehen nicht bei einer Unterschreitung von Irrelevanzgrenzen, wenn also keine relevante Risikoerhöhung besteht, 572 ferner dann nicht, wenn die Vorbelastung so gering ist, dass die Grenze zur Schädlichkeit auch durch die Zusatzbelastung deutlich unterschritten wird. 573 Die Grenze zur Schädlichkeit kann durch die Werte der TA Luft, aber auch durch anderweitig festgelegte Orientierungswerte oder Beurteilungsmaßstäbe ermittelt werden. 574 Diese Orientierungswerte binden allerdings die Behörden nicht und entbinden diese somit nicht davon, sich ein eigenes Urteil zu bilden und dieses zu begründen. 575 Aber selbst bei Einhaltung dieser Werte ist denkbar, dass sich aufgrund anderer Gesichtspunkte Anhaltspunkte für schädliche Umwelteinwirkungen ergeben. Insofern ist es erforderlich, dass die Genehmigungsbehörde dies überprüft und sich ein eigenes Bild macht. Die erste Stufe der eigentlichen Sonderfallprüfung, die Sachverhaltsaufklärung, ist von der Behörde durchzuführen; allerdings bestehen Mitwirkungspflichten des Antragstellers nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 24, 26 VwVfG. Die zweite Stufe hat die Beurteilung der festgestellten bzw. prognostizierten Einwirkungen zum Gegenstand. Zwar werden in Nr. 4.8 TA Luft allgemeine Kriterien vorgegeben, wobei deren Berücksichtigung im Einzelfall auch wertende Entscheidungen verlangt, so zum Beispiel im Fall des Gebots der gegenseitigen 571

S. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.8 Rn. 16. Vgl. VGH München, Urteil vom 31. 1. 2000 – 22 A 99.40000 und 40012 –, DVBl. 2000, 822 (826); VGH Mannheim, Urteil vom 16. 6. 1998 – 10 S. 909/97, NVwZ-RR 1999, 298 (302); VGH Mannheim, Urteil v. 28. 6. 1995 – 10 S 2509/93, NVwZ 1996, 297 (301). 573 Fraglich ist die Berücksichtigung der Vorbelastung bei Unterschreiten der Irrelevanzgrenzen, vgl. dazu VGH München, Urteil vom 31. 1. 2000 – 22 A 99.40000 und 40012 –, DVBl. 2000, 822 (826). 574 Z. B. kann auf die vom LAI erarbeiteten Beurteilungsmaßstäbe für krebserzeugende Stoffe zurückgegriffen werden. Zur Heranziehung s. VGH München, Urteil v. 31. 1. 2000 – 22 A 99. 400009 und 40012 –, DVBl. 2000, 822 (826); Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4. 8 Rn. 17., Diese finden sich in Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW (Hrsg.): Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen, 1992. Nach Gerhold, UPR 2003, 44 (47) kann auf das sogenannte Wirkungsschwellenkonzept des LAI zurückgegriffen werden (Länderausschuss für Immissionsschutz, Bewertung von Schadstoffen, für die keine Immissionswerte festgelegt sind, 1990, zitiert nach Gerhold). Nach dessen Ansicht sind allerdings Modifikationen erforderlich. Zur Ermittlung der Orientierungswerte zur Beurteilung von Gesundheitsgefahren s. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.8 Rn. 28 ff. 575 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.8 Rn. 31. 572

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Rücksichtnahme. Die Kriterien sind allerdings nur allgemein vorgegeben, so dass der Prüfung im Einzelfall noch ein erhebliches Gewicht zukommt. Zudem ist nach Nr. 4.8 Abs. 3 c) TA Luft die Erheblichkeit von Auswirkungen auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft zu beurteilen, was regelmäßig als eine Wertung anzusehen ist. 576 Einige konkrete Hinweise existieren für die Wirkungen, die durch die Überschreitung der bodenbezogenen Immissions-Depositionswerte zu beurteilen sind. 577 Zumindest die Überprüfung dieser Werte ist eine weitgehend sachverständige Tätigkeit ohne wertende Aspekte. Sollten die Beurteilungskriterien nicht vorgegeben sein, so müssen sie aus anderen Erkenntnisquellen und gegebenenfalls durch die Einholung von Sachverständigengutachten gewonnen werden. 578 Anhand der obigen Darstellung wird deutlich, dass die Entscheidung der Behörde im Einzelfall ein erhebliches Gewicht hat und zudem Wertungen erforderlich sind, die über rein sachverständige Wertungen hinausgehen. Allerdings existieren zahlreiche Kriterien und Vorprägungen in Form von Werten aus der TA Luft selbst oder sonstigen Regelwerken für eine Sonderfallprüfung, so dass auch Spielräume für eine sachverständige Kontrolle bestehen. Allerdings ist im Einzelfall festzustellen, welches Ausmaß an Wertungen in die Prüfung einfließt. (4) Zusammenfassung zu den Immissionswerten Im Hinblick auf eine Privatisierung der Kontrolle ergibt sich somit ein gemischtes Bild. Zahlreiche Immissionswerte und ihr regelmäßiger Aussagegehalt sind samt ihrer Ermittlung und Überprüfung detailliert geregelt, so dass diese Aufgaben grundsätzlich von Sachverständigen durchgeführt werden können. Allerdings eröffnet die TA Luft zahlreiche Spielräume für Einzelfallentscheidungen, die mit Wertungen verknüpft sind. Einzelfallentscheidungen sind aber dann wiederum im Hinblick auf eine Privatisierung unproblematisch, wenn die Kriterien detailliert vorgegeben sind, wie dies bei der Prüfung der Irrelevanzklauseln und der dadurch ermöglichten Genehmigungserteilung trotz Überschreitens der Immissionswerte der Fall ist. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass sachverständige Tätigkeit bereits heute im Rahmen der Immissionswerte von Bedeutung ist. Häufig wird die Immissionsprognose als sachverständiges Gutachten erstellt; darüber hinaus beruhen sowohl behördliche als auch gerichtliche Entscheidungen, 579 z. B. über die Schädlichkeitsgrenze, auf sachverständigen Begutachtun576 Ein Beispiel für die Notwendigkeit einer wertenden Entscheidung ist auch die Sonderfallprüfung im Hinblick auf die Einwirkung von Ammoniak (Abs. 5 und 7 der Nr. 4.8 der TA Luft), wenn mögliche Pflanzenschäden daraufhin zu beurteilen sind, ob sie als erheblicher Nachteil für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu werten wären, Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.8 Rn.47. 577 S. die Depositionswerte in Tabelle 8. 578 Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap 6 Rn. 142.

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gen bzw. den in ihnen ermittelten Werten. 580 Allerdings sind im Rahmen der Sonderfallprüfung zahlreiche Wertungen erforderlich; außerdem wird ihr Anwendungsbereich auch anhand von Informationen bestimmt, die erst in einem Genehmigungsverfahren generiert werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob eine Prüfung durch Private funktionell äquivalent sein kann, so dass insofern eine Einbeziehung der Behörde nahe liegt. Ein weiteres Problem für eine Privatisierung besteht darin, dass die Behörde elementar in die Messungen eingebunden ist, indem sie den Umfang der Ermittlungen bestimmt. Allerdings wird der Messplan erst in privater Verantwortung erstellt, dann aber von der Genehmigungsbehörde überprüft bzw. mit dieser abgestimmt. Das bedeutet, dass die Behörde ausdrücklich oder konkludent zustimmen muss. 581 Jedoch ist hier auch der Spielraum dadurch geringer, dass es ein VDI Regelwerk zur Planung von Immissionsmessungen gibt 582 und der Messplan regelmäßig von der Stelle aufgestellt wird bzw. werden sollte, die die Messungen durchführt und über die erforderliche Sachkenntnis verfügt. Es besteht, wie häufig im Rahmen der Privatisierung, die Aufgabe, die Gemeinwohlorientierung einer derartigen Stelle zu sichern, zumal die Messungen von elementarer Bedeutung für eine Überprüfung der Immissionswerte sind. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Privatisierung ist über das allgemeine Problem der nur minderen Bindungswirkung der TA Luft als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift hinaus zu berücksichtigen, dass zahlreiche Kriterien und Werte sich aus Erlassen des LAI und sachverständigen Regelwerken ergeben, die in der Regel nicht an der ohnehin schon eingeschränkten Bindungswirkung der TA Luft teilnehmen. Allerdings muss ihre Berücksichtigung durch die Privaten im Rahmen einer Privatisierung sichergestellt werden. Ebenfalls stellt sich die Frage nach der Behandlung der Abweichungen. Aus diesen Gründen sind im Hinblick auf eine Kontrolle durch Private weitergehende Erwägungen anzustellen. 579 So eine Immissionsbetrachtung des TÜV Energie und Umwelt, s. VGH Mannheim, Urteil v. 16. 6. 1998 – 10 S 909/97, NVwZ-RR 1990, 298 (302); Bestätigung der Werte aufgrund einer Studie bei VGH Mannheim, Urteil vom 28. 6. 1995 – 10 S 2509/93, NVwZ 1996, 297 (301). Gegenstand der Entscheidung des VGH Mannheim, Urteil vom 17. 6. 1997 – 10 S 607/96 –, NVwZ-RR 1998, 721 (725) war eine Immissionsprognose des TÜV Energie und Umwelt sowie ein Fachgutachten über die Schädlichkeitsgrenze. 580 S. VGH Mannheim, Urteil vom 17. 6. 1997 – 10 S 607/96 –, NVwZ-RR 1998, 721 (725). Diese werden auch ohne weiteres den Entscheidungen zu Grunde gelegt, vgl. VGH München, Beschl. v. 20. 9. 1990 – 20 CS 89.2392 u. a., NVwZ-RR 1991, 463 (473). Kritischer aber im Hinblick auf die Bedeutung für den Nachbarrechtsschutz OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 27. 4. 1992 – 21 A 800/88, UPR 1993, 105 (105). 581 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 4.6.2.2 Rn. 4. 582 VDI-Richtlinie 4280, Bl. 3 – 2001 – 09: Planung von Immissionsmessungen. Messstrategien zur Ermittlung von Luftqualitätsmerkmalen in der Umgebung ortsfester Quellen.

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Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn nach der TA Luft ein bestimmtes Verhalten des Anlagenbetreibers durch Nebenbedingungen in der Genehmigung sicherzustellen ist. Sachverständige, zumal privat beauftragte, haben kein Mittel, vergleichbare Bindungen zu erzeugen. In diesen Fällen muss es möglich sein, auch im Rahmen einer Privatisierung eine Verbindlichkeit im Einzelfall herzustellen, entweder durch ein punktuelles Eingreifen der Behörde oder aber durch andere, zu entwickelnde Mechanismen, sei es eine verbindliche Erklärung des Antragstellers, sei es eine gesetzliche Verpflichtung, sachverständige Vorgaben einzuhalten. Aufgabe eines Modells der Privatisierung ist es demnach, ein funktionelles Äquivalent derartiger hoheitlicher Verpflichtungen des Anlagenbetreibers zu entwickeln und bereitzuhalten. bb) Die Emissionswerte Die Nr. 5 TA Luft enthält Emissionswerte, die den Stand der Technik zur Luftreinhaltung und damit die Vorsorgeanforderungen konkretisieren. Diese stellen Begrenzungen für die von der Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen dar. 583 Neben den Emissionswerten, die nur für sogenannte gefasste Quellen gelten, 584 enthält die TA Luft Anforderungen an die Ableitung von Abgasen sowie technische und organisatorische Maßnahmen für Emissionen aus sogenannten diffusen Quellen. 585 Sie enthält allerdings keine expliziten Energieeffizienzstandards. 586 Allgemeine Regeln finden sich in Nr. 5.1 TA Luft. Trotz der in Nr. 5.1.3 TA Luft geregelten Möglichkeit dazu brauchen die Genehmigungsbehörden keine weitergehenden Integrationsüberlegungen anzustellen, 587 da die Integrationsanforderungen im Rahmen der Standardsetzung der TA Luft beachtet worden sind. Dies ist nur erforderlich, wenn und soweit sie Lücken oder Spielräume enthält oder falls ein atypischer Sachverhalt vorliegt; zudem enthalten die Regelungen der Nr. 5.1.3 TA Luft teilweise auch ergänzende Anforderungen. 588 583 Mager, DÖV 2004, 561 (561). Eine Konkretisierungswirkung der TA Luft wird im Hinblick auf die Differenzierung von Grenzwerten nach dem Gefährlichkeitsgrad der verschiedenen Schadstoffe angezweifelt von Seibel, BauR 2004, 774 (779 f.), wobei er an dieser Stelle nicht berücksichtigt, dass der Stand der Technik Ergebnis einer Abwägung ist und sich eben gerade nicht alleine an der technischen Machbarkeit orientiert. 584 Also z. B. für durch Schornsteine abgeleitete Emissionen. 585 Z. B. undichte Flanschverbindungen, Fensteröffnungen oder Haldenabwehungen, s. Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6 Rn. 150 (Bsp. in Fn. 191). 586 Winkler, ZUR 2003, 395 (398). 587 Als integrative Anforderungen sind insbes. die Einsparung von Energie und Verminderung der Emissionen an klimawirksamen Gasen, z. B. durch energetische Optimierung bei Planung, Errichtung und Betrieb der Anlagen, die anlageninterne Energieverwertung und die Anwendung von Wärmedämmungsmaßnahmen zu berücksichtigen.

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Ein Indiz für einen atypischen, vom Vorschriftengeber nicht gesehenen Sachverhalt besteht, wenn die Anwendung der Grundsätze der Nr. 5.1.3. TA Luft einen Widerspruch zu den im Übrigen normierten Anforderungen der Nrn. 5.2 und 5.4 TA Luft ergibt. Die dann erforderliche Einzelfallentscheidung hat sich an den integrativen Grundsätzen zu orientieren. 589 Mangels klarer Konkretisierungen müssen die Genehmigungsbehörden dann den Inhalt dieser allgemeinen Anforderungen in Gesprächen mit dem Antragsteller näher konkretisieren. 590 Dabei sind Wertungen erforderlich, da der integrative Ansatz regelmäßig Abwägungen verlangt. Allerdings ist immer zu berücksichtigen, dass die Wahl einer Anlagentechnik zur Erreichung eines unternehmerischen Ziels grundsätzlich allein dem Anlagenbetreiber obliegt, während die Behörde nur die Übereinstimmung des Vorhabens mit der Rechtsordnung zu prüfen hat und in diesem Zusammenhang lediglich Modifikationen der Beschaffenheit und / oder der Betriebsweise der Anlage vorschreiben kann. 591 Nach der Nr. 5.1.2 TA Luft soll den Emissionsbegrenzungen dadurch eine rechtliche Verbindlichkeit verliehen werden, dass sie in Form von Auflagen oder Inhaltsbestimmungen im Genehmigungsbescheid festgelegt werden. 592 Dies soll durch Regelung des Massenstroms, der Massenkonzentration oder aber auch der zulässigen Massenverhältnisse geschehen. Für bestimmte Situationen wird die Festsetzung von Sonderregelungen vorgesehen. (1) Die Emissionsminderungsgebote der TA Luft Die Nr. 5.2 TA Luft enthält Emissionsminderungsgebote für alle Anlagen, die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind; und darüber hinaus enthält Nr. 5.2. TA Luft Sonderregeln für bestimmte, näher festgelegte Anlagenarten. Bei der Regelung der Emissionswerte folgt die TA Luft terminologisch der Unterscheidung zwischen Emissionsgrenzwerten, Emissionswerten und Emissionsbegrenzungen. Bei Emissionsgrenzwerten handelt es sich um rechtsnormativ festgelegte Werte, die Außenwirkung haben. Emissionswerte sind in Verwaltungsvorschriften wie der TA Luft festgelegte Werte, die an der oben dargestell588

Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.1.3 Rn. 1, 2. S. dazu Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.1.3 Rn.2; ders., NVWZ 2003, 266 (271); Pschera / Koepfer, NUR 2003, 517 (523). 590 Vgl. auch §§ 2 Abs. 2, 2a der 9. BImSchV; Winkler, ZUR 2003, 395 (398); ähnlich Schreiber, ZNER 2001, 32 (34). 591 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.1.3 Rn. 5. 592 Vgl. Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6 Rn. 148. Zum Mangel an unmittelbarer Verbindlichkeit der TA Luft für den Anlagenbetreiber s. oben und ders., in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.2.1 Rn. 9. 589

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ten Bindungswirkung teilhaben, also für die Behörden, aber eben nicht unmittelbar verbindlich sind. Emissionsbegrenzungen wiederum sind die gegenüber einem Betreiber im Rahmen einer behördlichen Einzelfallregelung auf Grundlage der Emissionswerte getroffenen Festlegungen. 593 Die Vielfalt der denkbaren Emissionen sowie die der darauf bezogenen Emissionswerte und Emissionsbegrenzungen lässt sich bereits aus den Begriffsbestimmungen der Nr. 2.5 und 2.7 TA Luft erkennen. In der Nr. 5.2 der TA Luft werden zahlreiche Emissionswerte festgelegt, die die Menge an Emissionen kennzeichnen, die bei Anwendung und Einsatz des Standes der Technik erreichbar und damit realisierbar sind. Sie werden regelmäßig als Massenkonzentrationen und Massenströme festgelegt. Diese sind in Nr. 2.5 TA Luft definiert, und zwar in Buchst. a) die Massenkonzentration als die Masse der emittierten Stoffe oder Stoffgruppen, bezogen auf das Volumen, und in Buchst. b) der Emissionsmassenstrom als die Masse der emittierten Stoffe oder Stoffgruppen, bezogen auf die Zeit. Dabei ist detailliert für unterschiedliche Stoffe bzw. Stoffklassen festgelegt, wann welche Werte zum Einsatz kommen. Auf der Grundlage dieser Emissionswerte werden für jede Emissionsquelle und für jeden luftverunreinigenden Stoff (bzw. gegebenenfalls Stoffgruppe) Emissionsbegrenzungen festgesetzt, soweit dieser Stoff bzw. diese Stoffgruppe in relevantem Umfang im ungereinigten Abgas enthalten ist. 594 Bei den angegebenen Werten handelt es sich aufgrund der Grenzen der Bindungswirkung um Mindestanforderungen, denn bei einem gesicherten Erkenntnisfortschritt über ein Fortschreiten des Standes der Technik können strengere Werte gestellt werden. 595 Im Übrigen handelt es sich um bindende Vorgaben für die Anforderungen, die im Regelfall gestellt werden dürfen, also um echte Grenzwerte, von denen grundsätzlich nicht abgewichen werden darf. 596 Für diffuse Emissionsquellen verlangt Nr. 5.2 TA Luft 597 technische und organisatorische Vorkehrungen. In Nr. 5.2.3 TA Luft werden zum einen die Ziele 593

Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 2 Rn. 7. Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 6 Rn. 152. 595 VGH Mannheim, Urteil vom 10. 7. 2000 – 10 S 792/99, UPR 2000, 468 (468 ff.); Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 203; Faßbender, UPR 2002, 15 (17); Führ, GK-BImSchG § 1 Rn. 99. 596 BVerwG, Urteil vom 21. 6. 2001 – 7 C 21.00, UPR 2001, 448 (448) = NVwZ 2001, 1165 (1166). Dort wurde allerdings eine Verschärfung für zulässig gehalten, weil die Anlage die schärferen Werte bei ordnungsgemäßem Betrieb einhält. S. dazu, allerdings mit anderer Begründung Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft Nr. 5.2.1 Rn. 10. 597 In den Nrn. 5.2.3 und 5.2.6 TA Luft werden die staubförmigen Emissionen bei Umschlag, Lagerung oder Bearbeitung von festen Stoffen und die gasförmigen Emissionen bei dem Verarbeiten, Fördern, Umfüllen oder Lagern von flüssigen organischen Stoffen geregelt. 594

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und die allgemeinen maßgeblichen Grundsätze, zum anderen aber in Form von Beispielen mögliche technische Maßnahmen dargelegt. Für unterschiedliche Vorgänge 598 werden konkrete technische Vorgaben gemacht, wobei ein Spielraum für technische Vorkehrungen mit vergleichbarer Wirksamkeit besteht. Sehr konkrete technische Anforderungen und Vorrichtungen sieht Nr. 5.2.6 TA Luft für die gasförmigen Emissionen vor. Dabei verweist sie in den Anforderungen auch auf die Richtlinie VDI 2440 sowie verschiedene DIN-Vorschriften. Dementsprechend gibt die TA Luft sehr detaillierte Anforderungen vor; die im Einzelfall erforderlichen Wertungen können als rein sachverständige Wertungen angesehen werden. Auch für geruchsintensive Stoffe werden, unabhängig davon, ob sie aus gefassten oder diffusen Quellen stammen, technische Vorrichtungen vorgeschrieben. Möglich sind dabei sowohl bauliche als auch betriebliche Maßnahmen 599 sowie Anforderungen an die Abgasreinigung und -ableitung. Zudem ist eine Dynamisierungsklausel enthalten, die den Einsatz neuer Maßnahmen verlangt. Die Anforderungen sind konkret durch die Behörde festzulegen, wobei auch ein olfaktorisch zu bestimmender Geruchsminderungsgrad denkbar ist. Zu ihrer Bestimmung ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, die auch eine behördliche Abwägung erfordert 600. Eine Darstellung der Nr. 5.4 TA Luft bringt keinen weiteren Erkenntnisgewinn, da sie von der Art her ähnliche Regelungselemente wie Nr. 5.2 TA Luft enthält, und ist daher entbehrlich. (2) Emissionsminimierungsgebote Eine weitere Form von Anforderungen stellen die Emissionsminimierungsgebote dar, wobei sich eine zentrale Regelung in Nr. 5.2.7 TA Luft 601 findet. Die Emission der näher bezeichneten krebserzeugenden, erbgutverändernden oder reproduktionstoxischen Stoffe bzw. schwer abbaubaren, leicht anreicherbaren und hochtoxischen organischen Stoffe sind danach unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit so weit wie möglich zu begrenzen. Die Behörde muss durch Genehmigungsbestimmungen oder Auflagen alle zur Emissionsminderung geeigneten Maßnahmen verlangen, die mit einem verhältnismäßigen Aufwand 598

Be- oder Entladung, Förderung oder Transport, Bearbeitung oder Aufbereitung sowie Lagerung. 599 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.2.8 Rn. 5. 600 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.2.8 Rn. 10. 601 Vgl. auch die Regelungen der Nr. 5.4.2.3, 5.4.2.8 und 5.4.6.3, in denen die Anwendung der Nr. 5.2.7 TA Luft, teilweise mit Modifikationen, festgelegt wird, vgl. z. B. für die Nr. 5.4.6.3 TA Luft Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.4.6 Rn.3.

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zu verwirklichen sind, wobei dem Gesichtspunkt der Verminderung von gesundheitlichen Risiken ein hohes Gewicht beizumessen ist. 602 Auch wenn es sich bei den danach festgesetzten Werten um solche zur Vorsorge handelt, dienen sie auch dem Schutz eines individualisierbaren Personenkreises im Einwirkungsbereich der Anlage, so dass die Minimierungsgebote generell als drittschützend zu qualifizieren ist. 603 Sie entfalten allerdings dann keine Wirkung, wenn „aufgrund einer sachverständigen (Hervorhebung durch Verf.) Risikoabschätzung anzunehmen ist, dass das durch den emittierenden Betrieb verursachte Gesundheitsrisiko angesichts der Vorbelastung irrelevant ist“; 604 es ist also im Einzelfall eine Irrelevanzgrenze zu ermitteln. Im Rahmen der Anwendung eines Minimierungsgebots ist mangels konkreter Festlegungen letztlich die Konkretisierung eines Wertes im Einzelfall erforderlich, wobei unter Umständen sogar von der Genehmigungsbehörde ein eigener Prüfungsmaßstab zur Risikoabschätzung zu entwickeln ist. 605 Minimierungsgebote der TA Luft sind insofern im Sinne einer Optimierung einer konkreten Anlage im Hinblick auf eine möglichst weitgehende Reduktion von Emissionen zu verstehen. 606 Anhaltspunkte können dabei der Integrationsklausel der Nr. 5.1.3 TA Luft entnommen werden. 607 Entsprechend der Verpflichtung auf das Optimum sind die zu ergreifenden Maßnahmen nicht auf solche nach dem Stand der Technik begrenzt. Darüber hinaus sieht Nr. 5.2.7.1.2 TA Luft die Festlegung von Zielwerten für die Emission von erbgutverändernden Stoffen vor. Festzulegen ist danach entweder ein Massenstromwert oder eine Massenkonzentration, allerdings nicht als strikte Anforderung. Vielmehr soll die Einhaltung des Wertes angestrebt werden; falls dies nicht möglich ist, sollen die Emissionen unter Beachtung des Minimierungsgebots reduziert werden. Die Behörde soll also ermitteln, welche technischen Maßnahmen im Einzelfall geeignet sind, die Zielwerte möglichst 602

Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.2.7 Rn. 10, 12. BVerwG, Urteil v. 11. 12. 2003 – 7 C 19.02, VBlBW 2004, 177 (178) = NVwZ 2004, 610. 604 BVerwG, Urteil v. 11. 12. 2003 – 7 C 19.02, VBlBW 2004, 177 (178) = NVwZ 2004, 610. Gantzer, VBlBW 2004, 174 (177) will das Minimierungsgebot auf den Stand der Technik begrenzen. Dann wären Emissionen nicht bis zur Irrelevanzgrenze zu reduzieren, wenn dies über den Stand der Technik hinausginge. 605 S. Gantzer, VBlBW 2004, 174 (175). 606 Gantzer, VBlBW 2004, 174 (175); VGH Mannheim, Urteil v. 17. 6. 1997 – 10 S 607/96 –, NVwZ-RR 1998, 721 (725). 607 Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Substitution problematischer Einsatzstoffe, die Wahl integrierter Prozesstechniken mit minimalen Emissionen in die Umwelt, die Verfahrensoptimierung und die Verminderung der Abgasmenge durch Anwendung der Umluftführung, s. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.2.7 Rn. 11. 603

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zu erreichen. Diese können auch dann gefordert werden, wenn im Einzelfall nicht gewährleistet ist, ob sie mit den in Frage kommenden Maßnahmen sicher erreicht werden können. Dann soll eine Öffnungsklausel vorsehen, dass ein anderer Emissionswert festgelegt wird, wenn der geforderte Wert aus Gründen, die der Betreiber nicht zu vertreten hat, nicht eingehalten werden kann. 608 Auch wenn die TA Luft die grundsätzliche Entscheidung für eine weitestgehende Minimierung getroffen hat und die Minimierung im Wesentlichen von sachverständig zu beurteilenden Aspekten abhängt, handelt es sich hier nicht lediglich um die Kontrolle von Vorgaben, sondern um die Entwicklung von Vorgaben im grundrechtsrelevanten Bereich. (3) Messungen und Messverfahren Nr. 5.3 TA Luft legt die Anforderungen an die Messung von Emissionen und die Überwachung fest. Dabei wird auch das Messverfahren sowie die Auswertung und Beurteilung der Messergebnisse geregelt. Die Anforderungen sollen im Genehmigungsbescheid als Auflage festgeschrieben werden, 609 wobei die Behörde die in der Richtlinie VDI 4200 ausgesprochenen Empfehlungen beachten soll. Sie muss diese zwar nicht übernehmen, für eine Abweichung müssen allerdings besondere Gründe vorliegen. 610 Eine solche unterliegt somit einem besonderen Begründungsbedarf. Die Richtlinie nimmt zwar nicht an der Rechtsqualität der TA Luft teil, erhält aber eine erhöhte Legitimation und den Status einer Vermutungsregel. Auf präventiver Ebene kann aufgrund der detaillierten Vorgaben zwar ein Mess- und Überwachungskonzept durch private Sachverständige aufgestellt werden. Angesichts der anlagespezifischen Besonderheiten handelt es sich dabei jedoch weniger um eine Kontrolle von Vorgaben als um eine Entwicklung solcher, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die dabei erforderlichen Entscheidungen im Wesentlichen sachverständige Wertungen erfordern. (4) Ableitung der Abgase Daneben ist eine Abgasreinigung und die Ableitung von Abgasen nach Nr. 5.5 der TA Luft erforderlich. Dabei enthält diese Norm ausführliche Berechnungsmethoden für die Schornsteinhöhe, womit die maßgeblichen Entscheidungen 608 Empfehlung des Länderausschuss für Immissionsschutzrecht zur Konkretisierung von Dynamisierungsklauseln der TA Luft, beschlossen auf der 77. Sitzung vom 6. bis 8. Mai 1991, abgedruckt bei Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht Band 3, TA Luft, Vorbemerkung. 609 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.3.1 Rn. 5, 7. 610 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.3.1 Rn. 7.

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in der Norm selbst enthalten sind. Die Ermittlung der Höhe erfordert keine Entscheidung mehr, sondern nur noch eine Berechnung. (5) Zusammenfassung zu den Emissionswerten Auch im Rahmen der Emissionswerte bietet sich ein gemischtes Bild. Zahlreiche Anforderungen sind, das zugehörige Messverfahren eingeschlossen, detailliert vorgegeben, so dass weder ein bedeutender Spielraum für Entscheidung noch für damit verbundene Wertungen besteht, insbesondere nicht für Wertungen, die über rein sachverständige hinausgehen. Selbst im Rahmen erforderlicher Einzelfallentscheidungen, insbesondere der Nr. 5.2.7. TA Luft, sind in erheblichem Umfang sachverständige Beurteilungen erforderlich. Somit sind insgesamt im Rahmen der Nr. 5 TA Luft weitestgehend sachverständige Beurteilungen erforderlich, was sich auch daran zeigt, dass in der Praxis de facto die Überprüfung einer geplanten Anlage anhand sachverständiger Beurteilungen oder gar Herstellerangaben durchgeführt wird. 611 Angesichts dieser Erwägungen erscheint es auf den ersten Blick durchaus möglich, Sachverständige mit einer maßgeblichen Rolle zu betrauen. Dies ist sicherlich möglich, wenn lediglich die Vorgaben der TA Luft kontrolliert werden müssen. In diesen Fällen ist die wesentliche Leistung der Genehmigung die Transformation der Vorgaben in bindende Vorgaben. Dieser Funktion ist im Rahmen einer Privatisierung Rechnung zu tragen. Allerdings ist in zahlreichen Fällen noch eine Konkretisierung im Einzelfall erforderlich. Diese beruht zwar ebenfalls auf sachverständigen Bewertungen, ihre Festlegung hat aber eine erhebliche Bedeutung für grundrechtlich geschützte Bereiche. cc) Zusammenfassung zur TA Luft Die TA Luft enthält somit in weitem Umfang detaillierte Vorgaben für die zu genehmigenden Anlagen, die einer bloßen Kontrolle bedürfen, allenfalls sind sachverständige Wertungen im Hinblick auf eine Eignung einer Maßnahme erforderlich. Rein sachverständige Wertungen sind auch für die technischen und organisatorischen Anforderungen erforderlich. Insofern erscheint eine Kontrolle durch Sachverständige möglich. Darüber hinaus zeigt sich, dass auch im Rahmen der erforderlichen Einzelfallentscheidungen zahlreiche Strukturierungen bestehen und zudem die erforderlichen Wertungen häufig rein sachverständiger Art sind. Die zugrundeliegenden Entscheidungen sind im Wesentlichen bereits in der TA Luft enthalten. Im Rahmen der Nr. 5 TA Luft werden sogar ausdrücklich private Normen herangezogen. 611

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. 12. 2003 – 7 C 19/02, NVwZ 2004, 610 (611 f.); s. auch BVerwG, Urteil vom 21. 6. 2001 – 7 C 21/00 –, NVwZ 2001, 1165 (1166).

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Allerdings muss eine Privatisierung zwei grundsätzliche Aspekte verarbeiten und berücksichtigen. Zum einen muss sie die Transformationsleistung der Genehmigung, die die Vorgaben der TA Luft in unmittelbar bindende Vorgaben verwandelt, ersetzen, zumal zweifelhaft ist, ob eine bloß faktische, mittelbare Bindungswirkung ausreichend ist. Zum anderen muss sie beantworten, ob auch die Entwicklung von Vorgaben Sachverständigen anvertraut werden kann. c) TA Lärm Auch die TA Lärm 612 stellt eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift dar. 613 Insofern deren Vorschriften immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen betreffen, 614 legt sie die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung fest. Sie enthält insbesondere Konkretisierungen der Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. 615 Ausweislich ihres Wortlauts sieht sie zudem vor, dass auch im Hinblick auf Lärm Vorsorge getroffen wird. 616 Grundsätzlich folgt die TA Lärm einer akzeptorbezogenen Betrachtungsweise. Maßgeblich für die Beurteilung der Lärmsituation ist damit die Gesamtbelastung, die am Einwirkungsort vorhanden ist. Diese Betrachtung ist vor dem Hintergrund des Schutzprinzips erforderlich. 617 aa) Die Immissionsrichtwerte Die Anforderungen werden als Immissionsrichtwerte in Nr. 6 TA Lärm geregelt. Durch die Bezeichnung als Richtwert bringt die TA Lärm selbst zum Ausdruck, dass es sich nicht um strikt einzuhaltende Grenzwerte handelt, die eindeutig und mit doppelseitiger Aussage die Grenze der schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärm markieren. 618 Es handelt sich vielmehr um Richtwerte für 612

Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26. August 1998, GMBl 503. 613 BVerwG, Urteil v. 29. 8. 2007 – 4 C 2.07, BauR 2008, 332 (333) = ZUR 2008, 32 (32) = UPR 2008, 61 (62); OVG Münster, Beschluss v. 24. 10. 2003 – 21 A 2723/01, NVwZ 2004, 366 (366 f.); Kutscheidt, FS Feldhaus, S. 1 (22 f.); ders., NVwZ 1999, 577 (578); Chotjewitz, LKV 1999, 47 (47). 614 Zum Anwendungsbereich und dem Ausschluss von Anlagen s. Feldhaus, UPR 1999, 1 (2); Spohn, ZUR 1999, 297 (297). 615 Kunert, NuR 1999, 430 (430 f.). 616 Vgl. Nr. 3.1 lit. b) TA Lärm. So spricht auch die Begründung von der Vorsorgepflicht, s. BR-Drs. 254/98, S. 42. Dabei regelt die TA Lärm allerdings inhaltlich primär Immissionswerte, die Gegenstand der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind. 617 Chotjewitz, LKV 1999, 47 (48). 618 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 2. Die Bindungswirkung der TA Lärm bezieht sich damit primär auf die Zuordnung von bestimmten

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den Regelfall, deren Ermittlung hinsichtlich einiger Faktoren bereits wertende Entscheidungen voraussetzt und von denen darüber hinaus bei besonderen Umständen im Einzelfall im Rahmen einer Sonderfallprüfung abgewichen werden darf. 619 Es handelt sich somit um Anhaltswerte 620 mit einem indikatorischen Charakter. Eine Abweichung im Einzelfall ist begründungsbedürftig. 621 Angesichts der Vielzahl der Anlagentypen und der Subjektivität der Bestimmungsfaktoren können objektivierte Einzelwerte letztlich nur eine Aussagekraft für bestimmte typische Standardsituationen haben. 622 Selbst mit den differenzierten Festlegungen in Nr. 6 TA Lärm kann die Vielzahl der zu berücksichtigenden Faktoren (objektiver und subjektiver Art) letztlich nicht ausreichend erfasst werden. 623 Diese Immissionsrichtwerte differenzieren zwischen unterschiedlichen Immissionsorten, und zwar außerhalb oder innerhalb von Gebäuden, sowie Immissionszeiten, und zwar tags und nachts. Sämtliche Werte sind in dB(A) festgelegt. Zudem gelten Immissionsrichtwerte für seltene Ereignisse. Die Immissionsrichtwerte außerhalb von Gebäuden richten sich nach der Gebietsnutzung, wobei sich die konkrete Einordnung des betroffenen Gebiets primär nach den Festsetzungen des Bebauungsplans richtet. Ohne einen solchen ist die tatsächliche Gebietsnutzung maßgeblich, 624 wobei dann die Behörde die Entscheidung über die Einordnung anhand der Schutzbedürftigkeit des Gebiets bzw. der Einrichtung trifft. 625 Bei dem Vorliegen einer Gemengelage hat sie einen geeigneten Mittel- oder Zwischenwert zu ermitteln. 626 Dabei werden Grenzen für diese Zwischenwerte sowie bei der Ermittlung zu berücksichtigende Kriterien vorgegeben, die eigentliche Ermittlung selbst wird jedoch nicht geregelt. 627 Grundsätzlich ist bei Überschreitung auch nur eines der Immissionswerte davon auszugehen, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch GeräuschimmisGebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigzeit zu bestimmten Immissionsrichtwerten und das Vorschreiben des Verfahrens der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen, BVerwG, Urteil vom 29. 8. 2007 – 4 C 2/07, NVwZ 2007, 76 (76). 619 Amtliche Begründung, BR-Drs. 254/98, S. 45. 620 So auch BVerwGE 88, S. 210 (217); OVG Greifswald, Beschl. v. 8. 3. 1999 – 3 M– 85/98, UPR 2000, 73 (73). 621 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 2; zu diesem Charakter der Immissionswerte s. auch ders., in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 48 BImSchG Rn. 36. 622 Schulze-Fielitz, DVBl. 1999, 65 (67). 623 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 2. 624 Schulze-Fielitz, DVBl. 1999, 65 (67). 625 Schulze-Fielitz, DVBl. 1999, 65 (67 f.). 626 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 26. 627 Zur Erhöhung in Bereichen, die dem Wohnen dienen, aufgrund des Gebots der Rücksichtnahme Chotjewitz, LKV 1999, 47 (48 f.).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

sionen verursacht werden, es sei denn, dass besondere Umstände für eine andere Beurteilung im Einzelfall vorliegen. 628 bb) Die Prüfung Die detaillierte Regelung der Prüfung der Einhaltung der Schutz- und Abwehrpflicht unterscheidet zwischen einer Prüfung im Regelfall (3.2.1) und einer im Sonderfall (3.2.2). Die Regelprüfung folgt einer akzeptorbezogenen Sichtweise. Der Beurteilung wird die Gesamt-Immissionsbelastung des Betroffenen zugrunde gelegt. Die Vorbelastung ist zu messen, 629 und für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen sind die Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage zu prognostizieren. Die sich daraus ergebende Gesamtbelastung ist dann ohne Abzug eines Messabschlags 630 mit den Immissionsrichtwerten zu vergleichen 631. Detaillierte Regelungen für die Durchführung der Prognose enthält die Nr. A. 2 des Anhangs zur TA Lärm. Schwierigkeiten kann es insbesondere bei der Berücksichtigung der Summation geben. Die summative Betrachtungsweise lässt sich nämlich nicht einfach durch Addition lösen. 632 Zudem darf nach Nr. 3.2.1 TA Lärm auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte eine Genehmigung in bestimmten Situationen nicht versagt werden. 633 Festgelegt wird eine Irrelevanzschwelle, die Genehmigungsfähigkeit bei der Sicherstellung der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen durch eine Auflage sowie der Fall, dass wegen ständig vorherrschender Fremdgeräusche keine zusätzlichen schädlichen Umwelteinwirkungen zu befürchten sind. Eine ergänzende Sonderfallprüfung kann nach Nr. 3.2.2 TA Lärm in bestimmten, nicht abschließend aufgeführten Fällen erforderlich sein und zu einer von den Immissionsrichtwerten abweichenden Beurteilung im Einzelfall führen. Dabei kann sich sowohl die Genehmigungsfähigkeit bei Überschreitung der Werte als auch die Versagung der Genehmigung trotz Unterschreitens der Werte ergeben. 634 Ihre Durchführung selbst ist jedoch nicht normiert. Jedenfalls müssen in 628

Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 3. S. dazu Schulze-Fielitz, in: Koch (Hrsg.): Schutz vor Lärm, S. 191 (205). 630 S. dazu Feldhaus / Tegeder, UPR 2005, 208 (211). 631 Zu den technischen Grundlagen siehe Tegeder, UPR 2000, 99 (100). 632 Die Erfordernisse einer summativen Betrachtungsweise lassen sich nur auf der Grundlage lärmphyikalischer Beschreibungen der Eigenschaften unterschiedlicher Lärmbeiträge, ihres Zusammenwirkens und medizinischer Aussagen der Lärmwirkungsforschung ermitteln, Tegeder, UPR 2000, 99 (101). Vgl. dazu Koch, Die rechtliche Beurteilung der Lärmsummation nach BImSchG und TA Lärm, 1999. Zu Lärmsummationen s. auch Michler, VBLBW 2004, 361 ff. 633 Zu den Ausnahmen siehe auch Schulze-Fielitz, DVBl. 1999, 65 (70). 629

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ihrem Rahmen alle die Zumutbarkeit beeinflussenden konkreten Gegebenheiten im Sinne einer Güterabwägung in Betracht gezogen und bewertet werden. 635 Derartige Gegebenheiten werden in Nr. 2.4.3. Abs. 4 der Musterverwaltungsvorschrift Lärm des LAI aufgezählt. Es sind sowohl objektivierbare Faktoren 636 als auch subjektiv-individuelle Faktoren zu berücksichtigen. 637 Diese messtechnisch nicht zu erfassenden Aspekte sind aber rechtlich nur insofern relevant, als dass sie für den Durchschnittsmenschen von Bedeutung sind. 638 Die Konkretisierung der Vorsorgepflicht wird nach der Regelung der Nr. 3.3 TA Lärm einzelfallbezogen durchgeführt. Allerdings ist der Stand der Technik der Lärmminderung, dem die Anlagen genügen müssen, im Sinne der Nr. 2.5 TA Lärm generell zu ermitteln. 639 Die einzelfallbezogene Betrachtung bezieht sich auf die sonstigen Vorsorgemaßnahmen. Für das Maß der Vorsorgepflicht ist dabei die Immissionssituation von Bedeutung, allerdings auch nur als ein Gesichtspunkt und nicht als alleiniger Maßstab. Maßnahmen, die ohne großen Aufwand zu einer Verringerung der Geräuschbelastung führen, sind auch dann durchzuführen, wenn sie zu einer Unterschreitung der Immissionsrichtwerte führen. 640 cc) Zusammenfassung Im Rahmen der TA Lärm ergibt sich im Hinblick auf eine Privatisierung ein ähnliches Bild wie im Rahmen der TA Luft. Die regelmäßige Prüfung der Immissionsrichtwerte ist weitgehend normiert, und ihre Einhaltung ist rein sachverständig überprüfbar. Problematisch ist auch hier die Sonderfallprüfung, zumal diese nur rudimentär normiert ist, von subjektiven Faktoren abhängt und Wertungen erfordert, die über rein sachverständige Wertungen hinausgehen. Zudem kann sie 634

Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Lärm, Nr. 3.1 Rn. 34. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Lärm, Nr. 3.1 Rn. 48. 636 Wie die Stärke, Dauer, Häufigkeit des Auftretens, Frequenzzusammensetzung, Auffälligkeit, Orstüblichkeit und Tageszeit des Auftretens, Feldhaus, in: Koch (Hrsg.): Schutz vor Lärm, S. 153 (168). 637 Wie z. B. der Gesundheitszustand der Betroffenen, die Gewöhnung, die Einstellung zum Lärmerzeuger, die Sinnhaftigkeit des Geräusches sowie die Art der Tätigkeit während der Geräuscheinwirkung. 638 Feldhaus, in: Koch (Hrsg.): Schutz vor Lärm, S. 153 (169). 639 Dabei kommen neben einem technischen Mindeststandard Maßnahmen wie die Anordnung der Gebäude und damit der Ausnutzung einer Abschirmwirkung, die Einhaltung von Abständen zwischen Emissionsquelle und schutzbedürftiger Nutzung, die Höhe des Emissionsortes und die Richtung des Emissionsaustritts in Betracht, Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Lärm, Nr. 3 Rn. 50. 640 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Lärm, Nr. 3 Rn. 56. Er nennt eine andere Anordnung lärmintensiver Aggregate sowie die Abschirmwirkung von Gebäuden. 635

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dazu führen, dass die Werte der TA Lärm nicht als maßgeblich anzusehen sind, weil sie entweder zu verschärfen sind oder aber ihre Überschreitung zugelassen wird. Dies wirft Bedenken im Hinblick auf eine private, und sei es auch eine sachverständige Durchführung auf. Neben dem allgemeinen Problem der Herstellung einer ausreichenden Verbindlichkeit stellt sich im Speziellen auch die Frage nach einem funktionellen Äquivalent dafür, dass die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen mit einer Auflage sichergestellt werden soll. Daneben ist auch die Prüfung der Vorsorge unter Umständen einzelfallbezogen. Zwar ist die Ermittlung des Standes der Technik hinsichtlich der Lärmminderung durch Sachverständige möglich, aber problematisch ist die einzelfallbezogene Betrachtungsweise sonstiger Vorsorgemaßnahmen. d) TA Abfall und TA Siedlungsabfall Von Bedeutung für die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Abfallbeseitigungsanlagen sind auch die TA Abfall und die TA Siedlungsabfall, die nicht nach § 48 BImSchG, sondern auf Grundlage des Art. 84 Abs. 2 GG und des § 4 Abs. 5 AbfG erlassen worden sind und ebenfalls normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften darstellen. 641 Sie konkretisieren in ihren anlagenbezogenen Teilen auch die Grundpflicht des § 5 Abs. 1 BImSchG. 642 Da die maßgeblichen Aspekte einer Privatisierung der Kontrolle der Vorgaben aus normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften anhand von TA Luft und TA Lärm dargestellt werden können, unterbleibt an dieser Stelle eine weitere Darstellung.

7. Sonstige Verwaltungsvorschriften Des Weiteren existieren Verwaltungsvorschriften der Länder, 643 aber auch die auf §§ 45 und 46 Abs. 1 Nr. 5 BImSchG gestützten Verwaltungsvorschriften. Es handelt sich nicht um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, da sie nicht in einem gesetzlich geregelten Verfahren zustandekommen, das eine 641

Schäfer / Jessen, JUTR 2002 (UTR Band 62), S. 283 (286 ff.). Kunig / Paetow / Versteyl, Krw- / AbfG, § 31 Rn. 71. 643 Nach h.M. schließt § 48 BImSchG nicht aus, dass auch die Länder Verwaltungsvorschriften zur Anwendung des BImSchG erlassen, soweit die BReg von der ihr eingeräumten Kompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat, Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201 (204); Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 48 BImSchG Rn. 14. Moench / Hamann weisen auch auf grundsätzliche Kritik hin und nennen dafür Junker / de La Riva / Schwarz, Genehmigungsverfahren und Umweltschutz I, Vorbemerkung und Einführung zu GIRL, Rn. 1. S. zu einer solchen Verwaltungsvorschrift SächsOVG, Beschluss v. 15. 7. 1998 – 1 S 257/98, SächsVBl. 1998, 292 (293 f.). 642

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umfassende Berücksichtigung des wissenschaftlichen Sachverstands und der Interessen der Betroffenen gewährleistet und eine entsprechende Vermutung für die Wiedergabe des jeweiligen Standes der Technik begründet. 644 Ihre Bindungswirkung ist grundsätzlich auf die Behörden beschränkt. Aber auch ohne Bindungswirkung für die Gerichte kann ihnen im gerichtlichen Verfahren unter Umständen eine gewisse Indizwirkung zukommen. 645 Für eine derartige (eingeschränkte) Wirkung wird es jedoch zusätzlich darauf ankommen, welches Ausmaß an Sachverstand in die Verwaltungsvorschrift eingeflossen ist. Diese eingeschränkte Bindungswirkung wirft Probleme für eine Privatisierung auf. Ein Modell der Privatisierung müsste sicherstellen können, dass die Anforderungen dieser Verwaltungsvorschriften auch von den nicht unmittelbar gebundenen Anlagenbetreibern eingehalten werden. Außerdem können die Verwaltungsvorschriften in den einzelnen Ländern voneinander abweichen. Mangels einer einheitlichen Materie ist es vor diesem Hintergrund schwierig, ein Sachverständigenmodell mit einer klaren Verteilung der Verantwortung zu entwerfen. Jedenfalls müsste im Einzelfall festgestellt werden, welche Verwaltungsvorschriften Vorgaben enthalten, die sinnvoll durch Sachverständige kontrolliert werden können.

8. Die Bedeutung von durch offiziell eingesetzte Gremien erarbeiteten Normen Darüber hinaus gibt es eine Gruppe von Normen, die zwar von offiziell eingesetzten oder konkludent anerkannten Sachverständigengremien erarbeitet, aber nicht förmlich als Verwaltungsvorschriften erlassen worden ist. 646 Diese Normen werden teilweise auch vom zuständigen Bundesministerium im Bundesanzeiger veröffentlicht, ohne aber den Genehmigungsbehörden förmlich als zu beachtende Ausführungsvorschriften vorgegeben zu werden. Es handelt sich dabei um eine nur schwer abgrenzbare und zu beurteilende Gruppe von Normen, die zwischen den Verwaltungsvorschriften und den von Privaten erarbeiteten technischen Regelwerken steht. Auch wenn sie (wie bspw. durch den inzwischen aufgehobenen § 31a Abs. 4 BImSchG vorgesehen) durch den zuständigen Bundesminister in einem amtli644 Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201 (204); vgl. BVerwG, Urteil v. 19. 1. 1989 – 7 C 77/87, NJW 1989, 1291 (1292); BGH, Urteil v. 21. 6. 2001 – III ZR 313/99, BauR 2001, 1566 (1568). Auf die fehlende Mitwirkung interessierter Kreise weist hin Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 58. 645 Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 58 spricht von „allenfalls“, s. auch ders., NJW 1987, 1225 (1230). 646 Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (224 f.).

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chen Veröffentlichungsblatt veröffentlicht werden, werden sie dadurch weder zu Rechts- noch zu Verwaltungsvorschriften, insbesondere nicht zu solchen normkonkretisierender Art. 647 Sie erhalten insbesondere keine rechtliche Verbindlichkeit, 648 und da sie schon keine rechtliche Bindungswirkung für die Behörden entfalten, können sie erst recht keine Außenwirkung entfalten. 649 Die Bedeutung einer derartigen Veröffentlichung liegt primär in der Bekanntgabe der Sachverständigenaussage sowie darin, dass der Bundesminister zu erkennen gibt, dass er keine Bedenken gegen die Regeln hat. 650 Allerdings erhalten diese Regeln in der Praxis durch eine Veröffentlichung einen quasi-amtlichen Charakter. 651 Es wird damit eine faktische Bindung der Behörde erreicht, die derjenigen durch Verwaltungsvorschriften gleichkommt, 652 denn die Behörden legen sie ihren Entscheidungen mangels anderer Konkretisierungen de facto zugrunde. Die Praxis folgt in der Regel den Vorgaben, weil ihr die sachlichen und personellen Kapazitäten fehlen, Gegenvorschläge zu den Regelungen zu entwickeln, die als unangemessen empfunden werden. 653 In diesem Bereich kann eine selbständige Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen realistischer- und sinnvollerweise nicht mehr von den Behörden erwartet werden. 654 Eine Bindungswirkung kann zudem in Form einer Selbstbindung der Verwaltung entstehen. Darüber hinaus wird eine derartige tatsächliche Bindung, die zu einer Vereinheitlichung der Rechtsanwendung führt, auch im Interesse der Rechtssicherheit als erforderlich, jedenfalls als wünschenswert angesehen. 655 Insgesamt unterscheidet sich ihre Anwendung nur geringfügig, wenn überhaupt, von der Anwendung rechtlich verbindlicher Normen. 656 647 Jarass, BImSchG (5. Auflage), § 31a Rn. 5; s. auch die ehemalige Kommentierung von Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 31a Rn. 12. Für Richtlinien im Atomrecht, grundsätzlich aber auf die vorliegenden Regelwerke übertragbar, Jarass, in: Lukes (Hrsg.): Reformüberlegungen zum Atomrecht, S. 367 (391), der darauf hinweist, dass eine bloße Veröffentlichung nicht dazu führt, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift im Sinne des Art. 85 Abs. 2 GG vorliegt; ders., NJW 1987, 1225 (1226 Fn. 20). 648 Böhm, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 31a Rn. 29. 649 Jarass, in: Lukes (Hrsg.): Reformüberlegungen zum Atomrecht, S. 367 (391 f.). 650 Ehemalige Kommentierung von Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 31a BImSchG Rn. 12. 651 So Böhm, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 31a Rn. 30. 652 S. Lamb, ZUR 1993, 97 (99); so auch Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (224), die deswegen die Frage, ob diese Normen als Verwaltungsvorschriften zu qualifizieren sind, für zweitrangig hält. Gegen eine Anerkennung als Verwaltungsvorschrift und gegen eine Bindung der Behörden argumentiert Jarass, in: Lukes (Hrsg.): Reformüberlegungen zum Atomrecht, S. 367 (426 ff.). 653 Böhm, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 31a Rn. 30, die vor diesem Hintergrund auf die Bedeutung des Verfahrens der Erstellung der Regeln hinweist. 654 Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (224). Es bestehen nur geringe Kapazitäten zur eigenständigen Konkretisierung. 655 Gusy, NuR 1987, 156 (157). Vgl. zu den Arbeiten des LAI Kutscheidt, NVwZ 1989, 193 (197).

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Darüber hinaus sind diese Regeln trotz ihrer mangelnden Bindungswirkung auch nicht ohne Bedeutung für die gerichtliche Praxis. Aufgrund des möglichen Kompromisscharakters dürfen jedoch z. B. die Hinweise des LAI lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung verwendet werden. 657 Insbesondere können sie auch nicht als antizipiertes Sachverständigengutachten angesehen werden. 658 Im Rahmen der Beweiswürdigung können diese Regelwerke als Anhaltspunkte herangezogen werden 659 oder aber auch eine gewisse indizielle Bedeutung entfalten. 660 Zudem dürfte der gerichtlichen Aufklärungspflicht dann Genüge getan sein, wenn sich aus ihnen eine Antwort ergibt und diese nicht substantiiert angegriffen wird. 661 Im vorliegenden Zusammenhang sind insbesondere die technischen Regelwerke sogenannter „verwaltungsangegliederter“ Gremien zu nennen. Dabei handelt es sich um Ausschüsse, die in die staatliche Organisation, wenn auch auf eine in der Regel sehr lockere Art, eingebunden sind. 662 Dazu werden auch konkludent anerkannte Sachverständigengremien gezählt. 663 Ihre Regelwerke werden nicht förmlich als Verwaltungsvorschriften erlassen, sie werden aber in amtlichen Verkündungsblättern veröffentlicht. So existiert im Immissionsschutzrecht nach § 31a BImSchG der technische Ausschuss für Anlagensicherheit. 664 Er soll sicherheitstechnische Regeln vorschlagen, die dem Stand der Sicherheitstechnik 656 Dagegen wird zwar, durchaus mit Recht, angeführt, dass die Existenz derartiger Regelwerke weder die Behörden noch die nachprüfenden Gerichte von einer sorgfältigen Prüfung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entbindet, vgl. Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201 (204). Insbesondere dürfen „Richtlinien“, die nicht Ergebnis eines repräsentativen Querschnitts wissenschaftlicher Erkenntnis seien, die Fachbehörden nicht dazu verleiten, Sachverhalte losgelöst von einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitserwägungen zu beurteilen. Diese kritischen Anmerkungen werden allerdings der Verwaltungspraxis und ihre Zwängen nicht gerecht, auch wenn sie rechtlich nicht von der Hand zu weisen sind. 657 So BVerwGE 81, S. 198 (204). 658 Jarass, BimSchG (5. Auflage), § 31a Rn. 5. 659 Jarass, BImSchG (5. Auflage), § 31a Rn. 5. 660 Jarass, in: Lukes (Hrsg.): Reformüberlegungen zum Atomrecht, S. 367 (433) m.w. N. Für die Reaktorsicherheitskommission BVerwG, Äußerungen des 7. Senats des BVerwG zur Anfrage des BVerfG vom 14. 12. 1988 im Verfahren 2 BvG 1/88, NVwZ 1989, 1145 (1146) – Kalkar. 661 Vgl. Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2237). 662 S. Lamb, ZUR 1993, 97 (98). 663 Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (224). 664 S. zu weiteren Ausschüssen Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (225). Neben den Ausschüssen auf dem Gebiet des Atomrechts sind hier die nach § 11 Abs. 2 GSG eingesetzten Ausschüsse zu nennen (zu diesen s. einen Überblick bei Peine, GSG, § 11 Rn. 37 ff.), z. B. der Deutsche Dampfkesselausschuss und der Deutsche Druckbehälterausschuss. Sie haben u. a. die Aufgabe, den Stand der Technik zu ermitteln und in technischen Regeln niederzulegen. Diese Regeln können nach § 11 Abs. 3 GSG vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Bundesarbeitsblatt veröffentlicht werden. In diesem Zu-

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

entsprechen. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist nach § 31a Abs. 4 BImSchG möglich, wobei das dafür zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 665 diese prüfen kann, aber nicht muss. Es gibt auch keine Pflicht zur Veröffentlichung, der Bundesminister kann davon absehen. 666 Weder das dabei zu beachtende Verfahren noch die Veröffentlichung selbst führen zu einem neuen Rechtscharakter dieser technischen Regeln. Vereinzelt wurden Emissionswerte durch Ländererlasse festgelegt. 667 Von Bedeutung ist hier auch der Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI). Eine seiner zentralen Aufgaben besteht darin, Vorschriften zu erläutern und Empfehlungen an die Behörden zu geben. Diese Aufgabe nimmt er auch durch Entwurf und Verabschiedung von Muster-Verwaltungsvorschriften wahr, die durch die Länder als Verwaltungsvorschrift umgesetzt werden können, beispielsweise die Musterverwaltungsvorschrift Lärm. Im Übrigen entwirft er Leit- und Richtlinien, die der Beurteilung von Immissionen dienen. Dazu zählen die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL), 668 die Licht-Richtlinie, die Erschütterungs-Leitlinie und die Fluglärm-Leitlinie. 669 Daneben werden Hinweise, so z. B. die Hinweise zur Beurteilung von Freizeitlärm, 670 gegeben. Diese Vorschriften sind allesamt an die Behörden und Bundesländer als Erläuterung und Empfehlung gerichtet und haben daher keine rechtliche Bindungswirkung, es sei denn, sie werden als Verwaltungsvorschrift oder ministerieller sammenhang werden die Ausschüsse auch als teilrechtsfähige Verbände des öffentlichen Rechts bezeichnet. 665 Das vor der Veröffentlichung die für die Anlagensicherheit zuständigen Landesbehörden, allerdings nur die obersten, anhören muss, vgl. auch Rebentisch, NVwZ 1991, 310 (313). 666 Vgl. die ehemalige Kommentierung von Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 31a BImSchG, Rn. 13; Jarass, BImSchG (5. Auflage), § 31a Rn. 5. 667 Die in diesem Zusammenhang häufig genannten NO X- Werte, die durch Ländererlasse aufgrund eines Beschlusses der Umweltministerkonferenz vorgegeben wurden, sollten allerdings keine Emissionsgrenzwerte darstellen, sondern Interpretationshilfen für die Dynamisierungsklauseln der damals geltenden 13. BImSchV sein (§§ 5, 10, 15 und 19); vgl. Beschluss der UMK vom 4. April 1984, Nr. 3, abgedr. bei Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 3, 13. BImSchV, § 5 Rn. 2. Sie verstanden sich als Zielvorgaben und konkretisierten schon von daher die Vorsorge in Form von Emissionsbegrenzungen nicht rechtsverbindlich. Zudem war eine individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen; die individuelle Prüfung war nicht auf die Prüfung atypischer Sonderfälle beschränkt. Vgl. BVerwG Beschluss v. 24. 4. 1995 – 7 B 172.94, UPR 1995, 269 (270)= NVwZ-RR 1995, 565. 668 S. zu dieser und der Kritik, die ihre Kernpunkte als wissenschaftlich nicht haltbar bezeichnet, SächsOVG, Beschluss vom 15. 7. 1998 – 1 S 257/98, SächsVBl. 1998, 292 (294). 669 Alle Regelungen abgedruckt in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, Nr. 4: Empfehlungen des LAI. 670 Abgedruckt in NVwZ 1988, S. 135 ff.

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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Erlass eingeführt. Eine Bindungswirkung erlangen sie auch dann nicht, wenn ihre Anwendung durch ministerielles Rundschreiben o. Ä., wie in einigen Bundesländern geschehen, empfohlen wird. 671 Allerdings ist anzunehmen, dass die Fachbehörden den „Empfehlungen“ der obersten Landesbehörde in aller Regel Folge leisten werden, so dass diese Vorschriften auch in diesen Ländern faktisch die Funktion einer Verwaltungsvorschrift erfüllen. 672 Angesichts der fehlenden Bindungswirkung ist grundsätzlich allenfalls daran zu denken, dass eine Abweichung begründungsbedürftig sein kann. Von der Rechtsprechung werden die vom LAI erlassenen Richtlinien als „Entscheidungshilfe mit Indizcharakter“ angesehen. 673 Hier zeigt sich ebenfalls der Dualismus aus einer nicht bestehenden rechtlichen Bindungswirkung (auch für die Behörden), 674 wohl aber einer faktischen Bindungswirkung dieser Normen, die der Rechtsanwendung sehr detaillierte Vorgaben machen. Dementsprechend kann auch hier festgehalten werden, dass diese Normen zwar durchaus vollzugsfähige Konkretisierungen enthalten, die von Sachverständigen kontrolliert werden können. Es mangelt allerdings an einem Mechanismus, der eine Bindungswirkung herstellt.

9. Die sogenannten BVT-Merkblätter Das BImSchG verwendet auch nach Umsetzung der IVU-Richtlinie den Begriff des Standes der Technik als Maßstab für die Vorsorge, während diese den Begriff der „besten verfügbaren Techniken“ (BVT; englisch: best available technology, BAT) verwendet. 675 Dieser wird auch als Schlüsselbegriff des integrierten Ansatzes bezeichnet. 676 Er soll die umweltfreundlichste und damit die beste Lösung zur Erreichung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt umschreiben. 677

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Moench / Hamann, DVBl. 2001, 201 (203). So für die GIRL Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201 (204). 673 So ausdrücklich BVerwG Urteil v. 16. 5. 2001 – 7 C 16.00, DVBl. 2001, 1451 (1453), dort bezogen auf die Freizeitlärm-RL 1995 des Länderausschusses für Immissionsschutz; Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 13. 674 Als Ausnahme können allerdings, begrenzt auf das jeweilige Bundesland, die Erlasse genannt werden. 675 Er wird in Art. 2 Nr. 11 IVU-RL legal definiert. Kriterien, die bei der Bestimmung der BVT zu berücksichtigen sind, enthält Anhang IV der IVU-Richtlinie. 676 Dürkop / Kracht / Wasielewski, UPR 1995, 425 (429); s auch Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181 (182); vgl. auch Steinberg / Kloepfer, DVBl. 1997, 973 (978) („wesentlicher Baustein“). 677 Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181 (182). 672

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Ohne hier näher auf die Frage der ausreichenden Umsetzung dieses Begriffes eingehen zu wollen, 678 wird an dieser Stelle näher untersucht, ob dem Begriff der besten verfügbaren Techniken, vermittelt durch die BVT-Merkblätter, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine rechtliche Bedeutung zukommt, namentlich, inwiefern und in welchem Ausmaß die BVT-Merkblätter die Konkretisierung des Standes der Technik beeinflussen. a) Die Konzeption der IVU-Richtlinie Die IVU-Richtlinie selbst lässt offen, wie die Festlegung der BVT unter Berücksichtigung einer Gesamtbetrachtung aller Emissionspfade einschließlich der in Anhang IV der IVU-Richtlinie genannten Kriterien in concreto zu erfolgen hat. 679 Zur europaweiten Harmonisierung der Praxis sieht sie einen Informationsaustausch vor, 680 in dessen Rahmen Merkblätter über die BVT erarbeitet werden. Deren Aufgabe ist die Dokumentation und Bewertung von verfügbaren Techniken zur Vermeidung, Minimierung und Verminderung von Emissionen einschließlich der Angabe von Emissionswerten. Sie enthalten dabei aber keine Emissionsgrenzwerte, 681 sondern Bewertungen zur Leistungsfähigkeit verschiedener Techniken und damit erzielbare Bandbreiten von Emissionswerten. 682 Darüber hinaus werden jeweils die besten verfügbaren Techniken für den jeweiligen Prozess beschrieben. 683 Sie sollen der Verwaltung Anhaltspunkte bei der Ermittlung der Emissionsgrenzwerte geben. 684 Sie bestehen aus einer Bestandsaufnahme, einer Bestimmung der besten verfügbaren Techniken sowie einer

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Was vor dem Hintergrund der Neufassung durch das Artikelgesetz gewährleistet sein sollte. S. dazu allg. Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181 (187); im Grundsatz ebenfalls Beyer, UPR 2000, 434 (435 f.); Feldhaus, NVwZ 2001, 1 (4, 5); Seibel, BauR 2005, 1109 (1112 ff.); Tausch, NVwZ 2002, 676 (679). Kritisch Spieler, Beste verfügbare Technik und Immissionsschutzrecht, S. 105 ff. Zu dem alten Stand der Technik im Verhältnis zur BVT Wahl, NVwZ 2000, 502 (506). 679 Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181 (182). 680 Art. 16 Abs. 2 IVU-Richtlinie enthält die Grundlage für diesen Informationsaustausch über die BVT, die aus diesen abgeleiteten Emissionsgrenzwerte sowie die damit verbundenen Überwachungsmaßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten unter der Leitung der Kommission; s. dazu Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181 (182); Wasielewski, ZUR 2000, 373 (374); s. zu der Tätigkeit und ihrer Struktur Davids, UPR 2000, 439 (439 ff.). 681 Tausch, NVwZ 2002, 676 (679). 682 Davids, UPR 2000, 439 (441). 683 Otto, NVwZ 2000, 531 (532); Beyer, UPR 2000, 424 (436); zu dem Inhalt eines derartigen Merkblatts im Einzelnen s. Seibel, BauR 2004, 774 (776). Zu dem Ablauf des Verfahrens ihrer Erstellung s. Zierock / Salomon, ZUR 1998, 227 (228). 684 Beyer, UPR 2000, 434 (435).

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

381

Erfassung der in der Entwicklung befindlichen Techniken. 685 Das Verfahren zur Erarbeitung der Dokumente ist nicht zwingend vorgeschrieben. 686 Die Bewertung der BVT-Merkblätter ist unterschiedlich. So entbehren sie als bloß von der Kommission veröffentlichte Regelwerke jeglicher demokratischer Legitimation. Zudem findet am Ende des Informationsaustauschs keine förmliche Abstimmung statt. Daher können sich in den BVT-Merkblättern auch Positionen niederschlagen, die nicht von allen Beteiligten getragen werden, was zu einer Industriedominanz führen kann. 687 Zu ihren Gunsten ist aber anzuführen, dass die Entwürfe der Öffentlichkeit bereits in der Erstellungsphase zugänglich sind, so dass frühzeitig ein hohes Maß an Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung erreicht wird. 688 Zudem wird auf eine insgesamt gute Qualität dieser Merkblätter hingewiesen. Aus ihrer Konzeption, auch aus der fehlenden förmlichen Abstimmung, ergibt sich, dass die BVT-Merkblätter für sich genommen rechtlich unverbindlich sind. 689 Sie stellen keinen Rechtsakt im Sinne von Art. 249 EG dar. Bei ihrer Veröffentlichung handelt es sich nicht um eine verbindliche Entscheidung im Sinne von Art. 249 Abs. 4 EG, da bereits die IVU-Richtlinie lediglich ihre Berücksichtigung bei der Ermittlung der besten verfügbaren Techniken und damit keine Verbindlichkeit vorsieht. Als bloße Beschreibungen können sie auch nicht als unverbindliche Stellungnahmen oder Empfehlungen im Sinne von Art. 249 Abs. 5 EG angesehen werden. Daher entfalten sie mangels Rechtsaktsqualität auch keine unmittelbare Wirkung. 690 Einigkeit besteht allerdings dahingehend, dass die faktische bzw. mittelbare Wirkung der BVT-Merkblätter groß ist bzw. sein dürfte. 691 Sie sollen schon alleine kraft ihrer Informationsfunktion einen bedeutsamen Beitrag zur Harmonisierung der Anlagenstandards in der Europäischen Union leisten. 692 Sie sind auch nach Anhang IV der IVU-RL bei der Festlegung der besten verfügbaren Techni685 Zu ihrer grundsätzlich gleichen Struktur s. Seibel, BauR 2004, 774 (776); Davids, UPR 2000, 439 (439 ff.). 686 Tausch, NVwZ 2002, 676 (678); dort auch zu dem gewählten Verfahren einschließlich der nationalen Anbindung beim UBA. 687 S. mit Beispiel Davids, UPR 2000, 439 (441): s. dazu auch Spieler, Beste verfügbare Technik und Immissionsschutzrecht, S. 78 f. 688 Davids, UPR 2000, 439 (441). 689 Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181 (182); Otto, NVwZ 2000, 531 (532); Zierock / Salomon, ZUR 1998, 227 (228). 690 Tausch, NVwZ 2002, 676 (678 f.). 691 Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181 (182); Zierock / Salomon, ZUR 1998, 227 (228); Tausch, NVwZ 2002, 676 (679); Wasielewski, ZUR 2000, 373 (374). Nach Beyer, UPR 2000, 434 (435) wird damit der Stand der Technik faktisch auf europäischer Ebene abstrakt festgelegt. 692 Steinberg, NuR 1999, 192 (197).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

ken zu berücksichtigen. Dies gilt zum einen für den Erlass europaweit einheitlicher Grenzwerte (s. dazu auch Art. 18 IVU-RL), zum anderen aber ebenfalls für die einzelnen Mitgliedstaaten, und zwar sowohl bei dem Erlass allgemeiner Regelungen als auch im individuellen Genehmigungsverfahren. 693 Daneben wird empfohlen, bereits im Rahmen der Planung und im Genehmigungsverfahren als Teil der nach Art. 6 IVU-RL vorgeschriebenen Beschreibung der Maßnahmen, mit denen die Betreiberpflichten erfüllt werden, auf veröffentliche BVT-Merkblätter einzugehen. 694 Bei diesen handelt es sich somit primär um ein Mittel zur Informationsvermittlung, das einem europaweit einheitlichen Vollzug dient. Ihnen kommt allein aufgrund ihres Inhalts Bedeutung für die Konkretisierung zu. Die BVT-Merkblätter haben aber im Hinblick auf die Europarechtskonformität nationalstaatlichen Handelns nur eine mittelbare Wirkung, denn aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit liegt ein Verstoß gegen die IVU-Richtlinie nur dann vor, wenn in einem Mitgliedstaat eine Anlagengenehmigung erteilt wird, deren Inhalt nicht der besten verfügbaren Technik entspricht. Dies wird allerdings anhand der BVT-Merkblätter ermittelt. b) Die Bedeutung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Die BVT-Merkblätter selbst sind als Genehmigungsgrundlage nicht geeignet. 695 Ihnen kommt allerdings im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens trotz der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit ein erheblicher Einfluss auf die Bestimmung des Standes der Technik zu. 696 Dieser Einfluss ist im BImSchG dadurch verankert worden, dass der Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG den Anhang IV der IVU-RL wortgleich übernommen hat und dessen Kriterium Nr. 12 ihre Berücksichtigung bei der Bestimmung des Standes der Technik festschreibt. Allerdings sind sie damit auch nur zu berücksichtigen, und zwar neben den anderen 11 Kriterien, was dazu führt, dass es sich insgesamt um einen komplexen Begriff handelt. 697 Sie haben nur eine mittelbare Bedeutung; sie sind damit nicht Gegenstand einer eigenen Regelung und schon gar nicht unmittelbar Maßstab der Anforderungen an Genehmigung oder Betrieb

693

Feldhaus, NVwZ 2001, 1 (8); Tausch, NVwZ 2002, 676 (679). Tausch, NVwZ 2002, 676 (679). 695 S. Begründung zur 13. BImSchV, BT-Drs. 15/3420, S. 19, wobei zur Begründung auf den Inhalt verwiesen wird, nämlich die bloße Angabe von Bandbreiten sowie fehlende Angaben zu Mess- und Beurteilungsverfahren. 696 So Zierock / Salomon, ZUR 1998, 227 (228). 697 S. dazu im Einzelnen unten; s. zu der Umsetzung des Anhangs IV der IVU-RL als Anhang zu § 3 Abs. 6 BImschG auch Feldhaus, ZUR 2002, 1 (3). 694

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

383

von immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen. 698 Jedenfalls beeinflussen sie die Konkretisierung des Standes der Technik im Einzelfall. Auch die Umsetzung des integrierten Ansatzes im untergesetzlichen Regelwerk führt zu einer geringeren Bedeutung der BVT-Merkblätter. Insofern die Anforderungen in Rechtsverordnungen enthalten sind, bedarf es einer Öffnungsklausel, um den Inhalt der BVT-Merkblätter ergänzend im Einzelfall zu berücksichtigen, z. B. zur Feststellung einer Weiterentwicklung des Standes der Technik. 699 Wenn sich die Anforderungen in der TA Luft 700 befinden, wendet die Genehmigungsbehörde diese an, so dass der Inhalt der BVT-Merkblätter allenfalls vermittelt durch die TA Luft die Entscheidung beeinflusst. Allerdings kann ihr Inhalt im Einzelfall dazu führen, dass im Rahmen der TA Luft Neubewertungen erforderlich werden. 701 Deren Anforderungen sollen jedoch durch neu erscheinende BVT-Merkblätter nicht automatisch außer Kraft gesetzt werden. 702 Vielmehr überprüft ein beim BMU eingerichteter Ausschuss, ob die in neu erschienenen BVT-Merkblättern enthaltenen Anforderungen über die in der TA Luft geregelten Anforderungen hinausgehen. 703 Im Falle der Feststellung einer Fortentwicklung des Standes der Technik gibt das BMU diesen Umstand bekannt. Konsequenz daraus ist, dass für die Behörden die Bindungswirkung der TA Luft entfällt. 704 Die Genehmigungsbehörden müssen dann die Anforderungen an die Anlage im Einzelfall konkretisieren, was wiederum unter Rückgriff auf das entsprechende BVT-Merkblatt geschehen wird. 698

Tausch, NVwZ 2002, 676 (679). Wobei dabei wieder zu berücksichtigen ist, dass sie in diesem Zusammenhang nur als eines der 12 Bewertungskriterien herangezogen werden können und sich die Fortentwicklung des Standes der Technik aus einer Gesamtbetrachtung ergeben muss. Zu der Berücksichtigung in Rechtsverordnungen sowie dem Erfordernis einer Berücksichtigungsklausel s. Spieler, Beste verfügbare Technik und Immissionsschutzrecht, S. 182 ff., 204. 700 Bei deren Erarbeitung die (bis dahin veröffentlichten) BVT-Merkblätter berücksichtigt werden sollen. 701 Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (272 f.). 702 So der Vorschlag zum Erlass einer neuen TA Luft, zitiert nach Wasielewski, ZUR 2000, 377 (378). 703 Eine entsprechende Pflicht zur Überprüfung wird dabei aus Art. 13 IVU-RL hergeleitet. Die Anwendbarkeit wird damit begründet, dass die TA Luft keine allgemeine bindende Vorschrift im Sinne von Art. 9 Abs. 8 der IVU-RL sei, Pschera / Koepfer, NuR 2003, 517 (525). Dieser Argumentation bedarf es allerdings nicht, denn die Überprüfungspflicht gilt für alle Genehmigungsauflagen, unabhängig davon, ob diese lediglich im Einzelfall oder aber gem. Art. 9 Abs. 8 IVU-RL in allgemein bindenden Vorschriften festgelegt worden sind. 704 S. dazu Beyer, UPR 2000, 424 (435 f.); s. auch Davids, UPR 2000, 439 (444); Spieler, Beste verfügbare Technik im Immissionsschutzrecht, S. 140 ff.; Tausch, NVwZ 2002, 676 (679). Kritisch zu der bloßen Berücksichtigung des Sevilla-Prozesses im Rahmen einer einfachen Fortschreibung der TA Luft Wasielewski, ZUR 2000, 373 (377). 699

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Aber auch unabhängig von einer solchen Bekanntgabe können BVT-Merkblätter eine Indizwirkung für die Möglichkeit einer Fortentwicklung des Standes der Technik und damit den Wegfall der Bindungswirkung entfalten. Dann sind sie Anlass und Maßstab einer dahingehenden Überprüfung im Einzelfall. Teilweise wird im Hinblick auf die IVU-Richtlinie auch eine Pflicht der einzelnen Genehmigungsbehörde zur Würdigung veröffentlichter BVT-Merkblätter angenommen. 705 Eine Kompetenz zur Überprüfung kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass eine zentrale Überprüfung durch einen Ausschuss vorgesehen wird, denn diesem kommt keine höhere Autorität zu als der TA Luft selbst, und sie darf eben gerade auf die Grenzen ihrer Bindungswirkung hin überprüft werden. 706 Für die Feststellung einer Fortentwicklung des Standes der Technik reicht nicht allein die Berufung auf einen bloßen Entwurf eines BVT-Merkblatts. Daneben reicht auch nicht allein aus, dass ein BVT-Merkblatt einen gewissen Emissionswert für erreichbar hält, weil dies die finanzielle und wirtschaftliche Dimension noch nicht berücksichtigt und erst die Gesamtschau über die Annahme einer Fortentwicklung des Standes der Technik entscheidet. 707 Falls die Anforderungen lediglich in Erlassen oder in technischen Regelwerken enthalten sind, ist angesichts der Vorgaben der IVU-Richtlinie sowie des Anhangs zu § 3 Abs. 6 BImSchG davon auszugehen, dass zumindest eine Überprüfung daraufhin stattzufinden hat, ob seit Erlass des entsprechenden Regelwerks ein neues BVT-Merkblatt veröffentlicht worden ist und sich daraus ein von dem Inhalt des technischen Regelwerkes abweichender Inhalt des Standes der Technik ergibt. Die BVT-Merkblätter können die diesen Regelwerken innewohnende Vermutung aufheben, was zu einer Konkretisierung im Einzelfall führt. In den genannten Konstellationen können BVT-Merkblätter somit dazu führen, dass trotz bestehender Regelwerke eine Einzelfallentscheidung erforderlich ist. Zudem können sie entsprechend der Vorschrift der Nr. 5.8 der TA Luft als Erkenntnisquelle dann Bedeutung gewinnen, wenn die Nr. 5.2 oder 5.4 der TA Luft keine oder keine vollständigen Regelungen zur Begrenzung der Emissionen enthalten. Sie sind dann in dem erforderlichen Abwägungsprozess bei der Konkretisierung zu berücksichtigen, 708 aber eben auch nur zu berücksichtigen und zwar als eines der maßgeblichen Kriterien, aber nicht als das allein maß705 Tausch, NVwZ 2002, 676 (680). Daneben kann auch mit der Überprüfungspflicht aus Art. 13 IVU-RL argumentiert werden. 706 Für die Aufnahme einer Berücksichtigungsklausel auch in anderen Verwaltungsvorschriften s. Spieler, Beste verfügbare Technik und Immissionsschutzrecht, S. 161 ff. 707 S. BVerwG, Urteil vom 21. 6. 2001 – 7 C 21.00, UPR 2001, 448 (449). 708 Entsprechend dem Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG. Siehe dazu auch Spieler, Beste verfügbare Technik und Immissionsschutzrecht, S. 205 ff.

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gebliche. Im Rahmen der Einzelfallentscheidung muss eine Auseinandersetzung mit ihnen erkennbar sein. 709 Die zuständigen Behörden haben aber in eigener Verantwortung zu prüfen, wie der fortgeschrittene Stand der Technik zu konkretisieren ist. Dabei gilt im Hinblick auf die TA Luft, dass die Behörde nur strengere, nicht aber weniger strenge Anforderungen stellen kann, da die Bindungswirkung aufgrund eines Fortschreitens des Standes der Technik entfallen ist. 710 c) Zusammenfassung und Ergebnis zu den BVT-Merkblättern Die BVT-Merkblätter sind eine Erkenntnisquelle 711 und als solche dann relevant, wenn eine Konkretisierung des Standes der Technik im Einzelfall erforderlich ist oder aber die Überprüfung einer Konkretisierung ansteht. Sie sind, auch von ihrer Struktur her, nicht unmittelbar anwendbar. Im Regelfall ist ihr Inhalt durch generelle Regelungen mediatisiert. Sie haben vor allem eine die anderen Konkretisierungsmöglichkeiten ergänzende Bedeutung, und zwar stellen sie eine geeignete Informationsbasis für die Aktualisierung eines im Umgang zwischen Behörden, Betreibern und Öffentlichkeit vertrauten Regelwerks dar. 712 Sie können die Geltung einer generellen Vorschrift erschüttern und beeinflussen als eines der zu berücksichtigenden Kriterien eine im Einzelfall erforderliche Konkretisierung. Mit der zutreffenden Bezeichnung als Erkenntnisquelle wird somit klar, dass sie die Hilfsmittel oder -instrumente der Konkretisierung, aber niemals die Konkretisierung selbst sind. Als solche haben sie aus sich heraus keine Bedeutung als Maßstab für die Zulässigkeit einer Anlage. Im Genehmigungsverfahren haben sie vielmehr vor allem Bedeutung für die Beeinflussung von Einzelfallentscheidungen.

10. Die Konkretisierung durch technische Regelwerke und sonstige Normen Unter der Stufe der Rechtsverordnung und der Verwaltungsvorschrift gibt es zahlreiche private Normungen wie z. B. VDI-Richtlinien, die als technische 709 So muss die Genehmigungsbehörde, wenn die Merkblätter eine Abweichen von der TA Luft nahe legen, zu erkennen geben, wie sie das Merkblatt und die anderen Kriterien des Anhangs zum BImSchG berücksichtigt hat. 710 Eine Aufhebung der Bindungswirkung durch Abmilderung wäre nur durch eine Änderung der TA Luft möglich, Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.1.1. Rn. 23. 711 Davids, UPR 2000, 439 (441); davon ging auch der Vorschlag für die neue TA Luft aus, s. Wasielewski, ZUR 2000, 373 (377). 712 Davids, UPR 2000, 439 (443).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Normen von einem privaten Normungsverband erlassen werden. Dieser Bereich der technischen Regelwerke sowohl privat(rechtlich)er als auch derjenige der bereits oben besprochenen öffentlich(-rechtlich)en Normgebungsorganisationen oder Normungsverbände ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, aber in der Praxis von erheblicher Bedeutung. 713 Ihr Einsatzbereich ist insbesondere dann eröffnet, wenn die rechtsnormative Konkretisierung an ihre Grenzen stößt, etwa dann, wenn z. B. die sich immer weiter verfeinernde Mess- und Analysetechnik oft nur Fachleuten verständliche Detailregelungen erfordert oder das Erfahrungswissen über mögliche Emissionsminderungen und Wirkungen von (speziellen) Umwelteinflüssen noch nicht in ausreichendem Ausmaß für eine rechtlich verbindliche Konkretisierung vorhanden ist, es aber im Einzelfall schon zur Beurteilung umweltrechtlicher Sachverhalte tauglich ist 714. Im Hinblick auf eine Privatisierung ist die Bindungswirkung dieser Regelwerke zu untersuchen. Aus sich heraus beanspruchen derartige Normen und Regelwerke keine Rechtsverbindlichkeit. 715 Ihnen kann keine rechtliche Bindungswirkung zukommen, solange sie nicht in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften inkorporiert sind. 716 Sie erlangen auch dann keinen Rechtsnormcharakter, wenn sie durch amtliche Bekanntmachung eingeführt werden. 717 Sie sind per se somit weder im Außenverhältnis noch behördenintern rechtsverbindlich. 718

713

S. den Überblick bei Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 13; dort auch eine Aufzählung besonders hervorzuhebender Normungsorganisationen (einschließlich der öffentlich-rechtlichen) wie dem Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) (s. zu diesem bereits oben), dem Deutschen Institut für Normung (DIN), dem Verein Deutscher Elektrotechniker (VDE), dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI), dem Deutschen Dampfkesselausschuss (DDA), dem Druckbehälterausschuss (DBA), der International Organisation for Standardization (ISO), dem Commité Européen des Normalisation (CEN) und dem Commité Europeéen des Normalisation de Electrotechnique (CENELEC). S. auch den Überblick bei Lamb, ZUR 1993, 97 (97 f.) sowie den Überblick über Normungsorganisationen bei Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 83. S. auch Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (225 f.). 714 Feldhaus, JUTR 2000 (UTR 54), S. 169 (171). 715 Mann, JUTR 2003 (UTR Band 71), S. 7 (10); Paetow, NuR 1999, 199 (202); Battis / Gusy, Technische Normen im Baurecht, Rn. 122; Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 5 Rn. 38; Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 69; BGH, Urteil v. 10. 3. 1987 – VI ZR 144/86, NJW 1987, 2222 (2223); Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 13. 716 Murswiek, JuS 2004, 638 (639); Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 5 Rn. 38. 717 Anders aber Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 13, wobei nicht ganz klar ist, wie er den Charakter einer Rechtsnorm verstehen will. 718 Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (226); dies., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, S. 87 (89); Battis / Gusy, Technische Normen im Baurecht, S. 22 ff.; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 145 ff.; Hanning, Umweltschutz und überbetriebliche technische Normung, S. 61 ff.

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In unterschiedlichem Umfang kann den technischen Regelwerken aber über eine Verweisung eine rechtliche Bindungswirkung verliehen werden. 719 Als Verweisungstechniken kommen die statische, die dynamische und die gleitende Verweisung in Betracht. 720 Die gleitende Verweisung kann entweder durch einen unbestimmten, ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff oder durch eine Verweisung auf eine Norm in ihrer jeweils gültigen Fassung geschehen. Dann entfaltet diese eine tatsächliche Vermutungswirkung, nimmt aber nicht an der Rechtswirkung der verweisenden Norm teil. Anstelle einer Verweisung kommt auch in Betracht, die technischen Regelwerke in höherrangige Normen zu inkorporieren. Jedenfalls ist eine staatliche Entscheidung im Einzelfall erforderlich, wobei dynamische Verweisungen unzulässig sind. 721 Diese Entscheidung darf kein bloß formaler Akt sein, vielmehr muss der Staat nach inhaltlicher Prüfung die volle inhaltliche Verantwortung für den rezipierten Standard übernehmen. 722 Weiterhin kommt in Betracht, dass auf die privaten Regelwerke lediglich als Erkenntnisquelle verwiesen wird. 723 Dies stellt keine ausdrückliche staatliche Übernahmeentscheidung dar, so dass die privaten Regelwerke dadurch keinen Rechtscharakter erhalten, der über den hinausgeht, den sie ohnehin besitzen. Es handelt sich vielmehr bloß um einen rechtlich nicht bindenden Hinweis. 724 Allenfalls denkbar ist, dass ihnen eine erhöhte Glaubwürdigkeit in dem Sinne verliehen wird, dass eine Abweichung von ihrem Aussagegehalt verstärkt begründungsbedürftig ist oder dass zumindest der Behörde die Prüfung abgenommen wird, dass dieses Regelwerk zur Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen geeignet ist. 725 Mit Ausnahme der statischen Verweisung und der Inkorporation, bei denen die technischen Regelwerke an dem Rechtscharakter der „Hauptnorm“ teilnehmen, kommt ihnen somit keine rechtliche Verbindlichkeit und damit auch keine Außenwirkung 726 zu. 719 S. dazu Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 387 ff.; Marburger / Klein, JUTR 2001 (UTR Band 58), S. 161 (163 ff.); Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (205 ff.). 720 S. zu diesen Verweisungsbegriffen (mit Ausnahme der dynamischen Verweisung) Feldhaus, JUTR 2000 (UTR Band 54), S. 169 (172 f.). 721 Jedenfalls im Sinne einer Teilnahme an der Rechtsgeltung der verweisenden Norm, wohl auch Paetow, NuR 1999, 199 (202); s. auch Papier, FS Lukes, S. 159 (165). 722 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 85. 723 So verweist Nr. 5.1.1.Abs. 8 TA Luft ausdrücklich auf die Normen des VDI / DINHandbuches Reinhaltung der Luft als Erkenntnisquelle, wenn die Nrn 5.2 oder 5.4 keine oder keine vollständigen Regelungen zu Begrenzung der Emissionen enthalten. 724 Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap 6 Rn. 207. 725 So spricht Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 BImSchG Rn. 19m davon, dass der Richter sie nur dann seiner Entscheidung zugrunde legen darf, wenn er die in ihnen steckende Wertungsphilosophie als eigene übernehmen kann. 726 S. SächsOVG, Beschluss vom 15. 7. 1998 – 1 S 257/98, SächsVBl. 1998, 292 (294).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Diese Regelwerke sind jedoch nicht irrelevant. Vielmehr wird ihnen sowohl im Rahmen der gleitenden Verweisung 727 durch die Verwendung von Technikklauseln 728 als auch unabhängig davon regelmäßig eine Vermutungswirkung beigemessen. 729 Sie haben ein besonderes Gewicht bei der Entscheidungsfindung, weil sie auf den Erkenntnissen verschiedener Sachverständiger beruhen. 730 Die auf dem Gewicht der sachverständigen Aussage beruhende tatsächliche Vermutungswirkung spricht dafür, dass dann, wenn die entsprechende Norm eingehalten ist, z. B. der Stand der Technik gewahrt ist. 731 Etwas unklar ist allerdings der Umfang dieser tatsächlichen Vermutungswirkung. Diese wird als Empfehlung, Indiz 732, Orientierungswert oder Orientierungsmarke, 733 Anhaltspunkt, 734 grober Anhalt, 735 Anscheinsbeweis, widerlegbare oder tatsächliche 736 Vermutung oder auch als antizipiertes Sachverständigengutachten charakterisiert. 737 Daneben wird auch noch eine Verwendung als Erkenntnismittel, 738 Information oder „einfache Aussage über Tatsachen“ vorge727 So die Bezeichnung durch Feldhaus, JUTR 2000 (UTR 54), S. 169 (172); nach Paetow, NuR 1999, 199 (202) können diese Regelwerke für die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe wie der Technikklauseln herangezogen werden, da sie je nach Art ihrer Entstehung und der Objektivität und Unabhängigkeit der Institutionen einen mehr oder weniger hohen Sachverstand repräsentieren. 728 Lamb, ZUR 1993, 97 (98). 729 S. dazu Feldhaus, JUTR 2000 (UTR 54), S. 169 (173). Siehe auch VGH Kassel, Urteil v. 28. 11. 2007 – 6 UE 497/06, ZUR 2008, 263 ff. Dort werden auch Anforderungen an eine ausreichende Veröffentlichung aufgestellt. 730 Hansmann, in: ders. / Sellner (Hrsg.): Grundzüge des Umweltrechts, Kap 6 Rn. 207. 731 Vgl. Feldhaus, JUTR 2000 (UTR 54), S. 169 (173); Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 82; s. auch Bethge / Meurers, TA Lärm, Nr. 2. 31 Rn. 26; Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 5 Rn. 12; Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (226); etwas kritischer dies., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen II, S. 87 (89 ff., insbes. S. 96). Offen lässt dies Sendler, UPR 1981, 1 (14). 732 Seibel, BauR 2004, 774 (781); Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 Rn. 19m; bzw. „indizielle Bedeutung“, so BVerwGE 79, S. 254 (259) m.w. N., dort explizit für VDI-Normen. 733 S. BVerwG, Beschluss v. 18. 12. 1990 – 4 N 6.88, DVBl. 1991, 442 (444 f.) (für DIN Norm). 734 BVerwGE 88, 143 Ls. 3 = NVwZ 1991, 884 spricht davon, dass sie als Anhaltspunkt bewertend mit herangezogen werden sollen, wobei sie nicht wie Rechtsnormen angewendet werden dürfen, sondern das Gericht prüfen muss, ob sie den von dem BImSchG gestellten Anforderungen entsprechen und diese regelhaft nachvollziehen. S. auch BVerwGE 81, S. 197 (204); Wagner, NJW 1991, 3247 (3249). 735 So BVerwGE 81, S. 197 (205). 736 S. BVerwG, Beschluss vom 30. 9. 1996 – 4 B 175.96, NuR 1997, 289 (290). 737 S. Paetow, NuR 1999, 199 (202); Feldhaus, JUTR 2000 (UTR Band 54), S. 169 (173); s. auch Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 BImSchG Rn. 19m; Papier, Anmerkung, DVBl. 1978, 598 (599) für eine Verwendung als antizipiertes Sachverständigengutachten; dazu ausführlich auch Nicklisch, NJW 1983, 841 ff.

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schlagen; 739 sie werden auch zu „im allgemeinen unverzichtbaren Entscheidungshilfen“ erklärt 740 oder als „Hilfe für die tatrichterliche Würdigung“ bezeichnet 741. Gemeinsame Überzeugung ist, dass sich auch von Verfassungs wegen eine ungeprüfte Übernahme von Aussagen technischer Grenzwertregelwerke zur konkreten Beurteilung von Gesundheitsgefahren im Einzelfall verbietet. 742 Zurückhaltung wird auch dann angemahnt, wenn die Aussagen nicht lediglich als außerrechtliche Fachfrage eingestuft werden können, sondern Bewertungen entgegengesetzter Interessen einschließen, die an sich einer demokratisch legitimierten Entscheidung in der Form der Rechtsetzung bedürfen. 743 Allerdings können sie jedenfalls als Mindestanforderungen betrachtet werden. 744 Zudem soll der gerichtlichen Aufklärungspflicht Genüge getan sein, wenn sich im Fall der Ermittlung bzw. Beurteilung eines wissenschaftlich-technischen Sachverhalts eine Auskunft aus einem derartigen Regelwerk ergebe und diese nicht substantiiert angegriffen werde. 745 Schließlich wird eine tatsächliche Bindung auch als im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich angesehen. 746 Zugunsten dieser Wirkungen wird angeführt, dass ihnen trotz bestehender Bedenken Sachverstand und Verantwortlichkeit für das allgemeine Wohl nicht abgesprochen werden können. 747 Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass die privaten Normen regelmäßig nicht weniger streng als die entsprechenden Verwaltungsvorschriften ausfallen, teilweise seien sie noch strenger. 748 Vor diesem Hintergrund sah § 32 UGB-KomE eine amtliche Einführung technischer Regelwerke im Wege der öffentlichen Bekanntmachung vor. Nach § 33 UGBKomE sollte ihnen dann eine Vermutungswirkung zukommen, wobei auch die Möglichkeit der Abweichung von dem jeweiligen Regelwerk normiert wurde. Teilweise wird eine derartige Wirkung zumindest im Hinblick auf die Konkretisierung des Standes der Technik jedoch ganz abgelehnt 749 und lediglich für 738

So BVerwG, Beschluss vom 30. 9. 1996 – 4 B 175.96 –, UPR 1997, 101 (102). Gusy, NuR 1987, 156 (164). 740 SächsOVG, Beschluss vom 15. 7. 1998 – 1 S 257/98, SächsVBl. 1998, 292 (294). 741 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. 8. 1991 – 7 B 48/91, LKV 1991, 411 (411). 742 Krist, UPR 1993, 178 (179). 743 BVerwGE 77, S. 285 (291 f.). 744 Führ, ZUR 1993, 99 (102). 745 Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2237). Dies soll für Auskünfte aus einem Lehrbuch, einer VDI- oder einer sonstigen Regel sowie eine der Verwaltung gelten. Er bezieht sich vor allem auf technische Regelwerke. Diese Erwägungen dürften aber auf Normen, die mit etwas mehr Autorität ausgestattetet sind, übertragbar sein. 746 Gusy, NuR 1987, 156 (157). 747 BVerwGE 77, S. 285 (291). 748 Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 63. 749 S. Koch, in: ders. / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 3 Rn. 359. Kritisch im Hinblick auf die unterschiedlichen Formen der letztlich faktisch ungeprüften Übernahme 739

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

die allgemein anerkannten Regeln der Technik als zulässig angesehen. 750 Dies wird auch damit begründet, dass derartige private Normen häufig keine Optimierung der Techniken beinhalten, da sie einen Kompromiss darstellen, der häufig auch über das Ausklammern konträrer Standpunkte zustandekommt. Es wird daher angezweifelt, dass sie Höchstansprüchen genügen. 751 Daneben werden, trotz Anerkennung des großen Sachverstands privater Normungsorganisationen, im Hinblick auf die Repräsentation der verschiedenen Interessen Zweifel an der Objektivität der Regelwerke geäußert. Die Gremien würden von Industrievertretern dominiert, die ein Interesse an der Verzögerung des technischen Fortschritts hätten. 752 Es handele sich eher um die Vereinbarungen interessierter Kreise. Daher sollen die Regelwerke nicht den Anforderungen genügen, die etwa an die Neutralität und Unvoreingenommenheit gerichtlicher Sachverständiger zu stellen sind. Sie können somit nicht als „geronnener Sachverstand“ angesehen werden. 753 Neben der Kritik an der personellen Zusammensetzung wird auch Kritik am Verfahren geübt, 754 gegen das u. a. verfassungsrechtliche Bedenken bestehen würden, da es den Anforderungen an die Gemeinwohlsicherung nicht gerecht werde. 755 Im Hinblick auf die Autorität des Sachverstands und vollzugspraktische Erwägungen ist die Verwendung dieser technischen Regelwerke in der oben beschriebenen Bedeutung und mit den entsprechenden Wirkungen zulässig, zumal es in der Regel vorrangig um sachverständige Wertungen geht. Allerdings darf der Unterschied zu den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften nicht verschwinden, vielmehr muss die (rechtliche) Bindungswirkung der technischen durch Behörden Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 249 f., der daher gesetzliche Regelungen über die Rezeption derartiger Bestimmungen fordert. 750 Lamb, ZUR 1993, 97 (98), die dies damit begründet, dass beim Stand der Technik nicht alleine auf einen breiten Konsens der Sachverständigen abgestellt, sondern ein inhaltliches Kriterium vorgegeben werde. Zum notwendigen Konsens der Fachleute bei den anerkannten Regeln der Technik s. auch Kamphausen / Warmbrunn, BauR 2008, 25 (26). 751 Wolf, Der Stand der Technik, S. 294 f. 752 Seibel, BauR 2004, 774 (781). So wird z. B. auf die industrielle Dominanz in der Richtlinienarbeit des BDI hingewiesen, Koepfer, Stand der Technik und Umweltqualität, S. 40; Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, S. 74. S. auch Lübbe, in: Schmidt (Hrsg.): Das Umweltrecht der Zukunft, S. 243 (259 f.), die allerdings gleichzeitig darauf hinweist, dass das Verfahren bei den Normungsorganisationen beteiligungsoffener und transparenter sei als die administrative Normsetzung. 753 BVerwG, Beschluss v. 18. 12. 1990 – 4 N 6.88, DVBl. 1991, 442 (444). Gegen eine Verwendung technischer Regeln, die nicht von der Verwaltung erstellt oder rezipiert worden sind, wohl Wittmann, BayVBl. 1987, 744 (746). 754 Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 63; BVerwGE 77, S. 285 (291); Vallendar, UPR 1989, 213 (215); unter Hinweis auf eventuell fehlende Objektivität und Neutralität der regelerstellenden Gremien Gusy, NuR 1987, 156 (162 f.). 755 Führ, ZUR 1993, 99 (100 ff.).

