Verantwortung für die Forschung: Vorträge anläßlich des Festaktes zum 20jährigen Bestehen des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer am 23. September 1996 [1 ed.] 9783428493494, 9783428093496

Das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer ist die einzig

116 20 8MB

German Pages 102 Year 1998

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Verantwortung für die Forschung: Vorträge anläßlich des Festaktes zum 20jährigen Bestehen des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer am 23. September 1996 [1 ed.]
 9783428493494, 9783428093496

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Verantwortung für die Forschung

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 125

Verantwortung für die Forschung Vorträge anläßtich des Festaktes zum 20jährigen Bestehen des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer am 23. September 1996

herausgegeben von

Willi Blümel und Klaus König

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Verantwortung für die Forschung : Vorträge anläßlich des Festaktes zum 20jährigen Bestehen des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer am 23. September 1996 I hrsg. von Willi Blüme1 und Klaus König. Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer ; Bd. 125) ISBN 3-428-09349-6

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-09349-6

Vorwort

Das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer ist die einzige außeruniversitäre Forschungseinrichtung in Deutschland, die sich aus der Perspektive aller relevanten Wissenschaftsdisziplinen mit dem Erfahrungsgegenstand "öffentliche Verwaltung" von der kommunalen bis zur supranationalen· Ebene multi- und interdisziplinär befaßt. Die Ursprünge des Instituts reichen in die frühen sechziger Jahre zurück, in denen personelle Forschungskapazitäten zu einem Forschungsinstitut der Hochschule zusammengefaßt wurden. Im Jahr 1976 wurde das Institut dann als überregional bedeutsame Forschungseinrichtung anerkannt und in die gemeinsame Forschungsförderung des Bundes und der Länder nach Art. 91 b Grundgesetz aufgenommen. Heute gehört das Institut der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste (WBL) und ihrer Sektion B, "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften" an. Diese neue Gemeinschaft hat deutlich werden lassen, daß das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung zu den kleinen außeruniversitären Forschungseinrichtungen gehört. Außenstehende nehmen das häufig nicht wahr, weil das Institut eine wohl bemerkenswerte Produktivität und Relevanz entfaltet hat; jedenfalls wird das von vielen Interessierten gesagt. Es war ein gutes Konzept, die 19 Professoren der Hochschule mit durchschnittlich 25 jungen Wissenschaftlern (einschließlich der durch Drittmittel finanzierten Referenten) in einer Einrichtung zu vereinen, die den Spielregeln einer nicht lehrstuhlbezogenen Forschung unterworfen ist. In wissenschaftlichen Evaluationen wie in Rechnungshofprüfungen wurde deutlich, daß das Speyerer Forschungspotential durch einen Ausbau der Referentenebene noch besser ausgeschöpft werden könnte. Eine solche Ausweitung ist nicht gelungen. Angesichts der heutigen Sparzwänge muß das Institut auf bessere Zeiten warten.

6

Vorwort

Ein zwanzigjähriges Bestehen ist in der eher nüchternen Welt der Verwaltungsforschung ein bescheidener Anlaß zu einem Festakt So ist dann auch dieses Jubiläum als Arbeitstagung ausgestaltet worden. Die Veranstaltung dem Thema "Verantwortung für die Forschung" zu widmen, lag aus zwei Gründen nahe: Zum einen gilt es, angesichts veränderter finanzieller und wettbewerbsbezogener Rahmenbedingungen die Rolle der Forschung im universitären und außeruniversitären Bereich grundsätzlich zu überdenken, zum anderen steht es auch dem Speyerer Institut nach 20 Jahren gut an, Bilanz zu ziehen und sein Forschungsprofil für die Herausforderungen der kommenden Jahre zu schärfen. Zu dem Gelingen des in diesem Sinne sachorientierten Festakts haben viele beigetragen: die Vortragenden, indem sie nicht nur aus sehr unterschiedlichen Perspektiven der Erörterung des Themas Tiefe gaben, sondern auch ihre Verbundenheit zum Forschungsinstitut zum Ausdruck brachten; ausdrücklich erwähnt sei der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Herr Kurt Beck, der durch die Übernahme der Eröffnungsrede den hohen Stellenwert unterstrich, den das Land der verwaltungswissenschaftlichen Forschung im Speyerer Institut beimißt; die Teilnehmer, die sich - wie für Speyer charakteristisch - aus Wissenschaftlern und Vertretern der drei öffentlichen Gewalten zusammensetzten, darunter nicht zuletzt die die Bund-Länder-Trägerschaft des Instituts repräsentierenden Mitglieder des Institutsverwaltungsrats; die Mitarbeiter des Instituts und der Hochschule, die bei der Organisation der Tagung ebenso tatkräftig wie effizient mitwirkten. Allen sei herzlich gedankt. Speyer, im Februar 1997

Willi Blümel Klaus König

Inhaltsverzeichnis Univ.-Prof. Dr. Dr. Klaus König Begrüßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Univ.-Prof. Dr. Willi Blümel Begrüßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

Ministerpräsident Kurt Beck Eröffnungsrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Staatssekretär Dr. Fritz Schaumann Staatliche Verantwortung für die Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Univ.-Prof. Dr. lngolf Hertel Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. .. .. . . . . . . . .

41

Univ.-Prof. Dr. Jürgen Zöllner Verantwortung der Politik für die Forschung

49

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Frühwald Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion

63

Univ.-Prof. Dr. Gerd Roellecke Verantwortung für die Forschung - philosophisch betrachtet . . . . . . . . . . . .

79

Univ.-Prof. Dr. Dr. Klaus König Ausblick in die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

Begrüßung durch den Geschäftsführenden Direktor Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Geschäftsführender Direktor möchte ich Sie sehr herzlich am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften begrüßen. Wir haben diesen Festakt anläßtich unseres 20jährigen Bestehens dem Thema "Verantwortung für die Forschung" gewidmet. Wir freuen uns, Mitglieder und Mitarbeiter des Forschungsinstituts, daß Sie so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind. Daß es uns gelungen ist, so kompetente Redner für unsere Thematik zu gewinnen, ist dem ehemaligen Direktor des Forschungsinstituts zu verdanken. Ich darf Sie, lieber Herr Kollege Blümel, bitten, unsere Gäste zu begrüßen.

Begrüßung durch den ehemaligen Geschäftsführenden Direktor Universitätsprofessor Dr. Willi Blümel

Herr Ministerpräsident, verehrte Abgeordnete, Herr Staatsminister, Herr Staatssekretär, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Festakt, zu dem ich Sie sehr herzlich begrüßen darf, feiert das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer sein 20jähriges Bestehen. 20 Jahre sind zwar nicht viel, wenn man bedenkt, daß in diesem und im nächsten Jahr sowohl das Land Rheinland-Pfalz als auch die 1947 errichtete Hochschule Speyer mit zahlreichen Jubiläumsveranstaltungen ihrer jeweiligen Gründung vor 50 Jahren gedenken. Indessen sind wir der Meinung, daß es einem Forschungsinstitut wie dem unseren gut ansteht, von Zeit zu Zeit einmal in der Arbeit kurz innezuhalten und sich Gedanken über den eigenen Standort in der Forschungslandschaft und über die Situation der Forschung in Deutschland zu machen. Vor 10 Jahren feierten wir das zehnjährige Bestehen des Forschungsinstituts in Form einer dreitägigen Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung über das auch gegenwärtig noch aktuelle Thema "Herausforderungen an die Innovationskraft der Verwaltung". Bei den Vorbereitungen zu unserer heutigen Jubiläumsveranstaltung bot es sich geradezu an, einmal konzentriert der Frage nach der - nicht nur staatlichen - Verantwortung für die Forschung nachzugehen. Daß wir das Thema richtig gewählt haben, zeigt die umfassende Diskussion der letzten Wochen und Monate über den Stand der Forschung in Deutschland. Vor diesem Hintergrund erfüllt es uns mit Genugtuung und Stolz, daß wir so prominente und kompetente Redner für unseren Festakt gewinnen konnten. Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident Beck, sind, wie ich es in meiner Amtszeit immer wieder erfahren durfte, dem Forschungs-

Begrüßung

11

institut und der Hochschule Speyer persönlich in besonderer Weise gewogen. Das hängt nicht nur damit zusammen, daß Forschungsinstitut und Hochschule bei Ihrer Staatskanzlei ressortieren. Wir sind Ihnen dafür dankbar, daß Sie sich schon vor Monaten bereit erklärt haben, diesen Festakt zu eröffnen, zumal wir wissen, daß Ihr besonderes Augenmerk- zusammen mit Herrn Staatsminister Prof. Dr. Zöllner- der staatlichen Forschungspolitik gilt. Gerade deshalb freut es uns auch, daß Sie, lieber Herr Kollege Zöllner, als Minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Rheinland-Pfalz und als Vorsitzender des Verwaltungsrats des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung, zu uns über die Verantwortung der Politik für die Forschung sprechen werden. Erst kürzlich haben Sie in Ihrem Vorwort zu dem von Böhret I Konzendorf I Troitzsch herausgegebenen - an unserem Forschungsinstitut und am Institut für Sozialwissenschaftliche Informatik der Universität Koblenz-Landau bearbeiteten - MaterialienBand zu der naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Forschungslandschaft in Rheinland-Pfalzdie langfristige Weiterentwicklung der Forschungs- und Wissenschaftslandschaft, die Stärkung der Grundlagenforschung auf hohem Niveau und den verbesserten Wissensund Technologietransfer zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft als erklärtes Ziel der Landesregierung bezeichnet. Besonders dankbar sind wir Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Schaumann, daß Sie sich des Themas der staatlichen Verantwortung für die Forschung aus der Sicht des Bundes annehmen werden. Nach der kürzlich gemeinsam von den Bundesministern Rüttgers und Rexrodt vorgelegten und vom Bundeskabinett gebilligten Bestandsaufnahme der Forschungs- und Innovationspolitik, in der von einer Gefährdung des Forschungsstandortes Deutschland die Rede ist, nach der Ankündigung eines völlig neuen Forschungs- bzw. Forschungsförderungskonzepts durch Bundesforschungsminister Rüttgers und nach der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag in der vorletzten Woche sind wir gespannt auf Ihre Ausführungen. Vor allem die am 11. Juli 1996 der Öffentlichkeit vorgelegten ,,Leitlinien zur strategischen Orientierung der deutschen Forschungslandschaft - Innovationen durch mehr Flexibilität und Wettbewerb" deuten in Richtung Neuordnung der Forschungsland-

12

Willi Blümel

schaft. Davon sind auch und besonders die Einrichtungen der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste (WBL) betroffen, zu denen unser Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung gehört. Da trifft es sich gut, daß Sie, Herr Kollege Hertel, unserem Wunsch entsprochen haben, als Präsident der WBL unmittelbar im Anschluß an den Vortrag von Herrn Staatssekretär Dr. Schaumann ein Grußwort zu sprechen. Nach den erwähnten Leitlinien soll die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit neuen Aufgaben den Strukturwandel fördern. Vor diesem Hintergrund sind wir froh darüber, daß es der erst heute nachmittag eintreffende Kollege Frühwald als Präsident der DFG übernommen hat, einen Vortrag über die "Wissenschaftsselbstverwaltung in der Diskussion" zu halten. Nach der Vorlage der DFG-Denkschrift unter dem Titel "Forschungsfreiheit: Ein Plädoyer der DFG für bessere Rahmenbedingungen der Forschung in Deutschland" sind wir auf diese Ausführungen besonders gespannt. Den Reigen der Vorträge beschließt Herr Kollege Roellecke mit einer wissenschaftsphilosophischen Betrachtung des Themas dieser Veranstaltung. Für diesen Beitrag danke ich Ihnen sehr, lieber Herr Roellecke. Als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats unseres Forschungsinstituts sind Sie mit unseren Forschungsaktivitäten vertraut und ein kritischer Begleiter unserer Arbeit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Prominenz der Redner, der Aktualität des Themas und der Bedeutung unseres in der Bundesrepublik Deutschland einzigartigen Forschungsinstituts kann es nicht verwundern, daß dieser Festakt - wie aus der Teilnehmerliste ersichtlich - auf große Resonanz gestoßen ist. Wir freuen uns sehr darüber, daß unter unseren Gästen auch viele ehemalige Forschungsreferentinnen und -referenten, Gastforscher sowie zahlreiche Teilnehmer unserer Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagungen und Forschungsseminare sind. Wir empfinden dies als Ausdruck ihrer besonderen Verbundenheit mit unserem Forschungsinstitut. Unserer Einladung sind Gäste aus der Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung, aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtun-

Begrüßung

13

gensowie von der Bundeswehr und aus der Wirtschaft, ferner Vertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen gefolgt. Ich heiße Sie alle herzlich willkommen. Ihre Zahl ist so groß, daß ich Sie nicht einzeln begrüßen kann. Einige Ausnahmen seien mir jedoch gestattet. Ich begrüße die hier anwesenden Mitglieder des Landtags RheinlandPfalz Dr. Braun, Dr. Gölter, Kuhn, Pahler, Prof. Preuß und Schnabel. Aus dem Bereich der Justiz gilt mein Gruß dem unserem Forschungsinstitut in besonderer Weise verbundenen Richter am Bundesverfassungsgericht Prof. Dr. Steiner, vom Bundesverwaltungsgericht dem Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und dem Richter Dr. Pietzner sowie dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Zweibrücken Dury. Stellvertretend für die anwesenden Vertreter des Bundesrechnungshofes sowie der Rechnungshöfe der Länder Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg begrüße ich die Herren Dr. Eibelhäuser, Vizepräsident Frank und Präsident Dr. Schneider. Nachdem wir vor nicht allzulanger Zeit sogar eine Prüfung des Forschungsinstituts durch den Bundesrechnungshof überstanden haben, wissen wir Ihr Interesse an den Themen dieses Festaktes zu schätzen. Ich grüße weiter Herrn Oberfinanzpräsident Laube. Unser Forschungsinteresse in Speyer gilt auch und besonders dem kommunalen Bereich. Deshalb freuen wir uns über die Anwesenheit von Frau Weber, der Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg, von Herrn Schineller, dem Oberbürgermeister der Stadt Speyer, sowie von Herrn Landrat Dr. Hirschberger. Sie alle sind dem Forschungsinstitut und der Hochschule Speyer in besonderer Weise verbunden. Ich begrüße den Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, Herrn Wurster, den Präsidenten der Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik, Herrn George, sowie den Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, Herrn Dr. Reichert. Gemeinsame Forschungsseminare veranstaltet das Forschungsinstitut z. B. seit 1976 mit dem Arbeitsausschuß "Straßenrecht" der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen und seit der Bahnstrukturreform mit dem Eisenbahn-Bundesamt. Herzlich willkommen heiße ich

14

Willi Blümel

daher auch bei dieser Gelegenheit stellvertretend Herrn Meister, den Vizepräsidenten des Eisenbahn-Bundesamtes. Mit uns vom Forschungsinstitut freuen sich auch der Rektor und der Prorektor der Hochschule Speyer, die Herren Kollegen Lüder und Magiera, über die Anwesenheit zahlreicher Damen und Herren Präsidenten, Rektoren, Kanzler und Vertreter von Hochschulen und Fachhochschulen. Den Problemen der Hochschulen und Fachhochschulen widmen wir uns am Forschungsinstitut schon seit vielen Jahren. Ich erwähne nur beispielhaft die zusammen mit dem Hochschulkanzlerarbeitskreis "Verwaltungsvereinfachung" durchgeführten Forschungsprojekte "Delegation von Zuständigkeiten der Bundesländer auf die Hochschulen im Personalbereich", "Flexibilität der Hochschulhaushalte" und "Eingriffsbefugnisse der Finanzminister in den Hochschulbereich". Ich freue mich daher über die Teilnahme von Herrn Bender, dem Kanzler der Universität Trier, der als Vorsitzender des Hochschulkanzlerarbeitskreises "Verwaltungsvereinfachung" zusammen mit mir diese Projekte geleitet hat bzw. leitet. Für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen begrüße ich stellvertretend den Direktor des Gmelin-Instituts für Anorganische Chemie und Grenzgebiete der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Dr. Dr. h.c. Fluck, den Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Prof. Dr. Avenarius, den (kaufmännischen) Direktor des Instituts für Festkörper- und Werkstofforschung Dresden, Herrn Joehnk, sowie den (administrativen) Geschäftsführer des Heinrich-Hertz-Instituts für Nachrichtentechnik Berlin, Herrn Dr. Grunow. Unser Gruß gilt auch Herrn Kollegen Schmidt-Aßmann als Vertreter des Wissenschaftsrates sowie Herrn Dr. Thommel, dem Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften und Literatur, Mainz. Das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung wird als Blaue-Liste-Einrichtung getragen vom Bund und allen 16 Bundesländern. Ich freue mich deshalb sehr, daß ich von den Mitgliedern des Verwaltungsrats des Forschungsinstituts Frau Wuttke-Götz vom Bundesministerium des Innern sowie die Herren Nedden und Dr. Weidinger, als ehemaliges Mitglied Herrn Dr. Siegmund-Schultze begrüßen kann. Die Vertreter des Bundesministeriums des Innern, an das wir mit Blick auf unsere Aufga-

Begrüßung

15

benstellung ressortmäßig angebunden sind, haben sich über die Jahre hinweg vehement für das Forschungsinstitut eingesetzt. Dafür sind wir ihnen zu besonderem Dank verpflichtet. In diesen Dank schließe ich auch Sie, lieber Herr Kroppenstedt, als ehemaligen Staatssekretär im Bundesministerium des Innern ein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer wurde mit Wirkung vom l. Januar 1976 durch Anordnung (AO) -jetzt Landesverordnung - des Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalzvom 31. März 1976 (GVBl. S. 184) als Nachfolger des seit 1962 bestehenden Forschungsinstituts der Hochschule errichtet. Eine gesetzliche Grundlage besteht seit 1978 (§ 60 VHochSchG). Dem Institut obliegt die Forschung im Bereich der Verwaltungswissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der praktischen Aufgaben und Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung einschließlich der Bedürfnisse für die Ausbildung und Fortbildung (§ 60 Abs. 2 VHochSchG, § 2 Abs. 1 Satz 1 AO). Das Institut hält enge Verbindung mit der Hochschule und der dort betriebenen Forschung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AO). Da die Professoren der Hochschule zudem durch freiwilligen Beitritt Mitglieder des Forschungsinstituts werden und damit zugleich geborene Leiter von Forschungsvorhaben des Instituts sind, erfüllt das Forschungsinstitut in idealer Weise die Forderung des Wissenschaftsrates nach einer personellen Verknüpfung von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. In dieser Hinsicht können wir daher der frühestens im nächsten Jahr anstehenden Evaluierung durch den Wissenschaftsrat mit Optimismus entgegensehen. Dies umso mehr, als auch der Bundesrechnungshof anläßtich der bereits erwähnten Überprüfung des Forschungsinstituts in seiner Mitteilung vom 20. 6. 1994 (Tz. 3, 9) keine Alternativen sah, "wie der Bund seinen Bedarf an verwaltungswissenschaftlicher Forschung wirtschaftlicher befriedigen könnte". Das Forschungsinstitut betreibt seit 1976 Forschung "über und für" die öffentliche Verwaltung in allen ihren Erscheinungsformen von der kommunalen bis zur supranationalen Ebene. Eine besondere Herausfor-

16

Willi Blümel

derung für das Forschungsinstitut und seine Mitglieder war die Wiedervereinigung. Seit 1990 widmet das Forschungsinstitut einen erheblichen Teil seiner Kapazität der Forschung für und über die neuen Bundesländer. Angesichts der voranschreitenden europäischen Integration stellt der Bereich "Europa" einen weiteren Schwerpunkt der Institutsforschung dar. Übersichten über die in den vergangeneu zwanzig Jahren abgeschlossenen Forschungsprojekte finden sich in den jährlich erstellten Arbeitsplänen und fortgeschriebenen Forschungsprogrammen. Veröffentlicht wurden bis heute 166- teilweise mehrfach aufgelegte - Speyerer Forchungsberichte sowie 120 Berichte in Buchform; das sind stattliche Zahlen für ein so kleines Institut. Das Forschungsinstitut, geleitet von einem Institutsvorstand, kam in den vergangeneu 20 Jahren mit 3 Geschäftsführenden Direktoren aus, unterstützt von tatkräftigen Institutsreferenten und einem effizienten Sekretariat. Von 1976 bis 1984 war Geschäftsführender Direktor unser leider allzu früh - am 6. 1. 1985 - verstorbener Kollege Frido Wagener, dessen Gattin unter uns weilt und die ich besonders herzlich begrüßen darf. Frido Wagener, dessen Stellvertreter ich sechs Jahre lang war, hat sich um die Planung, die Errichtung und die stetige Fortentwicklung des Forschungsinstituts in besonderer Weise verdient gemacht. Die Planung und der Bau des Institutsgebäudes 1982- 1984 fiel in seine letzte Amtsperiode. Mit Ihnen, lieber Herr Böhret, der Sie von 1984 bis 1988 als umtriebiger Geschäftsführender Direktor und von 1989 bis 1991 als Rektor der Hochschule Speyer amtierten, war die Zusammenarbeit und wechselseitige Unterstützung ganz hervorragend und freundschaftlich, zunächst während meines Rektorats (1985 bis 1987) und dann während meiner 1988 beginnenden achtjährigen Amtszeit als Geschäftsführender Direktor des Forschungsinstituts. Diese Amtszeit lief Ende Juli 1996 ab, verschaffte mir aber noch das Privileg, Sie alle bei diesem Festakt begrüßen zu dürfen. Darf ich nunmehr Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, bitten, den Festakt zu eröffnen.

Eröffnungsrede Von Ministerpräsident Kurt Beck

Sehr verehrter Herr Geschäftsführender Direktor dieses Forschungsinstituts, Herr Professor Dr. Blümel, ich darf das noch so formulieren, weil ja heute so etwas wie ein Übergang ist, sehr geehrter Herr Geschäftsführender Direktor, Professor Dr. Dr. König, ich möchte mich zunächst herzlich bedanken für die Begrüßung und die Gelegenheit, bei diesem Festakt dabei zu sein. Ich möchte Sie alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr herzlich willkommen heißen, hier in Speyer und in Rheinland-Pfalz. Wir freuen uns natürlich darüber, diese Einrichtung in den Mauem dieser Stadt, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schineller, in den Grenzen des Landes Rheinland-Pfalz zu wissen. Es ist mir eine besondere Ehre, hier gemeinsam mit Herrn Kollegen Professor Dr. Zöllner, Sie meine Damen und Herren, die Sie auch über die Grenzen unseres Landes hinaus zu uns gekommen sind, zu begrüßen. Ich freue mich besonders, daß Sie, Herr Staatssekretär Dr. Schaumann, zu uns gekommen sind und daß damit deutlich wird, es handelt sich hier um eine Einrichtung, die gemeinsam vom Bund und von den Ländern getragen und auch in die Zukunft hinein gestaltet werden soll. Das ist auch ein Stück Zukunftserwartung. Ich freue mich auch darüber, daß Repräsentanten des rheinland-pfälzischen Parlaments unter uns sind. Meine Herren Kollegen aus dem Landtag, ich heiße Sie herzlich willkommen. Genauso wie ich mich darüber freue, daß die kommunale Ebene nicht nur mit dem Oberbürgermeister dieser Stadt, sondern auch mit Ihnen, Frau Oberbürgermeisterin Weber, und mit Ihnen, Herr Landrat Dr. Hirschberger, und den Repräsentanten der kommunalen Spitzenverbände heute hier vertreten ist. Das ist ein Zeichen dafür, daß wir ein breites gemeinsames Interesse an der Arbeit dieses Forschungsinstituts haben. Es ist mir auch eine besondere Ehre, 2 Speyer 125

18

Kurt Beck

die Repräsentanten der dritten Gewalt, der höchsten Gerichte auf Bundes- und Landesebene, willkommen zu heißen. Ich freue mich darüber, daß der Präsident unseres Rechnungshofes und daß die Repräsentanten der Hochschulen heute unter uns sind. Seien Sie alle sehr herzlich hier willkommen! Natürlich möchte ich zunächst dem Forschungsinstitut in dieser Hochschule gratulieren für seine zwanzigjährige Arbeit. Dieses Jubiläum ist sicher keines der zeitlich ganz großen, aber das 20jährige Bestehen sollte wirklich gefeiert werden, weil wir uns in einer Zeit bewegen, in der gerade hinsichtlich der Verwaltungsorganisation viele Diskussionen zu Recht geführt werden und neue Orientierung gefordert ist. Und daß Sie dazu einen Beitrag geleistet haben, das haben Ihre Worte, Herr Professor Dr. Blümel, eben deutlich gemacht. Aber wer die Arbeit dieses Instituts beobachtet hat, weiß dies auch aus der praktischen Erfahrung des Begleitens dieser Forschungsarbeit Dieses Forschungsinstitut ist die einzige interdisziplinäre, länderübergreifende Einrichtung dieser Art. Ich bin froh darüber, daß wir nicht nur in der Praxis über solche Fragen der Neuorganisation, der Neuorientierung des Verwaltungshandeins reden, sondern daß sie hier wissenschaftlich aufbereitet werden und wir insoweit eine gesicherte Grundlage für unsere Überlegungen und für unser praktisches Handeln haben. Wir wollen gerne unsererseits zusagen, daß wir dieses Instrument, das uns damit gegeben ist, auch intensiv nutzen werden. Denn dies ist sicher in unserem gegenseitigen Interesse, zum einen Grundlagen geboten zu bekommen, zum anderen diese Grundlagen auch in die Praxis zu überführen. Ich möchte allerdings auch unterstreichen, daß ich als besonders gewinnbringend betrachte, daß persönliche Kontakte vielfaltiger Art zwischen den hier Forschenden und zwischen denen vorhanden sind, die in der Verantwortung stehen. Es kommt nachdrücklich auch darin zum Ausdruck, daß diese Kontakte nutzbringend eingesetzt werden, daß Herr Professor Böhret die Verwaltungsmodernisierungskommission der Landesregierung seit 1994 leitet. Dadurch wird deutlich, wie eng das Zusammenwirken sein kann, wenn ein solches Institut "vor Ort ist" und man sich um gemeinsame Lösungen bemüht.

