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German Pages 328 [344] Year 1975
WITOLD H E N S E L UR- UND F R Ü H G E S C H I C H T E P O L E N S
BAND
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VERÖFFENTLICHUNGEN des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR H E R A U S G E G E B E N VON
JOACHIM HERRMANN
WITOLD HENSEL
UR- UND FRÜHGESCHICHTE POLENS
Mit 20 Tafeln und 1/4 Abbildungen und Karten
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN T
974
Redaktion: Uta Donat
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3 — 4 © Akademie-Verlag 1974 Lizenznummer: 202 • 100/70/74 • P 177/74 Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 752 167 1 (2153/2) • LSV 0235 Printed in G D R EVP 28,-
INHALT
Zum Geleit I. Die Das Das Das Das II.
VII
ältere und mittlere Steinzeit (etwa 250000 bis 4800 v. u. Z.) Altpaläoiithikum . Mittelpaläqlithikum Jungpaläolithikum Mesolithikum
Die ältesten Ackerbauern und Viehzüchter Stämme aus dem Donaugebiet D a s Neolithikum in Polen — Allgemeines Die Stämme der Donaukulturen
III.
Die Die Die Die
teilweise Stämme Stämme Stämme
IV.
Neue Einwanderer aus Osten und Westen Die Stämme der schnurkeramischen K u l t u r Die Stämme der Glockenbecherkultur
— Die
Einwanderung
auf polnischem Boden entstandenen neolithischen der Trichterbecherkultur der Kugelamphorenkultur der K a m m - und Grübchenkeramikkultur
V. Der Anfang einer neuen Epoche — Die Metallzeit Allgemeines Die Stämme der Aunjetitzer K u l t u r Die Stämme der ausgehenden schnurkeramischen K u l t u r Die Stämme der Vorlausitzer K u l t u r Die Stämme der Trzcinieckultur VI. Lebten die Urslawen auch in Polen? VII.
Die Periode der Lausitzer Kultur Entwicklung und K u l t u r der Lausitzer Stämme Die Skythen
1 3 4 6 12 neuer 15 15 20
Stämme
. .
37 37 55 60 64 64 72 75 75 77 83 90 92 96 105 105 134
V
VIII.
Die Steinkisten-und Glockengräberkultur (Wejherowo-Krotoszyn-Kultur). Die Stämme der Gesichtsurnengruppe Die Glockengräbergruppe
. 138 138 145
IX. Die ersten Germanen und die Kelten in den heutigen polnischen Gebieten . Die Germanen Die Kelten X. Die Slawen, die Restkelten, die Germanen und die Hunnen in vorrömischer und römischer Zeit XI.
XII.
.146 146 14g
155
Anfänge und Entwicklungsrichtungen der frühpolnischen Kultur Wirtschaftliche Grundlagen Das Handwerk Der Handel Die Siedlungen Die Kunst Die Sozialstruktur Religion und Kult Kulturelle und dynastische Beziehungen
186 186 192 206 212 228 235 236 240
Die politischen Neugestaltungen Die ältesten frühstaatlichen Organisationsformen Die Entstehung des polnischen Staates A. Die Wislanen B. Die Staatszentren in Großpolen
243 243 252 2^5 260
Bibliographie
271
Register
289
VI
Zum Geleit Das vorliegende Buch gibt die erste gedruckte Gesamtdarstellung der ältesten Geschichte der polnischen Länder in deutscher Sprache. Es soll einerseits ein Bild von den grundlegenden Veränderungen zeichnen, die sich während der Frühzeit auf dem Boden Polens vollzogen haben, und andererseits über die Arbeitsergebnisse der polnischen Archäologen in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg berichten. Das Erscheinen des Buches in der Deutschen Demokratischen Republik zeugt von den freundschaftlichen Verbindungen, die zwischen unseren beiden Ländern bestehen. Die dargestellten geschichtlichen Zusammenhänge beruhen auf umfangreichen Analysen archäologischer Quellen; sie waren und sind Gegenstand von wissenschaftlichen Diskussionen nicht nur in der Volksrepublik Polen, sondern auch in der D D R . Es ist selbstverständlich, daß ich in strittigen Fragen auch anderen auf Quellen sich gründenden Meinungen meine Achtung zolle und, wo immer es möglich ist, die Vielfalt der herrschenden Anschauungen zu der einen oder anderen Frage zur Sprache bringe. Die Herausgabe meines dritten Buches in deutscher Sprache verdanke ich meinen Freunden und Kollegen in der D D R , besonders dem Direktor des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie, Herrn Professor Dr. Joachim Herrmann. Möge es wie die anderen zur Kenntnis der frühen Geschichte unserer Länder und zur Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen beitragen. Warschau, den 4. 12. 1973
Witold Hensel
VII'
des Paläolithikums gab es in Europa mehrfach Erwärmungen und Abkühlungen; die mit letzteren zusammenhängenden Vergletscherungen brachten eine Verringerung der bewohnbaren Gebiete. Das Eiszeitalter der Erde (Pleistozän) bildet den älteren Abschnitt des Quartärs; es kann etwa auf die Jahre von l ooo ooo bis 10 000/8 ooo v. u. Z. datiert werden. Für die polnischen Landesteile war die skandinavische Vergletscherung von besonders großer Bedeutung. Sie umfaßte vier große Vereisungen und drei Interglazialzeiten, welche ihre Entsprechung im Alpengebiet hatten. Die Ausdehnung der Vereisungen in den polnischen Gebieten zeigt die Karte auf Abb. l. Aus ihr ist zu ersehen, daß die Gletscher in der zweiten, der sogenannten Krakower oder südpolnischen Eiszeit, welche der Mindeleiszeit in den Alpen entsprach, die größte Fläche, in der ersten oder Jaroslaver und der vierten, baltischen (Würm-) Glazialzeit dagegen die kleinste Fläche bedeckten.
Das Altpaläolithikum Über den ersten Aufenthalt von Menschengruppen auf polnischem Boden fehlt es leider an sicheren Angaben. Anhand indirekter Befunde, insbesondere in sekundären Ablagerungen angetroffener Artefakte, können wir ein Vorkommen schon für die Mindel-Riß-Interglazialzeit annehmen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß sich hier noch früher Urmenschen aufgehalten haben. Daß wir auf ältere Fundstücke bisher noch nicht gestoßen sind, kann viele Ursachen haben. Es waren bestimmt nur kleine Menschengruppen, die damals nomadisierend herumzogen, oft ihren Aufenthaltsort wechselten und deshalb wenige Spuren hinterließen; auch dürften die nachfolgenden Vereisungen oft die Aufenthaltsorte dieser frühen Bevölkerung zerstört haben. Zahlreiche Hinweise auf eine Besiedlung der später polnischen Gebiete gibt es erst aus der dritten großen Vereisung, der mittelpolnischen (Riß-) Eiszeit; sie finden sich im südlichen Teil des Landes. Zu den interessantesten untersuchten Fundplätzen aus dieser Zeit gehört die Ciemna-Höhle in Ojcöw, wo Spuren eines zweimaligen Aufenthaltes von Jägern festgestellt wurden. Die geringe Zahl der aufgefundenen Artefakte weist darauf hin, daß es jedesmal nur eine kleine Gruppe war, die wohl nur aus einigen Personen bestand. Interessant ist, daß sowohl hier als auch in Piekary bei Krakow Feuersteingeräte aus abgeschlagenen Spänen dominierten, während in Konradöwka, Kr. Zlotoryja, allerdings auf einer sekundären Ablagerung ein Faustkeil vom Acheuleentyp (Abb. 2) gefunden wurde. Berücksichtigt man die Analogien aus anderen europäischen Ländern, so darf man wohl auch anhand dieser wenigen Fundstücke die Hypothese aufstellen, daß sich schon im Altpaläolithikum in Polen, ähnlich wie in anderen Gebieten, kleinere Jägergruppen aufhielten, die sich unterschiedlicher technischer Traditionen bedienten. Bei den einen überwogen Faustkeile, bei den anderen Werkzeuge aus Feuersteinabsplissen. Das Wild, welches damals vorwiegend gejagt wurde, war das Ren. In dieser schweren Periode, die zu den kältesten in der ganzen Glazialzeit 3
gehörte, konnte der Mensch nur deshalb überdauern, weil er es verstand, das Feuer anzufachen und dessen Eigenschaften auszunutzen. Die Anfänge dieser Fähigkeiten reichen höchstwahrscheinlich auf eine viel frühere Periode zurück. In dieser Zeit war das Wissen über die Eigenschaften des Feuers und seiner zweckbestimmten Verwendung schon allgemein verbreitet. Das war die wichtigste Errungenschaft, welche neben der Fähigkeit zur Übermittlung der technischen Kenntnisse bei der Werkzeugherstellung endgültig zur Aussonderung des Menschen aus der Tierwelt beitrug. So gibt es in den polnischen Gebieten Spuren des Aufenthalts von Urmenschen
Abb. 2
Konradöwka, Kr. ZJotoryja. Faustkeil vom Acheuleentyp. Wahrscheinlich aus dem. älteren Paläolithikum
erst in der Periode, welche von etwa 250000 bis 180000 v. u. Z. reicht. Sie stammen demnach aus einer um Hunderttausende von Jahren späteren Zeit als die bekannten' Funde in Westeuropa, ganz abgesehen von den an erster Stelle stehenden Entdeckungen in Afrika, besonders im Omo-Flußgebiet, und denen in Asien.
Das Mittelpaläolithikum Mit den in der letzten Interglazialzeit erfolgenden klimatischen Änderungen entstanden in den polnischen Gebieten günstigere'Existenzbedingungen. Daher steigt jetzt die Zahl der Fundplätze mit paläolithischen Altsachen merkbar an. Deutlich erkennbar ist der Fortschritt in den einzelnen Gruppen, und wir dürfen auch annehmen, daß sich die Zahl der in Polen nomadisierenden Bevölkerung damals vergrößerte. Die gesellschaftliche Einheit dürfte jedoch weiterhin aus höchstens einem Dutzend Personen bestanden haben.
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gehörte, konnte der Mensch nur deshalb überdauern, weil er es verstand, das Feuer anzufachen und dessen Eigenschaften auszunutzen. Die Anfänge dieser Fähigkeiten reichen höchstwahrscheinlich auf eine viel frühere Periode zurück. In dieser Zeit war das Wissen über die Eigenschaften des Feuers und seiner zweckbestimmten Verwendung schon allgemein verbreitet. Das war die wichtigste Errungenschaft, welche neben der Fähigkeit zur Übermittlung der technischen Kenntnisse bei der Werkzeugherstellung endgültig zur Aussonderung des Menschen aus der Tierwelt beitrug. So gibt es in den polnischen Gebieten Spuren des Aufenthalts von Urmenschen
Abb. 2
Konradöwka, Kr. ZJotoryja. Faustkeil vom Acheuleentyp. Wahrscheinlich aus dem. älteren Paläolithikum
erst in der Periode, welche von etwa 250000 bis 180000 v. u. Z. reicht. Sie stammen demnach aus einer um Hunderttausende von Jahren späteren Zeit als die bekannten' Funde in Westeuropa, ganz abgesehen von den an erster Stelle stehenden Entdeckungen in Afrika, besonders im Omo-Flußgebiet, und denen in Asien.
Das Mittelpaläolithikum Mit den in der letzten Interglazialzeit erfolgenden klimatischen Änderungen entstanden in den polnischen Gebieten günstigere'Existenzbedingungen. Daher steigt jetzt die Zahl der Fundplätze mit paläolithischen Altsachen merkbar an. Deutlich erkennbar ist der Fortschritt in den einzelnen Gruppen, und wir dürfen auch annehmen, daß sich die Zahl der in Polen nomadisierenden Bevölkerung damals vergrößerte. Die gesellschaftliche Einheit dürfte jedoch weiterhin aus höchstens einem Dutzend Personen bestanden haben.
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Außer Funden, die deutlich an die alten Traditionen aus dem Acheuleen anknüpfen, finden sich auch solche, die davon zeugen, daß ein Teil der sich hier aufhaltenden Menschengruppen besondere Gewohnheiten bei der Werkzeugherstellung hatte. Zu ihnen gehört die Prqdnikgruppe (Abb. 3), deren Name sich von dem gleichnamigen Fluß ableitet. Für sie ist charakteristisch, daß die beiderseitig retuschierten Faustkeile im Laufe der Zeit außer Gebrauch kamen und immer häufiger Feuersteinmesser und verschiedene andere Werkzeuge zur Bearbeitung von Holz, Knochen und Horn sowie auch bei der Zubereitung der Speisen Verwendung fanden. Es wurden bereits Knochen zur Retusche von Feuerstein-
Abb. 3 Ojcow, Kr. Olkusz. Feuersteinfaustkeil in Herzform. Prqdniktypus mit Traditionen des Chelleens. Anfänge der letzten Vergletscherung (mittleres Paläolithikum)
Werkzeugen benutzt. Die Artefakte der Pr^dnikgruppe werden sowohl auf offenen Fundplätzen wie auch in Höhlen gefunden, was darauf hindeutet, daß sich ihre Angehörigen wahrscheinlich im Sommer im Freien aufhielten, im Winter aber vor den Unbilden der Witterung Schutz suchten. Andere Gruppen wiederum bedienten sich bei der Produktion von Werkzeugen einer Technik, die für das sog. Mousterien typisch ist. In seiner reinen Gestalt, in der, übereinstimmend mit den Traditionen des Acheul^ens, die Faustkeile dominierten, kommt es auf polnischem Boden nur selten vor; ein Beispiel ist die Fledermaus-Höhle in Jerzmanowice. Häufiger dagegen vermischen sich seine Elemente mit solchen des Levallois, weshalb wir dann von Fundstellen des Mousterien-Levallois sprechen. Manche Gruppen hatten wohl auch Geräte mit Merkmalen des sogenannten Tayacien in Gebrauch. Möglich ist es, daß sich unter 5
den damals benutzten Jadgwaffen die Bola (Wurfstrick) befand. Auch die Anwendung von vergifteten Waffen wird-nicht ausgeschlossen. Aus neueren Untersuchungen geht hervor, daß sich im mittleren Paläolithikum die Nomadengruppen auch auf polnischem Boden längere Zeit an einer Lagerstätte aufhielten und auf Großtiere, wie Mammut, Ren und Pferd jagten. Von Fundplätzen der Nachbarländer sind uns Knochenmengen bekannt, die von einer großen Zahl von Individuen herrühren, woraus geschlossen werden kann, daß die Fähigkeit, Fleisch zu konservieren, auch eine Errungenschaft des mittleren Paläolithikums war. Die Aufbewahrung von Fleischvorräten vermochte die Existenz der Gruppe in der für die Jagd ungünstigen Zeit sicherzustellen. Weiterhin stoßen wir hier auf erste Anzeichen von magischen Handlungen und auf Altertümer, die wohl mit der Ausübung magischer Künste zusammenhängen. In den Interglazialzeiten wurde auf Elefanten, Auerochsen, Nashörner, Hirsche und Bären gejagt. Während der letzten Vergletscherung änderte sich die Fauna; jetzt gehörten, wie die Funde aus dem ausgehenden mittleren Paläolithikum zeigen, das Mammut, das Wollhaarnashorn, das Pferd, das Ren und der Höhlenbär zu den Jagdtieren. Für die Ernährung spielte neben der Jagd das Sammeln von Pflanzen und Tieren eine große Rolle. Die in Polen durchgeführten Ausgrabungen bestätigen schließlich die anderenorts gemachte Beobachtung, daß es am Ende des mittleren Paläolithikums zu Wandlungen in der Vorstellungswelt der damaligen Menschheit kam. Daß sich diese in dem Maße, wie sich die einzelnen Gruppen entwickelten, vollziehen mußten, findet im archäologischen Material seine Widerspiegelung. Sie waren bereits so bedeutend, daß sie in gewissen Merkmalen des Brauchtums oder auch der magischen Künste ihren Niederschlag fanden. Es kristallisierten sich allmählich die irrationalen Vorstellungen heraus, welche letzten Endes zur Entstehung religiöser Bräuche führten. Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang insbesondere zwei Funde. In der Radochow-Höhle in Schlesien fand man bereits während der Vorkriegszeit in einem speziellen Versteck den Schädel eines Höhlenbären (daß dieser abgesägte Eckzähne aufweist, wird allerdings von einigen in Frage gestellt), in einer anderen Höhle in Dziadowa Skala, Kr. Zawiercie, später eine in gleicher Weise verborgene Kinnlade eines jungen Pferdes. Wie aufgrund ethnographischer Analogien geschlossen werden darf, manifestiert sich in dieser Vorkehrung des Versteckens der Aberglauben der Jäger, welche um ihren Jagderfolg besorgt waren. Hier faßt man Anfänge der Magie, deren rasche Entwicklung im jüngeren Paläolithikum erfolgte.
Das Jungpaläolithikum Diese Periode fällt in die Zeit der letzten, der sogenannten baltischen (Würm-) Vergletscherung im Pleistozän und ihre Interglaziale. Das Entwicklungstempo der Menschheit nahm damals deutlich zu und schuf die Voraussetzungen für die noch schnelleren Fortschritte, welche wir in den folgenden Jahrtausenden beob6
den damals benutzten Jadgwaffen die Bola (Wurfstrick) befand. Auch die Anwendung von vergifteten Waffen wird-nicht ausgeschlossen. Aus neueren Untersuchungen geht hervor, daß sich im mittleren Paläolithikum die Nomadengruppen auch auf polnischem Boden längere Zeit an einer Lagerstätte aufhielten und auf Großtiere, wie Mammut, Ren und Pferd jagten. Von Fundplätzen der Nachbarländer sind uns Knochenmengen bekannt, die von einer großen Zahl von Individuen herrühren, woraus geschlossen werden kann, daß die Fähigkeit, Fleisch zu konservieren, auch eine Errungenschaft des mittleren Paläolithikums war. Die Aufbewahrung von Fleischvorräten vermochte die Existenz der Gruppe in der für die Jagd ungünstigen Zeit sicherzustellen. Weiterhin stoßen wir hier auf erste Anzeichen von magischen Handlungen und auf Altertümer, die wohl mit der Ausübung magischer Künste zusammenhängen. In den Interglazialzeiten wurde auf Elefanten, Auerochsen, Nashörner, Hirsche und Bären gejagt. Während der letzten Vergletscherung änderte sich die Fauna; jetzt gehörten, wie die Funde aus dem ausgehenden mittleren Paläolithikum zeigen, das Mammut, das Wollhaarnashorn, das Pferd, das Ren und der Höhlenbär zu den Jagdtieren. Für die Ernährung spielte neben der Jagd das Sammeln von Pflanzen und Tieren eine große Rolle. Die in Polen durchgeführten Ausgrabungen bestätigen schließlich die anderenorts gemachte Beobachtung, daß es am Ende des mittleren Paläolithikums zu Wandlungen in der Vorstellungswelt der damaligen Menschheit kam. Daß sich diese in dem Maße, wie sich die einzelnen Gruppen entwickelten, vollziehen mußten, findet im archäologischen Material seine Widerspiegelung. Sie waren bereits so bedeutend, daß sie in gewissen Merkmalen des Brauchtums oder auch der magischen Künste ihren Niederschlag fanden. Es kristallisierten sich allmählich die irrationalen Vorstellungen heraus, welche letzten Endes zur Entstehung religiöser Bräuche führten. Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang insbesondere zwei Funde. In der Radochow-Höhle in Schlesien fand man bereits während der Vorkriegszeit in einem speziellen Versteck den Schädel eines Höhlenbären (daß dieser abgesägte Eckzähne aufweist, wird allerdings von einigen in Frage gestellt), in einer anderen Höhle in Dziadowa Skala, Kr. Zawiercie, später eine in gleicher Weise verborgene Kinnlade eines jungen Pferdes. Wie aufgrund ethnographischer Analogien geschlossen werden darf, manifestiert sich in dieser Vorkehrung des Versteckens der Aberglauben der Jäger, welche um ihren Jagderfolg besorgt waren. Hier faßt man Anfänge der Magie, deren rasche Entwicklung im jüngeren Paläolithikum erfolgte.
Das Jungpaläolithikum Diese Periode fällt in die Zeit der letzten, der sogenannten baltischen (Würm-) Vergletscherung im Pleistozän und ihre Interglaziale. Das Entwicklungstempo der Menschheit nahm damals deutlich zu und schuf die Voraussetzungen für die noch schnelleren Fortschritte, welche wir in den folgenden Jahrtausenden beob6
achten können. In dieser Zeit finden wir den Homo sapiens fossilis, der erstaunliche Fähigkeiten sowohl bei der Vervollkommnung der technischen Seite der Erzeugung, nämlich durch die Herstellung eines reicheren Sortiments von Geräten und die vielseitige Nutzung verschiedener Errungenschaften, als auch bei der Schaffung von Kunstwerken und der Organisation höherer gesellschaftlicher Formen an den Tag legte. Teilweise wird als eine der Ursachen dieser eindrucksvollen Entwicklung der Umstand angenommen, daß es aufgrund besserer Umweltbedingungen jetzt zur Fühlungnahme zwischen den einzelnen Gruppen des Homo sapiens fossilis, der sich in seinen Merkmalen bereits dem rezenten Menschen näherte, und auch zu Eheschließungen von Angehörigen verschiedener Gruppen kam, was eine biologische Kräftigung der Art bedeutete. Die ältesten hier zu behandelnden jungpaläolithischen Funde konzentrieren sich im südlichen Polen; die Fundstellen in Mittelpolen und in den nordwestlichen Gebieten stammen erst aus dem Endabschnitt dieser Periode. Diese Funde sind — wenn sie auch für eine detaillierte Darstellung der bei uns damals eintretenden Wandlungen nicht ausreichen — aus zwei Gründen sehr wichtig. Erstens erlauben sie für die älteren Kulturen ein besseres Verständnis der Beziehungen, welche zwischen den nomadisierenden Gruppen im Osten und im Westen Europas bestanden, daneben aber liefern sie auch — dank der relativ guten Erforschung der am Ausgang des Paläolithikums vorhandenen Kulturen — die Grundlage, um die Verschiebungen der Bevölkerung in den nordwestlichen und nordöstlichen Gebieten Europas zu verfolgen. Aus der ältesten Phase des Jungpaläolithikums, dem Aurignacien, verdienen neben den Funden aus einigen Höhlen Südpolens diejenigen von den offenen Fundplätzen in Krakow (Zwierzyniec I) sowie in Gora Pulawska an der Weichsel Beachtung. Die ersten, in den Nachkriegsjahren teilweise untersucht, erbrachten — leider auf einer sekundären Ablagerung — viele Tausende Feuersteinartefakte. Die Fundumstände erlaubten es nicht, die Größe der Wohnstätte präzise zu bestimmen. Die große Fülle des Materials läßt jedoch die Vermutung zu, daß hier — ähnlich wie in den benachbarten Gebieten — eine Anzahl von Jägern längere Zeit gehaust haben muß, sich von dem Fleisch erjagter Tiere (hauptsächlich Mammute) ernährte und ihren Unterhalt durch Sammeln ergänzte. Da auch einige Fundstücke aus Radiolarit, der aus der Slowakei stammt, geborgen wurden, ist es denkbar, daß die Jäger entweder auf der Suche nach Nahrung dorthin zogen oder aber wie andere Forscher vermuten, im Austausch mit einer Gruppe standen, die ihre Jagdgründe in der Slowakei hatte. Die in diesem Gebiet am weitesten nach Norden vorgeschobenen Fundplätze liegen in Gora Pulawska. Hier gelang es, auf einer alten Ablagerung die Spuren von vier Hütten freizulegen; auch wurden Reste vieler Flintartefakte gefunden. Unter ihnen stieß man auf kleine Spanwerkzeuge und Rückenspitzen, die als Einlagen für Lanzenspitzen dienten. Diese aus dem mittleren Aurignacien stammenden Fundstücke sind ein Beispiel für den Fortschritt auf dem Gebiet der Erzeugung von Geräten aus verschiedenen Rohstoffen. Die kleinen Hütten dienten vermutlich als Wohnungen für einzelne Familien der Jägergruppe, die in diesem 7
Jagdrevier lebte. Es ist zu vermuten, daß sie aus mindestens 20 bis 25 Personen bestand und daß die J a g d von dieser Gruppe gemeinschaftlich betrieben wurde. Die Fundstücke aus polnischen Ausgrabungen erlauben es nicht, die Gesellschaftsform zu bestimmen, in der diese und andere ähnliche Gruppen lebten. Man nimmt an, daß Stämme existierten, die sich aus einzelnen Familien zusammensetzten. Ob die Einehe ihre Grundlage bildete, ist nicht sicher. Wie vergleichende Materialien wahrscheinlich machen, spielte die Frau eine bedeutende Rolle; jedoch fehlt es an Beweisen, um mit Gewißheit ein Bestehen des Matriarchats anzunehmen. Höchstwahrscheinlich war bei den genannten Gruppen das Matrilineat vorherrschend. Polen gehört bis heute nicht zu den Ländern, welche reich an Fundstücken paläolithischer Kunst sind. Aber auch in diesem Bereich eröffnen sich durch die Entdeckung von Zeltbehausungen des Kostjenkityps in Kraköw-Spadzistastraße neue Einsichten. Ein weiterer Beweis dafür, daß es den in unserem Gebiet nomadisierenden Jägerstämmen nicht an der Fähigkeit fehlte, ihre Gedanken in künstlerischer Form auszudrücken, ist das in der Mammut-Höhle in Wierzchowie, Kr. Krakow, geborgene, aus einem 'Mammutzahn angefertigte Plättchen mit Grübchenornament. Den genauen Sinn dieses Ornaments festzustellen, ist bis heute noch nicht gelungen. Hier wie anderswo haben wir es mit symbolischen Zeichen zu tun, die in der Vorstellung der paläolithischen Jäger eine bestimmte Funktion erfüllten. Sie hatten entweder apotropäischen Charakter, das heißt sie sollten den Menschen vor Unheil schützen, oder aber man versprach sich von ihnen eine Vermehrung der Fruchtbarkeit. Etwa in derselben Zeit lebten auf polnischem Boden auch Stämme, deren Geräte die für die Périgordkultur typischen Merkmale aufweisen. Leider treten diese Werkzeuge hier bisher nur in gemischten Funden auf (Mammut-Höhle) und erlauben keine weitergehenden Schlüsse. Von großer Bedeutung für die Diskussion über die allgemeinen Wandlungen in Europa während des jüngeren Paläolithikums war die Untersuchung der Fledermaus-Höhle in Jerzmanowice, Kr. Olkusz. Aus denjenigen Schichten, welche in die Zeit vor dem Höhepunkt der letzten Vergletscherung (unmittelbar nach dem Göttweiginterglazial) zu datieren sind, wurden drei geschlossene Feuersteinfunde geborgen, die sich durch das Auftreten von Blattspitzen mit teilweise oder gänzlich retuschierter Oberfläche auszeichnen (Abb. 4) und als Lanzenspitzen oder Jagdmesser Verwendung fanden. Am Eingang der Höhle entdeckte man Spuren großer Feuerstellen, vermutlich Reste der Lagerfeuer, mit deren Hilfe man die Bären aus ihrem bisherigen Unterschlupf verscheuchte. Die eingehende typologische Analyse der Blattspitzen ergab, daß sie sich von den Formen des Solutréens und des Szeletiens in Mitteleuropa (welche in Westpolen, nämlich in Dzierzyslaw, Kr. Ghibczyce, ebenfalls anzutreffen sind), unterscheiden. Ähnliche Fundstücke konnten in der Ukraine nachgewiesen werden. Es darf angenommen werden, daß die Spitzen aus Jerzmanowice ein jüngeres Entwicklungsglied des von den Altmühl-Fundplätzen in Süddeutschland her bekannten Materials bilden. Somit ist es nicht ausgeschlossen, daß jene Jägerstämme, die sich der Geräte vom 8
Abb. 4
Jerzmanowice, K r . Olkusz (FledermausHöhle). Feuersteinspitze, beidseitig retuschiert, aus der ältesten Phase der Jerzmanowicegruppe
Jerzmanowice-Typ bedienten, entweder selbst in die Ukraine und nach Westen wanderten oder daß sie mit anderen Gruppen zusammentrafen, welche ihre Fähigkeiten übernahmen und schließlich zur Erzeugung von Feuersteinspitzen in Blattform mit schön retuschierter Oberfläche gelangten; diese sind unter der Bezeichnung Solutréen-Typ bekannt und gehören zur gleichnamigen Kultur. Zur endgültigen Klärung des Problems bedarf es neuer Ausgrabungen. In der polnischen Fachliteratur werden die hier erörterten Funde, von denen der älteste mit Hilfe der Ci4-Methode auf die Zeit um 36000 v. u. Z. datiert werden konnte, als Jerzmanowicekultur bezeichnet. Ist die Annahme ihrer genetischen Verbindung mit dem Solutréen richtig und hat die Jerzmanowicekultur zur Herausbildung des Solutréen aus Stufen, die über Geräte mit Merkmalen des Solutréens verfügten, beigetragen, dann müssen wir Jerzmanowice als eine (Anfangs-?) Kulturgruppe des Solutréen betrachten. Bei einer Analyse der Entstehung dieser Kultur läßt sich leicht verfolgen, daß und auf welche Weise ihre Träger in dem Maße, wie sie aus einer Gegend in eine andere abwanderten und dabei sicherlich mit anderen Gruppen zusammentrafen, ihre Erzeugnisse vervollkommneten. Die Herausbildung der Kultur des Solutréen würde demnach in ihrem ersten Stadium von West nach Ost, im zweiten, weit wichtigeren jedoch von Ost nach West verlaufen sein, wobei das Gebiet Polens mutmaßlich ein wichtiger Mittelpunkt in der Gestaltung ihrer Merkmale war. Ungenügend erforscht sind bisher die Fundplätze des sogenannten Magdalénien, zu dem im Westen, aber auch in Mittel- und Südosteuropa, viele der 2
Hensel
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schönsten paläolithischen Kunstwerke gehören. Auf polnischem Boden sind bisher in der Maszyce-Höhle, Kr. Olkusz, Altertümer dieser Kultur gefunden worden; sie stammen aus ihrer europäischen Spätphase. Außer Feuersteingerät barg man hier unter anderem Lanzenspitzen aus Horn und Knochen, einen sogenannten Kommandostab aus einer Rentiergeweihstange sowie Fragmente verzierter Tierrippen (Abb. 5). Die Verzierungen weisen die für die späte Kunst des Magdalénien typische Tendenz zur Schematisierung auf. Aus der MaszyceHöhle stammen auch die bisher ältesten sicheren Knochenreste des Menschen (Homo sapiens recens), die man in Polen entdeckte. Sie stammen aus der gleichen Zeit wie die eben beschriebenen Funde und lassen deutlich werden, daß es damals Kannibalismus gab.
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Abb. 5
Maszyce (Maszyce-Höhle), Kr. Olkusz. Fragment einer verzierten Tierrippe
Am Ende des Pleistozäns erfolgte ein Zustrom neuer Bevölkerungsgruppen aus verschiedenen Richtungen. Das von mehreren Fundplätzen geborgene Feuersteinmaterial weist auf bedeutende Differenzierungen bei ihnen hin. Leider sind wir vielfach nicht imstande, Näheres über ihre Herkunft zu sagen. Eine wichtige Rolle muß in ihrem Leben der Bogen gespielt haben. Aus Südosten kamen wahrscheinlich diejenigen Gruppen, welche Geräte vom Witower T y p benutzten. Dieser ist benannt nach Witöw, Kr. Lgczyca, wo man bei nach dem Krieg durchgeführten Grabungen Spuren von vier Hütten mit Herden freilegte. Hier traten Feuersteinartefakte nur innerhalb des früher von den Hütten umschlossenen Raumes auf, was darauf hindeutet, daß diese Behausungen in der Winterzeit benutzt wurden. Sie waren auf einer Sandanhöhe errichtet und dienten je einer Familie, in einem speziellen Fall auch zwei Familien als Unterkunft. Wahrscheinlich sind sie im Frühling, als das Lager verlassen wurde, abgebrannt worden — ein hygienisches Musterbeispiel für die Zukunft. Dieses Winterquartier wurde von vier bis fünf Familien benutzt, welche zusammen nicht mehr als einige Dutzend Personen zählten. Mit Hilfe der C 14-Analyse wurde es auf die Jahre um 8850 i 160 v. u. Z. datiert. Einer der am besten erforschten Fundplätze ist der der Kultur des Swiderien
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in Swidry Wielkie, Kr. Otwock, bei Warschau. Ähnlich wie die übrigen spätpaläolithischen Gruppen haben auch seine ehemaligen Bewohner ihre Lager auf Talsandanhöhen angelegt und in Felsenhöhlen Schutz gesucht. E s wird angenommen, daß sie gemeinsam auf die Rentierjagd gingen. Sporadisch trifft man hier auf Kunstgegenstände, die mit dieser Kultur zusammenhängen und geometrische Verzierungen aufweisen. Die Entdeckung mineralischen Farbstoffes, der am Fluß Kamienna gewonnen und verarbeitet wurde, gibt uns den ältesten Hinweis auf Körperbemalung bei der paläolithischen Bevölkerung des polnischen Gebietes. Diese Sitte reichte jedoch bestimmt in frühere Jahrtausende zurück. A u c h die mit dem Tarnowien zusammenhängenden Fundstücke gehören in die Tradition des Magdalénien. Die bergmännische Gewinnung von Feuerstein
Abb. 6
Witow, Kr. L?czyca. Kleine Feuersteinspitze aus der späten Kultur des Swiderien
und Farbstoffen ist in Polen bereits am Ende des Paläolithikums nachzuweisen. Spuren von Bergwerken und Werkstätten, in welchen der Feuerstein verarbeitet wurde, finden sich unter anderem im Swigtokrzyskie-Gebirge (schokoladenfarbener sogenannter oberastarischer Silex), in der Hochebene von Kraköw-Cz§stochowa und in Podlasie (ausgehende Kreiden). Hämatit trat an der Kamienna in Ausstrichen zutage und konnte dort gewonnen werden. E s ist ungewiß, ob dieser Rohstoff nur von bestimmten Gruppen der spätpaläolithischen Bevölkerung abgebaut und in Form von Halbfabrikaten durch Austausch weitervermittelt wurde oder ob eine Vielzahl von Gruppen eben wegen dieses Abbaus in das genannte Gebiet zog und zu diesem Zweck weite Wanderungen unternahm. Letzteres halte ich für wahrscheinlicher; ein Vergleich mit ethnographischen Quellen erlaubt jedoch die Annahme der ersten wie auch der Zweiten Hypothese. Schon für das ausgehende Paläolithikum läßt sich feststellen, daß die Feuersteingeräte der nomadisierenden Jägergruppen in Polen zunehmend kleiner wurden (Abb. 6). Wir beobachten hier bereits den Prozeß der sogenannten Mikrolithisierung, der dann für die mesolithischen Kulturen in der Nacheiszeit typisch 9*
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wurde. Diese Änderung in der Werkzeugherstellung war eng mit den Wandlungen verknüpft, welche in der Produktionsweise der damaligen Menschen eintraten. Ich habe bereits erwähnt, daß bei ihnen der Bogen als Jagdgerät eine immer größere Rolle zu spielen begann. Die daneben auftretenden Harpunenfunde sind ein Beweis dafür, daß auch der Fischfang jetzt einen wichtigen Platz einnahm. Dies trug dazu bei, daß sich die frühere schweifende Lebensweise der verschiedenen Gruppen merklich verringerte. Mit dem endgültigen Rückzug der Gletscher im frühen Holozän begann auf polnischem Boden das Mesolithikum. Es kann als sicher gelten, daß am Beginn dieses neuen Zeitalters die sich hier schon lange aufhaltenden Jägergruppen mit einer anderen Bevölkerung in Berührung kamen, die von außen, wahrscheinlich aus dem Süden, heranrückte.
Das Mesolithikum Etwa um 10000 v . u . Z . ging das Pleistozän auch auf polnischem Boden zu Ende, und mit dem Holozän begann ein neues geologisches Zeitalter. Doch noch zweitausend Jahre bestand hier ein Kampf gegen das Paläolithikum; erst um 8000 v. u. Z. siegte das Mesolithikum. Um 4800 v. u. Z. folgte schließlich das Neolithikum. Um den Entwicklungsrhythmus in Polen und Mitteleuropa besser verständlich zu machen, sei hier darauf hingewiesen, daß im Nahen Osten und in Griechenland das präkeramische Neolithikum bereits um 7000 v. u. Z., das keramische um 6000 v. u. Z. begann. In Polen kam es auch mehr als 1300 Jahre später zur Bronzezeit als in diesen Gebieten, jedoch immer noch über 150 Jahre früher als in Skandinavien. Am Beginn des Mesolithikums stoßen wir in unserem Bereich auf Kulturgruppen, an deren Herausbildung die einstigen Tarnowiengruppen teilgenommen haben. Sie weisen alle einen deutlichen Einfluß der Elemente des Swiderien auf. Um 6000 v. u. Z. verloren sich diese überlieferten Formen. Jetzt wohl wurden die damaligen Bewohner von den bereits erwähnten Ankömmlingen aus dem Süden kulturell aufgesogen. Man nimmt an, daß dieser Prozeß recht schnell vonstatten ging, da die zugewanderten Gruppen im Bereich der Produktionstechnik dieselbe Tendenz zeigten, welche schon bei der Bevölkerung des ausgehenden Paläolithikums sichtbar war: das Bestreben nach Mikrolithisierung der Geräte. Trotz der in letzter Zeit recht intensiven Forschung über das polnische Mesolithikum gibt es noch zu viele Fragezeichen, um bereits irgendwelche generellen Schlüsse ziehen zu können. Viele Artefakte aus Horn und Knochen (Abb. 7), die Merkmale der Magiemose- und der Kundakultur aufweisen, stammen aus Zufallsfunden. Deshalb ist ihre Einordnung in die in Polen auftretenden Kulturen schwierig. Genauere Aussagen über das polnische Mesolithikum wird man erst nach Durchführung einer größeren Zahl systematischer Grabungen treffen können. Schon die Ausgrabungsergebnisse des letzten Jahres eröffnen auch auf diesem Gebiet neue Möglichkeiten.
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wurde. Diese Änderung in der Werkzeugherstellung war eng mit den Wandlungen verknüpft, welche in der Produktionsweise der damaligen Menschen eintraten. Ich habe bereits erwähnt, daß bei ihnen der Bogen als Jagdgerät eine immer größere Rolle zu spielen begann. Die daneben auftretenden Harpunenfunde sind ein Beweis dafür, daß auch der Fischfang jetzt einen wichtigen Platz einnahm. Dies trug dazu bei, daß sich die frühere schweifende Lebensweise der verschiedenen Gruppen merklich verringerte. Mit dem endgültigen Rückzug der Gletscher im frühen Holozän begann auf polnischem Boden das Mesolithikum. Es kann als sicher gelten, daß am Beginn dieses neuen Zeitalters die sich hier schon lange aufhaltenden Jägergruppen mit einer anderen Bevölkerung in Berührung kamen, die von außen, wahrscheinlich aus dem Süden, heranrückte.
Das Mesolithikum Etwa um 10000 v . u . Z . ging das Pleistozän auch auf polnischem Boden zu Ende, und mit dem Holozän begann ein neues geologisches Zeitalter. Doch noch zweitausend Jahre bestand hier ein Kampf gegen das Paläolithikum; erst um 8000 v. u. Z. siegte das Mesolithikum. Um 4800 v. u. Z. folgte schließlich das Neolithikum. Um den Entwicklungsrhythmus in Polen und Mitteleuropa besser verständlich zu machen, sei hier darauf hingewiesen, daß im Nahen Osten und in Griechenland das präkeramische Neolithikum bereits um 7000 v. u. Z., das keramische um 6000 v. u. Z. begann. In Polen kam es auch mehr als 1300 Jahre später zur Bronzezeit als in diesen Gebieten, jedoch immer noch über 150 Jahre früher als in Skandinavien. Am Beginn des Mesolithikums stoßen wir in unserem Bereich auf Kulturgruppen, an deren Herausbildung die einstigen Tarnowiengruppen teilgenommen haben. Sie weisen alle einen deutlichen Einfluß der Elemente des Swiderien auf. Um 6000 v. u. Z. verloren sich diese überlieferten Formen. Jetzt wohl wurden die damaligen Bewohner von den bereits erwähnten Ankömmlingen aus dem Süden kulturell aufgesogen. Man nimmt an, daß dieser Prozeß recht schnell vonstatten ging, da die zugewanderten Gruppen im Bereich der Produktionstechnik dieselbe Tendenz zeigten, welche schon bei der Bevölkerung des ausgehenden Paläolithikums sichtbar war: das Bestreben nach Mikrolithisierung der Geräte. Trotz der in letzter Zeit recht intensiven Forschung über das polnische Mesolithikum gibt es noch zu viele Fragezeichen, um bereits irgendwelche generellen Schlüsse ziehen zu können. Viele Artefakte aus Horn und Knochen (Abb. 7), die Merkmale der Magiemose- und der Kundakultur aufweisen, stammen aus Zufallsfunden. Deshalb ist ihre Einordnung in die in Polen auftretenden Kulturen schwierig. Genauere Aussagen über das polnische Mesolithikum wird man erst nach Durchführung einer größeren Zahl systematischer Grabungen treffen können. Schon die Ausgrabungsergebnisse des letzten Jahres eröffnen auch auf diesem Gebiet neue Möglichkeiten.
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Mesolithisch ist das bisher einzige in unserem Land entdeckte Skelettgrab in Janislawice, K r . Skierniewice. Das hier bestattete Individuum war etwa 40 Jahre alt und repräsentiert den lapponoiden Typus. Einige Fundplätze bieten uns Reste yon Hütten und Erdwohnungen. Außer der J a g d und dem Sammeln bildete der Fischfang eine Erwerbsquelle der damaligen Menschengruppen. Feuerstein und Häm'atit wurden weiterhin bergmännisch gewonnen.
Abb. 7
Orle, Kr. Wejherowo. Mesolithisches Knochengerät (Meißel)
Das massenhafte Auftreten mikrolithischer Feuersteingeräte (Abb. 8) ist das Resultat eines Entwicklungsprozesses, der als Ergebnis der notwendigen Anpassung an die neuen Lebensbedingungen verlief, die auch auf polnischem Boden in der postglazialen Zeit eintraten und sich besonders in der veränderten Pflanzenwelt zeigten. Auf dem Gebiet der Entwicklung der Produktiönstechnik gab es ebenso Fortschritte, wie sie für den sozialökonomischen Bereich vermutet werden können; es vertieften sich hier wie dort die Tendenzen, welche wir schon in den voraufgehenden Jahrtausenden beobachteten. Wenn ich sage, daß jetzt der Zeitpunkt kam, zu dem die Jäger- und Fischergruppen Polens ihre höchste Entwicklungsstufe erreichten, so ist dies bestimmt keine Übertreibung. Wir müssen uns dabei vor Augen halten, daß im Jungpaläolithikum das Tempo des Fortschritts in Europa wie zum Teil auch in Afrika und Asien mehr oder weniger gleich war. Im Mesolithikum jedoch änderte sich die Lage in dieser Hinsicht radikal. Fast zur selben Zeit, da bei uns die Anfänge der mesolithischen Kultur zu beobachten sind, kam es im Mittelmeerraum zu Wandlungen, die eine Revolution der bisherigen Wirtschaftsweise herbeiführten: E s begann die Zeit des Getreideanbaus und der Zucht von Haustieren. Von nun an gestaltete sich 13
Abb. 8
Mesolithische Feuersteinpfeilspitzen und Geräteteile aus Großpolen
die Geschichte des polnischen L a n d e s über lange Perioden hinweg, nämlich bis z u m 9./10. J h . u. Z., in einem R h y t h m u s , der für den mittleren, östlichen u n d nordwestlichen Teil E u r o p a s t y p i s c h war. Die A n n a h m e , in P o l e n sei w ä h r e n d dieser Z e i t l ä u f e alles in fertiger F o r m v o n a u ß e n ü b e r n o m m e n worden,
wäre
v e r f e h l t ; viele neue E r r u n g e n s c h a f t e n w a r e n der E n t w i c k l u n g an Ort u n d Stelle zu v e r d a n k e n . S o m i t k ö n n e n wir sagen, d a ß m a n c h e auf polnischem B o d e n ansässigen mesolithischen G r u p p e n ihren B e i t r a g zur E n t w i c k l u n g in späteren Perioden geleistet haben. Die in der neolithischen F e u e r s t e i n b e a r b e i t u n g s i c h t b a r e n R e l i k t e der alten mesolithischen T e c h n i k e n sind, wie sich j e t z t i m m e r mehr zeigt, mit G e w i ß h e i t ein Bindeglied zwischen beiden E p o c h e n . W e n n wir weiterhin berücksichtigen, d a ß ohne K e n n t n i s v o n H a c k w e r k z e u g e n nicht von einer E n t w i c k lung der F e l d b e s t e l l u n g gesprochen werden kann, d a n n wird uns der B e i t r a g des Mesolithikums z u m neolithischen H a c k b a u stärker b e w u ß t . Große
Bedeutung
h a t t e n auch die Traditionen in den Bereichen von J a g d u n d F i s c h f a n g sowie beim S a m m e l n v o n P f l a n z e n und beim F l e c h t e n , das den A u s g a n g s p u n k t
für
das W e b e n bildete. Die , , R e v o l u t i o n " , welche im N e o l i t h i k u m eintrat, h ä t t e , wie aus all d e m ersichtlich ist, ohne den in der mittleren Steinzeit erreichten F o r t s c h r i t t nicht s t a t t f i n d e n können.
H
II.
Die ältesten Ackerbauern und Viehzüchter — Die Einwanderung neuer Stämme aus dem Donaugebiet
Das Neolithikum in Polen — Allgemeines Spätestens im 5. Jahrtausend (um 4800) v. u. Z. k a m es hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, in Mitteleuropa unter dem Einfluß äußerer Impulse (Abb. 9) zu Wandlungen, die alle Merkmale einer auf wirtschaftlichem Gebiet sich vollziehenden Revolution aufweisen. In ihrem Ergebnis beobachten wir einen deutlichen Anstieg der Bevölkerungszahl, die Herausbildung wichtiger ethnischer Gruppen, Änderungen in der Gesellschaftsordnung und diesen folgend auch in den politischen Beziehungen. Hierzu hatte der Übergang zu Ackerbau und Viehzucht beigetragen. Die Änderungen in der ökonomischen Basis und der Übergang zur seßhaften Lebensweise bedingten die Entwicklung neuer handwerklicher Fähigkeiten und schufen günstige Voraussetzungen für einen vermehrten Austausch. Das Entwicklungstempo war in den einzelnen Gebieten Europas unterschiedlich. Bei den mitteleuropäischen Stämmen vollzog sich der Fortschritt nicht so schnell wie bei den Völkern im Mittelmeerraum; jedoch bedeutete die Einführung von Bodenbau und Viehzucht auch hier eine Zunahme der Produktivkräfte, welche weit größer als die in früheren Perioden war. Und dieses Tempo nahm, trotz gewisser durch Naturgewalten und politische Umstände verursachter Rückschläge, an Stärke in dem Maße zu, wie sich das Sortiment der benutzten Werkzeuge und auch der Gebrauch von Metallen zu ihrer Herstellung ausweitete. E s braucht hier nur daran erinnert zu werden, daß die auf polnischem Boden lebenden Menschen erst im Laufe von ca. 250000 Jahren zu höheren Formen des Sammeins, der Jagd und des Fischfangs gelangten, während seit der Einführung des Hackbaus nur sechs bis sieben Jahrtausende vergingen, bis der heutige Stand der Entwicklung erreicht wurde. Mit dem Übergang zu jener neuen Entwicklungsetappe änderte sich auch das Verhältnis des Menschen zu seiner U m w e l t : er nahm nun eine immer aktivere Haltung ein und wußte die Gaben der ihn umgebenden N a t u r klug zu nutzen. Das Niveau der Bodenbestellung war zunächst sehr niedrig. Bebaut wurden kleine von Sträuchern befreite Felder oder auch die Stellen, die beim B a u von Hütten oder anderen Wohneinrichtungen gerodet worden waren. E s herrschte eine A r t Gartenkultur; der Boden wurde mit dem Grabstock oder der Hacke gelockert. Doch schon früh bediente man sich, um weitere Flächen urbar zu machen, der Brandrodung, welche sich nach ihrer Einführung viele Jahrhunderte
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lang hielt und dabei verschiedene Entwicklungsstadien durchmachte. An Getreidearten wurden Weizen und Gerste, teilweise auch Hirse angebaut; daneben kannte man Erbse, Linse und Bohne. Zu den Haustieren gehörten neben dem Hund das Rind, das Schaf, die Ziege und das Schwein. Durch ihre extensive Wirtschaftsweise bedingt, führte die Bevölkerung weiterhin ein halbseßhaftes Leben.
Abb. 9
Verbreitungswellen der ältesten Ackerbauern in Europa, erarbeitet durch. G. Clark nach C. 14-Daten
Zunehmend lernten die Menschen, die Natur zu beherrschen, und sie entwickelten Fähigkeiten, welche in den wichtigsten Produktionszweigen Fortschritte brachten. Neben den schon früher bekannten Techniken zur Herstellung von Feuersteingeräten wurden neue" eingeführt, die eine höhere Arbeitsproduktivität zuließen. Dazu gehörten das zuvor kaum bekannte Schleifen und Polieren; auch vermochte man jetzt Schaftlöcher in Steine zu bohren. Von der Forschung wurde oft behauptet, daß die Verbreitung der Schleiftechnik für den allgemeinen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Fortschritt keine wesentliche Bedeutung gehabt habe; petrographische Untersuchungen haben diese Meinung jedoch als falsch erwiesen. Durch das Schleifen konnten effektivere Werkzeuge nicht nur aus
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Feuerstein, sondern auch aus solchen Gesteinsarten erzeugt werden, die nur mit Hilfe der für das Paläolithikum und Mesolithikum typischen Abschlag-, Spliß- und Retuschiertechnik nicht zu bearbeiten waren. Auch die Töpferei begann sich jetzt allgemein zu entwickeln. Zunächst ahmte man mit ihrer Hilfe die Formen früherer Gefäße nach, welche aus einem Kürbis, aus Leder oder aus anderen Rohstoffen hergestellt worden waren. Die Plastizität des Tons erlaubte es jedoch, den Gefäßen je nach ihrem verschiedenartigen Verwendungszweck auch ein anderes Aussehen zu geben. Ferner lernte der Mensch in dieser Zeit auch das Weben von Textilien. Der Austausch nahm an Umfang zu und wurde zu einem bedeutenden Faktor der Entwicklung. An den damals erfolgten Umwälzungen hatte die Frau einen bedeutenden Anteil. Der wirtschaftliche Fortschritt trug auch zu Wandlungen in der sozialen Gliederung und den religiösen Vorstellungen bei. Es wäre jedoch verfehlt zu behaupten, daß diese Wandlungen in den verschiedenen Lebensbereichen gleichzeitig und ohne Widerstände erfolgten. Die irrationalen Vorstellungen wurden von ihnen am wenigsten betroffen; man begegnet hier starken traditionellen Merkmalen. In Mitteleuropa war die gesellschaftliche Arbeitsteilung in ackerbau- und in viehzuchttreibende Stämme weniger deutlich. Hier bestanden keine Voraussetzungen für die Herausbildung von Hirtenvölkern im engeren Sinne des Wortes. Wir sprechen besser von Stämmen, bei denen der Ackerbau, und solchen, bei denen die Tierzucht überwog; dabei ist wesentlich, aus welchem von beiden Zweigen Mehrerträge erzielt wurden. Langsam wuchsen jetzt die Bedingungen heran, unter denen ein Mehrprodukt und gleichzeitig das Privateigentum entstehen konnten. Dieser Prozeß nahm dann mit der Einführung vollkommenerer Arbeitsgeräte und Waffen aus Bronze sowie später aus Eisen ein noch schnelleres Tempo an. Damit waren die Voraussetzungen für die Sprengung der ursprünglichen Gleichheit innerhalb des Stammes gegeben; es entstanden Gegensätze, welche im Ergebnis zur Entstehung der Klassengesellschaft führten. In dieser Epoche, die mit der warmen und feuchten atlantischen Klimaperiode (von ca. 6200 bis 3500 v. u. Z.) zusammenfiel und durch das Vorherrschen von Eichenmischwald gekennzeichnet war, finden wir auf polnischem Boden die ersten Menschengruppen vor, welche den Hackbau betrieben. Bisher ist es weder gelungen, das Datum ihres Auftretens exakt zu bestimmen, noch ihre genaue Herkunft ausfindig zu machen. Häufig findet man in der Literatur die Meinung vertreten, daß die Auswanderung hackbautreibender Stämme aus ihren alten Sitzen im Mittelmeerraum, insbesondere seinem östlichen Teil, eine Folge der Klimaänderungen in dieser Zone war. Wie es scheint, entbehrt dies jedoch der Begründung. Die Hauptursache für die Bewegungen lag wohl eher einerseits in der Bevölkerungszunahme als Folge des Übergangs zu höheren Wirtschaftsformen, andererseits jedoch — und dies bezieht sich auf Mittel-, aber auch auf Westeuropa — in dem extensiven Wirtschaftssystem, das immer aufs Neue zur Aufgabe des ein oder mehrere Jahre benutzten Bodens und zur Suche nach weiteren Stücken kultivierbaren Landes zwang. Die unterschiedliche Bodennutzung und die damit zusammenhängende feste oder vorübergehende Besied17
lung verschiedener Gebiete findet in den archäologischen Quellen ihren Niederschlag. Im Vorderen Orient, wo die ergiebigen Anschwemmungen der Flüsse eine Bestellung ohne Erschöpfung der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens erlaubten, sowie auf dem Balkan gab es Siedlungen, welche an ein- und demselben Ort längere Zeit bestanden haben. Dort treten Kulturschichten auf, die eine Stärke von mehreren Metern besitzen und häufig zur Entstehung vorgeschichtlicher Siedlungshügel (Teils) führten. In Mitteleuropa gehören diese zu den Seltenheiten; einig von geringeren Ausmaßen finden sich in Kleinpolen. In den hier begegnenden dünnen Siedlungsschichten stößt man manchmal auf Spuren neu angelegter Siedlungen, was beweist, daß die Bevölkerung teilweise nach längerer Abwesenheit zurückkehrte, wenn die brachliegenden Felder wieder bewachsen waren und mit Hilfe der Brandrodung neu bestellt werden konnten. Diese Bodennutzung, mit der wir es jetzt in Mitteleuropa und damit auch in Polen zu tun haben, brachte es mit sich, daß bestimmte Gruppen bestimmte Gegenden des Landes bewohnten. Daß sie, wie eben beschrieben, nach einiger Zeit an die Stelle zuvor aufgegebener Siedlungen zurückkehrten, beweisen Untersuchungen von B. Soudsky in der ÖSSR. Während der Grabungen in der neolithischen Siedlung von Bylany gelang es ihm festzustellen, daß die in Kultur genommenen Böden nach etwa fünfzehnjähriger Nutzung aufgegeben und neue Stellen aufgesucht wurden. Da die Gruppe nach ungefähr 45 Jahren wieder auf den alten Schutthaufen zurückkehrte, dauerte der Zyklus der Bodennutzung etwa 60 Jahre. Zum Zeitpunkt des Wiederbezugs der alten Stelle hatte sich der Boden dort bereits regeneriert. In Polen war die Lage ähnlich. Es kam also zu keiner gänzlich freien Verlegung des Wohnortes, sondern diese wurde durch eine Art von primitivem Eigentumsrecht geregelt. Damit im Zusammenhang stand auch die Abspaltung der überschüssigen Bevölkerung und deren Suche nach neuem „Landbesitz". Sie trat dann ein, wenn die Gruppe zahlenmäßig so anstieg, daß das eigene Territorium nicht mehr alle Mitglieder ernähren konnte. Die Konsequenz hiervon war eine Expansion: entweder wurden herrenlose Flächen in Besitz genommen oder von anderen Gruppen bewohnte Ländereien okkupiert. Auch Menschen, die nach bestimmten Rohstoffen suchten, verblieben teilweise in den neuen Gebieten. Trotz der im allgemeinen schwachen Besiedlung lebten in jenen frühen Geschichtsperioden, von denen hier die Rede ist, die einzelnen Bevölkerungsgruppen nicht isoliert; sie kamen bei den verschiedensten Gelegenheiten miteinander in Berührung, was dazu führen mußte, daß niedriger stehende Gruppen mit den neuen Errungenschaften der Technik bekannt wurden. Daß hier ein vielseitiger Prozeß ablief, folgt auch aus der Tatsache, daß es in Europa verhältnismäßig früh zur Herausbildung verschiedener archäologischer Kulturen kam, welche die unterschiedlichste Herkunft aufwiesen. Die Einführung und Beherrschung der neuen Wirtschaftsformen war übrigens kein einmaliger Akt; sie zog sich über viele Jahrhunderte hin. Es darf angenommen werden, daß sie auch in Polen
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ziemlich kompliziert verlief. Anfänglich übten hierbei wohl die Völkerverschiebungen, die Zuwanderungen einerseits aus dem Südosten, wahrscheinlich aus dem Balkan, andererseits aus Böhmen, Mähren, der Slowakei und Ungarn ihren Einfluß aus. Neben den Zuwanderern aber nahm an diesem Prozeß gewiß auch ein Teil der schon seit langem hier lebenden Bevölkerung teil, welche jetzt kulturell von ihnen assimiliert wurde. Die Welle des Fortschritts erfaßte dabei nicht alle Sammler- und Jägergruppen Polens; einige, die hier schon von alters her wohnten, aber auch später hinzugekommene behielten die alte mesolithische Wirtschaftsbasis bei. Somit wies die in Polen lebende Vielfalt von Menschengruppen nunmehr verschiedene Produktionsweisen auf. In der Zeit von etwa 2200 bis 500 v . u . Z . , als ein trockeneres, subboreales Klima herrschte und die Buche sich aus den skandinavischen Gebieten zurückzuziehen begann, strömten neue Menschen wellen heran. Sie kamen aus der Ukraine und dem Kaukasus, ferner aüs Nordwest und zum Teil aus Nordost. Diese letztgenannten Einwanderer lebten überwiegend als Jäger und Fischer. Für den Fortschritt entscheidend waren jedoch nicht sie, sondern die aus dem Süden, und zwar sowohl aus Südost wie auch aus Südwest kommenden Einflüsse. Das polnische Neolithikum wird heute allgemein in drei Perioden, eine ältere von 4800/4500 bis 3500/3200, eine mittlere von 3500/3200 bis 2500 und eine späte von 2500 bis 1700/1600 v. u. Z., eingeteilt. Diese Gliederung aber kann nur vorläufig sein, denn schon jetzt liegen Gründe vor, die ihre Modifikation nötig machen. Nimmt man die mitteleuropäischen Verhältnisse allgemein als Maßstab, so wäre außerdem zu unterscheiden zwischen einer Phase in der mittleren Periode, wo Kupfergeräte nur sehr selten auftreten, und einer weiteren, in welcher Funde aus diesem Rohstoff bereits häufiger vorkommen. Hier ergäbe sich somit eine Differenzierung in vier Perioden. Sehen wir einmal ab von denjenigen Gruppen, welche noch auf mesolithischem Niveau lebten und im archäologischen .Material nicht faßbar sind, so gehören zur I. Periode die Gruppen der Linienbandkeramik und die innerhalb dieser auftretenden Spuren der Körös-Starcevo-Kultur, ferner Elemente der Bükker Kultur, welche bisher auf polnischem Boden jedoch nur sehr schwach vertreten sind. In der II. Periode treffen wir auf die Kultur der Stichbandkeramik (wobei neuere Ci4-Datierungen aus Deutschland es jetzt als möglich erscheinen lassen, daß gewisse ihr zugehörige Gruppen bereits während der I. Periode nach Polen vordrangen) sowie auf die Trichterbecherkultur; zur III. Periode müssen die jüngeren Phasen der Stichbandkeramik, die Lengyelkultur, die mittleren Phasen der östlichen und die ältere Phase der südlichen Gruppe der Trichterbecherkultur, die Michelsberger Kultur, die älteren Phasen der Kugelamphorenkultur und ebenso der Kultur der Kamm- und Grübchenkeramik gerechnet werden. Letztere dürfte schon früher entstanden sein. Die Gruppen der IV. Periode waren Träger der Bodrogkereszturkultur, der Tripolje-und der Badener Kultur, der jüngeren Phase der östlichen und südlichen Trichterbecherkultur, der schnurkeramischen Kultur und schließlich der jüngeren Phase der Kammund Grübchenkeramik sowie der Glockenbecherkultur. Östlich der Weichsel ist die schnurkeramische Kultur auch noch am Anfang der Bronzezeit nachzuweisen. 19
Unter Berücksichtigung der vielfältigen Beziehungen, welche zwischen den einzelnen oben erwähnten Kulturen bestanden, ist zusammenfassend festzustellen, daß auf polnischem Boden hauptsächlich Stämme der Donaukulturen, der Trichterbecherkultur, der Kugelamphorenkultur, der gestochenen Kamm-Grübchenkeramik sowie der schnurkeramischen und der Glockenbecherkultur lebten. Außer der Trichterbecher- und der Kugelamphorenkultur, zu deren Herkunftsländern auch Polen gehört, sind davon insbesondere verschiedene Gruppen der schnurkeramischen Kultur in unserem Lande selbst entstanden; bei den übrigen ist oft höchstens an einen Einfluß des lokalen Substrates auf die Entstehung gewisser örtlicher Unterschiede zu denken. Viele ihrer Merkmale stammen von außen; das betrifft vor allem die verschiedenen Donaukulturen. Bei der Kamm- und Grübchenkeramik dagegen ist es schwer zu sagen, wie groß der Anteil lokaler Elemente an ihrer Entstehung war. Da die genannten Kulturgruppen viele Gemeinsamkeiten aufweisen, sollen sie nur summarisch behandelt werden. Wir ersparen uns deshalb eine genauere Beschreibung der sie charakterisierenden Formen, die aus den Abbildungen ersehen werden können.
Die Stämme der Donaukulturen Über den Ursprung dieser Kulturen (Abb. 10) bietet sich kein klares Bild. Die zu den ältesten neolithischen Vorkommen gehörende Körös-Starcevo-Kultur entstand wahrscheinlich unter dem Einfluß nahöstlicher Impulse auf dem Balkan; sie begegnete bisher auf gemischten Fundplätzen, und ihre auf polnischem Boden zutage geförderten Formen sind der jüngeren Phase zuzuweisen. Über die Rolle, welche sie in unserem Lande spielte, kann nicht viel gesagt werden; die Massierung des Materials auf den kleinpolnischen Lößböden weist allerdings darauf hin, daß ihre Träger Ackerbau trieben. Es wird angenommen, daß diese Kultur der wichtigste Inspirator der Linienbandkeramik war (Abb. 11 — 13), welche mit Hilfe der C 14-Analyse (für Polen z. B. aus Olszanica, Kr. Krakow — 4480 ± 75 v. u. Z.) in die Zeit zwischen 4700/4500 und 3600 v. u. Z. datiert wurde. Sie djrang durch die Mährische Pforte nach Polen vor, und zwar in einer Zeit, da sie schon ihre höchste Entwicklungsetappe erreicht hatte. Wahrscheinlich um 4500 v. u. Z. erfolgte die Zuwanderung der Linienbandkeramiker in einer, vielleicht auch in mehreren Wellen; ein Teil von ihnen kam aus Mähren, ein anderer vermutlich aus der Slowakei. Sie besetzten die Lößböden in Schlesien und später in Kleinpolen und schoben sich dann die Oder und Weichsel entlang flußabwärts vor, wobei sie sich teilweise auch an deren Nebenflüssen niederließen. Im Osten reichte ihr Gebiet bis zu den heutigen Wojewodschaften Rzeszöw und Lublin. Hervorzuheben ist, daß sie stets auf gute Böden Wert legten. Aus der Slowakei und ihren Nachbarregionen stießen auch die Gruppen der Bükker Kultur vor. Auf dem Boden der Linienbandkeramik entwickelte sich auch in Mitteleuropa die Kultur der Stichbandkeramik (Abb. 14; auch Taf. 1). Ihre jüngeren Wellen erreichten von Böhmen und Mähren her das Gebiet Polens. Unter ähnlichen Vor20
Unter Berücksichtigung der vielfältigen Beziehungen, welche zwischen den einzelnen oben erwähnten Kulturen bestanden, ist zusammenfassend festzustellen, daß auf polnischem Boden hauptsächlich Stämme der Donaukulturen, der Trichterbecherkultur, der Kugelamphorenkultur, der gestochenen Kamm-Grübchenkeramik sowie der schnurkeramischen und der Glockenbecherkultur lebten. Außer der Trichterbecher- und der Kugelamphorenkultur, zu deren Herkunftsländern auch Polen gehört, sind davon insbesondere verschiedene Gruppen der schnurkeramischen Kultur in unserem Lande selbst entstanden; bei den übrigen ist oft höchstens an einen Einfluß des lokalen Substrates auf die Entstehung gewisser örtlicher Unterschiede zu denken. Viele ihrer Merkmale stammen von außen; das betrifft vor allem die verschiedenen Donaukulturen. Bei der Kamm- und Grübchenkeramik dagegen ist es schwer zu sagen, wie groß der Anteil lokaler Elemente an ihrer Entstehung war. Da die genannten Kulturgruppen viele Gemeinsamkeiten aufweisen, sollen sie nur summarisch behandelt werden. Wir ersparen uns deshalb eine genauere Beschreibung der sie charakterisierenden Formen, die aus den Abbildungen ersehen werden können.
Die Stämme der Donaukulturen Über den Ursprung dieser Kulturen (Abb. 10) bietet sich kein klares Bild. Die zu den ältesten neolithischen Vorkommen gehörende Körös-Starcevo-Kultur entstand wahrscheinlich unter dem Einfluß nahöstlicher Impulse auf dem Balkan; sie begegnete bisher auf gemischten Fundplätzen, und ihre auf polnischem Boden zutage geförderten Formen sind der jüngeren Phase zuzuweisen. Über die Rolle, welche sie in unserem Lande spielte, kann nicht viel gesagt werden; die Massierung des Materials auf den kleinpolnischen Lößböden weist allerdings darauf hin, daß ihre Träger Ackerbau trieben. Es wird angenommen, daß diese Kultur der wichtigste Inspirator der Linienbandkeramik war (Abb. 11 — 13), welche mit Hilfe der C 14-Analyse (für Polen z. B. aus Olszanica, Kr. Krakow — 4480 ± 75 v. u. Z.) in die Zeit zwischen 4700/4500 und 3600 v. u. Z. datiert wurde. Sie djrang durch die Mährische Pforte nach Polen vor, und zwar in einer Zeit, da sie schon ihre höchste Entwicklungsetappe erreicht hatte. Wahrscheinlich um 4500 v. u. Z. erfolgte die Zuwanderung der Linienbandkeramiker in einer, vielleicht auch in mehreren Wellen; ein Teil von ihnen kam aus Mähren, ein anderer vermutlich aus der Slowakei. Sie besetzten die Lößböden in Schlesien und später in Kleinpolen und schoben sich dann die Oder und Weichsel entlang flußabwärts vor, wobei sie sich teilweise auch an deren Nebenflüssen niederließen. Im Osten reichte ihr Gebiet bis zu den heutigen Wojewodschaften Rzeszöw und Lublin. Hervorzuheben ist, daß sie stets auf gute Böden Wert legten. Aus der Slowakei und ihren Nachbarregionen stießen auch die Gruppen der Bükker Kultur vor. Auf dem Boden der Linienbandkeramik entwickelte sich auch in Mitteleuropa die Kultur der Stichbandkeramik (Abb. 14; auch Taf. 1). Ihre jüngeren Wellen erreichten von Böhmen und Mähren her das Gebiet Polens. Unter ähnlichen Vor20
Abb. 10
Verbreitungsgebiete der donauländischen Kulturen in Polen. 1. Kultur der Linienbandkeramik. 2. Elemente der Körös-Staröevo-Kultur. 3. Elemente der 2eliezovcekultur. 4. Elemente der Bükker Kultur. 5. Kultur der Stichbandkeramik. 6 . - 8 . Lengyelkultur: Jordanöw- und Ocicegruppe (6), kleinpolnische Gruppe (7), Brzesc Kujawski-Gruppe (8). 9. Kultur der radialverzierten Keramik. 10. Bodrogkereszturkultur. 11. Tripoljekultur
Abb. 11
Maciejowice, Kr. Grodköw. Hacke in Form eines Schuhleistenkeils. Stein
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KP Abb. 13 22
Gefäß der Linienbandkeramik aus Großpolen
aussetzungen entwickelte sich die Lengyelkultur, welche nach dem Ort Lengyel in Ungarn benannt ist. Sie drang sowohl über die Karpatenpässe als auch über die Mährische Pforte in unser Gebiet ein. Unter diesen neuen Bedingungen kam es hier zur Herausbildung lokaler Gruppen, von welchen bisher die Jordanöwgruppe (nach dem Ort Jordanöw — früher Jordansmühl, Kr. Dzierzoniow) (Abb. 15), die kleinpolnische Gruppe (Abb. 1 6 ; 20) und die Brzesc Kujawski-Gruppe (Abb. 26) am besten erforscht sind. Von der Bodrogkereszturkultur, einer jüngeren Entwicklungsphase der Lengyelkultur, gibt es in Polen nur Spuren; stärker vertreten ist dagegen die Kultur der radialverzierten Keramik (Abb. 17), welche, von
Abb. 14
Gefäße der Kultur der Stichbandkeramik aus Schlesien
Westungarn und Österreich ausgehend, über Böhmen und Mähren unser Gebiet erreichte. Ihre Fundorte liegen auf den ertragreichen Böden Schlesiens, in Kleinpolen bei Sandomierz und in K u j awien. Im Lubliner Land kommen vereinzelte Funde der Tripoljekultur (nach dem Ort Tripolje in der Ukraine) vor, die in den ukrainisch-moldauischen Gebieten entstand. Ob sie ein Zeichen für eine Verschiebung der Tripoljestämme selbst oder nur für Handelskontakte mit in Ostpolen lebenden Gruppen sind, ist ungewiß. Dieselben Zweifel gelten auch hinsichtlich der seltenen, oben erwähnten Keramikfunde der Körös-(Cris)-Starcevo- und der Bükker Kultur. Aus den jüngeren Phasen der Stichbandkeramik haben wir nämlich klare Beweise, daß die Tonerzeugnisse schon damals Austauschobjekte waren. So wurden beispielsweise in Vinca bei Belgrad Gefäße vom Zeliezovcetyp der Stichbandkeramik ausgegraben. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch, daß alle oben genannten polnischen Funde nach dem Kriege auf nur zum Teil freigelegten Fundplätzen entdeckt wurden. Die Kulturen, mit denen wir es hier zu tun haben, heben sich voneinander in 23
den keramischen Formen, den Verzierungen sowie teilweise durch ihre Geräteund Ornamenttypen ab. E s ist deutlich zu erkennen, daß die Stämme, die sie ausbildeten, sich während der langen Zeit ihres Bestehens von primitiven Stadien aus immer höher entwickelten. Relativ langsam ging dies bei denjenigen Gruppen,
Abb. 15
Lengyelkultur. Schlesien
Verschiedene
Keramikfunde
der
Jordanöwgruppe
aus
welche Träger der Linienbandkeramik waren. Die dominierenden Wirtschaftsformen waren A c k e r b a u und Viehzucht. E s ist möglich, daß bei einigen dieser Gruppen die Zucht von Haustieren, bei anderen dagegen der Ackerbau überwog. Hier k a m schon nach kurzer Zeit die Brandrodung ungeteilt zur Geltung. Ihre Anwendung war nicht nur rationell wegen der Aschedüngung, sondern, wie neuere Untersuchungen gezeigt haben, auch notwendig: wiesen doch auch die Lößböden Baumbestände auf. D a sich die Bevölkerung stetig vermehrte, waren die offenen Lichtungen bald nicht mehr ausreichend; es mußte gerodet werden. Zu diesem Zweck dienten Steinäxte, während die Reinigung der Felder von Unkraut wahr24
Abb. 16
Zlota, Kr. Sandomierz. Sammelfund von Gefäßen der Lengyelkultur, kleinpolnische Gruppe
scheinlich mit verschiedenen Steinhacken vorgenommen wurde. Die Geräte zur Bodenbearbeitung, Grabstock und Hacke, waren dagegen hauptsächlich aus Holz; allerdings sind solche Hacken bisher in Ausgrabungen nicht gefunden worden. Daß damals auf polnischem Boden bereits der hölzerne Hakenpflug in Gebrauch war, ist wenig wahrscheinlich; er wurde wohl erst in der Bronzezeit benutzt. Der Fortschritt im Ackerbau war demnach bei den Stämmen der donauländischen Kulturen nicht groß. Er beruhte vor allem auf einer Vergrößerung der in Kultur genommenen Landflächen, war also eine typisch extensive Feldgraswirtschaft, die kollektiv betrieben wurde. Gefundene Körner sowie Abdrücke von solchen auf Tongefäßen zeigen, daß die ältesten Gruppen jener Kulturen damals mehrere Sorten Weizen, nämlich Emmer (Triticum dicoccum Schrank), Einkorn (Triticum monococcum), Spelz (Triticum spelta L.), Zwergweizen (Triticum vulgare compactum) und Saatweizen (Triticum vulgare Vill.), ferner mindestens zwei Arten von Gerste, darunter die vielzeilige Gerste (Hordeum polystichum Doell.), zwei Arten von Hafer, darunter Flughafer (Avena Fatua L.), sowie Hirse (Panicum miliaceum L.) anbauten. Es gibt auch Beweise für das Auftreten von Roggen; jedoch steht nicht fest, ob er noch eine im Weizen wildwachsende Pflanze war oder schon gesondert angebaut wurde. Die größere Verbreitung des Roggens erfolgte allerdings erst in viel späteren Zeiten. Die Stämme mit Linienbandkeramik in Polen kannten weiterhin Erbsen, Bohnen, Linsen und Flachs. Größere, wenn auch vom direkten archäologischen Material her wenig deutlich erkennbare Änderungen traten vermutlich in der Haustierzucht ein. Wir können nachweisen, daß am Beginn des Neolithikums außer Rindern auch Ziegen, Schafe und Schweine gezüchtet wurden — vom Hund, der zu den ältesten Haustieren gehörte, ist hier einmal abgesehen. Jedoch bildete die Viehzucht damals wohl nicht viel mehr als eine Ergänzung des Ackerbaus; eine Wende begann, wie es scheint, erst einzutreten, als die Stichbandkeramiker in Polen eindrangen. Sie fand, wie es auch die Funde der jüngeren Lengyelkulturen deutlich zeigen, ihren Ausdruck in der zunehmenden Menge von Haustierknochen unter den Siedlungsresten, im Auftreten von Tierfiguren und von plastischen Tierdarstellungen auf den Tongefäßen schließlich auch in den Tiergräbern, welche uns die Zeit der radialverzierten Keramik hinterlassen hat. In Zlotniki, Kr. Proszowice, fand man eine K u h mit abgesägten Hörnern, in Igolomia einige Hundegräber, in Wyci^ze Gräber unter anderem von Ziegen und Pferden, welche als Opfer für Verstorbene dienten. Auch der Bau von Rundwällen in den jüngeren Donaukulturen — eine Tendenz, die besonders stark mit dem Eindringen der Lengyelkultur zutage trat — hing wohl mit der zunehmenden Bedeutung der Tierzucht zusammen. Und gewisse schon damals bekannte Schmuckgegenstände wie Brillenspiralanhänger sind wahrscheinlich gleichfalls eine symbolische Widerspiegelung der Tatsache, daß die Zucht von Haustieren im Leben der genannten Stämme jetzt eine immer größere Rolle spielte und damit auch die Bedeutung des Mannes im sozialen Leben der Gemeinschaft eine Verstärkung erfuhr. Daneben hatten jedoch hier Fischfang, Sammeln und Jagd weiterhin eine nicht geringe Bedeutung. Hirsche, Rehe, Wildschweine, Auerochsen und Wildpferde 26
können wir als Beutetiere zuverlässig nachweisen; daneben traten in den Siedlungsresten der jüngeren Donaukulturen auch Knochen von Kleintieren wie Hasen, Biber, Baummarder, Eichhörnchen, W i l d k a t z e n sowie von Wildvögeln zutage. Die A n h ä u f u n g von Muscheln, etwa der Malermuschel (Unio pictorum L.), wie sie auf manchen Fundplätzen anzutreffen ist, zeugt davon, daß diese zur Fütterung der Schweine, möglicherweise aber auch als Nahrung der Menschen dienten. A n Plätzen mit radialverzierter Keramik fanden sich Samen von Mohn (Papaver somniferum L.), einer Pflanze, die damals wohl kaum schon angebaut, sondern wahrscheinlicher durch Sammeln erworben wurde. Neben der Erzeugung von verschiedenen Geräten und W a f f e n aus Stein und organischen Rohstoffen (Abb. 18) verdienen die festgestellten Spuren der bergmännischen Gewinnung von Feuerstein und Hämatit besondere Beachtung. In
Abb. 18
Zlota, Kr. Sandomierz. Hornbeil. .Kleinpolnische Gruppe der Lengyelkultur
Saspow, Kr. Olkusz, entdeckte man neben Ausstrichen Gruben von teilweise 6 m Durchmesser, welche, mit Holz ausgekleidet, zur Aufbewahrung des hier gewonnenen Minerals dienten. Sie stammen aus der Zeit der Linienbandkeramik. Hämatit wurde im Öwi§tokrzyskie-Gebirge abgebaut. Einige Fundplätze der Lengyelkultur liefern uns ferner Beweise dafür, daß dort verschiedene Gegenstände aus importiertem K u p f e r erzeugt wurden. Die in dem Dorf Zlota, Kr. Sandomierz, vor dem Krieg in einigen Gruben und Auffüllungen des Wallgrabens geborgenen Reste dieses Metalls, die Tiegelfragmente und tönernen Düsen kann man wohl als Überbleibsel von Kupfergießwerkstätten ansehen, welche einem lokalen Stamm der K u l t u r der bemalten Keramik (einer kleinpolnischen Gruppe der Lengyelkultur) zugehörten. Ist diese Deutung richtig, dann hätten wir hier mit dieser reichsten Hinterlassenschaft der damals in Südpolen lebenden Bevölkerung auch das älteste Beispiel eines Gebrauchs von Hüttenöfen vor uns. Sie waren bereits mit einer Einrichtung versehen, die es gestattete, durch künstliche Zufuhr von L u f t das Feuer zu verstärken. 3*
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Gegenüber früheren Epochen nahm auch die Bedeutung des Austausches zu. E s lassen sich Beispiele dafür feststellen, daß einige Gruppen sich auf diese Weise Feuerstein zur Herstellung von verschiedenen Geräten beschafften. Möglicherweise war auch die Keramik zuweilen bereits Gegenstand des Austausches. Kupfer wurde in Gestalt von Fertigerzeugnissen (Abb. 19) oder Halbfabrikaten importiert; die ältesten Nachweise hierfür stammen aus der Zeit der Lengyelkultur. Auch verschiedene Muscheln, die schon seit langem als Schmuck dienten und denen magische Eigenschaften zugeschrieben wurden, kamen so in das polnische Gebiet. Auf Fundplätzen der Lengyelkultur wurden Anhänger und Perlen aus der Muschel Spondylus gaederopus entdeckt, deren Heimat die östlichen Mittelmeerländer waren. Aus dem Süden dürften auch jene anderen Muscheln gekommen sein, welche den Funden der bandkeramischen Kultur ent-
Abb. 19
Starowice, Kr. Nysa. Axthacke aus Kupfer
stammen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß es nicht leicht ist, den Charakter des Austausches in diesen frühen Geschichtsperioden exakt zu bestimmen; war doch die Beweglichkeit der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, welche unter den Bedingungen der extensiven Feldgraswirtschaft ihren Standort häufig wechselten, ziemlich groß. Daß Züge organisiert wurden, um verschiedene Rohstoffe zu erobern, ist sicher nicht von der Hand zu weisen; indessen kann man auf diese Weise das Vorkommen verschiedener Kulturmerkmale und Fundstücke aus sehr entlegenen Gegenden nicht erklären. E s ist wohl kein Fehler, hier auch mit indirekten Kontakten zu rechnen und anzunehmen, daß diese ideellen und materiellen Errungenschaften gewissermaßen in Etappen unser Gebiet erreichten. Übrigens ist es wichtig, daß damals bereits irgendwelche primitiven Werte existiert haben müssen. Die vielen Schatzfunde aus Stein- oder Kupfererzeugnissen, welche zeigen, daß in jener Zeit schon gehortet wurde, machen dies deutlich. In den letzten zwanzig Jahren hat sich unsere Kenntnis über die Siedlungen und Häuser der donauländischen Stämme in Polen erheblich verbessert. Nichtsdestoweniger bereitet die Antwort auf eine Reihe von grundsätzlichen Fragen noch arge Schwierigkeiten. Ein großer Mangel besteht beispielsweise darin, daß in den meisten Siedlungen nur Teilgrabungen vorgenommen wurden. An anderen Orten wiederum haben wir keine Sicherheit, ob alle dort freigelegten Behausungen aus ein- und derselben Nutzungsperiode stammen, was die Beantwortung der Frage nach der Siedlungsgröße natürlich stark erschwert. 28
Die Siedlungen der Bandkeramiker waren, wie man früher annahm, typische Gentilsiedlungen, nämlich kleine Weiler mit meist nicht mehr als 20 bis 25 Einwohnern. Nach neuen Ergebnissen in Olszanica, Kr. Krakow, ist es jedoch sicher, daß schon um 4500 v. u. Z. Dörfer mit über 100 Einwohnern bestanden haben, die Zentren für den Häuptling und sakrale Zwecke besaßen. Es ergeben sich also zur Lengyelkultur weniger Unterschiede in der Größe als in der Struktur der Siedlungen. Wir finden nun nämlich sowohl offene als auch befestigte Siedlungen mit unterschiedlicher Bewohnerzahl. Für die Bestimmung des Charakters einer solchen offenen Siedlung sind die Ergebnisse der in Brzesc Kujawski, Wojewodschaft Bydgoszcz, durchgeführten Grabungen besonders aufschlußreich. Hier wurden etwa 60 große Wohngebäude freigelegt und deren Nutzung in mindestens vier bis sieben verschiedenen Phasen festgestellt. Das ergibt mit anderen Worten, daß, wenn wir beispielsweise mit sechs Phasen rechnen, 10 bis 15 Behausungen gleichzeitig bewohnt waren. In diesem Falle dürfte die Einwohnerzahl zwischen 120 und 150 Köpfen gelegen, höchstens aber 200 Mann betragen haben. Bruchstückhafte Ausgrabungen auf anderen Fundplätzen führen dagegen wieder zu der Hypothese, daß die Dörfer von nur zwei Gentes, vielleicht sogar bloß von einer Gens bevölkert waren, also nicht mehr als ungefähr 1 5 bis 30 Bewohner zählten — hier bleibt viel offen. Ein großes Rätsel gibt uns auch die allem Anschein nach gleichzeitige Benutzung von einigen hundert Wohngruben auf, welche in Wyciqie, Kr. Krakow, gefunden wurden; sie entstammen der Zeit der radialverzierten Keramik und tragen Spuren einer gewaltsamen Zerstörung durch Feuer. Hier müßte somit ein Dorf gelegen haben, das knapp gerechnet etwa 1000 Bewohner zählte. Höchstwahrscheinlich haben wir es in diesem Falle aber doch mit einer Mehrphasensiedlung zu tun, deren Größe sich etwa mit derjenigen des in Brzeäc Kujawski freigelegten Dorfes der Lengyelkultur vergleichen läßt. Die Häuser sind daher wohl auch nicht alle auf einmal einem Brand zum Opfer gefallen; es ist eher anzunehmen, daß die Stämme der Kultur mit radialverzierter Keramik, wenn sie ihren Standort verlegten, selbst die alten Siedlungen zerstörten. Wenden wir uns nun den befestigten Siedlungen zu, welche bisher in Südpolen freigelegt wurden. Die zur Lengyelkultur gehörende, in Zlota, Kr. Sandomierz, gefundene war von Gräben umgeben (Abb. 20); sie maß in der Länge 300 m, in der Breite 50—90 m und war damit verhältnismäßig groß. Ähnlich, doch weniger solide befestigt war eine weitere in Kraköw-Nowa Huta (Pleszöw), welche in die Zeit der radialverzierten Keramik gehört. Funde aus der gleichen Kultur machte man in Wyciq,ze, Kr. Krakow, sowie in Kraköw-Nowa Huta (Dlubnia-Zeslawice, am Fluß Dlubna), wo die 1954 durchgeführten Grabungsarbeiten einige Dutzend Erdwohnungen zutage förderten. In der Nähe dieser Siedlung, die wahrscheinlich ebenfalls befestigt war, wurde eine Art Kraal festgestellt: ein von einer Holzkonstruktion eingefriedeter und mit einem Graben umgebener Viehhof, in dem 150 bis 200 Tiere Platz fanden. Das Dorf in Wyci%ze hatten seine Bewohner außer mit Gräben auch durch eine Palisade geschützt. Die Behausungen innerhalb der Donaukulturen waren von verschiedener Art und 29
o Abb. 20
30
»om. — ,
Zlota, Kr. Sandomierz. Befestigte Siedlung der kleinpolnischen Gruppe der Lengyelkultur
Abb. 22
Niedzwiedz, Kr. Miechöw. Langhaus mit trapezförmigem Grundriß
Größe. Neben Einfamilienhütten (Abb. 21) begegnen auch relativ häufig große Häuser, in welchen mutmaßlich eine ganze Sippe zusammen wohnte. Die kleineren Behausungen waren in der Regel mehr oder weniger in die Erde eingetiefte Wohngruben von ovaler, runder, viel- oder viereckiger Form, die größeren trapezförmigen Bauten mit einer Ausdehnung von circa 40 X 5 — 10 m zu ebener Erde (Abb. 22). D a in ihnen eine Anzahl von Herden vorhanden war, müssen sie
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gleichzeitig von mehreren Familien bewohnt worden sein. Die Wohnungen der donauländischen Stämme waren nachweislich bereits ausgeschmückt, denn in der erwähnten Siedlung von Brzesc Kujawski fand man Stückchen des Wandbewurfs, welcher Spuren einer Bemalung mit weißer Farbe aufwies. Aus der Zeit der radialverzierten Keramik ist bekannt, daß man damals vorübergehend auch in Höhlen wohnte; wahrscheinlich suchten die Menschen hier Schutz in Augenblicken der Gefahr. Über die Bekleidung der Bevölkerung, welche wir in diesem Abschnitt behandeln, kann nur wenig gesagt werden. Im Winter bestand sie wohl vorwiegend aus Tierfellen; jedoch waren, wie uns zahlreiche Reste, die man fand, beweisen, auch schon gewebte Stoffe bekannt. Männer wie Frauen trugen sehr viel Schmuck (Abb. 23) aus verschiedenen Rohstoffen, der mannigfaltige Funktionen erfüllte. Die mehrfach gewundenen kupfernen Armringe, welche der Lengyelkultur zugehören, konnten sehr wohl auch als Schutz gegen Pfeile dienen. Andere Schmuckstücke, wie Eckzähne von Auerochsen und Wölfen oder Eberhauer, spielten die
Abb. 23
Jordanow Slqski, Kr. Dzierzoniöw. Schmuck und Amulett aus Kupfer
Rolle von Amuletten. Einen ähnlichen Charakter hatten wohl auch die verschiedenartigen Anhänger, von denen hier Muscheln und Brillenspiralanhänger am Halsband (Abb. 23, 1) genannt seien. Die von den Frauen der Lengyelkultur getragenen knöchernen Armbänder mit schlangenförmiger Verzierung (Abb. 26) fallen durch ihre gediegene Ausführung auf. Als Schmuck für die Wangen dienten Tätowierung und Bemalung, vermutlich aber auch Erzeugnisse, die sich aus mehreren Reihen von kupfernen Röhrenperlen zusammensetzten (Abb. 23, 3). An den Fingern trug man Ringe, und der untere Teil der Frauengewänder war wohl mit aufgenähten Perlen verziert. Schließlich ist bei magischen Handlungen auch mit voller Körperbemalung und -tätowierung zu rechnen. Übereinstimmend mit den im ostmediterranen Kulturkreis herrschenden Traditionen, deren Intensität jedoch mit zunehmender Entfernung geringer wurde, begegnen wir innerhalb der Donaukulturen auch zahlreichen Erscheinungsformen der Kunst, die von einem ausgeprägten Schönheitssinn zeugen. Zu einem großen 32
Teil waren sie mit dem Aberglauben der Menschen verbunden. Viele Motive auf den Gefäßen erfüllten bestimmte magische Funktionen, wobei ihr Sinn für uns heute schwer zu erraten ist; jedoch können nicht alle Verzierungen auf diese eine Funktion zurückgeführt werden. Nach den anfangs vorherrschenden Voluten, welche die ganze Fläche eines Gefäßes umkreisten, kam es hier schließlich zur Herausbildung reicherer Formen und größerer Differenzierung. Häufig wurde durch eine entsprechende Verteilung der Ornamente die Tektonik der Gefäße unterstrichen. Neben den geritzten und gestochenen Mustern finden wir auch die aus Vorderasien übernommene Buntmalerei, beispielsweise in den südlichen Gruppen der Lengyel- sowie der Tripoljekultur. Manchmal begegnen Gefäße, die zoomorphe Formen (Taf. l) oder auch Tierdarstellungen aufweisen; man kann mit Bestimmtheit annehmen, daß sie kultischen Zwecken dienten. Die gleiche Bestimmung hatten andere Funde: tönerne Frauenfiguren, welche vereinzelt anzutreffen sind, ein Gefäß in Form eines Stiefels, ein Leuchter (Abb. 24; 25) und gewisse Tierfiguren. Erstere zeichnen sich in der Darstellung durch einen weitgehenden Schematismus, letztere durch Realistik aus.