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Regelwerke hinter deren Bindungswirkung zurückbleiben. 756 Allerdings setzt auch diese (begrenzte) Wirkung der technischen Regelwerke voraus, dass die Normerstellung gewissen Anforderungen genügt, insbesondere an die Organisation, d. h. die Besetzung der involvierten Gremien, den damit verbundenen Sachverstand, die Unabhängigkeit von bestimmten Interessen (oder aber deren Austarierung), die Ausgewogenheit der beteiligten Fachbereiche sowie die Entwicklung angemessener Verfahrensgrundsätze. 757 Jedenfalls genügt das Verfahren der privaten Normung zumindest bei einigen Normungsorganisationen wie DIN und VDI im Hinblick auf Transparenz und Offenheit des Verfahrens gewissen Standards, und auch die Beteiligung der interessierten Kreise wird institutionell abgesichert. 758 In der behördlichen Praxis bedeutet dies Folgendes: Grundlegende Voraussetzung der Anwendung ist, dass die Behörde sich Gewissheit darüber verschafft, ob und in welchem Maß das anzuwendende Regelwerk zur Konkretisierung einer gesetzlichen Umweltanforderung geeignet ist. 759 Dabei ist zu prüfen, inwieweit die Wertungen die gegenläufigen Interessen ausreichend berücksichtigen. 760 Ist all dies zu bejahen, werden derartige Normen in der Praxis oft nicht anders als verbindliche Normen angewendet, 761 wobei sich die Behörden aus besonderen Gründen darüber hinwegsetzen dürfen. 762 Sie bestimmen, soweit es den Rechtsanwendern an anderen Maßstäben mangelt, in der Praxis weitgehend die Grenze des zulässigerweise hinnehmbaren Risikos. 763 Zudem dürfen sie nicht ignoriert werden. Eine Nichtberücksichtigung kann gegebenenfalls einen fehlerhaften, weil auf unvollständiger Basis beruhenden Abwägungsvorgang zur Folge haben. 764 756

Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 63. S. dazu auch Feldhaus, UPR 1982, 137 (139); Führ, ZUR 1993, 99 ff.; vgl. auch § 32 UGB-KomE. 758 S. dazu Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (229 f.), die gerade diese Transparenz im Hinblick auf an anderer Stelle erfolgende Normungsarbeit positiv hervorhebt. S. zu Anforderungen an ein Verfahren der Festlegung von Grenzwerten v. Lersner, NuR 1990, 193 (195 ff.). 759 Paetow, NuR 1999, 199 (202). Für die gerichtliche Praxis wird dies auch damit beschrieben, dass der Richter eine Norm daraufhin überprüfen muss, ob er die in ihnen steckende Wertungsphilosophie als eigene übernehmen könne; dann könne er sie seiner Entscheidung zu Grunde legen, Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 Rn. 19m. 760 Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 Rn. 19 m; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30. 9. 1996 – 4 B 175/96, NVwZ-RR 1997, 214 (214 f.). 761 Murswiek, JuS 2004, 638 (639). 762 Paetow, NuR 1999, 199 (202). 763 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 13. 764 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 13. Dabei wird aber nicht klar, welches genau die Abwägungsvorgänge im Immissionsschutzrecht sein sollen, da es sich auch bei 757

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Die Behörde ist jedoch nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die fragliche Norm eingehalten ist. 765 Sie kann neben der Norm auch andere Erkenntnisquellen und -mittel heranziehen, die nicht zwingend in gleicher Weise kodifiziert sein müssen. Dies kann dazu führen, dass sie im Einzelfall auch gegen die Norm entscheidet, 766 insbesondere dann, wenn sich im Einzelfall zeigt, dass ihre Anwendung nicht zu einem akzeptablen Ergebnis führt. 767 Technische Regelwerke und sonstige Normen bedürfen entsprechend ihrer Herkömmlichkeit, Sozialadäquanz und allgemeinen Akzeptanz einzelfallbezogener Korrekturen. 768 Eine Abweichung dürfte allerdings rechtfertigungsbedürftig sein. Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass diese technischen Regelwerke in der Praxis eine erhebliche Bedeutung haben, die zudem über den zugrundeliegenden dogmatischen Ansatz hinausgeht. Sie werden faktisch wie rechtsverbindliche Normen angewandt, und zudem setzen sie die Behörde für den Fall eines Abweichens unter Rechtfertigungsdruck. Im Hinblick auf die Privatisierung kann festgestellt werden, dass diese technischen Regelwerke Vorgaben enthalten, die entweder lediglich zu überprüfen oder aber allenfalls durch sachverständige Wertungen auszufüllen sind, was keine Probleme aufwirft. Bedenken können sich jedoch daraus ergeben, dass dann sowohl Normkonkretisierung als auch -anwendung sich in privaten Händen und möglicherweise in einer zu großen Distanz vom staatlichen Einflussbereich befinden. 769 Für den Vollzug stellt sich zudem auch hier das Problem, dass den technischen Regelwerken keine rechtliche Bindungswirkung zukommt, so dass die durch die den Grundpflichten um unbestimmte Rechtsbegriffe ohne Beurteilungsspielraum handelt. Dabei kann er allenfalls die oben aufgezeigten Spielräume für Wertungen im Blick haben. Die Aussage lässt sich allerdings dahingehend verstehen, dass ohne andere Anhaltspunkte ein Abweichen von den Vorgaben technischer Regelwerke rechtfertigungsbedürftig ist. 765 Feldhaus, JUTR 2000 (UTR Band 54), S. 169 (173). 766 S. dazu BVerwG, Beschluss v. 30. 9. 1996 – 4 B 175.96, NuR 1997, 289 (289 f.). Gegen die strikte Anwendung spricht danach auch, dass sie nicht immer als Ausdruck der fachlichen Mehrheitsmeinung zu werten sind, sondern durchaus Kompromisscharakter aufweisen können, weil die Normausschüsse auch mit Vertretern besetzt sind, die Eigeninteressen durchsetzen. Zudem weist Seibel, BauR 2004, 774 (781), darauf hin, dass eine hoheitliche Steuerung nicht möglich sei, wobei er nur unzureichend berücksichtigt, dass diese privaten Normen nur eine Auffangfunktion haben und dann zum Einsatz kommen, wenn eine abstrakt-generelle hoheitliche Steuerung gerade nicht vorliegt und eine hoheitliche Steuerung im Einzelfall aufgrund der erforderlichen Fachkenntnis in der Realität nur schwer zu verwirklichen ist. 767 Murswiek, JuS 2004, 638 (639). 768 Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 13. 769 S. aber Feldhaus, JUTR 2000 (UTR Band 54), S. 169 (180), der darauf hinweist, dass die staatliche Steuerungsfunktion sich durchaus in einer Beeinflussung der Normerstellung äußern kann.

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Behörde erbrachte Transformationsleistung ersetzt werden muss. Jedenfalls sind im Übrigen auch hier Konstruktionen in der Form denkbar, dass grundsätzlich die Überprüfung durch Private durchgeführt wird, die die Einhaltung der Normen bescheinigen. Abweichungen wären der Behörde vorzulegen, die auch dann eingreifen könnte, wenn zwar den Anforderungen des Regelwerks Genüge getan wird, dies aber eine aus ihrer Sicht unzureichende Konkretisierung darstellt.

11. Die Konkretisierung im Einzelfall Trotz der oben dargestellten umfangreichen Standardisierung spielen auch noch Individualprüfungen und Einzelfallentscheidungen, d. h. insbesondere auch Konkretisierungen der Vorgaben im Einzelfall, eine Rolle. 770 Zwar wird angesichts des im Immissionsschutzrecht besonders dichten untergesetzlichen Regelwerks angenommen, dass es nur ausnahmsweise Bedarf für Einzelfallentscheidungen geben wird. 771 Umgekehrt ist es jedoch nicht realistisch, anzunehmen, für sämtliche relevanten Konstellationen könnten abstrakte Lösungen geschaffen werden. Es wird immer auch auf eine Konkretisierung der Vorgaben im Einzelfall ankommen. Eine solche kann sowohl im Rahmen einer untergesetzlichen Konkretisierung als auch (und gerade) dann erforderlich werden, wenn eine solche nicht besteht. Sollten sich die Vorgaben in Rechtsverordnungen befinden, gilt, dass kein Raum für Einzelfallentscheidungen besteht, wenn eine Rechtsverordnung abschließend ist. Allerdings ist denkbar, dass die Rechtsverordnungen die Vorgaben entweder nicht abschließend konkretisieren oder ausdrücklich Raum für Einzelfallentscheidungen eröffnen, wobei als Beispiel insbesondere Dynamisierungsklauseln angeführt werden können. 772 Im Rahmen von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften bestehen unterschiedliche Spielräume für Einzelfallentscheidungen. Eine Einzelfallentscheidung ist jedenfalls dann erforderlich, wenn die Bindungswirkung aufgrund der oben dargestellten Grenzen entfällt, also insbesondere bei einem Forschreiten des Standes der Technik oder einem atypischen Fall. Dann kann der festgesetzte Wert nur in modifizierter Weise angewendet werden. 773 Des Weiteren ist denkbar, dass auch die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften die gesetzlichen Vorgaben nicht abschließend konkretisieren, 774 z. B. im Fall der TA Luft eine 770 Feldhaus, FS. Kutscheidt, S. 261 (273). Ein denkbarer Anwendungsbereich könnte bspw. die Festsetzung von Kontrollwerten sein, s. dazu auch BVerwG, Urteil v. 26. 4. 2007 – 7 C 15.06, UPR 2007, 391 f. 771 Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (272). 772 Vgl. BVerwG, Beschluss v. 24. 4. 1995 – 7 B 172/94, NVwZ-RR 1995, 565 (565 f.). 773 Rengeling, Der Stand der Technik, S. 45 f.

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Bekanntmachung des BMU nach Nr. 5.1.1 Abs. 5 TA Luft die Bindungswirkung entfallen lässt, im Sinne von Nr. 5.1.1. Abs. 6 TA Luft eine Anlage nur einmal in Deutschland vorkommt, die Anlage bei Erlass der TA Luft noch nicht bekannt war oder in Deutschland noch nicht existierte, so dass auch die TA Luft sie nicht berücksichtigt, 775 oder aber die TA Luft (oder die anderen normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften) ausdrücklich Raum für Einzelfallentscheidungen eröffnet. Auch ist denkbar, dass technische Lösungen bzw. Verfahren zur Einhaltung von Grenzwerten nicht abstrakt geregelt sind und noch einer Ermittlung im Einzelfall bedürfen. 776 Daneben gibt es, z. B. im Bereich der Schallimmissionen, keine Emissionsstandards, da Schallemissionen richtungsabhängig sind, weswegen Maßnahmen auf dem Ausbreitungsweg besondere Bedeutung haben, diese allerdings wegen der örtlichen und betrieblichen Besonderheiten kaum standardisierbar sind. 777 Wenn aber keine Standards im untergesetzlichen Regelwerk vorhanden sind oder aber eine Einzelfallentscheidung in den oben beschriebenen Konstellationen erforderlich wird, kommt die Auffangkompetenz der Behörde zum Tragen – sie muss im Einzelfall entscheiden, d. h. insbesondere die normativen Vorgaben konkretisieren. Eine Einzelfallentscheidung ist im Grundsatz auch dann erforderlich, wenn eine Vorgabe sich in einem technischen Regelwerk befindet, das keine Bindungs-, sondern lediglich Vermutungswirkung besitzt, wobei die Praxis diese Notwendigkeit nicht widerspiegelt. Daneben wird vorgebracht, dass der integrierte Ansatz der IVU-Richtlinie auch bei dem Vorliegen von Umweltstandards verlange, dass noch eine Überprüfung und eventuell Modifikation im Einzelfall erfolgen. So könne es bei auf einzelne Umweltmedien bezogenen Emissionsstandards nur bleiben, wenn ihre Verbindlichkeit geschwächt und sie unter den Vorbehalt der Optimierung im Hinblick auf die Umwelt insgesamt gestellt würden. Nachteil dieses Ansatzes ist allerdings, dass dann die Funktion der Standards insgesamt in Frage gestellt würde. 778 Zudem wird gegen eine Eröffnung von Abwägungsspielräumen vorgebracht, dass diese im Einzelfall der Umwelt wenig nützen, dafür aber die Genehmigungsverfahren verlängern würden. 779 Obwohl die Frage, ob Standards tatsächlich den Forderungen der IVU-Richtlinie nach einer Berücksichtigung der 774

So wenn die TA Luft keine oder aber keine vollständigen Regelungen zur Begrenzung von Emissionen enthält, s. Wasielewski, ZUR 2000, 373 (377) zum Vorschlag der TA Luft. In gleicher Weise ist denkbar, dass sie für bestimmte Immissionen keine Immissionswerte oder Immissionsrichtwerte enthält, vgl. Stich / Porger, BImSchG, § 5 Rn. 15. 775 S. Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.1.1 Rn. 24. 776 S. Beispielsfall bei Seibel, BauR 2004, 774 (781 f). 777 Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (272). 778 Steinberg, NuR 1999, 192 (196 f.). 779 Wasielewski, ZUR 2000, 373 (377).

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technischen Beschaffenheit der jeweiligen Anlage, des geographischen Standorts und der jeweiligen örtlichen Umweltbedingungen gerecht werden können, 780 berechtigt erscheint, hat dieser Ansatz in der Verwaltungspraxis keine Bedeutung. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Überarbeitung der TA Luft wird diese Frage aus der weiteren Untersuchung ausgeklammert, auch wenn den Bedenken nicht jede Berechtigung abgesprochen werden kann. Darüber hinaus laufen Individualprüfungen der Intention des deutschen Vorschriftengebers partiell zuwider, der über Standardisierungen in untergesetzlichen Regelwerken Rechtssicherheit, Gleichbehandlung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens erreichen will. 781 a) Die Konkretisierung durch die Verwaltung Der Normgeber hat dem Umstand Rechnung getragen, dass es wohl keine „höhere Weisheit“ der Behörde gibt, aus der gleichsam wie aus einer „black box“ die zutreffende Konkretisierung folgt, indem er zahlreiche Einzelfallentscheidungen 782 standardisiert hat. Dafür gibt er der Verwaltung insbesondere abzuarbeitende Leitlinien an die Hand. So gilt für die Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, dass dann, wenn für die zu beurteilenden Luftschadstoffe keine Immissionswerte festgesetzt sind, die zuständige Behörde bei entsprechenden Anhaltspunkten die zulässige Belastungsgrenze in einer Einzelfallprüfung nach Nr. 4. 8 der TA Luft ermitteln muss. 783 Die Regelung enthält Vorgaben für die Prüfung und standardisiert sie dadurch. Die Vorsorge nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG setzt zwar in bestimmten Teilbereichen eine Konkretisierung auf genereller Ebene voraus, insbesondere die Vorsorge gegen Fernwirkungen ist von einem generellen Konzept abhängig. 784 Dies gilt jedoch nicht für die Konkretisierung des Standes der Technik, zumal dieser zwangsläufig ein generelles Konzept enthält. 785 Dies gilt auch nicht, wenn 780

Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (273). Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (273). 782 Vor allem solche, mit denen den Anforderungen des integrativen Ansatzes und der IVU-Richtlinie Genüge getan werden kann, s. dazu Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (273 f.). 783 Wobei allein die Gesamtbelastung und nicht die Größe des von der Anlage stammenden konkreten Beitrags relevant ist, s. Kotulla, in: ders. (Hrsg.): BImSchG, § 5 Rn. 28. 784 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 66. 785 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 17 BImSchG Rn. 62; Rehbinder, FS Sendler, S. 269 (280); Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 5 Rn. 525; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 67. Zu der Erforderlichkeit einer Konkretisierung s. auch oben die Erörterungen zum Vorsorgeprinzip. 781

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die konkrete Vorsorgemaßnahme zu einer erkennbaren Reduzierung der Immissionen führt; außerdem kann auch der Einsatz bestimmter neuartiger technischer Vorrichtungen und Maßnahmen gefordert werden, insbesondere im Hinblick auf die Störfallsicherheit. Insofern sind gesetzesummittelbare Einzelfallentscheidungen möglich. b) Die Privatisierung und die Art der zu privatisierenden Vorgaben Im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ist somit nicht nur die Kontrolle einer Vorgabe, sondern auch noch deren Konkretisierung zu leisten. Dabei kommt es auf die Art der Vorgabe und die Form der erforderlichen Konkretisierung an, um die Möglichkeit und Zulässigkeit privater Tätigkeit zu untersuchen. 786 Es kann im Hinblick auf die Konkretisierung zwischen verschiedenen Formen von Vorgaben unterschieden werden, und zwar zwischen: (1.) einem Grenzwert bzw. der Vorgabe einer konkreten Maßnahme, (2.) einer sachverständig zu beurteilenden Vorgabe, (3.) einer Vorgabe, die einer sachverständigen Wertung bedarf, (4.) einer Vorgabe, die einer darüber hinausgehenden Wertung oder Beurteilung bedarf, und (5.) prozeduralen Anforderungen, wie die Erstellung und Einreichung von Konzepten u.ä. Insbesondere Vorgaben, die unter 4. fallen, dürften schwerlich Sachverständigen anvertraut werden können. Jedenfalls stellt sich in allen Fällen der sachverständigen Konkretisierung die Frage, wie die erforderliche Bindungswirkung hergestellt werden kann und damit die Transformationsleistung der Behörde ersetzt wird. c) Der Begriff „Stand der Technik“ Bei dem Begriff „Stand der Technik“ handelt es sich um einen zentralen Begriff des Immissionsschutzrechts. 787 Er soll im Hinblick auf die erforderliche Konkretisierung näher betrachtet werden, um die Spielräume für eine Privatisierung (der Kontrolle einschließlich der Konkretisierung) besser beleuchten zu können. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Inhalt der Vorgaben und der Standardisierung seiner Konkretisierung. Mit seiner Hilfe soll technischer Sachverstand bei der Bestimmung der erforderlichen Gefahrenabwehr, der Schadensvorsorge und des hinzunehmenden Rest786 Gerade auch im Hinblick auf das Demokratieprinzip, das verlangt, dass Entscheidungen durch staatliche Behörden getroffen werden müssen. 787 Die Emissionsbegrenzung nach dem Stand der Technik ist Hauptelement der Vorsorge, nach Stich / Porger, Immissionsschutzrecht Bd. 1, § 5 BImSchG Rn. 3 das vornehmliche Mittel der Vorsorge; s. auch Rid / Hammann, VBlBW. 1987, 121 (124).

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risikos einbezogen werden. 788 Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff; grundsätzlich besteht weder ein Ermessen 789 noch ein Beurteilungsspielraum der Behörde. Gegen seine Verwendung bestehen trotz der erheblichen Unbestimmtheit im Ergebnis keine verfassungsrechtlichen Bedenken, was mit dem dynamischen Grundrechtsschutz, der schwierigen Normierbarkeit vielgestaltiger Sachverhalte, den Besonderheiten der Materie des Umwelt- und Technikrechts sowie den sich rasch verändernden tatsächlichen Verhältnissen begründet werden kann. 790 Insofern der Stand der Technik nicht durch generelle Regeln konkretisiert ist, muss eine Abwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 791 durchgeführt werden, bei der Aufwand und Nutzen in vernünftige Relation zu setzen sind; die Grenze hier ist die Zumutbarkeit. Dabei wird der Konkretisierung auch ein Element der politischen Dezision zugeschrieben. 792 Der Begriff des Standes der Technik ist legal definiert in § 3 Abs. 6 BImSchG, wobei der Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG Kriterien zu seiner Bestimmung enthält. 793 Er stellt in der Rangfolge der drei geläufigsten Standards des deutschen Rechts, auch genannt die „Drei-Stufen-These“, bestehend aus den allgemein anerkannten Regeln der Technik, dem Stand der Technik und dem Stand von Wissenschaft und Technik, die mittlere Stufe dar. 794 Durch das Merkmal des Entwicklungsstands fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen werden Anforderungen an der Front der techni788

Rengeling, Der Stand der Technik, S. 13. Auch wenn der Behörde kein Ermessen bei der Frage, was als Stand der Technik angesehen werden kann, zusteht, so doch wohl, jedoch in begrenztem Umfang, bei der Entscheidung, welche (von verschiedenen) dem Stand der Technik entsprechende Maßnahme zu fordern ist OVG Berlin, Urteil vom 17. 7. 1978 – OVG I B 157.75 –, Ule / Laubinger, BImSchG-Rechtsprechung, § 5 Nr. 3 S. 4 (DVBl. 1979, 159 ff.). 790 Seibel, BauR 2004, 1718 (1721 ff.). 791 Zu ermitteln ist, „was technisch notwendig, geeignet, angemessen und vermeidbar ist“ BVerfGE 49, S. 89 (136). 792 Sellner, Immissionsschutzrecht (2. Auflage), Rn. 63; in der Folgeauflage Sellner / Reidt / Ohms, Immissionsschutzrecht, 1. Teil Rn. 184 wird nur noch auf die Orientierung der Einzelfallentscheidung an den existierenden Regelwerken Bezug genommen. 793 Durch die Regelung dieser Kriterien wird die Bestimmung des Begriffes Stand der Technik von den gleichen Kriterien abhängig gemacht wie die Bestimmung der besten verfügbaren Technik, s. Knopp / Heinze, UPR 2004, 212 (213 f.), wobei diese sich kritisch zum Erfolg der „Anpassung“ äußern. 794 BVerfGE 49, S. 89 (135 ff.); BVerwG, NVwZ 1986, 208 (212); Breuer, AöR 101 (1976), 47 (67 f.); ders., NVwZ 1988, 104 (109); Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 75; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 145 ff.; Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, S. 14 ff.; kritisch Battis / Gusy, Technische Normen im Baurecht, Rn. 275 ff., die zwar eine dahingehende Intention des Gesetzgebers anerkennen, allerdings die Leistungsfähigkeit bezweifeln; kritisch auch Nicklisch, BB 1983, 261 ff.; Wolf, Der Stand der Technik, S. 277. 789

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schen Entwicklung gestellt. 795 Der Begriff ist weit zu verstehen und umfasst über die reinen „Emissionsminderungstechniken“ hinaus z. B. auch die Ausbildung des Personals und die Betriebsorganisation. 796 Mit dem Adjektiv „fortschrittlich“ enthält die Definition eine zeitliche und zugleich auch wertende Dimension. 797 Das Verfahren muss zudem nicht nur die durch untergesetzliche Regelwerke vorgesehenen Emissionswerte erfüllen, sondern sich im Hinblick auf den angestrebten Zweck als zumindest ebenso wirksam wie die bisherigen Verfahren darstellen. 798 Zur Beurteilung kommt es unmittelbar auf das Notwendige, Geeignete, Angemessene und Vermeidbare an. 799 Die Entscheidung bedingt eine (im Einzelfall u. U.) schwierige Abwägung dieser Aspekte. 800 Zudem sind einzelne Kriterien des Anhangs zu § 3 Abs. 6 BImSchG nicht zielharmonisch, sondern stehen in Wechselwirkungen zueinander und verstärken, behindern oder schwächen sich gegenseitig ab. 801 Ebenfalls in dieser Hinsicht muss in einem komplexen Abwägungsvorgang ein Ausgleich gefunden werden, 802 auch wenn die einzelnen Kriterien und ihre Ausfüllung lediglich einer rein sachverständigen Wertung bedürfen. 803 Dieser Begriff ist somit das Ergebnis einer Abwägung zwischen mehreren, oft gegenläufigen Randbedingungen und spiegelt nicht das wirksamste, sondern das dem Wirksamsten angenäherte, insgesamt optimale Verfahren wider. 804 Des Weiteren muss die Maßnahme praktisch, d. h. technisch und wirtschaftlich, geeignet sein. Sie ist regelmäßig praktisch geeignet, wenn die Maßnahme bei einer vergleichbaren Anlage bereits erfolgreich eingesetzt oder erprobt wurde, wobei diese Betriebserprobung keine generelle Voraussetzung ist. 805 Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Eignung muss die Maßnahme dem durchschnittlichen Betreiber und damit innerhalb des entsprechenden Industriesektors zum Zwecke 795

BVerfGE 49, S. 89 (135). Stapelfeldt, Die immissionsschutzrechtliche Anlagenzulassung nach europäischem Recht, S. 121; Steinberg / Koepfer, DVBl. 1997, 973 (978). 797 Mann, JUTR 2001 (UTR Band 71) S. 7 (11). 798 Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 BImSchG Rn. 31; Mann, JUTR 2993 (UTR Band 71), S. 7 (11); Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 3 BImSchG Rn. 19; Rengeling, Der Stand der Technik, S. 21; Ule / Laubinger, Bundes-Immissionsschutzgesetz, § 3 BImSchG Rn. 14; Schmatz / Nöthlichs, Immissionsschutz, § 3 BImSchG Anm. 16. 799 Breuer, AöR 101 (1976), 48 (68). 800 Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 BImSchG Rn. 31. 801 Feldhaus, NVwZ 2001, 1 (3), mit Beispiel. 802 Feldhaus, NVwZ 2001, 1 (3). 803 Zumal die grundlegenden Wertungen in Form der Festlegung der Kriterien bereits getroffen sind. 804 Feldhaus, NVwZ 2001, 1 (3); s. dazu auch Rengeling, Der Stand der Technik, S. 21 f. 805 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 104. 796

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des Umweltschutzes als zumutbar angesehen werden können. 806 Die wirtschaftliche Eignung entfällt erst dann, wenn der Einsatz der Maßnahme im Hinblick auf die Investitions- und Betriebskosten bei (neuen) Anlagen unter keinen Umständen erwartet werden kann, 807 wobei in diesem Zusammenhang auch das Gefährdungspotential der Anlage berücksichtigt werden muss. 808 Dementsprechend bedarf es einer umfangreichen Abwägung, 809 in die nicht nur technische, sondern auch Kostengesichtspunkte eingehen. 810 Dabei bedürfen gerade diese einer Wertung, die nicht nur sachverständig ist, auch wenn es in einer Industrie nur auf den durchschnittlichen Betreiber ankommt 811 und daher gewisse allgemeine Kennzahlen ermittelbar sind, die den Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis widerspiegeln. Dementsprechend bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass die Konkretisierung des Begriffes zwar von Wertungen und Abwägungen abhängig ist, diese aber im Wesentlichen einer sachverständigen Grundlegung bedürfen und durch diese weitgehend vorbestimmt werden. Gleichzeitig enthalten die gesetzlichen Vorgaben auch eine Standardisierung, insbesondere der Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG. Dieser leitet die Konkretisierung im Einzelfall, indem er bestimmte Kriterien vorgibt. Für die im Anwendungsbereich der TA Luft erforderlichen Einzelfallentscheidungen enthält Nr. 5.1.1 Abs. 8 TA Luft die relevanten Maßstäbe. Danach sollen zur Ermittlung des Standes der Technik im Einzelfall BVT-Merkblätter oder Richtlinien oder Normen des VDI / DIN-Handbuches Luftreinhaltung herangezogen werden. Bei diesen handelt es sich allerdings nur um Erkenntnisquellen. Die Behörden sind daran nicht gebunden, sie müssen sich aber mit ihnen auseinanderzusetzen. Darüber hinaus wird aufgrund des hinter ihnen stehenden Sachverstandes auch eine Pflicht der Behörden angenommen, Abweichungen davon zu begründen. 812 806 Stapelfeldt, Die immissionsschutzrechtliche Anlagenzulassung nach europäischem Recht, S. 121; Feldhaus, NVwZ 2001, 1 (4); Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 106 f. 807 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 107; dort auch weitere Nachweise. 808 Feldhaus DVBl. 1981, 165 (172); Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 161. 809 Hansmann, NVwZ 2003, 260 (274); Feldhaus, DVBl. 1981 165 (169); ders., NVwZ 2001, 1 (3). 810 Hansmann, NVwZ 2003, 260 (274) mit Hinweis auf den Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG, der ausdrücklich auf die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen verweist. 811 S. Stapelfeldt, Die immissionsschutzrechtliche Anlagenzulassung nach europäischem Recht, S. 121. 812 Vgl. für eine derartige faktische Wirkung des Ergebnisses einer Mediation auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kapitel Rn. 137; dort weist er darauf hin, dass die im Rahmen einer Mediation gefundenen Lösungen zwar nicht ungeprüft, aber mit einer Vermutung der Richtigkeit in das spätere Verfahren eingestellt werden können.

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Daneben sind sie auch an die allgemeinen Beurteilungsmaßstäbe gebunden, die die TA Luft selbst aufstellt. 813 Eine Berücksichtigung des integrativen Ansatzes ist durch Nr. 5.1.3 TA Luft standardisiert. Angesichts dieser weitgehenden Standardisierungen kann auch der Gedanke einer Richtigkeit durch Standardisierung fruchtbar gemacht werden. Letztlich muss die Behörde die erforderliche Entscheidung aufgrund ihres eigenen Sachverstands oder aber auf Grund von entsprechenden Sachverständigengutachten treffen, wobei sie als Grundlage für die zu treffende Entscheidung alle verfügbaren, wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisquellen heranzuziehen hat. 814 Eine derartige Konkretisierung im Einzelfall wurde in jüngster Zeit unter anderem relevant für den Bereich der Nanopartikel. Regulierungen im Hinblick auf diesen Bereich bestehen derzeit nicht; zudem lassen sich zur Zeit angesichts der bestehenden Wissenslücken weder Bewertungsmaßstäbe im Sinne von Risikoschwellenwerten für einzelne Schadstoffimmissionen an Nanopartikeln noch ein allgemeiner Vorsorgewert begründen. 815 Dann muss die Behörde einen eigenen Prüfungsmaßstab entwicklen. Dabei kann sie auch Werte heranziehen, die vom LAI für einen anderen Stoff entwickelt wurden, aber vergleichbar sind, und diese für den Einzelfall modifizieren. 816 Ein Sachverständigenmodell muss die Frage beantworten, ob auch in dieser Hinsicht und für die erforderlichen Wertungen und Prüfungen die Möglichkeit einer Privatisierung besteht.

12. Die Einhaltung der sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften Neben den Grundpflichten bestehen noch weitere Voraussetzungen für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dürfen öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Dies bezieht sich auf die anlagenbezogenen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. 817 Diese werden sämtlich in das Genehmigungsverfahren integriert und gehören zu dessen Prüfungsumfang. Die Konsequenz ist die durch § 13 BImSchG geregelte Konzentrationswirkung. 813

Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht II, TA Luft, Nr. 5.1.1 Rn. 25. Stich / Porger, Immissionsschutzrecht Band 1, § 5 BImSchG Rn. 15. 815 S. Gantzer, VBlBW 2004, 174 (175). 816 So die Behörde in dem Fall, der dem Urteil des BVerwG v. 11. 12. 2003 – 7 C 19.02, VBlBW 2004, 177, zu Grunde lag. S. dazu Gantzer, VBlBW 2004, 174 (175). 817 Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 10; Hansmann, ZfW 1999, 238 (241); Nöthlich, Immissionsschutz, Band 1, Erläuterungen zu § 6 BImSchG, Anm. 2. 3. 1., dort auch ein Überblick über die anwendbaren Vorschriften. 814

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Allerdings soll vorliegend weder dem genauen Verständnis dieser Vorschrift noch den einzelnen zu prüfenden Vorgaben nachgegangen werden, da sie strukturell für die Frage einer Privatisierung und der Einführung eines Sachverständigenmodells nur wenig neue Aufschlüsse bieten können. An dieser Stelle soll sich daher auf einige wenige Bemerkungen zu dem planungsrechtlichen Element der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beschränkt werden. a) Planerische Elemente der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Grundsätzlich gibt es bei der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung keinen planerischen Gestaltungsspielraum, wie er Wesensmerkmal des für die Planfeststellung geltenden Abwägungsgebotes ist 818. Der Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. 819 Diese ist als Kontrollerlaubnis ausgestaltet. Gegenstand des Zulassungsverfahrens ist das konkrete Vorhaben an dem beantragen Standort. Es dient nicht der Suche nach einem, geschweige denn dem optimalen Standort, sondern allein der Beantwortung der Frage, ob die Zulassungsvoraussetzungen für den konkret beantragten Standort vorliegen oder nicht. 820 Es bietet keinen Ansatzpunkt für eine auf Abwägung zielende Standortalternativenprüfung. 821 Eine zwingende Berücksichtigung planerischer Elemente ergibt sich auch nicht aufgrund einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese kann zwar über die Alternativenprüfung, die sich auch auf Standortalternativen bezieht, ein planerisches Element aufweisen. 822 Da es sich bei der Genehmigung aber um eine gebundene Entscheidung handelt, muss sich die Behörde zwar im Rahmen der Berücksichtigung der Ergebnisse der UVP auch mit den Alternativen auseinandersetzen. 823 In der abschließenden Entscheidung wird sich dies aber nur dann niederschlagen, wenn sich daraus die Unzulässigkeit des konkreten Standorts ergibt. Die Behörde kann nicht einen anderen, aus ihrer Sicht besseren Standort durchsetzen, solange der Anspruch auf Genehmigung an dem beantragten Standort besteht.

818

Gaßner / Schmidt, DÖV 1993, 946 (948). Schink, DÖV 1993, 725 (733); s. dazu und allg. zu dem Instrument der Kontrollerlaubnis Wahl, DVBl. 1982, 51 (52 f.); ebenfalls allg. zu diesem Instrument Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 ff. 820 Hoppe / Beckmann, DÖV 1990, 769 (770 f.). 821 Hoppe, DVBl. 1994, 255 (255). 822 Erbguth / Schink, UVPG, § 2 Rn. 21; dort auch zu der umstrittenen Frage, ob überhaupt eine Alternativenprüfung durchzuführen ist. 823 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 10 BImSchG Rn. 240. 819

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Ein planerisches Element mit Abwägungsmöglichkeit und -verpflichtung 824 besteht aber im Rahmen der Regelung des § 38 BauGB. Zwar wird verschiedentlich bezweifelt, dass auf diesem Wege ein Abwägungsspielraum in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung eingebaut werden könne. Diese Auffassung schlägt daher eine Lösung über § 10 Abs. 4 S. 1, § 2 Nr. 5 Krw- / AbfG vor. 825 Allerdings erscheint es vorzugswürdig, dies als gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung städtebaulicher Belange im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungstatbestands selbst zu sehen. 826 Ihre Berücksichtigung geschieht auf einer ersten Stufe durch eine Orientierung an den Vorgaben der §§ 29 ff. BauGB. Dabei fungieren die §§ 30 BauGB als fachplanerisch zu berücksichtigende Orientierungshilfen von unterschiedlicher Intensität. 827 Den städtebaulichen Belangen ist dann Genüge getan, wenn sich aus diesen Vorschriften die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des entsprechenden Vorhabens ergibt (bis hin zum Dispens nach § 31 BauGB). Andernfalls kann auf einer zweiten Stufe eine der Zulässigkeit des Vorhabens entgegenstehende Regelung ausnahmsweise wegen der Bedeutung des Vorhabens überwunden werden. Voraussetzung dafür ist eine Abwägung. Es handelt sich dabei nicht um eine umfassende Abwägung aller berührten öffentlichen und privaten Belange, sondern im Wesentlichen um eine tripolare Abwägung der städtebaulichen Belange, die gegen den Standort sprechen, mit den Belangen des Vorhabenträgers und der Allgemeinheit an der Zulassung des Vorhabens am beantragten Standort. 828 Die Abwägung ist monofinal und soll lediglich die Frage 824 Löhr, in: Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, § 38 Rn. 25; eventuell könnte auch OVG Rheinland Pfalz im Sinne eines Versagungsermessens verstanden werden, OVG Rheinland-Pfalz v. 13. 9. 1994 – 7 B 11901/94, DVBl. 1995, 251 (252). 825 Diese abfallrechtliche Gemeinwohlklausel würde eine Wahrung städtebaulicher Belange vorsehen und sei als sonstige Vorschrift i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu betrachten, Sandner, DÖV 1998, 586 (589); zur Lösung über die abfallrechtliche Gemeinwohlklausel s. auch schon Weidemann, DVBl. 1994, 263 (269 ff.). 826 So wohl die h.M., Ernst / Zinkahn / Bielenberg / Krautzberger-Runkel, BauGB, § 38 Rn. 66, 83; Löhr, in: Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, § 38 Rn. 25; Paetow, FS Schlichter, S. 499 (506); in dieser Hinsicht kann auch der vor Gesetzesänderung ergangene Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz v. 13. 9. 1994 – 7 B 11901/94, DVBl. 1995, 251 (252) verstanden werden. Die Meinungen zur alten Rechtslage, s. dazu insbes. Weidemann, DVBl. 1994, 263 (268) dürften nach der Einfügung der Berücksichtigung städtebaulicher Belange nicht mehr unmittelbar übertragbar sein, insbesondere die Extremansicht von Schink, DVBl. 1994, 245 (251 f.), ders., DÖV 1993, 725 (737), der keine Möglichkeit der Berücksichtigung städtebaulicher Belange annahm. 827 Ernst / Zinkahn / Bielenberg / Krautzberger-Runkel, BauGB, § 38 Rn. 84 m. Nachweisen zu der Rechtsprechung. 828 Ernst / Zinkahn / Bielenberg / Krautzberger-Runkel, BauGB, § 38 Rn. 66. So wohl auch Hölscher, NVwZ 1998, 1134 (1138); zumindest erwähnt er keine Einschränkung, auch nicht die durch die abfallrechtliche Gemeinwohlklausel. Dort auch zu den verschiedenen Meinungen, wie das planungsrechtliche Vakuum nach § 38 BauGB a. F. zu schließen

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beantworten, ob auf eine zwingende Zulassungsvoraussetzung bauplanungsrechtlicher Art ausnahmsweise im Interesse der Abfallentsorgung verzichtet werden kann. 829 An dieser Stelle dürfte die Alternativenprüfung der UVP zu berücksichtigen sein. Somit enthält die immissionsschutzrechtliche Genehmigung hier einen begrenzten Abwägungsvorbehalt, mit dem bauplanungsrechtliche Vorschriften überwunden werden können. Dabei handelt es sich um eine die Standortentscheidung des Antragstellers nachvollziehende Abwägung. 830 b) Planerische Vorgaben und sachverständige Kontrolle Im Hinblick auf die Privatisierung der Kontrolle von planerischen Vorgaben stimmt der Blick auf das Bauordnungsrecht nachdenklich, denn dort wird die Kontrolle des Bauplanungsrechts nur bei bauplanungsrechtlich einfachen Vorhaben den Sachverständigen bzw. privaten Bauherrn überlassen. Im Übrigen bleibt seine Kontrolle selbst in dem am weitesten gehenden Modell den staatlichen Behörden vorbehalten. Das Bauplanungsrecht wird als äußerste Grenze der Privatisierung angesehen. 831 Allerdings scheint es dabei weniger auf die Art der Vorgaben oder das Projekt selbst als vielmehr die Konkretheit der Vorgaben anzukommen, denn schließlich wird Privaten die Kontrolle der bauplanungsrechtlich einfachen Vorhaben überlassen. Der Vorbehalt zugunsten einer staatlichen Kontrolle kann jedoch ohne Weiteres mit der erheblichen Bedeutung der planungsrechtlichen Vorgaben erklärt werden, da die damit verbundene Standortentscheidung im Wesentlichen darüber entscheidet, wer welche (der im Übrigen zulässigen) negativen Auswirkungen zu tragen hat. 832 Sie konkretisieren in erheblichem Umfang den Interessenausgleich, der nur durch eine staatliche Entscheidung gelöst werden kann. war (S. 1137). Dazu findet sich ebenfalls ein Überblick bei Weidemann, DVBl. 1994, 263 (268 f.); er spricht davon, dass die als gebundene Entscheidung konstruierte Genehmigung nach § 6 BImSchG für öffentlich zugängliche Abfallbeseitigungsanlagen ein planerisches Element mit Abwägungsmöglichkeit und -verpflichtung enthält; ebenfalls Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, § 38 Rn. 25. 829 Hölscher, NVwZ 1998, 1134 (1138). 830 Ernst / Zinkahn / Bielenberg / Krautzberger-Runkel, BauGB, § 38 Rn. 66, der als möglichen Anknüpfungspunkt einer Standortalternativenprüfung die UVP-Pflichtigkeit nennt; einschränkend im Hinblick auf eine Prüfung von Standortalternativen Weidemann, DVBl. 1994, 263 (270). 831 Wobei dies auch damit erklärt werden kann, dass der Landesgesetzgeber eben gerade nur über die Kontrolle der landesrechtlichen Vorgaben disponieren kann, s. Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 320. 832 Bei der Kontrolle der Grenzwerte ist die wesentliche Entscheidung über die hinzunehmende Belastung bereits getroffen worden; im Rahmen der planungsrechtlichen Zulässigkeit wird noch entschieden, wer unter vielen diese zulässige Belastung in welchem Ausmaß (aufgrund der Lage) zu tragen hat.

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Zudem gilt gerade im Immissionsschutzrecht, dass eine derartig planungsrechtlich einfache Situation selten vorliegen wird, zumal zahlreiche Vorhaben im Außenbereich zugelassen werden und dort im Rahmen des Zulassungsverfahrens die planungsrechtlich relevanten Aspekte nicht einfach anhand von planerischen Vorgaben abgearbeitet werden können. Planerische Entscheidungen werden häufig im Rahmen eines konkreten Projekts erforderlich und sind auch im Einzelfall von demokratisch legitimierten Entscheidungsträgern zu treffen. Es kann daher nicht mit hinreichender Sicherheit eine Kategorie des planungsrechtlich Einfachen (mit einer hinreichenden Distanz zur Herstellung eines Interessenausgleichs) entwickelt werden, die als Trennlinie für die Privatisierung der Kontrolle dienen kann. Angesichts der besonderen Nähe der planungsrechtlichen Vorgaben zu der Herstellung eines Interessenausgleichs 833 ist somit eine Privatisierung ihrer Kontrolle nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Grundrechte und des Demokratieprinzips abzulehnen. Vor allem aufgrund des erheblichen Einflusses des Vorhabenträgers und seiner Standortentscheidung auf die Gestaltung kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine ausreichende verfahrensrechtliche Sicherung eines angemessenen Ergebnisses gewährleistet werden kann.

13. Zusammenfassung und Ergebnis: Privatisierungsspielräume bei der Kontrolle Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Anforderungen gilt es nunmehr, Spielräume für eine Privatisierung zu identifizieren und die maßgeblichen, dabei zu beachtenden Aspekte aufzuzeigen. Dies kann sich vorliegend vor allem an den oben angestellten Überlegungen und Ergebnissen, der Normqualität und -struktur sowie der Genauigkeit der Vorgaben orientieren, wobei sich anschließend die Frage nach der Verallgemeinerungsfähigkeit stellt. Im Hinblick auf eine Privatisierungsfähigkeit kann in zweierlei Hinsicht differenziert werden. Zum einen kann an die unterschiedlichen Stufen des Vollzugsmodells angeknüpft werden, das zwischen der Konkretisierung und der Kontrolle der Vorgaben unterscheidet. Anhand der unterschiedlichen Formen der Konkretisierung kann dann primär die Privatisierung der Kontrolle ihrer Vorgaben untersucht werden, wobei dann im Einzelfall sich auch die Frage nach der Privatisierung der Konkretisierung selbst stellt. Zum anderen ist ein materieller Ansatz denkbar, der an den Inhalt der einzelnen Vorgaben anknüpft, wie er sich aus der Eigenart der verschiedenen Tatbestandsmerkmale ergibt, und der versucht, diese im Hinblick auf die Möglichkeit einer Privatisierung einzuteilen. 833

S. auch die Überschrift „Planung als ‚goldener Schnitt‘ divergierender Interessen“ bei Stüer, FS Blümel, S. 565 (585).

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Daneben stellt sich die Frage, ob eine Zusammenschau beider Ansätze ein sinnvolles Konzept ergeben kann, wobei dann abschließend auch noch ein Blick auf die Vollzugsgegebenheiten zu werfen ist. a) Eine Analyse anhand des Vollzugsmodells Die nachfolgende Analyse greift den Zusammenhang zwischen der Konkretisierung der Vorgaben und der Kontrolle der konkretisierten Vorgaben auf, denn erst die Konkretisierung stellt die Vollzugsfähigkeit zahlreicher Vorgaben her und damit auch die (private) Kontrollierbarkeit. Insbesondere die Untersuchung der Grundpflichten hat ergeben, dass verschiedene Einfallstore für Wertungen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren bestehen und die Konkretisierung häufig nicht den einen „richtigen“ Wert feststellen kann, sondern diese Festlegung Gegenstand eines innerhalb eines gewissen Spielraums ergebnisoffenen Entscheidungsvorgangs ist. Vor diesem Hintergrund findet sich die Mehrzahl der konkretisierten Werte aus verschiedenen Erwägungen sowohl vollzugstechnischer als auch erkenntnisbezogener Art in untergesetzlichen Regelungen, so dass auch schon vom umgekehrten Wesentlichkeitsgrundsatz gesprochen wird, nach dem alles Wesentliche nicht im Gesetz steht. Sobald eine derartige Konkretisierung vorhanden ist, beschränkt sich die Verwaltungstätigkeit auf die Kontrolle der Einhaltung der in ihr enthaltenen Werte, es sei denn, einer der oben beschriebenen Gründe für eine Einzelfallentscheidung liegt vor. Dabei legt die Behörde in der Genehmigung bzw. in Nebenbestimmungen fest, wie diese Werte einzuhalten sind. Diese vollzugstechnische Gegebenheit könnte einen möglichen Ansatzpunkt für eine Privatisierung darstellen. Die Vorgaben in den untergesetzlichen Regelwerken sind nämlich häufig sehr detailliert und enthalten bereits die erforderlichen Wertungen. Sie sind im Einzelfall lediglich auf ihre Einhaltung zu kontrollieren, und es wird dabei keine Wertung mehr erforderlich, die über eine rein sachverständige Wertung hinausgeht. Auch die Verwaltung leistet dann nicht mehr als die Kontrolle; für die erforderlichen Wertungen wird vielmehr regelmäßig, wie sich an der Rechtsprechung zeigen lässt, auf sachverständige Gutachten zurückgegriffen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Privatisierung durch Übertragung der Kontrolle der Einhaltung derart konkretisierter Werte des untergesetzlichen Regelwerkes auf Sachverständige möglich. Allerdings ist dabei die Herkunft der untergesetzlichen Regelwerke, denen die Werte entnommen werden, zu bedenken. Insofern die zu kontrollierenden Werte technischen Regelwerken Privater entnommen werden, taucht als Problem auf, dass nunmehr Konkretisierung und Kontrolle durch im Wesentlichen private Stellen durchgeführt werden und die staatliche Beherrschung der Normanwendung auch in inhaltlicher Sicht,

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d. h. auch im Hinblick auf eventuell erforderliche Wertungen, weitgehend zurückgedrängt wird. Die in diesem Rahmen erforderlichen Entscheidungen werden nicht mehr durch eine demokratisch legitimierte Stelle getroffen. Daher stellt sich die Frage, ob und inwiefern ein Sachverständigenmodell auch dieser Konstellation Rechnung tragen kann. Nachfolgend sollen die Vorgaben der untergesetzlichen Regelwerke in einem kurzen Überblick auf eine für diesen Ansatz geeignete Konkretisierung untersucht werden. aa) Die Anforderungen aus Rechtsverordnungen Die Rechtsverordnungen enthalten, wie oben ausführlich dargelegt, zahlreiche konkrete Werte sowohl für Immissionen als auch für Emissionen, die zudem unmittelbar verbindlich sind. Im Rahmen der 13. BImSchV ist zu differenzieren. Sie enthält zahlreiche Emissionsgrenzwerte, wobei sie es letztlich den Anlagenbetreibern überlässt, wie sie diese erreichen. Diese Werte können durch Sachverständige überprüft werden, die insbesondere ermitteln können, ob die technische Auslegung der Anlage die Einhaltung der Werte ermöglicht. Im Rahmen der Möglichkeiten einer Dynamisierung sind jedoch Einzelfallentscheidungen erforderlich. Diese sind zwar im Grunde einer sachverständigen Beurteilung zugänglich, können allerdings auch wertende Aspekte aufweisen. Dem muss Rechnung getragen werden. In ähnlicher Weise enthält die 17. BImSchV Emissionsgrenzwerte. Daneben regelt sie auch technische Vorgaben. Diese Anforderungen sind ebenfalls sachverständig kontrollierbar. Aber auch hier gilt, dass aufgrund einer Öffnungsklausel strengere Anforderungen gestellt werden können, womit Einzelfallentscheidungen erforderlich werden. Die 22. BImSchV enthält unterschiedliche Immissionswerte, gemeinsam mit den dazugehörigen Beurteilungsverfahren. Auch diese Werte enthalten bereits die entsprechenden Wertungen und lassen sich, insbesondere in Verbindung mit den Beurteilungsverfahren, durch Sachverständige ermitteln. Auch in der Bodenschutzverordnung finden sich zahlreiche Werte, deren Einhaltung durch Sachverständige überprüft werden kann. Allerdings ist mit dem Überschreiten dieser Werte nicht zwangsläufig die Unzulässigkeit des Vorhabens verbunden. Zwar ist bei Unterschreiten sowohl der Prüf- als auch der Maßnahmewerte ein Gefahrenverdacht ausgeräumt, allerdings kann auch bei Überschreiten dieser Werte, insbesondere bei den Prüfwerten, festgestellt werden, dass eine schädliche Belastung nicht vorliegt. Auch bei Maßnahmewerten kann die Regelvermutung widerlegt werden. In all diesen Fällen ist eine Einzelfallentscheidung bereits angelegt, wie auch in dem Fall, dass keine Grenzwerte bestehen, wobei die Verordnung Regeln für den Umgang mit diesen Schadstoffen enthält.

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Dementsprechend kann festgehalten werden, dass die Rechtsverordnungen zahlreiche konkrete Werte und technische Vorgaben enthalten, die keine weiteren Spielräume eröffnen, die erforderlichen Wertungen beinhalten und unmittelbar verbindlich sind. Im Rahmen des Vollzugs ist keine weitere Wertung, insbesondere über die Angemessenheit und Zumutbarkeit des Wertes, erforderlich. Die Frage, ob die Anlage bzw. ihre Gestaltung diesen Vorgaben, insbesondere den Emissions- oder Immissionsgrenzwerten, Rechnung trägt und diese, auch in Zukunft im Rahmen des Betriebs, einhält, erfordert nur sachverständige Beurteilungen und Prognosen und ist einer rein sachverständigen Beurteilung zugänglich. Es sind demnach keine inhaltlichen Entscheidungen über eine Belastung mehr erforderlich, letztlich handelt es sich um eine Anwendung der in den Werten bereits enthaltenen Entscheidungen. In dieser Konstellation bestehen auch keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine private Kontrolle (und die damit verbundene Umsteuerung), solange der Staat den Anforderungen an ein Gewährleistungsverwaltungsrecht (und damit die weiteren Elemente des Sachverständigenmodells) nachkommt. 834 Dabei fällt in tatsächlicher Hinsicht ins Gewicht, dass bereits heute die Vollzugstätigkeit maßgeblich auf sachverständigen Gutachten beruht und diese faktisch die Vollzugstätigkeit beherrschen. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus konsequent, die sachverständige Kontrolle aufzuwerten und den Sachverständigen die Aufgabe der präventiven Kontrolle anzuvertrauen. Daneben enthalten die Rechtsverordnungen auch prozedurale Anforderungen, so z. B. die Erstellung von Konzepten durch den Anlagenbetreiber, die dies bereits heute in Eigenregie bzw. unter Zuhilfenahme privaten Sachverstands erfüllen, so dass insofern keine weiteren Erwägungen erforderlich sind. Allerdings finden sich in den Rechtsverordnungen auch Spielräume für Einzelfallentscheidungen, insbesondere sind sie im Hinblick auf weitergehende Anforderungen teilweise offen. Dabei enthalten sie für diesen Fall zum Teil gleichzeitig konkrete Vorgaben für die Ermittlung der Werte. Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Privatisierung kommt es dann darauf an, welche Vorgaben offen gelassen worden sind und inwiefern noch Wertungen erforderlich sind. Insofern ist der materielle Ansatz einschlägig. Vorab jedoch schon so viel: Sollten nur sachverständige Wertungen erforderlich sein, spricht einiges dafür, auch diese Frage Sachverständigen anzuvertrauen, eventuell verbunden mit einer Hinweispflicht auf die Einzelfallentscheidung, damit die Behörde reagieren kann. Alternativ kann ein zwingend durch den Sachverständigen einzuleitendes isoliertes Verfahren vorgesehen werden.

834

S. dazu, insbesondere im Hinblick auf die Grundrechte und das Demokratieprinzip, unten Kapitel 4 und 5.

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bb) Die Anforderungen aus normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften Auch bei den Anforderungen aus normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften lässt sich ein Dreiklang aus klar normierten Emissions- und Immissionswerten, der Festlegung von technischen Anforderungen sowie noch erforderlichen Einzelfallentscheidungen feststellen (eventuell bestehende prozedurale Anforderungen bleiben im Folgenden außer Betracht). Einzelfallentscheidungen können dabei in unterschiedlichen Konstellationen, die zum Teil denen bei Rechtsverordnungen ähneln, erforderlich werden. In Betracht kommt, dass die Normierung keine Werte oder aber nur Richtwerte enthält, Öffnungsklauseln bestehen, die Notwendigkeit der Einzelfallentscheidung ausdrücklich vorgesehen ist oder aber die Grenzen der Bindungswirkung eingreifen. Gleichzeitig ist in einigen ausdrücklich normierten Fällen die erforderliche Einzelfallentscheidung weitgehend standardisiert und strukturiert. 835 Insofern die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften konkrete Werte und detaillierte technische Anforderungen enthalten, sind die eventuell erforderlichen Wertungen bereits auf dieser Ebene getroffen. Es besteht damit kein Bedarf für weitere Wertungen bzw. ein Ausfüllen der Normen, womit sie als geeignet für eine rein sachverständige Kontrolle erscheinen. Dabei bestehen zahlreiche derartige Werte, weshalb gerade im Bereich der Vorsorge angesichts des dichten untergesetzlichen Regelwerks nur ein geringer Bedarf an Einzelfallentscheidungen angenommen wird. Insofern Einzelfallentscheidungen erforderlich sind, gilt das Gleiche wie bei den Rechtsverordnungen – über die Privatisierung sowohl der Konkretisierung als auch der Kontrolle geben die Regelwerke selbst keine Auskunft, entscheidend ist die konkrete inhaltliche Vorgabe. Probleme für eine Privatisierung wirft hier vielmehr die fehlende unmittelbare Bindungswirkung der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften gegenüber den Bürgern auf. Die Verbindlichkeit im Einzelfall bedarf derzeit einer Transformationsleistung der Behörde. Diese Problematik ist im Rahmen der Gesamtkonzeption eines Sachverständigenmodells zu lösen. cc) Die Anforderungen aus technischen Regelwerken Die technischen Regelwerke sowohl der öffentlich(-rechtlich)en als auch der privaten Normungsorganisationen enthalten eine Vielzahl von Anforderungen, die hier nicht erschöpfend behandelt werden können. Allerdings kann auch hier 835

So z. B. die Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft und die Prüfungen nach Nr. 5.1.1 und 5.2.7 TA Luft.

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der bereits im Rahmen der anderen Regelwerke erkennbare Dreiklang aus vorgegebenen Werten, technischen Anforderungen und Einrichtungen sowie Raum für Einzelfallentscheidungen, für deren Konkretisierung sie auch Entscheidungshilfen geben, festgestellt werden. Wie an den vom LAI entwickelten Vorschriften erkennbar, werden auch hier Einzelfallentscheidungen in den gleichen Konstellationen wie bei den anderen Normierungen erforderlich. Zusätzlich können sie dann erforderlich sein, wenn die mit den Regelwerken verbundene tatsächliche Vermutung (oder die im konkreten Fall damit verbundene Wirkung) widerlegt werden soll. Auch in diesen Fällen ist dann ein Blick auf die inhaltliche Vorgabe zu werfen. Dabei stellt sich auch hier das bereits im Rahmen der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften angegebene Problem der Herstellung einer Verbindlichkeit, also der Transformation der generellen Vorgaben in Vorgaben, die den Anlagenbetreiber unmittelbar binden, was bislang von der Verwaltung geleistet worden ist. Allerdings stellt sich im Rahmen der technischen Regelwerke ein weiteres Problem. Zwar kommen diese regelmäßig in einem beteiligungsoffenen und strukturierten Verfahren zustande. Zudem kann ihnen Sachverstand und Verantwortlichkeit für das allgemeine Wohl nicht abgesprochen werden. Jedoch handelt es sich letztlich um Vereinbarungen interessierter Kreise, die eine bestimmte Einflussnahme auf das Marktgeschehen bezwecken. Den Anforderungen, die etwa an die Neutralität und Unvoreingenommenheit gerichtlicher Sachverständiger zu stellen sind, genügen sie deshalb nicht. 836 Wenn die Kontrolle dieser Vorgaben nunmehr Privaten überlassen würde, bestünde nur noch ein indirekter staatlicher Einfluss auf das Ergebnis im Einzelfall. Insbesondere bestehen Bedenken im Hinblick auf die Wertungen, die in den technischen Regelwerken enthalten sind. Daher ist Zurückhaltung letztlich dann geboten, wenn die in den technischen Regelwerken enthaltenen Aussagen nicht als „außerrechtliche“ Fachfragen eingestuft werden können, sondern Bewertungen entgegengesetzter Interessen einschließen, die an sich einer demokratisch legitimierten politischen Entscheidung in der Form einer Rechtssetzung bedürfen. 837 Dementsprechend muss ein Sachverständigenmodell, sollte eine Privatisierung auch der Kontrolle der Vorgaben technischer Regelwerke Gegenstand werden, imstande sein, die außerrechtlichen Fachfragen zu identifizieren, die letztlich der endgültigen Beantwortung durch technische Regelwerke nicht zugänglich sind, und eine Abgrenzung des Spielraums der zulässigen Privatisierung der Kontrolle zu leisten, da sich dies auf einer allgemeinen Ebene als sehr umfangreich erweisen würde.

836 837

S. dazu BVerwGE 77, S. 285 (291). Vgl. BVerwGE 77, S. 285 (291).

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dd) Die im Einzelfall zu entwickelnden Anforderungen Eine weitere im Rahmen des Vollzugsmodells zu betrachtende Modalität ist der Vollzug bei einer Konkretisierung im Einzelfall. Dies betrifft sowohl die Fälle originärer Gesetzeskonkretisierung als auch die Fälle, in denen bestehende untergesetzliche Regelwerke in den oben beschriebenen Fällen Spielräume für Einzelfallentscheidungen eröffnen. Die dabei bestehenden Spielräume für eine Privatisierung der Konkretisierung und Kontrolle hängen von zwei Faktoren ab, und zwar zum einen von dem zu konkretisierenden Tatbestandsmerkmal selbst, zum anderen aber auch von der Normierung und Strukturierung der erforderlichen Einzelfallentscheidung, wie dies teilweise durch untergesetzliche Normen geschehen ist. Nunmehr soll dieser „formelle“ Aspekt näher untersucht werden, der materielle Ansatz ist dagegen Gegenstand einer eigenen Betrachtung. In Hinblick auf diese formellen Aspekte der Konkretisierung besteht ein jeweils unterschiedliches Ausmaß der Strukturierung. Ein gutes Beispiel ist hier einmal mehr der Begriff „Stand der Technik“. Dessen Konkretisierung ist durch die Kriterien im Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG sowie die existierenden BVTMerkblätter relativ detailliert vorgezeichnet. Insbesondere letztere lassen Wertungen erkennen und genießen aufgrund ihrer Herkunft und Regelung in der IVURichtlinie eine erhöhte Autorität. Die Kriterien bringen zudem die Aspekte zum Ausdruck, die den erforderlichen Wertungen zugrundegelegt werden müssen. Allerdings zeigen sie nicht die Abwägung zwischen den einzelnen Kriterien auf. Jedenfalls könnte angesichts dieser Vorgaben und des weitgehend vorgezeichneten Anforderungsprofils daran gedacht werden, auch hier die Konkretisierung und Kontrolle privaten Sachverständigen anzuvertrauen, zumal es sich häufig um sachverständige Wertungen handelt und die Sachverständigen auch das für die Wertungen erforderliche Wissen besitzen. Darüber hinaus könnte der Gedanke einer Richtigkeit durch Strukturierung fruchtbar gemacht werden. Dieser Gedanke einer Richtigkeit durch Strukturierung oder einer Richtigkeit durch Standardisierung könnte auch dann herangezogen werden, wenn das untergesetzliche Regelwerk die erforderlichen Einzelfallentscheidungen normiert, strukturiert und damit zugleich standardisiert. Damit wird auch den erforderlichen Wertungen ein Rahmen gegeben. Allerdings kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass an dieser Stelle inhaltliche Entscheidungen getroffen werden müssen, die unter Umständen nicht nur eine Fachfrage, sondern insbesondere die Betroffenen und die Allgemeinheit berühren. Die erforderlichen Wertungen können nur begrenzt vorgegeben werden, vielmehr kann lediglich ein Rahmen für eine Entscheidung gesetzt werden. Zweifelhaft ist, ob es unter grundrechtlichen und demokratischen Gesichtspunkten möglich ist, diese Entscheidungen vollkommen aus der staatlichen Sphäre zu lösen. Die Möglichkeit der Aufspaltung einer einheitlichen Einzelfallentscheidung (also der Konkretisierung eines Aspekts), und zwar in Wertungen und Aspek-

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te ohne Wertung, erscheint unter vollzugspraktischen Gesichtspunkten wenig sinnvoll. ee) Zusammenfassung Aus den obigen Ausführungen ergibt sich folgendes Bild eines Dreiklangs: Während fix vorgegebene Werte sowie technische Anforderungen durch private Sachverständige kontrolliert werden können, zumal keine Wertungen im Einzelfall mehr erforderlich sind 838, gibt das oben beschriebene Modell und somit die Form der Konkretisierung keine eindeutige Antwort, sollte eine Konkretisierung im Einzelfall erforderlich sein. Derartige Einzelfallentscheidungen, die auch Wertungen beinhalten, können für den Anwendungsbereich der jeweiligen Norm, im Rahmen ausdrücklich eröffneter Spielräume (z. B. Dynamisierungsund Öffnungsklauseln), bei nicht erfassten Aspekten sowie für den Fall, dass die Grenzen der Geltungskraft der jeweiligen Norm erreicht sind, erforderlich sein. Selbst wenn die betreffende Norm die Einzelfallentscheidung vorstrukturiert und standardisiert, ist eine eindeutige Aussage über die Privatisierung nicht möglich, da dies per se keinen Aufschluss über noch erforderliche Wertungen gibt, die über rein sachverständige hinausgehen 839. Jedoch kann sich eine Strukturierung positiv auf die Beurteilung der Möglichkeit einer Privatisierung auswirken. Gleichzeitig wird hier ein Problem deutlich, das von einem Sachverständigenmodell zu behandeln und zu lösen ist: Die Herstellung einer ausreichenden Verbindlichkeit, oder aber der bewusste Verzicht darauf. Gleichzeitig kann ein weiteres Problem aufgezeigt werden: Wie kann das Sachverständigenmodell damit umgehen, dass die Vorgaben in technischen Regelwerken nicht mit staatlicher Autorität erstellt worden sind (für den Fall, dass die Kontrolle dieser Vorgaben überhaupt privatisiert wird)? Insbesondere muss der Behörde eine Möglichkeit zur Durchsetzung eigener Ansichten eingeräumt werden. Dementsprechend können mit diesem Ansatz erste Spielräume einer Privatisierung identifiziert werden, es bleiben aber zahlreiche Fragen offen.

838

Die vielmehr auf der Ebene der untergesetzlichen Norm vorgenommen worden

sind. 839 Ein weiterer in diesem Zusammenhang zu nennender Aspekt ist sicherlich die Situation, dass eventuell noch entschieden werden muss, welche Maßstäbe auf eine konkrete Situation anzuwenden sind (vgl. für das Baurecht OVG Greifswald, Beschluss vom 24. 2. 2005 – 3 M 185/04, LKV 2006, 131 ff., wo es u. a. darum ging, ob die Werte der TA Lärm und VDI-Richtlinien als Anhaltspunkte verwendet werden können).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

b) Materieller Ansatz I – Die Art der inhaltlichen Vorgaben Ein weiterer Ansatz zur Identifikation von Privatisierungsspielräumen besteht in der Analyse der einzelnen materiellen Anforderungen. In jedem Einzelfall ist ein jeweils eigenes Programm an Konkretisierungen und Kontrollen erforderlich, das unterschiedlich stark durch den jeweiligen Inhalt der Anforderung vorgegeben ist. Dabei kann danach unterschieden werden, wie konkret die Vorgaben der Norm sind und in welchem Ausmaß noch eine „Entscheidung“ bzw. eine Wertung für die Konkretisierung der Vorgaben erforderlich ist. Im Hinblick auf eventuell erforderliche Wertungen bietet sich darüber hinaus eine Unterscheidung zwischen außerrechtlichen und rechtlichen Fachfragen an, 840 wobei sich dann die Frage stellt, wann eine außerrechtliche Fachfrage vorliegt und welche Konsequenzen dies hat. Dabei scheint es sich um solche Fachfragen zu handeln, deren Antwort in der Norm letztlich vorgegeben ist und keiner Wertung bedarf, die nicht bereits in der Norm angelegt ist, die aber dennoch einer sachverständigen Aussage bedürfen, um im Einzelfall operabel zu sein. Die Rechtsprechung scheint in unterschiedlichem Umfang davon auszugehen, dass derartige Fachfragen durch Sachverständige zu klären sind und die Gerichte davon nur abweichen dürfen, wenn ein Gegengutachten vorliegt oder sie das Gutachten nicht für überzeugend erachten und diesbezüglich eine eigene, dazulegende oder zu begründende Sachkunde besitzen, 841 so dass der Sachverständige faktisch einen erheblichen Einfluss auf das Urteil hat. 842 In diesem Zusammenhang werden auch die Fragen als eine sachverständig zu beurteilende Fachfrage bezeichnet, die sich auf die Zumutbarkeit von Schall bzw. dessen Gesundheitsgefährdung beziehen. 843 Die Einstufung hängt damit davon ab, welche Wertungen erforderlich sind. Die Gerichte scheinen unter außerrechtlichen Fachfragen solche zu verstehen, die durch Sachverständige zu klären sind, weil sie deren Fachgebiet betreffen, wobei sie dabei einbeziehen, dass es sich in der Regel um Bewertungen handelt, die im Rahmen der Fachmaterie zu erfolgen haben. 844 840 S. dazu BVerwGE 61, S. 295 (298 f.); restriktiver, diese Unterscheidung aber ebenfalls grundsätzlich anerkennend BVerwGE 77, S. 285 (291 f.). 841 BSG, Urteil v. 4. 6. 2002 – BZU 16/01 R; BSG, Urteil v. 11. 9. 1991 – 5 RJ 94/89, SozSich 1992, 221; s. auch BVerwGE 68, S. 177 (182), das bei Verzicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens die überzeugende Darlegung einer eigenen Sachkunde des Gerichts in nachprüfbarer Weise verlangt; zu dem Verhältnis von Sachverständigengutachten und eigener Fachkunde des Gerichts auch BVerwG, Beschluss v. 21. 7. 1998 – 6 B 44.98, DVBl. 1998, 1350 (1350 f.); BGH Urteil v. 24. 9. 1996 – VI ZR 303/95-, NJW 1997, 794 (795); BGH, Urteil v. 13. 2. 2001 – VI ZR 272/99, NJW 2001, 2796 (2797). 842 S. auch BGH, Urteil vom 15. 12. 2003 – II ZB 32/03 (zitiert nach Juris); vgl. OLG Bamberg, Beschluss v. 21. 1. 2000 – 8 W 79/99, BauR 2000, 773 (774), wobei das Gericht auf die Gefahren einer Parteilichkeit der Sachverständigen hinweist. 843 BVerwG, Urteil v. 29. 4. 2003 – 9 B 59/02, in den Entscheidungsgründen insbes. Nr. 3 j), o) und s), wobei es insbesondere darauf hinweist, dass Fragen der Gesundheitsgefährdung durch Schall von der Lärmmedizin zu klären seien (zitiert nach Juris).

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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Von diesem Bereich rein außerrechtlicher Fachfragen, der auch sachverständige Bewertungen einschließt, ist der Bereich der Wertung zu unterscheiden, der eine über die Beurteilung von Fachfragen und damit über sachverständige Wertungen hinausgehende Bewertung entgegengesetzter Interessen einschließt und einer demokratisch legitimierten Entscheidung bedarf. 845 Dementsprechend können die Vorgaben, für deren Konkretisierung eine Einzelfallentscheidung erforderlich ist, nach ihrem Konkretisierungsstand und -bedarf sowie der dabei erforderlichen Wertungen wie folgt unterschieden werden: • • • •

Grenzwerte und Vorgabe bestimmter technischer Maßnahmen, sachverständig zu beurteilende Vorgaben, Vorgaben, die einer sachverständigen Wertung bedürfen, Vorgaben, die einer darüber hinausgehenden Wertung und Beurteilung bedürfen, und • prozedurale Anforderungen (Berichte einreichen, Konzepte erstellen u. ä.). Entsprechend der obigen Erwägungen besteht im Rahmen der ersten drei dieser Typen die Möglichkeit einer sachverständigen Kontrolle, zumal die grundsätzlichen Wertungen bereits in der anzuwendenden Norm enthalten sind. Insbesondere die sachverständige Wertung dient lediglich der Ausfüllung einer auf einer vorher liegenden Ebene getroffenen Wertung. Im Rahmen des Sachverständigenmodells stellt sich hier vor allem die Frage nach den Voraussetzungen einer derartigen Umsteuerung, so z. B. einer Aufsicht über die Sachverständigen. Dabei ist insbesondere zu klären, wie das eventuell bestehende Bedürfnis nach einer behördlichen Einzelfallentscheidung, die dafür erforderlich Prüfung der generellen Vorgaben (insbesondere für den Fall ihres weitgehend privaten Zustandekommens) sowie eine die Einzelfallentscheidung gewährleistende Zugriffsmöglichkeit der Behörde eingebaut werden können. Die vierte Kategorie zeichnet sich durch solche Entscheidungen aus, die einer Wertung bedürfen, die über eine rein sachverständige hinausgeht, wenn also im Einzelfall ein Ausgleich unterschiedlicher Interessen vorzunehmen ist, der keiner naturwissenschaftlichen Erkenntnis mehr zugänglich ist, sondern einer politischwertenden Entscheidung bedarf. Im Hinblick auf diese Entscheidungen kann noch weiter danach unterschieden werden, ob es sich um Entscheidungen gebundener Art ohne jeglichen Beurteilungsspielraum handelt oder aber, ob ein 844 So die Bezugnahme auf Lärmmedizin bei Fragen der Gesundheitsgefährdung; s. dazu BVerwG, Urteil vom 29. 4. 2003 – 9 B 59/02; so die Frage, ob ein Geräuschpegel auch die zumutbare Geräuscheinwirkung wiedergibt, BVerwG Urteil v. 29. 4. 2002 – 9 B 10/ 02, allerdings mit dem gleichzeitigen Hinweis, dass die Zumutbarkeitsgrenze selbst durch den Tatsachenrichter zu entscheiden sei; s. auch BVerwG Urteil v. 7. Juli 1978 – 4 C 9.76 (Urteile zitiert nach Juris). 845 Vgl. dazu BVerwGE 77, S. 285 (291).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

(Bewertungs)Spielraum der Behörde besteht, wie dies teilweise im Hinblick auf Risiko-Abschätzungsspielräume im Rahmen der Störfall-Verordnung unter Rückgriff auf § 13 und § 20 Abs. 1b der 9. BImSchV begründet wird. 846 Dieser dogmatisch durchaus kritisch zu sehenden Annahme 847 soll nicht weiter nachgegangen werden, da sie die Möglichkeiten der Privatisierung nur einschränkt, aber keine Spielraum dafür eröffnen würde. Der Begriff „Stand der Technik“ muss wohl zu dieser letzten Kategorie gezählt werden, obwohl er in weiten Teilen auf sachverständigen Beurteilungen und Wertungen aufbaut. Auch wenn es sich um einen Begriff ohne Beurteilungsspielraum handelt, ist er offen für weitergehende Wertungen, insbesondere im Rahmen der Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen dem Stand der Technik nur solche Maßnahmen, die in einer vernünftigen Relation von Aufwand und Nutzen stehen; mit anderen Worten: sie dürfen nicht unzumutbar sein. 848 Es muss damit die Möglichkeit bestehen, die Maßnahme unter in dem betreffenden Sektor wirtschaftlich vertretbaren Verhältnissen anwenden zu können. 849 Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn dieser Aspekt aus der Betrachtung ausgeschlossen würde. 850 Somit sind zwar Wertungen erforderlich, die über eine rein sachverständige hinausgehen, gleichzeitig können aber die wesentlichen Elemente des Begriffs durch Sachverständige ermittelt werden. 851 Somit gibt auch dieser Ansatz keine eindeutige Antwort darauf, ob im Hinblick auf Begriffe dieser vierten Kategorie Möglichkeiten der Privatisierung bestehen, insbesondere auch durch eine private Kontrolle, nachdem dieser Begriff konkretisiert worden ist. Es wird nicht erfasst, inwiefern innerhalb dieser Kontrolle selbst noch Wertungen erforderlich sind. c) Materieller Ansatz II – „Blockbildung“ In ähnlicher Weise kann überlegt werden, ob sich bestimmte materielle Teilbereiche der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dafür eignen, dass sie als 846

S. dazu Ohms, UPR 2001, 87 (89). Obwohl sicherlich die Annahme eines faktischen Beurteilungsspielraums durchaus als möglich erscheint. 848 Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, § 3 BImSchG Rn. 32. 849 S. auch Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 106. 850 So wohl Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, § 3 BImSchG Rn. 32, wobei dies auch nach dieser Ansicht im Einzelfall durchaus eine Rolle spielen kann, und zwar bei der Verhältnismäßigkeit, die der Anwendung des konkretisierten Begriffes zugrunde liegt. 851 So wird über den genauen Inhalt des Standes der Technik regelmäßig gerade mit Hilfe von Sachverständigengutachten gestritten. Zudem spielen auch herstellereigene Angaben eine maßgebliche Rolle. 847

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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„Block“ der Kontrolle durch private Sachverständige überlassen werden. Gedankliches Vorbild könnte hier das Baugenehmigungsverfahren und die Unterscheidung von Bauplanungs- und Bauordnungsrecht sein. Eine Liste von Teilprüfungen, die grundsätzlich für eine Übertragung auf Sachverständige bei Ersetzung der behördlichen Prüfungen in Frage kommen, hat Schmidt-Kötters vorgelegt. 852 Dazu zählt er die Einhaltung der Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 BImSchG (z. B. Entwicklung von Konzepten und Überwachung von Anlagen und Maßnahmen zur Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung), die Überprüfung von Emissionserklärungen, die Beteiligung an Abnahmeprüfungen von genehmigungsbedürftigen Anlagen und an der Prüfung von anzeigepflichtigen Anlagen, die Überprüfung von Sicherheitsanalysen, die Erstellung von Immissionsprognosen, die Ausbreitungsuntersuchungen und die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen. Eine Übertragung der Kontrolle ließe sich auch für den Bereich der Vorsorge nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG thematisieren. 853 Dafür spricht eine gewisse Ferne zum Interessenausgleich, die sich auch an der Ablehnung einer drittschützenden Wirkung in einem Großteil der Fälle zeigt. Diese Argumentation rechtfertigt sich daraus, dass das Fehlen der drittschützenden Wirkung ein Anzeichen dafür ist, dass die zu treffende Entscheidung keinen Interessenausgleich zwischen verschiedenen Bürgern unter Zuhilfenahme von Wertungen (belastender Art) beinhaltet. 854 Dafür spricht auch das Vorliegen einer umfangreichen untergesetzlichen Konkretisierung, zumal diese sogar häufig Voraussetzung einer Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips ist. Darüber hinaus ist eine Feststellung des Standes der Technik als Hauptelement der Vorsorge detailliert vorstrukturiert und damit standardisiert. Ein weiteres Argument kann dem Emissionshandelssystem entnommen werden, das die CO 2-Emissionen (als Gegenstand der Vorsorge) in weitem Umfang auf einer privaten Kontrolle unterstellt hat. Darüber hinaus handelt es sich in vielen Fällen um rein sachverständig zu beurteilende Fragen, so dass insgesamt viele Argumente dafür sprechen, dass die Kontrolle der dem Vorsorgeprinzip zuzurechnenden Vorgaben Privaten übertragen werden kann. Bedenken können allerdings im Hinblick auf die Vorsorge gegen krebserzeugende Substanzen, die auch drittschützende Wirkung aufweist, sowie diejenige gegen neue Gefahren bestehen, zumal diese erste Gefahreneinschätzungen verlangt, in die auch eine staatliche Instanz eingeschaltet sein sollte (s. nur die Nano-PartikelProblematik). Jedenfalls muss ein Sachverständigenmodell sicherstellen, dass die sachverständige Tätigkeit im Rahmen eines Gewährleistungsverwaltungsrechts 852 In: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 31 (85). 853 Die nachfolgenden Überlegungen sind nicht ohne weiteres auf die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG übertragbar. 854 Dies ist auch vor dem Hintergrund der Grundrechte und des Demokratieprinzips von Bedeutung.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

sowohl aufsichtsrechtlich als auch durch eine Zugriffsmöglichkeit im Einzelfall qualitativ abgesichert ist. Als Beispiel für die Möglichkeit einer Einbeziehung von Nachweisen kann auch der Vollzug der Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG herangezogen werden. Der Anlagenbetreiber muss Nachweise dafür erbringen, dass bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung die Erfüllung dieser Pflicht sichergestellt ist. 855 Dabei reicht nicht, dass er eine Absichtserklärung für eine bestimmte Art der Vermeidung, Verwertung oder Beseitigung abgibt, auch wenn sie mit dem materiellen Recht übereinstimmt und sie durchführbar ist, denn es sind Absicherungen in Form von rechtlichen und tatsächlichen Bindungen erforderlich, wobei auch vertragliche Bindungen in Betracht kommen. 856 Die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht muss nämlich sichergestellt sein. 857 Diese Betrachtung zeigt Verschiedenes auf, und zwar zum einen, dass für den Nachweis der Erfüllbarkeit einer Pflicht privat beigebrachte Bescheinigungen ausreichen können, und zum anderen, dass auch im Rahmen dieses Vollzugs über vertragliche Bindungen eine Verbindlichkeit hergestellt werden kann. Gleichzeitig wird allerdings nicht beantwortet, wie im Einzelfall die Entscheidung zwischen der Vermeidung, der Verwertung und der Beseitigung ablaufen soll, insbesondere, ob dies durch Sachverständige geschehen kann, da dafür in gewissem Umfang Wertungen erforderlich sind. d) Zusammenschau der beiden Ansätze Im Folgenden gilt es, den eher formellen Ansatz des Vollzugsmodells und die beiden Varianten des materiellen Ansatzes auf die Möglichkeit ihrer Kombination, insbesondere im Hinblick auf Schnittmengen, zu untersuchen oder sich ergänzende Mengen zu identifizieren, um auf dieser Grundlage möglicherweise ein kohärentes Gesamtbild über Möglichkeiten, Spielräume und Bereiche der Privatisierung zu erhalten. Eine Kombination der verschiedenen Ansätze ist ohne Weiteres möglich. Während aufgrund des ersten Ansatzes und der Orientierung an den Rechtsformen der Normen eine Aussage darüber möglich ist, welche generelle Konkretisierung letztendlich als Grundlage einer Privatisierung der Kontrolle geeignet ist, ist der zweite Ansatz (materieller Ansatz I) und die dabei entwickelte Typologie hilf855

Hansmann, NVwZ 1990, 409 (413). Hansmann, NVwZ 1990, 409 (413), der allerdings eine Absicherung gegen die Kündigung durch eine Auflage verlangt. 857 Hansmann, NVwZ 1990, 409 (413 f.). Allerdings gilt, dass die Erfüllbarkeit einer erst in der Zukunft zu erfüllende Pflicht auch erst in der Zukunft nachgewiesen werden muss, wobei dies auch durch eine Auflage sichergestellt werden kann, vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 8. 9. 1980 – 7 OVG A 42/78, GewArch 1981, 341 (342). 856

§12 Die Genehmigungsvoraussetzungen

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reich bei der Aussage darüber, wie mit den Spielräumen und Einzelfallentscheidungen umzugehen ist, die nach bzw. bei der Anwendung des ersten Ansatzes übrig bleiben. Ergänzend dazu kann anhand des materiellen Ansatzes II auf der Grundlage der Anwendung der beiden anderen Ansätze eine Entscheidung über die Privatisierung der Kontrolle nach Sachgebieten getroffen werden. Ein zu entwickelndes Sachverständigenmodell wird den aufgezeigten Fragen Rechnung tragen müssen. Angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen Konstellationen kann jedoch bereits an dieser Stelle angemerkt werden, dass wohl nur ein flexibles Modell den Anforderungen gerecht werden kann, zumal private und öffentliche „Kontrollblöcke“ ähnlich dem Bauplanungs- und dem Bauordnungsrecht nur in eingeschränktem Umfang ausgemacht werden können. Jedenfalls erscheint es als denkbares Konzept, auf einer ersten Ebene die Sachverständigen möglichst weitgehend mit der Kontrolle zu beauftragen, und dann die Einzelfallaspekte durch isolierte Verfahren, und zwar entweder durch vom Sachverständigen initiierte Abweichungs- oder von der Behörde initiierte Kontrollverfahren, abzuarbeiten, wobei Letzteres einen Wechsel der Verfahrensrollen bedeuten würde. Die sachverständige Kontrolle kann dabei ausschließlich oder optional ausgestaltet werden. Daneben sind eine Stufung des Sachverstands und die Übertragung bestimmter Aufgaben nur auf eine Gruppe besonders qualifizierter Sachverständiger denkbar. Die Verwirklichung derartiger Ausgestaltungsmöglichkeiten wird im nächsten Paragraphen behandelt. e) Der Vollzug der Anforderungen Bevor die Überlegungen im Hinblick auf ein Sachverständigenmodell konkretisiert werden können, ist noch ein Blick auf die Vollzugsgegebenheiten und den derzeitigen Vollzug zu werfen. Die Gestaltung des Sachverständigenmodells hängt nicht zuletzt davon ab, wie sich die Vollzugsgegebenheiten mit den Privatisierungsspielräumen vertragen und wie im Zweifelsfall eine Verträglichkeit hergestellt werden kann. An dieser Stelle ist von Bedeutung, dass die Verwaltung nicht nur die Funktion einer Kontrolle der Vorgaben erfüllt, sondern auch eine Transformationsfunktion, die darin besteht, bislang nicht verbindliche Vorgaben in auch im Einzelfall verbindliche Vorgaben zu verwandeln. Diese entfällt im Rahmen einer Privatisierung. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die Grundpflichten selbst in der Regel nicht selbstvollziehend, sondern von einer verbindlichen Konkretisierung abhängig sind. Eine solche stellen streng genommen weder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften noch technische Regelwerke dar, und erst recht nicht ein sachverständiger Nachweis bzw. eine sachverständige Bescheinigung. Hinzu kommt, dass auch untergesetzliche Normen, 858 beispielsweise §§ 5a und 6 der 17. BImSchV, die Festsetzung von Anforderungen in der Genehmigung verlan-

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

gen und diese andernfalls nicht durchsetzbar sind. In gleicher Weise sieht die TA Luft vereinzelt vor, dass die Genehmigungsfähigkeit durch Auflagen, die die Durchführung z. B. von Sanierungsmaßnahmen sicherstellen, hergestellt werden kann. Dementsprechend muss ein Sachverständigenmodell nicht nur die Frage beantworten, welche Vorgaben durch Sachverständige kontrolliert werden können, sondern es muss ebenfalls sicherstellen, dass die Werte bzw. Anforderungen später auch durchsetzbar sind.

§ 13 Grundstrukturen eines Sachverständigenmodells für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren Entsprechend der obigen Analyse bestehen Spielräume für eine Privatisierung der Kontrolle im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, wobei diese unterschiedlich typisiert werden können. Im Wesentlichen können drei Ansätze zur Feststellung des privatisierungsfähigen Bereiches unterschieden werden. Dies kann anhand der Art der Vorgabe (formeller Ansatz anhand der Rechtsform der Konkretisierung), der inhaltlichen Charakterisierung der erforderlichen Konkretisierung (materieller Ansatz I) sowie der Übertragung einer bestimmten Materie zur privaten Kontrolle (materieller Ansatz II) geschehen. Dabei hängt die Grenzziehung zwischen privatisierungs- und nicht-privatisierungsfähigem Bereich wesentlich davon ab, in welchem Umfang ein Entscheidungs- bzw. Wertungsspielraum im Einzelfall besteht. Gerade im Hinblick auf den dritten Ansatz kann der Gesetzgeber eine Materie so präzisieren, dass im Einzelfall keine Wertungen mehr erforderlich sind, was die Privatisierung erheblich erleichtern würde, da dann komplette Ausschnitte aus dem Prüfungsprogramm der sachverständigen Kontrolle überantwortet werden könnten. Allerdings soll im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine exakte Grenze der Privatisierung ermittelt werden. Dies dürfte zudem nur schwer möglich sein, denn der Umfang einer Privatisierung und der Anwendungsbereich eines Sachverständigenmodells hängen erheblich von einer wertenden, politisch legitimierten Entscheidung des Gesetzgebers ab. Es können nur auf der einen Seite die grundlegenden objektiven rechtlichen und tatsächlichen Kriterien, die für die Entscheidung maßgeblich sind, und auf der anderen Seite die Möglichkeiten der verfahrensrechtlichen Umsetzung aufgezeigt werden. Eine maßgebliche Entscheidung in diesem Zusammenhang ist darüber erforderlich, bis zu welcher Grenze auch wertende Entscheidungen durch Sachver858

Selbst die Rechtsverordnungen, die wegen ihrer unmittelbaren Verbindlichkeit ansonsten am wenigsten Probleme aufwerfen.

§13 Grundstrukturen eines Sachverständigenmodells

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ständige getroffen werden können und welche kompensatorischen Maßnahmen die Legitimation dieser Entscheidungen erhöhen können. Es kommen mehrere Aspekte in Betracht, die eine weitgehende Übertragung auf private Entscheidungsträger rechtfertigen könnten. Eine Möglichkeit ist eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, wie dies schon von der Beleihung bekannt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, diesen Grundgedanken nicht auch hier anzuwenden. Als weitere Möglichkeit kommt die Herstellung von Pluralität im Rahmen der sachverständigen Entscheidung in Betracht, wie dies im Rahmen von entsprechend besetzten Sachverständigengremien geschehen kann, wobei auch kritischer Sachverstand einbezogen werden müsste. Darüber hinaus kann auch der Gedanke einer Legitimation durch Aufsicht fruchtbar gemacht werden. Dieser könnte als Ausgleich einer direkten Legitimation der Entscheidung dienen und damit einen Ansatzpunkt darstellen, eine Umsteuerung im Bereich des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens zu legitimieren. Aufbauend auf diesem Ansatzpunkt, können aufsichtsrechtliche Elemente sowohl Kompensation als auch Legitimation einer geringeren direkten staatlichen Entscheidungsbeherrschung darstellen. Im weiteren Verlauf soll sich vor allem auf die verfahrensrechtliche Umsetzung einer derartigen Privatisierung konzentriert werden. Diese verfahrensrechtlichen Elemente müssen insbesondere sicherstellen, dass dann, wenn Wertungen erforderlich werden (und solche werden auch schon heute von Sachverständigen getroffen), insbesondere in sensiblen Bereichen, weiterhin die Möglichkeit einer staatlichen Einflussnahme, d. h. vor allem eines behördlichen Eingreifens, besteht. Neben den bereits genannten Elementen einer Aufsicht kann die Wahrung eines staatlichen Einflusses durch ein Eingriffsrecht sichergestellt werden, das wiederum selbst an verfahrensrechtliche Voraussetzungen geknüpft werden kann. Nachfolgend sollen daher insbesondere solche verfahrensrechtlichen Möglichkeiten aufgezeigt werden, die auch bei einer weitgehenden Rolle von Sachverständigen den Anforderungen gerecht werden können.

1. Die Verfahrensinstrumente Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob ein bestimmtes, abgrenzbares Arsenal verfahrensrechtlicher Instrumente als Grundlage des Sachverständigenmodells identifiziert werden kann. a) Das Grundelement: Die sachverständige Bescheinigung Der Grundgedanke des oben herausgearbeiteten Sachverständigenmodells besteht darin, dass bestimmte Anforderungen nur noch sachverständig überprüft

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

werden sollen und bei Erteilung einer sachverständigen Bescheinigung diese Punkte nicht mehr durch die Genehmigungsbehörde im Rahmen eines Verfahrens auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung überprüft werden. Somit ermöglicht die Vorlage von sachverständigen Nachweisen über die Prüfung den Wegfall der staatlichen Prüfung. Diese sachverständigen Nachweise bzw. Bescheinigungen sind das essentielle Element des Sachverständigenmodells. Gleichzeitig muss dieses eine Antwort darauf bereithalten, welche Sachverständigen welche sachverständigen Bescheinigungen mit der Wirkung eines Wegfalls der staatlichen Prüfung erstellen dürfen. b) Ergänzendes Instrumentarium Allerdings kann ein Sachverständigenmodell nicht allein auf diesem Grundelement aufbauen. Dies mag zwar in einem gewissen Umfang für das Baugenehmigungsverfahren möglich sein, erscheint aber als unzureichend für das wesentlich komplexere Immissionsschutzrecht. Es sind daher weitere verfahrensrechtliche Elemente für den Fall bereitzuhalten, in dem das Grundelement allein nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt. Dabei bietet sich eine Unterscheidung von unverbundenen und verbundenen Fragen an, also solchen Fragen, in denen das Grundelement allein als ausreichend angesehen wird, und solchen, in denen eine Interaktion von Behörden und Privaten für möglicherweise erforderlich gehalten wird. Im Hinblick auf das oben entwickelte Sachverständigenmodell und die oben skizzierten Anforderungen liegt die Anwendung von drei ergänzenden Instrumenten nahe. Diese sind: • Verfahren für isolierte Fragen, • Gegengutachten und deren Bedeutung sowie • Begutachtung bzw. Ermittlung einer Vorgabe durch sachverständige Gremien. Mit diesen Verfahrenselementen kann bei entsprechender Ausgestaltung den unterschiedlichen Konstellationen Rechnung getragen werden, die im Rahmen eines derartigen Sachverständigenmodells auftauchen. Diese grundsätzlich zu unterscheidenden Verfahrensinstrumente sind zur Entwicklung eines Sachverständigenmodells sinnvollerweise zu kombinieren, um damit eine sachangemessene verfahrensrechtliche Gestaltung eines privatisierten Vollzugs mit staatlicher Gewährleistungsverantwortung zu finden. aa) Verfahren für isolierte Fragen Verfahren für isolierte Fragen können für unterschiedliche Konstellationen vorgesehen werden, wobei nach demjenigen, der das Verfahren einleitet, seiner

§13 Grundstrukturen eines Sachverständigenmodells

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Perspektive und der Zielrichtung des Verfahrens unterschieden werden kann. Vorliegend sollen Abweichungs- und Kontrollverfahren unterschieden werden. (1) Abweichungsverfahren Der Terminus des Abweichungsverfahrens steht für Verfahren, die der Antragsteller einleitet. Ein derartiges Verfahren wird dann erforderlich, wenn der Sachverständige, der die Einhaltung einzelner Anforderungen zu überprüfen hat, von einigen dieser Anforderungen abweichen will. Daneben kommt die Konstellation in Betracht, dass er angesichts wissenschaftlicher Diskussionen sicherstellen will, dass seine Ansicht auch in den Augen der Behörde noch als den Anforderungen genügend (dem Stand der Technik entsprechend) angesehen werden kann. Es trägt somit den Situationen Rechnung, in denen sich den rechtlichen Vorgaben keine ausreichend detaillierten Vorgaben für eine sachverständige Prüfung entnehmen lassen bzw. in denen ein Einzelfallbezug hergestellt werden soll. Es soll dem Antragsteller die Möglichkeit geben, eine eigene, nicht von den Vorgaben gedeckte Lösung zu verwirklichen. (2) Kontrollverfahren Der Terminus des Kontrollverfahrens steht demgegenüber für Verfahren, die die Behörde einleitet. Diese werden dann erforderlich, wenn die sachverständige Begutachtung (oder aber der im untergesetzlichen Regelwerk enthaltene Wert) nach Ansicht der Behörde nicht mehr den aktuellen Anforderungen bzw. dem gegenwärtigen Stand der Technik entspricht. Durch die Einleitung eines derartigen Verfahrens kann sie zum Ausdruck bringen, dass sie davon ausgeht, dass die sachverständige Bescheinigung nicht ausreicht, die Zulässigkeit des Vorhabens zu begründen, weil andere, in der Regel strengere Anforderungen an das Vorhaben zu stellen sind. Sie kann durch derartige Verfahren ihre Vorstellungen im Einzelfall auf der präventiven Ebene auch dann zur Geltung bringen, wenn die Kontrolle dieser Vorgaben grundsätzlich Sachverständigen obliegt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine von ihr angenommene Fortentwicklung des Standes der Technik. Daneben kommt als Grund für die Einleitung auch in Betracht, dass die Behörde die Qualität der sachverständigen Tätigkeit im Einzelfall nicht als ausreichend ansieht. Demnach kann ein Grund für die Einleitung sowohl auf der Ebene der Konkretisierung als auch der nachfolgenden Kontrolle zu finden sein. Die Einleitung des Kontrollverfahrens selbst kann entweder voraussetzungslos möglich sein oder aber an bestimmte Vorgaben gebunden werden. In letzterem Fall ist zu regeln, woran die Einleitung eines Verfahrens geknüpft werden soll bzw. wie es ablaufen soll. So ist denkbar, schon die Einleitung eines Verfahrens an das Vorlegen eines Gegengutachtens oder zumindest eine fundierte Ausein-

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

andersetzung mit den fachlichen Aussagen der sachverständigen Bescheinigung zu knüpfen, die die Übereinstimmung des Vorhabens mit den entsprechenden Anforderungen bestätigt. Darüber hinaus kann der Ablauf entweder rein staatlich oder privat ausgestaltet werden. Sollte der Gegenstand des Kontrollverfahrens die Konkretisierung einer Anforderung sein, könnte an dieser Stelle daran gedacht werden, die zu entscheidende Frage an ein pluralistisch besetztes, fachkundiges Gremium, unter Umständen auch besetzt mit Vertretern der Behörde als Vertretern des öffentlichen Interesses, zu geben, dessen Entscheidung dann zumindest für das weitere Verwaltungsverfahren eine gewisse Autorität genießen sollte. So könnte es an das in diesem Gremium gefunden Ergebnis gebunden werden. Wie bereits erwähnt, kommt auch die Ebene der Kontrolle der konkretisierten Vorgaben als Gegenstand des Kontrollverfahrens in Betracht, etwa wenn aus der Sicht der Behörde der beteiligte Sachverständige seine Aufgabe nicht mit der erforderlichen Sorgfalt bzw. der erforderlichen Sachkunde oder aber Neutralität erfüllt, kurz gesagt, er den an einen Sachverständigen zu stellenden Anforderungen aus Sicht der Behörde nicht gerecht wird. Auch in diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Einleitung des Verfahrens an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft werden soll. Angesichts des mit der Schlechterfüllung durch Sachverständige gebundenen Gefahrenpotentials erscheint es nicht möglich, mehr zu verlangen, als dass die Behörde dem rechtsstaatlichen Erfordernis einer ausreichenden Begründung gerecht wird. Zudem könnte das Kontrollverfahren zwingend mit dem Betreiben eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens gegen den Sachverständigen verbunden werden. Der Effekt dieses Erfordernisses kann eine disziplinierende Wirkung auf die Behörde haben, da sie in diesen Fällen einer Pflicht zur ausreichenden Begründung unterliegt, was insbesondere im Hinblick auf das den Sachverständigen schützende Grundrecht der Berufsfreiheit relevant sein kann. Jedenfalls dürfte die Einleitung des Verfahrens regelmäßig im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde liegen, im Fall einer Ermessensreduktion auf Null kann daher auch eine Verpflichtung zur Einleitung eines Kontrollverfahrens bestehen. (3) Zusammenfassung zu den isolierten Verfahren Sollten diese Verfahren vorgesehen werden, kann man von einander dialektisch zugeordneten Verfahrenspositionen von Behörde und Antragsteller sprechen, die je nach Sachlage isolierte Verfahren einleiten müssen, um den verschiedenen Konstellationen Rechnung zu tragen. Letztlich dürfte immer dann, wenn sich die Notwendigkeit einer Einzelfallentscheidung aktualisiert, ein isoliertes Verfahren eingeleitet werden, was je nach Ausgestaltung als Abweichungsoder als Kontrollverfahren geschehen kann. Dabei ist denkbar, dass ein solches

§13 Grundstrukturen eines Sachverständigenmodells

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nicht nur von dem Antragsteller und der Behörde, sondern auch von Drittbetroffenen eingeleitet werden kann. Dadurch könnten diese erreichen, dass eine Einzelfallentscheidung hinsichtlich der Konkretisierung durch eine staatliche Stelle erfolgt. Sinnvoll kann dann sein, auch die Kontrolle der Einhaltung dieser Konkretisierung einer staatlichen Stelle anzuvertrauen. Eine derartige Kombination ermöglicht eine Flexibilität bei der Anwendung des Sachverständigenmodells, die vor dem Hintergrund der zahlreichen unterschiedlichen Vorgaben im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens erforderlich ist. bb) Die mögliche Rolle von Gegengutachten Gegengutachten können insbesondere für die Wahrnehmung der staatlichen Gewährleistungsverantwortung eine Rolle spielen. Die Einholung von Gegengutachten kann verfahrensrechtlich für den Fall vorgesehen werden, dass die Behörde eine abweichende Meinung durchsetzen will. Sollte sich auch danach die ursprüngliche Ansicht des Sachverständigen durchsetzen, wird für eine erhöhte fachliche Autorität gesorgt. Zudem kann die Behörde eventuelle Wertungsgesichtspunkte auf einem breiteren Fundament entscheiden. Darüber hinaus entspricht es dem Grundgedanken der privaten Kontrolle, auch die Behörde entsprechend verfahrensrechtlich zu binden. cc) Die Entscheidung im Einzelfall durch ein sachverständiges Gremium Aus der obigen Untersuchung geht hervor, dass im Rahmen der Konkretisierung zahlreicher Anforderungen in unterschiedlichem Umfang Wertungen erforderlich sind. Ein Modell, auch derartige Entscheidungen Sachverständigen anzuvertrauen und ihren Entscheidungen eine erhöhte Legitimation zu verleihen, ist der Einsatz pluralistisch besetzter sachverständiger Gremien, die insbesondere den sogenanntem kritischen Sachverstand einbeziehen. Da eine Entscheidung durch ein solches Gremium eine erhöhte Legitimation und damit auch eine größere Autorität genießt, kann damit im Einzelfall eine Übertragung weitergehender Entscheidungen in den privaten Sektor gerechtfertigt werden. Eine Möglichkeit für den Einsatz eines derartigen Gremiums stellt die Konkretisierung und Kontrolle des Begriffs des „Standes der Technik“ dar. Da die Konkretisierung dieses Begriffs von erheblicher Bedeutung ist, erscheint eine Übertragung auf ein derartiges Gremium sachgerecht. Dieser Begriff bedarf primär sachverständiger Beurteilung, aber auch darüber hinausgehender Wertungen, wobei diese jedoch nur von eingeschränkter Bedeutung sind.