Eröffnungsrede

19

Es ist zuvor angesprochen worden, daß es sich hier um ein Forschungsinstitut der sogenannten Blauen Liste handelt. Wenn man in Rheinland-Pfalz von blau redet, muß man immer deutlich machen, daß es nichts mit einem der herausragenden Produkte unseres Landes zu tun hat, nämlich dem Wein, sondern daß es eines der Kürzel ist, wie die gemeinsamen Einrichtungen von Bund und Ländern bezeichnet werden. Und wir sind natürlich auf dieses Institut auch deshalb besonders stolz, weil wir, leider füge ich ein, nur drei Institute in Rheinland-Pfalz haben, die unter diesem Begriff "Blaue Liste-Einrichtungen" firmieren. Es ist neben diesem Institut das Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte in Mainz, im Römisch-Germanischen Zentralmuseum eingegliedert, und die Zentralstelle für psychologische Information und Dokumentation an der Universität Trier. Wir haben uns darum bemüht, seitens der Landesregierung einen Schwerpunkt unserer Arbeit im Bereich der Forschung zu setzen. Und dies bedeutet natürlich, daß in einer Zeit, in der in der Tat jede Mark nicht nur zweimal, sondern dreimal umzudrehen ist, eine solche Schwerpunktsetzung auch zu Lasten anderer, sicher auch wichtiger Vorhaben im Lande durchgesetzt werden muß. Dennoch: Wir sind sicher, daß in diesem Bereich, Schwerpunkte in der Forschung zu setzen, eine der Zukunftschancen nicht nur für Rheinland-Pfalz, sondern für die Bundesrepublik insgesamt liegt. Und deshalb wird es bei diesem Schwerpunkt auch in der Zukunft bleiben. Vor diesem Hintergrund ist es auch folgerichtig, daß ich diesem Institut auch weiterhin unsere volle Unterstützung zusagen kann. Es entspricht der Gesamtorientierung unserer politischen Arbeit. Es ist vorhin mit bescheidener Zurückhaltung einiges gesagt worden von Ihnen, Herr Professor Dr. Blümel, zu dem, was von diesem Hause heraus an Veröffentlichungen nachvollziehbar geworden ist. Sie gestatten mir sicher, daß ich der Bescheidenheit das eine oder andere noch hinzufüge, damit wirklich deutlich wird, was in diesem Institut in dieser relativ kurzen Zeit geleistet worden ist. Seit 1976 sind insgesamt 198 Forschungsprojekte abgeschlossen worden. Es ist auch besonders bemerkenswert, und ich denke, das sollte auch in der Zukunft so bewahrt werden, daß aus allen Kontinenten der Erde Gastforscher an diesem Institut 2*

20

Kurt Beck

tätig waren, insgesamt, wenn meine Zahlen richtig sind, aus 32 Ländern. Als Publikationen sind 237 Forschungsberichte erschienen. Seit Herbst 1985 sind die Speyerer Forschungsberichte auch im Buchhandel erhältlich, also zugänglich für alle Interessierte. Es sind 120 sonstige Monographien erschienen, zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften, Sammelwerken und ähnlichem und im Rahmen der Forschungsprojekte drei Habilitationsschriften und 43 Dissertationen. Also in der Tat, eine stolze Bilanz nach zwei Jahrzehnten Arbeit. Man kann also mit Fug und Recht heute feststellen, daß dieses Forschungsinstitut seinem Auftrag in vollem Umfang gerecht geworden ist, nämlich Forschung über und für die öffentliche Verwaltung im Zusammenführen von Theorie und Praxis zu betreiben. Ich möchte allen, die diese Arbeit getragen haben, dafür auch ein ausdrückliches Wort der Anerkennung sagen. Daß diese Arbeit über die Grenzen der Bundesländer, über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus Bedeutung erlangt hat, wird deutlich aus der Zuwendung heraus zum europäischen Einigungsprozeß und auch deutlich dadurch, daß Arbeiten hier im Forschungsbereich geleistet worden sind, die beispielsweise sich mit der Dynamik von Weftorientierungsprozessen in Rußland befaßt haben. Dies zeigt, daß man in dieser Arbeit den Blick hebt über unsere eigenen engen Aufgabenfelder hinaus, weil nur in diesem Gesamtblick am Ende auch eine Bewertung und eine Beurteilung der uns gestellten Aufgaben wirklich möglich ist. Ich bin auch sehr dankbar dafür, daß man in diesem Hause den Wiedervereinigungsprozeß durch entsprechende Arbeiten unterstützt hat und insoweit eine wichtige Aufbauhilfe für die neuen Bundesländer geleistet hat. Wir wissen, daß diese Herausforderung nicht als abgeschlossen gelten kann, sondern daß wir uns in diesem Umfeld weiterhin gemeinsam an vielfältiger Stelle zu bemühen haben. Es ist sicher zutreffend, wenn man sagt, daß sich die Rahmenbedingungen für öffentliche Verwaltung signifikant verändert haben. Es gibt ein verändertes Staatsverständnis. Es gibt den Zwang der leeren Kassen, der ja durchaus auch ein heilsamer Zwang sein kann, wie wir erfahren. Ich glaube, daß wir uns darauf konzentrieren sollten, das was an Not-

Eröffnungsrede

21

wendigkeit besteht als etwas Positives zu begreifen. Die Herausforderung der leeren Kassen sollte als Chance genutzt werden, wieder mehr Kreativität und auch mehr Eigenverantwortlichkeit zuzulassen, auch bei denjenigen, die im Verwaltungsgeschehen staatliches und kommunales Handeln umzusetzen haben. Ich hoffe auch, daß wir auf diesem Wege den manchmal doch vorhandenen Schleier allzu dichter Regelungen aufreißen können. Wir wollen Eigeninitiative, Eigenverantwortung und damit auch kreative Entwicklung fördern, ohne zu übersehen, daß Verwaltungshandeln natürlich immer auch dafür zu sorgen hat, daß das gesetzte Recht unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens eingehalten wird, damit Schwächere und Stärkere in unserer Gesellschaft eine gleichberechtigte Chance zur Entwicklung ihres Lebens und der wirtschaftlichen Möglichkeiten erhalten. Ich denke, daß wir alle unseren Beitrag zu dieser, ja zur Bewältigung dieser Herausforderung, von der ich gesprochen habe, leisten können. Wir haben dies in Rheinland-Pfalzdadurch versucht, daß wir mit einer Verwaltungsmodernisierungskommission uns den Blick sozusagen von außen auf unser eigenes Verhalten geöffnet haben. Die Kommission wird von Herrn Professor Böhret geleitet und viele Repräsentanten aus der Wirtschaft, dem gesellschaftlichen Leben, dem kommunalen Verantwortungsbereich sind beteiligt. Wir haben solche Persönlichkeiten gewählt, die nicht mehr unmittelbar in der Verantwortung stehen, also nicht mehr Interessenvertreter einer einzelnen Kommune sein müssen, sondern das Ganze stärker sehen können. Wir versuchen, uns durch diesen Blick von außen eine Perspektive zu schaffen, wie Verwaltungshandeln und die Verantwortung des staatlichen und kommunalen Handeins in der Zukunft wahrgenommen werden kann. Ich denke, es gibt einige Notwendigkeiten und einige Handlungsfelder, die wir noch nicht genug oder noch nicht genutzt haben. Es ist sicher ein aktuelles Thema, die Gesetzesfolgenabschätzung intensiver vorzunehmen als wir dies bisher getan haben. Das gilt gegenüber den Folgen des Handeins des Gesetzgebers und der entsprechenden Vorschläge von Regierungen. Das gilt gegenüber den kommunalen Ebenen, die dann letztendlich umzusetzen haben. Zu Recht wird derzeit diese Diskussion geführt. Sie wird verstärkt und immer wieder neu angefacht

22

Kurt Beck

durch die finanzielle Enge der kommunalen Ebene. Und insoweit haben wir diese Verantwortlichkeit zu sehen und zu beurteilen. Wir haben in Rheinland-Pfalz, um dies institutionell stärker zu verankern, einen kommunalen Rat ins Leben gerufen, der an der Gesetzgebung zu beteiligen ist, über das Maß hinaus, was bisher an Anhörungsrechten aus dem verfassungsrechtlichen Gebot resultierte. Wir haben uns darüber hinaus vorgenommen, auch die Verwaltungsorganisation zu verändern und zu aktualisieren. Es gibt derzeit in Rheinland-Pfalz eine lebendige Diskussion um neue Organisationsmöglichkeiten auf der Mittelinstanzebene als Nachfolge der derzeitigen Bezirksregierungen. Eine lebendige Diskussion, von der ich mir erhoffe, daß sie befruchtend wird und daß das Beharrende, das natürlich auch verständlicherweise da ist, Zug um Zug durch das Neue, das Kreative in der Diskussion ergänzt und ersetzt werden kann. Auch dort versuchen wir, nicht in der eigenen Erfahrungswelt zu verharren mit der Gefahr, daß man auch in dieser eigenen Erfahrungswelt erstarrt, sondern durch eine Expertenkommission, die ebenfalls wieder den Blick von außen in diese Aufgabe hineinlenkt, zu neuen Möglichkeiten zu finden, die am Ende effizienter, kreativer sind als das, was derzeit aufgrund der Organisationsstruktur geleistet werden kann. Ich möchte dies ausdrücklich betonen, weil der Eindruck, es gäbe eine Kritik an dem Handeln der jetzigen Institution oder der Menschen, die dort arbeiten, ein falscher Eindruck wäre. Diese Kritik wäre nicht gerechtfertigt. Es geht um neue Strukturen und neue Möglichkeiten. Ich möchte einen weiteren Punkt in aller Kürze ansprechen, mit dem wir uns derzeit befassen. Nämlich das Stichwort Budgetierung aufnehmend und in die Gestaltung des Landeshaushalts übertragend versuchen wir, auch dort mehr Eigenverantwortung in die einzelnen Ressorts und dann auch darüber hinaus in die einzelnen Dienststellen des Landes hineinzubringen. Wir haben sorgfältig darauf zu achten, daß damit nicht die Budgetrechte des Parlaments unzulässigerweise tangiert werden, aber auf der anderen Seite glaube ich, daß es darauf ankommt, daß durch Eigenverantwortung manches in der Praxis anders gehandhabt werden kann als wir uns dies angewöhnt haben. Dies ist kein Vorwurf gegen

Eröffnungsrede

23

Einzelne wiederum, sondern schlicht und einfach die Feststellung, daß man in bestimmten Gewohnheiten irgendwann sich so eingelebt hat, daß man die Alternative selber nicht mehr zu erkennen vermag. Deshalb hoffe ich, daß mit solchen Budgetierungsansätzen, die sich im übrigen im Hochschulbereich Rheinland-Pfalzsehr bewährt haben, einen Beitrag leisten können, uns weiter zu entwickeln. Zu alldem haben Arbeiten dieses Instituts, Arbeiten dieser Hochschule wichtige Beiträge und wichtige Grundlagen geleistet, Anstöße und Orientierungen in vielen Einzelfragen gegeben, und dafür möchte ich mich sehr herzlich bedanken. Es kommt also darauf an, daß wir die Stärken, die in solchen Forschungseinrichtungen vorhanden sind und die durch die politische Verantwortung gegeben ist, zusammenführen und sie gemeinsam nutzen, so daß wir davon reden können, es gibt eine wirkliche Bewegung zu einer moderneren Verwaltung. Wobei ich modern gerne in dem Sinne verstanden hätte, wie ich es versucht habe, mit einigen Grundzügen eben zu umreißen, nämlich mehr Eigeninitiative, Eigenverantwortung und kreative Entwicklung. Modernität ist noch kein Beweis für das Bessere an sich. Es muß zunächst untermauert und dann auch an Fakten nachvollziehbar gemacht werden, daß es sich um etwas Besseres handelt. Es ist mir ein Anliegen, auch meinerseits denjenigen Anerkennung zu sagen, die für diese Forschungseinrichtung in den vergangeneo zwanzig Jahren Verantwortung getragen haben. Ich möchte, auch von mir aus, vor allen Dingen Herrn Professor Dr. Wagener nennen, der von 1976- 84 Verantwortung in diesem Haus getragen hat, der leider im Januar 1985 verstarb. Er hat sicherlich den Ruf des Instituts gemeinsam mit den dem Institut angehörenden Professoren begründet und ist mit seiner Leistung unvergessen. Ich darf Herrn Professor Dr. Carl Böhret noch einmal sehr herzlich danken für seine Verantwortungsübernahme in den Jahren 1984 - 88. Ich darf Ihnen, verehrter Herr Professor Dr. Willi Blümel, sehr herzlich danken für Ihre Verantwortungszeit von 1988 bis zum Sommer, bis Jahresmitte 1996 und bis in diese Veranstaltung hineinreichend. Wir möchten Ihnen, verehrter Herr Professor Dr. Dr. Klaus König, der Sie seit Juli

24

KurtHeck

dieses Jahres die Verantwortung in diesem Institut tragen, sehr herzlich für diese Übernahme danken und Ihnen viel Erfolg wünschen in dieser verantwortungsvollen Tätigkeit. Natürlich ist es mir ein Anliegen, all diejenigen, die in diesem Institut arbeiten, den Professoren und den Gastprofessoren, den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ebenfalls sehr herzlich zu danken. Mein Dank gilt auch den Mitgliedern des Verwaltungsrates und des Wissenschaftlichen Beirates, die heute auch zu einem großen Teil unter uns sind, die ich herzlich grüße und denen ich Dank und Anerkennung sagen möchte. Lassen Sie mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, insoweit schließen, daß ich die Hoffnung habe, es mögen sich in weiteren zwanzig Jahren Frauen und Männer, es werden dann vermutlich andere sein als wir hier, wieder versammeln können und darauf blicken, daß auch die nächsten zwei Jahrzehnte, auf die man dann zurückblicken kann, so erfolgreich sein mögen, wie es die ersten beiden Jahrzehnte gewesen sind. Ich gratuliere zu diesem Jubiläum, wünsche Ihnen alles Gute, weil es auch uns allen, Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes und der anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland, dient und nutzt. Herzlichen Glückwunsch!

Eröffnungsrede

25

Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König Herr Ministerpräsident, ich möchte mich im Namen des Instituts sehr herzlich für Ihre guten Wünsche bedanken. Lassen Sie mich kurz zwei Dinge hervorheben: Das erste ist, wir sind Ihnen sehr dankbar für Ihre klare Aussage zur Standortpolitik außeruniversitärer Forschung. Ich kann darauf nur antworten, daß sich ganz offensichtlich Verwaltungsforscher am Standort Speyer und am Standort Rheinland-Pfalz sehr wohlfühlen, denn sonst könnten Sie vermutlich nicht diese Produktivitätszahlen nennen. Der andere Aspekt, für dessen Nennung ich Ihnen sehr dankbar bin, ist der der Relevanz unserer Forschung. Sie haben dies sehr deutlich gemacht, und, Herr Staatssekretär Schaumann, das ist an diesem Platz so, wir fangen nach kurzer Zeit an, über die Verwaltung ein Fachgespräch zu führen, aber natürlich ohne die Forschungspolitik aus dem Auge zu verlieren. Was Sie zur Relevanz gesagt haben, tut uns gut. Ich habe Sie schon vorgemerkt für die nächste Evaluation, dann sind wir ja auf Ihr Testat angewiesen. Wichtig ist, was Sie zum gegenwärtigen Modemisierungsschub in der öffentlichen Verwaltung gesagt haben. Das macht meines Erachtens Verwaltungsforschung noch bedeutsamer. Nochmals herzlichen Dank für Ihre Worte! Herr Schaumann, es ist uns klar, daß dieses Institut eine sehr spezifische Zuwendung in der organisatorischen Anhindung an Staatskanzleien, an Innenministerien hat. Aber diese Einrichtung hat in vielen Politikfeldern geforscht, dazu gehört auch die Forschungspolitik. Und Sie haben gehört, wie die Hochschule die Kooperation mit den Universitäten gesucht und versucht hat, nützlich zu sein für Universitäten. Ich möchte Sie bitten, diesen Festakt, der dies dem Titel nach ist, aber dem Inhalt nach eher eine Arbeitstagung, als einen Ausdruck dafür anzusehen, daß wir uns der Forschungsorganisation und der Forschungspolitik gegenüber offen zeigen wollen, daß wir - wie schon angedeutet wurde - die veränderte Forschungslandschaft sehen und deren Entwicklungen offen gegenüberstehen. Ich freue mich sehr, daß Sie nach Speyer gekommen sind und mit einem zentralen Referat das Forschungsthema "Die Verantwortung für die Forschung" erörtern wollen. Dankeschön!

Staatliche Verantwortung für die Forschung Von Staatssekretär Dr. Fritz Schaumann Herr Ministerpräsident, Herr Kollege Zöllner, Herr Blümel, Herr König, ich habe es nicht als abweichend von der richtigen Linie mißinterpretiert, daß Sie mich eingeladen haben und nicht den Kollegen aus dem Bundesinnenministerium, freue mich aber, daß ich den Kollegen Kroppenstedt hier ebenfalls begrüßen kann. Meine Damen und Herren, Sie haben mir den Anlaß geboten, mich erstens dem Herrn Ministerpräsidenten anzuschließen und Timen herzlich zu gratulieren für Ihre bisherige zwanzigjährige Arbeit, die ja in inhaltlicher Betrachtung durchaus mannigfaltige Bezüge hat zu dem, was Bildung und Forschung als Sammelnamen umreißen. Ich habe mich sehr gefreut, daß eine Ihrer letzten Dissertationen Fragen der Budgetierung und Globalisierung von Hochschulhaushalten abgehandelt und für Bund und Länder eine - wie ich finde - vorzügliche Basis bietet, in dieser Frage in aller Verzweigtheil und Komplexität auch voranzukommen. Ich gratuliere herzlich und hoffe, Ihre weitere Entwicklung wird so gedeihlich sein wie die zwanzig Jahre im Rückblick es waren. Sie haben mir - Herr König, Herr Blümel, ich nehme an, Sie waren es beide - ein Thema gestellt, das nur geringfügig von dem abweicht, das Herr Zöllner nachher beleuchtet. Nun hieße es sicher, Eulen nach Speyer zu tragen, Timen den formalen Rahmen der staatlichen Verantwortung für Forschung zu erläutern. Ich will das auch nicht tun. Erstens setze ich Kenntnis voraus, zweitens würde ich Sie gerade deshalb sehr langweilen. Aber den Aspekt der formalen Betrachtung will ich wenigstens dazu nutzen, mich sehr herzlich für die Bund-Länder-Kooperation in der Forschungsförderung zu bedanken. Dies ist in der Tat ein Strukturelement unseres föderativ verfaßten Staates, das, gäbe es dies nicht bereits, wir

28

Fritz Schaumann

einrichten müßten. In mannigfaltiger Hinsicht sind Bundes- und Länderaktivitäten verzahnt. Manchmal führt das zu eigenartiger Dynamik, aber bisher ist diese Dynamik immer beherrschbar gewesen, zum gegenseitigen und zum Gesamtnutzen. "Staatliche Verantwortung für die Forschung" könnte ich eigentlich sehr kurz abhandeln, indem ich sage: ,,Ja, aber". Also: Ich bekenne mich zu der staatlichen Verantwortung für die Forschung, insofern ein klares Ja. Ich wüßte auch nicht, wie vergleichbare Industrienationen wie die unsrige es anders organisieren sollten, als daß sie sich im Kern zu staatlicher Verantwortung für Forschungsförderung entschieden. Demgemäß tun das auch alle in mehr oder weniger vergleichbarem finanziellen und personellen Umfang. Ich füge aber sofort an: Es kann keine Staatsveranstaltung zu 100% sein, niemand im Saal wünscht das. Ich insbesondere auch nicht. Deshalb sage ich, dieses deutliche Ja ist sicher einzuschränken mit dem Hinweis darauf, daß wir unterschiedliche Bereiche der zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklung haben, die man auch unterschiedlich betrachten muß. Für den heutigen Anlaß ist vielleicht eine Dreiteilung sinnvoll: Ich sehe erstens den Bereich "Vorsorge-Forschung". Gemeint sind Umwelt, Klima, Bodenschutz, Wasser, Gesundheit, sicher auch Energie in den Grundlagenbereichen. Was diesen Bereich und die beispielhafte Nennung einzelner Gebiete anbetrifft, gehe ich davon aus, daß es auch zukünftig schwergewichtig - und das meint nahezu 100 % - Aufgabe des Staates bleibt, diese Forschungsförderung weiterhin zu sichern. Es gibt dann zweitens einen Bereich, der für mich nur in der Verknüpfung denkbar ist zwischen staatlicher und privater, d. h. im Regelfalle wirtschaftlicher Anstrengung. Gemeint sind z. B. technische Entwicklungen, die vorwettbewerblieh stattfinden müssen (incl. der dazu erforderlichen Grundlagenforschungsaktivitäten). Hierzu gehören weiter internationale Projekte (prominent: Weltraum, Luftfahrt). Solche Projekte sind national nicht mehr denkbar und rein staatlich gar nicht darstellbar. In diesem Bereich sind Kooperationen mit unterschiedlichen Gewichten, je nachdem, um welche Bereiche es sich handelt, zwingend.

Staatliche Verantwortung für die Forschung

29

Schließlich nenne ich drittens noch den Bereich der wettbewerbliehen marktorientierten Forschung, wo man sich durch Forschung unmittelbaren Nutzen für ein einzelbetriebliches System - wenn ich das einmal so ausdrücken darf- verspricht. Dort sollte der Staat sich heraushalten, sowohl inhaltlich als auch finanziell. Nun legt diese Kategorisierung die Möglichkeit nahe, man könne sich tatsächlich so sauber abgegrenzt verhalten. Sie wissen, daß dem im Regelfalle nicht so ist. Trotzdem markieren diese versuchsweisen Unterscheidungen doch Schwerpunkte im Verhältnis Staat/ Privatwirtschaft. Ich will nun versuchen, einen Ist-Soll-Vergleich zum Thema Forschungspolitik wenigstens in den Konturen darzubieten, eine grobe Skizze zu entwerfen und einige - Herr Blümel, Sie haben das erwähnt aktuelle Diskussionslinien nachzeichnen, die einfach auf der Tagesordnung stehen. Wir haben unter dem Rubrum .,Wo stehen wir?" den Bericht zur technologischen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Januar 1996 erstellt. Darüber ist sehr breit öffentlich berichtet worden. Ich darf die Kernaussagen verdichten, damit sie wenigstens markiert sind: Erstens: Wir haben Stärken bei sogenannten höherwertigen Techniken, das sind solche, bei denen der F-undE-Anteil am Umsatz zwischen 3,5% und 8,5% liegt. Dies sind die uns vertrauten und seit Jahrzehnten auch vorhandenen Stärken - im Chemiebereich, Maschinenbau, Elektrotechnik, Büromaschinen- und Fahrzeugbau, Nachrichtentechnik und Umwelttechnik. Wir haben eine weniger starke Position mit tendenziell abnehmendem Volumen in den Bereichen, die man als Spitzentechnik zusammenfaßt Das sind solche Produktionsbereiche, in denen der Forschungs- und Entwicklungsanteil am Umsatz deutlich mehr als 8,5 % beträgt. Dies sind die .,Kickbereiche", beispielsweise Mikroelektronik und Biotechnologien - alle Statistiken zeichnen mindestens diesen Trend nach. Interessant ist es in diesem Zusammenhang, die Welthandelsanteile bei F- und E-Produkten zu betrachten und unsere stärksten Wettbewerber dabei mit in den Blick zu nehmen.