Abb. 24
Pelczyce, Kr. OJawa. Gefäß in Form eines Stiefels
Abb. 25
Zlota, Kr. Sandomierz. Ein Leuchter (?) aus Ton 33
Zu den Erscheinungsformen der angewandten Kunst muß auch die Körpertätowierung gerechnet werden. Wenn das Ornament auf einer Frauenfigur aus derZeit der Linienbandkeramik, welche in Nosocice, Kr. Glogöw, gefunden wurde, wirklich eine Tätowierung darstellt, dann darf angenommen werden, daß die damaligen Menschen ihre Körper in derselben Weise wie diese Keramik bemalten. Typisch für die Donaukulturen waren die Skelettgräber (Abb. 26); daneben traten jedoch, beginnend mit der Kultur der Linienbandkeramik, sporadisch auch Brandgräber auf. Dies beweist, daß damals bereits eine lange Periode der Ent-
Abb. 26
Biskupin, K r . 2nin. Skelettgrab der Brzesc Kujawski-Gruppe der Lengyelkultur
wicklung hinter jenen Gruppen lag. Mit der Stichbandkeramik erscheinen auf polnischem Gebiet auch Hockergräber, welche in der Periode der Lengyelkultur dominierten. Damals wurden die Männer auf der rechten, die Frauen auf der linken Seite liegend bestattet, womit wohl die Stellung angedeutet wurde, welche die Angehörigen beider Geschlechter in der Sippe einnahmen. Die Gräber lagen oft innerhalb der Siedlung. Bei der Bestattung krümmte man die Toten zusammen, so daß sie wie Schlafende aussahen; manchmal wurden ihnen auch die Hände und Beine zusammengebunden, vermutlich um sie am Wiederaufstehen und Spuken zu hindern. Die Furcht hiervor hat wohl auch zur Entstehung der Leichenverbrennung beigetragen; jedoch trat diese Sitte bei den donauländischen Völkern sehr vereinzelt auf und kam nur bei bestimmten Individuen zur Anwendung. Da die Gräber der Linienbandkeramiker mit recht dürftigen Beigaben ausgestattet sind, besitzen wir erst seit dem Auftreten der Stichbandkeramiker nähere Angaben über den Bestattungsritus. Von den Stämmen dieser Kultur wurden 34
Schmuck, Werkzeuge und Waffen sowie Tongefäße für Speise und Trank (Beigefäße) in die Gräber gelegt. Wie Ausgrabungen in Wyciq,ze, Kr. Krakow, bewiesen haben, bestatteten die Träger der radialverzierten Keramik, bei denen von allen donauländischen Kulturgruppen die Viehzucht am höchsten entwickelt war, mit ihren Toten zusammen auch bestimmte Haustiere. In Igolomia, Kr. Proszowice, entdeckte man Gräber der gleichen Herkunft, in denen zerbrochene und verstreute Skelettknochen gefunden wurden. Wie diese Tatsache zu interpretieren ist, wissen wir nicht; vielleicht hat man es hier mit einer kultischen Vierteilung der Toten zu tun, durch die ihre Wiederkehr verhindert werden sollte. Möglicherweise erfolgte die Erdbestattung auch erst nach längerer Zeit; die Verstorbenen hätten dann solange im Freien gelegen, bis wilde Tiere und Vögel ihre Körper abgenagt hatten. Unter diesen Umständen hätten wir es hier mit einem Fall von Sekundärbestattung zu tun, einer Sitte, mit der, wie im folgenden gezeigt werden wird, auch bei anderen neolithischen Kulturen gerechnet werden muß. Mit zunehmender Entwicklung bauten die Träger der donauländischen Kulturen auch ihren religiösen Lebenskreis aus. Obwohl Polen hierfür weniger zahlreiches Material liefert als etwa die Tschechoslowakei, Deutschland oder Ungarn, finden sich auch hier genügend Quellen, die dies verdeutlichen. War in den älteren Perioden der aus den östlichen Mittelmeerländern stammende Kult der Naturgottheit Magna Mater vorherrschend, bei dessen magischen Handlungen schematisch ausgeführte tönerne Frauenfiguren, welche jedoch nicht die Gottheit selbst darstellen (Abb. 15, 6), eine wichtige Funktion erfüllten, so begann sich bereits während einer relativ frühen Phase der Linienbandkeramik hierin eine Änderung anzudeuten. Funde aus Barleben, Kr. Wolmirstedt (DDR), beweisen, daß bereits damals, und zwar ebenfalls nach dem Vorbild der östlichen Mittelmeerländer, der Stier verehrt wurde. In Polen traten Entsprechungen erst mit dem Erscheinen der Lengyelgruppen hervor, bei denen im Zusammenhang mit der wachsenden Bedeutung der Tierzucht ein Zunehmen verschiedener Arten des Phallus-Kultes zu beobachten ist. Bei den Stämmen der Kultur mit radialverzierter Keramik muß die Verehrung des Stiers eine große Bedeutung gehabt haben; dies zeigen die Gefäße mit sogenannten ansa lunata, deren Henkel die Form von Stierhörnern hatten. Der Fruchtbarkeitskult spielte allerdings weiterhin eine große Rolle; mit ihm hing unter anderem häufig anzutreffender Schmuck aus Muscheln zusammen. Als Gerät zur Vertreibung der bösen Geister, daneben sicherlich aber auch als Musikinstrument wurden Tonrasseln verwendet, wie man sie auf einem Fundplatz der Stichbandkeramik in Glinice, Kr. Dzierzoniöw, entdeckte. Beweise für Anthropophagie gibt es bei fast allen polnischen Donaukulturen. Die Menschen der damaligen Zeit wollten sich auf diese Weise bestimmte Kräfte und Eigenschaften ihrer Feinde oder auch hervorragender Mitglieder ihres eigenen Stammes einverleiben. Dieser Abriß über Produktionsweise, Siedlungen, Kunst und religiöse Lebenshaltung läßt den Schluß zu, daß am Beginn des Neolithikums bei den Trägern der hier behandelten Kulturen die Stammesorganisation vorherrschte. Sie wies eine Tendenz zur Herausbildung von Sippen auf, in denen die Frau eine besondere 35
Stellung einnahm. Vermutlich herrschte damals das Matriarchat. Mit dem Auftreten der Lengyelkultur änderte sich dann diese Lage; die schon in der vorhergehenden Zeit teilweise sichtbaren Risse im Gefüge vertieften sich. Die Stammesgruppen wurden nunmehr größer, die Gentilverfassung begann sich zu verändern. Die Stellung des Mannes gewann im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung, so daß wir hier wohl die Anfänge des Patriarchats zu suchen haben. Anthropologisch betrachtet waren in den donauländischen Stämmen der cro-magnoide, der mediterrane, der nordische, der lapponoide, der paläeuropide und der armenoide Typus vertreten. Wenn nicht alles täuscht, gehörten sie zur indoeuropäischen Sprachgrappe, welche sich unserer Kenntnis zufolge im Mesolithikum herausgebildet hatte.
36
III.
Die teilweise auf polnischem Boden neolithischen Stämme
entstandenen
Die Stämme der Trichterbecherkultur Die donauländischen Stämme haben nicht nur die Wirtschaft in den von ihnen besetzten polnischen Gebieten revolutioniert und einen Teil der dort seit langem ansässigen Bevölkerung assimiliert, sondern auch den Entwicklungsprozeß anderer benachbarter Stämme vorangebracht. Sie haben somit zum Fortschritt verschiedener Jäger- und Fischergruppen, insbesondere der Urheber der Trichterbecherkultur, wesentlich beigetragen. Über die räumliche Herkunft dieser Kultur gibt es in der Literatur unterschiedliche Ansichten. Überwog anfänglich die Meinung, daß ihre Träger von außen einwanderten, so wurde vor kurzem behauptet, daß deren Heimat nur in den nordwestlichen Gebieten Polens zu suchen sein könne. Neueste Untersuchungen jedoch, welche zum Teil auch auf polnischem Material basieren, machen es sehr wahrscheinlich, daß sich die Trichterbecherkultur auf einem viel größeren Territorium herausgebildet hat, als früher angenommen wurde. Für Polen würde dies bedeuten, daß neben dem Nordwesten auch die Mitte des Landes als Entstehungsgebiet in Betracht gezogen werden muß. Man könnte hier in einem gewissen Sinne von einer Fortsetzung der Kulturbeziehungen sprechen, welche in der mittleren Steinzeit zwischen einem Teil der polnischen Gebiete und verschiedenen Ländern Nordwesteuropas bestanden haben. Die große Anzahl von Fundplätzen läßt uns folgern, daß die Träger der Trichterbecherkultur hinsichtlich des demographischen Potentials zu den zahlreichsten unter den in unserem Bereich lebenden neolithischen Stämmen gehörten. Sie übertrafen in der Kopfzahl beispielsweise die Vertreter der bandkeramischen Kulturen bei weitem. Ihre Lebensweise führte dazu, daß sie ihre Wohnsitze häufiger als die donauländischen Stämme wechseln mußten. Daher ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß ein und dieselbe Menschengruppe, welche von Ort zu Ort zog, ihre Spuren auf mehreren uns heute bekannten Fundplätzen hinterließ. Dies ist sicherlich mit ein Grund dafür, daß Polen von Resten der Trichterbecherkultur gewissermaßen übersät scheint; wir finden sie sowohl auf guten wie auf schlechteren Böden. Man unterscheidet hierbei zwei Gruppen dieser Kultur: eine östliche und eine südliche (Abb. 27). Die östliche Gruppe weist drei Entwicklungsphasen auf, die Sarnowo-, die Wiorek- und die Lubonphase; sie hebt sich durch größere Primitivität besonders in der Keramik, aber auch in 37
anderen Bereichen von der südlichen deutlich ab. Diese ist von den donauländischen Stämmen weit stärker als die östliche beeinflußt worden, was sich nicht zuletzt im Vorhandensein einer ziemlich reichen figuralen Plastik zeigt. Auch manche Gefäßformen, beispielsweise jene mit Henkeln vom T y p ansa lunata (Abb. 35, links) waren ein Ergebnis dieses Einflusses, den wir uns jedoch als wechselseitigen Prozeß vorzustellen haben. Auch die jüngeren Donaukulturen nämlich weisen Spuren einer Einwirkung durch die Stämme der Trichterbecherkultur auf. Diese betrieben vorwiegend die Zucht von Haustieren und die Bodenbestellung im Hackbau; jedoch nahm auch das Sammeln noch einen wichtigen Platz ein.
Abb. 27
38
Verbreitungsgebiet der Trichterbecherkulturen in Polen. 1. Ostgruppe, 2. Südgruppe, 3 . - 4 . jüngere Phasen dieser Gruppen
Von geringerer Bedeutung, insbesondere in den jüngeren Entwicklungsphasen, waren dagegen bereits die Jagd und der Fischfang. Die bisher ungenügende Untersuchung vieler Siedlungen erlaubt noch keine präzisen Aussagen über den erreichten Stand der Tierzucht; nach dem letzten Kriege durchgeführte mehrjährige systematische Grabungen in Cmielöw, Kr. Opatow, einem Fundplatz in der Nähe des großen Bergwerks für gebänderten Feuerstein in Krzemionki, machen es jedoch wahrscheinlich, daß die Bevölkerung der südlichen Gruppe auch auf diesem Gebiet ein höheres Niveau als ihre Stammesgenossen in der östlichen aufwies. Vorgreifend will ich schon hier erwähnen, daß die Errichtung von befestigten Siedlungen vor allem dem Schutz der Haustiere dienen sollte, so wie zahlreiche Kunstwerke ein Beweis für den Vorrang der Tierzucht bei den meisten Stämmen dieser Gruppe sind. Gezüchtet wurde vornehmlich das kurzhörnige Hausrind (Bos taurus brachyceros), dessen Knochenreste in der Cmielower Siedlung über die Hälfte alles tierischen Fundmaterials ausmächen; das hochgewachsene Rind (Bos taurus primigenius) war von geringerer Bedeutung. Besonderen Wert legte man auf die jungen Stiere, da sie wohl als begehrte Handelsobjekte galten. Hinter dem Rind folgten das Schwein und der Haushund (Canis Inostranzewi). Letzterer wurde auch gegessen; sein Gehirn galt als Leckerbissen. Endlich wurden auch Schafe und Ziegen gehalten. Über die Technik der Bodenbestellung in jener Periode mangelt es uns bisher an direkten Zeugnissen; jedoch war sie wahrscheinlich sehr primitiv. Brandrodung und das Auflockern des Bodens mit der Hacke oder anderen Geräten waren sicher bekannt, wohl kaum jedoch schon, wie manche F o r s c h e r vermuten, der von Ochsen gezogene Hakenpflug. Ob das ganz aus Kupfer gefertigte in Bytyn, Kr. Szamotuly, gefundene Ochsengespann (Taf. 1) und die Darstellung von Ochsen mit Joch auf dem Henkel eines Gefäßes aus Kngznica Jara, Kr. Lublin, dieser Kultur angehören, ist zweifelhaft; aber selbst wenn das zuträfe, so könnte es sich in beiden Fällen um die Nachbildungen von Wagengespannen handeln. Daß der Wagen in jener Zeit bereits Verwendung fand, machen unter anderem ikonographische Quellen deutlich. Unter den Höhlenzeichnungen von Kamennaja Mogila am Fluß Molocnaja (UdSSR) sowie auf einer Steinplatte des Megalithgrabes in Züschen, Kr. Fritzlar-Homberg (BRD), stößt man auf Darstellungen von Ochsen im Joch, die einen zweirädigen Wagen ziehen; trotz der Schematisierung ist hier kein Zweifel möglich. Die Frage wird sich sicher anhand weiterer Untersuchungen klären lassen; jedoch dürfte sich auch, wenn die vereinzelte Anwendung des bespannten Hakenpfluges erwiesen werden sollte, kaum etwas an den oben getroffenen generellen Feststellungen ändern. Angebaut wurden verschiedene Weizenarten (Triticum vulgare; Triticum monococcum; Triticum dicoccum; Triticum vulgare compactum; Triticum spelta), ferner mehrzellige Gerste (Hordeum polystichum), Erbsen (Pisum sativum L.) und Flachs (Linum usitatissimum L.). Der Verzehr von Fischen (Abb. 28) und Wildbret wies je nach der Gegend Unterschiede auf; er war ebenfalls abhängig vom Entwicklungsniveau der einzelnen Gruppen. Man jagte damals hauptsächlich Auerochsen, Wisente, Bären, Elche, Wildschweine, Hirsche, Rehe, Tarpane, 39
Wölfe, Füchse, Dachse, Fischotter, Hasen, Marder und Biber, daneben einige Wildvögel wie Gänse, Enten, Waldhühner und Reiher. Auch das Fleisch von Schildkröten und einigen Schneckenarten wurde gegessen. Ein vielfach benutzter Rohstoff war das Holz. E s diente als Baumaterial und zur Erzeugung verschiedener Geräte, Waffen und Gefäße. Leider haben sich nur wenige der aus ihm gefertigten Gegenstände bis auf unsere Zeit erhalten. In Szlachcin, Kr. Sroda, Wojewodschaft Poznan, stieß man bei einer vor dem Kriege durchgeführten Grabung auf einen stark zerstörten Einbaum und zwei Bootsruder, von welchen das besser erhaltene einen Schaft von gleicher Länge wie das Blatt aufweist. Hölzerne Wasserfahrzeuge sind auch von anderen neolithischen
Abb. 28
Ümielöw, Kr. Opatow. Angelhaken aus Horn. Südgruppe der Trichterbecherkultur
Fundplätzen Europas her bekannt. Verarbeitet wurden weiterhin Stein, Horn und Knochen sowie Leder, Wolle und Flachs; auch das Kupfer war von gewisser Bedeutung. Der große Bedarf an Stein zur Erzeugung verschiedener Geräte- und Waffenarten führte schließlich dazu, daß es damals zu einer Art Spezialisierung bei seiner Gewinnung und Bearbeitung kam. Wenn an dem Abbau gebänderten Feuersteins bei Krzemionki am Fluß K a mienna, Kr. Opatow, Wojewodschaft Kielce, auch Stämme der Kugelamphorensowie der Schnurkeramikkultur beteiligt waren, so wurde er doch hauptsächlich von solchen der Trichterbecherkultur betrieben. Feuersteinbergwerke waren in der damaligen Periode keine Seltenheit mehr; allein aus Polen — und hier vornehmlich aus der Wojewodschaft Kielce — sind uns einige Dutzend bekannt. Krzemionki gehört jedoch zu den am besten erhaltenen Objekten dieser Art, und es ist gleichzeitig das größte, welches auf den Jura- und Trias-Ablagerungen im Süden unseres Landes bisher gefunden wurde. Sein Grubenfeld, gegenwärtig ein archäologisches Reservat, erinnert in der Form an einen riesigen Hirtenstab; es ist etwa 4 km lang und hat eine Breite von 20 bis 50 m, im Norden teilweise 40
auch etwas über 100 m. Es wurde 1922 entdeckt, und seit der Aufnahme systematischer Untersuchungen im Jahre 1925 konnten bereits über 1000 Bergschächte (Trichter) gesichert werden. Während der ganzen langen Zeit, da das Bergwerk bestand, blieb das Abbauverfahren unverändert, was einen Begriff von den stabilen Gepflogenheiten in diesem Erwerbszweig gibt. Hier hatte sich höchstwahrscheinlich bereits eine gewisse Spezialisierung herausgebildet, und die gesammelten Erfahrungen wurden von Generation zu Generation weitergereicht. Der Abbau wurde erst dann eingestellt, als der Feuerstein für die Erzeugung von wichtigen Arbeitsgeräten keine Rolle mehr spielte. Zahlreiche Beobachtungen zeigen, daß der Bau eines Bergwerkes mit Strecken und Gängen erst dann erfolgte, wenn die Gewinnung des Minerals im Tagebau nicht mehr möglich war. Es wurden Schächte von einigen Metern Durchmesser auf eine Tiefe von 4 bis 10 m abgeteuft. Etwas über der Schachtsohle trieb man in verschiedenen Richtungen Strecken voran, welche den oft nicht sehr mächtigen Feuersteinadern folgten (Abb. 29). Sie waren gewöhnlich nicht mehr als 60 cm hoch, so daß nur gebückt oder liegend gearbeitet werden konnte. Ihre Länge erreichte 30 m und richtete sich nach der Ergiebigkeit der Lagerstätte; je mehr Feuerstein es gab, desto länger und weiter waren sie. Es gelang, Kammern festzustellen, deren Ausmaße 12 X 18 m betrugen. Zur Sicherung gegen Einsturzgefahr wurden Pfeiler im Gestein stehengelassen; im Grubenausbau gab es überdies speziell aus Kalksteinbrocken trocken verlegte Abstützungen. Viele abgebaute Strecken wurden mit taubem Gestein bis zum Hängenden versetzt. Zur Versorgung mit Frischluft und zur Abführung der schlechten Wetter dienten rechteckige (teilweise auch anders geformte) Öffnungen (Abb. 30), welche paarweise angebracht waren. Die kleinere mit einer Abmessung von ca. 15 x 30 cm befand sich am First, die zweite, etwa doppelt so große, an der Sohle des Baus. Als Beleuchtung verwendete man den Kienspan sowie feste und bewegliche Öllampen. Wie gut die Kenntnis von den Eigenschaften des hier gewonnenen Rohstoffes war, beweist die Tatsache, daß dort, wo man auf eine entsprechende Lagerstätte stieß, diese ganz ausgebeutet wurde. Vor Abschluß des Abbaus wurden an solchen Stellen sogar die Feuersteinknollen aus den Pfeilern unter entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen herausgeschält. Adern mit minderwertigem Feuerstein ließ man beim Vortrieb beiseite. Die Bergleute bedienten sich ziemlich primitiver Werkzeuge aus Holz, Geweih und Stein. Holz wurde auch für den Ausbau, nämlich zur Abstützung der Firste verwendet. Wie die Niederfahrt und die Förderung des Haufwerks vor sich gingen, ist bis heute leider noch unbekannt. Die Arbeit in einem solchen Bergwerk war voller Gefahren. Deshalb trachtete man unabhängig von allen Sicherheitsmaßnahmen auch danach, sich vor der Einwirkung böser Mächte zu schützen und das Wohlwollen der guten Geister zu gewinnen. Hierzu sollten verschiedene religiöse und magische Verrichtungen dienen, welche auf primitiven Holzkohlezeichnungen, die mehrfach an den Wänden des Bergwerks zu sehen sind, festgehalten wurden. Sie sollen unten bei der Erörterung des Glaubens und der Kunst näher betrachtet werden. 4
Hensel
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Abb. 29
Krzemionki, Kr. Opatöw. Die in den Jahren 1958 — 1961 untersuchten Schacht- und Streckenabbauräume. Die Schächte Nr. 2 und Nr. 3 wurden in den Jahren 1928 — 29 enttrümmert, der damals unternommene Versuch ihrer Absicherung mißlang. 1. Kalkfelsen und Abbaustoß, 2. eingebaute Pfeiler anstelle der beim Konservationsversuch im Jahre 1953 zerstörten, 3. unberührter Trümmerschutt aus dem Neolithikum in den im Altertum ausgebeuteten Strecken, 4. Trümmerschutt, der während der Untersuchungen in den Jahren 1958 — 1960 beseitigt wurde, 5. Fahrstrecken der neolithischen Bergleute, die keinen oder nur wenig Trümmerschutt aufweisen, 6. vor Ort, der Arbeitsplatz des Hauers am letzten Arbeitstag, 7. die Stelle mit Kohlezeichnungen auf der Wand, 8. Umrisse der kleinen Grubenschächte (Nr. 20, 3 a und 3 b wurden nicht enttrümmert, sondern nur ihr Vorhandensein festgestellt), 9. trockener Kalksteinversatz zur Absicherung der Firste während der Untersuchungen in den Jahren 1958 — 59, 10. die Stelle, an der größere Mengen von Holzkohle aus Kienspänen gefunden wurde; nach Untersuchungen von T. 2urowski
Wie lange in Krzemionki Feuerstein abgebaut wurde, ist nicht genau bekannt; die Schätzungen reichen von 200 bis zu 700 Jahren. Insgesamt sollen jedoch 24150000 Rohstücke gewonnen worden sein. Diese Zahl kommt zustande durch die Vermutung, daß die noch nicht untersuchten Schächte in demselben Grad wie die erforschten ausgebeutet worden sind und damit eine ähnliche Menge von Kammern und Strecken aufwiesen. J e nach dem, ob man eine längere oder kürzere Nutzungsdauer des Bergwerks voraussetzt, kommt man aufgrund dieser Angabe zu einer mehr oder weniger großen Aktivität des damaligen Bergbaus. Bei 600 Jahren Abbau hätte die jährliche Förderung circa 42500 Rohknollen betragen, bei nur 200 Jahren jedoch 120000. Da in jener Zeit vermutlich nur in der Saison, das heißt 120 Tage im J a h r gearbeitet wurde, kann bei entsprechender
Abb. 30
Krzemionki, Kr. Opatöw. Oberes Luftloch im Schacht 2
Umrechnung die tägliche Fördermenge im ersten Fall mit etwa 330 Stück, im zweiten mit 1000 Stück angegeben werden. Die Anwendung experimenteller Methoden wird es in Zukunft wahrscheinlich möglich machen, die Arbeitsproduktivität eines damaligen Bergmanns auf andere Weise näher zu bestimmen und auch die Größe der Mannschaft, die bei der Förderung sowie der Bearbeitung der Halbprodukte beschäftigt war, festzustellen. Das, was wir über die Förderung von Feuerstein im Tagebau und unter Tage wissen, weist insgesamt darauf hin, daß die Menschen der Trichterbecherkultur über ein hohes praktisches Wissen von den physikalischen Eigenschaften dieses Minerals sowie über bedeutende technische Erfahrungen verfügten, welche ihnen die erfolgreiche Durchführung so schwieriger Arbeiten erlaubten. Größere Untersuchungen der archäologischen Fundplätze in der Nähe des Bergwerks, die in den letzten Jahrzehnten angestellt wurden, legen darüber hinaus mit größerer Sicherheit als früher die Annahme nahe, daß der gewonnene Rohstoff in einer Reihe von umliegenden Werkstätten bearbeitet und vorwiegend in Halbfabrikate verwandelt wurde. Wir wiesen bereits darauf hin, daß das Bergwerk sicherlich nicht nur von der dort ansässigen Bevölkerung, sondern auch von weit entfernten Stämmen genutzt wurde, welche seinetwegen große Wanderungen unternahmen. Unter ihnen aber dürfte es bestimmt nicht an Spezialisten gemangelt haben, die hohe Fertigkeiten auch auf diesem Gebiet aufwiesen. Daß Feuersteinbergwerke damals in verschiedenen Ländern Europas bekannt waren, wurde gleichfalls schon erwähnt. Man sieht hieran, wie verbreitet der Bergbau in jener Zeit bereits war, und ich halte es daher für etwas vorschnell, von einem Handel mit Feuerstein im Neolithikum zu sprechen, ohne gleichzeitig die Möglichkeit von sogar sehr ausgedehnten Expeditionen zur Gewinnung dieses Rohstoffes in Betracht zu ziehen. Das weite Verbreitungsgebiet der Beile aus gebändertem Feuerstein dürfte solche zur Genüge deutlich machen; aber auch aus den Funden in Krzemionki selbst kann man sie erschließen. Unter verschiedenen anderen Werkzeugen der Bergleute stieß man dort nämlich auch auf Exemplare aus Gabbro und Basalt, zwei Steinarten, welche in Schlesien begegnen. Diese Werkzeuge gelangten nicht durch den Handel hierher; sie wurden ohne Zweifel von wandernden Stämmen mitgebracht. Wie der dänische Forscher C. J . Becker feststellen konnte, wurden auch von den nördlichen Gebieten der skandinavischen Halbinsel her Expeditionen zur Beschaffung von Feuerstein unternommen, welche die Gewinnungsstätten in Jütland zum Ziel hatten. Mit primitiven Booten legten ihre wagemutigen Teilnehmer eine Entfernung zurück, die auf einer Strecke rund 1500 km und insgesamt gerechnet also das Doppelte betrug. Ähnliches ist uns auch aus zeitgenössischen ethnographischen Quellen Afrikas bekannt. Jene Züge dienten entweder dazu, bei den einheimischen Bergleuten Halberzeugnisse zu erwerben, oder man beschäftigte sich, wie gesagt, selbst mit der Gewinnung des wertvollen Rohstoffes. Im Zusammenhang damit kam es nicht selten vor, daß sich die ansässigen Gruppen mit den keramischen Erzeugnissen bekannt machten, welche die Zuwandernden mitbrachten und häufig auch zurückließen, so daß die gegenseitige
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Kenntnis der kulturellen Errungenschaften verschiedener Entwicklungsstufen ein Xebenergebnis des Auftauchens der fremden Stämme war. W a s die Besitzverteilung angeht, so befand sich nicht das gesamte Grubenfeld, sondern stets allein die im A b b a u befindliche Einheit in der H a n d der dort Tätigen; nur unter dieser Bedingung nämlich war eine Nutzung durch mehrere Gruppen möglich. E s gab damals wohl k a u m ein Eigentumsrecht an derartigen Objekten: sollte dies aber doch der F a l l gewesen sein, so sah es vermutlich ganz anders aus als bei den landwirtschaftlich genutzten Einheiten.
Abb. 3 1
Cmielöw, K r . Opatöw. Verschiedene Flintartefakte der Südgruppe der Trichterbeclierkultur. Links — ein Feuersteinknollen, aus dem Späne für die Erzeugung verschiedener Geräte gewonnen wurden
Auf eine ähnliche Weise wie die hier geschilderte beschafften sich die Stämme der Trichterbecherkultur auch andere Arten von Feuerstein, die sie zur Herstellung von Werkzeugen benötigten. Genannt seien hier der weiß gesprenkelte Stein von der mittleren Weichsel (Fundstellen: Swieciechöw und R a c h ö w , Kr. Krasnik), der schokoladenfarbene aus dem mittleren Teil der Wojewodschaft K i c k e , der gelbe aus Rügen, der graue aus Kleinpolen (B^blo, K r . K r a k o w ) sowie der schwarz-grau gebänderte aus dem westlichen Wolhynien. Verarbeitet wurden ferner die erratischen Feuersteinblöcke der Ostseekiiste sowie kristallines und Sedimentgestein. A u s all diesem Material erzeugte man Arbeitswerkzeuge und W a f f e n (Abb. 3 1 ) . 45
Unter diesen begegnet am häufigsten das vierkantige, polierte, stumpfnackige Beil; jedoch waren auch dünnackige Beile mit linsenförmigem Querschnitt in Gebrauch. Sie erinnern an Artefakte aus den nordwestlichen Gebieten der Trichterbecherkultur: aus Südskandinavien und Norddeutschland. Bekannt sind außerdem Beile, die einen achteckigen Querschnitt besitzen, sowie Äxte mit Schaftlöchern. Einige Hiebwerkzeuge haben große Ähnlichkeit mit denen anderer Kulturen sowie mit gleichartigen Kupfererzeugnissen; zu ihnen gehören Äxte mit hammer- oder knaufartigem Bahnende. Weiterhin existieren meißelartige
Abb. 32
Ömielöw, Kr. Opatöw. Fragmente tönerner Schmelztiegel für Kupfer. Südgruppe der Trichterbecherkultur
Feuersteinwerkzeuge sowie verschiedene Arten von Schabern; auch Teile von Sägen, Bohrern, Sicheln und Messern wurden gefunden. Kampf- und Jagdwerkzeuge waren außer den Beilen die Keulen mit steinernem K n a u f ; sie deuten hin auf Beziehungen zum nahen Osten und stellten wahrscheinlich Symbole der Macht dar. Auch Bogen und Pfeile mit zunächst trapezförmigen, später dreieckigen oder herzförmigen Spitzen dienten als Waffen. Über die Kupfererzeugung bei den Stämmen der Trichterbecherkultur sind wir bisher nur schlecht informiert. Erst eine nach dem Kriege in Cmielöw, Kr. Opatöw, durchgeführte Grabung förderte diesbezüglich einen geschlossenen Fund zutage (Abb. 32), aus dem hervorging, daß die südlichen Gruppen verschiedene Gegenstände aus Kupfer herzustellen verstanden. Zweifellos wurde diese Fähigkeit aus dem Süden oder dem Südosten übernommen, ebenso wie manche Axttypen, welche teilweise in Stein nachgeahmt wurden. Der genannte Fund zeigt, daß aus Kupfer Beile, Meißel und Ahlen gefertigt wurden; jedoch hat dieses Metall im allgemeinen hier wohl nur eine geringe Rolle gespielt. Von weit größerer Bedeutung als Rohstoff waren Horn und Knochen. Aus ihnen wurden Arbeits- und Kampfgeräte, nämlich Hacken, Keilhauen, Keile, 46
Meißel und Ahlen sowie Dolche und Speere mit spindelförmigen Spitzen hergestellt. Leider hat sich hierzu nur weniges erhalten, da die Bodenbedingungen dies selten begünstigten. Ungewiß ist die Funktion der in Cmielöw, K r . Opatow, gefundenen, etwa 33 cm langen und teilweise verzierten spateiförmigen Erzeugnisse aus Horn; sie könnten Rangabzeichen gewesen sein. Über das Weben und die Bearbeitung von Häuten und Fellen ist wenig zu sagen. Zur Erzeugung von Webstoffen dienten sicherlich Schafwolle und Flachs, daneben vielleicht auch andere wildwachsende Pflanzen. In verschiedenen Siedlungen wurden Spinnwirtel ausgegraben; auch fand man in Grödek Nadbuzny
Abb. 33 Kruszwica, Kr. Inowroclaw. Teilweise rekonstruiertes Tongefäß der Trichterbecherkultur, Ostgruppe und Cmielow Webgewichte, die beweisen, daß damals senkrechte Webstühle in Gebrauch waren. Werkzeuge aus Feuerstein, Knochen und Horn dienten zur Behandlung der Tierhäute, aus denen man Bekleidung und außerdem verschiedene Hausgeräte, beispielsweise Ledergefäße, herstellte. Die Keramik wurde das ganze Neolithikum hindurch (und weiter bis zur Latenezeit) mit der Hand aus Tonwülsten geformt und in primitiven Öfen, welche sich von den Kochherden kaum unterschieden, gebrannt. Beide Gruppen unserer Kultur wiesen teils gemeinsame Gefäßformen mit nur unwesentlich abgewandelten Einzelheiten (Kragenflaschen, Trichterbecher), teils unterschiedliche Typen auf, die ihre Herausbildung verschiedenen äußeren Einflüssen verdankten. In der Ostgruppe finden sich „strengere" Formen, durch welche die Tektonik der Gefäße besonders unterstrichen wurde (Abb. 33); recht häufig treten Verzierungen auf, die sich jedoch auf eingedrückte und häufig inkrustierte Ornamente 47
Abb. 34
Cmielöw, Kr. Opatöw (Fundplatz Gawroniec). Keramik der Südgruppe der Trichterbecherkultur
beschränken. In der Südgruppe sind die Übergänge zwischen den einzelnen Gefäßpartien sanfter (Abb. 34; 35); hier macht sich deutlich der Kontakt zu den donauländischen Kulturen bemerkbar. Verzierungen wurden seltener angewandt, aber abwechslungsreicher gestaltet. Typisch für diese Gruppe sind Mondhenkelbecher (ansa lunata) sowie Gefäße, deren Henkel Tiergestalten oder -köpfen, zuweilen auch Menschen plastisch nachgebildet sind (Taf. 2 ; Abb. 37). Exemplare mit schräg gemalten Streifen sind wohl auf eine Einwirkung der Lengyelkultur zurückzuführen. Aus Ton wurden weiterhin Spinnwirtel und Webgewichte sowie Miniaturbeile angefertigt. Welche Funktion diese letzteren — die übrigens auch aus anderen
Abb. 35 48
Cmielöw, Kr. Opatöw (Fundplatz Gawroniec). Gefäße der Südgruppe der Trichterbecherkultur
Rohstoffen hergestellt wurden — erfüllten, ist unbekannt; man nimmt an, daß sie als Kinderspielzeug dienten oder Kultsymbole waren. Da die Stämme der Trichterbecherkultur fast alles, was sie im Haushalt benötigten, selbst herstellten, spielte der Austausch für sie keine wesentliche Rolle. Nichtsdestoweniger zwang sie die ungleichmäßige Verteilung mancher Rohstoffe dazu, Fehlendes auf diesem Wege zu ergänzen. Es muß daher auch einen Wertmesser gegeben haben, der die Grundlage für den Austausch bildete. Daß dem so war, beweisen die Hortfunde. Zu erwähnen sind hier die aus Feuersteinspänen und -beilen bestehenden Schätze von Dodöw, Kr.Proszowice, sowie große Brocken von Harzmasse, die man damals unter anderem zur Reparatur von Gefäßen oder als Klebemittel zur Befestigung der Pfeilspitzen verwendete. Auch Verwahrfunde von Kupfergegenständen, etwa der aus Bytyn, Kr. Szamotuly, hängen vielleicht mit der Trichterbecherkultur zusammen. Sicher hatte der Austausch vorwiegend lokalen Charakter und ging somit zwischen benachbarten Gruppen vor sich. Zwar gelangten, wie wir sahen, auch Impulse aus entfernten Regionen hierher, jedoch geschah dies auf indirektem Wege; eine Rolle spielten dabei auch Verschiebungen bestimmter Gruppen, welche in dem Maße, wie sie sich von ihrem Ursprungsland entfernten, ihre alten Kulturmerkmale verloren und neue gewannen. Auf diese Weise lassen sich die lebendigen Beziehungen zwischen der Südgruppe der Trichterbecherkultur und der östlichen Mittelmeerwelt erklären. Fundstücke, die einen Austausch bezeugen, sind Bernstein von der Ostseeküste, Nephrit und Serpentin aus Schlesien und Wolhynien sowie viele andere Feuersteinsorten, ferner Kupfer, das auch in Gestalt von Fertigerzeugnissen (Werkzeug, Schmuck, wohl auch Kultfiguren) aus dem Süden oder dem Südosten hierhergelangte. In welchem Ausmaß das Salz in den Austausch einbezogen war, ist unbekannt; Vieh spielte dagegen, wie die in großer Menge in Cmielöw, Kr. Opatow, entdeckten Knochen junger Stiere vermuten lassen, sicher eine Rolle. Die Siedlungen lagen in der Nähe von Gewässern, wobei, wie das Beispiel von Poznan zeigt, die Gebiete an den Nebenflüssen größerer Ströme sehr beliebt waren. Während des Sommers hielt man sich manchmal in Lagern unter freiem Himmel auf. Befestigte Siedlungen fand man bislang ausschließlich im Bereich der Südgruppe; sie waren mit Zäunen aus Holzpfählen und Spitzgräben versehen, möglicherweise auch mit Erdwällen. Diese Befestigungen sollten hauptsächlich dem Schutz der Haustiere dienen. Eine Siedlung von solchem Typ, Grödek Nadbuzny, Kr. Hrubieszöw, dehnte sich auf einer reichlich 10 ha großen Hochfläche aus. Die Anzahl der Häuser konnte bisher noch nicht ermittelt werden; es wurde durch erste Untersuchungen lediglich festgestellt, daß die Kulturschicht mit Resten aus jener Zeit das ganze Gelände bedeckt. In den befestigten und den offenen Ansiedlungen fanden sich Behausungen von verschiedener Art und Größe (Abb. 36). Die Bevölkerung lebte teilweise in Wohngruben; daneben gab es aber auch halb eingetiefte und ebenerdige Häuser. Die kleineren von ihnen hatten Abmessungen von 3 , 3 x 4 bis 4 x 5 m; manche erinnern in ihrer Form an Wohnhütten. Größere Häuser wiesen mitunter eine Wandlänge von 10—15 m auf. Sie begegnen bei der östlichen Gruppe (Zar§bowo, 49
Kr. Aleksandröw Kujawski) und noch häufiger bei der südlichen, beispielsweise in Zawichost, Kr. Sandomierz. Bei der Grabung von Cmielow, Kr. Opatow, erwiesen sie sich als halb eingetieft und von mehreren Familien bewohnt; zur selben Zeit benutzte man hier Wohngruben für je eine Familie. Darauf, daß diese großen Wohnbauten bei den Stämmen der Trichterbecherkultur vermutlich allgemein verbreitet waren, lassen die in ihrem Inneren anzutreffenden großen trapezförmigen oder dreieckigen Grabhügel schließen, welche sicherlich- eine Nachahmung der alten Behausungen bildeten. Von ihnen wird später noch die Rede sein. Die Wände der ebenerdigen Häuser bestanden aus dicht nebeneinander stehenden Pfosten sowie aus Rutengeflecht. Auch hier ist eine Beeinflussung durch
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Abb. 36 Nosocice, Kr. Glogow. Pfostenhaus
die donauländischen Stämme nicht von der Hand zu weisen. Daß man wohl ferner bereits den Holzverband auf Nut und Feder anwendete, zeigt eine Kammer aus Gaj, K r . Kolo, die wohl Kultzwecken diente und bei irgendeiner Feier niederbrannte. Die Funde aus Grödek Nadbuzny weisen darauf hin, daß die dortigen Häuser Wände aus Flechtwerk und Lehmbewurf hatten und mit plastischen geometrischen Ornamenten verziert waren. An anderen Stellen dürfte man sie bemalt und ihre Giebel aus magischen Gründen mit Tierköpfen versehen haben. In den südlichen Gebieten sind kuppeiförmige Öfen eine häufige Erscheinung. In Cmielow, K r . Opatow, stieß man auf große Silos zur Lagerung von Getreide; sie waren in den Boden eingetieft und mit einem Dach überdeckt, das auf Pfosten ruhte. Ihr Durchmesser betrug 3 m, ihre Tiefe über 1,5 m. Auch wurden manchenorts Brunnen gegraben und mit Holz ausgekleidet; man fand ihre Spuren in Kokorzyn, K r . Koscian, und in Swi^tniki, Kr. Radziejow Kujawski. Ich habe bereits erwähnt, daß die Kunst bei den Stämmen der östlichen und der südlichen Gruppe deutliche Unterschiede in den Ausdrucksformen zeigte. Die östlichen Stämme verzierten ihre Gefäße häufiger, jedoch immer wieder mit den gleichen Motiven, welche in einfachen geometrischen Mustern angeordnet wurden (Abb. 33). Das geschickte Unterstreichen der Tektonik und die das ganze Gefäß belebenden Inkrustationen zeugen von ihrem großen Schönheitssinn. 50
Anders verhält sich die Sache bei der südlichen Gruppe: hier finden wir neben geometrischen Anordnungen und Inkrustationen (Abb. 35) sowie sporadischer Bemalung auch Darstellungen von Himmelskörpern und verschiedenen Tieren, insbesondere von Stieren und Widdern (Tai. 2). Antropomorphe Figuren (Abb. 37) kommen seltener vor. Die Darstellungsweise ist alles in allem sehr weit gespannt: manche Gefäßhenkel kann man deutlich als Widderfiguren identifizieren (wobei hauptsächlich der Kopf, daneben oft auch ein Teil des Körpers ausgeführt wurde), andere jedoch sind derart stilisiert, daß man kaum herausfinden kann, um welches Tier es sich handeln soll. Auch die Deutung der nicht seltenen halbmondförmigen Henkel (Abb. 35) wird durch die eben genannte Manier erschwert. Ihre wissenschaftliche Bezeichnung „ansa lunata" resultiert
Abb. 37
Kreznica J a r a , K r . Lublin. Gefäßhenkel in Form einer Frauenfigur (von vorn), Südgruppe der Trichterbecherkultur
aus der Annahme, daß der ab- oder zunehmende Mond für sie als Modell diente; jedoch ist hier — was mit dem bisher über die Tierdarstellungen Gesagten sehr gut zusammenpassen würde — wohl eher an Stierhörner als Vorbild zu denken. Ein sprechendes Beispiel für die großen Fähigkeiten jener Bevölkerung auf dem Gebiet der Skulptur ist die sehr realistisch modellierte Widderfigur aus Jordanöw, Kr. Dzierzoniow (Abb. 38). Vereinzelt begegnen schließlich auch schematisch in Ton dargestellte Frauenfiguren. Die mit Kienspankohle ausgeführten Zeichnungen in dem oft erwähnten Feuersteinbergwerk von Krzemionki sind charakteristisch für die gesamte Südregion der Trichterbecherkultur. Da sie sich an den Ausstrichen in verschiedenen Schächten finden, ist anzunehmen, daß wir es bei dieser Malerei nicht mit einer einmaligen Erscheinung zu tun haben; sie wurde wohl Jahrhunderte hindurch ausgeübt und ist somit für die Art und Weise der Präsentation verschiedenster Vorstellungen typisch. Was hier überdauert hat, ist gewiß nur ein 51
Abb. 38
Abb. 39
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Krzemionki, Kr. Opatöw. dem Feuersteinbergwerk „auf dem T h r o n " und vor Strecke 13, auf dem Pfeiler
Jordanöw Sl^ski, K r . Dzierzoniow. Widderfigur aus Ton, Höhe 33 cm. Südgruppe der Trichterbecherkultur
Mit Kohle gezeichnetes Felsbild (H. 1 1 cm) in — stellt wahrscheinlich eine Frauengottheit ihr anthropomorphe Gestalten dar. Schacht 2, am Wetterschacht
Bruchteil der künstlerischen Betätigung jener Menschen; ihre hervorragendsten Werke dürften in Holz geschaffen worden sein, weshalb sie sich leider nicht bis auf unsere Zeit erhalten haben. Die Zeichnungen von Krzemionki zeigen an verschiedenen Stellen einen gewissen Schematismus, von dem es jedoch verfehlt wäre, ihn mit dem Unvermögen ihrer Schöpfer erklären zu wollen, denn die oben behandelten Tierfiguren aus Ton zeugen zur Genüge von der Fähigkeit zur realistischen Darstellung in jener Zeit. E r ist wohl eher, wie ich glaube, das Ergebnis der allgemeinen Normen, welche in den damaligen Gemeinschaften galten. Dargestellt wurden die Magna Mater auf dem Thron (Abb. 39) sowie verschiedene
Abb. 40
Pietrowice Wielkie, Kr. Racibörz. Urnengrab. Trichterbecherkultur
Menschengestalten oder deren Teile (als pars pro toto); der Sinn vieler anderer Figuren kann nur vermutet werden. Oft deuten diese ausdrücklich auf Beziehungen hin, die zur östlichen Mittelmeerwelt bestanden haben müssen und wohl über Mähren oder die Slowakei bis in jenes Gebiet vermittelt wurden. Daß die Zeichnungen nicht einem ästhetischen Verlangen ihre Entstehung verdankten, sondern streng mit der Glaubenswelt der damaligen Bevölkerung verknüpft waren, braucht wohl nicht extra betont zu werden. Unterschiede, welche zum Teil von gewissen Einwirkungen anderer Kulturströmungen herrühren, lassen sich auch in der Bestattung der Toten feststellen. Ganz allgemein gesehen kommen zwei Arten von Gräbern vor: Brandgräber (Abb. 40) und Skelettgräber. In letzteren wurden die Leichen anfänglich in gestreckter Rückenlage bestattet; später kam die Beisetzung mit zusammengekrümmten Gliedern in Gebrauch. Zu jener Zeit findet man in verschiedenen Teilen Europas eine Tendenz zur Bestattung der Toten in Gräbern aus großen 53
Abb. 41
Wietrzychowice, Kr. Kolo, Grab vom kujawischen Typ der Trichterbecherkultur
Steinblöcken, den sogenannten Megalithgräbern; sie pflanzte sich entlang der Atlantikküste bis nach Norddeutschland, Skandinavien und Polen fort. Hier wurde sie jedoch nur von einem Teil der Stämme übernommen, und was diese dazu bewogen hat, ließ sich bisher nicht klären. Daß das an Bedeutung zunehmende Patriarchat dafür eine Rolle spielte, scheint jedoch keinem Zweifel zu unterliegen. Die Grabformen wurden beim Vordringen dieses Brauches von West nach Ost nicht sklavisch übernommen; ihr unterschiedliches Aussehen fällt gerade auch in den verschiedenen Gebieten Polens ins Auge. Übrigens gibt es hier Megalithgräber in ursprünglicher Gestalt allein im nördlichen und mittleren 54
Landesteil; der Süden weist sie nur in einer degenerierten Form auf. Der größte Typenreichtum läßt sich in Westpommern feststellen. Anscheinend ist die in Polen zu beobachtende Andersartigkeit auf die Tatsache zurückzuführen, daß diese Gräber, generell genommen, die Form der damals hier benutzten Häuser nachahmten. Imposante Megalithgräber haben wir in Kujawien: manche davon erreichen eine Länge von 130 m, eine Breite von 15 m und eine Höhe von 3 m (Abb. 41). In ihrem Inneren befinden sich die Skelette einer oder auch mehrerer, zu verschiedenen Zeiten beerdigter Personen. Neben der Anlage von Gräberfeldern sind uns auch Beispiele dafür bekannt, daß Tote in alten Behausungen (Wohngruben) vergraben wurden. Mit der Bestattung waren verschiedene Feierlichkeiten und magische Handlungen verbunden. Wir wissen von Trauermahlzeiten am Grabe, bei denen es teilweise zu Kannibalismus kam. Der Tote erhielt verschiedene Grabbeigaben; da man sich vor ihm schützen wollte, wurden ihm manchmal die Gliedmaßen abgetrennt und in den Mund oder unter den Kopf gelegt (Las Stocki, Kr. Pulawy). Wie einige der oben erwähnten Funde deutlich machen, scheint insbesondere bei der Südgruppe der Fruchtbarkeitskult in hoher Blüte gestanden zu haben. Gleiches gilt für den aus dem östlichen Mittelmeerraum übernommenen Kult der Streitaxt. Von seiner Bedeutung zeugen die Miniaturen aus Ton oder Kupfer, wohl auch aus Bernstein, die unter den Funden der Trichterbecherkultur begegnen. Der hier und da auftretende Kannibalismus sollte einer Kräftigung des Stammes dienen. Schließlich muß, wieder besonders in der südlichen Gruppe, die Verehrung der Mutter Erde recht verbreitet gewesen sein. Wir dürfen vermuten, daß sie gegenüber früheren Perioden einen anderen Charakter angenommen und sich organisch mit dem Fruchtbarkeitskult verbunden hatte, in welchem nun infolge des Patriarchats männliche Elemente eine größere Rolle spielten. Auf diesem Gebiet sind die Verknüpfungen mit den großen Kulturzentren im mediterranen Raum sehr deutlich. Aus welchen Rassenelementen sich die Bevölkerung der Trichterbecherkultur zusammensetzte, ist nicht näher bekannt. Wir wissen allein, daß zu ihr auch nordisch-mediterrane Mischlinge von niedrigem Wuchs (ca. 155 cm) gehörten. Fast bis zum Ende des Äneolithikums lebten die hier behandelten Stämme als eigenständige Gemeinschaften auf polnischem Boden. Viele Funde zeugen von ihrer Bedeutung für die Geschichte der Jungsteinzeit und vom Weiterleben einzelner ihrer Elemente in späteren Perioden. Ethnisch gesehen gehörten sie nicht zur indoeuropäischen Gruppe. Ein Teil von ihnen wurde biologisch von den späteren Bewohnern Polens aufgesaugt und leistete einen nicht geringen Beitrag zur weiteren Entwicklung des Landes.
Die Stämme der Kugelamphorenkultur Viele archäologische Zeugnisse beweisen, daß zwischen den Stämmen der Trichterbecherkultur und den zeitgleichen jüngeren Gruppen der Kugelamphorenkultur eine nahe Verwandtschaft bestanden haben muß (Abb. 42). Wir finden letztere
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Landesteil; der Süden weist sie nur in einer degenerierten Form auf. Der größte Typenreichtum läßt sich in Westpommern feststellen. Anscheinend ist die in Polen zu beobachtende Andersartigkeit auf die Tatsache zurückzuführen, daß diese Gräber, generell genommen, die Form der damals hier benutzten Häuser nachahmten. Imposante Megalithgräber haben wir in Kujawien: manche davon erreichen eine Länge von 130 m, eine Breite von 15 m und eine Höhe von 3 m (Abb. 41). In ihrem Inneren befinden sich die Skelette einer oder auch mehrerer, zu verschiedenen Zeiten beerdigter Personen. Neben der Anlage von Gräberfeldern sind uns auch Beispiele dafür bekannt, daß Tote in alten Behausungen (Wohngruben) vergraben wurden. Mit der Bestattung waren verschiedene Feierlichkeiten und magische Handlungen verbunden. Wir wissen von Trauermahlzeiten am Grabe, bei denen es teilweise zu Kannibalismus kam. Der Tote erhielt verschiedene Grabbeigaben; da man sich vor ihm schützen wollte, wurden ihm manchmal die Gliedmaßen abgetrennt und in den Mund oder unter den Kopf gelegt (Las Stocki, Kr. Pulawy). Wie einige der oben erwähnten Funde deutlich machen, scheint insbesondere bei der Südgruppe der Fruchtbarkeitskult in hoher Blüte gestanden zu haben. Gleiches gilt für den aus dem östlichen Mittelmeerraum übernommenen Kult der Streitaxt. Von seiner Bedeutung zeugen die Miniaturen aus Ton oder Kupfer, wohl auch aus Bernstein, die unter den Funden der Trichterbecherkultur begegnen. Der hier und da auftretende Kannibalismus sollte einer Kräftigung des Stammes dienen. Schließlich muß, wieder besonders in der südlichen Gruppe, die Verehrung der Mutter Erde recht verbreitet gewesen sein. Wir dürfen vermuten, daß sie gegenüber früheren Perioden einen anderen Charakter angenommen und sich organisch mit dem Fruchtbarkeitskult verbunden hatte, in welchem nun infolge des Patriarchats männliche Elemente eine größere Rolle spielten. Auf diesem Gebiet sind die Verknüpfungen mit den großen Kulturzentren im mediterranen Raum sehr deutlich. Aus welchen Rassenelementen sich die Bevölkerung der Trichterbecherkultur zusammensetzte, ist nicht näher bekannt. Wir wissen allein, daß zu ihr auch nordisch-mediterrane Mischlinge von niedrigem Wuchs (ca. 155 cm) gehörten. Fast bis zum Ende des Äneolithikums lebten die hier behandelten Stämme als eigenständige Gemeinschaften auf polnischem Boden. Viele Funde zeugen von ihrer Bedeutung für die Geschichte der Jungsteinzeit und vom Weiterleben einzelner ihrer Elemente in späteren Perioden. Ethnisch gesehen gehörten sie nicht zur indoeuropäischen Gruppe. Ein Teil von ihnen wurde biologisch von den späteren Bewohnern Polens aufgesaugt und leistete einen nicht geringen Beitrag zur weiteren Entwicklung des Landes.
Die Stämme der Kugelamphorenkultur Viele archäologische Zeugnisse beweisen, daß zwischen den Stämmen der Trichterbecherkultur und den zeitgleichen jüngeren Gruppen der Kugelamphorenkultur eine nahe Verwandtschaft bestanden haben muß (Abb. 42). Wir finden letztere
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von der III. Periode des Neolithikums bis zur Mitte der IV. Periode auf polnischem Boden vor. Ähnlich wie die östlichen Splitter der Trichterbecherkultur haben auch sie sich in ihrer frühesten Phase zum Teil hier — überwiegend in K u j awien — aus dem alten mesolithischen Substrat entwickelt, auf welches manche Gruppen der donauländischen Kulturen (Stichbandkeramiker, Brzeäc Kujawski-Gruppe, Jordanöwgruppe der Lengyelkultur) und auch die Trichterbecherkulturen eingewirkt hatten. In späterer Zeit breiteten sie sich dann sehr weit aus und be-
Abb. 42
Verbreitungsgebiet der Kugelamphorenkultur. 1. Ältere Periode, 2 . - 5 . Jüngere Periode, 2. Westgruppe, 3. Mischgruppe, 4. polnische Gruppe, 5. Ostgruppe. Nach T. Wiälanski
siedelten große Gebiete Polens, Ostdeutschlands und der Tschechoslowakei, wobei sie fremde Elemente aufsogen. Im Osten findet man sie bis hin nach K i e w und zur Moldau. D a s Gebiet Polens rechnet man zur sogenannten mittleren Gruppe der Kugelamphorenkultur. Auffallend ist hier die Übernahme der Megalithgräber in ihrer reinen Gestalt — als K a m m e r n mit langem Vorbau — aus dem Westen. In diesem Fall kann wohl schwerlich nur von einer Rezeption der Idee gesprochen werden; man muß im Gegenteil annehmen, daß Bevölkerungssplitter aus dem Westen in unser Gebiet gelangten. A n dieser V e r m u t u n g ist nichts Ungewöhnliches, denn für das europäische Neolithikum finden wir es verschiedentlich
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bestätigt, daß manchmal sehr weit entfernt siedelnde Gruppen in irgendein anderes Gebiet eindrangen. Oft handelte es sich hier allerdings nicht um Verschiebungen großer Stämme, sondern um weite Wanderungen, die von kleinen Scharen etwa zur Beschaffung von Feuerstein oder Salz unternommen wurden. Solche Züge konnten durchaus zu Übertragungen der oben erwähnten Art führen. Einige Charakteristika, welche gleichzeitig in der Trichterbecher- und in der Kugelamphorenkultur begegnen, deuten daraufhin, daß es infolge der herrschenden Exogamie zu Eheschließungen zwischen beiden Gruppen kam, so daß am Ende des Neolithikums wohl schon mit einer beträchtlichen Vermischung beider Kulturen zu rechnen ist. Das Wirtschaftsniveau der Stämme, welche hier zur Behandlung stehen, entsprach annähernd dem der südlichen Gruppe der Trichterbecherkultur. Vorrangig wurde die Zucht von Haustieren betrieben, doch hatte gleichzeitig auch der Ackerbau erhebliche Bedeutung. Gezüchtet wurden in erster Linie das hochgewachsene Rind (Bos taurus primigenius) und das kurzhörnige Hausrind (Bos taurus brachyceros). Den zweiten Platz nahm die Schweinehaltung ein, es folgte die von Schafen und Ziegen. Auch die Früchte des Waldes und der Fischreichtum der Gewässer wurden genutzt. Man bearbeitete Holz und erzeugte aus Stein, Horn oder Knochen Geräte, aber auch Schmuckgegenstände, die die Kleidung verzierten oder die Funktion von Zauberschutzmitteln erfüllten. Endlich stand die Töpferei auf einem beachtenswerten Niveau (Abb. 43). Neben manchen Gefäßen wurde auch die Kleidung teilweise aus Leder hergestellt; jedoch war die Weberei ebenfalls bekannt. Die Stämme der Kugelamphorenkultur beteiligten sich ferner an der Ausbeutung der Feuersteinbergwerke, welche im vorigen Abschnitt beschrieben wurden. Obwohl die Siedlungen jener Bevölkerung noch schlecht erforscht sind, steht doch bereits fest, daß, wenn man von gewissen Details absieht, die gleichen Haustypen benutzt wurden wie von den Leuten der Trichterbecherkultur. Dazu gehörten Pfostenbauten in Trapezform, deren Reste unter anderem in Miroslawice, Kr. Mogilno, freigelegt werden konnten. Im Bereich der angewandten Kunst zeigt die Kugelamphorenkultur verschiedene geometrische Ornamente, beispielsweise hängende Winkel. In manchen Spätfunden begegnen auch Musikinstrumente wie die in Opatowice, Kr. Radziejöw Kujawski, und in Pikutkowo, Kr. Wloclawek, gefundenen Tontrommeln (Abb. 44), deren Aufkommen wahrscheinlich von der Kultur der radialverzierten Keramik beeinflußt gewesen ist. Zuvor dürften ähnliche Trommeln aus Holz in Gebrauch gewesen sein. Bei den östlichen Gruppen der Trichterbecherkultur sind ebenfalls Tontrommeln anzutreffen. Sie dienten sicherlich nicht allein als Musikinstrumente bei verschiedenen Feierlichkeiten (beispielsweise zu Ehren von Verstorbenen), sondern auch — wie dies noch heute bei manchen primitiven Völkern der Fall ist — zur Übermittlung von Nachrichten über größere Entfernungen. Was die bereits oben erwähnten Megalithgräber anbelangt, so waren sie häufig von runden oder elliptischen Erdaufschüttungen überdeckt. Wir haben es hier also mit Hügelgräbern zu tun. Sie begegnen allerdings nur in Kujawien und im angren5
Hensel
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aus dem westlichen Polen (Schlesien und Westpommern)
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zenden Chelmnoer L a n d ; ansonsten treten nur flache Steinkistengräber auf, wobei es durchaus möglich ist, daß auch sie früher Hügelaufschüttungen hatten. D a ß in einem Grab häufig viele Skelette in wechselnder Lage anzutreffen sind, kann verschieden gedeutet werden. A m wahrscheinlichsten ist, daß die Leichen vor der B e s t a t t u n g an einem besonderen Ort niedergelegt und erst zu einer bestimmten Jahreszeit — oder wohl auch erst nach einigen Jahren — in das Grab gebettet wurden. Wir hätten es in einem solchen Fall, der ähnlich noch jetzt bei verschiedenen primitiven Völkern beobachtet werden kann, mit Sekundärbestattung zu tun. Weniger für sich hat eine andere Hypothese, nämlich
Abb. 44
Opatowice, Kr. Radziejow. Tontrommel, gefunden im Steinkreis. Ku gelamphorenkultur
daß in jenen Gräbern neben dem sogenannten wichtigen Toten gleichzeitig noch weitere bei der Bestattungsfeier getötete Individuen begraben wurden. Man kann zwar nicht leugnen, daß eigens zum Zweck dieser Feier gefangene Vertreter anderer Stämme gelegentlich ihr Leben verloren; jedoch handelt es sich dabei in erster Linie um rituellen Kannibalismus während des Leichenschmauses. Andere Maßnahmen zeugen davon, daß man sich vor manchen Toten schützen wollte; um dies zu erreichen, wurden ihre Leichen vor der Bestattung gevierteilt. W a r u m einige daneben auch angesengt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis. Mit dem südöstlichen Kulturkreis war die rituelle Tierbestattung verbunden, bei welcher man Haustiere einzeln, paarweise oder in Gruppen begrub und solchen Gräbern Gefäße, Tontrommeln sowie verschiedenen Schmuck als A m u l e t t e beigab. Dort, wo nur einzelne Exemplare auftreten, darf man vermuten, daß es sich um die Bestattung verendeter Tiere handelt, welche aus kultischen Gründen vorgenommen wurde. D a s Auftreten einer größeren Zahl von Tieren, auch solcher verschiedener Arten, läßt sich dagegen mit der Annahme erklären, daß diese anläßlich der Bestattung eines bedeutenden Züchters getötet und mit ihm zusammen oder aber in einer getrennten Grube neben seinem Grab ihren Ruheplatz fanden. Die Bestattung von Tierpaaren verlangt noch eine andere Interpretation: 5*
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sie wurde höchstwahrscheinlich bei bestimmten Feiern als rituelle Zeremonie vorgenommen. In verschiedenen Fällen wird übrigens die vorsätzliche Tötung der Tiere durch die dazu benutzten doppelschneidigen Flintspitzen bezeugt, welche ebenfalls in den Gräbern gefunden wurden. All dies gibt uns ein Bild von der Vorstellungswelt der Stämme der Kugelamphorenkultur. Wenn es in gewissen Doppelgräbern so aussieht, als seien hier Rinder im Gespann begraben worden, so kann eine solche Handlung möglicherweise mit dem ersten feierlichen Pflügen des Feldes unter Zuhilfenahme des bespannten Hakenpfluges verbunden gewesen sein. Es ist jedoch ebenfalls nicht ausgeschlossen — und vielleicht sogar wahrscheinlich —, daß die Gespanne von Kultwagen herrührten, welche mit der Sonnenverehrung im Zusammenhang standen, denn dieses Gestirn begegnet manchmal als Beigabe in Gestalt von Zierscheiben. Die oben erwähnten Feiern fanden, wie angenommen wird, im Herbst statt und standen mit Erntefesten und mit dem Totenkult in enger Beziehung; bei bestimmten primitiven Völkern fließen sie heute mit dem Fruchtbarkeitskult zusammen. Die Trommeln in den Gräbern beweisen, daß die Bestattungen einen Höhepunkt bildeten und daß dabei auch Musikinstrumente verwendet wurden. Die Bevölkerung der Kugelamphorenkultur, welche ebenfalls einen nicht geringen Beitrag zur weiteren kulturellen Entwicklung des polnischen Landes leistete, lebte im Patriarchat. Im Gegensatz zu den Stämmen der Trichterbecherkultur gehörte sie zur indoeuropäischen Sprachgemeinschaft, besaß aber eine 'erhebliche nicht-indoeuropäische Beimischung. A m Ende des Neolithikums dürfte ihre Einwirkung auf die Träger der Trichterbecherkultur so groß gewesen sein, daß die restlichen Elemente dieser Gruppe ihren ursprünglichen sprachlichen Charakter einbüßten und sich in der indoeuropäischen Gemeinschaft auflösten. Es sei jedoch ausdrücklich bemerkt, daß dies nur eine Mutmaßung ist, für deren Bekräftigung es vorläufig an Aussagen fehlt.
Die Stämme der Kamm- und Grübchenkeramikkultur In der II. Periode des polnischen Neolithikums traten hauptsächlich im Nordosten, in der IV. Periode auch in den mittleren Gebieten und sogar über die Oder hinaus Relikte anderer Stämme auf. Mit ihnen fassen wir die Träger der Kammund Grübchenkeramik (Abb. 45). Es war dies eine Kulturgruppe, welche sich in den bewaldeten Gebieten des nordöstlichen Europa bis hin zum Ural ausdehnte. Leider sind jedoch die Lücken in unserem Wissen über sie ebenso groß wie dieses Verbreitungsgebiet. Zunächst schien es, als hätten wir es hier mit einer verhältnismäßig einheitlichen Gruppe zu tun, bis neuere Untersuchungen diese Meinung erheblich korrigierten. Heute ist es so gut wie sicher, daß trotz gewisser ähnlicher Merkmale mit dem Auftreten nicht einer, sondern mehrerer Kulturen in dem genannten riesigen Bereich zu rechnen ist. Auch bestehen begründete Zweifel daran, daß die Gesamtbevölkerung der Kamm- und Grübchenkeramiker 60
sie wurde höchstwahrscheinlich bei bestimmten Feiern als rituelle Zeremonie vorgenommen. In verschiedenen Fällen wird übrigens die vorsätzliche Tötung der Tiere durch die dazu benutzten doppelschneidigen Flintspitzen bezeugt, welche ebenfalls in den Gräbern gefunden wurden. All dies gibt uns ein Bild von der Vorstellungswelt der Stämme der Kugelamphorenkultur. Wenn es in gewissen Doppelgräbern so aussieht, als seien hier Rinder im Gespann begraben worden, so kann eine solche Handlung möglicherweise mit dem ersten feierlichen Pflügen des Feldes unter Zuhilfenahme des bespannten Hakenpfluges verbunden gewesen sein. Es ist jedoch ebenfalls nicht ausgeschlossen — und vielleicht sogar wahrscheinlich —, daß die Gespanne von Kultwagen herrührten, welche mit der Sonnenverehrung im Zusammenhang standen, denn dieses Gestirn begegnet manchmal als Beigabe in Gestalt von Zierscheiben. Die oben erwähnten Feiern fanden, wie angenommen wird, im Herbst statt und standen mit Erntefesten und mit dem Totenkult in enger Beziehung; bei bestimmten primitiven Völkern fließen sie heute mit dem Fruchtbarkeitskult zusammen. Die Trommeln in den Gräbern beweisen, daß die Bestattungen einen Höhepunkt bildeten und daß dabei auch Musikinstrumente verwendet wurden. Die Bevölkerung der Kugelamphorenkultur, welche ebenfalls einen nicht geringen Beitrag zur weiteren kulturellen Entwicklung des polnischen Landes leistete, lebte im Patriarchat. Im Gegensatz zu den Stämmen der Trichterbecherkultur gehörte sie zur indoeuropäischen Sprachgemeinschaft, besaß aber eine 'erhebliche nicht-indoeuropäische Beimischung. A m Ende des Neolithikums dürfte ihre Einwirkung auf die Träger der Trichterbecherkultur so groß gewesen sein, daß die restlichen Elemente dieser Gruppe ihren ursprünglichen sprachlichen Charakter einbüßten und sich in der indoeuropäischen Gemeinschaft auflösten. Es sei jedoch ausdrücklich bemerkt, daß dies nur eine Mutmaßung ist, für deren Bekräftigung es vorläufig an Aussagen fehlt.
Die Stämme der Kamm- und Grübchenkeramikkultur In der II. Periode des polnischen Neolithikums traten hauptsächlich im Nordosten, in der IV. Periode auch in den mittleren Gebieten und sogar über die Oder hinaus Relikte anderer Stämme auf. Mit ihnen fassen wir die Träger der Kammund Grübchenkeramik (Abb. 45). Es war dies eine Kulturgruppe, welche sich in den bewaldeten Gebieten des nordöstlichen Europa bis hin zum Ural ausdehnte. Leider sind jedoch die Lücken in unserem Wissen über sie ebenso groß wie dieses Verbreitungsgebiet. Zunächst schien es, als hätten wir es hier mit einer verhältnismäßig einheitlichen Gruppe zu tun, bis neuere Untersuchungen diese Meinung erheblich korrigierten. Heute ist es so gut wie sicher, daß trotz gewisser ähnlicher Merkmale mit dem Auftreten nicht einer, sondern mehrerer Kulturen in dem genannten riesigen Bereich zu rechnen ist. Auch bestehen begründete Zweifel daran, daß die Gesamtbevölkerung der Kamm- und Grübchenkeramiker 60
in sprachlicher Hinsicht finno-ugrischer Abstammung war; zu den nötigen Klarheiten können hier nur weitere systematische Forschungen beitragen. Als ziemlich wahrscheinlich gilt es dagegen, daß sich die hier behandelten Stämme auf der Basis der Swidry-Kunda-Kulturen herausgebildet haben, und zwar in der südlichen Waldzone des Ostteils der europäischen U d S S R , und zum Teil auch
Abb. 45
Verbreitungsgebiet der Stämme der Kamm- und Grübchejikeramik: 1. Ältere Phase, 2. Jüngere Phase
in Polen. Hier traten nacheinander zwei Gruppen auf; die östlich-baltische in der II. bis IV. Periode des polnischen Neolithikums, die mittelpolnisch-ukrainische in der IV. Periode. D a ß an ihrem Entstehungsprozeß in gewisser Hinsicht Einflüsse anderer neolithischer Kulturen mitgewirkt haben könnten, wird manchmal mit dem Hinweis auf eine Übernahme der Keramikproduktion von außen zu begründen versucht. Der für die ältere Phase charakteristische Spitzboden der Gefäße sowie die Unterschiede im verwendeten Material machen es jedoch sehr wahrscheinlich, daß die Erzeugung von Tongefäßen bei jener Bevölkerung eine eigene Errungenschaft war. Erst in der Spätzeit, wo wir es mit einer größeren 61
Verschiedenartigkeit der Formen, vor allem aber auch mit dem Auftreten abgeplatteter Böden zu tun haben, ist damit zu rechnen, daß diese Wandlungen unter dem Einfluß äußerer Faktoren zustande kamen. Die Stämme der K a m m - und Grübchenkeramiker wiesen im Vergleich zu anderen neolithischen Gruppierungen einen erheblichen Entwicklungsrückstand auf. Sie lebten weiter wie im Mesolithikum von Jagd, Fischfang und Sammeln, führten ein Xomadendasein und bauten ihre Hütten am liebsten auf sandigen Böden, häufig auf Landzungen. Neben Bruchstücken von ziemlich primitiv gefertigten und anfänglich nur mit Grübchen und Kammeindrücken verzierten
Abb. 46
Gdarisk. Ebcrfifiur aus Bernstein. Kultur der Kamm- und Grübclienkeramik
Tongefäßen sind uns von ihnen verschiedene Stein Werkzeuge sowie blatt- oder lanzettförmige Pfeilspitzen aus Feuerstein mit gänzlich geschuppter Oberfläche überkommen. Große Bedeutung als Jagd- und K a m p f g e r ä t besaß bei ihnen der Bogen; daneben sind sicher auch manche Harpunen und Angelhaken aus Horn, die im Verbreitungsgebiet der K a m m - und Grübchenkeramik gefunden werden, mit dieser K u l t u r in Verbindung zu bringen. Auf dem Gebiet der Kunst fällt eine ziemlich realistische Behandlung der Tiergestalten auf, welche zu dem Schematismus bei der Darstellung von Menschen in ziemlichem Gegensatz steht. Bekannt sind uns Bernsteinfiguren, welche verschiedene Jagdtiere wie Bären, Wildschweine und Tarpane (z. B. aus der Gegend von Gdaiisk und Slupsk sowie aus Dobiegniewo, Kr. Strzelce) zeigen (Abb. 46); sie sprechen davon, daß damals bestimmte mit der Jagd zusammenhängende magische Handlungen durchgeführt wurden. Gräber, welche man einwandfrei mit den Trägern der K a m m und Grübclienkeramik in Zusammenhang bringen könnte, sind uns bisher nicht b e k a n n t ; bisweilen vermutet man eine. Beziehung zu gewissen Skelettgräbern von Individuen eines dem subnordischen ähnelnden Typs, welche mit Ocker bestreut sind und Halsbänder aus durchlöcherten Eckzähnen wilder Tiere tragen. 62
Sie wurden unter anderem in Smol^g und' Zurawki, Kr. Starogard, sowie in tojewo, Kr. Inowroclaw, freigelegt. Aufgrund ihrer großen Beweglichkeit, welche zu einem dauernden Wechsel . des Aufenthaltsortes führte, kam jene Bevölkerung mit den anderen neolithischen Stämmen' oft in nähere Berührung. Sie übernahm dabei gewisse Kulturmerkmale der Schnurkeramik, der Kugelamphorenkeramik und der Trichterbecherkeramik, wirkte aber auch auf die höherstehenden Kulturgruppen ein und hinterließ insbesondere ihre Spuren bei verschiedenen Gruppen der Schnurkeramiker sowie der Trzcinieckultur, welche uns in den Anfängen der Bronzezeit begegnet. Die Vermischung verschiedener Bevölkerungsarten während des ausgehenden Neolithikums gab im übrigen einen kräftigen Impuls zur Entstehung einheitlicherer Kulturgruppen. Daher bietet die Bronzezeit in dieser Beziehung ein weitaus geschlosseneres Bild als das, welches in der jüngeren Steinzeit zu beobachten ist. Abschließend muß eine einschränkende Bemerkung gemacht werden. Angesichts des kulturellen Rückstandes dieser Kulturen kann nicht ausgeschlossen werden, daß, wie einige polnische Forscher behaupten, ein Teil der hier behandelten Zeugnisse plastischer Kunst aus dem Mesolithikum stammt.
63
IV.