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

c) Gewährleistungsverwaltungsrecht Kein unmittelbares verfahrensrechtliches Element, aber ein unverzichtbarer begleitender Bestandteil ist ein Gewährleistungsverwaltungsrecht, das geschaffen werden muss und die Fragen der Regulierung der Sachverständigen, der Aufsicht sowie der fortbestehenden Befugnisse der Behörde zu regeln hat. Dies wird näher in Kapitel 5 erläutert.

2. Aspekte der Ausgestaltung des Sachverständigenmodells Vor dem Hintergrund der obigen Erwägungen kommen unterschiedliche Ausgestaltungen eines Sachverständigenmodells in Betracht, die sich vor allem im Hinblick auf den Umfang der den Sachverständigen übertragenen Aufgaben unterscheiden. Eine mögliche Ausgestaltung wäre, den Sachverständigen lediglich die Überprüfung von Werten aus Rechtsverordnungen zu übertragen. Unterschiedliche Möglichkeiten bestehen dann im Hinblick auf den Umgang mit Öffnungs- und Dynamisierungsklauseln. Denkbar ist, diese Fragen automatisch an die Genehmigungsbehörde abzugeben. Alternativ kommt eine sachverständige Vor-Beurteilung in Betracht, wobei dann die Unterlagen mit einem Hinweis auf diese Einzelfallbetrachtung versehen werden müssten, so dass die Behörde dies sieht und eine im Einzelfall abweichende Wertung vornehmen kann. Als weitere Ausgestaltung kommt in Betracht, den Sachverständigen auch die Kontrolle von Grenzwerten und anderen Vorgaben zu übertragen, die sich in normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und in technischen Regelwerken befinden. Insbesondere die Übertragung der Kontrolle der Vorgaben aus normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften kann im Hinblick auf die bestehende faktische Bindungswirkung gerechtfertigt werden, denn letztlich besteht aufgrund der Eingriffsmöglichkeiten der Behörde kein sinnvoller Spielraum für den Betreiber, von diesen Vorgaben abzuweichen. Durch eine Übertragung der Kontrolle auch dieser Werte würde der Sachlage Rechnung getragen, dass diese häufig ähnlich wie die höherrangigen Normen angewendet werden, 859 sich also in der Anwendung nur gering von den in Rechtsverordnungen festgesetzten Werten unterscheiden. Daneben könnte entweder anstelle der oben vorgeschlagenen Varianten oder aber ergänzend versucht werden, einzelne Teilprüfungen oder Blöcke zu identifizieren, deren Kontrolle primär den Sachverständigen überlassen wird und bei denen den Einzelfällen durch Abweichungs- und Kontrollverfahren Rechnung getragen werden kann. 859

S. dazu bereits oben.

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Am weitesten gehen würde eine Ausgestaltung, die auf derartige Blöcke oder sonstige Einschränkungen verzichtet und eine wesentlich weitergehende Privatisierung dadurch vorsieht, dass auf einer ersten Ebene die Kontrolle aller auftretenden Fragestellungen primär privaten Sachverständigen überlassen würde, diese also für das gesamte Vorhaben die erste, umfassende Kontrolle übernehmen würden. Einzelfällen müsste dann ausschließlich über isolierte Verfahren, also den bereits oben erwähnten Abweichungs- und Kontrollverfahren, Rechnung getragen werden. Mit diesen können entweder die Sachverständigen Einzelfragen der Behörde vorlegen, oder kann diese ihre fortbestehende Gewährleistungsund Gemeinwohlverantwortung zur Geltung bringen. Dieses Modell erfordert allerdings auf der Ebene der Sachverständigen eine Bindung an das Gemeinwohl und eine strenge Aufsicht. In einem flexiblen Zwischenmodell wäre darüber hinaus denkbar, dass entweder im Rahmen einer Abstimmung vor Stellung des Antrags auf Genehmigung festgelegt wird, welche Fragen der sachverständigen Kontrolle und Beurteilung im konkreten Fall überlassen werden können, oder aber dass die behördliche Kontrolle flexibel bei Vorlage sachverständiger Bescheinigungen entfällt. Die Anwendbarkeit der isolierten Verfahren bezieht sich dann auf das Spektrum sachverständiger Kontrolle und Beurteilung. Dies würde eine erhebliche Flexibilität im Einzelfall verlangen, die der Rechtssicherheit nicht notwendigerweise zuträglich wäre. a) Die Ausgestaltung des Grundmodells Unabhängig davon, in welchem konkreten Ausmaß Prüfungen auf Sachverständige übertragen werden, gilt, dass in diesem Bereich, wie auch immer er festgelegt wird, grundsätzlich keine behördliche Entscheidung mehr erforderlich ist, um das präventive Verbot aufzuheben. Allerdings bedeutet dies jedoch nicht gleichzeitig, dass in diesem Bereich überhaupt keine verfahrensrechtliche Rolle der (Genehmigungs-)Behörde mehr besteht. Der Behörde müssen verfahrensrechtliche Modelle zur Verfügung stehen, um ihrer fortbestehenden Verantwortung für ein ordnungsgemäßes Verfahrensergebnis gerecht zu werden. Dabei muss das Grundmodell sicherstellen, dass die Behörde diese Instrumente auch wirksam einsetzen kann. Die Behörde kann insbesondere die Möglichkeit der Einleitung eines Kontrollverfahrens zur Qualitätssicherung nutzen, aber auch, um im Einzelfall strengere Maßstäbe durchzusetzen. Zur Sicherstellung der wirksamen und sachangemessen Tätigkeit der Behörde im Rahmen des Sachverständigenmodells ist es erforderlich, dass der Behörde ausreichende Informationen zur Verfügung stehen, um sachverständige Begutachtungen und Bescheinigungen einer eigenen Bewertung unterziehen zu können

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

(so die Behörde es denn will). Als weiteres Erfordernis ist verfahrensrechtlich sicherzustellen, dass der Vorhabenträger nicht schon vollendete Tatsachen schaffen kann, bevor die Behörde die Bescheinigungen überprüfen und sich eine entsprechende Meinung bilden konnte. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die verfahrensrechtliche Gewährleistung der behördlichen Kontrolle weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Vermutung dahingehend auslöst, dass die Behörde keine Einwände hat. Dabei erscheint das Anzeigeverfahren, kombiniert mit der Vorlage der relevanten Unterlagen, als geeignet, die ausreichende Information der Behörde sicherzustellen. Indem die ordnungsgemäße Einleitung eines Anzeigeverfahrens an die Vorlage entsprechender Unterlagen bzw. Informationen geknüpft wird, hebt sich die Schranke für die private Tätigkeit erst, wenn diese Informationspflicht ausreichend erfüllt ist. Daher kann die Verpflichtung zur Anzeige dadurch ergänzt werden, dass die Behörde innerhalb einer bestimmten Frist die Ordnungsgemäßheit der Anzeige überprüft und erst aufgrund einer positiven Antwort oder aber eines Fristablaufs die Anzeige als ordnungsgemäß angesehen werden kann. Im Hinblick auf die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgabe der Behörde erscheint demnach das Anmeldeverfahren als sachgerechter, da dieses eine Sperrfrist für die Ausführung des Vorhabens vorsieht. Diese Sperrfrist knüpft an die ordnungsgemäße Erfüllung der Vorlage- und Informationspflicht an und hat zum Gegenstand, dass mit der Ausübung des Vorhabens nicht vor Ablauf der Frist begonnen werden kann. Sie dient als Prüfungsfrist für die Behörde, die ihre Entscheidung über eine Untersagung aber auch dadurch sichern kann, dass sie ein Kontrollverfahren einleitet. Diese Einleitung kann unterschiedlich geregelt werden. Denkbar ist, dass sie in dieser Frist ohne Begründung möglich ist, aber nach Fristablauf erschwert oder sogar ganz abgeschnitten wird, so dass die Behörde gezwungen wird, ihre Vorstellungen auf präventiver Ebene in dieser Frist durchzusetzen. Eine derartige Bindung der Behörde an die Frist erscheint auch im Sinne einer Beschleunigung des Verfahrens als geeignet, zumal dadurch disziplinierend auf die Behörde eingewirkt werden kann. Allerdings darf diese Frist nicht dazu führen, dass aufgrund mangelnder Kapazitäten der Behörde zur Prüfung und zur Durchführung von Kontrollverfahren Vorhaben verwirklicht werden, die den Vorgaben nicht entsprechen. Daher muss ein verfahrensrechtliches Instrument gewährleisten, dass die Behörde auch in diesen Fällen die faktische Möglichkeit zu einer Tätigkeit besitzt, sei es durch eine Prüfung und Beurteilung der sachverständigen Nachweise bzw. der sachverständig begutachteten Werte, sei es durch die Einleitung eines Kontrollverfahrens, die Anforderung eines Gegengutachtens oder aber (je nach Ausgestaltung des Sachverständigenmodells) durch unmittelbare Anordnung anderer Werte. Eine Möglichkeit, diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist die Verlängerung der Prüffrist, z. B. auf begründeten Antrag der Behörde. Dies erscheint allerdings nur im Fall eines komplexen Vorhabens, nicht bei dem allgemeinen Vorliegen

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von Kapazitätsproblemen als sachgerecht, da dann die Behörde eine Schlechtorganisation auf den Antragsteller abwälzen könnte. Insofern der Behörde die Möglichkeit der Tätigkeit auch nach Fristablauf offen stehen soll, kann die Einleitung eines Kontrollverfahrens nach Fristablauf an eine anspruchsvollere Begründung geknüpft werden. Dafür sprechen auch Aspekte der Rechtssicherheit des Antragstellers. Dabei wäre als weiterer Aspekt der Regelung einer Frist zu klären, ob ihr Ablauf über die Wirkung der Aufhebung der präventiven Schranke hinaus auch eine Vermutungswirkung zugunsten des Antragstellers und der Einhaltung der Vorgaben entfalten soll. Allerdings ist eine derartige Wirkung, die über erhöhte Begründungspflichten zu Lasten der Behörde bei Fristablauf hinausgeht, abzulehnen, da ansonsten eine zu weitgehende Aufgabe der Gemeinwohlverantwortung droht. Dem Antragsteller darf durch eine solche Vermutungswirkung nicht eine Rechtsstellung eingeräumt werden, die er bereits heute aufgrund der dynamischen Grundpflichten nicht hat. Auch die §§ 48, 49 VwVfG können nicht als Referenz dienen, denn diese beziehen sich schließlich darauf, dass bereits ein Hoheitsakt ergangen ist und der Adressat darauf vertraut. Dem Vorhabenträger kann keine Rechtsstellung verliehen werden, die der Rechtsstellung des Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsakts nahe kommt. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung zeigt sich hier jedoch ein Kernbereich der Einführung eines Sachverständigenmodells. Bei Vorliegen rechtsverbindlicher genereller Vorgaben kann ein dem Anzeige- oder Anmeldeverfahren ähnliches Verfahren vorgesehen werden, in dem die Prüfung der Einhaltung dieser Vorgaben durch Sachverständige vorgesehen ist. In der Kombination mit einer fortbestehenden Prüfung- und Entscheidungsgewalt der Behörde im Hinblick auf materielle Bestandteile des Verfahrens würde es sich dann um ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren handeln. Im Hinblick auf die Sachverständigen kann eine differenzierte Zuordnung der einzelnen Prüfungsgegenstände zu einem gestuften Modell des privaten Sachverstands durchgeführt werden; darüber hinaus besteht die Möglichkeit, auch auf privater Ebene ein Vier-Augen-Prinzip einzuführen. b) Die Rolle von Abweichungs- und Kontrollverfahren In sämtlichen Ausgestaltungsvarianten besteht die Notwendigkeit, isolierte Verfahren in den Grundformen, d. h. als Abweichungs- und Kontrollverfahren, vorzusehen. Diese können unterschiedlich ausgestaltet werden und verschiedene Funktionen übernehmen. Diese Funktionen und die möglichen Ausgestaltungsvarianten sollen kurz skizziert werden. Abhängig von der jeweiligen materiellen Verteilung der Kontrollaufgaben bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, diese Verfahren sowie insbesonde-

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re ihre Einleitung und Rolle näher auszugestalten. Dabei kann sich immer an zwei Modellen orientiert werden, die die beiden Enden der möglichen Skala des Umfangs der Privatisierung einnehmen. Auf der einen Seite steht das Extremmodell, in dem die gesamte präventive Kontrolle in die Hände Privater gelegt und die staatliche Rolle auf diejenige im Rahmen derartiger isolierter Verfahren beschränkt wird. Auf der anderen Seite steht das Modell des vereinfachten Genehmigungsverfahrens, in dem die Kontrolle der Behörde in gewissem Umfang, insbesondere bei rechtsverbindlichen Vorgaben aus Rechtsverordnungen, eingeschränkt wird und im Hinblick auf die privat kontrollierten Bereiche das Modell aus präventiver privater Kontrolle und Einbindung der Behörde über isolierte Verfahren verwirklicht wird. Die weitere Untersuchung konzentriert sich auf den Bereich, der durch eine präventive Kontrolle durch Private und eine sekundäre präventive Kontrolle durch die Genehmigungsbehörde im Rahmen isolierter Verfahren gekennzeichnet ist. aa) Grundüberlegungen In dem gezogenen Rahmen bietet sich eine Zweiteilung der Verantwortungsbereiche an. Während die Kontrolle weitgehend detaillierter technischer Vorgaben, so insbesondere die Grenzwerte oder die konkrete Vorgabe bestimmter technischer Einrichtungen, dergestalt der Kontrolle der Sachverständigen überantwortet werden kann, dass sie nur noch für den Fall von Abweichungen isolierte Verfahren einleiten müssen, ist bei weniger spezifizierten Vorgaben eine Ausgestaltung erforderlich, die einen differenzierten Umgang mit den Verfahrenselementen und eine sachgerechte Aufteilung der Verfahrenslast vorsieht. Insbesondere ist hier an Hinweispflichten der Sachverständigen zu denken, die dann Anlass dazu sein können, dass die zuständige Behörde ein Kontrollverfahren einleitet. Dies kann selbst wiederum unterschiedlich ausgestaltet sein. Zum einen kommt hier ein klassisches, im Verantwortungsbereich der Behörde befindliches und von dieser durchgeführtes Verfahren in Betracht. Zum anderen kann eine weitere Prozeduralisierung der Einbeziehung von Sachverstand erfolgen. So ist denkbar, dass als erster Schritt ein Gegengutachten einzufordern ist, dessen Beauftragung aus einem bestimmten Kreis von Sachverständigen auch dem Antragsteller selbst überantwortet werden kann. Bei entsprechenden, darin bestätigten Zweifeln ist eine Abgabe an sachverständige Gremien denkbar, die dann mit einer gewissen Bindungswirkung entscheiden. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben muss die Behörde aber immer ein Zugriffsrecht besitzen und weitergehende Anforderungen fordern können, wobei sie eine erhöhte Begründungslast trifft, wenn ihre Auffassung nicht ausreichend durch Sachverstand untermauert werden kann.

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bb) Die Notwendigkeit und Durchführung von Abweichungsverfahren Im Rahmen der Kontrolle der untergesetzlichen Vorgaben kann es, insbesondere bei Vorliegen eines atypischen Sachverhalts, bei gesicherten neuen Erkenntnissen oder einer neuen technischen Lösung, vorkommen, dass diese Vorgaben nicht direkt anwendbar, sondern Einzelfallentscheidungen erforderlich sind, in deren Rahmen Werte modifiziert oder neu gefunden werden müssen. Eine Einzelfallentscheidung kann auch aufgrund des integrierten Ansatzes der IVU-Richtlinie erforderlich werden, insbesondere beim Vorliegen neuer BVT-Merkblätter, die Neubewertungen erfordern, so wenn der Fall der Nr. 5.1.1 Abs. 4 TA Luft vorliegt und die Bundesregierung in ihrer Funktion als Normgeber 860 der neuen Entwicklung noch nicht Rechnung getragen hat. Insbesondere bei technischen Anforderungen kann sich die Frage stellen, ob andere Varianten den gesetzlichen Vorgaben genügen. Sobald in diesen Fällen die Notwendigkeit einer Abweichung festgestellt worden ist, muss diese selbst sowie ihr konkreter Inhalt positiv festgestellt werden. Eine Befugnis zur Abweichung kann den Sachverständigen aber nicht zugestanden werden. Für diesen Fall ist ein Abweichungsverfahren bereitzustellen, in dem die Abweichung sozusagen isoliert genehmigt werden kann. Die entstandene oder bestehende Lücke im untergesetzlichen Regelwerk wird damit geschlossen. Allerdings ist zu beachten, dass die Relevanz insofern eingeschränkt sein dürfte, als die bloße Unterschreitung vorgegebener Werte unproblematisch sein dürfte und daher kein Abweichungsverfahren erfordert. Ein Abweichungsverfahren ist jedenfalls grundsätzlich für all die Fälle vorzusehen, in denen im Bereich der sachverständigen Kontrollkompetenz Einzelfallentscheidungen erforderlich werden. In der Regel dürfte ein (schriftlicher) Antrag Voraussetzung sein, dem auch die erforderlichen Unterlagen und sachverständigen Beurteilungen als Grundlage der behördlichen Entscheidung beigelegt werden müssen. Sollte das Abweichungsverfahren aber dazu dienen, trotz bestehender Zweifel die Gültigkeit der Anforderung zu bestätigen, ist es erforderlich, sowohl die Argumente für als auch die gegen eine Abweichung vorzutragen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, die Behörde bei einer durch den Antragsteller beantragten Abweichung an eine Entscheidungsfrist zu binden. Gegenstand dieser Entscheidungsfrist ist dann, dass nach Ablauf die präventive Schranke vor der Ausführung des Vorhabens entfällt. Fraglich ist, ob in diesem Fall eine Vermutungswirkung zu Gunsten des Antragstellers gelten soll, was aber aus den gleichen Gründen wie oben abzulehnen ist.

860

Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (273).

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Die Entscheidung über die Abweichung kann entweder isoliert erfolgen oder aber mit einer Entscheidung im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens verbunden werden. cc) Die Notwendigkeit und Durchführung von Kontrollverfahren Das Kontrollverfahren hat die Funktion, die Konkretisierung und die Kontrolle der Vorgaben, die sich im Verantwortungsbereich von Privaten befinden, im Einzelfall auf entsprechende Anordnung der zuständigen Behörde einer nachträglichen Kontrolle der Kontrolle als Element der präventiven Kontrolle zu unterziehen. Die Ausgestaltung im Detail kann sich dabei aus verschiedenen Elementen zusammensetzen. Ein Antragsrecht könnte, insbesondere aus der Rechtsschutzperspektive, nicht nur der Behörde eingeräumt werden, sondern auch privaten Beteiligten, d. h. insbesondere Nachbarn und Drittbetroffenen, zustehen. Darüber hinaus wäre auch an ein Recht zur Einleitung eines derartigen Verfahrens durch interessierte Kreise zu denken, um bestimmte Vorgaben auch im Hinblick auf zukünftige Vorhaben klären zu lassen. Weiterhin ist zu klären, welche Anforderungen an die Einleitung eines Kontrollverfahrens zu stellen sind. Gerade im Hinblick auf die Behörde kann dabei die Einleitung an bestimmte, näher umschriebene Voraussetzungen, eine Begründungspflicht oder ein Gegengutachten gebunden werden. Gleichzeitig ist zu unterscheiden, ob die Einleitung im pflichtgemäßen Ermessen stehen oder aber bei bestimmten Fragen auch eine Verpflichtung der Behörde zur Durchführung eines Kontrollverfahrens bestehen soll (die dann auch von Drittbetroffenen einklagbar ist). Daneben stellt sich dann, wenn die Einleitung auch Privaten offen stehen soll, die Frage, welche Voraussetzungen in diesem Fall gelten sollen. Mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 GG dürften diese aus Rechtschutzgesichtspunkten nicht all zu hoch anzusetzen sein. Darüber hinaus kommen unterschiedliche Varianten der Durchführung in Betracht. Die zwei Extrempositionen bzw. -varianten sind dabei entweder die vollständige Durchführung durch die Behörde nach den Verfahrensgrundsätzen des BImSchG, des VwVfG sowie der einschlägigen Verordnungen oder aber eine Durchführung, die weitgehend in sachverständigen Händen liegt. Dabei kann als erste Stufe ein Gegengutachten und bei entgegengesetzten Aussagen der Sachverständigen eine Entscheidung durch ein Sachverständigengremium vorgesehen werden. Dieses wäre wegen der erhöhten Bedeutung seiner Entscheidung pluralistisch, auch unter Einbeziehung kritischen Sachverstands, zu besetzen.

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dd) Allgemeines Öffnungsverfahren Trotz der unterschiedlichen Voraussetzungen wäre es daneben auch denkbar, anstelle dieser beiden isolierten Verfahren, ein allgemeines Öffnungsverfahren zu schaffen, welches sowohl von dem Antragsteller als auch von der Behörde initiiert werden kann. Damit könnte die Behörde nicht nur eine beantragte Abweichung (zugunsten) des Antragstellers isoliert genehmigen, ihr wäre es auch möglich, einzelfallbezogen strengere Maßstäbe durchzusetzen. Insofern würde dieses Öffnungsverfahren auch das Korrektiv zur privaten Verantwortung darstellen und die staatliche Gewährleistungsverantwortung verwirklichen. Allerdings ist fraglich, ob ein isoliertes Abweichungsverfahren, das letztlich eine Genehmigung zum Gegenstand hat, und ein Kontrollverfahren so miteinander verbunden werden können, dass den unterschiedlichen Gestaltungen Rechnung getragen werden kann. ee) Bündelung der isolierten Verfahren Im Rahmen all dieser Verfahren ist ergänzend zu berücksichtigen, dass es kontraproduktiv sein kann, zu viele Einzelverfahren mit einem jeweils eigenständigen Schicksal zuzulassen. Dies würde nämlich bedeuten, dass eventuell sämtliche Vereinfachungseffekte zunichte gemacht werden, da diese Vielzahl von Einzelverfahren nur schwierig zu beherrschen wäre, notwendige Verfahrensschritte mehrfach durchgeführt werden müssten und Informationsverluste drohten. So würde sich beispielsweise die Frage nach der Organisation eines Anhörungsverfahrens stellen. Eine zu weit gehende Dekonzentration würde weder für den Antragsteller noch für die Behörde eine erleichternde oder gar beschleunigende Wirkung haben. 861 Insbesondere wäre es fraglich, ob der angestrebte Entlastungseffekt zu erreichen ist, wenn die Behörde anlässlich isolierter Verfahren und Gestattungen doch wieder mit der Prüfung wesentlicher Teile des Vorhabens befasst ist. 862 Insofern eine getrennte Abarbeitung nicht der sinnvollen Abschichtung verschiedener Fragen dient, wäre daher eine Verpflichtung vorzusehen bzw. zu normieren, die Einzelverfahren, die der Antragsteller und die die Behörde einleiten, jeweils zu einem „kumulierten“ Verfahren zusammenzufassen bzw. zu bündeln. Aber auch dies reicht eventuell nicht aus, um Negativeffekte zu vermeiden, die durch zahlreiche isolierte Verfahren für Abweichungen, eventuell auch Ausnahmen und Befreiungen, und Kontrollen entstehen können. Daher ist auch eine materielle Komponente erforderlich. Notwendig sind Regelzulässigkeitstat861

Vgl. (für das Bauordnungsrecht) Jäde, UPR 1994, 201 (201). S. Goerlich / Krüger, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 551 (557). 862

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

bestände. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass Vorgaben erforderlich sind, die einfach konditional überprüfbar und verbindlich sind. Diese sind das Grundgerüst einer entsprechenden Privatisierung. 863 ff) Die Einbettung in das „Gesamtverfahren“ Bereits oben wurde die Frage der Einbettung des Sachverständigenmodells in die Verfahrenstypen der Eröffnungskontrolle angesprochen. Letztlich kann aufgrund dieser Betrachtung das Anmeldeverfahren als das geeignete Verfahrensmodell zur Behandlung der sachverständig zu kontrollierenden Vorgaben und damit zur Einführung eines Sachverständigenmodells angesehen werden, wobei die Einführung dieses „reinen“ Typus eines Verfahrens der Eröffnungskontrolle aber auch von der materiellen Entscheidung über den Umfang des Sachverständigenmodells im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren abhängt. Sobald zudem noch eine Entscheidung einer staatlichen Behörde verlangt wird, liegt (auch) ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren vor; eventuell ist ein Mischmodell zu bilden. Für weitere Überlegungen bietet es sich an, das Extremmodell heranzuziehen. Insbesondere vor dem Hintergrund der dichten untergesetzlichen Vorgaben im Immissionsschutzrecht käme es in Betracht, eine primäre Prüfungskompetenz der Sachverständigen in Hinblick auf sämtliche konkretisierten Vorgaben, d. h. auch solcher aus technischen Regelwerken Privater, vorzusehen. Sobald in diesen ein Grenzwert oder ein bestimmtes technisches Verfahren vorgegeben wäre, könnte der Sachverständige dann eine Übereinstimmung bescheinigen („zertifizieren“). Eine derart weitgehende sachverständige Kontrolle kommt erstens im Hinblick auf die bestehende Vermutungswirkung und zweitens die tatsächliche Anwendung dieser Vorgaben wie solche aus Rechtsnormen in Betracht. Für die sachverständige Kontrolle könnten die Aufgaben noch dahingehend unterschieden werden, welche Anforderungen an den die Vorgabe prüfenden Sachverständigen gestellt werden (Modell des gestuften Sachverstands) und ob auch auf privater Ebene ein Vier-Augen-Prinzip (durch gegenseitige Kontrolle von Sachverständigen) eingeführt wird. Konsequenz eines derartig weitgehenden Modells wäre, dass in den Unterlagen, die im Rahmen des Anzeige- bzw. Anmeldeverfahrens vorgelegt werden, darauf hingewiesen werden müsste, welchen Regelwerken welche der kontrollierten Werte entstammen, mit denen eine Übereinstimmung zertifiziert wird. Gleichzeitig wäre es im Verantwortungsbereich des Vorhabenträgers, die Punkte, in denen letztlich keinerlei operable Vorgaben bestehen, zum Gegenstand 863

So für das Bauordnungsrecht Jäde, UPR 2002, 87 (87).

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isolierter Genehmigungsverfahren zu machen, die entweder als isolierte Stoffoder als Technikgenehmigungen bezeichnet werden könnten. Die im Regelfall bestehende Rolle der Behörden würde sich dann auf diese Grenzfälle beschränken. Im Hinblick auf die Aufteilung der Prüfungskompetenzen ist aber bereits hier auf höherrangige Vorschriften hinzuweisen. Zum einen stellt sich die Frage, ob und wann die grundrechtlichen Schutzpflichten, insbesondere bei Anlagen mit hohem Gefährdungspotential oder auch bei neuartigen Anlagen, eine stärkere staatliche Beteiligung an der präventiven Kontrolle verlangen. Zum anderen ist an die IVU-Richtlinie und das Erfordernis der bindenden Festlegung von Genehmigungsauflagen zu denken. Jedenfalls kann all diesen Überlegungen durch eine Kombination aus Anmeldungs- und Genehmigungsverfahren Rechnung getragen werden. Insbesondere können dann entweder die im Hinblick auf das Gefahrenpotential besonders relevanten Vorgaben oder aber die Vorgaben, für die im Hinblick auf die IVU-Richtlinie eine Verbindlichkeit hergestellt werden muss (und die sich insbesondere nicht in allgemein bindenden Vorschriften finden), im Rahmen dieses Mischverfahrens dem Prüfungsumfang der Genehmigungsbehörde zugeteilt werden. Allerdings bietet sich hier eine kurze Bemerkung zum Sinn der Vorhabens an – als Konsequenz des Sachverständigenmodells würden dann die Vorgaben privat kontrolliert, die aufgrund ihrer Bedeutung in (verbindlichen) untergesetzlichen Normen verankert worden sind, während diejenigen Aspekte, die u.U. mangels Bedeutung keinen Eingang in derartige Normen gefunden haben, weiterhin staatlich kontrolliert werden würden. gg) Herstellung einer Verbindlichkeit Im Rahmen der obigen Darstellung hat sich als eines der Grundprobleme des Sachverständigenmodells herausgestellt, dass im Rahmen seiner Anwendung die Vorgaben, die nicht aus sich heraus für den Betreiber unmittelbar verbindlich sind, auch nicht unmittelbar verbindlich werden. Zwar mag die Herstellung einer Verbindlichkeit nicht in jedem Einzelfall unbedingt erforderlich sein, da der Betreiber damit rechnen muss, dass die Behörde ihr Vorgehen an den bekannten Vorgaben ausrichtet und er aufgrund der sachverständigen Prüfung keinen Schutz gegenüber einer Anordnung der Behörde genießt. Allerdings hat die Darstellung oben auch gezeigt, dass es in unterschiedlichen Konstellationen erforderlich sein kann, im Hinblick auf gewisse Vorgaben und Maßnahmen eine Verbindlichkeit auch für den Betreiber herzustellen. Grundsätzlich sind unterschiedliche Mechanismen denkbar, mit denen im Rahmen eines Sachverständigenmodells die für den Vollzug erforderliche Verbindlichkeit, auch im Hinblick auf sachverständige Bescheinigungen, hergestellt

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werden kann. Als derartige Mechanismen kommen vertragliche Bindungen, Erklärungen des Antragstellers, Anordnungen der Behörde im Einzelfall oder aber gesetzliche Anordnungen der Verbindlichkeit in Betracht, wobei wiederum zu vermeiden ist, dass die sachverständige Bescheinigung einen Bestandsschutz erhält, der dem der heutigen Genehmigung vergleichbar ist oder sogar darüber hinausgeht. Zudem verlangt dieser Ansatz, dass die sachverständigen Bescheinigungen detaillierte Regelungen über die Einhaltung der Vorgaben treffen, also ähnlich detailliert sind wie heutige Genehmigungsbescheide, die gleichen Gegenstände beinhalten und damit einen „vollzugsfähigen Inhalt“ aufweisen. Als Beispiel einer vertraglichen Bindung kann hier wieder der Vollzug der Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG angeführt werden, in dessen Rahmen es als ausreichend angesehen wird, wenn vertragliche Bindungen bestehen, die die Durchführung sicherstellen. Eine gewisse Verbindlichkeit könnte darüber erreicht werden, dass die Antragstellung als Selbstverpflichtung auf die Einhaltung der eingereichten Vorgaben gesehen wird (oder ihr eine derartige Verpflichtung, den Inhalt einzuhalten, beizufügen ist). Dabei würde dies sich letztlich als eine Verpflichtung des Anlagenbetreibers auf die in den Sachverständigenbescheinigungen enthaltenen Spezifikationen und ihre Einhaltung darstellen. Vor diesem Hintergrund könnte eine Verletzung der Selbstverpflichtungserklärung dann ausreichend dafür sein, dass die Behörde unmittelbar verpflichtend eingreift. Zwar ist vor dem Hintergrund, dass keine Genehmigung mit Bestandskraft vorliegt, ein jederzeitiges Eingreifen und Durchsetzen der Grundpflichten in ihrer aktuellen Gestalt möglich. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, die Selbstverpflichtung und ihre Einhaltung mit der Berechtigung zum weiteren Betrieb der Anlage zu verbinden, was den Vollzug erheblich erleichtern würde. Als weitere Möglichkeit ist denkbar, entweder durch eine behördliche oder gesetzliche Anordnung die Einhaltung der Spezifikationen, Maßnahmen und Werte, also generell der Angaben, zu verlangen, die Gegenstand der von dem Betreiber vorgelegten Sachverständigenbescheinigungen sind, und dadurch deren Verbindlichkeit herzustellen. Zur Unterstützung der Motivation zur Einhaltung könnte eine Errichtung oder ein Betrieb, der von den Angaben in den Unterlagen abweicht, gleich einem ungenehmigten Betrieb unter der heutigen Rechtslage angesehen werden. Im Hinblick auf technische Spezifikationen ist dann deren Festlegung in einer Genehmigung nicht erforderlich, wenn eine Sachverständigenbescheinigung über diese, über ihre Durchführung im Rahmen der Anlagenerrichtung sowie über die Einhaltung der entsprechenden Werte vorliegt.

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hh) Der Inhalt der Sachverständigenbescheinigungen Der Inhalt der Sachverständigenbescheinigungen muss jedenfalls die für die konkrete Anlage einzuhaltenden Grenzwerte umfassen. Vor dem Hintergrund der IVU-Richtlinie dürfte es jedenfalls nicht möglich sein, eine diesbezügliche Festlegung von Grenzwerten gänzlich entfallen zu lassen. Insbesondere ist dabei zu überlegen, ob diese Grenzwerte, d. h. die konkretisierten Werte, nicht aufgrund der IVU-Richtlinie sogar grundsätzlich in die Genehmigung aufgenommen werden müssten und den Sachverständigen somit eigenverantwortlich nur die Kontrolle der Einhaltung obliegt. Ohne eine nach außen hin klare Festlegung von derartigen Grenzwerten, zumindest in den Sachverständigenbescheinigungen, würde auch ein erheblicher Teil an Rechtssicherheit entfallen. So wäre unter Umständen kein ausreichender Ansatzpunkt für Drittbetroffene erkennbar, die aufgrund der oben genannten Regelungen wenigstens erkennen könnten, welche Sachverständigenbescheinigungen sie als Ersatz der Genehmigung ansehen und eventuell zum Gegenstand ihres Rechtsschutzes machen könnten. Daneben würde ansonsten auch die Rechtssicherheit zugunsten des Anlagenbetreibers vermindert. Die Aufgabe des unten näher zu erörternden Gewährleistungsverwaltungsrechts besteht darin, die inhaltliche Qualität der Bescheinigungen auch dadurch sicherzustellen, dass funktionell dafür Ersatz vorgesehen wird, dass bislang die Einholung von Sachverständigengutachten und damit auch der Gutachtenauftrag gem. § 13 der 9. BImSchV Aufgabe der Behörde war, die damit auch die genauen Anforderungen an das konkrete Sachverständigengutachten konkretisierte. 864

3. Zusammenfassung und Ergebnis Die Einführung des hier entwickelten Sachverständigenmodells erscheint möglich, stellt jedoch wesentlich komplexere Anforderungen als das Sacherständigenmodell im Baurecht. Allerdings reichen die dort entwickelten Verfahrensmodelle im Grundsatz aus, sie sind lediglich zu modifizieren und anzupassen. Im Ergebnis würde das oben vorgeschlagene Modell zu einem stärker verfahrensrechtlich geprägten Verständnis der Behörde führen. Sie würden weitgehend auf „eine Ebene“ mit dem Antragsteller gestellt (unabhängig von späteren hoheitlichen Befugnissen). Letztlich kann ein derartiges Modell beschrieben werden als dialektische Gegenüberstellung von Verantwortungen, die auf ein gemeinsames Ziel, nämlich eine gemeinwohlsichernde Kontrolle und Zulassung immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Vorhaben, gerichtet sind. 864

Vgl. Ohms, UPR 2001, 87 (90).

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Kap. 3: Das Sachverständigenmodell

Abschließend bleibt nur der Hinweis darauf, dass angesichts der bereits tatsächlich großen Bedeutung von Sachverständigen für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren eine Strukturierung in Form des Sachverständigenmodells geeignet erscheint, die Tätigkeit von Sachverständigen transparent zu machen und ihre Tätigkeit im Rahmen des Gewährleistungsverwaltungsrechts einer Aufsicht zu unterstellen. Damit wird deren Tätigkeit rationelleren und bindenden Maßstäben unterworfen; und diese Umsteuerung zugunsten einer Aufsicht im Gegensatz zu einer weitgehend unstrukturierten Übernahme sachverständiger Ergebnisse erscheint als verfassungsrechtlich unbedenklich, insoweit materielle Entscheidungen nach wie vor demokratisch legitimiert sind und ein ausreichendes Schutzniveau gewährleistet ist. Die Frage, ob eine Aufsicht im Sinne einer Kompensation verstanden werden kann, sowie die Voraussetzungen und die Reichweite dieser Kompensation sind Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überlegungen im nächsten Kapitel.

Kapitel 4

Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung Jede gesetzgeberische Aktivität, also auch die gesetzliche Regelung einer Verfahrensprivatisierung, steht unter dem Vorbehalt ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Allerdings sind der Herausarbeitung detaillierter Kriterien aus der Verfassung Grenzen gesetzt. Daher sollen an dieser Stelle vor allem die wesentlichen Grundlinien des verfassungsrechtlichen Rahmens, in dem sich der Gesetzgeber bewegen muss, skizziert werden. Dabei enthält das Grundgesetz weder (als Ausdruck etwa eines allgemeinen verfassungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips 1) ein Privatisierungsgebot noch – von vereinzelten Ausnahmen abgesehen – ein Privatisierungsverbot. Diese Entscheidungen werden in erster Linie dem Gesetzgeber überantwortet. 2 Das Grundgesetz setzt dabei zwar Schranken für eine Privatisierung, eröffnet dem Gesetzgeber jedoch gleichzeitig große Spielräume für Privatisierungen, was den Charakter der Verfassung als Rahmenordnung bestätigt. 3 Die nähere Ausgestaltung der Aufgabenerledigung und damit auch einer Verfahrensprivatisierung ist in vielerlei Hinsicht eine politische Entscheidung. Insbesondere hat der Gesetzgeber eine prognostische Entscheidung über die Wirksamkeit eines Konzepts zu treffen. Des Weiteren bestehen im Bereich des Umweltrechts umfangreiche Vorgaben des Europarechts. Dessen Anwendungsvorrang 4 führt zwar nicht zu einer Nichtigkeit des mit dem Europarecht unvereinbaren nationalen Rechts, jedoch wären eventuell europarechtswidrige Verfahrensregelungen durch die jeweils handelnde Behörde nicht anzuwenden, womit einer sinnvollen Regelung des Verfahrens die Grundlage entzogen wäre. Daher ist auch eine Untersuchung des europarechtlichen Rahmens der Verfahrensprivatisierung erforderlich. 1

S. zu dem Subsidiaritätsprinzip Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassung, 2. Auflage 2001; Rupp, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts II, 3. Auflage, § 31 Rn. 51 ff. 2 Schoch, DVBl. 1994, 962 (969), m. umfangreichen Nachweisen. 3 Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (263). 4 Zu diesem s. Wegener, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.): EUV / EGV, Art. 220 EG Rn. 27 ff.; grundlegend EuGH, Urteil vom 15. 7. 1964, Rs. 6/64, Slg. 1964, S. 1251 – Costa / E.N.E.L.

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

§ 14 Die Vorgaben des Grundgesetzes 1. Die Grundrechte des Grundgesetzes Die Bedeutung der Grundrechte gerade im Bereich der Nutzung der Umwelt und der Regulierung privater Tätigkeit mit Auswirkungen auf die Umwelt erschöpft sich nicht in einer eindimensionalen Betrachtung, sie wird vielmehr unter unterschiedlichen Gesichtspunkten thematisiert. 5 Dabei handelt es sich um die nachfolgend dargestellten, grundsätzlich zu unterscheidenden (wenn auch überlappenden) Problemaspekte, die jedoch in ihrer Beantwortung durchaus interdependent sind: • den ökologischen Aspekt des Freiheitsverständnisses – garantieren die Grundrechte jede Nutzung der Umwelt oder fallen umweltschädliche Aktivitäten, die über das Existenzminimum hinausgehen, aus dem Freiheitsschutz heraus; 6 • die Gewährleistungsdimension der Umweltnutzung – insofern die Nutzung von Umweltgütern dem Schutzbereich der Grundrechte zugeordnet wird oder zugeordnet werden kann, hängt die Durchsetzbarkeit von Eingriffen, die die Umweltnutzung beschränken, davon ab, ob diese Nutzung dem abwehrrechtlichen Gehalt der Grundrechte oder aber ihrer teilhabe- / leistungsrechtlichen Dimension 7 zugeordnet werden muss; • die Legitimation bzw. Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zum Schutz der Umwelt – so kann z. B. die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG auch Eingriffe in vorbehaltlos gewährleistete Grundrechtspositionen zum Schutz der Umwelt legitimieren; • die Existenz einer staatlichen Schutzpflicht – aus den Grundrechten wird auch eine staatliche Schutzpflicht zugunsten der Umwelt entnommen, da über den Schutz der Umwelt mittelbar auch grundrechtlich geschützte Güter Privater geschützt werden; und • eine Ausstrahlung der Grundrechte auf die Gestaltung des Verfahrens – die Grundrechte können fordern, den Umweltschutz durch eine stärkere Einbin5 Höfling, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 155 (157 ff.). 6 S. zu diesem Gedanken Kloepfer, FS Lerche, S. 755 (759 f.); s. hierzu auch die Diskussion um die Einführung des Emissionshandelssystems und seine verfassungsrechtliche Beurteilung; s. insbesondere Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen eines Marktes handelbarerer Emissionsrechte, 2003; Spieth, Europäischer Emissionshandel und das deutsche Anlagenrecht, 2002; s. dazu auch Becker-Neetz, Rechtliche Probleme der Umweltzertifikatmodelle in der Luftreinhaltepolitik, insbes. S. 100 ff., S. 142 ff.; s. auch Burgi, RdE 2004, 29 ff.; allgemein zu der Einführung des Emissionshandelssystems Kobes, NVwZ 2004, 513 ff. und 1153 ff. 7 Zu den Grundrechten als Teilhaberechte vgl. allg. Murswiek, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 2. Auflage, § 112.

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dung von Betroffenen und von Verursachern in das Genehmigungsverfahren effektiver zu gestalten –, wobei sich dann zugleich die Frage stellt, ob umgekehrt die Auferlegung von Eigenverantwortung selbst als Grundrechtseingriff zu werten ist. 8 Im weiteren Verlauf beschränkt sich die Untersuchung auf die Aspekte, die von Bedeutung für die Gestaltung des Genehmigungsverfahrens sind und die gleichzeitig auf der Ebene der Grundrechte die Dreieckskonstellation der Genehmigung widerspiegeln. Es ist zu klären, ob (1.) eine grundrechtliche Schutzpflicht bzw. der Grundrechtsschutz durch Verfahren eine staatliche Tätigkeit verlangt und dadurch einer Verfahrensprivatisierung entgegensteht und ob (2.) die Auferlegung von Eigenverantwortung aus der Perspektive der Betreiber einen Grundrechtseingriff darstellt. a) Die Grundrechte als Schutzpflicht aa) Das Konzept der Grundrechte als Schutzpflichten Die Grundrechte haben einen Doppelcharakter und entfalten über ihre Funktion als Abwehrrechte hinaus auch eine Schutzfunktion. 9 Es ist Aufgabe des Staates, den einzelnen Bürger vor Übergriffen Privater, die nicht selbst grundrechtsverpflichtet sind, zu bewahren und durch das Ergreifen geeigneter Maßnahmen Rechtsgutverletzungen zu vermeiden. 10 Er muss insbesondere in multipolaren Konfliktlagen zur Verhinderung der Schädigung Privater durch Private tätig werden. 11 Der Sache nach handelt es sich um eine Ableitung von Staatsaufgaben aus der Verfassung. 12 Letztlich werden die Grundrechte in dieser Dimension zum Inhalt dessen, was der Staat im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung zu gewährleisten hat. 13 8

S. zu diesem Gedanken Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (258 ff.). S. hierzu insbes. Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 2. Auflage, § 111 insbesondere Rn. 77 ff., 86 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland III/1, S. 937 ff., 984 ff.; Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (12 f.); s. gerade im Zusammenhang mit Immissionen Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlgagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 50 ff.; Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band I, Vorb. Rn. 101 ff.; Enders, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar zum GG, vor Art. 1 Rn. 62; Hesse, FS Mahrenholz, S. 541 ff.; ders., in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 5 Rn. 49 ff.; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 91 ff., 101 ff.; Klein, H. H., DVBl. 1994, 489 ff.; Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 293 ff.; Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), 205 (215 ff.). 10 Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band I, Vorb, Rn. 101. 11 Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1996), 160 (172). Siehe zu den grundrechtlichen Schutzpflichten gerade im multipolaren Verfassungsrechtsverhältnis Calliess, JZ 2006, 321 ff. 12 Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Bank I, Vorb. Rn. 102; Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 147 ff., 294, 296. 9

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Diese Dimension der Grundrechte bzw. diese Schutzpflichten werden vom BVerfG aus den Grundrechten als Elemente einer objektiven Rechts- bzw. Werteordnung abgeleitet. 14 Sie wurde ursprünglich im Hinblick auf den Schutz des ungeborenen Lebens entwickelt 15 und später auf Fälle der Bedrohung des Lebens 16 sowie auf Gefährdungen des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit gerade durch technische Risiken 17 ausgedehnt. 18 In der Folge ist ein ungeschriebenes, mit Verfassungsrang ausgestattetes Grundrecht auf Sicherheit des Bürgers anerkannt worden, 19 so dass von einer Staatsaufgabe „Sicherheit“ bzw. zur Gewährleistung von Sicherheit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Schutzpflicht ist vor dem Hintergrund der klassischen Funktion der Grundrechte, Verletzungen abzuwehren, insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die Grundrechtsverletzung, die sich aus der Grundrechtsgefährdung zu entwickeln droht, irreparabel ist oder die Entwicklung, die aus der Grundrechtsgefährdung die Grundrechtsverletzung hervorzubringen droht, unbeherrschbar ist. 20 Darüber hinaus muss der Staat Grundrechtsgefährdungen schützend entgegentreten, wenn das konflikt- und kollisionsreiche Zusammenspiel der Einzelnen, in dem Grundrechtsverletzungen eintreten können, von den Betroffenen nicht autonom regulierbar ist. 21

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Martins, DÖV 2007, 456 (461). S. hierzu Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (251) mit umfangreichen Nachweisen zu der Rechtsprechung des BVerfG; s. dazu auch Enders, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar zum GG, vor Art. 1 Rn. 65. 15 BVerfGE 88, S. 203 (254 ff.) – Schwangerschaftsabbruch II; BVerfGE 39, S. 1 (42) – Schwangerschaftsabbruch I. 16 BVerfGE 46, S. 160 (164) – Schleyer; BVerfGE 49, S. 24 (53) – KontaktsperreGesetz. 17 BVerfGE 79, S. 175 (202); BVerfGE 77, S. 381 (405) – Gorleben; BVerfGE 77, S. 170 (214) – Giftgas; BVerfGE 56, S. 54 (73) – Düsseldorfer Flughafen; BVerfGE 53, S. 30 (57) – Mülheim-Kärlich; BVerfGE 49, S. 89 (137 ff.) – Kalkar. 18 Aus der umfangreichen Literatur zu diesem Thema s. Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HBStR V, 2. Auflage, § 111 Rn. 77 ff.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, insbesondere S. 17 ff., S. 226 ff. 19 Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (251); Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 2. Auflage, § 111 Rn. 3 m.w. N.; vgl. auch Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, insbesondere S. 186 ff.; Bethge, DVBl. 1989, 841 (848); so sieht auch Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 33, die Rechtsprechung des BVerfG. Im Rahmen der Schutzdimension und damit innerhalb der objektivrechtlichen Dimension der Grundrechte wird auch die Staatsaufgabe „Sicherheitsgewährleistung“ verankert; vgl. Köck, AöR 121 (1996), 1 (14). 20 Pieroth / Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 98. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (13) weist zutreffend darauf hin, dass die inhaltliche Problematik von grundrechtlichen Schutzpflichten vor allem in ihrem Inhalt und Umfang liegt. 21 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 98. 14

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Sobald eine derartige staatliche Schutzpflicht durch die nicht nur unerhebliche 22 Bedrohung grundrechtlich geschützter Rechtsgüter ausgelöst wird, besteht eine Pflicht des Gesetzgebers, eine Tätigkeit zum Schutz des betroffenen Rechtsgutes zu entfalten. Insofern kann davon gesprochen werden, dass Handlungspflichten bestehen 23 bzw. eine Pflicht zum positiven staatlichen Tätigwerden. 24 Bis auf eng umgrenzte Ausnahmen ist die Schutzpflicht allerdings gesetzesmediatisiert, d. h. die Grundrechte stellen keine Ermächtigung zur Erfüllung einer Schutzpflicht durch die Exekutive ohne entsprechende gesetzgeberische Regelung dar. 25 Der Staat unterliegt auch in diesem Fall dem Vorbehalt des Gesetzes. Insofern allerdings eine Ermächtigung besteht, ist auch die zuständige Verwaltung dazu aufgerufen, im Rahmen ihrer Kompetenz zur Erfüllung der Schutzpflichten tätig zu werden. 26 Allerdings kommt dem Gesetzgeber bei der Erfüllung der Schutzpflicht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum für die Berücksichtigung konkurrierender öffentlicher und privater Interessen lässt. 27 Aus dieser legislativen Einschätzungsprärogative wird als allgemeine Leitlinie geschlossen, dass nur das Bestehen der Schutzpflicht (also das „Ob“), nicht aber die Art und Weise ihrer Erfüllung (also das „Wie“) als grundrechts22

Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), 205 (216). Insofern spricht Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band I, Vorb Rn. 102 davon, dass Handlungspflichten aus den Grundrechten deduziert werden. 24 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 350. 25 Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (559); Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band I, Vorb. Rn. 102; Enders, AöR 115 (1990), 610 (630 ff.); Kloepfer, FS Lerche, S. 755 (764); Wahl, in: Breuer / Kloepfer / Marburger / Schröder (Hrsg.): Gentechnikrecht und Umwelt (UTR Band 14), S. 7 (25 ff.); BVerwGE 109, S. 29 (38); a. A. wohl VGH Kassel, Beschluss v. 6. 11. 1989 – Az. 8 TH 685/89, NVwZ 1990, 276 (276 ff.), der aus der Schutzpflicht ein Verbot der Errichtung gentechnischer Anlagen ohne ausdrückliche Zulassung durch den Gesetzgeber abgeleitet hat. Auch die Verwaltung ist im Rahmen ihres Vollzugs verpflichtet, die Schutzpflichten zu wahren und zu erfüllen. In Betracht kommt dies insbesondere dann, wenn Ermessensspielräume bestehen, vgl. dazu Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (251). Zu der Bindung des Ermessens der Verwaltung s. auch Dirnberger, DVBl. 1992, 879 (882). 26 Vgl. Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (559). So kann auch der Richter im Rahmen der ihm obliegenden Aufgabe zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten als Adressat der Schutzpflichten gesehen werden, vgl. BVerfGE 81, S. 242 (256) [durch Konkretisierung und Anwendung der Generalklauseln]; BVerfGE 84, S. 212 (226 f.) [Ableitung des materiellen Rechts mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Rechtsgrundlagen bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben]. 27 BVerfGE 85, S. 191 (212); BVerfGE 79, S. 174 (202); BVerfGE 77, S. 170 (214); s. auch Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 44; Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Vor Art. 1 Rn. 35; Dirnberger, DVBl. 1992, 879 (880 ff.); Hesse, FS Mahrenholz, S. 541 (557 ff.); Pieroth / Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, Rn. 97. Zur mangelnden Symmetrie zwischen der abwehrrechtlichen Dimension und den Schutzpflichten siehe Calliess, JZ 2006, 321 (324). 23

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geboten qualifiziert werden kann. 28 Somit ist die Entscheidung, wie eine Schutzpflicht erfüllt werden soll, Sache der zuständigen Organe, in erster Linie des Gesetzgebers. 29 Allenfalls in Ausnahmefällen können sich grundrechtliche Schutzpflichten zu speziellen Handlungspflichten verdichten. 30 Zudem berühren in dem multipolaren Beziehungsgeflecht eines Genehmigungsverfahrens die staatlichen Schutzmaßnahmen regelmäßig auch die Grundrechte der Anlagenbetreiber, so dass der Feststellung einer Handlungspflicht auch eine Rechtsgüterabwägung vorauszugehen hat und ein verhältnismäßiger Ausgleich herzustellen ist. 31 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die grundrechtlichen Schutzpflichten keine staatlichen Befugnisse begründen, gesellschaftliche Selbstregulierung aus Gründen staatlicher Fürsorge zu verdrängen. Damit würde die Abwehrfunktion der Grundrechte tendenziell in ihr Gegenteil verkehrt. Eine Verpflichtung zum Tätigwerden besteht erst dann, wenn der Bürger sich nicht selbst schützen kann. 32 Dementsprechend müssen nicht alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen getroffen werden. 33 Die Entscheidung über die notwendigen Schutzmaßnahmen hängt von mehreren Faktoren ab, etwa von der Art, der Nähe und dem Ausmaß der drohenden Gefahr, ebenso von der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgutes und der beteiligten privaten Interessen und nicht zuletzt auch von den bereits bestehenden Regelungen. 34 Maßstab für die Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht ist das sogenannte Untermaßverbot 35 Es verlangt, dass der Gesetzgeber bzw. die öffentliche 28 Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band I, Vorb. Rn. 103; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 180 f.; Klein, E., NJW 1989, 1633 (1637 f.); Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 2. Auflage, § 111 Rn. 151 f. Zu der entsprechenden Unterscheidung zwischen Schutzpflichtenausmaß und Überprüfungskompetenz des BVerfG s. Hesse, FS Mahrenholz, S. 541 (558 f.); ders., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 350; BVerfGE 85, S. 191 (212); BVerfGE 79, S. 174 (202); BVerfGE 77, S. 170 (214). Gerade im Umweltbereich bestehen zahlreiche Unwägbarkeiten sowohl bei der Problemanalyse als auch bei der Ermittlung der angemessenen Reaktion, s. auch Klein, E., NJW 1989, 1633 (1638).; so spricht Schmidt-Assmann, AöR 106 (1981), 205 (216), von dem diffusen Charakter umweltvermittelter Grundrechtsbeeinträchtigungen. Vgl. auch Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, insbesondere S. 226 ff., 232 ff. Diese Unwägbarkeiten sprechen für einen Spielraum des Gesetzgebers. 29 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 350. 30 Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Vor Art. 1 Rn. 35. 31 Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), 205 (216); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 350; allgemein zu diesem Reziprozitätsproblem Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 106, 108. 32 Korioth, DÖV 1996, 665 (674). 33 BVerfG, Beschluss v. 28. 2. 2002 – 1 BvR 1676/01, NJW 2002, 1638 (1639). 34 Koch, Anlagenüberwachung im Umweltrecht, S. 260; BVerfGE 56, S. 54 (78). Zur Abhängigkeit von der Empfindlichkeit des Schutzgutes Eversberg, Der Zeitfaktor im bundesimmissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 31.

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Gewalt zum einen Schutzmaßnahmen nicht gänzlich unterlassen darf und zum anderen die von dem Gesetzgeber im Rahmen seines bestehenden Freiraums getroffenen Maßnahmen nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sein dürfen, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben. 36 Es ist ein mit Rücksicht auf entgegenstehende Rechtsgüter angemessener und wirksamer Schutz geboten. 37 Zudem müssen die Schutzmaßnahmen auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen. 38 Die Ausgestaltung des Schutzes durch die Rechtsordnung muss also gewissen Mindestanforderungen entsprechen. 39 Allerdings ist die exakte Reichweite einer staatlichen Schutzpflicht im Immissionsschutzrecht weitgehend ungeklärt; eine präzise Aussage lässt sich weder den Grundrechten noch dem Untermaßverbot entnehmen. bb) Die Existenz einer grundrechtlichen Schutzpflicht im Immissionsschutzrecht Im Rahmen des Immissionsschutzrechts bedeutsam sind die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, 40 auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 14 GG 41 sowie Art. 1 Abs. 1 GG. Diese Bestimmungen verpflichten den Staat, das Leben, die Gesundheit, die Personalität und das Eigentum des Menschen zu schützen. 42 Von zentraler Bedeutung für die Annahme von Schutz35 Grundlegend Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 2. Auflage, § 111 Rn. 165 f.; die verfassungsrechtliche Kontrolle anhand des Untermaßverbots taucht in der Verfassungsrechtsprechung erstmals auf in BVerfGE 88, S. 203 (254); kritisch Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band I, Vorb. Rn. 103. Dabei ist allerdings das Verhältnis zwischen Unter- und Übermaßverbot grundsätzlich umstritten, vgl. zu diesem Streit Dietlein, ZG 1995, 131 (132 ff., insbesondere 134 ff.); Hain, DVBL. 1993, 982 ff.; Michael, JuS 2001, 148 (151). Dabei wird das Untermaßverbot auch als Gegenstück zum Übermaßverbot angesehen, vgl. Denninger, FS Mahrenholz, S. 561 (566 f.). Es „begrenzt“ das Unterlassen des Gesetzgebers. Insbesondere ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in multipolaren Beziehungen sowohl an das Übermaßverbot als auch an das Untermaßverbot gebunden ist, so dass sich die Frage stelle, welches denn das richtige „Maß“ ist, s. auch Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 107. 36 BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2002 – 1 BvR 1676/01, NJW 2002, 1638 (1639); BVerfGE 92, S. 26 (46); BVerfGE 85, S. 191 (212); BVerfGE 79, S. 174 (202); BVerfGE 77, S. 170 (214 f.); BVerfGE 77, S. 381 (405); BVerfGE 56, S. 54 (81). 37 Enders, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar zum GG, Band I, vor Art. 1 Rn. 133; BVerfGE 88, S. 203 (254) – Schwangerschaftsabbruch II. 38 Dietlein, ZG 1995, 131 (132); Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Vor Art. 1 Rn. 36. 39 BVerfGE 88, S. 203 (255) – Schwangerschaftsabbruch II. 40 S. dazu Schmidt-Assmann, AöR 106 (1981), 205 ff. Eine umfassendere Abhandlung zu den grundrechtlichen Schutzpflichten im Immissionschutzrecht findet sich bei Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 50 ff. 41 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 43.

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pflichten dürften dabei Art. 2 Abs. 2 43 und Art. 14 GG sein, ergänzt durch die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG. 44 Anlagen, die Gegenstand der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht sind, lösen danach grundsätzlich grundrechtliche Schutzpflichten aus. Der Staat darf demnach nicht untätig bleiben. 45 Es handelt sich um eine Schutzpflicht gegenüber der technischen Entwicklung bzw. der mit dieser verbundenen Risiken. 46 Diese Schutzpflicht und damit die ihm obliegende Staatsaufgabe der Sicherheitsgewährleistung 47 nimmt der Staat in Form der Gefahrenabwehr wahr. Unklarheiten bestehen vor allem im Hinblick auf die inhaltliche Reichweite dieser Schutzpflicht. 48 Jedenfalls ist der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber nicht verpflichtet, Vorsorge gegen rein hypothetische Gesundheitsgefährdungen zu treffen. 49 Gleichzeitig können geltende Grenzwerte nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar ist, dass sie die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen, wovon so lange nicht die Rede sein kann, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt. Allerdings besteht eine Beobachtungspflicht, damit jedenfalls beurteilt werden kann, ob gegebenenfalls weitere Schutzmaßnahmen zu treffen sind. 50 Dementsprechend wurde bislang unter Anwendung der oben genannten Kriterien eine Verletzung dieser Schutzpflichten nur festgestellt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hatte oder offensichtlich die getroffenen Regelungen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich gewesen waren, das Schutzziel zu erreichen. 51 Im Hinblick auf den Status quo bedeutet dieser Maß42

Köck, AöR 121 (1996), 1 (14). Aus dessen objektiv-rechtlichen Gehalt wird die Pflicht der staatlichen Organe abgeleitet, sich schützend und fördernd vor die darin geschützten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren, BVerfGE 53, S. 30 (57). 44 S. auch Koch, Anlagenüberwachung im Umweltrecht, S. 258, 260. 45 S. für den Bereich des Gentechnikrechts Wahl / Melchinger, JZ 1994, 973 (973). 46 Bei dieser muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die Technik einerseits nicht völlig ungefährlich sein kann, andererseits aber unverzichtbar ist, weshalb bei der Nutzung der Technik gewisse Restrisiken, die unterhalb einer sachverständig bestimmten Gefahrenschwelle liegen, toleriert werden, Pieroth / Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, Rn. 97; BVerfGE 56, S. 54 (80 ff.). Dieses Restrisiko muss allerdings nur bei einer „Basis-Nützlichkeit“ der Technologie hingenommen werden, s. Wahl, in: Breuer / Kloepfer / Marburger / Schröder (Hrsg.): Gentechnikrecht und Umwelt (UTR Band 14), S. 7 (25). 47 Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Vor Art. 1 Rn. 37. 48 S. Steinberg, NJW 1996, 1985 (1987). 49 So ausdrücklich BVerfG, Beschluss v. 28. 2. 2002 – 1 BvR 1676/01, NJW 2002, 1638 (1639) – elektromagnetische Felder. 50 BVerfG, Beschluss v. 28. 2. 2002 – 1 BvR 1676/01, NJW 2002, 1638 (1639). 43

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stab, dass angesichts der kaum mehr zu überblickenden Zahl rechtlicher Umweltschutzregelungen, die unter Einbeziehung der allgemeinen Polizeigesetze kaum ein Umweltproblem nicht erfassen dürften, sowie einer Anzahl nicht-normativer staatlicher Umweltschutzmaßnahmen diese Feststellung im Bereich des Umweltschutzes kaum jemals gelingen dürfte und damit das Konzept grundrechtlicher Schutzpflichten im Umweltschutz leerläuft. 52 In materieller Hinsicht wird die staatliche Schutzpflicht durch die Grundpflichten des § 5 BImSchG erfüllt, 53 die durch ihre Dynamik auch einen dynamischen Grundrechtsschutz bewirken. Die Festlegung und die Konkretisierung der Betreiberpflichten ist von hoher Grundrechtsrelevanz. 54 Dementsprechend wird u. U. auch eine Pflicht des Verordnungsgebers aus Artt. 2 Abs. 2 und 20a GG zum Erlass von Rechtsverordnungen nach § 7 BImSchG angenommen. 55 Gleichzeitig wird aber auf den dabei bestehenden erheblichen Spielraum, insbesondere bei der Konkretisierung der Vorsorgepflicht, 56 hingewiesen. 57 Jedenfalls dürften keine Zweifel daran bestehen, dass die materiellen Regelungen den Anforderungen der grundrechtlichen Schutzpflichten im Wesentlichen genügen. Allerdings geht es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung um die Existenz und Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten auf formeller Ebene. Darüber hinaus geht es auch nicht primär um den Status quo, sondern darum, ob und inwiefern die Schutzpflichten eine konservierende Bedeutung haben und Veränderungen bzw. Modifikationen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens im Rahmen verfahrensprivatisierender Regelungen entgegenstehen. cc) Der Inhalt der Schutzpflicht im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung Im weiteren Verlauf ist daher im Hinblick auf die Möglichkeiten einer Verfahrensprivatisierung zu untersuchen, ob das immissionsschutzrechtliche Genehmi51

BVerfGE 79, S. 174 (202). Steinberg, NJW 1996, 1985 (1988). 53 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 5 Rn. 43. 54 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 60. 55 Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 23; BVerfGE 56, S. 54 (78 f.). S. allgemein auch zu Konkretisierungen durch Normen Kutscheidt, NVwZ 1989, 193 (196 f.). 56 So nach Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 67a. So wird beispielsweise für die Auflagen der Anlagenbetreiber, die regelmäßig als Emissionsbegrenzungen ergehen, gefordert, dass diese auf einem Schutzkonzept beruhen, BVerwGE 69, S. 37 (44 f.). Zu dieser Notwendigkeit eines Schutzkonzepts s. Meinken, Scattergun Approach? – Zur regulativen Effizienzleistung emissions- und immissionsorientierter Regulierungsstrategien, in: Gawel / LübbeWolff (Hrsg.): Effizientes Umweltordnungsrecht, S. 35 (47 f.). 57 Dietlein, in: Landmann / Rohmer, § 7 Rn. 75 weist auf den komplexen Abwägungsvorgang hin; Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 315. 52

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gungsverfahren als solches und in der derzeitigen Form geboten ist. Es geht also um die Existenz und das Ausmaß einer staatlichen Pflicht zur Gewährleistung der tatsächlichen Einhaltung der materiellen Vorgaben, und zwar durch die Kontrolle privater Tätigkeiten im Wege formeller Verfahren. Es stellt sich somit die Frage nach einer Durchsetzungsverantwortung, 58 also insbesondere danach, ob und in welchem Ausmaß die grundrechtlichen Schutzpflichten zu einem Grundrechtsschutz durch Verfahren verpflichten und wie dieses Verfahren auszusehen hat. Grundsätzlich muss ein effektiver Grundrechtsschutz auch auf der Ebene der Verfahrensgestaltung sichergestellt werden. 59 Es besteht dahingehend Einigkeit, dass die materiellen Grundrechte zu ihrer Verwirklichung angemessener Verfahrensvorkehrungen und -sicherungen bedürfen. 60 Insbesondere um der Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtspositionen vorzubeugen, 61 sind die Grundrechte auch Maßstab für eine den Grundrechtsschutz effektuierende Organisations- und Verfahrensgestaltung sowie für eine grundrechtsfreundliche Anwendung vorhandener Verfahrensvorschriften. 62 Dementsprechend ist im Rahmen einer Verfahrensgestaltung ein Dreiecksbezug herzustellen. Es können sich also aus der Schutzfunktion der Grundrechte Pflichten zur Einrichtung, Ausgestaltung und Handhabung von Verfahren ergeben, die den Betroffenen eine Teilhabe an Entscheidungsprozessen zur Rechtswahrung ermöglichen 63 und ihnen damit eine angemessene Verfahrensposition sichern. Den Dritten soll eine aktive Rolle ermöglicht werden. Sie sollen ihre Rechte, aber auch ihre Interessen, in das Verfahren als Modus der Rechtsverwirklichung einfließen lassen. Gleichzeitig werden sie darauf verpflichtet, an der Realisation des Schutzes mitzuarbeiten. Gerade diese Beteiligung der durch das 58

Zu dem Begriff s. Steiner, DVBl. 1987, 1133 (1134). S. dazu Denninger, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 2. Auflage, § 113 Rn. 5 ff., 19 ff.; Häberle, VVdStRL 30 (1972), 42 (86 ff.); Hesse, EuGRZ 1978, 427 (434 ff.); ders., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 358 ff.; s. auch Ipsen, AöR 107 (1982), 259 (283 ff.). Zum effektiven Grundrechtsschutz als Gegenstand der grundrechtlichen Schutzpflichten Michael, JuS 2001, 148 (151). Siehe auch Calliess, JZ 2006, 321 (326). 60 S. Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band I, Vorb Rn. 105. 61 BVerfGE 63, S. 131 (143). 62 BVerfGE 69, S. 315 (355). 63 So Enders, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, vor Art. 1 Rn. 71, allerdings bezogen auf hoheitlich beherrschte Entscheidungsprozesse. Dabei weist er zu Recht auf die teilhaberechtliche Dimension dieses Inhalts der grundrechtlichen Schutzpflichten hin. Die Begrenzung auf hoheitlich beherrschte Entscheidungsprozesse kann aber auch durch hoheitlich eingerichtete Verfahren ersetzt werden; vorliegend kommt es nämlich nicht auf die hoheitliche Beherrschung des Verfahrens sondern auf die Bedeutung eines durch den Staat eingerichteten Verfahrens für den Grundrechtsschutz an. S. dazu auch Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (214 f.). 59

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Verfahren Betroffenen kann ein notwendiges Element wirksamen Grundrechtsschutzes darstellen, wobei allerdings ein auf Grundrechtssicherung ausgerichtetes Verfahren immer nur die Wahrscheinlichkeit eines grundrechtsgemäßen Ergebnisses erhöhen, es indessen niemals sicherstellen kann. 64 Vielmehr muss dabei berücksichtigt werden, dass im Verfahren ein Ausgleich zwischen der Herstellung des Gemeinwohls und einem Schutz individueller Positionen geleistet werden muss. 65 Grundsätzlich handelt es sich bei den präventiven Instrumenten des Genehmigungsvorbehalts und der Durchführung des Genehmigungsverfahrens um Maßnahmen, mit denen der Staat die grundrechtlichen Schutzpflichten wahrnimmt. 66 So wird im Hinblick auf die wirtschaftliche Nutzung der Atomenergie die Schutzpflicht dadurch als erfüllt angesehen, dass sie von einer vorherigen staatlichen Genehmigung und die Erteilung der Genehmigung von näher geregelten materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen abhängig ist. 67 Allerdings bedeutet dies lediglich, dass die Genehmigung ein Weg zur Erfüllung der Schutzpflicht ist. Dies bedeutet nicht, dass ein derartiges präventives Verfahren die einzige Möglichkeit des Staates ist, seiner Schutzpflicht gerecht zu werden, zumal es sich bei den genannten Anlagen um solche mit einem besonders hohen Gefährdungspotential handelt. (1) Auf einer ersten Ebene ist daher die Frage zu beantworten, ob der Normgeber überhaupt einen Mechanismus vorsehen muss, der die Erreichung oder Einhaltung des materiell definierten Schutzniveaus sicherstellt. Dabei ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Erwägungen zum Inhalt der Schutzpflicht erforderlich. So ist der betroffene Dritte als Begünstigter der Schutzpflicht den Gefahren einer derartigen Anlage ausgesetzt, ohne dass er (ohne ein Verfahren) gleichzeitig reelle Möglichkeiten zur Beeinflussung des Projektes hat. Er hat auch nicht den erforderlichen Sachverstand und die sonstigen erforderlichen Ressourcen, um sich bereits im Vorfeld mit dem Anlagenbetreiber auseinanderzusetzen und seine Schutzbedürfnisse einzubringen. Darüber hinaus reichen auch die Wirkungen des zivilen Haftungsrechts sowie die reaktiven Eingriffsbefugnisse als alternative Handlungsmöglichkeiten des Staates wegen des Ausmaßes der zu befürchtenden Schäden nicht aus. 68 Zudem ist die Funktion des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen. Es dient der Konkretisierung des Rechts im 64

Klein, H. H., DVBl. 1994, 489 (490). S. Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (214). 66 Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 106; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 88 f. 67 BVerfGE 53, S. 30 (57 f.) – Mülheim-Kärlich; Klein, H. H., DVBl. 1994, 491 (496). 68 Köck, AöR 121 (1996), 1 (21). Dabei verweist er im Hinblick darauf, dass das zivilrechtliche Haftungsrecht nicht ausreiche, vor allem auf die Kausalität. Er greift bei dieser Feststellung allerdings zu kurz, denn von erheblicher Bedeutung für die Wirksamkeit ist auch die Solvenz des die Umwelt schädigenden Unternehmens. Gerade in Altlastenfällen 65

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Einzelfall. 69 Der Konkretisierung kommt dabei eine besondere Grundrechtsrelevanz zu, und damit auch dem Genehmigungsverfahren, das die zulässigerweise verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe ausfüllt. 70 Es stellt das Scharnier dar, das erforderlich ist, um den abstrakt-generellen Anforderungen des Gesetzgebers für den Einzelfall Geltung zu verschaffen. Des Weiteren wird aus den Grundrechten auch eine Kontrollpflicht abgeleitet. 71 Insbesondere bei Anlagen mit hohem Gefährdungspotential kann es problematisch sein, die Kontrolle ausschließlich auf eine repressive Kontrolle zu beschränken, da dann die Gefahr besteht, dass Fehlentwicklungen erst erkannt werden, wenn es bereits zu spät ist und sich das Gefahrenpotential der Anlage realisiert hat. Vor dem Hintergrund all dieser Argumente lässt sich zusammenfassen, dass der Staat ein präventives Verfahren einrichten muss, 72 und zwar in dem Umfang, in dem es erforderlich ist, um den materiellen Vorgaben Geltung zu verschaffen. Dies gilt allerdings erst ab einem erhöhten Gefahrenpotential und nicht unbedingt für alle Anlagen, die derzeit dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unterliegen. Eine genaue Abgrenzung erfordert eine Beurteilung des jeweiligen Gefahrenpotentials unter Berücksichtigung zum einen der möglichen Auswirkungen, zum anderen aber auch der Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung. 73 (2) Auf einer weiteren Ebene stellt sich die mit den obigen Ausführungen noch nicht beantwortete Frage, welche Direktiven und Vorgaben für die Ausgestaltung des Verfahrens bestehen bzw. welchen Spielraum der Staat dabei hat. Insbesondere geht es darum, ob der Staat zu einer staatlichen Durchführung des Verfahrens verpflichtet ist oder eine private Durchführung bzw. ein anderes Kontrollinstrument zulässig ist. Aus den Schutzpflichten lässt sich kaum ableiten, dass der Staat auf einen bestimmten Weg verpflichtet ist, um das geforderte Ziel zu erreichen. 74 Grundsätzlich ist damit auch in dem Bereich der Gewährleistung von Sicherheit eizeigt sich dies deutlich, da dort die Drohung mit der Insolvenz dazu dienen kann, sich der eigentlich bestehenden Verantwortung zu entziehen. 69 Wahl, VVdStRL 41 (1983), 151 (153 ff.) beschreibt diese Funktion anschaulich als Verwirklichungsmodus des Verwaltungsrechts. 70 S. dazu Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 60 ff. 71 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 122. 72 So bejaht Köck, AöR 121 (1996), 1 (21) eine Verpflichtung des Staates zur Schaffung präventiver Zulassungsverfahren insbesondere für Atomenergie-, aber auch für bestimmte BImSchG-Anlagen. Daher äußert er auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die rechtspolitischen Überlegungen von Bohne, DVBl. 1994, 195 (200 ff.). 73 Insbesondere kann sich unter Berücksichtigung der Sicherheit der verwendeten Technologie ergeben, dass das Gefahrenpotential zumindest nicht so groß ist, dass eine unbedingte Verpflichtung zur Durchführung präventiver Verfahren besteht. 74 Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), 205 (216).

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ne Privatisierung (und damit eine Kontrolle durch Private) nicht schlechthin ausgeschlossen, 75 solange die Schutzgegenstände der Grundrechte noch als hinreichend gesichert erscheinen. 76 Als unzulässig wird lediglich die Eröffnung eines Kontrollspielraums angesehen 77. Somit bleibt grundsätzlich festzuhalten, dass das erforderliche präventive Zulassungsverfahren nicht notwendigerweise ein staatliches sein muss. Die Verfassung räumt im Hinblick auf das „Wie“ der Kontrolle einen Gestaltungsspielraum ein. Allerdings ist der Gesetzgeber bei der Verlagerung präventiver Aufgaben auf Private und der Ausgestaltung eines (eventuell auch nur teilweise) privaten Zulassungsverfahrens nicht völlig frei. Die Schutzpflichten begründen eine Gewährleistungsverantwortung des Staates, der er durch Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts Rechnung tragen muss. 78 Es bestehen Vorgaben für die Ausgestaltung des Schutzkonzepts das Verfahren muss gewissen Anforderungen genügen, und es müssen begleitende Vorkehrungen zur Qualitätssicherung getroffen werden. So muss sichergestellt sein, dass die entsprechenden Verfahren auch in angemessener Form durchgeführt werden. 79 Das in privater Regie stattfindende Verfahren muss dabei so ausgestaltet sein, dass sachverständiges Wissen zur Grundlage der Entscheidung gemacht wird. 80 Daher muss der Staat von den handelnden Privaten eine entsprechende Qualifikation verlangen sowie für eine Ausbildung Sorge tragen, die sie befähigt, die Aufgabe zu erfüllen. 81 Daneben muss eine Bewertung dieses Wissens stattfinden, die an Allgemeinwohlkriterien 75 Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (255, 266); Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1997), 160 (172); Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (255 ff., 262 f.); Koch / Laskowski, ZUR 1997, 182 (184 ff.) m.w. N. 76 Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Vor Art. 1 Rn. 37. 77 Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 7 Rn. 123. 78 Zu diesem Begriff siehe Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (310 ff.), dort auch zu Elementen eines derartigen Gewährleistungsverantwortungsrechts. Zwar beziehen sich diese Ausführungen nicht auf eine Gewährleistungsverantwortung im Ordnungsrecht, jedoch können die einzelnen Aspekte der Sache nach übertragen werden. Vgl. auch LübbeWolff / Steenken, ZUR 1993, 263 (265), die verlangen, dass der Staat zwar nicht alle Aufgaben durch eigene Organe selbst wahrnehmen muss, er allerdings verpflichtet ist, für eine korrekte Wahrnehmung der Aufgabe durch institutionelle Vorkehrungen zu sorgen. 79 Dieser Aspekt fällt bei Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (311) unter das Kriterium der Ergebnissicherung. 80 Dabei weist Köck, AöR 121 (1996), 1 (21) auch darauf hin, dass dies sowohl für staatliche als auch für private Zulassungsverfahren gelte. In diesem Sinne weist Breuer, NVwZ 1990, 211 (212) darauf hin, dass in diesen Bereichen eine Abhängigkeit des Juristen von dem außerrechtlichen Sachverstand besteht. S. auch Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (208), der dies für untergesetzliche Normen verlangt, was sich aber auch auf die darauf basierende Zulassungsentscheidung auswirkt. 81 Schulte, Bernd H., BauR 1998, 249 (264 f.).

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gekoppelt ist. Dies wird dann als gewährleistet angesehen, wenn staatlichen Institutionen die Bewertungskompetenz zufällt oder aber private Zulassungsverfahren so gestaltet sind, dass auf eine Allgemeinwohlberücksichtigung geschlossen werden kann, wozu im Wesentlichen Beteiligungsmöglichkeiten für unterschiedliche Interessengruppen, aber auch für staatliche Vertreter, gefordert werden. 82 Eine Berücksichtigung des Allgemeinwohls erfordert jedoch über derartige Verfahrenselemente hinaus auch, dass die handelnden Personen an das Allgemeinwohl gebunden werden. Dies verlangt in erster Linie, dass deren Unabhängigkeit von privaten Interessen sichergestellt wird. Die Unabhängigkeit sowie die oben erwähnte fachliche Qualifikation sind insbesondere auf der Ebene der Auswahl der zu beteiligenden Privaten sicherzustellen. Alternativ ist auch denkbar, dass ein verfahrensmäßiger Ausgleich durch die Einbeziehung gegensätzlicher Interessen angestrebt wird. Aufgrund des Grundrechtsschutzes durch Verfahren wird bereits für staatliche Verfahren eine Regelung des Entscheidungsprozesses gefordert. Dies muss erst recht für private Verfahren gelten, die der Gesetzgeber zum Zweck der Erfüllung seiner Schutzpflicht einführen will. Danach soll der Gesetzgeber die Entscheidung derart strukturieren, dass die Ermittlung und Bewertung (der Gefahren für die Schutzgüter) auch in eine Abwägung eingehen können; daneben soll er die verfahrens- und organisationsrechtlichen Vorschriften so ausgestalten, dass die Ziele des Umweltschutzes auch angemessen ermittelt, bewertet und berücksichtigt werden können. 83 Der Aspekt der Abwägung spielt allerdings vorliegend nur eine geringe Rolle, da es sich bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung grundsätzlich um eine gebundene Entscheidung handelt. Ihre Erteilung setzt im Wesentlichen die Prüfung der Einhaltung von Standards voraus. Erforderliche Abwägungen sind daher auf genereller Ebene vorweggenommen und werden lediglich unter Rückgriff auf privaten Sachverstand nachvollzogen. Es findet eine Kontrolle ohne inhaltliche Entscheidungsbefugnis statt. Selbst den im Einzelfall erforderlichen Wertungen liegt häufig eine primär sachverständige Abwägung zugrunde. 82 Köck, AöR 121 (1996), 1 (21). S. auch, allerdings im Hinblick auf die Anforderungen an das Verfahren der Aufstellung untergesetzlicher Normwerke Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.): Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (208 f.). Dabei sieht er wohl die pluralistische Zusammensetzung der Normungsgremien als Allgemeinwohlsicherung im obigen Sinne an. Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu nennen ist die Begründungspflicht. Die Allgemeinwohlbindung ist ausschlaggebender Ansatzpunkt für die Indizfunktion technischer Regelwerke. Die Problematik der privaten Beeinflussung des Ergebnisses stellt sich, wenn die Entscheidung normativ nur mit einem gewissen Entscheidungsspielraum vorgegeben werden kann. 83 Steinberg, NJW 1996, 1985 (1990); zu dem Aspekt der faktischen Entscheidungsträgerschaft durch Präjudizierung im Rahmen des Verfahrens siehe auch Sellmann, NVwZ 2008, 817 (821 f.), der allerdings seine Erkenntnisse nicht verfassungsrechtlich rückkoppelt.

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Darüber hinaus kann es erforderlich sein, den Betroffenen (Nachbarn) Verfahrensrechte einzuräumen und ihnen damit die Teilhabe an den Entscheidungsprozessen zu ermöglichen, um im Ausgleich mit den Interessen des Anlagenbetreibers einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. 84 Das Verfahren muss so gestaltet werden, dass die Rechte Dritter zur Geltung kommen können. Diese müssen Gelegenheit haben, ihre Ansichten, Informationen und Bedenken innerhalb des Verfahrens geltend zu machen, um ein dem optimalen Ausgleich der Interessen angenähertes Ergebnis des Verfahrens sicherzustellen. Insofern müssen die Verfahren auf eine Kommunikation der Beteiligten angelegt sein, um einer Konfrontation von Grundrechtsinteressen und entschiedenem Leistungsvorhaben vorzubeugen. 85 Insbesondere muss gewährleistet sein, dass der Betroffene nicht wehrlos den überlegenen finanziellen Mitteln eines Vorhabenträgers gegenübersteht. Vielmehr muss durch eine Neutralität der Handelnden sichergestellt werden, dass die Bedenken der Betroffenen aufgegriffen und angemessen gewürdigt werden. Zusammenfassend muss ein Verfahren, soll es der Bedeutung der Grundrechte in rechtsstaatlich gebotener Weise gerecht werden, folgende Aspekte berücksichtigen: • die Abgrenzung des Kreises der Beteiligten; • die Sicherung der Subjektstellung der Beteiligten; • die Ermöglichung eines vollständigen und unverzerrten Informationsflusses in alle Richtungen unter den Beteiligten; • den Faktor Zeit bei der Entscheidungsfindung; • die Ausrichtung des Verfahrens auf eine Sach- und Gemeinwohlrichtigkeit der Entscheidung; 86 • eine Kontrolle der Kontrolle; und • für den Fall der privaten Schlechterfüllung ist eine Rückholoption 87 bzw. eine Zugriffsoption vorzusehen, wobei die Beurteilungskriterien dieser Schlechterfüllung durch den Gesetzgeber festgelegt werden. 88 Der Staat muss sich eine letztverbindliche Entscheidungskompetenz und Verantwortlichkeit vorbehalten. 89 84 Enders, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, vor Art. 1 Rn. 71, dort insbesondere zu der Verbindung von Schutz und Teilhabe; BVerfGE 53, S. 30 (58, 65 f.) – Mülheim-Kärlich. 85 Häberle, VVdStRL 30 (1972), 43 (89). 86 Denninger, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 2. Auflage, § 113 Rn. 29. 87 S. zu diesem Kriterium im Bereich der Leistungserbringung Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (326). 88 Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1996), 160 (173 f.). 89 Reinhardt, AöR 118 (1993), 617 (652).

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Damit kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die grundrechtlichen Schutzpflichten den Staat zwar u. U. zu der Durchführung eines präventiven Zulassungsverfahrens, aber nicht zu einem in eigener Regie verpflichten. Bei Übertragung der Prüftätigkeit auf Private muss er allerdings durch Elemente eines Gewährleistungsverwaltungsrechts sicherstellen, dass das Verfahren qualitativen Mindestanforderungen genügt. (3) Auf einer weiteren Ebene stellt sich allerdings die Frage, ob die mit einer Umsteuerung verbundenen Unsicherheiten „riskiert“ werden dürfen. Zwar muss der Gesetzgeber eine Prognose über die Wirksamkeit der vorgesehenen Instrumente treffen. Diese kann sich jedoch als unzutreffend erweisen mit der Folge, dass es aufgrund einer unzureichenden Gestaltung des Verfahrens zumindest vorübergehend zu einem Wirksamkeitsverlust kommt. Als Konsequenz kann es aufgrund geringer Beobachtbarkeit und Langwierigkeit des Gesetzgebungsverfahrens dazu kommen, dass über einen gewissen Zeitraum die qualitativen Standards absinken, bis der Staat reagieren und qualitätssichernde Maßnahmen vorsehen kann. Allerdings kann den Schutzpflichten kein „konservierender“ Inhalt dahingehend zukommen, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers abgeschnitten wird. Der Gestaltungsspielraum und die damit verbundene Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers im Rahmen der Erfüllung der Schutzpflichten beziehen sich auch auf eine verfahrensrechtliche Umsteuerung. Es wäre auch unter grundrechtsdogmatischen Gesichtspunkten problematisch, den Gesetzgeber auf überkommene Konzepte festzulegen. Es ist zum einen jedenfalls nicht erwiesen und auch vor dem Hintergrund der erhofften Vorteile durch die Einbeziehung Privater in den Vollzug auch nicht absehbar, dass ein privates Kontrollverfahren im Hinblick auf den Schutz Drittbetroffener nachteilig ist. Zum anderen ist vor allem auch der demokratisch legitimierte Gesetzgeber dazu berufen, seine Vorstellungen zu verwirklichen. Die Grundrechte begrenzen seinen Spielraum, können ihn aber nur im Ausnahmefall vollständig beseitigen. Vielmehr wandelt sich die Wahrnehmung der Schutzpflichten – an die Stelle der Wahrnehmung durch eigene Handlungen treten kompensierende Pflichten. Die Erfüllungsverantwortung wandelt sich in die bereits oben besprochene Gewährleistungsverantwortung, die den Staat umso stärker trifft, je größer die involvierten Risiken unter Berücksichtigung auch der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter sind. 90

90 Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1996), 160 (172); Reinhardt, AöR 118 (1993), 617 (652). Enger wohl Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 335, der eine Umsteuerung in Bereichen mit hoher Gefährlichkeit des Überwachungsgegenstands, wohl aufgrund des Untermaßverbots als unzulässig ansieht.

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dd) Ergebnis zu den grundrechtlichen Schutzpflichten Den grundrechtlichen Schutzpflichten kann somit das „Ob“ einer Handlungspflicht des Staates entnommen werden. Ihr Aussagegehalt stößt jedoch im Hinblick auf das „Wie“ auf Grenzen, denn die Ausgestaltung und das Maß des Schutzes unterliegen weitgehend dem Ermessen und dem Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, der also auch eine private Kontrolle vorsehen kann. Mit dem klagbaren Individualanspruch kann letztlich nur eingefordert werden, dass der Staat „Vorkehrungen zum Schutz der Grundrechte trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind“ 91; er darf also nicht auf jegliche Tätigkeit zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter verzichten. Dies kann dahingehend zusammengefasst werden, dass mindestens ein staatliches Schutzkonzept vorhanden sein muss, das sowohl Art und Weise als auch Ausmaß des Schutzes regelt. Es ist zu verlangen, dass der Gesetzgeber sich seiner Schutzpflicht bewusst ist und Maßnahmen getroffen hat, die er aufgrund seiner Einschätzung als angemessen ansieht, um mit den entsprechenden Gefahren umzugehen und seine Schutzpflicht zu erfüllen. Bei Anlagen mit besonders hohem Gefährdungspotential besteht zudem eine Verpflichtung, eine präventive Kontrolle vorzusehen. Der Staat trägt jedenfalls eine Gewährleistungsverantwortung, aufgrund derer er die Grenzen der gesellschaftlichen Selbstregulierung vorgeben muss. 92 b) Die Perspektive der Antragsteller und Betreiber Neben dieser den Staat zu einer Verantwortungsübernahme verpflichtenden Funktion müssen die Grundrechte auch in ihrer klassischen Funktion als Abwehrrechte beachtet werden. Die Perspektive der Betrachtung wandert nunmehr zu der nächsten, noch offenen Ecke des Dreiecks aus Antragsteller, Betroffenem und Staat, das das Genehmigungsverfahren prägt.

91 BVerfGE 77, S. 170 (214 f.); Hesse, in: Benda / Maihofer / Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, § 5 Rn. 52. Hier ist zu berücksichtigen, dass unabhängig von dem tatsächlichen Inhalt der Schutzpflichten, der durchaus über diesen klagbaren Individualanspruch hinausgehen mag, die für den Gesetzgeber maßgebliche Grenze jeweils der klagbare Individualanspruch ist, der somit hier herangezogen wird. 92 Koch, Anlagenüberwachung im Umweltrecht, S. 261. So weist auch Lübbe-Wolff, in: Koch (Hrsg.): Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, S. 211 (226) darauf hin, dass eine grundrechtliche Problematik nur dann eintritt, wenn der Staat den Schutz der Umweltgüter gefährdet oder reduziert. Zur Ableitung einer Gewährleistungsverantwortung aus den grundrechtlichen Schutzpflichten s. auch Schmidt-Preuß, in: Kloepfer (Hrsg.): Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, S. 89 (94); ders., VVdStRL 56 (1997), 160 (196 f.), der dort auch konkrete Anforderungen an die Sachverständigen aus den Schutzpflichten ableitet. S. zu dem Verständnis der Grundrechte als Gewährleistungspflichten Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 149 ff.

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aa) Eingriff in die Rechte der Antragsteller und Betreiber durch Pflichtenstellung Die Elemente der Eigenverantwortung, die mit einer Verfahrensprivatisierung verbunden sind, können zu einer Belastung des Antragstellers führen. Zum einen wird er durch Verfahrenspflichten belastet, denn er muss letztlich das Verfahren selbst organisieren und die erforderlichen Nachweise in der geforderten Form beibringen. Zum anderen wird er auch dadurch belastet, dass die Rechtsstellung als Anlagenbetreiber ohne eine entsprechende Genehmigung weniger gesichert ist als die Rechtsstellung, die er durch Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit Bestandskraft erhält. In diesem Zusammenhang wird argumentiert, dass die staatliche Auferlegung von Verantwortung und damit die Abwälzung der staatlichen Erfüllungslast auf Private als Eingriff in die Grundrechte der als Verantwortungsträger vorgesehenen Privaten zu qualifizieren ist 93. Es wird eine Freiheitsgefährdung der von der Selbstregulierung Betroffenen angenommen. Diese Argumentation beruht darauf, dass ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechtes fällt, erlaubt und gegen staatliche Einschränkung geschützt ist, was grundsätzlich auch für Tätigkeiten gilt, die mit einer Nutzung der Umwelt verbunden sind. In diesem Fall sollen die Grundrechte auch vor staatlicherseits auferlegter Eigenverantwortung schützen. 94 Diese wird dementsprechend als rechtsfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff 95 und nicht als eine deklaratorische Bestätigung von – in die Verfassung hineininterpretierten – Verantwortungszurechnungen angesehen. 96 Allerdings beziehen sich die oben genannten Aussagen vor allem auf die Überwachung und damit die repressive Ebene, 97 so dass sich die Frage stellt, 93

So vor allem Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (258 ff.); Reinhardt, AöR 118 (1993), 617 (648). A. A. Steiner, DVBl. 1987, 1133 (1137). 94 Zu diesem Zusammenhang auch Höfling, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 155 (162). 95 An dieser Stelle wird beispielsweise die Pflicht des Betreibers, Sachverständige bzw. private Gutachter zu beauftragen und zu entlohnen, genannt, s. Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (259). Zu der Frage einer möglichen Entschädigung s. auch Steiner, DVBl. 1987, 1133 (1137). 96 Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (258). Dieser vergleicht dies mit der Übertragung von Aufgaben der Eigensicherung auf Private, so z. B. im Bereich des Luftverkehrs, s. dazu die Nachweise bei Di Fabio. Parallelen könnten dementsprechend auch zu der Verpflichtung von Kernkraftwerksbetreibern zur Sicherung von Kernkraftwerken gezogen werden, s. dazu Battis, in: Ossenbühl (Hrsg.): Deutscher Atomrechtstag 2002, S. 27 ff.; Huber, ZUR 2004, 1 ff.; Koch / John, DVBl. 2002, 1578 ff.; Leidinger, DVBl. 2004, 95 ff.; Ossenbühl, NVwZ 2002, 290 ff.; ders., NVwZ 2002, 1209 ff.; Sendler, DVBl. 2003, 380 ff.; ders., NVwZ 2002, 681 ff.; ders., NVwZ 2002, 1210 ff.; von Danwitz, Rechtsfragen terroristischer Angriffe auf Kernkraftwerke, 2002; ders., RdE 2002, 113 ff. S. auch die Darstellung der Argumentation bei Koch, Anlagenüberwachung im Umweltrecht, S. 262.

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ob und inwiefern sie auch für die präventive Ebene gelten. Denkbar wäre, die Perspektive zu ändern und bereits das präventive Verbot bzw. die Genehmigungspflichtigkeit als die eigentliche Belastung anzusehen. Dann würde die Tätigkeit zur Überwindung der präventiven Hürde keine eigene Belastung darstellen. Auf den ersten Blick erscheint es, als würde die obige Auffassung konsequenterweise auch in der vorliegenden Situation zu dem Ergebnis kommen, dass ein rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff vorliegt, denn auch hier wird eine grundsätzlich grundrechtlich geschützte Tätigkeit mit einer Pflichtenstellung verbunden, die über das Einhalten der materiellen Gesetze hinausgeht. Allerdings ist eine wesentliche Unterscheidung zu treffen. Für die präventive Konstellation kann als Anknüpfungspunkt für die Feststellung einer Belastung nicht auf den Status quo, d. h. die aktuelle Gestaltung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, zurückgegriffen werden. Zwar können auch aufgrund einfachgesetzlicher Ausgestaltung grundrechtlich geschützte Rechtspositionen entstehen, allerdings gilt dies nicht für den Antragsteller eines erst zukünftig zu betreibenden Genehmigungsverfahrens. Anderes mag im Fall der Überwachung gelten, da hier letztlich der Betrieb bereits genehmigt ist und darin eingegriffen wird. Insofern kann wohl auch die oben genannte Ansicht verstanden werden, wenn sie für die Feststellung eines Grundrechtseingriffs darauf verweist, dass Erfüllungslasten vom Staat auf den Privaten übertragen werden. 98 Dementsprechend stellt sich allein die Frage, ob die Verfahrenslasten vor der Aufnahme einer Tätigkeit, die einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, einen Grundrechtseingriff darstellen. Dies ist unmittelbar anhand der grundrechtlichen Schutzgewährleistungen zu beurteilen, wobei der Anlagenbetreiber den Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG genießt. Dabei ist zwischen den materiellen und den verfahrensrechtlichen Lasten zu differenzieren. Grundsätzlich stellen die den Betrieb der Anlage regelnden und im Genehmigungsverfahren zu überprüfenden Betreiberpflichten verfassungskonforme Beschränkungen der grundrechtlich geschützten Betätigung dar. Die Freiheit, einen umweltrechtlich relevanten Betrieb zu betreiben, korrespondiert gleichzeitig mit der materiellen Betreiberpflicht, die einschlägigen umweltrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Das Genehmigungsverfahren soll nur die Einhaltung dieser Beschränkungen gewährleisten. Allerdings schützen Grundrechte nicht nur vor materiellen, sondern auch vor formellen, verfahrensrechtlichen Belastungen; dabei handelt es sich um eine eigenständige Schutzgewährleistung. Insofern der Betreiber nun nicht mehr nur die allgemein bestehende Pflicht trifft, gesetzliche Vorgaben einzuhalten, sondern er diese Einhaltung der materiellen Betreiber97 So z. B. Pflichten an die Betriebsorganisation, wie die Stellung von Betriebsbeauftragten für bestimmte Fragen. 98 So Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (258).

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pflichten darüber hinausgehend auch nachweisen muss, besteht eine weitere, zusätzliche Belastung, so dass Eigenverantwortung und Selbstregulierung, die verfahrensrechtlich zu eigenständigen Lasten führen, als rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff angesehen werden können. Gestützt wird diese Ansicht dadurch, dass es sich bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung um eine gebundene Entscheidung handelt. 99 Es besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, auch die formellen Pflichten im Vorfeld der Erteilung einer Genehmigung bzw. zum Überwinden der präventiven Hürde als weitere Belastungen auf dem Weg zur Herstellung der grundrechtlich gewährleisteten Freiheit und damit als Grundrechtseingriff anzusehen. Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn gegen die Unterscheidung zwischen materiellen und formellen Anforderungen angeführt wird, dass die Betreiberpflichten zwingend die Verpflichtung des Betreibers mit einschließen, ihre zuverlässige Einhaltung selbst zu organisieren, und dies notwendigerweise auch eine Überwachung der Einhaltung enthält. Insofern wird die Eigenüberwachung als wesentliches Element der Erfüllung der materiellen Betreiberpflichten angesehen. 100 Allerdings kann dem nur entnommen werden, dass eine Betriebsorganisation, die die Einhaltung der materiellen Pflichten sicherstellt, zum Pflichtenkreis der Unternehmer gehört. 101 Die Vorgabe einer bestimmten Form der Betriebsorganisation stellt wiederum doch eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit dar, denn es kann kaum angenommen werden, dass nur diese eine, staatlicherseits vorgegebene Betriebsorganisation die Einhaltung der materiellen Anforderungen gewährleisten kann. Den Grundpflichten lassen sich 99 BVerwGE 97, S. 143 (148); Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 6 BImSchG Rn. 1; Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 26; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 170; Sandner, Investitionserleichterung und kommunale Planungshoheit, S. 111 f.; a. A. letztlich vor dem Hintergrund bestehender Gestaltungsspielräume der Exekutive Wasielewski, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 6 Rn. 8; Wolf, Umweltrecht, Rn. 897; differenzierend Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung, S. 300, 336 f. Allerdings wird zu Recht (wenn auch für die Regelung des UGB) darauf hingewiesen, dass die einzelnen Voraussetzungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu Gestaltungsspielräumen für die Verwaltung führen (s. dazu Wickel, UPR 2000, 92 (96 ff.). 100 S. zu diesen Ausführungen Koch, Anlagenüberwachung im Umweltrecht, S. 262, 263; das gleiche Verständnis hinsichtlich des Umfangs der Betreiberpflichten hat wohl auch Hansmann, in: Rengeling (Hrsg.): Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, S. 207 (208 und 217), der zu dem Verantwortungsbereich des Unternehmers auch die Überwachung der Betriebsweise sowie die Ermittlung der Emissionen rechnet; er spricht von einer umfassenden Verantwortung des Unternehmers für die Einhaltung der umweltrechtlichen Anforderungen, und entsprechend dieser Verantwortung müsse er den Betrieb ständig überwachen und die Betriebsorganisation so gestalten, dass allen Anforderungen jederzeit genügt werde. 101 S. Hansmann, in: Rengeling (Hrsg.): Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, S. 207 (217).