30

Fritz Schaumann

Daraus ergibt sich: Wir sind zwar insgesamt, verglichen mit den USA und Japan, nicht schlecht. Es wäre geradezu fahrlässig zu meinen, unser Standort hätte keine Qualitäten mehr. Das Gegenteil ist richtig. Wir machen nur nicht genug aus den Potentialen. Deutschland liegt an dritter Stelle der Welthandelsanteile mit besonders hohen F- und E-Anteilen überhaupt. Die Spitze bildet Japan, gefolgt von den USA, dann sofort wir und erst mit deutlichem Abstand unsere europäischen Nachbarn. Das ist eine ganz beruhigende Ausgangssituation, wenn man nicht die Zeitreihe mit betrachtet. In der Zeitreihe haben wir bei höherwertigen Technologieprodukten eine abnehmende Tendenz und in der Spitzentechnik legen wir nicht genügend zu. Eine Entwicklung, die forschungspolitisches Handeln mitbedingen muß. Wir haben eine befriedigende Patentaktivitätsbreite, allerdings auch fast spiegelbildlich: Wir haben sie in höherwertigen Techniken und wir haben sie deutlich abgefallen in der Spitzentechnologie. Hinzu kommt eine deutlich steigende Aktivität deutscher Unternehmen im Ausland, auch im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Ich komme darauf gleich zurück. Der erste Bericht also, nämlich der zur technologischen Wettbewerbsfähigkeit kommt zu dem Schluß, daß wir in dem gehobenen Bereich durchaus gut sind, in der Spitze aber jetzt schon Konkurrenznachteile aufzuholen haben, was unser zentrales Anliegen sein muß. Wir haben dann im August/ September einen zweiten Bericht zur sogenannten Globalisierung vorgelegt - Herr Blümel, Sie haben ihn bereits angesprochen. Daraus ergibt sich - im Groben und auch wiederum nur skizziert: Wir haben bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung auch '95 ein negatives Saldo der Direktinvestitionen, und zwar in beträchtlicher Höhe in Deutschland, nämlich 34 Milliarden DM. Dieses negative Saldo der Direktinvestitionen erklärt sich daraus, daß auf der einen Seite deutsche Unternehmen verstärkt im Ausland investieren (die Tendenz ist in der Zeitreihe klar steigend) und die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland vergleichsweise stabil über die Zeit bleiben. Was das heißt, muß ich keinem von Ihnen erläutern. Die Schere öffnet sich, wenn wir es nicht schaffen, verstärkt ausländische Unternehmen

Staatliche Verantwortung für die Forschung

31

für Investitionen in Deutschland zu gewinnen, immer stärker. Damit zusammen hängt auch der Beschäftigtenanteil von Ausländern in deutschen Unternehmen im Ausland. Wir haben inzwischen einen Beschäftigtenanteil deutscher Unternehmen im Ausland von 24% aller Beschäftigten dieser Unternehmen. Und wir haben eine gleichbleibende Tendenz der Beschäftigten in ausländischen Unternehmen, die in Deutschland produzieren, von ungefähr 16%. Das belegt auf der einen Seite eine sehr dynamische Außenorientierung der deutschen Wirtschaft, auf der anderen Seite eine stabile Orientierung unserer Hauptkunden, nämlich im wesentlichen USA, Japan und unsere europäischen Nachbarn - ein wichtiges Detail in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung. Zweitens: Wir stellen eine zunehmende Verlagerung von Forschung und Entwicklungsaktivitäten deutscher Unternehmen ins Ausland fest, und zwar nicht in der Weise, daß Personal- und Sachkapazität bewegt wird; wohl aber in der Weise, daß deutsche ,,Multis" - wenn ich dies einmal so verkürzt sagen darf- verstärkt kleine forschende Unternehmen im Ausland aufkaufen. Sie arrondieren sich damit um Forschungskapazität, die sie sonst mühsam in für sie wichtigen Bereichen aufbauen müßten. Das ist insbesondere die Chemie und auch die Biotechnologie. Wir haben inzwischen 15% des inländischen Forschungsbudgets- was das in Zahlen heißt, erläutere ich später kurz - im Ausland investiert und spiegelbildlich sieht das bei ausländischen Unternehmen in Deutschland aus. Ein Drittes: Aus dem Globalisierungsbericht abzuleiten ist die internationale Orientierung der großen Unternehmen hin zu "Kompetenzzentren". Überspitzt formuliert gehen die Unternehmen dorthin, wo sich eine einzigartige, in der Qualität führende Ansammlung von Unternehmen, von Wissenschaftseinrichtungen, von Hochschulen befindet. Sie versuchen, aus diesem "melting pot" einen Synergieeffekt für sich abzuleiten. Dieser Prozeß ist zunehmend mehr weltweit orientiert. Das heißt, das Spiel wird nicht mehr national oder gar in europäischen Grenzen gespielt werden können. Wir werden uns darauf einrichten müssen, daß immer mehr solcher Planungs- und Orientierungsentscheidungen weltweit zusammenhängend getroffen werden.

32

Fritz Schaumann

Wir haben in Deutschland durchaus solche Kompetenzzentren - Beispiel Laser, Beispiel Robotik, Beispiel Fahrzeugbau oder auch Beispiel Fertigungstechnik Dies kann man ganz gut daran indikatorisch ablesen, daß ausländische Unternehmen sich bei ihren Aktivitäten in Deutschland auf diese Bereiche konzentrieren. In den ,,Zukunftstechnologien", also beispielsweise Mikroelektronik, Computersoftware, pharmazeutische Forschung (einschließlich Gentechnik) liegen die Kompetenzzentren dagegen zweifelsohne in den USA, und zwar so dominant, daß es uns sehr schwer werden wird, die Konkurrenzsituation auch nur annähernd zu verbessern. Wir wollen das, aber es wird schwer werden. Neben der Beurteilung unserer Wettbewerbsfähigkeit, neben dem Bericht zur Globalisierung und der damit verbundenen Trendabschätzung haben wir dieses Jahr als Drittes auch den Bundesbericht Forschung vorgelegt, der für am Thema Interessierte jeweils eine wahre Fundgrube ist. Er entstand in Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und bietet einen - wie ich finde - ausgezeichneten Überblick über unsere Forschungslandschaft Damit liegt er allerdings auch offen für alle unsere Wettbewerber. Das verleitet mich zu der Bemerkung: Wir sind sehr transparent unseren Freunden gegenüber, die jedoch keineswegs in der vergleichbaren Art und Weise. Ich will daraus keine negativen Schlüsse ziehen, nur darauf hinweisen, daß diese Transparenz auch Mut beinhaltet; einen Mut, den wir durch tätiges Handeln, wirtschaftliches und politisches, auch in die Wirklichkeit umsetzen müssen. In Deutschland geben wir ungefähr 80 Milliarden DM pro Jahr für Forschung und Entwicklung aus. 80 Milliarden, die sich - seit Jahren schon - zu ungefähr 60 % auf die Finanzierung durch die Wirtschaft und zu ungefähr 40 % auf die Finanzierung durch den öffentlichen Sektor Bund, Länder, und gemeinnützig-öffentliche Einrichtungen - verteilen. Dieses Verhältnis ist nicht Gott-gegeben. Und es ist auch nicht Staats-gegeben. Es hat sich halt so entwickelt. In anderen Ländern gibt es durchaus andere Verhältnisse. Stark abweichend verhält sich beispielsweise Japan, wo fast 70% von der Wirtschaft kommen; oder auch umgekehrt in Frankreich, wo unter 50% von der Wirtschaft aufgewandt werden und der Staat meistens dann mehr tut. "Meistens", weil es auch private Geldgeber (z. B. Stiftungen) gibt, die in diesen Bereich investieren.

Staatliche Verantwortung für die Forschung

33

Zurück zu Deutschland: Angesichts der Finanzierungsgewichte, die sich über die Jahre nicht verändert haben, ist es bedrohlich, daß die Wirtschaft ihren F- und E-Aufwand zurückführt und der öffentliche Sektor aus bekannten Gründen nicht ansatzweise kompensatorische Funktionen erfüllen, sondern nur alles daran setzen kann, seinen Aufwand stabil zu halten. Und die Zukunft - Herr Ministerpräsident, Sie haben darauf hingewiesen - ist in dieser Hinsicht auch nicht besonders rosig. Andererseits darf uns das nicht davon abhalten zu verlangen, daß dieser Bereich auch wirklich unterfüttert wird- entsprechend der Priorität, die in Sanntagsreden und in Zielsetzungen, die Bund und Länder ja einen, jeweils neu formuliert sind. Wir haben - das weiß man so im Alltag nicht unbedingt - in Deutschland insgesamt knapp 500.000 Menschen in Forschung und Entwicklung beschäftigt, davon ungefähr 230.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das ist eine beträchtliche Zahl. Wieder ein Blick auf unsere Wettbewerber: Die USA beschäftigen 790.000 Menschen in der Forschung und Entwicklung, die Japaner 950.000. Nun sind bloße Zahlen noch kein Ausweis für Qualität. Das weiß ich sehr wohl. Allerdings sage ich gerne, daß Wolfgang Frühwald recht hat- er wird heute nachmittag dazu sicher auch noch eine Bemerkung machen -, wenn er darauf hinweist, daß Japan - obwohl sich in einer der schwierigsten Rezessionen befindend - deutliche Prioritäten im Forschungs- und Entwicklungsbereich gesetzt hat. Unsere europäischen Mitbewerber in Frankreich, in Großbritannien, in Italien sind natürlich durchaus auch Wettbewerber. Aber wenn man sie weltweit betrachtet, dann gibt es zu den Dreien - USA, Japan, Deutschland - eigentlich innerhalb der Europäischen Union, und das ist keineswegs Großspurigkeit, keine Balance. Das heißt aber auch, daß Deutschland immer noch Hochtechnologie-Lieferant in der Europäischen Union ist und diese Spitzenposition in der Vergangenheit ausgebaut hat. Ich hoffe, wir können dazu beitragen, durch staatliche Forschungspolitik diese Position wenigstens zu halten. Soviel zu den Zahlen. Die Struktur unserer staatlich verantworteten Forschungslandschaft halte ich für grundlegend in Ordnung, inklusive 3 Speyer 125

34

Fritz Schaumann

der Prinzipien, nach denen diese Struktur gebildet worden ist. Wir haben zwei große Wissenschaftsorganisationen, die- ziemlich selten in der Welt -für die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit (damit "Staatsferne") konstitutiv sind. Das sind die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft. Wir haben in gemeinschaftlicher Bund-Länder-Verantwortung die Blaue Liste-Einrichtungen - Herr Ministerpräsident, ich fand es taktisch gelungen, wie Sie den Weinbau auch in diesem Kontext wieder untergebracht haben-, wir haben die Großforschungseinrichtungen und wir haben die Fraunhofer-Gesellschaft. Daraus entnimmt man, was den Staatsbereich angeht, neben der strukturellen durchaus auch eine inhaltliche und prozessuale Differenzierung, die ich ebenfalls für sehr gelungen halte. Worum es gehen muß, bei Betrachtung dieser Forschungslandschaft insgesamt, ist, die Synergien zwischen einzelnen Bereichen dieser Landschaft wie auch zwischen Forschungseinrichtungen und Wirtschaft zu verdichten. Wenn wir das schaffen, indem wir gleichzeitig die Flexibilität der Einrichtungen und ihre Eigenständigkeit erhöhen - Themen, die auch Thre Arbeit in Speyer beriihren, Herr König und Herr Blümel-, dann sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Dies zur Lage in aller gebotenen Kürze und in Überleitung zu der Frage "Wo wollen wir hin?". Wir möchten unsere Anstrengungen jedenfalls gilt das für die Bundessicht im Bundesministerium für Bildung und Forschung, ich grenze das bewußt so ein, wissend, daß von den Milliarden, die der Bund für die Forschungsförderung verausgabt, ein ganz übergewichtiger Teil durch uns verwaltet wird und insofern dieser Orientierung doch ein kleines Gewicht zukommt -, wir möchten unsere Anstrengungen, die Spitzentechnologie zu fördern, nachhaltiger fokussieren als wir das bisher getan haben. Wir möchten in der Informationstechnik, in der Biotechnolpgie, gerade wegen der Querschnittsfunktionen dieser Technikbereiche, entschieden mehr tun als wir das in der Vergangenheit haben tun können. Bei der Betrachtung dessen, was Spitzentechnologie in der Zukunft ist, soll im übrigen - das lassen Sie mich nebenbei formulieren - nicht die bürokratische Weisheit den Ausschlag geben, sondern wir möchten schon in engem Verbund mit Wirtschaft und Wissenschaft solche Zielbestimmungen leisten, damit durch den Einsatz von Steuergeld auch positive Wirkungen für unsere Lage resul-

Staatliche Verantwortung für die Forschung

35

tieren. Institutionell werden solche Zielfindungsprozesse insbesondere durch die Arbeit des Wissenschaftsrates und des Technologierates beim Bundeskanzler unterstützt. Wir möchten staatliche Projektförderung auf Spitzentechnologie konzentrieren und - Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam betrachtend eine stärkere Innovationsorientierung unserer forschungspolitischen Ergebnisse erzielen. Dazu zählt einmal das gesamte Spektrum von Patentinitiativen. Unser Haus hat eine Patentinitiative gestartet, gerade bezogen auf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, auf kleinere und mittlere Unternehmen, indirekt aber auch auf Hochschulen orientiert. Wir hoffen, daß wir zur Sicherung wissenschaftlicher Ergebnisse mehr tun können, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Unsere Patentaktivität - dies hatte ich vorhin schon erwähnt - ist gerade im Spitzentechnologie-Bereich zahlenmäßig besorgniserregend gering. Wir möchten weiter dazu beitragen, ein vermehrtes Maß an Existenzgründungen zu erzielen. Wenn man international vergleicht, sind gerade im Hochtechnologiebereich anderer Staaten eine Vielzahl von Existenzgründungen, von Neugründungen zu vermerken. Ein Prozeß, den wir auch bei uns dringend intensiv unterstützen müssen, beispielsweise durch vermehrte Bereitstellung von Risikokapital, aber auch durch stärkere Berücksichtigung damit verbundener Kompetenzen bereits in der Ausbildung. Dazu zählen außerdem neue Formen der Stimulierung bisher ungenutzter Kooperationspotentiale. Ein Beispiel ist der laufende BioregioWettbewerb, durch den regional orientiert die biotechnologischen Potentiale von Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft usw. gebündelt werden sollen. Der Prozeß läuft. Eine unabhängige, international besetzte Jury wird im November über 17 Anträge entscheiden, die Besten werden in besonderer Weise gefördert. Ich sehe in diesem Verfahren ein besseres, ein dynamischeres Mittel als die traditionelle Verbundforschung es war. Ein anderes Beispiel: Wir haben in einem wichtigen Zukunftsbereich, nämlich der gentechnischen Forschung, durch das "Humangenomprogramm" Wissenschaft und pharmazeutische Industrie zusammengebracht. Ich verspreche mir davon, einen - sagen wir mal - stärker auch 3*

36

Fritz Schaumann

marktorientiert geleiteten Forschungsprozeß in einem Forschungsbereich, in dem Anwendungsorientierung und Grundlagenforschung ohnehin immer enger verschmelzen. Wir sind weiterhin in der Diskussion mit Wissenschaft und Wirtschaft darüber, unsere Projektförderung insgesamt stärker auf "Leitprojekte" hin zu organisieren. Diese Diskussion um Leitprojekte darf natürlich Wettbewerb unter den wirtschaftlichen Akteuren nicht auschließen. Wir möchten in der Vorsorgeforschung das bisherige Niveau halten, allerdings - wo immer möglich - neue Vernetzungen erzielen. Wir möchten die wissenschaftliche Exzellenz staatlich verantworteter Forschung sichern, wo nötig steigern. Deshalb bewertet der Wissenschaftsrat zur Zeit die Einrichtungen der Blauen Liste, Herr Blümel, Sie erwähnten dies. Dies ist nicht der einzige Bewertungsprozeß, der läuft. Auch andere Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Wissenschaftsrates selbst - Herr Ministerpräsident, Sie haben das im Kreise Ihrer Kollegin und Kollegen diskutiert - müssen sich von Zeit zu Zeit dem kritischen Urteil stellen; das ist ganz normal. Nur daraus können wir die Dynamik in der Forschungslandschaft gewinnen, die wir dringend zu deren Weiterentwicklung brauchen. Wir wollen die staatlich verantwortete Forschungslandschaft stärker vernetzen als dies bisher der Fall ist. Ich begrüße deshalb die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, "Transferzentren" bei Sonderforschungsbereichen einzurichten. Es gilt aufzuräumen, praktisch aufzuräumen mit dem (Vor-)Urteil, Grundlagenforschung sei eines, angewandte Forschung etwas (gänzlich) anderes, was ja in dieser Dichotomie theoretische Köpfe nie befriedigt hat. Daher ist es sinnvoll, wenn die DFG diejenigen Ergebnisse, die in Sonderforschungsbereichen erzielt werden, ausdrücklich unter Leitung der Wissenschaft, nämlich der Hochschulen, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auch umzusetzen versucht. Wir möchten bei den Großforschungseinrichtungen stärker programmorientierte Strukturen aufbauen. Wie weit das gelingen wird, ist am Beginn eines solchen Prozesses, den Sie, Herr Blümel, bereits geschildert

Staatliche Verantwortung für die Forschung

37

haben, nie genau absehbar. Wir sind dabei auf eine enge Verbindung mit den Ländern - Herr Zöllner, Sie wissen das - angewiesen und müssen sowohl inhaltliche als auch strukturelle und prozessuale (Flexibilisierung erhöhen, Verwaltungsaufwand mindern) Aspekte diskutieren. Wir möchten die Regelungsdichte, die wohl nicht nur eine deutsche Eigenart ist, vermindern - in wissenschaftlich und wirtschaftlich wichtigen Bereichen. Dabei gibt es durchaus Erfolge. Beispielsweise sind die rechtlichen Normierungen in der Gentechnik inzwischen bis hin zu den Verordnungen eigentlich so flexibel, daß man meinen müßte, die Wirklichkeit könne sich darauf beziehen und würde glänzend funktionieren. Probleme in diesem Bereich liegen aber immer noch in der Umsetzung bei den Genehmigungsbehörden. Wenn Speyer dazu beitragen kann, die Erfolge im Abbau unnötiger, hemmender Regelungen zu verbreitern, wäre ich sehr dankbar. Regelungsdichte abzubauen ist das eine, Regelungsdichte - wo immer möglich - überhaupt nicht erst auftreten zu lassen, das andere. Bei Multimedia, Herr Ministerpräsident, sollten wir dies anstreben. Wichtig ist uns, neben dem nötigen Freiraum auch die Akzeptanz für wichtige technologische Neuerungen mit verbreitem zu helfen. Beispielsweise müssen wir für die Biotechnologie allesamt, die wir überzeugt sind, daß sie eine technologische Entwicklung impliziert, die für unsere Wirtschaft zukünftig zentrale Bedeutung hat, die positive Wertschätzung in der Bevölkerung steigern. Die renitenten Vernichtungen von Freisetzungen beispielsweise in der "grünen Gentechnik" muß man mit dem Strafgesetzbuch ahnden, und zwar sehr klar und deutlich. Aber das kann eben nicht alles sein. Wir müssen breite Bevölkerungsteile dafür gewinnen, daß sie vorbehaltlos Chancen und Risiken einer solchen Entwicklung prüfen, und zwar vorbehaltloser als das in der Vergangenheit der Fall war. Wenn wir uns erlauben, in der Biotechnologie eine Diskussion wie bei der Kernenergie zu führen, wäre dies eine Katastrophe. Lassen Sie mich schließlich als letztes Stichwort die Internationalisierung anführen. Sie betrifft einmal die Hochschulen - Herr Zöllner, seien

38

Fritz Schaumann

Sie nicht bekümmert, daß ich in Threr Landschaft wildere. Wir werden die Diskussionen zwischen Ländern und Bund laufen gerade - den Aufbau inernational orientierter Studiengänge wettbewerbsorientiert ausschreiben und hoffen sehr, daß Hochschulen diese Möglichkeit zur weiteren Profilierung auf breiter Front nutzen. Es betrifft zum anderen die Forschungseinrichtungen bzw. -Organisationen. Beispielsweise ist die Fraunhofer-Gesellschaft engagiert in Amerika, in China, das werden nicht die einzigen Bezüge sein. Auch die DFG baut solche internationalen Bezüge in systematischer Weise auf. Bei einigen Blaue Liste-Einrichtungen, Herr Hertel, ist das in schöner Ausprägung auch der Fall, die MPG wird in dieser Orientierung ebenfalls weiter vorangehen. Wir haben auch in der Europäischen Union eine staatlich verantwortete Forschungsförderung. Aktuell findet die Diskussion um das fünfte Rahmenprogramm der Europäischen Union statt. In unserer deutschen Stellungnahme, die sehr breit mit Ländern, Wissenschaft und Wirtschaft erarbeitet wurde, sprechen wir uns dafür aus, die Programmaktivitäten zu komprimieren und zu konzentrieren. Insbesondere auf solche Pfade, von denen die Mitgliedsstaaten gemeinsam meinen, hier sei Entwicklungspotential nur in Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg zu aktivieren. Bisher haben wir zu viele Angebote auf europäischer Ebene, die man eigentlich auch national wahrnehmen müßte. Wir wollen, daß dies nicht so bleibt, sondern daß das fünfte Rahmenprogramm wirklich zu einem europäischen Mehrwert beiträgt. Nur so haben wir eine Legitimation dafür, Milliarden auf EU-Ebene für diese Zwecke auszugeben, die wir ja erst mühsam von der nationalen auf diese Ebene transferieren müssen. Ich bedanke mich sehr, Herr Blümel, Herr König, gratuliere Thnen noch einmal sehr herzlich und hoffe auf eine gedeihliche Entwicklung.

Staatliche Verantwortung für die Forschung

39

Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König Herzlichen Dank Herr Schaumann für Ihre Wünsche, aber auch herzlichen Dank für diesen höchst instruktiven Überblick über ein wichtiges staatliches Aufgabenfeld, nämlich die Forschung. Sie haben immer wieder Stichworte genannt, die für unsere Arbeit relevant sind: Regelungsdichte, Wettbewerbsorientierung usw. Die Verwaltungswissenschaften neigen etwas dazu, diese Fragen generalisierend zu betrachten. Ich finde, Ihr Referat hat sehr deutlich gemacht, daß wir auf die Innovationen in einzelnen Politikfeldern schauen müssen. Und ich denke, die Forschungspolitik, etwa zusammen mit der Umweltpolitik, ist ein solches Politikfeld, aus dem Innovationen erwachsen können, die wir allgemein für staatliche Steuerung verwenden können. Ich bedanke mich für Ihr Referat! Sie haben die Frage der Veränderungsgeschwindigkeit angesprochen. Ich muß Ihnen sagen, für das Forschungsinstitut ist die Mitgliedschaft in der Blauen Liste eine ganz beachtliche Veränderung. Wir sind ein kleines Institut mit wenig personellen Kapazitäten und stehen in dieser Gemeinschaft vor neuen Anforderungen. Ich will nicht von einer postindustriellen Bürokratisierung der Wissenschaft sprechen. Aber wir haben es mit einer Steigerung des Organisationsgrades in der Forschung zu tun. Das belastet uns, aber wir akzeptieren dies. Wir sind Mitglied und haben das Vergnügen, mit Herrn Kollegen Hertel den Präsidenten der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste unter uns zu haben. Und ich bin ganz sicher, daß er uns in seinem Grußwort von der Nützlichkeit dieser Mitgliedschaft überzeugt. Bitteschön!