Neue Einwanderer
aus Osten und
Westen
Die Stämme der schnurkeramischen Kultur Während der IV. Periode des Neolithikums erschienen in der geschichtlichen Arena Polens die Träger der Schnurkeramik. Ihr Auftreten war für die weitere Geschichte großer Teile Europas, vor allem seiner mittleren, nördlichen und östlichen Regionen, generell von außerordentlich großer Bedeutung. Nachdem über die Herausbildung viele Hypothesen aufgestellt und wieder verworfen wurden, wird heute allgemein angenommen, daß diese mit größter Wahrscheinlichkeit im Osten Europas erfolgte. Angeblich ging der schnurkeramischen die sogenannte Grubengrabkultur vorauf, welche etwa zur Zeit der III. Periode des polnischen Neolithikums in den Steppen des Dnepr-Einzugsgebietes und der unteren Wolga begegnet. Ihren Namen bekam sie von den Gruben, in welchen dort damals die reichlich mit Ocker bestreuten Toten bestattet wurden. Von dieser Kulturgruppe nun — und zwar von jenem Teil, der am mittleren Dnepr seinen Sitz hatte — sollen sich die Schnurkeramiker abgetrennt und in einer verhältnismäßig kurzen Zeit große Gebiete Europas eingenommen haben. Man hat sich diesen Prozeß vorzustellen als die Expansion eines Hirtenvolkes, das eine große Fähigkeit zur Absorption jener fremden Völkerschaften besaß, welche es in den von ihm eroberten Gebieten antraf. Die Spuren hiervon finden sich in den je nach den lokalen Gegebenheiten stärker oder schwächer hervortretenden Merkmalen anderer Kulturen; durch sie wurde eine Differenzierung in der Lebensweise der Schnurkeramiker sowie die Entstehung vieler lokaler Gruppen bei ihnen bewirkt. Zur Begründung der Theorie von ihrer Zuwanderung aus dem Südosten werden meist folgende in ihrem polnischen Verbreitungsgebiet begegnende Indizien angeführt: 1. die Katakombengräber: senkrechte Schächte mit Seitennischen, wie sie unter anderem aus Ksi^znice Wielkie, Kr. Kazimierza Wielka, sowie aus Zlota, Kr. Sandomierz, bekannt sind; der erstgenannte Fund ist der KrakowSandomierz-, der zweite der Zlota-Gruppe zuzurechnen; 2. der ebenfalls bei dieser Gruppe — als ältestes Beispiel in Mitteleuropa — festgestellte Brauch der Schädeldeformation, dessen Herkunft in Mittelasien zu suchen ist; 3. die Bestattung der Toten in Hockerlage und ihr Bestreuen mit Ocker; 4. runde Grabhügel; 5. die hervorragende Rolle des aus den Steppengebieten stammenden Pferdes. Dagegen kommen die vereinzelt auftretenden Knochennadeln mit hammerartigem 64
Knauf (einer ihrer Fundorte ist Biskupiec, Kr. Reszel) sowie die vermutlich ebenfalls aus dem nordkaukasischen Gebiet übernommene Form der Streitäxte hier weniger in Betracht; sie sprechen an und für sich höchstens für das Bestehen loser kultureller Kontakte zu den.Gebieten am Schwarzen Meer. Die Theorie von der östlichen Provenienz der schnurkeramischen Kultur ist auch nicht so zu verstehen, daß etwa sämtliche ihr zugehörigen Stämme aus dem Osten zu uns gekommen wären. Das in einigen westpolnischen Gruppen gehäufte Auftreten von Formen aus sekundären Zentren der Schnurkeramiker, welche westlich der Oder beziehungsweise an der Südwestgrenze unseres Landes lagen, macht es nämlich recht wahrscheinlich, daß jene Gruppen in späterer Zeit von dort her einwanderten. Obwohl die archäologische Forschung bereits viele Fragen des Ursprungs und der späteren Entwicklung dieser Kultur geklärt hat, gibt es somit noch viele Probleme, die einer Lösung durch weitere Grabungen und Untersuchungen bedürfen. So ist es zum Beispiel wenig überzeugend, wenn die Zugehörigkeit der Zlotagruppe zur Schnurkeramik bestritten und in ihr eine besondere Kultur als Fortsetzung der Kugelamphorenkultur gesehen wird. Sehr viel spricht dagegen für die Hypothese, daß bei der Herausbildung der Marszowicer Gruppe mehr die Jordanowgruppe der Lengyelkultur sowie die Glockenbecherkultur als das schnurkeramische Substrat beteiligt waren. Auch die deutlichen Beziehungen zur späteren Aunjetitzer Kultur verlangen es, die Marszowicer Gruppe als ein dieser voraufgehendes Entwicklungsstadium anzusehen. Doch sei hinzugefügt, daß die polnischen Archäologen mehr und mehr dazu neigen, ihre Fundstücke in zwei Gruppen einzuteilen. Die schnurkeramische Kultur auf polnischem Boden umfaßt mehrere Gruppen (Abb. 47). Es sind dies 1. die Oderschnurkeramik in Großpolen, Kuj awien, im Chelmnoer Land, in Pommern außerhalb des Gebietes um die Bucht von Gdansk, in Masowien und im nördlichen Kleinpolen — eine bislang wenig erforschte Gruppe, welche wohl in Zukunft noch mehrere Unterteilungen erfahren wird; 2. die Rzucewogruppe, deren Gebiet sich von der Bucht von Gdansk bis zur Kurischen Nehrung, vielleicht sogar bis zur Mündung des Neman erstreckt; 3. die schlesische Gruppe; 4. die Kraköw-Sandomierz-Gruppe an der oberen Weichsel; 5. die Zlotagruppe in der Gabelung der Weichsel und des San; 6. die Lubaczöwgruppe im oberen Einzugsgebiet des San und des Dnestr; 7. die Strzyzöwgruppe im südöstlichen Teil des Lubliner Landes sowie in Wolhynien, welche jedoch bereits mit ihrem Hauptauftreten in die Anfänge der Bronzezeit gehört, ähnlich wie die Baltische Gruppe und die Mierzanowicer Gruppe. Daß die Marszowicer Gruppe besser nicht zur schnurkeramischen Kultur gezählt werden sollte, wurde schon ausgeführt. Schließlich wäre noch darauf hinzuweisen, daß sich die östliche Region der Kraköw-Sandomierz-Gruppe teilweise mit dem Ausbreitungsgebiet der Zlotagruppe deckt, was die Möglichkeit nicht ausschließt, daß zwischen diesen beiden Gruppen chronologische Unterschiede bestanden haben. Die Expansion beziehungsweise — womit auch gerechnet werden muß — die Aneignung von Elementen der Schnurkeramik fiel in die Zeit wesentlicher klimatischer Veränderungen. An die Stelle des atlantischen trat jetzt immer stärker 65
das viel trockenere subboreale Klima, das sein Optimum in der Bronzezeit erreichte. Natürlich hat dieser Prozeß auch auf die Entwicklung mancher Wirtschaftszweige seinen Einfluß ausgeübt. Sowohl in Groß- wie in Kleinpolen spielte die Viehzucht bei den Schnurkeramikern die Hauptrolle. Bei dem halbseßhaften Nomadenleben, welches sie führten, forderte diese Beschäftigung aber mit Notwendigkeit auch die Bodenbestellung, welche höchstwahrscheinlich mit dem Grabstock betrieben wurde. U m gewisse Eigenarten zwischen den oben genannten
Abb. 47
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Verbreitungsgebiet der schnurkeramischen Kultur auf polnischem Boden: l. Gesamtgebiet, davon 2. Oderschnurkeramik, 3. Rzucewogruppe, 4. Protoaunjetizer Kultur: Marszowicer Gruppe, 5. Kraköw-Sandomierz-, 6. Zlota-, 7. Lubaczöw-, 8. Strzyzöw-Gruppe
Gruppen deutlicher herauszustellen, sollen hier einige von ihnen näher charakterisiert werden. Die Bevölkerung der Rzucewogruppe hob sich durch ihre Wirtschaftsweise am stärksten von den übrigen ab. An der Küste wohnend, betrieb sie vorwiegend die J a g d auf Wassertiere und -geflügel. An erster Stelle standen dabei Robben, insbesondere die Sattelrobbe (Phoca groenlandica); es folgten Meerschweine (Phocaena phocaena L.) sowie Schwäne und Wildgänse. Daneben wurden Fische in großen Mengen gefangen, vornehmlich Welse, Zander, Hechte, Schleie, Karauschen, Weißfische, Störe und Brassen. Von den Waldtieren erlegte man Auerochsen, Braunbären, Wildkatzen, Hirsche, Rehe, Wölfe und Biber. Außerdem wurden Haustiere, besonders Schweine, gezüchtet, weiterhin Rinder, Pferde und Hunde; der Ackerbau umfaßte zumindest Gerste und Emmer (Triticum dicoccum Schrank). Auch das Sammeln spielte noch eine Rolle. Die Arbeitsgeräte waren aus Stein, Horn und vermutlich aus Holz. Charakteristisch ist das Auftreten großer Mengen von kleinen, sorgfältig geschliffenen Schabern und Meißeln. Erzeugt wurden ferner lanzettförmige Feuersteinpfeilspitzen, steinerne Walzenbeile und Netzsenker; aus Horn wurden Harpunen geschnitzt. Aus dem an der Meeresküste gesammelten Bernstein fertigte man Zierperlen. Die Keramik, die handgemacht war, wies eine große Verschiedenartigkeit der Formen auf; in den Gefäßen und in der Art ihrer Verzierung ist am deutlichsten die Übernahme von Elementen der Kamm- und Grübchenkeramik, der Kugelamphorenkultur und der Trichterbecherkultur oder zumindest deren Einwirkung auf unsere Gruppe zu sehen. Die Siedlungen lagen in der Nähe von Gewässern; in ihnen wurden teilweise Mehrfamilienhäuser festgestellt. Man baute, wie ermittelt werden konnte, die rechteckigen Behausungen bisweilen in der Technik des Pfostenbaus auf speziell zu diesem Zwecke hergerichteten Terrassen, welche sich auf hohen Uferböschungen befanden. Über die Vorstellungswelt der Rzucewogruppe ist nicht viel zu berichten. Manchmal wurden die Toten innerhalb der Häuser begraben. Teilbestattungen begegnen gleichfalls; sie lassen sich damit erklären, daß bei gewissen Verstorbenen die Sekundärbestattung angewendet wurde. Kultischer Kannibalismus ist nicht ausgeschlossen. Gehen wir über zu der Zlotagruppe (Taf. 3 ; 4; Abb. 48; 49). Wie zahlreiche Bodenfunde beweisen, dominierte bei ihr die Tierzucht, die mit dem Ackerbau verbunden war. Gezüchtet wurden Rinder zweier Rassen, Pferde, Hunde, Schweine, Ziegen und Schafe. Der Boden wurde im Hackbau bestellt und besonders Weizen (Triticum dicoccum) angebaut, was die Besiedlung von fruchtbaren Lößböden förderte. An weiterer Stelle rangierten das Sammeln, die Jagd und der Fischfang. Nicht zu vergessen ist hier der Bergbau zur Gewinnung von Feuerstein, den diese Gruppe betrieb. Man stellte aus dem genannten Rohstoff, welcher gebändert, grau oder weiß gesprenkelt begegnet, die verschiedensten Geräte her. Am häufigsten gefunden werden mehrere Typen von Beilen, ferner Meißel, Sägemesser, Spanschaber, an Waffen neben anderen meist dreieckige, seltener herzförmige 67
Pfeilspitzen, mitunter auch hier und da blattförmige Lanzenspitzen. Unter den Steinbeilen verdienen die bootförmigen Streitäxte Beachtung, welche sich in ihrer Art von schlesischen Exemplaren herleiten. Besonders zu erwähnen sind die vielen Erzeugnisse aus Ton, unter denen die ausschließlich mit der Hand gearbeiteten Gefäße der Zlotagruppe sich durch ihren Formenreichtum und die häufig sehr schön verteilten Verzierungen auszeichnen (Taf. 3 : 4 ) . Diese hier zum Ausdruck kommende Kunstfertigkeit war unzweifelhaft das Ergebnis einer Übernahme und geschickter Verarbeitung der Gefäßtypen und Ziermotive, welche in anderen neolithischen Kulturen auftraten. An erster Stelle wären dabei die Kugelamphorenkultur, die Südgruppe der Trichterbecher-
Abb. 48
Zlota, Kr. Sandomierz. Bernsteinschmuck der Zlotagruppe
kultur sowie die Kultur der radialverzierten Keramik zu nennen; nur sehr schwach dürfte dagegen der Einfluß der Kamm- und Grübchenkeramik gewesen sein. E s ist übrigens damit zu rechnen, daß diesem Niederschlag von Kultureinflüssen auch eine biologische Verschmelzung einst in ethnischer Hinsicht unterschiedlicher Völkerschaften parallel lief. Die gefundenen Tonwirtel zeugen vom Vorhandensein der Weberei. Während die ziemlich selten auftretenden Schmuckstücke aus Kupfer bestimmt keine lokalen Produkte waren, sondern auf dem Tauschwege erworben wurden, stellten der Schmuck aus Bernstein (Abb. 48) und verschiedenen Muscheln sowie die Amulette aus Eberhauern und Zähnen von Schweinen, Hirschen oder Hunden unzweifelhaft Erzeugnisse der Zlotagruppe selbst dar. Viele Fundstücke, wie Harpunen, Ahlen und meißelartige Werkzeuge, bestehen aus Knochen oder aus Horn. Leider haben sich Erzeugnisse aus Holz nicht erhalten; jedoch kann man allein schon aus den Formen und Verzierungen mancher Tongefäße schließen, daß sie für jene Menschen eine nicht geringe Bedeutung besessen haben. Die Siedlungen der Zlotagruppe sind noch recht ungenügend erforscht. Einige waren, wie aus ihrer Lage im Gelände hervorgeht, sicher befestigt, zum Beispiel die auf der vorgeschobenen Landzunge am Fluß Zyc im Dorf Zlota gefundene Siedlung (sog. Burgwall I). Fest steht weiterhin, daß auf Lößböden kleine etwa 1,50 m breite und in gleichem Maße eingetiefte Erdwohnungen benutzt wurden. 68
In sandigen Gegenden waren die Behausungen dagegen höchstwahrscheinlich zu ebener Erde angelegt. Die Toten wurden innerhalb der Siedlung, teilweise, wie in Zlota, auch an ihrem Rande bestattet; doch trifft man hier wie in anderen solchen Fällen auch Gräber an, die zwischen den Wohngruben liegen. Der Bestattungsritus war nicht einheitlich, auch wurden verschiedene Grabtypen angewendet. Am häufigsten begegnen wir Gräbern in Gestalt einer Grube, wo der Tote in Hockerstellung
Abb. 49
Zfota, Kr. Sandomierz. Gemeinschaftsgrab der Zlotagruppe
auf dem Boden ruht, der manchmal mit Steinplatten belegt ist; daneben stieß man auf Nischen- und Brunnengräber. In der überwiegenden Zahl von ihnen ist nur je ein Toter bestattet; es gibt aber auch Gräber, in denen zwei bis acht Skelette zu finden sind (Abb. 49). Ein Charakteristikum für die hier behandelte Gruppe der Schnurkeramiker sind die als Beigaben sehr zahlreich auftretenden Tongefäße. Reste von Feuerstellen und Tierknochen bieten Anzeichen dafür, daß Totenmahle veranstaltet oder Totenopfer entrichtet wurden. Interessant erscheint, daß in einigen Gräbern neben Menschen auch Tiere bestattet wurden. So legte man beispielsweise die Ruhestätte eines siebenjährigen Kindes frei, welches von Gefäßen und von Skeletten verschiedener Tiere umringt war; in einem anderen Fall fand man neben einem erwachsenen Individuum die Überreste von vier Hunden. In sämtlichen Gräbern dieser Art wurden Knochenspitzen gefunden, die wahrscheinlich zur Tötung der Tiere dienten. 69
Tiergräber als solche gibt es ebenfalls, und zwar finden sich neben solchen mit einer größeren Anzahl von Tieren auch Stätten einzelner Exemplare. Während man in ersteren, wie bereits oben ausgeführt, wohl bei bestimmten, meist zu Ehren eines Verstorbenen, abgehaltenen Feiern getötete Tiere begrub, sind letztere unzweifelhaft ein Hinweis darauf, daß die Bevölkerung der Zlotagruppe dem Tierkult anhing, welchen sie vermutlich von den Stämmen der Kugelamphorenkultur übernommen hatte. Massengräber von Tieren — neben Rindern begegnen auch Schweine, Ziegen, Pferde und Hunde — wurden häufig in der Nähe von Menschengräbern freigelegt. Manchmal trifft man in den Gräbern mit Ocker bestreute Skelette an. Dieser Brauch wird in der Literatur auf verschiedene Weise gedeutet; unter anderem bringt man ihn mit dem Sonnenkult in Verbindung. Das Auftreten eines männlichen und eines weiblichen Skeletts in einem Grab kann als die Bestattung eines Ehepaares oder diejenige einer Sklavin mit ihrem Herrn angesehen werden; übereinstimmend mit den auch in manchen anderen patriarchalischen Völkerschaften herrschenden Gewohnheiten teilte nämlich die Ehefrau nach dem Ableben ihres Mannes sein Schicksal. Gräber, die eine größere Anzahl von Toten beherbergen, sind als Familiengrabstätten zu betrachten, die längere Zeit benutzt wurden. Einige Skelette tragen Spuren der Zergliederung, wobei die Körperteile nicht in ihrer anatomischen Ordnung lagen; dies weist wohl auf Sekundärbestattung hin. Es ist verschiedentlich der Versuch gemacht worden, von der Bestattungsweise her gewisse soziale Unterschiede innerhalb der Zlotastämme zu fassen. Ein Skelett, dessen Schädel durch Deformation künstlich verlängert worden war, soll, wie man aufgrund späterer Angaben vermutet, einem Stammeshäuptling gehört haben. Wenn in einem Grab von Zlota zu Füßen von drei Individuen das Skelett eines vierten liegt, so ist hier wohl ein patriarchalischer Sklave mitbestattet worden. Man hat den Toten Gefäße für Speise und Trank, aber auch Teile ihres persönlichen Hausrats mit ins Grab gelegt. Diese letztgenannten Beigaben sprechen dafür, daß es unter der Bevölkerung bereits Leute gab, deren besondere, doch nicht ausschließliche Aufgabe eine spezielle Beschäftigung war. Unter ihnen ragen die Krieger hervor. In dem Grab eines Mannes aus der Siedlung von Zlota wurden beispielsweise der ziemlich gut erhaltene Knochenbeschlag eines Pfeilköchers sowie Flintpfeilspitzen freigelegt. Viele Hinweise zeugen davon, daß bei der Zlotagruppe der Sonnenkult und mit ihm zusammenhängend auch der Fruchtbarkeitskult stark entwickelt waren. Zu nennen wären hier die häufig auftretenden Schmuckstücke mit Zierrädchen, die in der Mitte ein Kreuz tragen; ebensolche Verzierungen gibt es auf der Keramik. Amulette aus verschiedenen Tierzähnen und auch die durchlöcherten Muscheln, welche nicht selten gefunden werden, sind Zeichen für den Fruchtbarkeitskult. All dies und anderes kann als Beweis dafür angesehen werden, daß bei unserer Gruppe das Patriarchat herrschte. Nachdem somit die wichtigsten Merkmale zweier Gruppen der schnurkerami70
sehen Kultur kurz umrissen wurden, seien nun noch einige Charakteristika mehr allgemeiner Art sowie für die übrigen Gruppen Typisches angeführt (Abb. 50). Unbedingt muß dabei die hohe Kunstfertigkeit bei der Steinbearbeitung erwähnt werden, welche hauptsächlich in der Fertigung von Streitäxten zum Ausdruck kam. Diese Axtc ahmten zum Teil Metallerzeugnisse nach; sie sind so zahlreich, daß man die Schnurkeramik zuweilen als Kultur der Streitäxte oder Bootsäxte bezeichnet hat. Es ist jedoch hiergegen mit Recht geltend gemacht worden, daß diese Bezeichnung so nicht verwendet werden darf, da Streitäxte auch in anderen neolithischen Kulturen auftreten. Die verschiedenen Typen dieser Äxte erlauben es, bestimmte; Entwicklungsphasen einzelner Gruppen unserer hier be-
Abl>. 50
Keramik der Gruppe der Oderschnurkeramik aus Groiipolen
handelton Kultur voneinander abzusetzen. Für die erste Phase beispielsweise sind facettierte Fundstücke kennzeichnend, während die oft schön verzierten Axte aus dem an den Südhängen der Sl^za gewonnenen Serpentin, welche als Sobótka- oder Sl^zatyp bezeichnet werden, bis zum Ende des Äneolithikums, das heißt bis zur dritten Phase, auftreten. Da sie auch bei anderen Gruppen begegnen, waren sie wahrscheinlich begehrte Tauschobjekte. Nach dem Kriege durchgeführte Grabungen haben ergeben, daß innerhalb der Lubaczówgruppe kleine Wohnhügel, die sogenannten Teils, existieren. Im Bestattungsritus dieser und einiger anderer Gruppen (Abb. 51) kam auch die Leichenverbrennung zur Anwendung: Über der mit Holz ausgekleideten Grabkammer wurde ein Gerüst errichtet, auf dem der Tote bei seiner Einäscherung lag. Die Schnurkeramiker gehörten überwiegend zur mediterranen Rasse; daneben begegnen unter ihnen der lapponoide, der paläeuropide, der nordische und der armenoide Typ. In ethnischer Hinsicht werden sie als Indoeuropäer angesehen. 71
Von einigen Gruppen, welche auf polnischem Gebiet ihren Sitz hatten, nimmt man an, daß sie zur Herausbildung der slawischen Sprachgemeinschaft beigetragen haben. Die Stämme der Glockenbecherkultur Als die Steinzeit bereits zu Ende ging, gelangten die Träger der Glockenbecherkultur nach Polen. Sie hatten sich aus ihrer nordafrikanischen und iberischen Heimat in verhältnismäßig kurzer Zeit über weite Gebiete Europas verbreitet und übten trotz ihrer geringen Zahl einen nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung vieler damals auf unserem Kontinent ansässiger Völker und Kulturen aus. Die Erklärung hierfür ist wohl darin zu suchen, daß ihre Hauptbeschäftigung 72
Von einigen Gruppen, welche auf polnischem Gebiet ihren Sitz hatten, nimmt man an, daß sie zur Herausbildung der slawischen Sprachgemeinschaft beigetragen haben. Die Stämme der Glockenbecherkultur Als die Steinzeit bereits zu Ende ging, gelangten die Träger der Glockenbecherkultur nach Polen. Sie hatten sich aus ihrer nordafrikanischen und iberischen Heimat in verhältnismäßig kurzer Zeit über weite Gebiete Europas verbreitet und übten trotz ihrer geringen Zahl einen nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung vieler damals auf unserem Kontinent ansässiger Völker und Kulturen aus. Die Erklärung hierfür ist wohl darin zu suchen, daß ihre Hauptbeschäftigung 72
neben der Viehzucht die Kupfergewinnung und daneben auch der Handel mit diesem Rohstoff war. Das Hauptsiedlungszentrum in Mitteleuropa lag in Böhmen und Mähren; und von hier aus wanderten sie auch in Polen ein. Ihre Hinterlassenschaft bilden hier rund 25 Fundplätze, welche sich in Ober- und Niederschlesien, an der oberen Weichsel sowie vereinzelt auch in Kujawien befinden (Abb. 52). Mit ihren Gräberfeldern und Einzelstücken lassen sie deutlich erkennen, daß in Schlesien die
Abb. 52
Verbreitungsgebiet der Glockenbecherkultur auf polnischem Boden
Glockenbecherkultur früher und reiner auftrat als etwa in Kleinpolen, wohin erst längere Zeit darauf kleine Gruppen von Mähren her einwanderten. Bei ihnen, welche hier an der östlichen Peripherie des Ausbreitungsgebietes saßen, erscheint die genannte Kultur in recht degenerierter Form. Im ganzen gesehen erinnert die Expansionsrichtung jener Bevölkerung an die der viel später eindringenden Kelten. Dies war kein Zufall; handelte es sich doch hier wie dort mit Sicherheit um die Beherrschung von Gegenden, welche reich an den von beiden Stämmen geschätzten Rohstoffen waren. Brandgräber treten im Bereich der Glockenbecherkultur nur sporadisch auf; es überwiegen die Skelettgräber. In der Mehrzahl ihrer Fälle wurde festgestellt, daß die Toten in Hockerlage bestattet wurden, und zwar auf der Seite liegend in Richtung von Nord nach Süd. Die Frauen bettete man dabei auf die rechte 6
Hensel
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Seite, den Köpf südwärts, die Männer dagegen auf die linke mit dem Kopf nach Norden. Es gab Abweichungen von dieser Regel; so wurde beispielsweise in Samborzec, Kr. Sandomierz, das Skelett eines Mannes gefunden, der in Gebärstellung auf dem Rücken lag. An seinem linken Unterarm befand sich ein Schutzplättchen aus Schiefer, und in die Hand war ihm ein Speer mit einer Kupferspitze gegeben worden. Daneben entdeckte man Pfeile mit Feuersteinspitzen, die sich bei der Bestattung vermutlich in einem Köcher befunden hatten, ein schön ornamentiertes Schmuckstück aus einem Eberhauer sowie einige Geräte und drei Tongefäße. Die ungewöhnliche Lage, in der dieser Mann begraben wurde, erscheint auf den ersten Blick verwunderlich. Man kann jedoch annehmen, daß hier versucht wurde, ihm eine Reiterpositur zu geben — gewiß mit Rücksicht auf seine gehobene Stellung in der Familie, worauf auch die verhältnismäßig reiche Ausstattung des Grabes hindeutet. Auch sonst finden sich in den Gräbern meist zwei oder drei Gefäße — sechs, wie etwa in Beradz, Kr. Sandomierz, bilden bereits eine große Ausnahme — sowie einige Geräte und Waffen. Aus Feuerstein kommen Pfeil- und Lanzenspitzen sowie Dolche, aus Schiefer Schutzplättchen, aus Knochen Buckel mit V-förmigem Loch vor, die wahrscheinlich zum Zuknöpfen der Gewänder dienten. Sehr selten sind Gegenstände aus Elektron und Kupfer; an Schmuck aus diesem Metall wurden die Reste eines Diadems und Plättchen geborgen. Weit häufiger wurden Knochenperlen benutzt. In einem der Kindergräber von Samborzec, Kr. Sandomierz, fand man eine Halskette aus solchen Perlen, die dem Kind vom Kopf bis zu den Füßen reichte. Wie aufgrund mittelbarer Angaben zu erschließen ist, betrieben die Träger der Glockenbecherkultur neben der Viehhaltung auch die Jagd auf Hochwild, den Fischfang und das Sammeln. Möglicherweise spielte auch der Austausch von Kupfererzeugnissen für sie eine Rolle, obwohl die Funde aus polnischen Gräbern schwerlich vermuten lassen, daß er hier einen besonderen Platz einnahm. Da man solche Erzeugnisse in billigeren Rohstoffen nachahmte, dürften die Ankömmlinge selbst nicht besonders reich daran gewesen sein. Aus Zlota, Kr. Sandomierz, ist ein Beispiel von Trepanation bekannt. Die weitere Entwicklung der westpolnischen Gebiete wurde durch die Bevölkerung der Glockenbecherkultur nachhaltig, die der Regionen östlich der Warta aber nur geringfügig beeinflußt. Dieser Umstand könnte zur Herausbildung unterschiedlicher ethnischer Gruppen in diesen beiden Landesteilen beigetragen haben, wozu die Anlagen aber wohl schon früher vorhanden waren. In ethnischer Hinsicht gehörten jene Menschen höchstwahrscheinlich nicht zur indoeuropäischen Sprachgruppe.
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V.
Der Anfang einer neuen E-poche — Die
Metallzeit
Allgemeines Mit der Glockenbecherkultur fand nach allgemeiner Auffassung die Geschichte des Neolithikums auf polnischem Boden ihren Abschluß. Dies war etwa in den Jahren 1800 bis 1600 v. u. Z. (wenn einige Forscher versuchen, den Zeitpunkt für das südliche Polen bis etwa 1900/1800 v. u. Z. als Anfänge der Protobronzezeit hinabzuschieben, so habe ich Gründe, mich dieser Meinung nicht anzuschließen). Die folgende Epoche wird nach der archäologischen Chronologie als Bronzezeit bezeichnet. Die Einführung von Bronzeerzeugnissen geschah im Gebiet Polens nicht überall gleichzeitig, selbst nicht in den westlichen Landesteilen, wo sie sich zunächst durchsetzte. Es ist eine Tatsache, daß die Bevölkerung im Raum östlich der Warta während der ersten Periode der Bronzezeit noch in jungsteinzeitlichen Zuständen verharrte. Damit teilte sich unser Land zur damaligen Zeit in zwei Zonen: Die westliche stand bereits unter der Einwirkung der Aunjetitzer Kultur, als diese in der östlichen noch nicht in Erscheinung trat. Für die Entwicklung der Wirtschaft war dies von geringerer Bedeutung als für die Gestaltung der ethnischen Verhältnisse; hiervon wird weiter unten noch die Rede sein. Die Fähigkeit zur Herstellung von Werkzeugen aus Bronze hatte zwar eine schnellere Entwicklung der Produktivkräfte zur Folge und führte eine wachsende Ungleichheit innerhalb der Stämme und Sippen herbei; ließ aber die Steinwerkzeuge nicht außer Gebrauch geraten. Die Verbreitung der Bronzegeräte war — sogar in den in dieser Hinsicht recht weit fortgeschrittenen Gebieten — überhaupt nicht so allgemein, wie man früher vermutete. Dies trifft nicht nur für Polen, sondern in ähnlicher Form auch für andere Länder zu (Abb. 53). Wenn demnach die Benutzung solcher Geräte keine Revolution in den bisherigen Arbeitsformen herbeiführte, so hat sie doch eine Wandlung beschleunigt, welche erst durch die Einführung des Eisens voll zum Tragen kam. Sie war ein Faktor, der die Kenntnis von den Eigenschaften der Metalle erweiterte und somit letzten Endes für eine spätere Zeit die Beherrschung der Eisenerzeugung ermöglichte. Auch daß die Bronzeerzeugnisse mit einem ziemlichen Aufwand hergestellt werden mußten, schränkte übrigens ihre Benutzung mit Notwendigkeit ein. Von einer grundsätzlichen Änderung in den Lebensformen kann daher für diese erste bronzezeitliche Periode nicht gesprochen werden. Die damals auf 6*
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polnischem Boden begegnenden neuen Erscheinungen sind eher als Ankündigung einer mächtigen Wende anzusehen, welche dann in der intensiven Entwicklung der Produktivkräfte zum Ausdruck kam. Eine wirkliche Zeit des Umbruchs, und zwar eines Umbruchs, der in der geistigen Kultur besonders stark hervortrat, erfolgte erst an der Wende von der zweiten zur dritten Periode der Bronzezeit, welche etwa mit dem 13. J h . v. u. Z. anzusetzen ist. Zunächst soll jedoch die erste Periode näher betrachtet werden, welche von ca. 1700/1600 bis 1400 v. u. Z. reichte. Damals wurde unser Land von den Trägern
dreier archäologischer Kulturen bewohnt: der Aunjetitzer Kultur, der schnurkeramischen Kultur und der Mad'arovcekultur (Abb. 54). Obwohl in der Aunjetitzer Kultur weiterhin Steingeräte ausgiebig benutzt wurden, kann man sie doch grundsätzlich zu den Bronzezeitkulturen rechnen. Die Mad'arovcekultur, welche in dieser Hinsicht sogar als typisch angesehen werden kann, ist im allgemeinen unter den Funden des polnischen Südens nur schwach vertreten; sie begann erst um 1540 bis 1400 v. u. Z. dorthin vorzudringen. Mit der Schnurkeramik setzten sich die neolithischen Traditionen fort. In noch größerem Maße als diese war jetzt die Aunjetitzer Kultur ein neues, von außen kommendes Element, obwohl ein Teil ihrer Träger, nämlich die nördlichen und östlichen Gruppen sowie die Nachfahren der Marszowicer Gruppe, der einheimischen Bevölkerung entstammte. Alles in allem wird somit der Anfang der Bronzezeit von einer weit stärkeren kulturellen Einheitlichkeit gekennzeichnet, als sie am Ende der Jungsteinzeit zu beobachten war. 76
Abb. 54
Verbreitungsgebiet der Kulturen in der I. Periode der Bronzezeit auf polnischem Boden: 1.— 4. Gruppen der Aunjetitzer Kultur: 1. Koscian-, 2. Mi^dzychöd-, 3. Iwno- und 4. Grobia-Smiardowo-Gruppe; 5. Mad'arovcekultur; 6 . - 9 . schnurkeramische Gruppen: 6. Gesamtgebiet, 7. südbaltische, 8. Strzyzow- und 9. Mierzanowicer Gruppe
Die Stämme der Aunjetitzer Kultur Die Aunjetitzer K u l t u r (ihr Name stammt von dem Fundplatz Aunjetitz = Unetice bei Prag, ÖSSR) hat sich in einem komplizierten Prozeß hauptsächlich in Böhmen und Mähren sowie in Schlesien — hier lebte die bereits genannte Marszowicer Gruppe — herausgebildet. Während ihrer Blütezeit umfaßte sie Niederösterreich, die Westslowakei, Mähren, Böhmen, Thüringen, Sachsen, das 77
Abb. 54
Verbreitungsgebiet der Kulturen in der I. Periode der Bronzezeit auf polnischem Boden: 1.— 4. Gruppen der Aunjetitzer Kultur: 1. Koscian-, 2. Mi^dzychöd-, 3. Iwno- und 4. Grobia-Smiardowo-Gruppe; 5. Mad'arovcekultur; 6 . - 9 . schnurkeramische Gruppen: 6. Gesamtgebiet, 7. südbaltische, 8. Strzyzow- und 9. Mierzanowicer Gruppe
Die Stämme der Aunjetitzer Kultur Die Aunjetitzer K u l t u r (ihr Name stammt von dem Fundplatz Aunjetitz = Unetice bei Prag, ÖSSR) hat sich in einem komplizierten Prozeß hauptsächlich in Böhmen und Mähren sowie in Schlesien — hier lebte die bereits genannte Marszowicer Gruppe — herausgebildet. Während ihrer Blütezeit umfaßte sie Niederösterreich, die Westslowakei, Mähren, Böhmen, Thüringen, Sachsen, das 77
südliche Brandenburg, Schlesien, den bis zur Prosna reichenden Teil Großpolens, ferner das Land Lebus und Pommern sowie Kuj awien. Entgegen der allgemein gültigen Anschauung, die auch in der polnischen Fachliteratur dominiert, bildeten das alte donauländische Substrat und seine Vermischung mit einigen Gruppen der Glockenbecherkultur die Hauptgrundlage, aus der sich diese Kultur herleitet. Fundstücke aus der sogenannten früh- oder voraunjetitzer Phase, auch solche der Marszowicer Gruppe, beweisen dies deutlich. Dagegen war der Anteil der Schnurkeramiker, den auch ich früher überschätzt hatte, von geringerer Bedeutung. Anders gestalteten sich die Verhältnisse allerdings bei einigen peripheren Gruppen der Aunjetitzer Kultur. Hier kam es, wahrscheinlich infolge der Überlagerung durch eine dünne Aunjetitzer Schicht, zur Herausbildung von Kult urmerkmalen, welche deutlich den Stempel der alten Schnurkeramik, aber auch eines aus anderen Elementen zusammengesetzten Substrats tragen, was die Aunjetitzer Kennzeichen gewissermaßen in den Schatten rückte. Dies bedeutet jedoch keinen Bruch in den Verbindungen zum Aunjetitzer Siedlungsbereich, was noch dadurch unterstrichen wird, daß auch in sprachlicher Hinsicht bei diesen Gruppen mutmaßlich das Aunjetitzer Element vorherrschte. Möglicherweise haben sich hier jedoch, hervorgerufen eben durch das Vorhandensein eines anderen Substrates, gewisse Eigenarten der Sprache herauszubilden begonnen. Nicht im Zentrum der Aunjetitzer Kultur, sondern an ihrer Peripherie spielte somit die alte Schnurkeramik für die Ausprägung der neuen Verhältnisse eine wesentliche Rolle. Einige Worte seien hier noch erlaubt zu meinem vor mehreren Jahren gemachten Vorschlag, auch das Land Lebus, Pommern und Kuj awien in das Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur einzubeziehen. Es unterliegt, wie ich nach wie vor meine, keinem Zweifel, daß diese Territorien zur hier behandelten Kulturzone gehörten. Wenn ihre Funde bestimmte Eigenarten aufweisen, so widerspricht dies dem nicht; mit solchen haben wir es auch in anderen peripher gelegenen Bereichen zu tun. Die Verhältnisse lagen hier nämlich insofern etwas anders, als der Beitrag südlicher Elemente bei der Herausbildung der betreffenden Gruppen in quantitativer Hinsicht geringer war. Daß sich das qualitativ jedoch kaum auswirkte, beweisen die Formen mancher Gefäße, welche unter dem Einfluß der Glockenbecherkultur entstanden waren; auch gewisse Machtsymbole hängen deutlich mit dem Aunjetitzer Kulturkreis zusammen. So kann dieser, was Polen betrifft, in folgende Gruppen unterteilt werden: 1. Die Kosciangruppe (benannt nach dem großen Gräberfeld in dem Ort L§ki Male, Kr. Koscian), die Schlesien und Großpolen umfaßte und daher auch schlesisch-großpolnische Gruppe genannt wird; 2. die Mi§dzychodgruppe (auch Grobia-I- oder Lebuser Gruppe genannt), welche, wenn die bisher nur sehr dürftigen Funde nicht täuschen, in dem Gebiet zwischen der mittleren Oder im Westen und Nowy Tomysl im Osten saß; 3. die Iwnogruppe, deren Name sich von dem Ort Iwno, Kr. Szubin, herleitet und die im nördlichen Großpolen, in Kuj awien, im an der Weichsel gelegenen Teil von Masowien sowie im südlichen und mittleren Ostpommern ihren Sitz hatte; 4. die Grobia-ismiardowo-Gruppe, die früher Grobia-II-Gruppe hieß und im nordwestlichen Großpolen sowie einem großen Teil von Pommern begegnet; für ihre Be78
nennung waren die Fundorte Grobia, Kr. Mi^dzychöd, und Smiardowo Krajenskie, Kr. Zlotow, ausschlaggebend. Die Bestimmung der Grenzen zwischen diesen Gruppen bereitet zuweilen erhebliche Schwierigkeiten. So weisen zum Beispiel die Funde von den Gräberfeldern in Skowarcz, Kr. Pruszcz Gdanski, und in Weichselpommern derart bedeutende Analogien auf, daß es unmöglich ist zu entscheiden, ob sie der GrobiaSmiardowo- oder der Iwnogruppe zuzurechnen sind. In diesem Zusammenhang ist generell zu bemerken, daß erstere sich nach genauerer Untersuchung höchstwahrscheinlich überhaupt nur als eine territoriale Variante der letzteren erweisen wird. Hiermit ergäbe sich ein weiteres Argument für die engen Beziehungen zwischen sämtlichen obengenannten Gruppen; man sollte diese deshalb auf keinen Fall, wie es in der Literatur teilweise geschieht, als einzelne Kulturen behandeln. Am weitesten entwickelt unter ihnen war die Kosciangruppe; es folgte die Iwnogruppe, und erst nach dieser wären sämtliche übrigen einzureihen. Abgesehen von der Kosciangruppe trifft man hier überall noch auf epiäneolithische Elemente. Kannte man bis vor kurzem von der Aunjetitzer Kultur in Polen fast ausschließlich Grabfunde, Bronzeverwahrfunde und Goldhorte, so hat sich dies dank einer systematischen Grabungstätigkeit und Untersuchung von Siedlungen aus jener Periode in den letzten Jahren gründlich geändert. Besonders wichtige Ergebnisse brachten Arbeiten, welche in Bruszczewo, Kr. Koscian, sowie in Biskupin, Kr. 2nin, durchgeführt wurden. In Bruszczewo fand man eine ausgebaute Siedlung aus der Spätphase der Kosciangruppe (Datierung: 1370 ± 40 v. u. Z.); in Biskupin wurde ein sogenannter Kraal der Iwnogruppe freigelegt. Daß solche Siedlungsplätze der Aunjetitzer Kultur verhältnismäßig selten angetroffen werden, hängt mit der Wirtschaftsweise ihrer Träger sowie mit deren häufigem Wohnortswechsel zusammen. Was die eben genannte Wirtschaftsweise angeht, so ist die Meinung der Forschung über sie geteilt. Dies betrifft nicht nur die in Polen ansässigen Gruppen, sondern auch diejenigen, welche außerhalb unseres Landes lebten. Teilweise wird angenommen, daß der Ackerbau die Wirtschaftsgrundlage jener Bevölkerung bildete; ich selbst neige jedoch mehr zu der Ansicht, daß dieser Platz der Viehhaltung zukam — mit anderen Worten: daß wir es hier mit Hirtenvölkern zu tun haben. Damit soll jedoch nicht gesagt werden, daß diese den Ackerbau völlig hintanstellten; es war im Gegenteil so, daß die Art und Weise der Viehhaltung, die sich im Aunjetitzer Gebiet entwickelte, gewissermaßen durch den Ackerbau bedingt wurde. Für die These vom Vorherrschen der Viehhaltung sprechen nicht nur theoretische Überlegungen. Sie wird ebenso durch die Wandlungen in der wirtschaftlichen Entwicklung bestätigt, durch die gewachsene Rolle, welche die Haustiere schon bei den Trägern der späten donauländischen Kulturen sowie auch bei anderen Gruppen spielten, von denen sich die Aunjetitzer Bevölkerung herleitete. Wenn dieser, wie deutlich sichtbar, verhältnismäßig große Überschüsse zur Verfügung 79
standen, welche die Beschaffung wertvoller metallischer Rohstoffe und deren Hortung erlaubten, so konnte das unter den Bedingungen jener primitiven Wirtschaft nur durch eine Steigerung der Erträge aus der Viehzucht erreicht worden sein. Die Ackernutzung stand auf einem viel zu niedrigen Niveau, als daß sie hierzu hätte beitragen können. Sie beruhte auf der sogenannten wilden Feldgraswirtschaft; die unter Kultur genommenen Flächen wurden einige Jahre lang bestellt, dann jedoch verlassen und ebenso wie der Wohnort gewechselt. E s fällt auf, daß die Zahl der Schatzfunde in den einzelnen Gebieten unterschiedlich ist. Neben der Besiedlungsdichte bietet sich als Erklärung hierfür auch das jeweilige Überwiegen des Ackerbaus oder der Viehzucht in der Wirtschaft der Stämme an; dort, wo es weniger Schatzfunde gibt, dürfte der Ackerbau eine größere Rolle gespielt haben. Endgültig kann die Frage wohl erst nach einer Zahl weiterer Untersuchungen von Siedlungen entschieden werden. Gezüchtet wurden Rind, Pferd, Schwein und Ziege. Getreidereste sind in Polen bisher nicht entdeckt worden; aufgrund von böhmischen Funden können wir jedoch annehmen, daß die angebauten Arten die gleichen waren wie im Neolithikum. Ferner wurden Wildtiere gejagt und Fische gefangen. Durch Sammeln eingebrachte Früchte ergänzten schließlich die Ernährungsbasis. Im Bereich der handwerklichen Erzeugung trat die Nichteisenmetallurgie in den Vordergrund, insbesondere bei der Kosciangruppe. Wahrscheinlich befaßten sich mit ihr bereits Spezialisten. Daß auf dem Gebiet der Metallherstellung und -Verarbeitung so manche Anregung aus dem Südosten, vom ägäischen Kulturkreis, kam, wird durch gewisse Werkzeuge (Meißel mit niedrigen Rändern; Beile, die gleichzeitig Arbeits- und Kampfgerät waren), Waffen (dreieckige kleine Schwerter; Dolche; Amazonenäxte), Würde- und Kultabzeichen (Dolchstäbe mit geradem Nacken) sowie vielerlei Schmuck (Armbänder; Armringe; Halsringe, darunter Halsketten aus Spiralringen; Fingerringe; Schmuckscheiben) bewiesen. Zur Fertigung von Dolchen für die Stammesältesten wurde Gold verwendet, das man ansonsten zu Schmuck verarbeitete. Selbstverständlich sind nicht alle diese Gegenstände aus Metall, die auf polnischem Boden gefunden wurden, auch hier entstanden; ein beträchtlicher Teil von ihnen dürfte aus Werkstätten weiter entfernt lebender Gruppen stammen. Auch behielt nach wie vor der Stein als Rohstoff für verschiedene Geräte und Waffen seine Bedeutung und selbst die Kosciangruppe macht hierbei keine Ausnahme. Die größten Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen der Aunjetitzer Kultur lassen sich in der Keramik feststellen. Die Gefäße wurden weiter mit der Hand hergestellt; ihr Formenreichtum ist gering, ihre Verzierung bescheiden, jedoch zeichnen sie sich durch eine edle Gestaltung aus (Abb. 55). Auch aus Holz, Leder und Wolle wurden verschiedene Erzeugnisse geschaffen, doch ist ihre Beurteilung mangels entsprechender Fundstücke unmöglich. Der Handel erfuhr damals eine deutliche Belebung. Bei den Grabungen stieß man auf Gegenstände, die aus dem Westen stammen, so auf Dolchstäbe vom brandenburgisch-mecklenburgischen Typ (Abb. 56). Aus dem Süden kamen Dolche mit Griff sowie Schmuck (Goldspiralen, zyprische Nadeln und Ösennadeln), 80
und daß auch Verbindungen in die nördliche Richtung nicht fehlten, beweist ein bootförmiger goldener Ohrring aus Irland, der auf dem Fundplatz Wq.sosz, Kr. Szubin, also im Gebiet der Iwnogruppe, zutage gefördert wurde. Ein begehrtes Handelsobjekt von der Küste war der Bernstein.
Abb. 55
L?ki Male, K r . Koscian. K e r a mik der Kosciangruppe der Aunjetitzer Kultur
Abb. 56
L f k i Male, Kr. Koscian. Dolch stab vom brandenburg-mecklenburgischen T y p
Der am genauesten untersuchte Fundplatz ist der bereits erwähnte Kraal in Biskupin. Er stellt sich dar als ein von Gräben umgebenes Gehege (Abb. 57), das eine Fläche von 30 a hatte und 800 Stück Vieh fassen konnte. Die Wohnhütten der Hirten lagen vermutlich an seinem Rande. Recht verschiedenartig war der Bestattungsritus. Es gab einfache flache Gräber mit Skeletten in Hockerstellung und solche, die eine größere Anzahl Leichen bargen; auch finden sich hier und da Brandgräber. Neben Thüringen ist das südliche Polen ein weiteres Gebiet, in dem Hügelgräber mit reichen Bestattungen
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auftreten. Nach dem Kriege wurde eine Gruppe von ihnen in Lgki Male, K r . Koscian, wo sie im Verein mit einigen Flachgräbern anzutreffen sind, sorgfältig untersucht. Ihr Durchmesser wurde dabei mit bis zu 45 m, ihre Höhe mit über 4 m festgestellt. In einem solchen Hügelgrab wurde eine Steinkammer mit einem First aus Holzbalken und darüberliegenden Steinschichten entdeckt, in deren Inneren sich zwei Skelette, leider in einem sehr schlechten Zustand, befanden. Nach den Beigaben zu urteilen handelte es sich hier um einen Mann und eine Frau; man fand nämlich neben einigen Tongefäßen einen Dolchstab, den Knauf eines Bronzedolches, eine Bronzeaxt, eine Bronzenadel, zwei Bronzearmringe sowie Goldspiralen. Auf zwei ursprünglich wohl getrennten Steinpflastern lagen Dolche. Ziemlich reich war auch eines der zwei oder drei am Rande der Kammer gelegenen Gräber ausgestattet; es enthielt außer Keramik einen Dolch, eine A x t und einen
Abb. 57 82
Biskupin, Kr. Znin. Plan des sog. Kraals der Iwnogruppe. Aunjetitzer Kultur
Meißel, ebenfalls sämtlich aus Bronze, Bruchstücke von Bronzenadeln, drei Goldspiralen sowie Bernsteinperlen. Es kann angenommen werden, daß man in dem zentralen Grab einen Patriarchen mit seiner Sklavin oder einer seiner Frauen beisetzte, in den danebengelegenen männliche oder weibliche Sklaven. Auf diese Weise vermittelten uns solche Hügelgräber ein interessantes Bild davon, wie bei den Aunjetitzer Hirtenvölkern die führenden Angehörigen bestattet wurden. Erwähnt sei noch, daß der Dolchstab aus dem Zentralgrab eine abgebrochene Spitze zeigt. Hier dürfte keine zufällige Beschädigung, sondern eine bewußte Maßnahme vorliegen; konnte man die „Abtötung" von Gegenständen, insbesondere von Grabbeigaben, doch auf polnischem Boden bereits für das Mesolithikum nachweisen. Bei den hier behandelten Stämmen wird es eine solche Sitte sicher gleichfalls gegeben haben. Weshalb es nur in den beiden oben genannten Bereichen zur Aufschüttung der großen Grabhügel kam, konnte noch nicht geklärt werden. Wahrscheinlich besteht hier ein Zusammenhang mit der weit fortgeschrittenen Auflösung der alten Gesellschaftsformen. Auch andere in Polen gemachte Beobachtungen weisen darauf hin, daß der patriarchalische Stamm bereits eine lange Entwicklungsetappe zurückgelegt hatte. Doch wende ich mich trotzdem gegen die Behauptung, daß in dieser Zeit schon die territoriale Gemeinschaft zu entstehen begann. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, daß sich hier damals die letzte Phase der Urgemeinschaft in Ansätzen abzeichnete; jedoch dürfte dies nur einen mittelbaren Einfluß auf die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse bei einem Großteil der Urslawen gehabt haben. Außer dem, was über die Bestattung gesagt wurde, ist uns über die Vorstellungswelt der Aunjetitzer Bevölkerung nicht viel bekannt. Hauptsächlich aufgrund böhmischer Funde kann gesagt werden, daß auch die kultisch-religiöse Daseinsweise mit der Viehzucht zusammenhing. Von Sonnenverehrung und Fruchtbarkeitskult zeugen ein schön verzierter Schild und eine bronzene Gürtelplatte aus Jizerni Vtelno, ein ebenfalls aus Bronze hergestellter Ohrring mit Schmuckschild aus Stary Bydzov sowie ein brillenförmiger Anhänger aus demselben Metall, den man auf unserem Boden, in Smiardowo Krajenskie, Kr. Zlotow, entdeckte. Andere Amulette, die getragen wurden, bestanden aus Muscheln und Tierzähnen. Beachtung verdient das Auftreten von stilisierten Tierfiguren, auf welche man ebenfalls in Böhmen stieß. Sie sind mit der sogenannten kreativen Magie in Verbindung zu bringen: Ihre Herstellung vergrößerte gewissermaßen magisch den Tierbestand.
Die Stämme der ausgehenden schnurkeramischen Kultur Hatten sich, wie bereits ausgeführt, selbst bei den peripheren Gruppen der Aunjetitzer Kultur noch während der I. Periode der Bronzezeit die äneolithischen Merkmale überlebt, so verharrte die in derselben Zeit östlich des Aunjetitzer Gebietes wohnende Bevölkerung fast gänzlich auf diesem Niveau. Am stärksten 83
Meißel, ebenfalls sämtlich aus Bronze, Bruchstücke von Bronzenadeln, drei Goldspiralen sowie Bernsteinperlen. Es kann angenommen werden, daß man in dem zentralen Grab einen Patriarchen mit seiner Sklavin oder einer seiner Frauen beisetzte, in den danebengelegenen männliche oder weibliche Sklaven. Auf diese Weise vermittelten uns solche Hügelgräber ein interessantes Bild davon, wie bei den Aunjetitzer Hirtenvölkern die führenden Angehörigen bestattet wurden. Erwähnt sei noch, daß der Dolchstab aus dem Zentralgrab eine abgebrochene Spitze zeigt. Hier dürfte keine zufällige Beschädigung, sondern eine bewußte Maßnahme vorliegen; konnte man die „Abtötung" von Gegenständen, insbesondere von Grabbeigaben, doch auf polnischem Boden bereits für das Mesolithikum nachweisen. Bei den hier behandelten Stämmen wird es eine solche Sitte sicher gleichfalls gegeben haben. Weshalb es nur in den beiden oben genannten Bereichen zur Aufschüttung der großen Grabhügel kam, konnte noch nicht geklärt werden. Wahrscheinlich besteht hier ein Zusammenhang mit der weit fortgeschrittenen Auflösung der alten Gesellschaftsformen. Auch andere in Polen gemachte Beobachtungen weisen darauf hin, daß der patriarchalische Stamm bereits eine lange Entwicklungsetappe zurückgelegt hatte. Doch wende ich mich trotzdem gegen die Behauptung, daß in dieser Zeit schon die territoriale Gemeinschaft zu entstehen begann. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, daß sich hier damals die letzte Phase der Urgemeinschaft in Ansätzen abzeichnete; jedoch dürfte dies nur einen mittelbaren Einfluß auf die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse bei einem Großteil der Urslawen gehabt haben. Außer dem, was über die Bestattung gesagt wurde, ist uns über die Vorstellungswelt der Aunjetitzer Bevölkerung nicht viel bekannt. Hauptsächlich aufgrund böhmischer Funde kann gesagt werden, daß auch die kultisch-religiöse Daseinsweise mit der Viehzucht zusammenhing. Von Sonnenverehrung und Fruchtbarkeitskult zeugen ein schön verzierter Schild und eine bronzene Gürtelplatte aus Jizerni Vtelno, ein ebenfalls aus Bronze hergestellter Ohrring mit Schmuckschild aus Stary Bydzov sowie ein brillenförmiger Anhänger aus demselben Metall, den man auf unserem Boden, in Smiardowo Krajenskie, Kr. Zlotow, entdeckte. Andere Amulette, die getragen wurden, bestanden aus Muscheln und Tierzähnen. Beachtung verdient das Auftreten von stilisierten Tierfiguren, auf welche man ebenfalls in Böhmen stieß. Sie sind mit der sogenannten kreativen Magie in Verbindung zu bringen: Ihre Herstellung vergrößerte gewissermaßen magisch den Tierbestand.
Die Stämme der ausgehenden schnurkeramischen Kultur Hatten sich, wie bereits ausgeführt, selbst bei den peripheren Gruppen der Aunjetitzer Kultur noch während der I. Periode der Bronzezeit die äneolithischen Merkmale überlebt, so verharrte die in derselben Zeit östlich des Aunjetitzer Gebietes wohnende Bevölkerung fast gänzlich auf diesem Niveau. Am stärksten 83
zurückgeblieben waren die Stämme der baltischen Gruppe. Da es aus dem nordöstlichen Polen nur spärliche Funde gibt, kann über ihre Lebensweise kaum etwas gesagt werden. Recht wahrscheinlich ist, daß hier weiterhin dieselben Stämme lebten, die das Antlitz jener Gebiete schon in der IV. Periode der Jungsteinzeit geprägt hatten. Einen größeren Fortschritt, der als Ergebnis sowohl einer inneren Entwicklung als auch durch den Austausch entstandener Kontakte zu teilweise
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Abb. 58
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1 CM 1
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Mierzanowice, Kr. Opatöw. Verschiedene Grabbeigaben
weit entfernten Ländern zu werten ist, zeigte die Mierzanowicer Gruppe, welche früher nach dem Ort Tomaszow, Kr. Proszowice, Tomaszöw-Gruppe genannt wurde. Wie die bisherigen Ermittlungen ergaben, bewohnte sie die Gebiete am linken Ufer der oberen Weichsel, angefangen von der Gegend um Krakow bis etwa zur Einmündung des San. Sie erwuchs aus neu eingewanderten Elementen und dem lokalen Substrat, hauptsächlich der Zlotagruppe, wobei gewisse Einflüsse der Kraköw-Sandomierz-Gruppe der schnurkeramischen Kultur, in geringerem Maße auch der Glockenbecherkultur sichtbar werden. Diese bisher kaum erforschte Gruppe charakterisierten am besten die Fundstücke aus dem Gräberfeld in Mierzanowice, Kr. Opatow (Abb. 58; 59), solange wir die Ergebnisse der neuen Ausgrabungen in Iwanowice, Kr. Miechöw, wo über 60 Skelettgräber und viele Gebäude zutage traten, noch abwarten müssen. Leider geben sie über die Wirt84
Gruppe der schnurkeramischen K u l t u r
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schaftsweise nur geringe Aufschlüsse. Trifft es zu, daß auch hier der Sonnenkult dominierte, dann ist es sehr wahrscheinlich, daß die Viehhaltung Haupterwerbsquelle dieser Bevölkerung war und ihr die Überschüsse für den Austausch lieferte; aber auch Ackerbau, Jagd, Fischfang und Sammeln sind gewiß von nicht geringer Bedeutung gewesen. Was die handwerkliche Produktion betrifft, so ist einiges über die Metallurgie, die Verarbeitung von Feuerstein, Knochen und Horn sowie die Töpferei bekannt. Funde von gebändertem Feuerstein, wie er in Krzemionki, Kr. Opatöw, auftritt, lassen vermuten, daß das dortige Bergwerk damals noch existierte. Aus dem genannten Material wurden vierkantige Äxte und Pfeilspitzen hergestellt. Letztere begegnen in großer Zahl; einige Gräber, vermutlich von Kriegern, enthielten bis zu 25 Stück, die sich wohl einst, ähnlich wie in Zlota, in einem Köcher befanden. In Mierzanowice entdeckte man auch Klebemasse aus Harz, welche zur Befestigung der Flintspitzen am Pfeilschaft verwendet wurde. Die Metallerzeugung hatte bei jener Gruppe nur untergeordnete Bedeutung; die meisten metallenen Gegenstände, die man bei Grabungen zutage förderte, stammten von außerhalb. Die Gefäße wurden mit der Hand aus Ton geformt. Da sich in den Gräbern oft nur recht kleine finden, ist es nicht ausgeschlossen, daß sich die Grabkeramik von der in Küche und Haushalt benutzten unterschied. Unter den diversen Holzerzeugnissen, welche eine wesentliche Rolle spielten, befanden sich auch Baumsärge. Schließlich dürfte das Flechten bekannt gewesen sein. Berücksichtigen wir die relativ geringe Zahl von Fundplätzen der Mierzanowicer Gruppe, die bisher untersucht worden sind, dann muß festgestellt werden, daß ihre Bevölkerung, obwohl deren Verhältnisse rückständiger waren als etwa diejenigen der Aunjetitzer Randstämme, dennoch einen ausgedehnten Handelsaustausch betrieb. E s finden sich hier nämlich Werkzeuge und Schmuck sowohl aus dem Aunjetitzer Milieu als auch aus den Mittelmeerländern. Besonders zahlreich treten Fayenceperlen auf, welche gleichartigen Erzeugnissen aus der Zeit der 13. bis 16. ägyptischen Dynastie derart ähneln, daß ihr Eingang in Polen spätestens um das Jahr 1600 v. u. Z. erfolgt sein dürfte — zu einer Zeit also, da wir hier den Beginn der Bronzezeit anzusetzen haben. Das Vorhandensein von Beziehungen zu Irland dokumentieren die für unsere Gruppe typischen Ohrringe aus einem Draht, der von der Mitte aus über seine ganze Länge in ein gleichbreites Plättchen flachgeschmiedet ist. Daß die Kleidung durch verschiedene Arten von Schmuck ergänzt wurde, ist uns von Grabfunden her bekannt. Es wurden Bronzeohrringe, Perlenhalsbänder vornehmlich aus Knochen, Glasfluß oder Bronze sowie Anhänger aus Eberhauern getragen; letztere wurden schließlich teilweise aus Metall nachgeahmt. Sehr selten finden sich auch herzförmige Anhänger aus Glasfluß; sie sind ägyptischer Herkunft. Die Schläfen zierte man mit Spiralen aus Bronze, auch mit Schmuckscheiben aus demselben Metall oder aus Knochen. Zum Schmuck gehörten weiter verzierte Knochennadeln. Nur ein Teil der hier aufgezählten Gegenstände diente ausschließlich ästhetischen Zwecken; viele von ihnen, vor allem die Schmuckschilde, Stücke aus Eberhauern, die herzförmigen Anhänger sowie die aus Flußmuscheln gefertigten Perlen hatten gleichzeitig einen magischen Charakter. -
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Weiterhin war die Bestattung unverbrannter Leichen in Flachgräbern gebräuchlich, wobei die Skelette teilweise in eine mehr oder weniger gehockte Lage gebracht wurden. Als eine gewisse Sonderform registrieren wir die Beisetzung in geflochtenen Matten oder Baumsärgen. Die Toten erhielten die Gegenstände ihres persönlichen Gebrauchs, ferner Beigefäße und Speisen mit ins Grab. Im Bereich der Iwanowice-Brzezie-Untergruppe wurden auch Tiergräber (Abb. 60) gefunden. Die Glaubensvorstellungen werden sich in der Tendenz von denen, welche wir bei der Zlotagruppe kennenlernten, kaum unterschieden haben. Wieder stand
Abb. 60
Iwanowice, Kr. Miechow. Tiergrab (Stier und trächtige Kuh). Mierzanowicer Gruppe, Untergruppe Iwanowice-Brzezie
vermutlich der Sonnenkult an erster Stelle. Manche Amulette, etwa die aus Muscheln, sind anscheinend mit dem Fruchtbarkeitskult in Verbindung zu bringen, andere wiederum hatten deutlich apotropäischen Charakter. Zu ihnen gehörten die Anhänger in Gestalt von Eberhauern oder Wolfszähnen, welche vor Unheil schützen und zur Vermehrung der K r a f t des Trägers beisteuern sollten. Sehr bescheiden ist unser Wissen über die Strzyzöwgruppe (Abb. 61). Ihr Fortbestand bis zum Ende der I. Periode der Bronzezeit wird durch Fayenceperlen belegt, die entweder aus Ägypten oder aus dem ägäischen Kulturkreis (Abb. 62) stammen und etwa zwischen 1450 und 1400 v. u. Z. nach Mitteleuropa gelangten. Die Bevölkerung dieser nach der Ortschaft Strzyzow, K r . Hrubieszow, benannten Gemeinschaft siedelte im östlichen Teil des Lubliner Landes und im Westen Wolhyniens. Die für sie charakteristischen Merkmale zeugen davon, daß 87
sie sich aus lokalen donauländischen Elementen entwickelte, wobei die Kugelamphoren- sowie die schnurkeramische Kultur auf diesen Prozeß einwirkten. Besonders der Anteil der zur Aunjetitzer Kultur gehörenden Iwnogruppe ist offenkundig. Der Weg der Strzyzowgruppe führte über Weichsel und Bug oder — was im Zusammenhang mit dem Vorkommen von Iwno-Funden bei Garwolin wahrscheinlicher ist — überWeichselundWieprzindie oben angegebenen Gebiete. Was ihre Wirtschaftsweise anbelangt, so unterschied sich diese von der anderer
Abb. 61
Strzyzöw, Kr. Hrubieszow. Verzierte Knochennadeln. Stryzöwgruppe
schnurkeramischer Gruppen erheblich. Welche Bedeutung hier der Viehzucht zukam, zeigt wohl am deutlichsten die Tierbestattung: es finden sich Gräber von Kühen, Schafen und Hunden. Über den T y p der Behausungen konnte bisher nichts ermittelt werden. Dagegen hat man, ähnlich wie bei den Trägern einiger anderer Kulturgruppen jener Zeit, Doppelgräber entdeckt. In Skomorochy, Kr. Hrubieszow, lag das Skelett einer Frau über dem eines Mannes, was stark vermuten läßt, daß dieser hier mit einer seiner jüngeren Frauen bestattet wurde. Auch für diese Strzyzowgruppe war wohl die patriarchalische Gesellschaftsordnung typisch. Die während der letzten Zeit in Jurköw, Kr. Busko-Zdroj, Krakow (Nowa Huta-Pleszow) und Wyci^ze, Kr. Krakow, durchgeführten Untersuchungen machten uns mit — allerdings vorläufig noch vereinzelten — Funden der Mad'arov-
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cekultur bekannt. Diese, früher nach dem Ort Vesele bei Piestany Veselekultur genannt, trägt ihren jetzigen Namen nach einem Flecken bei Krupina in der südlichen Slowakei. Hier liegt auch das Ursprungsgebiet ihrer Träger, welche ganz am Ende der I. Periode der Bronzezeit, vermutlich dem Lauf der Flüsse Väh, Poprad und Dunajec folgend, nach Kleinpolen vordrangen. Entstehung und Entwicklung dieser Kultur sind noch nicht geklärt. Mit Sicherheit waren, ähnlich wie bei den Aunjetitzer Gruppen, die Stämme der donauländischen Kulturen daran nicht wenig beteiligt; hierauf deuten unter anderem die
Abb. 62
Verbreitung der mediterranen Importstücke in der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends v. u. Z. in Ostmitteleuropa und Osteuropa und eventuelle Wege ihrer Diffusion. Nach T. Sulimirski. 1. Fayence und frühe blaue Glasflußperlen. 2. Schwerter etc. (u. a. die Hittitefigur von Sernai). 3. lokale Produktion mit mykenischen Ornamenten, 4. Importstücke von Unetice in der Fatj anowokultur
Krüge mit hohem, trichterförmig erweitertem Hals und Bandhenkel. Äußerst förderlich wirkten sich ferner die Kontakte mit dem ostmediterranen Milieu aus. In der Wirtschaft waren Viehzucht und Ackerbau vorherrschend. Mit dem Ende der I. Periode der Bronzezeit (um 1400 v. u. Z.) schrumpfte das von den Völkerschaften der ausgehenden äneolitischen Kultur eingenommene Gebiet immer stärker zusammen. Von einigen Enklaven abgesehen, beschränkte es sich in der folgenden Zeit (um 1400 bis 1200 v. u. Z.) fast ausschließlich auf den nordostpolnischen Raum. Wenn auch die in den übrigen Landesteilen bisher 7
Hensel
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angetroffenen Kulturen Wandlungen unterlagen oder sich ganz auflösten, so bedeutete dies doch nicht, daß jetzt der Stein als Rohstoff für die Erzeugung von Geräten und Waffen völlig außer Gebrauch kam. Bis dies geschah, dauerte es noch sehr lange; erst in der Eisenzeit hatte er seine Bedeutung unwiderruflich verloren. Die nunmehr schneller als zuvor fortschreitende Entwicklung der Produktivkräfte fand auch im ideologischen Überbau der auf polnischem Boden lebenden Stämme ihren mittelbaren Niederschlag. Dies kam nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß in der II. Periode der Bronzezeit neue archäologische Kulturen auftraten : die sogenannte Vorlausitzer und die Trzcinieckultur. Die Vereinheitlichung, auf die wir oben bereits hingewiesen haben, zeigt sich hierin mit aller Deutlichkeit. Polen teilte sich jetzt gewissermaßen in drei Zonen: die westliche (Vorlausitzer) Zone, die mittlere (Trzciniec-) sowie die nordöstliche (baltische) Zone.
Die Stämme der Vorlausitzer Kultur Fast das gesamte Territorium, das in der I. Periode der Bronzezeit die „polnischen" Gruppen der Aunjetitzer Kultur eingenommen hatten, wurde um 1400 v. u. Z. zur Domäne der Stämme der Vorlausitzer Kultur. Vornehmlich auf dem Aunjetitzer Substrat erwachsen, unterlagen diese daneben bestimmten Einflüssen der südböhmischen und mitteldonauländischen Hügelgräberstämme. Als Haupterwerbszweig dürfte bei ihnen die Haustierzucht wichtiger als der Ackerbau gewesen sein; jedoch kann diese Aussage nur erschlossen werden. In der handwerklichen Erzeugung zeichnete sich eine rasche Entwicklung der Metallurgie ab, was viele Geräte, Waffen und Schmuck sowie Rangzeichen (Diademe) beweisen; auch aus Stein wurden jedoch weiterhin verschiedene Werkzeuge gefertigt. Die Keramik stellte man immer noch mit der Hand her. Zu ihren Leitformen (Abb. 63) gehören unter anderem Gefäße mit zylindrischem Hals und mit einem oder mehreren Henkeln; häufig kamen ferner Töpfe mit S-förmigem Profil und schlanke Krüge sowie Henkelbecher vor. Das Sortiment ihrer Verzierungen ist recht bescheiden, besonders wenn man die reich geschmückten Bronzeerzeugnisse im Vergleich dazu betrachtet; am häufigsten finden sich aufgeklebte Buckelchen und senkrecht geriefelte Streifen. Die auf einigen Gefäßen auftretenden halbmondförmigen Leisten sind wohl schematische Stierkopfdarstellungen (Abb. 63 oben rechts). An Waffen gab es eine sehr reiche Auswahl, insbesondere was die der Stammesund Sippenältesten betrifft. Man fand Schwerter, Dolche, Lanzenspitzen sowie schön ornamentierte, aus Ungarn stammende bronzene Streitäxte. Ebenso vielfältig war der Schmuck, wobei hier als besonders beachtenswert Armringe aus dickem, rundem Draht mit schneckenförmigen Scheiben sowie weitere Stücke in Spiralform (Abb. 64) genannt seien. Verzierte Bronzenadeln erreichten manchmal eine Länge bis zu 40 cm. Hand in Hand mit dem wirtschaftlichen Fortschritt entwickelte sich auch der Austausch. Durch ihn lernte die Vorlausitzer Bevölkerung verschiedene Formen 90
angetroffenen Kulturen Wandlungen unterlagen oder sich ganz auflösten, so bedeutete dies doch nicht, daß jetzt der Stein als Rohstoff für die Erzeugung von Geräten und Waffen völlig außer Gebrauch kam. Bis dies geschah, dauerte es noch sehr lange; erst in der Eisenzeit hatte er seine Bedeutung unwiderruflich verloren. Die nunmehr schneller als zuvor fortschreitende Entwicklung der Produktivkräfte fand auch im ideologischen Überbau der auf polnischem Boden lebenden Stämme ihren mittelbaren Niederschlag. Dies kam nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß in der II. Periode der Bronzezeit neue archäologische Kulturen auftraten : die sogenannte Vorlausitzer und die Trzcinieckultur. Die Vereinheitlichung, auf die wir oben bereits hingewiesen haben, zeigt sich hierin mit aller Deutlichkeit. Polen teilte sich jetzt gewissermaßen in drei Zonen: die westliche (Vorlausitzer) Zone, die mittlere (Trzciniec-) sowie die nordöstliche (baltische) Zone.
Die Stämme der Vorlausitzer Kultur Fast das gesamte Territorium, das in der I. Periode der Bronzezeit die „polnischen" Gruppen der Aunjetitzer Kultur eingenommen hatten, wurde um 1400 v. u. Z. zur Domäne der Stämme der Vorlausitzer Kultur. Vornehmlich auf dem Aunjetitzer Substrat erwachsen, unterlagen diese daneben bestimmten Einflüssen der südböhmischen und mitteldonauländischen Hügelgräberstämme. Als Haupterwerbszweig dürfte bei ihnen die Haustierzucht wichtiger als der Ackerbau gewesen sein; jedoch kann diese Aussage nur erschlossen werden. In der handwerklichen Erzeugung zeichnete sich eine rasche Entwicklung der Metallurgie ab, was viele Geräte, Waffen und Schmuck sowie Rangzeichen (Diademe) beweisen; auch aus Stein wurden jedoch weiterhin verschiedene Werkzeuge gefertigt. Die Keramik stellte man immer noch mit der Hand her. Zu ihren Leitformen (Abb. 63) gehören unter anderem Gefäße mit zylindrischem Hals und mit einem oder mehreren Henkeln; häufig kamen ferner Töpfe mit S-förmigem Profil und schlanke Krüge sowie Henkelbecher vor. Das Sortiment ihrer Verzierungen ist recht bescheiden, besonders wenn man die reich geschmückten Bronzeerzeugnisse im Vergleich dazu betrachtet; am häufigsten finden sich aufgeklebte Buckelchen und senkrecht geriefelte Streifen. Die auf einigen Gefäßen auftretenden halbmondförmigen Leisten sind wohl schematische Stierkopfdarstellungen (Abb. 63 oben rechts). An Waffen gab es eine sehr reiche Auswahl, insbesondere was die der Stammesund Sippenältesten betrifft. Man fand Schwerter, Dolche, Lanzenspitzen sowie schön ornamentierte, aus Ungarn stammende bronzene Streitäxte. Ebenso vielfältig war der Schmuck, wobei hier als besonders beachtenswert Armringe aus dickem, rundem Draht mit schneckenförmigen Scheiben sowie weitere Stücke in Spiralform (Abb. 64) genannt seien. Verzierte Bronzenadeln erreichten manchmal eine Länge bis zu 40 cm. Hand in Hand mit dem wirtschaftlichen Fortschritt entwickelte sich auch der Austausch. Durch ihn lernte die Vorlausitzer Bevölkerung verschiedene Formen 90
von Arbeits- und Kampfwerkzeugen sowie Verzierungen kennen, welche sie später in ihren lokalen Werkstätten nachahmte. Leider wissen wir darüber, wie dieser Austausch in den hier behandelten sowohl wie in den ihnen folgenden Jahrhunderten konkret durchgeführt wurde, nur wenig. E s ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, daß die Hersteller der Metallerzeugnisse ihre Produkte selbst verkauften und so den K e i m für eine Kaufmanns- und Handwerkerschicht legten ; verschiedene Analogien aus späterer Zeit deuten darauf hin. Anfänglich hat diese Spezialisierung die sozialen Bande in der Gruppe nicht angetastet; erst im weiteren Verlauf sollte sie sich zu einem F a k t o r entwickeln, der das soziale Gefüge
Abb. 63
Keramik der Vorlausitzer Kultur aus Großpolen
störte oder sogar sprengte. Die Fundstücke lassen erkennen, daß die Austauschbeziehungen der Vorlausitzer ein weites Gebiet erfaßten; zu nennen wären Frankreich (Nachahmung der armorikanischen Beile), Italien, Nord- und Süddeutschland, Skandinavien, Ungarn sowie Böhmen und Mähren. In Südpolen bestatteten jene Stämme ihre Toten in Hügelgräbern, die jedoch ärmlicher ausgestattet waren als in der voraufgegangenen Periode; ansonsten begegnen Flachgräber. A u c h die gänzliche oder teilweise Leichenverbrennung war eine häufige Erscheinung, obwohl die Skelettgräber überwogen. Die Zeugnisse, welche uns über die Glaubenswelt der Vorlausitzer Aufschlüsse gewähren können, sind so spärlich, daß der Charakter der bei ihnen herrschenden religiösen Vorstellungen allein aus dem Auftreten gewisser Symbole gefolgert 7*
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Abb. 64 Grodnica, Kr. Gostyn Wlkp. Teil eines Bronzeschatzfundes der Vorlausitzer Kultur werden kann. In Mogilno stieß man auf Radnadeln mit eingezeichnetem Stern vom süddeutschen T y p , in Wojdal, Kr. Inowroclaw, fanden sich auf manchen Nadelköpfen sonnenartige Verzierungen, in Mi§dzyzdroje, Kr. Wolin, wurden Anhänger in Form eines runden Schildchens entdeckt — all dies deutet auf den Sonnenkult hin. Dagegen lassen die plastische Darstellung von Stierköpfen auf der Keramik und brillenförmige Anhänger den Schluß zu, daß auch magischen Handlungen, die mit der Fruchtbarkeit zusammenhingen, große Bedeutung beigemessen wurde. Somit traten in diesem Bereich gegenüber früher keine größeren Änderungen ein.
Die Stämme der Trzcinieckultur E s unterliegt keinem Zweifel, daß die Stämme der Trzcinieckultur auf dem Gebiet der Metallurgie eine geringere A k t i v i t ä t zeigten als die Vorlausitzer; in anderen Wirtschaftszweigen entwickelten sie dagegen eine weit größere Spannkraft als jene. A u c h ihr Siedlungsgebiet war viel ausgedehnter: E s umfaßte nicht nur einen großen Teil Polens, sondern reichte im Osten bis an den mittleren Dnepr (Rayon 92
Abb. 64 Grodnica, Kr. Gostyn Wlkp. Teil eines Bronzeschatzfundes der Vorlausitzer Kultur werden kann. In Mogilno stieß man auf Radnadeln mit eingezeichnetem Stern vom süddeutschen T y p , in Wojdal, Kr. Inowroclaw, fanden sich auf manchen Nadelköpfen sonnenartige Verzierungen, in Mi§dzyzdroje, Kr. Wolin, wurden Anhänger in Form eines runden Schildchens entdeckt — all dies deutet auf den Sonnenkult hin. Dagegen lassen die plastische Darstellung von Stierköpfen auf der Keramik und brillenförmige Anhänger den Schluß zu, daß auch magischen Handlungen, die mit der Fruchtbarkeit zusammenhingen, große Bedeutung beigemessen wurde. Somit traten in diesem Bereich gegenüber früher keine größeren Änderungen ein.
Die Stämme der Trzcinieckultur E s unterliegt keinem Zweifel, daß die Stämme der Trzcinieckultur auf dem Gebiet der Metallurgie eine geringere A k t i v i t ä t zeigten als die Vorlausitzer; in anderen Wirtschaftszweigen entwickelten sie dagegen eine weit größere Spannkraft als jene. A u c h ihr Siedlungsgebiet war viel ausgedehnter: E s umfaßte nicht nur einen großen Teil Polens, sondern reichte im Osten bis an den mittleren Dnepr (Rayon 92
Kiew), im Süden bis zum Karpatenvorland; im Norden sind Einflüsse bis etwa zur Kurischen Nehrung hin festzustellen. Vermutlich infolge des differenzierten Substrats, das sie aufgesogen hatte, zerfiel die Trzcinieckultur in einige Gruppen, auf die wir hier jedoch nicht weiter eingehen. Neuere polnische Ausgrabungen haben die Anschauung bekräftigt, daß sie sich von den altansässigen Schnurkeramikern herleitete, mit denen gewisse Elemente jüngerer Gruppen der Kamm- und Grübchenkeramik und teilweise auch der Iwnogruppe verschmolzen; auch ist mit Einwirkungen der südböhmischen und mitteldonauländischen Hügelgräberkultur stark zu rechnen. Bei Untersuchungen in Zerniki Gorne, K r . Busko-Zdröj, beispielsweise wurden für das Ende des Äneolithikums und die I. Periode der
Abb. 65
tubna, Kr. Sieradz. Gefäß aus einem Grabhügel der Trzcinieckultur
Bronzezeit schnurkeramische Gräber, darüber solche der Mierzanowicegruppe und schließlich in der jüngsten Schicht Bestattungsplätze der Trzcinieckultur festgestellt. In der Wirtschaft war, zumindest bei einigen Gruppen, die Viehzucht gegenüber dem Ackerbau vorherrschend. Ferner wurde gejagt und gesammelt. Zum B a u von Häusern und Grabkammern, als Heizmaterial sowie zur Erzeugung von mannigfachen Geräten, Gefäßen und auch von Transportmitteln wurde Holz verwendet. Leider hat sich nichts von all dem erhalten, was man daraus herstellte. Der Stein blieb weiterhin ein bevorzugter Rohstoff für verschiedene Geräte und Waffen — um so mehr, da die lokale Metallerzeugung sich in sehr bescheidenem Rahmen hielt. Sie war im Westen des von den Trägern der Trzcinieckultur bewohnten Gebietes stärker entwickelt als im Osten. Die handgearbeitete Keramik (Abb. 65) zeigt einen größeren Reichtum an Verzierungen als die der Vorlausitzer Stämme. Neben Erzeugnissen aus Holz, Metall, Stein und Ton finden sich weitere aus Horn, Knochen und Leder. Zur Herstellung von Schmuck benutzte man Bronze, aber auch Gold. Die Stämme der Trzcinieckultur unterhielten recht rege Beziehungen zu anderen Völkern. E s sind Fundstücke bekannt, die aus dem Bereich der Vorlausitzer Kultur stammen; die Heimat anderer waren das Dnestrgebiet, die Slowakei und
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Ungarn. Der Schmuck aus Bernstein und Glas wurde gleichfalls auf dem Austauschwege bezogen, letzterer (Fundort: Zerniki Görne) wahrscheinlich aus Kleinasien. Bei jener Bevölkerung überwog die Körperbestattung; die Brandbestattung kam seltener vor. Es sind sowohl Hügelgräber als auch flache Einzel- und Massengräber bekannt. Das Doppelgrab im Hügel in Lubna, Kr. Sieradz, legt wie andere die Vermutung nahe, daß hier ein Mann zusammen mit seiner Frau beigesetzt wurde, welche sich freiwillig während der Bestattungsfeier töten ließ. Schwieriger ist die Sache dort, wo in einem Grab viele Skelette gefunden wurden (so waren es beispielsweise in Wolica Nowa, Kr. Wloclawek, dreiundzwanzig). Es gibt dafür mindestens drei Deutungsmöglichkeiten: erstens als Familiengrab mit nacheinander bestatteten Toten, vorstellbar wohl als ein Totenhaus in Holzkonstruktion, die später vermoderte und einstürzte; zum anderen als Sammelgrab, welches mit irgendeiner Kriegskatastrophe im Zusammenhang stand; schließlich als Familiengrab, in das die Leichen nach längerem Liegen an anderen Stellen überführt wurden (Sekundärbestattung). Die beiden letztgenannten Versionen haben die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Die Skeletteile nämlich, die in dem Grab ebenfalls gefunden wurden, könnten die Überbleibsel eines kannibalischen Totenmahls am Grabe gefallener Krieger sein; doch ist es auch möglich, sie als Reste von Leichen anzusehen, die früher im Freien lagen und dabei von Wildtieren angenagt wurden. Auch bei der Trzciniec-Bevölkerung finden wir Anzeichen des Sonnenkults. So befindet sich in dem Bronzeschatzfund von Dratow, Kr. Opole Lubelskie, ein Diadem, das in seinem mittleren Teil mit einem Kreuz verziert ist. Dieser Fund kann einwandfrei als der Trzcinieckultur zugehörig erwiesen werden; bei anderen Gegenständen mit ähnlichen Motiven ist ihre lokale Herkunft dagegen nicht sicher. Ein Tonbecher aus Trzciniec, Kr. Pulawy, selbst zeigt eine schematische Darstellung der Sonne — auf der Keramik fehlen entsprechende Indizien also ebenfalls nicht. Was die Gesellschaftsstruktur der hier behandelten Stämme angeht, so sind in ihr die patriarchalischen Züge deutlich ausgeprägt. Die kargen archäologischen Quellen erlauben es leider nicht, alle Seiten des damaligen Lebens ausführlich zu beleuchten. Fast außerhalb unseres Beobachtungsfeldes verbleiben zum Beispiel die zwischen den Sippen und Stämmen jener Periode geführten Kämpfe. Daß es solche gab, ist sicher; wir werden indirekt durch ethnographische, aber auch direkt durch archäologische Quellen, die wir zumindest bis ins Mesolithikum hinauf zurückverfolgen können, doch deutlich genug darauf hingewiesen. Zu den letzteren sind die Schatzfunde zu zählen. Neben ihrer ökonomischen Aussage als Indiz für die damals um sich greifende Hortung von Wertsachen lassen sie nämlich auch den Schluß zu, daß diese Wertsachen, welche teilweise bereits Geldeigenschaften besaßen, der Erde wohl meist in Zeiten der Unruhe anvertraut wurden — aus Furcht vor ihrem Verlust. Dem Umstand, daß ihre Eigentümer sie dann oft nicht mehr wiederfanden, verdanken wir es, daß manche von ihnen bis auf unsere Tage überdauert haben. Möglicherweise werden wir in Zukunft unfern von jenen Stellen, wo Hortfunde geborgen wurden, 94
auch die zeitgleichen Siedlungen entdecken, und wenn wir in ihnen Brandspuren feststellen könnten, so wäre dies ein weiterer Hinweis in der angegebenen Richtung: nämlich daß ihre Zerstörung eine Folge von Kriegshandlungen war. Somit vermögen uns, wie ich glaube, die Hortfunde einen gewissen Aufschluß über diejenigen Zonen zu geben, in welchen es damals vorwiegend zu Kämpfen auf polnischem Boden kam. Sehr wahrscheinlich konzentrierten sich diese Auseinandersetzungen hauptsächlich dort, wo der größte Reichtum zu verzeichnen war. Überhaupt nicht mit Hilfe archäologischer Untersuchungen erfaßbar sind solche verheerenden Ereignisse wie Epidemien oder Naturkatastrophen. Wir können nur aufgrund von Überlegungen folgern, daß letztere für die damalige Bevölkerung die geringere Gefahr darstellten; konnte sie sich doch aus den von Feuer oder Wasser bedrohten Gebieten zurückziehen. Bei Überschwemmungen dürfte dies leichter gewesen sein als bei Waldbränden. All das zusammengenommen hat das Entwicklungstempo verringert, ja in einigen Landesteilen sogar gewisse Rückschläge verursacht. Dessenungeachtet wurden jedoch in der II. Periode der Bronzezeit, welche besonders im 13. J h . v. u. Z. in Erscheinung trat und in den meisten polnischen Gebieten dann über ein halbes Jahrtausend andauerte, die Grundlagen für einen weiteren intensiven Fortschritt gelegt. Hinsichtlich des Überbaus fand dies in der Herausbildung einer neuen wichtigen archäologischen Kultur, die nach der Landschaft, wo die für sie typischen Materialien zuerst gefunden wurden, Lausitzer Kultur heißt, sowie in der auf einem kleineren Territorium entstandenen Baltenkultur seinen Ausdruck.