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in ihrer derzeitigen Form keine formellen bzw. verfahrensrechtlichen Verpflichtungen zum Nachweis ihrer zukünftigen Einhaltung im Vorfeld der Genehmigungserteilung entnehmen, so dass diese als eigenständige Grundrechtseingriffe anzusehen sind. Es handelt sich also um formelle Verpflichtungen, die über die mit den materiellen Betreiberpflichten verbundene Einschränkung der Rechtsposition hinausgehen. Dabei handelt es sich hier nicht um eine Verpflichtung zur Einhaltung, sondern zum Nachweis. Dementsprechend hat die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht zugunsten der Betroffenen im Rahmen der Verfahrensprivatisierung gleichzeitig einen Grundrechtseingriff zu Lasten der Anlagenbetreiber zur Folge. Hier aktualisiert sich das verfassungsrechtliche Spannungsfeld zwischen den Grundrechten der Betreiber auf der einen Seite und den Grundrechten der Betroffenen sowie der Staatszielbestimmung Umweltschutz auf der anderen Seite. 102 Die Erfüllung der Schutzpflicht, die von dem Untermaßverbot gefordert wird, führt gleichzeitig zu einem Grundrechtseingriff zu Lasten der Antragsteller und Anlagenbetreiber, der begrenzt wird durch das Übermaßverbot. Diese Situation ergibt sich daraus, dass gerade das grundrechtlich geschützte Handeln der Anlagenbetreiber die Gefährdung verursacht und damit die Schutzpflichten auslöst. Der Konflikt zwischen den Grundrechten sowie dem Unter- und dem Übermaßverbot muss im Wege der praktischen Konkordanz gelöst werden. Dabei erscheint die Einführung von Elementen der Verfahrensprivatisierung, insbesondere von einem Sachverständigenmodell, als sachgerechte Lösung dieser Konfliktlage. Die Belastung der Anlagenbetreiber dient verfassungsrechtlich nicht nur legitimen, sondern positiv zu beurteilenden Zielen und erscheint als verhältnismäßig. Diese schaffen letztlich eine Gefahrenquelle, und da scheint es unproblematisch, dass diese Gefahrenquelle gleichzeitig zu einer Quelle von Verpflichtungen der Anlagenbetreiber wird. Zudem liegt die eigentliche Belastung auf materieller Ebene. Zwar schützen die Grundrechte vor einer eigenständigen Auferlegung von Eigenverantwortung bzw. verfahrensrechtlichen Lasten. Allerdings erscheint dies als wenig grundrechtsintensiv, zumal es primär um die Einhaltung der materiellen Pflichten und deren Nachweis geht, was insbesondere angesichts des Gefahrenpotentials ohne weiteres gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus erscheint die Nutzung von Eigenverantwortung im Vergleich zum direkten Gebot als milderes Mittel, selbst wenn der Private nicht aus freien Stücken in die Verantwortungsposition gerät. 103 Angesichts der grundrechtlichen Bedeutung von Privatisierungsmaßnahmen ist es erforderlich, dass sie gesetzlich geregelt werden. 104 102

S. dazu Koch, Anlagenüberwachung im Umweltrecht, S. 258. Schmehl, in: Lange (Hrsg.): Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 191 (198). 104 Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 38. 103

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bb) Anspruch auf die mit einer Genehmigung verbundene Rechtsposition Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch der Betreiber darauf, dass der Staat weiterhin die Möglichkeit eröffnet, eine staatliche Genehmigung als umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt zu bekommen. Ein dahingehendes Interesse der Anlagenbetreiber könnte aus der damit verbundenen gesicherten Rechtsposition, also dem Bestandsschutz, sowie der Gewähr dafür, dass ihr Vorhaben zumindest im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung mit den einschlägigen Vorschriften übereinstimmt, resultieren. Insofern könnte argumentiert werden, dass auch einem Antragsteller ein Grundrechtsschutz durch Verfahren zukommt, zumal er durch Art. 12 und Art. 14 GG geschützt wird. 105 Angesichts der Einschränkung des Bestandsschutzes durch die dynamischen Grundpflichten kann das Interesse daran keine derart weitgehende Rechtsfolge entfalten. Auch das Interesse an einer gesicherten Rechtsposition führt nicht zu einer Verpflichtung des Staates, eine Serviceleistung „Genehmigung“ vorzuhalten bzw. anzubieten. Allenfalls kann dies die staatliche Klärung von Teilaspekten erfordern, nicht allerdings eine umfassende Kontrolle, zumal die Prozessrisiken im Zweifel daraus resultieren, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Stellung des Betreibers so nachteilig ist, dass die Grundrechte den Staat zu einer weitergehenden Tätigkeit verpflichten. Der Staat ist allerdings unzweifelhaft verpflichtet, einen verfahrensrechtlichen Weg bereitzustellen, um die grundrechtliche Freiheit des Antragstellers wieder herzustellen. Er ist allerdings weder, genauso wie im Fall des Betroffenen, verpflichtet, das Verfahren als staatliches auszugestalten noch die Freiheitsausübung durch eine gesicherte Rechtsposition flankierend zu begleiten. c) Zusammenfassung Den Grundrechten lässt sich ein essentieller Mindeststandard verfahrensrechtlicher Vorkehrungen entnehmen. Der Staat muss die subjektiven Rechte und sonstigen schützenswerten Positionen Drittbetroffener wahren, wie sie in den Grundrechten auf Leben, Gesundheit und Eigentum verbürgt sind. 106 Vor diesem Hintergrund darf es der Staat nicht dem Zufall überlassen, ob der materielle Standard, den er für Anlagen mit Gefahrenpotential definiert hat, auch tatsächlich erreicht wird. Verfassungsrechtlich gefordert ist ein Schutzkonzept, er hat also keinen Spielraum hinsichtlich des „Ob“ einer schützenden Tätigkeit. 105 106

Held, UPR 1999, 210 (210 ff.). Lautner, VR 1999, 37 (43).

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Diesem Erfordernis eines Schutzkonzeptes können allerdings nur wenig konkrete Aussagen entnommen werden. Jedenfalls existieren gute Gründe dafür, eine Verpflichtung zur Einrichtung präventiver Kontrollverfahren anzunehmen. Diese muss der Staat allerdings nicht in Eigenregie durchführen, sondern kann diese Aufgaben auch Privaten übertragen. Für diesen Fall trifft ihn allerdings eine Gewährleistungsverantwortung 107 und eine Pflicht zur Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts, d. h. er muss bestimmte Vorkehrungen treffen, die einen qualitativen Mindeststandard der privaten Aufgabenerfüllung und damit die Sicherung der Schutzgegenstände der Grundrechte hinreichend gewährleisten.

2. Die Staatsaufgaben Der Begriff der „Staatsaufgabe“ suggeriert, dass der Staat die betreffende Aufgabe selbst durchführen muss. In diese Richtung geht auch die folgende Aussage: „Der Staat ist verpflichtet, eigene Aufgaben mit eigenen Mitteln wahrzunehmen“. 108 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die Qualifikation einer Aufgabe als Staatsaufgabe auf die Möglichkeiten ihrer Privatisierung auswirkt. Das System der Staatsaufgaben ist im heutigen liberalen und sozialen Rechtsstaat als grundsätzlich offen anzusehen. Eine Aufgabe ist nur dann als Staatsaufgabe anzusehen, wenn der Staat sie durch eine hoheitliche Entscheidung, insbesondere durch Gesetz, in seine Zuständigkeit übernommen hat 109 oder diese Zuständigkeit sich unmittelbar aus dem Grundgesetz 110 ergibt. Staatsaufgaben sind also solche, die der Staat nach der jeweils geltenden Verfassungsordnung zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt; die Verfassung muss den Staat dazu verpflichten oder berechtigen, auf die Aufgabe zuzugreifen. 111 Somit ergeben 107

Zur Ableitung einer Gewährleistungsverantwortung aus den Grundrechten s. auch Hösch, WiVerw 2000, 159 (165). 108 Gusy, DÖV 1996, 573 (582). 109 Meyer-Teschendorf / Hofmann, DÖV 1997, 268 (270); Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 31; Pabst, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung im Fernstraßenbau, S. 61. Diese Möglichkeit des Staates, eine Aufgabe zu einer Staatsaufgabe zu machen, kann auch als Kompetenz-Kompetenz bezeichnet werden, vgl. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 14. Zu der Bindung dieser Kompetenz-Kompetenz siehe Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 48 f. 110 Das Grundgesetz selbst enthält keine positive abschließende Bestimmung der Staatsaufgaben. Eine Verfassung kann keine geschlossene Ordnung sein, da es unmöglich ist, Antworten auf alle Fragen des Gemeinwohls bereitzuhalten, Stern, Staatsrecht, Band I, S. 83. 111 Ossenbühl, VVdStRL 29 (1971), 137 (153) mit umfangreichen weiteren Nachweisen. Mit Hinweisen auf die dabei einzuhaltenden Grenzen Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 73 Rn. 13; Bauer, VVdStRL 54 (1995), 244 (250); Voß-

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sich erste rechtliche Konturen dieses Begriffes aus der Verfassung. Entsprechend dieser Betrachtung ist der Begriff der „Staatsaufgabe“ in erster Linie ein formaler Begriff. 112 Nicht zuletzt aufgrund der Weite und Offenheit des Begriffs kann aus der Qualifikation als Staatsaufgabe noch keine Aussage über die Zulässigkeit einer Privatisierung abgeleitet werden. Der Begriff der Staatsaufgabe verhält sich neutral zur Frage der Privatisierung. 113 Daneben ist Voraussetzung und Kriterium dafür, dass eine Aufgabe zu einer Staatsaufgabe werden kann, das Vorliegen eines öffentlichen Interesses und damit einer öffentlichen Aufgabe. 114 Ein solches rechtfertigt aber noch nicht den Schluss auf eine staatliche Aufgabe und schon gar nicht den Schluss auf eine obligatorische Staatsaufgabe 115. Vielmehr bestimmt es nur die legitimen Ziele und Gründe staatlichen Handelns, die allerdings auch privatem Handeln zugänglich sind. 116 Das Ausmaß des betroffenen öffentlichen Interesses dient als Maßstab dafür, welche öffentlichen Aufgaben zu Staatsaufgaben gemacht werden sollten. 117 Allerdings lässt sich auch aus diesem vorgelagerten Aspekt keine Aussage zur Privatisierung entnehmen, zumal Aufgaben von großem öffentlichen Interesse bereits heute ausschließlich durch Private erfüllt werden. 118 a) Die Kategorie der sogenannten „notwendigen“ Staatsaufgaben Da die mangelnde Aussagekraft auch mit der Weite des Begriffes zusammenhängt, werden die Staatsaufgaben weiter differenziert. So findet sich eine kuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (275). Zu dem Spielraum des Gesetzgebers zwischen einem „Zuviel“ und einem „Zuwenig“ Häberle, AöR 111 (1986), 595 (604). 112 Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 47. Korioth, DÖV 1996, 665 (673) bezeichnet den Begriff in erster Linie als deskriptiv. 113 Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 31. 114 Zu diesem Verständnis des Begriffes der öffentlichen Aufgabe s. Pabst, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung im Fernstraßenbau, S. 60. 115 Für das Baurecht Korioth, DÖV 1996, 665 (673); vgl. allgemein Peters, FS Nipperdey II, 1965, S. 877 (878 ff.), der die Staatsaufgabe nach der Maßgabe bestimmt, wie sich der Staat einer Aufgabe von öffentlichem Interesse annimmt. 116 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 73 Rn. 12. Insofern rechtfertigt das öffentliche Interesse ein Tätigwerden des Staates, vgl. Pabst, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung im Fernstraßenbau, S. 61. Auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 79 nennt das Vorliegen von öffentlichen Aufgaben als Voraussetzung für die Annahme einer Staatsaufgabe. 117 Peters, FS Nipperdey II, S. 877 (879). 118 Beispielsweise die Energieversorgung sowie allgemein ein Großteil der Versorgungsaufgaben.

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Unterscheidung zwischen notwendigen, zulässigen und unzulässigen Staatsaufgaben. 119 Daneben wird auch unterschieden zwischen den ausschließlichen, den konkurrierenden und den obligatorischen Staatsaufgaben. 120 Diese letzte Unterscheidung erscheint für die vorliegende Untersuchung geeignet, da die Begriffe der konkurrierenden 121 und der obligatorischen 122 Staatsaufgabe als geeignet erscheinen, ein Zusammenspiel aus staatlicher und privater Tätigkeit im Rahmen der Staatsaufgabenlehre zu verankern. Als Grenze einer Privatisierung kommt in erster Linie die Kategorie der notwendigen oder ausschließlichen Staatsaufgaben in Betracht. 123 Diese Kategorie soll einen „Kernbestand“ staatlicher Aufgaben 124 beinhalten, der einer Privatisierung nicht zugänglich ist. 125 Zu ihm werden insbesondere die Bereiche Justiz, Militär (äußere Sicherheit), auswärtige Angelegenheiten, Finanzverwaltung sowie – zumindest im Grundsatz – auch der Bereich der inneren Sicherheit bzw. der polizeilichen Gefahrenabwehr gezählt. 126 Jedenfalls muss die Erfüllung wesentlich und notwendig durch Einsatz des staatsvorbehaltenen Mittels des 119

S. Gusy, DÖV 1996, 573 (574). S. Pabst, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung im Fernstraßenbau, S. 62 ff. 121 Staat und Private werden in identischen Lebensbereichen tätig, der Staat tritt nur ordnend oder unterstützend, fördernd oder abwehrend zu individuellen und sozialen Lebensäußerungen hinzu, s. auch Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 255 (in Abgrenzung zu den ausschließlichen Staatsaufgaben). 122 Der Staat muss für die Erfüllung sorgen; es besteht keine zwingende Vorgabe im Hinblick auf das „Wie“. 123 Diese werden auch unterschiedlich bezeichnet, s. dazu Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 24 sowie S. 32. Auch das BVerfG spricht von der Existenz von Staatsaufgaben, die ihrem Wesen nach nur von Staatsorganen wahrgenommen werden können, BVerfGE 30, S. 292 (311); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 22 bezeichnet diese als genuine Staatsaufgaben; so auch Hengstschläger, VVdStRL 54 (1995), 165 (174 f.). 124 Dieser Kernbereich ist von dem Kernbereich einer Staatsaufgabe zu unterscheiden, der den Umfang bzw. Bestandteil einer konkreten Staatsaufgabe kennzeichnet, der in den Händen der staatlichen Verwaltung bleiben muss, s. dazu Durner, VerwArch 96 (2005), 18 (32 f.). 125 Die Existenz eines derartigen Kernbestands wird in der Lit. verbreitet angenommen, s. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 32 mit umfangreichen Nachweisen; Scholz, NJW 1997, 14 (15) spricht von originären Staatsaufgaben und einem „hoheitlichen Funktionsbereich“; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 53; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 73 Rn. 27, 29; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 255. 126 Vgl. Schoch, DVBl. 1994, 962 (963); Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 37 f., s. auch Groß, Die Privatisierung ordnungsrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren auf der Grundlage des Öko-Audit-Systems, S. 75. Ähnlich nimmt die BReg als Kernbereich der alleinigen Verantwortung des Staates dessen Verpflichtung an, Freiheit und Sicherheit der Bürger zu schützen, und zählt zu diesem Bereich in einer beispielhaften Aufzählung die innere Sicherheit, den Rechtsschutz und die Finanzverwaltung, Bun120

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physischen Zwangs geprägt sein. 127 Dann müssen für diese Aufgaben vom Staat Lösungen angeboten werden, damit er seine Staatsqualität nicht verliert, denn die Ausübung von Staatsgewalt stellt ein Wesensmerkmal des Staates dar. 128 Allerdings erscheint es problematisch, einen staatlichen Aufgabenbestand unter Rückgriff auf ein bestimmtes Staatsbild zu fixieren, ohne dies normativ im Grundgesetz zu verankern. Insbesondere ist zu hinterfragen, ob das staatliche Gewaltmonopol tatsächlich eine unmittelbare Wahrnehmung dieser Aufgaben verlangt oder ob hier nicht ein der Verfassung vorgelagertes Verständnis dazu herangezogen wird, die staatliche Handlungsfreiheit zu beschränken. Besonders ist es vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips fragwürdig, den Staat auf bestimmte Aufgaben zu verpflichten, zumal die demokratische Grundlegung die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft und damit das Grundaxiom einer Staatsaufgabenlehre in Frage stellt. 129 Zudem besteht in Form der Verfassung eine positivrechtliche Verankerung der Rechte bzw. Befugnisse und Pflichten des Staates gegenüber den Bürgern. 130 Daher erscheint es problematisch, einen zwingenden Aufgabenbestand außerhalb der Verfassung zu begründen, wenn der Verfassungsgeber selbst die Notwendigkeit gesehen hat, bestimmte Aufgaben und ihre Wahrnehmung in der Verfassung selbst zu regeln. 131 Daher ist desministerium des Inneren (Hrsg.): Moderner Staat-Moderne Verwaltung, S. 8. Diese Auffassung wird aber dann fragwürdig, wenn dazu, wie nach v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private S. 22 [ebenso Hengstschläger, VVdStRL 54 (1995), 165 (174)], die Währungshoheit zählen soll, aber die Übertragung dieser Währungshoheit auf die Europäische Union offensichtlich die Staatsqualität der Bundesrepublik Deutschland nicht berührt hat. Zur Staatsaufgabe Sicherheit im Kontext der Diskussion um die grundrechtlichen Schutzpflichten siehe Calliess, JZ 2006, 321 (324). 127 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 73 Rn. 27. 128 Groß, Die Privatisierung ordnungsrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren auf der Grundlage des Öko-Audit-Systems, S. 75; Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 149 f.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 22; Kirchhof, Der Begriff der hoheitsrechtlicher Befugnisse, S. 111; a. A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 47, der eine Privatisierung auch in diesem Bereich als zumindest nicht generell verboten ansieht. Grundsätzlich bestehen an einer derartig generellen Aussage Zweifel, denn fraglich ist, wieso die Staatsqualität allein aus der unmittelbaren Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bestehen soll und nicht auch dadurch erfüllt sein kann, dass der Staat primär regulierend und kontrollierend tätig wird. 129 Köck, AöR 121 (1996), 1 (13). 130 Köck, AöR 121 (1996), 1 (13). So sieht Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders.: Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159 (187) die Grundrechte als Aufgabennormen für die Staatsgewalt. 131 Zu der Kritik vgl. Köck, AöR 121 (1996), 1 (13 f.). Das GG hat die Notwendigkeit der Regelung sowohl des „Ob“ als auch des „Wie“ einer Aufgabenwahrnehmung gesehen und dementsprechende Regelungen getroffen. Daher erscheint es unter methodischen Gesichtspunkten problematisch, weitere zwingende Staatsaufgaben außerhalb der Verfassung zu begründen, denn die Regelung von Staatsaufgaben im GG dürfte dafür sprechen, dass das, was nicht geregelt ist bzw. keinen Niederschlag in der Verfassung

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die Kategorie der „notwendigen“ Staatsaufgaben im Folgenden nur insofern zu Grunde zu legen, als dass der Staat zur Erfüllung der Aufgaben auch aufgrund der Verfassung verpflichtet ist. 132 b) Umweltschutz und Genehmigungsverfahren als Staatsaufgabe Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren dient der Erfüllung von zwei Aufgaben, und zwar dem Schutz der Umwelt und der Gewährleistung der Sicherheit der von den potentiellen Auswirkungen der Anlage Betroffenen. Beide Aufgaben liegen im öffentlichen Interesse. Die Qualifikation des Umweltschutzes als Staatsaufgabe ergibt sich aus der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG 133 sowie aus den Grundrechten als Schutzpflichten. 134 Darüber hinaus ergibt sich dies auch aus der Existenz des BImSchG, da sich in diesem die Entscheidung des Gesetzgebers dokumentiert, diese Aufgabe als staatliche anzusehen, was sich auch eindeutig aus der Zweckbestimmung in § 1 BImSchG ergibt. Die Staatsaufgabe Umweltschutz umfasst dabei sowohl Prävention als auch Vorsorge. 135 Auch die Gewährleistung der Sicherheit kann als Staatsaufgabe angesehen werden. 136 Vorliegend geht es um einen Unterfall der Sicherheitsgewährleistung, gefunden hat, eben gerade keine zwingende Staatsaufgabe sein soll. Allerdings weist Köck darauf hin, dass das Grundgesetz die Ergebnisse der Staatszwecklehre bestätige. Zudem wurde bereits oben dargelegt, dass im Hinblick auf die mögliche Wahrnehmung von Staatsaufgaben eine Verfassung keine abschließende Normierung enthalten kann, da die eventuell erforderlichen Aufgaben nicht absehbar sind (vgl. Fn. 109). Die Möglichkeit der Wahrnehmung ist aber von der Verpflichtung zur Wahrnehmung zu unterscheiden. 132 Zu der Verfassung als Grundlage für die Bestimmung der Staatsaufgaben s. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 99 ff., 114 ff.; Korioth, DÖV 1996, 665 (673); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 194; Häberle, AöR 111 (1986), 595 (600); Köck, AöR 121 (1996), 1 (13); s. dazu auch Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 54, der allerdings gleichzeitig auch zutreffend darauf hinweist, dass mangels konkreter Vorgaben des Grundgesetzes es bei der Ableitung der Staatsaufgaben aus dem Grundgesetz in erheblichem Umfang auf die Vorstellungen des Rechtsanwenders ankommt. 133 S. zu der Staatsaufgabe Umweltschutz auch schon vor Existenz des Art. 20a GG Wahl / Appel, in: Wahl (Hrsg.): Prävention und Vorsorge, S. 1 (19 ff.). 134 S. dazu oben unter 1. a. Zu der Möglichkeit der Ableitung von Staatsaufgaben aus den grundrechtlichen Schutzpflichten s. auch Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Vor Art 1 Rn. 37 f. 135 S. zu der Entwicklung „von Gefahrenabwehr und Schadensbeseitigung zu Prävention und Vorsorge“ als Staatsaufgabe Wahl / Appel, in: Wahl (Hrsg.): Prävention und Vorsorge, S. 1 (13 ff.). 136 S. dazu Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 35 ff.; Link, C., VVdStRL 48 (1990), 10 (27 ff.); Ress, G., VVdStRL 48 (1990), 50 (83 ff.); Gramm,

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und zwar die präventive Gefahrenabwehr. Die Aufgabe des Staates besteht darin, die Einhaltung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Der Gegenstand der Aufgabe sind vorliegend die mit der Technik verbundenen Risiken, und der Staat hat sich um diese zumindest insofern zu kümmern, als ihnen die Möglichkeit der Entstehung von Schäden innewohnt. 137 Neben der Begründung aus staatstheoretischen Erwägungen wird die Staatsaufgabe Sicherheit auch aus der Schutzdimension der Grundrechte abgeleitet. 138 Gleichzeitig wird die Gefahrenabwehr auch als notwendige Staatsaufgabe angesehen 139. Dies wird aus dem Gewaltmonopol abgeleitet, 140 weshalb gleichzeitig angenommen wird, dass es sich nur insofern um eine notwendige Staatsaufgabe handelt, als eine Durchsetzung mit Mitteln des Befehls oder Zwangs erfolgt. 141 c) Die Wahrnehmung von Staatsaufgaben Während oben die Aufgabe der Gewährleistung eines bestimmten Schutzniveaus an sich und die Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung als solches (das „Ob“) erörtert worden ist, geht es nunmehr um die Modalitäten ihrer Wahrnehmung, d. h. das „Wie“, also insbesondere darum, ob ein präventives Kontrollverfahren als Instrument der Aufgabenwahrnehmung durch den Staat selbst oder auch durch Private durchgeführt werden kann. 142 Es stellt sich die Frage, ob die Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 395 ff.; Nitz, Private und öffentliche Sicherheit, S. 51 f.; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 44 ff.; Bethge, DVBl. 1989, 841 (849) (dort auch zu der Verknüpfung mit den grundrechtlichen Schutzpflichten); Krölls, NVwZ 1999, 233 (234). 137 Degenhart, NJW 1989, 2435 (2438); Grawert, FS Broermann, S. 457 (458); Ipsen, VVdStRL 48 (1990), 177 (178); Kirchhof, NVwZ 1988, 97 ff.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 101; Pitschas, DÖV 1989, 785 (786). Der Staat muss, soweit ihm dies möglich ist, jedenfalls die Rahmenbedingungen der technischen Entwicklung schaffen bzw. vorgeben, s. Ronellenfitsch, DVBl. 1989, 851 (855). 138 Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Vor Art. 1 Rn. 37; Köck, AöR 121 (1996), 1 (13 ff.), dort auch zu Überlegungen, diese Staatsaufgaben mit dem Ingerenzgedanken zu begründen, was allerdings zum Teil auch als Argument zur Begründung der Schutzpflichten dient und zudem in seinen einzelnen Ausprägungen hier nicht einschlägig ist. 139 Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 37 f.; Mahlberg, Gefahrenabwehr durch gewerbliche Sicherheitsunternehmen, S. 66 ff.; Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 99 ff.; Korioth, DÖV 1996, 665 (673); Krölls, NVwZ 1999, 233 (234 f.). 140 S. zu dieser Argumentation auch Gusy, DÖV 1996, 573 (575 ff.). Zu dem Gewaltmonopol als Privatisierungsschranke s. auch Krölls, NVwZ 1999, 233 (233 f.). 141 Korioth, DÖV 1996, 665 (673); vgl. auch BVerfGE 73, S. 280 (294), nach dem originäre Staatsaufgaben dann vorliegen, wenn sie nach der geltenden Rechtsordnung hoheitlich ausgestaltet sein müssen. 142 Vgl. zu dieser Unterscheidung Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 195 f.; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit,

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Verfassung über die Qualifikation als Staatsaufgabe hinaus auch Vorgaben für die Wahrnehmung der Staatsaufgabe macht und damit eine Privatisierungsschranke enthält. Dabei bedeutet die Verpflichtung zu einer „staatlichen“ Wahrnehmung nicht zwingend die Verpflichtung zu einer ausschließlich staatlichen Tätigkeit. Vielmehr schließt auch die Qualifikation als notwendige Staatsaufgabe nicht jede Beteiligung Privater an ihrer Wahrnehmung aus. So mag eine notwendige Staatsaufgabe zwar unverzichtbar sein, allerdings folgt daraus nicht unbedingt ein staatliches Wahrnehmungsmonopol. 143 Nicht ausreichend begründbar und daher als unzutreffend erscheint es, aus dem Charakter der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit als definitiver, originärer Staatsaufgabe eine prinzipielle Verpflichtung des Staates abzuleiten, diese Aufgabe selber auszuführen. 144 Vielmehr findet sich bereits heute in zahlreichen Bereichen eine Dualität der Aufgabenwahrnehmung. 145 So wird in der Regel auch lediglich festgestellt, dass der entsprechende Bereich zumindest einer generellen Privatisierung nicht zuS. 54 f., der hier die Begriffe Gewährleistungsverantwortung und Eigenwahrnehmungsverantwortung unterscheidet. 143 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 261 (275); s. für den Bereich der inneren Sicherheit Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 29; ders., VerwArch 90 (1999), 329 (332), der darauf hinweist, dass eine Verpflichtung zur exklusiven Aufgabenwahrnehmung aus der Verfassung abgeleitet werden müsse; Köck, AöR 121 (1996), 1 (20 f.). S. auch Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 102, der darauf hinweist, dass die Notwendigkeit einer staatlichen Aufgabe nicht zwingend bedeutet, dass ein Privater aus eigenem Recht auf diesen Gebieten nicht tätig werden dürfe. Nicht ganz eindeutig Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 196, der zwar auch eine funktionale Privatisierung im Rahmen einer obligatorischen Staatsaufgabe als zulässig ansieht, allerdings nur in engen Grenzen. 144 So Krölls, NVwZ 1999, 233 (234); Scholz, FS Friauf, S. 439 (445 f.). Dabei wird lediglich nebulös von einer Aufgabenverantwortung des Staates gesprochen und keine Begründung dafür angeführt, warum die Durchführung der Aufgabe bei gleichzeitiger Ausübung einer Gewährleistungsverantwortung durch den Staat nicht in die Hände Privater gelegt werden darf. 145 So Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 29; s. dazu auch Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.): Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11 (16 ff.), der dieses Phänomen auch ausdrücklich in den Zusammenhang mit Staatsentlastung und Deregulierung stellt; s. auch Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 73 Rn. 27. Ein Beispiel für die Einschaltung Privater in staatliche Aufgaben ist die Mitwirkung Privater in Gestalt privater Sicherheitsdienste, s. Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (275); s. dazu Huber, Wahrnehmung von Aufgaben der Gefahrenabwehr durch das Sicherheits- und Bewachungsgewerbe, S. 127 ff.; Gusy, DÖV 1996, 573 (581); Pitschas, Polizei- und Sicherheitsgewerbe, S. 34 ff., 117 ff., 177 ff. Selten erwähnt in diesem Zusammenhang, aber die Zusammenhänge ebenso deutlich, wenn nicht sogar deutlicher aufzeigend, ist auch die Inpflichtnahme von Kernkraftwerksbetreibern für die Sicherheit der Kernkraftwerke. Insofern handelt es sich um eine Sicherungsaufgabe vor dem Hintergrund eines beträchtlichen Schadenspotentials, und diese Aufgabe wird dadurch erfüllt, dass Private in die Pflicht genommen werden. S. dazu die Nachweise in Fn. 96.

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gänglich ist. 146 Aber dies impliziert ebenfalls, dass eine teilweise Privatisierung und damit eine Mitwirkung Privater auch an Kernaufgaben des Staates keineswegs ausgeschlossen sind. 147 Es ist vielmehr kaum eine Aufgabe feststellbar, in der den Staat notwendig die volle Erfüllungsverantwortung trifft. 148 Daraus wird allgemein eine Einstandsverantwortung des Staates geschlossen, derzufolge der Staat in den Schranken des Verfassungsrechts dort tätig werden muss, wo Gemeinschaftsgüter sonst ohne ein Minimum an Schutz blieben. Damit ist aber weder die Art staatlichen Tätigwerdens noch die Auswahl der Regelungstechniken fixiert. 149 Dementsprechend bleibt festzuhalten, dass eine derartige gegenstandsbezogene Betrachtung zwar gewisse Aussagen über das „Ob“ einer staatlichen Wahrnehmung, aber nur geringe Aussagen darüber ermöglicht, wie die entsprechende Aufgabe erfüllt werden soll. 150 Aus der Qualifikation als Staatsaufgabe allein kann in der Regel nicht darauf geschlossen werden, wie eine Aufgabe erfüllt werden soll oder muss. Und auch die Qualifikation als notwendige Staatsaufgabe hat nicht zwingend eine rein staatliche Wahrnehmung zur Folge. 151 Eine Durchführung in Eigenregie kann vornehmlich bei einer ausdrücklichen Bestimmung des GG sowie für den Fall der Ausübung physischen Zwangs als Gegenstand der staatlichen Handlungen begründet werden. 152

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Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 37 f. Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (275). Gusy, DÖV 1996, 573 (583) spricht davon, dass die Einbeziehung Privater in die Erfüllung staatlicher Aufgaben nicht von vorneherein völlig ausgeschlossen ist, und verweist auf die Instrumente der Beleihung und der Inpflichtnahme. Das Urteil BVerwGE 206, S. 64 (77) weicht hiervon nicht ab, denn es hat eine Übertragung von staatlichen Aufgaben auf eine Selbstverwaltungskörperschaft zum Gegenstand. Problematisch ist hier die Übertragung von einer weitreichenden inhaltlichen Entscheidungsgewalt ohne ausreichende demokratische Legitimation. Die Annahme, dass eine Übertragung von Aufgaben auf Private möglich ist, gilt selbstverständlich nur unter den Einschränkungen des Demokratieprinzips. 148 Wie auch kaum eine Aufgabe vorstellbar ist, in der der Staat keine Mitsprachemöglichkeit besitzt, Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 80; Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (275) m.w. N.; Gusy, DÖV 1996, 573 (581). 149 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 81. 150 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 26 (275); detailliert zum Grad der staatlichen Aufgabenerfüllung und zum Mangel an zwingenden Kriterien Herzog, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 72 Rn. 32 ff. 151 S. dazu bereits oben sowie die Nachweise in Fn. 144. Dies wird bestätigt durch die derzeitige Wahrnehmung „notwendiger“ Staatsaufgaben. S. dazu auch Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 73 Rn. 34; Herzog, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 72 Rn. 32 ff. 152 S. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 209; dazu auch Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 95 ff. 147

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Allerdings folgt aus der Qualifikation als Staatsaufgabe auch, dass der Staat die Aufgabe nicht einer rein privaten Selbstregulierung überlassen und darauf hoffen darf, dass das Ergebnis gemeinwohlkonform sein wird. Es besteht vielmehr eine Verpflichtung zur Tätigkeit, die dabei auch insofern eine inhaltliche Komponente aufweist, als die Tätigkeit zumindest dem Grunde nach darauf gerichtet sein muss, ein gemeinwohlkonformes Ergebnis 153 bei der Wahrnehmung der Aufgabe zu erzielen. Der Staat kann wegen seiner umfassenden Rechtsbindung nicht mehr beliebig über die Aufgaben disponieren und sich ihrer ohne Weiteres folgenlos entledigen, die ihm normativ zugewiesen sind oder die er in rechtlich zulässiger Weise übernommen hat. Daher besteht eine Aufgabenverantwortung, die vorliegend als Gewährleistungsverantwortung anzusehen ist. 154 Der Staat muss zu ihrer Wahrnehmung Regeln und Institutionen schaffen, die seiner Ansicht nach geeignet sind, diesen Anforderungen gerecht zu werden; er muss die Erfüllung der Aufgabe gewährleisten, ohne dass er die dafür erforderlichen Leistungen selbst erbringen bzw. die Tätigkeiten selbst durchführen muss. Somit trifft den Staat zwar keine Erfüllungsverantwortung, die Einbeziehung von Privaten ist zulässig. Aber auch die Annahme einer Gewährleistungsverantwortung bedarf einer Ableitung aus den verfassungsrechtlichen Bestimmungen. In diesem Zusammenhang werden die verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien des sozialen und demokratischen Rechtsstaats sowie die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates angeführt. 155 Gleichzeitig erscheint es auch, wie bereits angedeutet, unter dem Aspekt des Demokratieprinzips sinnvoll und sachgerecht, keine weitere Bindung des Gesetzgebers als eine Gewährleistungsverantwortung vorzusehen, denn der demokratisch legitimierte Gesetzgeber kann nicht an die einmal gewählte Form der Aufgabenwahrnehmung gebunden sein. Falls er eine andere als besser oder gleich geeignet, aber aus anderen Gründen als vorteilhaft erachtet, muss er die Möglichkeit haben, die Form der Aufgabenerfüllung im Rahmen der von der Verfassung gesetzten Grenzen, aber auch nur diesen, zu wechseln. An dieser Stelle ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass eine Verfahrensprivatisierung nicht auf den Abbau materieller Standards zielt. Es geht vorliegend lediglich um die Einbindung Privater zwecks besserer Aufgabenerfüllung. Dabei 153 Dies ist von dem Ansatz zu unterscheiden, dass der Aufgabenbestand über den Gemeinwohlbegriff erschlossen werden soll, s. zu diesem Ansatz auch Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (273) mit Nachweisen, insbesondere auch zu der Tauglichkeit dieses Begriffes als Kriterium für eine Aufgabenunterscheidung. 154 Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (268). Mit dem Begriff der Aufgabenverantwortung nimmt er Bezug auf die gesamte Diskussion um eine Verantwortung des Staates für die ordnungsgemäße Erfüllung bestimmter Aufgaben, s. dazu im Einzelnen die Nachweise bei Bauer (dort Fn. 128). 155 Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (269). S. zu diesen Argumenten die anderen Teile dieses Kapitels.

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geht es nur um eine andere Modalität, die Einhaltung der materiellen Vorgaben sicherzustellen (ohne dass insofern das Gewaltmonopol berührt wird). Insofern handelt es sich nur um eine teilweise Verlagerung der Aufgabenwahrnehmung. Der Staat nimmt die ihm zukommenden Aufgabe dadurch wahr, dass er weiterhin materielle Standards sowie Verfahrenselemente vorsieht, die die materiellen Standards sichern. Der Unterschied besteht allein darin, dass die Verfahrenselemente zum Teil nicht mehr durch den Staat erbracht werden, sondern dieser nur die ordnungsgemäße Erfüllung durch eine Strukturierung 156 der Tätigkeit Privater sowie eine Aufsicht sicherstellt. Er ist daher nur insofern an einer derartigen Privatisierung gehindert, als dass er sehenden Auges eine Lösung einführt, die offensichtlich nicht geeignet ist bzw. von der er diese Eignung nicht erwartet. Es besteht keine Ermächtigung zu einem Vorgehen nach dem „try and error“ – Verfahren. d) Schlussfolgerungen Auch die vorliegende Betrachtung ergibt, dass das Sachverständigenmodell als eine zulässige Modalität der Aufgabenwahrnehmung angesehen werden kann. Zwar ist der Staat bereits unmittelbar aus der Verfassung, und zwar insbesondere den grundrechtlichen Schutzpflichten, dazu verpflichtet, Aufgaben im Immissionsschutzrecht wahrzunehmen. Aber selbst bei einer Qualifikation als notwendige Staatsaufgabe geht diese Verpflichtung in der Regel nicht über eine Gewährleistungsverantwortung hinaus. Der Staat muss die Erfüllung der Aufgabe sicherstellen. Aus dieser Qualifikation der Aufgabe aber abzuleiten, dass er dies ausschließlich durch eigene Tätigkeit erledigen muss, hieße, diese Kategorie überzustrapazieren.

3. Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG Nach dem im Zusammenhang mit Privatisierungen häufig angeführten Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG ist „die Ausübung hoheitlicher Befugnisse (...) als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen“. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Ausübung derartiger Befugnisse im Allgemeinen in der Sphäre der öffentlichen Verwaltung angesiedelt sein muss und nur in Ausnahmefällen und bei besonderem sachlichen Grund aus der öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltung ausgegliedert werden kann. 157 156 Zu dem Gedanken einer Richtigkeit durch Strukturierung s. auch Häfner, LKV 2005, 340 (341, 343). 157 Ritter, DVBl. 1996, 542 (549).

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Es soll sichergestellt sein, dass besonders bedeutsame („hoheitsrechtliche“) Angelegenheiten nur von qualifizierten und außerdem in einem besonders engen Abhängigkeitsverhältnis zum Staat stehenden Bediensteten wahrgenommen werden. 158 a) Die Geltung des Funktionsvorbehalts im Immissionsschutzrecht Eine den Funktionsvorbehalt auslösende Tätigkeit liegt dann vor, wenn es sich bei ihr um die „Ausübung hoheitlicher Befugnisse“ handelt. 159 Unzweifelhaft ist dies der Fall im Bereich der Eingriffsverwaltung. Darüber hinaus ist umstritten, ob daneben auch der Bereich der Leistungsverwaltung als Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG angesehen werden kann. 160 Dabei stellt sich bereits die Frage, ob die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens bzw. die Erteilung einer Genehmigung der Eingriffs- oder der Leistungsverwaltung zuzuordnen ist. Insofern bei der Einstufung auf die konkrete Tätigkeit abgestellt wird, hier also die Erteilung einer Genehmigung zum Zwecke der Gefahrenabwehr, erscheint die Zuordnung auf den ersten Blick nicht eindeutig. Denkbar wäre es, diese als Leistungsverwaltung anzusehen, denn mit der Genehmigung gewährt der Staat scheinbar eine Begünstigung. Allerdings muss im Rahmen der Erteilung von Erlaubnissen und Zulassungen im Hinblick auf das Vorliegen von Eingriffs- oder Leistungsverwaltung differenziert werden. 161 So ist bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu berücksichtigen, dass ihr ein klassisches präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu Grunde liegt. Auf die Erteilung der Genehmigung besteht – wenn der Antragsteller die Voraussetzungen erfüllt – ein grundrechtlich fundierter Anspruch. 162 Diese Ausgestaltung stellt lediglich eine verwaltungstechnische Alternative dazu dar, die Aufnahme der 158

Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.): GG, Band 3, Art. 33 Rn. 32. S. dazu näher Battis, in: Sachs (Hrsg.): GG, Art. 33 Rn. 55 ff.; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Band 2 Art. 33 Rn. 47 ff.; zu einem engeren Verständnis tendiert LübbeWolff, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 33 Rn. 64 ff. Überwiegend wird der Begriff „hoheitlich“ im Rahmen des Art. 33 Abs. 4 GG wohl extensiv interpretiert. 160 Lecheler, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar, Band 2, Art. 33 Rn. 35 ff.; ders., ZBR 1980, 69 (71); s. auch v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 22 f. Auf die Begriffe der fiskalischen Tätigkeit sowie der untergeordneten Hilfstätigkeit als weitere Handlungsformen wird hier nicht weiter eingegangen, zumal diese im Allgemeinen von dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG ausgenommen werden, da sie nicht am hoheitsrechtlichen Sondercharakter der betreffenden Aufgabe teilhaben, Lecheler, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar, Band 2, Art. 33 Rn. 41; ders., Die Beamtenaufgaben nach dem Funktionsvorbehalt, S. 10. 161 S. dazu Lecheler, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar, Band 2, Art. 33 Rn. 48. 159

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Tätigkeit nicht unter diesen Vorbehalt zu stellen und lediglich bei auftretenden Gefahren repressiv zu untersagen. 163 Vor diesem Hintergrund ist die Versagung einer gebundenen Erlaubnis grundrechtsdogmatisch ähnlich einzustufen wie ein Verbot. Sie stellt daher einen Grundrechtseingriff dar. 164 Zudem stellt die Erteilung einer Genehmigung auch keine Vermögensmehrung oder Erweiterung der privaten Freiheitssphäre dar. Der Staat stellt vielmehr nur den Normalfall fest, dass die Freiheitsbetätigung erlaubt ist. 165 Dementsprechend kann auch bereits das die Grundlage bildende Überwachungsverfahren, das zur Feststellung des Erlaubtseins der Freiheitsbetätigung erforderlich ist, selbst als hoheitlich angesehen werden. 166 Danach löst das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren den Funktionsvorbehalt aus. Als alternativer Anknüpfungspunkt der Beurteilung kommt auch der Tätigkeitsbereich, hier also das Immissionsschutzrecht, in Betracht. Dieses zählt zum Bereich der Gefahrenabwehr, der auch pauschal dem Bereich der hoheitlichen Verwaltung zugerechnet wird. Daraus wird dann abgeleitet, dass in diesem Bereich eine generelle Übertragung auf Private unzulässig sei. 167 So wird im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens bei einer Übertragung von Tätigkeiten auf Private bereits dann eine Durchbrechung des erforderlichen Regel-AusnahmeVerhältnisses angenommen, wenn nicht nur einzelne Sachverständigenfunktionen verlagert werden, sondern zentrale Bereiche originär hoheitlicher Verwaltung in breitem Umfang auf Beliehene übertragen werden. 168 Allerdings erscheint die Argumentation allein mit dem Tätigkeitsbereich als zu pauschal und daher problematisch. Zutreffenderweise ist daher die konkrete Tätigkeit in den Blick zu nehmen. Bei der damit erforderlichen Einstufung einer Tätigkeit als hoheitlich ist eine sehr weitgehende Differenzierung erforderlich bis hin zu einer Differenzierung nach einzelnen Verfahrensschritten. 169 Ohne im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die immissionsschutzrechtliche Genehmigung auf die Einstufung der einzelnen Schritte hin untersuchen zu wollen, kann festgehalten werden, dass der Funktionsvorbehalt hier grundsätzlich gilt. 162 Wasielewski, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 6 Rn. 5; ebenfalls Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht Band 1, § 6 BImSchG Rn. 21 („gebundene Genehmigung“). 163 Lecheler, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar, Band 2, Art. 33 Rn. 48. 164 Lecheler, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar, Band 2, Art. 33 Rn. 48; Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 38; vgl. Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, Rn. 148. 165 Lecheler, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar, Band 2, Art. 33 Rn. 48. 166 S. auch BVerfGE 20, S. 150 (155), wo ein Prüfverfahren als Grundrechtseingriff thematisiert wird. 167 So für den Bereich des Bauordnungsrechts Degenhart, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 571 (575 f.). 168 Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (8). 169 So auch Ritter, DVBl. 1996, 542 (549).

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b) Konsequenzen bzw. Anforderungen aufgrund der Geltung des Funktionsvorbehalts Daran anknüpfend stellt sich aber die Frage, welche Bedeutung der Funktionsvorbehalt für eine Verfahrensprivatisierung hat. So wird argumentiert, dass die Bedeutung des Art. 33 Abs. 4 GG sich nicht darin erschöpft, eine Regel für die innerstaatliche Verteilung hoheitlicher Aufgaben aufzustellen, sondern diese Bestimmung darüber hinaus auch einen materiellen Gehalt in dem Fall hat, dass eine Aufgabe aus dem staatlichen Tätigkeitsbereich entlassen werden soll. Die Norm soll einen substantiellen Tätigkeitsbereich für das Berufsbeamtentum garantieren 170. Der genannte Aufgabenkreis soll daher vom Staat selbst in staatlicher und nicht in privater Zuständigkeit erfüllt werden. 171 Dementsprechend wird Art. 33 Abs. 4 GG als Organisationsnorm verstanden und daraus abgeleitet, dass ein Kernbereich staatlicher Aufgaben existiert, der einer Privatisierung nicht zugänglich ist. 172 Die Norm würde insofern eine mittelbare Privatisierungsschranke darstellen. Zur Begründung wird angeführt, dass ansonsten der Funktionsvorbehalt leerlaufen könne. Daneben wird mit einem Erst-Recht-Schluss argumentiert, wobei die Stichhaltigkeit dieses Arguments dann nicht überzeugen kann, wenn die Aufgabenwahrnehmung nicht mehr hoheitlich ausgestaltet ist. Diese Auffassung dehnt allerdings den Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG zu weit aus. So bleibt bei dieser Argumentation offen, wie ein derartiger Schluss von einer Zuständigkeitsregel auf eine zwingende staatliche Kompetenz zustande kommen soll bzw. gerechtfertigt werden kann. Zwar ist Art. 33 Abs. 4 GG durchaus dann zu berücksichtigen, wenn hoheitliche Aufgaben in der Form auf Private übertragen werden, dass sich die Aufgabenwahrnehmung durch Private als hoheitliche darstellt. 173 Allerdings steht diese Norm nach überwiegender Auffassung einer Übertragung von Staatsaufgaben auf Private nicht 170 Jachmann / Strauß, ZBR 1999, 289 (296). Insofern wird diese Norm als generelle Strukturvorgabe für das Maß staatlicher Eigenverantwortung gedeutet, vgl. Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (384). 171 S. Lecheler, ZBR 1980, 69 (70 f.). 172 Haug, NVwZ 1999, 816 (817); Krölls, NVwZ 1999, 233 (235); ders., GewArch 1995, 129 (135); wohl auch Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.): GG, Band 2, Art. 33 Rn. 42; wohl auch Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 40 (allerdings nicht eindeutig, da die Aussage auch dahingehend verstanden werden kann, dass sie sich nur auf den innerstaatlichen Bereich bezieht); vgl. dazu auch Schuppert, AK-GG, Art. 33 Rn. 34 ff. In der Aussage beschränkt auf die Übertragung hoheitlicher Befugnisse (und damit die veränderte Modalität der Aufgabenwahrnehmung nicht erfassend) Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 62 ff. 173 S. dazu Lübbe-Wolff, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 33 Rn. 62. Der Norm kann allerdings dann eine Sperre entnommen werden, wenn eine Aufgabe ausschließlich hoheitlich wahrgenommen werden kann, Leisner, DVBl. 1978, 733 (735). Auch der Be-

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entgegen, wenn dies damit verbunden ist, dass die Aufgabe aus dem Bereich der Hoheitsverwaltung herausgelöst wird. 174 Vielmehr kann ihr kein organisationsrechtlicher Gehalt dahingehend entnommen werden, dass er die Ausübung bestimmter Befugnisse dem Staat vorbehält. 175 Art. 33 Abs. 4 GG bezieht sich nämlich auf den Modus der Erfüllung staatlicher Aufgaben, nicht auf den Bestand. 176 Erst die staatliche Entscheidung, insbesondere durch ein Gesetz oder die Verfassung, für eine hoheitliche Tätigkeit löst den Funktionsvorbehalt aus. 177 Damit bildet Art. 33 Abs. 4 GG eine indirekte Privatisierungssperre, 178 ohne dass aus ihm selbst ein unverzichtbarer Kernbestand an staatlichen Aufgaben abgeleitet werden kann. 179 Er hat keinen Aussagegehalt dahingehend, wie weit der Aufgabenbereich des Staates auszudehnen ist, dies muss vielmehr einer staatlichen Entscheidung vorbehalten werden. 180 Dieser wird somit nicht geregelt, sondern vorausgesetzt. 181 Somit kann ein Verbot des Instrumentenwandels (der mit einem veränderten Aufgabenbestand des Staates einhergeht) nicht aus Art. 33 Abs. 4 GG abgeleitet werden. 182

schluss des BVerwG vom 29. 9. 2005 – 7 BN 2.05, UPR 2006, 271 ist dahingehend zu verstehen, dass das geforderte Regel-Ausnahme-Verhältnis dann vorliegen muss, wenn es sich bei den entsprechenden Aufgaben um ständige Hoheitsaufgaben handelt. 174 Schoch, DVBl. 1994, 962 (969); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 22 ff.; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 99 ff.; Erbguth, UPR 1995, 369 (372); Püttner, LKV 1994, 193 (194); Lübbe-Wolf, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 33 Rn. 62; Scholz, NJW 1997, 14 (15); wohl auch Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 261 f. 175 Allenfalls kommt es nach Haug, NVwZ 1999, 816 (816 ff.), in Betracht, im Sinne einer Je-Desto-Formel dann eine staatliche Aufgabe anzunehmen, wenn es besonders auf die durch die Beamten verkörperten Vorteile, d. h. besonders zuverlässige, neutrale, kontrollierbare und gemeinwohlorientierte Aufgabenerfüllung ankommt. S. auch Badura, ZBR 1996, 321 (326 f.). 176 Lübbe-Wolf, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 33 Rn. 62. 177 So auch Scholz, Privatisierung im Baurecht, S. 38; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 23 m.w. N. 178 Ritter, DVBl. 1996, 542 (549); Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (7 f.). 179 Er eröffnet auch keinen dahingehenden Interpretationsspielraum. Einen solchen nimmt an Ritter, DVBl. 1996, 542 (549). 180 Jachmann / Strauß, ZBR 1999, 289 (296). 181 Waechter, NZV 1997, 329 (329); Scholz, NJW 1997, 14 (15). Dementsprechend kann dieser Norm in der vorliegenden Situation auch kein Rechtfertigungsbedürfnis entnommen werden, vgl. dazu Durner, VerwArch 96 (2005), 18 (38); dabei zitiert er Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 371 ff., wobei diese Ausführungen sich alleine mit dem in der Norm angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis, nicht aber mit der vorliegenden Frage beschäftigen. 182 Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (384), der unterstützend auch mit einem aus dem grundrechtlichen Übermaßverbot abgeleiteten Subsidiaritätsprinzip argumentiert.

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c) Zusammenfassung und Ergebnis Der Funktionsvorbehalt stellt somit dann keine Privatisierungssperre dar, solange die präventive Kontrolle nicht hoheitlich ausgestaltet wird. Sobald der Modus einer bislang hoheitlichen Tätigkeit geändert wird, fällt dieser Bereich aus dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG heraus. Dementsprechend kann die Aufgabenerfüllung in einer Weise auf Private übertragen werden, die den Funktionsvorbehalt nicht berührt; eine Aufgabenprivatisierung ist insofern ohne weiteres möglich. Im Rahmen des Sachverständigenmodells werden die Sachverständigen privatrechtlich beauftragt und daher auch nicht hoheitlich tätig. Die im Rahmen der präventiven Kontrolle verbleibenden hoheitlichen Elemente, wie z. B. die Unzulässigkeit des Vorhabens ohne Vorlage der erforderlichen Bescheinigungen, sind ausschließlich Gegenstand der Tätigkeit der Behörde, die die Vorlage einer Bescheinigung verlangt oder die Durchführung des Vorhabens untersagt. Somit enthält Art. 33 Abs. 4 GG für die hier untersuchte Situation keinen eigenständigen Bedeutungsgehalt. 183

4. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG Art. 19 Abs. 4 GG verlangt, dass gegenüber Rechtsverletzungen durch Handlungen der öffentlichen Gewalt ein Rechtsweg offenstehen und effektiver Rechtsschutz gewährt werden muss, und enthält damit eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Er enthält allerdings keinen allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch, sondern beschränkt sich ausschließlich auf Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt. Im Übrigen enthält das allgemeine Rechtsstaatsprinzip eine Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes. 184 Der Begriff der „öffentlichen Gewalt“ in Art. 19 Abs. 4 GG umfasst die Akte der (gesamten) vollziehenden Gewalt. 185 Erfasst wird das gesamte Handeln der Exekutive, unabhängig von der Handlungsform, 186 wobei auch das Handeln Beliehener dazu gezählt wird. 187 183 Etwas anderes könnte allenfalls bei Entscheidungen einer Behörde aufgrund ungeprüfter Vorarbeiten Privater gelten, die damit hoheitliche Wirkung erhalten würden. 184 Krüger, in: Sachs (Hrsg.): GG, Art. 19 Rn. 110; Schmidt-Aßmann, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einleitung Rn. 51. Dazu s. auch unten § 14, 7. 185 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band I, Art. 19 IV Rn. 48.kritisch gegenüber der Herausnahme der legislativen Gewalt Papier, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts VI, § 154 Rn. 34. 186 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band I, Art. 19 IV Rn. 53 ff. 187 Krüger, in: Sachs (Hrsg.): GG, Art. 19 Rn. 120; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 42.

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Im Rahmen der Einführung eines Sachverständigenmodells und damit einer Privatisierung des präventiven Verfahrens werden wesentliche Elemente der präventiven Kontrolle nicht mehr durch die Exekutive, sondern durch Private außerhalb der Exekutive durchgeführt. 188 Konsequenz dieser Form einer Privatisierung ist demnach, dass Bereiche der präventiven Kontrolle aus dem Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 4 GG herausfallen und damit diese spezielle Ausprägung des Justizgewährleistungsanspruchs leer läuft. Allerdings stellt sich im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG die Frage, ob diese Norm insofern einen organisationsrechtlichen Gehalt aufweist. Denkbar wäre, dass sie die Ausgestaltung einer Aufgabenwahrnehmung als Tätigkeit der öffentlichen Gewalt fordert, damit sie ihre schützende Wirkung weiterhin entfaltet. Denkbar wäre aber auch, dass sie einer Privatisierung dann entgegensteht, wenn damit eine Verkürzung des Rechtsschutzes verbunden ist oder aber Vorkehrungen verlangt, die einen adäquaten Rechtsschutz sicherstellen. Allerdings handelt es sich bei Art. 19 Abs. 4 GG genauso wie bei Art. 33 Abs. 4 GG um eine akzessorische Norm. Er entfaltet aufgrund seines Regelungsgehalts eben gerade nur Bedeutung, wenn auch eine Tätigkeit der öffentlichen Gewalt vorliegt. Wird diese Aufgabenwahrnehmung anders ausgestaltet, läuft sein Gehalt leer. 189 Dabei bestehen auch im Hinblick auf die allgemeine Justizgewährleistung keine Bedenken, denn im Falle einer anderen Ausgestaltung greift das allgemeine Rechtsstaatsprinzip und dessen Gewährleistung eines staatlichen Rechtsschutzes 190 bzw. die darin enthaltene Justizgewährleistungspflicht ein, so dass insofern keine Rechtsschutzdefizite zu befürchten sind. 191 Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass das Sachverständigenmodell durch einen Dualismus in der Aufgabenwahrnehmung geprägt ist. Auf der einen Seite werden Private tätig. Deren Tätigkeit orientiert sich zwar an öffentlich188 Insofern ist die hier untersuchte Situation von der Frage zu unterscheiden, ob und wann Entscheidungen durch Sachverständigengremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt, vgl. zu dieser Frage Greipl, Art. 19 Abs. 4 GG und Entscheidungen von unabhängigen Sachverständigenausschüssen, insbesondere S. 91 ff., 101 ff. Diese Diskussion findet vor dem Hintergrund statt, dass diese Gremien in den staatlichen Sektor eingebunden sind und letztlich eine Entscheidung der Verwaltung treffen. 189 Vgl. auch Oeter, DVBl. 1999, 189 (193), der allerdings mehr darauf abstellt, dass es vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG unerheblich ist, ob ein Problemfeld durch die Kontrolltätigkeit der öffentlichen Gewalt (und damit unter Einbeziehung der Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG) oder durch direkte Ansprüche zwischen den Bürgern strukturiert wird. 190 S. dazu BVerfGE 54, S. 277 (291). 191 Schmidt-Aßmann, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.): VwGO, Einl. Rn. 51 weist darauf hin, dass die beiden Rechtsschutzansprüche weitgehend parallelisiert sind.

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rechtlichen Vorgaben; dies reicht aber nicht aus, diese Tätigkeit als Ausübung von öffentlicher Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG anzusehen. Auf der anderen Seite zieht sich jedoch der Staat nicht vollständig aus der präventiven Kontrolle zurück. Selbst im Anwendungsbereich des Sachverständigenmodells ist die staatliche Verwaltung nach wie vor in vielfältiger Weise eingebunden, zudem stehen ihr nach wie vor Letztentscheidungskompetenzen zu. Insbesondere besteht die Kompetenz, ein Vorhaben zu untersagen, wenn es den materiellen Vorgaben nicht entspricht. Das in diesem Zusammenhang einzuführende Gewährleistungsverwaltungsrecht regelt sowohl die Verfahrenseinbindung als auch die Entscheidungskompetenzen der Behörde. So wird eine Modifikation des Rechtsschutzes im Bauordnungsrecht mit Art. 19 Abs. 4 GG und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes begründet. 192 In einem Rechtsschutzverfahren auf bauaufsichtliches Einschreiten wird daher nicht mehr an den hohen Anforderungen zur Bejahung eines Anspruchs festgehalten. Während bislang angesichts des Ermessens der Behörde eine Ermessensreduzierung auf Null erforderlich war, 193 wird nunmehr in den Fällen, in denen aufgrund einer Verfahrensprivatisierung die Genehmigung als Anknüpfungspunkt des Rechtsschutzes weggefallen ist, zunehmend in nachbarfreundlicher Weise das Ermessen reduziert. 194 So muss danach auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Verletzung öffentlich-rechtlicher nachbarschützender Vorschriften und damit erst recht keine Ermessensreduzierung zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Vielmehr erweist sich der Erlass einer einstweiligen Anordnung dann als notwendig, wenn gewichtige und ernst zu nehmende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Vorhabens aus nachbarrechtlicher Sicht und eine mehr als nur geringfügige Betroffenheit mit der Folge festzustellen ist, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren zumindest als offen anzusehen sind. 195 Im Hinblick auf die Begründung dieses Ansatzes mit Art. 19 Abs. 4 GG wird zwar kritisch angeführt, dass eine Verletzung subjektiver Rechte nicht Folge der Tätigkeit einer Behörde sei, sondern diese vielmehr auf die Handlungen des Bauherrn zurückgehe. 196 Dabei wird allerdings übersehen, dass der Schutzbereich 192

VGH Mannheim, Beschluss v. 26. 10. 1994 – 8 S 2763/94, NVwZ-RR 1995, 490

(491). 193

S. dazu BVerwGE 63, S. 110 (112). Insbesondere ist dabei das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zu berücksichtigen, weshalb hier regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen ist. 194 Vgl. dazu Seidel, NVwZ 2004, 139 (142), allerdings mit kritischen Tönen im Hinblick auf eine generelle Ermessensreduzierung. S. zu den Fragen des Rechtsschutzes auch unten Kapitel 5. 195 Vgl. VGH Mannheim, Beschluss v. 26. 10. 1994 – 8 S 2763/94, NVwZ-RR 1995, 490 (491); VG München, Beschluss v. 24. 5. 1996 – M 1 E 96.2516, NVwZ 1997, 928 (929); vgl. dazu auch Bamberger, NVwZ 2000, 983 (987).

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des Art. 19 Abs. 4 GG sich auch auf unterlassene Hoheitshandlungen bezieht. 197 In der Sache allerdings wird von einer weit vertretenen Auffassung eine derartige Erleichterung des Rechtsschutzes angenommen, ohne dass notwendigerweise Einigkeit über die Begründung besteht. 198 Jedenfalls bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass aus Art. 19 Abs. 4 GG keine Ausgestaltungsdirektiven für ein Rechtsgebiet folgen, er allerdings dann Bedeutung entfaltet, wenn nach wie vor öffentliche Gewalt ausgeübt wird oder ausgeübt werden kann. Er entfaltet somit Wirkung im Hinblick auf die staatliche Rolle im Rahmen des zu entwickelnden Gewährleistungsverwaltungsrechts. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG auch im Rahmen eine Sachverständigenmodells Rechnung getragen werden kann.

5. Die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG Vor der Einführung dieser auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtenden Staatszielbestimmung war Umweltschutz explizit allenfalls als staatliche Aufgabe in den Kompetenzartikeln des Grundgesetzes zu finden, aus denen allein sich freilich keine Verpflichtung zum Tätigwerden, geschweige denn zu einer bestimmten Art und Weise des Tätigwerdens ableiten lässt. 199 Bei einer derartigen Staatszielbestimmung handelt es sich um eine Verfassungsnorm „mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit, sowohl der gegenwärtigen als auch der zukünftigen, die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben – sachlich umschriebener Ziele – vorschreibt“. 200 Damit wird diesen verfassungsrechtlich festgeschriebenen Zielsetzungen ein Vorrang vor politischen Zielsetzungen eingeräumt und die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingeschränkt. 201 Der Staat ist zur Wahrnehmung der Staatsaufgabe Umweltschutz verpflichtet und kann nicht mehr frei darüber entscheiden, ob er sie wahrnehmen will. 202 Der genaue Inhalt und das Ausmaß der Verpflichtung 196 Oeter, DVBl. 1999, 183 (193); Decker, JA 1998, 799 (804 f.); Seidel, NvwZ 2004, 139 (142); insofern unkritisch noch Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, S. 169 (Rn. 311). 197 BVerfGE 79, S. 69 (74); BVerfGE 46, S. 166 (179); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band 1, Art. 19 IV Rn. 55. 198 S. zu der Rechtsschutzproblematik im Einzelnen unten Kapitel 5. 199 Steinberg, NJW 1996, 1985 (1985). 200 BMI / BMJ (Hrsg.): Bericht der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen / Gesetzgebungsaufträge“, S. 21 (zitiert nach Steinberg, NJW 1996, 1985 (1991 Fn. 67)); s. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 91. 201 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 91. 202 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrg.): GG, Band II, Art. 20a Rn. 24.

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des Staates werden jedoch nicht genau vorgegeben. Zwar können grundsätzliche Eckdaten festgestellt werden, 203 im Übrigen ist die Konkretisierung dieses Schutzauftrags allerdings den zuständigen Staatsorganen aufgegeben. 204 Jedoch wird Art. 20a GG über den materiellen Inhalt hinaus eine Verfahrensgarantie entnommen. Demnach sind Organisation und Verfahren des staatlichen Verwaltungshandelns im Blick auf die Bedeutung des Umweltschutzes auszugestalten und zu praktizieren. 205 Erforderlich ist ein Verfahrensablauf, der die Gewähr für eine optimale Entscheidung bietet. 206 Abgesehen davon können Art. 20a GG kaum Aussagen im Hinblick auf die Notwendigkeit und die Konzeption der präventiven Kontrolle entnommen werden. Es wird weder eine bestimmte Organisationsform des staatlichen Umweltschutzes vorausgesetzt noch ein bestimmter Steuerungsmechanismus verlangt. Die Wahl der Steuerungsinstrumente, die der Gesetzgeber zur Verwirklichung seines Schutzauftrages einsetzt, unterliegt in vollem Umfang seinem politischen Ermessen. 207 Dementsprechend steht er einer Übertragung von umweltschutzrechtlichen Aufgaben auf Private nicht entgegen. 208 Allerdings darf er die Steuerung und Lenkung nicht völlig aus der Hand geben, er hat vielmehr die Wirksamkeit und die Effizienz der eingesetzten Instrumente stets zu überprüfen. 209 Vor diesem Hintergrund sind Deregulierungs- und Privatisierungsbemühungen im Umweltschutz möglich, solange der Staat nicht alleine auf die private Selbstregulierung vertraut, sondern ein geeignetes Auffangnetz spannt, mit dessen Hilfe er gewährleistet, dass der Umweltschutz weiterhin auf einem bestimmten Niveau erhalten bleibt. 210 Damit lässt sich auch hier festhalten, dass der Gesetzgeber als der primär Verpflichtete dieser Staatszielbestimmung 211 einen weiten Beurteilungsspielraum 203

S. zu diesen Eckpunkten Murswiek, in: Sachs (Hrsg.): GG, Art. 20a Rn. 41 ff. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20a Rn. 42; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.): GG, Art. 20a Rn. 45. 205 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20a Rn. 84; Fisahn, ZUR 1996, 180 (185 f.), der von einer effektiven Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens mit dem Ziel, Umweltschutz zu gewährleisten, spricht; s. auch Steinberg, NJW 1996, 1989 (1993 f.). 206 Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 (54). 207 Bernsdorff, NuR 1997, 328 (333). 208 Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 161. 209 Bernsdorff, NuR 1997, 328 (333). 210 Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 28 (1995), 425 (432 ff.); vgl. auch Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (384). 211 Zwar sind auch die anderen beiden Gewalten dazu verpflichtet, die Staatszielbestimmung zu beachten, allerdings nur nach Maßgabe von Recht und Gesetz und damit der gesetzgeberischen Entscheidung nachgeordnet, vgl. Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Band 3, Art. 20a GG Rn. 46 ff. 204

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hat. 212 Einerseits besteht eine Verpflichtung zu einer „Tätigkeit“ und damit am ehesten zu einem Schutzkonzept. Andererseits bestehen nur wenige inhaltliche Vorgaben. Es wird insbesondere keine bestimmte Form der Aufgabenwahrnehmung gefordert, es besteht damit auch keine konkrete Grenze einer Aufgabenwahrnehmung durch bzw. einer Einbeziehung von Privaten. Jedenfalls muss das geforderte Schutzkonzept eine verfahrensrechtliche Komponente aufweisen, und zwar muss der Umweltschutz auch verfahrensrechtlich sichergestellt werden. Dementsprechend kann auch hier davon gesprochen werden, dass im Rahmen einer Verfahrensprivatisierung bzw. einem auf einer privaten Kontrolle beruhenden staatlichen Steuerungsmodus eine Gewährleistungsverantwortung besteht. Diese fordert, dass der Staat durch ein Gewährleistungsverwaltungsrecht eine angemessene Aufgabenerfüllung sicherstellt, insbesondere durch Elemente wie eine Kontrolle der Kontrolle sowie den Vorbehalt einer staatlichen Letztentscheidungskompetenz. Daneben besteht in diesem Rahmen eine Auffangverantwortung, die letztendlich beinhaltet, dass der Staat subsidiär die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung (und damit die Normeinhaltung) sicherstellen muss, soweit erforderlich durch eigene Tätigkeit. 213

6. Das Demokratieprinzip Das in Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG niedergelegte Demokratieprinzip verlangt, dass staatliche Entscheidungen demokratisch legitimiert sein müssen, d. h. über die politisch verantwortliche Regierung und das Parlament muss die Bindung an das Volk und damit eine Rückbindung an die Beherrschten gewährleistet sein. 214 Die Verfahrensprivatisierung im Rahmen eines Sachverständigenmodells stellt eine Übertragung von Aufgaben aus dem hoheitlichen Bereich auf den gesellschaftlichen Bereich zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung dar. Dadurch werden die bisherigen Stränge der demokratischen Legitimation durchschnitten, so dass die sachverständige Entscheidung und die demokratische Legitimation in einem ausgeprägten Spannungsverhältnis stehen. Es stellt sich die Frage, wie sich das aus dem Demokratieprinzip abgeleitete Gebot der Weisungsunterworfenheit von Amtsträgern zu der gleichsam wesensmäßigen Unabhängigkeit von Sachverständigen verhält. 215 212

Zu dem gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum und damit seiner gestaltungspolitischen Prärogative s. Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Band 3, Art. 20a GG Rn. 49. 213 Siehe Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (385), der insofern auch auf die polizeiliche Generalklausel verweist. 214 Lange, VerwArch 82 (1991), 1 (10) mit Nachweisen zur Rechtsprechung. Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (422). 215 Zu dieser Problematik Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 377.

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Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG enthält mit dem Tatbestandsmerkmal „alle Staatsgewalt“ das Objekt und mit dem „Volk“ das Subjekt der demokratischen Legitimation. 216 Für die Untersuchung stellt sich die Frage, ob eine demokratische Legitimation erforderlich ist (dazu a)), und falls ja, in welcher Art und Weise diese ausgestaltet sein muss (dazu b)). a) Der Gegenstand der demokratischen Legitimation Eine demokratische Legitimation ist immer dann erforderlich, wenn eine Ausübung von Staatsgewalt oder eine Wahrnehmung staatlicher Befugnisse vorliegt. Die Funktion des Demokratieprinzips besteht allein darin, staatliche Gewalt, so sie denn vorliegt, einem Rechtfertigungs- bzw. Legitimationserfordernis zu unterwerfen. Es gibt weder die Befugnis, Bereiche individueller oder gesellschaftlicher Betätigung in staatliche Herrschaft zu überführen, 217 noch begrenzt es umgekehrt eine Rückübertragung. Es handelt sich um ein Bauprinzip des Staates, kein Strukturprinzip für die Gesellschaft. 218 Dementsprechend lassen sich ihm keinerlei Aussagen hinsichtlich des Bestandes an Staatsaufgaben entnehmen, denn es regelt lediglich die Ausübung staatlicher Gewalt, sobald eine Aufgabe durch staatliche Entscheidung zu einer Staatsaufgabe gemacht worden ist. Aufgrund dieser Akzessorietät enden die Anforderungen nach einer materiellen Privatisierung, da dann die Aufgabe aus dem Bereich der Staatsgewalt hinausgenommen worden ist. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob eine derartige materielle Privatisierung vorliegt oder die privaten Sachverständigen im Rahmen eines Sachverständigenmodells Staatsgewalt ausüben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Demokratieprinzip grundgesetzlich nicht als ein geschlossenes Modell formuliert ist, sondern einer Entwicklung unter veränderten Bedingungen der Staatlichkeit zugänglich und bedürftig ist. 219 Die Annahme von Staatsgewalt 220 ist nicht beschränkt auf einseitig hoheitliches Handeln des Staates. Vielmehr umfasst es die Wahrnehmung der dem Staat zukommenden Aufgaben insgesamt, unabhängig von der Art und Weise der Wahrnehmung. 221 Erfasst werden alle rechtserheblichen Funktionen und Tätigkeiten der Staatsorgane und Amtswalter ohne Rücksicht auf die Rechts216

Jestaedt, JuS 2004, 649 (650). Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (339). 218 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 337. 219 Trute, DVBl. 1996, 950 (955). 220 Dabei handelt es sich um einen Schlüsselbegriff für die Wirkung des Demokratieprinzips, s. Di Fabio, VVdStRL 56 (1996), 236 (263). 221 Vgl. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 24 Rn. 12. 217

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und Handlungsform, 222 also jede dem Staat oder seinen Untergliederungen zuzurechnende Tätigkeit, unabhängig davon, ob sie in privat- oder öffentlichrechtlicher Form erfolgt, rechtlicher oder tatsächlicher Natur ist, belastend oder begünstigend wirkt, wichtig oder unwichtig erscheint. 223 Insbesondere bedarf alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter einer demokratischen Legitimation, nicht aber entscheidungsvorbereitende Akte. 224 Als derartiges Handeln mit Entscheidungscharakter werden auch die Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung angesehen, zumal sie z. B. im Umweltrecht mit den klassischen Methoden imperativer Steuerung durchaus konkurrieren. 225 Gegen das Vorliegen von Staatsgewalt könnte im Fall eines Sachverständigenmodells aber sprechen, dass die privaten Sachverständigen nicht in die staatliche Organisation eingebunden sind, denn bei ihnen handelt es sich weder um Staatsorgane noch um Amtswalter. Es handelt sich bei ihnen um außerhalb jeglicher staatlicher Organisation und direkter Einflussnahme stehende Rechtssubjekte. Zudem sind die Sachverständigen in der Regel Privatpersonen; und für Privatpersonen gilt Art. 20 Abs. 2 GG und das daraus folgende Legitimationserfordernis grundsätzlich nicht, und zwar auch dann nicht, wenn sie in Bereichen tätig sind, in denen auch die öffentliche Hand tätig ist und die man den öffentlichen Aufgaben zuordnen mag. 226 Unter bestimmten Umständen kann allerdings auch das Handeln Privater das Legitimationserfordernis des Art. 20 Abs. 2 GG auslösen. Eine derartige Ausnahme stellt die Beleihung dar. Allerdings ist im Rahmen des Sachverständigenmodells die Tätigkeit der Sachverständigen nicht als Beleihung konzipiert; die Sachverständigen stehen außerhalb der Behördenstruktur und werden auch nicht in diese fallweise integriert. Zudem liegt auch kein Pri222 S. dazu Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20 (Demokratie) Rn. 90. Es erfasst also alle Arten der Ausübung von Staatsgewalt, BVerfGE 77, S. 1 (40); BVerfGE 47, S. 253 (273). 223 Volkmann, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 20 Rn. 45; vgl. auch Böckenförde, HbStR II, § 24 Rn. 12 ff. Umstritten ist, ob die Tätigkeiten von einer gewissen Erheblichkeit sein müssen. So wohl BVerfGE 47, S. 253 (274), dagegen Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (367). 224 BVerfGE 93, S. 37 (66 f.); BVerfGE 83, S. 60 (72 f.); BVerfGE 47, S. 253 (275); vgl. auch HessStGH, ESVGH 44, S. 13; VerfGH NW, Urteil vom 9. 6. 1997 – VerfGH 20/95 u. a., DVBl. 1997, 1107 (1110); vgl. auch Jestaedt, JuS 2004, 649 (650); Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Art. 20 Rn. 20; siehe auch Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (383). S. aber Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 ff., der für entscheidungsvorbereitende Akte eine Strukturschaffungspflicht aus dem Demokratieprinzip ableitet, s. dazu auch Fn. 229. Hier ist allerdings auch zu bedenken, in welchem Maße der private Beitrag die Entscheidung determiniert und welche Auswirkungen dies hat (siehe dazu allgemein, allerdings im Kontext der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage, Sellmann, NVwZ 2008, 817 (821 f.). 225 Volkmann, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rn. 45. 226 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (346).

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vatrechtssubjekt vor, das von der öffentlichen Hand beherrscht und von dieser zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben genutzt wird, was dann das Legitimationserfordernis auslösen würde. 227 Nicht vergleichbar ist darüber hinaus die Frage nach dem Erfordernis einer demokratischen Legitimation für Konfliktmittler, da dieses vor dem Hintergrund einer Beeinflussung, eventuell auch faktischen Bindung einer staatlichen Entscheidung erörtert wird. 228 In ähnlicher Weise ist die vorliegende Konstellation auch von der Einschaltung von Verwaltungshelfern oder Sachverständigen in einer entscheidungsvorbereitenden Funktion zu unterscheiden, auch wenn private Beiträge inhaltlich eine staatliche Entscheidung, die allerdings nach wie vor eine Entscheidung staatlicher Entscheidungsträger in der Gestalt staatlicher Entscheidungsformen ist, determinieren oder beeinflussen. In diesen Fällen wird zudem die zu treffende staatliche Entscheidung als Anknüpfungspunkt für eine demokratische Legitimation herangezogen, und die Tätigkeit der Verwaltungshelfer selbst soll nicht dem Erfordernis demokratischer Legitimation unterliegen. 229 In der vorliegenden Konstellation wird im Rahmen der präventiven Erfüllung der Aufgabe „Sicherheit“ bzw. „Gefahrenabwehr“ eine besondere Gemengelage aus privater und staatlicher Tätigkeit geschaffen. 230 Es liegt eine hybride Gestaltung der Entscheidungsstruktur vor. Mit den privaten Sachverständigen handeln Subjekte aus dem gesellschaftlichen Bereich und damit keine Subjekte, die regelmäßig Träger von Staatsgewalt sind. Zwar besteht dabei grundsätzlich entweder eine alleinige präventive Aufgabe und Zuständigkeit der privaten Sachverständigen für die Kontrolle, oder aber die staatliche Tätigkeit wird im Einzelfall durch die private Kontrolle verdrängt. Gleichzeitig findet jedoch eine verfah227 S. dazu Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (346); ebenfalls Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band 2, Art. 20 Rn. 136 ff. 228 S. dazu Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 54 ff.; Holznagel, Konfliktlösung durch Verhandlungen, insbesondere S. 208 ff., 214 ff.; vgl. auch Troja, Umweltkonfliktmanagement und Demokratie, 2001. Keine weiteren Erkenntnisse liefert auch die Diskussion um die Fragen der funktionalen Selbstverwaltung, da die Konstellationen nicht vergleichbar sind. S. dazu insbesondere BVerfGE 107, S. 59 ff.; zu diesem Urteil Jestaedt, JuS 2004, 649 ff. 229 S. dazu ausführlich Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 374 ff. Dieser diskutiert allerdings auf S. 378 ff. eine Strukturschaffungspflicht zu Lasten der staatlichen Entscheidungsträger, die die Einwirkung auf die vorbereitende Tätigkeit der Verwaltungshelfer beschreibt und diese somit in eine Wechselbeziehung einordnet. Ähnlich wohl Trute, DVBl. 1996, 950 (955). S. aber Brohm, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 2. Auflage, § 36 Rn. 31 f., der von Mitentscheidung spricht. Für das Erfordernis einer demokratischen Legitimation auch in derartigen Fällen Röhl, Die Verwaltung 26 (1996), 487 (501 f.). 230 Der Aspekt, dass Staatsgewalt in hybriden Organisationsverhältnissen verschlungene Wege geht, findet sich bei Di Fabio, VVdStRL 56 (1996), 235 (264). Eine Gemengelage wie die vorliegende ist bislang, soweit ersichtlich, nicht konkret als Gegenstand demokratischer Legitimation thematisiert worden.

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rensrechtliche Verknüpfung statt – einzelne Fragen können in Form „isolierter“ Verfahren aus dem gesellschaftlichen Bereich in den staatlichen Bereich hinübergezogen werden. Zudem besteht eine uneingeschränkte repressive Befugnis der staatlichen Behörden. Dabei beeinflusst das Handeln der privaten Sachverständigen nicht unmittelbar staatliches Handeln, ganz im Gegenteil wird nur sichergestellt, dass die staatlichen Behörden andere Vorstellungen durchsetzen können; der behördliche Zugriff auf einzelne Aspekte wird gesichert. Es besteht somit nur ein indirekter inhaltlicher Zusammenhang, der nicht vergleichbar einer unmittelbaren inhaltlichen Beeinflussung behördlichen Handelns beurteilt werden kann. Die privaten Sachverständigen haben keinerlei hoheitliche Befugnisse; ihre Tätigkeit entfaltet eine Relevanz insofern, als sie staatliche Tätigkeit ersetzt bzw. diese bei Vorliegen der entsprechenden Gutachten entfällt. Ihre Tätigkeit ist auch insofern im privatrechtlichen Bereich verankert, als sie in der Regel privatrechtlich beauftragt werden. Allerdings kann das Demokratieprinzip nicht formell in dem Sinne verstanden werden, dass die Einbeziehung von Privaten als unabhängigen Sachverständigen automatisch seine Geltung begrenzt. Letztlich ist in diesen Fällen darauf Rücksicht zu nehmen, wie sich die konkret wahrgenommene Aufgabe gestaltet. Auch wenn das Demokratieprinzip in gewissem Maße an die Person der Handelnden anknüpft, kann dies dann nicht entscheidend sein, wenn materielle Staatsgewalt durch Private ausgeübt wird. Von besonderem Gewicht für das Erfordernis einer demokratischen Legitimation ist dabei insbesondere das Kriterium der Entscheidung, also die Wahrnehmung von Entscheidungsbefugnissen bzw. der Entscheidungscharakter des Handelns. 231 Vorliegend ist wiederum auf die bereits oben angesprochene Gemengelage und die Bedeutung des Handelns Privater für die Ausübung der verbleibenden Kompetenzen zurückzukommen. Zudem ist auch im hier erörterten Kontext ergänzend zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit Privater und des Staates in gewissem Umfang komplementär ausgestaltet wäre. Jedenfalls findet eine formelle 231 S. BVerfGE 107, S. 59 (87); BVerfGE 93, S. 37 (68); BVerfGE 83, S. 60 (73); BVerfGE 77, S. 1 (40); BVerfGE 47, S. 253 (273). So grenzt auch die Diskussion um die demokratische Legitimation privater Tätigkeit im Rahmen der Verwaltung häufig danach ab, ob es sich bei der Tätigkeit um eine entscheidende oder eine bloß entscheidungsvorbereitende Tätigkeit handelt; gerade mit dem Aspekt der bloßen Vorbereitung der Entscheidung wird eine weitgehende Beteiligung Privater für möglich gehalten, vgl. dazu auch Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (303 ff.). S. zur Frage nach dem Erfordernis einer Letztentscheidungsverantwortung bzw. -kompetenz BVerfG, Beschluss v. 24. 5. 1995 – 2 BvF 1/92, DVBl. 1995, 1291 (1291 ff., insbesondere auch 1294); Kunig, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen I, S. 43 (62); Schmidt-Preuß, FS Kriele, S. 1157 (1161); ders., VVdStRL 56 (1997), 160 (175, 181 f.); Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 173 ff.; s. Wahl, DVBl. 1993, 517 (521) zur verfassungsrechtlich gebotenen Letztentscheidungsverantwortung im Rahmen der Planung.

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Verschränkung statt. Insgesamt hat dabei die Tätigkeit Privater eine erhebliche Bedeutung für die Zulässigkeit eines Vorhabens und damit die Überwindung einer präventiven hoheitlichen Schranke. Zwar ist die materielle, grundlegende Entscheidung über die Voraussetzungen der Zulässigkeit bereits durch den Normgeber und damit auf einer vorgelagerten Ebene getroffen, so dass insofern inhaltlich nur eine geringe Entscheidungsbefugnis besteht, da die entscheidenden Kriterien und Maßgaben vorgegeben sind. Allerdings wird die Schranke der Zulässigkeit auch durch das Ergebnis privater Tätigkeit hochgehoben. Diese hat unmittelbare Bedeutung sowohl für die Gefahrenabwehr bzw. die Sicherheit der von der Anlage Betroffenen als auch für die Wiederherstellung der grundrechtlichen Freiheit der Antragsteller, so dass ihr insofern ein gewisser Entscheidungscharakter nicht abgesprochen werden kann. Diese Entscheidung ist allerdings weniger inhaltlich als sachverständig-fachlich und gesetzesabhängig, die wesentlichen Entscheidungen werden von den Sachverständigen nicht getroffen. Dementsprechend kann hier nicht die Feststellung getroffen werden, dass die Tätigkeit der privaten Sachverständigen sich alleine im gesellschaftlichen Bereich abspielt, vielmehr entfaltet sie eine durchaus (je nach Ausgestaltung) erhebliche Relevanz für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Dabei ist die übernommene Tätigkeit von einer besonderen Qualität, denn sie weist eine gewisse Grundrechtsrelevanz auf und beschränkt sich nicht auf eine bloße Erbringung von Leistungen, wie z. B. bei der Übernahme von Infrastrukturdienstleistungen. Es liegt daher nahe, von einer versteckten oder verborgenen Ausübung von Staatsgewalt zu sprechen. Die private Tätigkeit führt zu einem Verzicht auf hoheitlich ausgeübte Staatsgewalt, substituiert diese also. Der Staat wird dadurch von einer Belastung abgeschirmt, ihm wird ein Entscheidungsverzicht ermöglicht. Die private Tätigkeit entfaltet somit Bedeutung für den Umfang staatlicher Tätigkeit und ist dann an deren Stelle eine Voraussetzung für die Wiederherstellung der grundrechtlichen Freiheit, denn im Rahmen des Sachverständigenmodells wird nach wie vor über die Zulässigkeit eines immissionsschutzrechtlich relevanten Vorhabens entschieden, auch wenn zumindest Aspekte dieser Zulässigkeit durch Private festgestellt werden. Zwar handelt es sich vorliegend lediglich um eine Verfahrensprivatisierung. Dem Verfahren wird häufig nur eine dienende Funktion zugeschrieben, wobei dies vor allem zum Ausdruck bringt, dass es der Rechtsverwirklichung dient. 232 Aber dem Verfahren kommt gerade im Umweltrecht eine besondere Bedeutung zu. Auch wenn grundsätzlich alle wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber getroffen werden müssen, bleibt dies in vielen Bereichen des Umweltrechts eine Utopie, da aufgrund mangelnden Wissens eine abschließende 232

S. dazu Wahl, VVdStRL 41 (1982), 151 (153 ff.).

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Entscheidung durch den Gesetzgeber häufig nicht möglich ist. Dies geht einher mit einem gewissen Demokratiedefizit. Gleichzeitig ist jedoch eine größere Entscheidungskompetenz der Exekutive im Verhältnis zur Legislative zwingende Folge dieses normativen Regelungsdefizits, was die Bedeutung des Entscheidungsverfahrens steigert. 233 Das Verfahren soll auch dem Ausgleich eines Legitimationsdefizits dienen. 234 Diese Bedeutung kommt nunmehr der Tätigkeit der Privaten zu, in ihren Händen soll jetzt die Rechtsverwirklichung liegen. Angesichts dieser Sachlage erscheint es nicht als gerechtfertigt, die Tätigkeit Privater im Rahmen eines Sachverständigenmodells von jedem Erfordernis einer demokratischen Legitimation freizusprechen, zumal das bestehende Demokratieund Legitimationsdefizit im Vergleich zu einer rein staatlichen Durchführung des Verfahrens noch vergrößert wird. Es liegt ein Grenzbereich im Hinblick auf die Feststellung des Vorliegens von Staatsgewalt vor. Allerdings erscheint es zutreffend, eine Ausübung von Staatsgewalt anzunehmen, so dass sich die Frage der demokratischen Legitimation stellt. 235 Diesem Ergebnis entspricht wohl auch die Ansicht Di Fabios, nach der das Demokratieprinzip in den Fällen, in denen „die Staatsgewalt in hybriden Organisationsverhältnissen verschlungene Wege geht“, eine Ausgestaltung verlangt, die entweder effektive parlamentarische Kontrolle dennoch möglich hält oder auf klare Separierung zwischen gesellschaftlicher Freiheit und staatlichem Herrschaftsanspruch gerichtet ist. 236 Grundsätzlich kann daher festgehalten werden, dass auch im Rahmen dieser Struktur eine demokratische Legitimation gesichert werden muss. Der Staat muss sicherstellen, dass entweder die erforderliche demokratische Legitimation existiert oder aber die sachverständige Tätigkeit eine ausreichende Distanz zu der Wahrnehmung von Staatsgewalt aufweist. Es müssen Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass auch bei einer Tätigkeit Privater die Gemeinwohlorientierung gesichert ist. Gegenstand der weiteren Untersuchung ist daher, welche Art der Legitimation und welches Legitimationsniveau im Rahmen dieser Struktur bzw. dem Sachverständigenmodell erforderlich sind und ob diese verwirklicht sind bzw. werden können. 233

Roßnagel, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 10 Rn. 50 ff. S. zu diesem Gedankengang Eversberg, Der Zeitfaktor im bundesimmissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 28. 235 A. A. Seidel, Privater Sachverstand, S. 55, der die Tätigkeit der Sachverständigen im Rahmen eines Sachverständigenmodells allein im gesellschaftlichen Bereich sieht, und eine behördliche Kontrolle der Sachverständigentätigkeit als Ausdruck der Nutzung eines einfachgesetzlichen Spielraums bzw. eines politischen Ermessens, nicht aber als ein verfassungsrechtliches Erfordernis aus Sicht des Demokratie- oder Rechtsstaatsprinzips versteht. Nach seiner Auffassung ist eine Gewährleistungsverantwortung u.U. in den grundrechtlichen Schutzpflichten oder Art. 20a GG verankert, allerdings nur mit marginalen Konturen. 236 Di Fabio, VVdStRL 56 (1996), 235 (264). 234

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Darüber hinaus existiert ein weiterer Anknüpfungspunkt, über den eine demokratische Legitimation zumindest indirekt hergestellt werden muss und kann. Aus den bereits erörterten verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen ergibt sich, dass die Tätigkeit der Sachverständigen weiterhin in eine fortbestehende Gewährleistungsverantwortung und in ein Gewährleistungsverwaltungsrecht eingebettet ist. Die staatliche Verantwortung wandelt sich von einer Erfüllungsin eine Gewährleistungsverantwortung, sie endet aber nicht mit der Einführung eines Sachverständigenmodells. Insofern können aus dem Demokratieprinzip Anforderungen an die Ausgestaltung abgeleitet werden. 237 Dies wird auch als Strukturschaffungspflicht bezeichnet, in deren Rahmen durch eine Anpassung der legitimatorischen und verfahrensrechtlichen Anforderungen einer veränderten Verantwortungsstruktur Rechnung getragen werden soll. 238 b) Die demokratische Legitimation im Rahmen eines Sachverständigenmodells – demokratische Legitimation und privater Sachverstand, Befund und Realität Angesichts der vorliegenden Gemengelage ist fraglich, welches Ausmaß an demokratischer Legitimation erforderlich ist. Es liegt ein durch das Demokratieprinzip schwierig erfassbarer Zwischenbereich vor. Jedoch kann aus der Notwendigkeit der demokratischen Legitimation nicht zwingend auf die Notwendigkeit einer Etatisierung der privaten Tätigkeit oder Akteure geschlossen werden. Diese Frage stellt sich vielmehr nur für den Fall, dass dem Erfordernis einer demokratischen Legitimation nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist zu untersuchen, ob und wie im Rahmen des Sachverständigenmodells ein ausreichendes Maß an demokratischer Legitimation sichergestellt werden kann, also ob Möglichkeiten der demokratischen Legitimation existieren und mit diesen auch ein hinreichendes Maß demokratischer Legitimation hergestellt werden kann. Die scheinbare Unverträglichkeit zwischen der Tätigkeit Sachverständiger und dem Konzept der demokratischen Legitimation bedarf einer Harmonisierung, es ist eine Verträglichkeit herzustellen. Zur besseren analytischen Durchdringung ist vorliegend nach unterschiedlichen Tätigkeitskomplexen zu differenzieren. Unterschieden werden kann erstens die eigene Tätigkeit des Staates zur unmittelbaren Erfüllung fortbestehender Aufgaben, zweitens die Wahrnehmung einer Gewährleistungsverantwortung und damit die Regelung der privaten Tätigkeit sowie drittens die private Tätigkeit 237 Vgl. zu diesem Gedanken auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 338. 238 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 ff. Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (384) spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Legitimationsverantwortung.

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selbst. Von Interesse ist vorliegend die Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung sowie die Vernetzung dieser mit der privaten Tätigkeit und deren Bindungen, da gerade diese Vernetzung zur Herstellung einer demokratischen Legitimation durch staatliche Akteure genutzt werden kann. Der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Herstellung einer demokratischen Legitimation und damit eine Gemeinwohlsicherung ist somit nach wie vor akteurzentriert und knüpft an die Tätigkeit und Einflussmöglichkeiten staatlicher Organe an. 239 Demnach stellt sich die Frage, ob im Rahmen des Gewährleistungsverwaltungsrechts die erforderliche demokratische Legitimation umgesetzt werden kann, wobei für die Beurteilung der Herstellung eines ausreichenden Legitimationsniveaus dann die Ausgestaltung des gesamten Sachverständigenmodells in den Blick zu nehmen ist. Grundsätzlich kann dabei das Erfordernis einer demokratischen Legitimation nicht nur durch eine einzige Art und Weise der Legitimation erfüllt werden, vielmehr sind unterschiedliche Formen der demokratischen Legitimation denkbar. In Betracht kommen Formen der institutionellen, der funktionellen, der sachlich-inhaltlichen sowie der personellen Legitimation. 240 Oder anders gewendet: Das Gebot demokratischer Legitimation verpflichtet zur Erreichung eines bestimmten Legitimationsniveaus, das im Wege einer Gesamtbetrachtung der beiden zentralen Legitimationsstränge, der personell-organisatorischen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation, im Hinblick auf die konkret in Frage stehende Aufgabe und deren Eigenarten zu bestimmen ist. 241 Dementsprechend besteht eine gewisse Flexibilität im Umgang mit den verschiedenen Möglichkeiten der demokratischen Legitimation. So gilt auch für den intermediären Bereich, also einen Bereich, in dem sich Staat und Gesellschaft begegnen und Entscheidungen und Handlungen der entsprechenden Organisationen aus einer Gemengelage (möglicherweise grundrechtlich fundierter) privater Selbstregulierung und staatlicher Aufgabenwahrnehmung resultieren, dass dort das Konzept demokratischer Legitimation flexibel und sachangemessen zur Geltung gebracht werden muss. 242 Für die Feststellung eines ausreichenden Legitimationsniveaus müssen somit die verschiedenen Möglichkeiten zur Herstellung einer demokratischen Legitimation im Rahmen eines Sachverständigenmodells in den Blick genommen werden. Insbesondere stellt sich die Frage, inwiefern die Verwaltung selbst ent239 So wohl auch (für den entscheidungsvorbereitenden Verwaltungshelfer) Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 f. 240 Vgl. BVerfGE 83, S. 60 (72); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 22 Rn. 14 ff.; Durner, VerwArch 96 (2005), 18 (36). 241 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 373. 242 Dreier, in: ders. (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20 (Demokratie) Rn. 142, wobei er insbesondere intermediäre Anstalten und Körperschaften, halbstaatliche Vereine, Trägereinrichtungen der Forschung, im sozialen Bereich tätige Organisationen sowie den gesamten sogenannten Dritten Sektor nennt. Vgl. auch BVerfGE 107, S. 59 ff.

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scheiden muss oder es aber ausreichen kann, dass sie die Befolgung des materiellen Rechts und damit die Verwirklichung des Gemeinwohls indirekt 243 (bzw. auf einer zurückgezogenen Ebene) sicherstellt und dadurch der sachverständigen Entscheidung eine Legitimation verleihen kann, die die unmittelbare demokratische Legitimation kompensieren, ihr nahekommen oder sie gar ersetzen kann. Die organisatorisch-personelle demokratische Legitimation besteht in einer ununterbrochenen, auf das Volk zurückzuführenden Legitimationskette für die mit der Wahrnehmung staatlicher Angelegenheiten betrauten Amtswalter. 244 Eine derartige ununterbrochene Legitimation privater Akteure kann nur durch deren Etatisierung hergestellt werden. Allerdings ist denkbar, eine Kompensation aufgrund einer indirekten Entscheidungsbeherrschung anzunehmen. Ein dabei zu berücksichtigender Aspekt ist eine fortbestehende Entscheidungskompetenz der Behörde. Im Rahmen des Sachverständigenmodells liegt keine vollständige materielle Privatisierung vor, sondern die Erfüllungsverantwortung wandelt sich in eine Gewährleistungsverantwortung um, und Bestandteil dieser ist eine Letztentscheidungskompetenz der Behörde. 245 Im Rahmen eines Sachverständigenmodells hat die Behörde präventiv in weitem Umfang Zugriff auf die Ergebnisse privater Tätigkeit und kann, je nach Ausgestaltung, bereits präventiv Einfluss nehmen, z. B. durch eine Untersagung oder aber insbesondere dann, wenn das Instrument eines Kontrollverfahrens in dem Sachverständigenmodell verankert wird. Auch bleiben die repressiven Befugnisse unangetastet; und damit kann die Behörde nach wie vor die Gesetzesbefolgung uneingeschränkt durchsetzen. 246 Als weiteres „Kompensationselement“ kann hier die Aufsicht angeführt werden. In dieser Hinsicht wird eine Kontrolle der Kontrolle als möglicher Weg zur Herstellung einer Legitimation angesehen. 247 Dabei würde es sich um einen Steuerungswechsel handeln, weg von einer direkten Steuerung durch Weisung hin zu einer indirekten Steuerung durch Aufsicht. Zu diesem Steuerungsinstru243

Durch Aufsicht, konzeptionelle Vorgaben und die Vorgabe von Standards, Rahmen und Instrumenten. 244 Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 24 Rn. 16. S. dazu auch Seidel, Privater Sachverstand, S. 47 ff. Zu der Kritik an diesem Erfordernis s. Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (422 f.). 245 Eine solche wird beispielsweise im Rahmen der Einbeziehung von Verwaltungshelfern gefordert, Schmidt-Preuß, FS Kriele, S. 1157 (1161). Dies gilt aber nur so lange, wie die entsprechende Aufgabe nicht zulässigerweise durch materielle Privatisierung in den gesellschaftlichen Raum zurückübertragen worden ist, Seidel, Privater Sachverstand, S. 54, der dies wohl auch für den Fall eines Sachverständigenmodells annimmt. 246 Gerade das repressive Eingriffsinstrumentarium ist im Rahmen der Zurücknahme einer präventiven Kontrolle von besonderer Bedeutung, um weiterhin die Befolgung des materiellen Rechts sicherzustellen, Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1996), 160 (197 f.). 247 S. für den Bereich der Überwachung bereits Lübbe-Wolff / Steenken, ZUR 1993, 263 (268); Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1996), 160 (196). So wohl grundsätzlich auch Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (384).