Grußwort des Präsidenten der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste (WBL) Von Universitätsprofessor Dr. lngolf Hertel Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr geehrter Herr Staatssekretär, liebe Kollegen, meine Damen und Herren, zum 20. Geburtstag des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung möchte ich die besten Grüße und Wünsche der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste überbringen. Im Programm eingeordnet zwischen Herrn Staatssekretär Dr. Schaumann und Herrn Staatsminister Dr. Zöllner, also in einer Brückenfunktion zwischen Bund und Land, tue ich dies besonders gerne, da die Blaue Liste mit ihren 83 von Bund und Ländern finanzierten Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen ja in besonderem Maße ein Instrument der föderalen Forschungspolitik ist. 20 Jahre sind für ein Forschungsinstitut ein gutes, kreatives Alter, das man noch keineswegs als hoch bezeichnen würde (wir haben in unserer Gemeinschaft Mitgliedsinstitute, die auf über 100 Jahre Geschichte zurückblicken können), aber doch auch nicht mehr als ganz jung im Vergleich zu den nach der deutschen Wende gegründeten 33 Instituten, die zur Zeit zum Teil ja noch das Laufen lernen. Allein diese Alterskoordinate zeigt eines der Spannungsfelder auf, in denen die Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste als vierte Säule der außeruniversitären Forschungslandschaft steht. Was wünscht man einem WBL-Institut zum 20. Geburtstag? Zunächst einmal wissenschaftliche Exzellenz und Effizienz und natürlich auch ein langes Leben. Ersteres ist ohne Zweifel eine existentielle Grundvoraussetzung für alle öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen nicht nur, aber insbesondere in Zeiten leerer öffentlicher Kassen. Hingegen ist ein langes Leben ftir ein Institut der WBL heute nun keineswegs

42

Ingolf Hertel

eine Selbstverständlichkeit. Der Wissenschaftsrat bewertet derzeit innerhalb von 5 Jahren alle 83 Institute der Blauen Liste in einem in dieser Schärfe, Stringenz, Vollständigkeit und Transparenz bislang einmaligen Verfahren: von inzwischen ca. 15 evaluierten Instituten konnte für 5 die Weiterförderung nicht empfohlen werden, 3 erhielten so etwas wie eine gelbe Karte. Dabei handelt es sich, soweit ich dies als in der Regel ja nur fachferner Beobachter beurteilen kann, um ein durchweg faires, mit großem Ernst und hoher Verantwortlichkeit durchgeführtes Verfahren. Für die WBL bedeutet das dennoch eine außerordentliche Belastungsund Bewährungsprobe, aber natürlich auch eine große Chance, wenn es so gelingt, Flexibilität in die Forschungslandschaft zu bringen, weniger Ertragreiches zu beenden und vielversprechende Neuaufnahmen von Instituten zu realisieren. Ich bin überzeugt, daß die WBL in 5 Jahren die modernste und leistungsfähigste aller Wissenschaftsorganisationen sein wird, sozusagen "runderneuert und TÜV geprüft". - Vielleicht darf ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, anstelle des immer etwas skeptischen Terminus ,sogenannte Blaue Liste' das Kürzel ,WBL' ans Herz legen: es steht für Dynamik und Flexibilität in der Forschungslandschaft Es scheint, daß das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung angesichts der hochkarätigen Präsenz aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft beim heutigen Festakt keine Sorge im Hinblick auf die bevorstehende Bewertung zu haben braucht. Wird hier doch eindrucksvoll die hohe Wertschätzung dokumentiert, welche Ihre Arbeit durch Ihren - ich will es einmal etwas blumig sagen - "Kundenkreis", also durch die Adressaten Ihrer Arbeit erfährt. Dies bringt mich zur zweiten Herausforderung, vor welche sich die WBL gestellt sieht. Im öffentlichen Verständnis von Forschung findet derzeit ein Paradigmawechsel statt: weg von der Angebotsorientierung hin zur Nachfrageorientierung. Dies führt zu einem Wandel in unserer gesamten Forschungslandschaft und erfordert von der WBL stärker noch als von den anderen Forschungsorganisationen (Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren) eine Definition ihres spezifischen Platzes im Forschungssystem. Die WBL befindet sich also in einem intensiven Selbst-

Grußwort

43

findungs- und Entwicklungsprozeß. Für das einzelne Institut genügt es eben nicht mehr, einfach da zu sein und exzellente Forschung zu betreiben oder hervorragende Dienstleistungen für die Forschung zu erbringen (wiewohl dies natürlich eine Grundvoraussetzung ist). Die Frage nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Forschungsprofils und seiner Bedeutung für die Gesellschaft, für den Kunden, wird in zunehmendem Maße gestellt. Das Wirken der WBL-Institute bezieht sich auf einen dreifachen Kundenkreis: auf die Wissenschaft (und dabei insbesondere die Hochschulen), auf die Wirtschaft und die Öffentlichkeit (für die sie technische bzw. gesellschaftliche Innovation bereit stellen) und schließlich auf die Politik und die öffentliche Verwaltung (der sie mit wissenschaftlicher Politikberatung zur Seite stehen). Letzteres trifft insbesondere zu auf die Institute der Sektion B (Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften), der das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung ja angehört. Die WBL als Ganze möchte dazu beitragen, Synergien zu erschließen und die Kooperation der an verwandten Themen arbeitenden Disziplinen zu organisieren und auf einen klar identifizierbaren Wirkungsbereich zu fokussieren. Denn als überzeugendes Charakteristikum der WBL reicht es ja nicht aus, wenn man uns ,Vielfalt' bescheinigt, wie das die Leitlinien des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie vom Juli d.J. tun - wiewohl Vielfalt gewiß eine unserer Stärken ist. Fast alle Institute der WBL sind Unikate, wo würde dies deutlicher dokumentiert als hier in Speyer. Wir müssen aber auch die Frage nach der Kohärenz, nach der spezifischen Rolle der WBL im Forschungssystem der Bundesrepublik Deutschland überzeugend beantworten, wenn wir auf Dauer bestehen wollen. Ich meine, daß die spezifische Rolle der WBL im Konzert der Wissenschaftsorganisationen nur darin bestehen kann, den Brückenschlag zwischen Grundlagen und Anwendung gezielt zu organisieren, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen, Kompetenzzentren im Vorfeld künftiger Schlüsseltechnologien und gesellschaftlicher Veränderungsprozesse aufzubauen. Es ist ja in Deutschland leider oft so, daß man von einem Extrem ins andere verfällt, hier also vom Elfenbeinturm der reinen Wissenschaft in eine "Transfer-Mentalität", die nur noch nach kurzfristig "vermarkt-

44

Ingolf Hertel

baren" Forschungsergebnissen fragt. Es wird ganz wesentlich eine Rolle der WBL sein, die Balance zwischen diesen beiden Polen zu wahren und den Humus für technische und gesellschaftliche Innovation auf dem Boden einer exzellenten Grundlagenforschung zu kultivieren. Die Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung der WBL haben auf diese Herausforderungen mit der Gründung eines eingetragenen Vereins reagiert, mit der Bildung von fünf Sektionen, in denen die fachliche Arbeit organisiert wird und mit einer kleinen, aber wirkungsvollen Geschäftsstelle, die seit Frühjahr 1996 in Bonn ihre Arbeit aufgenommen hat. Dennoch erleben wir derzeit den Paradigmawechsel noch allzusehr als etwas, das mit uns geschieht und das wir weitgehend mit uns geschehen lassen (müssen): der Wissenschaftsrat empfiehlt, die Bund-LänderKommission beschließt, welche Institute herausgenommen oder neu aufgenommen werden, der BMBF initiiert Leitlinien, wie wir uns im Wettbewerb bewähren sollen. - Dies ist natürlich das genaue Gegenteil dessen, was man gemeinhin in Deutschland als das bewährte Prinzip der wissenschaftlichen Selbstverwaltung preist. Auch wenn dies wohl in der augenblicklichen Umbruchsituation nicht anders sein kann, so ist es doch unbestritten, daß sich Wissenschaft am gedeihlichsten und für ihren langfristigen Nutznießer, die Gesellschaft, am wirkungsvollsten in einer Verantwortungsgemeinschaft der Beteiligten und Betroffenen entwickelt. Daher schlägt das Präsidium der WBL die Bildung eines WBL-Senats vor, in welchem die Geldgeber (Bund und Länder), die Betroffenen (WBL und Wissenschaft) und die Kunden (also Wirtschaft, Politik, Kultur, Öffentlichkeit) gemeinsam für die WBL Verantwortung übernehmen. Ein solcher Senat hätte insbesondere Strategien für die Gesamtentwicklung der WBL zu entwickeln, nach Abschluß der Arbeit des Wissenschaftsrats in etwa vier Jahren die Evaluierungsarbeit fortzusetzen, über Neuaufnahmen und besondere Schwerpunkte der Forschungsarbeit zu beraten und sollte Instrumente schaffen, um die Stärken der WBL auszubauen und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Hierzu müßte dieser Senat natürlich über strategisch einsetzbare Finanzmittel verfügen können.

Grußwort

45

Dies bringt mich zur dritten Herausforderung und Belastungsprobe, vor welche sich die WBL gestellt sieht. Das BMBF, das ,Zukunftsministerium', hat Leitlinien zur strategischen Orientierung der deutschen Forschungslandschaft unter dem Titel "Innovation durch mehr Flexibilität und Wettbewerb" formuliert, die - das ist meine persönliche Einschätzung - die deutsche Forschungslandschaft massiv verändern werden. Dabei ist vorgesehen, daß zunächst(!) 5% der institutionellen Förderung der Forschungseinrichtungen der WBL durch die DFG im Wettbewerb mit den Hochschulen vergeben werden sollen. Nun hören sich 5% ja vielleicht wenig an. Ich muß hier aber mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß ein Großteil der WBL-Institute bei einer gleichmäßigen Abschöpfung von 5 % der Grundfinanzierung, sagen wir zum 1. 1. 1998, überhaupt nicht mehr wettbewerbsfahig wäre. Kurz gesagt liegt das daran, daß bei vielen Instituten bis zu 85 % der Haushaltsmittel durch Personal gebunden sind, typischerweise 10 % entfallen auf die Bewirtschaftungskosten von Gebäuden. Bei den stark experimentell orientierten Einrichtungen sind es typischerweise 65 % Personalmittel, überwiegend d~rch Dauerbeschäftigte gebunden, 15- 20% Bewirtschaftungs- und Infrastrukturkosten und ca. 10 % Reinvestitionen zur Aufrechterhaltung des Gerätebestands. In jedem Fall bleiben höchsten 5-10% als für die Forschung disponible Mittel übrig. Wenn man also 5 % umwidmet, sinkt die Grundausstattung der Institute unter die Grenze, die für eine effiziente Drittmitteleinwerbung unverzichtbar ist. In der Tendenz muß man gewiß eine stärkere Flexibilisierung der Forschungsaufwendungen begrüßen. Die Wendung von der institutionellen Förderung zur Projektförderung kann helfen, Verkrustungen zu vermeiden oder aufzubrechen. Wer könnte schon gegen stimulierenden, leistungsfordemden Wettbewerb um knappe Forschungsgelder argumentieren. Gleichzeitig muß aber nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß dies nur in einem längerfristigen Prozeß möglich ist, will man nicht gleichzeitig irreparablen Schaden anrichten und wichtige Kapazitäten durch ein zuviel an Diversifizierung zerschlagen, wo doch Konzentration angesagt ist. In einem solchen, längerfristig angesetzten Umlagerungsprozess muß man sich aber auch fragen, ob die DFG, auf deren Kompetenz und Effi-

46

Ingolf Hertel

zienz bei der Förderung der Grundlagenforschung wir in Deutschland ja sehr stolz sein können, für die hier erwogenen Ziele und die damit verbundene Globalsteuerung der Forschungslandschaft wirklich die geeignete Organisation ist. Ich persönlich kann mir dies für einen begrenzten Teil der institutionellen Förderung sehr wohl vorstellen. Viele unserer Institute haben aber die große Sorge, daß es sich bei der vom BMBF vorgeschlagenen Maßnahme lediglich um eine Umwidmung von Mitteln der WBL an die Hochschulen handelt, denen an anderer Stelle immer wieder Mittel entzogen werden. Glaubwürdig kann diese Maßnahme also nur dann werden, wenn der Gesamtplafond der WBL von derzeit 1,3 Mrd. DM pro Jahr nicht dauerhaft gekürzt wird, sich vielmehr stetig entwickelt und den steigenden Kosten und Aufgaben angepaßt wird. Die geplanten Abgaben an die DFG, die nach unserer Einschätzung für 1998 maximal bei 2 % liegen können, müssen in den Haushalten der Institute als globale Minderausgaben und auf der Einnahmeseite der DFG als entsprechende Zuwendungen gekennzeichnet werden, unabhängig davon, daß die DFG keine getrennten WBL-Verfahren realisieren kann und will. Nach 3-5 Jahren wird dann zu prüfen sein, wie sich dieses Verfahren ausgewirkt hat, ob es die erhoffte Stärkung der Leistungsfähigkeit des Forschungssystems erbracht hat oder ob man andere Wege einschlagen sollte. Parallel hierzu muß die WBL eigene Strukturen aufbauen, die es ihr gestatten, selbst über Finanzmittel disponieren zu können. Der ins Auge gefaßte Senat wird eine globale Ordnungsfunktion, eine Stärkung des Wettbewerbs und eine inhaltliche Ausgestaltung des oben angesprochenen Paradigmawechsels im Forschungssystem WBL nur dann effizient wahrnehmen können, wenn finanzielle Anreize diesen Prozeß unterstützen. Wenn all dies mit Bedacht und Umsicht, aber auch konsequent in die Wege geleitet wird, so wird, davon bin ich überzeugt, die WBL die flexibelste und dynamischste Organisation im gesamten Wissenschaftssystem werden, die im Wettbewerb, aber auch in Zusammenarbeit mit den Hochschulen ihre spezifischen Aufgaben effizient erfüllt. Sie wird Nährboden für technische Innovationen im Spannungsfeld zwischen Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung sein, und sie wird

Grußwort

47

gleichzeitig auch die wissenschaftlichen Grundlagen für gesellschaftliche Innovationen schaffen. Und wo wäre diese Art der Innovation dringender geboten als im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Auch so gesehen hat das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung glänzende Voraussetzungen, die vor uns liegenden Herausforderungen mit Bravour zu meistem und einen genuinen Beitrag zur Erneuerung des Standorts Deutschland zu leisten. Dafür wünsche ich Ihnen Erfolg und Freude am Gelingerl.

48

Ingolf Hertel

Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König Herzlichen Dank, Herr Hertel, für Ihr Grußwort. Die Verwaltungswissenschaften haben aus langer Beschäftigung mit öffentlichen Einrichtungen ein klassisches Thema, das heißt: "Sind Institutionen unsterblich?" Sie haben versucht, die Sterblichkeit von Institutionen vor Augen zu rücken. Wenn man bedenkt, daß selbst an einer solch ehrwürdigen Institution wie dem Regierungspräsidenten gerüttelt wird, dann erweisen sich die zeitlichen Grenzen in der Geschichte. Sie haben sehr interessante Themen angesprochen. Man müßte tiefer über Wettbewerb in einem so immateriell angelegten Feld wie der Forschung diskutieren. Wir haben in Großbritannien bemerkenswerte Beispiele und man sollte sie vertieft studieren. Ich finde, eines können wir uns nicht leisten: einfach eine Kategorie wie Wettbewerb voraussetzungslos als gut hinzustellen. Ich habe selber einige kritische Worte dazu geschrieben. Wir haben schließlich mal so etwas gehabt wie sozialistischen Wettbewerb. An dieses Thema muß man behutsamer herangehen. Eines sollte man unterstreichen im Blick auf Ihre letzten Ausführungen. Was wir brauchen, ist eine schlanke Forschungsorganisation. Und ich kann nur sagen, daß wir hier in Speyer im Forschungsinstitut sehr bemüht sind, in einem kleinen Institut die Verwaltung der Verwaltungsforschung schlank zu halten. Meine Damen und Herren, ganz besonders freue ich mich, daß Herr Minister Zöllner heute zu uns gekommen ist. Herr Minister Zöllner ist nicht nur auch über das Land hinaus Repräsentant für die Forschungspolitik, sondern er ist auch Vorsitzender unseres Institutsverwaltungsrates. Und seine Verbindung mit dem Institut zeigt er am deutlichsten dadurch, daß er hierhergekommen ist und zu uns spricht. Ich darf Sie herzlich einladen.

Verantwortung der Politik für die Forschung Von Universitätsprofessor Dr. Jürgen Zöllner

Herr Ministerpräsident Beck, Herr Staatssekretär Schaumann, Herr Blümel, Herr König, meine Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin gerne gekommen, ich gratuliere Ihnen herzlich, und ich fühle mich hier wohl, auch in einem Institut, das nicht meinem Zuständigkeitsbereich sondern der Staatskanzlei zugeordnet ist. Herr Staatssekretär Schaumann, der Gesellschaftswissenschaftler, hat sich dem heutigen Thema durch harte Fakten genähert. Ich werde meine Vergangenheit als Naturwissenschaftler nicht leugnen könnend etwas stärker eine gesellschaftswissenschaftliche Annäherung versuchen. Wobei ich den Damen und Herren aus Rheinland-Pfalz, die im Wissenschaftsbereich tätig sind, gleich versichern darf, Sie dürfen sich nicht beruhigt zurücklehnen, dies ist keine Schwerpunktverlagerung meines Engagements, sondern in der Alltagsarbeit werden wir auf die harten Fakten sofort wieder zurückkommen. Meine thematische Ausrichtung ist nur darin begründet, daß auf Grund der guten persönlichen Zusammenarbeit mit Herrn Schaumann auch in diesem Falle der Versuch einer Bund-Länder-Kooperation unternommen werden soll.

Stellung der Forschung in der Gesellschaft

,,Forschung als Teil der kulturellen Identität eines Staates", "Forschung und Lehre als wechselseitige Komponenten des deutschen Hochschulsystems", "Forschung als Motor für wirtschaftliche Entwicklung" diese und viele andere Schlagworte werden immer wieder benutzt, wenn es um die Einordnung der Forschung in das gesellschaftliche Umfeld 4 Speyer 125

50

Jürgen Zöllner

geht. In der täglichen Politik ist Forschung auf der einen Seite immer dann gefragt, wenn es für anstehende Probleme keine Lösungen gibt oder zu geben scheint. Forschung wird auf der anderen Seite immer dann kritisch hinterfragt, wenn ihre Ergebnisse neue Probleme aufzeigen oder auslösen. In dieser ambivalenten Situation muß auch die Politik durch fortwährende Diskussion ihren eigenen Standpunkt über Förderung und Begrenzung von Forschung reflektieren. Die Wissenschaft muß sehen, daß die Politik, die über die öffentlichen Ressourcen verfügt, sich rechtfertigen muß, warum sie einen bestimmten Anteil an ihrem Budget der Forschung zur Verfügung stellt und nicht anderen Zwecken - wie auch Herr Ministerpräsident eingangs angesprochenen hat. Unter dem Druck des immer schärfer werdenden internationalen Innovations-, Technologie- und Effizienzwettbewerbs wächst dabei die Gefahr, die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung und damit die Politik der Forschungsförderung ausschließlich auf die Produktion rasch anwendbaren Verfügungswissens zu beschränken. Dabei könnte in Vergessenheit geraten, daß ohne erkenntnisorientierte Grundlagenforschung - wobei ich die Einschätzung teile, daß es eine scharfe Grenze nicht gibt, sondern es gibt wie im Leben überall Gauß'sche Kurven mit Schwerpunktverlagerungen- die technologische Weiterentwicklung sehr rasch ihre Innovationskraft verliert. Darüber hinaus muß Forschung aber auch um ihrer selbst willen akzeptiert und gefördert werden und zwar alleine wegen des Erkenntnisgewinnes, der auch in sich bereits einen Wert darstellt. Allerdings betone ich das auch, denn Forschung ist selbstverständlich verpflichtet, ihren Beitrag zur Lösung aktueller Probleme zu leisten. In diesem Zusammenhang ist mir ein Punkt ein besonderes Anliegen: Ich bin der festen Überzeugung, daß sowohl - wie der Titel so schön heißt - die Verantwortung der Politik für die Forschung, aber auch die Verantwortung der Wissenschaft für die Gesellschaft, über die wir heute nicht reden, die aber komplementär unabdingbar dazugehört, nur dann zukunftsfähig wahrgenommen werden kann, wenn es gelingt, einen Dialog, einen dauernden, ernstgemeinten Diskurs zwischen diesen beiden Partnern mit - ich betone - der Bereitschaft der permanenten Fehlerkorrektur auf sich zu nehmen. Und dieser Austausch wiederum wird nur

Verantwortung der Politik für die Forschung

51

dann erfolgreich sein, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind, von denen ich überzeugt bin, daß sie noch nicht in ausreichendem Maße erfüllt sind, und zwar: 1. In der Wissenschaft, aber auch in der Politik muß die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft selbst zum anerkannten Allgemeingut werden. 2. Der Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft muß insbesondere durch einen Personaltransfer realisiert werden. Zu dem ersteren ist zu sagen, daß Wissenschaft und Forschung nach meiner festen Überzeugung dadurch relativ kurz zu definieren sind, daß sie uns sichere Erkenntnisse und damit Wissen vermitteln. Aber, und dieses gehört unabdingbar dazu, im Bewußtsein der Subjektivität der Fragestellung und der Beschränktheit der Methode. Das heißt, daß das Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit nicht die absolute Wahrheit abbilden kann. Nur wenn sich dies beide Seiten klar und bewußt vor Augen führen, wird es auf seiten der Politik nicht dazu führen, daß falsche Erwartungen geweckt werden, die wiederum zu Enttäuschungen führen könnten. Und die Wissenschaft wird sich auf der anderen Seite darüber bewußt sein, was sie tatsächlich weiß, was sie beitragen kann. Sie wird das, was sie einbringt, richtig einordnen und damit ein akzeptierter Gesprächspartner sein. Mein zweiter Appell, nicht nur über Dialog zu reden, den Diskurs zu fordern und die Voraussetzung, den Personalaustausch, zu unterlassen, ist genauso ernst und nachhaltig gemeint. Und dies, meine ich, ist primär eine Forderung an die Wissenschaft. Ich habe ein bißchen Erfahrung, auch persönlich, in diesem Bereich. Ich bin der festen Überzeugung, daß es nötiger ist, daß sich die Wissenschaft für die Politik öffnet, als umgekehrt. Daß die Wissenschaft bereit ist, in die Politik zu gehen und umgekehrt bereit ist, Menschen, die in der Politik Verantwortung getragen haben, auch in ihren Bereich aufzunehmen. Dieses ist die Voraussetzung, daß es letzten Endes nicht nur deklamatorisch bei dem Wunsch eines Dialoges und Diskurses bleibt, sondern er mit Leben erfüllt wird. Dies vorausgeschickt und vor diesem Hintergrund lassen sich als übergeordnete Ziele der Forschung aus meiner Sicht vier Punkte definieren: 4*

52

Jürgen Zöllner

- die Erweiterung des menschlichen Wissens, - die Vorsorge für eine menschen- und naturgerechte Welt, - die Übermittlung von Wissen und Zielen an die nachfolgenden Generationen, - und die Bewahrung des Wohlstandes. Viele dieser Ziele müssen durch weltweite Anstrengung erreicht werden. Es ist jedoch ebenso sicher, daß ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland sich in besonderer Weise der Forschungsförderung annehmen muß und auch hier besondere Verantwortung trägt. Ökonomische, ökologische und soziale Konzepte für die Weiterentwicklung von Staat und Gesellschaft müssen mit einem eigenen Beitrag von uns erforscht werden. Wissensbereiche und Zukunftstechnologien müssen in möglichst breiter Ausfacherung Berücksichtigung finden. Man muß sich darüber im klaren sein, daß unterlassene Forschung ebenso mit vielen Risiken behaftet ist, wie die stattgefundene Forschung mit ihren Ergebnissen. Technologien, die ausschließlich importiert werden müssen, können in Deutschland nicht mitgestaltet werden. Verfahren und Produkte, die aus solchen Technologien entwickelt werden - und ich erwähne hier ganz bewußt die Gentechnik -, können nicht mehr beeinflußt werden und ihre Sicherheit kann infolge mangelnder eigener Kompetenz in dieser Technologie weder beurteilt noch gefördert werden. In diesem Gegensatz zwischen gesteigerten Erwartungen an die Wissenschaft einerseits und einer zu beobachtenden Akzeptanzkrise der Forschung andererseits - ihre Ursache liegt in dem von mir eingangs erwähnten Spannungsverhältnis -, kommt der Politik besondere Verantwortung für die Forschung zu. Wie nimmt nun Politik diese Verantwortung wahr? Hier stehen aus meiner Sicht vor allen Dingen drei Felder im Vordergrund: - einmal die Förderung von Forschung, - zweitens auch das Aufzeigen von Grenzen für die Forschung, - und drittens das Definieren von Anreizen und Zielen für die Forschung. Das heißt berechtigterweise auch, das Vorgeben von Inhalten.

Verantwortung der Politik für die Forschung

53

1. Die Förderung von Forschung

Oberstes Ziel staatlicher Forschungsförderung ist es, ein günstiges Umfeld für originelle und innovative wissenschaftliche Leistungen zu schaffen und damit eine möglichst hohe Qualität und wissenschaftliche Produktivität zu gewährleisten. Dieses Umfeld wird in erster Linie durch eine langfristig angelegte und ausreichende Finanzierung von Forschung erreicht. Hier kann die Bundesrepublik auf ein gut entwickeltes Finanzierungs- und Förderungssystem blicken, das den Forschern ein hohes Maß an Freiheit gewährleistet. Das ist im einzelnen von Herrn Schaumann ausgeführt worden. Aus den öffentlichen Haushalten wurden 1995 - ich wiederhole nur diese Zahl - Forschung und Entwicklung mit insgesamt ca. 32 Mrd. DM finanziert. Hier ist nicht der Platz, eine Diskussion über Ausweitung und ausreichende Höhe zu führen, nur glaube ich schon, auch an dieser Stelle unterstreichen zu können, daß auch die Quantität in diesem Falle wichtig ist und wir die Zukunft sicher auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes gestalten müssen. Das System der Forschungsförderung und der Forschungsfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland ist außerordentlich komplex. Die Ursachen dieser Vielfalt liegen zum einen im föderativen Staatsaufbau und den damit verbundenen Kompetenzregelungen, zum anderen in einem ausgeprägten Verständnis für die Autonomie der Wissenschaft, die nicht zuletzt in der Verfassung garantiert ist. Ich meine, in der Summe hat sich dieses System bewährt, es ist sicher optimierungsfähig, aber es ist eine gute Grundlage. Die Förderung der Forschung durch die Politik ist jedoch keineswegs auf die Frage nach der Höhe der Mittel und der Verteilung der Mittel begrenzt. Die Politik muß verläßliche Rahmenbedingungen auch in anderen Bereichen bereitstellen, und hierzu gehören gesetzgebensehe und politische Rahmenbedingungen. Aus gesetzgebenscher Sicht müssen sich die Rahmenbedingungen für die Forschungsförderung in Übereinstimmung befinden mit dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und mit ethischen Wertvorstellungen sowie mit volkswirtschaftlichen Anforderungen.

54

Jürgen Zöllner

Aus politischer Sicht ist die Schaffung eines kritischen, aber forschungsfreundlichen Klimas notwendig. Dabei muß sich die Politik darüber im klaren sein, daß Forschung immer mit einem Risiko behaftet ist und damit Forschungsförderung mit einem erheblichen Vertrauensvorschuß einhergehen muß. Ein Teil dieses Vertrauens richtet sich auf die Selbstorganisation der Wissenschaft, das nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn jeder einzelne Wissenschaftler und jede einzelne Wissenschaftlerin und jede Wissenschaftsorganisation sich dieser Gesamtverantwortung bei jeder Einzelentscheidung auch bewußt ist. Wir brauchen in diesem Zusammenhang den strategischen Dialog zwischen Staat, Wirtschaft und Wissenschaft und dieser Dialog selbst bedarf der öffentlichen Förderung. Dabei geht es nicht um die staatliche Steuerung des Dialoges und nicht um politische Vorgaben, sondern um die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur, um den ungehinderten Zugang zu Forschungsergebnissen und um die Entwicklung und Erprobung von Formen und Mitteln eines solchen gesellschaftlichen Diskurses. Hier besteht aus meiner Sicht ein großer Ausbaubedarf. In diesem Dialog stehen Wissenschaft und Politik in wechselseitiger Verantwortung. In wichtigen gesellschaftlichen Debatten um zukünftige Entwicklungen muß die Wissenschaft ihre Erkenntnisse zu Gehör bringen. Wenn die Politik die Herausforderungen der Zukunft verantwortungsbewußt annimmt, muß sie an den wissenschaftlichen Lösungsvorschlägen interessiert sein. Dabei kann die Wissenschaft nicht erst dann gefragt werden, wenn es um die Lösungen erkannter Probleme geht, sondern die Beteiligung der Wissenschaftler ist bereits dann von entscheidender Wichtigkeit, wenn es um die saubere und vollständige Definition von Problemen geht. Die Inhalte der Diskussion zwischen Politik und Wissenschaft werden sich um ökonomische, ökologische und soziale Ziele der Forschung drehen; wie z. B. - Welche Zukunftstechnologien sind für den Ausbau der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit notwendig?