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VI.
Lebten die Urslawen auch in Polen?
In den voraufgegangenen Kapiteln wurde die ethnische Zugehörigkeit der Träger verschiedener archäologischer Kulturen fast überhaupt nicht berührt; nur bei bestimmten neolithischen Gruppen ist, wie erinnerlich, einiges über ihre Vereinigung in Sprachfamilien geäußert worden. Ich habe dieses ebenso wichtige wie komplizierte Problem bisher bewußt ausgeklammert, um es nunmehr in einem gesonderten Abschnitt auf der Basis bereits erörterter Fakten möglichst komplex erfassen zu können. Allerdings würde eine völlig erschöpfende Behandlung und die Darstellung unter allen zu Gebote stehenden Aspekten den Rahmen dieser Publikation sprengen. Bekanntlich zählen die Slawen zu den indoeuropäischen Stämmen, auf die wir daher zunächst kurz eingehen müssen. Es bestehen hier mannigfache Kontroversen — hinsichtlich des Zeitpunktes, an dem sich die indoeuropäische Sprachgemeinschaft herausgesondert hat, ebenso wie über die Prozesse, welche nach ihrem Zerfall eintraten. Vorherrschend ist jetzt die Ansicht, daß es in der mittleren Steinzeit und nicht wie man früher glaubte, erst während des Neolithikums zur Herausbildung der urindoeuropäischen Sprache kam. Neben der alten These, daß dies auf dem Wege des Zerfalls größerer in kleinere Sprachgruppen geschah, wird heute auch in Erwägung gezogen, daß es in jener Zeit, da sich die Sprachverhältnisse erst schwach herauskristallisiert hatten, auch durch die Integration kleinerer Gruppen in größere Einheiten zu der genannten Entwicklung gekommen sein könnte. Das Territorium, in welchem der indoeuropäische Sprachstamm entstand, wird gleichfalls verschieden lokalisiert. Viel spricht dafür, es in den Weiten Eurasiens zu suchen, wobei der Südosten wohl zuerst und am stärksten von diesem Prozeß erfaßt wurde. Von hier aus ergossen sich dann die indoeuropäischen Stämme wellenartig in die später von ihnen bewohnten Räume. Allerdings verlief diese Bewegung durchaus nicht nur in eine Richtung: neben den ältesten, sich von Ost nach West erstreckenden Zügen gab es in den jüngeren Phasen auch solche, die von Westen nach Osten gingen. Da hierbei überdies die verschiedenartigsten fremden Substrate aufgesaugt wurden, kompliziert sich unser Problem weiter. Auch die Dürftigkeit der Quellen, auf deren Grundlage man die Ethnogeographie verschiedener Länder rekonstruieren könnte, ist eine Ursache der umfangreichen Skala 96
von Meinungen über die Wiege der Urindoeuropäer. In diesem Zusammenhang sei sofort daran erinnert, daß der Begriff „indoeuropäische Gemeinschaft" eine Sprachgemeinschaft kennzeichnet, in deren Bestand jedoch Stämme eingingen, die unterschiedliche Rassemerkmale aufwiesen und verschiedenen Kulturgruppen angehörten. Dieser Umstand widerlegt entschieden die These der Rassisten von der Existenz rasse- und kulturreiner Ethnoi; wir müssen ihn ständig vor Augen haben, wenn wir die Herkunft der Indoeuropäer erörtern. Zu Beginn der Jungsteinzeit waren aller Wahrscheinlichkeit nach bereits bedeutende Gebiete Europas von Indoeuropäern besiedelt. Damals eben vollzog sich unter ihnen die Trennung in verschiedene Sprachgruppen, wobei Urslawen sich vermutlich seit der IV. Periode des polnischen Neolithikums abzusondern begannen. Die Lokalisierung ihrer einstigen Sitze stößt auf erhebliche Schwierigkeiten; doch besagt die wahrscheinlichste unter vielen möglichen Hypothesen, daß diese im östlichen Teil der indoeuropäischen Sprachgruppe zu suchen sind. Ethnogeographische Studien solcher Art erfordern die Berücksichtigung namenkundlicher und schriftlicher, aber auch archäologischer, anthropologischer, paläobotanischer und anderer Quellen. Unter diesen nimmt, da es sich um Probleme einer streng auf die Sprache bezogenen Sphäre handelt, die Sprachwissenschaft den ersten Platz ein. Um möglichst umfassende Ergebnisse zu erzielen, muß die progressive ebenso wie die retrospektive Methode zur Anwendung kommen, was mit anderen Worten heißt, daß wir die Entwicklung verschiedener Vorgänge von möglichst entlegenen Zeiten an verfolgen, aber sie auch an den späteren, auf Grund verschiedener Quellen gut bekannten Fakten kontrollieren müssen. Nur durch eine derartige Betrachtung können wir ein einigermaßen objektives Bild der alten Ethnogeographie Europas erhalten. Es sind zwei Möglichkeiten für den hier behandelten Entstehungsprozeß denkbar: Entweder haben sich von einem Teil der Indoeuropäer zunächst die Balto-Slawen abgesondert und sind danach in eine urbaltische und eine urslawische Gruppe zerfallen, oder aber diese beiden Gruppen trennten sich gleichzeitig ab, wobei dann zu Anfang eine enge Verwandtschaft zwischen ihnen bestanden haben muß. Im ersten wie im zweiten Fall ist die Urheimat beider Völker in aneinander grenzenden Räumen zu suchen, und auch ihre Kultur dürfte viele konvergente Eigenschaften aufgewiesen haben. Da ziemlich einmütig anerkannt wird, daß die Balten spätestens seit dem Ende der Jungsteinzeit ihre Wohnsitze großenteils in den ostbaltischen Ländern hatten, ist es möglich, das Kerngebiet der Balto-Slawen beziehungsweise der Urbalten und Urslawen genauer zu umreißen. Vieles weist darauf hin, daß es sich vom Ansatz der Halbinsel Hei und der Mündung des Neman im Norden bis in die Gegend von Sandomierz und Kiew im Süden ausdehnte (Abb. 66). In diesem Bereich finden wir drei Gruppen der schnurkeramischen Kultur: die Rzucewo-, die Zlota- und die Mitteldneprgruppe. Sie haben sämtlich neben ihren individuellen Merkmalen gewisse gemeinsame Züge in den kulturbildenden Elementen aufzuweisen, weshalb es denkbar ist, daß sie sich ein- und derselben Sprache bedienten oder ihre Sprachen zumindest sehr nahe verwandt waren. Daß hier nur der Kern der alten Sitze jener genannten 97
Gemeinschaften angedeutet ist, sei noch einmal gesagt; die genaue Ausdehnung ihres Verbreitungsgebietes anzugeben wäre heute noch verfrüht. A u s den Betrachtungen in den vorhergehenden Abschnitten war zu ersehen, daß in der I. Periode der Bronzezeit auf dem Territorium Polens zwei Kulturzonen zu finden sind. Zur ersten gehörten jene Gebiete, in denen der Einfluß des alten donauländischen, von Elementen der Glockenbecherkultur durchsetzten
iüEüls OES 10
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Abb. 66
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Die Karte illustriert die Ausdehnung des Kerns der hypothetischen baltoslawischen Gemeinschaft und der Urslawen am Anfang des letzten Jahrtausends v. u. Z. l. Urslawen, 2. Urgermanische Stämme, 3. Urkeltische Stämme, 4. Illyrisch-venetische Stämme, 5. Urthrakische Stämme, 6. Urbaltische Stämme, 7. Finnisch-ugrische Stämme, 8. Mischzone urgermanischer und urslawischer Stämme, 9. Mischzone urkeltischer und urslawischer . Stämme, 10. Mischzone illyrisch-venetischer und urslawischer Stämme, 11. Mischzone urthrakischer und urslawischer Stämme, 12. Mischzone urbaltischer und urslawischer Stämme, 13. Mischzone finnisch-ugrischer und urslawischer Stämme, 14. Grenze des hypothetischen Kerns der baltoslawischen Gemeinschaft um 2000 v. u. Z.
Substrats sehr groß war, in der zweiten wirkte dagegen stark das schnurkeramische Substrat, wobei Beziehungen zur Elbe-Dnepr-Gruppe der Kultur der Kammkeramik bestanden; bei der Mierzanowicer Gruppe sind darüber hinaus Spuren der Zlotagruppe zu erkennen. Dieser Bereich, der von den Trägern der ausgehenden schnurkeramischen Kultur eingenommen wurde, ist als der urbaltischurslawische Rayon im Gebiet des heutigen Polen anzusehen. E r dürfte im Westen auch gewisse Teile der zur Aunjetitzer Kultur gehörenden Iwno- und SmiardowoGrobia-Gruppe umfaßt haben. Insbesondere für die Iwnogruppe, deren Zweige die Gestaltung der Kulturverhältnisse östlich der Weichsel mit beeinflußt haben, ist eine solche Vermutung nicht von der Hand zu weisen. Es muß jedoch hervorgehoben werden, daß in diesem Rayon außer den urslawischen Elementen auch nichtslawische Gruppen lebten; zu ihnen gehörten etwa die Träger der Mad'arovcekultur. Das Gebiet, von dem hier die Rede ist, erlebte auch in der Zeit von 1400 bis 1200 v. u. Z., da schon, wie bereits oben erwähnt, von den drei Kulturzonen der Vorlausitzer, der Trzciniec- und der baltischen Stämme gesprochen werden muß, keine größeren Änderungen. Sollte einst wirklich eine balto-slawische Sprachgemeinschaft bestanden haben, dann muß sie in dieser Zeit einem erheblichen, zwischen den Jahren 1200 bis 1000 v. u. Z. sogar einem gänzlichen Zerfall erlegen sein. Gleichwohl haben wir es zu jener Zeit im nordöstlichen Polen mit den Urbalten zu tun. Hinsichtlich der anderen Gruppen ist die Sachlage komplizierter: Früher herrschte in den polnischen Fachkreisen die Tendenz (welche übrigens auch ich eine Zeitlang befürwortete), sowohl die Stämme der Vorlausitzer Kultur als auch die der Trzcinieckultur zur urslawischen Sprachgruppe zu rechnen. Dies ist, so wie es hier gesagt wird, stark vereinfacht, denn in dieser Frage gab es recht differierende Varianten. Es wurde sogar die Meinung geäußert, daß eine Absonderung der Urslawen frühestens um das Jahr 1200 v. u. Z., das heißt gleichzeitig mit der Herausbildung der sogenannten Lausitzer Kultur, hätte erfolgen können. Eine Analyse neuerer Materialien zeigt jedoch, daß es schon innerhalb der Trzcinieckultur zu ihrer weiteren Formung kam. Die Vorlausitzer Stämme dagegen wird man ihnen kaum zuzählen dürfen — auch nicht die westlichen Gruppen der Lausitzer Kultur, die aus dem Substrat der Vorlausitzer Kultur erwuchsen. Im Verlauf der Wandlungen, welche seit dem Ende der Steinzeit im Kulturbild der polnischen Gebiete eintraten, läßt sich, insbesondere nach der I. und II. Periode der Bronzezeit, sehr deutlich die Tendenz zur Verschiebung derjenigen Zone nach Westen verfolgen, die zu der von mir eben gekennzeichneten urslawischen Kulturgruppe gehörte. Diese Verschiebung gab den Anlaß dafür, daß auf polnischem Boden Gruppen der Lausitzer Kultur entstanden, zu deren Genese sowohl Elemente der Trzciniec- als auch der Vorlausitzer Kultur einen bedeutenden Beitrag leisteten. Hierdurch wieder kam das urslawische Verbreitungsgebiet noch weiter nach Westen voran und schob seine Grenze schließlich bis zur Oder vor. Auf der anderen Seite führten die östlichen Zweige der Trzcinieckultur, welche sich mit anderen Gruppen verbanden, im Endeffekt zu seiner Vergrößerung auch in diesem Teil Europas. Kann somit die These, daß die an der Oder 99
liegenden Gebiete schon um 1200 v. u. Z. zum Territorium der Urslawen gehörten, gewisse Zweifel erwecken, so sind diese für die Zeit um 1000 v. u. Z. bei weitem geringer. Bei der Behandlung einer solchen Frage muß übrigens ständig beachtet werden, daß die Kulturwandlungen nicht immer parallel zu den sprachlichen Wandlungen verliefen. Ein von einer archäologischen Kultur erfaßtes Gebiet braucht durchaus nicht von einer Bevölkerung beherrscht worden zu sein, welche innerhalb der gesamten Dauer dieser Kultur sich der gleichen Sprache bediente. Um das Jahr 1000 v. u. Z., als die Urslawen bis zur Oder vorrückten, waren ihre Nachbarn im Nordwesten die Urgermanen, im Südwesten die Urkelten, im Süden die illyrischen und zum Teil die urthrakischen Stämme, im Nordosten die Urbalten, im Osten die finnisch-ugrische Völkergruppe, im Südosten ebenfalls die urthrakischen und später die iranischen Stämme. E s ist unter diesen Umständen nicht verwunderlich, daß in den slawischen Sprachen die Kontakte mit den erwähnten Völkerschaften ihren Niederschlag gefunden haben. Zum Teil waren diese Kontakte die Folge einer längeren Nachbarschaft, zum Teil resultierten sie jedoch daraus, daß einige der genannten Völker in die später polnischen Gebiete vordrangen. Die stärksten ethnisch fremden Wellen, die in diesem Zusammenhang zu erwähnen sind, da sie während des Bestehens der urslawischen Gemeinschaft unseren Raum überfluteten, waren, sofern man von den vorübergehenden Wanderungen der Skythen oder anderer Nomaden absieht, die illyrische, die urthrakische, die keltische, die germanische und wohl auch die baltische. Einfluß und Dauer einiger dieser Wanderungen, insbesondere die der Illyrer, der Urthraker und der Balten, sind allerdings noch nicht genügend erforscht, um allseits gültige Aussagen treffen zu können. Das Auftreten fremder topographischer Namen in den slawischen Ländern und die Möglichkeit, einige der obigen Stämme anhand schriftlicher Quellen zu lokalisieren, führte zu verschiedenen Theorien über die ursprüngliche Besiedelung dieser Gebiete. Sie führten unter anderem dazu, die Lausitzer Kultur mit den Urthrakern, den Germanen, den Kelten oder den Nordillyrern in Verbindung zu bringen und eine Besetzung ihres Verbreitungsraumes durch Slawen erst sehr spät, nämlich um die Zeitenwende, aftzunehmen. Diese Auffassung hatte in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen insbesondere unter den deutschen Archäologen viele Anhänger; sie findet übrigens noch heute in manchen Kreisen ihren Widerhall. Es ist begreiflich, daß ihre Verfechter die Heimat der Urslawen weiter im Osten suchen müssen; sie lokalisieren sie entweder im Raum zwischen Weichsel und Dnepr oder in den Gebieten dieses Stromes und seiner Nebenflüsse, insbesondere des Pripjat. Bei einer Prüfung der von den Fürsprechern dieser Theorien vorgebrachten Argumente fällt auf, daß sie sich hauptsächlich auf die Prämissen aus alten Untersuchungen stützen, daß sie ferner aber auch das Ergebnis irriger methodologischer Voraussetzungen sind, denen das Bestreben zugrunde liegt, die Grenzen des Verbreitungsgebietes eines Volkes mit dem Verbreitungsgebiet
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einer bestimmten archäologischen Kultur zu identifizieren. Es läßt sich sehr darüber streiten, ob die „stummen" archäologischen Quellen, welche auf jahrhundertelang andauernde kulturelle Kontinuitäten hinweisen, wirklich eindeutig bezeugen können, daß von Beginn ihres Auftretens an bis zu dem Moment, da man sie aufgrund sicherer schriftlicher Aussagen ethnisch zuzuordnen vermag, in dem gegebenen Territorium ein- und dasselbe Volk mit ein- und derselben sprachlichen Zugehörigkeit überdauert hat. Nicht nur theoretisch ist nämlich die Meinung vertretbar, daß ein anderes Volk die fremde Kultur hätte übernehmen können — auch in der Praxis kommen solche Fälle oft vor. Selbstverständlich operieren wir bei unseren eigenen Darlegungen über die Ausgangssitze der Urslawen nicht nur mit dem Argument der kulturellen Kontinuität, sondern untersuchen es, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, auch im Zusammenhang mit anderen Angaben. Wie ich bereits oben erwähnt habe, beweisen neuere Forschungen, daß sich nach dem Jahre 1200 v. u. Z. auf polnischem Boden die Merkmale der sogenannten Lausitzer Kultur zu entwickeln begannen. Gleichzeitig verschoben sie sich nach Osten in einem Prozeß, der je nach den einzelnen Zonen eine verschiedene Intensität aufwies. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war dies die Folge des höheren Entwicklungsniveaus — beispielsweise auf dem Gebiet der Metallurgie — im alten Vorlausitzer Zentrum. Aber in jener Zeit trat auch eine andere Erscheinung auf: die Verlagerung des alten Elementes der Trzcinieckultur nach dem Westen. Mit anderen Worten gesagt, heißt dies nichts anderes, als daß die scheinbare Beherrschung der weiter im Osten gelegenen Gebiete durch die „Lausitzer" nicht mit einem Prozeß der ethnischen Expansion einherging. Es ist hier nur möglich anzunehmen, daß die westliche „Durchschichtung" zur endgültigen Trennung der Urslawen von den Urbalten beigetragen hat. Bedingt durch den Mangel an Quellen, zum Gestaltungsprozeß der Lausitzer Kultur auf polnischem Boden, konnte zu den Fragen der ethnischen Verschiebungen und des Eindringens verschiedener Völker in urslawische Gebiete lange Zeit nicht richtig Stellung genommen werden. Sowohl die Vertreter der Theorie von der allochthonen wie die der autochthonen Entstehung haben in dieser Beziehung Fehler gemacht — letztere dadurch, daß sie der komplizierten Problematik des Anteils fremder Stämme an der Geschichte des späteren Polens zu wenig Aufmerksamkeit widmeten. Die archäologischen Quellen, über deren Vieldeutigkeit in Hinsicht auf ethnische Feststellungen zu Recht nicht nur einmal geschrieben worden ist, haben nämüch für die Erfassung der Chronologie von Völkerverschiebungen überall dort erstrangige Bedeutung, wo aufgrund verschiedener Umstände ihre ethnische Zugehörigkeit wirklich genau bestimmt werden kann. Betrachtet man nun unter diesem Aspekt die damals auf polnischem Boden herrschenden Verhältnisse, dann kann man fast sämtliche ethnischen Erscheinungen, die früher irrtümlich mit der Lausitzer Kultur in Zusammenhang gebracht wurden, untereinander in Verbindung bringen. Die tatsächlichen Kulturbeziehungen, die zu diesen Ethnoi gehören, schließen aber letztere als mögliche Träger der meisten Zweige der Lausitzer Kultur in unserem Lande aus.
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In dem eben behandelten Punkt nähere ich mich, wie ersichtlich, den Auffassungen von P. Bosch-Gimpera. Die frühvenetische Gemeinschaft müßte sich spätestens am Ende der Jungsteinzeit herausgebildet haben und umfaßte anfänglich ausgedehnte Bereiche West- und Mitteleuropas sowie einen Teil der Küstengebiete am Adriatischen Meer. In den ersten Perioden der Bronzezeit schrumpfte dann das von ihr besetzte Gebiet zugunsten anderer Stämme ein, an deren Herausbildung sie jedoch ebenfalls beteiligt war. Diese lange Nachbarschaft der Urveneter mit den Urgermanen, welche zumindest vom Ende des Neolithikums bis zur III. oder sogar bis zur IV. Periode der Bronzezeit währte, festigte in der Erinnerung der Germanen die Tradition, daß die Veneter (Weneden) ihre östlichen Nachbarn waren. Die Bezeichnung als „Wenden" wurde von ihnen selbst noch in einer Zeit benutzt, als die Veneter östlich der Oder schon längst slawisiert waren — ein Vorgang, der während der IV. Periode der Bronzezeit erfolgte. Sämtliche Erwähnungen von Enetern oder Venetern in den antiken Quellen, welche das eben genannte Gebiet bevölkert haben sollen, haben daher keinerlei Beziehung zu den einstigen Venetern, sondern beziehen sich auf die slawische Bevölkerung. Zur Frage der sogenannten frühvenetischen Besiedlung Stellung zu nehmen, bleibt der Zukunft vorbehalten. Mit ihr verbunden gewesen sein könnten beispielsweise die Aunjetitzer Stämme, in der II. Periode der Bronzezeit ferner die Vorlausitzer Gruppen und in der I I I . Periode die Träger der westlichen Zweige der Lausitzer Kultur, der sogenannten Buckelkeramik (Abb. 67). Jedoch gehörten die frühvenetischen Elemente zu einer ethnischen Gemeinschaft, die man, wie neueste Forschungen klar gezeigt haben, auf keinen Fall mit den Illyrern identifizieren kann. Da dieses Problem die Entstehung der Urslawen allerdings nicht weiter berührt, kann man es aus unseren gegenwärtigen Betrachtungen ausschließen. Aus der späten Bronzezeit (um 800 bis 650 v. u. Z.) und den Anfängen der Hallstattzeit (um 650 bis 500 v. u. Z.) begegnen in einem Teil der polnischen Gebiete archäologische Fundstücke, die deutlich an illyrische Altertümer anknüpfen. Auch unter den dortigen Ortsnamen gibt es eine bescheidene Zahl, die wohl vom illyrischen Typ sind. Endlich finden sich in dem anthropologischen Bestand solcher Gräberfelder wie Czgstochowa-Rakow Elemente, die auf eine Infiltration jener Bevölkerung aus dem Süden hinweisen. Nach all dem erscheint es somit als ziemlich gesichert, daß sich in der Zeit der höchsten Blüte der Hallstattkultur ein illyrischer Keil nach Südwestpolen hin vorschob. Seine Bevölkerung beherrschte einige Gebiete, die reich an fruchtbarem Ackerland sowie an Bodenschätzen, unter anderem an Salz, waren. In ihrer Expansion verfolgten die Illyrer wahrscheinlich dieselbe Tendenz wie früher die Träger der Glockenbecherkultur und nach ihnen die anderen Stämme, welche von Südwesten und Westen her vordrangen. Jedoch fehlte es ihnen hierbei an zahlenmäßiger Stärke, so daß es recht früh zum Aufgehen der illyrischen Ankömmlinge in der damals schon urslawischen Bevölkerung der Lausitzer Kultur kam.
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Ähnlich hat man sich das Eindringen urthrakischer Stämme in die südöstlichen Regionen der Urslawen vorzustellen. Und auch im Osten kam es nur wenig später zu einer politischen Herrschaft skythischer Gruppen über einen Teil der urslawischen Bevölkerung. E s ist nicht ausgeschlossen, daß diese Skythen aus dem von ihnen schon früher besetzten Ungarn kamen und dabei ungefähr um das J a h r 500 v. u. Z. die westlichen Landstriche Polens plünderten.
Abb. 67
Verbreitungsgebiet der frühvenetischen Stämme und der Urslawen am Ende der II. Periode der Bronzezeit, nach P. Bosch-Gimpera mit Modifikationen des Verfassers
Von weit größerer Bedeutung für die Urslawen war jedoch die etwa zwei Jahrhunderte später erfolgende Kolonisierung von Teilen unseres Landes durch die Kelten. Das Hauptinteresse dieses Volkes, dessen Rolle in der Geschichte Polens entschieden stärker hervorragte als die der anderen erwähnten Völker, konzentrierte sich auf die reichsten und fruchtbarsten Gegenden. Vergleicht man das Verbreitungsgebiet der keltischen Funde mit den Grenzen, innerhalb derer typisch keltische Namen vorkommen, so läßt sich eine deutliche Übereinstimmung feststellen. Auch die Zeit, in der sich jenes Volk auf polnischem Boden aufhielt, kann heute genau bestimmt werden. Ziemlich klar zeichnet sich, was unser Land
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betrifft, weiterhin die Chronologie der germanischen Verschiebungen ab; sofern man vom Nordwesten absieht, entfällt ihre größte Intensität auf die drei ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung. Wie verschiedenen archäologischen Fakten zu entnehmen ist, führten auch diese Bewegungen nicht zur gänzlichen Verdrängung der alten Bevölkerung; ein Teil von ihr hat in ihren alten Sitzen überdauert. Einen nur begrenzten Einfluß hatten die Balten, denn schon früh begann im östlichen Raum der Prozeß ihrer Verdrängung oder Aufsaugung durch die Slawen. Weniger günstig für die letzteren gestaltete sich dagegen die Lage in den masurischen Ländern: Die hier eindringenden urslawischen Stämme wurden schnell von der baltischen Bevölkerung absorbiert. Ein ähnliches Schicksal erlitten kleinere Gruppen, die in noch weiter entfernte baltische Gebiete vordrangen. Sie konnten zwar ihre Kulturmerkmale noch einige Zeit beibehalten, büßten jedoch ihre ethnischen Eigenschaften vermutlich ein. In gleicher Weise endeten Expansionen in die urthrakischen, illyrischen, urgermanischen und urkeltischen Gebiete. Diese neueren Untersuchungen erlauben es also, als Heimat der Urslawen die zwischen der Oder und dem mittleren Dnepr liegenden Gebiete anzusehen. Somit gehört der größte Teil Polens zu jenem Raum, der spätestens um das Jahr 1000 v. u. Z. slawisch besiedelt war; die nordöstlichen Partien des Landes sind dagegen dem Mutterland der Urbalten zuzurechnen (Abb. 66). Nachdem nunmehr also die ethnische Zusammensetzung der auf polnischem Boden in der Bronzezeit ansässigen Bewohner kurz skizziert worden ist, können wir zur Charakteristik ihrer Entwicklung im Rahmen der einzelnen archäologischen Kulturen übergehen. Dabei wird in den folgenden Abschnitten der Nordosten bewußt ausgeklammert; gehört er doch, wie eben noch einmal angedeutet, zum Bereich der baltischen Stämme, welche hier bis zum Mittelalter lebten. In gewissen Blütezeiten ihrer Entwicklung haben ihre Errungenschaften auf das slawische Gebiet eingewirkt, so wie sie selbst auch von den Urslawen und deren Nachfahren manche Anregungen empfingen, die zu ihrem Fortschritt und dem ihres Landes beigetragen haben. Wenn man von den bereits behandelten neolithischen und frühbronzezeitlichen Perioden absieht, so sind sie jedoch für die polnische Geschichte erst verhältnismäßig spät zu einem beachtenswerten Faktor geworden.
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VII.
Die Periode der Lausitzer
Kultur
Entwicklung und Kultur der Lausitzer Stämme Die Wandlungen, welche zur Herausbildung der Lausitzer Kultur führten, waren mit generellen Prozessen verknüpft, die sich gleichzeitig bei den urkeltischen, den urillyrischen, zum Teil auch bei den urligurischen, den urbaltischen, den urgermanischen und urthrakischen Stämmen beobachten lassen. In den archäologischen Quellen treten sie in der auffallenden, weil fast überall zu beobachtenden Änderung der Totenbestattung in Erscheinung. Die Leichenverbrennung, deren Verbreitungsbereich jetzt große Teile Europas, von Spanien im Westen bis zum Bug im Osten, umfaßte, wurde namengebend für die allgemeine Bezeichnung jener Periode. Als Zentrum, von dem sie ihren Ausgang nahm, wird das Gebiet der Lausitzer Kultur vermutet; man nennt sie deshalb auch Urnenfelderkultur vom Lausitzer Typ. Die Verbreitung dieser Bestattungsweise in einem derart ausgedehnten Raum zeugt von den Wandlungen, die in der Ideologie der damals in Europa lebenden Völker eintraten. Es scheint, daß sie auf gleicher Entwicklungsetappe stehende Völker erfaßten, sich dann aber verschiedene spezifische Merkmale ausprägten und ein unterschiedliches Tempo angeschlagen wurde — in Abhängigkeit von dem langsameren oder schnelleren Fortschritt der Produktivkräfte. Auf diese Weise gestaltete sich die materielle und geistige Kultur dieser Gesellschaften. Was den Terminus „Urnenfelderkultur" betrifft, so ist die Anwendung des Kultur-Begriffes auf verschiedene Gemeinschaften, die nur durch einen ähnlichen Bestattungsritus charakterisiert werden, recht riskant. Es können hierbei nämlich wesentliche Unterschiede verwischt werden, die einzelne größere Einheiten voneinander trennen. Man sollte deshalb tunlichst von einem Kulturkreis der Urnengräberfelder, nicht aber von einer Urnenfelderkultur sprechen. Jener Kreis umfaßte nicht nur eine stattliche Anzahl von Kulturen, von denen jede ihre individuellen Züge aufwies, sondern war auch in sprachlicher Hinsicht ein reiches Mosaik, wobei die Trennungslinie zwischen den einzelnen Sprachgruppen nicht immer den Grenzen der archäologischen Kulturen folgte. Die Lausitzer Kultur., in der letztgenannten Hinsicht eine selbständige Einheit, bildete als solche einen Teil des Kulturkreises der Urnengräberfelder. Sie hatte sich etwa am Ende der II. und zu Anfang der III. Periode der Bronzezeit gewissermaßen in zwei Varianten herausgebildet. Die erste, westliche, ist 8
Henael
105
durch Buckelgefäße (Abb. 72) gekennzeichnet, in der anderen fand sich dieser T y p weder in reiner Form noch in größerer Anzahl. Die Ursache hierfür lag in dem unterschiedlichen ethnischen Substrat, das die Entstehung gewisser Eigentümlichkeiten zur Folge hatte. Diese sind bereits in den Anfängen der Lausitzer Kultur gegenüber der in Mittel- und Ostpolen auftretenden Variante deutlich zu erkennen. In unserem Lande währte diese Kultur über die III., IV. und V. Periode der Bronzezeit (um 1200 bis 1000, 1000 bis 800, 800 bis 650 v. u. Z.) hinweg bis an das Ende der Hallstattzeit und den Anfang der Latenezeit, das heißt bis etwa 400 bis 300 v. u. Z. Während ihres Bestehens war. sie in viele lokale Gruppen zersplittert, die teils feste, teils veränderliche Grenzen hatten; sie wies Tendenzen zur Ausweitung, andererseits aber auch zur Verkleinerung ihres Siedlungsgebietes auf, verlor Territorien zugunsten anderer, zum Teil aus ihr hervorgegangener Kulturen oder unterlag in einigen Gegenden fremden Ankömmlingen. Die in der Zeit ihres Niedergangs zu konstatierende Abnahme der Zahl ihrer Träger war das Ergebnis von zermürbenden Kämpfen und Epidemien, die oft im Gefolge der Kriege auftraten. Der Niedergang der Lausitzer Kultur darf aber nicht mit einem gänzlichen Aussterben oder vollständiger Emigration der Bewohner erklärt werden; nur manche Landschaften Polens wurden entvölkert. So nimmt man zum Beispiel an, daß durch die Abwanderung einer kleinen Gruppe der „Lausitzer" nach Wolhynien und als Ergebnis ihrer Vermischung mit dem lokalen Element, das dann schließlich die Oberhand behielt, die Wysockokultur entstand. Viele „Lausitzer" dagegen lebten in ihren alten Gebieten weiter; ihre Nachfahren wurden jedoch, wie wir im folgenden noch sehen werden, zu Trägern anderer archäologischer Kulturen. Betrachtet man die Errungenschaften der hier behandelten Stämme, insbesondere derjenigen, die ihre Sitze in den später polnischen Gebieten hatten, so zeigt sich klar, daß sie zu den führenden Gruppen im urgeschichtlichen Europa gehörten. Daß ihre Wirtschaftsweise zu Anfang teils von der Viehzucht, teils vom Ackerbau bestimmt wurde, war auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse zurückzuführen; am Ende der Bronze- und zu Anfang der Hallstattzeit bekam jedoch bei dem Großteil von ihnen der Ackerbau ein deutliches Übergewicht. Noch ist nicht genau bekannt, seit wann sie bei der Bodenbestellung Zugtiere verwendeten; Analogien in anderen Ländern, etwa in Skandinavien, sprechen lediglich dafür, daß dies spätestens seit der zweiten Hälfte der Bronzezeit geschah. Mit dem neuen System der Bodenbearbeitung war eine tiefgreifende Umwandlung der gesamten Sozialstruktur bei den Ackerbaustämmen verbunden. Im Kult prägte sich mehr und mehr die führende Rolle des Stammesvaters aus, der unter anderem das erste Pflügen in feierlicher Weise vornahm. Während des Neolithikums war es die Frau gewesen, die mit ihren Hackgeräten im Feldbau arbeitete. Jetzt blieben ihr diese zwar; jedoch wurde der Pflug zum Werkzeug des Mannes — ein Prozeß, der sich auch in der Symbolik widerspiegelte. Im Pflugbau arbeiteten die Frauen nur statt des Zugviehs; auch wurde ihnen verboten, zur Zeit ihrer Menstruation auf dem Acker Tätigkeiten zu verrichten. Nach den
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damaligen Vorstellungen nämlich hätten sie hierdurch die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigen können. Die Verwendung von Zugtieren auf den Feldern bedeutete jedoch nicht, daß die Brandrodung zur Gewinnung neuer Acker gänzlich aufgegeben wurde. Jedoch nahm die neue Form der Bodenbearbeitung in gleichem Maße zu, wie sich die Stämme entwickelten und ihre Kopfzahl anstieg. Um für die Ernährung der sich mehrenden Bevölkerung genügende Erträge zu erzielen, war mehr bebautes Land als früher nötig. Trotzdem verlief der Fortschritt auf diesem Gebiet nur sehr langsam. Erst in der Hallstattzeit begann die Bodenbearbeitung mit Zugtieren endgültig zu dominieren; auch da aber wurde der Hakenpflug teilweise noch von Menschen (Frauen) gezogen, griffen die mehr und die weniger entwickelte Arbeitsweise ineinander — ein Fund aus Biskupin, der beide Pflugtypen enthält, macht dies deutlich. Der primitive Hakenpflug, ein hakenförmiges starkes Holz ohne metallene Schar, lockerte nur den Boden auf, ohne ihn umzuwenden. Daher erforderte sein Gebrauch verständlich erweise einen erheblichen Aufwand und auch eine große Zahl von Arbeitskräften; im übrigen war bei der geringen Ertragsleistung des Bodens keine große Ernte zu erwarten. Außer Hirse wurden an Getreide drei Arten Weizen, nämlich Spelz (Triticum spelta L.), Zwergweizen (Triticum compactum) und Emmer (Triticum dicoccum), ferner Gerste und wohl auch Roggen angebaut. Ob zum Schneiden dieses Getreides Sicheln aus Bronze (Abb. 68) oder später — vom 7. Jh. v. u. Z. an — aus Eisen allgemeine Verwendung fanden, ist nicht sicher. Da diese Geräte bestimmt nicht für alle Stämme erreichbar waren, wurde die Ernte wahrscheinlich einigenorts noch mit primitiveren Mitteln eingebracht. Auch Gemüsegärten wurden angelegt, ferner Flachs, vermutlich auch Hanf sowie Mohn und Rübenkohl angebaut. Den Lausitzer Stämmen waren Erbsen, Bohnen, Linsen und Knoblauch bekannt; sie aßen das Obst von Pflaumen-, Birnen- und Apfelbäumen. Die Haustierzucht wurde im großen betrieben; sie lieferte über vier Fünftel des gesamten Fleischverbrauchs. Gezüchtet wurden das kurzhörnige Hausrind (Bos brachycerus), das Schwein, das Pferd, zwei Schafrassen: das Kupferschaf und seltener das Torfschaf, die Ziege und der Hund. Durch den ungleichmäßigen Besitzstand der einzelnen Gruppen verursacht, mehrten sich damals die Gegensätze zwischen ihnen, was den Keim einer zukünftigen Krise in sich barg. Da in jenen Jahren allerdings noch eine reichliche Zahl von Arbeitskräften zur Verfügung stand und sich der Einschlag ausgedehnter Waldpartien für die Gewinnung von Bauholz notwendig machte — man schätzt, daß allein zum Bau von Biskupin ca. 8000 m 3 davon Verwendung fanden —, konnten auch größere Landstriche in Kultur genommen werden, was wiederum neue Arbeitsmöglichkeiten schuf. Die eigentliche Krise brachten dann außer gewissen politischen Ereignissen, von denen weiter unten noch die Rede sein wird, die klimatischen Veränderungen mit sich. Sie entfielen, sofern man den bisherigen, allerdings sehr bescheidenen palynologischen Untersuchungen glauben darf, auf die Jahre des älteren Subatlantikums (Nachwärmezeit); wenn behauptet wird, dieses decke sich chronologisch mit der Hallstattzeit, so ist das aber wohl 8*
107
nicht richtig. Die bisherigen Beobachtungen der Lausitzer Fundplätze lassen erkennen, daß eine intensive Verschlechterung erst in der zweiten Hälfte der Hallstattzeit, das heißt um das Jahr 500 v. u. Z., erfolgt. Damals kühlte sich das Klima erheblich ab, und die Feuchtigkeit stieg. Die Laubbäume wurden in vielen Gegenden von der Fichte verdrängt. Die jährliche Mitteltemperatur betrug ca. — 5°C und dürfte im kältesten Zeitabschnitt noch niedriger gewesen sein.
Abb. f>8 Gußform aus Stein und Sichel aus Bronze. Lausitzer Kultur. Jüngere Bronzezeit. Kleinpolen Hierdurch wurde eine Hebung des Wasserspiegels verursacht, was die weitere Besiedlung von Seeinseln erschwerte; nur in ihren höher gelegenen Partien blieben diese bewohnbar. Allein durch den niedrigeren Wasserspiegel in der Hallstatt-CPeriode läßt es sich erklären, daß auf den Inseln verschiedener Seen — man denke etwa an Biskupin oder Kruszwica — Burgwälle in einer Höhe gebaut wurden, die niedriger lag als der heutige Wasserspiegel. Die Klimaveränderung hatte eine Verschlechterung der Vegetation und damit der Verhältnisse im Ackerbau zur Folge; daneben zogen die politischen Niederlagen eine Abnahme der Bevölkerung nach sich. Eine Wendung zum Besseren begann sich erst in den letzten Jahrhunderten der Latenezeit abzuzeichnen, als der erneute Klimawechsel in der II. Stufe des älteren Subatlantikums wieder
günstigere Bedingungen für die Entwicklung der Landwirtschaft schuf. Doch kamen diese bereits den Vertretern anderer archäologischer Kulturen zugute. Zum Nahrungserwerb trugen weiterhin Jagd, Fischfang und Sammeln bei. Auf die Jagd weisen nicht nur Knochenreste von Wildbret, sondern auch Darstellungen auf einigen Gefäßen hin, die man in Biskupin, Kr. 2nin, in Lazj', Kr. Wolöw, und an anderen Orten fand. Die auf ihnen abgebildeten Szenen waren wohl mit dem Brauchtum verbunden. Anscheinend hat der Hirsch, welcher damals ein bevorzugtes Jagdtier war, auch in der Symbolik und im Aberglauben der „Lausitzer" eine bestimmte Rolle gespielt: Auf einer Urne aus t a z y gibt es eine Szene, wo die Reiter Hirsche (Abb. 81) oder Pferde mit gehörnten Köpfen besteigen. Ähnliche Zeichnungen finden sich in jener Zeit auch bei anderen „barbarischen" Völkern Europas. So begegnen Reiter auf Pferden mit Hirschmasken beispielsweise auf einem hallstattzeitlichen Gefäß aus Beilngries-Ried-West in Bayern. Der Brauch, die Pferdeköpfe mit den Masken anderer Tiere zu schmücken, ist auch aus ethnographischen Analogien bekannt. Wir wissen im übrigen, daß der Hirsch bei verschiedenen Völkern als Symbol der Geschwindigkeit galt; vermutlich spielte er auch im Sonnenkult eine Rolle. Häufig wurden neben den Hirschen Rehe, seltener Auerochsen, Bären und Wildschweine gejagt. Fast zum ersten Mal in der polnischen Urgeschichte sind wir bei den Lausitzer Stämmen in bezug auf die Holzbearbeitung nicht mehr nur auf Vermutungen angewiesen, sondern können ihr Vorhandensein mit Funden aus Biskupin, Kr. 2nin, belegen. Man stellte aus diesem Rohstoff viele Geräte, Werkzeuge und Gefäße her. Eine entscheidende Bedeutung für die weitere Entwicklung hatte anfänglich die bodenständige Erzeugung von Gebrauchsartikeln, Waffen und Schmucksachen aus Bronze (Taf. 5; Abb. 68—70), später, von etwa 650 v . u . Z . an, die Beherrschung der Eisengewinnung und der Verarbeitung dieses Metalls zu verschiedenen Gegenständen (Abb. 71). Die Annahme, daß sich in diesem Zusammenhang ein selbständiges Handwerk herausbildete, gründet sich nicht nur auf allgemeine Voraussetzungen, sondern auch auf das Auftreten von Fundstücken, die mit der Gießereitechnik in Verbindung zu bringen sind. Es wurden hier meist Erzeugnisse von einer typisch Lausitzer Form gefertigt, aber auch aus Norddeutschland und Skandinavien importierte nachgeahmt. Unter diesen Erzeugnissen verdienen verschiedene Tüllenbeile besondere Beachtung. Mit dem Eisen machte sich die Lausitzer Bevölkerung gegen Ende der Bronzezeit bekannt; dieser Vorgang erfolgte somit etwa 700 Jahre später als in Kleinasien. Es sei, wenn wir dies vermerken, noch einmal daran erinnert, daß bei der Aneignung der Fähigkeiten zur Bronzeherstellung und -Verarbeitung die polnischen Länder um rund ein Jahrtausend gegenüber Ägypten oder dem Nahen Osten im Rückstand gewesen waren. Als Material zur Erzeugung von Arbeitsgeräten scheint das Eisen jedoch während der gesamten Periode der Lausitzer Kultur noch keine große Bedeutung gehabt zu haben, obwohl den „Lausitzern" zweifelsfrei seine Gewinnung aus einheimischen Erzen bekannt war. Und doch begann sich damals die Rolle der Erzeuger von Bronzegegenständen zu ändern; ein Teil von ihnen ging mit Sicherheit zur Fertigung von Eisenerzeugnissen über. Damit 109
hörte die Bronze auf, ein wichtiger Faktor des Fortschritts zu sein; die geschichtliche Mission dieser Legierung ging, wenn man so sagen darf, jetzt zu Ende, obwohl sie ihren Gebrauchswert natürlich behielt. Auch jetzt wurden noch Geräte aus Stein hergestellt. Ein Teil der fünf kantigen Äxte, welche auf einigen Siedlungsplätzen entdeckt wurden, diente ohne Zweifel als Werkzeug; andere, die ein mit dem Sonnenkult zusammenhängendes Kreuzoder X-Symbol tragen, waren entweder Rangzeichen oder wurden bei rituellen Handlungen benutzt. Große Mengen von Arbeits- und Kampfgeräten entstanden weiterhin aus Horn und Knochen.
Abb. 69
Bronzenes Tüllenbeil. Großpolen
In der Weberei dürfte es gleichfalls zu einer gewissen Spezialisierung gekommen sein. Obwohl gewiß fast jede „Lausitzerin" sich der hölzernen, mit einem Tonwirtel beschwerten Handspindel zu bedienen verstand, war die Herstellung großer Webstücke wahrscheinlich Leuten vorbehalten, welche sich vorrangig damit beschäftigten. Für diese Annahme spricht der Umstand, daß Webutensilien nur in manchen „Lausitzer" Häusern gefunden wurden. Dabei ist hier noch etwas anderes zu beachten: Die Webgewichte, welche zum Spannen der Fäden in den senkrechten Webstühlen dienten und die die „Lausitzer" in verschiedenen Siedlungen zu verschiedenen Zeiten benutzten, begegnen sehr häufig in der Nähe der Herdreste. Dies beweist, daß man sich dann mit der Weberei befaßte, wenn es in der Landwirtschaft nichts zu tun gab, nämlich im Winter. Allerdings fand man in Biskupin, Kr. 2nin, solche Webegewichte auch außerhalb der Hütten, was darauf hindeutet, daß man diese Tätigkeit zuweilen auch in der warmen 110
0 Abb. 70
\
2
3
4- Ott
Kietrz, Kr. Glubczyce. Bronzegegenstände. Periode III. Lausitzer Kultur
Grab Nr. 586. Bronzezeit,
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Jahreszeit ausübte. Hier fassen wir ein F a k t u m , welches sich auf zweierlei Weise interpretieren läßt: Entweder wurde in der Zeit gewebt, da man sich wegen der Gefahr von Überfällen nicht außerhalb des Anwesens aufhalten durfte, oder mit der Weberei beschäftigten sich alte Frauen, die keine Feldarbeiten mehr verrichten konnten. Ist diese zweite Deutung richtig, dann war bei der Bevölkerung von Biskupin nicht allein die für die Urgesellschaft typische Arbeitsteilung nach dem Geschlecht, sondern auch eine solche nach dem Alter vorhanden. Das Gerben von Tierhäuten kannten die Lausitzer Stämme ebenfalls. D a ß die Töpferei bei ihnen von Spezialisten betrieben wurde, ist wenig wahrscheinlich, wenn auch nicht gänzlich auszuschließen. Die Gefäße wurden mit der Hand hergestellt. Sie differieren in Form, Gestalt und Ausführung sehr voneinander, wobei die Unterschiede durch Zeit und Ort ihrer Herstellung sowie auch durch ihre verschiedene Bestimmung hervorgerufen wurden (Abb. 72—74). Die für den
Abb. 71
112
Kietrz Kr. Hallstatt C
GJubczyce.
Bronze-
und
Eisengegenstände
aus
Gräbern.
Abb. 72
Wöjcin, Kr. Mogilno. Lausitzer Keramik aus der III. Periode der Bronzezeit
Abb. 73
Biezdrowo-Zakrzewo, Kr. Szamotuly. Keramikfunde aus Gräbern der Periode IV und V der Bronzezeit und beginnenden Eisenzeit
Tisch verfertigten Gefäße waren eleganter als diejenigen, welche in der Küche benutzt wurden; am ansehnlichsten aber war die für Kultzwecke bestimmte Keramik. Die Gefäße wurden in primitiven Töpferöfen gebrannt, deren Reste manchmal bei Grabungen ans Licht geraten. Aller Wahrscheinlichkeit nach befaßten sich mit der Töpferei die Frauen, und ein Teil ihrer tönernen Erzeugnisse war sicherlich für den Austausch bestimmt. Durch ihn oder vermittelt durch Eheschließungen konnten neue Formen in andere Gruppen gelangen, und auf eine solche Weise dürften in der frühen liisen-
Abb. 74
Oben Wroclaw-Osobowicc, Grab Xr. 9. „Graphitierte" Keramik. Bronzezeit Periode Y ; unten Wolöw. Grab Nr. 5. Bemalte Lausitzer Keramik. Hallstatt C
zeit auch die für Schlesien typischen bemalten Gefäße den W e g nach Großpolen gefunden haben. Im (iegensatz zu den bisher behandelten Zweigen der Wirtschaft ist die Salzsiederei bei der Lausitzer Bevölkerung kaum erforscht. D a ß das Salz auch für jene Stämme eine große Bedeutung hatte, wird wohl schon dadurch bewiesen, daß einige unter ihnen ihre Aufmerksamkeit auf Kujawien konzentrierten, das nicht nur gute Böden, sondern auch viele Solquellen aufwies. Besonders reich an diesen war einst die Gegend von L^czvca, doch versiegten sie später gänzlich. Der Verkehr wurde damals wohl hauptsächlich zu F u ß abgewickelt und das Pferd zu diesem Zweck selten benutzt. Als Beförderungsmittel für Personen und Sachen dienten Wagen mit vollen Rädern, wie man sie unter anderem in 114
Biskupin fand. Auch die Speichenräder waren den „Lausitzern" bereits bekannt; als von außen herangetragene Neuheit wurden sie anfangs jedoch vermutlich nur am Kultwagen angebracht. Daß der vollrädrige Wagen in Polen schon früher bekannt war, ist oben bereits gesagt worden. Der Fundplatz Biskupin brachte nun den Beweis, daß auch die „Lausitzer" solche Fahrzeuge gebaut haben und deren ursprüngliches Verbreitungsgebiet damals größer war, als früher angenommen wurde. Zahlreich sind die Spuren eines Handelsaustausches bei der hier beschriebenen Bevölkerung. Es gibt Zeugnisse für Transaktionen zwischen den einzelnen Gruppen unserer Kultur, aber auch solche, die als Ergebnis von Kontakten mit anderen Stämmen in das Gebiet der „Lausitzer" gelangten. Sie stammten zum Teil aus weit entfernten Ländern und waren deswegen auch in den einzelnen Gegenden verschieden stark verbreitet. So finden sich Erzeugnisse des skandinavischen Nordens am häufigsten in Pommern, was sich aus den besseren Kontaktmöglichkeiten benachbarter Regionen leicht erklären läßt, aber auch für eine besonders aktive Beteiligung bestimmter Zentren am Austausch spricht, welche als Folge ihrer in gewissen Zeiten größeren Dynamik zu gelten hat. An der Wende von der Bronze- zur frühen Eisenzeit war beispielsweise der Einfluß der Hallstattkultur besonders stark, was, wie schon angedeutet, eine Folge der teilweisen Überflutung unseres Landes durch die Träger dieser Kultur war. Wir begegnen auf den „Lausitzer" Fundplätzen Austauscherzeugnissen aus sämtlichen Himmelsrichtungen: aus dem Süden ebenso wie aus dem Norden, aus dem Westen wie aus dem Osten. Die in Südpolen, Masowien, Kujawien und dem Chelmnoer Land gefundenen nageiförmigen Ohrringe sind skythischer Herkunft; anderes Material dokumentiert Beziehungen zu den nähergelegenen ungarischen, böhmischen und baltischen Regionen. Es gab Fundstücke aus Italien (Taf. 6; Abb. 75; 76), ja auch solche aus Ägypten fehlen nicht, wenngleich in diesem Zusammenhang bemerkt werden muß, daß ein Teil der Glasperlen, die gemeinhin als Erzeugnisse dieses südlichen Landes gelten, neueren Erkenntnissen zufolge auch in den östlichen Alpenländern entstanden sein könnten. In diesem Austausch waren die „Lausitzer" nicht nur die Nehmenden. Fundstücke von ihrem Typ kommen auch in anderen Ländern vor, ebenso wie man den Einfluß ihrer Töpferei auf die keramische Erzeugung beispielsweise der Balten und der skandinavischen Völker feststellen kann. Desgleichen mehren sich die Indizien, welche auf eine Ausweitung der Lausitzer Kultur nach dem Süden hinweisen — ich nenne nur die Fundstücke, auf die man zum Beispiel im nördlichen Jugoslawien stieß. Der Charakter dieses Prozesses ist bisher ungewiß. Möglicherweise haben wir hier jedoch nicht nur mit kulturellen Einwirkungen zu rechnen, sondern auch, ähnlich wie bei den baltisch-,,Lausitzer" Beziehungen, mit einer Verschiebung kleinerer Menschengruppen. Sie sind wohl im Rahmen der illyrischen Wanderungen vor sich gegangen. Recht wahrscheinlich ist, daß ein Teil des Schmucks und der Geräte eine doppelte Funktion erfüllte, indem sie gleichzeitig Gebrauchsobjekte und Tauschäquivalent waren. Deshalb finden sie sich häufig in den zahlreichen Schatzfunden (Abb. 75), die hauptsächlich aus bronzenen, in späterer Zeit dann auch 115
Abb. 75
Woskowice Male, Kr. Xamyslöw. 3. Schatzfund mit bronzenem Eimer, Import aus Norditalien
aus eisernen Erzeugnissen bestanden. Goldarbeiten begegnen in ihnen nur selten (Abb. 77). Schatzfunde, die mehrere Dutzend Einzelstücke enthalten, gehören nicht zu den Ausnahmen. Der in Kaliszanki, K r . W^growiec, freigelegte Schatz enthielt zum Beispiel elf Halsbänder, vierzehn Armbänder, fünf Haarnadeln, vier Beile, eine Sichel und dreizehn Schrottstücke. Die aus der Anfangsphase der Lausitzer K u l t u r stammenden Siedlungen sind bisher nur ungenügend erforscht. E s wird angenommen, daß sie offen waren und
Abb. 76
116
Szczecin. Bronzehelm aus Italien. Jüngere Bronzezeit
überwiegend aus ebenerdigen Gebäuden bestanden. Erst in der jüngeren Bronzezeit k a m es hierin — insbesondere im westlichen und mittleren Teil Polens — zu bedeutenden Änderungen. Vielleicht infolge der ungleichmäßigen Besitzverteilung und der hieraus resultierenden Zunahme der K ä m p f e zwischen den einzelnen Stämmen wurden nunmehr befestigte Siedlungen angelegt, in denen jeweils der ganze Stamm Platz fand. Solche Burgen waren in jener Zeit nicht nur für die „Lausitzer" typisch, sondern wurden von anderen Völkern ebenfalls
Abb. 77
Brzezie, Kr. Pleszew. Goldschmuck aus der III. Periode der Bronzezeit
gebaut. Auch aus diesem Grunde war es höchstwahrscheinlich nicht, wie man zuweilen angenommen hat, die äußere Bedrohung durch fremde Völker, die diese veränderte Bauweise hervorrief, sondern allgemeinere Wandlungen, die sich bei den „Lausitzern" und bei anderen Stämmen vollzogen, brachten sie mit sich. Die befestigten Siedlungen hatten den Charakter von Winterplätzen und Zufluchtsorten in Augenblicken der Gefahr. Neuere Untersuchungen, die im nördlichen Großpolen durchgeführt wurden, bestätigen dies eindeutig. So führten die Grabungen in Biskupin, Kr. Znin, Smuszewo, Kr. W^growiec, Jankowo, K r . Inowroclaw, früher Mogilno, und Kruszwica, Kr. Inowrociaw zu der Feststellung, daß in der näheren Umgebung der meist auf Inseln gelegenen Burgen viele offene Fundstätten anzutreffen sind. Wahrscheinlich sind dies die Reste von Lagerplätzen, welche man anlegte, da gewisse Teile der Bevölkerung bei der Ausübung 117
bestimmter Arbeiten längere Zeit hindurch ihre ständigen Wohnsitze verlassen mußten. Wie in Slupca, Kr. Slupca, und Kruszwica erwiesen werden konnte, baute man in solchen Fällen H ü t t e n verschiedener Konstruktion, die zuweilen in die Erde eingetieft waren. Wir fassen hier ein typisches Merkmal der von halbseßhaften Leuten betriebenen Vieh- und Ackerwirtschaft, wo die Bevölkerung oft geradezu gezwungen war, sich in der „Saison" ziemlich weit von ihren festen Siedlungen zu entfernen. Man kann unter Umständen sogar von einer Gesetzmäßigkeit sprechen, die sich, vom Wirtschaftsgebaren ihren Ausgang nehmend, in der Lebensweise der „Lausitzer" in Großpolen und Kujawien feststellen läßt. Die Burgen wurden, wenn möglich, auf Inseln oder an anderen von der Natur geschützten Stellen erbaut. Was die dabei vorhandenen Fähigkeiten betraf, die Eigenschaften des Geländes und allgemein des geographischen Milieus auszunutzen, so bestehen zwischen den Lausitzer Stämmen und der frühpolnischen Bevölkerung viele Gemeinsamkeiten. Hiermit ist auch der Entwicklungsstand aufgezeigt, der von den „Lausitzern" in dieser Beziehung erreicht worden war. Ob sie einen einheitlichen Burgentyp ausgebildet hatten, dessen Befestigungen und innere Aufteilung für sie charakteristisch waren, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Wir wissen lediglich, daß, vermutlich in Abhängigkeit von der Größe des Volksstammes, der Produktionsweise, von dem Ort, an welchem die
Abb. 78
Biskupin, Kr. 2nin. Grundriß eines Gebäudes und Teil eines zweiten, um 550 v. u. Z.
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Abb. 79
Biskupin, Kr. 2nin. Blick auf den nördlichen Teil der Burgsiedlung, um 550 v. u. Z.
Burg errichtet wurde, und dem jeweiligen Grad der gesellschaftlichen Entwicklung verschiedene Größen und Techniken in Anwendung kamen. Die vollständigsten Angaben auf diesem Gebiet lieferten bisher die seit vielen Jahren in Biskupin durchgeführten Untersuchungen (Abb. 78 — 80). Die größten Burgen wurden bekanntlich am Ausgang der Bronzezeit gebaut; sie umfaßten in WroclawOsobowice, Zawada Lanckoronska, Sobiejuchy und anderenorts eine Fläche von
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50000 bis 75000 m 2 . Später legte man neben den großen häufig auch mittlere (20000 bis 40000 m 2 ; Beispiel: Biskupin), kleine (4000 bis 19000 m 2 ; Beispiele: Kruszwica, Slupca, Tyniec) und sehr kleine Burgen (500 bis 3900 m 2 ; Beispiel: Swobnica) an. Biskupin war während seiner Blütezeit von 600 bis 800 „Lausitzern" bevölkert — eine recht hohe Zahl, da wir den Aussagen der Gräberfelder entnehmen können, daß die einzelnen Stämme unserer Kultur meist nicht mehr als 300 bis 500 Personen zählten. Selbst ein so großer Bestattungsplatz wie Laski, Kr. Kgpno, auf dem in wenigstens zwei Jahrhunderten etwa 2 000 Gräber angelegt wurden, gehörte zu einer Siedlüngseinheit, deren Kopfzahl 700 nicht überschritt.
Abb. 80
Biskupin, Kr. 2nin. Rekonstruktion der Burgsiedlung der Lausitzer Kultur. Um 550 v. u. Z.
Bedeutende Fertigkeiten bewiesen die Lausitzer Gruppen beim B a u der Befestigungen, welche in der Regel aus Holz- und Erdwällen sowie anderen zusätzlichen Wehreinrichtungen bestanden. Der Befund aus Kruszwica machte deutlich, daß sie wirksame Hindernisse konstruierten, um den Zugang zu den Wällen zu erschweren, und daß sie es ferner verstanden, Verhaue aus Baumwipfeln oder ganzen Bäumen mit nach außen gerichteten Kronen herzustellen. Hier begegnet damit zum ersten Male eine Schutzvorrichtung, welcher sich zu Beginn unserer Zeitrechnung und später unter anderem die Kelten und die Römer bedienten. In den größeren, hauptsächlich den befestigten Zentren waren die Straßen mit Holz belegt; auch feste Holzbrücken gab es mitunter. Die zweck-
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mäßige, funktionell geplante Gliederung mancher Wehrsiedlungen legt ein beredtes Zeugnis ab, daß die „Lausitzer" — wie wir heute sagen würden — fähige Städtebauer waren. Auf dem Gebiet des Wegebaus gehörten sie während der Urgesellschaft zu den führenden Völkern Europas; ein Blick auf das Wegenetz von Biskupin dürfte diese Feststellung zur Genüge erhärten. In manchen Siedlungen wurden Brunnen festgestellt. Die ebenerdigen Häuser errichtete man, wie andere Völker jener Periode auch, überwiegend im Nut- und Federverband oder als Blockbau. Wände aus Flechtwerk und Lehm, die hier und da vorkamen, weisen auf Beziehungen zum Süden hin. Die Häuser in den Wehrsiedlungen waren recht groß; sie nahmen ein Areal von etwa 30 bis zu 243 m 2 ein, wobei aus Polen bisher nur Bauwerke mittlerer Größe bekannt sind. In Biskupin war die Wohnfläche fast überall gleich. Sie betrug in der älteren Burg, die wir als Keim einer frühstädtischen Siedlung ansehen können, ca. 70 bis 90 m 2 (meistens 8 x 9 m = 72 m2) und in der jüngeren 36 bis 57 m 2 für je eine Familie. In den offenen Siedlungen sah die Sache anders aus: Die kleinsten Häuser hatten hier nur eine Wohnfläche von 8 m 2 , die größten maßen etwa 50 m 2 . Die Herde befanden sich meist in der Mitte des Wohnraums (Biskupin), zuweilen auch in seiner rechten Hälfte. Auf feuchten Plätzen wurde ein Holzfußboden aus Baumrinde gelegt, unter dem sich eine Streu aus Astwerk befand. Über die Höhe der Häuser wissen wir wenig; sie konnte wohl, wie anhand von Funden in Biskupin festgestellt wurde, bis zu 6 m betragen. Die Höhe vom Boden bis zur Decke wird auf rund 2 m geschätzt. Beachtlich sind die Leistungen der „Lausitzer" auf dem Gebiet der Kunst, wobei das meiste selbstverständlich, wenn wir die Quellenlage berücksichtigen, über die angewandte Kunst gesagt werden kann. Hier begegnen interessant durchdachte geometrische Ornamente auf verschiedenen Zierstücken aus Bronze, allerlei Anhängsel und zoomorphe Figuren auf kleinen Kult wägeichen (Abb. 85). Die reichste Beobachtungsquelle aber bietet, wie fast stets, die Keramik. Die Gefäße der „Lausitzer" zeichnen sich durch eine edle Form sowie eine große Kunstfertigkeit in den Verzierungen aus. Unter ihnen fallen die tönernen Kultgefäße durch ihren feinen Geschmack und ornamentalen Reichtum (Abb. 81) noch besonders ins Auge. Angewendet wurden Stichverzierungen, später auch die Bemalung und Inkrustation sowie die Skulptur (Abb. 82). Neben den am häufigsten vorkommenden geometrischen Figuren finden sich oft auch Darstellungen von Himmelskörpern sowie zoo- und anthropomorphe Motive. Weit seltener sind die Zeichnungen von Wagen, bei denen es sich wahrscheinlich um Kultwagen handelt; eine Fundstelle ist Sobiejuchy, Kr. Znin. In Stobnica, Kr. Oborniki, stieß man auf abgebildete Kämme, wie sie auch auf den Leichenbrandgefäßen der Gesichtsurnenkultur zu finden sind. Die Bedeutung dieses Motivs ist in der Literatur umstritten. Einige Forscher vertreten die Ansicht, die Darstellung des Kammes auf den Gesichtsurnen ersetze einfach den Gegenstand selbst, den der Tote nicht mit ins Grab erhielt, und zogen als Vergleich hierzu die Abbildungen mancher Schmuckstücke (Nadeln u. ä.) auf den genannten Urnen heran; andere wiederum plädierten für eine magische Bedeutung der Bilder. 9
Hensel
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Abb. 81
Lazy, Kr. Wolow. Lausitzer Gefäß mit szenischen Darstellungen
Meiner Auffassung nach ist ein abschließendes Urteil über sie beim gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse noch schwierig. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Kammdarstellungen auf der Keramik der Lausitzer Kultur apotropäischen Charakter hatten. Betrachten wir jedoch die Gefäße der Wejherowo-KrotoszynKultur, auf denen sie gleichfalls begegnen, so ist es nicht ausgeschlossen, daß sie hier vorwiegend deshalb auftauchen, weil die Träger dieser Kultur sich Kämme ins Haar steckten (was natürlich die Möglichkeit nicht ausschließt, daß dies auch die „Lausitzerinnen" taten). So spielten, wenn wir dies zusammenfassen, die Kammdarstellungen gewissermaßen eine doppelte Rolle: Sie veranschaulichten ein Schmuckstück und erfüllten gleichzeitig im Hinblick auf die Bedeutung des abgebildeten Gegenstandes bei magischen Handlungen eine apotropäische Funktion. Wir dürfen es an dieser Stelle nicht unterlassen, daran zu erinnern, daß viele der als Verzierungen verwendeten geometrischen Gebilde für die urgesellschaftlichen Völker nicht ohne semantische Bedeutung waren. Neuere Untersuchungen bestätigen in dieser Hinsicht die Annahme älterer Forscher, daß sie tatsächlich Symbole der Realien oder Vorstellungen des primitiven Menschen darstellten. Das Nebeneinandersetzen verschiedener Ornamente entsprang somit nicht dem Wunsch, ein ästhetisches Verlangen zu befriedigen, sondern man suchte auf
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diese Weise gewisse Szenen aus dem Leben, insbesondere aus der Vorstellungswelt, zur Ansicht zu bringen. Im Jahre 1965 hat der sowjetische Gelehrte A. K . Ambroz die Bedeutung einiger geometrischer Figuren zu rekonstruieren versucht und dabei unter anderem darauf hingewiesen, daß Rhomben wohl die Erde und andere, ähnliche Figuren mit zusätzlichen Zeichnungen die Fruchtbarkeit symbolisiert hätten. Das gleichzeitige Auftreten von Sonnenzeichen und von Figuren, die mit dem Frauenkult zusammenhängen, dürfte eine Bestätigung des synkretischen Charakters der Religion bei den „Lausitzern" sein. Sichere Schlüsse hierüber werden wir allerdings erst nach einer genauen Untersuchung ihrer angewandten Kunst ziehen können.
Abb. 83
Armring (mit Sonnenzeichen) und Fibel mit Vogelfiguren auf dem Bügel. Bronze. Ende der Bronzezeit, Schlesien (Umgebung von Zagan)
Besonders in Schlesien gab es während der Spätphase der Lausitzer Kultur neben einfarbigen Gefäßen auch vielfarbige, und außer Behältnissen von mattem, geschwärztem Aussehen begegnen auch solche mit glänzender Oberfläche, welche früher irrtümlich als graphitiert galt. Ein Teil der Keramik, von überwiegend zoomorpher, seltener anthropomorpher Gestalt zeichnet sich durch großen Realismus in der Darstellung aus. Das gleiche ist von den bronzenen (Abb. 83) und tönernen Vogel- oder Tierfiguren (Abb. 84) sowie von den Kult wagen (Abb. 85) zu sagen. Erwähnenswert ist schließlich, daß wir auf den Gefäßen ganz selten auch eine schematisch angedeutete szenische Darstellung der eigenartigen Epen jener Bevölkerung finden. Die Hauswände waren mit Lehm beworfen und oft mit verschiedenen Mustern farbig bemalt. Die Tracht der „Lausitzer" muß sehr dekorativ gewesen sein; sie wurde ergänzt durch vielerlei Schmuck, der selbst hergestellt oder durch den Austausch erworben wurde. Die Sippen- und Stammesältesten trugen vermutlich Diademe (Abb. 86). E s fehlt an Quellen darüber, ob sich die „Lausitzer" täto9*
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wierten; da wir jedoch wissen, daß andere Völker etwa die Thraker oder die Kelten, dies taten und auch die neolithischen Stämme, wie bereits ausgeführt wurde, sich ähnlicher Praktiken bedienten, wäre eine solche Annahme möglich. Die Tätowierung diente dazu, die Zugehörigkeit einzelner Individuen zu kleineren Stammesgruppen zu unterstreichen, und hatte daneben auch apotropäischen Charakter.
Abb. 84
Verschiedene ,,Lausitzer" Kultgefäße aus Pommern
Unlängst haben Ausgrabungen ergeben, daß die „Lausitzer" als Musikinstrumente u. a. die Tonklapper, die Panflöte (Abb. 87) und sogenannte Reibknochen (poln. tarlo) (Abb. 88) benutzt haben. Ihre Religion zeichnete sich durch den Synkretismus solarlunarer Vorstellungen aus, welche aus der täglichen Arbeit der Bevölkerung erwuchsen. In der Symbolik traten verschiedene mit dem Sonnen- oder Mondkult zusammenhängende Darstellungen auf. Auch der Phalluskult war jenen Stämmen nicht fremd. Eine
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Abb. 85
Kultwagen vom Ende der Bronzezeit aus Schlesien
gewisse Rolle dürften Gottheiten gespielt haben, die auf einem menschlichen Körper einen Tierkopf trugen (Abb. 89). Dies fordert zu Vergleichen mit Ägypten heraus, wo man verschiedene Götter von ähnlicher Gestalt verehrte; so wurde zum Beispiel Horos, der dortige Sonnengott, als Jüngling mit dem Kopf eines Falken dargestellt. Die oben abgebildete Figur stammt aus Deszczno, Kr. Gorzöw, und damit von einem Fundplatz, auf dem auch bemalte Keramik freigelegt worden ist. Obwohl das Stück an Ort und Stelle angefertigt wurde — dies beweisen nicht nur Machart und Ornamente, sondern auch der Halskragen aus mehreren Ringen vom pommerschen T y p —, könnte die erwähnte Keramik doch die Richtung andeuten, aus welcher die Vorstellungen über derartige Götter ein-
Abb. 86
Lab§dy-Przyszowka, Kr. Gliwice. Bronzediadem 125
drangen: Hier dürften nähere Beziehungen zu Schlesien, mittelbare zu den ostalpinen und noch weiter entfernten Ländern vorliegen. Das Fehlen von Vergleichsstücken erlaubt leider keine genaueren Aussagen darüber, wie weit die Verehrung solcher Tier-Mensch-Gottheiten bei den Lausitzer Stämmen verbreitet war; sicher ist lediglich, daß ein Teil der Bevölkerung der Görzyca(Göritzer) Gruppe sie kannte. Die Untersuchungen in Biskupin haben erkennen
Abb. 87
I'rzeczvce, Kr. Zawiercie. Sog. Panflöte aus Knochen
lassen, daß auch die Wasserquellen als Gottheiten angesehen wurden. Hier zeigt sich zweifellos eine Fortsetzung älterer Traditionen, wobei andererseits zu konstatieren ist, daß es diesen K u l t an Seen, Flüssen u n d Quellen auch später auf polnischem Boden noch gegeben hat. Nur steht es, was unsere hier behandelte Periode anlangt, nicht fest, ob auch bei den Lausitzer Stämmen die Gewässer als Mutterschoß galten und man daran glaubte, daß verschiedene Schlangen und Drachentiere die Feuchtigkeit verbreiteten und damit z u r Fruchtbarkeit beitrügen. Hierin nämlich ist bei verschiedenen primitiven Völkern der Grund für die Verehrung des Wassers zu erblicken. Die Schlangen haben bekanntlich bei den Slawen eine bedeutende Rolle im Fruchtbarkeitskult gespielt, und es ist möglich, daß auch der mit dem Wasser verbundene Aberglaube eine ähnliche Funktion hatte. Ergänzend sei hier erwähnt, daß verschiedene Funde aus Schlesien — unter anderem die bei Sanie, Kr. Milicz, gemachten — beweisen, daß Wasserquellen schon im Neolithikum kultisch verehrt wurden. A u c h die Heileigenschaften ver126
schiedener Solquellen dieser Gegend erkannte man bereits recht früh; der bisher ungenügende Forschungsstand erlaubt es jedoch nicht zu behaupten, daß sie auch von der Lausitzer Bevölkerung ausgenutzt oder gar angebetet wurden. Wir sind ferner im unklaren darüber, ob die in den mit Holz ausgekleideten Brunnen von Szczawno Zdröj, Kr. Walbrzych, gefundenen Pferdeschädel mit unserer hier behandelten Periode in Verbindung gebracht werden können. In den folgenden Jahrhunderten wurden solche Schädel bekanntlich den Wassergottheiten zum Opfer gebracht. Fast das ganze Leben der „ L a u s i t z e r " war von dem Glauben an das Wirken verschiedener mildtätiger oder unheildrohender Mächte durchdrungen. Deshalb waren sie bei verschiedenen periodisch wiederkehrenden Festen, aber auch im täglichen Dasein bemüht, die Geneigtheit der guten Geister zu gewinnen und das
Abb. 88
Jankowo, Kr. Inowroclaw. Musikinstrument, sog. Reibknochen (polnisch tarlo) Hallstatt D
Wirken der bösen einzuschränken. Diesem Zweck dienten verschiedene Opfergaben und magische Handlungen, daneben ferner die meisten Zierstücke und Amulette. Als solche benutzte man hauptsächlich Zähne von Bären, Ebern und Wölfen, Kieferknochen des Niederwildes sowie Wirbel von Fischen, besonders vom Wels. Für magische Heilzwecke fanden die sogenannten Donnerkeile der Belemniten Verwendung. Manche Schmuckstücke vereinten in sich die Symbolik der mit dem damaligen K u l t zusammenhängenden Elemente; so weist beispielsweise ein in Kruszwica, Kr. Inowroclaw, gefundener Bronzeanhänger Sinnbilder
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des Sonnen- und des Phalluskults auf. E s ist nicht ausgeschlossen, daß er das Attribut eines Schamanen war. Für apotropäische Zwecke wurden Tonrasseln verschiedener Art angewendet; sie dienten vor allem zum Schutz der Säuglinge vor den bösen Mächten. Die noch nicht enträtselten Zeichen, welche zuweilen etwas voreilig als Dekorationsmotive angesehen werden, erfüllten wahrscheinlich eine ähnliche Funktion. Zu besonderen Anlässen fanden Feiern statt, auf denen dem Kannibalismus gehuldigt oder Jünglinge geopfert wurden. Ein in der Erdaufschüttung des Walls in Krusz-
Abb. 89
Deszczno bei Gorzow. Tönerne Kultfigur aus der frühen Eisenzeit
wica freigelegter Schädel mag wohl der Rest eines solchen Opfers sein, welches für das Gelingen des Baus der Schutzwälle dargebracht wurde. Die Opferung von Menschen gehört bei vielen europäischen Völkern, welche zur Zeit der Lausitzer Stämme lebten, zu den typischen Religionshandlungen, die sich in Relikten noch eine sehr lange Zeit hindurch hielten — auch bei den damals am weitesten zivilisierten Völkern. Fast bis ins 2. J h . u. Z. wurden beispielsweise Zeus, dem obersten Gott der Griechen, in jedem Jahre Menschen zum Opfer gebracht. Sieben Jahrhunderte früher, also zur Zeit des Niedergangs der Lausitzer Kultur, mußten in Athen einem alten Brauch zufolge jeden Mai ein Mann und eine Frau ihr Leben lassen. Bei verschiedenen Anlässen, etwa bei der, Bestattungsfeier bedeutender Stammeshäuptlinge, brachten auch die „Lausitzer" Menschenopfer dar, wobei es nicht ausgeschlossen ist, daß sie diese Prozedur von Nomadenvölkern übernommen haben. Warum sie in der frühen Eisenzeit bei gewissen Bestattungsfeiern Hunde verzehrten, muß noch näher untersucht werden.
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Zum Tätigkeitsbereich der Zauberpriester gehörten nicht nur die direkt mit dem religiösen Kult zusammenhängenden Funktionen, sondern auch die Behandlung schwerer Krankheitsfälle. Diese wurden, übereinstimmend mit den Vorstellungen vieler primitiver Völker, als das Wirken böser Mächte hingestellt. Es wäre jedoch eine unzulässige Vereinfachung, wenn man annehmen wollte, daß sich die Lausitzer Schamanen nur irrationaler Mittel bedienten. Neuere Untersuchungen sprechen davon, daß sie über ein großes Wissen vom anatomischen Bau des Menschen verfügten. Sie führten oft ziemlich komplizierte Operationen durch, darunter auch die Trepanation sowie den heute als Mastoidektomie bezeichneten chirurgischen Eingriff. Die von ihnen behandelte Bevölkerung litt an verschiedenartigen Krankheiten. Manche Skelette von „Lausitzern" weisen, wie den Funden in Cz^stochowa-Raköw zu entnehmen ist, pathologische Veränderungen auf, die wohl durch die Recklinghausensche Knochenerkrankung (ostedystrophia fibrosa cystica generalisata) hervorgerufen wurden. Es steht zu vermuten, daß in deren Gefolge andere Erkrankungen, etwa die Leukämie oder Gefäßgeschwülste der Arterien und Venen, auftraten. Da weder die Heilmaßnahmen noch die offenkundige Sorgfalt in der Körperhygiene jedoch die damaligen schwierigen Lebensbedingungen sowie das Fehlen von Medikamenten und einer bewußten Anwendung von Schutzmaßnahmen aufzuwiegen vermochten, war die mittlere Lebenserwartung sehr niedrig. Leider verfügen wir auf diesem Gebiet nur über ein äußerst dürftiges Material. Ein Vergleich des mittleren Lebensalters der neolithischen Gruppe von Brzesc Kujawski mit dem der Lausitzer Bevölkerung aus Czgstochowa-Rakow zeigt eine fast identische Lebenserwartung, nämlich 25 Jahre. Bei den Männern entfiel das Maximum der Sterblichkeit auf die Altersgruppen 21 bis 25 und 36 bis 45 Jahre, bei den Frauen wiesen die Altersgruppen 15 bis 20 sowie ebenfalls 36 bis 45 Jahre die höchste Sterblichkeit auf. Gräber von Personen, die älter als 66 Jahre waren, wurden überhaupt nicht festgestellt. Bei der hohen Säuglings- und Kindersterblichkeit sah die Lebenserwartung jener Menschen, die das 14. Lebensjahr überschritten hatten, günstiger aus: Das Durchschnittsalter der Männer betrug bei ihnen 39 Jahre, das der Frauen 45 Jahre. Der große Prozentsatz der im Alter von 15 bis 20 Jahren dahingegangenen Frauen deutet auf eine erhebliche Müttersterblichkeit hin. Diese läßt sich nicht nur damit erklären, daß die sanitären Bedingungen für die Entbindung äußerst schlecht waren, sondern auch durch die mit der Niederkunft zusammenhängenden Komplikationen bei den jungen, biologisch noch nicht völlig reifen Frauen. Andererseits ist die Sterblichkeit der weiblichen Personen in jenem Alter bei der neolithischen Vergleichsgruppe von Brzesc Kujawski noch größer gewesen, was beweist, daß die „Lausitzer" bereits in besseren Existenzbedingungen als diese lebten. Verallgemeinerungen in den hier erörterten Fragen werden wir uns aber erst dann erlauben können, wenn eine entschieden größere Anzahl von Gräberfeldern aller Gruppen der Lausitzer Kultur auf moderne Weise untersucht sein werden — eine Forderung, für die ich oben schon plädiert habe. Die große Pietät, die man den Verstorbenen gegenüber hegte, kam in ihrer
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Bestattung zum Ausdruck (Abb. 90—92). E s überwog die Leichenverbrennung, bei der die Asche anschließend in eine Urne gefüllt und diese mit vielen Beigefäßen, welche pflanzliche Nahrung und Getränke enthielten, vergraben wurde. Auf dem Gräberfeld in Czgstochowa-Rakow hat man in Einzelgräbern bis zu 28 und in den Doppelgräbern bis zu 38 Gefäße freigelegt. Die zehn Grabreihen, welche man bisher hier feststellen konnte, verliefen in Richtung von Nord nach Süd. Dabei waren die Männer in einem anderen Teil des Gräberfeldes bestattet als die Frauen.