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ment zählt die präventive und die repressive Kontrolle der Sachverständigentätigkeit, wobei sich diese Kontrolle der Kontrolle sowohl auf die Qualifikation, d. h. insbesondere Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Unabhängigkeit, als auch auf die Tätigkeit im Einzelnen bezieht, d. h. sowohl die Beauftragung als auch die inhaltliche Tätigkeit. 248 In diesem Zusammenhang kann ergänzend vorgesehen werden, dass bei der Feststellung einer Schlechterfüllung kein Ermessen hinsichtlich eines Eingriffs durch die Verwaltung besteht, diese vielmehr zu einem Einschreiten verpflichtet ist (von dem Opportunitätsprinzip hin zum Legalitätsprinzip). Insofern können die Elemente dieses Kriteriums nicht trennscharf von dem obigen Kompensationskriterium der Letztentscheidungskompetenz getrennt werden. Allgemein wird in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit zur Kompatibilitäts- und Konkordanzsicherung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private angemahnt. 249 Zentrales Kernelement dieser Legitimationserwägung ist demnach die Schaffung eines Sachverständigenrechts, 250 das insbesondere das Element der staatlichen Kontrolle der Kontrolle bzw. Aufsicht sicherstellt. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass dieses zweite Konzept sich von der entscheidungszentrierten Sichtweise löst und im Ergebnis nicht nur eine indirekte Steuerung, sondern auch eine indirekte Legitimation zum Gegenstand hat. Insofern verlässt diese Erwägung die formale Anknüpfung des verfassungsrechtlichen Tatbestands. 251 Allerdings knüpft das zentrale legitimatorische Element, die Durchführung der Aufsicht, doch wiederum an eine Tätigkeit demokratisch legitimierter Organe an. Darüber hinaus können diese beiden Elemente der Letztentscheidungskompetenz und der Aufsicht auch kompensatorisch bzw. legitimatorisch im Hinblick auf das Erfordernis der Einbindung der Handelnden in die durch Weisungs- und Aufsichtsrechte ausgestaltete Verwaltungshierarchie wirken. 252 Die Kompensa248

S. allgemein zu Fragen der staatlichen Gewährleistung sachverständiger Glaubwürdigkeit und deren einzelne Elemente Seidel, Privater Sachverstand, S. 123 ff. (§ 10). Vgl. zu Einzelfragen dieses Aspekts auch Hoppe, DVBl. 1994, 255 (261); Bleicher, Standortauswahlverfahren bei der Planung von Abfallentsorgungsanlagen durch private Gutachter, S. 157 ff. 249 Hoffmann-Riem, in: ders. / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261 (318 ff.). 250 Zu der Entwicklung eines Sachverständigenmodells für den staatsentlastenden Bereich, wenn auch ohne verfassungsrechtliche Ableitung oder Zuordnung, s. Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrechts als Steuerungsressource, S. 207 (235 ff.). 251 S. zu dieser Kritik, allerdings an Ansätzen der Legitimation entscheidungsvorbereitender Verwaltungshelfer, Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 376 f. 252 Zu diesem Erfordernis s. Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (423); Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 134; wohl auch Schuppert, Der Staat 32 (1993), 581 (609).

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tion geschieht auf zwei Ebenen – zum einen durch eine materielle und zum anderen durch eine organisatorische Sicherstellung des Niveaus der Tätigkeit, die sich ausdrückt in den beiden Instrumenten. Die sachlich-inhaltliche Legitimation hat zum Gegenstand, die Ausübung der Staatsgewalt ihrem Inhalt nach vom Volk herzuleiten bzw. mit dem Volkswillen zu vermitteln und auf diese Weise die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk sicherzustellen. 253 An dieser Stelle kann auch auf die bereits oben dargestellten Elemente rekurriert werden, denn sowohl der Vorbehalt einer Letztentscheidungskompetenz als auch die Aufsicht bzw. die Kontrolle der Kontrolle dienen in letzter Konsequenz einer materiellen Qualitätssicherung. Sie zielen damit auf gesetzeskonforme Handlungen und damit auf eine Wahrung der Gesetzesbindung. Diesem Erfordernis wird insbesondere auch dadurch Rechnung getragen, dass die materiellen Entscheidungen weitgehend bereits in dem untergesetzlichen Regelwerk enthalten sind und nicht mehr im Einzelfall getroffen werden. 254 Dieser Überlegung liegt eine Unterscheidung zwischen der Schaffung der materiellen Vorgaben und ihrer Verwirklichung zugrunde. Im Hinblick auf die materiellen Vorgaben könnte eine Wesentlichkeitstheorie des Demokratiegebotes formuliert werden, nach der der Gesetzgeber die wesentlichen Grundentscheidungen treffen muss. Demgegenüber findet die Sachverständigentätigkeit auf der Ebene der Rechtsverwirklichung statt, die somit die im Rahmen der Verfahrensprivatisierung maßgebliche ist. Dort werden in der Regel dann keine materiellen Entscheidungen getroffen; zumindest steht die Ebene der Rechtsverwirklichung dann einer Verfahrensprivatisierung nicht zur Verfügung, wenn derartige Entscheidungen noch erforderlich sind. Insofern sind allenfalls sachverständige Wertungen zulässig, die allerdings strukturiert sind. Die Einbeziehung privaten Sachverstands ist im Hinblick auf die Wahrung der sachlichinhaltlichen Legitimation sogar zu begrüßen, da dadurch eine inhaltlich richtige Entscheidung angestrebt wird und bei dem Erfordernis einer sachverständigen Entscheidung die Sachverständigen am besten dazu geeignet sind und auch eine gewisse Gewähr dafür bieten, eine (insbesondere im Sinne der gesetzlichen Vorgaben) „richtige“ Entscheidung zu treffen, zumal eine solche den materiellen Vorgaben entsprechende Entscheidung auch als gemeinwohlsichernd angesehen werden kann. Und da die wesentlichen Grundentscheidungen bereits getroffen sind, geht es vor allem um die Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit. Insofern kann auch von einer Legitimation durch Sachverstand 255 gesprochen werden, was letztlich auf ein expertokratisches Rechtfertigungsmodell abzielt. 256 253

Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 24 Rn. 21. Zu dem Aspekt, dass korrespondierend zu einer entfernteren demokratischen Legitimation die wesentlicheren Entscheidungen durch ein Gesetz getroffen werden müssen, s. Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (238). 255 Vgl. zu diesem Gedanken Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (216 ff.), der insbesondere auch darauf hinweist, dass gerade bei Sachverständigengremien die weisungsfreie 254

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Eine ähnliche Überlegung kann dann herangezogen werden, wenn eine noch zu treffende Entscheidung pluralistisch (sachverständig) besetzten Gremien übertragen werden soll. Insofern könnte von einer Legitimation durch Pluralisierung gesprochen werden. Allerdings darf diese Argumentation über ein Manko nicht hinweg täuschen – diese Überlegungen werden als Legitimation verkauft, tatsächlich handelt es sich aber nicht um eine Legitimation, wie sie das Demokratieprinzip im Blick hat. Dementsprechend handelt es sich um kompensatorische Erwägungen, 257 mit deren Hilfe begründet wird, warum trotz einer Unterbrechung der maßgeblichen Legitimationsstränge weiterhin ein dem Demokratieprinzip entsprechendes Ergebnis erreicht wird und daher die Entscheidungsstruktur zulässig ist. Als weitere kompensatorische Erwägungen können daneben Effektivität und Effizienz der Aufgabenerfüllung herangezogen werden. 258 Darüber hinaus wäre denkbar, dass eine detaillierte Verfahrensgestaltung auch eine Legitimation durch Verfahren begründen kann, wobei dies wohl nur dann in Betracht kommen dürfte, wenn zumindest die Betroffenen ausreichend in dem Verfahren repräsentiert sind. Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, ob die erforderliche Legitimation nicht auch auf anderem Wege begründet werden kann. Insofern kann als zentraler Ansatzpunkt angeknüpft werden an das Ziel der Verfassung, nämlich die Gemeinwohlsicherung, wobei sie im Rahmen des Demokratieprinzips dafür einen formellen Weg wählt. Dementsprechend rückt der Begriff des Gemeinwohls in den Mittelpunkt. 259 Während dieser zentrale Ansatzpunkt der GemeinwohlsicheTätigkeit Voraussetzung dafür ist, dass der Sachverstand und die Reputation verfahrenslegitimierend eingesetzt werden können. Daneben führt er auch den Gedanken der Effektivität der Aufgabenerfüllung an; s. S. 216 und S. 225. Danach wird im Rahmen von Art. 33 Abs. 4 GG die den Beamten zugetraute Zuverlässigkeit, Neutralität und rationale Entscheidung in der Praxis komplexer Verwaltungsverfahren dadurch ersetzt, dass dort, wo besonderer Sachverstand verlangt wird, unabhängige Sachverständigengremien an die Stelle des juristisch entscheidenden Beamten treten. Sodann, Kollegiale Funktionsträger, S. 410. 256 S. Möllers, VerwArch 90 (1999), (201); allgemein dazu auch Held, Models of Democracy, S. 143 ff.; Rickert, Technokratie und Demokratie, S. 143 ff. 257 Zu der Möglichkeit kompensatorischer Erwägungen s. auch Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (234). 258 S. dazu Reinhardt, AöR 118 (1993), 617 (624), der diese Fragen allerdings unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit prüft, wobei er den Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ausreichend darlegt. 259 S. dazu insbesondere Trute, DVBl. 1996, 951 (955 ff.); ders., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167 (210 ff.); Pitschas, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 151 (160); Wahl, in: SchmidtAßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 301 (335 f.); Horn, Die Verwaltung 26 (1993), 545 (559 ff.). Zur Gemeinwohlsicherung als Strukturanforderung Röhl, Die Verwaltung 29 (1996), 487 (499 ff.).

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rung beibehalten wird, wird das Verständnis insofern modifiziert, als der materielle Aspekt in den Vordergrund gerückt wird und die Legitimationsleistung von dem Erfordernis staatlicher Entscheidung zu dem Erfordernis der staatlichen Verantwortung für eine richtige Entscheidung verschoben wird. 260 Die Legitimationsleistung zielt dann darauf ab, sicherzustellen, dass im Rahmen des privaten Handelns das Gemeinwohl gesichert bzw. das Handeln Privater am Gemeinwohl ausgerichtet wird. Es findet ein Wandel der staatlichen Legitimationsleistung statt. Konsequenterweise wird dann nicht mehr von einer Legitimation einer Entscheidung, sondern von einer Legitimationsverantwortung des Staates gesprochen, die eine mangelnde inhaltliche Entscheidungsbeherrschung kompensieren soll. 261 Diese Legitimationsverantwortung kann als eine spezielle Ausprägung einer Gewährleistungsverantwortung des Staates angesehen werden. Der Staat trägt mithin nicht nur eine abstrakte Verantwortung für ein „richtiges“ Ergebnis. Das Erfordernis einer staatlichen Entscheidung kann dementsprechend nur dann abgelöst werden, wenn der Staat einer Legitimationsverantwortung nachkommt, die ein inhaltlich aufgeladenes Konzept zur Wahrnehmung dieser Verantwortung darstellt. Im Rahmen der institutionellen Vorkehrungen wird dabei insbesondere an die Auswahl der Privaten zu denken sein. 262 Auch die von Burgi für vorbereitende Tätigkeiten Privater geforderte Strukturschaffungspflicht kann als Ausprägung dieser Legitimationsverantwortung angesehen werden. Danach soll den Staat bzw. die staatliche Entscheidungsträger als Rechtsfolge der Einbeziehung Privater eine Pflicht treffen, bestimmte formale Standards gegenüber dem betreffenden privaten Aufgabenträger zu etablieren. 263 Dies soll Ausdruck einer Pflicht zur Etablierung demokratisch-rechtsstaatlicher Organisations- und Verfahrensstrukturen sein. Insofern wird hier der Gedanke einer Richtigkeit durch Strukturierung fruchtbar gemacht – durch entsprechende Einengung der Handlungsmöglichkeiten und -spielräume sowie die Etablierung gewisser Verfahrenselemente soll das Erreichen eines „richtigen“ Ergebnisses in indirekter Weise angestrebt werden. 264 260

Möllers, VerwArch 90 (1999), 187 (201). S. Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (199); Trute, DVBl. 1996, 950 (955 f.); ders., in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (34); Röhl, Staatliche Verantwortung in Kooperationsstrukturen, S. 487 (505); bezogen auf eine vorwirkende Legitimationsverantwortung im Rahmen einer Mitwirkung Privater an staatlichen Entscheidungen Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (373 f.); s. dazu auch Kunig / Rublack, Jura 1990, 1 (6 f.). 262 Vgl. Röhl, Die Verwaltung 29 (1996), 487 (505); zu einer Betonung der sachlichen und personellen Qualifikation des Privaten s., wenn auch unter einem etwas anderen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt, Reinhardt, AöR 118 (1993), 617 (624). 263 Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (201); ders., Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 ff. Allerdings erklärt auch Burgi, obwohl er gerade dies bei anderen Autoren kritisiert, nur unzureichend die Ableitung dieser Pflicht aus dem Demokratieprinzip. Allenfalls die Anknüpfung an die Entscheidung und die Verankerung auf der Rechtsfolgenseite kann an dieser Stelle fruchtbar gemacht werden. 261

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In der Sache handelt es sich auch bei der Wahrnehmung der Legitimationsverantwortung bzw. der Strukturschaffungspflicht um die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts. Relevante private Tätigkeit soll bestimmten Bindungen unterworfen werden, um eine Qualitäts- und Gemeinwohlsicherung zu erreichen. Gegenstand dieser Pflichten sind dann insbesondere die Anforderungen an die Person des Privaten, die Berücksichtigung bzw. Beteiligung der Betroffenen sowie die Etablierung einer Kontrolle gegenüber den Privaten. 265 Im Rahmen der Anwendung dieser Überlegungen auf die Situation des Sachverständigenmodells ist dessen gesamte Ausgestaltung in den Blick zu nehmen. Bei diesem handelt es sich um eine hybride Entscheidungsstruktur, in der sich schon die Frage stellt, ob für die Tätigkeit Privater überhaupt eine demokratische Legitimation erforderlich ist. Darüber hinaus sind auch noch die starke Stellung der demokratisch legitimierten Behörde und deren Zugriffsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Um den Anforderungen des Demokratieprinzips zu genügen, muss eine Zurechnung in dem Sinne möglich sein, dass ein bestimmtes Legitimationsniveau 266 erreicht ist. Bei einer sachgerechten Anwendung der Maßstäbe auf das Sachverständigenmodell sind die verwendeten Legitimationsformen als ausreichend zu erachten. Insbesondere ist bei einer ausreichenden, institutionalisierten Gemeinwohlsicherung im Rahmen des Sachverständigenmodells, die bei einer Ausgestaltung entsprechend der obigen Erwägungen (also auch der Möglichkeit einer staatlichen Letztentscheidung) vorliegen dürfte, von einem ausreichenden Legitimationsniveau auszugehen. Es stellt sich allenfalls die Frage, ab welchem Grad einer derartigen hybriden Organisationsform die Verantwortungen in einem Ausmaß diffundieren, das eine derartige Verantwortungswahrnehmung angesichts der tatsächlichen Gestaltung unmöglich oder unwahrscheinlich macht. Jedenfalls kann dies nicht abstrakt festgestellt werden, jedoch erscheint im Rahmen eines Sachverständigenmodells eine angemessene Ausgestaltung möglich. Jedenfalls verlangt das Demokratieprinzip entsprechend der obigen Erwägungen die Wahrnehmung einer staatlichen Gewährleistungs- bzw. Legitimationsverantwortung. 267 In dieser Hinsicht wandelt sich die demokratische Legitimation staatlicher Akteure in die Forderung um, gegenüber privaten Akteuren eine Gemeinwohlsicherung zu gewährleisten und die private Tätigkeit zu legitimieren. Erforderlich ist danach die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts. 264 Zu dem Gedanken einer Richtigkeit durch Strukturierung s. auch Häfner, LKV 2005, 340 (341, 343). 265 Vgl. dazu Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (204 ff.); ders., Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 381 ff. 266 S. dazu BVerfGE 83, S. 60 (72); BVerfGE 94, S. 37 (66 f.); BVerfGE 107, S. 59 (87). 267 So Röhl, Die Verwaltung 29 (1996), 487 (501).

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Notwendig ist eine bestimmte Entscheidungsqualität in dem Sinne, dass Entscheidungen in Distanz zum Sonderinteresse als Gemeinwohlentscheidungen ergehen, also nach allgemeinen Merkmalen getroffen werden sollen. 268 c) Zusammenfassung und Ergebnis Es bleibt festzuhalten, dass zwar eine Legitimation der sachverständigen Tätigkeit zu fordern ist, letztlich jedoch keine klare Aussage über Art und Weise sowie das Ausmaß der demokratischen Legitimation möglich ist. Jedenfalls kann das Demokratieprinzip nicht technisch in dem Sinne verstanden werden, dass ausschließlich eine Aufgabenerledigung durch öffentlich-rechtliche Organe unter Ausschaltung jegliche Beteiligung von Privaten oder privatrechtlichen Gestaltungsformen gemeint ist. 269 Vielmehr muss im Rahmen eines Gewährleistungsverwaltungsrechts die Tätigkeit der Sachverständigen staatlich geformt, überwacht und kontrolliert werden. Demnach lassen sich folgende Kriterien identifizieren, deren Berücksichtigung im Hinblick auf das Demokratieprinzip erforderlich sein dürfte: • eine am Maßstab des politischen Gewichts der Aufgabe orientierte Aufsicht, wobei auch die Unmittelbarkeit der Aufsicht eine Rolle spielt; • eine Differenzierung nach der Art der auszulagernden Funktionen, insbesondere nach der Komplexität der Aufgabe in Abhängigkeit von dem Gewicht der wahrzunehmenden Gesamtaufgabe, so dass gerade komplexe Tätigkeiten in besonderer Weise an den staatlichen Bereich zurückgekoppelt werden; • die Wahrung der staatlichen Letztverantwortlichkeit; sowie • die Berücksichtigung des gesellschaftlichen Interessensspektrums bei der Ausgestaltung des Sachverständigenrechts. 270 Letztlich besteht somit eine Gewährleistungsverantwortung im Hinblick auf die Sicherung des Gemeinwohls auch im Rahmen hybrider Entscheidungsstrukturen, der durch Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts Rechnung zu tragen ist. Dieses muss eine Qualitäts- und Gemeinwohlsicherung institutionalisieren und garantieren. Damit rechtfertigt und legitimiert es die Tätigkeit von Sachverständigen und stellt im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Sachverständigenmodells die erforderliche demokratische Legitimation her. Es handelt sich zwar im Hinblick auf die Sachverständigen nur um eine lockere, aber im Hinblick auf die hybride Organisation und die Gemengelage aus privater und 268 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (22). 269 Erbguth, UPR 1995, 369 (372). 270 Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (231).

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staatlicher Tätigkeit um eine hinreichende Legitimation, zumal nur eine gemeinwohlsichernde, nicht aber eine formell vollständige erforderlich ist. Somit kann die bereits oben angesprochene Gewährleistungsverantwortung auch aus dem Demokratieprinzip abgeleitet werden, wenn auch mit anderer Nuancierung.

7. Das Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip wird in Art. 20 GG verortet, obwohl dort nur Teilelemente des Rechtsstaats normativ verankert sind. 271 Aus dem Rechtsstaatsprinzip werden zahlreiche konkretisierende Unter-Prinzipien und Gebote abgeleitet, die vorliegend nicht systematisiert werden sollen. 272 Vielmehr geht es darum, die Elemente des Rechtsstaatsprinzips zu identifizieren, die für eine Verfahrensprivatisierung von Bedeutung sein können. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass staatliches Handeln gemeinwohlorientiert sein muss, 273 so dass ihm auch entnommen werden kann, dass im Rahmen eines Sachverständigenmodells gemeinwohlsichernde Institutionen vorgesehen werden müssen. Die dem Rechtsstaatsprinzip entnommene Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz 274 wird von einer Verfahrensprivatisierung ohnehin nicht in Frage gestellt. Eine Grenze der möglichen Entscheidungskompetenzen Privater wird durch die im Rechtsstaatsprinzip verortete Wesentlichkeitsdoktrin aufgerichtet, nach der der parlamentarische Gesetzgeber „in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit dieser staatlichen Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat“. 275 a) Anforderungen an das Verfahren Das Rechtsstaatsprinzip enthält auch Mindestanforderungen für das Verwaltungsverfahren, 276 insbesondere das Erfordernis einer angemessenen Ausgestal271

Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 40; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Band 1, Art. 20 Rn. 21. 272 S. dazu Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 61. 273 Vgl. Erbguth, UPR 1995, 369 (373). 274 S. dazu Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 26 Rn. 58 ff. 275 BVerfGE 61, S. 260 (275); BVerfGE 49, S. 89 (126). 276 Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Art. 20 Rn. 165; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 26 Rn. 75 ff.

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tung von Organisation und Verfahren. 277 Das Verfahrensrecht soll der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, aber darüber hinaus auch in diesem Rahmen gerechter Entscheidungen dienen. 278 Es ist daher von der Exekutive objektiv personell, technisch und kognitiv so zu organisieren, dass der Verwaltungsablauf sachgerechte Entscheidungen ermöglicht. 279 Dabei lässt sich dem Rechtsstaatsprinzip nicht entnehmen, dass privatrechtliche Organisationsformen der Aufgabenerfüllung unzulässig sind, auch wenn sie die Bindung an das parlamentarische Gesetz lockern, Verantwortlichkeiten verwischen und den Rechtsschutz des Bürgers erschweren können. Ihm kann allerdings grundsätzlich entnommen werden, dass der Staat sicherstellen muss, dass die Gesetze und ihre Anforderungen in der Realität auch tatsächlich befolgt werden und das angestrebte Ziel erreicht wird. 280 Damit kann auch ihm grundsätzlich eine Gewährleistungs- oder Auffangverantwortung entnommen werden. Diese verlangt die Sicher- bzw. Bereitstellung eines entsprechenden Verfahrens und damit die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts. Dabei bietet sich an, die Einzelanforderungen des Rechtsstaatsprinzips an das Verfahren daraufhin zu untersuchen, ob sie auch inhaltliche Anforderungen für die Ausgestaltung des Gewährleistungsverwaltungsrechts und damit der Verfahrensprivatisierung darstellen und daher einer entsprechenden Umsetzung bedürfen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip wird das Gebot zur rationalen Organisation der Verwaltung entnommen. 281 Für den Bürger sollen Verantwortungsklarheit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns gewährleistet werden. Daher wird generell Klarheit bei der Zuordnung von Aufgaben und Kompetenzen in der Verwaltungsorganisation verlangt. 282 Dieses Gebot kann unzweifelhaft auch auf das Sachverständigenmodell übertragen werden. Es muss eindeutig normiert sein, welche Aufgaben unter welchen Voraussetzungen Sachverständige durchführen dürfen; gleichzeitig müssen die Kompetenzen der Verwaltung im Hinblick auf die Tätigkeit der Sachverständigen sowie das Projekt selbst klar und eindeutig geregelt sein. Daneben soll das Verfahren zu einer sachrichtigen Entscheidung führen. 283 Sachrichtig kann nur eine Entscheidung sein, die aufgrund einer rechtmäßigen, 277

Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 199 ff. BVerfGE 55, S. 72 (93) mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung. 279 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210). 280 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 205; vgl. auch Trute, DVBl. 1996, 950 (956 f.). 281 S. dazu Krebs, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 3. Auflage, § 108 Rn. 90. 282 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 206. 283 BVerfGE 55, S. 72 (93 f.) m.w. N.; Eversberg, Der Zeitfaktor im bundesimmissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 18. 278

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verhältnismäßigen und vollständigen Abwägung der bestimmenden Faktoren ergeht. 284 Somit bestehen Anforderungen an die Ermittlung der relevanten Faktoren und ihre Berücksichtigung in der Entscheidungsfindung. Insbesondere besteht ein Gebot einer vollständigen Ermittlung der entscheidungsrelevanten Umstände, das für die Verwaltung durch § 24 VwVfG verwirklicht ist. Angesichts der Komplexität der jeweiligen Sachverhalte, des Zeitfaktors und der anderen zu berücksichtigenden Ziele des Verwaltungsverfahrens sowie der Unmöglichkeit einer abschließenden Ermittlung, insbesondere bei prognostischen Ermittlungen, gibt es jedoch Grenzen dieses Gebotes. Insbesondere lässt sich dieser Forderung keine Grenze für die Einbindung Privater entnehmen. Vielmehr scheinen die Argumente für die Einführung eines Sachverständigenmodells insofern parallel zu dieser Forderung zu liegen – es soll gerade über die Einbeziehung von Sachverstand sicherstellen, dass sachrichtige Ergebnisse erzielt werden. Dafür spricht auch, dass gerade im Rahmen der Ermittlung des Sachverhalts eine Änderung des Verfahrens für möglich gehalten wird 285 und bereits heute Fakten in erheblichem Umfang durch private Gutachter ermittelt werden. Das Sachverständigenmodell muss jedenfalls eine entsprechende Ermittlung der Fakten gewährleisten. Die Sachrichtigkeit ist allerdings auch organisationsrechtlich sicherzustellen. Die Sachverständigen stehen außerhalb der Verwaltung und unterliegen grundsätzlich keiner Gemeinwohlbindung (bzw. keiner originären Gemeinwohlbindung). Es ist erforderlich, eine solche auch im Rahmen eines Sachverständigenmodells herzustellen bzw. zu gewährleisten. 286 Dies kann grundsätzlich auf zwei Wegen erreicht werden, und zwar entweder durch die Herstellung eines Interessengleichklangs (oder eine Parallelisierung von Interessen), oder aber die Gewährleistung einer Gemeinwohlbindung durch Verpflichtung darauf und Beaufsichtigung der Tätigkeit. Eine Parallelisierung von Interessen kann zum Beispiel über Instrumente des Haftungsrechts erreicht werden, denn wenn die unzureichende Aufgabenerfüllung wirtschaftliche Auswirkungen hat, wird das wirtschaftliche Interesse nutzbar gemacht, um eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch Private sicherzustellen. Ein wesentliches Element des zweiten Weges ist wiederum die bereits erwähnte Kontrolle der Kontrolle als wiederkehrendes Element der verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Entscheidungsstruktur muss eine der Bedeutung der privaten Tätigkeit entsprechende Kontrolle beinhalten, die eine Gemeinwohlsicherung, also die Einhaltung der materiellen

284 Eversberg, Der Zeitfaktor im bundesimmissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 19; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 37. 285 Eversberg, Der Zeitfaktor im bundesimmissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 34. 286 S. zu Fragen der Gemeinwohlsicherung Trute, DVBl. 1996, 950 (insbesondere 954 ff.).

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Anforderungen und eine der Gesetzesbindung entsprechende Tätigkeit der Privaten sicherstellt. Darüber hinaus ist eine sachrichtige Entscheidung auch dadurch sicherzustellen, dass fachlich und persönlich geeignete Private mit der entsprechenden Aufgabe betraut werden. Die Sicherstellung dieser Eignung wiederum verlangt die Durchsetzung entsprechender Anforderungen für die Handelnden. In gleicher Weise können die Forderungen nach einem Mindestmaß an Distanz zwischen entscheidender Person und Sache 287 übertragen und angewandt werden. Für die Verwaltung sind einzelfallbezogene Befangenheits- und generelle Unvereinbarkeitsregelungen geboten, um eine Mindestdistanz zu gewährleisten; dabei ist bereits der böse Schein der Selbstbetroffenheit des Entscheidenden im Ansatz zu vermeiden. 288 Dies muss erst recht für private Sachverständige gelten, jedoch mit Ausnahme der in gewisser Hinsicht immanenten finanziellen Selbstbetroffenheit. In diesem Zusammenhang wird auch das Gebot der Transparenz auf Private übertragen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an Publizitätsgebote, die Offenlegung von Vereinbarungen, die Begründung von Auskunftspflichten der privaten Handelnden sowie ergänzende staatliche Informationspflichten. 289 Darüber hinaus enthält das Rechtsstaatsprinzip ein Gebot zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens. 290 Ein Verfahren darf den Interessen der Beteiligten nicht so weit ausgeliefert werden, dass die Entscheidung letztendlich ohne eine ausreichende Berücksichtigung der Interessen Drittbetroffener sowie der öffentlichen Interessen gefällt wird. Allerdings dürfte diese Gefahr vorliegend eine geringe Rolle spielen, denn es geht nicht um informelle Absprachen oder ähnliches, sondern nur um eine veränderte Form der Überprüfung nicht disponibler Vorgaben. Soweit erforderlich muss jedenfalls ein Gewährleistungsverwaltungsrecht ein faires Verfahren sicherstellen. Ein dem Rechtsstaatsprinzip entsprechendes Verfahren soll ebenfalls dazu dienen, Akzeptanz für das Verfahrensergebnis herzustellen. 291 Dabei ist durchaus denkbar, dass sich eine zu große Rolle der Sachverständigen negativ auf die Akzeptanz des Ergebnisses auswirkt, da die Verwaltung zumindest in gewissem Umfang Garant für ein neutrales Ergebnis ist bzw. als solcher Garant wahrgenommen werden kann. Um so entscheidender ist es, durch eine Auswahl und Kontrolle der Sachverständigen sowie persönliche Anforderungen zu gewährleisten, dass diese in der Außenwahrnehmung als unabhängig und nicht als interessenabhängig erscheinen, was die Akzeptanz fördern kann. 287 288 289 290 291

Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 209. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG, Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 209. Trute, DVBl. 1996, 950 (957). Lange, VerwArch 82 (1991), 1 (14). S. dazu Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, 1996.

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

Dem Rechtsstaatsprinzip wird auch zunehmend ein Gebot des effektiven Verfahrens entnommen. 292 Rechtsstaatliche Rationalität beinhaltet, dass staatliche Aufgaben möglichst zweckmäßig und effektiv erfüllt werden. 293 Diesem kann eine sachgerechte Ausgestaltung, auch durch Einbeziehung anderer Handlungsrationalitäten entsprechen. 294 So wird gerade die Effektivität der Aufgabenerfüllung durch Private als rechtfertigend für eine Übertragung herangezogen, wobei auch der Zeitraum der Aufgabenerfüllung in den Blick genommen wird. 295 In diesem Zusammenhang wird auch eine Pflicht zum Einsatz adäquater unabhängiger Fachkompetenz, sowohl interner als auch externer, je nach Materie als möglich erachtet. 296 Insofern dürften zumindest keine Bedenken gegenüber einem Sachverständigenmodell bestehen, da dies gerade eine sachgerechte Erfüllung sicherstellen soll. Des Weiteren ist auch die Rechtssicherheit ein wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips. 297 Im Rahmen des Sachverständigenmodells wird dem Antragsteller zumindest teilweise die Möglichkeit genommen, eine bestandsschutzsichernde Genehmigung und die damit verbundene gesicherte Rechtsposition zu erlangen. 298 Allerdings erscheint es fraglich, ob das Rechtsstaatsprinzip dabei überhaupt eine derartige „Serviceleistung“ der Verwaltung, die dem Antragsteller ein „Mehr“ an Rechtssicherheit bietet, verlangt. Letztlich stellt die Genehmigung eine Form der Risikoabsicherung dar. Eine solche ist vorliegend allenfalls als Gegenstand einer subjektiven Gewährleistung der Grundrechte zu thematisieren. 299 Dem Rechtsstaatsprinzip kann die Forderung entnommen werden, Rechtspositionen einzuräumen und die Durchsetzung zu gewährleisten, eine darüber hinausgehende Pflicht zu einer Absicherung der Investition durch eine derartige „Serviceleistung“ kann ihm aber nicht entnommen werden. Dies würde eine Form der Risikoübernahme darstellen, die die Verfassung ermöglicht, die aber nicht durch die Verfassung, zumindest nicht durch das Rechtsstaatsprinzip, gefordert wird. Darüber hinaus ist vorliegend anzumerken, dass die immissions292 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210 f.); Krebs, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR V, 3. Auflage, § 108 Rn. 90; Ritter, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (229); Schmidt-Aßmann, in: ders. / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 5 (40); Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 175; Schulze-Fielitz, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 139 (149); Trute, DVBl. 1996, 950 (956). Kritisch dazu Möllers, Verwaltungsarchiv 90 (1999), 187 (190 f.). 293 Trute, DVBl. 1996, 950 (956). 294 Di Fabio, Risikoentscheidung im Rechtsstaat, S. 115 ff. 295 Reinhardt, AöR 118 (1993), 617 (624). 296 Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (211). 297 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 26 Rn. 81. 298 Vgl. dazu die Untersuchung von Sach, Genehmigung als Schutzschild?, 1994. 299 Vgl. in dieser Hinsicht Held, UPR 1999, 210 ff.

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schutzrechtliche Genehmigung ohnehin keinen vollumfänglichen Bestandsschutz mehr gewährt, was unter anderem auch Folge der dynamischen Grundpflichten ist. 300 b) Die Justizgewährleistungspflicht Ein weiteres Kernelement des Rechtsstaatsprinzips ist auch ein Justizgewährleistungsanspruch. 301 Dieser beinhaltet einen Anspruch auf Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte und verlangt die Existenz des Zugangs zu staatlichen Gerichten, grundsätzlich eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche gerichtliche Entscheidung. 302 Dabei ist auch eine ausreichende Klarheit der Rechtsweg- und Rechtsmittelvorschriften erforderlich. 303 Als Folge des Sachverständigenmodells würde ein Teil der auftretenden Streitigkeiten entweder auf den Privatrechtsweg (Betroffener gegen Betreiber) verlagert oder darin bestehen, dass der Betroffene ein behördliches Einschreiten fordert. Es droht zudem ein Verfahrensdualismus, denn eventuell kann eine Streitigkeit mehrere Verfahren zur Folge haben. Das entscheidende Problem ist allerdings, dass der Betroffene sich nunmehr über den richtigen Rechtsweg Klarheit verschaffen muss, ihm zumindest partiell der entscheidende Anknüpfungspunkt der Genehmigung fehlt und ein Rechtsschutz durch Tätigkeit der Behörde auch insofern erschwert wird, als dass er nunmehr ein aufsichtsbehördliches Einschreiten fordern muss. 304 Dabei handelt es sich im Vergleich zu der aktuellen Ausgestaltung zwar um Erschwernisse, allerdings schreibt das Rechtsstaatsprinzip nicht den derzeitigen Umfang und die derzeitige Einfachheit des Rechtsschutzes fest. Es mag zwar gerechtfertigt sein, daran festzuhalten, dies ist allerdings nicht verfassungsrechtlich gefordert. Auch im Hinblick auf die Effektivität des Rechtsschutzes 305 mag ein Sachverständigenmodell Erschwernisse zur Folge haben; diese können aber bewältigt werden. Jedenfalls ist es sicherlich möglich, auch im Rahmen eines Sachver300 S. im Übrigen zu der Reichweite des Bestandsschutzes Sach, Genehmigung als Schutzschild?, S. 195, 242 f. Zum Bestandsschutz und dessen verfassungsrechtlichen Schutz s. auch Mampel, NJW 1999, 975 (976 f.). 301 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 211; s. dazu auch Redeker, NJW 2000, 2796 (2796 f.). 302 BVerfGE 93, S. 99 (107); BVerfGE 85, S. 337 (345); BVerfGE 54, S. 277 (291); Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 26 Rn. 73. 303 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band II, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 215. 304 S. allerdings zu den möglichen Erleichterungen durch die zumindest reduzierten Anforderungen an die Annahme einer Ermessensreduzierung oben unter 4. 305 Vgl. dazu Krüger / Sachs, in: Sachs (Hrsg.): GG, Art. 19 Rn. 143.

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ständigenmodells einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, so dass das Rechtsstaatsprinzip dem Sachverständigenmodell zumindest nicht grundsätzlich entgegensteht. Problematisch würde es allenfalls dann, wenn im Rahmen der Einführung der Rechtsschutz übermäßig beschnitten würde. 306

8. Das Sozialstaatsprinzip Das auch im Zusammenhang mit Privatisierungen verschiedentlich ins Spiel gebrachte Sozialstaatsprinzip ist in Art. 20 Abs. 1 GG verankert und verlangt vom Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. 307 Es ist in weitem Umfang konkretisierungsbedürftig und hat vor allem eine inhaltliche Bedeutung im Hinblick auf die Daseinsvorsorge – so wird angenommen, dass es die Verwaltung zur Wahrnehmung lebensnotwendiger Ver- und Entsorgungsaufgaben verpflichten kann. 308 Der Gesetzgeber ist zur Herstellung sozialstaatsgemäßer Zustände verpflichtet, wobei er allerdings einen weiten Gestaltungsspielraum hat. 309 Der Gehalt dieses Prinzips lässt sich kaum zu definitiven Einzelkonsequenzen verdichten. 310 Insofern beschränkt sich seine Bedeutung im Wesentlichen auf inhaltliche Vorgaben, und es macht keine Vorschriften über die Art und Weise der Verwirklichung der vorgegebenen Ziele, die deshalb auch durch Private erfolgen kann. 311 Aber auch wenn das Sozialstaatsprinzip einer Privatisierung der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben nicht entgegensteht, kann es jedoch die Art und Weise dieser Privatisierung beeinflussen. Zwar handelt es sich bei dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren um ein Instrument der Gefahrenabwehr und nicht der Daseinsvorsorge, aber die Ausgestaltung kann unter verschiedenen Aspekten das Sozialstaatsprinzip berühren. So wird aus dem Sozialstaatsprinzip i.V. m. Art. 3 Abs. 1 GG geschlossen, dass ein Element der Verfahrensprivatisierung, insbesondere die Einführung eines Sachverständigen306 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die bestehenden Möglichkeiten des Rechtsschutzes der Betroffenen verfassungsrechtlich beeinflusst werden, Mampel, NIW 1999, 975 (981) spricht von einem verfassungsdirigierten baurechtlichen Nachbarschutz. 307 BVerfGE 94, S. 241 (263) m.w. N. zu der Rechtsprechung. 308 Schoch, DVBl. 1994, 962 (970). 309 Lecheler, ZBR 1980, 69 (71), der den Inhalt des Sozialstaatsprinzips nicht als Sperre, sondern sogar als Gebot der Privatisierung untersucht. 310 Sachs, in: ders. (Hrsg.): GG, Art. 20 Rn. 47. 311 Schoch, DVBl. 1994, 962 (969 f.); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 25; Achterberg, JA 1985, 503 (506); Hofmann, VBlBW. 1994, 121 (124); Groß, Die Privatisierung ordnungsrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren auf der Grundlage des Öko-Audit-Systems, S. 76; Ronellenfitsch, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR IV, 3. Auflage, § 98 Rn. 45; Thiele, GewArch 1980, 105 (107 f.); von Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 159.

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modells, nicht derart ausgestaltet werden darf, dass die weniger leistungsfähigen Privaten nicht mehr in der Lage sind, die damit verbundenen Belastungen zu tragen. 312 Im Hinblick auf den Antragsteller kommen als derartige Belastungen die höheren Haftungsrisiken, höhere Kosten und höhere Rechtsrisiken in Betracht. 313 Auch zu Gunsten der Betroffenen kann dem Sozialstaatsprinzip eine Komponente entnommen werden – die Modelle der Verfahrensprivatisierung dürfen nicht zu einer Ausgestaltung führen, in der der wirtschaftlich besser ausgestattete Antragsteller und Anlagenbetreiber aufgrund dieses wirtschaftlichen Vorsprungs in der Lage ist, seine Interessen gegenüber den Betroffenen, die über keine vergleichbaren wirtschaftlichen Mittel verfügen, durchzusetzen. Allerdings handelt es sich bei diesen Anmerkungen allenfalls um Ausgestaltungsdirektiven, eine Grenze für die Übertragung von Kontrollaufgaben auf Private kann dem Sozialstaatsprinzip nicht entnommen werden.

9. Zusammenfassung der inhaltlichen Rahmenbedingungen des Grundgesetzes: Das Minimum einer staatlichen Verantwortung Als Ergebnis der obigen Untersuchung ist festzuhalten, dass das Grundgesetz nur wenige handfeste Schranken einer Privatisierung enthält. Jedoch unterliegen auch Modelle der Verfahrensprivatisierung, die durch eine Rücknahme staatlicher Kontrolle gekennzeichnet sind, verfassungsrechtlichen Anforderungen. Insbesondere die grundrechtlichen Schutzpflichten und das Demokratieprinzip zeigen Grenzen der Rücknahme der staatlichen Präventivkontrolle auch bei einer Kompensation durch Private auf. 314 So kann dem Grundgesetz in vielen Fällen, insbesondere auch im Umweltschutz, eine Verpflichtung des Staates zur Wahrnehmung der betreffenden Aufgabe entnommen werden. Diese Verpflichtung 312

Vgl. für das Bauordnungsrecht Ritter, DVBl. 1996, 542 (549). Im Hinblick auf die höheren Haftungsrisiken ist auf Haftpflichtversicherungen hinzuweisen. Hinsichtlich der höheren Kosten ist darauf hinzuweisen, dass auch schon heute der Antragsteller im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren erhebliche Kosten tragen muss und daher im Vergleich nicht notwendigerweise höhere Kosten auf ihn zukommen und sich darüber hinaus ohnehin die Frage stellt, ob die Verfahrenskosten angesichts der Gesamtinvestitionen erheblich ins Gewicht fallen. Im Hinblick auf die höheren Rechtsrisiken ist zum einen auf den bereits heute geringen Bestandsschutz zu verweisen und zum anderen auf die Pflicht zur Einhaltung der materiellen Vorgaben, denn wenn diese Pflicht erfüllt wird, dann bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf Rechtsrisiken. Allerdings kann insofern bei der Ausgestaltung ein besonderes Augenmerk erforderlich sein, zumal die Einhaltung der Pflichten noch eine entsprechende Konkretisierung der Pflichten erfordern kann. 314 Vgl. Schmidt-Preuß, in: Bauer / Breuer / Degenhart / Oldiges (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, S. 585 (591). 313

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

geht in der Regel allerdings nicht so weit, dass auch ein bestimmter Modus einer Aufgabenwahrnehmung verlangt wird. Die Vorgaben beziehen sich eher auf eine Verpflichtung zur Steuerung und Qualitätssicherung. Es besteht sozusagen kein Privatisierungsverbot, sondern vielmehr, positiv gesehen, ein Steuerungsgebot. Der Staat muss kontrollieren und steuern, er muss die Aufgaben allerdings nicht unmittelbar selbst erledigen. Die Verpflichtung entspricht eher einer Gewährleistungsverantwortung – der Staat muss Ergebnisse sicherstellen, ohne dabei zu einer bestimmten Art und Weise der Zielerreichung verpflichtet zu sein. So scheidet aufgrund der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen ein völliger Rückzug des Staates aus dem Bereich des Ordnungsrechts im Umweltrecht aus. Er muss immer ein bestimmtes Maß an Kontrolle gewährleisten. Dies ergibt sich insbesondere auch aus einer Zusammenschau der den Staat treffenden Aufgaben, die elementar zur Gewährleistung des Zusammenlebens sind, somit der Gefahrenabwehr, des Gesundheitsschutzes, der Sicherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Vorsorge auch im Interesse künftiger Generationen. 315 Somit kann es nicht um das „Ob“, sondern nur um das „Wie“ und das Ausmaß der staatlichen Tätigkeit im Rahmen des Ordnungrechts gehen. Es besteht eine Verpflichtung des Staates zur Schaffung und Verwirklichung eines Schutzkonzeptes; er muss ein solches seiner Tätigkeit zu Grunde legen. In diesem Sinne könnte von einer Garantenstellung des Staates gesprochen werden. Das Schutzkonzept darf nicht vollkommen ungeeignet sein. Im Übrigen besteht ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; er ist nicht auf einen bestimmten Weg verpflichtet, der ihn treffenden Aufgabe nachzukommen. Wie bereits im Rahmen der Erörterungen angedeutet, können die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen auf die eingangs dargestellte Verantwortungskonzeption bzw. -diskussion übertragen werden. Der Staat ist danach nicht verpflichtet, eine Aufgabe im Rahmen einer Erfüllungsverantwortung wahrzunehmen. Vielmehr kann und wird im Rahmen eines Sachverständigenmodells die Durchführungsverantwortung zumindest teilweise auf Private übertragen. Allerdings bleibt eine staatliche Mindestverantwortung bestehen, die sich vorliegend als Gewährleistungsverantwortung äußert. Dementsprechend muss in den Bereichen, in denen eine private Durchführungsverantwortung besteht, ein Schutzkonzept vorhanden sein, das Ausdruck dieser fortbestehenden Gewährleistungsverantwortung ist. Insofern hat sich die Erfüllungsverantwortung zu einer Gewährleistungsverantwortung gewandelt, die den Inhalt aufweist, dass materielle Vorgaben geschaffen werden müssen und deren Einhaltung angestrebt werden muss. Im Hinblick auf das Schutzkonzept, das der Ausübung der Gewährleistungsverantwortung dient, können der Verfassung weitere Rahmenelemente entnommen 315

Engelhardt, WiVerw 2000, 65 (77).

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werden. Insbesondere besteht eine Verpflichtung zur Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts, das verschiedenen Vorgaben genügen und bestimmte Elemente aufweisen muss. Als notwendige Elemente des Schutzkonzepts lassen sich insbesondere anführen: • die Definition eines Soll-Zustandes (egal wie, sei es durch anlagenbezogene oder durch umweltbezogene Vorgaben); • Mechanismen zur Überprüfung der Einhaltung durch die Privaten; • eine (Vorsorge der) Richtigkeitsgewähr; • die Gewährleistung der Gemeinwohlbindung; • Anforderungen an die Person des Privaten (kompensatorische Maßnahmen); 316 • eine Aufsicht / Kontrolle der Kontrolle, wobei diese sich zum einen auf die tätig werdenden Privaten, zum anderen aber auch auf das Ergebnis der privaten Handlungen beziehen muss; sowie • eine staatliche Letztentscheidungskompetenz. Im Übrigen ist die konkrete Ausgestaltung dem Gestaltungsermessen des Gesetzgebers überlassen, wobei der maßgebliche Ansatzpunkt für eine Differenzierung die jeweils betroffene Materie, insbesondere das damit verbundene Gefahrenpotential ist. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch, dass das Kriterium der funktionalen Äquivalenz keine Fundierung in den verfassungsrechtlichen Vorgaben hat, denn es kommt auf das Erreichen der normativen Ziele und auf ein wirksames Schutzkonzept, nicht aber darauf an, dass ein neu eingeführtes Instrument zwingend zu einem bestehenden funktional äquivalent ist. 317 In diesem Zusammenhang stellt sich aber auch die bereits angesprochene Frage, ob die verfassungsrechtlichen Vorgaben auch ein präventives (Genehmigungs-)Verfahren verlangen. So wird im Rahmen des Bauordnungsrechts als einer ebenfalls der Gefahrenabwehr zuzuordnenden Materie des Ordnungsrechts 318 die Privatisierung des bauaufsichtlichen Verfahrens durch Verzicht auf die Präventivkontrolle als regelmäßig unbedenklich angesehen. Die Entscheidung für ein Vorgehen im Wege der präventiven oder repressiven Kontrolle wird dabei dem Gesetzgeber überlassen. 319 Einerseits ist fraglich, ob angesichts der unterschiedlichen Materien diese Überlegungen ohne weiteres übertragen werden können. Andererseits lässt sich dem Grundgesetz auch nicht entnehmen, dass das Schutzkonzept immer eine staatliche Tätigkeit in Form präventiver Genehmigungsverfahren vorzusehen hat. Angesichts des dem Gesetzgeber zukommenden 316

S. dazu Lautner, VR 1999, 37 (44). So auch Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (385). 318 Wobei diese Zuordnung nicht zwingend sein soll, s. dazu Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (271). 319 Knemeyer, FS Blümel, S. 259 (274). 317

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weiten Gestaltungsspielraums kann er deshalb grundsätzlich wählen, ob er seinen Schutzaufgaben präventiv, repressiv oder auf beiden Wegen nachkommt. 320 Diese Entscheidungsfreiheit wird jedoch durch die Bedeutung der betroffenen Schutzgüter eingeschränkt; dementsprechend kann ein präventives Verfahren, sei es ein staatliches, sei es ein privates, in bestimmten Materien zur Sicherstellung eines ausreichenden Schutzes erforderlich sein. Dies gilt auch für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen; zwar nicht für sämtliche, aber durchaus für eine erhebliche Anzahl dieser Anlagen. Sobald aber ein Genehmigungsverfahren vorgesehen wird, bedeutet der Gestaltungsspielraum jedoch keine völlige Freiheit bei der Ausgestaltung dieses Genehmigungsverfahrens. Insofern damit die Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden ist, setzt die Verfassung, insbesondere durch das Demokratieprinzip, der Ausgestaltung Grenzen. Jedenfalls ist im Fall der privaten Durchführung ein Gewährleistungsverwaltungsrecht zu schaffen; die oben angeführten Aspekte des Schutzkonzepts müssen sich in der präventiven Kontrolle wiederfinden. Dabei entlässt die Verfassung den Staat allerdings nicht aus der Verpflichtung, für die Berücksichtigung und Sicherstellung des Gemeinwohls Sorge zu tragen. Dementsprechend muss er weiterhin für die Herstellung eines Interessenausgleichs Sorge tragen. Dies ergibt sich aus der aus unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben begründbaren Verpflichtung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, die wesentlichen Entscheidungen zu treffen; und die Herstellung des Interessenausgleiches ist eine derartig wesentliche Entscheidung. Diese darf somit nicht ohne staatliche Beteiligung geschehen. Allerdings haben die obigen Betrachtungen auch ergeben, dass zwei grundsätzliche Varianten der Beteiligung möglich sind. Zum einen kommt in Betracht, eine bloße Regulierung in dem Sinne vorzusehen, dass der Interessenausgleich primär durch Private selbst gefunden werden muss, das Ergebnis aber einer Regulierung unterworfen wird, um Ungleichgewichte auszugleichen. Zum anderen kann der Staat den Interessenausgleich durch eigene Entscheidung selbst herstellen. Grundsätzlich aber, und das gilt für beide Varianten, hat der Staat zumindest Vorgaben hinsichtlich eines angemessenen Interessenausgleiches in abstrakter Form zu machen. Dementsprechend stellt sich im Hinblick auf die betrachtete Materie die Frage, welche Steuerungspflichten der demokratisch legitimierte Entscheidungsträger hat. So ist auch hier denkbar, dass nur Grundlinien eines Interessenausgleiches vorgesehen werden müssen, die dann von den staatlich beaufsichtigten Privaten ausgefüllt werden. Bei der Bestimmung der Kompetenzen von Sachverständigen ist also darauf zu achten, wie weit ihre Entscheidung bereits gesetzlich determiniert ist. An dieser Stelle kann die Grenze zwischen einer bloß sachverständigen Wertung und einer „allgemeinen“ Wertung fruchtbar gemacht werden – die 320

Jäde, ZfBR 1996, 241 (244).

§15 Europarechtliche Grenzen einer Verfahrensprivatisierung

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Sachverständigen dürfen eine sachverständige Wertung treffen, denn insofern ist der Interessenausgleich durch den Gesetzgeber in dessen funktionalen Grenzen vorgegeben. Er bedient sich des Sachverstands zum Vollzug seiner Vorgabe im Einzelfall. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass verfassungsrechtliche Erwägungen nicht gegen die Einführung eines Sachverständigenmodells sprechen, sondern allenfalls Ausgestaltungsdirektiven vorgeben.

§ 15 Europarechtliche Grenzen einer Verfahrensprivatisierung Neben dem Verfassungsrecht wird das nationale Recht, insbesondere auch das Umweltrecht, in zunehmendem Maße durch das Europarecht determiniert, dem ebenfalls Grenzen und Ausgestaltungsdirektiven entnommen werden können. Nicht zuletzt die Aufnahme der Kompetenznormen der heutigen Art. 174 ff. EG in das Primärrecht 321 hat dazu geführt, dass es heute kaum einen Bereich des Umweltschutzes gibt, der nicht vom Gemeinschaftsrecht zumindest mitgeprägt wird. 322 Das deutsche Umweltrecht stellt in vielen Teilen eine Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben dar. 323 Die Rolle des Umweltschutzes zeigt sich im Übrigen auch in der Querschnittsklausel des Art. 6 EG, nach der bei der Festlegung und Durchführung der Gemeinschaftspolitiken und – maßnahmen die Erfordernisse des Umweltschutzes insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden müssen. 324 Das europäische Recht enthält Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, die im Ergebnis Ausgestaltungsdirektiven und / oder Grenzen einer (Verfahrens-)Priva-

321 S. zu der Entwicklung des Primärrechts Calliess, in: ders. / Ruffert (Hrsg.): EUV / EGV, Art. 174 EG Rn. 3 ff.; ders., ZUR-Sonderheft 2003, 129 ff. Zur Weiterentwicklung im Rahmen einer europäischen Verfassung s. Trüe, JZ 2004, 779 ff. 322 Calliess, in: ders. / Ruffert (Hrsg.): EUV / EGV, Art. 174 EG Rn. 1; s. auch das Sonderheft 2003 der ZUR, S. 129 – 192 mit dem Titel: Aktuelle Fragen des EU-Umweltrechts. Allgemein zum Umfang der Beeinflussung Böhm, JUTR 2001, UTR 58, S. 177 (177 f.). Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Einführung des Handelssystems für CO2Emissionen aufgrund der Emissionshandelsrichtlinie (Richtlinie 2003/87/EG) durch das TEHG und das ZuG 2007, vgl. dazu Kobes, NVwZ 2004, 513 ff. und 1153 ff. 323 Battis, DVBl. 2000, 1557 (1558) spricht bereits vom „größeren Teil“. 324 Der Handlungsauftrag bezieht sich dabei ausdrücklich auf andere Maßnahmen der Gemeinschaft und stellt keinen eigenständigen Handlungsauftrag dar, diese Ziele auch außerhalb der darin genannten Gemeinschaftspolitiken und Maßnahmen zu verfolgen, s. dazu auch Mehling, in: Hailbronner / Wilms, Kommentar zum Recht der Europäischen Union, EGV, Art. 6 Rn. 17 ff. Insofern könnte man in Anlehnung an den Begriff der Staatszielbestimmung von einer „kupierten Gemeinschaftszielbestimmung“ sprechen.

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

tisierung darstellen können. 325 Derartige Grenzen können sich zum einen unmittelbar aus dem Primärrecht ergeben, wobei der Grundsatz vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts die Grundlage für dessen Beachtlichkeit und Auswirkungen darstellt. 326 Danach könnte eine Regelung, die eine Verfahrensprivatisierung einführt und ausgestaltet, dann nicht angewandt werden, wenn das Primärrecht die Durchführung des Genehmigungsverfahrens durch eine staatliche Behörde vorschreiben würde. Zum anderen können sich derartige Grenzen auch aus dem Sekundärrecht, namentlich den zahlreichen Richtlinien und der in diesen enthaltenen Regelungen und Verpflichtungen ergeben. Insofern die Verfahrensprivatisierung zu einer Gestaltung des Genehmigungsverfahrens führen würde, die nicht den Vorgaben einer Richtlinie entspricht, würde gegen die Umsetzungspflicht aus Art. 249 Abs. 3 EG verstoßen. 327 So ist insbesondere denkbar, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, eine bestimmte Tätigkeit durch staatliche Behörden durchführen zu lassen oder bestimmte Entscheidungen nur durch staatliche Behörden treffen zu lassen. Einige Richtlinien verlangen beispielsweise, dass die Mitgliedstaaten ein Genehmigungsverfahren durchführen müssen. Sollte die entsprechende Bestimmung darüber hinaus verlangen, dass dieses durch eine staatliche Institution durchgeführt wird, würde es einen Verstoß gegen Europarecht darstellen, wenn entgegen einer derartigen Verpflichtung zu einer staatlichen Tätigkeit oder Entscheidung diese auf Private übertragen oder völlig freigegeben werden würde. 328 Insbesondere würde eine den europäischen Vorgaben widersprechende Gestaltung von nationalen Verfahren dann ins Leere laufen, wenn bei unmittelbarer Wirkung der entsprechenden Vorschriften die nationalen Behörden ohnehin zur Anwendung der Vorgaben des europäischen Rechts verpflichtet sind. 329 325 So Huber, Podiumsdiskussion, in: Hendler / Marburger / Reinhards / Schröder (Hrsg.): Rückzug des Ordnungsrechts im Umweltrecht (UTR Band 48), S. 217 (223); allgemeiner zum Verhältnis des europäischen Rechts zu Privatisierung auf nationaler Ebene, bezogen allerdings v. a. auf die wirtschaftliche Betätigung im Versorgungsbereich, Weiss, AöR 128 (2003), 92 ff. 326 Der im EGV nicht ausdrücklich geregelt wird, aber von dem EuGH den Artt. 10, 249 EG i.V. m. dem Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts entnommen wird, EuGH, Urteil vom 15. 7. 1964, Rs. 6/64, Slg 1964, S. 1141 (1251) – Costa / ENEL; s. auch Geiger, EUV / EGV, Art. 10 EGV Rn. 28. 327 S. zur Bindungswirkung von Richtlinien Stapelfeldt, Die immissionsschutzrechtliche Anlagenzulassung nach europäischem Recht, S. 74 ff. 328 Dabei soll hier nicht untersucht werden, welche Konsequenzen ein derartiger Verstoß haben würde, zumal dies auch von der Frage einer unmittelbaren Wirkung der entsprechenden Bestimmung abhängen würde. Gegenstand der Untersuchung ist die Möglichkeit einer europarechtskonformen Ausgestaltung einer Verfahrensprivatisierung, nicht aber die Konsequenzen im Falle einer europarechtswidrigen Ausgestaltung. 329 S. dazu EuGH, Urteil v. 5. 7. 1994, Rs. C – 431/92, Slg. 1995, S. 2189 (Rn. 24 ff., 37 ff.) – Großkrotzenburg; EuGH Urteil v. 7. 1. 2004, Rs. 201/02, Slg. 2004-I, S. 732 – Wells; Müggenborg / Duikers, NVwZ 2007, 623 ff.

§15 Europarechtliche Grenzen einer Verfahrensprivatisierung

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Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob sich aus dem Primärrecht (dazu 1.) oder aber aus einer Schutzpflichtendimension der europäischen Grundrechte (dazu 2.) Grenzen für eine Verfahrensprivatisierung ergeben. Anschließend sollen die Grenzen untersucht werden, die sich aus dem Sekundärrecht ergeben, wobei insbesondere die IVU-Richtlinie (dazu 3.), die Industrieanlagenrichtlinie (dazu 4.), die Großfeuerungsanlagenrichtlinie (dazu 5.) und die UVP-Richtlinie (dazu 6.) von Bedeutung sind.

1. Das Primärrecht der europäischen Verträge Das Primärrecht könnte dann eine Grenze der Privatisierung darstellen, wenn es verlangt, dass der Vollzug des (europäisch beeinflussten) Umweltrechts durch staatliche Behörden wahrgenommen werden muss. Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts findet im Wesentlichen im Wege des so genannten indirekten Vollzugs statt, d. h. durch Behörden der Mitgliedstaaten. Diese bestimmen, welche Behörden zuständig sind, und entscheiden grundsätzlich auch über das anzuwendende Verfahren. 330 Der Vollzug richtet sich grundsätzlich nach dem nationalen Verwaltungsverfahrensrecht, solange und soweit das Gemeinschaftsrecht keine Vorgaben enthält. 331 Vorliegend enthält das Primärrecht keine ausdrücklichen Vorgaben für die Gestaltung des nationalen Verfahrensrechts. Es enthält vor allem Kompetenzen für ein Tätigwerden der Gemeinschaft. Zwar regelt die Vorschrift des Art. 175 Abs. 4 EG sowohl ein Vollzugsrecht als auch eine Vollzugspflicht der Mitgliedstaaten für das Umweltrecht. Damit wird aber nur das den Mitgliedstaaten ohnehin zustehende Vollzugsrecht explizit verbürgt, 332 nicht geregelt wird jedoch das „Wie“ des Vollzugs.

330 EuGH, Urteil vom 11. 2. 1971, Rs. 39/70, Slg. 1971, S. 49 – Fleischkontor; Geiger, EUV / EGV, Art. 10 EGV Rn. 43. S. auch Kahl, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 10 EGV Rn. 30; v. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union I, Art. 10 EGV Rn. 44; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, 924 (927 f.); allgemeiner Kahl, NVwZ 1996, 865 ff.; v. Bogdandy / Bast, EuGRZ 2001, 441 (453 f.). In diesem Zusammenhang wird auch von einer „dienenden Funktion des nationalen Verfahrensrechts gesprochen, vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht Band II, S. 1058, auf S. 1058 ff. auch allgemein zum indirekten Vollzug. 331 EuGH, Urteil vom 21. 9. 1983, verb. Rs C-205 – 215/82, Slg. 1983, S. 2633 (2665) Rn. 17 – Deutsche Milchkontor. Solche Vorgaben enthält, gerade auch im Umweltrecht, insbesondere das Sekundärrecht, und dabei sowohl das unmittelbar geltende als auch das das nationale Verwaltungsrecht überformende Richtlinienrecht. Dies ist im Einzelnen Gegenstand der Untersuchung unten, vorliegend wird alleine das Primärrecht untersucht. 332 Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 175 Rn. 27.

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

Allerdings folgt aus diesem Mangel an ausdrücklichen Regelungen nicht, dass das Primärrecht das nationale Verwaltungsverfahrensrecht und damit den administrativen Vollzug überhaupt nicht beeinflusst. Art. 10 EG dient als Grundlage bzw. als „Transformationshebel“, 333 um der nationalen Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens bzw. Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts Grenzen zu setzen. Danach muss die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei gemeinschaftsrechtlichem Bezug zwei Voraussetzungen, und zwar dem Äquivalenzgrundsatz und dem Effektivitätsgebot, genügen. 334 Der Äquivalenzgrundsatz verlangt, dass die vorgesehenen Verfahrensregelungen nicht ungünstiger gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Verfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen. 335 Dies bedeutet allerdings auch, dass nicht die allgemein günstigste Regelung des nationalen Rechts angewendet werden muss. 336 Das Effektivitätsgebot verlangt, dass die angewendeten nationalen Verfahrensregelungen nicht dazu führen dürfen, dass die Tragweite und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt werden. 337 Die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte darf nicht übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich gemacht werden. 338 Damit dürfen Elemente der Verfahrensprivatisierung nicht dazu führen, dass entweder formelle oder materielle Anforderungen des europäischen Rechts nicht mehr zur Geltung kommen können. Allerdings kann eine Verletzung dieses Gebots nur anhand der konkreten Anforderungen des Gemeinschaftsrechts ermittelt werden, die eventuell aufgrund einer entsprechenden Gestaltung des na333

V. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union I, Art. 10 EGV Rn. 44. 334 Geiger, EUV / EGV, Art. 10 EGV Rn. 44. 335 EuGH, Urteil vom 9. 2. 1999, Rs. C-343/96, Slg. 1999 I, S. 579 (612) – Dilexport / Administrazione delle Finanze dello Stato; EuGH, Urteil vom 1. 12. 1998, Rs. C-326/96, Slg. 1998 I, S. 7835 (7870) Rn. 42 – Levez / Jennings (Harlow Pools); EuGH, Urteil vom 15. 9. 1998, Rs. C-231/96, Slg. 1998, I S. 4951 (4991) Rn. 36 – Edis / Ministero delle Finanze. Dieser Grundsatz wird auch als Gleichwertigkeitsgebot bezeichnet, v. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union I, Art. 10 EGV Rn. 44, 45. 336 V. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union I, Art. 10 EGV Rn. 44. 337 EuGH, Urteil vom 21. 9. 1983, verb. Rs. 205 – 215/82, Slg 1983, S. 2633 (2666) Rn. 22 – Deutsche Milchkontor. 338 S. EuGH, Urteil v. 1. 6. 1999, Rs. C-126/97, Slg. 1999 I, S. 3079 (3095) Rn. 45 – Eco Swiss; EuGH, Urteil vom 16. 7. 1998, Rs. C-298/96, Slg. 1998 I, S. 4767 (4791) Rn. 24 – Oelmühle Hamburg; EuGH, Urteil vom 8. 2. 1996, Rs. C-212/94, Slg. 1996 I, S. 389 (433) Rn. 52; EuGH, Urteil v. 14. 12. 1995, Rs. C-312/93, Slg. 1995 I, S. 4599 – Peterbroeck; EuGH, Urteil vom 1. 4. 1993, verb. Rs. C-31/91 bis C-44/91, Slg. 1993 I, S. 1761 (1789) Rn. 28 – Lageder u. a. gg. Amministrazione delle finanze dello Stato. Prominentestes Beispiel ist aus deutscher Sicht die „Modifikation“ des § 48 VwVfG bei der Rückforderung gemeinschaftsrechtswidriger Beihilfen, EuGH, Urteil vom 20. 3. 1997, Rs. C-24/95, Slg. 1997 I, S. 1591 (1622) Rn. 50, 54 – Alcan II; Scheuing, Die Verwaltung 34 (2001), 107 (124 ff.); Winkler, DÖV 1999, 148 ff.; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 405 f.

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tionalen Verfahrens in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt werden könnten. Es wird somit „mediatisiert“ und kann daher nicht abstrakt, sondern nur im Rahmen der Untersuchung der Anforderungen des Sekundärrechts analysiert werden.

2. Eine Schutzpflichtendimension der europäischen Grundrechte (EG und EU) Durch Art. 6 Abs. 2 EUV wurde die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundrechten kodifiziert 339. Insofern beruht der Grundrechtsschutz in der europäischen Union auf einer Anerkennung der Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts. 340 Ein Grundrechte-Katalog findet sich in der Grundrechte-Charta, die zwar proklamiert wurde, deren Bindungswirkung aber umstritten ist. 341 Jedenfalls kann der Inhalt in Zweifelsfällen zur Auslegung oder aber auch zur Bestätigung eines im Wege des wertenden Rechtsvergleichs ermittelten Grundrechts herangezogen werden. 342 Der EuGH hat sie allerdings bislang noch nicht herangezogen geschweige denn zitiert; das Gericht erster Instanz zitiert sie lediglich bestätigend 343 und mehrere Generalanwälte ziehen sie argumentativ heran. 344 Dabei soll vorliegend nicht die Frage der Bindungswirkung der Grundrechte-Charta thematisiert werden, 345 da sie für die weitere Untersuchung von geringer Relevanz ist. Vielmehr stellt sich die Frage nach einer Schutzpflichtendimension der europäischen Grundrechte, die unter Umständen (in analoger Weise zu den Grundrechten des Grundgesetzes) die Durchführung eines staatlichen Genehmigungsverfahrens verlangen könnte.

339 Hailbronner / Wilms, Kommentar zum Recht der Europäischen Union, EUV, Art. 6 Rn. 12. S. insbesondere die Urteile EuGH, Urteil v. 17. 12. 1970, Slg. 1970, S. 1125 – Internationale Handelsgesellschaft (zu den Verfassungsüberlieferungen, insbes. Rz. 4) und EuGH, Urteil v. 14. 5. 1974, Slg. 1974, S. 491 – Nold (Rz. 12 ff. des Urteils, dort auch zur EMRK als Erkenntnisquelle). 340 EuGH, Urteil v. 12. 11. 1969, Rs. 29/69, Slg 1969 S. 419 (Rn. 7) – Stauder, st. Rspr. Ein Überblick über die von dem EuGH als derartige allgemeine Rechtsgrundsätze anerkannten Grundrechte findet sich bei Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Kommentar zum Recht der Europäischen Union, EUV, Art. 6 Grundsatzentscheidungen vor Rn. 1. 341 Zur Zielsetzung der Verbindlichkeit zumindest seitens des EP s. den Bericht von Philipp, EuZW 2000, 451 (451 f.). Allg. zur Charta s. Tettinger, NJW 2001, 1010 ff. 342 Cole / Haus, JuS 2003, 760 (765); Grabenwarther, DVBl. 2001, 1 (11); Mahlmann, ZEuS 2000, 419 (436); Calliess, EuZW 2001, 261 (267); zurückhaltender Schwarze, EuZW 2001, 517 (518). 343 So das Gericht erster Instanz (EuG). S. dazu Cole / Haus, JuS 2003, 760 (765) mit Nachweisen zur Rspr. 344 Vgl. Zacker / Wernicke, Examinatorium Europarecht, S. 371; Cole / Haus, JuS 2003, 760 (765). 345 S. dazu Calliess, EuZW 2001, 261 ff.; Cremer, NVwZ 2003, 1452 ff.

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Im Hinblick auf eine Schutzpflichtendimension der europäischen Grundrechte gibt es erste Überlegungen. 346 Im Rahmen der Grundfreiheiten wurde bereits eine Schutzpflicht anerkannt. 347 Allerdings kann eine Dogmatik, die eine Schutzpflichtendimension der europäischen Grundrechte anerkennt, noch kaum als gesichert angesehen werden. Eine derartige Dimension der europäischen Grundrechte wird nur vereinzelt diskutiert, so dass bereits fraglich ist, ob daraus überhaupt konkrete Anforderungen abgeleitet werden könnten. So war eine derartige Fragestellung bislang auch noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des EuGH. Jedenfalls bleiben grundsätzliche Zweifel. Auf nationaler Ebene wurde die Schutzpflichtendimension der Grundrechte insbesondere auch damit begründet, dass die Grundrechte eine objektive Werteordnung darstellen, wobei dieses Wertsystem als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten soll. 348 Diese Begründung erscheint auf europäischer Ebene noch nicht tragfähig. So mag zwar eine derartige Werteordnung sowohl der EU als auch der EG zu Grunde liegen, sie hat jedoch noch keinen dem Grundrechtekatalog des GG und dessen Hervorhebung der Menschenwürde 349 entsprechenden Ausdruck gefunden. 350 Dies mag sich nach Verabschiedung einer europäischen Verfassung ändern, bedarf jedoch erst dann einer Neuentscheidung. Zudem ist die europäische Gemeinschaft bislang immer noch primär wirtschaftsrechtlich ausgerichtet. Es findet zwar eine Fortentwicklung statt, die jedoch noch nicht dazu geführt hat, 346 S. dazu Suerbaum, Europarecht 2003, 390 ff. (auf 405 ff. zu den Ansätzen einer Schutzgewährung durch die Grundrechte-Charta, dabei allerdings orientiert am Wortlaut, da diese ausdrücklich Schutzgewährleistungen enthält); s. auch Pitschas, NVwZ 2002, 519 (523), dort allerdings insbesondere zum Recht auf Sicherheit aus Art. 5 EMRK; zur Frage einer ausdrücklichen Gewährleistung s. Losch / Radau, NVwZ 2003, 1440 ff. Bislang bestehende Ansätze von Schutzpflichten sind nicht auf Grundrechte direkt zurückzuführen, sondern i. d. R. auf Bestimmungen des Sekundärrechts, s. z. B. EUGH, Urteil vom 10. 4. 1984, Rs. 14/83, NJW 1984, 2020 f. 347 S. dazu Kadelbach / Petersen, EuGRZ 2002, 213 ff., Kainer, JuS 2000, 431 ff.; Kühling, NJW 1999, 403 (404); Burgi, EWS 1999, 327 ff.; Szczekalla, P., DVBl. 1998, 219 ff.; EuGH, Urteil v. 12. 6. 2003, Rs. C-112/00, EuZW 2003, 592 ff. – Schmidberger (BrennerAutobahn); EuGH Urteil v. 9. 12. 1997, Rs. C-265/95, Slg. 1997 I, S. 6959 – Agrarblockaden; zu diesem Gedanken siehe auch Karenfort / Schneider, EuZW 2003, 587 ff. 348 BVerfGE 7, S. 198 (204 ff.), vg. dazu auch Enders, in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar, Band 1, vor Art. 1 Rn. 62 ff. 349 Vgl. zu diesem vom BVerfG ebenfalls herangezogenen Begründungsstrang für eine Schutzpflichtendimension auch Enders. in: Friauf / Höfling (Hrsg.): Berliner Kommentar, Band 1, vor Art. 1 Rn. 65. An dieser Stelle ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass diese Argumentation nicht zum Gegenstand hat, dass die EU bzw. die EG die Menschenwürde nicht schützt; diese mag zwar als Grundsatz beachtet werden, nimmt jedoch in den Regelungen nicht die entsprechend zentrale Rolle ein. 350 So fehlt nach wie vor ein verbindlicher Grundrechtekatalog (zu der Grundrechtecharta s. oben). Darüber hinaus sei hier nur das Stichwort Demokratiedefizit genannt.

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dass sie den Anspruch einer derartigen umfassenden Werteordnung 351 erfüllen kann. Darüber hinaus würde auch die Annahme einer derartigen Schutzpflichtendimension sich kaum auf das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung auswirken. Zum einen ist kaum davon auszugehen, dass eine Schutzpflichtendimension der europäischen Grundrechte weitergehende Anforderungen an die Ausgestaltung des nationalen Verfahrensrechts stellen würde als die aus den Grundrechten des GG abgeleiteten Schutzpflichten. So ist der durch das GG vermittelte Grundrechtsschutz insbesondere im Hinblick auf die Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten vergleichsweise weit ausdifferenziert. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die europäischen Grundrechte, in Übereinstimmung mit der Regelung des Art. 6 Abs. 2 EUV, primär die Organe der EU und der EG binden. 352 Dementsprechend kann die Schutzpflichtendimension der europäischen Grundrechte grundsätzlich nur dazu führen, eine Handlungspflicht dieser Organe zu begründen. Vorliegend wird allerdings eine Verfahrensprivatisierung als Handlung eines Mitgliedstaates der EU untersucht. Zwar kommt auch eine Bindung der Mitgliedstaaten an die europarechtlichen Grundrechte in Betracht. Diese erstreckt sich aber nicht auf sämtliche Handlungen der Mitgliedstaaten. Eine Notwendigkeit, die Mitgliedstaaten nicht nur an die nationalen Grundrechte zu binden sondern diese Bindung auf die europäischen Grundrechte zu erweitern, besteht dann, wenn die Bindung an die nationalen Grundrechte in Konflikt mit dem Anwendungsvorrang des EG-Rechts sowie dem Grundsatz von dessen einheitlicher Anwendung geraten würde und damit einer der beiden Aspekte beeinträchtigt wird. Diese Konfliktlage wird zugunsten der Aufrechterhaltung der Prinzipien des Gemeinschaftsrechts gelöst, wobei dann kompensatorisch die Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden werden. 353 Dementsprechend ist eine nationale Maßnahme nur dann an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen, wenn sie in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt. 354 Im Einzelnen folgt daraus insbesondere, dass diese Bindung dann gilt, wenn und soweit die Mitgliedstaaten EG-Recht auf nationaler Ebene durchführen, 355 also

351 Zumal auch zu berücksichtigen ist, dass die EG / EU einen sachgebietsbezogenen Ansatz aufweist und punktuell nach dem Grundsatz der Einzelermächtigung Kompetenzen in Anspruch nimmt. Diese mögen zwar extensiv interpretiert werden und daher zahlreiche Bereiche berühren, die Annahme eines geschlossenen Systems, das eine umfassende Werteordnung verkörpert, ist damit jedoch noch nicht möglich. 352 Wolffgang, in: Lenz / Borchardt (Hrsg.): EU- und EG-Vertrag, EUV, Anh. zu Art. 6, Rn. 17. 353 Vgl. Kingreen, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.): EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 37. 354 EUGH, Slg. 1991 I, S. 2925 (Rn. 42) – ERT; Slg. 1985, S. 2605 (Rn. 26) – Cinétheque; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV (2. Aufl.), Art 6 EUV Rn. 56; Ruffert, EuGRZ 1995, 518 ff.; Scheuing, EuR 2005, 162 ff., dort auch zu der neueren Rspr. des EuGH.

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insbesondere bei der Umsetzung von Richtlinien 356 oder beim Vollzug von Verordnungen 357. Zwar werden auch im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens Richtlinien umgesetzt, so dass grundsätzlich eine Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte in Betracht kommt. Allerdings aktualisiert sich diese Bindung vor allem bei einer Verpflichtung zu Handlungen, insbesondere eingreifender Natur, gegenüber dem Bürger. Die vorliegende Untersuchung zielt aber auf die Feststellung von Spielräumen für eine Verfahrensprivatisierung, also für eine Umgestaltung des nationalen Verfahrensrechts. Die europäischen Grundrechte können keinen insofern bestehenden Spielraum einschränken, sondern sie kommen vielmehr nur dann zur Geltung, wenn ein Spielraum gerade nicht besteht. 358 Es geht um die Gestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers, nicht um dessen Bindung im Rahmen einer Umsetzung. Sobald aber die Richtlinien die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens gerade durch staatliche Behörden verlangen, würde eine abweichende Gestaltung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen bereits die aus Art. 249 Abs. 3 EG folgende Pflicht zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie berühren, so dass auch aus diesem Grund eventuell bestehende grundrechtliche Schutzpflichten nicht relevant werden würden. Insofern eine Richtlinie nur materielle Regelungen trifft, ist davon auszugehen, dass die Pflichten der Mitgliedstaaten zur Regelung eines Verfahrens durch die oben dargestellten Verpflichtungen aus dem Primärrecht erfasst werden und ebenfalls kein Raum für eine eigenständige Bedeutung von aus den Gemeinschaftsgrundrechten abgeleiteten Schutzpflichten besteht. Dementsprechend limitiert die Bedeutung der Gemeinschaftsgrundrechte für den nationalen Gesetzgeber auch die mögliche Bedeutung von aus ihnen abgeleiteten Schutzpflichten. Die weitergehende Bedeutung, die die Schutzpflichten im Rahmen der Grundrechte des GG entfalten, können die Gemeinschaftsgrund355 EuGH, Urteil vom 13. 4. 2000 Rs. C-292/97, Slg. 2000 I, S. 2737 (Rn. 37) – Karlsson; EuGH, Urteil vom 13. 7. 1989, Rs. / 88, Slg, 1989, S. 2609 – Wachauf. 356 Allerdings nicht in den Fällen, in denen die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber einen Umsetzungsspielraum belässt. Die Ausnutzung dieses Umsetzungsspielraums ist allein anhand der Grundrechte des GG zu überprüfen, s. BVerfG, Beschluss v. 9. 1. 2001 – 1 BvR 1036/99 –, DVBl. 2001, 720 (720); s. auch BVerfG, Beschluss v. 9. 7. 1992 – 2 BvR 1096/92, NVwZ 1993, 883 (883); vgl. die Grundrechtsprüfung bei BVerfG 95, S. 173 (181 ff.). S. zu dieser Problematik auch Calliess, EuZW 2001, 261 (267). 357 S. dazu Wolffgang, in: Lenz / Borchardt (Hrsg.): EU- und EG-Vertrag, EUV, Anh. zu Art. 6, Rn. 17 ff. 358 Zu Bindung an nationalstaatliche Grundrechte bei einem im Rahmen einer Umsetzung verbleibenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers s. die in Fn. 356 angegebene Rspr. des BverfG.

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rechte vor diesem Hintergrund für nationales Handeln nicht in gleichem Ausmaß entfalten. Im Übrigen ist die Schutzpflicht in diesen Fällen durch die ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen mediatisiert.

3. Die IVU-Richtlinie Für die hier interessierende Frage der Privatisierung von Genehmigungsverfahren ist insbesondere die IVU-RL 359 relevant. Ihre Umsetzung durch das sogenannte Artikelgesetz 360 wurde viel diskutiert und hat auch einige Spuren insbesondere im BImSchG hinterlassen, wobei grundsätzlich von einer europarechtskonformen Umsetzung ausgegangen werden kann. 361 Die besondere Bedeutung der IVU-Richtlinie für eine Verfahrensprivatisierung ergibt sich daraus, dass sie die Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Genehmigung, damit auch zur Durchführung eines Genehmigungsverfahrens verpflichtet und darüber hinaus auch weitere Vorgaben für diese enthält. Damit scheint sie einer Verfahrensprivatisierung einen gewissen Riegel vorzuschieben. Dabei gewinnt die IVU-Richtlinie ihre besondere Bedeutung auch aufgrund des integrativen Ansatzes, denn ihr Anwendungsbereich bzw. Regelungsanspruch bezieht sich nicht nur auf einen Ausschnitt aus den Genehmigungsvoraussetzungen, sondern auf die gesamte Anlage und damit einen Großteil der von ihr zu erfüllenden Anforderungen. Die im Rahmen der Festsetzung der Genehmigungsauflagen zu berücksichtigenden Grundpflichten nach Art. 3 IVU-Richtlinie decken zahlreiche Anforderungen ab. a) Die Vorgaben der IVU-Richtlinie Art. 4 IVU-Richtlinie enthält einen Genehmigungsvorbehalt, indem er für den Betrieb jeder neuen Anlage (sofern sie in Anhang I der IVU-Richtlinie aufgeführt ist) eine Genehmigung gemäß der IVU-Richtlinie verlangt. Nach deren Konzeption sollen gerade die Genehmigung und die in ihr enthaltenen Auflagen die Übereinstimmung eines Vorhabens mit den Anforderungen sicherstellen. 362 Die Anforderungen an den Inhalt des Genehmigungsantrags regelt Art. 6 IVURL. Gleichzeitig ist keine einheitliche Genehmigungsbehörde und kein einheit359 Richtlinie 2008/1/EG des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie). 360 Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. 7. 2001, BGBl. I, S. 1590 ff. 361 S. Günter, NuR 2002, 394 ff. 362 Groß, Die Privatisierung ordnungsrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren auf der Grundlage des Öko-Audit-Systems, S. 114 f.

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liches Genehmigungsverfahren erforderlich, denn Art. 7 IVU-Richtlinie verlangt die Koordination mehrerer zuständiger Behörden. 363 Nach Art. 8 IVU-RL erteilt die zuständige Behörde die Genehmigung, die die erforderlichen Auflagen 364 enthalten soll, um sicherzustellen, dass die Anforderungen der Richtlinie eingehalten werden. Dabei sind in den Genehmigungen die für den Schutz von Luft, Wasser und Boden vorgesehenen Vorkehrungen anzugeben. Den Inhalt der Genehmigung stellen die in Art. 9 IVU-RL geregelten Genehmigungsauflagen dar, in denen alle Maßnahmen geregelt sein müssen, die zur Erfüllung der sich aus der IVU-RL ergebenden Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind. Insbesondere sind hier die Anforderungen des Art. 3 (Grundpflichten) sowie des Art. 10 (BVT und Umweltqualitätsnormen) IVU-RL zu nennen. Nach Art. 9 Abs. 3 IVU-RL muss die Genehmigung Emissionsgrenzwerte enthalten. Dementsprechend muss eine der IVU-Richtlinie entsprechende Genehmigung detaillierte Anforderungen an die einzelnen Anlagen enthalten. Dabei ist allerdings ergänzend Art. 9 Abs. 8 IVU-RL zu beachten. Danach ist es den Mitgliedstaaten überlassen, bestimmte Anforderungen für bestimmte Kategorien von Anlagen in Form von allgemein bindenden Vorschriften statt in Genehmigungsauflagen festzulegen. Diese Möglichkeit entbindet die Mitgliedstaaten allerdings nicht von der Verpflichtung, ein Genehmigungsverfahren durchzuführen. Die integrativen Anforderungen müssen demnach im Rahmen einer Genehmigung berücksichtigt werden. Eine Regelung hinsichtlich des Verfahrens enthält Art. 15 IVU-RL, der Anforderungen an den Zugang zu Informationen und die Beteiligung der Öffentlichkeit enthält. Nach dessen Absatz 1 muss sichergestellt werden, dass die Genehmigungsanträge der Öffentlichkeit während eines angemessenen Zeitraums zugänglich gemacht werden und diese Stellung nehmen kann, bevor die zuständige Behörde entscheidet. Die Entscheidung selbst muss nach Art. 15 Abs. 4 IVURL ebenfalls der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. b) Das Verhältnis zu einer Verfahrensprivatisierung Der Spielraum für eine Tätigkeit von Sachverständigen und damit auch eine Verfahrensprivatisierung hängt davon ab, ob die verfahrensrechtlichen Verpflichtungen auch Aussagen darüber enthalten, wer sie erfüllen muss. 363

S. auch Günter, NuR 2002, 394 (394). Wobei dieser Begriff nicht gleichgesetzt werden kann mit dem der Auflage nach § 36 VwVfG. Dort wird ausschließlich eine bestimmte Form der Nebenbestimmung geregelt, während die Genehmigungsauflage im Sinne der IVU-Richtlinie sich auf den Inhalt der Genehmigung bezieht und dementsprechend jegliche inhaltliche Bestimmung der Genehmigung eine Genehmigungsauflage darstellt. 364

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aa) Die Spielräume aufgrund des Anwendungsbereiches (1) Der formelle Anwendungsbereich Die oben geschilderte Problematik stellt sich nicht bei den Anlagen, die überhaupt nicht von der IVU-Richtlinie erfasst werden. Der deutsche Gesetzgeber ist nur im Rahmen deren Anwendungsbereichs an die Vorgaben gebunden. Die IVURL regelt in ihrem Anhang I, welche Anlagen ihrem Anwendungsbereich und damit auch ihren Anforderungen im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren unterfallen. An dieser Stelle soll und kann allerdings keine Detailuntersuchung angestellt werden, zumal dies gleichzeitig die Frage nach einer ordnungsgemäßen Umsetzung aufwirft. 365 Vielmehr kann hier grundsätzlich festgehalten werden, dass der Anwendungsbereich der IVU-RL und der des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens nicht deckungsgleich sind. Der Anhang I zur IVU-RL enthält Anlagen, die sowohl in der Spalte 1 als auch in der Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV enthalten sind. Allerdings enthalten beide Spalten wiederum auch Anlagen, die nicht von Anhang I zur IVU-RL erfasst sind, wobei dies in größerer Anzahl für die Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV gilt. 366 Somit werden zahlreiche Anlagen, die dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unterliegen, nicht von den Anforderungen der IVU-RL erfasst, so dass das Genehmigungsverfahren und auch dessen Ausgestaltung nicht an die Vorgaben der IVU-RL gebunden sind. (2) Der materielle Anwendungsbereich Im Hinblick auf den materiellen Anwendungsbereich, also letztlich die durch die IVU-RL erfassten Anforderungen an die Anlage, die daher auch zum Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens im Sinne der IVU-RL werden müssen, können angesichts der Regelung des Art. 3 IVU-RL und des integrativen Ansatzes kaum wesentliche, abtrennbare Komplexe umweltbezogener Anforderungen identifiziert werden, die nicht von der IVU-RL erfasst werden. Dies gilt allenfalls für nicht umweltbezogene Anforderungen.

365

Vgl. dazu Stapelfeldt, Die immissionsschutzrechtliche Anlagenzulassung nach europäischem Recht, S. 148 ff. 366 Eine Zuordnung des Anhangs I der IVU-RL zu den jeweiligen Nummern und Spalten der 4. BImSchV findet sich bei Stapelfeldt, Die immissionsschutzrechtliche Anlagenzulassung nach europäischem Recht, S. 148 ff. S. zu dem Anwendungsbereich auch Steinberg / Koepfer, DVBl. 1997, 973 (973 f.). Zu den unterschiedlichen zu Grunde liegenden Ansätzen s. Kracht / Wasielewski, in: Rengeling (Hrsg.): EUDUR Band I, S. 1160 (1172).

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bb) Der Spielraum bei der Gestaltung des Genehmigungsverfahrens Des Weiteren hängt der mögliche Gestaltungsspielraum des deutschen Gesetzgebers im Hinblick auf eine Verfahrensprivatisierung davon ab, welche Vorgaben die IVU-RL für die Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens und der Genehmigung selbst macht. Zum einen stellt sich angesichts der Umsetzung des integrativen Ansatzes in dem untergesetzlichen Regelwerk die Frage, ob und in welchem Umfang damit den Anforderungen der IVU-RL Genüge getan wird, die entweder eine Genehmigung mit bindenden Genehmigungsauflagen oder alternativ eine Regelung der Vorgaben in allgemein bindenden Vorschriften verlangt. Angesichts der Forderung der IVU-RL, auch dann ein Genehmigungsverfahren durchzuführen, wenn die Vorgaben in allgemein bindenden Vorschriften enthalten sind, gilt es zu untersuchen, ob in diesem Fall die IVU-RL die Regelung der Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben dem nationalen Recht überlässt, ob sie Vorgaben für die Kontrolle in diesem Fall enthält und somit letztlich, welche Möglichkeiten das untergesetzliche Regelwerk für eine Verfahrensprivatisierung eröffnet (dazu (1)). Zum anderen ist für den Fall, dass nach der IVU-RL eine Einzelfallentscheidung erforderlich ist, zu untersuchen, ob das erforderliche Genehmigungsverfahren durch eine staatliche Behörde durchgeführt werden muss oder dies auch durch Private geschehen kann (dazu (2)). (1) Die Kontrolle der Vorgaben des untergesetzlichen Regelwerks Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren beruht in weiten Teilen auf einer Regelung der konkreten Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen im untergesetzlichen Regelwerk. Diesem „Regelungskonzept“ entsprechend, hat der deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der IVU-RL und damit des integrativen Ansatzes im Wesentlichen in das untergesetzliche Regelwerk verlagert, 367 was unter anderem auch damit begründet wird, dass zusätzliche Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Einzelfall der Umwelt wenig nützen, dafür aber die Genehmigungsverfahren verlängern würden. 368 367 S. zu diesem Ansatz Wahl, ZUR 2000, 360 (insbes. 363 ff.); s. auch Günter, NuR 2002, 394 (396 f.); Kracht / Wasielewski, in: Rengeling (Hrsg.) EUDUR Band I, S. 1160 (1193 ff.). S. ebenfalls die amtliche Begründung zum Artikelgesetz, BR-Drs. 674/00, S. 77; Feldhaus, FS Kutscheidt, S. 261 (270). Er weist auch auf S. 271 darauf hin, dass angesichts der weiten Beurteilungs- und Wertungsspielräume den Verwaltungsvorschriften der TA Luft und der TA Lärm ein besonderes Gewicht zukomme. Zur Schaffung integrierter Umweltstandards s. allgemein Steinberg, NuR 1999, 192 (insbesondere 195 ff.).

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(a) Das deutsche Regelwerk und der Begriff der „allgemein bindenden Vorschrift“ Grundsätzlich erlaubt Art. 9 Abs. 8 IVU-RL den nationalen Umsetzungsorganen, von der Festsetzung von Vorgaben in Genehmigungsauflagen dann abzusehen, wenn die entsprechenden Vorgaben in allgemein bindenden Vorschriften enthalten sind. Daher stellt sich die Frage, wie der Begriff der „allgemein bindenden Vorschriften“ zu verstehen ist, also insbesondere welche Rechtsform des untergesetzlichen Regelwerks diesem entspricht. Dieses Verständnis ist von wesentlicher Bedeutung für eine ausreichende regelungstechnische Umsetzung der IVU-RL. Dabei ist zum einen zu klären, welcher Grad an rechtlicher Bindungswirkung erforderlich ist. Vor dem systematischen Hintergrund ist aber zum anderen auch zu klären, wie konkret die Regelungen sein müssen, um den Anforderungen der IVU-RL zu genügen. (aa) Gesetzliche Vorgaben Zwar handelt es sich bei den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich unzweifelhaft um allgemein bindende Vorschriften, allerdings geht die IVU-RL davon aus, dass die Anforderungen in den allgemein bindenden Vorschriften unmittelbar ablesbare Vorgaben für die einzelnen Anlagen enthalten, diese also „unmittelbar vollzugsfähig“ sind. Dies ergibt sich bereits aus einer am Wortlaut orientierten Auslegung. Die IVU-RL verlangt, dass die allgemein bindenden Vorschriften Genehmigungsauflagen enthalten. Als derartige Genehmigungsauflagen können nur unmittelbar vollzugsfähige Anordnungen angesehen werden. Die IVU-RL stellt ersichtlich darauf ab, dass die allgemein bindenden Vorschriften genaue Vorgaben für die einzelnen genehmigungsbedürftigen Anlagen enthalten. Insofern dürfte es kaum der IVU-RL entsprechen, abstrakte, kaum vollzugsfähige Vorgaben als in allgemein bindenden Vorschriften enthaltene „Genehmigungsauflagen“ anzusehen. Dies wird durch eine systematische Betrachtung bestätigt. Die allgemein bindenden Vorschriften sollen die Genehmigungsauflagen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 IVU-RL ersetzen. Art. 9 Abs. 8 IVU-RL stellt insofern eine Komplementärvorschrift zu den Vorschriften dar, die Genehmigungsauflagen in den einzelnen Genehmigungen verlangen. Daher müssen die allgemein bindenden Vorschriften auch funktional vergleichbare Vorgaben enthalten, was insbesondere ein gewisses Maß an Konkretisierung verlangt. Die Vorgaben des BImSchG entsprechen diesen Anforderungen nicht, denn sie sind nicht in dieser Weise konkret. Augenfällig wird dies an den zentra368

Vgl. zu diesen Argumenten Wasielewski, ZUR 2000, 373 (377).

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len Begriffen der Vorsorge und des Standes der Technik. Diese verlangen in erheblichem Umfang nach einer weiteren Konkretisierung, insbesondere durch Emissionsgrenzwerte. Die IVU-RL geht aber in Art. 9 Abs. 3 IVU-RL ersichtlich davon aus, dass genau derartige Emissionsgrenzwerte Gegenstand von Genehmigungsauflagen im Sinne der Richtlinie sind und die Alternativmöglichkeit nach Art. 9 Abs. 8 IVU-RL genau die Festlegung derartiger Werte als Gegenstand von allgemein bindenden Vorschriften ansieht. Zwar ist grundsätzlich möglich, dass einzelne gesetzliche Vorgaben diesen Anforderungen entsprechen. Dies dürfte allerdings der Ausnahmefall sein, so dass grundsätzlich festgehalten werden kann, dass die gesetzlichen Vorgaben zumindest in der Regel den Anforderungen des Art. 9 Abs. 8 IVU-RL nicht entsprechen. (bb) Vorgaben in Rechtsverordnungen Rechtsverordnungen sind Rechtssätze der vollziehenden Gewalt, die ihre Entstehung einer legislativen Ermächtigung verdanken und die bezüglich ihrer inhaltlichen Verbindlichkeit den Parlamentsgesetzen gleichstehen. 369 Sie haben somit eine gesetzesgleiche Außenwirkung, d. h. sie binden die Normadressaten unmittelbar und ohne dass (grundsätzlich 370) ein weiterer administrativer Vollzugsakt erforderlich ist. Dementsprechend handelt es sich unzweifelhaft um allgemein bindende Vorschriften im Sinne von Art. 9 Abs. 8 IVU-RL, und damit ist eine Umsetzung der IVU-RL durch Rechtsverordnungen unzweifelhaft zulässig. Dabei enthalten die Rechtsverordnungen, die Anforderungen an immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen regeln, unterschiedlich konkrete Vorgaben. Wie oben näher ausgeführt, beinhalten sie jedenfalls zu einem erheblichen Teil hinreichend konkrete Anforderungen, so dass zumindest insofern die erforderliche „unmittelbare Vollziehbarkeit“ vorliegt. Soweit die Rechtsverordnungen derartig konkrete Vorgaben enthalten, handelt es sich bei ihnen um allgemein bindende Vorschriften im Sinne von Art. 9 Abs. 8 IVU-RL. (cc) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Während im Hinblick auf den Grad der Konkretisierung wenig Bedenken bestehen dürften, so erscheint im Hinblick auf die Anforderungen der IVU-RL der Grad der Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften als problematisch. Diese haben zwar, wie oben dargelegt, eine weitreichende 369

Lücke, in: Sachs (Hrsg.): GG, Art. 80 Rn. 11. Letztlich hängt dies von den in der Rechtsverordnung getroffenen Regelungen selbst ab. 370

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Bindungswirkung. Allerdings reicht diese, insbesondere im Hinblick auf eine unmittelbare Bindung der Betreiber, nicht so weit wie die Bindungswirkung von Rechtsverordnungen, so dass sich die Frage stellt, ob sie als allgemein bindende Vorschriften im Sinne von Art. 9 Abs. 8 IVU-RL angesehen werden können. (α) Umsetzung von Richtlinien und normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Problematisch erscheint, dass bereits der EuGH grundsätzlich Verwaltungsvorschriften nicht als ein geeignetes Instrument zur Umsetzung von Richtlinien ansieht. 371 Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinien hinreichend bestimmt, klar und transparent umsetzen. 372 Dabei müssen zur Umsetzung in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise die Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen, besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden; je nach dem Inhalt der Richtlinien kann ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in hinreichend bestimmter und klarer Weise gewährleistet. 373 Es ist also ein Rechtszustand herzustellen, der – soweit die Richtlinie Ansprüche des einzelnen begründen soll – die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen. 374 Dabei müssen die in der Richtlinie angelegten Pflichten so bestimmt und klar gewährleistet werden, dass die Rechtssicherheit garantiert ist. 375 Gleichzeitig müssen Richtlinienbestimmungen grundsätzlich in zwingendes und verbindliches nationales Recht umgewandelt werden, denn sie zielen ihrer Natur nach auf die Herstellung eines bindenden Rechtszustandes. 376 Im Hinblick 371

EuGH, Urteil vom 30. 5. 1991, Rs. C-361/88, Slg. 1991 I, S. 2567 Rn. 20; vgl. auch EuGH, Urteil v. 17. 10. 1991 – Rs. C-58/89, Slg. 1991 I, S. 4983 = EuZW 1991, 761 (762); EuGH, Urteil v. 28. 2. 1991 – Rs. C- 131/88, EUZW 1991, 405 (409); s. auch Böhm, ZUR 2002, 6 (9); Kopp / Schenke, VwGO, § 98 Rn. 3a; Rengeling, in: ders. (Hrsg.): EUDUR Band I, § 28 (S. 956 ff.); s. dazu v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (81 ff.). 372 St. Rspr. des EuGH, EuGH, Urteil v. 15. 6. 1995, Rs. C-220/94, Slg. 1995 I, S. 1589 (1607); EuGH, Urteil v. 14. 12. 1995, Rs. C-16/95, Slg. 1995 I, S. 4883. 373 EuGH, Urteil v. 9. 4. 1987, Rs. 363/85, Slg. 1987, S. 1740 (1742). 374 EuGH, Urteil v. 30. 5. 1991, Rs. C-361/88, Slg. 1991 I, S. 2567 Rn. 15 – TA Luft; EuGH, Urteil v. 8. 7. 1987, Rs. 247/85, Slg. 1987, S. 3029 Rn. 9; EuGH, Urteil vom 23. 5. 1985, Rs. C-29/84, Slg. 1985, S. 1661 (1667) Rn. 23. 375 Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union III, Art. 249 EGV Rn. 140. 376 EuGH, Urteil vom 10. 12. 1991, Rs. C-306/89, Slg. 1991 I, S. 5863; EuGH, Urteil vom 28. 2. 1991, Rs. C-131/88, Slg. 1991 I, S. 825; EuGH, Urteil vom 23. 5. 1985, Rs. 29/ 84, Slg. 1985, S. 1661 (1671); Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union III, Art. 249 EGV Rn. 141.