Verantwortung der Politik für die Forschung

55

- Welche gesellschaftlichen Probleme brauchen tatsächlich neue Antworten und nicht immer die alten? - Wie kann ein sozialverträglicher und ökologisch sinnvoller Strukturwandel aktiv unterstützt werden? Die Liste der konkreten Forschungsthemen ist lang: Humanisierung des Arbeitslebens, Forschung zur Ressourcenschonung und ähnliches mehr. Diese Liste ließe sich in beliebiger Weise fortsetzen und würde immer noch den Eindruck hinterlassen, unvollständig zu sein. Diese Tatsache führt unmittelbar zum nächsten Grund für einen Dialog zwischen Wissenschaft und Politik. Gerade in Zeiten knapper Mittel muß über den effizienten Einsatz der Forschungsgelder intensiv diskutiert werden. Nichts schadet Forschung so sehr, wie eine Reduktion der Mittel nach dem Prinzip des Rasenmähers. Wir haben dieses heute schon öfter gehört. Die Verteilung der Mittel muß eng an Qualität und Leistung gekoppelt werden, und Kriterien hierfür müssen gemeinsam zwischen Wissenschaft und Politik entwickelt werden. Und ich darf Herrn Hertel hier seine Sorge nehmen, daß die Länder möglicherweise den Schritten des Bundes nicht folgen. Ich darf Ihnen versichern, das gilt für alle Länder, aber ich nehme es für Rheinland-Pfalz mit besonderem Nachdruck in Anspruch, daß wir diese Schritte der Ieistungs- und bedarfsgerechten Ressourcenzuweisung schon in vielen Bereichen gegangen sind, die letzten Endes die Voraussetzung von Budgetierung und mehr Flexibilität sind. Wir haben die Zuweisung aller laufenden Mittel nach solchen Leistungs- und Bedarfskriterien realisiert. Wir werden in diesem Jahr ich hoffe im Dialog mit den Hochschulen - den schweren Weg gehen, auch die Personalressourcen nach solchen Schritten zuzuweisen. Und ich bin übrigens der festen Überzeugung, daß wir auch das erste Land sein werden, das den Mut hat, den Hochschulen den letzten dritten entscheidenden Bereich eigenverantwortlich zur Bewirtschaftung zuzuweisen, und das ist der lmmobilienbereich. Nur: Meine Damen und Herren, machen Sie sich keine Illusionen. Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung. Und es ist etwas anderes, wenn man sie wahrnehmen muß, als wenn man sie nur fordert. Die Diskussion darüber wird eine sehr spannende werden. Und auch ich bin in diesem Falle gespannt, ob die Wissenschaft die Forderungen, die sie an die Politik jahre- und jahrzehn-

56

Jürgen Zöllner

telang herangetragen hat - endlich die Autonomie, und zwar eine wohlverstandene Autonomie, zu bekommen -, bereit ist, in ihrer Konsequenz dann auch anzunehmen. Ich darf Ihnen versichern, soweit ich es überblicke, ist die Politik dazu bereit und willens, und ich kann nur hoffen, daß Sie die Erwartungen, die Sie bei der Politik geweckt haben, dann auch von der Wissenschaftsseite erfüllen. Der Wunsch nach Förderkriterien, nach einer an sachgerechte Qualität und Leistung gekoppelten Ressourcenzuweisung, schließt auch eine regelmäßige Evaluation von Förderkonzepten und Förderorganisationen ein, da nicht nur die Ziele von Forschung einem permanenten Wandel unterliegen, sondern damit auch die Konzepte zur Förderung dieser Forschung. Und deswegen meine ich, daß die jetzige Diskussion, wenn wir sie ruhig und mit Kraft führen, eine wichtige Diskussion ist, die aber nicht - und da beziehe ich mich auf das, was ich eingangs gesagt habe - das grundsätzlich gute System der deutschen Forschungsförderung im Vergleich zu anderen Ländern in Frage stellen sollte. Die Konzentration der Förderung auf qualitativ hochstehende und international konkurrenzfahige Forschung muß übrigens keine Einschränkung bedeuten. Die Stärkung der Grundlagenforschung kann sich auf hohem Niveau auf die gesamte Vielfalt eines Fächerspektrums erstrecken. Aber nicht jeder braucht dann alles zu erforschen. Die Forschungsförderung muß auf einer verläßlichen und kalkulierbaren Grundförderung aufbauen, ergänzt durch eine Zusatzförderung, die eng an die Qualität der Forschung und die Leistungsfähigkeit der Forscher gekoppelt ist. Es scheint sich in der Bundesrepublik darüber hinaus ein Konsens herauszubilden, daß künftig nur dies möglich sein wird und daß die Ausstattung für die Forschung mit Stellen, Mitteln, Räumen und Geräten nicht mehr auf Dauer erfolgen kann, sondern in Zukunft nur noch zeitlich befristet realisiert werden kann. Auch das, meine Damen und Herren aus dem Wissenschaftsbereich, ist die zentrale Voraussetzung für Ihre Forderung nach qualitätsorientierter Mittelvergabe. Die Politik wird aber noch einen zusätzlichen Dialog in diesem Zusammenhang führen müssen, wenn sie Forschung weiterhin in dem notwendigen Ausmaß fördern möchte. Das ist der Dialog - und das ist ein Appell an die Politik - zwischen den Politikbereichen der einzelnen

Verantwortung der Politik für die Forschung

57

Ressorts. Forschungs- und Technologiepolitik ist eine Querschnittsaufgabe mit zum Teil weitreichenden Auswirkungen in die Bildungs- und Wissenschaftspolitik, aber auch, wie wir sehen, in die Wirtschaftspolitik, in die Strukturpolitik, in die Umweltpolitik, in die Gesundheitspolitik, in die Regionalpolitik, in die Außenpolitik, in die Europapolitik. Angesichts der oft weitreichenden Bedeutung der forschungspolitischen Entscheidungen muß dieser Politikbereich sich im Kanon der anderen Ressorts Gehör verschaffen und den spezifischen Nutzen moderner Forschungspolitik in hinreichender Deutlichkeit darlegen. Forschungspolitik ist Zukunftspolitik Deswegen sollte Forschungspolitik auch Querschnittspolitik sein.

2. Wo kann oder muß Politik der Forschung Grenzen setzen?

Die Freiheit der Forschung ist verfassungsrechtlich garantiert. Dieses Bekenntnis des Grundgesetzes zur Freiheit schließt notwendigerweise die Akzeptanz mit ein, daß jede Forschungstätigkeit ihrer Natur nach mit einem Risiko verbunden ist. Dennoch steht das Grundrecht der Forschungsfreiheit nicht unter Gesetzesvorbehalt und jede Einschränkung durch die Rechtsordnung bedarf daher der besonderen Legitimation. Schranken können nur durch andere Grundrechte gezogen werden, wie z. B. durch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit oder durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Politik muß sich daher in diesem Spannungsfeld zwischen Individualrechten und Forschungsfreiheit immer wieder einschalten, um in der Realität von Gesetzes- und Verwaltungshandeln auf der einen Seite und gesellschaftlichem Konsens auf der anderen Seite zu vermitteln. Gesetze schränken die Forschungsfreiheit zum Teil absichtlich ein, wie z. B. das Tierschutzgesetz oder das Gentechnikgesetz, zum Teil erfolgt die Beschränkung unbeabsichtigt, wie durch das Bundesnaturschutzgesetz oder das Bundesdatenschutzgesetz. Die Forschungsfreiheit kann aber auch deshalb eingeschränkt werden, weil der Gesetzgeber bestimmte Forschungsziele oder Forschungsmethoden für ethisch bedenklich erklärt und verbietet oder einschränkt. Unbestimmte Rechtsbegriffe

58

Jürgen Zöllner

und damit einhergehende Ermessungsspielräume sind bei der Formulierung dieser Beschränkungen sicher nicht zu vermeiden. So ist der Hinweis auf "den jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse" gerade in sich schnell entwickelnden Forschungsbereichen auch im Gesetzestext notwendig, um die Anwendung des Gesetzes flexibel gestalten zu können. Die "ethische Vertretbarkeit" als Kriterium für die Zulassung von Forschungszielen und -methoden ist dagegen wenig geeignet, um Rechtssicherheit zu schaffen. An der Bioethikkonvention des Europarates kann man seit Monaten beobachten, wie schwer es ist, sich auf gesamtstaatlicher Ebene auf gemeinsame ethische Normen tatsächlich zu verständigen. Auf der Ebene des einzelnen Individuums ist eine solche Verständigung kaum weniger schwierig. Konflikte zwischen den Bedürfnissen der Forschung und gesellschaftlichen Vorbehalten bzw. Zielen ergeben sich daher unausweichlich. Die Lösung dieser Konflikte liegt auch und primär in der Hand der Politik. Alleine das Vertrauen in die wissenschaftliche Selbstkontrolle und in die Verantwortung des Wissenschaftlers für sein Tun reichen nicht aus, um in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft mit immer komplizierter werdenden Strukturen und Hintergründen eine allgemeingültige Akzeptanz zu schaffen, und die brauchen wir. Werden bestimmte Forschungsaktivitäten als so risikoreich eingestuft, daß sie gänzlich verboten werden müssen, muß Politik dieses Verbot nicht nur national durchsetzen, sondern auch versuchen, eine internationale Abkehr von den Forschungszielen zu erreichen. Nur durch weltweite Absprachen läßt sich ein wirksamer Schutz solcher ethischer Grundnormen sichern. In der Regel reicht es jedoch aus, Risiken von Forschung durch flexible Gesetzesvorschriften zu begrenzen und hierbei die Hilfe von Ethikkommissionen und wissenschaftlichen Organisationen anzunehmen. Die Wandlung von moralischen Einstellungen und die Diskussion um den letzten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis läßt sich auf diese Weise flexibler aufgreifen. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, daß die einzelne Wissenschafdenn und der einzelne Wissenschaftler und die "scientific community" zwar über große Fachkompetenz, nicht jedoch

Verantwortung der Politik für die Forschung

59

zwangsläufig auch automatisch über eine große Ethikkompetenz verfügen. Auch hier wird es daher auf einen intensiven Dialog zwischen Wissenschaft und Politik ankommen. Und ich möchte an dieser Stelle betonen, daß gerade auch die Wissenschaft an diesem Dialog ein vehementes Interesse haben muß. Sie kann und darf sich nicht darauf beschränken, ihre Freiheit im Sinne eines Abwehrrechtes zu verteidigen. Sie leistet vielmehr einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanzbildung, wenn sie sich mit fundierten Positionen in diese Diskussion ergebnisoffen einschaltet.

3. Definition von Anreizen und Zielen für die Forschung

Neben der Förderung von Forschung und der Begrenzung von Forschung haben Staat und Politik immer schon auch eigene politische Ziele für die Forschung definiert. Und ich halte dies für gut so. Solche Ziele werden immer dort gesetzt, wo ein aktuelles gesellschaftliches Interesse an wissenschaftlichen Fragestellungen besteht. Dies können die Weiterentwicklung der Hochtechnologien oder die Einführung von Innovationsförderprogrammen für die Wirtschaft sein, dies können jedoch auch Forschung zur Erhaltung und Verbesserung der Lebensgrundlagen sowie Forschung zur Technologiefolgenbewertung sein. Auf jeden Fall gehören zu den politischen Zielen von Forschung alle Langzeitprogramme und das gesamte Spektrum der Vorsorgeforschung. Daneben fördert der Staat Forschung, deren Ergebnisse zur Erfüllung staatlicher Aufgaben benötigt werden. Diese Forschung zielt zumeist auf eine allgemeine Politikberatung bei der Vorbereitung von Gesetzen oder im Gesetzesvollzug oder auf eine Forschung im Vorfeld und Umfeld konkreter staatlicher Projekte oder Verwaltungsabläufe. Das Forschungsprogramm des Forschungsinstitutes für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, dessen 20-jähriges Bestehen wir heute feiern, bietet schöne Beispiele für die direkte Wechselwirkung wissenschaftlicher Forschung und staatlichen und politischen Handelns. Die Titel einiger beispielhaft aufgegriffener Forschungsprojekte zeigen dabei das weite Spektrum, in dem sich das Forschungsinstitut betätigt:

60

Jürgen Zöllner

- Verwaltungsmodemisierung im internationalen Vergleich. Bewertungskriterien, Strategien, Erfolgsfaktoren; - die Rolle der Sozialpartner im europäischen Integrationsprozeß in den Feldern der sozialen Sicherung und Arbeitsmarktpolitik; - Wege zur Akzeptanz der Europäischen Union oder aber auch das Thema - Gesetzesfolgenabschätzung und ebenso beispielsweise - die Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Es erübrigt sich, auf die besondere Bedeutung der Ergebnisse dieser Forschungsvorhaben für Staat, Verwaltung und Politik hinzuweisen, und dies sind nur einige wenige Beispiele aus dem umfangreichen 1996 laufenden Forschungsprogramm. Hier haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit politisch relevanten bedeutenden Fragen beschäftigt. Es gibt also eine gemeinsame Verantwortung. Davon lebt die Demokratie: - Verantwortung der Politikerinnen und Politiker, die als Repräsentanten der Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwesen handeln, - Verantwortung aber auch der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als derjenigen, die durch ihr Tun die Zukunft ganz ohne Zweifel entscheidend mitgestalten werden und - Verantwortung jedes Bürgers für seinen kritischen und informierten Umgang mit einer immer komplexer werdenden Welt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Verantwortung der Politik für die Forschung

61

Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König Herr Minister, ich bedanke mich sehr herzlich für Thre grundsätzlichen Ausführungen zur schwierigen Balance zwischen Freiheit und Verantwortung in der Forschung. Im konkreten Wissenschaftsvollzug erleben wir das. Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, mich bei den Mitgliedern unseres Institutsverwaltungsrats zu bedanken. Die Mitglieder unseres Institutsverwaltungsrats sind hoch ausgewiesene Sachkenner unseres Forschungsgegenstandes, nämlich der öffentlichen Verwaltung, bis hin in die Spitzen des Bundesrechnungshofs, erfahrene Beamte der Innenministerien usw. Wir stehen in dem Dialog, den sie gefordert haben, mit unseren lnstitutsverwaltungsratsmitgliedern. Und es gibt eine, wie ich meine, erstaunliche Balance dieses praktischen Sachverstandes auf der einen Seite und des kulturellen Wertes wissenschaftlicher Erkenntnis, die wir vertreten, auf der anderen Seite. Das Ergebnis ist eine bemerkenswerte Autonomie des Forschungsinstituts, zwar verdeckt durch Tagesordnungen und Mechanismen der Bewältigung des Alltags, aber respektiert. Insofern, Herr Minister, glaube ich, wird es schwierig sein, neue Gleichgewichtszustände auf der Basis einfacher Modelle zu finden. Ich verweise auf eine historische Erfahrung im Hinblick auf die Einführung von Budgetierung, Autonomie usw. Schon im 16. Jahrhundert haben die Professoren der Universität Königsberg an ihren Fürsten geschrieben, er möge doch die Dotationen der Professoren nach höchster Willkür festlegen, da man sich hoffnungslos zerstritten habe. Dieses ein etwas lockerer Hinweis auf die Probleme, die Autonomie, Verantwortung, Selbstregulierung bedeuten können. Meine Damen und Herren, ich möchte mich bei den Rednern dieses Vormittags herzlich bedanken. Herr Ministerpräsident, ich bedanke mich, daß Sie Zeit gefunden haben, nach Speyer zu kommen. Aber es liegt ja in der Himmelsrichtung, die Sie von Mainz aus öfter einschlagen. Herr Minister Zöllner ist oft Gast bei uns. Ich hoffe, Herr Staatssekretär Schaumann, daß Sie in Zukunft den Weg nach Speyer hin und wieder einmal finden werden. Und Herr Hertel, wir müssen uns in der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste zusammenfinden.

62

Jürgen Zöllner

Im Anschluß an die Pause darf ich den Präsidenten der Deutschen Forschungssgemeinschaft, Herrn Kollegen Frühwald, sehr herzlich in Speyer begrüßen. Die Themen des heutigen Vormittages haben es mit sich gebracht, daß wir bereits über die Konsequenzen der Autonomie gesprochen haben, in vielen Feldern. Wir alle sind von unseren Hochschulen und unseren Forschungsinstituten her geübte Selbstverwalter. Aber die wissenschaftliche Selbstverwaltung muß sich auch auf höheren Organisationsstufen aggregieren. Und das ist vermutlich nicht einfacher als in einem Institut oder in einer Hochschule. Ich freue mich sehr, daß Herr Kollege Frühwald zu uns gekommen ist und über die Selbstverwaltung der Wissenschaft sprechen wird.

Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion Von Universitätsprofessor Dr. Wolfgang Frühwald

Die Grundidee der Wissenschafts-Selbstverwaltung in Deutschland und damit die Grundidee der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als einer Organisation der Selbstverwaltung besagt, daß alle inhaltliche Planung und alle Wissensinnovation von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst ausgehen. Diese werden mit ihren Projekten und Ideen von ihnen gleichrangigen, unabhängigen, weil ehrenamtlich tätigen und nur auf Zeit gewählten Gutachtern (von "peers") beurteilt, wobei die Entscheidungsvorgänge (auch sie liegen in der Hand von Wissenschaftlern) von den Gutachten grundsätzlich getrennt sind. Auch in den Entscheidungsgremien haben die Wissenschaftler die Mehrheit, in den Gutachtergremien sind sie allein zu einem Votum berechtigt und werden darin administrativ von einer Geschäftsstelle der DFG unterstützt. Wenn wir dieses seit fast 50 Jahren bewährte, zu föderalem und demokratischem Bewußtsein anleitende Prinzip unseren ausländischen Partnern erläutern, lautet meist die erste Frage: "Wie steuert ihr euren Etat?" Und auf die Antwort, daß nicht wir, die Entscheidungsgremien oder gar der Präsident, das Budget steuern, sondern daß das System der Wissenschaftsselbstverwaltung ein sich selbst steuerndes System ist, in dem je nach Zahl und Qualität der Anträge die Fächer, die Disziplinen, die Institutionen und die einzelnen Wissenschaftler miteinander in einen freien Wettbewerb treten, wobei sie je nach Vitalität, Agilität, Energie, Erfolgszuversicht und - selbstverständlich - Qualität wenig oder viel Geld aus einem gemeinsamen (ohne inhaltliche Auflagen vom Bund und den Ländern gespeisten) Topf gewinnen, lautet meist die zweite Frage: "Welches ist euere Erfolgsquote?" Ein solches sich selbst steuerndes System, bei dem im großen und ganzen über fast 50 Jahre hin die Erfolgsrelationen der Wissenschaftsbereiche fast konstant geblieben sind (in den 60er Jahren freilich begann der berühmte Aufstieg der Bio-

64

Wolfgang Frühwald

Wissenschaften und die Ausweitung von deren "Gewinnanteilen"), kann in der Tat nur dann funktionieren, wenn genügend Mittel vorhanden sind, um den Wettbewerb zu stimulieren, wenn also die Gewinnchancen bei diesem Leistungswettbewerb so gut sind, daß sich viele "Spieler" über viele Jahre hin, wechselnd vielleicht als Gutachter und als Antragsteller, daran beteiligen können. Kostbares Geld verwaltet die DFG, Geld der Steuerzahler, das streng begutachtet und dessen Verwendung ebenso streng kontrolliert wird. Den Mut zu "unscharfen Entscheidungen", wie jüngst ein Wissenschaftler in der STUTIGARTER ZEITUNG forderte, wird die DFG keinesfalls aufbringen, zumal wenn in der gleichen Zeitung (am 13. 9. 1996) ein abgelehnter Antragsteller mit dem Satz zitiert wird: "Wenn man in der Industrie wegen 2,5 Millionen DM so einen Aufwand treiben würde, käme man zu gar nichts ..."Die DFG wird auch in Zukunft - und schon gar bei einer Summe von 2,5 Millionen DM - genau ausgearbeitete Anträge verlangen und sie von Gutachtern sorgfaltig beurteilen lassen. Die Selbstverwaltung, das Peer-Review-Verfahren, nämlich steht unter dem Prinzip der Genauigkeit und der Sorgfalt und vielleicht ist ja das Verhältnis von Gutachteraufwand und Resultat genau umgekehrt, wie der Stuttgarter Kollege meint? Noch 1959lagen die Bewilligungen der DFG- gemessen an der Zahl der bewilligten Anträge - bei 94 %, heute liegt die Bewilligungsquote gemessen an der bewilligten Summe- bei 45%, gemessen an der Zahl der bewilligten, allerdings in den Anforderungen gekürzten Projekte noch immer bei über 60%. Es lohnt sich also, bei diesem Leistungswettbewerb mitzumachen, weil die Erfolgschancen bei der DFG, verglichen etwa mit ähnlichen Verfahren in den USA, in Australien, in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, noch immer um bis zu 40% besser sind. Wenn eine allerdings durch die jetzt ausbleibende Industriefinanzierung verwöhnte "community" sich dem Peer-Review-Verfahren zuwenden muß, entstehen - wie bei der genannten Diskussion - falsche Vorstellungen von der Notwendigkeit und der Schärfe des selbst verwalteten Leistungswettbewerbs. Das Prinzip der Selbstverwaltung hat freilich neben der ausreichenden Dotierung noch weitere Bedingungen, die zu seiner Existenz und zu sei-

Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion

65

ner Akzeptanz unabdingbar sind; sie stellen dort, wo sie nicht mehr gegeben sind, das ganze System infrage. 1. Der berühmte "bottom up approach" der Wissenschaftsverwaltung in r;>eutschland funktioniert als ein System zur Qualitätssicherung der Spitzenforschung, das heißt als ein Ergänzungs- oder ein Prämiensystem bei ausreichender Grundfinanzierung des Gesamtsystems. Von einer ausreichenden Finanzierung des Gesamtsystems kann bereits seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr gesprochen werden, zumal die Bundesländer noch längst nicht bereit sind, vom System der Regionaluniversitäten Abschied zu nehmen, und statt dessen mit dem "Rasenmäher" gute und schlechte, große und kleine, forschungsintensive und forschungsschwache Universitäten unterschiedslos kürzen. Dabei werden innerhalb der Universitäten bei jeder neuen Welle des Stelleneinzugs immer die besten Arbeitsgruppen und Lehrstühle "bestraft", da eben die freien Stellen eingezogen werden und die guten Arbeitsgruppen, mit einem großen Berufungs- und Wegberufungserfolg, mit intensiver Nachwuchspflege für ihre weit weniger erfolgreichen Konkurrenten die Personal- und Stellenopfer bringen müssen. Jeder Rektor, jede Prorektorin weiß ein Lied von diesen Verhältnissen zu singen. Die Grundausstattung der Universitäten ist ausgezehrt, viele Universitäten sind von Studierenden überlaufen, die glänzenden Quarzgänge - mit denen die Sonderforschungsbereiche, die Graduiertenkollegs, die Innovationskollegs, die von der DFG und aus anderen Drittmittel-Quellen finanzierten Forschergruppen verglichen werden könnten - liegen in zerbröckelndem Gestein. All dies hatte seltsame Rückwirkungen auf das System der "Ergänzungsausstattung" (also das System der DFG). Es wurde aus einem Prämieninstrument· unwillkürlich in ein Planungsinstrument verwandelt, bei dem aber im schärfer werdenden Wettbewerb um immer knapper werdende Gelder nicht Planungsziele verfolgt, sondern meist Agilität, Einfallsreichtum, Fleiß und Lebenstüchtigkeit von Antragstellern oft ebenso stark "belohnt" werden wie Leistungsstärke und Leistungswille. Dies ist sicher nicht das schlechteste Planungsverfahren, doch fehlen ihm natürlich Systematik und Stetigkeit, es ist ein gleichsam spontanes Planungsverfahren, dessen sich die Ministerial-Administrationen besonders gern deshalb bedienen, weil sie gezwungen sind, im Gegenzug zu den Prioritäten, die sie setzen, 5 Speyer 125