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Kietrz, Kr. Glubczyce. Plan des großen Brandgrabes Nr. 586 (vergl. Abb. 70)
Die Brandgräber waren hier etwa zur Hälfte Doppelgräber. Von elf solchen Gräbern, die wie alle übrigen ohne Ausnahme als Muldengräber angelegt waren, bargen drei die Überreste eines Mannes und einer Frau, eines die eines Mannes und eines Kindes, die letzten sieben diejenigen von erwachsenen Frauen und von Kindern. In einigen Gräbern wurden angebrannte Tierknochen gefunden, welche als Reste der den Verstorbenen verabreichten Speisen interpretiert werden müssen. Wenn ich hier das in der Fachliteratur bisher stiefmütterlich behandelte Problem dieser Doppelgräber berühre, erscheint es mir angebracht, auf die Feststellung der Bearbeiter des Gräberfeldes von Cz^stochowa hinzuweisen, daß die Doppelgräber mit den Überresten von erwachsenen Personen sowohl in den
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männlichen als auch in den weiblichen Reihen begegnen, während diejenigen, welche auch Knochen von Kindern enthalten, nur in den weiblichen Reihen vorkommen, und zwar unabhängig davon, welches Geschlecht der mit dem K i n d zusammen begrabene Erwachsene aufweist. Allerdings hat jenes Gräberfeld zu wenige Angaben geliefert, um diesen Sachverhalt schlüssig klären zu können. Die Lage der Kinder-Erwachsenen-Doppelgräber allein in den Reihen der Frauen rührt wohl daher, daß die Kinder bis zu einem bestimmten Alter, unabhängig
Abb. 91
Siemirowice, Kr. L^bork. Grabhügel der Lausitzer Kultur aus der Bronzezeit, Periode IV
von ihrem Geschlecht, immer eng mit den Frauen verbunden waren; erst wenn sie ein bestimmtes — sicher durch Absprachen festgelegtes — Reifealter erreicht hatten, trennte man sie von diesen. Die mit den Kindern zusammen beigesetzten erwachsenen Personen könnten Sklaven gewesen sein. Die Bestattung eines Mannes und einer Frau in der weiblichen Reihe läßt sich schwerer deuten. Nicht unmöglich ist es, daß hier traditionelle Relikte des Matriarchats eine gewisse Rolle spielten. Die Doppelgräber in den männlichen Reihen zeigen uns dagegen, daß die Tötung beziehungsweise der Freitod der jüngeren Gemahlin oder Sklavin beim Hinscheiden ihres Herrn — eine Sitte, die wir schon im Neolithikum innerhalb der patriarchalischen Gruppen beobachtet haben — auch bei den Lausitzer
Stämmen vorkam. Es scheint, daß weitere Untersuchungen, in welchen auch die bereits durchgeführten Analysen anderer Gräberfelder ausgewertet werden müßten, die früher vorherrschende Meinung von der bei den Trägern der Lausitzer Kultur fast ausschließlichen Einzelbestattung erheblich modifizieren werden. Unsere Deutung der Doppelbestattung von Mann und Frau infolge des freiwilligen oder gewaltsamen Todes der letzteren kann durch vergleichbare Angaben über andere Völker erhärtet werden. Der Geschichtsschreiber Herodot aus Halikarnas (um 480 bis um 425 v. u. Z.) führte, als er die Sitten der Thraker schilderte,
Abb. 92
Kietrz, Kr. Glubczyce. Kammergrab Nr. 28/1936. Hallstattzeit C
unter anderem an, daß, wenn bei diesen ein Ehemann das Zeitliche segnete, diejenige seiner Frauen ausgewählt wurde, welche der Verstorbene nach Meinung der Anverwandten am meisten geliebt hat. Sie wurde dann von denselben Verwandten getötet und zusammen mit dem Verstorbenen bestattet. Diese Beschreibung erinnert lebhaft an den Bericht des arabischen Reisenden Ibrahim Ibn Jaqub, der am Ende des 10. J h . u. Z. über die gleiche Situation bei den Slawen schrieb: „Die Frauen des Verstorbenen zerschneiden sich ihre Hände und Gesichter mit Messern; und wenn eine von ihnen behauptet, daß sie ihn liebe, hängt sie einen Strick auf, steigt zu ihm vermittels eines Schemels empor und umwickelt mit dem Strick fest den Hals; darauf wird der Schemel unter ihr weggezogen, und sie bleibt zappelnd hängen, bis sie stirbt. Darauf verbrennt man sie, und sie ist mit ihrem Gatten vereint." Wenn wir nun sehen, daß man ein ähnliches Ver-
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halten auch bei den „Lausitzern" annehmen kann, welche sich ja damals auf ungefähr der gleichen Entwicklungsstufe wie die Thraker des Herodot befanden, so geht hieraus hervor, daß die von Ibrahim so plastisch dargestellte Sitte bis in sehr entlegene Zeiten zurückreicht und schon von den Urslawen gepflegt wurde. Über dem Grab wurde meist ein kleiner, seltener und wohl vornehmlich für die Stammesältesten ein großer Hügel aufgeschüttet (Abb. 91). Wenn wir nun zu den sozialökonomischen Verhältnissen übergehen, so können wir während der Periode der Lausitzer Kultur verschiedene Stufen der patriarchalischen Gemeinschaft feststellen. In der Hallstattzeit begegnen unzweifelhaft Keime der militärischen Demokratie, aber auch damals waren das alte Gefühl der Stammeszugehörigkeit und sogar Relikte früherer Gesellschaftsformen noch sehr stark. Ein Beispiel hierfür liefert die etwa 550 bis 400 v. u. Z. erfolgte Bebauung von Biskupin, denn die Reihenanordnung der dortigen Häuser war vermutlich weniger auf das Streben nach möglichst guter Ausnutzung der beschränkten Baufläche als auf die Berücksichtigung der einstigen Stammesgemeinschaften zurückzuführen: jede dieser Reihen war von einer Sippe bewohnt. In welchem Grade hier äneolithische Traditionen nachwirkten, etwa die bekannten großen Aunjetitzer Stammeshäuser, ist heute noch schwer zu beantworten. Gewiß gingen die gesellschaftlichen Wandlungen in den einzelnen Regionen verschieden schnell vor sich, wobei es für uns heute schwer ist, dieses unterschiedliche Tempo zu erkennen. Haben sie doch, gehindert durch einen fast stets vorhandenen Traditionalismus in der Bauweise und Bauanlage, nicht immer sofort in der Aufteilung und Bebauung der Siedlungen ihren Niederschlag gefunden. Durch die teils reichere, teils ärmere Ausstattung der Gräber auf manchen Bestattungsplätzen — ich nenne hier nur Gorszewice, Kr. Szamotuly, — werden sie jedoch zur Genüge bewiesen. Wenn nicht alles täuscht, zeigen uns die Gräberfunde, daß nur die Häuptlinge der Sippen oder Stämme über eine bessere Bewaffnung verfügten, daß nur sie Schwerter besaßen. Auch die Zusammensetzung mancher Lausitzer Bronzeschatzfunde illustriert das Anwachsen der ungleichmäßigen Verteilung der Güter und der Abhängigkeit der übrigen Bevölkerung von den Sippen- und Stammesärtesten. Dagegen lassen uns die Quellen weitgehend im Stich bei der Frage, ob bei den „Lausitzern" die Viel- oder die Einehe herrschte. Wie vergleichende Angaben und spätere Überlieferungen ahnen lassen, dürfte zumindest bei den Stammesältesten die Vielehe den Vorrang gehabt haben. Die Sitten des damaligen Zusammenlebens von Mann und Frau bleiben ebenfalls fast völlig im Dunkeln. Eine gewisse Hilfe bei der Aufhellung bietet hier wieder Herodots Erzählung über die Thraker, deren Gesellschaftsordnung, wie oben schon ausgeführt wurde, der der „Lausitzer" ähnlich war, die diesen außerdem benachbart waren und auch in ihr• Territorium eindrangen. Der Geschichtsschreiber berichtet, daß die thrakischen Mädchen frei seien und ihnen das Zusammenleben mit jedem Mann gestattet würde, während die verheirateten Frauen unter strenger Bewachung standen. Fast identisch hiermit ist der Bericht des bereits erwähnten Ibrahim 133
Ibn Jaqub über die frühmittelalterlichen Slawen um die Jahrtausendwende, in welchem es heißt: „Ihre Frauen begehen, wenn sie einmal geheiratet haben, durchaus keinen Ehebruch. Wenn hingegen ein Mädchen einen Mann liebt, begibt sie sich zu ihm und befriedigt ihre Leidenschaft. Wenn aber ein Mann eine Frau nimmt, und findet sie dann als Jungfrau, so sagt er zu ihr: Wäre Gutes an dir, dann hätten die Männer dich begehrt und du hättest dir einen auserwählt, der dir deine Jungfrauschaft genommen hätte, jagt sie fort und ist sie los." Angesichts der Tatsache, daß auch ethnographisches Vergleichsmaterial das Vorhandensein solcher Praktiken bei verschiedenen primitiven Völkern erkennen läßt, darf angenommen werden, daß es auch bei den Lausitzer Stämmen so war. Schließlich soll hier noch erwähnt werden, daß nach Herodot die Thraker „mit Neugeborenen und Verstorbenen folgendermaßen verfahren: Rings um das Neugeborene sitzen die Verwandten und beweinen es wegen des vielen Unglücks, das es erfahren wird, weil es zur Welt kam, und zählen sämtliche menschliche Leiden auf; der Verstorbene dagegen wird freudig und in heiterer Stimmung bestattet und dabei gesagt, daß er aller Sorgen frei sei und jetzt in voller Glückseligkeit lebe." Allerdings gibt es hier keinen Beweis für ein gleiches Verhalten der „Lausitzer"; man bleibt ganz im Bereich der Vermutungen. Die Periode der teils mehr, teils weniger günstigen Entwicklung der Träger unserer Kultur dauerte sehr lange. Hemmend wirkten sich zu Anfang die zwischen den Stämmen ausgetragenen Kämpfe sowie das Eindringen der Illyrer aus. Doch erst der Übergang zur Eisenzeit, insbesondere die Zeit des 6. Jh. v . u . Z . , brachte ihnen eine erhebliche Schwächung. Die Gründe hierfür sind vielfältig und noch nicht voll bekannt. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, daß der Niedergang der Lausitzer Kultur nicht durch die gewaltsame Eroberung des Territoriums der polnischen „Lausitzer", sondern durch tiefgreifende ideologische Wandlungen hervorgerufen wurde, die verursachten, daß ein bedeutender Teil jener Bevölkerung die Kulturformen übernahm, welche mit der Einführung eines neuen Rohstoffes zur Erzeugung von Geräten, des Eisens, verbunden waren. Dieser Prozeß könnte durch gewisse politische Ereignisse beschleunigt worden sein, ähnlich wie wir es später im Zusammenhang mit dem Eindringen der Kelten beobachten. Auch die Raubzüge der Skythen sind in diesem Zusammenhang in Betracht zu ziehen. Dieses Nomaden- und Hirtenvolk iranischer Herkunft trat um das 7. Jh. v. u. Z. in den Steppen am Schwarzen Meer auf und beherrschte bald darauf die Ukraine, Podolien und Wolhynien.
Die Skythen Bisher gibt es in der Fachwelt noch keine Übereinstimmung darüber, ob an der Wende vom 6. zum 5. Jh. v. u. Z. die Skythen bei ihren Beutezügen auch nach Polen gelangten, indem sie von Ungarn aus die Mährische Pforte überschritten. Die bisherigen skythischen Funde in unserem Lande bestehen hauptsächlich aus Waffen, und ob man in dem freigelegten Material aus Witaszkowo, Kr. Lubsko,
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Ibn Jaqub über die frühmittelalterlichen Slawen um die Jahrtausendwende, in welchem es heißt: „Ihre Frauen begehen, wenn sie einmal geheiratet haben, durchaus keinen Ehebruch. Wenn hingegen ein Mädchen einen Mann liebt, begibt sie sich zu ihm und befriedigt ihre Leidenschaft. Wenn aber ein Mann eine Frau nimmt, und findet sie dann als Jungfrau, so sagt er zu ihr: Wäre Gutes an dir, dann hätten die Männer dich begehrt und du hättest dir einen auserwählt, der dir deine Jungfrauschaft genommen hätte, jagt sie fort und ist sie los." Angesichts der Tatsache, daß auch ethnographisches Vergleichsmaterial das Vorhandensein solcher Praktiken bei verschiedenen primitiven Völkern erkennen läßt, darf angenommen werden, daß es auch bei den Lausitzer Stämmen so war. Schließlich soll hier noch erwähnt werden, daß nach Herodot die Thraker „mit Neugeborenen und Verstorbenen folgendermaßen verfahren: Rings um das Neugeborene sitzen die Verwandten und beweinen es wegen des vielen Unglücks, das es erfahren wird, weil es zur Welt kam, und zählen sämtliche menschliche Leiden auf; der Verstorbene dagegen wird freudig und in heiterer Stimmung bestattet und dabei gesagt, daß er aller Sorgen frei sei und jetzt in voller Glückseligkeit lebe." Allerdings gibt es hier keinen Beweis für ein gleiches Verhalten der „Lausitzer"; man bleibt ganz im Bereich der Vermutungen. Die Periode der teils mehr, teils weniger günstigen Entwicklung der Träger unserer Kultur dauerte sehr lange. Hemmend wirkten sich zu Anfang die zwischen den Stämmen ausgetragenen Kämpfe sowie das Eindringen der Illyrer aus. Doch erst der Übergang zur Eisenzeit, insbesondere die Zeit des 6. Jh. v . u . Z . , brachte ihnen eine erhebliche Schwächung. Die Gründe hierfür sind vielfältig und noch nicht voll bekannt. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, daß der Niedergang der Lausitzer Kultur nicht durch die gewaltsame Eroberung des Territoriums der polnischen „Lausitzer", sondern durch tiefgreifende ideologische Wandlungen hervorgerufen wurde, die verursachten, daß ein bedeutender Teil jener Bevölkerung die Kulturformen übernahm, welche mit der Einführung eines neuen Rohstoffes zur Erzeugung von Geräten, des Eisens, verbunden waren. Dieser Prozeß könnte durch gewisse politische Ereignisse beschleunigt worden sein, ähnlich wie wir es später im Zusammenhang mit dem Eindringen der Kelten beobachten. Auch die Raubzüge der Skythen sind in diesem Zusammenhang in Betracht zu ziehen. Dieses Nomaden- und Hirtenvolk iranischer Herkunft trat um das 7. Jh. v. u. Z. in den Steppen am Schwarzen Meer auf und beherrschte bald darauf die Ukraine, Podolien und Wolhynien.
Die Skythen Bisher gibt es in der Fachwelt noch keine Übereinstimmung darüber, ob an der Wende vom 6. zum 5. Jh. v. u. Z. die Skythen bei ihren Beutezügen auch nach Polen gelangten, indem sie von Ungarn aus die Mährische Pforte überschritten. Die bisherigen skythischen Funde in unserem Lande bestehen hauptsächlich aus Waffen, und ob man in dem freigelegten Material aus Witaszkowo, Kr. Lubsko,
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ehemals Vettersfelde, (Abb. 93) die Bestattungsreste eines skythischen Führers erkennen kann, steht noch nicht fest. Auf einen solchen skythischen Einfall deuten jedenfalls die dreieckigen Bronzepfeilspitzen, welche zuweilen unter den Trümmern der Wallanlagen von Lausitzer Burgen vorkommen, sowie auch ihre Nachahmung aus Horn, gefunden in der Nähe der Höhle von Rz^dkowice, K r . Zawiercie, wo sich, wie es scheint, eine Gruppe von „Lausitzern" vor skythischen Angreifern verborgen hatte. Ähnliche Pfeilspitzen entdeckte man auch in
Abb. 93
Witaszkowo (Vettersfelde), Kr. Lubsko. Skythische Goldarbeiten aus der Zeit um 500 v. u. Z.
manchen „Lausitzer" Gräbern Schlesiens und Mittelpolens. Hier sind wahrscheinlich Menschen bestattet worden, die während des Einfalls mit solchen Pfeilen getötet wurden, oder man begrub diese Toten zusammen mit den eroberten Waffen ihrer Gegner. Jedenfalls läßt all das einen skythischen Einfall in das Lausitzer Territorium als ziemlich sicher erscheinen. Neuere Untersuchungen machen es jetzt sehr fraglich, ob die bisher dafür gehaltenen Funde in der Moldau wie in Rumänien, Bulgarien und Ungarn wirklich rein skythisch sind. E s zeigte sich beispielsweise, daß die dolchartigen Kurzschwerter (Akinakes), welche man früher den Skythen zuschrieb, vielmehr mit den Thrakern in Verbindung gebracht werden müssen. Somit kann es heute als ziemlich wahrscheinlich gelten, daß die aus dem Osten nach Ungarn eingewander-
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ten Stämme entweder gemischte skythisch-thrakische Gruppen waren oder daß es sich bei ihnen überhaupt um Thraker handelte, welche sich in einem gewissen Maße skythisches Brauchtum angeeignet hatten. Eine oder die andere dieser in der Literatur ziemlich einseitig als skythisch bezeichneten Komponente gehörte dem Ethnos zu, das an dem Einfall nach Polen beteiligt war. E s ist daher eine Forderung, die unbedingt gestellt werden muß, daß der Erörterung der K o n t a k t e mit den Thrakern und ihrer wohl vorübergehenden Besetzung der südöstlichen Gebiete des späteren Polens in unserer Literatur mehr R a u m als bisher gewidmet wird. Wenn die Quellen, die diese Frage eindeutig beleuchten, auch selten sind, so darf das doch daran nicht hindern. Die Skythen stießen im Norden bis in die Gegend von Torun vor und eroberten dabei unter anderem die Burgen von Kruszwica, Kr. Inowroclaw, und Kamieniec, K r . Torun, welche Feuersbrünsten zum Opfer fielen. Die Ausgrabungen dieser total zerstörten Objekte förderte außer wenigen schlecht erhaltenen Skeletten von Krie-
Abb. 94
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Wicina, Kr. Lubsko. Glasperlen, gefunden bei dem Skelett einer Frau, die wohl beim skythischen Einfall auf dem Burgwall ums Leben kam. Hallstatt D/Latenezeit
gern und anderen Personen, die an den Wällen den Tod fanden, keinerlei Menschenreste zutage. Damit zeigt sich hier ein ganz anderes Bild als etwa bei der Hinterlassenschaft der Mongoleneinfälle im 13. J h . u. Z. Daß die Stammesgenossen nach dem Abzug der Skythen die Brandstätte genau durchgesehen und die Leichen der Ermordeten gesammelt hätten, ist wohl gänzlich von der Hand zu weisen. So drängt sich hier ein anderer Gedanke auf, nämlich daß die Eingefallenen nach der Eroberung jener Plätze fast die ganze Bevölkerung gefangennahmen. Sollte diese Vermutung zutreffen, dann darf damit gerechnet werden, daß die skythischen Einfälle in erster Linie die Gewinnung von Sklaven zum Zweck hatten. Derjenige Teil der Bevölkerung, dem es nicht gelang, im undurchdringlichen Dickicht des Waldes Zuflucht zu finden und so den Eindringlingen zu entgehen, wurde von ihnen verschleppt. Wie die neuen Funde in Wicina, Kr. Lubsko, einem nahe bei Witaszkowo ( = Vettersfelde) gelegenen Ort, zeigen, hatten sich manche der Einheimischen auch in Kellern versteckt und sind dort im Feuer ums Leben gekommen (Abb. 94). Auf die Verringerung des Bevölkerungspotentials weist schließlich der Umstand hin, daß ein Teil der zerstörten Siedlungen überhaupt nicht, andere wiederum nur auf einer viel kleineren Fläche und weniger sorgfältig wiederaufgebaut wurden; ein Beispiel für letzteres ist Biskupin, Kr. Znin. Unter den skythischen Überbleibseln verdienen außer den schon erwähnten Pfeilspitzen und dem Ende eines Zeltstabes insbesondere die Goldarbeiten aus Witaszkowo, Kr. Lubsko, Beachtung (Abb. 93), welche zum Teil Verzierungen eines Pferdegeschirrs gewesen sein könnten. Sie zeigen sämtlich tierisch-geometrische Ornamente und verraten eindeutig ihre griechisch-skythische Herkunft aus Werkstätten am Schwarzen Meer. Der skythische Ansturm fand fast genau zur selben Zeit statt, da sich das Verbreitungsgebiet der Lausitzer Kultur, welche auf polnischem Boden bis um das Jahr 300 v. u. Z. bestand, merklich zu verringern begann. An ihre Stelle trat jetzt mehr und mehr die Wejherowo-Krotoszyn-Kultur, die auch Steinkistenund Glockengräberkultur genannt wird. Sie soll im folgenden behandelt werden.
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Hensel
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VIII.
Die Steinkisten- und Glockengräberkultur (Wejherowo-Krotoszyn-Kultur)
Die Stämme der Gesichtsurnengruppe In jüngerer Zeit durchgeführte Forschungen lassen keinen Zweifel daran, daß die Wejherowo-Krotoszyn-Kultur, welche um 550 v. u. Z. entstand und annähernd 300 Jahre herrschte und auf die späte Hallstatt- sowie die frühe Latenezeit entfiel (einige Ausläufer dürften sich allerdings bis in die mittlere Latenezeit hinein gehalten haben), ihre Wiege in Ostpommern und im nördlichen Großpolen hatte. Sie entstand innerhalb der ostpommerschen Gruppe der Lausitzer Kultur der Hallstatt-C-Periode (etwa 650 bis 500 v. u. Z.). Die Ursachen ihrer Herausbildung harren noch der näheren Untersuchung, doch dürfte die Berührung mit anderen Kulturströmungen hierzu beigetragen haben. Besonders auffallend sind in dieser Beziehung Verflechtungen mit dem etruskischen Milieu. Ein grundsätzliches Merkmal, das diese Kultur von anderen unterscheidet, ist die allgemein verbreitete Bestattung der Toten in Gesichtsurnen — seltener in Hausurnen — sowie auch die Beisetzung von mehreren Urnen in einem Grab. Wenn wir von einigen typischen Erzeugnissen absehen, so finden sich allerorts, zum Beispiel auf dem Gebiet der Produktionsweise, in den Wohnbauten, bei vielen Metallerzeugnissen oder der Gebrauchskeramik nahe Beziehungen zum alten Lausitzer Erbe. Dieser Umstand hat mich veranlaßt, die früher vorherrschende Meinung von einem kriegerischen Eindringen beziehungsweise einer Massenwanderung der Bevölkerung der Wejherowo-Krotoszyn-Kultur in das von den Lausitzer Stämmen besiedelte Territorium einer Revision zu unterziehen. Es wäre übertrieben, Verschiebungen der Bevölkerung während dieser Zeit überhaupt in Frage zu stellen; obwohl jedoch die Kriterien, welche obige Meinung begründen sollen, den Schein für sich haben, läßt sich dagegen Wesentliches einwenden. Nimmt man nämlich an, daß es in Ostpommern zur Umwandlung der Kultur ein und derselben Bevölkerung kam — was sollte dagegen sprechen, daß dieser Prozeß in späterer Zeit auch ein viel größeres Gebiet erfassen konnte? Die Leichenverbrennung trat ja ebenfalls zunächst in einem recht begrenzten Raum auf, und bekanntlich wird im allgemeinen nicht behauptet, daß ihre Verbreitung mit der Verschiebung größerer Bevölkerungsgruppen oder gar mit der Eroberung von Territorien zusammenhing. Sofern man zweitens voraussetzt, daß das Auftreten der Gesichtsurnen in Pommern entweder überhaupt nicht das Ergebnis einer ethnischen Expansion oder allenfalls das einer sehr geringen Infiltration von
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Bevölkerungsgruppen war, denen man absolut keine Eroberungsgelüste unterstellen kann, dann muß man zwangsläufig der Meinung beipflichten, daß es ähnliche Möglichkeiten auch in anderen Gebieten gegeben haben muß, die von der Lausitzer Kultur erfaßt waren. Diese legte zur damaligen Zeit übrigens eine auffällige Tendenz zu Umwandlungen zutage, welche beispielsweise in dem Auftreten einer Gruppe oder Kultur der sogenannten Glockengräber in Erscheinung trat, Und wieder muß gesagt werden, daß hier kein Versuch gemacht wird, die Genese dieser Form mit einer Expansion der in jenen Jahrhunderten den deutschen Südosten besiedelnden Stämme in Verbindung zu bringen. Übrigens ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache wichtig, daß es trotz gewisser Analogien zum Süden infolge von Wandlungen in der ideologischen Sphäre ganz unabhängig voneinander zur Herausbildung der Gesichts- und Hausurnen oder — wie diese weniger zutreffend bezeichnet werden — der Speicherurnen kommen konnte. Das Fazit ist somit: Es spricht vieles für die kulturelle, nicht aber die ethnische Expansion. Daß die Träger der Wejherowo-Krotoszyn-Kultur von germanischer Abstammung waren, lassen neueste Untersuchungen kaum mehr als denkbar erscheinen. Insbesondere sofern man das Milieu berücksichtigt, in dem diese Kultur entstand, muß daran festgehalten werden, daß sie zu den Urslawen gehörten. Lediglich in den Gebieten rechts der unteren Weichsel könnten sie eventuell den Balten zuzurechnen sein. Von ihrem Ursprungszentrum aus, das zwischen unterer Weichsel, Parseta ( = Persante) und mittlerer Notec ( = Netze) lag, verbreitete sich die WejherowoKrotoszyn-Kultur ziemlich rasch. Sie überschritt schon etwa gegen 500 v. u. Z. die Grenzen ihres ursprünglichen Gebietes, um dann am Ende des 5. J h . v. u. Z. ganz Großpolen, das nördliche Schlesien, Kuj awien und das Chelmnoer Land sowie einen Teil Masowiens zu umfassen. In der Latenezeit waren die Gebiete Mittel- und Kleinpolens ebenfalls von ihr beeinflußt. Es wird vermutet, daß sie in manchen Gebieten erst am Ende der mittleren Latenezeit mit den lokalen Kulturformen verschmolz. Bekannt ist sie uns vornehmlich durch Gräberfelder und Verwahrfunde geworden ; Grabungen in den zugehörigen Siedlungen wurden bisher nur in bescheidenem Umfang durchgeführt. Deshalb kann man die Unterschiede im Niveau zwischen ihr und der Lausitzer Kultur auch nur schwer beurteilen. Die recht ansehnliche Zahl von Metallarbeiten sowie Beweise von Kontakten mit verschiedenen anderen Völkern verbieten es jedoch, die Gesichtsurnengruppe in ihrer Anfangszeit für niedrigerstehend als die frühere Bevölkerung zu halten. Alles scheint darauf hinzuweisen, daß trotz des verringerten demographischen Potentials damals keine grundsätzliche Krise eintrat. Eine solche zeichnete sich erst in der älteren und mittleren Latenezeit ab. Die Existenzgrundlage bildeten damals weiterhin Haustierzucht und Ackerbau; die J a g d und vermutlich auch der Fischfang wurden daneben beibehalten. Die Träger der Wejherowo-Krotoszyn-Kultur stellten aus Eisen ähnliche Gerätetypen (Abb. 95) wie die Bevölkerung der Lausitzer Kultur her; auch von bestimmten 10*
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Geräten zur Körperpflege, etwa den Rasiermessern, ist das gleiche zu sagen. Die Bartzangen repräsentieren einen lokalen Typ, desgleichen die Säbelmesser, welche übrigens ebenso wie während der Herrschaft der Lausitzer Kultur nur zur Bewaffnung der Würdenträger gehörten. Von dem für die Gesichtsurnengruppe typischen Schmuck wären die prunkvollen Halskragen mit durchbrochenem
Abb. 95
Eisengegenstände aus Pommern. Wejherowo-Krotoszyn-Kultur
Schließhaken (Abb. 96), die nierenförmigen Armbänder, die achtkantigen Halsbänder, die innen hohlen Beinringe, ferner die Ohrgehänge mit Perlen aus Bernstein, Glas oder Bronze sowie die seltenen Kaurimuscheln zu nennen, welche aus der Gegend des Roten Meeres stammten. Von den Eisennadeln sind insbesondere diejenigen mit Kopf Scheiben erwähnenswert; diese Scheiben wurden teilweise muschelförmig gestaltet und mit Bronze- oder Goldeinlagen versehen (Abb. 95). Auch aus Knochen und Horn wurde weiterhin Schmuck angefertigt. 140
Eine erhebliche Anzahl von Fundstücken zeugt von dem weitverzweigten Austausch, welcher ebenso mit benachbarten ostbaltischen und skandinavischen Territorien wie auch mit weiter entfernten Ländern betrieben wurde. Aus Ungarn kamen Zaumstangen, aus Ägypten Glasflußperlen (wenn diese nicht, wie heute angenommen wird, in Europa hergestellt worden sind), und vom Schwarzen Meer bezog man nachweislich gleichfalls bestimmte Erzeugnisse. Auf Urnen eingeritzte Darstellungen vermitteln uns Einzelheiten über die Kleidung und das Leben der Träger dieser Gruppe der Wejherowo-KrotoszynKultur. Bis auf einige Ausnahmen trugen die Frauen Ohrringe, Halsbänder und Brustschmuck; ihr Gewand wurde mit einer Nadel zusammengehalten, während die Männer dazu zwei Nadeln benutzten. An Waffen gab es, wie die Urnen mit männlichen Leichenresten erkennen lassen, Schilde und Speere; eiserne Speerspitzen sind auch aus Funden bekannt. Zur Kleidung der Wejherowo-KrotoszynLeute gehörten endlich Mützen und Gürtel (Taf. 7; 8). Die Häuser wurden in einer ähnlichen Technik wie bei den „Lausitzern" gebaut. Ausgrabungen haben S, uren von Pfostenbauten aus jener Periode gesichert.
Abb. 96
Wiecköwv, Kr. Koscierzyna. Ringhalskragen aus Bronze. Hallstattzeit D
Was das Gebiet der Kunst anbelangt, so gehörte die Hallstatt-D-Periode, das heißt die Zeit des Beginns der Gesichtsurnenkultur, zur Phase ihrer höchsten Entfaltung. Dies kommt am deutlichsten in der angewandten Kunst sowie in der Sepulkralkeramik zum Ausdruck. Außer geometrischen Ornamenten begegnen hier zoomorphe und besonders anthropomorphe Motive: Auf den Urnen ist häufig der Menschenkopf ziemlich realistisch plastisch dargestellt (Taf. 8; Abb. 97). Vermutlich sollte es sich hierbei um die Porträts der Personen handeln, deren Asche die Urnen enthielten. Außer in plastischer Modellierung wurden diese Gesichter etwas später auch in Ritztechnik dargestellt. J e mehr sich die Gesichtsurnengruppe entwickelte und ausbreitete, desto stärker erfuhr diese Methode
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nia, Kr. Kartuzy. Gesichtsurne. Hallstattzeit D jedoch eine Vereinfachung und Schematisierung, und am Anfang der Latenezeit verschwand sie fast ganz. Auf manchen Urnen bilden nun die Ritzzeichnungen eine Erzählung, in welcher die Menschen- und Tiergestalten wie auch verschiedene Gegenstände sehr schematisch dargestellt sind (Tai. 8; Abb. 98). Um die Anschaulichkeit der Zeichnungen hervorzuheben, wurden die Vertiefungen auf der dunklen Oberfläche mit einer weißen Masse gefüllt — eine
Abb. 98
142
Starogard Gdanski. Hallstattzeit D
Schwarze
Urne
mit
inkrustierten
Zeichnungen.
Technik, welche schon früher bei manchen Stämmen der Lausitzer Kultur angewendet worden war. Über die Glaubensvorstellungen der Stämme der Gesichtsurnengruppe wissen wir noch weniger als über diejenigen der Lausitzer Stämme. Aufgrund von bestimmten kreuzförmigen Verzierungen sowie von einigen Schmuckstücken, zum Beispiel den mit Bronze- oder Goldblech ausgekleideten Scheibenkopfnadeln, vermutet man, daß der Sonnenkult dominierte. Kultische Handlungen dürften in dieser Gruppe einen wesentlichen Platz eingenommen haben; dies beweisen nichtzuletzt diebereits erwähnten eingeritzten Narrationen auf manchen Gesichtsurnen. Zu den interessantesten gehört dabei die Szene auf einem Gefäß aus
Abb. 99
Obliwice, Kr. L§bork. Hausurne. Hallstattzeit C/D
Grabowo, K r . Stargard Szczecinski, welche neben anderen einen mit zwei Pferden bespannten vierrädrigen Kult wagen zeigt. Wohl kaum sollte hier der letzte Weg des Verstorbenen abgebildet werden; das Gefährt ist eher eine Reminiszenz an Kult wagen, wie sie zur selben Zeit auch in der Steiermark (Strettweg) in Gebrauch waren. Trotz deutlicher Unterschiede zur Gesichtsurnengruppe spielten Hirsch und Pferd auch im Glauben der dortigen Bevölkerung, ähnlich wie bei den „Lausitzern", eine gewisse Rolle; doch kann hier nicht von einer einfachen Rezeption gesprochen werden. Nicht nur die Figuren auf dem Wagen sind andersartig; auch dessen T y p unterscheidet sich erheblich von jenem. Die Zeichnung aus Grabowo sollte möglicherweise einen Sonnengott darstellen, der einen Schild in der Hand hält beziehungsweise sich hinter dem Wagen hertragen läßt. Die Abmessungen des Schildes weisen darauf hin, daß er ein Kultsymbol von großer Bedeutung darstellte. Als Bestattungsart war die Leichenverbrennung allgemein verbreitet. Anfänglich wurde die Asche der Toten in Gesichts-, seltener in Hausurnen (Abb. 99) beigesetzt, und zwar stellte man häufig mehrere Urnen nebeneinander in Steinkisten (Abb. 100). In solchen Gräbern, die meist Flach- und nur manchmal Hügelgräber waren, wurden von zwei bis zu dreißig Urnen freigelegt. Ebenso wie mit 143
der Zeit und der räumlichen Ausdehnung der Kultur jedoch der Brauch, die Toten in Gesichtsurnen zu bestatten, verkümmerte (Taf. 9), traten schließlich Einzelgräber an die Stelle der einstigen Familiengräber; ebenso wurden die Steinkisten nicht mehr verwendet. Auch in Hinsicht auf die Beigaben, welche zu Beginn der hier behandelten Periode fast ganz fehlen, lassen sich in der Spätzeit Änderungen feststellen.
Abb. 100 144
Glincz Nowy, Kr. Kartuzy. Steinkistengrab aus der frühen Latenezeit
Die Glockengräbergruppe Auf Gräberfeldern der Gesichtsurnengruppe, aber auch anderer Gruppen, besonders in Masowien und Kleinpolen, treten Glockengräber auf. Man nennt sie so, weil hier ein großes Tongefäß als Schutz über die Urne gestülpt wurde (Abb. 101). Dieser Grabtypus findet sich innerhalb der Lausitzer K u l t u r während der I V . Periode der Bronzezeit und nachfolgend in der frühen Eisenzeit; in einigen Gebieten wurde er jedoch erst in der älteren Stufe der Latenezeit (um 400/350 bis 250/200 v. u. Z.) herrschend. Die Untersuchung des Glockengräberfeldes in Warszawa-Henrykow ergab, daß die Hälfte der Toten in Massengräbern bestattet wurde. E s bestanden viele Berührungspunkte zwischen den Trägern der Lausitzer K u l t u r , der Gesichtsurnengruppe, und der Bevölkerung der Glockengräbergruppe ; genannt seien nur das Auftreten von Einzelurnen und teilweise einer großen Zahl von Beigefäßen sowie die vereinzelten Doppelgräber. Die stärkste Ähnlichkeit läßt sich jedoch in der Keramik und beim Schmuck feststellen. Diese nahe Verwandtschaft insbesondere mit der zuletzt erwähnten Gruppe gestattet die Annahme, daß wir es hier nicht, wie vielfach angenommen wird, mit einer eigenständigen archäologischen Kultur, sondern mit einem Zweig der Wejherowo-Krotoszyn-Kultur zu tun haben; die Bestattung in Glockengräbern war möglicherweise mit der Existenz einer besonderen Stammesgruppe verbunden. Das Auftreten solcher Gräber auf Bestattungsplätzen der Gesichtsurnengruppe dürfte dann K o n t a k t e zwischen den Stämmen, etwa durch Eheschließungen, widerspiegeln. Die Fälle, wo zwei Urnen von einer Glocke bedeckt sind, demonstrieren wohl das Vorhandensein eines patriarchalischen Bestattungsritus; sie wären folglich ein Hinweis auf die überlebte patriarchalische Stammesgemeinschaft.
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i/ /
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Sand
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Kórnik, Kr. Srem. Längsschnitt eines Glockengrabes
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IX.
Die ersten Germanen und die Kelten in den heutigen polnischen Gebieten
Die Germanen Während der letzten Periode der Wejherowo-Krostoszyn-Kultur verkleinerte sich das Territorium der Urslawen auf polnischem Boden. I m Südwesten verloren sie einen Teil ihrer Gebiete an die Kelten, im Nordwesten einen weiteren an die Germanen (Abb. 102; 103). So k a m es, daß in der mittleren Stufe der
Abb. 102
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Verbreitung von Jastorfformen und ihre Abgrenzung zur WejherowoKrotoszyn-Kultur in der älteren vorrömischen Eisenzeit. Jastorftypen
Abb. 103
Jastorfgruppe B und die Wejherowo-Krotoszyn-Kultur in der mittleren vorrömischen Eisenzeit. Verbreitungsgebiet der Jastorfkultur im Osten (große Signatur)
Latenezeit im Gebiet zwischen Oder, Pars^ta und Notec Spuren der Jastorfkultur auftraten (Abb. 103), welche jedoch nicht bis an die Ostseeküste heranreichten. Sie knüpft an Formen an, welche bereits aus dem westlichen Oderraum her bekannt sind. Bei der Bevölkerung, die sie hinterlassen hat, war die Leichenverbrennung üblich; sie bestattete ihre Toten in Urnengräbern, die mit den Resten des Scheiterhaufens bedeckt wurden, sowie in Muldengräbern. Anfangs fanden sich in diesen keine Metallbeigaben; jedoch änderte sich dies mit dem Beginn der späten Latenezeit. Von nun an wurden den Verstorbenen verschiedene Schmuckstücke, zum Beispiel Halsringe aus Bronze mit verdickten Enden, bronzene Flügelnadeln, zwei- oder dreiteilige Gürtelhaken sowie Fibeln vom westpommerschen Typ (Abb. 104), jedoch keine Waffen mitgegeben. Von dieser Kultur, die in der späten Latenezeit erlosch, wird im allgemeinen angenommen, daß ihre Träger in ethnischer Hinsicht zu den germanischen Völkern gehörten. Es ist hierbei aber zu berücksichtigen, daß diese Meinung auf 147
der Auffassung fußt, ein Kulturbereich entspreche stets dem Gebiet eines bestimmten Volkes, oder anders ausgedrückt: Jeder Verschiebung der Grenzen irgendeiner Kultur wäre auch eine Änderung ethnischer Grenzen parallel gegangen. Ich habe in meinen voraufgehenden Ausführungen schon mehrfach festgestellt, daß dies eine sehr oberflächliche Behauptung ist, welche viele Probleme unberücksichtigt läßt. So stimme ich deswegen auch mit der These, die westliche Grenze der Urslawen sei mit der des Verbreitungsgebietes der Lausitzer
Abb. 104
Jastorfformen der Latenezeit im Odergebiet
Kultur identisch gewesen, nicht überein. E s ist durchaus möglich, daß die J a s torfkultur im Raum rechts der Oder keine Hinterlassenschaft der Germanen darstellt; diese Frage erfordert weitere Untersuchungen. Insbesondere müßten Siedlungen aufgefunden werden, da unsere Kenntnisse hier bisher ausschließlich von Gräberfeldern herrühren. Sollte sich die germanische Zugehörigkeit der Träger der Jastorfkultur aber doch bestätigen, so hätten wir hier die ersten Germanen, welche auf einem kleinen Streifen polnischen Bodens auftraten und circa 100 bis 150 Jahre dort verblieben. E s ist somit denkbar, daß die Urslawen hin und wieder Gebiete verloren, dafür aber andere gewannen. So haben sie wahrscheinlich ihren Siedlungsbereich im Nordosten auf Kosten der baltischen Bevölkerung erweitert. 148
Die Kelten Es gibt auf polnischem Boden nur sehr wenige Funde, die wir mit Sicherheit dem Zeitraum von 250 bis 150 v. u. Z. zuzuweisen vermögen. Das ist jedoch nicht auf eine Abwanderung der hier seit langem ansässigen Stämme, sondern auf den Mangel an Merkmalen für eine fortschreitende Entwicklung zurückzuführen. Mit anderen Worten heißt dies, daß gewisse Fakten bestimmt länger wirksam waren, als es die bisher angewendeten chronologischen Kriterien anzunehmen erlauben. Daß die Bevölkerung damals wirklich an Ort und Stelle verblieb und sich dort weiterentwickelte, kann man heute nicht allein auf der Basis der Keramik, sondern auch anhand derselben Technologie bei der Eisenproduktion von der Lausitzer Kultur (Hallstatt-D-Periode) bis zur Przeworskgruppe (Latene-CPeriode) verfolgen. Von dem ungestümen Anwachsen der Produktivkräfte, das sich von etwa 150 bis 100 v. u. Z. vollzog, liegen dann sehr ausdrucksvolle Beweise vor. Besonders sichtbar sind dabei eine deutliche Entwicklung der Eisenmetallurgie und der Hauptproduktionszweige. Da hierfür keltische Einwirkungen sehr wichtig waren, soll die Rolle dieses Volkes und sein Platz in der Frühgeschichte Polens im folgenden behandelt werden. Der Raum, der die Basis für die spätere Herausbildung der Kelten abgab, reichte von den Gebieten südlich der Marne über Burgund, das Einzugsgebiet des Oberrheins und Süddeutschland bis hinein in das südwestliche Böhmen. Von hier aus ergingen bereits um 600 v. u. Z. die ersten Impulse zur Eroberung .anderer Gebiete. Damals herrschte dort die Hallstattkultur, doch infolge der griechischen, etruskischen und skythischen Einflüsse kam es Schritt für Schritt zur Herausbildung einer selbständigen, typisch keltischen Kultur, welche in der Literatur als Latenestil bezeichnet wird. Die intensive keltische Expansion über weite Gebiete Europas hinweg erfolgte um 400 v. u. Z., und zwar in mehrere Richtungen. Für uns ist dabei die Tatsache wesentlich, daß große Gebiete in Mitteleuropa, darunter auch Böhmen, Mähren und die Slowakei, von jenem Volk besetzt wurden. Von Böhmen gingen dann schließlich die ältesten Wanderungen der Kelten nach Schlesien aus. Die keltischen Stämme, welche damals bereits einen hohen Stand der gesellschaftlich-wirtschaftlichen Entwicklung erreicht hatten, haben in weit stärkerem Maße als die Illyrer die Entwicklung der von ihnen besetzten Länder beeinflußt. Es ist keine Übertreibung, wenn wir sagen, daß viele Merkmale der frühmittelalterlichen Kultur der Slawen bis in die Zeit zurückverfolgt werden können, in der die Kelten eine starke Wirkung auf das slawische Territorium ausübten. Darüber hinaus ist es übrigens ziemlich wahrscheinlich, daß schon ihre Vorfahren auf manche Kulturformen der zu ihrer Zeit auf polnischem Boden ansässigen Stämme eingewirkt haben. Die von der Wejherowo-Krotoszyn-Bevölkerung benutzten kurzen Eisenschwerter sind möglicherweise hierfür ein Beispiel, und auch die mit Tierköpfen verzierten Bronzeschnallen stammen zweifellos aus jener Zeit. Da sie sich die Errungenschaften anderer Völker anzueignen und ihren eigenen 149
Anforderungen anzupassen wußten, gehörten die Kelten zu denjenigen Völkern, welche in hervorragender Weise zur Entwicklung von Ackerbau und Tierzucht sowie auch weiterer Produktionszweige beigetragen haben. Ihnen verdanken wir unter anderem das eiserne Sech am Pflug und die Einführung entwickelterer Geräte zum Einbringen der Getreide- und Heuernte. Bedeutungsvoll sind ihre Neuerungen in der Eisen- und der Nichteisenmetallurgie: Für ihre Schwertklingen verwendeten sie beispielsweise eine Art von Damaszener Stahl. Auf dem Gebiet der Töpferei führten sie in Europa die Drehscheibenarbeit sowie einen verbesserten Typ des Zweikammerofens ein; sie verstanden es, Handmühlen zu bauen, und die von ihnen entwickelten Fortschritte im Bergbau sind nicht weniger erwähnenswert. Große Leistungen erbrachten sie ferner im Bereich der angewandten Kunst. Bei ihrem ausgedehnten Handel benutzten sie Münzen, welche oft Nachahmungen makedonischer sowie später, im l. Jh. u. Z., auch römischer Vorbilder waren. Im Kampf bedienten sie sich der verschiedenartigsten Waffen; auch begannen sie im 5. und 4. J h . v. u. Z. anstatt der vierrädrigen Streitwagen zweirädrige zu bauen. Ihre großen befestigten Siedlungen breiteten sich häufig auf einer Fläche von über 100 ha aus; sie waren in vielen Fällen vom gleichen Typ wie die frühmittelalterlichen Anlagen. Neben ihnen gab es jedoch auch offene Dorfsiedlungen. Die religiösen Vorstellungen waren bei den Kelten sehr hoch entwickelt. Die Druiden, wie die Priester genannt wurden, hatten eine hervorragende Stellung: Sie versahen die Rechtspflege und hatten zusammen mit den Kriegern die Gewalt in ihren Händen. Die Kelten glaubten an die Unsterblichkeit der Seele; sie verehrten verschiedene Götter und Dämonen. Von erheblicher Bedeutung war der Wasserkult. Im Brauchtum spielten Menschenopfer eine große Rolle. Die Toten wurden zum überwiegenden Teil unverbrannt bestattet, jedoch war auch die Leichenverbrennung bekannt. J e nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsgruppe fiel die Grabausstattung reicher oder ärmlicher aus. Spuren des Aufenthalts keltischer Bevölkerung in verschiedenen Ländern — deren Relikte sich übrigens bis heute in der Bretagne und auf den britischen Inseln erhalten haben — sind nicht nur in der archäologischen Hinterlassenschaft, sondern ebenfalls im Ortsnamengut zu erkennen, auch in Polen. Der Höhepunkt ihrer Kultur in Mitteleuropa fällt in das Ende der mittleren und in die letzte Stufe der Latenezeit. Die keltische Expansion nach Polen setzte etwa um 300 v. u. Z. ein. Damals eroberten Teile dieses Volkes, von Mähren her über den Gebirgspaß von Klodzko vorstoßend, die fruchtbaren Gebiete Mittelschlesiens. Die zweite Angriffswelle brandete im 2. J h . v. u. Z. durch die Mährische Pforte und richtete sich in der Hauptsache gegen Teile Oberschlesiens und Kleinpolens, wobei nicht ganz ausgeschlossen ist, daß sie auch Kujawien erfaßte. Obwohl die Okkupanten zahlenmäßig nur schwach waren (wie z. B. im 16. J h . die Spanier in Zentral- und Südamerika), sich mit der einheimischen Bevölkerung vermutlich leicht mischten und in ihr schließlich ganz aufgingen — am Ende des 2. J h . v. u. Z. zunächst in Mittelschlesien, am Anfang unserer Zeitrechnung dann auch in Oberschlesien 150
und im westlichen Kleinpolen —, drückten sie doch für lange Zeit den von ihnen eingenommenen Gebieten den Stempel ihres Wesens auf. Manchmal geschah dies nur durch eine indirekte Einwirkung; Vermittler waren in solchem Fall andere Völker, welche den Kelten ebenfalls Anregungen für ihre zivilisatorische Entwicklung verdankten. So waren die bereits erwähnten typisch keltischen Zweikammeröfen zum Brennen von Tongefäßen schon in den Jahrhunderten vor der Zeitwende im südlichen Polen bekannt, wurden später jedoch vermutlich von der dort ansässigen Bevölkerung nicht mehr benutzt. Ihre Wiedereinführung erfolgte erst in der römischen Kaiserzeit, und zwar übernahm man sie damals aus dem Schwarzmeergebiet oder aus Pannonien, wo die Kenntnis dieses Ofentyps wie überhaupt der Technik des Brennens von Gefäßen in großem Maße den Kelten verdankt wurde. Unser Wissen über die Frühphase der keltischen Kultur auf polnischem Boden leitet sich in erster Linie von den in Mittelschlesien freigelegten Skelettgräbern her. In ihnen waren zum Teil Krieger bestattet, deren Rüstung aus langen Eisenschwertern, Speeren mit Eisenspitzen und oft verzierter Tülle, ferner aus Holzschilden mit eisernem Schildbuckel und einer Schildeinfassung aus dem gleichen Metall bestand. Auch die Gürtel, an denen die Schwerter getragen wurden, waren häufig aus Eisen. Neben den Toten fanden sich weiter zahlreiche andere Gaben, insbesondere verschiedene Schmuckstücke aus Bronze (Abb. 105), Eisen und Glas sowie auf der Töpferscheibe gedrehte Gefäße. Aus dem damaligen keltischen Einflußgebiet in Kleinpolen stammen die Gräber von Iwanowice, Kr. Miechöw, welche ebenfalls eine reiche Ausstattung zeigen (Abb. 106; 107). Abgesehen von diesen Funden, die vom Aufenthalt der Kelten in den erwähnten Gebieten zeugen, besitzen wir aus anderen Teilen unseres Landes Material, welches ihre Kontakte mit den dortigen Einheimischen demonstriert. Zu nennen wären hier insbesondere die Verzierungen, weiter die Tongefäße, gewisse Schatzfunde sowie einzelne keltische Münzen, welche man unter anderem in Inowroclaw zutage förderte. Aus der späten Latenezeit sind einige keltische Siedlungen bekannt. Die großen Burgwälle, welche damals wohl von diesem Volk angelegt wurden, haben leider noch keine systematische Untersuchung erfahren. In den offenen Siedlungen gab es rechteckige Häuser, deren Wände oft mit roten und weißen Streifen bemalt waren. Daneben fanden sich Produktionsstätten: E s wurden ein Eisenschmelzofen in Kraköw-Nowa Huta sowie Zweikammer-Töpferöfen in Nowa Cerekwia, Kr. Glubczyce, in Podlgze, Kr. Bochnia, und in Wyci^ze, Kr. Krakow, freigelegt. Unter der Keramik aus jener Zeit begegnen Gefäße mit einer starken Beimischung von Graphit sowie ebenfalls auf der Töpferscheibe gedrehte bemalte Stücke. An Werkzeugen traten neben Beilen und Messern, deren Griffe zuweilen am Ende einen Ring tragen, auch Meißel und Halbsensen auf. Durch den Austausch kamen Waffen — darunter Schwerter mit damaszierten Klingen, wie sie in tagowo, Kr. Koscian, entdeckt wurden —, ferner Schmuck und Keramik ins Land. Ein Teil dieser Erzeugnisse wurde von der zuvor bereits ansässigen Bevölkerung nachgeahmt. 151
Alles in allem ist jedoch die keltische Hinterlassenschaft auf polnischem Boden, besonders wenn man sie mit den durch Anzahl und Verschiedenartigkeit beeindruckenden Funden zum Beispiel in der Tschechoslowakei vergleicht, sehr dürftig. Dies ist nur zum Teil auf die bisher ungenügende Erforschung unserer Fundplätze zurückzuführen, deren Zahl allerdings gewiß noch wesentlich erweitert werden
Abb. 105
Verschiedene keltische Schmucksachen aus Schlesien
wird. In einem erheblichen Maße spielt hier vielmehr die periphere Lage der nach Polen vorgedrungenen Gruppen im Verhältnis zu ihrem Stammgebiet eine Rolle. D a die große Anziehungskraft der keltischen Kultur ein relativ leichtes Eindringen ihrer Elemente in das jeweilige Milieu zur Folge hatte, ist es auch durchaus denkbar, daß die tatsächliche Anwesenheit ihrer Träger sich nicht auf den gesamten Süden unseres Landes erstreckte, sondern Inselcharakter trug. Das würde mit der damaligen Siedlungsstruktur übereinstimmen, welche es zuließ, daß ein ganzes Mosaik verschiedener ethnischer Gruppen auf ein- und demselben Territorium lebte. Mit einer ähnlichen Lage haben wir es dann übrigens, wie den Aufzeichnungen des Ptolemäus zu entnehmen ist, auch in der römischen Kaiserzeit zu tun. Während der mittleren Latenezeit vollzog sich Z u dieser trugen die Kelten selbst außerordentlich herrschaft des Eisens als Rohstoff zur Erzeugung Die neue Kultur, welche im Ergebnis der hiermit 152
eine kulturelle Umwälzung. bei, indem sie jetzt der Vorvon Geräten Bahn brachen. zusammenhängenden starken
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Hensel
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Entwicklung der Produktivkräfte entstand, faßte schließlich im letzten Jh. v. u. Z. auch in den von jenem Volk unberührten Gebieten festen Fuß. Der erfolgte Umbruch war so durchgreifend, daß man nur unter Schwierigkeiten erkennen kann, in welchen Bereichen überhaupt eine Kontinuität zur vorhergehenden Periode bestand. Im Bestattungsritus, in der Keramik und bei manchen anderen Kulturformen läßt sie sich dennoch feststellen; auch ist nicht von der Hand zu weisen, daß der hier behandelte Teil unseres Landes trotz erheblicher Einbußen ein slawisches Gebiet blieb. Weil sich aber in der voraufgehenden Zeit die Bevölkerung erheblich vermindert hatte, kam es nunmehr, da sich die neuen Kulturverhältnisse herauszubilden begannen, dazu, daß ein Teil des früher besiedelten und genutzten Bodens aufgegeben wurde und sich wiederum größere Landstriche mit Wald bedeckten. In diesem Zusammenhang sei allgemein darauf aufmerksam gemacht, daß durch die Tätigkeit des Menschen auch in der urgesellschaftlichen Periode der Waldbestand beeinflußt wurde, so daß wir hier Vergrößerungen und Verringerungen beobachten können, welche den demographischen Veränderungen entsprachen. Für die exakte Kenntnis des geographischen Milieus in einer bestimmten Ära sind Daten über ihre Pflanzenwelt unentbehrlich, denn hier versagen sämtliche Deduktionen aus Angaben, welche voraufgegangene oder nachfolgende Zeitabschnitte betreffen. Daß die großen Wüstungen, die damals entstanden, auch in den Jahren einer seit der späten Latenezeit einsetzenden neuen Bevölkerungszunahme nicht wieder vollständig besiedelt werden konnten, hat schließlich während der römischen Kaiserzeit die Besetzung einiger Gebiete Polens durch ethnisch fremde Gruppen erleichtert.
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Die Slawen, die Restkelten, die Germanen in vorrömischer und römischer Zeit und die Hunnen
Im Gegensatz zu der bisher behandelten Zeit können wir für diejenigen Jahrhunderte, von denen im folgenden die Rede ist, weit stärker auch schriftliche Quellen neben den archäologischen heranziehen. Wirtschaft, Gesellschaftsform und auch die damals im polnischen Gebiet herrschenden demographischen Verhältnisse sind somit jetzt entschieden besser zu erkennen. Wir vermögen uns dabei nicht nur die direkt auf die Slawen (Wenden) bezogenen Angaben zunutze zu machen, sondern dürfen getrost auch die Mitteilungen verschiedener römischer Geschichtsschreiber über die Germanen verwerten. Hierzu berechtigt uns eine Stelle aus der im Jahre 98 u. Z. von P. Cornelius Tacitus (um 55 bis um 120 u. Z.) verfaßten'Schrift „ D e origine et situ Germanorum", an der der Autor schreibt: „Ich weiß nicht, ob ich die Stämme der Peukiner, der Veneter und der Fennen zu den Germanen oder den Sarmaten zählen s o l l . . . Die Veneter haben viel von den Sitten der Sarmaten übernommen, denn bei ihren Raubzügen durchziehen sie alle Wälder und Berge, die zwischen den Peukinern und den Fennen liegen. Sie sind eher den Germanen zuzurechnen, weil sie feste Häuser bauen, Fußmärsche lieben und behende sind — das alles trennt sie von den Sarmaten, die auf ihren Wagen und Pferden leben." Neben dem entsprechenden archäologischen Material ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, daß sich die „Veneten (Wenden)" genannten Slawen und zumindest ein Teil der Germanen in jener Zeit auf der gleichen Entwicklungsstufe befanden. Die schriftlichen Quellen haben um so größeren Wert, weil sie auch skizzenhafte Informationen über die Wandlungen liefern, denen die Germanen in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung unterworfen waren. In den Berichten des Caesar (100—44 v - u - Z.) und des Strabon (um 63 v. u. Z. bis 19 u. Z.) herrscht, was die Wirtschaft der von ihnen beschriebenen germanischen Völker anbelangt, weitgehende Übereinstimmung. Nach Caesar waren die Germanen nicht seßhaft und befaßten sich vorwiegend mit der Tierzucht; die Jagd spielte bei ihnen eine große Rolle, wohingegen der Ackerbau von geringerer Bedeutung war. Das Land wurde nur ein Jahr lang bebaut und dann der Wohnsitz verlegt — diese Angabe deutet unzweifelhaft auf die Brandrodung hin. Viel Zeit, schreibt Caesar weiter, wurde dem Kriegshandwerk gewidmet. Einige Jahrzehnte später gab Strabon an, daß die Leichtigkeit, mit der sie ihre Wohnsitze 11*
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verlegten, ein gemeinsamer Zug der Germanen sei, und brachte dies mit ihrem einfachen Lebenswandel in Zusammenhang: Sie befaßten sich wenig mit dem Ackerbau und häuften keine Güter an. Ihre Hauptnahrung bestände aus Tierfleisch wie bei den Nomaden, und wie diese lüden sie ihre Habe auf Wagen und zögen mit ihren Herden dorthin, wo es ihnen beliebte. Diese Berichte kann man natürlich ebensowenig wörtlich nehmen wie die Aussagen anderer antiker Quellen über die Verhältnisse im barbarischen Europa. Ihre Autoren nämlich verglichen meist die bei den fremden Völkerschaften mehr oder minder richtig beobachteten Erscheinungen mit den im Römischen Imperium herrschenden Verhältnissen, vereinfachten also deutlich die von ihnen behandelten Fragen. Der Typ der wechselnden Bodenbestellung war in ihren Augen kein eigentlicher Ackerbau, da er dem ihnen aus ihren eigenen Ländern bekannten nicht entsprach. Zweifellos haben die Schriftsteller vieles, was sie berichteten, auch sehr verallgemeinert. Im Lichte anderer Quellen kann es beispielsweise keinem Zweifel unterliegen, daß am Ende der der römischen Kaiserzeit voraufgehenden Periode bei den Germanen bereits die geregelte Feldwirtschaft an Bedeutung gewonnen hatte. Auch die Stelle Strabons über die fehlende Anhäufung von Gütern beruht gewiß auf nur oberflächlicher Kenntnis. Insgesamt jedoch erlauben die genannten Aussagen die Feststellung, daß in der Zeit, da die Werke geschrieben wurden, ein Umbruch in der Ökonomie bei den Germanen eintrat. Strabons Bericht ist gewissermaßen der Schlußakkord der primitiven Wirtschaft; das folgende Entwicklungsstadium, in dem dieser Wirtschaftstyp deutlich an die Peripherie rückte, stellt-uns dann die Erzählung des Tacitus vor Augen. Den Hauptreichtum bildete auch ihr zufolge noch die Tierzucht, im Ackerbau aber änderten sich die Formen. Die Siedlungen nahmen einen dauerhafteren Charakter an, und zwischen arm und reich begannen sich größere Unterschiede abzuzeichnen. Die Beziehungen der Germanen zum Römischen Imperium übten hierbei einen großen Einfluß aus, indem sie die Entwicklung jetzt viel intensiver als früher verlaufen ließen. Das hier vorgestellte Bild der Ökonomie bei den germanischen Völkern stimmt im allgemeinen mit den archäologischen Quellen überein. Es gibt uns vor allem eine Vorstellung von der zunehmenden Entwicklung der Produktivkräfte kurz vor der Zeitenwende — einer Entwicklung, die sich während der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung in vielen Gegenden Europas, darunter auch in den von Slawen bewohnten Gebieten, mit einem deutlichen Anstieg fortsetzte. Bestimmend dafür war zum einen die Fähigkeit, Eisenwerkzeuge jetzt in einem viel größeren Ausmaß als früher herzustellen, zum anderen die Möglichkeit, das Ausgangsmetall für diese erweiterte Erzeugung nicht mehr nur allein aus Raseneisenerz, sondern auch aus ergiebigeren Mineralien zu gewinnen — beispielsweise aus Hämatit, das bergmännisch abgebaut wurde. Bis zu welchem Grade das Eisen ein den Fortschritt vorantreibender Faktor war und seine Schmelze und Verarbeitung — selbstverständlich in der entsprechenden Proportion gesehen — damals die Rolle der heutigen Schwerindustrie spielten, beweisen nicht nur die in jener Zeit erzeugten Geräte, ohne die man sich den weiteren technischen Fortschritt vieler Hauptproduktiönszweige, die damals für die Ent156
wicklung nicht zuletzt auch in der Feldwirtschaft und der Tierzucht entscheidend waren, nicht vorstellen kann; die soziale Stellung der Schmiede, welche auch in polnischen Grabfunden wie denen von Rz^dz, Kr. Grudzig-dz, Wesolki, Kr. Kalisz, und Korytnica, Kr. Kielce, ihren Ausdruck findet, ist hierfür gleichfalls ein Beweis. E s wurde bereits erwähnt, daß die Kelten zu der Zeit, da ihre politische Expansion zusammenbrach, das heißt an der Wende vom 2. zum 1. J h . v. u. Z., während des l. J h . v. u. Z. und zu Beginn unserer Zeitrechnung, einen besonderen Einfluß auf ihre Nachbargebiete im Norden und Osten ausgeübt haben. Infolge besonderer Umstände zogen sie sich aus den an der Peripherie ihres Verbreitungsbereiches gelegenen Gegenden zurück oder gingen im dortigen lokalen Milieu auf. Sie hinterließen jedoch eine unauslöschliche Spur in den Kulturen dieser Regionen und trugen in einem erheblichen Maße zur kulturellen Vereinheitlichung großer Gebiete in Mittel- und Nordeuropa bei. Unter den neuen Verhältnissen verlor die archäologische Kultur in noch stärkerem Grade als früher ihren Charakter als Widerspiegelung eines konkreten Ethnos; in ihren allgemeinen Merkmalen wurde sie zu einer sozusagen interethnischen Erscheinung. Erst in Zukunft, und zwar nach eingehenden Untersuchungen in konkreten Mikroregionen, von Nekropolen und auf Siedlungsplätzen wird es vermutlich gelingen, die in dieser Zeit bestehenden Unterschiede aufzuzeigen und mit bestimmten ethnischen Gruppen in Beziehung zu setzen. Die in der kaschubischen Hochebene auftretenden Hügelgräber, die viereckigen Steinpflaster und die Gräber mit Stelen (Gräber, die durch senkrechte Steinblöcke gekennzeichnet sind), sind bereits erforscht worden; sie haben ihre Analogien in Gotland und Uppland, was darauf hindeutet, daß von dort aus im 1. und 2. J h . u. Z. kleinere germanische Gruppen nach Pommern gelangten. Ähnlich verhält es sich mit den Splittern der Püchovkultur, die aus der nördlichen Slowakei bekannt ist und deren Elemente im Süden Polens in einem Streifen, der sich von Cieszyn bis in die Gegend von Krakow hinzieht, auftraten; sie wird in der polnischen Literatur auch Cieszynkultur genannt. Bezugnehmend auf ihre ungenügende Erforschung wird — meines Erachtens zu Unrecht — darüber diskutiert, ob überhaupt von ihrer Existenz auf polnischem Boden gesprochen werden kann; es werden auch über die ethnische Zugehörigkeit ihrer Träger Überlegungen angestellt — darüber, ob diese möglicherweise nicht Slawen, sondern keltische Kotinen oder germanische Sidonen waren. Die Stämme der Püchovkultur gelangten in der ersten Hälfte des l . J h . u. Z. nach Südpolen und verblieben hier bis an das Ende jenes Jahrhunderts; dann lösten sie sich in der Przeworskkultur auf. Angesichts dieser Tatsachen kann ich nur sagen, daß obwohl in der späten Latenezeit außer der slawischen und der baltischen Bevölkerung auch Kelten in den polnischen Gebieten wohnten, die Lage zu Beginn unserer Zeitrechnung noch komplizierter war. Unser Territorium war damals nämlich außer von Slawen und im Nordosten von Balten auch von verschiedenen kleinen Germanenstämmen, in manchen Gegenden wohl auch von Splittern der Kelten bewohnt. Es genügt, die Aufzählung der Völker und Ortschaften nach157
zulesen, welche der Kartograph und Geograph Ptolemäus aus Alexandria (90 bis 168 u. Z.) in dem Kapitel Germania Megale (Magna Germania) seiner „Geographia" niederschrieb, um der Ansicht beizupflichten, daß in jener Zeit sehr viele verschiedene größere und kleinere ethnische Stammesgruppen auf polnischem Boden gelebt haben müssen. Damals verliefen übrigens weder die Grenzen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen in der Weise, wie sie das frühe Mittelalter kannte, noch waren die Fälle selten, daß in einem größeren Gebiet verschiedene ethnische Gruppen (manchmal in Form von Enklaven) beisammen wohnten. Wir wollen hier noch einflechten, daß bei Ptolemäus in manchen Fällen zusammengesetzte Namen vorkommen, zum Beispiel Lugier-Buren, LugierDidunen und Lugier-Omanen. Ihr erster Bestandteil läßt sich leicht aus dem slawischen Wortschatz ableiten, der zweite hingegen weist auf Beziehungen unter anderem zu den Germanen hin. Vieles spricht für die Meinung einiger Forscher (u. a. K . Tymieniecki), daß solche Doppelbezeichnungen die Folge eines späteren Eindringens ethnisch fremder Gruppen, in diesem Fall germanischer, in einen Teil des früher slawischen Territoriums war. Unter solchen Umständen ist die Hypothese möglich, daß der von Tacitus her bekannte Stammesname „Helisii" oder „Halisii" die Reste der Kelten bezeichnen soll. Die dürftigen Materialien, über die wir verfügen, erlauben keine genaue Antwort auf die Frage, ob dies im 2. J h . u. Z. noch ein rein keltischer Stamm war oder ob er sich zu jener Zeit bereits in einem vorgerückten Stadium der Slawisierung befand. Hier sei noch daran erinnert, daß der von Ptolemäus gebrauchte Name „Kalisia" mit dem heutigen Ort Kalisz an der Prosna in Verbindung gebracht wird, was sich leicht aus der slawischen Bezeichnung für Sumpf ableiten läßt. Den Namen „Helisia" hingegen kann man ohne weiteres aus dem griechischen „helos" = Sumpf ableiten (B. Bilinski). In diesem wie in jenem Fall bezeichnet der Name ein geographisches Milieu, welches genau der Lage von Kalisz entspricht. Auf eine ähnliche Weise läßt sich die Bezeichnung „Lugier" aus dem Charakter der von diesen bewohnten Landschaft erklären. Somit wäre dies ein geographischer Begriff, ebenso wie „Germania", während es sich bei den oben genannten zweiten Bestandteilen der Doppelnamen um ethnische Elemente handelt. Das wäre ein zusätzliches Argument für die Behauptung, daß auch am Anfang der römischen Kaiserzeit ein großer Teil des polnischen Territoriums von Slawen besiedelt war. Im römischen Imperium waren die Verhältnisse, welche im „barbarischen" Europa herrschten, im allgemeinen wenig bekannt. Dies traf auch auf die näher an den Grenzen des Imperiums liegenden Länder zu. Hinsichtlich der polnischen Gebiete, insbesondere der südlichen, ist das um so überraschender, als mit Gewißheit römische Legionen in der Slowakei und wohl auch in Mähren stationiert waren. Die einzige Informationsquelle waren die Kaufleute, welche in die Bernsteingebiete der Ostsee zogen, aber auf ihren Wanderungen nicht von der sogenannten Bernsteinstraße abwichen und ihre Kenntnisse aus Informationen der an dieser Straße siedelnden Stämme bezogen. Hierdurch läßt sich auch die Tatsache erklären, daß Ptolemäus die Grenze der Germania an die Weichsel verlegte. Dies geschah deshalb, weil man in Rom, wie aus Tacitus' Worten gefolgert werden 158
kann, auch die Wenden zur germanischen Welt zählte, und zwar mit Rücksicht auf ihre mit den Germanen gemeinsame Lebensart. Für die Autoren der Antike bildeten nicht die sprachlichen Eigentümlichkeiten, sondern die wirtschaftliche Beschäftigung die Grundlage für ihre Einteilung der Bevölkerung Europas in große Gruppen. Übrigens waren ihnen die germanischen und slawischen Sprachen so wenig bekannt, daß sie sie überhaupt nicht unterscheiden konnten. Was Ptolemäus als Megale Germania (Magna Germania) bezeichnete, ist daher nicht vom ethnischen, sondern vom geographischen Standpunkt her zu sehen. Somit irren diejenigen Forscher, die diese Bezeichnung vom Gesichtspunkt der heutigen Namengebung wortwörtlich nehmen und nach jener Quelle ebenfalls die Ostgrenze der Germanen an der Weichsel lokalisieren. Die im einzelnen von Ptolemäus erwähnten Ortsnamen im Gebiet zwischen Oder und Weichsel weisen darauf hin, daß eine solche Anschauung entschieden zu verwerfen ist, und zwar deshalb, weil nach Aussagen der römischen Autoren hier verschiedene Stämme wohnten und, wie aus einer Analyse ihrer Namen hervorgeht, die Slawen die größte Gruppe bildeten. Somit ist die in der Literatur oft angewandte, von Ptolemäus hergeleitete Bezeichnung „Magna Germania" für die Gebiete bis zur Weichsel als irreführend anzusehen, weil sie falsche Vorstellungen weckt. Am häufigsten wird dies übrigens von Leuten getan, die beim Leser den Eindruck erwecken wollen, alles Land bis zur Weichsel habe am Anfang unserer Zeitrechnung zur germanischen Zone gehört. Vom 2./1. J h . v. u. Z. bis zum 5./6. J h . u. Z., das heißt bis etwa zu der Zeit, da in Polen, wie anderswo auch, das frühe Mittelalter begann, herrschte hier, sofern man vom Nordosten des Landes sowie einigen in der Frühphase vorhandenen keltischen Enklaven absieht, nur eine archäologische Kultur, welche allerdings verschieden benannt wird. Am wenigsten zutreffend ist die Bezeichnung „Wenedische Kultur", besser stimmt schon der Name „Brandgrubenkultur", obwohl auch er insofern irreführend ist, als ihre Träger verschiedene Bestattungsarten anwandten. Wir wollen diese konventionelle Bezeichnung aber beibehalten, weil sie nicht, wie die Bezeichnung „Wenedische Kultur", sich auf ein Ethnos bezieht; dieses war ja aus den oben angeführten Gründen nicht einheitlich. Die Brandgrubenkultur zerfiel in zwei Gruppen, deren Unterschiede sich in der Berührungszone nur schwach abzeichneten; die größere war die Przeworskgruppe in Süd- und Mittelpolen, die kleinere Oksywiegruppe, benannt nach dem Stadtteil Oksywie in Gdynia, breitete sich in Pommern aus (Abb. 108). Die Besonderheiten beider Gruppen leiteten sich weniger aus den Differenzen im Wirtschaftsniveau her, sondern waren in erster Linie das Ergebnis unterschiedlicher kultureller Traditionen beider Gebiete. Möglicherweise hat dabei eine gewisse Rolle gespielt, daß die damalige Bevölkerung Südpolens bestimmte Gruppen der Kelten assimiliert hatte. Die Grenzen der Wirtschaftszonen verliefen in jener Zeit nicht an den Trennungslinien zwischen den einzelnen Kulturgruppen. Ohne Rücksicht hierauf kann man jedoch Territorien aussondern, die auf verschieden hoher wirtschaftlicher Stufe standen. Äußerlich findet dies in dem unterschiedlichen Auftreten 159
Abb. 108
Verbreitungsgebiet der Brandgrubenkultur in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung: 1. Przeworskgruppe, 2. Oksywiegruppe, 3. Ausbreitung der Oksywiegruppe in ihrer mittleren Phase, 4. sog. Fürstengräber. Nach J. Kostrzewski
von römischen Importen seinen Ausdruck, worüber ich weiter unten noch einiges sagen werde. In den fortgeschritteneren Gegenden bildete die Haustierzucht die Haupterwerbsquelle, in der in jener Zeit Änderungen eintraten. Von geringerer Bedeutung war der halbseßhafte Wirtschaftstyp. Jetzt entwickelten sich allmählich diejenigen Wirtschaftsformen, denen wir in der nachfolgenden Periode begegnen werden. Neben den verschiedenen indirekten schriftlichen Informationen macht dies die Entwicklung der Geräte deutlich, welche bei der Ernte verschiedener Graspflanzen Verwendung fanden, vor allem aber die Tatsache, daß in der römischen Kaiserzeit in manchen Regionen Polens die von den Kelten übernommenen Sensen zur Anwendung kamen. Noch deutlicher zeichnen sich Wand160
lungen in der Technik der Bodenbearbeitung ab. Die Funde eiserner Teile von Pfluggeräten, Pflugschare und Seche beispielsweise in Nowa Huta, Zadowice, Kr. Kalisz, Toporöw, Kr. Wielun, stammen zwar erst aus dem Ende der römischen Kaiserzeit. Ihre große Auswahl beweist jedoch, daß man sich verschiedener Pfluggeräte bediente, wodurch die These von der schon viel früheren Benutzung eisenbeschlagener Geräte durch die Bevölkerung auf polnischem Boden an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Daraus könnte man folgern, daß mit solchen Geräten schon am Ende der Latenezeit gearbeitet wurde, und ferner daß sie den Kontakten mit den Kelten verdankt wurden. Unabhängig von den rein hölzernen wurden auch mit Eisen beschlagene Hakenpflüge, solche mit Rahmenkonstruktion und wahrscheinlich auch Schwingpflüge verwendet. Vermutlich änderte sich fast gleichzeitig auch das landwirtschaftliche Betriebssystem. Mit der Vervollkommnung der Ackergeräte kam es in manchen Gegenden Süd- und Mittelpolens zu Wandlungen betreffs der Nutzungsdauer der Felder. An die Stelle des Brandrodungsfeldbaus, bei dem auch schon Ackergeräte mit Viehanspannung verwendet wurden, begann jetzt die Wechsel Wirtschaft zu treten. In immer größerem Maße kam es zur Nutzung des Bodens im Zweifeldersystem, und am Ende jener Periode wurde in den fortgeschrittenen Regionen sogar bereits eine irreguläre Dreifelderwirtschaft angewandt. Unter solchen Bedingungen stieg die Ertragsfähigkeit; es wurden bei geringerem Arbeitsaufwand größere Erträge erzielt. Von derselben Anzahl von Menschen konnte jetzt ein größeres Bodenareal bestellt werden, als dies bei Anwendung der Brandrodung möglich war. Ein Teil der Bevölkerung konnte sich daher jetzt mehr als früher dem Handwerk widmen. Der gesteigerte Getreideanbau, welcher am Ende der römischen Kaiserzeit besonders intensiv war, führte zu der Forderung nach besseren Geräten zum Mahlen des Getreides. An die Stelle der bisher allgemein benutzten flachen Reibmühle, bei der der Läufer mit der Hand hin- und hergeschoben wurde, trat jetzt eine neue Einrichtung, die Handdrehmühle, welche auch schon den Kelten bekannt gewesen war. Wenn es auch ziemlich wahrscheinlich ist, daß in manchen Gegenden jetzt die reine Wechselwirtschaft Eingang fand, so weisen gewisse Fakten darauf hin, daß diese Änderungen keinen Massencharakter annahmen, das heißt sich nicht über ganz Polen ausdehnten. Möglich ist es übrigens, daß es in einzelnen Gebieten Zonen gab, wo verschiedene Systeme der Bodennutzung nebeneinander zur Anwendung kamen. Wir müssen im Auge behalten, daß das Abbrennen des Bodens auch in der Zeit noch angewandt wurde, da die reine Ackerbautechnik und die ständige Nutzung der Felder vorherrschten, was späteren ethnographischen Angaben zu entnehmen ist. Dies war eine Form der Düngung und zugleich der Reinigung der Felder von Unkraut. Man darf aber solche Maßnahmen nicht mit dem Brandrodungsfeldbau gleichsetzen. Auf die Anwendung des letzteren weist die Analyse der Siedlungsreste hin. In manchen Siedlungen, die bei uns erst nach dem letzten Krieg in größerem Umfang untersucht wurden, wie etwa in Slopanowo, Kr. Szamotuly, gelang es, eine mehrfache Bebauung desselben Ortes festzustellen, jedoch wurden die Häuser jedesmal anders aufgestellt. Jene Reste kann man nicht als Überbleibsel 161
von neuen Behausungen ansehen, die unmittelbar nach der Vernichtung der alten errichtet wurden. Einzig richtig ist die Annahme, daß die alten Gebäude nach dem Verlassen der Siedlung, indem die Bevölkerung an einen anderen Wohnort zog, der Zerstörung anheimfielen und erst nach mehrjähriger Abwesenheit, wenn sie an den alten Wohnort zurückkehrte, wieder aufgebaut wurden. Diese Art der Verlegung der Wohnsitze ist für die Zeitabschnitte kennzeichnend, in welchen die Brandrodung allgemein Verwendung fand und keine Burgen gebaut wurden. Auf diese indirekte Weise erfahren wir also, daß der Brandrodungsfeldbau noch in der römischen Kaiserzeit in breitem Maße angewendet wurde — wahrscheinlich noch in viel größerem Maße als der reine Ackerbau. Nichtsdestoweniger traten auch hierin Änderungen ein, welche mit der Benutzung verschiedener Geräte mit Vieh Vorspann zusammenhingen. Eine weit geringere Bedeutung hatten dagegen jetzt Fischfang, Jagd und Sammeln, während die Bienenzucht sicher belegt werden kann. Ein Fortschritt läßt sich auch darin beobachten, daß sich bestimmte Tätigkeiten von der reinen Bodenwirtschaft trennten. Insbesondere kam es zu einer beträchtlicheren Aussonderung verschiedener Handwerke. An die erste Stelle traten hierbei die Metallgewinnung sowie das Schmiedehandwerk. Das letzte Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und das erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung brachten eine Umwälzung in der Fähigkeit zur massenhaften Verarbeitung der Eisenerze durch die autochthone Bevölkerung auf polnischem Boden, was sowohl die Rasenerze (Limonit) wie auch die Hämatite, welche unter anderem in Rudki, Kr. Kielce, bergmännisch gewonnen wurden, betraf. Die nach dem letzten Kriege in Polen intensiv durchgeführten Untersuchungen haben bewiesen, daß es außer kleinen, über das ganze Land verstreuten Hüttenwerken in manchen Regionen wahre Hüttenzentren gab, in denen das Eisenerz in großem Maßstab verhüttet wurde. Zu den am besten erforschten gehören die der Wojewodschaften Kielce und Warszawa und Schlesiens. Im Rayon des Swi^tokrzyskie-Gebirges (Abb. 109) konnte man zwei Gebiete ausfindig machen, in welchen vom 1. J h . v. u. Z. bis in das frühe Mittelalter hinein Eisen gewonnen wurde. Wie sich bisher ergeben hat, geschah die intensivste Ausbeutung der Eisenhütten wohl im 3. und 4. J h . u. Z. — zu der Zeit also, da sich auch die Landwirtschaft und einige Handwerksarten, vor allem die Töpferei, sehr deutlich entwickelten. Auf diese Zeit entfielen auch die tiefgreifenden Wandlungen, welche sich damals auf polnischem Boden vollzogen. Das erste der obengenannten Gebiete umfaßt eine Fläche von 500 km 2 , das zweite ist ca. 300 km 2 groß. In den Jahren von 1955 bis 1966 wurden hier 95 Gruppen von Ofenanlagen freigelegt (Abb. 110), die die Reste von annähernd 4000 Eisenschmelzöfen enthalten. Es waren Öfen von verschiedener, im allgemeinen sehr primitiver Konstruktion. Ein großer Teil hatte oberirdische Aufbauten. Es wurden aber auch solche entdeckt, die nur einfach aus einer im Sand ausgehobenen Grube bestanden. In manchen Fällen wurde in den Resten des Oberbaus der Öfen eine Öffnung gefunden, durch welche mit Hilfe einer speziellen Düse Luft zugeführt wurde. Anderenorts grub man die Reste von Meilern aus, in welchen die beim
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Abb. 109
Karte der Mittelpunkte der Eisengewinnung im R a y o n des ÖwietokrzyskieGebirges
Schmelzen des Eisens nötige Holzkohle erzeugt wurde. Die Öfen dienten nur zum einmaligen Schmelzen. Nach dem heutigen Forschungsstand produzierten die rund 300000 Schmelzöfen, die in dieser Periode im ganzen Gebiet des Swi§tokrzyskie-Gebirges tätig waren, fast 4000 Tonnen Roheisen. Die Hämatitgrube in Rudki, Kr. Opatöw, bestand aus einem 30 m tiefen und ca. 1 1 0 x 175 m großen Schacht, von dem die mit Grubenstempeln abgestützten Strecken abzweigten. Eine große Zahl jener Eisenschmelzöfen entdeckte man auch bei Tarchalice und Groszowice in Schlesien. In Tarchalice dürften es einst einige Tausende gewesen sein; untersucht wurden knapp 50. Sie wurden höchstens zweimal benutzt. Aus einer Beschickung konnten 20 kg Roheisen, hieraus dann wieder 5 kg Schmiedeeisen gewonnen werden. Mit der Eisengewinnung befaßten sich wahrscheinlich die gleichen Spezialisten, die auch das Schmieden besorgten. Möglicherweise war mit dem Schmiedehandwerk auch die Goldschmiedekunst verbunden. Aus Eisen wurden Arbeitsgeräte, Waffen und in der Spätlatenezeit auch verschiedene Arten von Schmuck gefertigt (Abb. 1 1 1 ) . Auf dem Gebiet der Waffenherstellung lassen sich in den einzelnen Phasen Neuerungen verfolgen,
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welche in gewissem Grade äußeren Impulsen zu verdanken waren. So wurden in der Spätlatenezeit unter dem Einfluß der Kelten lange Schwerter erzeugt (Abb. 1 1 2 ) , während am A n f a n g der römischen Kaiserzeit der gladius, ein Kurzschwert, a u f k a m ; jedoch machte dieser schon in der zweiten S t u f e wieder längeren Formen Platz. Ähnliche Änderungen lassen sich auch in den Formen der Lanzenspitzen und Schildbeschläge verfolgen. A m E n d e der zweiten Stufe der römischen Kaiserzeit (in der zweiten H ä l f t e des 3. und 4. J h . u. Z.), und zwar infolge von
Abb. 1 1 0
Rudki bei Xowa Slupia, Kr. Kielce. Klötze aus Eisenschlacke
Impulsen der Goten am Schwarzen Meer und wohl auch indirekter sarmatischer Einflüsse, erzeugten die Stämme der Przeworskgruppe Lanzenspitzen mit Punzverzierung und Silberinkrustation, welche Swastiken, Triquetren, Kreise, konzentrische Kreise, Halbkreise sowie vereinzelt auch Runen aufwiesen (Fundort: R o z w a d ö w , K r . Tarnobrzeg); letztere stellen die ersten Spuren der S c h r i f t auf polnischem Boden dar. Die erwähnten Zeichen symbolisierten vermutlich die Sonne, den Halbmond und den Blitz; sie hatten zweifellos magischen Charakter. Schwerter und Lanzen mit solchen Spitzen haben sicherlich nur die Stammesältesten benutzt. Bei den Schmuckstücken zeichneten sich besonders die S t ä m m e der Oksywiegruppe durch Originalität aus. Der Schmuck wurde überwiegend aus Bronze, seltener aus anderen Metallen wie Silber und Gold hergestellt. A u s Bronze verfertigte man auch Sporen sowie in den jüngeren Jahrhunderten der römischen
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Kaiserzeit verziertes Pferdegeschirr. E s sei noch erwähnt, daß die Reiterei bei der auf polnischem Boden lebenden Bevölkerung kein großes Ansehen besaß; es ist sehr wahrscheinlich, daß nur die Mannschaftsführer Pferde benutzten. Die Hauptstreitmacht bildete stets das Fußvolk. Auf dem Gebiet der Goldschmiedearbeiten läßt sich erst in der letzten Stufe der römischen Kaiserzeit bei der
Abb. 1 1 1
Verschiedene Erzeugnisse ans Eisen und aus Bronze, Przeworskgruppe, Schlesien, Spätlatenezeit
Przeworskgruppe ein gewisser Aufschwung beobachten. Aus dem 4. und 5. J h . stammen beispielsweise die schönen Fibeln aus Gold oder Silber mit reich ornamentierter Granulierung des Kopfes und doppelter oder dreifacher Fibelrolle (Abb. 1 1 3 ) ; man fand solche Exemplare unter anderem in Wroclaw-Zakrzow (früher Sackrau) und Szczytno, K r . Wloclawek. Die Entwicklung dieses Produktionszweiges war durch die allgemeinen Wandlungen bedingt, welche innerhalb 165
I
Abb. 1 1 2
Schwerter und Schwertscheiden aus Pommern und Großpolen. Spätlatenezeit
dieser Gruppe eintraten. Nicht ausgeschlossen ist, daß am Ende der römischen Kaiserzeit hier besondere Handwerker, nämlich fahrende Goldschmiede, wirkten. Sowohl die oben erwähnten Fundstücke als auch andere Schmucksachen aus Gold und Silber könnten ihr Werk gewesen sein. Für die älteren Phasen der Brandgrubenkultur sind die handgemachten Gefäße typisch (Tai. 10; Abb. 114). Nach dieser Herstellungsart arbeitet man während der ganzen Dauer dieser Periode in der Oksywiegruppe. Im 3. Jh. 166
Abb. 1 1 4
Wilanów (Warszawa). Tongefäße aus der Spâtlatènezeit
aber kam es im Süden Polens, in Schlesien und Kleinpolen, vielleicht auch in Teilen Mittelpolens zur Herausbildung des Töpferhandwerks (Abb. 1 1 5 ; 116), wobei die Töpferscheibe und zum Brennen der Gefäße der Zweikammerofen benutzt wurden. Aufgrund der in den betreffenden Werkstätten hergestellten Gefäßformen muß angenommen werden, daß dieser Prozeß infolge äußerer Einwirkungen aus Pannonien und den römischen Provinzen am Schwarzen Meer
Abb. 1 1 5
Igolomia, Kr. Proszowice. Zweikammer-Töpferofen
eintrat. Bisher entdeckte man in der Umgebung von Krakow einige Dutzend solcher Öfen; in Tropiszow, K r . Proszowice, enthielt einer von ihnen die gesamte, nicht entfernte Füllung: 92 Gefäße. Höchtwahrscheinlich wurde die Siedlung, in der er einst stand, wegen einer plötzlich drohenden Gefahr panikartig verlassen, vielleicht im Zusammenhang mit dem Hunneneinfall in der ersten Hälfte des 5. J h . Früher behauptete man, daß mindestens bis zu dieser Zeit die Werkstätten in Betrieb gewesen sein müßten. Neue Ausgrabungen beweisen aber, daß ein Teil von ihnen länger tätig gewesen sein müßte. Das größte Zentrum dieser Art wurde jedoch in Igolomia, K r . Proszowice, entdeckt. Wir wissen leider nicht, ob die hier freigelegten Werkstätten nach römischem Vorbild organisiert waren. Sehr wahrscheinlich ist es indessen, daß ihre Inbetriebnahme unter aktiver Teilnahme der Stammesältesten stattfand. Auf deren Anregung ist auch die An168
Werbung von Steinmetzen zurückzuführen, welche Mahlsteine für die Handdrehmühlen anfertigten. Die sich schnell aus der Gemeinschaft herauslösende Oberschicht des Stammes war an solchen Änderungen stark interessiert; die Allgemeinheit jedoch sah ihnen anfänglich wohl ungern entgegen, führten sie doch unvermeidlich zur Auflösung der alten Gesellschaftsformen. Auffallend ist die Tatsache, daß der Gebrauch von Drehscheibengefäßen trotz ihrer massenhaften Erzeugung einen gewissermaßen exklusiven Charakter hatte: Sie reichten nicht zur Befriedigung der Bedürfnisse der ganzen damaligen Bevölkerung. Neben
Abb. 116
Igolomia, Kr. Proszowice. Keramikfunde aus Töpferofen
den in den Werkstätten auf Töpferscheiben gedrehten Gefäßen wurden daher weiterhin, und zwar überwiegend, die mit der Hand im Haushalt geformten Gefäße benutzt, welche auch noch nach alter A r t gebrannt wurden. Ahnlich wie für frühere Perioden förderte man aus jener Zeit Funde zutage, deren Funktion nicht genau bestimmt werden konnte. Erinnert sei hier nur an die gekrümmten Exponate aus Horn, welche an einem Ende mit durchbohrter Öffnung versehen waren. Analoge Erzeugnisse trifft man in Europa innerhalb vieler archäologischer Kulturen an; sie waren noch im frühen Mittelalter bekannt. Bei uns wurden sie in Mlodzikowo, Kr. Sroda, und Poswigtne, Kr. Plonsk, ausgegraben und irrtümlich für Pfeifen gehalten. Tatsächlich waren es Geräte, die entweder zum Anschnüren von Lasten auf dem Rücken der Tragtiere dienten oder beim Flechten benutzt wurden. Während der römischen Kaiserzeit wurde die Kammschnitzerei zu einem Handwerk, welches am Ende dieser Epoche seine Blüte erlebte. Die Horn ver12
Hensel
arbeitenden Handwerker haben wohl, ähnlich wie es im frühen Mittelalter beobachtet werden kann, auch Schmuck aus Bernstein hergestellt. So hat man beispielsweise in Jacewo, Kr. Inowroclaw, eine Bernsteinperlenwerkstatt und dazu verschiedene Horn- und Knochengegenstände gefunden. Möglich ist es
Abb. 1 1 7
Otalazka, Kr. Gröjec. Teil eines Holzrades mit hoher Felge. Römische Kaiserzeit
auch, daß sich zu jener Zeit die Böttcherei herausbildete, deren Erzeugnisse, Holzeimer mit Metallbeschlägen, vielfach zoomorphe Verzierungen trugen. Die Grabung in Otalqzka, Kr. Gröjec, ergab zum ersten Mal für Polen ein Zeugnis von Stellmacherarbeit (Abb. 1 1 7 ) in der Periode der römischen Kaiserzeit. In der alten Organisation der Produktion entstanden somit bedeutende Risse, die zur Vertiefung der Gegensätze innerhalb der damals bestehenden Gesellschaftsform führen mußten. Sie wurden durch den bestehenden Austausch zwischen den Stämmen und den Fernhandel noch verstärkt. Der wachsende Bedarf an Bernstein und verschiedenen anderen Waren, darunter auch an Sklaven, Tierhäuten 170
sowie möglicherweise auch an Eisen, verursachte den Zustrom verschiedener Importe aus den Provinzen des römischen Imperiums nach Polen. Den Bernsteinhandel bezeugen nicht nur schriftliche Quellen, sondern auch archäologische Funde. So wurden 1906 und 1936 in Wroclaw-Partynice drei große Gruben mit eingelagertem Bernstein freigelegt, welcher insgesamt über 1500 kg wog. Für jene Jahrhunderte war dies ein riesiger Schatz. Irgendwo in der Nähe befand sich wahrscheinlich eine Faktorei, die auf den Bernsteinhandel eingestellt war. Der Bernstein wurde als Rohstoff verkauft, zuweilen wurden aber auch aus ihm in römischen Werkstätten angefertigte Erzeugnisse importiert. Das beweisen Funde aus Kowanowko, Kr. Oborniki, sowie aus Lubowidz, Kr. Lgbork: schöne Spindeln („Zepter"), die vermutlich in Aquileia am Adriatischen Meer erzeugt wurden. Unter den sonstigen römischen Importen finden sich besonders viele Münzen; außer bronzenem Kleingeld sind es vorwiegend silberne, seltener goldene Denare. Sie treten gehäuft an der „Bernsteinstraße" auf, welche von Süden her über die großen römischen Handelsniederlassungen Carnuntum (östlich von Wien, an der Donau) und Vindobona (Wien), dann durch die Mährische Pforte, weiter über Opole — Wroclaw beziehungsweise Klodzko—Wroclaw in Richtung Kalisz—Konin und von hier aus entlang der kuj awischen Seenlinie, darunter auch am Goplo-See vorbei, und am Ufer der Notec nach Inowroclaw, schließlich von dort aus in Richtung zur Weichsel nach Samland führte. Plinius schrieb, daß man die Entfernung von Carnuntum bis zur Ostsee auf 600000 Schritt (ca. 888 km) schätzte. In Kalisz wurden so 2000, in Grodnia, Kr. Sierpc, etwa 6000 Münzen gefunden; am Goplo-See entdeckte man gleichfalls römische Goldmünzen und in Kruszwica einen Schatzfund aus silbernen Denaren. Die ältesten römischen Münzen in Polen stammen vom Ende des 2. J h . und vom Anfang des 1. J h . v. u. Z., die meisten aus dem 2. Jh., insbesondere aus der Zeit des Antonius Pius (138 — 161), seltener aus späterer Zeit (Abb. 118). Letzteres ist jedoch kein Beweis dafür, daß damals der Zustrom römischen Geldes aufhörte. Tatsächlich gelangte eine große Zahl von Denaren aus der Zeit vor 198, dem Jahre, in welchem Kaiser Septimius Severus die Verschlechterung des Münzfußes herbeiführte, erst später nach Polen, was durch ihr Auftreten zusammen mit Münzen aus dem 4. und 5. J h . klar bewiesen wird.. Strittig ist die Frage, inwieweit die römischen Münzen als Umlaufgeld dienten. Die Goldmünzen kamen hierfür keinesfalls in Frage; möglicherweise kann jedoch in beschränktem Umfange denjenigen aus Silber und Bronze eine solche Funktion zugeschrieben werden. Da mit dem größeren Zustrom von Denaren jetzt auch wieder mit der Erzeugung von Silberschmuck begonnen wurde, — seit der Bronzezeit hatte es hier eine größere Unterbrechung gegeben —, kann die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß auch dieser als Zahlungsmittel diente. Von vielen Völkern ist die Praxis bekannt, Metallgeld für die Herstellung verschiedener Gegenstände umzuschmelzen; das hat den Wert des erzeugten Schmucks noch erhöht. Daß die römischen Münzen wirklich dem oben genannten Zweck dienten, scheint auch daraus hervorzugehen, daß in verschiedenen Häusern aus jener Zeit einzelne Bronzemünzen gefunden wurden, die wohl beim Umlauf abhanden gekommen 12*
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waren. Jedoch können sie und ihre Artgenossen nicht das einzige Zahlungsmittel auf polnischem Boden gewesen sein; größere Bedeutung als Zahlungsmittel im Binnenhandel hatten immer noch verschiedene Gegenstände, die, nachdem die römischen Münzen nicht mehr ins Land kamen, dann auch wieder zum einzigen Äquivalent wurden. Die in Polen geborgenen Funde zeugen davon, daß die aus verschiedenen römischen Provinzen stammenden Erzeugnisse (Taf. 1 1 — 1 4 ; Abb. 1 1 9 — 122), und zwar sowohl jene aus den südlichen (Taf. 1 1 ; 1 3 ; Abb. 121), wie aus den
Abb. 1 1 8
Goldene Münzanhänger von Constans I., Constantius II. und Goldmünzen (solidi) von Valentinianus, Gratianus und Theodosius, aus Polen
westlichen (Abb. 120) und den südöstlichen Gebieten am Schwarzen Meer (Taf. 1 4 ; Abb. 119) vermutlich auf indirektem Wege hier anlangten. Aus den zuletzt genannten Provinzen führte wahrscheinlich der Handelsweg am Dnestr entlang. Die Kontakte wurden jedoch nicht nur auf dem Land-, sondern auch auf dem Seeweg unterhalten. Dies beweisen jene Importe, die sich in der Gegend der Odermündung häufen. Auf dem Seewege gelangten viele Stücke aus dem Rheinland, wo im 2. Jh. eines der größten Produktionszentren des römischen Imperiums 172
entstand, nach Polen; aus den Werkstätten dieser Gegend stammte ein Teil der in Polen gefundenen Glasarbeiten, auch wohl sicherlich die in Leznica Wielka, Kr. JLgczyca, gefundenen Glasperlen mit Gesichtsdarstellungen. Die in letzter Zeit begonnenen umfangreichen Forschungen in den Schwarzmeergebieten sowie den donauländischen Provinzen werden vermutlich die Verifikation bisheriger Ansichten zur Herkunft einiger römischer Importe erlauben. Es wird jetzt auf die Tatsache hingewiesen, daß im pannonischen Aquincum, dem heutigen Budapest, keramische Werkstätten bestanden, in denen die rheinländische Terra sigillata nachgeahmt wurde. In den pontischen Werkstätten dagegen hat man, wie es scheint, die schräg geriefelten Bronzekessel hergestellt. Diese Erzeugnisse gelangten somit nicht aus dem Westen, sondern von dort her zu uns.