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auf die notwendige Außenverbindlichkeit der Norm ist allerdings zu differenzieren. Je nach Inhalt der Richtlinie mag es zwar zulässig sein, sie durch nicht außenverbindliche Verwaltungsvorschriften umzusetzen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn eine Richtlinienbestimmung darauf abzielt, den Bürgern subjektive Ansprüche zu verleihen. 377 Dies soll auch für normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften gelten, da es diesen in ihrer normativen Tragweite unklaren Bestimmungen jedenfalls an ihrer hinreichenden und unbedingten Außenverbindlichkeit fehle. 378 Zudem sehen die Richtlinien in der Regel nicht vor, dass ihre Bindungswirkung bei dem Vorliegen atypischer Fälle oder aber bei einem Fortschreiten des Standes der Technik entfällt. 379 So muss der Richtliniengeber einem Fortschreiten des Standes der Technik durch ein Fortschreiben der Richtlinie selbst Rechnung tragen. Es kommt auch nicht in Betracht, normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften europarechtskonform in der Weise auszulegen, dass diese Einschränkungen der Bindungswirkung entfallen, da ansonsten die Handlungsformen des deutschen öffentlichen Rechts denaturiert würden. 380 Zudem kann nur der Inhalt einer Norm, nicht aber ihre Bindungswirkung europarechtskonform ausgelegt werden. 381 Es fehlt auch die Notwendigkeit einer derartigen Rechtsfortbildung, da die Rechtsordnung in Form der Rechtsverordnung ein zur Umsetzung geeignetes Instrument bereithält. 382 Vor diesem Hintergrund kann es auf der Grundlage des derzeitigen Verständnisses, trotz unterschiedlicher Begründungsansätze für die Tauglichkeit der Verwaltungsvorschriften, 383 auch nicht zu einer anderen Bewertung führen, dass seit den genannten Entscheidungen des EuGH die Rechtsfigur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im Hinblick auf eine drittschützende Wirkung weiterentwickelt worden ist und die Betroffenen sich nunmehr vor Gerichten darauf berufen können. Damit ist zwar eines der wesentlichen, aber nicht das einzige Argument gegen eine Umsetzung von Richtlinien mittels normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften entfallen, denn der Ausnahmevorbehalt der atypischen Sachverhaltskonstellation besteht weiterhin. 384 377 Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union III, Art. 249 EGV Rn. 142; vgl. dazu v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (80 f.). 378 Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union III, Art. 249 EGV Rn. 142. Hinsichtlich der TA Luft s. EuGH v. 28. 2. 1991, Rs. C-131/88 – Kommission / Deutschland, Slg. 1991 I, S. 825 ff. – Grundwasser. Weitere Nachweise zu der Rspr. bei Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 483 ff. 379 Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (710). 380 Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (710). 381 Hoppe / Otting, NuR 1998, 61 (64); anders wohl Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 506 f. 382 Eine derartige Rechtsfortbildung „ohne Notwendigkeit“ ist der Methodenlehre nicht bekannt, vgl. zu den Methoden der Rechtsfortbildung Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 187 ff. 383 Siehe zu der Diskussion Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 503 ff.

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Zusammenfassend bestehen Bedenken gegen die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Eine solche kann nicht als eine Umsetzung auf „der sicheren Seite“ bezeichnet werden, 385 so dass die untergesetzlichen Handlungsmöglichkeiten auf die Rechtsverordnung beschränkt sind. 386 (β) Die Zulässigkeit der Verwendung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften Allerdings stellt sich die Frage, ob allgemein bindende Vorschriften im Sinne der IVU-RL nur dann vorliegen, wenn die oben dargestellten Vorgaben für die Umsetzung von Richtlinien erfüllt sind. Die Konsequenz wäre, dass normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften nicht als allgemein bindende Vorschriften angesehen werden können. Allerdings ist an dieser Stelle eine wesentliche Unterscheidung zu treffen. Die oben dargestellten Vorgaben beziehen sich auf die direkte Umsetzung des Inhalts einer Richtlinie. Dies ist aber nicht Gegenstand der Regelung des Art. 9 Abs. 8 IVU-RL. Dieser enthält keine umzusetzenden inhaltlichen Vorgaben, sondern rezipiert die innerstaatliche Art und Weise, in der Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen normiert werden können. Er erklärt lediglich einen Teil der innerstaatlichen Normsetzung für ausreichend, regelt somit Bauprinzipien des Genehmigungsrechts. Es handelt sich um eine bloß formelle Vorgabe, und nicht um eine materielle Vorgabe, was erst die oben beschriebenen Anforderungen an die innerstaatliche Umsetzung auslösen würde. Es geht eben gerade nicht darum, dass hier materielle Grenzwerte durch die IVU-RL vorgegeben werden, die einer entsprechenden Umsetzung bedürfen. Es geht lediglich um das Verfahren bzw. den formellen Weg der Festsetzung von Grenzwerten für genehmigungsbedürftige Anlagen bzw. die Festsetzung von Genehmigungsauflagen (bestimmten Werten) in einer Genehmigung und deren Ersatz durch ein anderes Rechtsinstrument. Damit regelt die IVU-RL an dieser Stelle nicht den Inhalt, sondern das Verfahren bzw. ein Instrument der Rechtsdurchsetzung. Insofern richtet sich die Feststellung, ob allgemein bindende Vorgaben vorliegen, nicht nach den Anforderungen, die für die Umsetzung von Richtlinien gelten. 387 384

Siehe dazu Wahl, Festgabe BVerwG, S. 571 (591), wobei der dort unterbreitete Gedankenansatz, die Konzeption der atypischen Sachverhaltsgestaltung aufzugeben bzw. anders zu handhaben, bislang noch nicht aufgegriffen worden ist. 385 S. dazu Wahl, NVwZ 2000, 502 (502). 386 S. Breuer, FS Feldhaus, S. 49 (70 f.); Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 76; Knopp, NJW 1997, 417 (417); s. allgemein zur Umsetzung von Rechtsakten der EU im Wege der Rechtsverordnung Calliess, NVwZ 1998, 8 ff.; nach dem Inhalt der Richtlinie differenzieren Hoppe / Otting, NuR 1998, 61 (64 ff.). Kritisch Ossenbühl, DVBl. 1999, 1 (6).

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Nicht ausreichend ist an dieser Stelle die Feststellung, dass eine Umsetzung des integrativen Ansatzes im untergesetzlichen Regelwerk zulässig ist, weil noch ein Genehmigungsverfahren stattfindet und die in den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften enthaltenen Vorgaben damit noch im Einzelfall verbindlich gemacht werden. 388 Damit wird letztlich die vorliegende Fragestellung nicht beantwortet, denn es geht gerade darum, festzustellen, ob die IVU-RL zwingend verlangt, dass eine Verbindlichkeit im Einzelfall hergestellt wird. Somit gilt es zu untersuchen, welchen Grad an Verbindlichkeit eine „allgemein bindende Vorschrift“ im Sinne von Art. 9 Abs. 8 IVU-RL aufweisen muss. Zur Beantwortung der Frage, ob die Rechtswirkungen normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften als ausreichend angesehen werden können, kann wiederum auf die Diskussion im Rahmen der Umsetzung von Richtlinien zurückgegriffen werden. Die rechtstechnischen Hauptargumente waren dabei, dass Dritte sich nicht auf die Vorschriften einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift berufen können und dass darüber hinaus die Einschränkungen ihrer Bindungswirkung nicht vereinbar mit den Anforderungen einer Richtlinienumsetzung sind. Im Rahmen der Rechtsentwicklung seit dem Erlass der genannten Urteile des EuGH wurde die Möglichkeit von Dritten, sich auf normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften berufen zu können, erweitert. 389 Dementsprechend besteht nun die Möglichkeit von Drittbetroffenen, die Einhaltung der Bestimmungen in normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften auch vor Gericht durchzusetzen. Die Einschränkungen der Bindungswirkung bei atypischen Fällen sowie bei einem Fortschreiten des Standes der Technik dürften vorliegend nicht gegen eine Zulässigkeit der Verwendung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften sprechen, denn auch die zu erteilenden Genehmigungen und die in ihnen enthaltenen Genehmigungsauflagen müssen diesen Fällen Rechnung tragen. Die Genehmigungsauflagen müssen gerade einem fortgeschrittenen Stand der Technik entsprechen. Im Rahmen des integrativen Ansatzes müssen sie auch atypischen Fällen Rechnung tragen. Da die allgemein verbindlichen Vorschriften 387 So spricht auch der EuGH in dem besagten Urteil, in dem Verwaltungsvorschriften als nicht ausreichend erachtet werden, von dem Erfordernis allgemein zwingender Regelungen, nicht aber von dem allgemein bindender Vorschriften, EuGH, Urteil vom, 30. 5. 1991, Rs. 361/88, Slg. I-2567, Rn. 9. 388 S. dazu Hansmann, ZUR 2002, 19 (20, Fußnote 21); Sellner, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 401 (409). 389 Nach der Rechtsprechung können sich Dritte auf die Bestimmungen in normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften berufen, wenn diese drittschützende Normen konkretisieren, BVerwG, Beschluss v. 23. 11. 1988 – 7 B 164/95, NVwZ-RR 1996, 498 (499); s. auch Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 56; ders., JuS 1999, 105 (109 f.); Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 3 BImSchG, Rn. 19l (der daher auch darauf hinweist, dass angesichts der Entwicklung der Rspr. die Prämisse des EuGH nicht mehr zutreffe); a. A. Wasielewski, in: Koch / Scheuing (Hrsg.): GK-BImSchG, § 6 Rn. 56, der letztlich nur das Gesetz selbst als drittschützend ansieht.

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genau diese Genehmigungsauflagen ersetzen sollen, kann diese Einschränkung der Bindungswirkung jedenfalls an dieser Stelle nicht gegen die Verwendung von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften sprechen. Dabei kann im Rahmen des Sachverständigenmodells auch in dem Fall, dass die Bindungswirkung der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift entfällt, kein rechtlicher Freiraum entstehen, der mit der IVU-RL unvereinbar ist. Dann muss diese Frage entweder zum Gegenstand eines isolierten (Genehmigungs-)Verfahrens gemacht werden, oder aber die Frage wächst dem (weiterhin erforderlichen) Genehmigungsverfahren zu. Die Zulässigkeit der Verwendung von Verwaltungsvorschriften wird daneben auch mit dem Wortlaut der IVU-RL begründet, denn der Begriff „allgemein“ beziehe sich auf den Begriff „Vorschrift“, nicht auf „bindend“. 390 In systematischer Hinsicht wird angeführt, dass die IVU-RL grundsätzlich die Festsetzung von Grenzwerten im individuellen Fall vorsehe (Art. 9 Abs. 3 der IVU-Richtlinie), woraus a majore ad minus gefolgert werden könne, dass allgemein bindende Vorschriften im Sinne von Art. 9 Abs. 8 der IVU-Richtlinie nicht rechtsverbindlich sein müssen. 391 Dieser Schluss ist allerdings nicht vollständig nachvollziehbar. Aus systematischer Hinsicht wird darüber hinaus angeführt, dass die Festlegung von Grenzwerten auch in normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften für die Betroffenen einen Gewinn an Rechtssicherheit darstelle, da, anders als bei einer Festlegung im Einzelfall, deren Einhaltung eingefordert werden könne. 392 Die historische Auslegung hilft vorliegend nicht. Zwar wurde diese Regelung auf Betreiben Deutschlands aufgenommen, um den deutschen Regelungsansatz beibehalten zu können. 393 Da der bestehende Ansatz allerdings auch noch für alle Anforderungen eine Festlegung durch eine Genehmigung im Einzelfall vorsieht, kann dies kein Argument dafür sein, dass normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften auch dann als ausreichend anzusehen sind, wenn eine derartige Festlegung im Einzelfall nicht mehr vorgesehen ist. Allerdings bleibt vor der oben vorgenommenen Unterscheidung festzuhalten, dass hier eben gerade nicht eine Richtlinie unmittelbar umgesetzt wird, sondern nur die Richtlinie eine bindende Festlegung von Anforderungen an die Anlage vorschreibt und damit nationales Recht rezipiert, nicht aber die strengen Anforderungen für eine unmittelbare Umsetzung von Richtlinien Anwendung finden. Vor 390 Zu der Wortlautauslegung s. ausführlich Buchholz, Integrative Grenzwerte im Umweltrecht, S. 198 f. 391 Günter, NuR 2002, 394 (396); dabei verweist sie auf den Ansatz bei Sellner, in: GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 401 (409), wobei dieser allerdings nur Rechtsverordnungen als ausreichend ansieht. Kritisch auch Spieler, Beste verfügbare Technik und Immissionsschutzrecht, S. 136. 392 Buchholz, Integrative Grenzwerte im Umweltrecht, S. 201. 393 S. dazu, allerdings als Gegenstand teleologischer Auslegung, Buchholz, Integrative Grenzwerte im Umweltrecht, S. 202.

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diesem Hintergrund ist im Rahmen der Bindungswirkung einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift die Anforderung des Art. 9 Abs. 8 IVU-Richtlinie erfüllt, ein Rückgriff auf Art. 9 Abs. 3 IVU-Richtlinie ist nicht erforderlich. 394 Insgesamt kann somit an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Rechtswirkungen normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften den Anforderungen genügen, die die IVU-RL an „allgemein bindende Vorschriften stellt“. Eine weitergehende rechtliche Wirkung ist nicht erforderlich, und die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften stellen daher in diesem Zusammenhang ein zulässiges Instrument der Umsetzung dar. Daher sind zumindest die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften als allgemein bindende Vorschriften im Sinne von Art. 9 Abs. 8 der IVU-RL anzusehen. 395 Dies gilt unabhängig von den Zweifeln, ob das System der Verwaltungsvorschriften noch den Anforderungen gerecht wird oder ob es, auch angesichts der über die rein technischen Anforderungen hinausgehenden Aspekte, die berücksichtigt werden, eines stärkeren Rechtsnormcharakters bedarf. 396

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Siehe dazu Spieler, Beste verfügbare Technik und Immissionsschutzrecht, S. 138. Günter, NuR 2002, 392 (396); Buchholz, Integrative Grenzwerte im Umweltrecht, S. 198 ff.; Becker, Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU / IPPC), Kommentar, Art. 9 Rn. 11; a. A. Böhm, ZUR 2002, 6 (9); Enders / Krings, DVBl. 2001, 1389 (1389 Fn. 8); Pschera / Koepfer, NuR 2003, 516 (520, 525), die allerdings aufgrund der auch in Deutschland erfolgenden Festsetzungen der Grenzwerte in den einzelnen Genehmigungsbescheiden den gewählten Ansatz i. E. für zulässig halten. Im Hinblick auf den EuGH zweifelnd Biesecke, ZUR 2002, 325 (329). Unentschieden Feldhaus, ZUR 2002, 1 (5); ders., FS Kutscheidt, S. 261 (270 f.); Hansmann, ZuR 2002, 19 (20, Fußnote 21). Dabei lassen sie diese Entscheidung vor dem oben genannten Hintergrund offen, dass nach bisheriger Konzeption auch dann, wenn die Vorgaben in normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften enthalten sind, noch eine individuelle, jedenfalls die Verbindlichkeit herstellenden Entscheidung der Behörde ergeht (Feldhaus sieht die Umsetzung über normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften als deutsche Spezialität zwar als zulässig an, geht daneben aber auch noch auf die konstitutive Konkretisierung im Genehmigungsbescheid ein). Auch Lübbe-Wolff, NuR 1999, 241 (245) scheint von der Zulässigkeit der Umsetzung des integrativen Ansatzes im untergesetzlichen Regelwerk auszugehen. Dabei thematisiert sie die vorliegende Frage nicht, was insofern vor dem oben dargestellten Hintergrund, dass noch die einzelne Genehmigung, als Transmissionsriemen für die Verbindlichkeit fungiert, verständlich ist. Den Ansatz der Regelung im untergesetzlichen Regelwerk als zulässig und sachgerecht bezeichnen auch Dietlein, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 7 Rn. 61; Koch / Siebel-Huffmann, NVwZ 2001, 1081 (1084); etwas unklar ist der Verweis auf Koch, JUTR 1997 (UTR 40), S. 31 (51 f.). All diese Aussagen beziehen sich aber aus den genannten Gründen wohl nicht auf die behandelte Frage, zumindest wird die Tragweite der Problematik angesichts des bestehenden Ansatzes des deutschen Genehmigungsrechts nicht umfassend gesehen. A. A. wohl Bohne, in. ders. (Hrsg.): Perspektiven für ein Umweltgesetzbuch, S. 113 (140), nach dem die TA Luft im Hinblick auf die Festlegung von Genehmigungsauflagen bei Anlagen im Sinne des Anhangs I der IVU-Richtlinie ihre bindende Wirkung verliert und zu einer indikatien Richtlinie wird. 396 So Wahl, ZUR 2000, 360 (365 f.). 395

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(dd) Sonstige Verwaltungsvorschriften und technische Regeln Daneben finden sich jedoch zahlreiche Anforderungen an immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen auch in Verwaltungsvorschriften, die nicht als normkonkretisierende angesehen werden können, in Richtlinien und Erlassen sowie in sonstigen technischen Regelwerken. Diese Vorschriften werden zwar vielfach nicht anders angewandt als verbindliche, aber ihnen kommt aus sich heraus keine Verbindlichkeit zu. Daher genügen all diese Vorgaben nicht den Anforderungen des Art. 9 Abs. 8 IVU-RL. Zwar enthalten diese Vorschriften ausreichend detaillierte und auch zutreffende Vorgaben, jedoch fehlt es an jeglicher Vollzugssicherheit. Insbesondere besteht hier keine Möglichkeit, ihre Befolgung ohne weiteren vermittelnden Zwischenakt sicherzustellen. Es besteht, anders als bei normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, weder eine rechtliche Bindungswirkung gegenüber den Gerichten noch die Möglichkeit Privater, sich auf die Regelungen zu berufen. Sie sind auch aus funktioneller Perspektive somit nicht geeignet, als allgemein bindende Vorschriften im Sinne von Art. 9 Abs. 8 IVU-RL in Betracht zu kommen. (b) Sonstige Verbindlichkeit Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob den Anforderungen der IVURL innerhalb eines Sachverständigenmodells auch dann Rechnung getragen werden kann, wenn die Vorgaben nicht in allgemein bindenden Vorschriften enthalten sind. 397 Dafür müsste es möglich sein, dem Erfordernis von Genehmigungsauflagen auch in anderer Form, d. h. bei einer Tätigkeit privater Sachverständiger, Rechnung zu tragen. Dafür gilt es in einem ersten Schritt, zu untersuchen, was die IVU-RL unter Genehmigungsauflagen versteht, wobei verschiedene Begriffsverständnisse auf der Grundlage der von Genehmigungsauflagen zu erfüllenden Funktionen denkbar sind. Eine der in Betracht kommenden Funktionen von Genehmigungsauflagen besteht darin, dass sie die Anforderungen lediglich konkretisieren, ohne dass sie eine unmittelbare Verbindlichkeit enthalten. Sie würden dann lediglich dem Betreiber den Spielraum des Genehmigten aufzeigen, darüber hinaus müssten sie für ihre Vollstreckung auch noch verbindlich „gemacht“ werden. Zutreffend erscheint es aber, die Funktion der Genehmigungsauflagen auch darin zu sehen, dass sie eine verbindliche Konkretisierung enthalten, also den 397 Womit diese Betrachtung auch für den Fall geeignet sein sollte, dass normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften entgegen der hier vertretenen Auffassung keine allgemein bindenden Vorschriften darstellen.

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Inhalt der Genehmigung nicht nur konkretisieren, sondern unmittelbar für den Betreiber verbindlich die Grenzen des Erlaubten aufzeigen, so dass der Betreiber bei einer Verletzung der Genehmigungsauflagen bereits gegen unmittelbar verbindliche Vorgaben verstoßen würde. Der Vollzug würde sich dann darauf beschränken, die Überschreitung zu sanktionieren. Es muss also eine Verbindlichkeit für den Betreiber hergestellt werden, und die Genehmigungsauflagen müssen hinreichend klar und bestimmt sein und Dritten die Möglichkeit eröffnen, diese überprüfen zu lassen. 398 Diesen Anforderungen kann allerdings auch im Rahmen eines Sachverständigenmodells Rechnung getragen werden. Es geht darum, dass die Einhaltung der von Sachverständigen ermittelten Vorgaben zum einen verbindlich und zum anderen auch einklagbar ist – das Ziel ist eine verbindliche Normkonkretisierung. Eine Verbindlichkeit der in den Sachverständigengutachten bzw. -bescheinigungen enthaltenen Anforderungen an den Betrieb kann durch eine gesetzliche Anordnung der Verbindlichkeit, eine Anordnung im Einzelfall sowie durch ein (einklagbare) Verpflichtung des Antragstellers (deren Vorliegen Genehmigungsvoraussetzung sein kann) 399 hergestellt werden. Diese Verbindlichmachung bezieht sich dann auf die Antragsunterlagen und die sachverständigen Konkretisierungen der Anforderungen. Die Antragsunterlagen sollen die erforderliche Konkretisierung sein und sind dann aufgrund der entsprechenden Anordnung bzw. Verpflichtung einzuhalten. Die ebenfalls erforderliche hinreichende Klarheit und Bestimmtheit der Konkretisierungen kann unproblematisch auch im Rahmen von Sachverständigengutachten hergestellt werden. Es kann ohne weiteres geregelt werden, dass sowohl die Einschlägigkeit als auch die Einhaltung der sachverständigen Bescheinigungen zum Gegenstand eines Rechtsschutzverfahrens gemacht werden kann. Nicht ausreichend wäre es, die Verbindlichkeit der Einhaltung der sachverständigen Bescheinigungen dadurch anzustreben, dass eine Haftung für Verstöße gegen die Vorgaben vorgesehen wird. Dies ist funktional ungeeignet, da die Einhaltung der Vorgaben nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt wird. Eine derartige Regelung benötigt Kläger und Schaden, und bereits diese Voraussetzungen zeigen schon auf, dass die faktische „Verbindlichkeit“ von zu vielen ungewissen Faktoren abhängt.

398

Dies entspricht letztlich den bereits zu Art. 9 Abs. 8 IVU-RL entwickelten Krite-

rien. 399

So zum Beispiel durch eine eigene Eingabe mit dem Inhalt, dass man die dem Gesetz entsprechenden, in den Unterlagen näher beschriebenen Vorgaben einhält.

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(c) Die Regelung des Genehmigungsverfahrens und die Kontrollbedürftigkeit Nach Art. 9 Abs. 8 IVU-RL entbindet selbst das Vorliegen von allgemein bindenden Vorschriften nicht davon, ein Genehmigungsverfahren durchzuführen. Es stellt sich deshalb die Frage, welchen konkreten Anforderungen dieses Genehmigungsverfahren genügen muss. Auf der einen Seite kann diese Forderung dahingehend verstanden werden, dass ein unverändertes Genehmigungsverfahren durchzuführen ist, so dass sämtliche, also auch die in den allgemein bindenden Vorschriften enthaltenen Vorgaben geprüft und damit folgerichtig auch zum Gegenstand von Genehmigungsauflagen gemacht werden müssen. Alternativ könnte dies auch dahingehend verstanden werden, dass nach wie vor ein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden muss, das allerdings die allgemein bindenden Vorschriften dahingehend berücksichtigt, dass das Genehmigungsverfahren zu modifizieren und reduzieren ist. Der Wortlaut selbst enthält keinen zwingenden Anhaltspunkt für das zutreffende Verständnis. Die IVU-RL verlangt lediglich die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens, legt aber nicht fest, wie ein solches auszugestalten ist, und kann daher auch nicht zwingend dahingehend verstanden werden, dass ein vollumfängliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Für das zweite Verständnis spricht jedoch ein systematisches Verständnis der IVU-RL. Art. 9 Abs. 8 IVU-RL regelt ausdrücklich, dass an Stelle von in einzelnen Verfahren festzusetzenden Genehmigungsauflagen Anforderungen an Anlagen in allgemein bindenden Vorschriften geregelt sein können. Dem würde es aber widersprechen, wenn nunmehr von dieser Möglichkeit einer Festsetzung Gebrauch gemacht werden würde, gleichzeitig aber das Genehmigungsverfahren unverändert bleiben müsste. Dann würden die bereits in den allgemein bindenden Vorschriften festgesetzten Anforderungen nochmals überprüft und zum Gegenstand von Genehmigungsauflagen gemacht werden. Dies mag zwar durchaus eine geeignete Methode zur Sicherstellung des materiellen Rechts darstellen, wird aber von der IVU-RL selbst nicht verlangt. Die Forderung, auch bei Vorliegen von allgemein bindenden Vorschriften noch ein Genehmigungsverfahren durchzuführen, besteht wohl vor allem, um den integrativen Ansatz zu sichern, der jedenfalls im Einzelfall gewährleistet werden soll. Letztlich kann dies dahingehend interpretiert werden, dass die Behörde eine abschließende, wenn auch nicht vollumfängliche Entscheidung über die Zulässigkeit treffen muss. Im Rahmen dieser Entscheidung müssen ihr Zugriffsmöglichkeiten eröffnet werden. Dementsprechend steht es dem Gesetzgeber frei, das Genehmigungsverfahren um die Aspekte zu reduzieren, die in den allgemein bindenden Vorschriften festgelegt sind. Fraglich ist allerdings, wie weit diese Reduktion gehen darf.

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

Damit mag die Behörde zwar von der Konkretisierung der Vorgaben befreit sein, allerdings stellt sich daneben noch die Frage, inwieweit daneben auch noch eine Verpflichtung zur Kontrolle im Einzelfall besteht, mit der überprüft wird, ob die zur Genehmigung gestellte Anlage auch diesen Anforderungen genügen wird. Der Hauptfokus der IVU-RL liegt dabei sicherlich darauf, die konkreten Anforderungen, denen eine Anlage genügen muss, im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens zu ermitteln und diese verbindlich festzulegen. Im Hinblick auf die Durchführung einer Kontrolle des Vorhabens auf die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben ist Art. 8 IVU-RL zu untersuchen. Dieser verlangt, dass eine „Genehmigung mit Auflagen, die sicherstellen, dass die Anlage den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht“, erteilt wird. Ist dies nicht der Fall, soll die Genehmigung abgelehnt werden. Daraus folgt auch, dass eine Überprüfung der Anlage erforderlich ist, denn die Genehmigungsauflagen sind anhand der konkret beantragten Anlage zu ermitteln und in die Genehmigung aufzunehmen. Dementsprechend ist es denknotwendige Voraussetzung der Erteilung der von der IVU-RL vorgesehenen Genehmigung, dass eine Überprüfung stattgefunden hat. Allerdings enthält sie keine spezifischen Vorgaben dafür, wie diese Überprüfung stattzufinden hat bzw. wie diese auszugestalten ist. Somit ist der Bereich der Prüfung, dass die zu errichtende Anlage den Anforderungen entspricht, die nunmehr entweder in Genehmigungsauflagen oder in allgemein bindenden Vorschriften enthalten sind, von den Regelungen der IVURL ausdrücklich nicht erfasst. Dies kann also auch durch private Sachverständige geschehen. Zu berücksichtigen ist nur, dass eine behördliche Rechtsposition geschaffen wird, damit diese im Sinne einer Gewährleistung des integrativen Ansatzes in Einzelfall tätig werden kann. Die IVU-Richtlinie verlangt nicht, dass sämtliche Aspekte des Genehmigungsverfahrens bzw. die konkrete Überprüfung durch die Behörden und nicht durch andere Personen durchgeführt werden. (2) Die „zuständige Behörde“ – Notwendigkeit einer staatlichen Instanz? Im Hinblick auf eine Verfahrensprivatisierung stellt sich grundsätzlich die Frage, was die IVU-RL unter dem Begriff der „zuständigen Behörde“ versteht, also insbesondere, wer alles als derartige zuständige Behörde in Frage kommt bzw. wer zuständige Behörde im Sinne der IVU-RL sein kann. Die Begriffsdefinition enthält Art. 2 Nr. 8 IVU-RL. Danach ist die „zuständige Behörde“ die Behörde bzw. sind es die Behörden oder Einrichtungen, die kraft der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten mit der Erfüllung der aus der IVU-RL erwachsenden Aufgaben betraut ist bzw. sind. Nach der IVU-RL ist es demnach zulässig, dass nicht nur Behörden, sondern auch Einrichtungen die IVU-RL vollziehen. Fraglich ist allerdings, was als derartige Einrichtung zu verstehen ist.

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Dabei kann dem Wortlaut nicht entnommen werden, dass es sich bei der Einrichtung zwingend um eine „staatliche“ handeln muss, vielmehr ist der Begriff der Einrichtung gerade weiter zu verstehen. Auch aus der systematischen Auslegung folgt nicht, dass es sich um eine staatliche Einrichtung handeln muss, denn dagegen spricht die Gegenüberstellung mit dem Begriff der Behörde. Zwar kommt grundsätzlich in Betracht, dass die IVU-RL damit nur verschiedene Möglichkeiten des staatlichen Aufbaus im Blick hat, dies kann aber nicht als eindeutiges Ergebnis der systematischen Auslegung angesehen werden, da in gleicher Weise begründet werden kann, dass aus der Gegenüberstellung mit den staatlichen Behörden die IVU-RL davon ausgeht, dass es sich bei den Einrichtungen um solche privater Natur handelt. Auch die teleologische Auslegung ergibt kein Ergebnis. Danach kann allenfalls ermittelt werden, dass die IVU-RL vorsieht, dass im Bereich jedes Mitgliedstaates gewisse Stellen bestimmt werden, die für den Vollzug der IVU-RL verantwortlich sind und über die erforderlichen Kompetenzen verfügen. Da die IVU-RL wohl davon ausgeht, dass auch private Einrichtungen mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden können, ist als Ergebnis der Auslegung festzuhalten, dass die IVU-RL nicht zwingend verlangt, dass eine staatliche Stelle für den Vollzug der Anforderungen der IVU-RL zuständig ist. Vielmehr erscheint es, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Verfahren beim Vollzug europarechtlicher Vorgaben im Wesentlichen in den Händen der Mitgliedstaaten liegt, zutreffender, dass die IVU-RL einen in dieser Hinsicht offenen Rahmen anbieten will und damit den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung einräumt. Dementsprechend ist es durchaus zulässig, auch Private mit dem Vollzug der Vorgaben der IVU-RL zu betrauen, so lange sie nur ausreichend kompetent sind. Damit zeigt sich eine Offenheit der IVU-RL auch für nichtstaatliche Gestaltungen. Zudem muss es sich bei der Einbeziehung der anderen Einrichtung nicht notwendig um eine Beleihung handeln. Die Verweigerung der Erteilung einer sachverständigen Bescheinigung ist funktional äquivalent zu der Verweigerung einer Genehmigung und stellt selbst keine hoheitliche Handlung dar. cc) Gesamtschau und Zusammenfassung Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass auch die IVU-RL einer Verfahrensprivatisierung nicht grundsätzlich entgegensteht. Zwar enthält sie durchaus Begrenzungen für eine Privatisierung des Genehmigungsverfahrens, die allerdings einen zwar eingeschränkten, aber immer noch einen nicht unerheblichen Privatisierungsspielraum bedeuten. Gerade die Kombination der oben dargestellten Ansätze aus einer Normierung in abstrakt-generellen Regelungen und einer Überprüfung durch eine private Einrichtung als „Einrichtung“ im Sinne der IVU-RL bietet einen erheblichen Spielraum für Privatisierungen.

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

Insofern allerdings auch nach der IVU-RL noch eine Restkompetenz der Behörde erforderlich ist, kann diese jedenfalls im Sinne des vereinfachten Genehmigungsverfahrens ausgestaltet werden. Zudem ist dabei die Gesamtgewährleistung eines integrativen Ansatzes ausreichend. Die verfahrensabschließende Entscheidung der Behörde kann auch dahingehend ausgestaltet werden, dass sie im Rahmen der Vorlage der Sachverständigenbescheinigungen zum einen die Vollständigkeit und darüber hinaus die Verpflichtung zur Einhaltung der darin gemachten Vorgaben erklärt und sich auch darin erschöpft. Darüber hinaus ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei einer Ausgestaltung auch die Anforderungen der IVU-RL an eine Öffentlichkeitsbeteiligung verwirklicht werden müssen. Im übrigen bleibt festzuhalten, dass das von der IVU-RL verlangte Genehmigungsverfahren zur Ermittlung der Vorgaben nicht notwendigerweise ein staatliches Verfahren sein muss.

4. Die Industrieanlagenrichtlinie Auch die so genannte Industrieanlagenrichtline 400 enthält Vorgaben für das Genehmigungsverfahren. Diese finden sich in den Artt. 6 und 9. Nach Art. 6 müssen dem Antrag auf Genehmigung eine Beschreibung der Anlage sowie die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen gem. Artt. 3 und 4 der Richtlinie erforderlichen Angaben beigefügt werden. Art. 9 der Richtlinie verlangt, dass sowohl die Anträge auf die Genehmigung als auch die Entscheidungen der zuständigen Behörden der betroffenen Öffentlichkeit unter Beachtung der nationalen Vorschriften bekanntgegeben werden. 401 Darüber hinaus lassen sich der Industrieanlagenrichtlinie keine weiteren Anforderungen an die Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens entnehmen. Insbesondere regelt sie nicht, dass bestimmte Verfahrensschritte nur durch staatliche Behörden durchgeführt werden dürfen. Darüber hinaus regelt sie auch nicht einen bestimmten Umfang staatlicher Entscheidungen. Zwar regelt sie in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie, dass Entscheidungen der zuständigen Behörden der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden müssen. Dabei regelt sie jedoch nicht, dass es sich dabei zwingend um staatliche Behörden handelt. Selbst wenn dies der Fall sein sollte,

400

Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1984 zur Bekämpfung der Luftverunreinigungen durch Industrieanlagen (84/360/EWG), ABl. EG vom 16. 7. 1984 Nr. L 188/20; geändert durch Richtlinie 90/656/EWG, Abl. Nr. L 353 vom 4. 12. 1990, S. 59 ff.; Richtlinie 91/ 692/EWG, ABl. Nr. L 377 vom 23. 12. 1991, S. 48 ff.; Abkommen über den EWR – Anhang XX, ABl. Nr. L 1 vom 3. 1. 1994, S. 494 ff. 401 Zu den Anforderungen der Industrieanlagenrichtlinie an das Genehmigungsverfahren und die Umsetzung s. Stapelfeldt, Die immissionsschutzrechtliche Anlagenzulassung nach europäischem Recht, S. 274 ff.

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so enthält sie sich doch weiterer Regelungen im Hinblick auf den Umfang der erforderlichen Entscheidungen.

5. Die „Großfeuerungsanlagenrichtlinie“ Weitergehende Anforderungen an die Genehmigung enthält die Großfeuerungsanlagenrichtlinie. 402 Diese regelt materielle Festsetzungen der Genehmigungen. Die maßgeblichen Bestimmungen im Hinblick auf die Erteilung von Genehmigungen sollen nachfolgend kurz dargestellt werden. Nach Art. 4 der Richtlinie muss eine Genehmigung Bestimmungen über die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffoxide und Staub enthalten. Dabei wird verlangt, dass die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen treffen, damit jede Errichtungsgenehmigung, oder, falls ein solches Verfahren nicht besteht, jede Betriebsgenehmigung derartige Bestimmungen enthält. Nach Art. 6 der Richtlinie muss in bestimmten Fällen die Durchführbarkeit von Vorkehrungen für die KraftWärme-Kopplung geprüft werden. Zudem muss nach Art. 7 jede Genehmigung oder Zulassung nach Art. 4 geeignete Maßnahmen für den Fall einer Betriebsstörung oder des Ausfalls der Abgasreinigungsanlage enthalten. Weiterhin regelt Art. 8 der Richtlinie detailliert die Festsetzung von Emissionsgrenzwerten in der Genehmigung. Dabei enthält die Richtlinie keine dem Art. 9 Abs. 8 IVU-RL vergleichbare Bestimmung. Dementsprechend kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Regelung allein in abstrakt generellen, wenn auch verbindlichen Regelungen ihren Anforderungen genügt. Vielmehr verlangt diese Richtlinie eine Genehmigung für den Einzelfall, wobei dies zwar nicht ausdrücklich geregelt wird, allerdings eine Umsetzung der Anforderungen der Richtlinie ohne eine solche wohl nicht möglich ist. Darüber hinaus nimmt sie auf die zuständige Behörde Bezug, ohne in einer Definition vorzusehen, dass auch „Einrichtungen“ oder ähnliches als zuständige Behörde angesehen werden können. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine sachverständige Tätigkeit, wie sie im Rahmen des Sachverständigenmodells vorgesehen ist, den Anforderungen der Richtlinie entsprechen kann. Die Möglichkeit der innerstaatlichen Gestaltung ist wiederum an den oben dargestellten allgemeinen Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien zu messen. Dabei sind hier im Wesentlichen zwei Aspekte relevant. Zum einen stellt sich die Frage, ob die Richtlinie es überhaupt zulässt, dass eine andere 402 Richtlinie 2001/80/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft vom 23. Oktober 2001, ABl. EG Nr. L 309, S. 1, berichtigt ABl. der EG Nr. L 319, S. 30.

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

Stelle als eine staatliche Behörde handelt. Zum anderen stellt sich die Frage nach der Verbindlichkeit der Festsetzungen für den einzelnen Betreiber. Im Hinblick auf die vollziehende Instanz gilt vorliegend, dass die Gestaltung des Verfahrens für den Vollzug von Europarecht grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen ist (sogenannter indirekter Vollzug). Daher kann der Begriff der „zuständigen Behörde“ nicht eng ausgelegt werden. Es spricht vielmehr vieles dafür, dass damit die nach innerstaatlichem Recht zuständige Stelle gemeint ist, allerdings werden keine Aussagen über die Qualität dieser Stelle gemacht. Diese Stelle muss jedenfalls über hinreichende Kompetenzen verfügen, um die Anforderungen der Richtlinie vollziehen zu können, sie muss allerdings nicht notwendigerweise staatlich sein. Allerdings ist die Richtlinie dahingehend auszulegen, dass die Festsetzungen in der Genehmigung für den Betreiber verbindlich sein müssen. Sie müssen hinreichend klar, bestimmt und verbindlich sein, und Dritte müssen ihre Überprüfung vor Gericht durchsetzen können. Die Tätigkeit der Sachverständigen und die von ihnen erstellten Bescheinigungen sind allerdings nicht unmittelbar verbindlich für die einzelnen Betreiber. Daher kann das Sachverständigenmodell insoweit nur Anwendung finden, als über weitere rechtliche Konstruktionen eine Verbindlichkeit der sachverständigen Festlegungen erreicht wird und im Übrigen auch garantiert wird, dass die Sachverständigen insbesondere nach Maßgabe des Art. 8 der Richtlinie vorgehen. Bereits oben wurden verschiedene Optionen angesprochen, mit denen eine Verbindlichkeit der sachverständigen Bescheinigungen für den Betreiber rechtstechnisch erreicht werden kann. Diese Konstruktionen wären im Anwendungsbereich der Richtlinie unabdingbare Voraussetzung für die Einführung des Sachverständigenmodells. Allerdings erfasst diese Restriktion auch nur die von dieser Richtlinie erfassten Feuerungsanlagen und deren Emissionen an Schwefeldioxid, Stickstoffoxid und Staub. Insofern könnte den Anforderungen dieser Richtlinie auch dadurch Rechnung getragen werden, dass ihre Anforderungen innerhalb eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens dem staatlichen Bereich zugeschlagen werden.

6. Die UVP-Richtlinie Die UVP-Richtlinie 403 verlangt, dass bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird. Vorliegend stellt sich 403 Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten vom 27. Juni 1985, ABl. EG Nr. L 175, S. 40, geändert durch die Richtlinie 97/11/EG vom 3. März 1997, ABl. EG Nr. L 73, S. 5 und die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003, ABl. EG Nr. L 156 S. 17.

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die Frage, inwiefern es der UVP-Richtlinie widersprechen könnte, wenn ein Sachverständigenmodell eingeführt wird. Nicht Gegenstand der Untersuchung ist die UVP selbst, so dass auch nicht in Frage steht, dass die zuständige Behörde die Bewertung der Umweltauswirkungen vornimmt (s. § 20 Abs. 1a und 1b der 9. BImSchV, § 12 UVPG). Es geht alleine darum, ob die UVP-Richtlinie letztlich auch die Gestaltung der Genehmigung und des Genehmigungsverfahrens beeinflusst. Grundsätzlich dient die UVP allein der Entscheidungsvorbereitung. Sie liefert die Beurteilungsgrundlagen für die Prüfung des Vorhabens am Maßstab der materiell-rechtlichen Anforderungen des Fachrechts. 404 Dabei verlangt allerdings Art. 2 der UVP-Richtlinie, dass die näher bezeichneten Projekte einer Genehmigungspflicht unterworfen werden und vor der Erteilung der Genehmigung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird. Art. 8 der UVP-Richtlinie verlangt, dass die Ergebnisse der Anhörungen und die gemäß den Artt. 5, 6, und 7 der UVP-Richtlinie eingeholten Angaben im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen sind. Dementsprechend verlangt § 20 Abs. 1b Satz 3 der 9. BImSchV (wie auch § 12 UVPG), dass die Genehmigungsbehörde die vorgenommene Bewertung oder Gesamtbewertung bei der Entscheidung über den Antrag nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen hat. Aus dieser Regelung über die Berücksichtigung der UVP ergibt sich aber letztlich auch, dass die UVP-Richtlinie der Einführung eines Sachverständigenmodells nicht entgegen steht. Bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. 405 Es besteht ein Anspruch des Antragstellers auf eine Entscheidung entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, und die Sachverständigen werden nur in einem Bereich der Genehmigungsvoraussetzungen tätig, in denen die gesetzlichen Anforderungen so weitgehend konkretisiert sind, dass eine Berücksichtigung der Bewertungen der Umweltverträglichkeitsprüfung letztlich ohnehin nicht möglich ist. Soweit z. B. von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften abweichende Entscheidungen erforderlich sind, ist ohnehin eine Entscheidung der Behörde notwendig, so dass insofern im Hinblick auf die Anforderungen der UVP-Richtlinie keine Bedenken bestehen. Jedenfalls müssen Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass die Behörde eine derartige abweichende Entscheidung auch durchsetzen kann.

404

Beckmann, in: Hoppe (Hrsg.): UVPG, § 12 Rn. 18. Zu der Widersprüchlichkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung und einer gebundenen Entscheidung und den Schwierigkeiten der Verbindung s. Breuer, NVwZ 1997, 833 (838). 405

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Kap. 4: Der verfassungsrechtliche Rahmen der Verfahrensprivatisierung

7. Zusammenfassung zu den europarechtlichen Vorgaben Die Darstellung zeigt, dass die europarechtlichen Vorgaben auch das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren und dessen Ausgestaltung beeinflussen. Insbesondere wird der Spielraum für eine Verfahrensprivatisierung bzw. ein Sachverständigenmodell eingeengt. Dabei können einige Hauptprobleme für die Umsetzung identifiziert werden. Klärungsbedürftig ist die Zulässigkeit der Einbindung nicht-staatlicher Einrichtungen. Daneben ist klärungsbedürftig, welcher Umfang an Entscheidung im Einzelfall erforderlich ist und darüber hinaus, welche Verbindlichkeit die Entscheidung im Einzelfall haben muss. Dabei konnte aufgezeigt werden, dass diese Schwierigkeiten, selbst wenn die europarechtlichen Vorgaben streng ausgelegt werden, durch rechtliche Konstruktionen überwunden werden können. Allerdings ist fraglich, ob dies nicht eine Regulierung der Deregulierung erfordern würde, die im Ergebnis zu einer erhöhten Komplexität führen würde, was insgesamt eine Bewertung als unvorteilhaft zur Folge haben würde. Je nach Auslegung ist dabei festzuhalten, dass die europarechtlichen Vorgaben allenfalls ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren erlauben, da sie in der Regel nicht dahingehend interpretiert werden können, dass keine Genehmigung erforderlich ist. Es erscheint sehr zweifelhaft und ist abzulehnen, dass sachverständige Gutachten die Genehmigung im Sinne der jeweiligen Richtlinien vollständig ersetzen können. Gleichzeitig ist aber auch darauf hinzuweisen, dass diese Einschränkungen und Anforderungen nur im jeweiligen Anwendungsbereich der Richtlinien gelten. Im Rahmen der detaillierten Ausgestaltung eines Sachverständigenmodells wäre daher zu untersuchen, ob große Teile der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfasst wären oder systematisch Blöcke gebildet werden können, in denen europarechtliche Vorgaben keine Rolle spielen. Dies wäre im Rahmen einer Ausgestaltung zu berücksichtigen.

Kapitel 5

Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Eine Problemskizze Im Verlauf der obigen Untersuchung hat sich gezeigt, dass die Einführung des Sachverständigenmodells sich nicht darin erschöpft und auch nicht darin erschöpfen darf, lediglich zu regeln, welche Aspekte bzw. Regeln durch Private überprüft werden können und dürfen. Vielmehr kann das Sachverständigenmodell nicht isoliert in das bestehende System des Genehmigungsrechts eingepflanzt werden, es bedarf vielmehr begleitender Regelungen, die die Entstehung von Bruchstellen so weit wie möglich vermeiden. Darüber hinaus reicht es nicht aus, bloß eine Verknüpfung der verschiedenen Regelungsmaterien herzustellen. Zur Gewährleistung einer Funktionsfähigkeit bedarf auch die Tätigkeit der Sachverständigen selbst einer Regelung. Es ist somit ein begleitendes Recht zu schaffen, das unterschiedliche Zielvorstellungen verwirklichen soll und muss. Die staatliche Verantwortung für die Aufgabenwahrnehmung drückt sich in dieser Hinsicht als Vollzugsverantwortung aus; der Staat muss eine Vollzugstauglichkeit des rechtlichen Rahmens her- und sicherstellen. 1 Daneben hat dieses Recht auch weitere Aufgaben zu erfüllen, die allgemein mit Beobachtung, Kontrolle und fortwährender Steuerung umschrieben werden können. 2 Der in einer derartigen Privatisierung zum Ausdruck kommende Wandel der Staatlichkeit verlangt deshalb nach einem eigenen Recht, das diese Wandlung begleitet und in rechtliche Formen gießt.

1 S. zu diesem Begriff und dessen Inhalt, nämlich die Herstellung der Vollzugstauglichkeit, Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (192). 2 So Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (277). Vgl. dazu auch Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (77 f.).

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

§ 16 Die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts 1. Gewährleistungsverwaltungsrecht als Ausdruck der Gewährleistungsverantwortung Das bereits oben skizzierte Konzept der Verantwortungsteilung dient der Erfassung und Typologisierung des mit der Privatisierung verbundenen Übergangs von einer staatlichen zu einer privaten Aufgabenerfüllung sowie des entstehenden Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure. Die bislang unmittelbar staatliche Aufgabenwahrnehmung wird abgelöst durch unterschiedlichste Formen der Einflussnahme, Überwachung, Reglementierung und Regulierung, die eine ordnungsgemäße private Aufgabenerfüllung sicherstellen sollen. Staatliche Aufgabenerfüllung tritt zugunsten der staatlichen Gewährleistung der Aufgabenerfüllung durch Private zurück. 3 Vor diesem Hintergrund bietet es sich nunmehr an, sowohl das Sachverständigenmodell als auch das begleitende Recht in das bereits oben entwickelte Konzept der Verantwortungsteilung einzuordnen und damit systematisch zu erfassen. Dabei wird die umfassende Erfüllungsverantwortung aufgespalten in unterschiedliche Einzelverantwortungen, die die verschiedenen Rollen, die entweder aus der Sachlogik des betroffenen Bereichs, der Funktionsfähigkeit oder aus höherrangigem Recht folgen, beschreibend erfassen sollen. Voraussetzung jeglicher Verantwortungstragung und damit auch Voraussetzung einer Verantwortungsteilung ist jedoch die Verpflichtung des Verantwortungsträgers, eine Aufgabe durchzuführen und zu erfüllen. Diese Verpflichtung des Staates besteht vorliegend eindeutig und ergibt sich hier zum einen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, insbesondere den Grundrechten, der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG sowie dem Demokratieprinzip, und zum anderen aus der einfachrechtlichen Entscheidung zur Aufgabenwahrnehmung, die sich in dem Erlass des BImSchG sowie den auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen ausdrückt. Es besteht somit eine Verantwortung für die Erledigung der Aufgabe „Sicherstellung der Einhaltung der materiell-rechtlichen Vorgaben“. Diese Verantwortung kann im Wege der Erfüllungsverantwortung und damit allein durch den Staat wahrgenommen werden. Dieser ist aber nicht notwendigerweise zu einer Erfüllungsverantwortung verpflichtet. Vielmehr können auch Private an der Aufgabenerledigung mitwirken, wobei diese dann in unterschiedliche Rollen und Teilaufgaben zerfällt. So gibt der Staat im Rahmen eines Sachverständigenmodells die Erfüllungsverantwortung auf. Dementsprechend wandelt sich der Inhalt der vom Staat zu er3

Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (278).

§16 Die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts

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füllenden Aufgabe (insofern er eine solche weiterhin wahrnimmt), was ebenfalls einen Wandel der Verantwortungswahrnehmung zur Folge hat – die Erfüllungsverantwortung zerfällt dabei in unterschiedliche Formen der Verantwortung, die die weiterhin wahrgenommenen und wahrzunehmenden Rollen der Verwaltung in der Folge eines Verzichts auf die Erfüllungsverantwortung beschreiben. Im Rahmen eines Sachverständigenmodells wird nur die reine Durchführungsverantwortung, also die Kontrolle privater Tätigkeit, auf Sachverständige übertragen. Diese entspricht nicht der vorherigen, durch staatliche Behörden wahrgenommenen Erfüllungsverantwortung. Insbesondere die bereits oben angeführten verfassungsrechtlichen Erwägungen stehen einer materiellen Privatisierung, die einen Rückzug auf eine bloße Rahmenverantwortung bedeuten würde, und damit einer Verlagerung der gesamten Erfüllungsverantwortung in den privaten Sektor entgegen. Vielmehr folgt aus diesen Erwägungen, dass der Staat im Rahmen der Privatisierung, bei ihrer Ausgestaltung und in ihrer Folge weiterhin verpflichtet ist, für die Ausgestaltung des erforderlichen Kontrollmechanismus’ einschließlich der begleitenden Regelungen ein Schutzkonzept zu entwickeln und es umzusetzen bzw. zu verwirklichen. Insbesondere muss er begleitend dafür sorgen, dass es auch funktioniert. 4 Er muss deshalb eine „Qualitätssicherung“ leisten. Damit zielt die fortbestehende Verantwortung des Staates darauf, die Einhaltung der materiell-rechtlichen Anforderungen an die Anlage auch im Rahmen eines Sachverständigenmodells sicherzustellen. Dies ist das eigentliche Ziel jeder Aufgabenwahrnehmung im Ordnungsrecht. Insofern erscheint es auch sinnvoll, von einer staatlichen Garantenstellung für dieses Ziel zu sprechen. 5 Aufgrund der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen liegt es zudem nahe, angesichts der fortbestehenden Verantwortung von einer Mindest- oder Minimalverantwortung des Staates zu sprechen. Im Rahmen des Konzeptes der Verantwortungsteilung entspricht dieser Rolle das Verständnis der Gewährleistungsverantwortung. 6 Im Rahmen der „klassischen“ Diskussion bezog sich dieser Begriff der Gewährleistungsverantwortung regelmäßig auf die Gewährleistung einer Versorgungssicherheit. Ihre Wahrnehmung zeigt sich in den zahlreichen Regulierungsbehörden, die in jüngerer Vergangenheit entstanden sind und im Entstehen begriffen sind. 7 4 S. dazu Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (192), der dies als Vollzugsverantwortung beschreibt. Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (77 f.) spricht von einer Letztverantwortung für die Zielerreichung. 5 Vgl. Schoch, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 221 (232). 6 S. dazu auch Knauff, Gewährleistungsstaat, S. 75. 7 S. dazu auch Ruffert, AöR 124 (1999), 237 ff.; Schneider, ZHR 164 (2000), 513 ff.; Breuer, NVwZ 2004, 520 (528 ff.). Zum Zusammenhang zwischen einer Erfüllungs- und einer Regulierungsverantwortung s. auch Masing, VerwArch 95 (2004), 151 ff.

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

Die Gewährleistungsverantwortung im Bereich des Ordnungs- bzw. des Genehmigungsrechts ist von diesem klassischen Verständnis im Hinblick auf die darin zu erfüllende Aufgabe als Anknüpfungspunkt und Gegenstand der Verantwortungstragung zu differenzieren. Die zentrale Aufgabe, auf die sich nunmehr die Gewährleistungsverantwortung bezieht, besteht in der Sicherstellung der Einhaltung der materiellen Vorgaben; die Kontrolle ist dabei der Weg, dieses Ziel zu erreichen. Gegenstand der den Staat treffenden Gewährleistungsverantwortung ist damit, dass die von ihm initiierte private (sachverständige) Kontrolle ordnungsgemäß und geeignet ist, diese Aufgabe zu erfüllen. Die maßgeblichen Stichworte in diesem Zusammenhang sind die Qualitäts- und die Gemeinwohlsicherung. 8 Während dabei im Rahmen der Erfüllung einer Aufgabe durch die Verwaltung der Ausgestaltung des Verfahrens im Sinne einer Richtigkeitsgewähr eine maßgebliche Bedeutung zukommt, 9 muss das Gewährleistungsverwaltungsrecht eine Richtigkeitsgewähr durch ein zumindest in Teilen funktionell anderes, spezifisches Regelungsinstrumentarium erreichen. Durch ein geeignetes Instrumentarium wird der Staat seiner Pflicht zur Ergebnissicherung, als die sich die Gewährleistungsverantwortung darstellt, 10 gerecht. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung dieser Aufgabe muss der Staat im Rahmen einer Privatisierung durch ein Sachverständigenmodell auch die für diese Verantwortungstragung erforderlichen Regelungen schaffen 11. Diese Regelungen sind Ausdruck der Gewährleistungsverantwortung bzw. dienen ihrer Wahrnehmung, so dass das zu schaffende Recht auch als „Gewährleistungsverwaltungsrecht“ bezeichnet werden kann. Denkbar wäre auch, von einem „Privatisierungsfolgenrecht“ als Ausdruck einer „Privatisierungsfol8 Zur Gemeinwohlsicherung nach Verantwortungsteilung bzw. Privatisierung s. auch Burgi, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 155 (179). Zur Gemeinwohlsicherung durch Vertrag s. auch ders., NVwZ 2001, 601 (606). Zu den Aspekten der Qualitätssicherung und der Sicherung der Gemeinwohlbelange s. auch Franzius, VerwArch 99 (2008), 351 (371 ff.). 9 Zu dem Gedanken auch Schrader, ZRP 2008, 60 (62). 10 Siehe dazu auch Schoch, NVwZ 2008, 241 (245). 11 Zu der Notwendigkeit eines Rechtsrahmens für kooperative Gemeinwohlkonkretisierung (und auf die vorliegende Untersuchung übertragbar) s. auch Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 450 ff.; Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (195 f.). In dieser Hinsicht kann wohl auch Knauff, Gewährleistungsstaat, S. 76 ff., 84 ff. verstanden werden. Zum Zusammenhang von Gewährleistungsverantwortung und Gewährleistungsverwaltung bzw. einem Gewährleistungsverwaltungsrecht vgl. auch Schuppert, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, Die Verwaltung, Beiheft 4, 201 (218 ff.). Dabei kann hinsichtlich der zu schaffenden Regelungen auch von „kompensatorischen Maßnahmen“ gesprochen werden (so Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 334), da das Gewährleistungsverwaltungsrecht, sei es im Rahmen einer Umsteuerung oder nicht, letztlich auch mit einer unmittelbaren staatlichen Tätigkeit verbundene Vorzüge kompenisert.

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genverantwortung“ zu sprechen. 12 Allerdings erscheint es treffender, von einer „Gewährleistung“ zu sprechen, da dieses die Zielrichtung, die dieses Begleitrecht erfüllen soll, besser zum Ausdruck bringt. Allerdings wird der Begriff der Privatisierungsfolgenverantwortung im Rahmen dieser Untersuchung enger verstanden, und zwar als Unterfall der Auffangverantwortung. Das Gewährleistungsverwaltungsrecht strukturiert die private und die darauf bezogene staatliche Tätigkeit und kann daher auch als Ausdruck bzw. Wahrnehmung einer staatlichen Strukturschaffungspflicht angesehen werden. 13 Die Verpflichtung zur Schaffung eines derartigen, die Privatisierung im Rahmen eines Sachverständigenmodells begleitenden Gewährleistungsverwaltungsrechts ergibt sich aus der bereits oben erwähnten verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung, gleichzeitig aber auch aus der dahingehenden Selbstverpflichtung aufgrund der einfachrechtlichen Entscheidung zur Wahrnehmung der entsprechenden Aufgabe. 14 Der Staat, der sich aus der Erfüllungsverantwortung zurückzieht und nur noch eine Gewährleistungsverantwortung wahrnimmt, und zwar durch ein Gewährleistungsverwaltungsrecht, wird auch als Gewährleistungsstaat bezeichnet – insofern

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Diesen Begriff verwenden Burgi, NVwZ 2001, 601 ff. und Schoch, NVwZ 2008, 241 (243) sowie ders., in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 221 (234 ff.). S. auch Knauff, VerwArch 98 (2007), 382 (383); Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (241 ff.), die das Privatisierungsfolgenrecht unmittelbar als Ausdruck des Gewährleistungsstaates ansehen. Der Begriff der Privatisierungsfolgenverantwortung stammt von Bauer, VVdStRL 54 (1995), 243 (278). Ziekow, in: König / Merten (Hrsg.): Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69 (86 ff.) spricht von einer Privatisierungsfolgenaufsicht. Er nimmt dabei die Gesamtheit der erforderlichen staatlichen Handlungen, also auch die fortbestehende staatliche Rolle im Rahmen der Eröffnungskontrolle, in den Blick. 13 S. dazu Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 ff.; ders., Die Verwaltung 33 (2000), 183 (insbesondere 200 ff.); s. auch Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (296). Ausführlich zur staatlichen Gewährleistungsverantwortung und zur Regulierung als Ausdruck dieser Gewährleistungsverantwortung Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 291 ff., 300 ff. Zusätzlich wird verschiedentlich auch die Bezeichnung als „Regulierungsverwaltungsrecht“ verwendet. Allerdings erscheint die Bezeichung als „Gewährleistungsverwaltungsrecht“ vor dem Hintergrund der Verantwortungskonzeption als präziser sowie illustrativer. Knauff, VerwArch 98 (2007), 382 (384) sieht diese Begriffe allerdings nicht als alternativ an, sondern begreift das Regulierungsverwaltungsrecht als Teil des Gewährleistungsverwaltungsrechts. In diesem Sinne auch Gersdorf, JZ 2008, 831 (836), der staatliches Gewährleistungsrecht im Kern als Regulierungsrecht sieht. 14 Zu der Notwendigkeit der Schaffung eines regulierenden Rechts s. auch Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (192). Zu der Notwendigkeit der Sicherstellung der Gemeinwohldienlichkeit s. auch Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 361; Röhl, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, Die Verwaltung, Beiheft 2, S. 33 (41).

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zeigt sich an dieser Stelle der Wandel des Staates vom Erfüllungsstaat zum Gewährleistungsstaat. 15 Im Folgenden wird auch nicht die staatliche Auffangverantwortung betrachtet. Dies ergibt sich allerdings aus dem zu Grunde liegenden engen Verständnis dieser Verantwortung. Jedenfalls wird der Staat dieser Auffangverantwortung vorliegend dadurch gerecht, dass er nach wie vor eine umfassende repressive Verantwortung wahrnimmt und es ihm somit ohne weiteres möglich ist, den Betrieb einer Anlage, der oder die den materiell-rechtlichen Anforderungen nicht entspricht, zu untersagen. Darüber hinaus ist es ihm auch möglich, präventive Aufgaben wieder an sich zu ziehen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung sollen somit Aspekte des zu schaffenden Gewährleistungsverwaltungsrechts als Ausdruck einer im Rahmen der Privatisierung fortbestehenden Gewährleistungsverantwortung untersucht und dargestellt werden.

2. Elemente eines Gewährleistungsverwaltungsrechts im Ordnungsrecht Bei der Schaffung des Gewährleistungsverwaltungsrechts muss der Normgeber den Anforderungen seiner Gewährleistungsverantwortung gerecht werden, d. h. er muss diejenigen Regeln schaffen, die zur Wahrnehmung dieser Verantwortung, d. h. zur Sicherstellung der Einhaltung des materiellen Rechts, auch bei Einbeziehung Privater erforderlich sind. In diesem Zusammenhang hat er zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen, die darüber hinaus bereichsspezifisch unterschiedlich sein können. Eine umfassende, detaillierte Darstellung und Analyse kann hier nicht geleistet werden, zumal dem Normgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist. Daher soll und kann es vorliegend nur darum gehen, die wesentlichen Grundlinien aufzuzeigen. Insbesondere ist zu beachten, dass die Ausgestaltung je nach betrachtetem Aufgabenbereich variieren dürfte. 16

15 Zum Begriff des Gewährleistungsstaates s. bereits den Titel des Beihefts 4 der Zeitschrift Die Verwaltung: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates; vgl. daraus auch Schuppert, S. 201 (219); Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen im Gewährleistungsstaat, 1998; Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge, 2004; s. auch Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (284). 16 Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (203); allgemein dazu Wahl, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 177 ff. So ist es begrifflich irreführend, das Gewährleistungsverwaltungsrecht im Ordnuungsrecht in erster Linie als „Regulierungsrecht“ zu bezeichnen, wie dies für andere Bereiche eher zutreffend ist, vgl. dazu Schoch, NVwZ 2008, 241 (245).

§16 Die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts

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Angesichts der Konzentration auf die verfahrensrechtlichen Aspekte wird im weiteren Verlauf ein wesentlicher Bestandteil der allgemeinen Gewährleistungsverantwortung des Staates nicht weiter berücksichtigt, nämlich die Schaffung der materiellen Vorgaben, denen die Anlagen genügen müssen. Dies ist zwar ebenfalls Element der Gewährleistungsverantwortung, 17 gehört aber nicht zu der konkreten, vorliegend untersuchten Aufgabe der Kontrolle und Sicherstellung der Einhaltung dieser Anforderungen. Die Privatisierung der Schaffung der materiellen Vorgaben ist von einer Privatisierung im verfahrensrechtlichen Bereich zu unterscheiden. Das materielle Ziel der vorliegend betrachteten Verantwortung ergibt sich bereits unmittelbar aus der Aufgabe, nämlich der Sicherstellung der Einhaltung der materiell-rechtlichen Vorgaben. Die Verantwortungswahrnehmung in Form der Kontrolle dieser Vorgaben ist auf dieses Ziel gerichtet. 18 Ein weiteres denkbares Element einer Gewährleistungsverantwortung, nämlich die Verhaltenssteuerung wird ebenfalls nicht weiter untersucht, da diese letztlich ebenfalls über inhaltliche, materielle Anforderungen arbeitet, deren Einhaltung zu kontrollieren ist. 19 Ein Gewährleistungsverwaltungsrecht muss die Elemente einer Gewährleistungsverantwortung regeln. Dabei wird es im Rahmen finaler und strukturgebender Gesetzesvorgaben vor allem auf verfahrens- und organisationsrechtliche Arrangements setzen müssen. 20 Grundsätzlich muss es dafür sorgen, dass die Zuverlässigkeit der Aufgabenwahrnehmung gewahrt ist sowie der Schutz von Drittbetroffenen, die Umweltverträglichkeit der Aufgabenwahrnehmung und die Sozialverträglichkeit des Entgelts gewährleistet sind. 21 In der Literatur sind bereits wesentliche Vorarbeiten für die Ausgestaltung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts erbracht bzw. Konzepte vorgestellt worden. 22 Die Ausführungen 17 In dieser Hinsicht kann die Maßstabsverantwortung bei Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und schlankem Staat, S. 47 (69) verstanden werden. Gleichzeitig ist es eine Ausfüllung der inhaltlichen Ausgestaltungsdirektive (S. 66). S. zu einem derartigen materiellen Verständnis der Gewährleistung z. B. Schoch, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 221 (235 f.). 18 Zu dem Erfordernis einer Zielsetzung für die Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung s. Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (232). 19 Zur Verhaltenssteuerung über den Begriff der „guten fachlichen Praxis“ siehe Brandt / Smeddinck (Hrsg.): Gute fachliche Praxis – Zur Standardisierung von Verhalten, insbesondere Smeddinck auf S. 38 ff. 20 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 117. 21 Diese Aspekte sehen Kritiker als durch die Verfahrensprivatisierung gefährdet an, vgl. Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 121. 22 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 381 ff.; ders., Die Verwaltung 33 (2000), 183 (203 ff.); Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (195 f.); Schmidt-Preuss,

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beziehen sich jedoch häufig nicht unmittelbar auf den Bereich der vorliegenden Untersuchung. Trotz des grundsätzlichen Zusammenhangs zwischen der Aufgabe und der Ausgestaltung des diese Aufgabe betreffenden Verwaltungsrechts 23 wohnt diesen Untersuchungen ein verallgemeinerungsfähiger Kern inne. Daher bietet es sich an, wesentliche Erkenntnisse dieser Untersuchungen auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand zu übertragen. Als Elemente der Gewährleistungsverantwortung (und damit eines entsprechenden Gewährleistungsverwaltungsrechts) betrachtet Ritter die Festlegung der Tätigkeitsvoraussetzungen und Tätigkeitsbedingungen für die privaten Sachverständigen, die Organisation bzw. Wahrnehmung einer wirksamen Aufsicht über die private Sachverständigentätigkeit und die Schaffung der Voraussetzungen für eine effektive Sachverständigentätigkeit bei deren Klienten. 24 Dies präzisiert er für das Sachverständigenmodell. Dort verlangt er eine Kontrolle der Kontrolle (bzw. der Kontrolleure), eine Regelung und Sicherstellung (Gewährleistung) der Qualifikation der Ausführenden 25 (bei ihm „der am Bau Beteiligten“, dies muss vorliegend erweitert werden auf diejenigen, die eine immissionsschutzrechtlich relevante Anlage planen, entwerfen, errichten bzw. überprüfen), eine Sicherung des Schutzziels durch Vorlage von Bescheinigungen und stichprobenhafte Kontrollen sowie eine Regressvorsorge bei Verfahrensfehlläufen. 26 VVdStRL 56 (1997), 160 (194 ff.); Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (232); ders., DVBl. 1996, 542 (546 f.); Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (311 ff.); s. dazu auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 117. Diese Autoren werden vorliegend hervorgehoben, weil sie ein Gewährleistungsverwaltungs- oder auch Sachverständigenrecht zumindest in seiner Gesamtheit in den Blick genommen haben. Andere Autoren sind stärker auf Einzelaspekte fixiert gewesen. Dabei sollen nicht die Vorarbeiten zur Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts unterschlagen werden, namentlich von Bauer, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und schlankem Staat, S. 251 ff.; Becker, ZRP 2002, 303 ff.; Schuppert, Grundzüge eines zu entwickelnden Verwaltungskooperationsrechts, Gutachten 2001; ders., Verwaltungswissenschaft, S. 445 ff.; Ziekow, in: ders. / Sommermann (Hrsg.): Perspektiven der Verwaltungsforschung, S. 269 ff.; ders., Verankerung verwaltungsrechtlicher Kooperationsverhältnisse, Gutachten 2001. Allerdings können die Überlegungen zu einem Kooperationsrecht nur eingeschränkt auf den vorliegenden Regelungsbereich übertragen werden und werden daher bei den einzelnen zu besprechenden Regelungsaspekten, wenn sinnvoll, separat herangezogen. 23 S. zu diesem Zusammenhang Schuppert, VerwArch 71 (1980), 309 (337 ff.); Wahl, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 177 (180 ff.). S. auch Burgi, NVwZ 2001, 601 (601). 24 Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (232). 25 Auf die Aus- und Fortbildung als Element der Qualitätssicherung weist auch LübbeWolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts: Vollziehbarkeit – Deregulierung – Effizienz, S. 46, hin. 26 Ritter, DVBl. 1996, 542 (546 f.).

§16 Die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts

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Gusy beschäftigt sich damit, welche Elemente ein derartiges Recht im Bereich des Sicherheitsrechts enthalten muss, um die Verantwortungsteilung auszugestalten. Nach ihm ist eine gesetzliche Regelung der Einbeziehung von Privaten in die Wahrnehmung staatlicher Sicherheitsaufgaben, insbesondere eine genaue Umschreibung und Umgrenzung der jeweiligen Aufgaben und des Verfahrens der Übertragung, erforderlich. Weiterhin verlangt er eine gesetzliche Festlegung der Befugnisse der Privaten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, insbesondere die Begründung und Begrenzung ihrer Befugnisse gegenüber Dritten, Regelungen über die organisatorische und personelle Sicherstellung des öffentlichen Auftrags der Privaten, insbesondere in Form staatlicher Aufsichts-, Einwirkungsund Überwachungsrechte. Zudem müssen tatsächlich ausreichende staatliche Aufsichtskapazitäten vorhanden sein, und sie müssen gegenüber den Privaten effektiv wahrgenommen werden. 27 Nach Schmidt-Preuß muss im Fall des Verzichts auf eine administrative Präventivkontrolle der staatlichen Schutzpflicht Rechnung getragen werden, wobei er dafür ein Kompensationsgebot aufstellt. Insofern zur Kompensation Sachverständige herangezogen werden, fordert er insbesondere eine qualitative und institutionelle Gewährleistung. Da ein risikoadäquates Maß an Fachkunde und Unabhängigkeit erforderlich ist, muss danach der Staat die aufgabenspezifischen subjektiven und fachlich-qualitativen Anforderungen aufstellen und deren Einhaltung im Sinne einer Kontrolle der Kontrolle institutionell absichern. Daneben verlangt er die Beibehaltung einer repressiven Zugriffsoption sowie eine Beachtung der Drittschutzproblematik. 28 Burgi untersucht eine Strukturschaffungspflicht im Rahmen einer Vorbereitungsprivatisierung. 29 Dabei benennt er vier Komplexe, die entsprechend dieser Strukturschaffungspflicht einer Regelung bedürfen. Auf die Person und das Amt des Verwaltungshelfers bezogen, verlangt er, dass Sachkunde, Zuverlässigkeit und Neutralität des Privaten gewährleistet werden müssen. Darüber hinaus soll im Rahmen dieser Komponente die erforderliche Legitimation sichergestellt werden. Als weiteren Komplex nennt er die erforderliche Publizität, wobei er diese sowohl im Hinblick auf die Einschaltung des Privaten als solche als auch auf den Vorgang und das Ergebnis seiner Tätigkeit thematisiert. 30 Als dritten Komplex nennt er die Kontrolle und verlangt die Statuierung effizienter und flexibel zu 27

Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (195 f.). 28 Schmidt-Preuss, VVdStRL 56 (1997), 160 (194 ff.). 29 S. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 382 ff.; ders., Die Verwaltung 33 (2000), 183 (203 ff.). Auch Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (213) spricht von Verfahrensstrukturierungsgeboten. 30 Und insbesondere eine aus der Verfassung abgeleitete Pflicht zur Veröffentlichung des Ergebnisses ablehnt.

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handhabender Kontrollmöglichkeiten. Im Rahmen eines vierten Komplexes geht er auf die Verfahrensanforderungen ein, namentlich das Begründungsgebot sowie die Pflichten zur Anhörung, Akteneinsicht und Geheimhaltung. In einer späteren Untersuchung thematisiert Burgi unter Bezugnahme auf die Strukturschaffungspflicht ausdrücklich das (private) Verfahren als Gegenstand der Regulierung, und zwar im Kontext der Verantwortungsteilung und Verfahrensprivatisierung. Dort sieht er es als Aufgabe des Rechts der Regulierung an, funktionale Äquivalente bereitzustellen. Bei diesen handelt es sich um die Schaffung von Distanz (dazu zählt er insbesondere Aspekte der Befangenheit), die Sachaufklärung und die Betroffenenbeteiligung sowie die Transparenz, die Beteiligtenanhörung und die Begründung. 31 Voßkuhle 32 leitet einige Grundbausteine eines Gewährleistungsverwaltungsrechts her, die einen hohen Abstraktionsgrad haben, daher besonders instruktiv sind und bereichsübergreifend die erforderlichen Elemente beinhalten. Als diese Grundbausteine nennt er die Ergebnissicherung, die Qualifikation und Auswahl der privaten Akteure, den Schutz der Rechte Dritter, die Lenkung und Kontrolle, Mechanismen zur Gewährleistung notwendiger Evaluation und des Lernens 33 sowie eine effektive staatliche Rückholoption. Die Qualifikation der privaten Akteure kann dabei zum Gegenstand eines eigenen Qualitätssicherungsverfahrens gemacht werden, welches er im Fall der Überprüfung privater Akteure als Akkreditierungsverfahren bezeichnet. 34 Als Gegenstand der Ergebnissicherung betrachtet er insbesondere die Übertragung und Auferlegung von Leistungspflichten. Dies ist allerdings vorliegend zu modifizieren. Angesichts des Gefahrenpotentials im Rahmen des Immissionsschutzrechts sind Instrumente der Ergebnissicherung erforderlich, die die Ergebnissicherung unmittelbar erzwingen. Dabei kommen insbesondere hoheitliche Sanktionen in Betracht. Unterstützend können Haftungsregelungen genutzt werden. Letztlich kann jedenfalls eine Übereinstimmung dahingehend festgestellt werden, dass die Privatisierung die begleitende Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts erfordert. 35 31 Burgi, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 155 (179 ff., 184 ff.). 32 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (311 ff.); s. dazu auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 3. Kapitel Rn. 117, der allerdings den Grundbaustein der Lenkung und Kontrolle unterschlägt. Diesen beiden folgt auch Schoch, NVwZ 2008, 241 (245). 33 Zu dieser Aufgabe siehe auch Hoffmann-Riem, DÖV 1999, 221 (223). 34 Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (318 ff.), wobei er auch ausführlich auf die Anforderungen im Rahmen eines Akkreditierungsverfahrens eingeht. 35 Womit sich zeigt, dass die Deregulierung eines Bereiches in der Gesamtbetrachtung nicht unbedingt zu einer Verringerung des Normenbestands führt; erforderlich ist vielmehr eine Regulierung der Deregulierung.

§16 Die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts

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Im Hinblick auf das Gewährleistungsverwaltungsrecht im Ordnungsrecht sollen die oben vorgestellten Elemente und Grundbausteine zu drei „Regelungsbereichen“ zusammengefasst werden, die als Grundsäulen eines Gewährleistungsverwaltungsrechts angesehen werden können. 36 Die oben dargestellten Komplexe, Elemente und Grundbausteine können diesen drei Grundsäulen zugeordnet und durch weitere Instrumente ergänzt werden. 37 Diese drei Grundsäulen orientieren sich dabei an den maßgeblichen Akteuren des Gewährleistungsverwaltungsrechts, den Sachverständigen und der Verwaltung sowie den potentiell von der Anlage Betroffenen. Als erste Grundsäule bzw. erster Regelungsbereich ist die Regulierung der Sachverständigentätigkeit zu nennen. Dies wird häufig gleichgesetzt mit einer Kontrolle der Kontrolle (bzw. der Kontrolleure), beschränkt sich aber nicht auf diese. Vielmehr umfasst diese Grundsäule verschiedene maßgebliche Teilaspekte. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Normierung der Anforderungen an die Sachverständigen, eine präventive, eventuell eine begleitende und eine repressive Kontrolle der Sachverständigen, eine Ergebnissicherung in Form von Sanktionen und Haftungsregelungen sowie eine Regressvorsorge für den Fall von Verfahrensfehlläufen. 38 Der Drittschutz bzw. die Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen ist als weitere Grundsäule bzw. zweiter Regelungsbereich des Gewährleistungsverwaltungsrechts anzusehen. Die Privatisierungsmaßnahmen fixieren sich häufig auf das zweiseitige Verhältnis Antragsteller-Behörde. 39 Dabei gerät aus dem Blick, dass die Genehmigung auch dem Schutz der Interessen Drittbetroffe36 Nicht als Element des Gewährleistungsverwaltungsrechts wird dabei die fortbestehende Verantwortung für die Normierung materieller Anforderungen angesehen. Dies ist zwar der Maßstab für die Handlungen Privater, allerdings ist dies nicht notwendigerweise eine Besonderheit der Privatisierung, da eine vergleichbare Normierung auch dann erforderlich ist, wenn der Staat selbst eine Erfüllungsverantwortung wahrnimmt. 37 S. dazu auch Bauer, FS Knöpfle, S. 11 (insbes. 23 ff.), wobei diese Ausführungen zwar auf den Bereich des Verwaltungsvertrags bezogen, aber dennoch gut für eine Verallgemeinerung geeignet sind. 38 Diese Anforderungen stellt auch Ritter, DVBl. 1996, 542 (547); ebenfalls in: Hoppe / Bauer / Faber / Schink (Hrsg.): Rechts- und Anwendungsprobleme der neuen Bauordnung NW, S. 6 (20). Eine detailliertere Untersuchung einer Sachverständigenregulierung, allerdings ohne Bezug auf einen konkreten Rechtsbereich, findet sich bei Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, u. a. S. 363 ff. 39 Im Hinblick auf das Gewährleistungsverwaltungsrecht ist insbesondere Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (318) hervorzuheben, der den Schutz der Rechte Dritter als Grundbaustein des Gewährleistungsverwaltungsrechts identifiziert. Eine Diskussion um die Berücksichtigung Dritter findet sich im Übrigen insbesondere im Rahmen der Diskussion um die Reform des Rechts des Verwaltungsvertrags, s. dazu Beirat Verwaltungsverfahrensrecht, Fortentwicklung der Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 54 – 62 VwVfG), NVwZ 2002, 834 (835); allgemein zu den Reformbestrebungen des Verwaltungsvertragsrechts Bonk, DVBl. 2004, 141 ff. Zu der Situation des Dritten im Ver-

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

ner dient. So wird gerade der Beschleunigungsdiskussion (zumindest teilweise) vorgeworfen, sich nur auf das Genehmigungsverfahren aus der Sicht des Genehmigungsadressaten konzentriert zu haben. 40 Daher ist zu berücksichtigen, dass den Interessen der Betroffenen neben der Normierung der materiellen Vorgaben insbesondere dadurch Rechnung zu tragen ist, dass ihnen die Wahrnehmung ihrer Rechte und Interessen auf präventiver Ebene ermöglicht wird und ihnen darüber hinaus auch ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Dieser Fokus auf die präventive Ebene ist von besonderer Relevanz, da zweifelhaft ist, ob eine Beschränkung des Drittschutzes auf die repressive Ebene funktionell äquivalent ist. Es gilt also zu untersuchen, in welchem Umfang der Staat verpflichtet ist, den Betroffenen Rechtsschutz zu ermöglichen und wie diesen Anforderungen im Rahmen eines Sachverständigenmodells Rechnung getragen werden kann. Der abschließende, nichtsdestotrotz bedeutsame Bereich ist die fortbestehende materielle Verantwortung der Behörde. An dieser Stelle ist insbesondere zu regeln, wie die verbleibenden präventiven Kompetenzen der Behörden auszugestalten sind und welche Befugnisse der Behörde repressiv zur Verfügung stehen müssen, um ihrem Gemeinwohlsicherungsauftrag nachzukommen. Ebenfalls in diesem Zusammenhang ist auch das „Ob“ und die Ausgestaltung einer Rückholoption zu untersuchen. Daneben können auch die sich stellenden Kostenfragen thematisiert werden. Darüber hinaus fällt auch der Grundbaustein der Evaluation und des Lernens 41 in diesen Regelungsbereich, da es Gegenstand der fortbestehenden Verantwortung der Verwaltung ist, das Regelungsinstrumentarium zu überprüfen und, wenn nötig, zu verbessern. Nicht weiter untersucht, da nicht zum engeren Bereich des Gewährleistungsverwaltungsrechts zählend, wird die gesetzliche Fixierung der für die sachverständige Tätigkeit in Betracht kommenden Aufgabenfelder. Dies ist grundlegende Voraussetzung für einen effektiven Einsatz der Sachverständigen. Im Übrigen werden die einzelnen Elemente der vorgestellten Modelle bei der Einzeldarstellung der erforderlichen Elemente des Gewährleistungsverwaltungsrechts herangezogen und näher besprochen.

waltungsvertrag s. Mehde, BauR 2002, 876 (880); Staudenmeyer, Der Verwaltungsvertrag mit Drittwirkung, 1997. Jedenfalls kann den Interessen Dritter im Rahmen des Verwaltungsvertrags relativ einfach durch eine schwebende Unwirksamkeit Rechnung getragen werden (vgl. § 58 Abs. 1 VwVfG), so dass insofern die Problematik weniger brisant ist als im Rahmen der Anlagenzulassung. Die Gefahren liegen auf einer anderen Ebene; vorliegend fehlt der Raum, um ihnen nachzugehen. Zu den Gefahren einer restriktiven Auslegung im Rahmen des § 58 VwVfG s. die weiterführenden Nachweise bei Voßkuhle, a. a. O., Fußnote 221. 40 Sparwasser, AnwBl. 2000, 658 (659). 41 S. dazu Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (325 f.).

§16 Die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts

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3. Zusammenfassung und weitere Untersuchung Die obigen Ausführungen bieten die Grundlage, die Einführung eines Sachverständigenmodells mit der bereits am Anfang der Untersuchung entwickelten Terminologie der Verantwortungsteilung zu verbinden und somit systematisch zu erfassen. An die Stelle der vorherigen staatlichen Erfüllungsverantwortung treten die Durchführungsverantwortung, die die Kontrolle durch die Sachverständigen beschreibt, und die Gewährleistungsverantwortung, die unterschiedliche Elemente der auf die private Tätigkeit bezogenen staatlichen Tätigkeit erfasst. Nicht mehr ausführlich dargestellt wird, dass die fortbestehende repressive Überwachungsund Eingriffskompetenz der Behörde als Ausdruck einer Auffangverantwortung verstanden werden kann. Der weitgehende Verzicht auf eine Darstellung erklärt sich zum einen aus dem Fokus der Arbeit auf die präventive Seite, zum anderen aber auch daraus, dass dort im Wesentlichen keine Veränderungen vorgeschlagen werden. Dieser Verzicht erfasst nicht einen Vorschlag zur Umsteuerung, der hier nur als die Ersetzung des „Opportunitätsprinzips“ durch das „Legalitätsprinzip“ bezeichnet werden soll. Auch die Rückholoption, die letztlich eine Reservefunktion des Staates zum Ausdruck bringt und als Ausdruck einer Auffang- bzw. Einstandsverantwortung angesehen werden kann, 42 wird vor dem Hintergrund des Fokus der Arbeit auf die präventive Seite sowie der verhältnismäßig einfachen Umsetzung durch Wiedereinführung eines präventiven Verbots, das nur durch staatliche Erlaubnis überwunden werden kann, nicht weiter untersucht. Jedenfalls zeigt sich im Rahmen der Analyse, dass die oben entwickelte Terminologie geeignet ist, auch im Rahmen des Ordnungsrechts Phänomene der Privatisierung zu erfassen. Die Begriffe der Gewährleistungsverantwortung und des Gewährleistungsverwaltungsrecht können dazu dienen, auch in diesen Bereichen die Strukturen einer Privatisierung und eines Zusammenwirkens von öffentlichen und privaten Akteuren systematisch zu erfassen und zu beschreiben. Der Sache nach geht es dabei um das Verfahrensrecht, das zu beachten ist, wenn Private in die Aufgabenerfüllung eingebunden werden, so dass unter Aufgreifen der Terminologie vom Verwaltungsprivatrecht auch von einem Privatverwaltungsrecht oder einem Privatverfahrensrecht gesprochen werden kann, das die Einbeziehung Privater in eine Verantwortungsteilung regelt.

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Siehe dazu auch Schoch, NVwZ 2008, 241 (247).

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

§ 17 Die Regulierung der Sachverständigentätigkeit – Die Kontrolle der Kontrolleure Gegenstand des Sachverständigenmodells ist letztlich die Übertragung von Kontrollkompetenzen auf Private. Unabdingbare Voraussetzung dieser Verfahrensprivatisierung ist die Kontrolle der Kontrolleure. Dies dient der Gewährleistung der sachgemäßen Aufgabenerfüllung bzw. Verantwortungsübernahme durch die einbezogenen Privaten. 43 Gerade diese Qualitätssicherung ist auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben entscheidend für die Zulässigkeit der Einführung eines Sachverständigenmodells, denn sie stellt einen elementaren Teil des erforderlichen Schutzkonzeptes dar. Die Notwendigkeit zu einer derartigen Kontrolle der Kontrolle (bzw. der Kontrolleure) ergibt sich letztlich daraus, dass mit dem Sachverständigenmodell eine eigenverantwortliche Beteiligung Privater einher geht. Die Sachverständigen sind nicht in die hierarchische Verwaltung eingebunden und können damit auch nicht deren Richtigkeitsgewähr bieten. Insofern und solange man von einer fortbestehenden Pflicht des Staates ausgeht, für eine Richtigkeitsgewähr zu sorgen, ändert sich hier der staatliche Steuerungsmodus. Während bisher diese Richtigkeitsgewähr unmittelbar bei der Prüfung des gefährlichen oder potentiell gefährlichen Objekts geboten wurde, kann sie angesichts der Übertragung der Kontrolltätigkeit auf Private nur noch mittelbar geleistet werden; insofern bezieht sich die staatliche Richtigkeitsgewähr auf die nunmehr handelnden Personen. Die staatliche Kontrolle verschiebt sich daher von einer Objektkontrolle zu einer Personenkontrolle, und als Teil dieses Wandels verändert sich der Gegenstand einer staatlichen Zulassung von einer Objektzulassung zu einer Personenzulassung. 44 Auch der Steuerungsmechanismus ändert sich. An die Stelle einer direkten Steuerung tritt eine indirekte Steuerung, die letztlich darauf beruht, durch unterschiedliche Mechanismen sicher zu stellen, dass aufgrund der Tätigkeit der unmittelbar Handelnden das Ziel in materieller Hinsicht erreicht wird. Vor diesem Hintergrund ist ein Sachverständigenrecht zu entwickeln, das diesen verschiedenartigen Anforderungen gerecht werden kann und insbesondere sicherstellt, dass die einbezogenen privaten Sachverständigen eine Gewähr für 43

S. Schmidt-Preuß, VVdStRL 56 (1997), 160 (196); Lübbe-Wolff, ZUR 1993, 263 (267, 268); die Kontrolle der Kontrolle als Bestandteil der staatlichen Gewährleistungsverantwortung bezeichnet Ritter, DVBl. 1996, 542 (546); in dieser Hinsicht auch Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (205), der die Kontrolle der privaten (Vorbereitungs-)Tätigkeit als Teil einer staatlichen Strukturschaffungspflicht für die private Tätigkeit ansieht. Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 324, sieht die Kontrolle der Kontrolleure als „regulatives Leitprinzip“ an. 44 Bezogen auf den Anwendungsbereich des Sachverständigenmodells.

§17 Die Regulierung der Sachverständigentätigkeit

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eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung bieten. 45 Dabei handelt es sich um ein Kernelement des Gewährleistungsverwaltungsrechts für eine Verfahrensprivatisierung durch ein Sachverständigenmodell. Die Notwendigkeit zur Schaffung eines neuen Rechts ergibt sich letztlich auch daraus, dass die einfach-rechtlichen Vorschriften über das Verfahren und die Organisation auf die private Tätigkeit nicht anwendbar sind, da das Verwaltungsverfahrensgesetz gem. § 1 Abs. 1 wie auch die sonstigen einfach-rechtlichen Kontrollinstrumente (Staats- und Kommunalaufsicht) ausschließlich für die Verwaltungstätigkeit von „Behörden“ gelten. 46 Die im Wesentlichen zu sichernden Gesichtspunkte sind die der Qualität und der Objektivität der Aufgabenwahrnehmung. 47 Die durch die Privaten wahrzunehmende Aufgabe ist hier die Kontrolle der immissionsschutzrechtlich relevanten Vorhaben. Im Rahmen des Sachverständigenrechts gilt es somit, die Anforderungen an die Sachverständigen und ihre Tätigkeit zu normieren. 48 Dabei kann ein angemessenes Maß an Kontrolle nicht durch eine einzige Maßnahme sichergestellt werden. Insgesamt geht es darum, durch Qualifikation, Auswahl und Kontrolle der privaten Akteure ein insgesamt angemessenes Kontrollniveau zu erreichen und aufrecht zu erhalten, wobei die entsprechenden Ausformungen und Kombinationen einer sektorspezifischen Anpassung bedürfen. 49 Die zwei zentralen Bereiche sind dabei die Anforderungen an die Sachverständigen sowie die Kontrolle der Art und Weise der Aufgabenerfüllung.

45 S. zu dieser Frage auch Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 430 f.; Peine, DÖV 1997, 353 (357 f.); Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (235 ff.). 46 Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (192), allerdings nur für die private Vorbereitungstätigkeit bei einer noch erfolgenden staatlichen Abschlussentscheidung. 47 Lübbe-Wolff, ZUR 1994, 263 (267). 48 S. zu derartigen Anforderungen Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (318 f.); ders., VVdStRL 62 (2003), 266 (312 ff.); Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HbStR II, 2. Auflage, § 36 Rn. 42 ff.; Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (204); Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 117 ff.; Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (198 ff.); Hoppe, DVBl. 1994, 255 (261); Kunig / Rublack, Jura 1990, 1 (8 f.); Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hofmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (233 f.); Röhl, Die Verwaltung 29 (1996), 487 ff.; Schmit-Preuß, VVdStRL 56 (1997), 160 (198 f.); Schneider, VerwArch 87 (1996), 38 ff.; Trute, DVBl. 1996, 950 (956); ders., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 198 (208 ff.). 49 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (325).

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

1. Anforderungen an die Sachverständigen Im Rahmen eines Sachverständigenmodells werden Sachverständige und damit Private in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben einbezogen. Angesichts des oben beschriebenen Wandels der staatlichen Rolle hin zu einer indirekten Aufgabenwahrnehmung erscheinen Vorkehrungen, die an der Person des Handelnden anknüpfen, 50 als der geeignete Hebel zur Sicherung der materiellen Ziele, hier also der Einhaltung des materiellen Rechts. Vor diesem Hintergrund müssen die Sachverständigen unterschiedlichen Anforderungen genügen. Allgemein werden diese Anforderungen bezeichnet als Fachkunde, Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit. Im Hinblick auf eine Normierung sind allerdings eingehendere Untersuchungen erforderlich, die hier jedoch nur in Ansätzen geleistet werden können. Dabei können die allgemeinen (nichtfachlichen) (dazu a), die aufgabenspezifischen nicht-fachlichen (dazu b) und die fachlichen Anforderungen (dazu c) unterschieden werden. a) Allgemeine (nicht-fachliche) Anforderungen Als allgemeine Anforderungen sind diejenigen anzusehen, die keinen Bezug zu der fachlichen Qualifikation aufweisen, sondern die Sachverständige bereichsübergreifend erfüllen müssen. Es sind die Voraussetzungen, die ein Sachverständiger persönlich erfüllen muss, um eine Vermutung für eine sachgerechte und ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung zu erzeugen. Dies wird auch zusammengefasst als persönliche Eignung des Sachverständigen. 51 Dabei kann auf die bereits oben entwickelten Grundanforderungen an Sachverständige zurückgegriffen werden. Danach ist eine persönliche, unabhängige, weisungsfreie und unter Anwendung ausschließlich objektiver Maßstäbe gewissenhafte Erbringung der Leistung erforderlich. 52 Darüber hinaus muss der Sach50 S. dazu auch den ersten Komplex der Strukturschaffungspflicht bei Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltunghilfe, S. 382; ders., Die Verwaltung 33 (2000), 183 (204). Zu derartigen Anforderungen s. auch Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (318 f.), dort auch mit Nachweisen zu bereits existierenden gesetzlichen Regelungen, die diese Anforderungen enthalten. Auf die Aus- und Fortbildung als Element der Qualitätssicherung weist auch Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts: Vollziehbarkeit – Deregulierung – Effizienz, S. 46, hin. 51 Tettinger, in: ders. / Wank, GewO, § 36 Rn. 35 ff.; Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 71 ff.; Schulze-Werner, in: Friauf (Hrsg.): Kommentar zur Gewerbeordnung – GewO, § 36 Rn. 27 ff. 52 S. dazu Klocke, Der Sachverständige und seine Auftraggeber, S. 54; s. zur weisungsfreien, unabhängigen und persönlichen Aufgabenerledigung auch Bleutge, GewArch 1994, 447 (449); zur Objektivität s. auch Roßnagel, DVBl. 1995, 644 (646 f.).

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verständige auch leistungsfähig und zuverlässig sein. 53 Dies gilt gleichermaßen für sein Personal. 54 Er muss über die erforderlichen Voraussetzungen verfügen, die sich im Rahmen seiner Tätigkeit stellenden Aufgaben auch angemessen erfüllen zu können, und er muss eine Gewähr dafür bieten, die ihm gestellten Aufgaben auch ordnungsgemäß auszuführen. Somit bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass als allgemeine, nicht fachliche Anforderungen die Unabhängigkeit, die Unparteilichkeit, die Weisungsfreiheit, die Gewissenhaftigkeit und die Höchstpersönlichkeit, 55 die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit, die geordneten Vermögensverhältnisse, die Belastbarkeit, eventuell aber auch ein Mindestalter im Rahmen eines Gewährleistungsverwaltungsrechts zu berücksichtigen sind. Diese Aspekte mögen zwar zum Teil nur schwer zu kontrollieren sein, sind aber von erheblicher Bedeutung für die Zulässigkeit und Akzeptanz des Sachverständigenmodells. Ergänzend könnte in Erwägung gezogen werden, auch für Sachverständige ein Qualitätsmanagementsystem zu fordern. 56 b) Aufgabenspezifische, aber nicht fachliche Anforderungen Die aufgabenspezifischen, aber nicht-fachlichen Anforderungen stellen letztlich eine Spezifizierung der allgemeinen Anforderungen im Hinblick auf die konkrete Aufgabe dar. Es muss auch im Einzelfall, d. h. im Rahmen der einzelnen Beauftragungen, sichergestellt sein, dass der Sachverständige seine Aufgaben angemessen erfüllen kann und wird und damit die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung im Einzelfall gewährleistet ist. Ein besonderes Augenmerk ist gerade bei der einzelnen Beauftragung auf die Neutralität bzw. Unparteilichkeit zu legen, 57 wobei dies wiederum sowohl für die 53

S. dazu auch allgemein Tettinger, in: ders. / Wank, GewO, § 36 Rn. 35 ff., wobei er neben der Zuverlässigkeit auch die Vertrauenswürdigkeit als Gegenstand der persönlichen Eignung ansieht. 54 Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (318). 55 So auch Seidel, Privater Sachverstand, S. 169. Zu Bedeutung von Neutralität und Unparteilichkeit s. auch Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 175 (190). 56 Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (319). S. auch Windmann, DÖV 2007, 948 (952). 57 S. dazu Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgaben, S. 351 ff.; Trute, DVBl. 1996, 950 (956); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 382; ders., Die Verwaltung 33 (2000), 183 (204); Jessnitzer / Ulrich / Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 197, 202 ff., 353 f. S. auch Hoppe / Bleicher, NVwZ 1996, 421 (423).