66

Wolfgang Frühwald

auch Posterloritäten zu setzen. Auch wage ich zu behaupten, daß manches Notwendige und Wichtige, weil es keine gleich agilen Anwälte findet wie das Aussichtsreiche, oft auch wie das im Trend Liegende, nicht getan und erforscht wird. Letztendlich ist dies eine erhebliche Lücke im System des freien Wettbewerbs. Es gibt mehrere Gründe dafür, daß das Prämiensystem der DFG zu einem geheimen Planungsinstrument von Universitäten und Ministerialverwaltungen geworden ist: (1) Wir alle wissen, daß die DFG die letzte Stützmauer der Universitäten ist. Auch wenn wir hartnäckig die Augen davor verschließen, so ist doch zu vermuten, daß viele Projekte nur deshalb beantragt werden, weil das etatmäßige Personal für die Fülle der Lehr- und Prüfungs- und Forschungsaufgaben nicht ausreicht, weil das Übungs- und Praktikumspersonal, weil die Hilfskräfte und die Techniker, die den Universitäten in der Grundausstattung zur Verfügung stehen, nicht mehr ausreichen. Forschungspersonal wird mit Lehraufgaben belastet, die Universitäten mit den erfolgreichsten Forschern sind auch die Hochschulen, in denen über Drittmittel für den Nachwuchs genügend Durchgangs- und Ausbildungsstellen, für die Studierenden genügend Betreuungspersonal zur Verfügung stehen. Der Vergleich mit den USA, der oft angestellt wird, hilft uns hier freilich nicht weiter, weil in den USA der gesamte Forschungsetat über die Agenturen (NSF, NIH etc.) verteilt wird, das System von Grund- und Ergänzungsausstattung unbekannt ist und eben deshalb die etatlose Zeit im Streit zwischen dem Präsidenten und dem Kongreß zu desaströsen Zuständen nicht nur bei der National Science Foundation geführt hat. (2) Manche Bundesländer versuchen die anhaltende Unfähigkeit der meisten (sicher nicht aller) Universitäten, Schwerpunkte in der Forschung und der Lehre zu setzen, knappe Forschungsgelder anders als mit "der Gießkanne" zu verteilen, dadurch zu kompensieren, daß sie die Forschungsgelder der Grundausstattung nun als Prämien für die vorausgehende Einwerbung von Drittmitteln vergeben. Das ist zwar ein gutes Mittel, um Stagnationen zu durchbrechen, den stilliegenden Wettbewerb zu stimulieren, doch wird die gewachsene Ordnung des Systems damit

Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion

67

auf den Kopf gestellt. Entmutigungseffekte, insbesondere auf die Individualforschung und auf drittmittel-schwache Fächer, sind offenkundig. Insgesamt stelle ich in der Bundesrepublik Deutschland eine bedrohliche Tendenz zur Zerfaserung des Bildungssystems fest, in dem jedes Land für sich zu sorgen beginnt, seine eigenen Reformen (Einschreibegebühren, Landeskinderbonus, Privatisierung der Hochschulkliniken, Landeswissenschaftsräte etc.) durchzuführen sucht und die Fachminister dem Diktat der fiskalischen Notwendigkeiten unterworfen werden. Die Gefahr einer Implosion unseres Bildungs- und Wissenschaftssystems ist nicht mehr auszuschließen. (3) Die DFG beobachtet in jüngster Zeit einen besorgniserregenden Anstieg der Antragszahlen (um 100% der Summe nach vier Jahren), eine Welle von Initiativen für die Gründung neuer Sonderforschungsbereiche, für Forschergruppen und Paketanträge, für Graduiertenkollegs etc. Die National Science Foundation in den USA hat zwar die dreifache Anzahl von Anträgen pro Jahr zu bewältigen wie die DFG, sie hat aber dafür exakt das Zehnfache an wissenschaftlichem Personal. Da sowohl die Hochschule wie auch die Ministerien ihre letzten Reserven mobilisieren müssen, um die Grundausstattungsbedürfnisse der Sonderforschungsbereiche, der Graduiertenkollegs etc. auch nur annähernd zu befriedigen, geraten die Gutachterinnen und Gutachter der DFG in eine kuriose Rolle: Sie werden - oft stärker als die zuständigen Fachbereiche und Senate- zur Umschichtung von Stellen der Grundausstattung, zur Durchsetzung von Berufungswünschen, zur Verbesserung der apparativen Ausstattung (auch für die Lehre) etc. gebraucht, gelegentlich sogar mißbraucht; sie entscheiden, meist ohne Kenntnis der Gesamtplanung einer Hochschule, über Schwerpunktsetzungen und Gewichtsverlagerungen, sie werden so zu einem unreflektierten Planungsinstrument, dessen Empfehlungen und Resultate sie nicht überschauen können (es auch nicht wollen, vermutlich nicht einmal wollen sollen). Welche Verwerfungen im Gesamtsystem durch diese unsystematische Art der ,,Fremdsteuerung" entstehen, wird vielleicht daran kenntlich, daß etwa in der Klinischen Medizin 80 % aller an die DFG gestellten Anträge aus etwa 10% aller Einrichtungen kommen, daß die Großantragstellung (mehr als 1 Million pro Jahr) in einigen Disziplinen der Ingenieurwissenschaften

s•

68

Wolfgang Frühwald

zunimmt, weil die für die Ingenieure typische Antragssequenz vom kleinen Betrag bis zum "großen Geld", DFG- AiF- BMBF- Industrie, durch die Schwächung der Sequenzpositionen von AiF bis Industrie völlig außer Kontur geraten ist. Die DFG versucht zwar, darauf zu achten, daß Doppelarbeit, Mehrfachfinanzierung, Überschneidungen und Drittmittelimperien vennieden werden, doch fühlt sie sich in der Rolle der entscheidenden Planungsinstitution der Hochschulen nicht besonders wohl. 2. Das also ist, neben einer ausreichenden Dotierung der Drittrnitteltöpfe, die zweite Grundbedingung der Forschungsselbstverwaltung: ihre Rolle als Ergänzungs- oder besser als ein Prämiensystem. Doch ist noch eine dritte Grundbedingung zu nennen: Das "bottom up-Prinzip", bei dem alle Initiative nur von den Wissenschaftlern selbst ausgeht, funktioniert nur im Bereich der Erzeugung neuen Wissens, also im Bereich einer Grundlagenforschung genannten Wissensinnovation, die von der Produktinnovation deutlich zu unterscheiden ist. Während bei der Produktinnovation Ziele und Programme vorgegeben sind, dort ohne rationale Planung keine Erfolge erzielt werden können - und Ziele sind zum Beispiel billigere, bessere, attraktivere, wettbewerbsfähigere Produkte und die Verbesserung der Herstellungsmethoden - können solche Planungen hier, vor allem wenn sie aus dem der Wissensinnovation zunächst fremden Gebiet der Wirtschaft kommen, schädlich sein. Bei jeder Art der Grundlagenforschung - auch in ihrer weitesten international anerkannten Definition, als erkenntnisorientierte und als anwendungsorientierte Grundlagenforschung - will das Prinzip der Emergenz beachtet sein, das heißt jenes grundlegende, in Wissenschaftsgeschichte und Wissensinnovation hundertfach zu belegende Prinzip, daß die jeweils höhere Struktur unvermutet und nicht rückführbar (!)aus der Struktur auftaucht, aus der sie entstanden ist. Salopp formuliert: Bei der Grundlagenforschung wird immer die Hälfte des Geldes zum Fenster hinausgeworfen, doch welche Hälfte das ist, weiß ich erst zehn Jahre später. Oder etwas präziser: Zwei Drittel aller großen Erfindungen und Entdeckungen sind nicht das Ergebnis planmäßiger Suche und Forschung, sondern Nebenprodukte völlig unterschiedlicher Forschungsziele. Eine strukturell so verfaßte Forschung in Planungskonzepte einzubeziehen, bedeutet ihren Ruin. Die Zerstörung der Geistes- und Sozialwissenschaften in den ehe-

Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion

69

maligen Ländern der Volksdemokratien (als Wissenschaften mit dem Ziel, den sozialistischen Menschen zu erziehen), ist das jüngste und anschaulichste Beispiel für einen solchen Zerstörungsprozeß. Der Vorlauf der Wissensinnovation vor der Produktinnovation beträgt meist zwischen 10 und 15 Jahre; wer die Wissensinnovation heute unterbindet, behindert die Produktinnovation von morgen. Dies hat Japan erkannt und gibt der Welt insofern ein Beispiel, alses-in der tiefsten wirtschaftlichen Rezession seiner Nachkriegsgeschichte - riesige Anstrengungen unternimmt, eine einheimische Grundlagenforschung aufzubauen. Bis zum Ende des Jahrhunderts will dieses Land seine staatlichen Ausgaben für die Grundlagenforschung verdoppelt haben, dies bedeutet Etatzuwächse von 25 %jährlich. Die Grundlagenforschung verträgt also keine Detailplanung, sie bedarf allerdings, soll sie nicht aus dem Ruder laufen, der Rahmensetzung. Für diese Rahmensetzung sind Parameter vorgegeben, über die bisher nirgendwo systematisch nachgedacht wurde. Solche Parameter sind etwa Qualität, die notwendige Relation zur angewandten Forschung im einzelstaatlichen und überstaatlichen Gefüge, der soziale Kontext und schließlich auch ein kleiner Solidarzuschlag für jene Länder, die sich diese Art der Forschung nicht leisten können. Grundlagenforschung hat nur einen einzigen unmittelbaren ,,Zweck": Nur an dieser methodengeleiteten, auf lange Fristen hin angelegten, vom unmittelbaren Verwertungsdruck und damit von Quartalsbilanzen freien und dem Enthusiasmus der Neugier zugänglichen Erzeugung neuen Wissens kann der wissenschaftliche Nachwuchs so ausgebildet werden, daß er seinen Aufgaben (auch und gerade die Produktinnovation einschließenden Aufgaben) in der wissensbasierten Industrie und in der Wissenschaft selbst nachkommen kann. Die in der Verzweiflung einer steigenden Arbeitslosigkeit aufkommenden Wahnvorstellungen über die Möglichkeiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft müssen also an diesen Überlegungen gemessen werden. Die Vorstellung einer unscharfen Begutachtung scheitert daran ebenso, wie der (im September 1996 in Leipzig geäußerte) Vorschlag, die DFG solle, statt in die beste Ausbildung junger Menschen zu investieren, den Ausstieg aus der Hochschullehrerlaufbahn unterstützen (etwa mit dem Ziel von Firmengründungen). Alle diese

70

Wolfgang Frühwald

Vorschläge übersehen das Prinzip der Arbeitsteilung in der modernen Gesellschaft. Die DFG ist - eben durch das in ihr angewandte bottom up-Prinzip - ein Präzisionsinstrument zur Bestimmung, zur Beurteilung und zur Förderung von Spitzenforschung; ihre Aufgabe ist die Ausbildung des wissenschaftlichen hochqualifizierten Nachwuchses, nicht die Subventionierung des Arbeitsmarktes. Mit einem Anteil von 0,2% an den gesamten Wissenschaftsausgaben in Deutschland ist sie an den Rand der ihr möglichen Programmflexibilität gekommen. Ein Präzisionsinstrument ist rasch zerstört, seine Wiederherstellung braucht ungleich länger als seine Zerstörung. Seit die weltweite Rezession die Industriestaaten des Nordens und des Westens der Erde in Bewegung und Aufregung versetzt hat und die Großindustrie durch Globalisierung (das heißt durch die Verlagerung der Produktion in steuerbegünstigte Regionen, durch die Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer, durch den Abbau der Forschungsabteilungen und den Versuch des Einkaufs von benötigter Forschung etc.) im internationalen Wettbewerb zu bestehen sucht, sind "Innovation", "Planung", ,,Leitprojekte" in aller Munde. Die führenden Wissenschaftspolitiker sind von Wirtschaftspolitikern kaum noch zu unterscheiden. Sie machen sich häufig genug zu Promotoren eines Prozesses, der kurzfristige Programmforschung an die Stelle langfristiger Ziele setzt, sie sind der in den Staaten am pacific rim scheinbar so erfolgreichen linearen Verbindung von Forschung und Wohlstandsschöpfung erlegen. "Research foresight", "science and technology foresight", "field survey", "corporate plans", "Foresight steering", ,,research early recognition", "Forschungsprospektion" etc. sind die Schlagworte der Stunde, auch wenn die Ernüchterung über den Planungsenthusiasmus doch deutlicher wird. Seit die Amerikaner drei strategische Felder benannt haben, auf die hin alle Kräfte des Landes zu bündeln seien, "information highways", "environment" und "manufacturing" sind strategische Zielplanungen Mode geworden. Die schrankenlose Bewunderung des amerikanischen "Job-Wunders" (Schaffung von etwa 8 Millionen neuen "Jobs") übersieht dabei, daß es sich in den USA tatsächlich um "Jobs", meist sogar um sogenannte "Mac jobs" handelt, also um schlecht bezahlte Arbeiten, die das Sozialsystem der USA beeinflussen. Das Bild der amerikani-

Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion

71

sehen Familie, in der sich die Mutter um die Kinder kümmert und der Vater so viel verdient, daß er sich eine Familie leisten kann, beginnt zu verblassen, weil alle Familienmitglieder, die Kinder oft genug eingeschlossen, nun in schlecht bezahlten "Jobs" zum Familienunterhalt beitragen müssen. In Großbritannien ist seit der Ausrichtung der "Research Councils" auf Anwendungsforschung das Planungsgremium fest installiert, in Frankreich ist der Widerstand gegen Planungen schwächer geworden und die Planungsfreudigkeit in der Forschungsförderung der Europäischen Union ist fast sprichwörtlich. Allerdings ist auch hier in jüngerer Zeit (seit dem Beginn der Planungen zum Fünften Rahmenprogramm und der Installierung der European Science and Technology Assembly (ESTA), dem Beratungsorgan der Forschungskonunissarin) ein deutlicher, aber noch nicht eingestandener Zug zur Grundlagenforschung zu erkennen, der die bisherige Industrieorientierung abzulösen beginnt. Der Druck jener wissenschaftlichen Gemeinschaften, die auf Grundlagenforschung ausgerichtet sind, aber zu Hause nicht mehr ausreichend alimentiert werden, auf die europäischen Fördermittel wird stärker. Insgesamt jedenfalls ist weltweit ein gigantischer Planungsprozeß in Gang gesetzt worden, dessen Folgen für die freie Grundlagenforschung, die gleichsam als eine schöne Nebensache erscheinen könnte, noch nicht abzusehen sind. Mir scheint, daß dieses, angesichts aller Erfahrungen der Geschichte, unverständliche Vertrauen in Vorausschau und Planung, in Ressourcenlenkung und -bündelung vor allem auf die pazifische Herausforderung zurückzuführen ist. An den Rändern des Pazifik ist zwischen Australien und Japan eine sich stark entwickelnde high-tech-Region entstanden, die zum größten Weltmarktkonkurrenten der europäischen Volker wurde, aber zugleich auch Märkte von einer Größe erschlossen hat, die wir uns bisher nicht vorstellen konnten. Vermutlich existiert in dieser Region, mit dem menschenreichen China im Hintergrund, noch der Glaube daran, daß die Herstellung von Wohlstand durch Wissenschaft, Bildung und Forschung sich in einem linearen Prozeß vollzieht, während es sich in Wahrheit (aus unserer älteren europäischen Erfahrung mit diesem Prozeß) vermutlich um einen strukturierten chaotischen Prozeß handelt. Nichts wäre törichter, als die Volker des Westens zu diesem Glauben des Beginns der Industrialisierung zurückzuführen, denn in der Geschichte des Technikglaubens gibt es in allen

72

Wolfgang Frühwald

Kulturen diese Phase nur einmal. Auch kann sich jeder Europäer leicht durch Augenschein ü"Qerzeugen, welchen Preis die Völker des Pazifik für diese ungehemmte, um Umweltschäden unbekümmerte Entwicklung der Industrie bezahlen, wie hoch die Todesrate bei Lungenkrebs etwa in den Industrieregionen Chinas ist, wo eine gravierende Umweltvergiftung mit dem intensiven Beginn des Rauchens seit etwa 10 Jahren die Zahl der Krebskranken emporschnellen ließ. In den Staaten, die eine Industriegeschichte haben, ist die Phase des Glaubens an die lineare Beziehung zwischen Forschung und Wohlstand vorüber. .Wenn es ihnen gelingt, ihren Umweltstandard mit der industriellen Produktion so zu harmonisieren, daß dieser Standard gewahrt und die Produktion zugleich entwickelt werden kann ("sustainable development" lautet das Stichwort dafür), werden sie einen so gewaltigen Vorsprung im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Wettbewerb haben, daß sich die Vorzeichen innerhalb der Triade völlig verändern werden. Dabei (und vermutlich sogar deshalb) ist im pazifischen Raum ein sehr knappes Handelsgut der Renner des Jahres, dessen Handelswert die Deutschen jedenfalls noch nicht erkannt haben, obwohl es auch in den Staaten Osteuropas eine gefragte Ware geworden ist: Bildung, Grundlagenwissen, Organisationund Verwaltungskenntnisse. Der malaysische Botschafter fragte mich bei einem Besuch nicht über Kooperationsmöglichkeiten zwischen deutschen und malaysischen Wissenschaftlern, sondern zuerst danach, wie es uns gelinge, 2 Milliarden DM pro Jahr korruptionsfrei auszugeben? Unser Verwaltungs- und Organisationswissen ist in den Staaten am Pazifik gefragt und Australien hat daraus längst Konsequenzen gezogen. Es hat seine Universitätsbildung, deren Qualität es nachhaltig stärkt und entwickelt, zu einem für Ausländer begehrten, aber auch teueren Exportgut gemacht. Mir scheint, daß nun auch in den USA die Rückbesinnung darauf beginnt, daß die westliche Welt die Verlagerung der Gravitationszentren in den völker- und menschenreichen Osten nicht mit der Rückkopierung eines im Fernen Osten abgelebten Suchsystems kompensieren kann, sondern die eigenen, vom Fernen Osten bewunderten und kopierten Stärken, also Erfinderkraft, wissenschaftliche Phantasie, Ingenieurkunst, freie Forschungsentfaltung, hochqualifizierte Nachwuchsbildung, pflegen

Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion

73

muß. Das zentrale Institut für die Industrieforschung in den USA (das Industrial Research Institute mit 260 angeschlossenen Unternehmen, die zusammen mehr als 2 Billionen USD bilanzieren) hat dem naiven Fortschrittsglauben seines Landes die alte Wahrheit entgegengehalten, daß Grundlagenforschung (new knowledge) und Nachwuchspflege untrennbar zusammengehören, daß eine seit den späten sechziger Jahren radikal und risikoreich gewandelte, prozeßhaft gewordene Wissenschaft nicht nur Menschen braucht, die diesen Prozeß durchschauen und durchschaubar machen, sondern gleichzeitig Menschen, die ihn zu verantworten suchen. Wir brauchen soziale Instrumente, die den gesamten Prozeß der Verantwortung des einzelnen Wissenschaftlers erst zugänglich und steuerungsfähig machen. Anders ausgedrückt: Die Amerikaner beginnen einzusehen, daß jeder einzelne Forscher den Unterschied zwischen dem Machbaren und dem Machenswerten kennen muß, daß an die Stelle von Denk- und Experimentierverboten ein humaner Konsens darüber treten muß, daß es noch immer einen gravierenden Unterschied bedeutet, ob identische Kühe und Pferde oder identische Menschen gezüchtet werden, daß die Vorstellung eines "back up" aus dem Embryonenkühlschrank oder gar eines Transplantatenlagers klonierter menschlicher Embryonen aus den Wahnvorstellungen des hybriden Szientismus entsprungen ist. In Deutschland fehlt es nach meinem Dafürhalten nicht an den Kenntnissen für eine schnelle Umsetzung von neuem Wissen in Produkte, es fehlt uns nicht an Detailplanung, nicht an Produktinnovationen und Erfinderphantasie, sondern ( 1) an der Vorstellungskraft für einen Markt, der nicht mehr länger nur Warentauschplatz ist, sondern eine Informationsbörse für knappe Güter, (2) an der Überlegung, daß Bildung, Wissenschaft und Forschung kompliziertere, ja komplexere Exportgüter sind als Autos, Computer und Werkzeugmaschinen, daß ihr Verkauf - in der Konkurrenz mit anderen guten Systemen, zum Beispiel mit dem britischen System - das Funktionieren des Systems zu Hause voraussetzt und ein erhebliches Maß an Reformplanung, an Durchsetzungswillen und damit an politischer Prioritätensetzung braucht. Die Unbeweglichkeit unserer Fakultäten und Fach-

74

Wolfgang Frühwald

bereiche, die sich viel zu viel mit sich selbst beschäftigen, zusammen mit der jetzt in vielen Ländern deutlichen Verelendungsstrategie gegenüber den Universitäten, bringen uns unmittelbare wirtschaftliche Schäden. (3) Begonnen hat in Deutschland nun endlich eine Systemplanung, die uns von Detailplanungen und dem immer kleinteiliger werdenden Verwaltungshandeln freistellt, uns mit der Haushaltsglobalisierung auch mehr Beweglichkeit und rasche Anpassungsfähigkeit an neue Entwicklungen verspricht. Diese vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie ausgehende Systemplanung hat zum Ziel, daß die einzelnen Kräfte des Systems, zum Beispiel Bildung, Forschung, Arbeit, Gesundheit etc., sich wieder frei entfalten und im Wettbewerb miteinander existieren und kooperieren können. Für eine solche Systemplanung ist höchste Eile geboten, weil die überall sinkenden Forschungsetats, die Arbeitslosigkeit junger Akademiker, Verwerfungen innerhalb des Bildungssystems etc. nicht mehr nach Kostensenkung, sondern nach Strukturreformen rufen. Seit 1989 sinken die öffentlichen Forschungsaufwendungen in Deutschland, aber auch und gerade die Aufwendungen der Industrie für Forschung und Entwicklung drastisch ab. Der Forschungsanteil am Bruttosozialprodukt sank von 2,9 % auf 2,35 %, was in der Summe viele hundert Millionen DM bedeutet; in der Industrie hat sich die alte Relation, wonach sich Forschung zu Entwicklung zu Produktion wie 1:10:100 verhält, in 0,5:10:100 verändert, die Zahl der Stellen in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der großen Betriebe nimmt weiterhin ab. Der Zeitpunkt, zu dem diese Entwicklung begonnen hat, ist relativ genau zu bestimmen. Er ist nicht identisch mit dem Zeitpunkt der deutschen Einigung, die Entwicklung ist vielmehr durch die Euphorie des Einigungsprozesses überdeckt worden. Zwischen 1989 und 1991 wurde die Steuerbegünstigung von F- und E-Ausgaben in der Industrie weitgehend abgebaut, so daß seither Forschung und Entwicklung für die Quartalsbilanzen ein Kostenfaktor neben anderen sind und entsprechend behandelt werden. Zugleich zogen in die Vorstandsetagen der Großindustrie Kaufleute an Stelle der dort bisher anzutreffenden Fachwissenschaftler ein, wodurch sich insbesondere die bislang enge Verbindung zwischen den großen Fachgesellschaften und der Industrie gelockert hat. Der Gesprächsfaden ist nicht abgerissen, aber er ist viel

Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion

75

länger geworden. Damit aber ist, neben dem maroden Hochschulsystem, eine zweite starke Säule des Forschungssystems angeschlagen und das System als ganzes außer Balance geraten. Um so notwendiger ist, daß die außeruniversitäre Forschung und die Forschungsförderung, die dritte Säule des gesamten Forschungssystems in Deutschland, reibungslos funktionieren können. Die drei Projektüberlegungen des BMBF zur Haushaltsdebatte für das Jahr 1997 verdienen daher - bei aller Schwierigkeit im Detail- als ganzes Unterstützung: (1) Der erste Vorschlag des Ministers bezieht sich- immer unter dem Aspekt der Haushaltsflexibilisierung für die betroffenen Einrichtungen auf die Einbeziehung der außeruniversitären Forschung in das System der selbstverwalteten Forschung in Deutschland. Deshalb wurde der Vorschlag gemacht, einen Teil der Grundfinanzierung der Institute der Blauen Liste (WBL) und der Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren (HGF) in Projektfinanzierung umzuwandeln. Während bei der HGF der Senat dieser Gemeinschaft mit der strategischen Steuerung befaßt sein soll, sollen die so "frei" werdenden Mittel der WBL der DFG übergeben, den Instituten der WBL im Gegenzug die volle Antragsberechtigung bei der DFG eröffnet werden. Diese im großen einleuchtende Idee, trifft auf viele Schwierigkeiten im Detail. Zunächst ist die DFG kaum noch in der Lage, alle ihr übertragenen neuen Aufgaben zu bewältigen; ihr Verwaltungskostenanteil ist auf 3 % abgesunken. Die Inhomogenität der Blauen Liste ist ein weiterer Faktor, der bedacht werden will. Vermutlich kommen nur etwas mehr als 30 forschungsintensive Institute dieser Gemeinschaft für eine volle Antragstellung bei der DFG infrage. Die DFG schließlich kann die Mittel der WBL nur dann übernehmen, wenn sie in ihren Haushalt eingestellt und damit der Wettbewerb zwischen universitären und außeruniversitären Institutionen in aller Freiheit (und ohne für bestimmte Bereiche gewidmetes Geld) stattfinden kann. Dies wiederum führt zu Ängstlichkeilen auf allen Seiten, die aber meines Erachtens überwindbar sind.