Abb. 120
Lesno, Kr. Chojnice. Tonschüssel, Terra sigillata, mit dem Stempel SECUNDIN.AVI aus der Werkstatt Comitialis I. in Rheinzabern. Import über Aquincum (?), ca. 175 bis 200 u. Z.
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Abt). 121
Wroclaw-Zakrzöw Italien, ca. 1. Jh.
(früher
Sackrau).
Bronzeklappgestell.
Import
aus
Wenn wir über die Bedeutung des Handelsaustausches mit dem römischen Imperium sprechen, müssen verschiedene Aspekte Berücksichtigung finden. Die Handelsbilanz muß anfänglich negativ gewesen sein; wir finden nämlich am häufigsten Luxusgegenstände von zweitrangigem Wert, sehr selten aber Geräte und Waffen. So sind beispielsweise nur sehr wenige Exemplare römischer Schwerter bekannt. Man bezahlte jene Gegenstände weit über ihren tatsächlichen Wert; jedoch bestand ein Positivum darin, daß man sich mit verschiedenen i/4
technischen Errungenschaften sowie einer anderen gesellschaftlichen Organisation bekannt machte. Das führte schließlich dazu, daß in den ersten Jahrhunderten unserer Periode fremde Handwerker nach Polen kamen oder fortschrittlichere Produktionsverfahren übernommen wurden. So erfolgte im 3. und 4. J h . ein erheblicher Fortschritt der polnischen Gebiete — ein Fortschritt, der von entscheidender Bedeutung für die ganze spätere Entwicklung war. Auf polnischem Boden wurden jedoch nicht nur Importe aus den römischen Provinzen, sondern auch aus anderen Ländern, so aus Skandinavien, gefunden,
Abb. 122 Lubowidz, Kr. Lebork. Perlen aus Glas und Bernstein
von wo germanische Bevölkerungsgruppen in unser Gebiet einwanderten. Möglicherweise haben wir den Beziehungen mit ihnen manche Bautypen zu verdanken, welche man im Laufe der letzten Untersuchungen, etwa in Wölka Lasiecka, Kr. towicz, angetroffen hat. Das Siedlungsbild jener Jahre beherrschte die offene oder nur wenig befestigte Anlage. Sie war in der Regel klein und wurde nur von einigen Dutzend Menschen bewohnt. Siedlungen mit mehr als 100 Bewohnern, wie beispielsweise diejenige in dem eben genannten Wölka Lasiecka aus dem 3. und 4. J h . , gehörten zu den Seltenheiten. Ihr bisher untersuchter Teil umfaßte zehn ebenerdige Häuser, fünf Wohngruben, ein großes Bauwerk, einige Dutzend Herde im Freien, von denen einige sich am Rande der Siedlung befanden, sowie viele Gruben, deren Funktion nicht näher bestimmt werden konnte. Das große Bauwerk in einer Abmessung 175
von 16,20 X 8,50 m war eine Pfostenkonstruktion (Abb. 123), die an germanische Formen erinnert; sie wies zwei Herde auf. Die in seiner Nähe geborgenen Fundstücke erlauben keine eindeutige Bestimmung seiner Funktion. Aus seiner Lage kann eventuell erschlossen werden, daß es entweder das Haus des Stammeshäuptlings, ein Gemeinschaftshaus oder auch ein kultischen Zwecken dienendes Gebäude war. Die Größe der übrigen Bauten schwankte zwischen 3,20 X 3,20 m und 5,00 x 4,25 m. In einer Wohngrube bestand der Fußboden aus mehreren Steinschichten; möglicherweise diente sie einst als Badehaus.
Abb. 123
Wólka Lasiecka, Kr. towicz. Grundriß eines großen Pfostenhauses
A n Orten, wo die Fäden des Fernhandels zusammenliefen, entstanden vermutlich größere Siedlungen, die aber ihren dörflichen Charakter nicht einbüßten. A l s Beispiel kann Kalisz dienen, für dessen Bedeutung die Lage inmitten einiger anderer Dörfer entscheidend war (Abb. 124). Man nimmt wohl zu recht an, daß wir hier eine damalige Faktorei vor uns haben. E s ist ziemlich sicher, daß die Siedlungen ihre eigenen Namen hatten, welche oft von den charakteristischen Merkmalen des Bodens, auf dem sie emporwuchsen, abgeleitet waren. Mit Ausnahme von Kalisz hat uns Ptolemäus diese Namen in einer von seinen Informanten so verunstalteten Form überliefert, daß wir nicht imstande sind, ihre ursprüngliche Gestalt zu rekonstruieren. Die Handschriften, welche noch heute von seiner „Geographia" existieren, erlauben auch keine sichere Antwort auf andere Fragen, etwa auf die, ob ,,Kalisia" zur zweiten oder zur dritten Kategorie der von ihm erwähnten Orte gehörte. Ebenso unmöglich ist es, solche Siedlungen wie ,,Setidava" oder „ A s k a u k a l i s " eindeutig zu lokalisieren, weshalb wir auch nicht zu der Frage Stellung nehmen können, ob die von ihm erwähnten Orte bei der Benutzung von Pferden eine Tagesreise voneinander entfernt waren, so daß die nach Norden ziehenden Karawanen an ihnen Rast halten konnten; was der N a t u r der Sache nach zu ihrer Umwandlung in Handelsniederlassungen führen mußte und damit die Voraussetzungen für die Entstehung von Städten schuf. 176
Abb. 124
Karte der Fundplätze aus der römischen Kaiserzeit (1.—5. Jh.) in der Umgebung von Kalisz. 1. Siedlung, 2. Gräberfeld, 3. Schatzfund, 4. unbestimmt
Der wichtigste Baustoff, aus dem die Häuser errichtet wurden, war das Holz. Viele Behausungen hatten mit Lehm beworfene Wände aus Flechtwerk und die Wohnräume wahrscheinlich geweißte Wände, da Gruben zum Kalklöschen gefunden wurden. Kalk verwendete man wohl auch zur Vernichtung der Insekten (worauf die geweißten Wände ebenfalls hindeuten) und in der Gerberei. Wir verfügen nur über wenige Fundstücke, welche uns einen Einblick in die Kunst der Bevölkerung der römischen Kaiserzeit erlauben. Holzgegenstände haben sich selten bis auf unsere Tage erhalten. Auch wissen wir nicht, ob die Werke des römischen Kunsthandwerks in den polnischen Gebieten auf die künstlerischen Fähigkeiten der Produzenten in größerem Maße eingewirkt haben. Auf die Rezeption gewisser Ideen kann man aus manchen Verzierungen, welche damals in Gebrauch waren, schließen; sie hauptsächlich verraten uns die Richtungen der künstlerischen Tätigkeit. Bei der Przeworskgruppe wurden außer geometrischen Ornamenten, darunter dem Mäander, zu Beginn unserer Zeit177
rechnung Hakenkreuze, Grätenmuster, Gabelzeichen und ineinandergeschobene Winkel auf der Keramik und den Metallgegenständen angebracht. Aus Ton fertigte man Vogelfiguren und Trinkhörner. Vereinzelt begegnen auch eingeritzte Figuren wie auf einem aus dem letzten Jahrhundert v. u. Z. stammenden Tongefäß, das bei Zadowice, Kr. Kalisz, gefunden wurde; es zeigt in einem Mäander ein Tierpaar, vielleicht Hirschkühe, in heraldischer Form. Eine Urne des 3. J h . u. Z. aus Biala, K r . Lodz, die die Gebeine einer Frau enthält, trägt eine bildliche Darstellung, welche bis heute nicht enträtselt werden konnte (Abb. 125). Außer auf Pferden stehenden anthropomorphen Gestalten sind hier Hirsche und ver-
m*
Abb. 125
178
**
II
M
Biala, Kr. Lödz. Urne aus einem Frauengrab der Przeworskgruppe mit Darstellungen, u. a. einer Göttin (?), 3. Jh. u. Z.
schiedene symbolische Zeichen, darunter wohl auch das des Todes, zu sehen. Der Hirsch spielte seinerzeit in der Vorstellungswelt verschiedener primitiver Völker eine nicht geringe Rolle; ich will hier nur anführen, daß dies auch bei einigen slawischen Gruppen der Fall war: Wir begegnen dem Hirsch mit goldenem Geweih im Hochzeitsritus sowie auch im Fruchtbarkeitskult. Unter den anthropomorphen Gestalten zeichnet sich in der Darstellungsweise jene neben einem Pferd stehende Gestalt aus: Möglicherweise ist hier eine Göttin dargestellt, von deren Bedeutung die große Zahl ihrer Finger zeugt. E s fällt vorläufig noch schwer, diese Zeichnungen mit denen der Gesichtsurnen- und der Lausitzer Kultur in einen genetischen Zusammenhang zu bringen. Jedenfalls ist beachtenswert, daß wir bei all diesen. Gruppen analoge Vorstellungen finden, welche von ähnlichen Merkmalen des Kults und der magischen Handlungen zeugen. In den späteren Jahrhunderten wurde die Verzierung der Gefäße ärmlicher; jetzt herrschten die geometrischen Ornamente vor. Die auf der Töpferscheibe gedrehten Gefäße wurden gern mit gitterartigen Mustern oder Wellenlinien versehen. In der Oksywiegruppe, deren Keramik aus den jüngeren Phasen noch wenig erforscht ist, überwogen ebenfalls die von früher her bekannten geometrischen Motive. Außer den ineinandergeschobenen Winkeln finden sich hier vornehmlich reiche schachbrettartige Verzierungen, Mäander, Winkelornamente und stilisierte S-Formen. Eine Ausnahme bildet die plastische Verzierung, welche, verbunden mit Zeichnungen, auf einem Gefäß aus Gol^biewo, Kr. Gdansk, zu sehen ist, das zu Beginn unserer Zeitrechnung angefertigt wurde. Wir sehen hier unter anderem einen Hirsch, ein Rind und eine Spirale (Schlange?) (Abb. 126). Aufgrund des spärlichen Materials kann nur hypothetisch gesagt werden, daß die religiösen Vorstellungen dieser Zeit im allgemeinen an die früher herrschenden erinnern. Vergleichende Angaben lassen vermuten, daß man Götterbilder wohl ausschließlich aus Holz schnitzte, obwohl nach keltischem Beispiel auch Steinfiguren verehrt wurden. Wir wissen nichts darüber, in welchem Grade Einflüsse aus den römischen Provinzen auf die Entwicklung der lokalen heidnischen Religion eingewirkt haben. Die Ähnlichkeit der Kennzeichen des heidnischen Kults im antiken Rom mit demjenigen bei den Slawen weist aber hierauf hin, obwohl bei den eben Genannten die analogen Kennzeichen primitivere Formen als in Rom und seinen Provinzen angenommen haben. Als Beispiel hierfür sei angeführt, daß im römischen Pannonien nicht nur Jupiter, Juno und Minerva ihre Tempel hatten, nicht nur Mars und Äskulap, sondern auch die aus dem Orient übernommenen Götter Mithras, Isis und Osiris verehrt wurden. Nach der Eroberung von Palästina im Jahre 70 u. Z. kamen noch die Symbole der jüdischen Religion hinzu, deren Bekenner sich in Pannonien als Kaufleute und Handwerker ansiedelten. Unter diesen Voraussetzungen wissen wir nicht, wie die vereinzelt gefundenen Figuren der Götter des römischen Pantheons zu interpretieren sind. Es kommen hier viele Möglichkeiten in Betracht': Sie könnten römischen Kaufleuten oder auch Kriegsveteranen beziehungsweise Sklaven gehört haben, welche
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nach Jahren, und nun schon latinisiert, zu ihren heimischen Stämmen zurückkehrten. E s ist ferner nicht von der Hand zu weisen, daß man sich in der Gestalt der römischen Götter die eigenen vorstellte, oder auch, daß gewisse örtliche Oberschichten mit solchen Figuren ihr lokales „ P a n t h e o n " zu bereichern suchten. Jedenfalls ist es nicht ausgeschlossen, daß die der auf polnischem Boden ansässigen Bevölkerung auf irgendeine Weise übermittelten Vorstellungen die Entwicklung ihrer eigenen religiösen Anschauung beeinflussen konnten. Ziemlich wahrscheinlich ist gleichfalls, daß von jener Bevölkerung römische Symbole übernommen wurden und diese in dem neuen Milieu eine ähnliche Funktion wie in der
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Golebiewo Wielkie, Kr. Gdarisk. Tongefäß mit plastischer Verzierung vom Anfang der römischen Kaiserzeit, Oksywiegruppe
römischen W e l t erfüllten. Hierzu gehörten die Darstellungen des Phallus, welche in einigen Exemplaren unter den römischen Importen auftreten. Mit der Magie der Fruchtbarkeit hingen wohl auch die Anhängsel aus Kaurimuscheln bei der Oksywiegruppe zusammen. W i e aus unseren eben getroffenen Ausführungen folgt, spielten der Phalluskult und die mit ihm verbundene Magie der Zeugungskraft bei der hier behandelten Bevölkerung eine große Rolle. Ähnlich könnte es mit den Lunulen gewesen sein, die in der Antike ein Attribut des Matronenkults waren. Bei den Urslawen waren sie zweifellos mit der „weiblichen" Seite des Fruchtbarkeitskults verk n ü p f t . V o n nicht geringer Bedeutung war nach wie vor der Sonnenkult. Für apotropäische Zwecke wurden Rasseln verwendet. Nicht geklärt ist, warum man Hunde bestattete, wofür Beispiele aus einigen Ortschaften in Mittelpolen (L^czycaDzierzbi^töw) und Kujawien (Strzelce, K r . Mogilno) vorliegen. Die dort freigelegten Tiergräber stammen aus dem Ende der Latenezeit; sie lagen innerhalb der Siedlungen und wiesen teilweise Tongefäße als Beigaben auf. Der in LgczycaDzierzbi§tow begrabene Hund war von der Größe eines Dobermanns; die Analyse seiner Knochen ergab, daß einer seiner Füße gebrochen und von selbst wieder geheilt war — das Tier muß also gehinkt haben. Die Schwierigkeiten bei der K l ä r u n g der Ursachen solcher Bestattungen ergeben sich daraus, daß sie so
selten auftreten. Wir können vermuten, aber noch nicht fest behaupten, daß hier ein Relikt totemistischen Aberglaubens vorliegt. Angeblich soll ein analoges B r a u c h t u m auch in K u j a w i e n beobachtet worden sein; jedoch muß dies noch überprüft werden. Ob sich in Otal^zka, K r . Gröjec (Abb. 127) ein heidnisches Kultzentrum befand, müssen weitere Ausgrabungsergebnisse erweisen; sie werden uns gewiß Aufschlüsse in dieser höchst interessanten und beachtenswerten Angelegenheit geben.
Abb. 127
Otalqzka, Kr. Gröjec. Die Reste eines Kultgebäudes (?). Römische Kaiserzeit
Als Bestattungsweise überwog die Leichenverbrennung. Seit der späten Latenezeit traten jedoch auch Skelettbestattungen auf, vermutlich als Reste keltischen Einflusses. In der römischen Kaiserzeit war die Bestattung unverbrannter Leichen weniger eine Folge der unterschiedlichen ethnischen A b s t a m m u n g der Menschen, sondern hing anfänglich mit der fortschreitenden gesellschaftlichen Differenzierung, später mit den zunehmenden Änderungen in der Ideologie
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zusammen. Etwas andere Verhältnisse herrschten in dieser Beziehung in Pommern. Bereits oben habe ich darauf hingewiesen, daß nur einige Gräber ethnische Merkmale trugen. Brandgräber oder Urnengräber dominierten. Die Vertreter der Oberschicht wurden in großen Hügelgräbern bestattet; diese wiesen zuweilen eine Leichenbrandschicht vom Siedlemintyp auf. Die Ausstattung der Gräber spiegelt den unterschiedlichen Reichtum der Verstorbenen wider. Die Gräber der in der gesellschaftlichen Hierarchie höhergestellten Personen zeichneten sich durch die Ausstattung mit einer größeren Zahl von Importen aus den römischen Provinzen aus; Beispiele hierfür liefern die seit dem l . J h . u . Z . aus Schlesien, Großpolen, Mittelpolen und Pommern bekannten Fürstengräber. Die größten Unterschiede in der Ausstattung sind dann vom 4. J h . an sichtbar. Die in Wroclaw-Zakrzöw freigelegten drei Gräber sind eine gute Illustration für das eben Gesagte. Eines von ihnen ist eine Doppelbestattung eines Mannes und einer Frau; in den beiden anderen wurden Skelette von Frauen entdeckt. Als Beigaben fanden sich auf der Töpferscheibe gedrehte Keramik, Reste von Schmuckkästchen mit Bronze- und Eisenbeschlägen (eines davon wies in die Wände eingelassene Goldund Silbermünzen auf), das Fragment eines gedrehten Holzgefäßes, ein Eimer aus Eibenholz, goldene und silberne Fibeln, goldene Anhänger, silberne Schnallen, goldene Armbänder, Halsbänder, Fingerringe sowie Eimerberlocken, ein silbernes Rasiermesser, ein Hornkamm, eine Schere und ein Löffel aus Bronze; weiter Reste von Wollgeweben, Perlen aus Glas und Bernstein, Glasgefäße, die zum Teil aus Millefioriglas gefertigt waren, welches man damals aus dem Rheinland importierte, Bronzegefäße, ein mit Figuren und Männerköpfen verziertes Klapptischchen aus Bronze (Abb. 121) und gläserne Spielsteine. Der Unterschied in der Ausstattung der Gräber der Przeworsk- und der Oksywiegruppe kam seit dem Beginn unserer Zeitrechnungen darin zum Ausdruck, daß die Angehörigen der letzteren ihren Toten keine Waffen mitgaben; das einzige, was sich in dieser Hinsicht manchmal findet, sind Sporen. Bereits bei den Skelettgräbern war es klar, daß, wenn man einen Stammesältesten begrub, dabei manchmal eine seiner Frauen oder eine Sklavin getötet wurde. Neuere Untersuchungen der durchglühten Knochen aus Brandgrubengräbern haben bewiesen, daß dieser Brauch damals ziemlich verbreitet war, obwohl er nicht bei der Bestattung sämtlicher Männer vorkam. Es finden sich weiter Beweise einer gleichzeitigen Bestattung von Frauen und Kindern sowie seltener auch von Männern und Kindern. Manche Fundplätze, wie der von Wesolki, Kr. Kalisz, weisen eine auffallend hohe Zahl von Frauen auf, welche im Alter zwischen 21 und 40 Jahren gestorben sind; sie ist mit der Zahl der bestatteten Männer dieser Altersklasse fast identisch. Auch in der Altersklasse zwischen 14 und 20 Jahren gleichen sich die Zahlen. Im Alter von 41 bis 60 Jahren Verstorbene sind hier überhaupt nur mit 1 0 % vertreten. Wegen der bisher erst selten durchgeführten anthropologischen Analysen des hier behandelten Typs muß man vorläufig von Verallgemeinerungen absehen. Es ist übrigens möglich, daß ein Teil derjenigen weiblichen Toten, für die ein Alter bis zu 14 Jahren angenommen wird, doch bereits etwas älter war. Diese Vermutung vorausgesetzt, müßte es in der römischen Kaiserzeit zu einer gewissen
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biologischen Kräftigung der Bevölkerung, insbesondere in den reicheren Gegenden, gekommen sein, was jedoch aus verständlichen Gründen der mit den Niederkünften zusammenhängenden größeren Sterblichkeit der Frauen im Alter von 15 bis zu 20 Jahren nicht vorbeugen konnte. Die Änderungen, welche in den verschiedenen Lebensbereichen der damals auf polnischem Boden siedelnden Bevölkerung in der römischen Periode eintraten, mußten zwangsläufig zur Entstehung neuer Gesellschaftsformen führen. Die auf der Verwandtschaft beruhende Sippen- und Stammesgemeinschaft wurde nunmehr in steigendem Maße zu einer bloßen Fiktion, insbesondere als die in den verschiedenen Kriegszügen bewährten Gefolgschaften an Bedeutung gewannen. Das Gemeineigentum an Grund und Boden begann zu verfallen, und es entwickelte sich ein Sondereigentum. Der Boden gehörte zwar noch der Gemeinschaft, jedoch hatte diese jetzt einen anderen Charakter angenommen: Sie bildete sich um zur territorialen Gemeinschaft. In den wirtschaftlich höher entwickelten Ländern entstanden bereits Keime einer staatlichen Organisation. An deren Spitze traten die „Fürsten", und aus der Masse der freien Bevölkerung sonderte sich der Adel heraus. Die Kriege hatten einen Zustrom von Sklaven und Hörigen im Gefolge, welche jetzt oft außerhalb der Landwirtschaft beschäftigt wurden. Die römische Kaiserzeit war aber nicht nur eine Periode der gesellschaftlichen Gärung und mit ihr zusammenhängender Wandlungen in der Gesellschaftsstruktur der Stämme, sondern auch eine Zeit verschiedener ethnischer Verschiebungen und Kämpfe. Auch sie beschleunigten den Zerfall der alten Urgemeinschaft. Vom archäologischen Material her am besten erkennbar sind der Aufenthalt und Durchzug der Goten und Gepiden. Neuere Untersuchungen haben manche irrige Anschauung über die Rolle dieser beiden Völker in der Geschichte des polnischen Landes modifiziert. Im 1. und 2. J h . waren Goten und Gepiden weder in Großpolen noch in Pommern ein dominierendes Element; aus ihrer nördlichen Heimat kommend, wohnten sie damals in Gegenden, die von der übrigen Bevölkerung gar nicht oder kaum besiedelt waren. Die Goten wanderten in der zweiten Hälfte des 2. J h . in die Gebiete am Schwarzen Meer ab; die Gepiden zogen um die Mitte des 3. J h . in südöstlicher Richtung weiter. Auffallend ist, daß die Goten erst von ihrer eben genannten neuen Heimat aus auf die polnischen Gebiete stärker einzuwirken begannen. Während der römischen Kaiserzeit hielten sich auf unserem Boden auch Teile anderer germanischer Gruppen, wie die Burgunder und Wandalen (Silingen), auf. Die Aussagen des archäologischen Materials hierzu sind nicht eindeutig zu interpretieren; besonders über die Silingen gibt es heute eine umfangreiche Kontroversliteratur, in welcher sich die Meinungen diametral gegenüberstehen. Sollte die Aüffassung richtig sein, daß sie sich in Schlesien niedergelassen haben, so ist es nicht ausgeschlossen, daß sie hier mit der alten slawischen Bevölkerung zusammen wohnten. Die Verhältnisse lagen somit wohl ähnlich wie bei den Goten in Pommern. Das Ende des 4. J h . brachte ein auch für Polen sehr wichtiges Ereignis, nämlich das Auftreten der Hunnen im Schwarzmeerraum. Dieses Volk hatte damals den
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Don überschritten, um 375 die Goten besiegt und seinen Besitz schnell ausgeweitet. Zu Anfang des 5. J h . erstreckte sich ihre Herrschaft fast über halb Europa; sie reichte vom Kaukasus bis zur Elbe. Erst der Tod König Attilas (453) bereitete dem ausgedehnten Reich dieses schreckenerregenden, sich jedoch schnell zivilisierenden Volkes ein Ende. Der Einfall der Hunnen verschonte auch die polnischen Gebiete nicht; er erfolgte hier von Ungarn her auf demselben Wege, den einst die Skythen genommen hatten. Durch die Mährische Pforte stieß eine hunnische Gruppe nach Schlesien, eine andere in die Gegend von Krakow vor.
Abb. 128
Jakuszowice, Kr. Kazimierza Wielka. Goldbeschlag eines zusammengesetzten Bogens der Hunnen (Symboleines Statthalters) und seine teilweise Rekonstruktion, erste Hälfte des 5. Jh. u. Z.
Diese Einfälle richteten sich, wie gewissen Grab- und einigen Siedlungsfunden zu entnehmen ist, gegen die reichsten Gebiete, in denen es bereits zur Herausbildung frühstaatlicher Formen gekommen war. Die Hunnen erreichten Polen wahrscheinlich erst in der ersten Hälfte des 5. J h . ; sie verursachten eine Regression in der Entwicklung der südlichen Landesteile. Spuren ihres Aufenthaltes finden sich unter anderem in dem reichen Grab aus Jakuszowice, Kr. Kazimierza Wielka, welches goldene Gegenstände und Reste der typisch hunnischen Bewaffnung enthielt, wie Goldbeschläge vom hunnischen Bogen — Symbol des Statthalters (Abb. 128).
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Aufgrund der Tatsache, daß die Hunnen verschiedene andere ethnische Gruppen vor sich herschoben, gelangten die iranischen Alanen nach Polen; ein Grab aus Przem§czany, Kr. Proszowice, enthält die Beweise hierfür. Auch Germanen wurden von dieser Verschiebung erfaßt. Die Funde der nach einem Ort im Kreis Lubliniec benannten Dobrodzien-Gruppe weisen große Unterschiede sowohl in den lokalen wie in den fremden Elementen auf (Taf. 15). Ähnlich war, wie das Gräberfeld von Zerniki Wielkie, Kr. Wroclaw, zeigt, die Lage in der dortigen Gegend; das auf dem genannten Fundplatz geborgene Material bildet den archäologischen Beweis, daß verschiedene ethnische Einheiten unter Führung der Hunnen nach Polen eindrangen. Sie überdauerten hier schließlich bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Obwohl die Herrschaft der Hunnen auf polnischem Boden nur bis zur Mitte des 5. J h . währte, hat sie doch einen sehr großen Einfluß auf die weitere Entwicklung des Landes ausgeübt. Im Süden war er allerdings entschieden negativ. Die Funde aus Tropiszöw beweisen, daß früher florierende Produktionszentren zerstört wurden; im Leben jener Region trat ein Stillstand sowie wahrscheinlich auch eine große Entvölkerung ein. Andere Folgen hatte der Hunneneinfall jedoch in den übrigen Gebieten Polens. Ein Teil der Handwerker übersiedelte vermutlich in die von ihnen nicht besetzten Landstriche, wodurch die dortige Bevölkerung mit neuen technischen Errungenschaften bekannt wurde. Auf diese Weise kam es wahrscheinlich zu einer gewissen Vereinheitlichung des Lebensniveaus in den verschiedenen Regionen Polens. Die genannten Wandlungen hinterließen anfänglich nur geringe Spuren im archäologischen Material. Hierzu hat der Umstand beigetragen, daß durch den Untergang der Hunnen in Europa eine neue Lage entstand; sie beschleunigte das weitere Eindringen der Germanen, was wiederum die Slawen zu einer aktiveren Teilnahme an Wanderungen anregte. Dies mußte sich auf die Bevölkerungsdichte in den Ausgangsgebieten der Slawen und deren wirtschaftliche Aktivität auswirken. Alle diese Ursachen zusammengenommen führten schließlich etwa um die Wende vom 5. zum 6. J h . zur Herausbildung neuer Kulturformen, welche die damals entstehenden gesellschaftlich-wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zum Ausdruck brachten. Die Formation der Urgemeinschaft wurde nunmehr aus der geschichtlichen Arena des polnischen Landes verdrängt, und es begannen sich die Grundlagen einer neuen Gesellschaftsform, des Feudalismus, zu bilden.
13
Hensel
185
XI.
Anfänge und Entwicklungsrichtungen der frühpolnischen Kultur
Wirtschaftliche Grundlagen Die mittelalterlichen Vorstellungen über die wirtschaftlichen Ressourcen Polens werden uns durch verschiedene Quellen übermittelt. So schrieb der arabische Diplomat und Reisende jüdischer Abstammung Ibrahim Ibn Jaqub, welcher um 966 am kaiserlichen Hof verweilte, lakonisch wie folgt: „ W a s nun das Land des Mescheqqo anlangt, so ist es das ausgedehnteste ihrer Länder, und es ist reich an Getreide, Fleisch, Honig und Fischen (oder Ackerland)." Und Gallus Anonymus, der zu Anfang des 12. Jh. die erste polnische Chronik verfaßte, drückte das gleiche mit folgenden Worten aus: „Dies ist ein Land, wo die Luft gesund, der Boden fruchtbar, der Wald reich an Honig, die Gewässer voll von Fischen, die Ritter kriegerisch, die Bauern fleißig, die Pferde ausdauernd, die Ochsen arbeitsfreudig sind und wo die Kühe viel Milch und die Schafe viel Wolle liefern." Vom Wohlstand Polens sprach im 12. Jh. auch der arabische Geograph Al-Idrisi. Diese Schilderungen sind sehr allgemeiner Natur, jedoch lassen sie immerhin die Vorstellungen erkennen, die man im damaligen Europa über Polen hatte. Es muß jedoch bemerkt werden, daß die Naturschätze hier nicht gleichmäßig verteilt waren, weshalb manche Gebiete günstigere, andere geringere Entwicklungsmöglichkeiten besaßen. Zu den in den eben genannten Quellen nicht erwähnten Naturschätzen Polens gehörten zahlreiche Vorkommen von Rasenerz. Im Bergrevier von Swi^ty K r z y z gab es ferner reiche Hämatitlager, welche eine Basis für die Errichtung von Eisenhütten bildeten. Dagegen begann die Ausbeutung von Gold-, Silber- und Bleivorkommen in größerem Umfang erst etwa im 10. Jh. Sehr reich war das Land an Bauholz, in manchen Gegenden auch an Steinen, die zum Errichten von Häusern und für andere Zwecke verwendet werden konnten. Die Flüsse und Seen bargen nicht nur einen Überfluß an Fischen, sondern gewährleisteten auch günstige Verkehrsbedingungen. Für die Entwicklung des Lebens im frühmittelalterlichen Polen war die jeweilige Situation der grundlegenden Produktionszweige entscheidend. Das heute bereits reich vorhandene archäologische Material, welches aus vielen systematisch untersuchten Fundorten stammt, läßt eine fortschreitende Ausbreitung neuer Methoden in Ackerbau und Haustierzucht erkennen — eine Feststellung, welche auch für viele andere slawische „Stämme" gilt, die nicht in unserem Lande 186
siedelten. Treffend erkannte Ibrahim Ibn J a q u b den Zusammenhang von vorhandenem Wohlstand und den vorerwähnten Erwerbszweigen, indem er bemerkte: „Sie (die dortigen Menschen; W. H.) befleißigen sich des Ackerbaus und Unterhaltserwerbs und sind darin allen Völkern des Nordens überlegen." Ein Kennzeichen jener Zeit vom 6. J h . an ist die fortschreitende Ausbreitung des reinen Pflugbaues unter gleichzeitiger ständiger Ausdehnung des bebauten Ackerlandes. Die wachsende Verbreitung verbesserter Ackerbaugeräte, die zunehmende Nutzung weiterer, vordem nicht bearbeiteter Bodenarten und die Verbesserung der Bodenbearbeitungssysteme trugen zur Erzielung höherer Erträge bei. Diese wurden auch durch die Anwendung der irregulären Dreifelderwirtschaft in Verbindung mit einer ständigen Düngung des Bodens ermöglicht, was wiederum die Folge einer rationelleren Auswertung des tierischen Düngers, der Vergrößerung des Tierbestandes sowie verbesserter Tierzuchtmethoden war. In den entwickelten Bauernwirtschaften des 6. bis 10. J h . wurde zweifellos eisenbeschlagenes Ackergerät mit Tiervorspann verwendet. E s handelt sich hierbei meist um Arten mit eisernem Scharfuß beziehungsweise Pfluggeräte mit eiserner Pflugschar (Abb. 129) oder mit Pflugmesser. Zweifelhaft ist dagegen die Verwendung von Wendepflügen, obwohl es durchaus möglich ist, daß diese der frühpolnischen Bevölkerung bereits bekannt waren. Die Eggen waren fast aus-
Abb. 129
Kraköw-Xowa Huta (Mogi!a). Schatzfunde. Eisen. 9./10. Jh. 1S7
schließlich aus Holz, doch waren in Schlesien auch solche mit Eisenzähnen bekannt. Zu Hilfsarbeiten auf dem Felde dienten außerdem Hauen und Spaten, welche auch im Gartenbau benutzt wurden;, im Süden wurden sie verhältnismäßig früh mit Schneiden aus Eisen oder Eisenbeschlägen versehen. Hier kamen auch die entwickelteren Ackergeräte, darunter auch der Pflug, schon früher zur Verwendung als in den übrigen Landesteilen. Der Besitz solcher Geräte dürfte dort auch eher zur Anwendung fortgeschrittener Bodenbearbeitungssysteme geführt haben, wobei vor allem an die Einführung der irregulären Dreifelderwirtschaft neben dem bestehenden Zweifeldersystem zu denken ist. Dieser Entwicklungsprozeß begann sicherlich schon zur Römerzeit; er könnte sehr wohl bereits im frühen Mittelalter die Ursache des wachsenden Wohlstandes gewesen sein. Neben Weizen, Gerste, Hafer und Hirse, die ja, wie wir wissen, bereits seit langem angebaut wurden, gelangte jetzt auch in größerem Umfange Roggen zur Aussaat. Noch in den archäologischen Siedlungsschichten aus der zweiten Hälfte des 10. J h . trifft man allerdings hauptsächlich auf Hirse, was verschiedene Erklärungen zuläßt. Zunächst bedurfte diese Getreideart keiner intensiven Pflege und versprach auch unter verhältnismäßig ungünstigen klimatischen Bedingungen gute Erträge; ferner eignete sie sich besonders gut zur Herstellung von Grütze, welche den Hauptbestandteil der Ernährung insbesondere der ärmeren Bevölkerung bildete. Kazimierz Tymieniecki hat treffend darauf hingewiesen, daß die übrigen Getreidearten, wenn man sie anbaute, in erster Linie zum Verkauf beziehungsweise zur Erfüllung der Abgaben bestimmt waren. Von den Hackfrüchten war die weiße Rübe am weitesten verbreitet, worauf nicht nur die Ausgrabungen, sondern auch schriftliche Quellen und ethnographische Überlieferungen hinwiesen. So trägt beispielsweise ^in der Chronik des Gallus Anonymus die Ehefrau des legendären Piast den Namen Repca (Rzepka), der sich von dieser Frucht herleitet. Offenbar sollte hier die enge Zugehörigkeit der Piastenfamilie zu den armen Bevölkerungsschichten unterstrichen werden. Der Anbau von Ölpflanzen nahm gegenüber der Vergangenheit sichtbar an Umfang zu. Deutlich war auch der Fortschritt bei den Ernte-, Drusch- und Verarbeitungsgeräten. Die ersten Mühlen tauchten spätestens im 10. J h . auf, und allgemein trat jetzt die Rotationsmühle an die Stelle der früheren Handmühle — eine Entwicklung, die, wie wir gesehen haben, bereits in der Latenezeit ihren Anfang genommen hatte. Alle die obengenannten Veränderungen, welche keineswegs schlagartig, sondern nach und nach eintraten, boten die Möglichkeit, ein immer größeres Bodenareal zu bewirtschaften und höhere Erträge als vordem zu erzielen. Sie trugen somit in gewisser Weise zum Anwachsen der Bevölkerung bei. In welchem Umfang der entstehende Feudaladel bereits Landgüter besaß, konnte noch nicht endgültig geklärt werden. Da bei der damals geübten Kriegspraxis die Erbeutung von Sklaven eine große Rolle spielte, ist anzunehmen, daß neben den Wirtschaften der freien Bauern, welche später in die feudale Abhängigkeit von weltlichen oder geistlichen Herren gerieten, sich schon frühzeitig 188
ausgedehnter Bodenbesitz in den Händen des Fürsten oder der Großen des Landes befand und von Unfreien oder Halbfreien bearbeitet wurde. Ich halte die Meinung, daß der Reichtum der entstehenden Feudalklasse zunächst fast ausschließlich auf den Besitz großer Viehherden gegründet war, nicht für zutreffend. Dies soll aber auch nicht heißen, daß nicht in einigen Fällen in Anlehnung an gut bewirtschafteten Grundbesitz sich auch die Tierzucht in größerem Ausmaß entwickelt haben konnte. Insbesondere traf dies für den im Frühmittelalter sehr wichtigen Zweig der Züchtung von Rassepferden zu. Jedenfalls machte der Ackerbau in Polen schon vor der Mitte des 10. J h . bedeutende Fortschritte und näherte sich damit dem allgemeinen europäischen Niveau. Diese Erscheinung stand im engen Zusammenhang mit der Ausweitung des Piastenreiches und dem Erstarken des polnischen Staatsorganismus. Ein deutlicher Fortschritt zeichnete sich auf dem Gebiet des Gemüse- und Obstanbaus ab. Eine Reihe von Gemüse- und Obstsorten kannte man bereits vor dem 10. J h . ; wenn man von Kleinpolen absieht, gewannen diese Wirtschaftszweige jedoch erst zu dieser Zeit weitere Verbreitung. Beachtung verdient dabei besonders der starke Aufschwung des Obstanbaus. Auch hierauf verwies Ibrahim Ibn Jaqub, indem er schrieb: „Die meisten Bäume ihrer Täler sind Äpfel, Birnen und Pfirsiche." Außer diesen genannten wurden auch Weichselkirschen und Weichselpflaumen angebaut. Der Weinbau (Abb. 130) breitete sich zusammen mit dem Christentum in Polen aus; wir finden ihn zuerst in Kleinpolen. Der Anbau von Pfirsichen und Weichselpflaumen dürfte auf Kontakte mit dem Osten beziehungsweise dem byzantinischen Milieu zurückzuführen sein. Allerdings ist es auch möglich, daß der Pfirsich unmittelbar aus seiner persischen Heimat oder auf dem Wege über Italien nach Polen kam. Letzteres kann bei der Weichselpflaume nicht der Fall gewesen sein, da diese erst im 16. J h . im übrigen Europa bekannt wurde; nach Feststellung von Walter Baas ist sie hierhin aus Kleinasien auf dem Umweg über die Mittelmeerländer und Frankreich gelangt. Auch auf dem Gebiet der Tierzucht sind deutliche Veränderungen erkennbar, welche in zwei Richtungen gingen. In den kleineren Wirtschaften besaß dieser Wirtschaftszweig eher subsidiären Charakter; er bildete einen Nebenerwerb oder war unmittelbar mit der Bearbeitung des Bodens verknüpft. Daneben entstanden aber große Tierzuchtbetriebe mit spezialisiertem Charakter; sie bildeten eine den neuen Verhältnissen angepaßte Fortsetzung der früheren gemeinsamen Zuchtwirtschaften des Familienverbandes, welche später von den Stammesältesten an sich gerissen worden waren. Der unfreie Teil der Bevölkerung wurde hier sicherlich in bedeutendem Umfang zur Arbeit herangezogen. Diese Großzuchtbetriebe lieferten in erster Linie Pferde. Die schweren Reitertruppen erfüllten in den damaligen Heeren, wie schon des öfteren richtig bemerkt wurde, die Aufgaben der heutigen Panzer. Mieszko I. bezog, wie man aus dem Bericht des Ibrahim Ibn Jaqub schließen kann, aus seinem eigenen Gestüt auch die Pferde für seine Gefolgsleute; der Araber schrieb über ihn: „ E r hat 300 Gepanzerte, und das sind Krieger, von denen das Hundert 10 000 andere aufwiegt. Er gibt den Mannen Kleider, Rosse, Waffen und alles, was sie brauchen." Wenn man berücksichtigt, 189
daß in späterer Zeit Städte mit autochthonem Stadtrecht vom Fürsten weitgehend abhängig waren, ist anzunehmen, daß auch ein Großteil der Truppen, welche die einzelnen Burgbezirke dem Fürsten zu stellen hatten, seine Pferde aus dessen Gestüten erhielt. Neben der Pferdezucht war in den Großgütern auch die Zucht von Rindern, Schafen und Schweinen von Bedeutung. In den kleinen ebenso wie in den großen Betrieben wurden ferner Hühner, Enten, Gänse und Tauben gehalten. Als spezielle Aufgabe wurde die Zucht von Falken, Sperbern und Habichten betrieben, wobei die Vogelbeize in Polen erst nach dem 10. J h . heimisch wurde. Kleinere Haustierherden wurden, wie Ausgrabungen gezeigt haben, auch in den Suburbien der
Abb. 1 3 0
W e i n g ä r t n e r von der B r o n z e t ü r zu Gniezno. 2. H ä l f t e 1 2 . J h .
Burgen gehalten, insbesondere Pferde, Kühe, Schafe, Ziegen und Hofgeflügel; auch Katzen gab es hier. Nicht selten fand man in den damaligen Städten Kleinverschläge für Tiere (Ziegen und Schafe) sowie Geflügelställe; man kennt sie aus Opole, Wroclaw und Szczecin. Die Ausgrabungen machten weiterhin deutlich, daß es im Laufe der hier behandelten Periode zur Entstehung einer Anzahl von feudalen Latifundien kam. Der Reichtum ihrer Eigentümer übertraf, wie neben anderen Tadeusz Manteuffel zutreffend bemerkt hat, vielfach den der entsprechenden Feudalherren des Westens. Großgrundbesitz bildete auch die Basis des fürstlichen Vermögens. Eine weit schwächere Rolle in der Wirtschaftsentwicklung der Vorpiastenzeit spielten jetzt solche Erwerbszweige wie Fischerei, Imkerei, Jagd und Sammeln. Allerdings wäre es unrichtig, deren Wichtigkeit für die Ernährung des Volkes allzu gering zu veranschlagen. Nur das Sammeln von Nahrungsmitteln war in jener Periode von ausgesprochen untergeordneter Bedeutung; es lebte allein in 190
Jahren politischer oder klimatischer Katastrophen wieder auf. Für die Beschaffung von Heilkräutern, Giften und Pflanzen für gewerbliche Zwecke hatte es dagegen große Wichtigkeit: Neben dem Faserstoff der Brennessel konnten zum Beispiel auch verschiedene Farbstoffe auf diese Art bezogen werden. Wichtiger waren Fischerei und Bienenzucht. In unserem Zeitraum entstanden in Gegenden, welche günstige Verhältnisse für die Ausübung dieser Erwerbszweige boten, spezielle Gruppen von Fischern und Imkern, erstere an fischreichen Gewässern, letztere in Waldregionen, insbesondere in solchen mit Linden- und Akazienbeständen. Durch einige Ausgrabungen besitzen wir besonders eingehende Kenntnisse über die Organisation des Fischhandels. An großen Wasserflächen, insbesondere an der Küste, waren die Fischer in größeren Kollektiven organisiert, welche den Fischfang gemeinsam betrieben. Nach der Annahme des Christentums ist in Polen eine starke Entwicklung der Fischerei zu beobachten. Die Fische wurden teilweise zur Erfüllung der Abgaben verwendet, zum Teil dienten sie Handelszwecken. Besonders guten Absatz fanden die größeren und edleren Sorten wie Lachse, Zander und Hechte, aber auch mit Heringen und Flundern wurde gehandelt. Für die wirtschaftliche Bedeutung der Fischerei sprechen auch die zahlreichen Räucherstätten, welche an den größeren Seen und in der Nähe von Feudalsitzen entdeckt wurden. Sie zeigen unter anderem, daß neben frischen und getrockneten auch geräucherte und gesalzene Fische konsumiert wurden. Auch die Jagd spielte noch eine gewisse Rolle im Wirtschaftsleben der polnischen Bevölkerung. Ziemlich frühzeitig nahm der Fürst für sich das alleinige Jagdrecht auf Großwild in Anspruch. Außer dem Wildbret lieferte die Jagd auch die damals sehr geschätzten Häute sowie Rohstoffe für verschiedene Erzeugnisse. Während einer gewissen Zeit dienten kleinere Tierhäute, wie etwa die Fellchen von Mardern und Eichhörnchen, auch als eine Art Umlaufgeld. Die Umrahmung der aus dem 12. J h . stammenden bronzenen Eingangstür zum Dom von Gniezno zeigt eine Szene, die einen auf ein Eichhörnchen zielenden Bogenschützen darstellt. Es ist schwer zu sagen, ob wir es hier mit einer Reminiszenz an die Jagd auf Eichhornfellchen zu tun haben oder ob es sich, wie letzthin des öfteren angenommen wird, um eine symbolische Darstellung handelt. Die Organisation der J a g d machte in dem hier besprochenen Zeitraum einige Wandlungen durch. Es entstanden verschiedene Gruppen von Feudalleistungen, zu denen auch die Durchführung der Jagden gehörte. Besonders deutlich trat dieser Prozeß von der zweiten Hälfte des 12. J h . an in Erscheinung. Die günstige Situation in den Hauptwirtschaftszweigen ermöglichte die Errichtung entwickelter sozialer und politischer Formen. Ihre Aufrechterhaltung wäre jedoch gewiß kaum möglich gewesen, wenn sich nicht als deren Folgeerscheinung auch ein Fortschritt im Handwerk ergeben hätte. Das kann mit um so größerer Sicherheit behauptet werden, als gleichzeitig mit der Zunahme des Wohlstandes und der Änderung der sozialen Struktur dem Handwerk wie dem Handel eine stetig wachsende Bedeutung zukam. Den Maßstab dieser Veränderung bildete einerseits die wachsende Zahl der ausgeübten Handwerkszweige, andererseits die steigende Konzentration des Handwerks in den Suburbien. Der gegenwärtige Stand
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der diesbezüglichen Forschungen gestattet allerdings noch keine genaue Darstellung aller Einzelheiten dieses Prozesses. Für bestimmte Gebiete ist diese Frage heute allerdings schon so weit geklärt, daß eine Periodisierung jener Erscheinungen ausgearbeitet werden kann. So gestatten die bereits vorliegenden Fakten die Feststellung, daß ein rascher Rhythmus in der Entwicklung des Handwerks zunächst in Schlesien, Kleinpolen und im Südteil Großpolens sowie in Westpommern (Wolin — Szczecin — Kolobrzeg) in Erscheinung trat. Möglicherweise werden weitere Forschungen ergeben, daß wir hier auch Kujawien einbeziehen müssen. In langsamerem Tempo spielte sich dieser Prozeß dagegen im mittleren und nördlichen Großpolen, in Ostpommern und vermutlich auch in Masowien ab. Die oben erwähnten Unterschiede sind etwa bis in das 9. und 10. J h . hinein zu bemerken; später kam es zu einem raschen Ausgleich, so daß die dann noch auftretenden Unterschiede nur einen Ausdruck der normalen Abhängigkeit von der jeweiligen politischen Lage, dem unmittelbaren Einfluß des engeren Hinterlandes beziehungsweise der Position des Gebietes im religiösen Leben des Landes, welches damals von erheblicher Bedeutung war, bildeten. Das Handwerk Die Verteilung der fortgeschrittenen Wirtschaftszentren Polens deckte sich mit der politischen Geographie des Landes. Dies ermöglicht eine interessante Illustration der Kräfte, welche die Grundlagen seiner sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung vor und in der Piastenzeit bildeten. Das Ausscheiden des Handwerks aus dem Rahmen der bäuerlichen Wirtschaft zog sich über längere Zeit hin; erst seine Konzentration im Räume der Burgen aber führte zu grundsätzlichen Änderungen der Verhältnisse im Frühmittelalter. Allerdings verschwand das Handwerk nicht gänzlich aus dem Dorf, und auch die Tendenz, weitere dienstpflichtige Siedlungen zu schaffen, dauerte noch einige Zeit an. Die Konzentration um die Burgen spielte sich einerseits dort ab, wo eine besonders günstige Wirtschaftslage dazu anreizte; andererseits vollzog sie sich in solchen Gebieten, welche eine höhere politische Stufe erreicht hatten, wodurch der Besitz einer eigenen „handwerklichen" Basis zu einer Forderung wurde. Unklar ist noch die Frage des sogenannten Wanderhandwerks. Es hat allerdings den Anschein, daß nach der Katastrophe, von der am Ausgang der Römerzeit die in Polen bestehenden Handwerkszentren betroffen wurden, die dort Beschäftigten in andere Gegenden abwanderten, wobei ein Teil von ihnen ihr Gewerbe jetzt im Umherziehen ausübte. In Südpolen war die Bedeutung solcher Wanderhandwerker geringer; dagegen dürften sie sich in Großpolen längere Zeit hindurch gehalten haben. Den Aufstieg von zwei Gewerben, nämlich des Hüttenwesen in Verbindung mit dem Schmiedehandwerk sowie der Töpferei, haben wir bereits behandelt. E r spielte sich vor Beginn des 9. J h . ab, wobei die Verhüttung und das Schmieden in der Gegend der Berge von Swi§ty Krzyz damals vielleicht sogar schon voneinander getrennt waren. In Kujawien und bei Kolobrzeg sowie wohl auch in Wieliczka bei Krakow könnte es auch schon ziemlich frühzeitig in „industriellem" 192
der diesbezüglichen Forschungen gestattet allerdings noch keine genaue Darstellung aller Einzelheiten dieses Prozesses. Für bestimmte Gebiete ist diese Frage heute allerdings schon so weit geklärt, daß eine Periodisierung jener Erscheinungen ausgearbeitet werden kann. So gestatten die bereits vorliegenden Fakten die Feststellung, daß ein rascher Rhythmus in der Entwicklung des Handwerks zunächst in Schlesien, Kleinpolen und im Südteil Großpolens sowie in Westpommern (Wolin — Szczecin — Kolobrzeg) in Erscheinung trat. Möglicherweise werden weitere Forschungen ergeben, daß wir hier auch Kujawien einbeziehen müssen. In langsamerem Tempo spielte sich dieser Prozeß dagegen im mittleren und nördlichen Großpolen, in Ostpommern und vermutlich auch in Masowien ab. Die oben erwähnten Unterschiede sind etwa bis in das 9. und 10. J h . hinein zu bemerken; später kam es zu einem raschen Ausgleich, so daß die dann noch auftretenden Unterschiede nur einen Ausdruck der normalen Abhängigkeit von der jeweiligen politischen Lage, dem unmittelbaren Einfluß des engeren Hinterlandes beziehungsweise der Position des Gebietes im religiösen Leben des Landes, welches damals von erheblicher Bedeutung war, bildeten. Das Handwerk Die Verteilung der fortgeschrittenen Wirtschaftszentren Polens deckte sich mit der politischen Geographie des Landes. Dies ermöglicht eine interessante Illustration der Kräfte, welche die Grundlagen seiner sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung vor und in der Piastenzeit bildeten. Das Ausscheiden des Handwerks aus dem Rahmen der bäuerlichen Wirtschaft zog sich über längere Zeit hin; erst seine Konzentration im Räume der Burgen aber führte zu grundsätzlichen Änderungen der Verhältnisse im Frühmittelalter. Allerdings verschwand das Handwerk nicht gänzlich aus dem Dorf, und auch die Tendenz, weitere dienstpflichtige Siedlungen zu schaffen, dauerte noch einige Zeit an. Die Konzentration um die Burgen spielte sich einerseits dort ab, wo eine besonders günstige Wirtschaftslage dazu anreizte; andererseits vollzog sie sich in solchen Gebieten, welche eine höhere politische Stufe erreicht hatten, wodurch der Besitz einer eigenen „handwerklichen" Basis zu einer Forderung wurde. Unklar ist noch die Frage des sogenannten Wanderhandwerks. Es hat allerdings den Anschein, daß nach der Katastrophe, von der am Ausgang der Römerzeit die in Polen bestehenden Handwerkszentren betroffen wurden, die dort Beschäftigten in andere Gegenden abwanderten, wobei ein Teil von ihnen ihr Gewerbe jetzt im Umherziehen ausübte. In Südpolen war die Bedeutung solcher Wanderhandwerker geringer; dagegen dürften sie sich in Großpolen längere Zeit hindurch gehalten haben. Den Aufstieg von zwei Gewerben, nämlich des Hüttenwesen in Verbindung mit dem Schmiedehandwerk sowie der Töpferei, haben wir bereits behandelt. E r spielte sich vor Beginn des 9. J h . ab, wobei die Verhüttung und das Schmieden in der Gegend der Berge von Swi§ty Krzyz damals vielleicht sogar schon voneinander getrennt waren. In Kujawien und bei Kolobrzeg sowie wohl auch in Wieliczka bei Krakow könnte es auch schon ziemlich frühzeitig in „industriellem" 192
Maßstab zur Verwertung der dortigen Salzquellen gekommen sein. Etwa im 9. J h . wurde zunächst in Südpolen, etwas später auch in Großpolen die Erzeugung von Silberschmuck aufgenommen. In Schlesien begann gleichfalls schon ziemlich zeitig die Herstellung verschiedener Steinwaren in größerem Umfang. Möglicherweise ebenfalls seit jener Zeit, spätestens aber im 10. oder 1 1 . J h . wurden auch Gold und Silber in bescheidenem Umfang gewonnen. Den Rohstoff für die Hüttenbetriebe lieferte nicht nur das Rasenerz, sondern im Raum von Swi^ty Krzyz auch' das Hämatit, welches im Bergwerksbetrieb gefördert wurde. Die jüngsten Funde aus der Gegend von Kraköw-Nowa Huta zeigen, daß dort das Hütten- und Schmiedewesen ebenso früh entstand wie in Mähren. Für den hohen Stand, den das Schmiedehandwerk Großpolens in jener Zeit erreicht hatte, sprechen die dort gefundenen sorgfältig ausgeführten und teilweise schön profilierten Eisensporen aus dem 6. bis 10. J h . mit ihren sogenannten Hakenenden. Diesen Sporentyp hatte das polnische Volk aus dem Westen übernommen und später in seinen eigenen Werkstätten vielerorts in verschiedenen Varianten hergestellt. Auch ein Großteil der in Polen aufgefundenen Waffen war das Erzeugnis lokaler Schmiede Werkstätten. Das Sortiment der Schmiedeerzeugnisse nahm von der Mitte des 10. J h . an wesentlich zu. Die Untersuchungen an verschiedenen Punkten des Landes erwiesen, daß am Ende des 1 1 . und zu Beginn des 12. J h . ein besonders kräftiger Aufschwung des Schmiedehandwerks eintrat, der zur Massenerzeugung führte. Seine Bedeutung für das hiesige Wirtschaftsleben reichte allerdings schon in weit frühere Zeiten zurück. Die genannte Entwicklung verdankte es nicht nur den lokalen, sondern auch den vom Westen und insbesondere auch aus dem Osten übernommenen Erfahrungen, wobei das handwerkliche Wissen des Westens anfangs vermutlich in erster Linie über die nordischen Länder hierher gelangte. Wohl zur selben Zeit trat im Schmiedehan dwerk auch eine weitere Spezialisierung ein. Erzeugt wurden von ihm vor allem mannigfache Gegenstände aus verschiedenen Stahlsorten. Viele Schmiede erlernten die Beherrschung der sehr schwierigen, für jene Zeit eine technische Höchstleistung darstellenden Damaszierkunst. Ihre Anwendung ermöglichte die Herstellung vorzüglicher Schwerter und Dolche; auch bei der Erzeugung von Rasiermessern kam sie gelegentlich zur Anwendung. Sicher ist, daß von einheimischen Handwerkern Streitäxte (Abb. 1 3 1 ) sowie die Eisenteile von Spießen, Speeren und Pfeilen hergestellt wurden. In großen Massen wurden Eisenmesser erzeugt, weit seltener dagegen Rasiermesser. Im Rahmen dieses Handwerkszweiges wurden auch diverse Beschläge produziert, ferner Hand- und Halsfesseln für Gefangene und Sklaven, die neben den allgemein gebräuchlichen Holzkloben zur Verwendung gelangten. Hierüber gibt es auch einen Bericht des tschechischen Chronisten Kosmas von Prag. Die Herstellung verschiedener Schlösser mit den dazugehörigen Schlüsseln war anfänglich kein selbständiges Gewerbe, sondern lag ebenfalls in den Händen der Schmiede. Einen vom Osten übernommenen Zweig der Lokalproduktion bildete im 12. und 13. J h . die Herstellung verschiedener Arten von Vorhängeschlössern mit einem oft ziemlich komplizierten Mechanismus. 193
Abb. 1 3 1 Poznaii. Wurfaxt mit Inschrift
Vom Schmiedehandwerk, wie es seit der Mitte des 10. Jh. in Polen ausgeübt wurde, kann gesagt werden, daß es zu jenen Gewerben zählte, welche sowohl in Bauerndörfern wie auch an den Feudalsitzen und in den Städten betrieben wurden. In den ländlichen Werkstätten war es mit der Herstellung verschiedener nicht-
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Plock. Gußform aus Stein
eiserner Metallgegenstände verbunden, zu denen auch bestimmte Arten von Schmuck gehörten. In den Städten lag diese Produktion (Abb. 132) dagegen bereits in den Händen von Spezialisten für Gold- und Silberarbeiten, neben denen es vielleicht auch solche für Bronzearbeiten gab. Die bei einigen Ausgrabungen gefundenen nichteisernen Schmuckgegenstände lokaler Herkunft weisen verschiedene Stufen der Ausführung und des ästhetischen Niveaus auf. Neben einfachen Erzeugnissen aus oft minderwertigem Material finden wir auch solche, die auf einen hohen Stand der Goldschmiedekunst in einer Reihe von Werkstätten hinweisen, und zwar findet sich dieser spätestens vom 10. Jh. an. Auch heute
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noch bewundern wir allerlei silberne sowie goldene, mittels Granulations- oder Filigrantechnik hergestellte Schmuckgegenstände (Tai. 1 6 ; Abb. 133). Einige von ihnen, wie etwa die Schläfenringe vom Orszymowo- oder dem mecklenburgischpommerschen T y p wurden aus Polen nach Mecklenburg ausgeführt und dort später nachgeahmt. Ein Teil dieser Schmuckgegenstände verdankt seine E n t stehung Vorbildern, die aus den arabischen Ländern sowie aus Byzanz kamen.
Abb. 133
Psary, Kr. Ostrow Wlkp. Silberschmuck 10. Jh.
Übrigens sei bemerkt, daß auch die Goldschmiede häufig fremdländischer Herkunft waren. Außer Schmuck erzeugten sie auch verschiedene Kirchengefäße sowie anderes Kirchengerät. Kosmas erwähnt beispielsweise, daß sich unter der aus Gniezno verschleppten Kriegsbeute ein schweres goldenes Kreuz befand, welches „zwölf ausgewählte Priester nur mit Mühe aufrecht hielten. Herzog Mesco (Mieszko) hatte dasselbe dreimal so schwer als er selbst aus Gold anfertigen lassen . . . An fünfter Stelle trug man drei schwere goldene Tafeln, welche den Altar umgeben hatten, wo der Heilige (Adalbertus) g e r u h t . . . " , die letzteren stellten sicherlich eine Schenkung Boleslaw Chrobrys dar. Auf dem Gebiet der Goldschmiedekunst beobachten wir vom 10. J h . an ver195
schiedene Veränderungen. Seit dem 12. J h . spielte die Massenerzeugung von Schmuck in Gußformen eine wachsende Rolle, wobei die Filigran- und die Granulationstechnik nachgeahmt wurden. Mit dem Ansteigen des örtlichen Bedarfs an nichteisernem Kirchengerät aus Schmiede- oder Gußmetall, der durch Einfuhr von außen nicht mehr gedeckt werden konnte, kam es zur Abspaltung des Berufes der Bronzearbeiter. Die hierzu verfügbaren Angaben, insbesondere die Beschreibungen der Gastmähler und Geschenke Boleslaw Chrobrys aus Anlaß des Aufenthaltes Kaiser Ottos III. in Polen sowie die Aufzählung der von Bretislav aus unserem Lande geraubten Wertgegenstände, lassen darauf schließen, daß der oben erwähnte Prozeß spätestens zu Beginn des 1 1 . J h . seinen Anfang nahm. Eine eigene Kategorie unter den Gießern bildeten die Glockengießer, welche außer Glocken auch verschiedene andere größere Gußstücke herstellten. Neben den bodenständigen Handwerkern gab es auch fremde, teilweise hochqualifizierte Spezialisten; aus den französisch-belgischen Grenzgebieten stammende schufen zum Beispiel die Bronzetüren von Gniezno, deren Herstellung im 12. J h . auf unserem Boden erfolgt sein muß. Die Inschriften und Dekorationen der Türen sowie die angewendete Produktionstechnik weisen darauf hin, daß sie das Werk von Meistern romanischer Herkunft waren (Abb. 130; 164). Ähnliche Wandlungen wie in der Schmiedekunst lassen sich auch in der Töpferei feststellen, wenn hier auch ein in Einzelheiten abweichender Verlauf zu beobachten ist. Wir bemerken eine allmähliche Verdrängung der Heimarbeit (Abb. 134) durch die gewerblichen keramischen Erzeugnisse; ferner erfolgte eine Vervollkommnung der Werkstättenbetriebe. Der Fortschritt ging hier in Richtung einer Vereinfachung, da so größere Mengen von Geschirr hergestellt werden konnten. Dies hing nicht nur von der Einführung einer verbesserten Drehscheibe,
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sondern auch von der Aufbereitung des Lehms zur Erzeugung dieses Geschirrs sowie vom Brennprozeß ab. Die Beobachtung der Entwicklungen in der Töpferei ist insofern interessant, als die davon betroffenen Tonwaren ein gutes Bild des zeitlichen Verlaufs dieser Wandlung geben. Sowohl die Formen als auch die Ausführungstechnik bringen dies zum Ausdruck. In Kleinpolen traten die genannten Wandlungen zweifellos am frühesten ein; im mittleren und nördlichen Großpolen jedoch ist mit großer Deutlichkeit zu erkennen, wie während des 6. bis 8. J h . ein Wettbewerb zwischen den Erzeugnissen der Haus- und der gewerblichen Töpferei stattfand, wie dann das 9. und die erste Hälfte des 10. J h . ein deutliches Übergewicht der Frühformen des Töpferhandwerks brachten, welches sich spätestens in der folgenden Zeit stabilisierte und einen bedeutenden technischen Hochstand erreichte. Gegen Ende des 1 1 . und zu Beginn des 12. J h . trat der Übergang zur Massenproduktion ein. Gleichzeitig mit diesen allgemeinen Wandlungen in der Töpferei kam es auch zu einer gewissen Spezialisierung bei der Erzeugung keramischer Waren, unter anderem auf dem Gebiet der Baukeramik und hier wieder insbesondere bei der Herstellung von Tonplatten, welche teilweise, wie wir es in Kruszwica, Gniezno und Krakow sehen können, bereits eine farbige Glasur hatten.
Abb. 135 0
S
10
Kruszwica, Kr. Inowroclaw. Holzkorb
*n
D i e Fortschritte im polnischen Töpfergewerbe weisen verwandte Züge mit denen in anderen slawischen Ländern sowie mit der Entwicklung in Westdeutschland auf, wobei in manchen Perioden ein deutliches qualitatives Übergewicht der polnischen gegenüber den deutschen Erzeugnissen festzustellen ist. E s ist möglich, daß in den führenden frühpolnischen Zentren auch die Bearbeitung von Rohholz (Abb. 1 3 5 — 137), Knochen, Horn, Häuten und Fasern sowie von Glas, Bernstein und Stein schon früh von eigenen Gewerben ausgeübt wurde. J e nach dem Entwicklungsniveau dürfte dies seit der Mitte des 9. J h . in immer größerem Umfang der Fall gewesen sein, und besonders an der Wende vom 10. zum 1 1 . J h . ist hier wahrscheinlich eine Hochblüte zu verzeichnen gewesen. Ungeachtet der fortschreitenden Spezialisierung und des Entstehens neuer Handwerkszweige erhielt sich in vielen Fällen die alte Tradition der Verarbeitung verschiedener Rohstoffe in ein- und derselben Werkstatt. So konnte beispielsweise in einigen Küstenstädten festgestellt werden, daß hier zur damaligen Zeit sowohl Gegenstände aus Knochen und Horn wie auch solche aus Bernstein in einem Betrieb hergestellt wurden. Im holzverarbeitenden Gewerbe kam es gleichfalls zur Entstehung verschie197
dener Spezialzweige: E s bildeten sich Zimmerleute (unter ihnen einige, die auf den B a u von Schutzwällen spezialisiert waren), weiter Tischler (Abb. 136), Böttcher, Drechsler, Wagen- und Schlittenbauer, Schiffs- und Bootsbauer (Abb. 137), Schildmacher und Tüllenmacher heraus. Einzelne dieser Handwerke, wie die Schreinerei oder der B a u von Wehrwällen, waren typisch städtisch. Die hier in Frage kommenden Ausgrabungen zeigen, daß die frühpolnische Bevölkerung in einer Reihe der genannten Gewerbe bereits ein hohes Niveau erreicht hatte. Namentlich in den Städten findet man neben primitiveren Holzbauten auch solche, deren Ausführung beweist, daß hier hochqualifizierte Fachleute am Werk
Abb. 136
Poznan. Fragment eines Möbelstücks
waren; sowohl die geschickte Ausführung der technischen Einzelheiten wie auch die sachkundige Bewertung der Tragfähigkeit des Untergrundes lassen das mit aller Deutlichkeit erkennen. Zu den glücklichsten Lösungen bei der Errichtung von Bauten auf weichem, nachgiebigem Grund gehörte die sogenannte Jochkonstruktion, welche in den verschiedensten Varianten unter anderem in Gdansk, Opole und Poznan vorgefunden wurde. Besonders die Erbauer der frühmittelalterlichen Befestigungen besaßen offenbar bedeutende geologische Kenntnisse. Der B a u der Wälle, der jeweils eine bedeutende Zahl von Menschen erforderte, wurde von nichtspezialisierten Arbeitskräften durchgeführt; seine Leitung lag jedoch zweifellos in Händen von erfahrenen Fachleuten, welche wohl schon vor der Mitte des 10. J h . als Sondergruppe existiert haben dürften. Man kann sich gut vorstellen, daß von jener Zeit an auch eine gewisse praktische Schulung auf dem Gebiet des Festungsbaus bestanden hat, bei der die bisherigen Erfahrungen und
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Verbesserungen weitervermittelt wurden. Die gewaltigen Wehranlagen, welche Mieszko I. ausführen ließ, konnten nur errichtet werden, wenn schon damals ein genügend großes Reservoir von Spezialisten bestand, welche imstande waren, solche Bauten nicht schematisch, sondern in Anpassung an die jeweils gegebenen, teilweise sehr unterschiedlichen Bedingungen auszuführen. Auch konnten nur solche Leute die Tradition des polnischen Bauwesens in andere, neugewonnene Gebiete übertragen.
Abb. 1 3 7
Szczecin. Teil eines Bootes. Holz. 9./10. J h .