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

Sachverständigen als auch ihr Personal gilt. Insbesondere vor dem Hintergrund der Bedeutung der Sachverständigentätigkeit auch für Drittbetroffene sind die Anforderungen, die im Hinblick auf die Unabhängigkeit an die Verwaltung zu stellen sind, auf die Sachverständigen zu übertragen. 58 Dabei stellt sich die Frage, ob die Regelungen der §§ 20, 21 VwVfG auf die Sachverständigen im Sachverständigenmodell übertragen werden können. Eine unmittelbare oder analoge Anwendung dieser Normen scheidet aus. Es wird zwar vertreten, dass die Behörde daran gehindert ist, einen Sachverständigen zu beauftragen, der entweder nach § 20 VwVfG persönlich befangen ist oder bei dem im Sinne des § 21 VwVfG eine Besorgnis der Befangenheit besteht. 59 Vorliegend geht es allerdings nicht um eine Beauftragung von Sachverständigen durch die Behörde, so dass dieser Ansatz insoweit leerläuft. Die Normen sind somit vorliegend nicht auf die Sachverständigen im Sachverständigenmodell anwendbar, da diese ihre Aufgaben verwaltungssubstituierend wahrnehmen und damit der Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit fehlt. Allerdings liefern diese Normen Erkenntnisse über den Regelungsbedarf. Grundsätzlich ist daher sicherzustellen, dass auch von den Privaten Inkompatibilitäts-, Neutralitäts- und Geheimnisschutzregeln beachtet werden müssen. 60 Darüber hinaus muss im Hinblick auf die Unabhängigkeit auch auf finanzielle und persönliche Aspekte geachtet werden. Die Befangenheit und damit auch die mangelnde Unabhängigkeit können sich dabei aus den unterschiedlichsten Fällen einer mangelnden Distanz ergeben. Es bietet sich an, die Beauftragung als Schnittstelle zur Gewährleistung der Unabhängigkeit auszubauen, z. B. indem die Beauftragung wechselnder Sachverständiger oder die Höchstdauer einer ununterbrochenen Tätigkeit eines Sachverständigen für einen Auftraggeber vorgeschrieben wird. Weiterhin ist darauf zu achten, dass der Sachverständige gerade im Hinblick auf den konkreten Auftrag leistungsfähig ist. Das Leistungsvermögen ist ein wesentlicher Aspekt der aufgabenspezifischen Qualifikation des Sachverständigen und ist in engem Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit des Sachverständigen zu sehen. Gerade bei größeren Aufträgen ist denkbar, dass er nicht über 58

Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 358. Wobei allerdings unterschiedliche Begründungen herangezogen werden, vgl. Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn. 9, § 26 Rn. 27 ff.; Engelhardt, in: Obermayer, VwVfG, § 26 Rn. 100 ff.; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 11, § 26 Rn. 31; Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 84; VG Karlsruhe, Urteil v. 21. 12. 1994 – 10 K 2641/94, NVwZ 1996, 616 (620); OVG Lüneburg, Urteil v. 2. 12. 1994 – 7 K 5895/92, NVwZ 1996, 606 (609); VGH Kassel, Beschluss v. 10. 9. 1991 – 14 R 2081/91, NVwZ 1992, 391 (391); unabhängig von den Vorschriften des VwVfG verlangen dies Hoppe / Bleicher, NVwZ 1996, 421 (423). Zur Befangenheit s. auch Jessnitzer / Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 197 ff., 202 ff. 60 Schmidt, VerwArch 91 (2000), 149 (154). 59

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die notwendigen Ressourcen verfügt. 61 Dies kann sich in erster Linie auf die Aufgabenerfüllung, allerdings darüber hinaus auch auf die Unabhängigkeit des Sachverständigen auswirken. In diesem Zusammenhang kann auch das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit und das Verbot der Aufgabendelegation genannt werden. Dementsprechend ist insbesondere zu regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Vergabe von Unteraufträgen in Betracht kommt. 62 c) Die fachlichen Anforderungen Für die fachlichen Anforderungen kann als Oberbegriff die Sachkunde verwendet werden, die allerdings naturgemäß bereichsspezifisch divergiert. Die ausreichende Qualifikation der einbezogenen Sachverständigen ist die elementare Kernvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung im Rahmen einer Verfahrensprivatisierung durch ein Sachverständigenmodell. Diese Voraussetzung ist in erster Linie dadurch zu erfüllen, dass der Sachverständige eine besondere Fachkunde 63 auf dem Gebiet, auf dem er tätig werden soll, nachweisen muss. 64 In der Regel sind Qualifikationsnachweise zu erbringen. 65 Allerdings sind zahlreiche Regelungen dadurch geprägt, dass diese Sachkunde lediglich einmalig, in der Regel im Rahmen einer Form der präventiven Zulassung, nachgewiesen werden muss. Jedoch ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass im Rahmen eines derartigen Nachweises der Sachkunde die Vorgaben etwas pauschal sein könnten, zumal sie eine Vielzahl hypothetischer Fälle betreffen. Als Abhilfe ist daran zu denken, aufgabenspezifische Regelungen darüber vorzusehen, welche konkreten Prüfungen Sachverständige abgelegt haben müssen, um die betreffende Aufgabe auch im Einzelfall übernehmen zu dürfen. Darüber hinaus können Fortbildungen verbindlich vorgeschrieben werden wie auch der Einsatz weiteren Personals. 66 61 Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (319) fasst dies zusammen unter dem Aspekt der ausreichenden personellen und sachlichen Ausstattung. 62 S. dazu Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (319). 63 S. dazu Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 277 ff.; Hoppe, DVBl. 1994, 255 (261) [keine Zweifel an der fachlichen Leistungsfähigkeit]; Peine, DÖV 1997, 353 (361). 64 Zu der Voraussetzung der besonderen Fachkunde s. Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 Rn. 60 ff.; Tettinger, in: ders. / Wank, GewO, § 36 Rn. 23 ff.; Schulze-Werner, in: Friauf (Hrsg.): Kommentar zur Gewerbeordnung, § 36 Rn. 17 ff. 65 Vgl. Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (313) mit Nachweisen zu Regelungen. 66 S. dazu Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (313) mit Nachweisen.

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

d) Die ausreichende Haftungsvorsorge Als weitere Voraussetzung ist eine ausreichende Haftungsvorsorge vorzusehen, für die die Sachverständigen selbst Sorge tragen müssen. Dabei kommt insbesondere ein obligatorischer Abschluss einer Haftpflichtversicherung 67 in Betracht. 68 An dieser Stelle kann aber gegenläufig argumentiert werden. Einerseits ist nicht auszuschließen, dass die Absicherung über eine Haftpflichtversicherung dem Sachverständigen das Risiko bei einer nicht ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung abnimmt und daher einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung entgegenwirkt. Andererseits, und dies dürfte wohl letztlich das vorherige Argument entkräften, wird ein nicht ordnungsgemäß arbeitender Sachverständiger eine höhere Anzahl von Haftpflichtfällen verursachen und als Folge mit einer höheren Prämie durch die Versicherung belegt. Darüber hinaus riskiert er eventuell auch eine Kündigung seiner Versicherung und damit seinen Versicherungsschutz. Dementsprechend besteht hier aufgrund einer drohenden Erhöhung des Versicherungsbeitrags sowie des drohenden Deckungsverlustes ein indirekter Mechanismus, der auf eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung hinwirkt. 69 Dabei ist im Hinblick auf die Wirksamkeit dieses Instrumentes zu unterscheiden. Es dient grundsätzlich der Sicherung von Haftungsansprüchen derjeniger, die von Verfahrensfehlläufen betroffen sind, und kann daher als Ersatz für die Amtshaftung begriffen werden. In dieser Hinsicht ist das Instrument ohne Zweifel wirksam. Insofern es darüber hinaus genutzt werden soll, um eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Versicherten sicherzustellen, setzt die Wirksamkeit dieses Instruments voraus, dass auch tatsächlich eine Haftung besteht. Gerade im Umweltrecht mögen zwar auf der einen Seite große Schäden im Raum stehen, auf der anderen Seite ist aber auch denkbar, dass zahlreiche Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung nicht zu Schäden führen, für die eine Haftung entsteht. Dabei sei nur daran erinnert, dass der gesamte Vorsorgebereich schwierig über eine Haftung zu erfassen ist. Darüber hinaus kommen gerade auch im Immissionsschutzrecht zahlreiche Nachweisprobleme in Betracht. Da67 S. auch Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (319). 68 Als Beispiel zur Haftung im öffentlich-rechtlichen Kontext, und zwar derjenigen von Architekten für die Genehmigungsfähigkeit ihrer Planung, siehe Spiegels, NZBau 2007, 270 ff. Die dort besprochenen Konstellationen unterscheiden sich zwar von der Konstellation im Rahmen des Sachverständigenmodells, jedoch sind sicherlich Grundsätze der Haftung übertragbar. Allgemein zur Haftungsvorsorge als Element zur Sicherstellung staatlicher Schutzpflichten auch Windmann, DÖV 2007, 948 (950). 69 Mit Bezug gerade auf die Erhöhung der Beiträge Bohne, DVBl. 1994, 195 (200 ff.); Döring, Haftung und Haftpflichtversicherung als Instrument einer präventiven Umweltpolitik, 1999.

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her ist in diesem Bereich als zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung zu beachten, dass sichergestellt ist, dass eine Schlechterfüllung zu einer Haftung und damit zu einem Haftungsfall führt, der den oben beschriebenen Mechanismus auslösen kann. Insbesondere wäre an dieser Stelle zu untersuchen, ob die Rechtswirkungen des § 14 BImSchG auch auf die Tätigkeit der Sachverständigen erstreckt werden sollten oder gerade die Möglichkeit einer Betriebseinstellung die Sachverständigen zu einer ordnungsgemäßen Tätigkeit anhält, da sie eventuell für diese Betriebseinstellung haften müssten. 70 An seine Grenzen stößt das Instrument des Haftungsrechts allerdings dann, wenn ein Schaden letztlich nicht ersetzbar ist, wobei an eine nicht wiedergutzumachende Umweltzerstörung gedacht werden kann. 71 Allerdings spricht dies nicht gegen das Regulierungsinstrument des Haftungsrechts, denn dieses adressiert in erster Linie vermutete Qualitätsunterschiede zwischen privater und staatlicher Kontrolle. Und gerade im Fall nicht wiedergutzumachender Umweltschäden bestehen Haftungsansprüche, die die erforderliche Anreizwirkung entfalten und damit letztlich darauf hinwirken, dass die private Kontrolle qualitativ nicht hinter der staatlichen zurücksteht und dementsprechend Umweltschäden mit zumindest gleicher Wirksamkeit verhindert.

2. Rechtliche Konzepte zur Kontrolle der Sachverständigen Die privaten Sachverständigen und ihre Tätigkeit bedürfen der Kontrolle. Dem entspricht im innerstaatlichen Bereich die Aufsicht. Allerdings bietet auch diese kein einheitliches Bild, an dem sich zur Entwicklung eines Aufsichts- bzw. Kontrollrechts für die Sachverständigen orientiert werden könnte. Zu denken ist dabei in erster Linie an die Unterscheidung zwischen Rechts- und Fachaufsicht. 72 Allerdings gibt es darüber hinaus weitere Formen und Untergliederungen der Aufsicht, wobei z. B. an die Steuerungsaufsicht, insbesondere im Hinblick auf öffentliche Einrichtungen und Unternehmen, zu denken ist. 73 70 Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass eine solche Regelung der Investitionssicherheit abträglich wäre. Es müsste dementsprechend evaluiert werden, welche Konsequenzen eine derartige Regelung haben würde, da eine Modifikation des geltenden Rechts nicht zu einem Verhinderungsrecht werden sollte, zumal ein solches auch kaum durchsetzbar wäre. 71 Vgl. Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 413. 72 Skeptisch in Hinblick auf die Konturen der Fachaufsicht als „Archetypus staatlicher Vollaufsicht“ bereits Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (325 Fn. 261), s. auch Groß, DVBl. 2002, 793 ff. 73 S. dazu Pitschas, DÖV 1998, 907 (910). S. zu der Problematik auch Pabst / Schwartmann, DÖV 1998, 315 ff.

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

Bei der Kontrolle der Kontrolle handelt es sich um ein zentrales Element des Gewährleistungsverwaltungsrechts. 74 Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass das Sachverständigenmodell als solches nur gerechtfertigt werden kann, wenn die Sachverständigen im Grundsatz die ihnen übertragenen Aufgaben auch ordnungsgemäß ausführen und somit die materiell-rechtlichen Vorgaben verwirklicht werden. Da diese materiell-rechtlichen Vorgaben das Gemeinwohl konkretisieren, ist dies ein Kernelement der Sicherstellung einer Gemeinwohlorientierung der privaten Tätigkeit. Dafür müssen die Sachverständigen den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht werden. Deren Sicherstellung wird als Element der Kompensation im Falle eines Verzichts auf die präventive Kontrolle gesehen. 75 Dementsprechend müssen effiziente und flexible Kontrollmöglichkeiten vorgesehen werden. 76 Eine Kontrolle der Kontrolle kann durch unterschiedliche Instrumente verwirklicht werden. Denkbar ist eine staatliche Perspektive, wobei die Kontrollinstrumente von einer Präventivsteuerung über die Möglichkeit zur Erteilung nachträglicher Weisungen bis hin zu einer Rückholoption reichen. 77 Daneben kommen aber auch andere, nicht auf unmittelbarer staatlicher Einflussnahme beruhende Kontrollmechanismen wie die Eigenüberwachung, die Selbstregulierung und eine private Fremdüberwachung in Betracht. Letztlich ist ein angemessener Instrumentenmix erforderlich, der eine Qualitätssicherung und damit die Einhaltung der einschlägigen Vorgaben über eine Kontrolle der Kontrolle erreicht. Gerade die organisations- und verfahrensrechtliche Absicherung dieses Aspektes wird als die Achillesferse des Gewährleistungsverwaltungsrechts angesehen und die Schaffung einer Gewährleistungsaufsicht gefordert. 78 Ein Recht der Qualitätssicherung umfasst sinnvollerweise Elemente der präventiven, der begleitenden und der repressiven Kontrolle. Gerade die präventive Kontrolle soll sicherstellen, dass nur diejenigen Sachverständigen eine Aufgabe erfüllen, die auch eine Gewähr für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung bieten, und dient damit der Qualitätssicherung. Die möglichen Bausteine sollen nachfolgend im Kontext dargestellt werden.

74 S. auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 383 f.; ders., Die Verwaltung 33 (2000), 183 (205); Schmidt-Preuss, VVdStRL 56 (1997), 169 (199 ff.). S. dazu auch Osterloh, VVdStRL 54 (1995), 204 (236 f.); Trute, DVBl. 1996, 950 (961). 75 Schmidt-Preuss, VVdStRL 56 (1997), 160 (196). 76 Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (205). 77 Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (206). 78 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (320 f.). Dabei ist eine Übertragung und Anpassung des Begriffsverständnisses auf den vorliegenden Bereich des Ordnungsrechts erforderlich. Zur Notwendigkeit der Aufsicht s. auch Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (262 f.); Ritter, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.): Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 207 (232).

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a) Die direkte Kontrolle von Sachverständigen Die direkte Kontrolle der Sachverständigen stellt einen zentralen Baustein des Rechts der Kontrolle dar. Dabei kommt sowohl eine präventive als auch eine repressive Kontrolle in Betracht, wobei diese sich inhaltlich dahingehend unterscheiden, dass präventiv die oben beschriebene Qualifikation des Sachverständigen überprüft wird und repressiv der Fokus eher auf der Art und Weise der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung liegt. Grundsätzlich sollte im Bereich der Verfahrensprivatisierung eine präventive Zulassung der zu beauftragenden Sachverständigen durch ein Akkreditierungsverfahren als Instrument der Qualitätssicherung Pflicht sein. Zwar kann auf eine derartige präventive Kontrolle angesichts der Möglichkeiten der Einzelfallkontrolle verzichtet werden, zumal eine solche auch verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten ist. Allerdings sprechen erhebliche Gründe dafür, sie vorzusehen. So erscheint sie als geeignetes Mittel, den Kreis der Sachverständigen auf diejenigen einzuschränken, die eine Gewähr für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung bieten. Gerade im Hinblick auf die Auswahl des Sachverständigen werden durch eine präventive Zulassung der Sachverständigen die Gefahren sowohl von Manipulationen auf dieser Ebene als auch einer „Schlechtauswahl“ aufgrund mangelhafter Kenntnis des Auswählenden selbst verringert. Eine präventive Zulassung mit eventuell verbundener Statusverleihung entspricht auch dem Gebot der Verfahrenseffizienz (das seinen Ausdruck vor allem in § 10 VwVfG gefunden hat, aber ein allgemeiner Verfahrensgedanke ist), da mit einer Einzelprüfung der Qualifikation der allgemeinen Anforderungen zwangsläufig Doppelprüfungen verbunden wären. Zudem setzt eine Einbeziehung von Sachverständigen, die dazu führt, dass die Kontrolle durch die Verwaltung zurückgedrängt oder gar ersetzt wird, gerade in einem Bereich wie dem Immissionsschutzrecht eine präventive Kontrolle dieser Sachverständigen voraus. Nur auf diese Weise wird ausreichend sichergestellt, dass eine Prüfung durch Sachverständige den Qualitätsmaßstäben genügt, die angesichts der Rechtswirkungen und des Tätigkeitsbereiches (und der möglichen erheblichen Gefahren bzw. Gefahrenquellen) zu stellen sind. Präventive Zulassungsverfahren für Sachverständige finden sich in verschiedenen Bereichen. Seidel unterscheidet grundsätzlich folgende Modelle einer präventiven Kontrolle durch die Verwaltung: 79 • Öffentliche Bestellung von Sachverständigen, • Akkreditierung zertifizierender Sachverständiger, 79 Seidel, Privater Sachverstand, S. 167 ff.; s. auch Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (379 f.), der aber zusätzlich auch auf die Möglichkeit einer privaten Akkreditierung oder Zertifizierung von Sachverständigen hinweist.

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

• Amtliche Anerkennung von Sachverständigen zur Wahrnehmung eigenverantwortlicher Ermittlungs- und Überwachungsaufgaben, • Behördlich bekanntgegebene sachverständige Stellen, und • Staatliche Zulassung verfahrenssubstituierender Sachverständiger im deregulierten Bauordnungsrecht. Die öffentliche Bestellung wird in einem Bereich verwendet, in dem für die Tätigkeit von Sachverständigen kein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt besteht, die Statusverleihung durch präventive Kontrolle also primär eine Hervorhebung im Sinne eines Gütezeichens darstellt. Demgegenüber berechtigt eine Akkreditierung (zur besseren Unterscheidung soll hier in der Terminologie an Seidel angeknüpft werden) zur exklusiven Tätigkeit in einem reglementierten Bereich, so dass eine bestimmte Zertifizierung nur durch Sachverständige mit Akkreditierung durchgeführt werden darf. 80 Ohne dass damit eine Stellung als Beliehener verknüpft wird, werden normierte Erklärungen, an die u. U. auch bestimmte Rechtswirkungen geknüpft werden, 81 durch Sachverständige abgegeben. Dabei wird gerade die differenzierte Ausgestaltung des Akkreditierungsverfahrens im Produktsicherheitsrecht und im Sachverständigenrecht als wegweisend für eine nachhaltige Qualifikationssicherung angesehen. 82 Daneben ist hier ebenfalls die Akkreditierung von Gutachtern im Rahmen des Öko-Audit zu nennen. 83 Die amtliche Anerkennung von Sachverständigen soll zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Ermittlungs- und Überwachungsaufgaben in bestimmten Bereichen berechtigen. 84 Hierzu gezählt werden die Anerkennung von Sachverständigen für eine Tätigkeit als Prüfingenieur für Baustatik, die Anerkennung im Rahmen des GSG und die Anerkennung von Sachverständigen für eine Tätigkeit 80 Vgl. hierzu Seidel, Privater Sachverstand, S. 171 f.; zur Akkreditierung im Produktsicherheitsrecht s. Röhl, Akkreditierung und Zertifizierung im Produktsicherheitsrecht, S. 70 ff. S. ebenfalls Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (318). Er stellt die Akkreditierungsverfahren zwar allgemein als Verfahren der Qualitätssicherung vor, nimmt allerdings ebenfalls Bezug auf erforderliche Zertifizierungen. Zur Diskussion über eine Privatisierung der Akkreditierung (im Produktsicherheitsrecht) siehe Gesmann-Nuissl / Strübbe, DVBl. 2007, 1046 ff.; Windmann, DÖV 2007, 948 ff. 81 So insbesondere in europarechtlich geprägten Bereichen. Vgl. dazu v. Danwitz, in: Hendler / Marburger / Reinhardt / Schröder (Hrsg.): Rückzug des Ordnungsrechts im Umweltschutz, UTR Band 48, S. 53 (61 f.); s. allgemein zu dem New approach auch schon oben Kapitel 1 sowie Klindt, EuZW 2002, 133 ff. 82 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (313 f.). Zu den Akkreditierungsverfahren und den darin zu prüfenden Anforderungen s. auch ders., in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (318 f.). 83 S. dazu Erbrath, Der Umweltgutachter nach der EMAS-Verordnung als Vollzugsorgan des europäischen und nationalen Umweltrechts, S. 151 ff.; Scheuß, UPR 2000, 104 ff. S. zu dem Umweltgutachter auch Streck, Der EMAS-Umweltgutachter und die Deregulierung des deutschen Umweltrechts, 2001. 84 S. Seidel, Privater Sachverstand, S. 174 ff.

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im Rahmen der KFZ-Überwachung (Kraftfahrzeugsachverständigengesetz). Als eigene, von den oben genannten Typen zu unterscheidende Kategorie wird die staatlicher Zulassung von verfahrenssubstituierenden Sachverständigen im Bauordnungsrecht genannt. Diese Sachverständigen werden auch häufig einfach als „besonders qualifizierte Sachverständige“ bezeichnet. Deren Einbeziehung geht z. T. über die vorgenannten Sachverständigen hinaus, weil sie verfahrenssubstituierend tätig werden. Auch sie unterliegen einer präventiven Zulassung, innerhalb derer ein umfassender Kriterienkatalog überprüft wird, wie z. B. Ausbildung, Fachkenntnisse, Berufserfahrung, persönliche Zuverlässigkeit sowie Fort- und Weiterbildung. Das in diesem Bereich existierende Sachverständigenrecht regelt darüber hinaus auch das Anerkennungsverfahren einschließlich der Voraussetzungen der Anerkennung sowie Widerruf, Rücknahme und Erlöschen der Anerkennung, die Überwachung, die Festsetzung einer Altersgrenze, das Erfordernis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung, 85 die Vergütung der Sachverständigen, nähere Regelungen über die Tätigkeit sowie die Notwendigkeit ihrer Einschaltung in Bezug auf Bauaufsichtsbehörde und Bauherrn. 86 Darüber hinaus ist auf eine weitere Kategorie privaten Sachverstands hinzuweisen, die bislang in diesem Zusammenhang wenig Erwähnung gefunden hat, aber im Baurecht eine bedeutende Rolle spielt. Dort wird privater Sachverstand über die Figur des Bauvorlage- oder Nachweiseberechtigten in das präventive Verfahren einbezogen, teilweise auch mit verfahrenssubstituierender Wirkung. Dabei wird auch noch in Hinblick auf Erfahrung differenziert. Das Besondere an dieser Figur ist der Verzicht auf eine staatliche Anerkennung. Der Nutzung dieses Sachverstands liegen allein Anforderungen an die Qualifikation, in der Regel eine Kombination aus Ausbildung und Berufserfahrung, sowie die Eintragung in eine Liste durch eine zuständige Kammer zu Grunde, wobei diese in gewisser Form die Zulassung bzw. Akkreditierung ersetzt. Somit erfolgt letztlich nur eine geringe präventive Kontrolle. Die oben aufgeführte Vielfalt der Erscheinungsformen erscheint zum einen als unpraktikabel, erklärt sich zum anderen aber auch dadurch, dass für die Unterscheidung letztlich auf die Funktionen zurückgegriffen wird, die von den Sachverständigen erfüllt werden sollen. Jedenfalls verfolgen all diese Verfahren eine Qualitätssicherung. Zudem ist ihnen allen (mit Ausnahme des Nachweisberechtigten) gemeinsam, dass nach einer präventiven Kontrolle des Sachverständigen seine Berechtigung zur Tätigkeit durch einen staatlichen Akt festgestellt wird, sei es eine Bestellung, sei es eine Bekanntgabe, sei es eine Zulassung oder eine Akkreditierung. Vorliegend geht es jedenfalls darum, dass der Staat durch ein derartiges präventives Verfahren nach außen die Gewähr für die Qualität einer 85 Ein derartiges Erfordernis wird vereinzelt auch unmittelbar durch die Regelungen der Bauordnungen statuiert. 86 So die Regelung in Art. 90 Abs. 9 BayBO 1998 (Art. 80 Abs. 2 BayBO 2008).

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handelnden Person übernimmt, der in Bezug auf eine sachgerechte und neutrale Aufgabenwahrnehmung ein ähnliches Vertrauen entgegengebracht werden soll wie einem Hoheitsträger. 87 Für die vorliegende Betrachtung dürfte aus dem obigen Schema jedenfalls die Form der Bestellung nicht relevant werden, weil vorliegend ein exklusiver Tätigkeitsbereich für die zugelassenen Sachverständigen zu schaffen ist; andere Private als die zugelassenen Sachverständigen können nicht die Rechtswirkungen, die das Sachverständigenmodell an die Tätigkeit von Sachverständigen knüpft, erzeugen. Ebenfalls ausscheiden dürfte angesichts des im Vergleich zum Bauordnungsrecht größeren Gefahrenmoments eine Einbeziehung von Sachverständigen mit einer nur leichten präventiven Kontrolle wie bei den Nachweisberechtigten. Das Gewährleistungsverwaltungsrecht kann sich vorliegend auf eine Form der präventiven Kontrolle der Sachverständigen beschränken. Als solche kommt die präventive Zulassung in Betracht, die sich vorliegend als Akkreditierung darstellt. Nicht erforderlich ist eine eigene Kategorie der präventiven Zulassung der Sachverständigen im Sachverständigenmodell, denn ob die Zertifizierung, also letztlich die sachverständige Bescheinigung, nur dazu führt, dass eine hoheitliche Kontrolle nicht mehr erforderlich wird oder diese Bescheinigung noch eine Auswirkung im Rahmen einer fortbestehenden präventiven hoheitlichen Kontrolle hat, kann eine eigene Kategorie nicht rechtfertigen und würde letztlich eine Typologisierung nur unnötig erschweren. Diese Kontrolle der Kontrolleure in Form der präventiven Zulassung kann dabei unmittelbar durch staatliche Stellen wahrgenommen werden. Denkbar ist aber auch hier eine Einbeziehung privater Stellen. Fraglich ist jedoch, welchen Anforderungen diese privaten Stellen genügen müssten. Sie würden als Beliehene tätig und müssten eine der rein staatlichen Kontrolle vergleichbare Richtigkeitsgewähr bieten. Dies ist allerdings bei einer Kontrolle durch Kammern, wie im Baurecht durch die Einschaltung der Architekten- und der Ingenieurkammer als Körperschaften des öffentlichen Rechts, 88 zweifelhaft und würde einer eingehenderen Regelung bedürfen. Eine pauschale Übertragung der präventiven Kontrollkompetenzen wäre problematisch. Als Beispiel für eine mögliche Regelung kann auf die Konzeption des UAG hingewiesen werden. Die Zulassung der Umweltgutachter sowie die Aufsicht über ihre Tätigkeit liegen danach in der Hand einer Zulassungsstelle. Dies ist in Deutschland die – von den Verbänden der Wirtschaft – ins Leben gerufene „Deutsche Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft für Umweltgutachter mbH“ (kurz DAU) mit Sitz in Bonn. 89 Diese ist nach § 28 UAG beliehen und untersteht nach § 29 UAG der Rechtsaufsicht 87 Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (318). 88 S. z. B. die Verordnung über staatlich anerkannte Sachverständige nach der Landesbauordnung (SV-VO), GVBl. NW 1995, S. 592 ff.

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des BMU. Nach § 21 UAG werden die Prüfungsrichtlinien für die Zulassung und die Ermessensleitlinien für die Aufsicht über die Umweltgutachter von einem Umweltgutachterausschuss erlassen, der bei dem BMU eingerichtet ist. 90 Über die Regelung der §§ 24, 25 UAG wird auch ein direkter staatlicher Zugriff auf Einzelentscheidungen dadurch ermöglicht, dass das Bundesverwaltungsamt als Widerspruchsbehörde fungiert, wobei die Widerspruchsbehörde auch an den Sitzungen des Umweltgutachterausschusses teilnehmen darf. Damit wird die beliehene DAU zum einen inhaltlich gesteuert und zum anderen auch ein Zugriff im Einzelfall ermöglicht, und zwar sowohl im Rahmen der Rechtsaufsicht 91 als auch im Widerspruchsverfahren. Diese Kombination aus inhaltlicher indirekter und zurückgezogener direkter Steuerung erscheint dafür geeignet, eine private Zulassungsstelle auch im Rahmen des Sachverständigenmodells einzusetzen. Eine ähnliche Möglichkeit der Übertragung derartiger Aufgaben auf Beliehene sieht § 20 Abs. 2 TEHG vor, der gleichzeitig die Aufsicht des Umweltbundesamtes festschreibt. b) Inhalt der Zulassung Dabei sind eine allgemeine präventive Kontrolle und eine generelle Zulassung zur Tätigkeit im Immissionsschutzrecht nicht ausreichend. Vielmehr ist eine Feinsteuerung erforderlich, die in der Form ausgestaltet werden kann, dass eine Zulassung der Sachverständigen auf jeweils einzelne, abgegrenzte Tätigkeitsbereiche beschränkt wird. Hinsichtlich der fachlichen Qualifikation sind in den einzelnen Zulassungen die Tätigkeiten, für die der entsprechende Sachverständige zugelassen sein soll, zu bezeichnen. 92 Dies ermöglicht eine größere Flexibilität bei der Sachverständigenzulassung und ist daher der Schaffung bestimmter Sachverständigentypen vorzuziehen. Dagegen spricht auch nicht die Sicherheit des Rechtsverkehrs, denn eine Klärung der entsprechenden Zulassung vor Beauftragung ist dem jeweiligen Auftraggeber zumutbar.

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Ensthaler / Funk / Gesmann-Nuissl / Selz, Umweltauditgesetz. EMAS-Verordnung, S. 155. 90 Zur Zulassung s. auch Scheuß, UPR 2000, 104 (104 f.); Schmidt-Preuss, FS Kriele, S. 1157 (1170 ff.). 91 Zur Aufsicht s. Scheuß, UPR 2000, 104 (105 f.). 92 Eine Beschränkung der Zulassung ist auch im Rahmen des § 36 GewO möglich, s. dazu Bleutge, in: Landmann / Rohmer, GewO I, § 36 GewO Rn. 109; für das Öko-Audit will Kothe, Das neue Umweltauditrecht, Rz. 437 eine branchenspezifische Zulassung aus einer Gesamtbetrachtung von § 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 herleiten (zitiert nach Seidel, Privater Sachverstand, S. 185).

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c) Die repressive Kontrolle der Sachverständigen und die Überwachung Während für den Bereich der Sicherstellung der allgemeinen Anforderungen sowohl ein präventives Verfahren mit (nicht notwendigerweise) verbundener Statusverleihung als auch eine Einzelfallprüfung (im Rahmen der Beauftragung) in Betracht kommen, kann die Art und Weise der Aufgabenerfüllung im Allgemeinen nur repressiv kontrolliert werden. Dabei wird hier zwar von einer repressiven Kontrolle der Sachverständigen gesprochen. Dies darf aber nicht verengend dahingehend verstanden werden, dass lediglich die Tätigkeit der Sachverständigen nachträglich kontrolliert wird, sondern es ist vielmehr untrennbar verbunden mit der erforderlichen repressiven Kontrolle der zugelassenen Anlagen. So sollen auch die repressiven Befugnisse der Behörde durch das Sachverständigenmodell nicht angetastet werden. Die repressive Kontrolle ist dabei Ausdruck einer Rückholoption. 93 Auf repressiver Ebene kann die Verwaltung bei einer privaten Schlechterfüllung die Aufgabenwahrnehmung voll an sich ziehen und für eine Durchsetzung des materiellen Rechts sorgen. Daher muss der Verwaltung das repressive Eingriffsinstrumentarium als flankierendes Korrektiv jederzeit ungeschmälert zur Verfügung stehen, um dem materiellen Recht effektiv zum Durchbruch zu verhelfen. 94 Die repressive Kontrolle ist aus Gründen der Qualitätssicherung sowie der Rückholoption (einschließlich der effektiven Wahrnehmung dieser Rückholoption) auch im Rahmen der Einführung eines Sachverständigenmodells unverzichtbar. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die repressive Durchsetzung im Vergleich zu der präventiven Durchsetzung mit Nachteilen im Vollzug behaftet ist, wobei jedoch diese Nachteile dadurch abgemildert werden, dass im Rahmen des Sachverständigenmodells auch ein präventiver Zugriff auf die Tätigkeit der Sachverständigen eröffnet ist. Die repressive Kontrolle kann anhand der vorzulegenden Gutachten sowie im Rahmen einer Stichprobenkontrolle dieser Gutachten durchgeführt werden. 95 Gleichzeitig sind der Behörde die im Übrigen erforderlichen Instrumente und Befugnisse zur Verfügung zu stellen. Im Hinblick auf das behördliche repressive Einschreiten gilt in der Regel das Opportunitätsprinzip, d. h. die betreffende Behörde muss bei einem festgestellten Verstoß nicht zwingend einschreiten. Die Entscheidung liegt vielmehr in ihrem Ermessen. 96 93

Zu dem Erfordernis s. Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (326). Schmidt-Preuss, VVdStRL 56 (1997), 160 (197). 95 S. dazu auch die Regelung des § 5 Abs. 4 TEHG. 96 Vgl. auch Schmidt-Preuss, VVdStRL 56 (1997), 160 (198) für den Anspruch auf Einschreiten. Dies liegt aber darin begründet, dass das Einschreiten ermessensabhängig ist und damit auch der Anspruch lediglich auf fehlerfreie Ausübung des eingeräumten Ermessens gehen kann. Vgl. auch zu dem Opportunitätsprinzip als Argument der Be94

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Wie bereits oben erwähnt, ist jedoch die repressive Kontrolle im Hinblick auf die Motivationslage der Kontrollierten für den Vollzug ungünstiger. Zudem handelt es sich nur um eine Kontrolle der Kontrolle und damit nur um eine indirekte Sicherstellung der Einhaltung des materiellen Rechts. Daher stellt sich durchaus die Frage, wie die repressive Kontrolle der Sachverständigen effektiver gestaltet werden kann, um die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sicherzustellen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das vorliegende Konzept der Verantwortungsteilung lediglich eine „zurückgezogene“ Kontrolle der Kontrolle durch die Verwaltung vorsieht. Daher stellt sich die Frage, ob es ausreichend ist, weiterhin nach dem Opportunitätsprinzip zu verfahren, oder angesichts des Charakters der Kontrolle der Kontrolle als Stichprobenkontrolle ein Übergang zum Legalitätsprinzip notwendig ist. Dies könnte auch einen entsprechenden Druck zur korrekten Aufgabenerfüllung ausüben, da dann bei jedem Verstoß mit Konsequenzen zu rechnen wäre. Sollten diese Konsequenzen ab einem gewissen Ausmaß auch damit verbunden sein, dass die Zulassung in Gefahr gerät, erhöht sich der Druck zu einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung, was im Hinblick auf die Zielsetzung des Sachverständigenmodells wünschenswert erscheint. 97 In diesem Sinne wurde bereits im Hinblick auf das Vollzugsdefizit für den Bereich des antragsunabhängigen Vollzugs ein derartiger Übergang vom Opportunitätsprinzip zum Legalitätsprinzip vorgeschlagen, um der Behörde den Widerstand gegen den Druck von Firmenvertretern zu erleichtern. 98 In gleicher Weise wie bei der präventiven Zulassung erörtert, kommt auch auf der repressiven Ebene in Betracht, die Kontrolle organisatorisch zu verselbständigen. Dabei haben sich grundsätzlich zwei Regelungsstrukturen herausgebildet, und zwar zum einen die Regulierungsbehörde und zum anderen die Beleihung einer unabhängigen, privaten Stelle. Regulierungsbehörden 99 wurden und werden vornehmlich in den Bereichen geschaffen, in denen Infrastruktur privatisiert worden ist oder sich in privagrenzung des öffentlich-rechtlichen Drittschutzes (allerdings im Kartellrecht) Trute, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167 (194). 97 Im Hinblick auf die praktischen Erfahrungen mit dem Umweltgutachter soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass aus der Sicht der Unternehmen diese gute Noten erhielten und die Maßstäbe, die von ihnen während der Audits angesetzt wurden, als streng angesehen wurden, s. Ensthaler / Funk / Gesmann-Nuissl / Selz, Umweltauditgesetz. EMAS-Verordnung, S. 45. 98 Lübbe-Wolff, in: Roßnagel / Neuser (Hrsg.): Reformperspektiven im Umweltrecht, S. 97 (102); dies., Modernisierung des Umweltordnungsrechts: Vollziehbarkeit – Deregulierung – Effizienz, S. 73 ff.; für eine restriktive Anwendung des Opportunitätsprinzips dies., NuR 1989, 295 (301 f.); s. auch dies., in: Koch (Hrsg.): Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, S. 211 (230); s. auch Hermes / Wieland, Die staatliche Duldung rechtswidrigen Verhaltens, S. 48 ff.

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ten Händen befindet, also entweder natürliche Monopole oder aber eine starke Marktmacht eines oder mehrerer Akteure bestehen, die einer regulierenden Kontrolle bedürfen. 100 In diesen Fällen gilt es, marktunverträgliche Machtpositionen auszubalancieren. Die Schaffung einer eigenen Regulierungsbehörde würde die Verselbständigung der entsprechenden Aufgabe, also die der Kontrolle der Sachverständigen, in einer eigenen Verwaltungsbehörde bedeuten. Dagegen spricht zum einen, dass keine der oben genannten Konstellationen vorliegt, in denen die Notwendigkeit einer Regulierungsbehörde anerkannt ist. Zum anderen ist eine sinnvolle Abgrenzung der Aufgaben zum Zwecke einer Auslagerung fraglich, da sowohl im Rahmen der repressiven Kontrolle der Sachverständigen als auch der repressiven Kontrolle der Anlage selbst identische oder zumindest teilweise überlappende Kenntnisse erforderlich sind. Alternativ können derartige Aufgaben, wie im Falle der präventiven Kontrolle, auch auf beliehene Stellen übertragen werden. d) Repressive Befugnisse im Hinblick auf fehlerhafte sachverständige Tätigkeit Regelungsbedürftig sind auch die Rechtsfolgen eines Verstoßes durch einen Sachverständigen gegen die bereits oben skizzierten, seine Tätigkeit regelnden Vorschriften. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn die Sachverständigentätigkeit, wie vorliegend, nicht mehr inhaltlich in eine behördliche Entscheidung eingegangen ist. Letztlich sind dann eigene Maßnahmen im Hinblick auf die Tätigkeit der Sachverständigen erforderlich. Insbesondere sind zwei Aspekte zu regulieren. Zum einen ist zu klären, welche Folgen eine Schlechterfüllung für den Sachverständigen hat. Hier stellt sich vor allem die Frage nach der Regelung von Sanktionen, die entweder monetäre oder berufliche Konsequenzen beinhalten können. Als berufliche Konsequenz kommen dabei ein vorübergehendes Berufsverbot, die Berufsausübung einschränkende Regelungen oder der Verlust der Zulassung in Betracht. Zum anderen ist zu 99

Wobei an dieser Stelle darauf hingewiesen werden soll, dass der Begriff der Regulierung nicht auf die Aufgaben der Regulierungsbehörden beschränkt werden kann. Vielmehr ist letztlich der gesamte Bereich des Gewährleistungsverwaltungsrechts als Regulierungsrecht anzusehen. 100 S. zu diesen Regulierungsbehörden auch Ruffert, AöR 124 (1999), 237 ff.; Schneider, ZHR 164 (2000), 513 ff.; aus neuerer Zeit siehe zu der Regulierung des Energiemarktes aufgrund des neuen EnWG Hohlefelder / Kästner, WiVerw 2005, 66 ff. Zu der Schaffung einer Regulierungsbehörde bzw. einer organisatorischen Verselbständigung der aufsichtsführenden Verwaltung als Element des Gewährleistungsverwaltungsrechts s. Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (324 f.).

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regeln, wie sich die Schlechterfüllung auf die Errichtung oder den Weiterbetrieb der Anlage auswirkt, die entsprechend einer unzutreffenden oder fehlerhaften sachverständigen Bescheinigungen errichtet worden ist bzw. betrieben wird. e) Private Kontrolle der Kontrolleure Darüber hinaus wird zur Ergänzung dieser hoheitlichen Kontrollstrukturen auch die Etablierung paralleler privater Kontrollstrukturen gefordert. 101 Neben der bereits oben angesprochenen Möglichkeit, den Abschluss einer Haftpflichtversicherung zu einer Voraussetzung für eine Tätigkeit als Sachverständiger zu machen, kommen an dieser Stelle noch weitere Möglichkeiten in Betracht, wie insbesondere eine Nutzung von Elementen einer Eigenüberwachung entweder der Sachverständigen, der Sachverständigenorganisation oder der gesamten Gruppe aller zugelassenen Sachverständigen. Als Stichworte können die Auditierungsverfahren, Beauftragte, sowie die Einführung von Qualitätssicherungssystemen, die wiederum mit branchenspezifischen „Codes of best practice“ verknüpft werden können, genannt werden. 102 Daneben können auch Ombudsmänner eingerichtet werden, zu denken ist auch an eine regelmäßige Berichtspflicht. Instrumente der Eigenüberwachung können auch dahingehend ausgestaltet werden, dass Sachverständige periodisch die Arbeit anderer Sachverständiger überprüfen müssen. Die Kontrolle von Sachverständigen durch andere Sachverständige kann auch bei entsprechend bedeutsamen Fragen im Einzelfall eingerichtet werden und ist dann als sogenanntes „Vier-Augen-Prinzip“ auszugestalten. f) Publizität und Transparenz Regelungsbedürftig ist auch die Frage der Publizität und Transparenz. 103 Eine solche (rechtsstaatlich begründbare) Herstellung von Transparenz und Publizität kann einen wesentlichen Beitrag zu Aufsicht und Kontrolle leisten. 104 Dadurch 101 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (324); ansatzweise auch Pitschas, DÖV 1998, 907 (910), der die Kontrolle von öffentlichen Einrichtungen durch Rechnungs- und Wirtschaftlichkeitskontrolle sowie die branchenbezogene Fach- oder Wirtschaftsaufsicht nennt. 102 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (323). Eine Einführung von Qualitätsmanagementsystemen fordert ders., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (319). 103 S. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 382, dort aber kritisch im Hinblick auf den Umfang; s. auch Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (323), dort aber nur als ein Element der Lenkung und Kontrolle. S. dazu auch die Informationspflichten bei Bauer, FS Knöpfle, S. 11 (25). 104 S. dazu Brohm, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 2. Auflage, § 36 Rn. 47; Gallwas, VVdStRl. 29 (1971), 211 (231); Ossenbühl, VVdStRL 29 (1971), 137 (171);

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wird jedem Betroffenen ermöglicht, Kenntnis über sowohl die Identität als auch die Tätigkeit der Sachverständigen zu erlangen und seine Rechte geltend zu machen. Erwünschter Begleiteffekt ist dabei, dass die Betroffenen selbst als „Kontrolleure“ tätig werden und damit einen erheblichen Beitrag zur Kontrolle leisten können. Diese Funktion kann zudem dadurch unterstützt werden, dass die interessierte Öffentlichkeit auch Informationszugangsrechte erhält. Die betroffene und interessiere Öffentlichkeit wird dabei sowohl als Erkenntnisquelle als auch als Instrument der Durchsetzung genutzt. 105 Eine Zielsetzung ist dabei eine insgesamt verbesserte Durchsetzung. Bezogen auf die vorliegende Untersuchung, könnte dadurch eine verbesserte Gewährleistung der ordnungsgemäßen Tätigkeit der Sachverständigen erreicht werden. 106 Insbesondere der Druck einer potentiellen Publizität dürfte dabei eine in dieser Hinsicht motivierende Wirkung entfalten. Auch über die hier angesprochene Fehlerkontrolle im Einzelfall hinaus kann die Publizität und Transparenz auch zum Aufbau oder Verlust einer Reputation führen, was die Stellung der Sachverständigen im Wettbewerb betrifft. 107 Somit wird auch der Wettbewerb der Sachverständigen aufrecht erhalten, und ohne dies noch einmal ausdrücklich angesprochen zu haben ist die Aufrechterhaltung eines Wettbewerbs eine Grundvoraussetzung, um beispielsweise vermutete Effizienzvorteile einer privaten Beteiligung zu generieren. Diese Wirkungen sind allerdings primär unterstützend; auf sie kann nicht in dem Sinne und so weit vertraut werden, dass aufgrund dieser Mobilisierung DritTrute, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (37); ders., DVBl. 1996, 950 (956); Voßkuhle, VVdStRl 62 (2003), 266 (323); allgemein zur Öffentlichkeit der Verwaltung s. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000. 105 Allgemein zu dieser Nutzung von Individuen zur Durchsetzung öffentlicher Belange durch Informationsfreiheit Kloepfer, Informationsrecht, S. 400 ff., 410 ff.; Schoch / Kloepfer, Informationsfreiheitsgesetz, S. 35 ff. Dieses Instrument der Nutzung der Individuen zur Durchsetzung einer Rechtsordnung ist in besonders fruchtbarer Weise auf der Ebene der EG eingesetzt worden, insbesondere durch die Anerkennung eines weitgehenden Schadensersatzanspruchs, s. zu diesem Zweck des Staatshaftungsanspruchs auch Geiger, EUV / EGV, Art. 10 Rn. 46; dieser Staatshaftungsanspruch hat in verschiedenen Mitgliedstaaten weitreichende Auswirkungen gehabt. S. aus neuerer Zeit insbesondere die Staatshaftung für judikatives Unrecht, EUGH, Urteil vom 30. 9. 2003 – Rs. C 224/01, Slg. I-10239 – Köbler. 106 In diesem Sinne wird vermutet (empirische Beobachtungen bestehen nicht), dass das UIG und die damit verbesserte Umweltinformation zu einem Mehr an Umweltschutz geführt habe und führen würde, Redelfs, in: Kloepfer (Hrsg.): Die transparente Verwaltung, S. 85 (103 f.). Insofern könnte auch die Argumentation, dass eine Informationsfreiheit zu einer besseren Verwaltungskontrolle führe, auf die Kontrolle der Sachverständigen übertragen werden. S. zu diesem Gedanken Kloepfer, in: ders. (Hrsg.): Die transparente Verwaltung, S. 9 (19 f.); Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, S. 30. Diesen Effekt bestätigt auch Schapper, in: Kloepfer (Hrsg.): Die transparente Verwaltung, S. 39 (43), warnt aber davor, diesen Effekt zu überschätzen. 107 Siehe zu diesem Gedanken auch Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, bspw. S. 366.

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ter andere Kontroll- und Aufsichtsinstrumente reduziert werden können, denn diese betroffene Öffentlichkeit ist sowohl im Hinblick auf ihre Existenz als auch im Hinblick auf ihre „Wehrfähigkeit“ nur schwer planbar. 108 Als ergänzende Pflichten kommen des Weiteren Dokumentations-, Informations- und Berichtspflichten in Betracht. 109 Diese ermöglichen es, die Tätigkeit der Sachverständigen nachzuvollziehen, und können als Gegenstand der repressiven Kontrolle und im Zweifel auch als Grundlage für Haftungsprozesse dienen, womit dann das Haftungsrecht als Element des Gewährleistungsverwaltungsrechts effektiviert werden könnte. g) Die Beauftragung des Sachverständigen Auch die Beauftragung des Sachverständigen kann als Element einer Kontrolle bzw. der Sicherung ordnungsgemäßer Aufgabenwahrnehmung ausgestaltet werden. Neben einer möglichen Vorauswahl der in Betracht kommenden Sachverständigen durch eine Zulassung 110 kommen unterschiedliche Instrumente in Betracht. Möglich ist es, die Beauftragung selbst der Kontrolle durch die Behörde zu unterstellen, und zwar in der Form, dass sie entweder der Beauftragung eines bestimmten Sachverständigen zustimmen muss oder ihr ein zeitlich befristetes Widerspruchsrecht eingeräumt wird. Gleichzeitig kann es zur Pflicht gemacht werden, den Inhalt der Beauftragung (oder aber sogar des gesamten der Beauftragung zu Grunde liegenden Vertrages) mit der Behörde abzustimmen. 111 Daneben kommt auch in Betracht, objektive Regelungen der Beauftragung zu treffen. Insbesondere ist dabei daran zu denken, Abhängigkeiten oder ähnliches zwischen Auftraggeber und Sachverständigem dadurch zu verhindern, dass ein Verbot der Mehrfachbeauftragung, 112 eine Sperrfrist nach einer Beauftragung oder eine Höchstdauer der kontinuierlichen Beauftragung festgelegt wird. 108

S. zu diesem Gedanken auch schon oben Kapitel 1. Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (323) mit Beispielen; ders., in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (319). 110 Siehe dazu bereits oben. Auf die Bedeutung der Auswahl des Sachverständigen als Mittel der Qualitätssicherung weist auch Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (381) hin. 111 Vgl. dazu auch die Regelung des § 13 Abs. 2 der 9. BImSchV. Eine Anzeigepflicht über die Beauftragung sowie ihren Inhalt erscheint in dem hier vorliegenden Zusammenhang als weniger geeignetes Steuerungsinstrument, da die Behörde ja im Rahmen der noch bestehenden präventiven Beteiligung und der Vorlage des sachverständigen Nachweises zur Überwindung der präventiven Schranke diese Kenntnis ohnehin erlangen kann. Ein Vorteil, die Behörde, wie hier angedacht, in die Beauftragung einzubinden, ist auch die Erschwerung eines Sachverständigenwechsels, was die Möglichkeit des Antragstellers beschränkt, durch die Drohung mit einem Wechsel einen Motivationsdruck gegenüber dem Sachverständigen aufzubauen, vgl. Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 464. 109

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Da es sich vorliegend nicht um eine staatliche Beauftragung handelt, kommt die Qualitätssicherung durch eine Einbeziehung des Vergabeverfahrens nach dem GWB nicht in Betracht. 113 Allerdings ist auch die qualitätssichernde Wirkung eines derartigen inszenierten Marktes nicht zu unterschätzen. Es dürfte unbestritten sein, dass zur Auswahl des geeigneten Sachverständigen die Etablierung eines fairen, transparenten und wettbewerbsorientierten Verteilungsverfahrens zumindest sinnvoll ist. 114 Dementsprechend ist als Regelungsoption denkbar, dass auch das Verfahren der Auftragsvergabe an Sachverständige einer eigenen Regulierung unterworfen wird. Ein derartiges verbindliches, transparentes und offenes Verfahren könnte gerade dazu dienen, Anforderungen wie die der Neutralität und Unabhängigkeit zu gewährleisten. Durch die damit erzeugte Distanz zwischen Auftraggeber und Sachverständigem dürfte auch die Vertrauenswürdigkeit in die Sachverständigen und ihre Tätigkeit positiv beeinflusst werden. Zudem dürfte darin eine eigene Kontrolle der fachlichen Qualifikation durchgeführt werden. Damit würde gewährleistet, dass auch diese Anforderungen, die grundlegend für die Rechtfertigung einer Einführung des Sachverständigenmodells sind, im Einzelfall gegeben sind. Als ein weiteres Element des Gewährleistungsverwaltungsrechts, das eng mit der Beauftragung zusammen hängt, kommt auch die Entziehung eines Auftrags durch Entscheidung der zuständigen Behörde in Betracht. Dies kann zum Beispiel dann in Betracht kommen, wenn Zweifel an der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung oder aber auch Zweifel an der Erfüllung der sonstigen Anforderungen bestehen. Denkbar ist in diesem Zusammenhang beispielsweise auch eine Regelung zu einer Befangenheitsablehnung. 115 h) Sanktionen Ergänzend sind auch noch Sanktionen zu regeln. Dabei ist sind im Wesentlichen zwei Anknüpfungspunkte denkbar, und zwar kann der betreffende Sachverständige den Anspruch auf seine Vergütung verlieren, mit einem Bußgeld belegt werden oder aber ihm kann auch die Berechtigung zur Nachweiserstellung ab112 Wobei auch darauf hingewiesen wird, dass dadurch zum einen mögliche Effizienzvorteile gefährdet werden könnten und zum anderen auch die Sorge vor einem Reputationsverlust bei einer Mehrfachbeauftragung ein Anreiz zu besonders sorgfältiger Arbeit sein könne, Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 394 f. 113 Zu dem Vergaberecht s. auch Burgi, NVwZ 2001, 601 (603 ff.); Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 ff. 114 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (317) sieht dies sogar als unabdingbar an. Die wesentlichen Strukturelemente eines diesen Grundsätzen genügenden Verteilungsverfahrens skizziert ders., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (306 ff.). 115 Siehe dazu Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 459 ff.

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erkannt werden. Gerade letzteres Mittel enthält ein erhebliches Drohpotential gegenüber den Sachverständigen, ist aber im Hinblick auf Art. 12 GG sicherlich ein Mittel, das nicht bei Verfehlungen jeder Art genutzt werden kann.

3. Regelungen in anderen Gebieten und Bezugnahme darauf Allgemein findet sich eine zentrale, aber etwas oberflächliche Regelung über Sachverständige in § 36 GewO. 116 Eine wegweisende und ausführliche Regelung steht darüber hinaus im Umweltauditgesetz (UAG). 117 Im Rahmen dieser Regelungen werden die oben dargestellten Anforderungen grundsätzlich berücksichtigt. Gerade im UAG wird ein detailliertes Regime in Hinblick auf Anforderungen, Zulassung und Überwachung geregelt. Daneben ist ein Blick in das neue Rechtsgebiet des Emissionshandelsrechts aufschlussreich. Dort werden Sachverständige in einer zentralen Vollzugsfunktion eingebunden. So müssen private Sachverständige die Angaben im Antrag auf Zuteilung von Emissionsberechtigungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 TEHG verifizieren. Des Weiteren müssen nach § 5 Abs. 3 TEHG die jährlich abzugebenden Emissionsberichte von Sachverständigen überprüft werden. Interessant ist dabei die Regelungstechnik – anstelle der Schaffung eines eigenen, bereichsspezifischen Sachverständigenrechts bedient sich das TEHG der Regelungen des § 36 GewO und des UAG. Soweit die Zulassung sich auf die Überprüfung von Emissionsberichten erstreckt, sieht das TEHG keine weitere Prüfung der Qualifikation der Sachverständigen vor. 118 Dies erscheint als wegweisende Regelung und könnte als Grundlage eines allgemeinen Sachverständigenrechts (zumindest für das Umwelt- und Technikrecht) dienen. Jedenfalls ist eine Verallgemeinerung insofern denkbar, als dass sich auch das Immissionsschutzrecht insbesondere der 116

S. zu weiteren Beispielen der Einbeziehung von Privaten, insbesondere von privaten Sachverständigen, in die Aufgabenerfüllung bei Streck, Der EMAS-Umweltgutachter und die Deregulierung des deutschen Umweltrechts, S. 151 ff. 117 S. dazu Breuer, NVwZ 1997, 833 (840); Falk, NVwZ 1997, 144 ff.; Kämmerer, Die Umsetzung des Umwelt-Audit-Rechts, S. 49 ff.; Langerfeldt, NVwZ 2002, 1156 ff.; Lütkes, NVwZ 1996, 230 ff.; Scheuß, UPR 2000, 104 ff.; Schottelius, BB 1996, 1235 ff.; Strobel, Das Umweltauditgesetz mit dem neuen Umweltgutachter, DStR 1995, 1715 ff.; Streck, Der EMAS-Umweltgutachter und die Deregulierung des deutschen Umweltrechts, 2001. 118 S. dazu Theuer, in: Frenz, Emissionshandelsrecht, § 5 TEHG Rn. 42 ff., Frenz, in: ders., Emissionshandelsrecht, § 10 Rn. 16 ff.; Schweer / von Hammerstein, TEHG, § 5 Rn. 55 ff., § 10 Rn. 26 ff., wobei diese darauf hinweisen, dass unklar ist, ob der Gesetzgeber davon ausgeht, dass alle Umweltgutachter automatisch über die geforderte Qualifikation verfügen oder aber weitere Anforderungen erfüllt sein müssen; Vierhaus / v. Schweinitz, in: Körner / Vierhaus, TEHG, § 5 TEHG Rn. 86 f., Körner, in: ders. / Vierhaus, TEHG, § 10 TEHG Rn. 16.

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zugelassenen Umweltgutachter bedient und damit eine effektive Nutzung dieses Instrumentariums ermöglicht wird. Die bereichsspezifische Anpassung könnte über den jeweiligen Inhalt der Zulassung geschehen. Daneben ist es notwendig, einen weiteren Blick auf das Bauordnungsrecht zu werfen, zumal dort eine zwar auf den ersten Blick unübersichtliche, im Hinblick auf die erkennbaren Strukturen aber aufschlussreiche Regelung der Sachverständigen zu finden ist. Das bereits oben dargestellte mehrstufige (i. d. R. dreistufige) System der Kompensation bauaufsichtlicher Prüfungen 119 sieht verschiedene Qualifikationsstufen für den privaten Sachverstand vor. 120 Damit wird eine differenzierte Inanspruchnahme der Sachverständigen ermöglicht, wobei je nach Anspruch, Bedeutung, Sicherheitsrelevanz, Schwierigkeitsgrad bzw. Komplexität und Gefahrenpotential des entsprechenden Bereiches jeweils Sachverständige tätig werden, die höheren Anforderungen genügen müssen. 121 Ein derartiges abgestufte System und die entsprechenden Qualifikationsanforderungen werden als zwingend zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter erforderlich angesehen; darüber hinaus verletzen sie nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 122 Sie werden vielmehr als erforderlich angesehen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch Bauten, die aufgrund falscher statischer Berechnungen oder unter Verletzung bauaufsichtlicher Anforderungen errichtet werden, und zur Wahrung der Gemeinschaftsinteressen an einem sinnvollen und sparsamen Einsatz privater und öffentlicher Mittel infolge einer technisch einwandfreien und rationellen Planung. 123 Grundsätzlich kann auch auf ein derartiges System gestufter Qualifikationen zurückgegriffen werden. Allerdings ist wohl kaum ersichtlich, dass eine bestimmte berufliche Qualifikation derartig umfassend zu einer Tätigkeit befähigt wie 119

S. dazu ausführlich bereits oben. Grundsätzlich baut es auf der Qualifikation des Entwurfsverfassers auf, wobei dieser bauvorlageberechtigt (§ 65 MBO 2002) sein muss. Diese Bauvorlageberechtigung hängt von der Qualifikation, eventuell (je nach Qualifikation) einer gewissen Berufserfahrung sowie der Eintragung in eine Liste einer Kammer ab. Sollte je nach Anforderungsfeld die einfache Bauvorlageberechtigung nicht ausreichen, werden zusätzliche Qualifikationsanforderungen gestellt, die aus einer eigenen Qualifikation und / oder einer bestimmten Berufserfahrung bestehen (vgl. § 66 MBO 2002). Auf einer dritten Stufe kommt dann ein zugelassener Sachverständiger zum Einsatz, der auch im Rahmen eines Vier-AugenPrinzips zur Anwendung kommen kann, indem er den bereits von einem Bauvorlageberechtigten erstellten Nachweis kontrolliert. 121 Vgl. Jäde, WiVerw 2005, 1 (44). 122 BayVerfGH, Entscheidung vom 13. 1. 2000 – Vf. 18-VII-96, BayVBl. 2001, 47 (48) unter Bezugnahme auf BVerfGE 28, S. 364 (375). 123 BayVerfGH, Entscheidung vom 13. 1. 2000 – Vf. 18-VII-96, BayVBl. 2001, 47 (48) unter Bezugnahme auf BayVerfGH 31, 1/10f. = BayVBl. 1978, 207; BayVerfGH, Entscheidung v. 14. 4. 1999, Vf. 4-VII-97, BayVBl. 1999, 493 (495); BVerfGE 28, S. 364 (375 f.). 120

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die Qualifikationen des Architekten und des Bauingenieurs im Rahmen des Bauwesens. Daher erscheint es sinnvoll, ein einstufiges System der Zulassung von Sachverständigen vorzusehen.

4. Rechtsstellung der Sachverständigen Im Rahmen eines verwaltungssubstituierenden und verfahrensprivatisierenden Sachverständigenmodells treffen die Sachverständigen entweder verfahrensersetzende, teilverfahrensabschließende oder sogar verfahrensabschließende Entscheidungen. Letztlich liegt der Schwerpunkt darauf, eine behördliche Entscheidung zumindest partiell zu ersetzen bzw. zu substituieren. Der entsprechende Prüfungspunkt fällt dann aus dem Umfang der Genehmigung heraus. Vor diesen Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rechtsstellung die Sachverständigen in einem derartigen Sachverständigenmodell einnehmen, zumal bei einer Einstufung als Beleihung auch die dafür geltenden Voraussetzungen zu beachten wären. a) Beleihung und Verwaltungshilfe Die klassischen Formen der Einbeziehung externen Sachverstands sind die Beleihung und die Verwaltungshilfe. Eine Beleihung 124 liegt dann vor, wenn Privatpersonen (sowohl Einzelpersonen als auch juristische Personen) mit der selbständigen hoheitlichen Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben in eigenem Namen betraut sind. Nicht zwingend erforderlich ist, dass der Beliehene auch die Außenverantwortung für seine Tätigkeit übernimmt. Für eine Tätigkeit als Beliehener soll es ausreichen, wenn die Tätigkeit des Sachverständigen in die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde maßgeblich eingebunden ist, 125 was auch dann der Fall sein soll, wenn die Entscheidung über den Erlass des Verwaltungsaktes praktisch gefallen ist, wenn der Sachverständige sein Gutachten erstattet, die Bescheinigung ausgestellt oder ihre Ausstellung abgelehnt hat. Er wird funktionell wie organisatorisch Teil der öffentlichen Verwaltung, er wird dabei also als Teil der öffentlichen Verwaltung tätig. 126 Es handelt sich bei der Übertragung auf den Privaten somit nicht um eine materielle Privatisierung. 127 Die Verwal124 S. dazu Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 23 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 23 Rn. 56 ff.; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 108; umfassend Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104; Sellmann, NVwZ 2008, 817 (818); Gusy, DÖV 1996, 573 (581 ff.); Schulte, DVBl. 1995, 130 (135); Scholz, NJW 1997, 14 (15). 125 BGHZ 122, S. 85 (87, 88); grundlegend BGHZ 49, S. 108 (111 ff.). 126 Scholz, NJW 1997, 14 (16). 127 Streck, Der EMAS-Umweltgutachter und die Deregulierung des deutschen Umweltrechts, S. 146.

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tungshilfe 128 zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, dass sich der Staat einer Privatperson als Werkzeug zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient. Die Privatperson unterstützt die Verwaltungsbehörde bei der Durchführung bestimmter Verwaltungsaufgaben oder wird vorbereitend tätig. 129 Der Verwaltungshelfer wird – im Unterschied zum Beliehenen – nicht selbständig tätig, sondern nimmt Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörde wahr. Dabei ist die Einstufung der bisher im Verwaltungsverfahren tätigen Sachverständigen uneinheitlich. Umstritten ist die Einstufung des Sachverständigen nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. 130 Abgelehnt wird die Beleihung für den Sachverständigen nach § 26 BImSchG, 131 während der nach § 52 BImSchG einbezogene Sachverständige als Beliehener eingestuft wird. 132 Nach der Rechtsprechung ist auch der TÜV-Sachverständige im Rahmen der Tätigkeit nach §§ 21, 29 StVZO Beliehener. 133 Gleichfalls ist die Einstufung des Sachverständigen bzw. Verifizierers nach § 5 Abs. 3 und § 10 Abs. 1 TEHG als Beliehener unklar. 134 b) Der Sachverständige im Rahmen des Sachverständigenmodells Die genannten Regelungen über die Tätigkeit von Sachverständigen unterscheiden sich allerdings von der Tätigkeit des Sachverständigen im Rahmen des Sachverständigenmodells. Dieser nimmt seine Kontrollaufgaben selbständig wahr, er steht mit seinem Namen, seinem Ruf, seiner Haftpflichtversicherung für die Erfüllung der Aufgabe ein, was nicht mit einer unselbständigen Tätigkeit zu 128 S. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 60. S. ausführlich zu der Verwaltungshilfe Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 100 ff.; Stober, JuS 1982, 740 (741 f.); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 130 ff.; Wolff / Bachoff / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 5. 129 Vgl. Streck, Der EMAS-Umweltgutachter und die Deregulierung des deutschen Umweltrechts, S. 144 f. 130 Für die Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit und damit für eine Beleihung Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 26 Rn. 31 a; Kopp / Schenke, VwGO, § 98 Rn. 17; dagegen OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. 8. 1986 – 4 U 41/86, NJW 1986, 2891; Palandt-Thomas, BGB, § 823 Rn. 117. 131 Jarass, BImSchG, § 26 Rn. 26; Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 26 BImSchG Rn. 38. 132 Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 27; Hansmann / Röckinghausen, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 52 BImSchG Rn. 47. 133 S. auch OLG Köln, Urteil vom 16. 12. 1988 – 6 U 83/88, NJW 1989, 2065 (2065 f.). 134 Für eine Beleihung Schweer / von Hammerstein, TEHG, § 10 Rn. 19 ff.; Theuer, in: Frenz, Emissionshandelsrecht, § 5 TEHG Rn. 36 ff. und Frenz, in: ders. Emissionshandelsrecht, § 10 TEHG.11 ff. gehen auf diese Frage nicht ein; Körner, in: ders. / Vierhaus, TEHG, § 10 TEHG Rn. 15 vergleicht den Verifizierer mit einem Abschlussprüfer nach § 316 ff. HGB und äußern sich ebenfalls nicht zur Beleihung.

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verbinden ist. Auch ist sein Handeln nicht der Behörde zuzurechnen, zumal er nicht für eine Behörde, sondern für seinen privaten Auftraggeber tätig wird; dessen Rechtsverhältnis zur Behörde wird unter anderem durch das Vorhandensein und die Vorlage von sachverständigen Nachweisen bestimmt. Angesichts der beschriebenen Konstellation scheidet eine Verwaltungshilfe unzweifelhaft aus, denn der Private wird zum einen nicht von der Behörde herangezogen und zum anderen wird er selbständig tätig. Allerdings stellt sich die Frage, ob er als Beliehener anzusehen ist. Dafür müsste seine Tätigkeit als hoheitlich angesehen werden können. Dies ist insbesondere vorliegend schwierig, zumal sich die Staatsgewalt, wie bereits oben beschrieben, hier in einer hybriden Form zeigt. 135 Nach der Rechtsstellungstheorie liegt eine Beleihung vor bzw. ist ein Privater ein Beliehener, wenn ihm, hier also dem Sachverständigen, hoheitliche Kompetenzen übertragen worden sind. 136 Dabei kommen das sogenannte obrigkeitliche Handeln und das schlicht hoheitliche Handeln in Betracht. Nach der (weiteren) Aufgabentheorie ist die Annahme einer Beleihung nicht auf den Erlass außenwirksamer Regelungsakte beschränkt. Vielmehr soll eine Beleihung bereits dann vorliegen, wenn die Privaten aufgrund eines staatlichen Übertragungsaktes eine hoheitliche Aufgabe übertragen bekommen haben und diese wahrnehmen. 137 Obrigkeitliches Handeln liegt dann vor, wenn Subjekte öffentlicher Verwaltung einseitig verbindlich regelnd, d. h. abstrakt oder konkret verbietend, gebietend, entscheidend, Zwang androhend oder anwendend (z. B. durch Polizeibefehl, Ordnungsanordnung, Steuerbescheid und deren Durchsetzung) in die Freiheitssphäre der Verwalteten eingreifen oder über Anträge in Sozialverwaltungsoder Beamtensachen entscheiden. 138 Der Sachverständige müsste über hoheitli135

Allerdings ist der Begriff der Staatsgewalt im Rahmen des Demokratieprinzips weiter als der für die Annahme der Beleihung erforderliche Begriff des „hoheitlichen“ Handelns. 136 S. dazu Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 23 ff.; ders, FS Maurer, S. 581 (585 ff.); Heintzen, VVdStRL 62 (2003), 220 (240 f.); Peine, DÖV 1997, 353 (362); Seidel, Privater Sachverstand, S. 220 ff.; BVerfG, Beschluss v. 20. 2. 1986 – 1 BvR 859, 937/81, NJW 1987, 2501 (2502); BVerwGE 61, S. 222 (225 f.); BVerwGE 35, S. 334 (337); BVerwGE 29, S. 166 (169 f.); BVerwG, DVBl. 1970, 735 (736); BGHZ 122, S. 85 (88); BGHZ 49, S. 108 (111 f.). Kritisch zu diesem engen Verständnis Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (272 f.). 137 Vgl. wohl Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (273); Peine, DÖV 1997, 353 (362); Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46 ff.; ders., JuS 1969, 49 (70 f.); Streck, Der EMAS-Umweltgutachter und die Deregulierung des deutschen Umweltrechts, S. 171; Heintzen, VVdStRL 62 (2003), 220 (241 Fn. 99) sieht angesichts der neuen Formen der Beteiligung von Privaten an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben den Streit zwischen Rechtsstellungs- und Aufgabentheorie als erledigt an. 138 Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht I, § 23 Rn. 77.

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che Kompetenzen in Form von Anordnungs-, Befreiungs-, Entscheidungs- oder Zwangsbefugnissen verfügen. 139 Schlicht hoheitliches Handeln 140 liegt vor, wenn hoheitlich, aber ohne Einsatz von Machtmitteln gehandelt wird. Es handelt sich somit dann um schlicht hoheitliches Handeln, wenn der Staat kraft seiner übergeordneten Stellung über die Bürger als Ausfluß der öffentlichen Staatsgewalt Verwaltung führt, jedoch auf dem betreffenden Verwaltungsgebiet in der Hauptsache nicht obrigkeitlich, mit Befehl oder Zwang, tätig ist. 141 Daneben wird eine Beleihung auch ohne Entscheidungsgewalt des Beliehenen dann angenommen, wenn er die behördliche Entscheidung determiniert, und zwar in einer Weise, dass die Entscheidungen der Behörde praktisch gefallen sind, wenn der Beliehene tätig geworden ist, also letztlich eine faktische (wenn auch nicht rechtliche) Entscheidungsträgerschaft des Privaten besteht. 142 Dabei wird dann darauf abgestellt, dass der Beliehene dadurch als Bestandteil der Verwaltungstätigkeit erscheint, wobei dies auch einfach damit begründet werden kann, dass er in dieser Konstellation materiell die Verwaltungstätigkeit ausübt. Daneben wird eine Beleihung auch damit begründet, dass aufgrund der Bindung an materielle und formelle Regelungen einschließlich der hierarchischen Anbindung an die staatliche Verwaltung von der privatrechtlichen Selbständigkeit des Privaten nahezu nichts übrigbleibt. 143 An dieser Stelle lohnt ein Blick in das Bauordnungsrecht. Dort hat die MBO 2002 den Landesgesetzgebern zwei Optionen eingeräumt. Die beiden ermöglichten Gestaltungen sind die des beliehenen Unternehmers, und zwar eines solchen, der auch bei einer Beauftragung durch den Bauherrn in erster Linie im Dienst der Bauaufsichtsbehörde steht (sogenannter Prüfingenieur), oder die eines privaten Sachverständigen, der ausschließlich in zivilrechtlichen Beziehungen zum Bauherrn steht (Prüfsachverständiger). 144 Dementsprechend wird dort auch bei einer verwaltungssubstituierenden Tätigkeit davon ausgegangen, dass bei einer rein privatrechtlichen Ausgestaltung der Sachverständige keine hoheitlichen Befugnisse ausübt und damit nicht als Beliehener zu qualifizieren ist. 145 Zu unterscheiden sind diese Gestaltungen von den Gestaltungen des Prüfingenieurs für 139 Streck, Der EMAS-Umweltgutachter und die Deregulierung des deutschen Umweltrechts, S. 170. 140 S. dazu Schack, DÖV 1970, 40 ff. 141 Ebd., S. 43. 142 Vgl. dazu BGHZ 122, S. 85 (88); BGHZ 49, S. 108 (112 f.); OLG Köln, Urteil v. 16. 12. 1988 – 6 U 83/88, NJW 1989, 2065 (2065); VGH Mannheim, Urteil v. 29. 7. 1993 – 2 S 246/93, NVwZ 1994, 1135 (1136); Sellmann, NVwZ 2008, 817 (821 f.), der auch folgerichtig auf das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage verweist (dort auch weitere Nachweise); Scheel, DVBl. 1999, 442 (446). 143 Scheel, DVBl. 1999, 442 (446) m.w. N. 144 Jäde, WiVerw 2005, 1 (46); ders., MBO 2002, Anm. zu § 66, S. 225 ff. 145 Vgl. dazu Jäde, WiVerw 2005, 1 (46).

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Baustatik vor den Bauordnungsreformen, da es sich bei diesem regelmäßig um einen von der Behörde beauftragten Sachverständigen handelt. Dessen Tätigkeit wird dem schlicht-hoheitlichen Bereich zugerechnet. 146 Der Prüfingenieur für Baustatik übernimmt Prüfaufgaben, die bisher von der Verwaltung wahrgenommen worden sind, aber seine Prüftätigkeit fließt in die verfahrensabschließende Genehmigung mit ein. Die Behörde trägt zwar die Außenverantwortung, aber der sachliche Gehalt beruht auf der Tätigkeit des Prüfingenieurs, was der bereits beschriebenen Konstellation der inhaltlichen Entscheidungsbeherrschung entspricht. Demgegenüber übernehmen die Sachverständigen im Rahmen eines Sachverständigenmodells die Prüfaufgaben auf privatrechtlicher Basis; und zwar werden sie durch den Vorhabenträger beauftragt, der mit Hilfe ihrer Bescheinigungen und Gutachten die präventive Sperre überwinden will. Die Sachverständigen werden somit an Stelle der Verwaltung tätig, da bei ihrer Tätigkeit eine Prüftätigkeit der Verwaltung nicht mehr stattfindet. Grundsätzlich ist somit das Sachverständigenmodell qualitativ anders einzuordnen als die Figur des Prüfingenieurs. Wesensmäßig zielt das Sachverständigenmodell nämlich darauf ab, dass Prüftätigkeit aus dem Bereich des Genehmigungsverfahrens im engeren Sinne herausgebrochen wird, d. h. die verfahrensabschließende Entscheidung bezieht sich nicht mehr auf die sachverständig geprüften Punkte. Die sachverständige Prüfung, die privatrechtlich durch den Vorhabenträger beauftragt worden ist, führt dazu, dass eine behördliche Tätigkeit im Hinblick auf die sachverständig geprüften Aspekte entfällt. Im Übrigen ist keine einer hoheitlichen Entscheidung vergleichbare Wirkung mit der Bescheinigung verbunden, d. h. es wird kein Bestandsschutz vermittelt und kein eigener Interessenausgleich hergestellt. Durch die sachverständige Bescheinigung wird auch keine hoheitliche Entscheidung der Genehmigungsbehörde unmittelbar präjudiziert, die sachverständige Bescheinigung wird auch nicht unmittelbar zum Bestandteil einer behördlichen Entscheidung, vielmehr knüpft der (dann gesetzliche angeordnete) Verzicht auf die Prüfung lediglich an das Vorliegen der Bescheinigungen an, die im Übrigen von dem Vorhabenträger vorzulegen sind. Sie knüpft aber in keinerlei Weise an einen (ordnungsgemäßen) Inhalt dieser Bescheinigung an. Dies alles spricht dafür, dass die Sachverständigentätigkeit als nicht-hoheitlich angesehen werden kann und somit keine Beleihung erforderlich ist. Etwas anderes könnte aber dann gelten, wenn der Sachverständigenbescheinigung eine Vermutungswirkung zukommt. 147 Die sachverständige Bescheinigung hat dann die Wirkung einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung; bei entsprechenden Anhaltspunkten ist die Vermutung in Frage gestellt, und es hat eine 146

S. Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 2. So mehrere Landesbauordnungen, s. Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 321, in Fn. 1065 werden die entsprechenden Regelungen aufgezählt. 147

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Kontrolle durch die Baubehörde zu erfolgen. 148 Zwar ist in dieser Ausgestaltung die Behörde präventiv unter Umständen stärker involviert. Allerdings kann die bloße Möglichkeit einer Untersuchung durch die Behörde nicht verglichen werden mit der inhaltlichen Determination einer behördlichen Entscheidung, selbst wenn die Untersuchung zu dem Ergebnis führt, dass die sachverständige Bescheinigung ordnungsgemäß ist. Die qualitative Einstufung der sachverständigen Tätigkeit ändert sich durch diese Gestaltung nicht. Jedoch wird in ähnlichen Konstellationen eine weitere Begründung für das Vorliegen einer Beleihung angeführt. Im Zusammenhang mit der Produktzertifizierung aufgrund der Neuen Konzeption und der Verleihung des CE-Zeichens wird angenommen, dass die Verleihung des CE-Zeichens die Sperre des präventiven Verbots für das Inverkehrbringen des Produktes aufhebt. Dies wird als ausreichend für eine Beleihung angesehen, zumal die Wahrnehmung einer grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit von der positiven Entscheidung abhänge. 149 Umgekehrt wird aber im Hinblick auf die benannten Stellen im GSG vertreten, dass eine Beleihung nicht vorliege, weil ein präventives Produktprüfungsverfahren nicht existiere. 150 Die an dieser Stelle zu beantwortende Frage ist, ob eine Beleihung bereits dann vorliegt, wenn eine Tätigkeit einer präventiven Sperre unterliegt, ihre Aufnahme daher an eine Voraussetzung gekoppelt ist und diese durch einen Sachverständigen überprüft wird. Dies erscheint als sehr weitgehend, handelt es sich doch um eine private Beauftragung und eine private „Vorlage“ der Bescheinigung. Nicht jede Voraussetzung, die erfüllt sein muss, erfordert für ihr Überwinden eine Beleihung. Dies ist nur der Fall, wenn die Prüfung der Voraussetzung bzw. die Bestätigung zumindest auch als Staatsaufgabe ausgestaltet ist. Eine Beleihung liegt gerade dann nicht vor, wenn dies ausschließlich durch private Tätigkeit geschieht und die gesetzliche Voraussetzung letztlich als eine Regulierung der privaten Selbstregulierung angesehen werden kann, wenn auch eine intensiv die private Tätigkeit formende Regulierung. Eine private selbstregulierende Tätigkeit ist nämlich keine Beleihung. Die Hauptfunktion des sachverständigen Nachweises besteht vielmehr in der privaten Vergewisserung, die allerdings zur Pflicht gemacht wird. Der zusätzliche Effekt eines Entfallens behördlicher Kontrolle macht die sachverständige Tätigkeit nicht zu einer hoheitlichen. Die sachverständige Prüfung ist ein Element der Selbstkontrolle (und zwar im Genehmigungsrecht des Antragstellers als des eigentlich durch die betreffenden Normen Verpflichteten), und der Bonus für diese (erzwungene) Selbstkontrolle ist das Entfallen bzw. die Reduzierung der Prüfung durch die Verwaltung und damit der das Vorhaben betreffenden hoheitlichen Tätigkeit. Allerdings kann nunmehr nicht die gegenläufige Schlußfolgerung ge148 149 150

Gnatzy, Verfahrensliberalisierung, S. 321. So Scheel, DVBl. 1999, 442 (446 f.). Peine, GSG, § 9 Rn. 24; Janiszewski, Gerätesicherheitsrecht, § 9 GSG, Rn. 7.

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zogen werden, dass dadurch die Sachverständigentätigkeit zur hoheitlichen wird. Die Überprüfung soll die hoheitliche Prüfung nicht unbedingt in identischer Form ersetzen, sondern primär deren Wegfall kompensieren. Zudem erzeugt die private Kontrolle durch den Sachverständigen auch keinen Bestandsschutz. Es liegt somit keine Beleihung vor. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass in der Gesamtschau das Überwinden eine derartigen präventiven Sperre noch als Ausübung von Staatsgewalt im Sinne des Demokratieprinzips angesehen werden kann, denn dieser Begriff ist zum einen weiter und zum anderen nimmt diese Feststellung das Gesamtergebnis, nicht bloß isoliert die sachverständige Tätigkeit in den Blick. Somit können die Sachverständigen und ihre Tätigkeit im Rahmen des Sachverständigenmodells nicht mit den herkömmlichen Formen der Beteiligung von Privaten an der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben, der Verwaltungshilfe und der Beleihung, erfasst werden. Dies ist vor allem damit zu begründen, dass sich diese „klassischen“ Formen auf eine staatliche Erfüllungsverantwortung beziehen. Auch die Beleihung, die zwar eine eigenverantwortliche Tätigkeit Privater beinhaltet, ändert letztlich nichts an der staatlichen Erfüllungsverantwortung. Allerdings vermag diese negative Feststellung nicht zu befriedigen, geht es doch um eine positive Erfassung dieser Sachverständigentätigkeit, vielleicht auch um eine Typbildung. Dies erscheint insofern umso dringlicher, als dass derartige Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen existieren und der Sachverständigentätigkeit dort eine herausgehobene Bedeutung zukommt. So kann in dieser Hinsicht die Figur des selbständigen Verwaltungshelfers nicht überzeugen. Diese bezieht sich auf eine bestimmte Form der selbständigen, vorbereitenden Tätigkeit und ist von einer letztlich außerhalb, parallel zu der Verwaltung stehenden Tätigkeit zu unterscheiden. 151 Sie bezieht sich auf eine Erweiterung der Verwaltungshilfe und damit letztlich auf eine fortbestehende Erfüllungsverantwortung, kann aber nicht die Funktion eines Sachverständigen im Sachverständigenmodell erklären. Auch eine Kategorie eines „Dritten“ kann hier nicht überzeugen, da sie begrifflich ohne Kontur ist. Sinnvoll erscheint vielmehr, durch die für diese neue Figur gewählte Begrifflichkeit zum Ausdruck zu bringen, dass es sich grundsätzlich um ein Element der Selbstkontrolle handelt, das aber durchaus Rückwirkungen auf die staatliche Kontrolle hat. Im Rahmen des Sachverständigenmodells hat sich nunmehr die staatliche Erfüllungsverantwortung in eine Gewährleistungsverantwortung umgewandelt. Die Tätigkeit des Sachverständigen wird reguliert durch ein Gewährleistungsverwaltungsrecht. Aber der Sache nach handelt es sich, wie bereits oben festgestellt, um eine Substitution der Verwaltung. Im Rahmen des Wandels von der Erfüllungs- zu der Gewährleistungsverwaltung übernehmen Private die Durchfüh151

Vgl. zu dieser Figur Di Fabio, VVdStRL 56 (1997), 235 (273).

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rungsverantwortung und substituieren insofern die Verwaltung. Daher erscheint es sachgerecht, den Sachverständigen im Rahmen des Sachverständigenmodells als „Verwaltungssubstitut“ zu bezeichnen; im Hinblick auf die Regulierung kann man von einem „regulierten Verwaltungssubstitut“ sprechen. Dieses zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass es Kontrollfunktionen wahrnimmt, es aber ein Element der Selbstkontrolle ist, wobei diese Rückwirkungen auf die Verwaltungstätigkeit hat. An den Überlegungen zu der Einstufung ändert sich auch nichts in dem Fall, dass die Substitution lediglich fakultativ ist. Dann ändert sich die Frage des „Ob“ der Einbeziehung des Sachverständigen, nichts aber an der qualitativen Einstufung der Tätigkeit. Sie ist dann lediglich optional.

5. Die Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger Eine herausgehobene Rolle von Sachverständigen, wie im Sachverständigenmodell geplant, setzt elementar voraus, dass auch eine ausreichend große Anzahl von Sachverständigen zur Verfügung steht. Rein tatsächlich würde die Einführung eines Sachverständigenmodells dann in der Luft hängen, wenn es keine entsprechenden Sachverständigen geben würde, die die ihnen zugedachten Aufgaben auch übernehmen könnten. 152 Darüber hinaus stellt nur die Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl Sachverständiger auch das Entstehen eines Wettbewerbs sicher (der u. a. auch als Reputationswettbewerb ausgetragen wird), der zur Generierung von Effizienzvorteilen führen kann. Im Bereich des Immissionsschutzrechts kann aber auf die technischen Überwachungsvereine sowie auch bereits existente Ingenieurfirmen zurückgegriffen werden, die schon bei der Erstellung von Sicherheitsanalysen Erfahrung gesammelt haben und als geeignet zur Übernahme weiterer Aufgaben angesehen werden können. 153 Daneben existieren die Umweltgutachter nach dem UAG. Auch diese verfügen über den erforderlichen Sachverstand und können, wie dies auch die oben dargestellten Regelungen des Emissionshandelsrechts zeigen, zur Aufgabenerfüllung in anderen Bereichen herangezogen werden.

6. Die Ergebnissicherung Im Rahmen der Einbeziehung Sachverständiger müssen über die bloße Regulierung hinaus auch Elemente einer Ergebnissicherung verwirklicht werden. 152 So war auch im Rahmen der Einführung des Emissionshandelsrechts problematisch, dass rechtzeitig eine ausreichende Anzahl an Verifizierern für die Zuteilungsanträge zur Verfügung stehen würde. 153 S. auch Henrich, in: Dose / Holznagel / Weber (Hrsg.): Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, S. 71 (85).

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Dies ist ein Element der sogenannten Ergebnisverantwortung, die wiederum als Teilelement der Gewährleistungsverantwortung angesehen werden kann. Eine Gewährleistung ist essentiell darauf gerichtet, ein Ergebnis sicherzustellen. 154 Ein derartiges Mittel kann die Regulierung derjenigen Tätigkeit sein, die auf die Erstellung der Nachweise gerichtet ist. Denkbar ist ein Automatismus der Sachverständigentätigkeit durch Begutachtungsrichtlinien oder bestimmte abzuarbeitende Begutachtungsprogramme. 155 Eine gewisse Standardisierung besteht im Immissionsschutzrecht allerdings schon über die Vorgaben, die zu untersuchen sind, so dass zum einen die Notwendigkeit, zum anderen aber aufgrund der Verschiedenartigkeit der möglicherweise zu untersuchenden Gegenstände die Praktikabilität fraglich ist. Jedenfalls bietet es sich an, kritische Punkte der Sachverständigentätigkeit in dieser Form zu regeln, um eine Ergebnissicherung zu erreichen. Darüber hinaus ist die Form und der Inhalt der Bescheinigung vorzugeben, was allerdings dadurch, dass im Rahmen der präventiven Beteiligung letztlich nur zwei Ergebnisse der Begutachtung möglich sind 156, nur einen geringen Beitrag zur Ergebnissicherung leisten dürfte. Ein anderes Mittel der Ergebnissicherung ist das bereits oben genannte VierAugen-Prinzip, die Überprüfung der Sachverständigentätigkeit durch einen Gegensachverständigen. 157 Aufgrund des dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung zuwiderlaufenden Zeitbedarfs sowie den Kostenimplikationen hat dieses Mittel, obwohl sicherlich als Mittel der Ergebnissicherung geeignet, einige Nachteile. Aufgrund dieser Nachteile erscheint es als sinnvoller, Mittel der Ergebnissicherung auf der Ebene des Erstgutachters zu implementieren.

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Letztlich dient die gesamte Regulierung des Sachverständigenrechts dazu, ein bestimmtes, den Zielvorstellungen entsprechendes Ergebnis zu erreichen. Dieser Begriff macht als eigenständiger Begriff nur dann Sinn, wenn man die direkten und die indirekten Instrumente der Ziel- bzw. Ergebnissicherung oder Ergebniserreichung unterscheidet. Zu dem Begriff der Ergebnisverantwortung s. Masing, Stand und Entwicklung eines Regulierungsverwaltungsrechts, in: Bauer (Hrsg.): Das öffentliche Recht vor den Herausforderungen des Gewährleistungsstaates, S. 161 (181) [zitiert nach: Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (267 Fn. 5 und 311 Fn. 190)]; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 80; Trute, DVBl. 1996, 950 (952); Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 355 Fn. 17; Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (311); vgl. dazu auch Schuppert, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, Die Verwaltung, Beiheft 4, S. 201 (219). 155 Siehe dazu Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 495 ff. 156 Einhaltung der geprüften öffentlich-rechtlichen Vorgaben oder nicht. Mögliche Änderungen der Anlage zur Einhaltung des Normprogramms dürften bereits im Rahmen des Begutachtungsprozesses eingeflossen sein. 157 Vgl. dazu auch Scholl, der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 507 f.

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

§ 18 Die Stellung der Betroffenen und Fragen des Drittschutzes Im Rahmen der Einführung eines Sachverständigenmodells verändert sich mit einem Umbau der Aufgabenwahrnehmung die Verantwortungsstruktur. Der zentrale Akteur mit der zentralen Handlung, also die Genehmigungsbehörde mit einer umfassenden Genehmigung, besteht nicht mehr. Angesichts des Wegfalls des Anknüpfungspunktes für den Rechtsschutz und der oben beschriebenen hybriden Struktur aus privater Tätigkeit und staatlicher Gewalt stellt sich die Frage, wie der Rechtsschutz zu organisieren ist, und dabei nicht nur, um eventuelle verfassungsrechtliche Mindestpostulate zu erfüllen, sondern um insgesamt einen angemessenen Interessenausgleich sicherzustellen. Der Schutz der Rechte Dritter wird auch als ein wesentlicher Baustein des Gewährleistungsverwaltungsrechts angesehen. 158 Bereits im Rahmen der Einführung des Sachverständigenmodells im Bauordnungsrecht hat die Organisation und Gewährung des Rechtsschutzes zu erheblichen Diskussionen geführt. 159 Dabei sind grundsätzlich zwei Ebenen der Gefährdung der Rechte Dritter zu unterscheiden. Zum einen muss die Verwaltung im Rahmen ihrer fortbestehenden Tätigkeit die Rechte Dritter beachten und darf nicht „Kosten“ externalisieren. Zum anderen müssen die Rechte Dritter gegenüber der Tätigkeit der Sachverständigen geltend gemacht werden können. Und daran anschließend stellt sich die Frage, ob eine derartige Aufteilung und damit Verdopplung der Gefährdungslagen den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips widerspricht. Grundsätzlich ist daher zu klären, wie sich der Rechtsschutz im deregulierten Bereich gestaltet und ob dies den Anforderungen, die daran zu stellen sind, entspricht, insbesondere auch im Hinblick auf eine eventuelle Aufspaltung des Rechtsschutzes.

158 Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (318 ff.). Das Konzept, durch die Eintragung einer Dienstbarkeit Immissionskonflikte zu lösen, ist zum einen eher präventiver Natur und zum anderen zielt es eher auf eine Beschränkung denn eine Sicherstellung des effektiven Rechtsschutzes ab. Siehe dazu bspw. Grziwotz, KommJur 2008, 172 ff. 159 S. zu der Rechtsschutzproblematik im Rahmen der Sachverständigenmodelle des Bauordnungsrechts Seidel, NVwZ 2004, 139 ff.; ders., Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, insbesondere S. 165 ff. (Rn. 306 ff.); Bamberger, NVwZ 2000, 983 ff.; Bock, DVBl. 2006, 12 ff.; Decker, JA 1998, 799 ff.; Degenhart, NJW 1996, 1433 ff.; Jäde, WiVerw 2005, 1 (24 ff.); Mampel, BayVBl. 2001, 417 ff.; Martini, DVBl. 2001, 1488 ff. (insbesondere 1492 ff.); Oeter, DVBl. 1999, 189 ff.; Uechtritz, NVwZ 1996, 640 ff.; aus der Rechtsprechung s. das obiter dictum des BVerwG, Beschluss v. 17. 4. 1998 – 4 B 144.97, UPR 1998, 355, das scheinbar auch auf eine Einschränkung des Ermessens der Behörde hindeutet. Einen völlig anderen Ansatz, nämlich einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch des Nachbarn gegen den Bauherrn, schlägt Ortloff, NVwZ 1998, 932 ff. vor; allerdings hat sich dieser Vorschlag nicht durchsetzen können.

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1. Die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes Der nach dem Grundgesetz zu gewährleistende Rechtsschutz erstreckt sich nicht nur auf die in Art. 19 Abs. 4 GG ausdrücklich genannten Akte der öffentlichen Gewalt. Das Rechtsstaatsprinzip beinhaltet vielmehr einen umfassenden Justizgewährleistungsanspruch, so dass auch Rechtsschutz gegenüber Akten privater Dritter, die in die eigene Rechtssphäre eingreifen, gewährleistet und auch effektiv sein muss. 160 Dieser allgemeine Justizgewährleistungsanspruch ist als Kernelement des Rechtsstaatsprinzips anzusehen. 161 Gegenstand dieses Anspruchs ist die Gewährleistung von Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte, der Zugang zu staatlichen Gerichten, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung der eingreifenden Handlung sowie eine verbindliche gerichtliche Entscheidung. 162 Erforderlich ist auch eine ausreichende Klarheit der Rechtsweg- und Rechtsmittelvorschriften. 163 Im Rahmen eines Sachverständigenmodells liegt eine hybride Organisation von Staatsgewalt vor. Den privaten Sachverständigen wird, zumindest im Hinblick auf einzelne Teilaspekte, die Kompetenz eingeräumt, die präventive Schranke vor der Durchführung des Vorhabens hochzuheben. Dementsprechend besteht eine Gefährdungslage für die Betroffenen, so dass entsprechend der Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips Rechtsschutz zu gewährleisten ist.

2. Der Rechtsschutz im Rahmen des Sachverständigenmodells Das Sachverständigenmodell hat den entweder vollständigen oder teilweisen Wegfall der Genehmigung zur Folge. Diese ist bislang zentraler Anknüpfungspunkt für den Rechtsschutz der Betroffenen – es kann nämlich ein Genehmi160 Führ, in: Roßnagel / Neuser (Hrsg.): Reformperspektiven im Umweltrecht, S. 211 (233). Nicht zutreffend ist dagegen wohl der Ansatz von Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (6), der dem Gesetzgeber verwehren will, das Verfahren so auszugestalten, dass Ansatzpunkte für einen effektiven Rechtsschutz Dritter entfallen. Vielmehr darf der Gesetzgeber das Verfahren auch tiefgreifend umstrukturieren, er muss allerdings dann seinen Änderungen auch dadurch Rechnung tragen, dass er weiterhin, eventuell durch Modifikationen des Prozessrechts, effektiven Rechtsschutz gewährleistet. 161 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 197. Nach Schröder, LKV 2005, 207 (208) wirkt das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats gerade in der Privatisierungsfolgephase in Richtung eines effektiven Rechtsschutzes. 162 BVerfGE 93, S. 99 (107); BVerfGE 85, S. 337 (345); BVerfGE 54, S. 277 (291); Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HbStR II, 3. Auflage, § 26 Rn. 73; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 197. 163 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.): GG Band 2, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 201.

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gungsabwehranspruch 164 geltend gemacht werden. Dieser ist Ausdruck der dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz regelmäßig zu Grunde liegenden Dreiecksbeziehung. Akteure sind der Vorhabenträger, der Betroffene und die mit hoheitlichen Kompetenzen ausgestattete Behörde. Im Rahmen der Geltendmachung des Genehmigungsabwehranspruchs des Betroffenen wendet sich dieser an die Behörde und verlangt von ihr, die Gestattung gegenüber dem Vorhabenträger, die dieser zur Realisierung seines Vorhabens benötigt, rückgängig zu machen. Prozessual können somit die Betroffenen über die Einlegung des Widerspruchs hinaus mit Hilfe einer Anfechtungsklage die Einhaltung der materiell-rechtlichen Vorgaben gerichtlich überprüfen lassen. Für den einstweiligen Rechtsschutz kommen der mit aufschiebender Wirkung verbundene Widerspruch sowie für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung nicht besteht, der einstweilige Rechtsschutz nach § 80 VwGO in Betracht. 165 Der Rechtsschutz wird nicht zuletzt durch die Regelung des § 14 BImSchG auf diese Formen beschränkt. Nach dieser Regelung drängt eine Genehmigung den privatrechtlichen Nachbarrechtsschutz in weitem Umfang zurück, und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wird eine privatrechtsgestaltende Wirkung beigemessen. 166 Der Genehmigungsabwehranspruch besteht dann, wenn durch die Genehmigung subjektive öffentliche Rechte der Betroffenen verletzt werden. Insofern als Konsequenz des Sachverständigenmodells die Genehmigung wegfällt bzw. in ihrem Umfang reduziert wird, ändert sich die Struktur des Rechtsschutzes. Die Regelung des § 14 BImSchG greift mangels Genehmigung nicht mehr ein; zudem fehlt auch der Ansatzpunkt für eine vergleichbare Regelung, da insbesondere die Möglichkeiten der Einflussnahme von Dritten auf das Genehmigungsverfahren diese Regelung rechtfertigen. 167 Außerhalb des verbleibenden Regelungsumfangs der Genehmigung (einschließlich etwaig beantragter Abweichungen) lässt sich ihr auch keine Aussage mehr darüber entnehmen, ob ein Vorhaben mit dem geltenden Recht in Einklang steht. In diesem Bereich verletzt die Genehmigung auch mangels Rechtswirkungen keine subjektiven Abwehrrechte der Nachbarn, und es besteht kein Genehmigungsabwehranspruch mehr. 168 Dementsprechend kann der Nachbar mit einem Vorgehen gegen die Genehmigung allein sein Rechtsschutzziel nicht erreichen. 164 S. dazu Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, Rn. 8, 72, 152 ff. 165 Zu dieser Struktur des Nachbarrechtsschutzes s. Seidel, NVwZ 2004, 139 (140). 166 Jarass, BImSchG, § 14 Rn. 1. 167 Vgl. Jarass, BImSchG, § 14 Rn. 1. 168 Vgl. BVerwG NVwZ 1998, 58; VGH München, BayVGH, Beschluss vom 27. 10. 1999 – 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000, 377 (377 f.),VGH München, Beschluss v. 27. 12. 2001 – 26 ZB 00.2890, BayVBl. 2002, 499 (499); OVG Lüneburg, UPR 1997, 159; OVG Koblenz, BauR 1992, 219 f.; Martini, DVBl. 2001, 1488 (1497 f.); Reicherzer, BayVBl. 2000, 750 (753); Uechtritz, NVwZ 1996, 640 (647); Winkler, BayVBl. 1997, 744 (749).

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Dementsprechend kommt nunmehr in weiterem Umfang zivilrechtlicher Nachbarrechtsschutz in Betracht, wobei dieser aufgrund des Beibringungsgrundsatzes schwerfälliger sowie aufgrund der Regelung des § 945 ZPO im Eilverfahren risikoreicher für den Betroffenen ist. 169 Er ist zudem mit höheren Kosten verbunden. 170 Der öffentlich-rechtliche Nachbarrechtsschutz verbleibt zwar nach wie vor in der Dreieckskonstellation, allerdings muss ein Betroffener nunmehr einen Anspruch auf Einschreiten der Behörde gegen den Vorhabenträger geltend machen. Dabei sind der privatrechtliche und der öffentlich-rechtliche Nachbarrechtsschutz grundsätzlich als gleichrangig anzusehen. 171 Erste Erfahrungen mit dem Rechtsschutz im Rahmen eines Sachverständigenmodells wurden im Baurecht gesammelt. Diese Erkenntnisse und Ergebnisse können einer weiteren Untersuchung zu Grunde gelegt werden. a) Zivilrechtsschutz Auf der einen Seite steht der Zivilrechtsschutz zur Verfügung, der allerdings den Dritten mit einem Schadensersatzrisiko belastet. 172 Dies kann angesichts 169 Allerdings ist umstritten, ob die Regelung des § 945 ZPO auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO zu Gunsten des Dritten Anwendung findet (aufgrund des dreiseitigen Rechtsverhältnisses richtet sich der Antrag gegen die Behörde, die allerdings kein Interesse an einem Schadensersatz wegen der Verspätung haben dürfte). Gegen eine Anwendung in dieser Konstellation BGH, Urteil v. 23. 9. 1980 – VI ZR 165/ 78, DVBl. 1981, 28 (29 ff.); BGH, Urteil v. 7. 11. 1961 – II ZR 47/61, DVBl. 1962, 217 (218 ff.); OVG Bremen, Beschluss vom 2. 4. 1973 – 1 B 27 und 28/74 BauR 1985, 300 (303); Borges, DÖV 1997, 900 (904); Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn. 538; wohl auch Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 945 Rn. 19; Kruhl, Nachbarschutz und Rechtssicherheit im baurechtlichen Anzeigeverfahren, S. 107 ff.; Schoch, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 123 Rn. 200; wohl auch Wahl, JuS 1984, 577 (581). Für eine Anwendung: Grunsky, JuS 1982, 177 (177 ff.); Redeker, DVBl. 1962, 220 (220 f.). BGH, Urteil v. 23. 9. 1980 – VI ZR 165/78, NJW 1981, 349 (350). S. dazu auch Kirchberg, VBlBW 1981, 169 ff.; Bohle, BWVP 1990, 196 (200); Schmaltz, NdsVBl. 1995, 241 (249); zweifelnd Uechtritz, NVwZ 1996, 640 (645 f.). 170 Seidel, NVwZ 2004, 139 (142). 171 BGHZ 122, S. 1 (8); Erman-Hagen, BGB Band II, § 906 Rn. 26; Martini, DVBl. 2001, 1488 (1491 f.); Seidel, NVwZ 2004, 139 (143). Diese Gleichrangigkeit ist umstritten. Für einen Vorrang des Zivilrechts sprechen sich aus Konrad, BayVBl. 1984, 33 (37) und 70 (72); Peters, DÖV 1968, 547 (548 f.); Sellmann, DVBl. 1963, 273 (281); Schwerdtfeger, NVwZ 1983, 199 (201). Für einen Vorrang des öffentlichen Rechts spricht sich aus Bartlsperger, VerwArch 60 (1969), 35 (62); ders., DVBl. 1971, 745 f. Zum Streit s. auch Breuer, DVBl. 1983, 431 (433 ff.); Dolderer, DVBl. 1998, 19 ff.; Peine, JuS 1987, 169 ff.; v. Mutius, Jura 1989, 297 (306 ff.). Zum Verhältnis von zivilrechtlichen Ansprüchen und öffentlichem Nachbarschutz s. auch Timmermann, Der baurechtliche Nachbarschutz, S. 231 ff., 245 ff. 172 Schmidt-Preuss, VVdStRL 56 (1997), 160 (198). Dabei ist im Eilverfahren die oben angesprochene Regelung des § 945 ZPO zu nennen.