(2) Ein zweiter Vorschlag des Ministers betrifft die Lenkung von etwa 50% der Projektmittel des BMBF (immerhin rund 2 Milliarden DM) auf sogenannte Leitbilder oder Leitfelder, die dann durch Leitprojekte ausgefüllt werden sollen. Über diese Leitfelder gibt es einen Dialog zwi-

76

Wolfgang Frühwald

sehen dem BMBF, den Verbänden der deutschen Wirtschaft und den großen Forschungsorganisationen (DFG, FhG, HGF, MPG), damit tatsächlich die aus der Sicht aller Beteiligten erfolgversprechenden und wettbewerbsfähigen Leitfelder gefunden werden können. Umstritten in diesem Dialog sind bisher noch die Frage einer führenden Rolle der Industrie und die einer "politischen Steuerung". Es ist einzusehen, daß Politik und Wirtshaft auf diesem Feld eng zusammenarbeiten müssen, doch dürfen die Projektmittel des BMBF nicht zur Substitution sinkender Forschungsmittel der Industrie geraten, auch muß die Frage der Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und die des fairen Wettbewerbs innerhalb der auszuschreibenden Leitfelder geklärt werden, ehe das Konzept umgesetzt wird. (3) Die dritte Aufgabe, die sich der Minister selbst gestellt hat, ist eine Novelle des Hochschulrahmengesetzes, die zur Zeit bei den Ländern noch auf wenig Gegenliebe trifft. Diese Novelle führt dann ins Leere, wenn die zu beobachtende Auflösung bundesstaatlicher Strukturen in Deutschland, die Entsolidarisierung der Gesellschaft und die fortschreitende Zerstörung der Institutionen nicht aufgehalten werden kann. Der Schachzug des Ministers für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, die außeruniversitäre Forschung in den Wettbewerb der selbstverwalteten Wissenschaft einzubeziehen und die selbstverwaltete Wissenschaft am Planungsdialog um die Projektmittel des BMBF zu beteiligen, ist nicht nur politisch klug, sondern stellt für die Beteiligten eine Herausforderung dar. Die Selbstverwaltung nämlich wird hier in ihrem selbst gestellten und auch jeweils öffentlich behaupteten Anspruch und in ihrer Leistungsfähigkeit ernst genommen. Der Minister hat mit diesem Schachzug enormen politischen Druck von seinem Ministerium genommen und ihn an die Organisationen der Selbstverwaltung weitergegeben. Er hat gleichsam den Ball in unseren Strafraum gespielt. Ich hoffe, daß das Spiel, das nun begonnen hat, nicht mit einem bloßen Elfmeterschießen endet. 1 t Der Vortrag stützt sich auf Überlegungen, die ich erstmals 1994 unter dem Titel "Die Forschungsplanung und das knappe Geld" im Rahmen des Portbildungsprogramms für die Wissenschaftsverwaltung in Zürich vorgetragen

Die Selbstverwaltung der Wissenschaft in der Diskussion

77

Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König Sehr geehrter Herr Frühwald, ich möchte mich sehr herzlich für diese in der Sprache moderate, aber in der Sache kritische und auch selbstkritische Darstellung unserer Situation bedanken. Es ist interessant zu fragen: Was soll ein eher kleines Institut daraus lernen? Offensichtlich sind die höher aggregierten Steuerungssysteme der Forschung nicht unriskant. Sie haben uns im Grunde ermuntert, unseren autonomen Bereich zu schützen, wenn wir nicht eine Definition der Verwaltungsforschung von außen auferlegt bekommen wollen. Ich habe heute morgen unseren Verwaltungsrat genannt, bei dem wir es mit Sachkennern des Gebietes zu tun haben, auf dem wir forschen, die aber gerade als Experten autonome Spielräume der Wissenschaft respektieren. Wir müssen uns fragen, ob wir mit ähnlichen Taleranzen rechnen können, wenn wir auf hocbaggregierte Forschungsorganisationen angewiesen sind. Meine Damen und Herren, ich bin Herrn Frühwald sehr dankbar für diese instruktive Darstellung. Sie ist für diejenigen wichtig, die nicht im Zentrum der allgemeinen Forschungspolitik stehen. Freilich verfügt das Forschungsinstitut mit seinem Wissenschaftlichen Beirat über einschlägigen Sachverstand. Dieser Wissenschaftliche Beirat zeichnet sich dadurch aus, daß Herr Kollege Roellecke die Aufgabe des Vorsitzenden übernommen hat. Das bringt uns in die angenehme Lage, daß wir das eher garstige Feld der Politik, der Forschungspolitik, verlassen können und uns der Wissenschaftsphilosophie zuwenden dürfen.

habe. Vgl.: ,,Forschung, Lehre und Dienstleistungen im Umfeld reduzierter Ressourcen". Essen 1994, S. II- 22. (Fortbildungsprogramm für die Wissenschaftsverwaltung. Materialien Nr. 59).

Verantwortung für die Forschung philosophisch betrachtet Von Universitätsprofessor Dr. Gerd Roellecke

Es ist mir eine große Freude, dem Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer zu seinem zwanzigjährigen Bestehen gratulieren zu dürfen. Seit zwanzig Jahren arbeitet das Institut erfolgreich auf einem schwierigen wissenschaftlichen Terrain. Das ist in der Tat zu feiern. Schwierig ist das Terrain aus drei Gründen. Erstens hat es das Institut mit einem Gegenstand zu tun, in den es selbst eingebunden ist. Auch das Institut wird öffentlich verwaltet. Es könnte sich daher selbst zum Gegenstand der eigenen Forschung machen, was es natürlich nicht tut. Zweitens ist die öffentliche Verwaltung fachlich und intellektuell so qualifiziert, daß sie sich eigenständige Urteile über wissenschaftliche Ergebnisse und Empfehlungen bilden kann. Sie ist nicht einfach Abnehmer, sie ist Partner der Verwaltungswissenschaft Daraus folgt drittens, daß sich das Institut auf die öffentliche Verwaltung einlassen muß, wenn es überhaupt etwas über sie erfahren will. Man könnte deshalb fragen, welchen Sinn Forschung für und über die öffentliche Verwaltung eigentlich hat. Reicht es nicht aus, wenn sich die öffentliche Verwaltung selbst beobachtet? Der Sinn der Medizin leuchtet sofort ein, weil man ihre Leistungen am Zustand der menschlichen Körper festmachen zu können glaubt. Niemand käme indessen auf den Gedanken, den Zustand der Verwaltung der Verwaltungswissenschaft zuzuschreiben. Das würde der Verwaltungswissenschaft auch schlecht bekommen. Sie würde zur Politik. Und warum ist sie nicht Politik? Verwaltungswissenschaft ist nicht Politik, - weil sie in Verwaltungssachen nicht selbst entscheiden kann und darf, - weil sie organisatorisch verselbständigt ist und

80

Gerd Roellecke

- weil sie sich an die anderen Wissenschaften anschließen, also den Regeln der Gemeinschaft der Wissenschaftler gehorchen muß. Heute klingt das trivial. Aber noch vor dreißig Jahren hätte man aus der Verflechtung von Forschung und Gegenstand geschlossen, die Verwaltungswissenschaft sei nicht objektiv, und mit dieser Begründung den politischen Verwaltungswissenschaftler gefordert. Oder man hätte versucht, die Verflechtung moralisch zu vernebeln. Heute wissen wir, daß Objektivität, Wahrheit und dergleichen nicht der Grund, sondern die Folge der relativen Verselbständigung von Wissenschaft sind, auch in klassischen Fächern wie Recht und Medizin. Die Verflechtung der Verwaltungswissenschaft mit ihrem Gegenstand ist deshalb nur ein eindrückliches Beispiel für eine Struktur der modernen Wissenschaft. Der Sinn der verwaltungswissenschaftlichen Beobachtung liegt folglich in deren Differenz zur öffentlichen Verwaltung. Wenn ihre gleichsam künstliche Verselbständigung Voraussetzung für die wissenschaftliche Kommunikation ist, dann wird die Frage nach der Verantwortung für die Forschung zu einer aufregenden Frage, weil sie die Verselbständigung der Wissenschaft betrifft. Fällt "Verantwortung" nicht der Verselbständigung der Wissenschaft in den Rücken? Zwar trägt zuallererst der Forscher Verantwortung für die Forschung. Aber das ist zu selbstverständlich, als daß man darüber diskutieren könnte. Mit "Verantwortung" kann nur das Verhältnis zwischen der Forschung und ihrer Umwelt gemeint sein, das heißt, zwischen der Forschung und der Gesellschaft, besonders der Politik. Dieses Verhältnis hat freilich mit "Verantwortung" zunächst nichts zu tun. Es ist ein Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Gesellschaft organisiert und finanziert die Forschung, weil sie von der Forschung irgendetwas Sinnvolles erwartet. Gegen die Ansicht mancher Philosophen und eines früheren Bundeskanzlers erwartet die Gesellschaft von der Forschung allerdings keine Sinnstiftung, also nicht Sinn an und für sich. Denn davon hat die Gesellschaft übergenug, so viel, daß es für die Individuen schwierig geworden ist, den für sie richtigen Sinn zu finden. Hat die Forschung der Gesellschaft nichts Sinnvolles zu bieten, dann läßt die Gesellschaft sie eingehen wie weiland die Astrologie, die im Mittelalter

Verantwortung für die Forschung - philosophisch betrachtet

81

eine wichtige Wissenschaft war, durch die Astronomie abgelöst wurde und heute dem Aberglauben zugerechnet wird. Was für die Gesellschaft sinnvoll ist, bestimmt die Gesellschaft, nicht die Forschung. Das bedeutet natürlich nicht, daß jedes einzelne Forschungsergebnis gesellschaftsnützlich zu sein hätte. Im Gegenteil! Nur wenn die einzelnen Forschungsergebnisse innerhalb des Wissenschaftssystems nach wissenschaftseigenen Kriterien bewertet werden, kann das Wissenschaftssystem der Gesellschaft etwas bieten, das sie noch nicht hat oder kennt und das sie akzeptieren und verwerten kann oder auch nicht. Die Forschung insgesamt - Dünnbrettbohrer und Himmelstürmer eingeschlossen -muß deshalb selbständig sein. Ihre Autonomie ist Voraussetzung für ihre Nützlichkeit. Dagegen können Politik und Wissenschaft nur verstoßen, ändern können sie es nicht. Gegenseitiger Nutzen bedeutet auch nicht, daß man den gesellschaftlichen Nutzen der Forschung auf Heller und Pfennig ausrechnen können müßte. Das geht nicht einmal beim Autokauf, nicht bei Personalentscheidungen und schon gar nicht bei Leistungen der gesellschaftlichen Subsysteme. Persönliche Würde, ewige Seligkeit, Gerechtigkeit, Liebe, politische Macht und Wahrheit sind unbezahlbar. Deshalb kann man sie nicht kaufen. Werden sie bezahlt, ändern sie ihren Charakter. Andererseits müssen die Organisationen finanziert werden, die diese Werte anstreben. Aber bei Finanzierungen im Bereich des eigentlich Unbezahlbaren drängt sich eine Funktion des Geldes in den Vordergrund, die im normalen Wirtschaftsleben latent bleibt. Das Geld begrenzt die prinzipiell unendlichen Ansprüche der grossen gesellschaftlichen Subsysteme, also der Politik, des Rechtes und der Wissenschaft, ohne das Gebot zu verletzen, darüber zu schweigen, daß alle unendlichen Ansprüche durch alle anderen unendlichen Ansprüche begrenzt werden, daß es immanente Schranken der Werte gibt. Geld ist so neutral, daß es beispielsweise Wahrheit und Gerechtigkeit auf diskrete Weise vergleichbar machen kann. Denn Geld erinnert daran, daß immer die jeweils anderen auf Konsum verzichten müssen, damit Politik, Recht und Wissenschaft funktionieren können. Es symbolisiert die Ansprüche und Ressourcen der Gesamtgesellschaft und gestattet es deshalb, Starfighter gegen Schulen oder Gerichtsgebäude gegen Institutsgebäude zu verrechnen. Es zeigt 6 Speyer 125

82

Gerd Roellecke

an, was man sich leisten könnte, wenn man dieses Institut oder dieses Gericht nicht baute. Dadurch zwingt es zur Abwägung und zur Setzung von Prioritäten. Die Prioritätendiskussion ist nun der Ort, an dem es vernünftig ist, von Verantwortung zu sprechen. In diesem Zusammenhang wird das Wort auch am meisten verwendet. So stand in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 1. Juli 1996 zu lesen: "Bei allem Umsteuern auf Marktwirtschaft, Selbständigkeit und Eigenverantwortung will die sächsische Regierung den Bund noch lange nicht aus der Verantwortung entlassen". Jeder weiß, was hier mit "Verantwortung" gemeint ist: Geld. Sachsen will sich nicht in die eigene Wirtschaftspolitik hineinreden lassen, aber auch künftig vom Bund subventioniert werden. Das will indessen nicht nur Sachsen. Auch Theater, bildende Kunst, Landwirtschaft und Wissenschaft wollen nach ihren eigenen Gesetzen arbeiten und von der Politik finanziert werden. Man braucht in dem sächsischen Satz nur "Marktwirtschaft" durch "Wissenschaftsfreiheit" und "sächsische Regierung" durch "Wissenschaftsrepräsentant" zu ersetzen, um zu sehen: Der Satz stimmt immer noch. Natürlich! In einer Prioritätendiskussion muß ein Wissenschaftsrepräsentant genau das Gleiche sagen wie die sächsische Regierung. Die Situation des Streites um Prioritäten erklärt ferner, warum man statt "Verantwortung" nicht einfach "Geld" sagen kann. "Geld" ist zu wenig. Geldtransfers verlangen nach Gründen, im Rechtsstaat nach Rechtsgründen. Knappe Haushaltsmittel werden primär nach positivrechtlichen Maßstäben verteilt, wie die Haushaltsordnungen zeigen. Der Streit um Prioritäten betrifft jedoch nicht das positive Recht. Er setzt gerade voraus, daß über die Priorität noch nicht rechtlich entschieden ist, und will erst eine rechtliche Festlegung herbeiführen. Aber wenn Verantwortung nicht das Recht meint, was meint sie dann? Manche Philosophen sagen: Moral, etwa Hans Jonas in seinem "Prinzip Verantwortung". Ich brauche mich mit dieser Philosophie indessen nicht auseinanderzusetzen, weil "Verantwortung" im Prioritätenstreit trotz seiner moralisierenden Rhetorik nicht Moral bedeuten kann. Auf der Basis von Moral kann ein politisches System heute auf die Dauer

Verantwortung für die Forschung - philosophisch betrachtet

83

nicht funktionieren. Moral regelt die Zuteilung von Achtung oder Nichtachtung. Sie wirkt durch die ständig mitlaufende Drohung, alle Kommunikationen abzubrechen. Kommunikationsahbrüche wegen Sachfragen kann sich Politik aber nicht leisten, weil die Politiker bei der nächsten Sachfrage wieder miteinander reden müssen. "Wer den Saal verläßt", soll der unvergeßliche Herbert Wehner gesagt haben, "muß sehen, wie er wieder herein kommt". Aber wenn auch Recht und Moral gerade nicht gemeint sind, kann uns doch das Grundgesetz sagen, was Verantwortung bedeutet. Das Wort kommt beispielsweise in der Präambel und in Art. 65 GG vor, der die Binnenbeziehungen der Bundesregierung regelt. Nach der Präambel will das deutsche Volk "im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen" für das Unrecht einstehen, das das NS-Regime den Menschen angetan hat. Daß nach Art. 65 GG der Bundeskanzler die Veranwortung für die Richtlinien der Politik trägt und die Bundesminister ihren Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung leiten, regelt weniger Zuständigkeiten und Kompetenzen, wie die Kommentare meinen, es ermöglicht vor allem grundsätzliche Zurechnungen. Der Bundeskanzler kann kritisiert und unter Umständen abgewählt werden, wenn einer seiner Minister nicht funktioniert. Und er kann seinerseits den Forschungsminister feuern, wenn die Forschung nicht blüht, obwohl der Forschungsminister nicht selbst forscht und Forscher eigenwillige Leute sind. In beiden Fällen bedeutet Verantwortung das Einstehenmüssen für Ereignisse, die man rechtlich oder nach den Prinzipien der Individualethik nicht zurechnen kann, sei es, weil sie, wie im Falle des NS-Utyechtes, den Horizont humaner Vorstellungen überschreiten, sei es, weil sie noch im Dunkel der Zukunft liegen und schon deshalb nicht rechtlich geregelt werden können. "Verantwortung" ist also die Möglichkeit, jemandem Ereignisse zuzurechnen, der für die Ereignisse nach den Regeln von Recht und Ethik streng genommen nicht verantwortlich ist, weil er sie weder wollte noch voraussehen konnte. Das ist paradox. Aber die Paradoxie hat einen guten Sinn. Sie bedeutet: Verantwortung bezieht sich auf einen Bereich, in dem entschieden werden muß, obwohl alles ungewiß ist oder vollständige Informationen nicht vorliegen. Unter Ungewißheit oder ohne aus6*

84

Gerd Roellecke

reichende Informationen sind Entscheidungen eigentlich nicht möglich. Verantwortung ermöglicht sie trotzdem. Sie besagt: Wenn man schon nicht weiß, was bei einer Entscheidung herauskommt, so weiß man doch wenigstens, an wen man sich halten kann und wer den Kopf hinhalten muß, wenn etwas schief geht. Das schafft Handlungssicherheit Unter dem Aspekt der Entscheidungsfolgen ist diese Sicherheit natürlich trügerisch. Aber die Entscheidungssituation wird durch Verantwortung geklärt. Wie beim Elfmeterschießen bestimmt sie, wer schießen muß und das Risiko des Fehlschusses trägt. Daraus folgt übrigens, daß es für das Einstehenmüssen nur ein Kriterium gibt: den Erfolg. Die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung steht einem Minister nicht zur Seite. Wenn etwas Nennenswertes nicht klappt, muß er gehen. Kommen nicht besondere Umstände hinzu, ist seine Verabschiedung aber keine moralische Verurteilung. Man beendet die Kommunikation nicht, sondern schneidet nur besonderen Einfluß ab. Man entzieht nicht Achtung, sondern Macht, wenn sich aus der Sicht vieler Politiker auch beides zum Verwechseln ähnlich sieht. Macht zu entziehen ist freilich nicht so einfach, wie es sich anhört. Man weiß nicht, wie weit sie geht. Der frühere Bundeskanzler Schmidt hat öffentlich mit seiner Einflußlosigkeit kokettiert, und Bundeskanzler Kohl schweigt sich eisern darüber aus. Wenn man in das Grundgesetz schaut, weiß man, warum. Ein Bundeskanzler kann weder Geld verteilen - seinen Reptilienfond kann man vernachlässigen - noch Gesetze machen. Verfassungsrechtlich kann er nur in Bereichen des Ungewissen Stichworte geben und rufen: Mir nach! Aber selbst darin ist er nicht frei. Aus eigener Erfahrung kenne ich die vielen Rücksichten, die ein Politiker nehmen muß, nur flüchtig. Aus vielen Begrüßungsansprachen und Politikerreden habe ich jedoch gelernt, daß ein Politiker auf Regierung und Opposition, auf seine Partei, auf Verbände, auf die Medien und vor allem auf seine Wähler Rücksicht nehmen muß. Ein Politiker will gewählt oder wiedergewählt werden. Dazu gehört, daß er die Rolle, die er im politischen Apparat spielt, möglichst gut ausfüllt. Wenn er Forschungsminister ist, muß er für möglichst gute Forschung sorgen. Darüber braucht ihn kein Lobbyist und kein Journalist zu belehren. Sein Wiederwahlwunsch und die Verantwortung

Verantwortung für die Forschung - philosophisch betrachtet

85

für seinen Geschäftsbereich diktieren es ihm. Ich weiß, daß ich grob vereinfache, wenn ich daraus schließe: Mit vielen Wenn und Aber entscheidet in der Forschungspolitik letztlich das, was die Politiker für den Wählerwillen halten. In einer Demokratie soll das ja auch so sein. Für Forscher ist das keine erfreuliche Einsicht. Zwar dürfen auch sie wählen. Aber verglichen mit den Rentnern und dem Deutschen Gewerkschaftsbund sind sie eine so winzige Minderheit, daß sie nicht hoffen können, die Politik würde auf sie als Wählergruppe viel Rücksicht nehmen. In ihrer zahlenmäßigen Schwäche setzen sie auf ihre diskursive Stärke. Ihre Repräsentanten können sich naturgemäß fabelhaft artikulieren, haben Zugang zu den Medien und beteuern immer wieder die existentielle Notwendigkeit von noch mehr Forschung. Ich übersehe nicht, daß sie das auf einem spürbar höheren sprachlichen Niveau tun als die meisten der anderen Lobbyisten, die sich um die Haushaltstöpfe drängen. Aber es ist nicht meine Sache, die Politik der Wissenschaftsrepräsentanten zu kritisieren. Im Grunde stehe ich ja auf ihrer Seite. Auch mein Herz hängt an der Forschung. Auch ich möchte am liebsten die ganze Bundesrepublik in eine einzige, blühende Wissenschaftslandschaft verwandeln. Auch ich gestehe natürlich zu, daß das nicht geht. Ich vermute sogar, die Wissenschaftsrepräsentanten wissen, daß sie im Forschungsminister ihren besten Verbündeten haben. Aber wenn jede Forschungsförderung begrenzt und der Forschungsminister im Zweifel gutwillig ist, dann bleibt nichts übrig, als sich in die Situation des Forschungsministers zu versetzen und zu überlegen, wie man ihn beraten soll, damit er erreicht, daß der Bundeskanzler die Stichworte ins Ungewisse ruft, die der Forschungsminister ihm ins Ohr flüstert. Welch eine Aufgabe! Das beginnt mit der Sprache. Neulich habe ich von einem wissenschaftlichen Teilnehmer an der Prioritätendiskussion gelesen: "Obgleich die Voraussagbarkeil komplexer Systeme grundsätzlich begrenzt ist, erlaubt dieses explizite Regelwissen Prognosen, die der Optimierung von Entscheidungen dienlich sind". Dergleichen darf man natürlich nicht schreiben. Nicht, als ob der Satz falsch wäre. Aber er enthält eine Art von Wahrheit, auf die Politiker mit Recht pfeifen. Auch auf den Unter-

86

Gerd Roellecke

haltungswert von Forschung sollte man sich nicht berufen, selbst wenn die Massenmedien erstaunlich viel über Forschung berichten und der Wissenschaftsbetrieb eine beliebte Spielstätte für Romane ist. Vom Edlen, Wahren und Guten der Forschung kann man seit dem Streit um die friedliche Nutzung der Kernenergie nicht mehr reden, und von der kritischen Funktion der Wissenschaft nicht mehr seit den 68er Unruhen. Die leichte Übelkeit, die heute die Verwendung der Argumente von gestern bereitet, sollte uns indessen nicht an der Einsicht hindern, daß in den Argumenten von gestern doch eine Wahrheit steckte, die immer noch gilt: Die Wissenschaft ist gleichsam die Hoffnung der Gesellschaft. Früher nannte man diese Hoffnung "Fortschritt". Heute können wir das Wort nicht mehr verwenden, weil wir nicht mehr wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Deshalb sagen wir statt "Fortschritt": Innovation, Neuerung. "Neuerung" gibt die Lage richtig wieder. Wir unterscheiden prinzipiell nur noch zwischen dem, was es schon gibt, und dem, was es noch nicht gibt. Aber die Einheit dieser Unterscheidung ist die Hoffnung, das Neue werde uns vom Alten befreien. Wegen dieser Hoffnung hat die Gesellschaft die Wissenschaft ausdifferenziert. Dabei ist sogar etwas herausgekommen. Aber das ist nicht entscheidend. Die Wissenschaft kann ihre Ergebnisse immer nur mit der Klausel "Irrtum vorbehalten" liefern. Entscheidend sind die Tatsache der Ausdifferenzierung und der Umstand, daß die Gesellschaft von der Ausdifferenzierung Neues erwartet. Darin drückt sich ihre Hoffnung aus. Und daß diese Hoffnung nicht enttäuscht wird oder gar vergeht, dafür muß die Politik einstehen. Das ist ihre Verantwortung für die Forschung. Ich schließe mit dem herzlichen Wunsch, das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung möge noch lange und erfolgreich wirken.

Verantwortung für die Forschung - philosophisch betrachtet

87

Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König Herzlichen Dank Herr Roellecke. Meine Damen und Herren, es wird uns klar, daß die Verwaltungsforschung alles erforschen kann, aber nicht das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung. Die Selbsterforschung wäre vermutlich ein zu hohes Risiko für die Bestandserhaltung. Freilich wäre es ein Mangel, wenn das Institut nicht erforscht würde. So haben wir die Anregung des Wissenschaftsrates aufgenommen und einen Wissenschaftlichen Beirat eingerichtet, auf den wir die Risiken der Selbsteinschätzung verlagern können. Und Herr Roellecke hat demonstriert, wie dieser Beirat arbeitet. Ich bedanke mich sehr herzlich. Meine Damen und Herren, ich begebe mich jetzt gleichsam von der Reflexionshöhe des Wissenschaftlichen Beirats in die Arbeitsebene des Vorstands des Forschungsinstituts.

Ausblick in die Zukunft Von Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König Das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer hat den Festakt anläßlich seines 20jährigen Bestehens dem Thema "Verantwortung für die Forschung" gewidmet. Wir haben dazu von kompetenten Persönlichkeiten wichtige wissenschaftspolitische und wissenschaftstheoretische Aussagen gehört, für die jetzt schon zu danken ist. Wenn zum Schluß von einem "Ausblick in die Zukunft" die Rede sein soll, dann muß der Jubilar selbst, unser Forschungsinstitut, ins Auge gefaßt werden, was nicht ausschließt, daß manches über Speyer hinaus relevant sein mag. Die Zukunft zu erschließen, das kann man von der Vision bis zur Extrapolation auf manche Weise versuchen. Ich möchte mich auf das Feld der Projektionen begeben und über vier anstrebenswerte Entwicklungen sprechen, wobei freilich in die Datengrundlagen manche persönliche Erfahrungen einfließen. Meine erste Projektion meint ein Institut von forschenden Professoren und Forschungsreferenten - nicht ein Direktoren I Mitarbeiter-Institut oder noch anderes. Wer nach Speyer kommt, wird einer ausgeprägten Forschungsorientierung begegnen, die nicht mit der Lehre in Widerspruch gerät, weil von der postuniversitären Ausbildung wie von der Fortbildung des höheren Verwaltungsdienstes ein Stand an der Forschungsfront erwartet wird. So waren dann auch meine eigenen Erfahrungen als Referendar im Sommersemester 1961 davon geprägt, daß ich in einem kulturanthropologischen Seminar Arnold Gehlens recht ursprünglich an der Arbeit des schreibenden Gelehrten Anteil nehmen konnte: aus der Sicht der Forschung originär, aus der Sicht der Lehre jedenfalls in der heutigen Perspektive von Leistungsindikatoren und Evaluationen - wohl zu originell, jedenfalls aber ein Bildungserlebnis.