Zu den hervorragendsten Beispielen der damaligen Fortifikationstechnik gehören die Verteidigungsanlagen der Burgen von Poznan und Gniezno. Der Wehrwall von Poznan hat eine Breite von über 20 m und war anfangs ungefähr 10 m hoch. Er blieb, wie während der Ausgrabungen festgestellt werden konnte, bis zur Höhe von 5 m bis heute erhalten. Sein Hauptgerüst war aus Holz, und an der Außenseite befand sich eine etwa 3 m hohe Berme, welche aus mit Asthaken verstärkten, steingefüllten Holzkisten errichtet wurde. Auf diese Weise entstand ein massiver Wall in Terrassenkonstruktion, welcher der Abwehr der damaligen Angriffstechnik mittels Belagerungsmaschinen vortrefflich angepaßt war. Lehmbewurf schützte ihn gegen Feuersgefahr. Im damaligen Holzfestungsbau Zentraleuropas waren die angeführten Beispiele Spitzenleistungen. Der Ver199
teidigungswall von Gniezno, der ausschließlich als Holzkonstruktion ausgeführt wurde, erregt wiederum durch seine meisterhafte Zimmermannsarbeit Bewunderung. Hier waren manche Asthaken mit Tierköpfen verziert — eine Besonderheit, welche in anderen Burgen nicht zu finden ist. Zu den interessantesten Tischlererzeugnissen, von denen im ganzen gesehen nur wenige erhalten geblieben sind, gehören die dekorativen Teile der in Opole gefundenen Möbel. In den Böttchereien wurden die verschiedensten Holzgefäße aller Größen aus Dauben hergestellt. Sie fanden mancherlei Verwendung, so etwa zur Zubereitung, Sammlung oder Aufbewahrung von Speisen. Neben solchen kleineren Gefäßen, welche auch in wohlhabenden Häusern Verwendung fanden, sind hier noch besonders die Holzeimer mit Eisenbeschlägen zu erwähnen, welche ebenfalls verschiedenen Zwecken dienten. Die Edlen besaßen oft Stücke mit kunstvoll verzierten, mitunter versilberten Beschlägen. In den größeren Handelszentren entwickelte sich von der Mitte des 10. J h . an auch die Drechslerei, von deren Erzeugnissen am häufigsten Holzschüsseln und Holzteller gefunden wurden, die gediegen ausgeführt waren. In den Drechslerwerkstätten wurde auch verschiedener Schmuck aus Horn oder Bernstein hergestellt. Von Wagnern, Schlittenerzeugern und Schiffbauern wurden Transportmittel hergestellt, wobei es unter diesen nicht nur gewöhnliche Typen wie Karren mit Scheibenrädern, ausgehöhlte Einbaumboote oder „griatki" (kleine Schlitten mit Knochenkufen) gab, sondern auch vollkommenere und seltenere Erzeugnisse, etwa Wagen mit Speichenrädern, welche mitunter auch verziert waren. Anfänglich wurden auch die Schlitten in den Wagnerwerkstätten hergestellt, später jedoch trat hier eine Trennung ein. Auch sonst dürfte es innerhalb des Wagnerhandwerks im Laufe der Zeit vermutlich zu einer Spezialisierung gekommen sein, indem für die Herstellung von Rädern und anderen Wagenteilen eigene Werkstätten eingerichtet wurden. Die Schlitten, welche ein Erzeugnis des höfischen und städtischen Handwerks waren, näherten sich in ihrem Aussehen den späteren, rein hölzernen Typen. Die Funde von Niestronno beweisen, daß ihre Holzkufen sehr sorgfältig ausgeführt waren. Wir können vermuten, daß der Schlittenkasten häufig mit Schnitzwerk verziert war. Der Schiffbau war naturgemäß an bestimmte Standorte gebunden, spielte jedoch in manchen Landesteilen eine bedeutende Rolle. Auf den damaligen „Werften" wurden auch größere Schiffe für den See- und Binnenverkehr gebaut. Die meisten dieser Werkstätten lagen am Meer; jedoch finden wir einige auch im Innern des Landes, beispielsweise am Goplo-See. Daß der frühpolnische Schiffbau auf einer bedeutenden Höhe stand, beweisen sowohl die aufgefundenen großen Kähne wie auch Äußerungen in schriftlichen Quellen, aus denen hervorgeht, daß die slawischen Schiffe den skandinavischen, welche sich bekanntlich eines guten Rufs erfreuten, durchaus ebenbürtig waren. Das Holz war schließlich auch einer der Rohstoffe für die Erzeugung von Waffen. Auf diesem Gebiet läßt sich eine recht weitgehende Spezialisierung der Produktion feststellen, wenn auch der Zeitpunkt der Absonderung der einzelnen Zweige während des Frühmittelalters schwer zu bestimmen ist. Gefertigt wurden 200
Holzbogen, Holzschilde mit Lederüberzug, Holzteile für Lanzen und Speere, lederüberzogene Schwertscheiden sowie Belagerungsmaschinen. Es ist möglich, daß verschiedene dieser Erzeugnisse von Waffenschmieden hergestellt wurden; am wahrscheinlichsten ist das bei den Schwertscheiden. Wenn wir hier von gewerblichen Spezialzweigen sprechen, denen das Holz als Rohstoff diente, so muß darauf hingewiesen werden, daß aufgrund neuester Funde sich hier jetzt weitere Einsichten eröffnen. Im Gegensatz zu der früher allgemein verbreiteten Anschauung hat sich nämlich gezeigt, daß das frühmittelalterliche Polen ein ausgebildetes Wegesystem besaß. Immer häufiger stößt man bei Grabungen auf Überreste von hölzernen Brückenkonstruktionen über Flüsse und Seen, daneben auch auf zahlreiche fachkundig ausgebaute Furten und sorgfältig angelegte Zufahrtswege zu diesen. In den frühpolnischen Städten besaßen die Straßen einen Unterbau in Form von Holzrosten. Es muß demnach wohl nicht nur ein übergeordnetes Organ gegeben haben, welches für die Instandhaltung des Straßennetzes sorgte, sondern auch Leute, die sich auf den Straßenbau verstanden. Der Gedanke, daß in den größeren Zentren auch Spezialisten auf diesem Gebiet zur Verfügung standen, erscheint unter solchen Umständen nicht abwegig. Die Beobachtungen am Lednica-See bei Gniezno zeigen, daß in Polen auch ebenso gute Brückenbaumeister tätig waren wie während des 9. Jh. in Mähren (Mikulcice) oder im 10. und 11. Jh. in Mecklenburg. Auch die Bautechnik war in allen genannten Gebieten ähnlich. Zu denjenigen Arbeiten, welche auf polnischem Boden bereits eine lange Tradition hatten, gehörten Flechten und Weben. Zahlreiche Funde von Herstellungsgeräten und Erzeugnissen auf diesem Gebiet stammen jedoch aus dem frühen Mittelalter. Das Flechten wurde, abgesehen von vereinzelten Ausnahmen, im Rahmen der Hauswirtschaft ausgeübt, wohingegen sich die Weberei damals in gewissen Fällen zu einem eigenen Handwerk ausbildete. Einen deutlichen Fortschritt brachte hier jetzt die Einführung des Horizontalwebstuhls (Abb. 138), mit dem nunmehr feinere Gewebe als früher erzeugt werden konnten. Ferner wurde die Herstellung von Filzen und Teppichen aufgenommen, wobei letztere sicherlich auch schon früher bekannt gewesen war. Eine Errungenschaft des 12. Jh. war die Tuchmacherkunst, welche neben der Weberei auch die Beherrschung der Walk- und Schertechnik erforderte. Die Funde in Poznan von 1958 machen es darüber hinaus recht wahrscheinlich, daß auch die Seidenraupenzucht betrieben wurde, womit sich die Frage nach der Verwertung des Seidengarns stellt. Melania Klichowska hat die Herstellung einfacher Sorten von Seidengeweben vermutet, und solche sind bei Ausgrabungen in Opole auch tatsächlich gefunden worden. Daß die Seidenraupenzucht möglicherweise durch die Kirche nach Polen gebracht wurde, habe ich bereits oben erwähnt. Daneben aber besteht noch eine andere Hypothese, nach der sie durch Spezialisten aus Byzanz oder Italien hierher verpflanzt wurde. Vielleicht haben sich diese Leute dann auch gleichzeitig mit der Seidenweberei befaßt, wobei sie sich sowohl heimischer wie auch importierter Rohstoffe zu bedienen vermochten. 14
Hensel
201
Abb. 1 3 8
Gdansk. Rekonstruktion eines Horizontalwebstuhls nach den aufgefundenen Teilen aus dem 1 1 . / 1 2 . J h .
Recht unwahrscheinlich ist, daß die Herstellung von Wirkwaren im Rahmen eines Handwerks erfolgte; sie geschah wohl eher durch die Arbeit von Frauen jeweils in der eigenen Wirtschaft. Auch hier sind uns Geräte zur Erzeugung sowie verschiedene .Gewebe bekannt. Die handwerklich betriebene Schneiderei hatte zunächst einen geringen Umfang, war auf größere Ortschaften konzentriert und befaßte sich nur mit der Herstellung von Kleidung aus kostbaren Geweben. Ähnlich war die Lage im Kürschner- und Seilermetier. Eine zahlreiche Handwerksgruppe bildeten die Gerber, welche es zum Teil zu hoher Fertigkeit auf ihrem Gebiet brachten. Groß war auch die Zahl der Schuhmacher. Sie verarbeiteten verschiedene Ledersorten. Das zum Teil luxuriöse Schuhwerk (Abb. 139) war verschiedenfarbig oder wurde mit Durchbruchsarbeit und Beschlägen versehen. Viele Funde lassen uns die Arbeit des Sattlers erkennen. Zwar wurden bisher nur wenige vollständig erhaltene Sättel gefunden, jedoch kennen wir deren Teile, so daß wir ihr Aussehen unschwer rekonstruieren können.
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Abgesehen von einfachen, mit Leder überzogenen Sätteln gab es solche in reicherer Ausführung, mit Metall-, Horn- oder Knochenzierat; oft waren sie auch mit Tieroder Pflanzenmustern geschmückt. Das Zaumzeug der Pferde trug ebenfalls mancherlei Metallverzierung. Aus den Sattlerwerkstätten stammten weiterhin Geldbörsen und verschiedene Gürtel, die oft mit Zierschnallen und, namentlich in der Gegend von Chelm und in Kuj awien, mit reichen Bronzebeschlägen versehen waren. Groß und vielfältig war die Produktion der horn- und knochenverarbeitenden Handwerksstätten. Aus den genannten Rohstoffen wurden die meisten Kämme, Spielsteine, zahlreiche Beschläge und diverses anderes Gerät, darunter auch Schreibgriffel, hergestellt. Ein Teil dieser Erzeugnisse zeigt eine sorgfältige Bearbeitung und Beherrschung der Technik; viele Gegenstände aus Horn und Knochen können direkt als kunstgewerbliche Produkte angesehen werden, u. a. auch die Schachfiguren von Sandomierz aus dem 1 1 . / 1 2 . J h . (Abb. 165). Einen geringeren Umfang hatte die Bearbeitung von Bernstein, welche, wie schon früher erwähnt, mitunter mit der Erzeugung von Hornwaren verbunden war; auch an der Meeresküste wurde sie zusammen mit anderen Handwerken betrieben. Aus Bernstein wurde in erster Linie Schmuck hergestellt, darunter gedrechselte Perlen; zu sagen wäre auch, daß dieser Rohstoff in den abergläubischen Vorstellungen der frühpolnischen Bevölkerung eine gewisse Rolle spielte. Eines derjenigen Handwerke, in dem das lokale Gewerbe einen Höchststand aufwies, war die Glaserzeugung. Dieser ziemlich komplizierte Prozeß erforderte, wie wir heute sagen würden, bedeutendes und praktisches Wissen. Es ist bisher nicht bekannt, auf welchem Wege die polnischen Handwerker diese Kenntnisse erwarben. Es bestanden hierzu mancherlei Möglichkeiten, wobei in erster Linie die Verbindungen zu Byzanz und Rußland in Betracht zu ziehen sind; jedoch beobachten wir auch zum Beispiel in Wolin Einflüsse aus westlicher Richtung. Man kann vermuten, daß es in Polen zu einer ähnlichen Entwicklung dieses Zweiges gekommen ist wie in Rußland: im 1 1 . J h . war sie noch bescheiden, im 12. J h . aber erlebte sie eine Blüte. Aus unserer hier behandelten Zeit stammt der bisher ausgegrabene Teil der „Glashütte" von Kruszwica (Abb. 140), in der man Schmuckgegenstände und Baukeramik mit bunter Glasur erzeugte; auch Bruchgold wurde im Raum dieser Werkstätte gefunden. Unter den verschiedenen Arten von Glasperlen verdienten die mit einer Goldeinlage besondere Beachtung. An russische Vorbilder angelehnt, aber auch nach eigenen Ideen wurden verschiedene Tonwaren mit mehrfarbiger Glasur hergestellt, welche magischen Zwecken dienten. Meist waren es Klappern in Form von Ostereiern oder Kugeln mit aufgeklebten Knötchen. Die Herstellung dieser Erzeugnisse erforderte eine enge Zusammenarbeit mit den Töpfern, deren Arbeiten bereits oben abgehandelt wurden. Im Laufe des Frühmittelalters entwickelte sich auch die Steinbearbeitung zu einem wichtigen Handwerk. Hier ist ebenso seit dem 10. J h . eine zunehmende Spezialisierung zu beobachten. Viele in der Hauswirtschaft unentbehrliche Gegenstände wie Wetz- und Mühlsteine wurden von den Handwerkern dieses 14*
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Zweiges erzeugt. Eine spezielle Gruppe unter ihnen, in der auch fremdländische Leute arbeiteten, stellten die Bildhauer dar. Ihnen wurden die schön gemeißelten Kapitelle verdankt, welche wir in einigen Gegenden Polens finden; ferner schufen sie mit Relief bedeckte Säulen, wie sie in Strzelno zu sehen sind (Taf. 19), sowie reiche Tympana, von denen manche wahre Meisterwerke der mitteleuropäischen Kunst bilden. Aus Stein fertigte man auch die Meilensäule, welche Abb. 1 4 1 zeigt, und ferner Kreuzmeilensteine, die zugleich noch einmal bestätigen, daß das polnische Wegenetz im 1 1 . und besonders im 12. J h . recht gut organisiert war.
Abb. 140
Kruszwica, Kr. Inowroclaw. Scherben von Kirchenfenstern und von einem Glasgefäß
Somit ist nach all dem hier Gesagten der Zusammenbruch der Theorie von einer vermeintlich späten Entwicklung des Handwerks bei der frühpolnischen Bevölkerung zu konstatieren; sie ist nach Auswertung der Grabungen in zahlreichen Zentren des frühen Mittelalters in unserem Lande absolut nicht mehr haltbar. Den stärksten Anreiz für das Aufblühen des Handwerks in Polen gab das Entstehen der Feudalordnung, doch wirkten neben dieser gesetzmäßigen inneren Entwicklung auch äußere Faktoren in einem ziemlichen Maße darauf ein. Mehr als die Impulse aus dem Westen waren zeitweise die aus dem Osten kommenden von Bedeutung, und hierbei insbesondere die aus' dem benachbarten Rußland sowie aus Byzanz, dem damaligen Kulturzentrum. Auch arabische Einflüsse sind zu erkennen, ebenso mährische und tschechische, schließlich wohl auch solche von Seiten der pannonischen Slawen, wobei es sich hier letztlich um eine Ausstrahlung der ehemaligen römischen Provinz handelt. Wir werden uns nämlich heute immer besser dessen bewußt, daß die verhältnismäßig rasche Entwicklung der eben erwähnten slawischen Länder nicht zuletzt auch auf die 204
Übernahme eines Teils der früher römischen Werkstätten zurückzuführen ist. Auch hieraus erklärt sich wohl die besonders günstige Entwicklung in Südpolen zu Beginn des Frühmittelalters. Manche Fortschritte sind endlich auf die Aktivi-
Abb. 141
K o n i n . Meilensäule mit I n s c h r i f t von 1 1 5 1
tät der Kirche zurückzuführen; wir erwähnten in diesem Zusammenhang bereits den Weinanbau, daneben sind die Entwicklung der Steinmetzkunst und möglicherweise auch die Seidenraupenzucht, welche, wie in Poznan festgestellt werden konnte, hier schon im 10. J h . betrieben wurde, den Bemühungen des Klerus zuzuschreiben. All dies war natürlich nur möglich in Zeiten, da die wirtschaftliche Lage des Landes die Einführung solcher Neuerungen erlaubte. 205
Der Handel Namentlich die wohlhabenderen Schichten der polnischen Bevölkerung, teilweise aber auch die weniger bemittelten begnügten sich nicht ausschließlich mit den Erzeugnissen des einheimischen Handwerks. Zwar wuchs im Laufe des Frühmittelalters dessen Anteil an der Bedarfsdeckung des Binnenmarktes, was wiederum zu dessen Ausweitung führte; jedoch wurden auch viele Waren aus fremden Gebieten bezogen. Die Entwicklung des Binnen- und Fernhandels führte zu einer Änderung des Geldsystems im Polen der Vorpiastenzeit. Zu Beginn der
Abb. 142
Zawada Lanckoronska, Kr. Brzesko. „Geld" aus Eisen. 9. oder 10. Jh.
Entstehung des Staatswesens in unserem Lande (9./10. Jh.) waren außer „primitivem Geld" (Abb. 142) viele arabische Münzen im Umlauf; später gab es auch Geldsorten verschiedener anderer Länder. Die Verwendung fremder Münzen wurde unter anderem dadurch ermöglicht, daß lange Zeit hindurch deren Gewicht als Wertmaßstab angenommen wurde. Die erste polnische Münze stammt aus der Zeit Mieszkos I. (Taf. 16). Während des 9. bis 11. Jh. war auch in Polen die Thesaurierung von Geld- und Wertsachen eine typische Erscheinung; viele Schatzfunde (Taf. 16) bestätigen dies. Leider wurden jedoch die meisten von ihnen zufällig gefunden. Fast nichts wissen wir über die Bernsteinfigürchen, welche zusammen mit arabischen Münzen aus dem 10. Jh. in Tuchola (Wojewodschaft Bydgoszcz) entdeckt wurden; das Gesamtgewicht aller Bernsteingegenstände dieses Schatzes soll den Angaben des Finders zufolge 6 kg betragen haben. Die Entstehung des polnischen Staates führte zu einer Intensivierung der Kontakte mit anderen Ländern. Zwischen der zweiten Hälfte des 10. und dem 12. Jh. unterhielt Polen lebhafte Beziehungen nicht nur zum germanischen und 206
Abb. 143
Zalesie, Kr. Slupca. Münze des byzantinischen Imperators Jobannes Tzimiskes (969 — 976)
romanischen Westen, sondern auch zu Byzanz. Schon vor längerer Zeit wurde auf das Vorkommen verschiedener byzantinischer Bodenaltertümer (Abb. 1 4 3 ; 144) auf polnischem Gebiet aufmerksam gemacht — hierzu gehörten beispielsweise der Elfenbeinanhänger und das goldene Kreuzchen von Kruszwica, Kr. Inowroclaw, — und betont, daß der Beginn dieser Verbindung offenbar weit in das 10. J h . zurückreicht. Erst die jüngsten Ausgrabungen aber haben die volle Bedeutung jenes großen Zentrums frühmittelalterlicher Zivilisation für die Entwicklung der frühmittelalterlichen Kultur unseres Landes aufgezeigt. Als Maßstab der Bildung galt in jener Zeit nicht allein die Kenntnis der lateinischen, sondern auch die der griechischen Sprache, weshalb zum Beispiel rühmend
hervorgehoben wird, daß König Mieszko I I . (1024—1035) diese beherrschte. Die schwäbische Fürstin Mathilda schrieb in einem Brief an ihn, mit welchem zusammen sie ihm eine Miniatur und ein liturgisches Buch übersandte:,,... welcher unter Deinen Vorfahren hätte zur Ehre Gottes so viele Sprachen beherrscht. Wenn Du Gott in Deiner eigenen Sprache und auch auf lateinisch lobst, genügt Dir das nicht; Du wolltest auch noch das Griechische hinzufügen . . . " Ein sprechender Beweis dafür, wie stark im Leben des polnischen Hofes byzantinische Einwirkungen spürbar wurden, ist, wie Aleksander Gieysztor feststellte, das ungewöhnlich schöne Manuskript aus dem Besitz von Gertrude, der Tochter Mieszkos II. und Gemählin Isjaslaws von Kiew, in welchem sie um die Mitte des 1 1 . J h . lateinische Gebete mit byzantinischen Miniaturen vereinigte. Das polnische höfische Brauchtum verband somit, wie hier deutlich wird, westliche Züge mit russischen Gebräuchen. Im Jahre 1000 war fast das ganze Empfangszeremoniell Boleslaw Chrobrys für Kaiser Otto III. in Gniezno von beiden Seiten nach byzantinischem Muster organisiert. Und wenn schließlich Gallus Anonymus konstatierte, die polnischen Frauen aus der Zeit des eben genannten Fürsten seien mit kostbarem Schmuck so behangen, daß sie sich nur schwer bewegen konnten, so kommen in diesem Prunk ebenfalls östliche und byzantinische Einflüsse zum Ausdruck. Eine ähnliche Mischung byzantinischer und römischer Bräuche kann im frühmittelalterlichen Ungarn beobachtet werden. Allerdings muß hier gleich bemerkt werden, daß im 1 1 . und 12. J h . die byzantinische Kultur so stark auf ganz Europa ausstrahlte, daß die beiden eben genannten Länder mit ihrer Rezeption keine Ausnahme bildeten. War doch Konstantinopel bekanntlich ein Zentrum, an dem sich die großen Fernhandelsstraßen kreuzten. Ibrahim Ibn Jaqub betonte das Bestehen ausgedehnter Handelsverbindungen der Slawen, indem er schrieb: „Ihre Waren gehen auf dem Lande und dem Meere zu den Rus und nach Konstantinopel." Es ist recht wahrscheinlich, daß eine Reihe asiatischer Erzeugnisse, welche unter anderem aus China und von der arabischen Halbinsel stammten und in Gniezno und Opole gefunden wurden, über Bagdad und Konstantinopel hierher gelangten, möglicherweise auf dem von Byzanz über Rußland nach Polen führenden Wege. Die starke Einwirkung des Milieus von Byzanz verdeutlichen auch zahlreiche Kunstwerke. Immer häufiger stößt man jetzt bei den Ausgrabungen auf Mosaiksteine, und zwar nicht nur in den großen Zentren, sondern auch in einer Reihe abseits gelegener Ortschaften, von denen hier nur Santok, Kr. Gorzöw, genannt sei. Da sich in solchen Orten übrigens auch russische Bodenaltertümer fanden, darf wohl vermutet werden, daß die byzantinische Infiltration sich in recht erheblichem Maße über Rußland vollzog. Diese Infiltration trug auch zur Ausbreitung der Baukeramik in Polen bei — man übernahm die glasierten Platten, ähnlich wie dies in Bulgarien und Rußland der Fall war — und machte sich schließlich bei der Prägung von Münzen geltend. Durch Polens Vermittlung sind einige orientalische oder byzantinische Stoffe als Geschenke nach Deutschland geliefert worden. So lesen wir beispielsweise 208
im Nekrolog der Abtei St. Michael zu Bamberg über Mieszko II. folgendes: „Misico dux Poloniorum frater noster. Hic dedit nobis pallium et V I cappas puerorum et plurimum pecunie, unde facte sunt X X I V statue, que circa chorum sunt locate, I I I candeli." (Mieszko, Herzog von Polen, ist unser Bruder. E r sandte uns ein Pallium, sechs Knabenmützen und viel Geld, so daß 24 Statuen, die um den Chor aufgestellt sind, und 3 Leuchter angefertigt wurden.) Enge Verbindungen dürften auch mit dem romanischen Westen bestanden haben. Von dorther kam eine Reihe polnischer Kirchenfürsten, unter ihnen während des 12. J h . Bischof Alexander von Plock. Auch Gallus Anonymus, der Verfasser der ersten polnischen Chronik, war, wie diese Benennung andeutet, mit Sicherheit ein Romane. Für die genannten Kontakte sprechen ferner verschiedene Überreste romanischer Kunst und Architektur, darunter die 1959 entdeckten inkrustierten Gravierungen auf dem Mörtelfußboden in der Krypta von Wislica (Abb. 163), sowie die Tatsache, daß einige Polen an westlichen Hochschulen studierten. Unter den wertvollen Arbeiten aus dem Osten ragt eine silberne Trinkschale armenischer Herkunft aus dem 10. Jh. hervor, die in Wloclawek gefunden wurde und vielleicht als Messekelch diente. Rege Beziehungen bestanden auch mit wichtigen kulturellen Zentren Deutschlands, so mit Köln, Bamberg, Hildesheim und Magdeburg. Wie J . 2ak meint, sollen die Gemmen von den Fundplätzen in Poznan und Brzezno, Kr. Gorzöw Wlkp., aus Hildesheim stammen. Zahlreiche Funde russischer Provenienz (Abb. 145) sowie auch das Aufblühen verschiedener wichtiger Knotenpunkte entlang der großen Verkehrsader Rußland—Polen in jener Zeit bezeugen die Verbindungen zu diesem großen und damals blühenden Lande. Unter anderem spielte hier für die Verbindung auf dem Wasserwege die Ortschaft Drohiczyn eine große Rolle; dort entstand ein richtiger Umschlaghafen. Von dem erheblichen Ausmaß der in ihm getätigten Transaktionen sprechen Tausende dort gefundener Bleiplomben. Nicht alle Gegenstände lassen erkennen, ob sie aus Rußland selbst stammen oder aber bereits in polnischen Werkstätten nachgeahmt wurden. Unzweifelhaft ist die fremde Herkunft des in Ostrow Lednicki gefundenen Hornfragmentes eines „kiscien" — so hieß eine Waffe des Ostens, welche auch häufig in Rußland Verwendung fand. Nicht geklärt ist dagegen die Provenienz von Helmen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den russischen Funden aufweisen. Die diesbezüglichen Ansichten in der Literatur sind geteilt; jedoch ist sicher, daß jene Helme unter östlichen Einflüssen entstanden sind, wobei eine Vermittlerrolle Rußlands sehr wahrscheinlich ist. Einige andere östliche Importe, welche teilweise aus dem Wolgagebiet kamen, könnten nach Polen durch russische Vermittlung eingeführt worden sein (Abb. 146; 147). Handelsbeziehungen wurden schließlich auch mit den tschechischen, slowakischen und südslawischen Volksstämmen unterhalten. In der Tschechoslowakei fand man Gegenstände polnischen Ursprungs, darunter auch Keramik, ebenso wie in Polen verschiedene Güter aus diesem Raum. Unter anderem wurde in der kujawischen Ortschaft Morawy ein Bronzeknopf dortiger Herkunft entdeckt. 209
Abb. 145
Opole. Importstück aus der Kiewer Rus (Nowgorod). 2. Hälfte 12. Jh.
Groß war der tschechische Einfluß auf die polnische Kirchensprache. Aus der Slowakei, Ungarn oder Jugoslawien stammten die Funde der Bijelo-Brdo-Kultur, auf welche man in Gniezno, Poznan, Krakow und anderenorts stieß. Die mit den Awaren, den Magyaren sowie mit dem skandinavischen Norden bestehenden Verbindungen seien zum Schluß erwähnt. Im Jahre 1959 wurde aus dem Lednica-See ein Helm (Abb. 148) geborgen, welcher dem sogenannten Sankt-Wenzels-Helm ähnlich sieht. Vielleicht deutet er auf Einflüsse aus dem 210
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Abb. 148
Orchowo, Kr. Mogilno. Nordischer Helm aus Eisen. 1. Hälfte 11. Jh.
Norden hin. Daneben ist zu erwähnen, daß sich skandinavische K a u f l e u t e mitunter in polnischen Küstenstädten niederließen und sich oft mit der dort ansässigen Bevölkerung vermischten. A u c h mit den Balten wurde Handel getrieben, hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, im polnisch-baltischen Grenzgebiet.
Die Siedlungen Die Neugestaltung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse bewirkte auch eine wesentliche Änderung im Siedlungswesen. Bisher ist es bis auf einige Ausnahmen, deren. ethnische Zuordnung jedoch nicht sicher ist, noch nicht gelungen, auf polnischem Boden in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung das Bestehen von Burgen nachzuweisen. E s dürfte anzunehmen sein, daß solche zwar vorhanden waren, jedoch nur primitive Wehranlagen besaßen, deren Spuren infolgedessen bisher nicht aufgefunden werden konnten. In einzelnen Fällen könnte es vielleicht im Bereich der Siedlungen zur Aussonderung befestigter Plätze für die Ältesten gekommen sein. Grundsätzlich dominierten jedoch Anlagen, die typischen Dorfcharakter aufwiesen. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, daß im Süden des Landes die Siedlungen stärker differenziert waren; dort bestanden nämlich auch verhältnismäßig große „Industriekombinate". Im frühen Mittelalter änderte sich nun dieses Bild weitgehend. Die ländlichen Siedlungen unterlagen im Zusammenhang mit dem Entstehen des großen Feudalbesitzes einer unterschiedlichen Ausformung und 212
Abb. 148
Orchowo, Kr. Mogilno. Nordischer Helm aus Eisen. 1. Hälfte 11. Jh.
Norden hin. Daneben ist zu erwähnen, daß sich skandinavische K a u f l e u t e mitunter in polnischen Küstenstädten niederließen und sich oft mit der dort ansässigen Bevölkerung vermischten. A u c h mit den Balten wurde Handel getrieben, hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, im polnisch-baltischen Grenzgebiet.
Die Siedlungen Die Neugestaltung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse bewirkte auch eine wesentliche Änderung im Siedlungswesen. Bisher ist es bis auf einige Ausnahmen, deren. ethnische Zuordnung jedoch nicht sicher ist, noch nicht gelungen, auf polnischem Boden in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung das Bestehen von Burgen nachzuweisen. E s dürfte anzunehmen sein, daß solche zwar vorhanden waren, jedoch nur primitive Wehranlagen besaßen, deren Spuren infolgedessen bisher nicht aufgefunden werden konnten. In einzelnen Fällen könnte es vielleicht im Bereich der Siedlungen zur Aussonderung befestigter Plätze für die Ältesten gekommen sein. Grundsätzlich dominierten jedoch Anlagen, die typischen Dorfcharakter aufwiesen. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, daß im Süden des Landes die Siedlungen stärker differenziert waren; dort bestanden nämlich auch verhältnismäßig große „Industriekombinate". Im frühen Mittelalter änderte sich nun dieses Bild weitgehend. Die ländlichen Siedlungen unterlagen im Zusammenhang mit dem Entstehen des großen Feudalbesitzes einer unterschiedlichen Ausformung und 212
anstelle der früheren, ziemlich primitiven Wehrsiedlungen kam es zum Bau stärker befestigter Burgen. Aufgrund der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Angaben traten diese am frühesten, nämlich im 6. und 7. Jh., ebenfalls wieder im Süden in Erscheinung. Bisher kennen wir sie aus Schlesien, aber höchstwahrscheinlich existierten sie auch in der Gegend von Krakow und dem Lubliner Land. Vielleicht waren sie hier sogar schon früher vorhanden; die Funde in Chodlik, Wojewodschaft Opole Lubelskie, scheinen dies anzudeuten. Etwas später treffen wir sie in Großpolen an; wir können sie hier erst ins 8. und 9. Jh. datieren. Die ältesten bisher erforschten sind jene von Ostrow Lednicki und Gniezno. Die oben erwähnten Wandlungen spielten sich jedoch nicht in einem überstürzten Tempo ab; denn noch zur selben Zeit entstanden in Santok und Lgczyca Wehrsiedlungen mit Palisadenzaun (Abb. 149). Stark befestigte Burgen wurden auch ziemlich früh in Pommern und Masowien gebaut; auch hier wird ihre Anlage für das 8. und 9. J h . angenommen. Alle diese Burgen lagen an Plätzen, welche sich zur Verteidigung besonders gut eigneten, viele von ihnen zugleich in Riegelstellungen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten. Wenn das Landschaftsbild es erlaubte, legte man sie oft in Niederungen oder auf Fluß- und Seeinseln an (Abb. 150). Aus dieser Tatsache wurde von der Forschung häufig auf eine besondere Vorliebe der Slawen für feuchte oder moorartige Plätze geschlossen, welche sie aus ihrer angeblichen Urheimat, dem Polessje, mitgebracht haben sollen. Diese Meinung jedoch besteht zu Unrecht; sie muß als recht oberflächlich angesehen werden. Genauere Untersuchungen haben nämlich gezeigt, daß bei der Wahl geeigneter Plätze für den Bau von Burgen die Hügelstellungen von den Slawen durchaus auch genutzt wurden, sofern sie die besten Bedingungen für die Verteidigung des jeweiligen Gebietes boten. Die tiefe Lage vieler Burgen erklärt sich, wie schon gesagt, meist einfach aus dem vorherrschenden Landschaftsbild. Der frühpolnischen Bevölkerung muß man ungewöhnliche Fähigkeiten bei Bodenbefestigungen zubilligen, wobei sie die jeweiligen natürlichen Vorteile wohl auszunutzen verstand. Für die Neugestaltung im Siedlungswesen charakteristisch ist nicht nur das Entstehen der Burgen selbst — welche übrigens in der Regel nicht groß waren und meist einen Raum von 0,1 bis 0,3 oder 0,5 ha, nur in seltenen Fällen von mehreren ha einnahmen —, sondern auch die Konzentration von Dienstsiedlungen in ihrem Umkreis. Die wachsenden Bedürfnisse der neuentstehenden Feudalklasse bewirkten, daß neben verschiedenartigem Dienstpersonal auch Handwerker in der Nähe der Burgen ansässig wurden. Auf diese Weise stieg dort die Zahl der freien Bevölkerung, welche neben den von verschiedenen Seiten her zugewanderten Handwerkern ebenfalls Angehörige der Feudalklasse umfaßte. Derart entstanden auch günstige Voraussetzungen für den Warenaustausch sowohl im Binnen- wie im Fernhandel. Ob es zur Bildung einer kleineren oder einer größeren Siedlung (Suburbium) im Räume der Burg selbst kam, hing von verschiedenen Umständen ab. Sicher ist jedoch, daß auf diese Art die Keimzellen der Städte entstanden, welche auch in Polen später zu einer charakteristischen Erscheinung des Feudalsystems wurden. Die gegenseitige enge Verbundenheit von Burg und Burg-
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Abb. 149
Tum, Kr. tçczyca. Palisadenwehrzaun. 8. oder 9. Jh. Rekonstruktionsversuch
Abb. 150
Kruszwica, Kr. Inowroclaw. Burgwall aus der Vogelperspektive
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Siedlung sowie die Einsicht der feudalen Oberschicht in die sich daraus ergebenden Vorteile führten dazu, daß ziemlich früh auch die Suburbia befestigt wurden. Es begann somit die Entwicklung eines Siedlungstypus, der für die Städte mit autochthonem Recht vorherrschend wurde. Daß die Feudalklasse in der angegebenen Richtung zielbewußt vorging, kann aus verschiedenen Angaben mittelbar erschlossen werden. Wir wissen, daß der Bedarf an Handwerkern damals sehr groß war. Diese Entwicklung führte im Endeffekt zur Entstehung der polnischen Städte, war jedoch mitnichten der einzige Weg. Stadtkerne bildeten sich nämlich auch in Zentren aus, welche auf Grund nahegelegener Rohstoffvorkommen größere „industrielle" Bedeutung besaßen; ebenso auch an Punkten, die eine besonders günstige Lage für den Handelsverkehr aufwiesen. In manchen Fällen verhinderten die beschränkten räumlichen Verhältnisse die Ansiedlung der Bevölkerung in unmittelbarer Nähe des Burgwalls, weshalb es dann zur Niederlassung in einiger Entfernung von der Burg kam. Ein klassisches Beispiel für das Entstehen eines städtischen Zentrums auf diese Weise ist Leczyca. Gelegentlich haben wir es hier mit einer anderen Situation zu tun, deren Genese sich jedoch noch nicht klar genug abzeichnet: nämlich dann, wenn eine Stadt gleichzeitig mit einem dazugehörigen Feudalsitz entstand. Es umgeben dann die Stadtmauern die gesamte Niederlassung, wobei im Rahmen derselben eine weitere innere Befestigungslinie den Sitz des Fürsten oder seiner Beauftragten umgibt. Diese Art der planmäßigen Anlage wird, worauf seinerzeit bereits Tymieniecki hingewiesen hat, in mehreren schriftlichen Aufzeichnungen über Westpommern (Abb. 151) erwähnt. Herbord erzählt an einer Stelle, daß der Fürst in verschiedenen Städten seinen Herrenhof besaß, der sich von anderen Häusern nicht nur durch seine Bauart, sondern auch durch das mit ihm verbundene Asylrecht unterschied. Tymieniecki hob richtig hervor, daß letzteres ein fürstliches oder ein städtisches „Mir" war — ein Begriff, der dem deutschen Burgfrieden entspricht. Mit einem solchen Hof dürfte, wie die Stadtbebauung erkennen läßt, für einen gewissen Zeitabschnitt auch in Gdansk und Opole zu rechnen sein. Da in der letztgenannten Stadt das Bestehen einer eigenen, mit dem Suburbium eng verbundenen Burg bisher nicht festgestellt werden konnte, ist die Vermutung ausgesprochen worden, daß dieser Ort jenem Typus zugehört, in welchem sich kein mit der Siedlung verbundener fürstlicher Sitz befand. Diese Annahme scheint irrig; der Sitz befand sich vermutlich in ähnücher Lage, wie dies bei den Städten in Westpommern der Fall ist. Neben den eben besprochenen typischen Beispielen des Aussehens und der Entstehung frühpolnischer Städte gab es eine Unzahl anderer Varianten. Jedenfalls aber umfaßten die größten Städte unseres Landes zur Zeit ihrer Hochblüte außer einer Burg auch mehrere Suburbia sowie eine Reihe mit ihnen verbundener offener Siedlungen, darunter auch Marktsiedlungen. Sie waren somit typisch slawische Städte. Ähnliche Anlagen kennen wir sowohl vom russischen Gebiet her wie auch aus Mähren und einigen anderen slawischen Bereichen. Wenn man die Frage ganz allgemein betrachtet, kann man sagen, daß die Städte in Polen 215
zur selben Zeit und unter ähnlichen Bedingungen entstanden wie alle anderen im Raum zwischen Rhein und Dnepr. Die zeitliche Reihenfolge dürfte sich hierbei etwa folgendermaßen darstellen: Im 9. J h . bestanden bereits Stadtsiedlungen in Westpommern und Südpolen, wogegen sich im mittleren und nördlichen Großpolen in jener Zeit erst die Kerne solcher Siedlungen bildeten. Ein ähnliches
Abb. 151
Szczecin. Plan des Stadtzentrums um das 12. Jh. mit zwei Burgen und einem Suburbium
Tempo nahm die Entwicklung dieser Plätze in verschiedenen Teilen Polens seit der zweiten Hälfte des 10. J h . an. Die Zeit der Hochblüte der Städte, welche mit der Blüte der bodenständigen Gewerbe verknüpft war, entfiel in unserem Lande auf die erste Hälfte des 12. J h . Einige Städte erreichten sie schon früher, so zum Beispiel Gniezno, Poznan, Kruszwica, Krakow, Wroclaw und Opole, auch Wolin, Szczecin, Kolobrzeg und Plock in Masowien. Lange Jahre wurde über die Frage debattiert, ob die polnischen Orte mit autochthonem Recht den Stadtsiedlungen zuzuzählen seien oder ob diese Bezeichnung ihnen erst nach der Annahme eines besonderen, von außen verliehenen 216
Stadtrechtes zustehe. Diejenigen, die sich für die letztere Meinung aussprachen, versuchten die Entstehung der polnischen Städte mit dem Prozeß der deutschen Ostkolonisation zu verknüpfen. In der Diskussion wurden die verschiedensten Argumente vorgebracht. Man ging teilweise so weit, eine stärkere Entwicklung des polnischen Handwerks vor der Periode der deutschen Expansion überhaupt in Zweifel zu stellen; seine Anfänge wurden dann der Zeit nach der Mitte des 10. J h . oder sogar einer noch späteren zugeschrieben. Als wichtigstes Argument sollte dabei das Fehlen entsprechender Rechtsnormen dienen. Heutzutage wird dieser scholastische Standpunkt im allgemeinen nicht mehr vertreten, auch nicht in der deutschen Literatur. Und dies mit Recht, denn die schriftlichen Quellen wie auch die Ausgrabungen haben eine derartige Fülle von Tatsachen zutage gefördert, daß man heute vielen damaligen Ortschaften Polens städtischen Charakter nicht mehr absprechen kann. Das Verständnis für diese Tatsache ist besonders durch die archäologischen Forschungen der letzten Jahre untermauert worden, welche beweisen, daß die polnischen Städte aus heimischen Wurzeln emporgewachsen sind. Ihre Bewertung als Städte seitens der Zeitgenossen geht nicht zuletzt aus den in den Schriftquellen angewandten Bezeichnungen hervor: E s sind dies meist Worte, die im Lateinischen die Bedeutung „Stadt" haben. Für Bischofssitze wurde häufig die Bezeichnung „civitas" verwendet, mit der bekanntlich oft auch die Bischofssitze im Westen versehen wurden. Gewisse Abweichungen von dieser Regel sind manchmal festzustellen; so verwendete Thietmar für Poznan ,,urbs" und „civitas" als Synonyma, und Tymieniecki hat darauf aufmerksam gemacht, daß mit dem ,,civitas"-Namen gelegentlich auch solche slawischen Städte bezeichnet wurden, die keine Bischofssitze waren. Neben „urbs" begegnen wir auch dem Terminus „oppidum". Sehr deutlich wird unterschieden zwischen städtischen und ländlichen Zentren (villae) sowie zwischen Stadtbewohnern (cives) und Landleuten (rustici); auch hierauf hat Tymieniecki schon vor langer Zeit hingewiesen. In manchen Fällen hing die Entwicklung von städtischen oder Handelsniederlassungen mit dem Vorhandensein von religiösen Kulturzentren zusammen. Selbstredend war die Reihenfolge des öfteren auch umgekehrt, indem dann zu einem bestehenden Ort eine Kultstätte hinzukam. Die sichersten diesbezüglichen Hinweise besitzen wir über die Städte und Handelsplätze in Westpommern, während wir für die Orte im Inneren des Landes nur vermuten können, daß sich dort die Vorgänge in ähnlicher Weise abspielten, ohne jedoch Gewißheit darüber zu haben. Möglicherweise gehört auch Gniezno in diese Reihe, wo an der Stelle des heutigen Domes eine Feuerstelle gefunden wurde, die vielleicht Kultzwecken diente. Die in den frühpolnischen Städten zu einem späteren Zeitpunkt erbauten Kirchen waren zweifellos von Bedeutung für ihre weitere Entwicklung, doch darf man diese Tatsache nicht als den einzigen Impuls zu ihrem Aufstieg ansehen. Die wesentlichen Ursachen hierfür waren vielmehr wirtschaftlicher oder politischer Natur. In den frühpolnischen Städten wohnten neben Angehörigen der Feudalklasse, welche sich zum Teil auch mit dem Fernhandel befaßten, Handwerker und Kaufleute, Landwirte und Fischer sowie das zahlreiche feudale Dienstpersonal. 15 Hensel
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Alle diese Gruppen waren für den städtischen Charakter der Niederlassung bestimmend, am deutlichsten wurde dieser jedoch von den Handwerkern und Händlern geprägt. Die Marktplätze sowie oft auch die Sakralbauten und Schenken lagen in sehr vielen Fällen in der Vorstadt. In den größeren Orten gab es an den regulären Markttagen selbstredend viel Verkehr und Lärm. E s bestand eine gewisse Teilung der Aufgaben zwischen den großen, mittleren und kleineren Märkten, die auch ihre Absatzgrenzen bestimmte. Die Entfernung zwischen den größten Städten betrug in der Regel 50 bis 70 km, zwischen großen und mittleren ungefähr die Hälfte; wieder etwa auf halbem Wege lagen die kleineren Siedlungen. Selbstverständlich gab es von diesem Entfernungsschema häufig Abweichungen, welche nicht nur von wirtschaftlichen, sondern auch durch politische Momente bedingt waren. Die großen Binnenstädte hatten in ihrer Blütezeit 4000 bis 10000 Einwohner und nahmen eine Fläche von etwa 0,75 ha (Opole mit rund 160 Häusern und 800 Einwohnern) bis zu 10 ha ein. In Westpommern waren die Städte größer; in einzelnen Fällen wie in Wolin und Szczecin überstieg ihre Einwohnerzahl 10000. Zahlreiche schriftliche und archäologische Quellen zeigen, daß den Kern der Bevölkerung bodenständige Elemente bildeten und nur ein geringer Prozentsatz fremdländischer Herkunft war. Erst in späterer Zeit begann sich diese Situation zu ändern. In den Küstenstädten gab es unter den Einwohnern wohl auch Wikinger, denn in Wolin und.Gdansk grub man neben typisch slawischen Bauten auch solche mit Palisadenkonstruktion, einer besonders für den Norden charakteristischen Technik, aus. Im 10. J h . (Przemysl), aber spätestens im 12. J h . müssen an verschiedenen Punkten des Landes Juden ansässig gewesen sein. Bedeutend war ihre Rolle im Wirtschaftsleben zur Zeit Mieszkos I I I . Zu seiner Zeit trug der Stempel der fürstlichen Münzen hebräische Buchstaben. Die Juden befaßten sich zweifellos auch mit dem Fernhandel; jüdische Kolonien bestanden bereits im 10. J h . an der Sächsischen Saale. Im 12. J h . gab es, wie der Liber fundationis claustri sanctae Mariae virginis in Heinrichow zeigt, in Wroclaw wallonische Weber, die dort in der Italienischen Straße (platea Romanorum) wohnten. Zu bemerken ist auch, daß sich die Mitglieder der fürstlichen Gefolgschaft nicht selten aus Kreisen der ansässigen Fremdbevölkerung rekrutierten. In Lutomiersk bei Lodz wurde ein Friedhof entdeckt, auf dem insbesondere die Männergräber fremdländisches Inventar enthielten und auch eine andere Form der Bestattung aufwiesen; die Frauengräber besaßen dagegen viele Beigaben lokaler Herkunft. Zu den verschiedenen Hypothesen über die Abstammung der dort begrabenen Personen gehört auch diejenige, daß hier normannische Gefolgschaftsleute ihre letzte Ruhe fanden. Diese müßten sich dann wohl vor ihrer Einwanderung nach Polen längere Zeit hindurch in der Kiewer Rus aufgehalten haben. Die bedeutenderen städtischen Zentren waren von massiven Wällen (Abb. 152) umgeben, welche meist 10 bis 20 m breite und etwa 10 m hohe Holz-ErdeKonstruktionen waren. Allein die Anlage dieser Befestigung erforderte sehr umfangreiche Bauarbeiten. So wurde für die verhältnismäßig kleine Stadt Opole errechnet, daß zur Errichtung des Stadtwalles 5 000 m 3 Holzmaterial benötigt 218
wurden und daß die Bauarbeit 50000 Arbeitstage erforderte. Bei größeren Städten waren die entsprechenden Zahlen natürlich weit höher; sie erreichten mitunter das Zehnfache. Bedeutende Mittel mußten auch zur Erhaltung der Befestigungswerke aufgewendet werden. Das Stadtinnere war meist mit Holzhäusern bebaut; auch die Straßen hatten einen Holzbelag (Abb. 153). Von der zweiten Hafte des 10. J h . an begann sich dieses Bild zu ändern. E s wurden immer mehr Kirchen aus Stein erbaut; in manchen Burgen entstanden auch
Abb. 152
Poznan. Blick auf den Wall aus der 2. Hälfte des 10. Jh.
steinerne Paläste. Außer den früher bekannten auf Oströw Lednicki sind kürzlich neue in Giecz, Krakow, Wislica, Przemysl, Legnica und Plock entdeckt worden. In Kamien Pomorski wurde schon früh eine riesige Steinmauer gebaut. In einigen Burgen Südpolens konnte man steinerne Blendmauern feststellen, wie sie auch in Mähren zu finden waren. Die Burgen von Kaszowo, Strzelno und Kalisz wiesen Steintürme auf (Abb. 1 5 4 ; 155). Diese neuen Monumentalbauten veränderten das Bild der früheren nach ländlicher Art gebauten stadtähnlichen Siedlungen. Man kann sich vorstellen, welchen Eindruck zum Beispiel in der zweiten Hälfte des 10. J h . die Stadt Poznan auf die Menschen jener Zeit ausüben mußte. Der gewaltige zweigliedrige Verteidigungskomplex besaß einen Wall, dem eine Berme aus Holz und Stein vorgelagert war. Innerhalb der Burg stand der imposante Palast des Fürsten 15*
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Abb. 153
Opole. Rekonstruktionsversuch eines Hauses des 12. Jh. Holz
und im Suburbium die prachtvolle steinerne Kathedrale, in deren Innerem die Gebeine Mieszkos I. (f 992) in einem einfachen, aber majestätischen Grabmal, welches mit Gabrostein ausgelegt war, ruhten. Nach dem Tod Boleslaw Chrobrys (1025) wurde ein noch gewaltigeres Grabmal errichtet, in welches die sterblichen Überreste Mieszkos überführt wurden, wo sie nun neben denen seines großen Sohnes ruhten. Bei den Ausgrabungen in Poznan und Gniezno ist man bisher noch nicht auf die Überreste der dortigen Paläste gestoßen. Aus indirekten Angaben kann jedoch
Abb. 154 220
Kaszowo, Kr. Milicz. Steinturm (Ruinen). 11. Jh.
entnommen werden, daß es sich hier um stattliche Bauwerke handelte. Die Residenzen der Fürsten auf Ostrow Lednicki, in Giecz, Kr. Sroda, sowie in Przemysl waren aus Stein erbaut. In Giecz befand sich zu Anfang des 1 1 . J h . eine zweite, ähnliche Residenz im Stadium der Planung beziehungsweise der ersten Ausführung; die Vorfälle der Jahre 1038/1039 verhinderten jedoch ihre Vollendung. Auch in Plock und Legnica konnten steinerne Paläste aus dem
Abb. 155
Strzelno, Kr. Mogilno. Klosterensemble mit romanischen Kirchen (1, 3), Turm (2) und heidnischen Steinschalen (4 — 6)
1 1 . / 1 2 . J h . ausgegraben werden. Herbord führt an, daß der fürstliche Palast in Wolin besonders massiv ausgeführt war: ,,aedificium . . . fortissimum, trabibus et tabulis ingentibus compactum, quod stupam vel pirale vocant" (ein sehr festes Gebäude, aus ungeheuren Balken und Brettern zusammengefügt, das sie stupa oder pirale nennen). Neben der Kathedrale zu Poznan baute man am Beginn des 1 1 . J h . Steinhäuser für die Priester; es kam weiter zur Errichtung eines zweiten befestigten Suburbiums; die Zahl der Steinkirchen stieg, und um sie herum bildeten sich in der Regel Marktplätze. Auf dem linken Ufer der Warta kam es möglicherweise zum Bau einer zweiten Burg, dem sogenannten locus sancti Gotthardi, an die sich wohl ebenfalls ein Marktplatz anschloß. Einen eindrucksvollen Anblick muß auch 221
Krakow geboten haben. Seine ältesten Steinbauten, unter ihnen die Kirche des hl. Salvator, reichen vielleicht bis ins 9. Jh. zurück; eine wahrhaft glanzvolle Residenz mit steinernen Palästen und zahlreichen Sakralbauten wurde jedoch erst das Krakow des 1 1 . und 12. Jh. Jene Zeit war auch eine Periode der großartigen Entfaltung von Wroclaw und seiner romanischen Architektur. Hier wirkte möglicherweise eine Art Bildhauerschule, welche ihre Vorbilder dem Lütticher Milieu entlehnte. Somit können uns weder die Worte Thietmars verwundern, mit denen er den gewaltigen Eindruck schilderte, welchen Kaiser Otto III. von Polen empfing, das er für ein völlig „barbarisches" Land gehalten hatte, noch die Beschreibungen polnischer Städte des 12. Jh. aus der Feder des arabischen Geographen Al-Idrisi oder die Schilderungen der Weichbilder von Szczecin und Wolin, welche uns ein deutscher Chronist hinterließ. Al-Idrisi schrieb: „Was das Land Bu/lun/i/ja betrifft, das ein Land des Wissens und der rumiischen Weisen ist, so haben wir schon vordem davon gesprochen. Es ist ein Land mit schönem und fruchtbarem Boden, reich an Quellen und Flüssen, aneinander gereihten Provinzen und großen Städten ... Zu diesen Städten gehören: I/kraku (Krakow), G/i/nazna (Gniezno), R/a/t/i/slaba (Wroclaw?), S/i/rad/i/ja (Sieradz), N/u/grada (nach Tadeusz Lewicki das slowakische Novohrad), S/i/tnu (Szczecin?). All diese sind berühmte Hauptstädte und starke Zentren, in denen sich der Reichtum von mancherlei Ländern sammelt. Auch genießen sie Wertschätzung, da dort Gelehrte (weilen), die in der Wissenschaft und der rumiischen (d. h. der christlichen) Religion wohl bewandert sind. Ihre Handwerker sind geschickt und verstehen sich auf ihr Fach. Was I/kraku, die Stadt G/i/nazna und den Rest ihrer Städte betrifft, so sind dies Orte mit dicht aneinander stehenden Häusern und einer Reihe natürlicher Güter; sie sind in ihrer Größe annähernd gleich, und ihre Beschreibung wie ihr Aussehen sind identisch (ähnlich). (Sie) sind auch ungefähr gleich, (soweit es um) ihre zahlreichen Erzeugnisse (geht)." Wenn man diese natürlich sehr allgemeine Beschreibung mit den archäologischen Untersuchungen vergleicht, so stellt man, von einigen Einzelheiten abgesehen, eine erstaunliche Übereinstimmung mit der damaligen Wirklichkeit fest. Auch die Bemerkung Al-Idrisis über die gebildeten Leute, welche in diesen Städten wohnten, ruft keine ernsteren Bedenken hervor, denn auch in dieser Richtung haben die neueren Forschungen wichtiges Material zutage gefördert. Wir wissen heute, daß es in den größeren Zentren ziemlich umfangreiche Kathedralbibliotheken gab und daß daneben ein entwickeltes Netz von Schulen bestand. Auf letzteres weisen unter anderem auch die in verschiedenen, auch kleineren Ortschaften jüngst in immer größerer Zahl aufgefundenen, zum Schreiben auf Wachstafeln bestimmten Griffel hin. Hier sei dazu noch einmal auf die hohe Bildung Mieszkos II. hingewiesen, dessen Sohn, Kasimir (1038—1058), welcher mit seiner Mutter R y x a in der Verbannung weilte, vermutlich in der französischen Abtei Dijon zur Schule ging. Daneben wurden auch andere ausländische Bildungsstätten häufig von den Söhnen der polnischen Fürsten sowie von weiteren Angehörigen der Feudalklasse aufgesucht. Auch auf diese Weise wurden Beziehungen zu den führenden Kulturzentren angeknüpft. 222
Offen ist derzeit noch die Frage nach der Verwendung der slawischen Schriftsprache auf einem Teil des polnischen Territoriums. Besonders in Kleinpolen dürfte sie in Gebrauch gewesen sein; jedoch ist dies nicht sicher. Jedenfalls begann von dem Augenblick an, da Mieszko I. die Taufe annahm, das Latein im amtlichen
Abb. 156
Chelm Drezdenecki, Kr. Strzelce Krajenskie. Toilettengarnitur. Silber. 1 1 . Jh.
Gebrauch die bodenständige Sprache weitgehend zu verdrängen, deren Weiterentwicklung dadurch erschwert und die Verbreitung des slawischen Schrifttums gehemmt wurde. Andererseits jedoch machte die Latinisierung sogar in der Kirche nur langsame Fortschritte, so daß im 13. J h . ein päpstliches Legat schließlich die Abhaltung der Messe in polnischer Sprache zuließ, da „das Volk noch immer nicht verstehe, was es glaubt". Ein wichtiger Faktor zur Entwicklung der einheimischen Sprache dürfte die am Ende des 9. J h . , besonders aber nach dem Zerfall des Großmährischen Reiches zu Beginn des 10. J h . erfolgte Ein223
führung des slawischen Rituals in der christlichen Kirche Kleinpolens gewesen sein; jedoch sind die Belege hierfür sehr dürftig. In den polnischen Städten wurde auch für Hygiene gesorgt. Dies zeigen erstens die zahlreichen Dampfbäder, welche zum Teil allen Bewohnern zugänglich waren; ferner die Spuren von getünchten Wänden und die aufgefundenen Toilettengeräte (Abb. 156). Nicht selten wurden Aborte gebaut. Deutlich erkennbar ist auch die nach damaligen Maßstäben erhebliche Sorge für die Reinhaltung der Wohnungen und Straßen (Abb. 157). Letztere instandzuhalten gelang nicht immer, da sie häufig auf feuchtem Untergrund, Schutt oder sogar auf Düngerschichten auflagen. Obwohl sie sorgfältig mit Holz belegt waren, trat daher nicht selten Schlamm aus. Dies berichtete Herbord in bezug auf Wolin, betonte jedoch gleichzeitig, daß man sich bemühte, diesem Übel abzuhelfen. Es heißt bei ihm „Plateae autem civitatis palustres erant et lutosae, et pontes civitatis exstructi, et tabulae undique positae propter lutum." (Die Straßen der Stadt waren sumpfig und schmutzig, und wegen des Schmutzes waren in ihr Brücken hergerichtet und überall Bretter gelegt). Unsere heutigen Begriffe von Reinlichkeit verletzt vielleicht der Gedanke, daß die Häuser mitunter auf Düngerschichten errichtet wurden oder sich an einer ihrer Wände ein Düngerhaufen befand. Dies war jedoch in der damaligen Zeit auch in anderen Ländern allgemein üblich — es ging dabei um den Schutz gegen Bodenfeuchtigkeit und Kälte. Obwohl die Entwicklung der frühpolnischen Städte im allgemeinen recht gleichartig verlief, gab es, wie oben schon angedeutet wurde, in bestimmten Dingen einige Abweichungen. Deren Ursachen waren vielfältiger Natur. Die besonders günstigen Entwicklungsbedingungen einiger Küstengebiete Westpommerns bewirkten, daß dort wie im Süden städtische Siedlungen nicht nur ziemlich früh entstanden, sondern mit der Zeit auch zu einer Art Stadtrepubliken wurden. Hier zeigt sich somit eine ähnliche Entwicklung wie in Groß-Nowgorod. Bis ins 12. Jh. hinein spielten die heidnischen Kultstätten in jenen Städten eine große Rolle. Wir sind in der glücklichen Lage, außer reichhaltigen archäologischen Funden für die westpommerschen Hauptzentren auch recht gute Schriftquellen zu besitzen, wodurch wir einen guten Einblick in die Bebauung und die Stadtplanung erhalten. Über Wolin schrieb um die Mitte des 1 1 . J h . der Kanonikus Adam von Bremen: „ E s ist wirklich die größte von allen Städten, die Europa birgt; in ihr wohnen Slawen und andere Stämme, Griechen und Barbaren. Auch 'die Fremden aus Sachsen haben gleiches Niederlassungsrecht erhalten, wenn sie auch während ihres Aufenthalts ihr Christentum dort nicht öffentlich bekennen dürfen ... Die Stadt ist angefüllt mit Waren aller Völker des Nordens; nichts Begehrenswertes oder Seltenes fehlt. Hier steht ein ,Vulkanst o p f , die Einwohner sprechen von .griechischem Feuer'". Im 12. J h . begann Wolin zu verfallen; es wurde rasch von Szczecin überflügelt, das auch schon vordem, wie jüngste Ausgrabungen zuverlässig beweisen, eine bedeutende Rolle als städtisches Zentrum gespielt hatte. In Szczecin standen neben den heidnischen Heiligtümern Wirtshäuser, und um diese herum gab es freie Plätze. Besonders 224
eindrucksvoll präsentierten sich die SakraIbauten. Ebo, der Biograph Bischof Ottos von Bamberg, dos Missionars von Westpommern (1124 .1128) sc] trieb in seiner während der fünfziger Jahre des 1.2. Jli. verfaßten Lebensbeschreibung: ..Szczecin wiederum ist eine, sehr große Stadt, größer als Julin (Wolüi); es schließt in seinen) Umkreis drei Anhöhen ein, von denen die mittlere, höhere, wddio Triglav. dem größten heidnischen Gott, geweiht war, ein dreiköpfiges Ebenbild
Abb. 157
Sypniewo, Kr. Makmv Atnzowiodd. Brunnen
trug, und dieses war bedockt mit einem goldenen Schleier über Augen und. Lippen . . . " Herbord, dessen Werk nur wenige Jahre später als Kbos entstand, führte zum gleichen Thema, aus: „In der Stadt Szczecin waren dagegen vier Tempel, von denen einer, der wichtigste unter ihnen, mit wunderbarer Ehrfurcht und Kultur errichtet war, innen und außen geschmückt mit Skulpturen, die ans der Wand heraustraten (: ; Flachreliefs). Dort gab es Abbildungen von. Menschen, Vögeln und wilden Tiereu in so charakteristischer Darstellung, daß >ie zu leben und zu atmen schienen. Was mir als besonders ungewöhnlich auffiel, war dies, daß das Kolorit der im Freien angebrachten Bilder weder durch Schnee noch durch Regen geschwärzt oder verwaschen wurde, da. die ilaler sie in ge.->ebiekter Weise davor geschützt hatten. In diesem Heiligtum wurden nach der Vater .Brauch die erbeuteten Schätze und Waffen der Feinde sowie alles, was in den Kämpft!« zur See und zu Lande errungen worden war, als Zehen! der Kriegsbeute niedergelegt. Auch goldene und silberne Krüge waren dort aufgestellt, die 225
zum Wahrsagen dienten und von den Machthabern oft zu Gastmählern, Gelagen und anderen Anlässen gewissermaßen aus dem heiligen Verwahrungsort hervorgeholt wurden. A u c h große Hörner von Wildstieren, in Gold und Edelsteine gefaßt, die zum Trinken dienten; daneben Hörner zum Blasen, Schwerter und Messer, viele andere kostbare und seltene, für das Auge wohlgefällige Gegenstände finden sich dort . . . Die drei anderen Heiligtümer standen in nicht so hohem Ansehen und waren weniger geschmückt. Im Inneren standen dort im Kreis Sitze und Tische . . . auch dort war eine gewaltige laubbedeckte Eiche, und unter ihr entsprang ein sehr anmutiges Quellchen." Die Massivbauten der Burgen sowie die Städte bildeten im Siedlungsbild unseres Landes ein völlig neues Element. Das Gros der Bevölkerung — das Gebiet Polens hatte um das Jahr 1000 eine Größe von etwa 250000 km 2 , seine Einwohnerzahl wird auf rund 1125000 geschätzt, so daß 3 bis 6 Menschen auf 1 km 2 kamen — wohnte jedoch weiterhin in ländlichen Siedlungen. A u c h hier trat jedoch mit der Zeit eine gewisse Differenzierung ein. E s entstanden allmählich Feudalgüter, die Marktorte mit ihren Kirchen und Schenken blühten auf, und an den Sitzen der Grundherren wurden Dienstsiedlungen angelegt. D a ß auch ein Teil der Kriegsgefangenen auf dem Lande angesiedelt wurde, geht aus gewissen charakteristischen Ortsnamen wie Morawy, Prusy, Pomorzany hervor. D a die ländlichen Siedlungen, wie gesagt, den Großteil der Bevölkerung beherbergten, hing von ihrer Entwicklung
Abb. 158
226
Pläne der Steinpaläste mit Rundkirchen. 1. Oströw Lednicki, 2. Giecz, 3. Przemysl. 10.—11. Jh.
Abb. 159
Plock. Steinpalast. 11./12. Jh.
Abb. 160
Plock. Domkapitelsiegel. 12. Jh.
auch weitgehend das Wohlergehen der Städte ab. Beide Gruppen waren in wirtschaftlicher Beziehung eng miteinander verbunden. Eine günstige Entwicklung der Stadt war nur dann möglich, wenn diese sich auf einen inneren Markt stützen konnte. Aus diesem Grunde war es überaus wichtig, ein gesundes Gleichgewicht zwischen beiden Siedlungsformen zu erhalten. Der Verfall des Dorfes zog stets auch den Ruin der Stadt nach sich. 227
Steinbauten, die zuweilen mit Mosaiken oder Fresken geschmückt waren, wurden nicht nur in den Städten erbaut; auch einige der bedeutenderen Fürstensitze waren massiv. Am frühesten, nämlich zu Beginn des 1 1 . Jh., entstand ein derartiges Palatium in Oströw Lednicki bei Gniezno (Abb. 158). Heute sind nur noch seine Ruinen zu sehen; allein die östlich sich anschließende zentrale Burgkapelle ist erhalten. Die zahlreichen Rekonstruktionsversuche zeigen, daß hier einst eine mächtige Residenz gestanden haben muß, die zu den interessantesten Beispielen des Bautyps jener Zeit gehörte. Auch die Klöster und ihre Kirchen wurden aus Stein erbaut, wie dies in Trzemeszno, £§czyca, jüngst in Plock zuverlässig festgestellt worden ist (Abb. 159; 160).
Die Kunst In der Kunst und Kultur unseres Landes, welche gleichfalls während des frühen Mittelalters bedeutende Veränderungen erlebte, begannen sich zwei Entwicklungsrichtungen immer schärfer abzuzeichnen. Seit dem 1 1 . und 12. J h . wurde nämlich die bildende Kunst immer mehr zur Domäne der oberen Schichten der Bevölkerung; daneben aber floß ein zweiter Strom, den man vielleicht mit dem Ausdruck „Volkskunst" umschreiben könnte, obwohl er der damals bestehenden Situation nicht genau entspricht. Wir müssen uns nämlich dessen bewußt sein, daß der Kreis der „Konsumenten" der zu jener Zeit geschaffenen Werke noch nicht so differenziert war wie später — eine Tatsache, welche sich auch auf die Form der künstlerischen Darstellung sowie auf die Ausführungstechniken auswirkte. Ebenso wie in der Architektur sind die genannten zwei Richtungen der Bildhauerkunst und der Malerei zu erkennen; allerdings sind hiervon nur geringe Reste erhalten geblieben. Wir finden Werke verschiedenen Niveaus, welche auf eine unterschiedliche Begabung der Schaffenden schließen lassen, von denen viele fremder Herkunft waren. Zu den hervorragendsten Beispielen gehören die Kunstdenkmäler aus Tyniec, Krakow, Wiälica, Strzelno, Czerwinsk und Wroclaw (Taf. 19; Abb. 161), alle ohne Ausnahme aus dem 1 1 . und 12. J h . Im Polen der Piastenzeit entwickelte sich auch die Wandmalerei; unter den bescheidenen Resten, welche sich von ihr bis auf unsere Tage erhalten haben, seien als bekannteste die Fresken von L^czyca (Abb. 162) erwähnt. Die 1959 aufgefundenen schön gravierten Darstellungen in der Krypta der romanischen Kirche von Wislica (Abb. 163), welche ebenfalls im 12. J h . geschaffen wurden, knüpfen in Technik und künstlerischer Auffassung wie viele der anderen oben genannten polnischen Kunstwerke an Vorbilder romanischer Länder an. Auch gewisse Erzeugnisse des Kunsthandwerks, etwa die Figuren auf der sogenannten Patene von Kalisz, erinnern an sie, ebenso wie die Motive auf den Bronzetüren von Gniezno (Abb. 164). Über die anderen Formen der inneren Ausschmückung der polnischen Baulichkeiten können wir leider nur wenig sagen. Der Einfluß des byzantinischen Milieus machte sich beispielsweise in den effektvollen geometrischen Mustern der Fuß228
Steinbauten, die zuweilen mit Mosaiken oder Fresken geschmückt waren, wurden nicht nur in den Städten erbaut; auch einige der bedeutenderen Fürstensitze waren massiv. Am frühesten, nämlich zu Beginn des 1 1 . Jh., entstand ein derartiges Palatium in Oströw Lednicki bei Gniezno (Abb. 158). Heute sind nur noch seine Ruinen zu sehen; allein die östlich sich anschließende zentrale Burgkapelle ist erhalten. Die zahlreichen Rekonstruktionsversuche zeigen, daß hier einst eine mächtige Residenz gestanden haben muß, die zu den interessantesten Beispielen des Bautyps jener Zeit gehörte. Auch die Klöster und ihre Kirchen wurden aus Stein erbaut, wie dies in Trzemeszno, £§czyca, jüngst in Plock zuverlässig festgestellt worden ist (Abb. 159; 160).
Die Kunst In der Kunst und Kultur unseres Landes, welche gleichfalls während des frühen Mittelalters bedeutende Veränderungen erlebte, begannen sich zwei Entwicklungsrichtungen immer schärfer abzuzeichnen. Seit dem 1 1 . und 12. J h . wurde nämlich die bildende Kunst immer mehr zur Domäne der oberen Schichten der Bevölkerung; daneben aber floß ein zweiter Strom, den man vielleicht mit dem Ausdruck „Volkskunst" umschreiben könnte, obwohl er der damals bestehenden Situation nicht genau entspricht. Wir müssen uns nämlich dessen bewußt sein, daß der Kreis der „Konsumenten" der zu jener Zeit geschaffenen Werke noch nicht so differenziert war wie später — eine Tatsache, welche sich auch auf die Form der künstlerischen Darstellung sowie auf die Ausführungstechniken auswirkte. Ebenso wie in der Architektur sind die genannten zwei Richtungen der Bildhauerkunst und der Malerei zu erkennen; allerdings sind hiervon nur geringe Reste erhalten geblieben. Wir finden Werke verschiedenen Niveaus, welche auf eine unterschiedliche Begabung der Schaffenden schließen lassen, von denen viele fremder Herkunft waren. Zu den hervorragendsten Beispielen gehören die Kunstdenkmäler aus Tyniec, Krakow, Wiälica, Strzelno, Czerwinsk und Wroclaw (Taf. 19; Abb. 161), alle ohne Ausnahme aus dem 1 1 . und 12. J h . Im Polen der Piastenzeit entwickelte sich auch die Wandmalerei; unter den bescheidenen Resten, welche sich von ihr bis auf unsere Tage erhalten haben, seien als bekannteste die Fresken von L^czyca (Abb. 162) erwähnt. Die 1959 aufgefundenen schön gravierten Darstellungen in der Krypta der romanischen Kirche von Wislica (Abb. 163), welche ebenfalls im 12. J h . geschaffen wurden, knüpfen in Technik und künstlerischer Auffassung wie viele der anderen oben genannten polnischen Kunstwerke an Vorbilder romanischer Länder an. Auch gewisse Erzeugnisse des Kunsthandwerks, etwa die Figuren auf der sogenannten Patene von Kalisz, erinnern an sie, ebenso wie die Motive auf den Bronzetüren von Gniezno (Abb. 164). Über die anderen Formen der inneren Ausschmückung der polnischen Baulichkeiten können wir leider nur wenig sagen. Der Einfluß des byzantinischen Milieus machte sich beispielsweise in den effektvollen geometrischen Mustern der Fuß228
Abb. 161 Gozlice, Kr. Sandomierz. Maria mit dem Kind, Steinfigur. 12. J h .
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bodenbeläge bemerkbar, so in Gniezno, wo man glasierte Platten verwendete. Vielfach muß, wie die bei Ausgrabungen aufgefundenen Glas- und Steinwürfel zeigen, auch Mosaik gelegt worden sein. Byzantinischer Provenienz ist dabei das im 12. J h . geschaffene Mosaikbild in der St. Andreaskirche von Krakow.
Abb. 163
Wislica. Inkrustierte Gravierung auf dem Mörtelfußboden in der romanischen Kirche. Ende des 12. Jh.
Zur Ausschmückung der Sakralbauten trugen in hohem Grade die bunten Glasfenster bei; sie finden sich in fast allen Kirchen, welche ursprünglichromanisch waren. In letzter Zeit wurden Scherben von solchen Fenstern bei den archäologischen Untersuchungen in Gniezno, Poznan, Kruszwica, Kalisz und Wroclaw gefunden. In den Kirchen dieser Orte wurden auch vielfach wertvolle und kunstvoll ausgeführte Altargeräte (Taf. 1 7 ; 1 8 ; 20) benutzt, wie überhaupt ihr künstlerisches Niveau sowie ihre Ausstattung ähnlichen Bauten Mitteleuropas gleichkam. Neuere Forschungen haben auch die bisherige Meinung korrigiert, nach der die 230
Abb. 164 Gniezno. Bronzetür. Um 1170 ältesten gemauerten Sakralbauten ausnahmslos als Rundbauten ausgeführt worden sein sollten. Zwar gibt es nach wie v.or die einfache Rotunde in Krakow oder den reicher gegliederten Rundbau von Oströw Lednicki; abgesehen von dem ziemlich rätselhaften und bezüglich seiner Chronologie viel umstrittenen Kirchenbau von St. Salvator in Krakow erwies es sich jedoch, daß die älteste Kathedrale von Poznan eine Basilika war. Wie jüngste Beobachtungen ergaben, wurden auch die dreischiffigen Kirchen in Trzemeszno und Mogilno bereits um 1000 erbaut. Rechteckig ist auch das 1958 in Wislica entdeckte Kirchlein, welches gleichfalls aus dem Ende des 10. oder dem 1 1 . J h . stammt. Ziemlich früh begann sich in der polnischen sakralen Architektur ein Wettstreit zwischen der sächsischen und der romanischen Bauweise abzuzeichnen. Diese
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war eine Erscheinung, die ähnlich auch für das geistige Leben des Landes in der Frühpiastenzeit zutraf. Vorkämpfer für die Verbindung mit den romanischen Ländern waren bestimmte Angehörige der weltlichen Feudalität, aber auch eine Reihe von Geistlichen. Dies ist leicht verständlich, da viele von diesen romanischer Herkunft waren; wir nennen etwa im 12. J h . Bischof Walther von Wroclaw und seinen älteren Bruder Alexander, den Bischof von Plock (1129 — 1156), welcher in seinem neuen Wirkungsbereich eine intensive Tätigkeit auf kulturellem Gebiet entfaltete. Beide stammten aus Malonne (Belgien); sie waren berufen worden durch den Erzbischof von Gniezno, Jakub von Znin (f ca. 1148), dessen Interessen in die gleiche Richtung gingen. Auch Wincenty Kadhibek (ca. 1160—1223) war aufgrund seines Studienganges mit Frankreich verbunden. Eine gute Illustration der obengenannten Architekturströmungen bieten die Kathedralbauten der Stadt Krakow. Früheste aus der Zeit Boleslaw Chrobrys stammende Überreste tragen deutlich den Stempel der sächsischen Kirchenbauweise. Die aus der Zeit Kazimierz des Erneuerers und Wladyslaw Hermans stammende Krypta des hl. Leonard weist dann zwei Phasen auf, in deren erster Einflüsse der rheinischen Kunst klar erkennbar sind. Die 1 1 4 2 konsekrierte Kirche trägt dem deutschen Milieu verwandte Züge, die nach der Meinung einiger Forscher über Böhmen vermittelt wurden. Sie zeigt sehr deutlich, daß sie für ein hochentwickeltes Zeremoniell geschaffen wurde, und ist überhaupt kennzeichnend für die Zeit der Hochblüte des polnischen Feudalismus. Es ließen sich noch weitere, ähnliche Beispiele anführen; wir wollen jedoch hier darauf verzichten. Die Verbindungen mit dem romanischen Westen beweisen uns weiter verschiedene Überbleibsel der Goldschmiedekunst, welche, wie jene aus Czerwinsk, Kruszwica und Poznan, unter anderem aus Limoges kamen. Eine ähnliche Situation liegt auch auf anderen Gebieten des Kunsthandwerks vor. Ungeklärt ist die Herkunft verschiedener reich illustrierter Meßbücher, welche eine Verwandtschaft mit mehreren Schulen aufweisen. Auf Regensburg weist der sogenannte Emmeranische Codex (entstanden um 1099), auf Köln das sog. Tyncer Sakramentarium aus der zweiten Hälfte des 1 1 . Jh., auf Helmarshausen das Evangeliar von Kruszwica aus dem 12. Jh., auf Böhmen schließlich die Evangeliarien von Plock und Gniezno, welche beide aus der Visegräder Schule stammen und um 1085 verfertigt wurden. Da all diese Handschriften neben einer grundsätzlichen Ähnlichkeit auch Abweichungen zeigen, könnte Michal Walicki mit seiner Meinung, sie seien zum Teil in einheimischen Miniaturwerkstätten entstanden, wohl recht haben. Auch auf anderen Gebieten des Kunsthandwerks beobachten wir Fortschritte. Als Rohstoffe dienten ihm neben Holz, Knochen, Horn und Leder die verschiedenen bekannten Metalle. Wir kennen Silberzierat, der, in größeren Mengen erzeugt, die höchste Stufe der Vollendung erreichte; auch einige Filigran- und Granulierarbeiten sind wahre Prachtstücke. Es wurden die verschiedensten geometrischen, Pflanzenund Figuralornamente verwendet, von denen manche, wie wir wissen, an uralte Lokaltraditionen anknüpften und wohl auch noch in jener Zeit magische Be232
deutung besaßen. Zu ihnen gehören die auf Silberschmuck zu findenden sogenannten binokularen Motive, welche einst mit dem Phalluskult verbunden waren. Außer durch die lokalen Traditionen wurde die Entwicklung der frühpolnischen Goldschmiedekunst auch durch Motive aus den arabischen Ländern und aus Byzanz beeinflußt. Bei den Arbeiten aus Knochen und Horn läßt sich leider nicht immer feststellen, ob sie Erzeugnisse lokaler oder ausländischer Werkstätten waren. Zu letzteren gehören Teile der in Gniezno gefundenen Beschläge mit Abbildungen von geflügelten Löwen, welche auf östliche Vorbilder zurückgehen, ferner ein realistisch geschnitzter Vogelkopf aus Lyczyca und das Fragment einer Figurine aus Giecz. Im allgemeinen sind die aus den genannten Materialien gefertigten Gegenstände reich ornamentiert, wobei die in der Regel linearen und pflanzlichen Motive an in der romanischen Kunst verwendete anklingen. Von ihnen war der Kreis mit einem Punkt im Zentrum bei den Slawen seit langem sehr beliebt (Abb. 165). Oft sind sie sorgfältig ausgeführt, manchmal aber verraten sie auch eine ungeübte Hand. Horn und Knochen dienten nicht nur als Material für Ritzdarstellungen und Schnitzereien, sondern wurden auch bei Ajourarbeiten verwendet. Zu den Erzeugnissen des Kunsthandwerks zählt man ferner besonders schönes Schuhwerk, dessen Nähte aus verschiedenfarbigem Zwirn bestanden und das mit Aj ourornamenten geschmückt war. Auch die Erzeugnisse aus Holz, besonders die Möbel, waren reich geschnitzt oder bemalt (Abb. 166) und wiesen oft geometrische oder pflanzliche, seltener figurale Dessins auf, vorwiegend dieselben wie auf den
Abb. 165 16 Hensel
Sandomierz. Schachfiguren aus Horn. 1 1 . / 1 2 . J h . 233
Horn- und Knochenerzeugnissen. Die stilisierten Tiermotive erinnern an gewisse iroschottische Verzierungen, was vielleicht auf Einflüsse dieses Milieus zurückzuführen sein mag. Bestimmte tönerne Erzeugnisse können gleichfalls den Produkten des Kunsthandwerks zugerechnet werden; meiner Meinung nach sollten hier vor allem verschiedene meisterhaft dekorierte Gefäße genannt werden sowie die polychron überzogenen Klappern, die die Gestalt von Ostereiern oder Kugeln mit Knöpfen aufweisen.
Die romanischen Ornamente auf vielen Erzeugnissen der angewandten Kunst sowie auch die Art der Ausführung dieser Erzeugnisse machen die Entscheidung der Frage schwer, welche von ihnen unzweifelhaft als Produkte der Volkskunst bezeichnet werden können. Wir möchten trotz aller Unsicherheit einige Stücke der vorerwähnten Kategorien dazu zählen, daneben die Holzfigürchen aus Opole (Abb. 167), Wolin und Gdansk, welche offenkundig von polnischen Künstlern stammen, das Abbild eines menschlichen Kopfes auf einem Phallus aus ii§czyca, Tiergestalten aus Gewebe und Leder, welche in Gdansk und Opole gefunden wurden, endlich auch das Dekor einer großen Zahl von Tongefäßen. Figurale Motive finden sich hier verhältnismäßig selten; eines der wenigen Beispiele bietet ein in Radzim, Kr. Oborniki, entdecktes Gefäß mit der schematischen Abbildung einer menschlichen Gestalt. Die damalige Bevölkerung brachte ihre künstlerischen Fähigkeiten auch bei den geometrischen Verzierungen der Ostereier zur Geltung. Ungewiß ist dagegen, ob die in Gdansk und Opole entdeckten gefärbten und gewalkten Stoffe Erzeugnisse der Kunst des Volkes waren oder von spezialisierten Handwerkern hergestellt waren. Klarer liegt die Sache bei einigen Steinskulpturen; betrachtet man beispielsweise die Stücke von Stare Miasto bei Konin, so drängt sich der Gedanke auf, hier in dem oben angegebenen Sinne von Volkskunst zu sprechen. Ein allgemeiner Blick auf diese zeigt uns Charakteristika, die wir auch heute 234
A b b . 167
Opole. Pferdefigürchen aus Holz
noch in den wohlhabenderen Gegenden Polens beobachten können. Wenn der Wunsch nach Verzierung fast aller Gebrauchsgegenstände im frühmittelalterlichen Polen bestand, so wurde er nach wie vor nicht allein von der Befriedigung ästhetischer Bedürfnisse getragen. Soziale und religiöse Elemente trugen hierzu bei, ja nicht selten spielten noch immer magische Vorstellungen mit. Angesichts des damals sehr stark entwickelten, wenn auch mitunter unbewußten Wunsches zur Befriedigung des Schönheitssinns darf man den erwähnten Ursachen jedoch auch nicht mehr allzu große Bedeutung beimessen. Gesang, Tanz und Musik spielten im Leben der frühpolnischen Menschen eine recht bedeutende Rolle. Hierüber schrieb der bereits öfter erwähnte Ibrahim Ibn Jaqub: „Sie haben verschiedene Arten von Saiten- und Blasinstrumenten; sie haben ein Blasinstrument, dessen Länge mehr als zwei Ellen beträgt, und ein Saiteninstrument, das mit acht Saiten bespannt und dessen Innenseite flach und nicht gekrümmt ist." Die jüngsten Ausgrabungen bestätigen die Mannigfaltigkeit der frühpolnischen Musikinstrumente: man fand Flöten, Schalmeien und Blashörner sowie Saiteninstrumente in Gdansk und Opole. Die Sozialstruktur Alle die eben gekennzeichneten Wandlungen der frühpolnischen Kultur und ihre sich seit dem 9. Jh. klar abzeichnende und in der zweiten Hälfte des 10. Jh. kräftig aufwärtsstrebende Entwicklung spielten sich im Zeichen einer tief235
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Opole. Pferdefigürchen aus Holz
noch in den wohlhabenderen Gegenden Polens beobachten können. Wenn der Wunsch nach Verzierung fast aller Gebrauchsgegenstände im frühmittelalterlichen Polen bestand, so wurde er nach wie vor nicht allein von der Befriedigung ästhetischer Bedürfnisse getragen. Soziale und religiöse Elemente trugen hierzu bei, ja nicht selten spielten noch immer magische Vorstellungen mit. Angesichts des damals sehr stark entwickelten, wenn auch mitunter unbewußten Wunsches zur Befriedigung des Schönheitssinns darf man den erwähnten Ursachen jedoch auch nicht mehr allzu große Bedeutung beimessen. Gesang, Tanz und Musik spielten im Leben der frühpolnischen Menschen eine recht bedeutende Rolle. Hierüber schrieb der bereits öfter erwähnte Ibrahim Ibn Jaqub: „Sie haben verschiedene Arten von Saiten- und Blasinstrumenten; sie haben ein Blasinstrument, dessen Länge mehr als zwei Ellen beträgt, und ein Saiteninstrument, das mit acht Saiten bespannt und dessen Innenseite flach und nicht gekrümmt ist." Die jüngsten Ausgrabungen bestätigen die Mannigfaltigkeit der frühpolnischen Musikinstrumente: man fand Flöten, Schalmeien und Blashörner sowie Saiteninstrumente in Gdansk und Opole. Die Sozialstruktur Alle die eben gekennzeichneten Wandlungen der frühpolnischen Kultur und ihre sich seit dem 9. Jh. klar abzeichnende und in der zweiten Hälfte des 10. Jh. kräftig aufwärtsstrebende Entwicklung spielten sich im Zeichen einer tief235
greifenden Umwälzung der sozialen Verhältnisse ab. Die polnische Gesellschaft erfuhr im Zeitraum vom 6. bis zur Mitte des 10. Jh. eine Umgestaltung, welche zu feudalen Verhältnissen führte. Die Errichtung des polnischen Staates, zu dessen Aufgaben auch die Erhaltung des von der neuentstandenen herrschenden Klasse errungenen Besitzstandes gehörte, ging mit einer immer stärkeren A b sonderung dieser Klasse vom Rest der Bevölkerung konform und brachte eine ständig zunehmende Abhängigkeit der unteren Schichten. Neben den Halbfreien und den Unfreien spielten jedoch die freien Bauern damals noch immer eine bedeutende Rolle. Ferner bewirkte Wertschätzung der handwerklichen Produktion, daß die in ihr Beschäftigten nicht selten eine verhältnismäßig freie Stellung besaßen. Der Chronik des Gallus Anonymus können wir entnehmen, daß in der gesellschaftlichen Hierarchie eine ganze Stufenleiter vorhanden war. A n ihrer Spitze stand der Landesherr. Unter den übrigen Feudalherren zeichnete sich eine deutliche Schichtung ab, wobei jedoch der Übergang von der einen in eine andere Gruppe durchaus möglich war. E s gab hier die weltlichen Machthaber, welche mitunter Burgen und große Ländereien besaßen, vorwiegend jedoch in den Städten wohnten, daneben die geistlichen Würdenträger, vom Erzbischof angefangen bis zu den geringeren Dignitaren. A l s nächstes folgte die niedrige Ritterschaft. Die Bewohner der Städte gehörten zum Teil der feudalen Schicht an, teils standen sie außerhalb derselben. A u c h unter ihnen gab es verschiedene Abstufungen; meist entsprach ihre soziale Stellung annähernd der der Landwirte. Unter der bäuerlichen Bevölkerung gab es neben den freien Bauern auch solche, die an die Scholle gebunden waren. Das Absinken der ersteren in die letztgenannte Gruppe war zur Zeit des Boleslaw K r z y w o u s t y (Schiefmund) bereits weit fortgeschritten.