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der potentiellen Größe und wirtschaftlichen Bedeutung der betreffenden Anlage problematisch sein. Als zentrale Regelung kommt der sogenannte quasinegatorische Abwehranspruch gem. § 1004 in Verbindung mit § 823 BGB in Betracht. Dieser ist verschuldensunabhängig. Eine Norm, die nach der Schutznormtheorie nachbarschützend und somit im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes verteidigungsfähig ist, kann als Schutzgesetz im Sinne dieser Anspruchsnormen angesehen werden, so dass der Betroffene diesbezügliche Verletzungen über diesen Anspruch unmittelbar gegen den Bauherrn (bzw. Anlagenbetreiber) abwehren kann. 173 Dabei harmoniert dieser Abwehranspruch auch mit einer eventuell vorhandenen Genehmigung als beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitserklärung. Die bloße Existenz einer Genehmigung hat somit keine anspruchsausschließende Wirkung. 174 Das Verhältnis zu einer bestehenden Genehmigung bzw. den von dieser geregelten Aspekten ist allerdings umstritten. Im Bereich des Immissionsschutzrechts dürfte die Regelung des § 14 BImSchG für den nichtderegulierten Bereich weiterhin eine anspruchsausschließende Wirkung entfalten. Allerdings dürfte auch ohne eine derartige Regelung einer Genehmigung im Hinblick auf die im Rahmen der Erteilung geprüften Punkte eine anspruchsausschließende Wirkung zukommen, was insbesondere mit der Abhängigkeit des quasi-negatorischen Abwehranspruchs von den Voraussetzungen des öffentlichen Rechts erklärt werden kann. 175 Dementsprechend bezieht sich der Anwendungsbereich auch unabhängig von einer dem § 14 BImSchG vergleichbaren Regelung auf den deregulierten Bereich. Bedenken gegen die Funktion dieses Anspruchs als Instrument des Drittschutzes entstehen aufgrund der eingeschränkten Anspruchsberechtigung – § 1004 BGB findet grundsätzlich nur auf den Eigentümer Anwendung, ein Schutzgesetz 173

S. dazu Baur, JZ 1966, 381 ff.; Dürr, DÖV 2001, 625 (626).; Haag, Öffentliches und privates Nachbarrecht, S. 79; Konrad, BayVBl. 1984, 33 (37); Manssen, NVwZ 1996, 144 (146); Martini, DVBl. 2001, 1488 (1491); Numberger, BayVBl. 2008, 741 (744 f.); Seidel, NVwZ 2004, 139 (142 ff.); Uechtritz, BauR 1998, 719 (732). 174 BGHZ 140, S. 1 (= NJW 1999, 356 (357); BGH, Urteil v. 27. 5. 1959 – V ZR 28/ 58, NJW 1959, 2013 (2013 f.); v. Mutius, Jura 1989, 297 (308); Papier, FS Weyreuther, S. 291 (301); Roth, in: Staudinger, BGB, § 906 Rn. 33 (s. aber Rn. 34 zu der anspruchsausschließenden Wirkung eines Dispenses von nachbarschützenden Vorschriften); a. A. Bartlsperger, DVBl. 1971, 745 f.; Dolderer, DVBl. 1998, 19 (24 f.). 175 BayOblG, Beschluss v. 21. 2. 2001 – 2 Z BR 104/00, NJW-RR 2001, 1456 (1456 f.); OLG Hamm, Urteil v. 17. 3. 1994 – 27 U 227/93, BauR 1994, 782 (782 f.); Breuer, DVBl. 1983, 431 (438); Papier, FS Weyreuther, S. 291 (302); Seidel, NVwZ 2004, 139 (143) mit näheren Ausführungen; ders., Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, Rn. 877 ff.; Manssen, NVwZ 1996, 144 (146). A. A. BayObLG, Beschluss v. 12. 9. 1996 – 2 Z BR 52/96, NJW-RR 1997, 269 (269); v. Mutius, Jura 1989, 297 (308).

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im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB kann jedoch auch den obligatorisch Berechtigten schützen. Eine derartige Einschränkung des Rechtsschutzes auf die Eigentümer erscheint im Immissionsschutzrecht unzureichend, da die Betroffenheit weit über das bloße Eigentum an Grundstücken hinausreicht. Die gleichen Bedenken bestehen auch gegenüber einer unmittelbaren Geltendmachung des Anspruchs aus § 1004 BGB, der es grundsätzlich ebenfalls ermöglicht, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Ein deliktischer Unterlassungsanspruch besteht aufgrund von § 823 Abs. 2 BGB. Erforderlich ist ein Schutzgesetz, wobei auch das zivilrechtliche nach § 906 BGB 176 angesichts der Beschränkung auf die Eigentümer nicht ausreichend ist. In Betracht kommt allerdings auch hier eine Harmonisierung mit den Vorschriften des öffentlichen Rechts. Dies könnte dadurch geschehen, dass diejenigen Normen, die nach der Schutznormtheorie im öffentlichen Recht als drittschützend anerkannt werden, auch als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass mit Hilfe eines deliktischen Unterlassungsanspruches aus § 823 Abs. 2 BGB die Einhaltung behördlicher Auflagen verlangt werden kann. 177 Dies könnte auch dahingehend erweitert werden, dass die Einhaltung der sachverständigen Bescheinigungen als Grundlage eines rechtmäßigen Betriebs verlangt werden kann. Grundsätzlich bleiben im Hinblick auf die Effektivität des Zivilrechtsschutzes somit mehrere Probleme: Alle negativ Betroffenen müssen auch anspruchsberechtigt sein, im Eilrechtsschutz besteht des Weiteren ein Schadensersatzrisiko, und schließlich stellt der Beibringungsgrundsatz die Betroffenen vor Probleme, was insbesondere für den umweltrelevanten Bereich gilt (weniger im Bauordnungsrecht). b) Öffentlich-rechtlicher Schutz Im deregulierten Bereich können die Betroffenen keinen Rechtsschutz durch ein Vorgehen gegen die bzw. eine Genehmigung erreichen, da die von den Sachverständigen geprüften Punkte von der Feststellungswirkung der Genehmigung nicht mehr erfasst sind. 178

176

§ 906 wurde durch RGZ 145, S. 107 (116) als Schutzgesetz anerkannt. MüKo-Medicus, BGB, § 1004 Rn. 67; BGH, Urteil vom 27. 09. 1996 – V ZR 335/ 95, NJW1997, 55. Für eine Präklusionswirkung des § 14 Satz 2 BImSchG auch hinsichtlich des Anspruchs aus § 823 BGB Rehbinder, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht I, § 14 BImSchG Rn. 68. 178 So für die Baugenehmigung Preschel, DÖV 1998, 45 (52). S. auch BayVGH, Beschluss vom 27. 10. 1999 – 2 CS 99.2387, BayVBl. 2000, 377 (377 f.). 177

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aa) Kritik am Wegfall einer Genehmigung Bereits der bloße Wegfall der Genehmigung wird im Hinblick auf den Rechtsschutz kritisiert. So wird (für die Baugenehmigung) im Verhältnis zu Dritten gesagt, dass allein die präventive Kontrolle dem Dritten gegenüber wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten vermag. 179 Die Auffassung wird damit begründet, dass die Genehmigung auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens die prinzipielle Berücksichtigung auch der Interessen der Nachbarn ermögliche bzw. diesen zumindest die Chance eröffne, vor der Zulassung des Vorhabens ihre Belange einzubringen. Die dabei angestellten Überlegungen sind auch auf die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen übertragbar. Allerdings kann diese Aussage nicht pauschal jegliche andere Ausgestaltung der Kontrolle betreffen, so dass eine Überprüfung im Einzelfall erforderlich ist. Zum einen stellt sich die Frage, ob eine präventive sachverständige Kontrolle in diesem Sinne tatsächlich schlechter ist als eine präventive staatliche Kontrolle. Insbesondere vor dem Hintergrund des Bestrebens, eine größere Sachkunde bei der Kontrolle sicherzustellen, ist es sicherlich auch möglich, entgegengesetzt zu argumentieren. Zum anderen stellt sich angesichts der zu übertragenden Kontrollbereiche die Frage, ob diese Auffassung zutreffend ist, denn die Kontrolle von Vorgaben, über die selbst die Verwaltung nicht disponieren kann, kann auch nicht Gegenstand einer Beeinflussung durch die Betroffenen sein. Grundsätzlich wird kritisiert, dass ohne eine Genehmigung kein der Überprüfung einer Baugenehmigung vergleichbarer Rechtsschutz bestehen würde. 180 Dies ergebe sich daraus, dass keine öffentlich-rechtlichen Ansprüche gegen den Bauherrn bestehen, der anstelle der Bauaufsichtsbehörde die Verantwortung für die materielle Rechtmäßigkeit des Vorhabens tragen soll. Weiterhin könne gegenüber der Bauaufsichtsbehörde lediglich ein Anspruch auf Einschreiten geltend gemacht werden, wobei dieses Einschreiten grundsätzlich im Ermessen der Behörde stehe und damit ein Anspruch auf Einschreiten grundsätzlich nur dann bestehe, wenn das behördliche Ermessen auf Null reduziert sei. Dementsprechend entstehen im Rahmen des Sachverständigenmodells Probleme bei der Verwirklichung des Nachbarrechtsschutzes. bb) Der Rechtsschutz im deregulierten Bereich Vor dem Hintergrund dieser Kritik stellt sich die Frage, ob in der Konstellation des Sachverständigenmodells ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet werden kann.

179 180

Degenhart, SächsVBl. 1995, 1 (4). Ring, LKV 1995, 236 (240).

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Dabei kann im Wesentlichen zwischen zwei Lösungsansätzen unterschieden werden. Der eine beruht darauf, dem Nachbarn öffentlich-rechtliche Anspruchspositionen unmittelbar gegenüber dem Bauherrn einzuräumen. 181 Dementsprechend soll der negativ Betroffene unmittelbar gegenüber dem privaten Bauherrn einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungs- oder Folgenbeseitigungsanspruch haben bzw. sich auf einen solchen berufen können. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass der Bauherr für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften selbst verantwortlich sei und insofern an die Stelle der staatlichen Genehmigungsbehörde trete bzw. ihre Rolle übernehme. Dann sei es auch nur folgerichtig, dass die entsprechenden Ansprüche, die vorher gegenüber der Genehmigungsbehörde geltend gemacht werden konnten, nunmehr gegenüber dem privaten Bauherrn geltend gemacht werden könnten. Allerdings stößt diese Auffassung trotz ihrer Logik und Schlichtheit auf erhebliche dogmatische Bedenken. Bei der Einführung des Sachverständigenmodells übernimmt der Bauherr zwar eine gesteigerte, eine zusätzliche Verantwortung. Dabei handelt es sich aber nicht um eine öffentlich-rechtlich wahrgenommene Verantwortung. Die zugrundeliegende Aufgabe wurde aus dem öffentlich-rechtlichen Kontext herausgelöst. Die Kontrollaufgabe wird in der Regel durch Sachverständige wahrgenommen, die auf privatrechtlicher Grundlage tätig werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, in welcher Weise das Verhältnis zwischen Bauherrn und betroffenem Nachbarn zu einem öffentlich-rechtlichen werden sollte. Die Verpflichtung, im Verhältnis zu anderen die einschlägigen Vorschriften zu beachten, ist vielmehr eine Selbstverantwortlichkeit und kann keine derartige Wirkung besitzen. Dementsprechend scheiden unmittelbar gegen den Bauherrn (Vorhabenträger) gerichtete öffentlich-rechtliche Abwehransprüche aus. 182 Deshalb ist der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz über einen Anspruch auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde zu gewähren und zu gewährleisten. Dieser kann entweder im Wege der Verpflichtungsklage oder im Eilrechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO geltend gemacht werden. Allerdings steht das Einschreiten im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, so dass nach den allgemeinen Regeln bis auf die Fälle der Ermessensreduzierung auf Null nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde besteht, erstritten werden kann dann nur ein Bescheidungsurteil. Wegen des Ausnahmecharakters der Ermessensreduzierung auf Null scheint dies auf den ersten Blick zu einer Einschränkung des Rechtsschutzes zu führen. 183 Vor diesem Hintergrund wird in den Fällen, in denen aufgrund der Einführung eines Sachverständigenmodells die Genehmigung als Anknüpfungspunkt 181 Ortloff, NVwZ 2001, 997 (1001); ders., NVwZ 1999, 955 (960); ders., NVwZ 1998, 932 ff. 182 Jäde, WiVerw 2005, 1 (25); Mampel, NVwZ 1999, 385 ff.; Martini, DVBl. 2001, 1488 (1490 f.); Seidel, NVwZ 2004, 139 (141); Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (952). 183 Schmidt-Preuss, VVdStRL 56 (1997), 160 (198).

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entfallen ist, in nachbarfreundlicher Weise das Ermessen reduziert. Dabei ist allerdings umstritten, ob eine generelle Ermessensreduzierung anzunehmen oder diese zurückhaltender zu handhaben ist; 184 teilweise wird dies auch von der Nachbarbeteiligung abhängig gemacht. 185 Regelmäßig wird die Ermessensreduzierung bereits dann angenommen, wenn durch das Vorhaben nachbarschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt werden und der Nachbar mehr als nur geringfügig in seinen Rechten berührt ist. 186 Zur Begründung wird dabei auf Art. 19 Abs. 4 GG rekurriert, wobei es zutreffender erscheint, den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch heranzuziehen. 187 Daneben wird vorgebracht, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Sachverständigenmodells nicht den Umfang des Nachbarrechtsschutzes reduzieren wollte, zumindest sei dies nicht qualifiziertes legislatives Ziel gewesen. 188 Dementsprechend wird auch verlangt, dass die zu §§ 80a Abs. 3 S. 2, 80 Abs. 5 VwGO entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind, 189 zumal die repressiven Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden einen kompensatorischen Ausgleich für die fehlende präventive Kontrolle darstellen würden. 190 Für den Fall, dass keine Nachbarbeteiligung stattgefunden hat, wird diese Ermessensreduzierung auch mit einer Art Beweislastumkehr gerechtfertigt. 191 Die gleichen Erwägungen zur Ermessensreduzierung auf Null gelten auch für die Feststellung eines Anordnungsanspruchs im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes. 192 Kritisch wird vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Einführung eines Sachverständigenmodells allerdings angemerkt, dass eine extensive Anwendung der Ermessensreduzierung dem Ziel, gesellschaftliche Verantwortung unter Rückzug 184 Zu den unterschiedlichen Positionen vgl. die umfangreichen Nachweise bei Seidel, NVwZ 2004, 139 (142 Fn. 40 und 41). Zur Diskussion in diesem Kontext bestehender (auch rechtsdogmatischer) Dilemmata siehe Bock, DVBl. 2006, 12 (insbesondere 14 f.). 185 Jäde, WiVerw 2005, 1 (27). 186 Hübner, LKV 2006, 160 (161) mit weiteren Nachweisen. 187 Je nach Fallgestaltung kann dabei auch auf die jeweils geschützten Grundrechte rekurriert werden, die die Grundlage dafür darstellen, dass nach Art. 19 Abs. 4 GG bzw. dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch der Rechtsschutz nicht unwirksam werden darf. Siehe für Art. 14 GG und das Bauordnungsrecht Bock, DVBl. 2006, 12 (15). 188 Vgl. Seidel, NVwZ 2004, 139 (142); Bock, DVBl. 2006, 12 (16); Numberger, BayVBl. 2008, 741 (744). 189 Wolf, Bayerische Bauordnung (BayBO) 2008, Art. 58 Rn. 41 mit Nachweisen zu der Rspr. Zu den Begründungen siehe auch Knuth, in: Wilke / Dageförde / Knuth / Meyer / Broy-Bülow, Bauordnung für Berlin, § 63 Rn. 25. 190 So Knuth, in: Wilke / Dageförde / Knuth / Meyer / Broy-Bülow, Bauordnung für Berlin, § 63 Rn. 25 unter Verweis auf den VGH Baden-Württemberg. 191 Indem von der baurechtlichen Relevanz auszugehen ist, s. Jäde, WiVerw 2005, 1 (28). Er nimmt eine materielle Beweislast des Bauherrn für die Nachbarrechtskonformität des Vorhabens an. S. auch Jäde, ZfBR 1997, 171 (172 ff.). 192 Siehe auch Bock, DVBl. 2006, 12 (16).

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des Staates und seiner Behörden zu mobilisieren, widerspreche. Diese Zielsetzung erfasse auch die Konfliktschlichtung, da nur dann eine vollständige Verlagerung der Problematik in die gesellschaftliche Sphäre gegeben sei. Dementsprechend müssten die Behörden auch von der Konfliktschlichtung entlastet werden, und die Streitigkeiten müssten dem Zivilrechtsweg zugewiesen werden. 193 Zudem bestehe die Gefahr, dass bei einer weiteren Ausdehnung der Anwendung der Elemente der Verfahrensprivatisierung und einer gleichzeitigen extensiven Anwendung des Mittels der Ermessensreduzierung auf Null dieses nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel darstelle. 194 Auch dies steht grundsätzlich mit der Dogmatik nicht mehr im Einklang. Allerdings sind diese Bedenken nicht durchschlagend, denn letztlich trägt der Bauherr die Verantwortung für die materiell-rechtliche Konformität seines Vorhabens. Diese Verantwortlichkeit gilt auch im Rahmen der Konfliktschlichtung, was sich darin ausdrückt, dass dem Nachbarn ein effizienter Weg gegeben sein muss, diese Verantwortlichkeit einzufordern. 195 Angesichts der derzeitigen Ausgestaltung des Rechtsschutzes ist dies der öffentlich-rechtliche Rechtsschutz. 196 Dementsprechend ist davon auszugehen, dass im Zweifelsfall das Ermessen zu reduzieren ist, so dass ein Anspruch auf ein Einschreiten der Behörde besteht. 197 c) Genehmigung und Deregulierung – die Problematik der vereinfachten Genehmigung Entsprechend der oben genannten Betrachtung unterscheidet sich der Rechtsschutz danach, ob der Rechtsverstoß im deregulierten Bereich oder dem von der vereinfachten Genehmigung erfassten Bereich vorliegt, in dem nach wie vor der klassische Rechtsschutz gegen die Genehmigung einschlägig ist. Dementsprechend muss der Betroffene vor dem Rechtsschutz klären, in welchem Bereich der vermutete Rechtsverstoß besteht. Dies stellt eine zusätzliche Belastung für ihn dar. 193 S. dazu Manssen, NVwZ 1996, 144 (146); Oeter, DVBl. 1999, 189 (192); Sacksofsky, DÖV 1999, 946 (950 f.); Schmaltz, NdsVBl. 1995, 241 (247); Seidel, NVwZ 2004, 139 (142). 194 Vgl. Seidel, NVwZ 2004, 139 (142). 195 Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung zu unvollständigen Bauvorlagen auch zu Gunsten der Betroffenen im Rahmen des Rechtsschutzes im deregulierten Bereich anzuwenden sein dürfte, vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. 2. 2007 – 5 S 2826/06, BauR 2007, 1399 (1400). 196 Vgl. auch Jäde, WiVerw 2005, 1 (28 f.), der auch auf die Notwendigkeit hinweist, die Bauherrn zur Einhaltung der Vorgaben zu „erziehen“. 197 Es sei denn, der Rechtsverstoß kann durch eine zulässige Abweichung ausgeräumt werden oder die Nachbarrechtsposition ist nur geringfügig beeinträchtigt, s. Numberger, BayVBl. 2008, 741 (744).

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

Daher stellt sich die Frage, ob angesichts dieser Problematik noch von einer ausreichenden Klarheit des Rechtsschutzes gesprochen werden kann. Der Betroffene muss nämlich erhebliche Vorleistungen erbringen; bei verbleibenden Unklarheiten muss er darüber hinaus nach beiden Rechtsschutzmöglichkeiten vorgehen, was den Rechtsschutz komplizierter gestaltet. Allerdings kann dieser Problematik dadurch begegnet werden, dass die entsprechenden Anträge im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens verbunden werden (§ 44 VwGO). Dabei stellt sich dann aber die Kostenfrage, da in diesem Fall der Betroffene eventuell nur mit einem Antrag obsiegt, mit dem anderen aber unterliegen würde, während er vorher mit der Anfechtungsklage Erfolg gehabt hätte. Daher erhöht sich das Kostenrisiko für den Betroffenen. Diesem kann aber im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes dadurch begegnet werden, dass die beiden Anträge als kostenrechtliche Einheit betrachtet werden.

3. Abschließende Bewertung Anhand der Lösungen, die im Bauordnungsrecht gefunden worden sind, zeigt sich, dass bereits das geltende Verfahrensrecht Möglichkeiten bereithält, auch im Rahmen einer Verfahrensprivatisierung durch ein Sachverständigenmodell einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Jedoch würde es zu qualitativen, möglicherweise nachteiligen Auswirkungen auf den Rechtsschutz der Betroffenen kommen. So kann, wie eben dargelegt, der Rechtsschutz gerade im Bereich der vereinfachten Genehmigung wegen des reduzierten Inhalts der Genehmigung komplexer und schwieriger werden, zumal es bei einem variablen Inhalt der Genehmigung auch schwieriger sein kann, den exakten Anknüpfungspunkt und damit den richtigen Rechtsschutz herauszufinden. An die Stelle des bisherigen Rechtsschutzes gegen den zentralen Anknüpfungspunkt, die Genehmigung, treten zwei unterschiedliche Rechtsschutzwege sowie eine Aufteilung der Streitgegenstände. Der als Konsequenz des Sachverständigenmodells mögliche Privatrechtsweg ist mangels Amtsermittlungsgrundsatzes sowie aufgrund höherer Kostenrisiken grundsätzlich ungünstiger für die Betroffenen. 198 Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz wandelt sich aber, wie eben dargestellt, ebenfalls. Der Betroffene muss nunmehr ein behördliches Einschreiten fordern. Insgesamt gesehen droht ein Verfahrensdualismus, denn eventuell können an Stelle der einen Streitigkeit mehrere Verfahren entstehen. Darüber hinaus ist diese Gestaltung der Klarheit des Rechtsschutzes, insbesondere des richtigen 198 Hat aber Vorteile im Hinblick darauf, dass bei einer möglichen Legalisierung der Abweichung diese nicht durch den Klagegegner im Verfahren erteilt werden kann, zu diesem Aspekt s. Seidel, NVwZ 2004, 139 (145).

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Rechtswegs, abträglich. Der Betroffene muss sich nunmehr nicht nur Klarheit über den richtigen Rechtsweg verschaffen. Er muss auch die Konsequenzen bedenken, wenn er sich für eine Variante entscheidet. Jedenfalls fehlt ihm im Gegensatz zu einer Ausgestaltung ohne Sachverständigenmodell der zentrale Anknüpfungspunkt für den Rechtsschutz – die Genehmigung. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass es zu Erschwernissen für die Betroffenen kommt, der Rechtsschutz aber weiterhin möglich bleibt. Insbesondere bei der im Baurecht gewählten Ausgestaltung werden diese Erschwernisse in effektiver Weise abgemildert. Dies ist unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips zulässig. Dieses schreibt zwar fest, dass Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss. Allerdings fixiert es nicht den derzeitigen Umfang und die derzeitige Einfachheit des Rechtsschutzes. Es mag zwar gerechtfertigt und sinnvoll sein, an einer einfacheren und umfassenderen Gewährung von Rechtsschutz festzuhalten, dies ist allerdings nicht verfassungsrechtlich gefordert. Diese Erwägungen können auch auf den Aspekt der Effektivität des Rechtsschutzes übertragen werden. 199 Auch hier mag ein Sachverständigenmodell Erschwernisse zur Folge haben. So können insbesondere ein variabler Inhalt der Genehmigung und damit das mögliche Auseinanderfallen des Rechtsschutzes zu Erschwernissen führen. Diese überschreiten allerdings nicht den verfassungsrechtlichen Rahmen und können darüber hinaus bewältigt werden. Die Grundanforderungen des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruches sind erfüllt, denn die Betroffenen können nach wie vor Rechtsschutz erlangen. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsweg- und Rechtsmittelvorschriften in unzulässigem Ausmaß unklar sind. Es bedarf allenfalls eines erhöhten Aufwandes, um gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Dies kann zwar als nachteilig gewertet werden, ist jedoch verfassungsrechtlich nicht unzulässig. Jedenfalls erscheint es auch ohne tiefgreifende Änderungen möglich, im Rahmen eines Sachverständigenmodells einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, so dass das Rechtsstaatsprinzip dem Sachverständigenmodell zumindest nicht grundsätzlich entgegensteht. Problematisch würde es allenfalls dann, wenn im Rahmen der Einführung der Rechtsschutz übermäßig beschnitten würde. 200 Nur am Rande sei erwähnt, dass das Sachverständigenmodell auch für den Antragsteller bzw. Betreiber vereinzelte Rechtsschutzfragen aufwirft, beispielsweise hinsichtlich der richtigen verfahrensrechtlichen Behandlung seines Vorhabens. Diese Konstellation wirft allerdings geringere Fragen auf und erscheint ohne vergleichbare Probleme wie die oben beschriebenen lösbar. 201 199

Vgl. dazu Krüger / Sachs, in: Sachs (Hrsg.): GG, Art. 19 Rn. 143. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die bestehenden Möglichkeiten des Rechtsschutzes der Betroffenen verfassungsrechtlich beeinflusst werden, Mampel, NJW 1999, 975 (981) spricht von einem verfassungsdirigierten baurechtlichen Nachbarschutz. 200

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4. Verfahrensrechtliche Gewährleistungen a) Die Anhörung Im Rahmen des Gewährleistungsverwaltungsrechts stellt sich weiterhin die Frage, inwiefern auch im Hinblick auf die Tätigkeit der privaten Sachverständigen eine Anhörung vorzusehen ist. Dies würde eine entsprechende Verfahrensgestaltung voraussetzen. Auch die Durchführung einer Anhörung kann als Element des Rechtsschutzes angesehen werden. 202 Eine Pflicht zur Anhörung Beteiligter im Verwaltungsverfahren ergibt sich dabei aus dem Recht auf ein faires Verfahren 203 und damit letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip. Daneben ist eine wesentliche Funktion der Anhörung zugleich auch, dass sie zur Vervollständigung des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts beitragen und damit auf eine materiell-rechtlich richtige Entscheidung hinwirken sowie eine Überraschungsentscheidung vermeiden helfen soll. 204 Das Gebot der Anhörung wird von Burgi auch als Gegenstand der Strukturschaffungspflicht angesehen. 205 Jedenfalls stellt sich vorliegend die Frage, wie im Rahmen des Sachverständigenmodells dieses Recht auf eine Anhörung verwirklicht werden kann. Insofern bestehen zwei Möglichkeiten. Zum einen kann eine zentrale Anhörung unter Beteiligung aller Sachverständigen durchgeführt werden, wobei sich dann die Frage stellt, ob damit ein späterer Austausch von Sachverständigen möglich bleibt. Zum anderen wäre denkbar, die Pflicht zur Anhörung durch eine weiterhin durchgeführte behördliche Anhörung zu verwirklichen. Die Möglichkeit zur Entscheidungsbeeinflussung kann dann dadurch sichergestellt werden, dass die Behörde auch präventiv bereits auf einzelne Sachverständigengutachten zugreifen kann. In diesem Zusammenhang stellt sich somit grundsätzlich das Problem, dass die Anhörung in einer Weise organisiert sein muss, die eine Berücksichtigung 201 Siehe bspw. OVG Bautzen, Urteil vom 20.7 – 2006 – 1 B 260/06, LKV 2007, 530, in dem die Klage auf Feststellung der streitigen Genehmigungs- bzw. Verfahrensfreiheit eines Vorhabens als zulässig angesehen wurde (siehe dazu auch die Besprechung von Rosenkötter, NZBau 2007, 92). Diese Grundzüge können auf das Sachverständigenmodell übertragen werden. 202 Zu dieser Funktion der Anhörung s. Bonk / Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 16, 17; Schoch, NVwZ 1983, 249 (251). 203 BVerfG, Beschluss vom 18. 1. 2000 – 1 BvR 321/96, NJW 2000, 1709 (1709 f.); BVerwG, Beschluss vom 31. 8. 2000 – 1 B 30/00, NVwZ 2001, 94 (94 ff.); Bonk / Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 2; Clausen, in: Knack, VwVfG, § 28 Rn. 3 m.w. N. 204 Bonk / Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 6. Clausen, in: Knack, VwVfG, § 28 Rn. 4 bezeichnet dies als nur mittelbaren Zweck der Anhörung. 205 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 384; ders.; Die Verwaltung 33 (2000), 183 (204 f.).

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der Ergebnisse durch alle Akteure ermöglicht. Allerdings reduziert sich die Bedeutung des Problems dann, wenn die Sachverständigen nur Vorgaben, die nicht disponibel sind, kontrollieren. Insofern ist eine Beeinflussung des Ergebnisses ohnehin nur eingeschränkt möglich, und die Durchführung der Anhörung verliert an Bedeutung. Sollte die Anhörung auch durch Private durchgeführt werden, stellen sich weitere Probleme, die insbesondere damit zusammenhängen, dass die Anhörung dann auch hoheitliche Entscheidungen vorbereitet. 206 b) Die Begründung Auch die Begründung weist einen Bezug zum Rechtsschutz des Betroffenen auf. Dieser kann grundsätzlich anhand der Begründung die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens beurteilen, so dass die Begründung eine maßgebliche Vorstufe der gerichtlichen Durchsetzung von Rechten darstellt. Dementsprechend wird sie ebenfalls als Element der Strukturschaffungspflicht angesehen. 207 Sie ist allerdings an dieser Stelle mit dem Gebot der Publizität vernetzt – durch eine Einsichtnahme in die Gutachten kann diese Pflicht ohne weiteres erfüllt werden.

§ 19 Die Kompetenzen der Behörde Ein weiteres Problemfeld bei der Ausgestaltung des Sachverständigenmodells ist das Zusammenwirken, die Kooperation von behördlicher und sachverständiger Tätigkeit.

1. Die Wirkung von sachverständigen Bescheinigungen Grundlegend stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie sich das Vorliegen einer sachverständigen Bescheinigung zur Prüfungskompetenz der Verwaltung verhält, und dabei insbesondere, welche Prüfungskompetenz der Verwaltung auf präventiver Ebene verbleibt. Im Rahmen eines Sachverständigenmodells ist regelungsbedürftig, ob die Verwaltung die Punkte, für die sachverständige Bescheinigungen vorliegen (entweder bei der Behörde oder aber bei dem Anlagen206 S. dazu auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, insbesondere S. 369 ff.; vgl. zur Verfahrensverantwortung auch Pietzcker, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 284 (insbesondere 303 ff.). 207 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 384.

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

betreiber), überhaupt präventiv prüfen darf. Bestandteil der Ausgestaltung der präventiven Kompetenzen der Verwaltung ist auch, ob sie bei der Feststellung eines Verstoßes, sei es aufgrund eigener Prüfung oder aber aufgrund anderweitig erlangter Kenntnis, die Kompetenz hat, das Vorhaben bereits präventiv, unabhängig von der Notwendigkeit einer Genehmigung, zu untersagen. 208 In engem Zusammenhang dazu bedarf es einer Entscheidung, ob, wie im Bauordnungsrecht, eine (z. B. im vereinfachten Verfahren zu erteilende) Genehmigung wegen eines Verstoßes gegen nicht mehr von der Behörde zu prüfende Anforderungen versagt werden darf. Grundsätzlich wurden im Bauordnungsrecht zwei unterschiedliche Ausgestaltungen verwirklicht, und zwar eine Vermutungswirkung und eine Fiktionswirkung. 209 Grob gesagt, eröffnet dabei die eine Ausgestaltung noch eine präventive Prüfung, die andere steht ihr entgegen. Allerdings stellt sich angesichts der höheren Gefahren im Immissionsschutzrecht die Frage, ob die Fiktionswirkung zulässig ist oder ob die aus dem Verfassungsrecht abgeleitete Gewährleistungsverantwortung nicht eine präventive Prüfungskompetenz verlangt. Dabei dürften die besseren Argumente dafür sprechen, eine präventive Prüfungskompetenz der Behörde vorzusehen. Gleichzeitig ist es erforderlich, eine ausreichende Wahrnehmung dieser Prüfungskompetenz angesichts einer vollzugsabgeneigten Motivationslage der Beteiligten sicherzustellen. 210 Allerdings ist es grundsätzlich abzulehnen, aus der Prüfungskompetenz der Behörde eine Prüfungspflicht abzuleiten, da eine solche die vermuteten Vorteile eines Sachverständigenmodells in Frage stellen würde. Dementsprechend entfaltet auch weder die Unterlassung der Prüfung noch ihre Durchführung mit einem präventiv negativen 211 Ergebnis einen Bestandsschutz zugunsten des Vorhabenträgers. Für eine Beibehaltung der präventiven Prüfungskompetenz spricht auch folgendes Argument: Grundsätzlich ändert das Sachverständigenmodell nichts daran, dass der Verwaltung das repressive Zugriffsinstrumentarium erhalten bleibt, um bei Schlechterfüllung der Prüfungsaufgaben durch die zuständigen Privaten die Einhaltung der materiellen Vorgaben sicherzustellen. Dies stellt einen 208 Für die bauordnungsrechtlichen Verfahren sieht Preschel, DÖV 1998, 45 (47) eine im Ermessen stehende Befugnis der Behörde, die Genehmigung wegen mangelndem Sachbescheidungsinteresse zu versagen, wenn sie in den Bauvorlagen Rechtsverstöße außerhalb des obligatorischen Prüfprogramms feststellt. 209 S. dazu im Einzelnen oben Kapitel 2. 210 Insofern gilt wohl das Gleiche wie für den antragsunabhängigen Vollzug, in dem eine für die Behörde ungünstige Motivationslage der Beteiligten angenommen wird, weil sie für die Verwirklichung ihres Vorhabens keiner staatlichen Entscheidung bedürfen. S. vor allem Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts. Vollziehbarkeit – Deregulierung – Effizienz, S. 7 ff. 211 D. h. die Sachverständigentätigkeit gibt keinen Grund zur Beanstandung bei präventiver Überprüfung.

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notwendigen Bestandteil der staatlichen Gewährleistungsverantwortung dar. 212 Dementsprechend wäre es widersinnig, der Behörde eine präventive Kompetenz zur Untersagung abzusprechen, denn wenn sie das materielle Recht durch Anordnungen im Einzelfall repressiv, also nach Fertigstellung, durchsetzen kann, wäre es auch im Sinne des Vorhabenträgers nicht sinnvoll, die Behörde bei einem festgestellten Verstoß auf ein Abwarten bis zur Fertigstellung zu verpflichten. Letztlich ist es nur sinnvoll, wenn die Behörde im Einzelfall auch schon in einem Stadium vor Fertigstellung der Anlage tätig werden kann, denn auch die objektive Schutzfunktion von Art. 14 GG verbietet es, einen Antragsteller sehenden Auges ein materiell rechtswidriges Vorhaben verwirklichen zu lassen, nur um es vor Inbetriebnahme zu verbieten. Im Hinblick auf die Versagung einer Genehmigung wegen eines Verstoßes gegen Vorgaben, die nicht mehr zum Prüfungsumfang der Genehmigung gehören, kann ebenfalls auf die Lösungen des Bauordnungsrechts zurückgegriffen werden. Dort wird das Sachbescheidungsinteresse für die Genehmigung in der entsprechenden Konstellation verneint, so dass die Genehmigung versagt werden kann. Diese Möglichkeit besteht allerdings nicht, wenn und soweit die Behörde im Hinblick auf diese Punkte noch Prüfungen vornehmen will und somit keinen Verstoß festgestellt hat.

2. Die Regelung einer Rückholoption Daneben wurde bereits oben darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Gewährleistungsverwaltungsrechts eine Rückholoption verankert werden muss. 213 Dabei kommen unterschiedliche Möglichkeiten der Ausgestaltung in Betracht. Beispielsweise kann vorgesehen werden, dass die staatlichen Behörden bei einer anhaltenden Schlechterfüllung der Aufgaben durch die Sachverständigen ein Recht auf Ersatzvornahme oder aber ein Eintrittsrecht behalten, aufgrund dessen sie die Aufgabenerledigung entweder in Einzelfällen oder aber auch insgesamt wieder an sich ziehen können. 214 Allerdings erscheint dies vorliegend insofern nicht erforderlich, denn die Behörde behält im Sachverständigenmodell ohnehin uneingeschränkte repressive 212

Kann aber auch der Auffangverantwortung zugerechnet werden. Eine solche wird beispielsweise auch für den Fall von Public Private Partnerships gefordert. Diese können als Instrumente eines Gewährleistungsstaats verstanden werden, da sie zum einen dem Vorhalten von Leistungen, also ihrer Bereitstellung und damit der Gewährleistung des Angebots, zum anderen aber auch der Sicherstellung von gewissen Standards dabei dienen. 214 Zu einem Recht auf Ersatzvornahme, allerdings in einer etwas anders gelagerten Konstellation s. Bauer, in: Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 251 (266 ff.). 213

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Befugnisse, und dementsprechend besteht die Möglichkeit einer eigenen Kontrolle und Durchsetzung. Demnach können die repressiven Kompetenzen der Behörde als derartige Rückholoption angesehen werden. Jedenfalls gilt, sei es für die repressive Ebene, sei es aber für eine anderweitig vorgesehene Rückholoption, dass ein ausreichender Wissenstransfer durch die kontrollierenden privaten Sachverständigen an die zuständigen Behörden sichergestellt werden muss, so dass die Befugnisse effektiv wahrgenommen werden können. 215

3. Die repressive Ebene Bei dem Sachverständigenmodell handelt es sich um eine Modifikation der präventiven Kontrolle von privaten Vorhaben. Daher soll im Folgenden auch die repressive Ebene in den Blick genommen werden. Im Rahmen eines staatlichen präventiven Prüfverzichts wird ebenfalls ein Ausgleich auf repressiver Ebene, also durch verstärkte Maßnahmen der nachträglichen Überwachung, gefordert. 216 Dementsprechend würde die Einführung eines Sachverständigenmodells aus einer Kombination präventiver und repressiver Maßnahmen bestehen. Es handelt sich demnach auf repressiver Ebene um Kontrollen, die unter anderen funktionalen Voraussetzungen als die präventive Kontrolle ausgeübt werden, also letztlich um eine modifizierte Kontrolle. a) Kapazitätseffekt und Sanktionen Dabei gilt es zu untersuchen, ob es erforderlich ist, die Reduktion der präventiven Kontrolldichte durch Modifikationen auf repressiver Ebene zu kompensieren. Grundsätzlich sollte zwar aufgrund des mit dem Abbau der präventiven Kontrolle erhofften Kapazitätseffektes (Freiwerden von bisher mit der präventiven Kontrolle befasstem Personal) eine Möglichkeit zur Verbesserung der repressiven Kontrolle bestehen. Allerdings existiert auch eine vollzugsungünstigere Motivationslage der Anlagenbetreiber auf der Ebene der repressiven Überwachung, 217 was einen nachteiligen Einfluß auf den Kapazitätseffekt haben dürfte. Jedoch besteht auch die Möglichkeit, auf der Ebene der repressiven Überwachung Instrumente einzuführen, um die Motivationslage auf dieser Ebene 215 Vgl. Windmann, DÖV 2007, 948 (949); auf die Bedeutung des Wissenserhalts bzw. der Informationsbasis der Behörde weist auch Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (383) hin. 216 So für die Privatisierungsbestrebungen im Bauordnungsrecht Koch, (Verfahrens-) Privatisierung, S. 186. 217 Da diese noch eine Leistung der Behörde benötigen. Vgl. allgemein zur Motivationslage Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts: Vollziehbarkeit – Deregulierung – Effizienz, S. 7 ff.

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zu erhöhen. 218 Denkbar wären z. B. Mitwirkungspflichten, deren Nichterfüllung Konsequenzen für den Anlagenbetrieb haben könnte. Des Weiteren besteht Regelungsbedarf dahingehend, wie auf repressiver Ebene damit umgegangen werden soll, dass auf präventiver Ebene Pflichten der Beteiligten bestehen, deren Erfüllung präventiv nicht mehr kontrolliert wird. Dabei ist unter anderem denkbar, dass die Beteiligten Bescheinigungen anfertigen lassen bzw. vorhalten müssen, dies aber nicht in ausreichendem Umfang getan haben. Insofern müssen die Auswirkungen, die ein Verstoß gegen präventive Pflichten auf repressiver Ebene hat, geregelt werden. Darüber hinaus gilt es in diesem Zusammenhang auch zu untersuchen, inwiefern die Grundtypen der Verfahren der Eröffnungskontrolle aufgrund der praktischen Erfahrungen einer Modifikation bedürfen. So löst ein verstärkter Einsatz des Anzeigeverfahrens natürlich auch ein größeres Bedürfnis nach der Befolgung der dabei bestehenden Informationspflichten aus. Da die Unterlassung der Information bislang jedoch nur eine Ordnungswidrigkeit darstellt, aber nicht die Untersagung rechtfertigt, 219 müsste, insofern eine zu geringe Einhaltung der Informationspflichten festgestellt wird, auch über modifizierte Sanktionen nachgedacht werden. In Betracht käme, eine Untersagung zu ermöglichen, eventuell diese sogar als Regelfall vorzusehen, oder aber den Verstoß nicht nur als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat zu normieren. b) Übergang vom Opportunitätsprinzip zum Legalitätsprinzip Als wiederkehrender Gedanke findet sich auch der Übergang vom Opportunitäts- zum Legalitätsprinzip. Grundsätzlich besteht auf repressiver Ebene ein Ermessen der Behörde. Angesichts der Rücknahme der präventiven Kontrolle und damit einer geringeren direkten Kontrolle der Einhaltung der materiellen Vorgaben stellt es jedoch zumindest eine Option zur Gewährleistung der Einhaltung der materiellen Vorgaben dar, wenn die indirekte Kontrolle dadurch intensiviert würde, dass jeder Rechtsverstoß durch die Behörde sanktioniert werden müsste, diese also auf repressiver Ebene zumindest kein Entschließungsermessen mehr hätte. Da es sich um ein wiederkehrendes Element der Betrachtung handelt, wäre zu überlegen, ob nicht im Bereich der Verfahrensprivatisierung eine diesbezügliche Umstellung grundsätzlich vorgesehen werden sollte. 220 218 S. dazu Führ, in: Koch (Hrsg.): Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, S. 73 (83 ff.). 219 Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 8 Rn 26. 220 Siehe auch bereits oben zu der Ermessensreduzierung im Rahmen des gerichtlichen Rechtsschutzes, die letztlich vergleichbar wirkt.

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Kap. 5: Die Umsetzung des Sachverständigenmodells – Problemskizze

4. Kostenfragen Die Einführung eines Sachverständigenmodells ist für die Beteiligten nicht kostenneutral. Insbesondere stellt sich die Frage, welche Konsequenzen das Sachverständigenmodell für den Anfall von Kosten hat und wie diese Kosten zu verteilen sind. a) Verfahrenskosten Die Privatisierung des Genehmigungsverfahrens durch ein Sachverständigenmodell läuft primär auf eine verstärkte Beteiligung Sachverständiger hinaus, die mit entsprechenden Kosten verbunden ist. Dabei ist natürlich auch ein Ziel der Verlagerung auf Sachverständige, die Kosten dafür dem Antragsteller aufzubürden und die Behörde von Kosten, die gerade aus der Vorhaltung von Personal und entsprechenden Geräten bestehen, zu entlasten. Insofern bedeutet die Verfahrensprivatisierung eine Privatisierung von Kosten und zielt auch auf eine solche ab. 221 Dies würde letztlich eine Internalisierung externer Kosten darstellen und somit auch ein wirtschaftspolitisches Anliegen auf dem Wege zu einer paretooptimalen Investitionsstruktur verwirklichen. Diese Verlagerung der Kosten bedarf keiner bedeutsamen Regelungen, denn die Pflicht zur Kostentragung ergibt sich bereits unmittelbar daraus, dass der Bauherr die entsprechenden Sachverständigen selbst privatrechtlich beauftragen muss und keine Regelung besteht, die die Kosten auf eine andere Person, z. B. eine juristische Person des öffentlichen Rechts, überleitet. Daraus ergibt sich möglicherweise eine nachteilige Kostenentwicklung für den Bauherrn (wie es im Baurecht als Folge der Genehmigungsfreistellungen vermutet wird). 222 Dies wird u. a. damit in Verbindung gebracht, dass die vormals behördlichen Prüfungen auf Private übertragen würden und diese Privaten zum einen gewinnorientiert seien und zum anderen in der Privatwirtschaft ohnehin höhere Personalkosten bestünden. Zudem fiele auch die Einbringung der Fachkenntnis durch die beteiligten Fachbehörden und die günstigen Haftungsvoraussetzungen, wie beispielsweise die Amtshaftung, ersatzlos fort. 223 Diese nachteiligen Auswirkungen existieren auch in einem Sachverständigenmodell im Immissionsschutzrecht. Grundsätzlich bestehen jedoch keine Bedenken dagegen, den Vorhabenträger mit diesen Kosten zu belasten. Dies kann als Ausdruck des Verursacherprinzips 221 Goerlich, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 147 (156). 222 Stollmann, NWVBl. 1995, 41 (44). 223 Stollmann, NWVBl. 1995, 41 (44).

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angesehen werden. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der Wiederherstellung der grundrechtlichen Freiheit bestehen zwar durchaus Grenzen, die aber erst dort liegen, wo die Belastungen die Ausübung der grundrechtlichen Freiheit erheblich erschweren oder gar unmöglich machen. Dies ist allerdings eine je nach Investitionsprojekt, wirtschaftlicher Tragweite und tatsächlich entstehenden Kosten zu beantwortende Frage. b) Sonstige Kosten Darüber hinaus wird auch vermutet, dass die Eigenverantwortung zu zusätzlichen Kosten bei der Projektrealisierung selbst führen kann. So wird im Rahmen des Bauordnungsrechts von höheren Kosten für die notwendigen Versicherungen, etwa der Berufshaftpflicht, einer aufwendigeren Bauweise als präventive Abhilfe im Falle der Ungewißheit über die Anforderungen und den Haftungsfolgen gesprochen. In der Folge kann es zu höheren Honoraren und Preisen zur Abdeckung zusätzlicher Kosten dieser Art und höheren Versicherungsprämien für die eigenen Versicherungen – auch im Hinblick auf die wesentlich kostenintensiveren Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten – kommen. 224 c) Nachteilige Auswirkungen der Kostenlast Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund der Standortdiskussion auch zu untersuchen, ob und ab welchem Niveau sich die Pflicht zur Kostentragung nachteilig auf den Standort Deutschland auswirken kann. Insbesondere ist denkbar, dass die Kosten ein Investitionsprojekt derart verteuern, dass die Investitionen in der Folge andernorts durchgeführt werden. Dabei ist auch die Reduzierung der rechtssichernden Wirkung der Genehmigung mit einzubeziehen. Eine nachteilige Auswirkung auf die Investitionstätigkeit würde das wirtschaftsorientierte Ziel der Reformdebatte, deren Topos nicht zuletzt der „Standort Deutschland“ war und ist, konterkarieren. Dies ist allerdings eine politische Frage. Rechtlich ist es, wie gesehen, unproblematisch, die entstehenden Kosten nach dem Verursacherprinzip anzulasten und damit auch die durch die Sachverständigen entstehenden Kosten; ebenfalls unproblematisch wäre auch eine Kostenfreistellung der Antragsteller. Notwendig ist im Hinblick auf Art. 3 I GG eine einheitliche Regelung, wie diese aber aussehen soll, muss politisch und auch im Hinblick auf eine Folgenabschätzung entschieden werden.

224

Goerlich, in: Hoffmann-Riem / Schneider (Hrsg.): Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 147 (157).

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5. Evaluation und Lernen Ein weiterer Bestandteil des Gewährleistungsverwaltungsrechts besteht in der Verpflichtung, die Aufgabenerfüllung im Rahmen des Sachverständigenmodells und damit dessen Funktionalität zu überprüfen. 225 Damit ist sicherzustellen, dass Schwachstellen erkannt werden und das Sachverständigenmodell kontinuierlich, insbesondere im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben, verbessert werden kann.

225

Zu dieser Anforderung s. auch Voßkuhle, VVdStRL 62 (2003), 266 (325 f.).

Schlussbetrachtung und Ausblick Im Folgenden soll keine Ergebniszusammenstellung geleistet werden. Vielmehr geht es in Form einer Schlussbetrachtung darum, einige wesentliche Aspekte und Ergebnisse der Arbeit noch einmal hervorzuheben und damit insbesondere die Grundlage dafür zu legen, dass in einem kurzen Ausblick die Perspektive dieser Untersuchung verlassen, das Sachverständigenmodell in den Kontext der Vereinheitlichung der Zulassungsverfahren gestellt wird und einige Aspekte dieser Thematik kurz angesprochen werden. 1. Die Arbeit hat begonnen mit einer Darstellung der im Rahmen der Privatisierungsdiskussion verwendeten Begrifflichkeit. Insbesondere wurde dabei ein Augenmerk auf den Begriff der Verantwortungsteilung sowie die darin enthaltenen Elemente bzw. einzelnen Ebenen oder Stufen der Verantwortung gelegt. So wird gerade der Begriff der Verantwortungsteilung, der letztlich eine Chiffre für unterschiedliche Ausgestaltungen der Aufgabenerledigung durch Staat und Private darstellt, als „Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor“ behandelt. 1 Im Verlauf der Arbeit wurde dann gezeigt, dass diese Begrifflichkeit geeignet erscheint, auch andere Privatisierungsphänomene als diejenigen, für die sie ursprünglich entwickelt worden ist, beschreibend zu erfassen. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass ihr keine normative Bedeutung beigemessen wird – fehlerhaft wäre es, diese beschreibenden Kategorien selbst dazu zu nutzen, Privatisierungselemente abzuleiten bzw. zu begründen oder gar Aussagen über die Zulässigkeit einer Privatisierung selbst zu treffen. Im Rahmen der Anwendung dieser Begrifflichkeit zeigt sich allerdings, dass sie monofokussiert nur die staatliche Sphäre und die staatliche Aufgabenerfüllung in den Blick nimmt und dabei die Rolle Privater ausblendet. Insofern erfasst sie lediglich die unterschiedlichen Formen gestufter staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Es erscheint sinnvoller, eine Aufgabe insgesamt in den Blick zu nehmen, die dabei zu erfüllenden Teilaufgaben und damit Teilverantwortlichkeiten zu identifizieren und diese den verschiedenen Akteuren zuzuordnen. Im Rahmen einer Privatisierung spaltet sich die vorher monolithische Erfüllungsverantwortung in eine Durchführungsverantwortung und eine 1 S. dazu den Titel des Sammelbandes von Schuppert (Hrsg.): Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat. Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, sowie den Beitrag von Trute in diesem Sammelband, S. 13 ff.; Hoffmann-Riem, FS Klaus Vogel, S. 47 ff.; s. zum sogenannten Wandel der Staatlichkeit auch Knauff, VR 2003, 269 ff.

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Schlussbetrachtung und Ausblick

mittelbare Staatsverantwortung, bestehend aus der Gewährleistungs- und der Auffangverantwortung, auf. Dabei charakterisiert die Gewährleistungsverantwortung das Recht der Qualitätssicherung, und sie greift dann ein, wenn entweder aus verfassungsrechtlichen oder aber politischen Erwägungen eine gewisse Qualität der Aufgabenerfüllung durch Private sichergestellt werden soll. 2. Angesichts der vielfach beklagten Vollzugsprobleme und -defizite in den Zulassungsverfahren des Umweltrechts wurde als ein mögliches Instrument ihrer Behebung die Einbeziehung von unabhängigen Sachverständigen identifiziert, nicht zuletzt, um damit Abhilfe für zahlreiche, das staatliche Handeln charakterisierende Problembefunde zu schaffen. Die Sachverständigen können Teilaspekte der Verwaltungsaufgabe „Konkretisierung und Kontrolle der Genehmigungsvoraussetzungen“ übernehmen. Das geeignete verfahrensrechtliche Instrumentarium dazu ist das sogenannte Sachverständigenmodell, das eine Einbeziehung von Sachverständigen in ein Genehmigungsverfahren dadurch vorsieht, dass die staatliche Tätigkeit im Rahmen der verschiedenen Verfahrenstypen der Eröffnungskontrolle reduziert und diese Tätigkeit durch Sachverständige übernommen wird. 3. Eine Einbeziehung von Privaten, insbesondere von privatem Sachverstand, findet sich bereits im heutigen Immissionsschutzrecht. Dieses ist sogar in erheblichem Umfang von der Einbeziehung Privater, zumindest als Gutachter, geprägt. 4. Eine Einbeziehung von Sachverständigen, auch im Rahmen von Zulassungsverfahren und sogar in Form eine Sachverständigenmodells, findet sich in verschiedenen Referenzgebieten. Auf deren Grundlage konnten unterschiedliche Elemente einer Einbeziehung von Sachverständigen festgestellt werden. Diese konnten abstrahiert und zur Entwicklung eines Sachverständigenmodells für Zulassungsverfahren verwendet werden. Letztlich zeigte sich, dass in einer abstrakten, nicht auf ein bestimmtes Zulassungsverfahren bezogenen Form ein Sachverständigenmodell, bestehend aus Regelungselementen, die unterschiedliche Aspekte der Aufgabenwahrnehmung sowohl durch die Verwaltung als auch die privaten Akteure ansprechen, entwickelt werden kann. Dieses ist von seinem Anspruch her nicht auf die Anwendung in einem konkreten Zulassungsverfahren beschränkt. 5. Ein derartiges abstraktes Sachverständigenmodell hat allerdings aus sich selbst heraus keinerlei Aussagekraft dahingehend, ob es im Rahmen eines konkreten Zulassungsverfahrens Anwendung finden kann. Dies hängt, wie zu zeigen war, von unterschiedlichen Aspekten ab, wobei der wesentliche Aspekt die Art und Form der Vorgaben ist. Eine erhebliche Bedeutung für die Anwendbarkeit eines Sachverständigenmodells haben aber unter anderem auch die Gefahrenintensität, die Komplexität der zu lösenden Aufgaben und die tatsächliche Existenz verantwortungsfähiger Sachverständiger. Dieses muss aufgabenadäquat sein, und es muss eine fundierte Prognose dahingehend möglich sein, dass im Rahmen

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seiner Anwendung die Einhaltung des materiellen Rechts als hinreichend gewährleistet angesehen werden kann. 6. Im Rahmen einer eingehenden Untersuchung konnte gezeigt werden, dass das Sachverständigenmodell auch im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahrens zum Einsatz kommen kann. Dabei sind unterschiedliche Ausgestaltungsvarianten möglich, die sich insbesondere dahingehend unterscheiden, in welchem Ausmaß die Aufgaben auf Sachverständige übertragen werden sollen und wie die Verknüpfung behördlicher und sachverständiger Tätigkeit ausgestaltet wird. Als das geeignete Instrument der Eröffnungskontrolle konnte eine Mischform aus vereinfachtem Genehmigungs- und Anmeldeverfahren identifiziert werden. Von besonderer Bedeutung, aber auch Schwierigkeit war dabei der vollzugstechnische Aspekt der Herstellung einer Verbindlichkeit, der für den Fall relevant wird, dass den Sachverständigen die Kontrolle von solchen Vorgaben anvertraut wird, die nicht bereits aus sich heraus die Rechtskraft zur unmittelbaren Bindung des einzelnen Bürgers besitzen. 7. Im Verlauf der gesamten Betrachtung hat sich aber gezeigt, dass das Sachverständigenmodell nicht lediglich daraus besteht, die Aufgabenübernahme durch die Sachverständigen zu regeln, sondern immer auch ein begleitendes Recht erforderlich ist, das die Qualität der privaten Aufgabenerfüllung sicherstellt. Die Existenz eines solchen, die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sicherstellenden Rechts stellt zugleich ein erhebliches Argument für die Einführung eines Sachverständigenmodells dar. Erforderlich ist die Schaffung eines eigenen Rechts, das Ausdruck der Wahrnehmung einer fortbestehenden staatlichen Gewährleistungsverantwortung ist und dementsprechend als Gewährleistungsverwaltungsrecht bezeichnet werden kann. Dessen Hauptelement ist die „Kontrolle der Kontrolle“. Es handelt sich somit um eine Regulierung der Deregulierung. 2 Ein wesentlicher Aspekt bzw. Bestandteil dieses Rechts ist demnach die Schaffung eines Sachverständigenrechts, also die aufgabenadäquate Formung des für das Sachverständigenmodells notwendigen Sachverstands. 8. Gleichzeitig ergab die verfassungsrechtliche Analyse, dass die Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung und damit die Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrecht nicht im Ermessen des Staates stehen. Vielmehr ist dieser gerade im Umweltrecht aufgrund der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben dazu verpflichtet, ein Schutzkonzept vorzusehen. Es besteht nämlich eine Verpflichtung zu einer fortdauernden Tätigkeit des Staates. Er muss gewährleisten, dass die materiellen Anforderungen an den Schutz der Umwelt erreicht werden, wobei er allerdings nicht verpflichtet ist, dies mit eigenen Mitteln zu erreichen. Insofern kann den verfassungsrechtlichen Vorgaben keine Grenze der Privatisierung entnommen werden mit Ausnahme des Demokratie2

Und somit eine sogenannte Re-Regulierung.

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prinzips, nach dem materielle Entscheidungen, die einen Interessenausgleich zwischen Staat und Bürger oder zwischen verschiedenen Bürgern herstellen, von demokratisch legitimierten Organen zu treffen sind. Somit folgt gerade aus dieser Verpflichtung auf ein Schutzkonzept, dass der Staat zumindest eine Qualitätssicherung erbringen muss, was im Ergebnis auf eine Verpflichtung zur Schaffung eines Gewährleistungsverwaltungsrechts hinausläuft. Konkrete Vorgaben können dem Verfassungsrecht nicht entnommen werden, allerdings kann ihm die Verpflichtung auf eine Eignung dieses neu zu schaffenden, qualitätssichernden Rechts entnommen werden. Dieses muss eine Gemeinwohlbindung der einzubeziehenden Personen, insbesondere der Sachverständigen, beinhalten. 9. Ein weiteres Argument für die fortbestehende Notwendigkeit staatlicher Tätigkeit ergibt sich auch daraus, dass im Ordnungsrecht die Ziele nicht ohne staatliche Intervention erreicht werden können; es besteht hier nämlich kein eigenes Vollzugsinteresse der Vollzugsadressaten. 3 Und es ist auch keine Möglichkeit ersichtlich, wie ein Gleichlauf der Interessen hergestellt werden kann, da das Ordnungsrecht und die im Regelfall vorhandene Absicht der Gewinnerzielung prinzipiell entgegengesetzt sind. Die dargestellten ökonomischen Instrumente können dabei allenfalls partiell Abhilfe schaffen. 10. Dementsprechend kann das Sachverständigenmodell in den Begriff der Verantwortungsteilung systematisch wie folgt eingeordnet werden: Die Sachverständigen übernehmen die Durchführungsverantwortung, während der Staat die Gewährleistungs- und Auffangverantwortung innehat, wobei er die Gewährleistungsverantwortung als Verantwortung der Qualitätssicherung durch ein Gewährleistungsverwaltungsrecht wahrnimmt. Der Staat muss dabei gewährleisten, dass eine ordnungsgemäße Kontrolle stattfindet. Es handelt sich um eine indirekte Steuerung privaten Verhaltens bzw. um eine staatlich überwachte und regulierte Eigen- sowie private Fremdkontrolle. Der Wandel der staatlichen Rolle und Aufgabenwahrnehmung kann auch in diesem Bereich als Wandel vom Erfüllungsstaat zum Gewährleistungsstaat bezeichnet werden. Auch wenn diese Bezeichnungen im Rahmen der Privatisierung von Infrastrukturdienstleistungen und von sonstigen Leistungen der Daseinsvorsorge entwickelt worden sind, kann damit auch der Wandel der staatlichen Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der Einführung eines Sachverständigenmodells im Zulassungsverfahren charakterisiert werden. 11. Allerdings sollte bei aller Reformtätigkeit ein Aspekt nicht außer Acht gelassen werden – die Benchmark, um eine terminologische Anleihe in der Betriebswirtschaft aufzunehmen. Es stellt sich immer die Frage, ob die behördliche Leistung tatsächlich so unzureichend ist, wie vielfach dargestellt, und ob die deregulierten Verfahren in einer Gesamtbetrachtung tatsächlich die erhofften 3

Buhck, Überwachungsgemeinschaften im Umweltrecht, S. 17; Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts, S. 7; dies., NuR 1993, 217 (218 f.)

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Effekte zeitigen. In diesem Zusammenhang sind weitgehende Fragen zu beantworten, die bereits bei den Fragen ansetzen, ob Zulassungsverfahren überhaupt zu lange dauern, in welchen Fällen sie zu lange dauern und welches die Gründe dafür sind. Dabei handelt es sich um einen rein verwaltungswissenschaftlichen Ansatz, der letztlich einer vergleichenden empirischen Untersuchung bedarf. Insofern allerdings ordnungspolitische Erwägungen ins Spiel kommen, endet die Möglichkeit einer rechtswissenschaftlichen Betrachtung; diese kann dann vor allem Rahmen und Grenzen aufzeigen. 12. Aufbauend auf der Entwicklung des Sachverständigenmodells stellen sich perspektivisch weitere Fragen, wobei die Genehmigung und die Regelung des Sachverständigenmodells vor allem unter zwei Aspekten betrachtet werden sollen. Zum einen stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Instituts der Genehmigung, des Genehmigungsverfahrens und des Genehmigungsvorbehalts. Zum anderen stellt sich die Frage nach einer allgemeinen Normierung des Sachverständigenmodells. 13. Der erste Aspekt ist ohne jeden Zweifel dahingehend zu bejahen, dass das Rechtsinstitut der Genehmigung, das Genehmigungsverfahren und der Genehmigungsvorbehalt beizubehalten sind. Diese Instrumente sind von einer erheblichen Leistungsfähigkeit und haben im Rahmen zahlreicher Rechtsbereiche, auch im internationalen Kontext, weiterhin eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. 4 Die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung durchgeführte Analyse darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwar ein Sachverständigenmodell einen erheblichen Anwendungsbereich hat, und zwar nicht nur im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, ein solches aber auch durchaus erheblichen Einschränkungen ausgesetzt ist bzw. in bestimmter Hinsicht schnell an Grenzen stößt. Es ist insbesondere nur unzureichend dazu geeignet, einen Interessenausgleich herzustellen, dies verlangt vielmehr die Beibehaltung eines Grundgerüsts der Genehmigung auch im Rahmen seiner Anwendung. Gerade dies ist Gegenstand einer Genehmigung, und sie ist in ihrer Funktionalität dazu geeignet, einen Interessenausgleich, auch und gerade durch eine Ermessensentscheidung der Verwaltung, herzustellen. Zudem hat die Untersuchung ergeben, dass gerade in Bereichen hoher Gefahrenintensität und Komplexität eine staatliche Entscheidung zumindest über wesentliche Teilaspekte weiterhin erforderlich sein kann. Neben einer derartigen Notwendigkeit können ein Genehmigungsvorbehalt und die dadurch errichtete präventive Schranke auch dazu dienen, eine vollzugsgünstige Ausgangslage zu schaffen. 5 Es würde keinen Sinn machen, ohne eine sinnvolle Kompensation auf diese zu verzichten, auch wenn die Nutzung 4

S. dazu auch Wahl, FS Kutscheidt, S. 199 ff. (insbesondere 208 ff.). Vgl. dazu auch Troja, ZfU 1997, 317 (324); Lübbe-Wolff, Nur 1993, 217 (218 ff.); Wahl, FS Kutscheidt, S. 199 (201 f.); s. auch Knopp, NuR 1993, 401 (402); s. allgemein Gassner, DVBl. 1984, 703 ff.; Dolde, NVwZ 2006, 857 (857). 5

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dieser vollzugsgünstigen Lage im Recht der Zulassung von Industrieanlagen in der heutigen Situation des globalen Wettbewerbs um Investitionen bezweifelt werden kann. Die Exekutive ist in erheblichem Ausmaß an Ansiedlungserfolgen interessiert; sie hat somit ein Eigeninteresse an einer positiven Bearbeitung eines Antrags, so dass ihr Interesse an einem „harten Vollzug“ nachgelassen haben dürfte. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es in zahlreichen Fällen weiterhin auf die Schaffung einer derartigen Kompensation ankommen dürfte und für diese Fälle eine realisierbare Kompensation, die eine vergleichbare Gewähr für eine Erfüllung der notwendigen Funktionen bietet, nicht in Sicht ist. Die Alternative, über einen geringeren rechtlichen Schutz der Investition und dem Interesse des Betreibers an deren Erhalt über die Laufzeit hinweg die Vollzugslage zu verbessern, mag zwar im Recht der Industrieanlagen geeignet sein, aber nicht für alle Situationen, und auch nicht für den Einsatz in anderen Rechtsgebieten. 14. Eine Übernahme des Sachverständigenmodells in das Immissionsschutzrecht würde wiederum nur eine bereichsspezifische und damit eine das Genehmigungsrecht 6 fragmentierende Regelung darstellen. Daher bietet es sich an, die hier bearbeiteten Komplexe der verschiedenen Verfahrenstypen und des Sachverständigenmodells in den Kontext einer Vereinheitlichung des (Genehmigungs-) Verfahrensrechts zu stellen, 7 sie also als Gegenstand einer allgemeinen Weiterentwicklung des Genehmigungs- bzw. Anlagenzulassungsrechts zu verwenden. Ohne hier näher auf die jeweiligen Diskussionen eingehen zu wollen, wird in verschiedenen Rechtsgebieten eine Zersplitterung des Rechts der Anlagenzulassung beklagt. 15. Als Beispiele für eine Rechtszersplitterung sowie für Vereinheitlichungsbestrebungen können zum einen das Bauordnungsrecht, zum anderen aber auch das Umweltrecht mit seinem letztlich gescheiterten Projekt der Schaffung eines Umweltgesetzbuches genannt werden. 8 Das Bauordnungsrecht ist zersplittert, weil es letztlich durch die einzelnen Bundesländer geregelt wird. Die Vereinheitlichungsbestrebungen drücken sich darin aus, dass eine neue Musterbauordnung (MBO 2002) geschaffen worden ist, die auch beginnt, erste Vereinheitlichungstendenzen dadurch auszulösen, dass neu reformierte Bauordnungen sich an ihr 6 Zu dem Begriff des Genehmigungsrechts s. Wahl, in GfU (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 237 (237). 7 Zu diesem Thema s. schon Wahl, NVwZ 2002, 1192 ff.; ders., in: Blümel / Pitschas (Hrsg.): Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, S. 83 ff.; Weinl, UPR 2001, 46 ff.; zu der Bedeutung des allgemeinen Verwaltungsrechts s. Schmidt-Preuss, FS Maurer, S. 777 ff. (zum Verwaltungsverfahren s. auch S. 785 f.). Zu Grenzen der Vereinheitlichungsbestrebungen Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 376. 8 Eine weitere, bereichsübergreifend zersplitterte Materie ist auch das Regulierungsrecht, das sich entsprechend der verschiedenen Privatisierungen bereichsspezifisch für die jeweils betroffenen Sektoren entwickelt hat. Vereinheitlichungsüberlegungen finden sich aber insofern primär in der Literatur, s. Storr, DVBl. 2006 1017 ff.; Röhl, JZ 2006, 831 ff.

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orientieren. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Musterbauordnung ist die Regelung des im Bauordnungsrecht verbreiteten Sachverständigenmodells, indem es die verschiedenen Verfahrensmodelle der Zulassung sowie die der Übernahme von Kontrolltätigkeiten durch private Sachverständige regelt. 9 Der Kommissionsentwurf für ein UGB wiederum wollte ebenfalls auf die Rechtszersplitterung reagieren und stellte ein Projekt der Rechtsvereinheitlichung dar, diesmal aber nicht nur bezogen auf eine einzige, spezielle Materie wie beispielsweise das Bauordnungsrecht, sondern es nahm das gesamte Umweltrecht in den Blick und befand sich damit auf einer Ebene oberhalb der einzelnen Materien, was sich in der Regelung eines Allgemeinen Teils ausdrückte. Dabei sah es eine Vereinheitlichung des Zulassungsrechts durch die Regelung einer einheitlichen Vorhabenzulassung in diesem allgemeinen Teil vor. Diese sollte für alle im Umweltrecht erforderlichen Zulassungen zur Anwendung kommen. 10 Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass das Umweltgesetzbuch in seinem neuen Anlauf scheinbar gerade an der integrierten Vorhabenzulassung gescheitert ist, 11 also an einem Vorhaben, das der Vereinheitlichung des Zulassungsrechts dienen sollte 12 und als ein Mittel der Vereinfachung angesehen wird, das geeignet sei, das Vollzugsdefizit zu verringern. 13 9 Zu der neuen Musterbauordnung s. Jäde, MBO 2002, 2003; ders., NVwZ 2003, 668 ff.; ders., ZfBR 2002, 21 ff.; ders., ZfBR 2000, 519 (524 ff.); Reichel / Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kap 1 Rn. 406 ff. S. dazu bereits vor der Schaffung der MBO 2002 Jäde, NVwZ 2001, 982 (983 f.). Zu der fortdauernden Reformtätigkeit s. z. B. Wittkowski, NVwZ 2003, 671 ff. Zur Umsetzung der MBO 2002 in Thüringen s. Jäde, ThürVBl. 2004, 197 ff., auf S. 198 finden sich auch Anmerkungen zur Berücksichtigung der MBO 2002 in den übrigen neueren Reformen der Bauordnungen. An der brandenburgischen Bauordnung scheiden sich die Geister. Nach Waschki, Brandenburgische Bauordnung 2003, S. 9 wurden die bis dahin bekannten Vorschriften der neuen MBO berücksichtigt, während Jäde, a. a. O., auf die Abweichungen hinweist. Zur Berücksichtigung eines Entwurfs der MBO 2002 durch die HessBO s. auch Allgeier / von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, Einführung, A 2.1 (S. 2). 10 Vgl. dazu UGB-KomE, Vorbemerkungen – vor §§ 80 –114, S. 595 ff.; s. dazu auch Mast, in: Schmidt (Hrsg): Das Umweltrecht der Zukunft, S. 53 ff. Dort auch bereits zu der durch den Professorenentwurf vorgesehenen Umweltbewilligung. Die Regelung der Umweltbewilligung aufgreifend, allerdings mit einem darüber hinausgehenden Fokus, Wahl, in: Blümel / Pitschas (Hrsg.): Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, S. 83 (111 ff.). Vgl. allgemein auch Rehbinder, UPR 1995, 361 ff.; kritisch Breuer, UPR 1995, 365 ff. S. zu Vereinheitlichungsfragen im Zusammenhang mit dem UGB auch Sendler, NVwZ 1999, 132 ff.; zu der Diskussion über das UGB auch vor dem Hintergrund des Vereinheitlichungsaspekts s. auch Kloepfer, UPR 2007, 161 ff. 11 Siehe dazu den vom BMU am 20. 5. 2008 vorgelegten Referentenentwurf zum Ersten Buch des Umweltgesetzbuches. Zum Neuanlauf siehe auch Scheidler, UPR 2008, 208 (208). Ein Kernelement dieses Referentenentwurfs war die integrierte Vorhabengenehmigung. Siehe dazu auch Wakow / Grandjot, UPR 2008, 321 (321). Die integrierte Vorhabengenehmigung wurde auch als „ganzer Stolz“ des Umweltgesetzbuches bezeichnet, siehe Schrader, ZRP 2008, 60 (61); Winter, ZUR 2007, 298 (298). 12 Siehe zu der integrierten Vorhabengenehmigung im Entwurf des UGB I Calliess, ZUR 2008, 343 ff.; Sangenstedt, ZUR 2007, 505 ff., dort auch zu erhofften Vorteilen der integrierten Umweltgenehmigung.

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16. Vor dem Hintergrund möglicher Vereinheitlichungsbestrebungen 14 stellt sich die Frage, ob auch das Sachverständigenmodell in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen und in die Überlegungen zu einer Vereinheitlichung des Anlagenzulassungsrechts bzw. Genehmigungsrechts eingebettet werden kann. Die Ausführungen haben gezeigt, dass es möglich ist, ein Sachverständigenmodell, bestehend aus charakteristischen Grundelementen zu entwickeln, das nicht notwendigerweise auf ein bestimmtes Zulassungsverfahren zugeschnitten ist, sondern dessen Elemente sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie abstrakt festgestellt werden können. Daher liegt es nahe, eine abstrakte Regelung eines Sachverständigenmodells als Gegenstand einer Vereinheitlichung zu nutzen. Dabei sind zwei wesentliche Regelungskomplexe zu berücksichtigen – die Regelung von Verfahren der gestuften Eröffnungskontrolle 15 sowie die Einbindung der Rolle von Privaten in diese. 17. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage nach einer abstrakten Regelung des Anlagenzulassungs- oder Genehmigungsrechts mit dem Ziel einer Vereinheitlichung dieses Rechts. In diesem Zusammenhang sind unterschiedliche Komplexe zu beachten. Zunächst muss grundsätzlich geklärt werden, ob überhaupt eine derartige Vereinheitlichung angestrebt werden und wie weitreichend eine solche angelegt werden soll. Dies geht einher mit der Frage, auf welcher Ebene die Vereinheitlichung stattfinden soll. Gleichzeitig muss die Art und Weise der Vereinheitlichung geklärt werden. Entweder kann ein bindendes Verfahrensrecht für alle Anlagenzulassungen geschaffen werden, so dass sich die SektorRegelungen auf eine Detailregelung hinsichtlich des konkreten Anwendungsbereiches beschränken können, oder es kann eine „Muster-Regelung“ vergleichbar dem VwVfG geschaffen werden, an der sich jedes Fachgebiet ausrichten, dabei aber bereichsspezifische Besonderheiten beibehalten kann. Zudem ist der Umfang einer Vereinheitlichung zu klären – selbst bei einer Regelung auf einer abstrakten Ebene, kann dort nicht alles geregelt werden, vielmehr muss die Anwendung eines Regelungsmodells in dem einzelnen Sektor bereichsspezifische Besonderheiten berücksichtigen können. Dementsprechend gilt es zu untersuchen, in welchem Ausmaß das Sachverständigenmodell über13 Siehe Schrader, ZRP 2008, 60 (61), der darauf hinweist, dass das Vollzugsdefizit auch daher herrühre, dass „das Umweltrecht überkomplex, teils widersprüchlich und einerseits hochspezifisch, andererseits zu unbestimmt“ sei. Zur Vereinfachung sowie den Effektivitätsgewinnen sowohl für den Antragsteller wie auch die Genehmigungsbehörden siehe auch Lottermoser, UPR 2007, 401 (403). 14 S. dazu auch im Zusammenhang mit der Reformdiskussion Schmitz / Olbertz, NVwZ 1999, 126 (130 ff.). 15 Zu einer Vereinheitlichung insbesondere dieser Verfahrenstypen s. bereits Wahl, NVwz 2002, 1192 (1193, 1195); ders., in: Blümel (Hrsg.): Die Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts, 19 (50); ders., in: Blümel / Pitschas (Hrsg.): Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, S. 83 (89 ff.); Schmitz, NVwZ 2000, 1238 (1239 f.).

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haupt zum Gegenstand einer vereinheitlichenden Regelung gemacht werden sollte. Diese muss das optimale Ausmaß der Vereinheitlichung feststellen, womit die Feststellung einher geht, welche Elemente des Sachverständigenmodells auf einer „abstrakten“ Ebene geregelt werden können (und müssen). 18. Die möglichen Antworten auf diese Fragen der Vereinheitlichung sollen nachfolgend kurz skizziert werden. Der erste dabei zu behandelnde Problembereich ist die Ebene der Normierung und der Ort der Vereinheitlichung. Dabei können zwei Unterscheidungen getroffen werden. Wahl unterscheidet die Ebene des Allgemeinen Verwaltungsrechts, die tendenziell alle Verwaltungsbereiche ergreift, eine mittlere Ebene der Konkretisierung bzw. Verallgemeinerung, die sich auf eine Systembildung oberhalb der Ebene des einzelnen Gesetzes bezieht, und die Ebene des einzelnen, letztlich sektoralen und bereichsspezifischen Gesetzes. 16 In ähnlicher Weise kann für den Ort der Regelung unterschieden werden. Dabei kann ein Genehmigungsverfahrensrecht Gegenstand einer fachbereichsspezifischen Regelung auf der Ebene des spezialisierten Gesetzes normiert werden. Es kann aber auch zum Gegenstand einer systembildenden Regelung, die mehrere fachbereichsspezifische, aber thematisch verwandte Gesetze erfasst, gemacht werden, wie dies in Form des Umweltgesetzbuches geschehen sollte. Auf der höchsten Ebene kommt eine allgemeine Regelung in den Verwaltungsverfahrensgesetzen in Betracht. Diese Ansätze greifen dabei die klassische Dichotomie des Verwaltungsrechts in ein allgemeines und ein besonderes, sektorales Verwaltungsrecht auf und ergänzen diese jeweils noch um eine Zwischenebene, die entweder als Teil des allgemeinen Verwaltungsrechts eine „mittlere“ Konkretisierungsebene oder aber einen allgemeinen Teil eines Sektors des besonderen Verwaltungsrechts darstellt. 17 19. Insofern gilt zu untersuchen, ob das allgemeine Verwaltungsrecht der geeignete Ort für eine Normierung ist. Dieses soll, losgelöst von den Detail-Entwicklungen in den Gebieten des besonderen Verwaltungsrechts, eine dauerhafte Orientierung vermitteln und dient dabei der Verstetigung. Es soll die bereichsübergreifenden Trends aufgreifen, abstrahieren und für mehrere Bereiche verfügbar machen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden als Bausteine gespeichert, die eine vertypte Bewältigung vergleichbar strukturierter Probleme ermöglichen und auch neue Problemlagen zu bewältigen helfen. Dies vereinfacht, erleichtert und verbessert die sachbereichsmodifizierte Anwendung. Die indirekte Steuerungsleistung ist unverzichtbar für die Implementation von Innovationen. 18 Zudem reduziert es die Komplexität des Rechtsstoffes, wodurch die Rechtssicherheit gefördert wird. 19 16 Vgl. Wahl, in: Blümel / Pitschas (Hrsg.): Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, S. 83 (87). Vgl. dazu auch ders., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert (Hrsg.): Die Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 177 (209 f.). 17 Zu „Abstufungen der Allgemeinheit“ s. Groß, Die Verwaltung, Beiheft 2, 57 (78 ff.); Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung 28 (1994), 137 (150 f.).

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Schlussbetrachtung und Ausblick

20. Da das Sachverständigenmodell nach der hier vertretenen Auffassung möglicherweise in unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz kommen kann, ist das allgemeine Verwaltungsrecht und sind damit die Verwaltungsverfahrensgesetze der angemessene Standort. 20 Wie im Rahmen der Untersuchung festgestellt worden ist, kann die scheinbare Vielfalt, deren Unübersichtlichkeit durch eine uneinheitliche Terminologie noch vergrößert wird, auf gewisse Grundtypen reduziert werden, die einer verallgemeinernden Regelung zugänglich sind und deren Normierung die oben dargestellten Vorteile einer Normierung im allgemeinen Verwaltungsrecht entfalten sollte. Insofern kann sich dem Plädoyer von Wahl für eine Modellregelung der Verfahrenstypen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens angeschlossen werden, 21 zumal diese Verfahrenstypen ein wesentliches Element des Sachverständigenmodells darstellen und die Forderung nach einer Normierung im allgemeinen Verwaltungsrecht auf dessen andere Elemente erweitert werden. Als derartiges weiteres Element (neben den Verfahrenstypen) ist in diesem Zusammenhang auch die Übernahme der Kontrolle durch Sachverständige und das Sachverständigenrecht als Teil des Gewährleistungsverwaltungsrechts auf allgemeiner Ebene anzulegen; die Ausfüllung kann dabei den 18 Ziekow, Verankerung verwaltungsrechtlicher Kooperationsverhältnisse (Public Private Partnerships) im VwVfG, Gutachten 2001, S. 101 f., 110; Häfner, LKV 2005, 340 (342); vgl. Groß, Die Verwaltung, Beiheft 2, 57 (insbesondere 70 ff.), der die Vereinfachung sowie die Verwirklichung rechtsstaatlicher Anforderungen durch eine Reduktion der Komplexität und Förderung der Rechtssicherheit hervorhebt. Vgl. auch Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung 27 (1994), 137 ff. S. dazu allgemein auch Kahl, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 67 ff. 19 Groß, Die Verwaltung, Beiheft 2, 57 (71). 20 Schmitz, NVwZ 2000, 1238 (1240); Wahl, NVwZ 2002, 1192 (1194 f.); ders., in: Blümel / Pitschas (Hrsg.): Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, S. 83 (88 ff., 96 f.); nicht bezogen auf die gestufte Eröffnungskontrolle, sondern auf ein Zulassungsverfahren Weinl, UPR 2001, 46 (48 f.). Kritisch zu einem einheitlichen Anlagenzulassungsverfahren, aber zugunsten einer Normierung von Grundtypen und einzelnen Modulen im VwVfG Jäde, WiVerw 2005, 1 (35 f.); ders., ThürVBl. 2004, 197 (200); s. zu der Problematik der Entscheidung zwischen anlagenspezifischen Regelungen und Vereinheitlichung auch Jäde, ZfBR 1996, 241 (249). Auf die Grenzen der Vereinheitlichung weist auch Sendler, NVwZ 1999, 132 ff. hin, nämlich insbesondere, dass das materielle Recht nicht vereinheitlicht werden könne und zudem auch im Hinblick auf die Verfahren fachrechtliche Verfahrensspezifika bestehen würden. 21 Wahl, in: Blümel / Pitschas (Hrsg.): Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, S. 81 (87 ff.). Die Forderung nach einer Regelung dieser Verfahrenstypen als „allgemeines Genehmigungsrecht“ ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Regelung des VwVfG zu den Genehmigungsverfahren, anders als die zu den Planfeststellungsverfahren, unzulänglich sind, s. Wahl, a. a. O., S. 91 ff. Die Regelungen über das förmliche Genehmigungsverfahren laufen weitgehend leer, weil sich ihrer in den Fachgesetzen nicht bedient wird. Sie erfüllen somit nicht ihre Funktion. Auch im Hinblick auf die Regelungen der §§ 71a ff. VwVfG darf bezweifelt werden, ob diese überhaupt tauglicher Gegenstand gesetzlicher Regelungen sind.

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konkreten Regelungen überlassen werden. Damit ist gleichzeitig die Entscheidung für eine unverbindliche Musterregelung getroffen, die von den einzelnen Fachgesetzen durch eigene Regelungen aufgegriffen, aber auch modifiziert werden kann. Diese Regelungsebene sollte aus systematischen Gründen gewählt werden. Zudem handelt es sich bei dem Verwaltungsverfahrensrecht, wie sich in der Diskussion um die Einführung des UGB gezeigt hat, um eine „neutrale“ und nicht von bestimmten (nicht notwendig idealtypischen) Fachverfahren bereits okkupierte Materie 22, so dass eine Regelung auf einer derart abstrakten Ebene sinnvoll erscheint. Dann können zahlreiche Fachgesetze darauf zugreifen, womit die Regelung nicht nur vereinheitlichend wirkt, sondern auch die mehrfache Entwicklung derartiger Modelle verhindert. Dabei geht es nicht darum, sämtliche Spielarten dieser Verfahrensarten systematisch zu erfassen, sondern es geht um das Angebot einer Auswahl entsprechender Verfahrenstypen. 23 21. Dementsprechend sind auch im Rahmen der Vereinheitlichung die beiden schon oben unterschiedenen Komplexe zu trennen. Für die Verfahrenstypen ist eine Vereinheitlichung in jedem Fall zu begrüßen, sie ist sogar zu fordern, da sich trotz aller sowohl terminologischer als auch sonstiger (Detail-)Unterschiede, wie ausgeführt, ausreichende Gemeinsamkeiten feststellen lassen, die eine vereinheitlichende Regelung als möglich erscheinen lassen. 24 Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die bestehenden Unterschiede nicht so gravierender Art sind, als dass ihre Beibehaltung als zwingend notwendig erscheint. Zudem erscheint der Verlust an Ausdifferenzierung angesichts der zahlreichen Gemeinsamkeiten im Vergleich zu den Vorteilen einer Vereinheitlichung als gering. Insbesondere basieren viele Unterschiede auch auf dem materiellen Recht und dem sich daraus ergebenden bzw. für sie vorgesehenen Anwendungsbereich des entsprechenden Verfahrens; diesen Erfordernissen kann durch eine bereichsspezifische Anpassung der Modellregelung Rechnung getragen werden. 25 Die Regelung des Sachverständigenrechts zeichnet sich ebenfalls durch zahlreiche Gemeinsamkeiten, z. B. die allgemeinen Anforderungen an Sachverständige, aus. Allerdings dürfte hier noch in wesentlich größerem Umfang ein Ausfüllen im Detail erforderlich sein, was aber der Regelung allgemeiner Elemente nicht entgegensteht. 26

22

Jäde, ThürVBl. 2004, 197 (200). Schmitz, NVwZ 2000, 1238 (1240), der auch auf die sehr heterogenen Gestaltungen der Verfahrenstypen in den Fachgesetzen hinweist. 24 S. auch den Hinweis auf Gemeinsamkeiten für die Verfahren im Baurecht bei Jäde, ZfBR 2000, 519 (524). 25 So beispielsweise die konkrete Rolle der sachverständigen Bescheinigung (eventuelle Unterscheidung zwischen Prüfverzicht, Vermutungswirkung und Fiktion), der konkrete Umfang der durch Sachverständige zu übernehmenden Aufgaben, aber auch Fragen wie die Dauer der Wartefrist beim Anmeldeverfahren, die Vorlage der Unterlagen u.ä. 23

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Schlussbetrachtung und Ausblick

22. Im Rahmen der Klärung des Anwendungsbereiches des Sachverständigenmodelles ist aber zu beachten, dass es in seiner Eignung auf gebundene Tatbestände beschränkt ist. Ein Versagungsermessen im Rahmen einer Ressourcenbewirtschaftung, deren Sinn gerade im Umweltrecht vor dem Hintergrund des integrativen Ansatzes nicht von der Hand zu weisen ist, 27 kann damit nicht ersetzt werden. Insofern sind einer Entwicklung in Richtung einer privaten Genehmigung aus heutiger Sicht Grenzen gesetzt. 23. Die Regelung soll durch Verfahrensbausteine geschehen. Die für das Sachverständigenmodell entwickelten Verfahrensbausteine sind zu abstrahieren und zu verallgemeinern, so dass sie in das VwVfG aufgenommen werden können. 28 24. Somit kann die Integration der hier entwickelten Verfahrensbausteine durchaus in einem übergeordneten Konzept der Entwicklung einer Regelung des Genehmigungsverfahrens für das VwVfG gesehen werden. 29 Allerdings ist im Hinblick auf die Umsetzungschancen auch ein Blick auf die politischen Realitäten erforderlich, und einer derartigen Vereinheitlichung dürften wohl nur geringe Realisierungschancen einzuräumen sein, 30 was nicht zuletzt auch durch das Scheitern des Projekts eines Umweltgesetzbuches verdeutlicht wurde. 25. Abschließend ist aber auch noch darauf hinzuweisen, dass hier letztlich keine Aussagen über den tatsächlichen Effekt einer Einführung eines Sachverständigenmodells gemacht werden und auch nicht gemacht werden können. Natürlich sollen diese Instrumente dazu dienen, die dargestellten Probleme des Verwaltungsverfahrens zu beheben, aber die Eignung bzw. die Entscheidung über die Einführung kann nur Gegenstand der Prognose und anschließend der Empirie sein. Eine solche Prognose muss aber das zuständige Organ, d. h. der Gesetzgeber, treffen.

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Es können beispielsweise die allgemeinen Anforderungen an Sachverständige, die Notwendigkeit einer Zulassung und ihre Rechtsstellung geregelt werden, aber zum Einsatz in einem konkreten Rechtsgebiet bedarf es weiterer Detailregelungen, die auch schon heute vornehmlich durch Rechtsverordnungen bereitgestellt werden. 27 Vgl. dazu UGB-KomE, Vorbemerkungen – vor §§ 80 –114, 4. (S. 610). 28 S. auch Jäde, ThürVBl 2004, 197 (200). 29 Eine grundsätzliche Forderung nach „Vertypung“ erhebt Jäde, ZfBR 1996, 241 (250). 30 Jäde, ZfBR 2000, 519 (525).

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Sachwortverzeichnis Abweichungsverfahren 101, 176, 187, 204, 241, 244, 258, 277, 417, 421, 424, 427, 429 Akzeptanz der Entscheidung 60 Allgemein bindende Vorschriften 517, 521 Allgemeines Öffnungsverfahren 431 Allgemeinwohl 450 Anhörung 592 Anmeldeverfahren 72, 97, 99, 101, 120, 167, 182, 188, 239, 426, 611 Anzeigeverfahren 72, 97, 99, 120, 152, 160, 167, 181, 192, 267, 426 Auffangverantwortung 45, 47, 49, 52, 55, 478, 495, 539, 547, 604 Aufgabenadäquanz 273 Außerrechtliche Fachfrage 389, 412 Ausübung hoheitlicher Befugnisse 469 Bautechnische Nachweise 158, 173, 198, 203, 224, 236 Bauvorlageberechtigter 184 Bauvorlageberechtigung 158, 172, 197, 216, 232 – 233 Beleihung 31, 87, 114, 419, 480, 529, 563, 571, 573 Beliehener 473, 558, 571, 573 Beobachtungsverantwortung 45, 50, 52 Beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung 213 Beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitserklärung 102, 584 BVT-Merkblätter 306, 380, 385, 399, 410 Demokratische Legitimation 478 – 479, 485

339, 381,

Deregulierung 22, 25, 55, 148, 152, 256, 534, 589 Durchsetzungsverantwortung 446 Eigenverantwortung 62, 112, 137, 158, 180, 272, 439, 454, 599 Einstandsverantwortung 45, 50, 466, 547 Entscheidungscharakter 480, 482 Erfüllungsprivatisierung 32 Erfüllungsstaat 604 Erfüllungsverantwortung 45, 47, 51, 55, 118, 452, 466, 485, 487, 502, 536, 547, 577, 601 Ergebnissicherung 538, 544 –545, 578 Faktische Verantwortung 39 Fiktionswirkung 160, 217, 227, 594 Finanzierungsprivatisierung 31 Funktionale Privatisierung 32, 55, 95, 227 Funktionelle Äquivalenz 69, 85 Gefahrenintensität 109, 265, 602, 605 Gegengutachten 136, 250, 412, 420 –421, 423, 428, 430 Gemeinwohlrichtigkeit 230, 451 Genehmigungsfreistellungsverfahren 152, 160, 164, 181, 188, 192, 238, 242, 266 Gestufte Eröffnungskontrolle 28, 72, 96, 119, 147, 238, 244, 258 Gewährleistung des materiellen Rechts 41, 71, 541, 594 Gewährleistungsaufsicht 556 Gewährleistungsstaat 34, 54, 539, 604 Gewährleistungsverantwortung 45, 47 – 48, 50 – 51, 55, 62, 214, 230, 243, 257,

Sachwortverzeichnis 420, 449, 452, 459, 467, 478, 485, 487, 491, 493, 495, 502, 536, 540, 547, 577, 579, 594, 602 – 604 Gewährleistungsverwaltungsrecht 25, 36, 54, 103, 407, 424, 435, 449, 459, 475, 492 – 493, 495, 503, 536, 540, 547, 549, 577, 603 – 604 Grenzen der Privatisierung 156 Grundrechtsschutz durch Verfahren 65, 67, 446, 458 Interessenausgleich 60, 64, 157, 178, 209, 260, 268, 288, 294, 301, 403, 415, 504 – 505, 575, 604 – 605 Isolierte Verfahren 417, 422, 425, 427 – 428, 431 Kapazitätseffekt 26, 264, 596 Komplementärverfahren 182, 192 Kontrolle der Kontrolle 235, 244, 258, 430, 451, 487, 496, 503, 545, 548, 556, 603 Kontrolle der Kontrolleure 115, 258, 545, 548, 560, 565 Kontrolloption 97, 101 Kontrollverfahren 214, 417, 421, 424, 427, 430, 487 Latente Erfüllungsverantwortung 45, 53 Legalitätsprinzip 488, 547, 563, 597 Legitimation 368, 419, 423, 493 Legitimation durch Aufsicht 419 Legitimation durch Sachverstand 489 Legitimation durch Verfahren 490 Legitimationsverantwortung 491 Magisches Vieleck 60 Materielle Privatisierung 32, 55, 479, 487, 537, 571 Materielle Rechtmäßigkeitsfiktion 210 Mediation 86 Nachvollziehende Amtsermittlung 81, 84

681

Neue Konzeption 106 Normative Ermächtigungslehre 346 Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften 332, 393, 408, 518 Notwendige Staatsaufgaben 461, 465 Opportunitätsprinzip 488, 547, 562, 597 Organisationsprivatisierung 31 Planungsrechtliche Genehmigung 160, 214 Praktische Konkordanz 457 Privatisierungsfähigkeit 404 Prospektive Verantwortung 39, 41 Prüfoption 98 –99, 101, 161, 168, 181, 186, 261 Prüfungsrecht 166, 219 Prüfungsverpflichtung 166 Prüfverzicht 178, 186, 208, 217, 224, 226, 228, 231 –232, 237, 611 Qualitätssicherung 116, 184, 239 –240, 277, 425, 449, 489, 502, 537, 548, 556 – 557, 602, 604 Qualitätssicherungssystem 107, 565 Qualitätssicherungsverfahren 544 Rahmengenehmigung 103 Rahmenverantwortung 45 – 46, 51, 55, 537 Rechtliche Fachfrage 412 Rechtssicherheit 62, 154, 180, 261, 272, 357, 395, 427, 435, 498 Regulierte Selbstregulierung 34 –35 Regulierungsbehörde 563 Regulierungsverantwortung 45, 47, 49 Retrospektive Verantwortung 38 Richtigkeit durch Standardisierung 400 Richtigkeitsgewähr 61, 244, 339, 503, 538, 548, 560 Risikoabwägung 72 Rückholoption 451, 544, 546 –547, 562, 595

682

Sachwortverzeichnis

Sachverständige Bescheinigung 100, 197, 208, 213, 231, 417, 419, 421, 433 – 435, 575, 593 Sachverständige Gremien 109, 375, 419 – 420, 423 Sachverständige Wertung 157, 179, 260, 275, 279, 301, 361, 369, 390, 392, 405, 410, 413, 505 Sachverständiger 123 Schutzkonzept 449, 453, 458, 478, 502, 537, 603 – 604 Selbständiger Verwaltungshelfer 577 Staatsaufgabe 459 Stand der Technik 290, 293, 310, 384, 388, 396, 410, 414, 522 Standardisierbarkeit 266 Strukturschaffungspflicht 131, 485, 491, 539, 543

Verfahrensbeschleunigung 22, 55, 62, 68, 579

Technische Regelwerke 385, 408, 417

Verwaltungshelfer 543, 572

Überwachungsverantwortung 47, 49 Untermaßverbot 442 Untersagungsermächtigung für den Einzelfall 97 – 98, 162

Verwaltungshilfe 32, 95, 114, 571, 573

Verantwortung 34, 37, 72 Verantwortungsfähigkeit 272 Verantwortungsstufung 44 Verantwortungsteilung 29, 34, 37, 41, 43, 54 – 55, 59, 72, 74, 80, 83, 536 – 537, 547, 601, 604 Verantwortungsverteilung 42, 197 Vereinfachtes Genehmigungsverfahren 97, 101, 160, 188, 222, 238, 242, 427, 432

Vollzugsdefizit 25, 92, 137, 264, 563, 607

Verfahrensderegulierung 243 Verfahrenseffizienz 66 –67, 557 Verfahrensfreistellung 72 Verfahrensprivatisierung 22, 30, 33, 55, 58, 61 – 62, 68 –69, 85, 112, 131, 148, 318, 334, 353, 454, 457, 478, 500 –501, 505, 511, 513 –514, 529, 548, 557, 589 – 590, 598 Verfahrensrechtliche Genehmigungsfiktion 210 Verfahrensverantwortung 75, 80, 87, 131 Verfahrensvereinfachung 22 Vermögensprivatisierung 31 Vermutungswirkung 160, 225, 387 –388, 427, 575, 594, 611 Verwaltungsergänzung 94, 113 32, 48, 85, 95, 481,

Verwaltungskompensation 115 Verwaltungssubstitution 113 Vier-Augen-Prinzip 175, 199, 226, 231 – 233, 236, 238, 244, 565, 579 Vollzugsmodell 74, 405, 410, 416 Vorbereitungsprivatisierung 543 Wahrung der materiellen Standards 70 Zertifizierungsverfahren 103 Zugriffsoption 53, 245, 451, 543