90

Klaus König

Auf der Seite forschender Professoren lassen sich solche punktuellen Erfahrungen dann ausweiten. Es wären Staatsrechtslehrer wie Carl Hermann Ule, Verwaltungswissenschaftler wie Fritz Morstein Marx, Finanzwissenschaftler wie Konrad Littmann, Organisationssoziologen wie Renate Mayntz, Historiker wie Rudolf Morsey zu nennen, und das sind nur einige Namen. Als ich 1965 als Forschungsreferent an die Hochschule zurückkehrte, gab es dort die Zusammenfassung einiger weniger Forschungsassistenten-Stellen in einem internen Institut. Eine dieser Stellen war mit Niklas Luhmann besetzt, über den hier nur soviel zu sagen ist, daß sich seine stupende wissenschaftliche Produktivität in Speyer entfaltete, belegt in zahlreichen Publikationen, von denen ich nur "Funktionen und Folgen formaler Organisation" nennen möchte. Die Zahl von etwa 200 Personen, die danach im Institut als Referenten gearbeitet haben, schließt es hier aus, auf weitere Namen für das Speyerer Forschungspotential hinzuweisen. Es ist ein qualitativ wie quantitativ beachtliches Werk hervorgebracht worden: über 100 Bücher, über 160 Forschungsberichte (nicht eingerechnet die internen Berichte). Die Qualität der geleisteten Arbeit wird inzwischen durch weitere berufliche Werdegänge in der akademischen und in der praktischen Welt reflektiert: als Professoren der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, als Politiker, als Spitzenbeamte, als hohe Richter, als Wissenschaftsmanager, ja als Unternehmer. Ich freue mich, daß viele ehemalige Forschungsreferenten an diesem Festakt teilnehmen. Wenn ich von solchen Erfahrungen her in die Zukunft blicke, dann meine ich, daß die regulative Idee des Professoren/Forschungsreferenten-Instituts auch weiterhin zur Geltung gebracht werden muß. Dieses Identifikationsmuster ist bisher relativ offen angelegt. Es reicht von dem Fall, daß die schützende Hand des Professors über eine durchaus selbständige, aber noch nicht hinlänglich ausgewiesene Forscherpersönlichkeit, etwa einen Habilitanden, gehalten wird, bis zu dem Fall, daß Professoren und Referenten ein Forschungsvorhaben Stunde um Stunde und Teilgegenstand um Teilgegenstand verhandeln - etwa ein gesetzgeberisches Konzept zu einer einheitlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit

Ausblick in die Zukunft

91

Ein post-industrieller Wissenschaftsbetrieb wird es vermutlich mit sich bringen, daß die Zusammenarbeit von Professoren und Forschungsreferenten stärker reguliert wird. Die Forschungsfreiheit der Professoren wird indessen eine maßgebliche Größe der Projektdefinition bleiben, und zwar schon deswegen, weil nur von solcher Professionalität der wissenschaftlichen Leitung auch die Verantwortung für das jeweilige Forschungsvorhaben und seine Ergebnisse bis hin zum Selbsteintritt verlangt werden kann. Bei allen technokratischen Zwängen sollte man bei einem flexiblen Anforderungsprofil für die Forschungskooperation bleiben. Das Institut muß für den forschenden Professor attraktiv gehalten werden. Meine zweite Projektion bezieht sich auf die Beschaffenheit der Forschung über und für die öffentliche Verwaltung. Einen solchen Ausblick eröffnet man sich, wenn man sich die präzisen Anforderungen des Wissenschaftlichen Beirates unseres Instituts zu eigen macht, nämlich daß eine über das Lehrstuhlprinzip hinausreichende Institutionalisierung der Forschung unter wissenschaftspolitischen Aspekten nur sinnvoll sei, wenn durch das Institut ein "wissenschaftliches Surplus" entstehe. Zur Diskussion eines solchen Mehrertrages ist zu berücksichtigen, daß die öffentliche Verwaltung in Deutschland und weiter in Kontinentaleuropa nicht eine - auch nicht schwerpunktmäßig eine -, sondern viele Fachwissenschaften auf sich gezogen hat. Der Name der Hochschule für Verwaltungswissenschaften, ihre Lehrstuhlzusammensetzung aus Disziplinen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften machen das deutlich. Eine prinzipiell andere wissenschaftliche Situation findet man vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo Public Administration etwa an 200 Universitäten in der einen oder anderen Institutionalisierung gelehrt wird, landesweite Interessenorganisationen für Lehre und Forschung bestehen und entsprechend auch ein disziplinärer Wissenschaftsanspruch erhoben wird. Die Lage ist bei uns freilich nicht in kanonisierten Fachwissenschaften erstarrt. Die Rechtswissenschaft hat sich mit der Verwaltungslehre eine Art empirische Hilfswissenschaft zugelegt. Die Betriebswirtschaftslehre hat aus den Gegenständen "öffentliche Unternehmen und Verwaltungen" einen Schwerpunkt gebildet. Die politische Wissenschaft sieht

92

Klaus König

die öffentliche Verwaltung als einen Teilgegenstand an usw. So begrüßenswert eine solche Ausweitung ist, ihre Grenzen werden deutlich, wenn man an der Universität versucht - etwa in einem Sonderforschungsbereich -, die Forschungsinteressen von Lehrstühlen und Professuren unter dem Vorzeichen der öffentlichen Verwaltung zu bündeln. Hier kann ein Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung ganz andere institutionelle Mechanismen ins Spiel bringen: Normen des Zusammenlebens in der Wissenschaftsgemeinschaft, finanzielle Anreize, Legitimationserfordernisse usw. bis hin zur internen Öffentlichkeit der Projektpräsentation in einem Forschungskolloquium. Das Lehrstuhlprinzip erlaubt im Forschungsbereich nach wie vor Eigendefinitionen, die selbst durch die fachspezifische Ausflaggung von Professuren kaum begrenzbar sind. Die Institutionalisierung der Forschung in einer eigenen Organisation zwingt zumindest zu projektbezogenen Begründungen. Vorhaben jenseits der Lehrstuhlforschung verlangen gewisse Einordnungen in das Forschungsumfeld ab: in programmatische Schwerpunkte, in Beschlußlagen von Selbstverwaltungsgremien, in Erwartungen der Verwaltungspraxis usw. Es entsteht eine Art Bedingungsgefüge, wie es der Forscher erfährt, wenn er sich um eine Drittmittelfinanzierung bei Stiftungen und anderen Fördereinrichtungen bemüht. Diese Konstellation führt gegenüber der Lehrstuhlforschung insbesondere zu dem Mehrertrag, daß nämlich Multidisziplinarität nicht einfach das Nebeneinander vieler Fächer, sondern deren Öffnung gegenüber anderen Fächern bedeutet. Man kann aber wohl im Falle des Speyerer Forschungsinstituts noch einen Schritt weitergehen. Nicht nur nach meiner Einschätzung haben eine ganze Reihe der hier durchgeführten Forschungsvorhaben interdisziplinären Charakter. In einer Welt des Wissenschaftspluralismus ist es schwierig auszumachen, wo lnterdisziplinarität beginnt - jedenfalls nicht im rhetorischen Übergebrauch dieses Wortes. Wer indessen die Speyerer Forschungsergebnisse zu Gesetzgebung und Planung, zu Organisation und Verfahren der öffentlichen Verwaltung, zum öffentlichen Dienst und zur Personalverwaltung, zu Haushalt und Finanzen, zu öffentlichen Aufgaben und öffentlichem Vermögen usw. analysiert, wird feststellen, daß oft der disziplinäre Standpunkt, die Bindung an diszipli-

Ausblick in die Zukunft

93

näre Perspektiven, Fragehorizonte, Vorgehensweisen, Methoden, Reputationsregeln usw. verlassen wird, und sei es auch nur, daß die Perzeption des Forschungsgegenstandes und seiner Problematik originär und nicht von vornherein aus der Fachsicht erfolgt. Für die Zukunft meine ich jedenfalls, daß der Mehrertrag der Institutsforschung gegenüber der Lehrstuhlforschung nicht zuletzt daran gemessen werden wird, was an multidisziplinärer Öffnung und interdisziplinärem Versuch geleistet wird. Die Rechtsgrundlagen des Forschungsinstituts bestimmen, daß das Institut die Forschung im Bereich der Verwaltungswissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der praktischen Aufgaben und Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung einschließlich der Bedürfnisse für die Ausund _Fortbildung obliegt. Wir leiten daraus den Auftrag sowohl zur grundlagenorientierten wie zur anwendungsorientierten Forschung ab. Man sollte diese Unterscheidung etwas mehr mit dem Pragmatismus der amerikanischen Verwaltungswissenschaft sehen, die die "power to work" zum Kriterium wissenschaftlicher Bewährung erhebt und dann doch - auch in einer Person- Grundlagenwerke hervorbringt. Jedenfalls ist für den Speyerer Fall auch für die Zukunft festzuhalten, daß hier Platz für die Grundlagenforschung ist, daß Rechts-, Staats-, Wirtschafts- und Sozialtheorien und insbesondere auch die Geschichtswissenschaft - immer bezogen auf Staat und Verwaltung - bei uns einen Standort haben. Viele Speyerer Forschungsvorhaben wird man aber als anwendungsorientiert bezeichnen können, wenn man die prinzipielle Differenz zwischen "Wissenschaftssystem" und "Anwendungssystem" versteht. Beispiele dafür findet man etwa in den Forschungsarbeiten zur Transformation der öffentlichen Verwaltung in den neuen Bundesländern oder zur Organisations- und Verfahrensreform in Hinblick auf Modernisierungen nach den Maßstäben von Effizienz und Effektivität. Wir haben institutionelle Vorkehrungen dafür getroffen, daß wir über Einzelvorhaben hinaus mit der Verwaltungspraxis in einem Forschungsund Entwicklungsdialog bleiben. Das schließt Initiativen und Anregungen zu neuen Projekten ein. Diesen Dialog müssen wir auch für die Zukunft absichern, genauso wie weiterhin Vorhaben durchgeführt werden,

94

Klaus König

die einem Vorschlag aus Bund oder Ländern folgen, mit den interessierten Verwaltungen abgestimmt und gegebenenfalls von ihnen mitfinanziert sind. Wir kommen mit solchen Projekten in die Nähe von Beratungsleistungen. Ich würde sie aber nach wie vor dem autonomen Bereich der anwendungsorientierten Forschung zurechnen, während die direkte Gutachtertätigkeit auch in Zukunft mit den Lehrstühlen der Hochschule verbunden bleibt. Indessen wird vom Forschungsinstitut eine, wenn auch begrenzte Serviceleistung erwartet werden können, die eng mit den Forschungsaktivitäten zusammenhängt. Mit den anwendungsorientierten Projekten pflegt eine umfassende Dokumentationstätigkeit verbunden zu sein, die bisher noch nicht systematisch genutzt worden ist. Wir sind im Begriff eine "Dokumentations- und Transferstelle ,Verwaltungsmodernisierung in den Ländern"' auszubauen, die solche Bestände zusammenfaßt und erweitert. Mit Hilfe moderner Kommunikationstechniken können wir dann in der Lage sein, Verwaltungsreformen durch Informationen zu unterstützen. Auf eine Forschungslandschaft sieht man vom Schreibtisch in einem Hochschulrektorat anders als von dem in einer Regierungszentrale. Ein solcher Perspektivenwechsel zwischen Wissenschaft und Praxis muß aber nichts an der Überzeugung ändern, daß die Universitäten der Nährboden jeder Forschung in Deutschland sind und bleiben sollten, und zwar prinzipiell auch für die verwaltungsbezogenen Fächer. Sodann können aber Wissenschaftler wie Praktiker gute Gründe dafür haben, eine außeruniversitäre Forschung auch in anderen Bereichen als den der naturwissenschaftlich-technischen Großanlagen für eine erstrebenswerte Entwicklung anzusehen, und zwar wegen eines spezifischen wissenschaftlichen Mehrertrages. Unserem Institut ist in diesem Sinne Zentralität zugefallen. Sieht man drittens auf die insoweit anzustrebende Entwicklung, dann ist zu beachten, daß es auch andere außeruniversitäre Forschungsinstitute gibt, die sich in Heidelberg, in Köln, in Berlin von Fall zu Fall verwaltungsrechtlichen, verwaltungssoziologischen, verwaltungspolitologischen Fragestellungen zuwenden. Aber einen Fokus "öffentliche Verwaltung" sehe ich andernorts nicht, und nach allen Erfahrungen ist mit einem ,,Zweiten

Ausblick in die Zukunft

95

Speyer" - wie es Fritz Morstein Marx zu formulieren pflegte - auch in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen. Eine solche Zentralität bedeutet programmatische Verpflichtung. Man muß sich diese aber nicht gleichsam als ein Metaprojekt "Öffentliche Verwaltung" vorstellen. Auch jenseits von Imponderabilien wie der deutschen Vereinigung oder des aktuellen Modemisierungsschubs zum "schlanken Staat" ist die öffentliche Verwaltung viel zu komplex und dynamisch, als daß sie sich in einer festen Langzeitplanung antizipieren ließe. Der Name "Öffentliche Verwaltung" signalisiert andererseits auch nicht die Enge einer Verwaltung der Verwaltung. Die substantielle Spannweite kann man wohl am besten mit dem Konzept vom "arbeitenden Staat" erfassen - um eine Sprachwendung Lorenz von Steins aufzugreifen. Innerhalb eines solchen Konzepts kommt es auf die Formulierung und dann die Fortentwicklung von Forschungsschwerpunkten an, die der kurz- und mittelfristigen Planung von Forschungsvorhaben einen Orientierungsmaßstab vermitteln. Die Zentralität des Speyerer Forschungsinstituts bindet es in ein Netzwerk interessierter Akteure von Wissenschaft und Praxis ein. Es wäre zu kurz gegriffen, in dem Verwaltungsrat des Forschungsinstituts, in dem neben dem Sitzland der Bund und alle anderen Länder vertreten sind, nur den Entscheidungsmechanismus einer Mischfinanzierung zu sehen. Im Unterschied zu anderen mischfinanzierten Forschungseinrichtungen sind Bund und Länder in ihren öffentlichen Verwaltungen zugleich Gegenstand unserer Forschungen. Es gibt ein substantielles Interesse der Mitglieder des Verwaltungsrats am Forschungsprogramm und an den Forschungsvorhaben des Instituts, das sich in einer entsprechenden Sachdiskussion niederzuschlagen pflegt. Deswegen sind Bund und Länder auch durch Mitarbeiter der Innenministerien, der Ressorts für Verwaltungsangelegenheiten, vertreten. Daß der Bund auch durch ein Mitglied des Bundesrechnungshofs, das Sitzland durch den Chef der Staatskanzlei und dann - nicht zuletzt, sondern als Vorsitzender - durch den Forschungsminister repräsentiert ist, zeigt organisatorische Klugheit. Beim Wissenschaftlichen Beirat des Forschungsinstituts ist das Sachinteresse selbstverständlich. Hier geht es uns darum, insbesondere Kon-

96

Klaus König

takt mit den Universitäten zu halten. Solche allgemeinen Verknüpfungen mit der interessierten Wissenschaft und Praxis verfestigen sich dann im Zusammenhang mit einzelnen Forschungsvorhaben. Deren Teilnetzwerke treten besonders hervor, wenn wir Wissenschaftler und Praktiker zu Forschungsseminaren und Forschungskolloquien nach Speyer einladen. Bei allem muß darauf geachtet werden, daß die Organisationskosten nicht zu hoch werden. Das wird durch die Integration des Forschungsinstituts in die Verwaltungs- und Serviceleistungen der Hochschule, durch eine Synchronisation der Verwaltungsräte beider Institutionen usw. gewährleistet. Unter heutigen Sparzwängen muß sogar eine Reiseküstendiskussion zur Zusammensetzung des Wissenschaftlichen Beirates geführt werden, der eben nicht mehr nur nach Kriterien der Reputation und des Lobbyismus ausgewählt werden kann. Der auch ökonomische Professionalismus im Forschungsinstitut sollte weiterhin dafür sorgen, daß im Bereich sekundärer Effizienzen - also der personellen Ressourcen, der Infrastruktur, der Sachausstattung usw. - Kosten-Nutzen-Abwägungen erfolgen. Die Frage der Beteiligung des Bundes und aller Länder am Institut betrifft aber den Primärbereich verwaltungswissenschaftlicher Forschung, nämlich deren Erfahrungs- und Erkenntnisgegenstand bis hin zur Generierung und Realisierung von Forschungsprogrammen und Forschungsprojekten. Diese Sphäre der verwaltungswissenschaftlichen Sache selbst kann nicht auf Wirtschaftlichkeitsfragen, auf ein bloß finanzorientiertes Forschungsmanagement reduziert werden. Mit der Mitgliedschaft in der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste ist das Forschungsinstitut in einen weiteren Kooperationsverbund eingetreten. Man sollte diesen wohl besser als eine Art Commonwealth denn als eine neue Suprematie verstehen. Jedenfalls müssen wir uns in dieser Gemeinschaft als "vierte Säule" der Forschung weiteren Evaluationen stellen. Wir müssen Prüffragen bis zum gesamtstaatlichen wissenschaftlichen Interesse beantworten. Vor dem hier versammelten Kreis von Sachkennern der Verwaltungswissenschaften und Verwaltungspraxis braucht man wohl ·nicht zu belegen, daß es nun einmal eines die verschiedenen Verwaltungsebenen und verschiedenen Fachverwaltungen übergreifenden Ansprechpartners der Verwaltungsforschung bedarf, und

Ausblick in die Zukunft

97

zwar erst recht in den Zeiten von Transformation, Modernisierung und insbesondere auch Internationalisierung öffentlicher Verwaltungen. Hingegen möchte ich mich in meiner vierten und letzten Projektion der Signifikanz des Forschungsinstituts zuwenden, und zwar der qualitativen wie der quantitativen. Dabei möchte ich nicht allgemeine Fragen der Produktivität und Relevanz erörtern. Dazu finden sich sich in den beiden jüngsten Bewertungen des Forschungsinstituts - wie ich meine - recht zufriedenstellende Aussagen: von der wissenschaftlichen Seite her durch kompetente Forscherpersönlichkeiten aus den Rechtsund Wirtschaftswissenschaften, von der Praxis her durch den Bundesrechnungshof. Ich beschränke mich demgegenüber auf zwei Entwicklungsbereiche. Das Forschungsinstitut führt wissenschaftliche Arbeitstagungen, Forschungsseminare, Forschungskolloquien durch, die im allgemeinen Vergleich mit anderen Forschungseinrichtungen durchaus Anerkennung finden. Im spezifischen Vergleich zu den Tagungen, Foren, Seminaren der Hochschule Speyer haben sie aber wohl noch zu wenig EigenprofiL Es wird also zu bedenken sein, wie wir die Veranstaltungssignifikanz stärken können, insbesondere in der Verbindung von Forschungsprojekten mit Forschungsseminaren. Der andere Bereich ist der der internationalen Kooperation. Das Forschungsinstitut beherbergt bis an seine Kapazitätsgrenzen ausländische Gastforscher, und zwar aus über 30 Ländern. Es hat mit der Internationalisierung der öffentlichen Verwaltung, insbesondere der europäischen Integration, seine Forschungsperspektiven entsprechend ausgeweitet. Es hat Mitglieder, die nicht nur in den europäischen und außereuropäischen Ländern westlicher Verwaltungskultur, sondern auch in den Problemregionen der postsozialistischen Länder und der Entwicklungsländer, schließlich in globalen Einrichtungen wie den Vereinten Nationen und der Weltbank tätig sind. Aber die institutionelle Kooperation, wie wir sie etwa mit der katalanischen Verwaltungshochschule in Barcelona in Fragen der Dezentralisierung, Regiopalisierung, Föderalisierung haben, muß noch weiter gefördert werden, und zwar jenseits freundschaftlicher Verträge. Eine entsprechende Zusammenarbeit bahnt sich zur Zeit mit 7 Speyer 125

98

Klaus König

der russischen Akademie für Volkswirtschaft in Moskau an. Hierzu muß freilich ein strukturelles Erbe des Instituts überwunden werden, nämlich seine Bindung an eine nach wie vor zuerst nationalstaatlich verstandene öffentliche Verwaltung, ein Vorverständnis, das nicht zuletzt auch im Haushalt des Forschungsinstituts seinen Niederschlag findet. Damit erreiche ich - zum Schluß - eine Entwicklungsfrage, die wohl für die nähere Zukunft ungelöst bleiben muß. Sie betrifft unsere quantitative Signifikanz. Das Forschungsinstitut gehört mit einem Jahresetat von etwa 3,8 Mio. DM zu den kleinen Mitgliedern der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste. Das heutige öffentliche Forschungsmanagement hat in diesem Zusammenhang die ebenso unfreundliche wie einprägsame Formel von der Bagatellgrenze hervorgebracht. Zum Vergleich sei gesagt, daß die Institute der Wirtschaftsforschung im Rahmen der Blauen Liste nach der Dokumentation 1995 I 1996 über ein Finanzvolumen von über 120 Mio. DM verfügen. Darüber ist nicht zu rechten. Aber die Verwaltungsforschung ist gemessen an der Bedeutung des Verwaltungsstaates überall in der Welt und in Deutschland bis tief in Fragen der Vereinigung hinein in der Tat bescheiden, zu bescheiden ausgestattet. Es ist schon auffällig, daß externe wissenschaftliche Gutachter wie der Bundesrechnungshof anmahnen, das Speyerer Forschungspotential durch eine Ausweitung der Personalausstattung besser auszuschöpfen. Die Gründe für diesen Ausbaustand sind mannigfacher Art. Sie liegen an u~serem Wissenschaftssystem, aber auch in Umständen der Verwaltuqgspraxis. Ich selbst habe mich insoweit immer damit entlastet, daß ich auf die hohe Systemrationalität gerade der deutschen Verwaltung vertraut habe: auf die praktische Vernunft, Existenz und Funktionsfähigkeit öffentlicher Verwaltungen in einer schwierigen Umwelt und in hochveränderlichen Zeiten zu erhalten. Angesichts aktueller Modernisierungsbewegungen, oder genauer angesichts machmal post-modern anmutender Widersprüchlichkeiten, wie sie die Verwaltungspraxis heute oft unreflektiert erfassen, bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher, ob man sich noch überall und hinlänglich auf den Common sense verlassen kann. Aber das ist eine andernorts zu führende Diskussion. Die bescheidene Ausstattung der Verwaltungsforschung läßt sich auch in einer den Verwaltungsproblemen nicht sonderlich zugewandten Wissenschafts-

Ausblick in die Zukunft

99

landschaft im gewissen Umfang durch das Einwerben von Drittmitteln verbessern. Aber die Institution wird durch die Grundfinanzierung garantiert. Kürzungen, auch indirekte über Organisationseingriffe, führen bei unseren Quantitäten zur Bestandsfrage. Es ist zu verstehen, daß man bisweilen Sparzwänge nur durch indirekte Mechanismen, insbesondere finanzwirtschaftliche Automatismen ohne Ansehen der Sache selbst durchsetzen kann. Da hier aber Mindestgrößen wissenschaftlicher Signifikanz in Frage stehen, wird man auch in Zukunft die explizite Sachentscheidung fordern müssen, die dann forschungspolitischen wie verwaltungspolitischen Charakter hat. Die Verwaltungspolitik hat dabei heute ein besonderes Gewicht, weil die öffentliche Verwaltung selbst - ihre Aufgaben und Regulative, ihre Organisationen und Verfahren, ihre Personalstrukturen, ihre Planung und Budgetierung usw. - auf dem historischen Prüfstand steht. Das sollte sich nicht ohne wissenschaftliche Reflexion vollziehen. Ein Professoren I Forschungsreferenten-Institut, nach seiner Beschaffenheit multidisziplinär geöffnet und womöglich interdisziplinär wie grundlagen- und anwendungsorientiert, mit Zentralität und zugleich mit benachbarten Wissenschaften wie der Verwaltungspraxis vernetzt, von qualitativer und quantitativer Signifikanz: das scheinen mir vertretbare Projektionen für das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung zu sein. Solche Entwicklungen lassen sich aber nur anstreben, wenn man sich auf ein Umfeld befreundeter und interessierter Nachbarn beziehen kann. Der Personenkreis, der sich anläßlich des 20jährigen Bestehens des Forschungsinstituts in dieser Aula versammelt hat, repräsentiert ein solches freundliches Interesse. Ich danke Ihnen im Namen der Mitglieder und Mitarbeiter des Forschungsinstituts für Ihre Teilnahme und Ihre Anteilnahme. Indem ich mir für das Institut auch in den kommenden Dekaden Freunde und Förderer erhoffe, schließe ich diesen Festakt und wünsche Ihnen gute Heimfahrt und ein ,Auf Wiedersehen' in Speyer.

7*

DieAutoren Kurt Beck

Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz Univ.-Prof. Dr. Willi Blümel Ehemaliger Geschäftsführender Direktor des Forschungsinstituts Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Frühwald Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Univ.-Prof. Dr. Ingoif Hertel Präsident der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste Univ.-Prof. Dr. Dr. Klaus König Geschäftsführender Direktor des Forschungsinstituts em. Univ.-Prof. Dr. Gerd Roellecke Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Forschungsinstituts Dr. Fritz Schaumann Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Zöllner Staatsminister für Wissenschaft und Weiterbildung des Landes Rheinland-Pfalz