Religion und Kult Im folgenden sollen die Wandlungen im geistigen Leben der polnischen Bevölkerung während des frühen Mittelalters kurz skizziert werden. Sie zeigten sich zunächst darin, daß sich die Mehrzahl der Angehörigen der oberen Schichten taufen ließ und somit das Christentum annahm. Allerdings erfolgte dieser Prozeß nicht überall gleichzeitig; er trat am frühesten, nämlich Ende des 9. Jh., bei den südpolnischen Wislanen ein, am spätesten dagegen in Westpommern. E s bedurfte dreier Jahrhunderte, bis sich das Christentum als neue herrschende Religion endgültig durchgesetzt hatte, und die völlige Verdrängung der heidnischen Gebräuche dauerte noch einige weitere Jahrhunderte. Die näheren Umstände der Taufannahme durch die WiSlanen sind uns nicht bekannt; doch ist zu vermuten, daß dies nicht ganz freiwillig erfolgte. Ob der slawische Ritus bei ihnen stärkere Wurzeln faßte, wissen wir ebenfalls nicht. Aufgrund eines stillschweigenden Übereinkommens wird 966, das Jahr, in dem Fürst Mieszko I. freiwillig die Taufe~ nahm, als Beginn der Christianisierung Polens angesehen. Ihn hatten politische Gründe hierzu bewogen, welche ihn auch mit Überlegung die tschechische Vermittlung wählen ließen. E s ging ihm wohl in 236
greifenden Umwälzung der sozialen Verhältnisse ab. Die polnische Gesellschaft erfuhr im Zeitraum vom 6. bis zur Mitte des 10. Jh. eine Umgestaltung, welche zu feudalen Verhältnissen führte. Die Errichtung des polnischen Staates, zu dessen Aufgaben auch die Erhaltung des von der neuentstandenen herrschenden Klasse errungenen Besitzstandes gehörte, ging mit einer immer stärkeren A b sonderung dieser Klasse vom Rest der Bevölkerung konform und brachte eine ständig zunehmende Abhängigkeit der unteren Schichten. Neben den Halbfreien und den Unfreien spielten jedoch die freien Bauern damals noch immer eine bedeutende Rolle. Ferner bewirkte Wertschätzung der handwerklichen Produktion, daß die in ihr Beschäftigten nicht selten eine verhältnismäßig freie Stellung besaßen. Der Chronik des Gallus Anonymus können wir entnehmen, daß in der gesellschaftlichen Hierarchie eine ganze Stufenleiter vorhanden war. A n ihrer Spitze stand der Landesherr. Unter den übrigen Feudalherren zeichnete sich eine deutliche Schichtung ab, wobei jedoch der Übergang von der einen in eine andere Gruppe durchaus möglich war. E s gab hier die weltlichen Machthaber, welche mitunter Burgen und große Ländereien besaßen, vorwiegend jedoch in den Städten wohnten, daneben die geistlichen Würdenträger, vom Erzbischof angefangen bis zu den geringeren Dignitaren. A l s nächstes folgte die niedrige Ritterschaft. Die Bewohner der Städte gehörten zum Teil der feudalen Schicht an, teils standen sie außerhalb derselben. A u c h unter ihnen gab es verschiedene Abstufungen; meist entsprach ihre soziale Stellung annähernd der der Landwirte. Unter der bäuerlichen Bevölkerung gab es neben den freien Bauern auch solche, die an die Scholle gebunden waren. Das Absinken der ersteren in die letztgenannte Gruppe war zur Zeit des Boleslaw K r z y w o u s t y (Schiefmund) bereits weit fortgeschritten.
Religion und Kult Im folgenden sollen die Wandlungen im geistigen Leben der polnischen Bevölkerung während des frühen Mittelalters kurz skizziert werden. Sie zeigten sich zunächst darin, daß sich die Mehrzahl der Angehörigen der oberen Schichten taufen ließ und somit das Christentum annahm. Allerdings erfolgte dieser Prozeß nicht überall gleichzeitig; er trat am frühesten, nämlich Ende des 9. Jh., bei den südpolnischen Wislanen ein, am spätesten dagegen in Westpommern. E s bedurfte dreier Jahrhunderte, bis sich das Christentum als neue herrschende Religion endgültig durchgesetzt hatte, und die völlige Verdrängung der heidnischen Gebräuche dauerte noch einige weitere Jahrhunderte. Die näheren Umstände der Taufannahme durch die WiSlanen sind uns nicht bekannt; doch ist zu vermuten, daß dies nicht ganz freiwillig erfolgte. Ob der slawische Ritus bei ihnen stärkere Wurzeln faßte, wissen wir ebenfalls nicht. Aufgrund eines stillschweigenden Übereinkommens wird 966, das Jahr, in dem Fürst Mieszko I. freiwillig die Taufe~ nahm, als Beginn der Christianisierung Polens angesehen. Ihn hatten politische Gründe hierzu bewogen, welche ihn auch mit Überlegung die tschechische Vermittlung wählen ließen. E s ging ihm wohl in 236
erster Linie um eine teilweise Unabhängigkeit vom deutschen Westen. Dank seinem Geschick gelang es ihm auch, ein direkt dem Papst in Rom unterstelltes Missionsbistum für Polen zu erlangen, welches in Poznan seinen Sitz erhielt. In formaler Hinsicht war dies ein rein religiöser Akt, praktisch gesehen war er jedoch von ungeheurer politischer Tragweite, denn er gab Mieszko nicht nur gewissermaßen „internationale" Anerkennung, sondern reihte sein Reich auch in die Gruppe der nach damaligen Begriffen zivilisierten Länder ein. In späterer Zukunft sollte diese Entscheidung für die römische Kirche der kulturellen Entwicklung des polnischen Volkes ihren Stempel aufdrücken; zu der Zeit jedoch, von der hier die Rede ist, war der tatsächliche Einfluß dieser Kirche noch nicht sehr bedeutend. Wir müssen übrigens in diesem Zusammenhang bemerken, daß nicht die Taufe des Fürsten allein unserem Lande den neuen Weg bahnte; sie war vielmehr nur ein ihn unterstützendes Moment. Wir wissen ja, daß im frühmittelalterlichen Europa nicht nur viele heidnische, sondern auch manche christlichen Staaten untergingen. Mieszkos Taufe hätte somit nicht viel genützt, wäre der polnische Staat nicht auf soliden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Grundlagen aufgebaut gewesen. Man muß den ersten Piasten zugestehen, daß sie ihre neue Zugehörigkeit zum christlichen Lager überaus wirksam auszunutzen verstanden. Es gelang ihnen auf diese Weise mehrfach, die Zustimmung zu Gebietserweiterungen zu erhalten, was im Endeffekt zur Vereinigung aller Gebiete mit frühpolnischer Bevölkerung unter ihrer Herrschaft führte. In sehr geschickter Weise spielten sie auch die Gegensätze zwischen den päpstlichen und den kaiserlichen Interessen gegeneinander aus. So erhielt Polen nicht nur das erwähnte Missionsbistum, sondern im Jahre 1000 auch ein selbständiges Erzbistum mit dem Sitz in Gniezno. Wir wissen nichts Näheres darüber, auf welche Weise die Annahme des Christentums beim Volk durchgesetzt wurde. Bekannt ist, daß sich in Westpommern hiergegen starke Widerstände regten. Auch anderswo dürfte sich dieser Prozeß nicht reibungslos abgespielt haben; so kamen zum Beispiel während der nach dem Tode Mieszkos II. ausbrechenden Unruhen neben anderen auch die konservativen heidnischen Elemente zu Wort. In vielen, auch größeren Orten dauerte es sehr lange, bis die alten religiösen Bräuche ausgemerzt werden konnten; wir wissen dies nicht zuletzt durch Ausgrabungen von Lysa Göra und Sl§za ( = Zobtenberg) her. Hier hat man einen alten Kultring zutage gefördert, der, noch in der „Lausitzer" Zeit errichtet, vielleicht später durch die Kelten zu einem großen heidnischen Zentrum umgebaut und dann durch diejenigen Stämme wieder benutzt wurde, welche in der römischen Kaiserzeit und im Frühmittelalter in jenem Gebiet ansässig waren. Und noch in christlichen Zeiten wurden dort am 24. Juni die sogenannten „sobötki" nach heidnischer Art gefeiert. Hierzu überliefert uns Bischof Thietmar von Merseburg zu Anfang des 1 1 . J h . : „Sie (Burg Niemcza) liegt im Schlesiergau, der seinen Namen einst von einem sehr hohen und weitläufigen Berg erhalten hat. Der hatte wegen seiner Lage und Größe bei allen Einwohnern große Verehrung genossen, als das verruchte Heidentum dort noch herrschte." Solchen Fragen des Heidenkults wurde bisher in der polnischen 237
Forschung wenig.Beachtung geschenkt; kein Wunder, daß sie daher noch von vielen Mythen umrankt sind. Neuere Forschungen lassen es als möglich erscheinen, daß nicht nur in Westpommern, wo, wie wir wissen, der Triglav verehrt wurde, sondern auch in den übrigen Teilen des Landes neben bestimmten Naturkräften verschiedene personifizierte Götter verehrt wurden, von denen noch Swiatowit und Swarozyc genannt seien. Diese Kulte sind bereits in weit früherer Zeit entstanden, und es ist nicht richtig, wenn jüngst mitunter angenommen wird, sie seien erst ein Produkt der frühfeudalen Gesellschaft gewesen; nur ihre weitere Ausgestaltung fiel in die hier behandelte Zeit. Für ebenso unzutreffend halte ich auch die Ansicht, die innerpolnische Bevölkerung hätte keine Stätten mit Kultcharakter besessen. Von der Kraft und Bedeutung des heidnischen Kults zeugt auch eine Reihe uralter Bräuche, welche sich noch nach der Annahme des Christentums lange Zeit hindurch erhielten. Das gemeinsame slawische Brauchtum erwies die Grabung von Trzebiatöw, Kr. Gryfice: Hier wurde eine ähnliche Kultstätte des 9./10. J h . entdeckt wie in Peryn bei Nowgorod (UdSSR), wo sich ein Perunsheiligtum befand. In vielen Gegenden erhielt sich noch ziemlich lange die Leichenverbrennung, welche vor der Christianisierung allgemein üblich gewesen war. Das Abgehen von ihr beruhte nicht nur auf religiösen Gründen — hier ist der Kampf gegen sogenannte Vampire zu nennen —, sondern vollzog sich auch aus sozialen Motiven. Weiter wurden bis in das hohe Mittelalter hinein allgemein bei der Errichtung verschiedener Baulichkeiten Opfergaben im Fundament eingemauert. Eine große Rolle spielten auch immer noch Amulette aus diversen Tierknochen, vereinzelt auch aus Menschenknochen. Noch deutlicher kamen alte Riten in verschiedenen Äußerungen der Kunst (Abb. 168) zum Tragen. So hatten verschiedene Schmuckornamente (Abb. 169) sowie auch Schmuckstücke aus Bernstein und Amethyst nach wie vor magischen Charakter. In weitem Umfang wurden aus Ton nachgeahmte und mit einer farbigen Glasur versehene Ostereier zu bestimmten Zeremonien verwendet, daneben verzierte Klappern mit Knöpfen oder in anderer Ausführung. Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß das tägliche Leben der polnischen Bevölkerung in der Frühpiastenzeit so von heidnischen Praktiken und Vorstellungen erfüllt war, daß ihr Christentum tatsächlich nur formalen Charakter besaß. Ein Teil der höheren Schichten war hiervon nicht ausgenommen. Dieser Zustand begann sich erst im 12. J h . in gewisser Weise zu ändern, wobei hier insbesondere die städtischen Zentren eine führende Rolle spielten. In den Dörfern haben sich dagegen die alten heidnischen Gebräuche auch damals noch erhalten. Etwa zur gleichen Zeit begann sich auch eine starke Differenzierung des kulturellen Niveaus und der Lebenshaltung der wohlhabenden Schichten einerseits sowie der .übrigen Bevölkerung andererseits abzuzeichnen. Die hohe Gelehrsamkeit einzelner Personen hob sich nunmehr scharf vom allgemeinen Bildungsstand ab. Aleksander Gieysztor verwies allerdings sehr richtig darauf, daß eine ähnliche Erscheinung auch im Leben der westlichen Völker, etwa in Frankreich, 238
Abb. 168
Wolin. Pferdefigürchen mit Sonnensymbolen. Bronze, n . Jh.
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Abb. 169 Opole und Wroclaw. Magische fclEinritzungen in Holz und Horn
239
zu beobachten war. Die nähere Analyse des Wandlungsprozesses, der sich auf diesem Gebiet abspielte, zeigt eine erstaunliche Analogie zwischen der Entwicklung Polens und der der anderen europäischen Länder.
Kulturelle und dynastische Beziehungen Auf den verschiedenen Gebieten der frühpolnischen Kultur, am deutlichsten vielleicht im Handel, im Bereich der Kunst sowie im geistigen Leben überhaupt und schließlich in der kirchlichen Organisation, machten sich verschiedene Einflüsse auf die Entwicklung der polnischen Verhältnisse geltend. Ihre Intensität gestaltete sich in den einzelnen Jahrzehnten der frühpiastischen Zeit verschieden, was wir zum Beispiel an der Architektur ablesen können. Eine große Rolle spielten hierbei die jeweiligen politischen Verhältnisse. So beobachten wir in gewissen Zeiträumen starke Impulse von Deutschland her, zu anderen Zeiten wiederum eine Tendenz zur Rezeption westlicher romanischer Kulturformen. Es wäre eine zu weitgehende Vereinfachung dieser Frage, wollte man in dem Bestreben nach Anlehnung an die letztgenannten den Wunsch nach völliger kultureller Unabhängigkeit vom Kaisertum sehen. Ein solcher Gedanke lag den polnischen Machthabern, welche in der frühmittelalterlichen Feudalstruktur Europas fest verankert waren, durchaus fern. Sie strebten vielmehr danach, engere Bande mit solchen Zentren zu unterhalten, die in kultureller Hinsicht höher standen als die deutschen, insbesondere die ostdeutschen Gebiete, oder sie liierten sich mit ferner liegenden Ländern, welche an der inneren Schwächung Polens weniger interessiert waren als die ostdeutschen Feudalherren. Diesen Tendenzen entsprechend entsandte Mieszko I. seinen Sohn Lambert in eine italienische Einsiedelei, und Boleslaw Chrobry brachte italienische Eremiten nach Polen. Eine ähnliche Richtung verfolgte Kazimierz der Erneuerer. Wir erwähnten bereits, daß er während seiner Verbannung vermutlich in Dijon erzogen wurde; fest steht, daß er am Hofe seines Onkels, des Erzbischofs von Köln, geweilt hat. Nach seiner Rückkehr in sein Heimatland pflegte er stark die Beziehungen zum Rheinland — bekannt sind seine Verbindungen nach Lüttich und Köln. Ähnlich gestalteten sich die Verhältnisse unter Boleslaw ¡Smialy. Während der Herrschaft Wladyslaw Hermans änderten sie sich; jedoch kam es auch jetzt nicht zum völligen Abbruch der Verbindungen zwischen Polen und dem romanischen Westen. Von nicht geringem Einfluß auf die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen waren die von der polnischen Herrscherfamilie geschlossenen Ehen; sie spiegelten die jeweilige politische Situation wie die Aspirationen der polnischen Machthaber sehr genau wider. Die engsten Kontakte auf diesem Gebiet bestanden mit Deutschland und Rußland; erst dann folgten Böhmen, Ungarn, Skandinavien und die romanischen Länder. Als Exempel sei erwähnt, daß nach dem Tode der aus Böhmen stammenden Fürstin Dobrawa eine Deutsche, Oda, die Gemahlin Mieszkos I. wurde. Auch zwei Ehefrauen Boleslaw Chrobrys waren Deutsche, und zwei seiner Töchter wiederum heirateten deutsche Fürsten (Abb. 170). 240
zu beobachten war. Die nähere Analyse des Wandlungsprozesses, der sich auf diesem Gebiet abspielte, zeigt eine erstaunliche Analogie zwischen der Entwicklung Polens und der der anderen europäischen Länder.
Kulturelle und dynastische Beziehungen Auf den verschiedenen Gebieten der frühpolnischen Kultur, am deutlichsten vielleicht im Handel, im Bereich der Kunst sowie im geistigen Leben überhaupt und schließlich in der kirchlichen Organisation, machten sich verschiedene Einflüsse auf die Entwicklung der polnischen Verhältnisse geltend. Ihre Intensität gestaltete sich in den einzelnen Jahrzehnten der frühpiastischen Zeit verschieden, was wir zum Beispiel an der Architektur ablesen können. Eine große Rolle spielten hierbei die jeweiligen politischen Verhältnisse. So beobachten wir in gewissen Zeiträumen starke Impulse von Deutschland her, zu anderen Zeiten wiederum eine Tendenz zur Rezeption westlicher romanischer Kulturformen. Es wäre eine zu weitgehende Vereinfachung dieser Frage, wollte man in dem Bestreben nach Anlehnung an die letztgenannten den Wunsch nach völliger kultureller Unabhängigkeit vom Kaisertum sehen. Ein solcher Gedanke lag den polnischen Machthabern, welche in der frühmittelalterlichen Feudalstruktur Europas fest verankert waren, durchaus fern. Sie strebten vielmehr danach, engere Bande mit solchen Zentren zu unterhalten, die in kultureller Hinsicht höher standen als die deutschen, insbesondere die ostdeutschen Gebiete, oder sie liierten sich mit ferner liegenden Ländern, welche an der inneren Schwächung Polens weniger interessiert waren als die ostdeutschen Feudalherren. Diesen Tendenzen entsprechend entsandte Mieszko I. seinen Sohn Lambert in eine italienische Einsiedelei, und Boleslaw Chrobry brachte italienische Eremiten nach Polen. Eine ähnliche Richtung verfolgte Kazimierz der Erneuerer. Wir erwähnten bereits, daß er während seiner Verbannung vermutlich in Dijon erzogen wurde; fest steht, daß er am Hofe seines Onkels, des Erzbischofs von Köln, geweilt hat. Nach seiner Rückkehr in sein Heimatland pflegte er stark die Beziehungen zum Rheinland — bekannt sind seine Verbindungen nach Lüttich und Köln. Ähnlich gestalteten sich die Verhältnisse unter Boleslaw ¡Smialy. Während der Herrschaft Wladyslaw Hermans änderten sie sich; jedoch kam es auch jetzt nicht zum völligen Abbruch der Verbindungen zwischen Polen und dem romanischen Westen. Von nicht geringem Einfluß auf die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen waren die von der polnischen Herrscherfamilie geschlossenen Ehen; sie spiegelten die jeweilige politische Situation wie die Aspirationen der polnischen Machthaber sehr genau wider. Die engsten Kontakte auf diesem Gebiet bestanden mit Deutschland und Rußland; erst dann folgten Böhmen, Ungarn, Skandinavien und die romanischen Länder. Als Exempel sei erwähnt, daß nach dem Tode der aus Böhmen stammenden Fürstin Dobrawa eine Deutsche, Oda, die Gemahlin Mieszkos I. wurde. Auch zwei Ehefrauen Boleslaw Chrobrys waren Deutsche, und zwei seiner Töchter wiederum heirateten deutsche Fürsten (Abb. 170). 240
Abb. 170
Naumburg. Bildsäule der Regelindis, Tochter Boleslaws des Kühnen (Chrobry). 13. Jh.
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Mieszko II. nahm R y x a , eine Tochter des Pfalzgrafen Ezzo von Niederlothringen zur Frau, und Wladyslaw Herman ehelichte Judita, eine Tochter Kaiser Heinrichs III. Die Tochter Boleslaw Chrobrys wurde die Gemahlin des Russen Swjatopolk, und russische Fürsten heirateten auch die Töchter Wladyslaw Hermans sowie Boleslaw Schiefmunds. Auch russische Fürstinnen saßen auf dem polnischen Fürstenthron oder schlössen eheliche Verbindungen mit der Herrscherfamilie. So war die Tochter Jaroslaws des Weisen, Dobronega-Maria, die Gattin von Kazimierz dem Erneuerer. Auch die Frau des früh verstorbenen Sohnes Boleslaw des Kühnen, Mieszko, sowie Zbyslawa, die Gemahlin von Boleslaw Schiefmund, stammten aus Rußland. Drei von dessen Söhnen heirateten ebenfalls Russinnen: Mieszko III. der Alte, Boleslaw Kraushaar und Kazimierz der Gerechte. Sygryda-Öwi^toslawa, die Tochter Mieszkos I., war nacheinander die Gemahlin von drei skandinavischen Königen, nämlich Eriks von Schweden und Dänemark, Olafs von Norwegen sowie Sven Gabelbarts; sie gebar Knut den Großen, den bekannten König von Dänemark und England. Die Tochter Boleslaw Schiefmunds verehelichte sich 1 1 2 9 mit dem dänischen Kronprinzen Magnus. Die Mutter des ungarischen Königs Stefan des Großen war Adelaide, eine Schwester oder Tochter Mieszkos I. Wladyslaws II. Tochter R y x a , welche ihn in die Verbannung begleitete, wurde als Gemahlin Alfons VII., mit dem sie sich 1 1 5 2 verbunden hatte, Kaiserin von Spanien; nachdem sie Witwe geworden war, heiratete sie 1 1 6 1 den Grafen Raimund Berengar II. von der Provence und nach dessen Tod 1166 den Grafen Albrecht II. von Everstein.
242
XII.
Die politischen
Neugestaltungen
Die ältesten frühstaatlichen Organisationsformen Es ist leichter, über die Entwicklung der materiellen Kultur der slawischen Bevölkerung in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung zu sprechen als über die sozialen Probleme dieser Zeit; noch schwieriger aber ist die Frage nach der Gestaltung der damaligen politischen Verhältnisse. Dies ist zunächst im Charakter der uns zur Verfügung stehenden Quellen begründet, aber auch darin, daß bestimmte Ansichten einiger Vertreter der älteren Forschung über jene Zeiten noch immer nachwirken. Bekanntlich besitzen wir über jene Jahrhunderte fast nur archäologisches Material, welches in bescheidenem Umfang durch schriftliche Aussagen ergänzt wird. Auch Vergleichsquellen, welche es erlauben würden, die eine oder andere Interpretation zu präzisieren, sind spärlich und leider recht einseitig; ich denke hierbei insbesondere an die Schilderungen der sozialen und politischen Verhältnisse bei den Germanen, welche uns von den Schriftstellern der Antike überliefert sind. Jedenfalls aber ergibt eine Untersuchung des bescheidenen Schrifttums über diejenigen Stämme, welche auf einer ähnlichen Entwicklungsstufe standen wie die damaligen Slawen, daß erstens die soziale und politische Evolution innerhalb der verschiedenen ethnischen Gruppen keineswegs gleichzeitig verlief, und daß zum anderen die führenden Gruppen unter ihnen oft nicht imstande waren, ihr Übergewicht zu erhalten; an ihre Stelle traten dann nicht selten andere Stämme, die vordem auf einem viel niedrigeren Niveau gestanden hatten. Selbstredend beeinträchtigte dies alles keineswegs den allgemeinen Trend der auf Blutsverwandtschaft beruhenden Gemeinschaften, sich zu territorialen fortzubilden. Betrachtet man diese Frage vom sozialen Gesichtspunkt aus, so wird ersichtlich, daß die eingeschlagene Richtung von einer relativen Gleichberechtigung der einzelnen Bevölkerungsglieder zu einem ständig wachsenden Abhängigkeitsverhältnis ihrer Mehrzahl von den sich bildenden Machtgruppen führte — ein Prozeß, der so lange andauerte, bis die Klassen entstanden und mit ihnen auch der Staat als Apparat zur Unterdrückung der ärmeren Schichten der Bevölkerung, der Masse der eigentlichen Produzenten der materiellen Güter. Es ist selbstverständlich, daß der Historiker, der sich nicht mit der Erkenntnis von einzelnen Tatsachen begnügt, sondern auch deren wesentliche Zusammenhänge und den Verlauf historischer Prozesse aufzudecken sich bemüht, bei dem Versuch, einst bestehende Verhältnisse zu rekonstruieren, auf manche verborgene 243
Klippe stößt. Er ist im Besitz von nur wenigen überlieferten Bruchstücken, welche er mit den charakteristischen Zügen der ihm bekannten relativ reinen politischen Organisationsformen in Verbindung zu bringen sucht. Unter diesen Umständen muß er zu einer gewissen Verallgemeinerung der Vergangenheit schreiten, zur Ausarbeitung eines in den Grandzügen richtigen Schemas, welches aber in bestimmten Einzelheiten unbegründet erscheinen kann. Wir erinnern in diesem Zusammenhang beispielsweise an die Überwindung der in der Wissenschaft früher vorherrschenden, auf der starren „kolonialen Rechtstheorie" aufgebauten Ansicht über die Entwicklung der polnischen Städte. Auf sie gestützt wurde behauptet, daß von einer Stadt erst in dem Augenblick die Rede sein könne, da die betreffende Siedlung das sogenannte Stadtrecht erwarb. Die neueren Untersuchungen, darunter auch die archäologischen, haben die Unrichtigkeit eines so einseitigen Kriteriums erwiesen. Ahnlich steht es mit der Beurteilung der „barbarischen" politischen Organisation Europas in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung und somit auch der Organisation der Slawen. Prüft man die verschiedenen archäologischen, sprachlichen und schriftlichen Quellen, so kann man feststellen, daß in dem langen Zeitabschnitt zwischen dem Untergang der ursprünglichen Gentilorganisation und den Anfängen des Feudalismus zahlreiche Zwischenformen bestanden, was in jener mit vielen bedeutenden Ereignissen angefüllten Epoche nur zu verständlich war. Im folgenden möchte ich versuchen, meinen eigenen Standpunkt hierzu ausführlicher darzulegen. Bevor ich dies tue, will ich jedoch mit Nachdruck unterstreichen, daß ich hierbei besonders jene damals immer wieder von verschiedenen Gruppen aufgegriffenen Tendenzen im Auge habe, die aus mancherlei Gründen zusammenbrachen. Zugleich bin ich der Auffassung, daß parallel mit den fortschrittlichen Strömungen die konservativen als starke Elemente der Vergangenheit auch weiterhin fortwirkten. Auf manchen Gebieten kamen letztere erst gegen Ende des ersten Jahrtausends u. Z. oder sogar zu Beginn des zweiten Jahrtausends zum Erlöschen. Der Kampf zwischen diesen verschiedenen Tendenzen dauerte somit über Hunderte von Jahren an. Diese von mir hier vertretene Ansicht stößt begreiflicherweise auf mancherlei Widerspruch, da sie nicht in den allgemein anerkannten Rahmen hineinpaßt. Die archäologischen Forschungen der letzten Jahre untermauern sie jedoch immer stärker. Wie eine Analyse der Entwicklungsprozesse der verschiedenen polnischen Landesteile zeigt, verliefen diese in den einzelnen Gebieten keineswegs gleichmäßig. Dies geht nicht zuletzt daraus hervor, daß die weitaus reichsten Funde — auch noch jene vom Beginn unserer Zeitrechnung — aus Gegenden stammen, die guten Ackerboden oder andere Naturschätze, zum Beispiel Salz oder Eisenerz, besaßen oder auch an wichtigen Handelswegen lagen. In einem der vorangehenden Abschnitte erwähnte ich bereits, daß diese Landesteile sehr unter dem Druck von fremden Völkern, namentlich der Kelten, standen. Die Ausgrabungen der Nachkriegszeit haben eine Reihe reicher „Industriezentren" im Raum von Krakow (Igolomia, Nowa Huta), der Swi§tokrzyz-Berge, Schlesiens und auch 244
Kujawiens aufgedeckt. Unbestreitbar ist, wie wir gesehen haben, das Bestehen ausgedehnter Handelsbeziehungen mit verschiedenen Provinzen des römischen Reiches. Die bisherigen Funde zeigen, daß die stärkste Konzentration verschiedener handwerklicher Betriebsstätten in der Krakówer Gegend bestand. Daneben gab es auch andere Zentren, so in den Swi^tokrzyz-Bergen, im Raum von Groszowice und Tarchalice in Oberschlesien, weiter in der Gegend von L§czyca, in Großpolen und Kujawien sowie in der Umgebung von Kruszwica. Eingehender müssen in dieser Hinsicht noch der Raum um Gniezno und Poznan sowie Teile Pommerns durchforscht werden. Die deutliche Häufung handwerklicher Betriebe sowie verschiedener Importe aus römischen Provinzen in den genannten Gegenden widerspiegelt die veränderte Situation in jenem Zeitraum. Zweifellos entstanden diese Zentren infolge der für die Haupterwerbszweige, Ackerbau und Viehzucht, günstigen Lage. Ihr Bestehen bewirkte natürlich andererseits auch eine Vermehrung der Produktion in den genannten Wirtschaftszweigen sowie hieraus resultierend wieder eine Erhöhung der den führenden Gruppen zur Verfügung stehenden Wehrkraft. Sie rief wohl auch eine starke Lockerung der vorhandenen sozialen Struktur hervor. Die frühere Gemeinschaftsorganisation ging allmählich unter, und es" tauchten in Gestalt der Territorialverbände neue Formen des Gemeinschaftslebens auf. Auch war dies, was wir nicht vergessen dürfen, eine Periode sehr komplizierter politischer Verhältnisse sowohl an der Südgrenze der polnischen „Stämme" wie auch im Norden und Nordosten des Landes. Eine gewisse Rückwirkung übte zweifellos auch der Zerfall der keltischen Macht aus, welcher insbesondere in Böhmen, Mähren und der Slowakei zu beobachten war und von hier aus seine Einflüsse geltend machte. Neben den Erschütterungen, die auf polnischem Boden selbst durch das Eindringen fremder Stämme entstanden, konnten auch die Vorfälle, welche sich in benachbarten Ländern abspielten, nicht ohne Rückwirkung auf unseren Raum bleiben. Angesichts der offenkundigen Beziehungen zu jenen Ländern mußten auch jene Ereignisse in Polen ihren Widerhall finden, die zunächst im 1. J h . v. u. Z. im tschechischen und mährischen Raum zur Entstehung der Territorialgemeinschaft der Markomannen und später nämlich unter Marbod im 1. J h . u. Z. zu deren Zerfall führten. Sicherlich gelangte auch die Kunde vom Markomannenkrieg (166 — 180) und seiner siegreichen Beendigung durch Marc Aurel in unser Land. Schwächer mag vielleicht das Echo auf die Vernichtung des Dakerreiches unter Decebal durch den römischen Kaiser Trajan im Jahre 106 gewesen sein, wohingegen die erfolgreichen Kämpfe der Goten und später der Gepiden gegen die Römer wohl starken Widerhall gefunden haben dürften. Die Goten waren im 2. J h . an das Schwarze Meer vorgerückt und hatten dort einen Territorialverband gebildet, der den Römern wenig später ernste Schwierigkeiten bereitete. Dieser frühe Typus einer staatlichen Organisationsform erreichte in der zweiten Hälfte des 4. J h . seinen Höhepunkt, verlor jedoch später infolge der durch die Hunnen erlittenen Niederlage seine frühere Bedeutung. In wechselvollen Kämpfen drangen die römischen Legionen bis in die Slowakei vor; auf einem Felsen 245
bei Trencin hat sich bis zum heutigen Tage eine Inschrift aus jener Zeit erhalten. Dakien ging im Jahre 271 für Rom verloren. Unter diesen Bedingungen konnte es leicht zu zügig verlaufenden politischen Umwandlungen bei den slawischen Stämmen kommen. Die bisherigen Forschungen, insbesondere die archäologischen, lassen es fast als gewiß erscheinen, daß es sich auch hier um Organisationen vom territorialen Typ handelte. Selbstredend gehörten diesen nur die führenden Gruppierungen an; die übrigen lebten noch unter primitiven Verhältnissen weiter. Die eine höhere politische Erscheinungsform darstellenden Territorialorganisationen waren bei den Slawen nicht alle von gleicher Bedeutung: einzelne waren reicher und besser entwickelt, andere dagegen wirtschaftlich und gewiß auch politisch und organisatorisch schwächer. Den hier vorgebrachten Ansichten wird im allgemeinen nicht stärker widersprochen — nicht zuletzt wohl aus dem Grunde, weil außer den unmittelbaren Quellen auch verschiedene vergleichende Studien für ihre Richtigkeit sprechen. Viele der germanischen Stämme erreichten in jener Zeit eine ähnliche Entwicklungsstufe, wobei gewisse Anzeichen, wie ich meine, darauf hinweisen, daß damals auch größere politische Gruppierungen die Gestalt von Territorialverbänden hatten. Wohl ohne zu übertreiben, jedoch auch ohne zu verkennen, daß wir es hier im Augenblick noch mit einer Hypothese zu tun haben, können wir diese als eine Art Urstaat bezeichnen, an deren Spitze ein „König" stand, welcher gemeinsam mit einer höhergestellten Schicht die Regierung führte. Dieser letzteren Gruppierung gehörten auch die „Anführer" der abhängigen kleineren Territorialorganisationen an. Die genannten Verbände entstanden in der Zeit verschiedener heißer Kämpfe. Ungeregelt war demnach auch die Führung der neu entstandenen Territorialverbände, welche nur eine schwache gegenseitige Bindung ihrer einzelnen Teilmitglieder besaßen. Letztere waren nämlich mitunter sehr rasch aus den früheren organisatorischen Einheiten entstanden, in denen fast ausschließlich die Blutsverwandtschaft die dominierende und zugleich zusammenhaltende Kraft gewesen war. Diese Tatsache erleichterte wohl in manchen Fällen die Herausbildung einer neuen politischen Organisation, erwies sich jedoch auch als mitbestimmend für deren innere Labilität. Das Ausscheiden von hervorragenden Persönlichkeiten konnte leicht zu ihrer Schwächung, ja sogar zum Zerfall führen. Hieraus erklärt sich auch die rücksichtslose Vernichtung slawischer Anführer sowohl seitens der Goten wie auch der Awaren. Der Geschichtsschreiber Jordanes führte um die Mitte des 6. J h . zum Beispiel an, daß der Ostgote Winitar den „ K ö n i g " der Anten, Boza, mit seinen Söhnen und 70 „Anführern" töten ließ, und Menander, ein byzantinischer Autor, schilderte in seiner zwischen 558 und 582 entstandenen Geschichte des byzantinischen Reiches die Ermordung eines Gesandten der Anten, der bei seinem Volk großen Einfluß besaß und ein fähiger Führer war, durch die Hunnen. Auch auf das Schicksal von Samos Reich nach dem Tode dieses Herrschers sei in diesem Zusammenhang hingewiesen. Als Beweise, die für eine späte Entstehung der Territorialverbände bei den 246
Slawen sprechen sollen, werden manchmal auch sprachliche Quellen vorgebracht. Wie bekannt, trugen die territorialen Organisationseinheiten bei den Slawen verschiedene Namen. So gab es bei der frühpolnischen Bevölkerung die Bezeichnungen „opole" oder „osada", bei den Böhmen „obcina", bei den Ostslawen ,,wierw" und „mir", bei den Südslawen „zupa". Daraus wurde nun der Schluß gezogen, daß diese Organisationsform zur Zeit der urslawischen Gesamtgemeinschaft noch unbekannt war und erst in einem späteren Zeitabschnitt, nämlich etwa im 4. J h . u. Z. gebildet wurde. Eine solche Ansicht ist aus zwei Gründen nicht vertretbar. Erstens trat der Verfall der urslawischen Gemeinschaft schon vor dem 1. J h . u. Z. ein; zweitens aber weist das Bestehen verschiedener Bezeichnungen für die gleiche politische Form bei den jeweiligen slawischen Gruppen allein darauf hin, daß man verschiedene Zeitpunkte der Entstehung dieser Formen in den einzelnen Gebieten anzunehmen hat. • Untersuchen wir die tatsächliche historische Situation, so finden wir diese Behauptung bestätigt. Somit aber kann das Vorhandensein von Territorialorganisationen auf polnischem Boden in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung nicht kategorisch bestritten werden, wenn auch zuzugeben ist, daß diese nicht den gesamten polnischen Raum, sondern nur einen Teil desselben umfaßten. Neben kleineren Organisationen dieser Art kam es wahrscheinlich hier auch bereits zur Bildung eines größeren Territorialverbandes, dem der Anten vergleichbar oder auch den in jener Zeit bei mehreren germanischen Gruppen existierenden Verbänden. Seine Grenzen zu bestimmen ist allerdings nicht einfach; vermutlich erstreckte er sich außer über Kleinpolen auch über einen Teil Schlesiens sowie Groß- und Mittelpolen. Im Osten dürfte er bis zur Weichsel gereicht haben, und sein Hauptzentrum lag wohl in der Gegend von Krakow. Anfang des 5. J h . trat höchstwahrscheinlich sein Zerfall sowie eine Belebung der kleineren Einheiten ein. Die Ursachen hierfür können wir nur in groben Zügen umreißen; eine von ihnen war unzweifelhaft die Schwäche seines inneren Gefüges, welche notwendigerweise bei einer Katastrophe zum Einsturz des gesamten Baus führen mußte. In den schweren Zeiten der hunnischen Expansion konnte ein solcher Fall natürlich leicht eintreten. Auch die Züge einiger kleinerer germanischer Gruppen durch polnisches Gebiet führten hier zu mancherlei Schwierigkeiten, ebenso wie die Einfälle der Alanen, welche sich für das Zentrum der oben erwähnten Organisation besonders bedrohlich gestalteten. Einen bedeutenden Einfluß auf die Geschicke jenes Gebildes müßten auch die in jener Zeit sich verstärkenden Wanderungen der Slawen ausgeübt haben. Unter diesen neuen Bedingungen kam es zu einer Entwicklung, die zu verfolgen interessant ist. Einerseits nämlich trat ein zeitweiser wirtschaftlicher Rückgang in den bis dahin führenden Produktionszentren ein, welcher sich sowohl aus der allgemeinen Wirtschaftslage in Europa ergab wie auch eine Folge der germanischen und slawischen Wanderungen war. Zum anderen aber machte sich diese Rezession in denjenigen Gebieten, die an der Peripherie jener Produktionszentren gelegen waren, bei weitem nicht so stark geltend. Zwar nahm auch hier das Wachstumstempo der Erzeugung ab; diese hielt sich jedoch auf einem Niveau, 247
welches einen allmählichen Ausgleich zwischen den zuvor verschieden stark entwickelten Gebieten herbeiführte. Die Lockerung und teilweise Unterbrechung der Beziehungen zu den weströmischen Provinzen wurde durch die Intensivierung der Kontakte mit den oströmischen nicht aufgewogen, zumal die hierhin vorhandenen Verbindungen doch recht unbedeutend waren. Auch in der folgenden Zeit änderte sich diese Situation nicht wesentlich, da man von slawischer Seite dauerhafte Beziehungen mit dem ständig in Kämpfe verwickelten Byzanz nur schwer aufrechtzuerhalten vermochte. Die Abwanderung großer Gruppen führte zu einer Verringerung der Bevölkerung, welche sich — in Verbindung mit den anderen eben genannten Tatsachen — auch auf die materielle Kultur der Völker unseres Raumes auswirkte. Es machte sich Stagnation, ja sogar Rückgang geltend. Dieser Zustand dauerte jedoch nicht sehr lange, denn schon bald begann ein neuer Aufschwung. In den kleinpolnischen Funden wurde dieser allerdings nur wenig sichtbar; stärker kam er schon im Süden des großpolnischen Bereiches zum Ausdruck, in etwas späterer Zeit dann auch im gesamten Großpolen. Eine bemerkenswerte Ergänzung erfahren diese Materialien, worauf Tadeusz Lewicki aufmerksam machte, durch onomastische Quellen, nämlich durch Ortsnamen des Typs „Sarbia", welche in einem großen Gebiet, das sich von Kleinpolen bis Pommern erstreckte, auftraten, sich aber besonders in Großpolen häuften. Lewicki nimmt — meiner Meinung nach zutreffend — an, daß sie sich von der ethnischen Bezeichnung der Serben herleiten; nach seiner Auffassung kennzeichneten sie den Raum des „alten Territoriums der Sippengemeinschaften oder vielleicht des Reiches der Weißserben zu Beginn des 7. J h . " . Einer ihrer Überreste dürften vielleicht auch die vom Bayrischen Geographen in der ersten Hälfte des 9. J h . erwähnten „Zeriuanai" gewesen sein, welchen Namen Lewicki als verunstaltete Bezeichnung der Serbianier ansieht, deren Sitze er zwischen Czarnköw und Znin lokalisiert. Dieser zweite Teil seiner Hypothese ist nun jedenfalls unklarer als der erste, welcher sich auf die Existenzmöglichkeit eines weißserbischen „Staates" in den oben erwähnten Gebieten bezieht. Ich würde hier eher eine andere Reihenfolge annehmen, nämlich ein Wachstum dieses Gebildes nicht, wie Lewicki will, von Norden nach Süden, sondern von Süden nach Norden und somit in einer ähnlichen Richtung, wie wir dies vordem beobachtet haben. Diese Frühform einer staatlichen Organisation, die nur in der Zeit vom 6. bis 7. Jh. bestanden haben kann, wurde bald zerschlagen, vielleicht im Kampfe mit den Awaren. Als ihre Folgeerscheinung beobachten wir eine Abwanderung von Teilen der Serben nach dem Balkan, während andere serbische Splittergruppen sich an der Peripherie des genannten Gebietes mit der ansässigen Bevölkerung vermischten. Somit ließe sich hieraus erklären, warum die Namen vom „Sarbia"-Typ in Großpolen häufiger anzutreffen sind als in Kleinpolen und daß sie auch in Pommern auftauchen. Akzeptiert man meine Gedankengänge, so kann man die dargelegten Prozesse als Ausdruck einer zweiten frühstaatlichen Expansionswelle ansehen, die ihr Zentrum in Kleinpolen hatte. Die eben erwähnte Rolle der Awaren bei der Zerschlagung des mutmaßlichen weißserbischen Reiches wirft neuerdings die Frage 248
nach dem Einfall dieses Nomadenvolkes in die polnischen Lande auf. Daß es sich hier nicht längere Zeit aufhielt, wird in unserer Literatur durchgängig unterstrichen; ein Beweis hierfür ist auch die geringe Zahl von Funden, welche mit ihm in Zusammenhang gebracht werden können. Der tschechische Gelehrte Jan Eisner hat ferner zutreffend bemerkt, daß die Mehrzahl ihrer Spuren aus dem 8. und 9. Jh. stammt und vornehmlich nicht auf eine politische Herrschaft der Awaren in unserem Bereich hindeutet, sondern das Bestehen von Handelsbeziehungen mit ihnen beweist. Was wir hier sagen, soll allerdings keineswegs bedeuten, daß die Berührung der Awaren mit den polnischen Gebieten diesen nicht ihren Stempel aufgedrückt hätte. In diesem Zusammenhang verdienen besonders die Namen von „ O b r a " - T y p Aufmerksamkeit, deren Genese von manchen Forschern auf die Awaren zurückgeführt wird. Berücksichtigt man, daß der Südwesten Großpolens durch alte kulturelle Bande mit Niederschlesien verknüpft war, einem Gebiet, bis in das die Einwirkung der Awaren ohne weiteres gereicht haben konnte, so fällt es nicht schwer, den Namen des Flüßchens Obra mit ihnen in Verbindung zu bringen. Die awarischen Heere, welche bis nach Schlesien und Kleinpolen vordrangen und, wie vermutet, die Weißserben zerschlugen, erreichten mit ihren Vorstößen jene Teile Polens, die späterhin das Ziel der Aggression des Großmährischen Reiches waren. Zur Abrundung unserer Darstellung sei noch hinzugefügt, daß Theophylaktes Simokattes in der ersten Hälfte des 7. Jh. einen Bericht verzeichnete über „drei Männer sklawinischer Herkunft, die weder Eisen noch Waffen trugen, sondern nur Kitharen und sonst nichts bei sich hatten. Der Cäsar befragte sie, welchem Stamme sie angehörten, wo ihr Wohnsitz sei und warum sie sich auf römischem Territorium befänden. Sie antworteten, daß sie dem Stamme der Sklawiner angehörten, am Ufer des Westmeers wohnten und daß der (awarische) Khagan bis dorthinBotengesandt hätte zur Anwerbung von Truppen, wobei er den Anführern der einzelnen Stämme große Geschenke angeboten hätte." Es ist hier offenbar von ander Ostsee beheimateten Völkerschaften die Rede, vielleicht von den Weleten oder von Stämmen, die an der weletisch-obotritischen Grenze saßen. Wenn es den Anschein erweckt, als ob diese Erzählung zu meiner Hypothese über das Bestehen eines größeren slawischen Verbandes auf polnischem Boden im Widerspruch steht, so möchte ich hierauf entgegen, daß dieser Verband zu jener Zeit höchstens einen Teil von Pommern umfaßte. Zu einer längeren Herrschaft der Awaren über polnische Gebiete ist es sicherlich nie gekommen, auch wohl nicht — entgegen manchen Vermutungen — über größere Teile Mährens. Die Bevölkerung Südpolens schüttelte den auf ihr lastenden Druck bald ab. Wenn man die noch völlig unklare chorwatische oder chrobatische Episode in der Geschichte des Kraköwer Raumes ausnimmt, welche noch einer näheren Untersuchung bedarf, so könnte dies im Ergebnis der wachsenden Macht des Territorialverbandes der „Lendizi" geschehen sein. Die Expansion ging somit von einem Gebiet aus, welches von den Awaren wohl bedroht war, jedoch von ihnen nicht unterjocht werden konnte. Seit langem beschäftigt sich die Forschung mit dem Problem, das der Name „Lendizi" aufwirft. Er begegnet in dieser Form beim sogenannten Bayrischen 17
Hensel
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Geographen (Regensburger Tafel), einer Quelle aus dem 9. Jh., sowie als „Lendzanenoi" oder „Lendzeninoi" in der Schrift ,,De administrando imperio" des byzantinischen Kaisers Konstantin Porphyrogennetos aus der Mitte des 10. Jh., wobei letzterer mit Nachdruck unterstrich, daß die Lendzanenoi von der Rus abhängig waren. E s wurde nun auf die verschiedenste Weise versucht, die beiden Bezeichnungen miteinander zu verknüpfen. Unter anderem wurde vorgebracht, daß man es hier mit einer zufälligen Ähnlichkeit der Namen zu tun hat — ein Fakt, der bei den Slawen häufig anzutreffen ist. Ich selbst hoffe, daß diese Frage trotz aller bisherigen Darlegungen noch einmal näher zu untersuchen wäre. Der Versuch, beide Namen voll miteinander zu identifizieren und zu behaupten, daß die mit ihnen bezeichnete Gruppe auf ein und demselben Gebiet ansässig gewesen sei, entbehrt, wie ich überzeugt bin, jeder tieferen Begründung. Weit zutreffender erscheint mir die Ansicht jener Forscher, welche hier zwei verschiedene Gruppen sehen und diese in verschiedenen Gebieten lokalisieren — die eine in Großpolen, die andere zwischen Pilica und Wieprz. Wie aber ist der klare etymologische Zusammenhang zwischen beiden Namen zu erklären? E s ist möglich, daß wir bei „Lendizi" und „Lendzanenoi" nicht eine zufällige Verschiedenheit der Endsilben vor uns haben, sondern Varianten, die in chronologischer Reihenfolge entstanden, wobei „Lendzanenoi" die jüngere Form zu sein scheint. Dies vorausgesetzt, ergäbe sich ein gewisses Bild der von Nord nach Süd fortschreitenden Durchdringung. Das Fortbestehen eines einheitlichen Namens auf einem ausgedehnten Gebiet, wobei sich Reste desselben noch bis ins 9. und 10. J h . erhalten haben, zeigt vielleicht eine Spur dessen, daß auf unserem Boden damals ein neuer politischer Organismus erwuchs. E r müßte dann jedoch spätestens zu Beginn des 9. J h . zerfallen sein, da der Bayrische Geograph einen solchen Verband nicht erwähnt. Allerdings darf hier eine schwache Seite dieser Beweisführung nicht übergangen werden. Es ist wohlbekannt, daß die Polanen in zwei recht weit voneinander entfernten Gebieten lokalisiert werden, nämlich einmal in Großpolen, zum anderen im Raum von Kiew. Die erwähnten Namen riefen nun bei einigen Forschern den Eindruck hervor, daß einst ein größerer „Stamm" der Polanen bestanden habe. Die Mehrzahl der Gelehrten lehnte jedoch diesen Gedanken ab und vertrat die Meinung, es handle sich hier um ein Beispiel der Entstehung einander ähnlicher Namen in verschiedenen Gebieten. Müssen wir jedoch wirklich jeden Fall dieser Art auf dieselbe Weise erklären? Der historische Prozeß zeigt uns doch auf allen möglichen Gebieten so viele gleichartige Einzelfälle, die trotzdem aus völlig verschiedenen Umständen resultieren! Dazu kommt hier noch ein anderer, in der Diskussion häufig nicht berücksichtigter Gesichtspunkt. Konstantin Porphyrogennetos erwähnte in seinem Werk, daß die Weichsel „Dicyke" genannt wird. Allgemein nimmt man hier einen Schreibfehler für „ L i c y k e " an, behauptet, daß der Autor nicht an einen anderen Namen der Weichsel dachte, sondern ihre Lage im Lande der Licyker kennzeichnen wollte. In der zweiten Hälfte des 10. Jh. berichtete nun auch der sächsische Geschichtsschreiber Widukind von Corvey über die ziemlich geheimnisvollen „Licikaviki", welche Mieszko I. Untertan waren. Gerard Labuda hielt diese 250
beiden Äußerungen zusammen und gelangte zu dem Schluß, daß als „Licikaviki" die nordpolnischen Stämme anzusehen sind; er gab gleichzeitig die von ihm früher angenommene Gleichsetzung der Genannten mit den Lebusern auf. Dieser Gedankengang enthält viel Richtiges, doch läßt sich die Gesamtfrage auch anders interpretieren. Die „Licyke" bildet nämlich trotz ihrer abweichenden Form, welche sich vermutlich aus der Übernahme aus fremden Quellen erklärt, in meinen Augen ein ungemein wichtiges Bindeglied zwischen den „Lendizi", den „Lendzanenoi" und den „Licikaviki". Hier deutet alles auf das Bestehen einer die Gebiete zwischen dem Mittellauf der Oder und dem San irgendwie umfassenden Gemeinschaft hin. Im 9. und 10. J h . bestand diese allerdings nicht mehr; es existierten von ihr damals nur mehr unzusammenhängende Relikte. Ein solches waren die Widukindschen „Licikaviki", mit welchem Namen in der Zeit Mieszkos I. ein „Stamm" bezeichnet wurde, der im Gebiet des heutigen Lebus ansässig war und zu Beginn der Regierung des genannten Fürsten dem polnischen Staat einverleibt wurde. Ich bin mir selbstredend des hypothetischen Charakters dieser Theorien bewußt sowie der Notwendigkeit ihrer Unterbauung durch weiteres konkretes Material. Die archäologischen Quellen, die dafür in Frage kommen, sind allerdings noch dürftig. Auffallend ist dennoch, daß wir bei der Keramik aus Großpolen eine Mischung verschiedener Formen, in der Gegend von Gniezno zum Beispiel nördlicher und südlicher, feststellen können; wie Jözef Kostrzewski habe auch ich hierauf bereits vor Jahrzehnten aufmerksam gemacht. Möglicherweise kam es hierzu infolge der wechselnden und komplizierten Verhältnisse, deren Rekonstruktion wir oben versucht haben. E s ist ersichtlich, daß hier in starker Kürzung eine eigene Arbeitshypothese über die politischen Verhältnisse auf polnischem Boden in den ersten sieben oder acht Jahrhunderten unserer Zeitrechnung gegeben wird. Ohne Übertreibung kann gesagt werden, daß dies eine Zeit ungewöhnlich stürmischer Wandlungen war, und zwar in der Wirtschaft ebenso wie auf gesellschaftlichem, politischem und ethnischem Gebiet. Augenfällig ist dabei, daß die sogenannte Zeit der Völkerwanderung — entgegen vielen anderen Ansichten — die Wirtschaft Polens keineswegs stark hemmte. Im Gegenteil erreichte diese ihre größte Intensität eben gerade in der Zeit vom 4. bis zum Beginn des 6. J h . Wir bemerken, wie ausgeführt, wohl einerseits in diesem Zeitraum eine Schwächung der wirtschaftlichen Entwicklung mancher Gebiete, andererseits aber bewirkten die Wanderungen einen Aufschwung in anderen, vordem benachteiligten Räumen. Es ergab sich, im ganzen gesehen, allgemein eine breitere Verteilung solcher Güter, deren Absatz früher auf bestimmte Kreise beschränkt gewesen war. Gleichzeitig hiermit erfolgte ein gewisses Absinken des Produktionsniveaus. Von seinen Auswirkungen wurden allerdings die Schichten der Neureichen stärker betroffen als das Gros der Bevölkerung. Die bereits bestehenden Vermögensunterschiede vertieften sich hierdurch noch, und auch die Beutezüge trugen ihr gutes Teil dazu bei. E s spielte sich somit damals ein Vorgang ab, der in Zeiten komplizierter politischer Bedingungen und auch bei der Entstehung neuer sozialer Schichtungen oft zu beobachten ist. 17*
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Fassen wir zusammen. E s kann gesagt werden, daß für die ersten sieben Jahrhunderte unserer Zeitrechnung ein beständiger K a m p f zwischen den verschiedenen Tendenzen auf polnischem Boden kennzeichnend war. Stets von neuem regten sich Kräfte, welche die Verbindung größerer Territorialeinheiten zu einem Ganzen anstrebten, eine A r t frühstaatlicher Organisation zu formen suchten. Die Initiative kam dabei vorwiegend aus dem reichen Gebiet von K r a k o w . Man darf bei all dem allerdings nicht an eine Hinwendung zu stets ein- und denselben Formen denken; dies wäre eine falsche Beurteilung. Die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen man damals den Keim eines größeren slawischen Staates zu schaffen suchte, lagen zu Beginn unserer Zeitrechnung anders als etwa im 6. bis 8. Jh. Dies beweisen nicht zuletzt die archäologischen Funde. Die neuen Siedlungstypen, denen wir im 6. Jh. begegnen, zeigen mit aller Klarheit, daß die Gesellschaft damals über die früheren Zeiten bereits hinausgewachsen war. Jetzt nämlich entstanden auf den Trümmern der alten Formen die ersten noch schwachen vorfeudalen Organisationen. Im Siedlungswesen manifestierte sich dieser Prozeß durch den B a u von kleinen Burgen, welche schon im 7. Jh. stark befestigt waren. Die in jener Periode herrschenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen begünstigten dabei in der Folgezeit das Entstehen dauerhafterer Gebilde und ermöglichten schließlich die Entstehung des polnischen Staates. Man muß sich jedoch vor Augen halten, daß diese von mir vermuteten frühen Staatsgebilde keine starken und mächtigen Institutionen waren. Man hat hier vielmehr an typische Übergangsorganisationen zu denken, die mitunter ebenso schnell verschwanden, wie sie entstanden waren. Das Geschehen auf polnischem Boden weist damit große Ähnlichkeit mit dem in vielen anderen Ländern Europas auf. Die Entstehung des polnischen Staates Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, daß die Bestrebungen zur Errichtung eines umfangreicheren Territorialverbandes das wichtigste Merkmal der ersten sieben Jahrhunderte unserer Zeitrechnung waren. Das Ergebnis dieser Tendenz war die Gestaltung neuer gesellschaftlicher Verhältnisse etwa im 8. Jahrhundert. Diese mußten nun wieder zu intensiverem Streben nach der Formung neuer, ihnen adäquater politischer Bedingungen führen — kurz gesagt: zur Bildung eines Staates (Abb. 171). Die immer günstigere Gestaltung der Wirtschaftslage, welche die Anknüpfung ausgedehnter Handelsbeziehungen ermöglichte und in den Beziehungen zwischen den einzelnen Völkerschaften zu einem Aufschwung führte, hatte auf diesen Prozeß eine starke Wirkung. A u c h der Verfall der awarischen Macht sowie die aus dem Zerbrechen des Karolingerreiches resultierenden Vorgänge trugen ihr Teil hierzu bei. Z u m ersten Mal erweckten die westslawischen Gebiete stärkere Aufmerksamkeit nicht nur bei den germanischen Staaten, sondern auch im byzantinischen Kaiserreich. Beachtung verdient die Selbständigkeit ihrer Politik; sie zeigte sich unter anderem 252
Fassen wir zusammen. E s kann gesagt werden, daß für die ersten sieben Jahrhunderte unserer Zeitrechnung ein beständiger K a m p f zwischen den verschiedenen Tendenzen auf polnischem Boden kennzeichnend war. Stets von neuem regten sich Kräfte, welche die Verbindung größerer Territorialeinheiten zu einem Ganzen anstrebten, eine A r t frühstaatlicher Organisation zu formen suchten. Die Initiative kam dabei vorwiegend aus dem reichen Gebiet von K r a k o w . Man darf bei all dem allerdings nicht an eine Hinwendung zu stets ein- und denselben Formen denken; dies wäre eine falsche Beurteilung. Die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen man damals den Keim eines größeren slawischen Staates zu schaffen suchte, lagen zu Beginn unserer Zeitrechnung anders als etwa im 6. bis 8. Jh. Dies beweisen nicht zuletzt die archäologischen Funde. Die neuen Siedlungstypen, denen wir im 6. Jh. begegnen, zeigen mit aller Klarheit, daß die Gesellschaft damals über die früheren Zeiten bereits hinausgewachsen war. Jetzt nämlich entstanden auf den Trümmern der alten Formen die ersten noch schwachen vorfeudalen Organisationen. Im Siedlungswesen manifestierte sich dieser Prozeß durch den B a u von kleinen Burgen, welche schon im 7. Jh. stark befestigt waren. Die in jener Periode herrschenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen begünstigten dabei in der Folgezeit das Entstehen dauerhafterer Gebilde und ermöglichten schließlich die Entstehung des polnischen Staates. Man muß sich jedoch vor Augen halten, daß diese von mir vermuteten frühen Staatsgebilde keine starken und mächtigen Institutionen waren. Man hat hier vielmehr an typische Übergangsorganisationen zu denken, die mitunter ebenso schnell verschwanden, wie sie entstanden waren. Das Geschehen auf polnischem Boden weist damit große Ähnlichkeit mit dem in vielen anderen Ländern Europas auf. Die Entstehung des polnischen Staates Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, daß die Bestrebungen zur Errichtung eines umfangreicheren Territorialverbandes das wichtigste Merkmal der ersten sieben Jahrhunderte unserer Zeitrechnung waren. Das Ergebnis dieser Tendenz war die Gestaltung neuer gesellschaftlicher Verhältnisse etwa im 8. Jahrhundert. Diese mußten nun wieder zu intensiverem Streben nach der Formung neuer, ihnen adäquater politischer Bedingungen führen — kurz gesagt: zur Bildung eines Staates (Abb. 171). Die immer günstigere Gestaltung der Wirtschaftslage, welche die Anknüpfung ausgedehnter Handelsbeziehungen ermöglichte und in den Beziehungen zwischen den einzelnen Völkerschaften zu einem Aufschwung führte, hatte auf diesen Prozeß eine starke Wirkung. A u c h der Verfall der awarischen Macht sowie die aus dem Zerbrechen des Karolingerreiches resultierenden Vorgänge trugen ihr Teil hierzu bei. Z u m ersten Mal erweckten die westslawischen Gebiete stärkere Aufmerksamkeit nicht nur bei den germanischen Staaten, sondern auch im byzantinischen Kaiserreich. Beachtung verdient die Selbständigkeit ihrer Politik; sie zeigte sich unter anderem 252
in der Berufung der Mönche Kyrill (Konstantin) und Method nach Mähren unter Ratislav im Jahre 863. Gegen den Widerstand des ostfränkischen Klerus, der schon zuvor in Mähren eine jedoch recht bescheidene Missionstätigkeit entfaltet hatte, führten sie hier den slawischen Ritus ein. Ihr Werk brach allerdings wieder zusammen — wohl nicht ohne die stillschweigende Zustimmung der großmährischen Herrscher, die jetzt mehr und mehr in die Abhängigkeit von ihren ostfränkisch-deutschen Nachbarn gerieten. Immerhin verdient dieser durch das Wirtschaftspotential Mährens begünstigte Versuch einer Neugestaltung der Verhältnisse in Richtung auf größere Selbständigkeit starke Betonung. Das Geschehen in Mähren war keineswegs ein Einzelfall unter den westlichen Slawen. Die jetzt reicher fließenden Schriftquellen und auch verschiedene erfolg253
reiche Ausgrabungen gestatten uns genauere Kenntnisse über die Entwicklung dieses Landes. Auch die nordöstlich von ihm gelegenen Gebiete zogen zu jener Zeit das Interesse sowohl der Weststaaten wie auch des byzantinischen Reiches auf sich. Dies ist verständlich; lagen doch hier die Knotenpunkte der von Ost nach West verlaufenden Handelsstraßen, welche eine wesentliche Verkürzung des langen und beschwerlichen Flußweges über die Wolga oder den Dnepr und weiter durch Skandinavien ermöglichten. In Bayern entstand daher auch in der ersten Hälfte des 9. Jh. eine Beschreibung der Länder nördlich der Donau, welche auch dem polnischen Raum Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Im gleichen Jahrhundert verzeichnete der englische König Alfred der Große eine Nachricht über das „Wisleland", und der sogenannte ausführliche Lebenslauf von Konstantin und Methodius erwähnte einen mächtigen Fürsten, welcher in „WiSlech" herrschte. Es ist auch sehr auffallend, daß Gallus Anonymus noch zu Anfang des 12. J h . seine Darstellung der Geschichte der Piastendynastie gerade mit der Beschreibung von Ereignissen begann, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Mitte des 9. Jh. abspielten. Sämtliches zur Verfügung stehende Material, einschließlich der nach dem zweiten Weltkrieg entdeckten archäologischen Funde, weist somit darauf hin, daß diese Zeit für die Entstehung des polnischen Staates besonders bedeutungsvoll war. Vom Bayrischen Geographen wissen wir, daß um die Mitte des 9. Jh. infolge der oben erwähnten Ereignisse auf dem Boden Polens eine Reihe kleiner politischer Einheiten bestand, zu denen als wichtigste in Großpolen und Kuj awien die Lendizen und Glopeaner (Goplaner), in Kleinpolen die Wiälaner, in Schlesien die Öl^zaner und Opolaner zu zählen sind. Wir dürfen vermuten, daß sich in Pommern und Masowien die Verhältnisse ähnlich gestalteten. Charakteristisch für jene Zeit war das Nebeneinanderbestehen von kleineren und größeren Organismen. Wir vermögen nicht genau zu sagen, ob dies die Folge einer Rückkehr von Teilen jener Territorialgruppen zu Organisationsformen der früheren Epoche war oder ob die auftretenden Größenunterschiede auf verschiedene Entwicklungsstadien der Gruppen zurückzuführen sind, wobei die einen weiter fortgeschritten waren als die anderen. Wenig wahrscheinlich ist eine weitere Möglichkeit, nämlich daß diese Größenunterschiede seit jeher bestanden haben. Es sei daran erinnert, daß der Bayrische Geograph für das schlesische Gebiet folgende Gruppen anführt: die Slenzaner (Sleenzani) im Räume von Sl§za mit 15 Burgen (civitates), die Dadosaner (Dadosesani) im nördlichen Niederschlesien (in der Umgebung von Glogow) mit 20 civitates, die Opolaner (Opolini), das heißt die Bewohner der Gegend um das heutige Opole, mit 20 civitates und die Golendsizen (Golensizi) in Oberschlesien nahe der mährischen Grenze mit 5 civitates. Aufgrund anderer Quellen kann angenommen werden, daß in der Gegend von Legnica die Trebowianer (Trebouane) und am mittleren Bobr die Bobrzaner ansässig waren. Gering ist die Zahl der für Pommern, Großpolen und Kleinpolen angeführten Stämme. Die Lokalisierung mancher „Stämme" durch den Bayrischen Geographen ist sehr umstritten. Das Problem der „Lendizi" wurde im vorigen Abschnitt bereits 254
behandelt. Von verschiedener Seite angezweifelt wird weiter die Identifizierung der „Glopeani" mit den Goplanen, den Bewohnern der Gegend am GoploSee. Meiner Meinung nach steht jedoch einer solchen Gleichsetzung nichts im Wege. Am Ausgang des 8. Jh., spätestens aber in der ersten Hälfte des 9. Jh. beobachten wir somit das Bestehen mehrerer territorialer Zentren in verschiedenen Gegenden Polens, in denen frühfeudale Elemente die Oberhand gewannen. Diese Erkenntnis stützt sich nicht so sehr auf schriftliche wie auf archäologische Quellen. Neuere Forschungen haben nämlich erwiesen, daß damals Siedlungen mit massiven Wällen entstanden, die man bereits als frühfeudale Bauten bezeichnen kann. Die für die vorhergehende Periode typischen Siedlungen mit Palisadenwall begannen jetzt zu verschwinden. Sehr augenfällig ist auch die wachsende Bedeutung der Reiterscharen, welche man aus der erheblich höheren Zahl von Sporenfunden erschließen kann. Unter den oben angeführten räumlichen Bereichen treten vor allem zwei in den Vordergrund; Großpolen mit zwei Gruppen und Kleinpolen mit einer Gruppe und vielleicht auch zwei „Stämmen". Erwähnung verdient daneben auch der gleichzeitige Aufstieg anderer Gruppen, der im Zusammenhang mit dem Aufschwung ihres Wirtschaftslebens stand. Im 9. Jh. ist der Beginn eines solchen Aufblühens an verschiedenen Stellen Westpommerns klar zu beobachten. Komplizierter, als wir uns das heute vorstellen, gestaltete sich sicherlich damals die Entwicklung in Masowien. Wir wissen leider wenig über den aktiven Anteil dieses Gebietes sowie Schlesiens und Pommerns an der endgültigen Entstehung des polnischen Staates, weshalb wir uns bis zur genaueren Klärung dieser Fragen auf eine Darstellung der grundlegenden Entwicklungsrichtungen in Klein- und Großpolen beschränken müssen. Wir sollten uns trotzdem aber vor Augen halten, daß für die Gestaltung des aus dem Zusammenschluß vieler Territorien entstehenden polnischen Staates die Entwicklung jeder dieser Territorien von größter Bedeutung war. Die wirklich treibenden Kräfte in diesem Prozeß traten jedoch zunächst bei den Wislanen in Erscheinung und etwas später auch bei den Polanen.
A. Die Wislanen Die gegen Ende des 9. oder zu Anfang des 10. Jh. entstandene ausführliche Biographie des Methodius enthält in ihrem 9. Kapitel folgenden Passus: „Er hatte (Methodius) auch die Gabe der Prophezeihung, weshalb wir bei ihm viele Voraussagen finden, von denen wir nur die eine oder andere anführen wollen. Ein heidnischer Fürst, ein sehr starker Mann, der an der Wisle (Weichsel) saß, bedrückte viele Christen und fügte ihnen mancherlei Unrecht zu. Methodius sandte einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: ,Mein Sohn, es wird für dich gut sein, dich aus freien Stücken und auf dem eigenen Boden taufen zu lassen, um nicht in der Gefangenschaft auf fremder Erde zur Taufe gezwungen zu werden; du wirst noch meiner gedenken.' Und so geschah es auch." Am Beginn des 9. Jh. hatte auch
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behandelt. Von verschiedener Seite angezweifelt wird weiter die Identifizierung der „Glopeani" mit den Goplanen, den Bewohnern der Gegend am GoploSee. Meiner Meinung nach steht jedoch einer solchen Gleichsetzung nichts im Wege. Am Ausgang des 8. Jh., spätestens aber in der ersten Hälfte des 9. Jh. beobachten wir somit das Bestehen mehrerer territorialer Zentren in verschiedenen Gegenden Polens, in denen frühfeudale Elemente die Oberhand gewannen. Diese Erkenntnis stützt sich nicht so sehr auf schriftliche wie auf archäologische Quellen. Neuere Forschungen haben nämlich erwiesen, daß damals Siedlungen mit massiven Wällen entstanden, die man bereits als frühfeudale Bauten bezeichnen kann. Die für die vorhergehende Periode typischen Siedlungen mit Palisadenwall begannen jetzt zu verschwinden. Sehr augenfällig ist auch die wachsende Bedeutung der Reiterscharen, welche man aus der erheblich höheren Zahl von Sporenfunden erschließen kann. Unter den oben angeführten räumlichen Bereichen treten vor allem zwei in den Vordergrund; Großpolen mit zwei Gruppen und Kleinpolen mit einer Gruppe und vielleicht auch zwei „Stämmen". Erwähnung verdient daneben auch der gleichzeitige Aufstieg anderer Gruppen, der im Zusammenhang mit dem Aufschwung ihres Wirtschaftslebens stand. Im 9. Jh. ist der Beginn eines solchen Aufblühens an verschiedenen Stellen Westpommerns klar zu beobachten. Komplizierter, als wir uns das heute vorstellen, gestaltete sich sicherlich damals die Entwicklung in Masowien. Wir wissen leider wenig über den aktiven Anteil dieses Gebietes sowie Schlesiens und Pommerns an der endgültigen Entstehung des polnischen Staates, weshalb wir uns bis zur genaueren Klärung dieser Fragen auf eine Darstellung der grundlegenden Entwicklungsrichtungen in Klein- und Großpolen beschränken müssen. Wir sollten uns trotzdem aber vor Augen halten, daß für die Gestaltung des aus dem Zusammenschluß vieler Territorien entstehenden polnischen Staates die Entwicklung jeder dieser Territorien von größter Bedeutung war. Die wirklich treibenden Kräfte in diesem Prozeß traten jedoch zunächst bei den Wislanen in Erscheinung und etwas später auch bei den Polanen.
A. Die Wislanen Die gegen Ende des 9. oder zu Anfang des 10. Jh. entstandene ausführliche Biographie des Methodius enthält in ihrem 9. Kapitel folgenden Passus: „Er hatte (Methodius) auch die Gabe der Prophezeihung, weshalb wir bei ihm viele Voraussagen finden, von denen wir nur die eine oder andere anführen wollen. Ein heidnischer Fürst, ein sehr starker Mann, der an der Wisle (Weichsel) saß, bedrückte viele Christen und fügte ihnen mancherlei Unrecht zu. Methodius sandte einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: ,Mein Sohn, es wird für dich gut sein, dich aus freien Stücken und auf dem eigenen Boden taufen zu lassen, um nicht in der Gefangenschaft auf fremder Erde zur Taufe gezwungen zu werden; du wirst noch meiner gedenken.' Und so geschah es auch." Am Beginn des 9. Jh. hatte auch
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der Bayrische Geograph das Land der Wislanen erwähnt, ebenso wie wenige Jahrzehnte später der englische König Alfred (871—901). Die in seinem Auftrag erfolgte angelsächsische Bearbeitung der Weltchronik des Orosius enthält unter anderem den Satz: „Und im Osten von Mähren liegt das Land der Wislanen, und östlich von diesem ist Dacien, wo vordem die Goten waren." Diese Qüellenstellen haben bereits seit geraumer Zeit die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gelenkt. Sie lieferten Stoff zu lebhaften Diskussionen, welche sich um den Namen als solchen, den räumlichen Sitz der Wislanen, das Hauptzentrum desselben, die Bedeutung ihres politischen Verbandes sowie den Verlust ihrer Selbständigkeit drehten. Der hier verfügbare Platz läßt keine eingehende Besprechung aller Momente dieser wichtigen wissenschaftlichen Streitfragen zu, in denen sich neben der Tendenz zu einer Überschätzung der politischen Bedeutung der Wislanen auch Versuche zeigten, diese nur sehr niedrig einzuschätzen. -Ich werde nachstehend versuchen, kurz das Wesentlichste zu den aufgeworfenen Fragen zu sagen. a) Zum Namen des Lande's. E s wurde darüber debattiert, ob dieser von der Bezeichnung eines Stammes, eines Flusses oder einer Siedlung herrührt. Die erste Möglichkeit wurde damit begründet, daß er in der Mehrzahl („Wislech") auftritt; jedoch wirkt diese Erklärung wenig überzeugend. Weit mehr spricht für die zwei weiteren Hypothesen, die wir oben genannt haben. Auf der Suche nach einer Verknüpfung des Namens mit einer zentralen Ortschaft richtete sich die Aufmerksamkeit in erster Linie auf Wislica, welches im Mittelalter auch Visla oder Visly genannt wurde. Gewiß ist nun, daß es im polnischen Frühmittelalter die Gepflogenheit gegeben hat, ein Land nach dem Namen seines Hauptortes zu bezeichnen. In diesem Falle spricht jedoch gegen eine solche Interpretation der Umstand, daß Wislica nicht am Wislafluß, sondern an der Nida lag. Daß diese einst einen an die Weichsel lautlich anklingenden Namen getragen hat, ist wohl auszuschließen. Jedoch unabhängig davon, welcher der drei Varianten (Wisla, Wisly, Wislica) der Vorzug gegeben wird — alle weisen sie darauf hin, daß jener Name von auswärts kam, daß ihn ein Volk mitbrachte, das an der Weichsel lebte. Die Lösung dieser Frage wird zweifellos auch durch die Legende von Tyniec-Wislica belastet, welche das Verständnis der wirklichen Vorgänge, die sich in dieser Gegend abspielten, sehr erschwert. Wir lehnen somit die behandelten zwei Versionen als wenig wahrscheinlich ab und akzeptieren nur die dritte, nach der der Name Wislanen vom Flusse Wisla herrührt. b) Derart gewinnen wir einen äußerst brauchbaren Ausgangspunkt für die beiden nächsten Fragen, nämlich die des territorialen Umfangs des Landes der Wislanen sowie ihres Hauptzentrums. Es wurde auf die verschiedenste Weise versucht, ersteren zu bestimmen; jedoch kann dieses Problem derzeit noch nicht endgültig gelöst werden, da das bisher zur Verfügung stehende Material sehr unsicher ist. Die archäologischen Quellen, die hierzu sehr spärlich fließen, bieten doch nur eine allzusehr beschränkte Basis. Neuere Forschungen haben allein mit voller Deutlichkeit ergeben, daß im Raum von Krakow und in anderen Bereichen Südpolens die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Bestand eines 256
starken sozialen Organismus gegeben waren. Man erblickt sie vor allem in der Entwicklung der metallurgischen Industrie, in der Töpfertechnik und den Schmuckformen, die denen des großmährischen Raumes nahestehen. Die jüngsten Entdeckungen in Krakow, Nowa Huta, Wislica, Stradow und Chodlik geben uns auch die Gewißheit, daß binnen kurzem noch mehr Argumente zur Unterstützung dieser Hypothese beigebracht werden können. Augenblicklich müssen wir allerdings noch als die wichtigsten derselben die schriftlichen Quellen sowie die Ergebnisse der historischen Geographie ansehen. Sie lassen folgende Aussagen zu: Der von den Wislanen anfänglich eingenommene Raum war vermutlich nicht sehr ausgedehnt. Beim Versuch einer Lokalisierung tappen wir fast vollständig im Dunkeln. Einige Forscher wollten ihn anhand von Namen, welche von der Wisla abgeleitet sind, bestimmen; dieser Weg führt jedoch, wie K.Buczek zeigen konnte, leicht in die Irre, so daß hier große Vorsicht geboten ist. Gehen wir trotzdem so vor, so erhalten wir ein Gebiet, das etwa zwischen der Weichsel- und der Nidaquelle liegt und sein Zentrum in Krakow hat. Seine Ostgrenze befand sich nach Buczek jenseits der Nida und tangierte den Urwald am Wschodnia-Fluß. Auffallend ist, daß wir sowohl an der Weichsel wie an der Nida den Ortsnamen „Wislica" finden. Allerdings erscheint nur in letzterem Fall dieser Name in alten Dokumenten; im ersteren ist er dagegen frühestens in Schriftquellen aus dem 15. J h . bezeugt. Daß das Dorf Wislica an der Weichsel erst zu jener Zeit entstand, ist damit natürlich keineswegs gesagt, jedoch könnte allein eine archäologische Untersuchung diese Frage entscheiden. Ein interessantes Detail bildet die Tatsache, daß beide ,,Wislica" ungefähr in gleicher Entfernung von Krakow liegen; wir sehen hier demnach eine ähnliche Situation, wie sie bei Poznan und Kruszwica gegenüber Gniezno vorliegt. Die Entstehung der großen Zentren wurde nicht nur durch das Vorhandensein eines reichen Hinterlandes, sondern auch durch eine verkehrsgünstige Lage bestimmt. Man suchte durch sie nicht zuletzt den überaus wichtigen Verkehrsweg zu beherrschen, der von der Mährischen Pforte kommend, sich gabelte und nach Rußland sowie in das Gebiet des Schwarzen Meeres führte. Die WiSlaner begnügten sich höchstwahrscheinlich nicht mit ihrem anfänglichen Besitzstand, sondern strebten konsequent nach dessen Ausweitung durch Besetzung weiterer wichtiger Punkte. Eine solche erfolgte bereits während der zweiten Hälfte des 9. J h . Man kann das aus den oben genannten schriftlichen Überlieferungen ziemlich deutlich ersehen; kannte doch König Alfred im Osten der Mährer nur die Wislanen, aber keinen anderen frühpolnischen „Stamm", und der Biograph des Methodius berichtete, wie gesagt, über einen „sehr mächtigen" Fürsten an der Wisle. Wir können annehmen, daß die WiSlanen in jener Zeit die Vereinigung des einstigen Territoriums der Lendizen anstrebten, vielleicht auch noch weitergehende Pläne verfolgten. Im Verfolg dessen gingen sie demnach über den San; im Norden erreichten sie vielleicht die Gebiete von Lublin und von Radom, und sie besaßen gewiß auch Schlesien einschließlich der „polnischen Seite" der Mährischen Pforte. Nicht ausgeschlossen ist weiterhin, daß sie an mehreren Stellen den Karpatenkamm überschritten. Der Besitz dieses aus257
gedehnten Territoriums, dessen Bevölkerung den Wislanen sprachlich nahestand, bildete die Grundlage ihrer Bedeutung. Dagegen gelang es ihnen nicht, sich den Kern von Großpolen unterzuordnen. Offenbar kam es dort zur gleichen Zeit zur Entstehung anderer Verbände, welche sich ihnen erfolgreich zu widersetzen vermochten. In kurzer Zeit erwuchs also, wie dies im Frühmittelalter Europas des öfteren geschah, neben dem Großmährischen Reich im gleichen Raum noch ein zweiter, recht bedeutender Staat. c) Die vorstehenden Erwägungen erleichtern auch die Auffindung des Hauptzentrums der Wislanen. Außer anderen Elementen hat, wie erwähnt, auch der älteste Überlieferungszyklus aus Kleinpolen, die Tyniec-Wislica-Legende, auf unser ganzes Problem starke Auswirkungen gehabt. Sie führte dazu, daß sich die Aufmerksamkeit der Forschung in erster Linie auf die Bedeutung von Tyniec und Wiälica konzentrierte, während Krakow hinter diesen beiden Orten stark zurücktrat — was übrigens mitunter noch heute der Fall ist. Immerhin verweist eine Reihe von Gelehrten seit langem auf die uralte historische Rolle Krakows. Sucht man hier nach Vergleichen, so findet man leicht geschichtliche Parallelen. Das Verhältnis von Krakow und Tyniec, beides Mittelpunkte kleinerer Territorialgruppen, erinnert an das von Gniezno und Oströw Lednicki oder jenes von Prag (Hradcany) und Levy Hradec. Dagegen hebt sich das Zentrum Wislica als selbständig ab. Da zwischen ihm und Krakow ein Fortifikationsgürtel verlief, der nicht seinesgleichen an Größe hatte, ist es möglich, daß in jenem Rayon eine andere Territorialgruppe ihren Sitz hatte, deren Hauptburg das heutige Wislica war. Der Rayon von Krakow bildete nun unter allen diesen das stärkere Zentrum. Auch mit ihm sind verschiedene Legenden verknüpft. Bereits im frühen Mittelalter war er ein altes und reiches Siedelgebiet. Archäologische Denkmäler sin'd gering an Zahl, zeigen jedoch sehr deutlich, daß jenes Gebiet reich an Werkstätten war, welche vorzügliche Eisenerzeugnisse herstellten. Somit bestanden hier die Voraussetzungen für die Entwicklung der verschiedensten Wirtschaftszweige, nicht zuletzt auch der Landwirtschaft. Beachtung verdient hier die starke Parallele zu den mährischen Verhältnissen. Sie zeigt sich unter anderem in den Formen einzelner Silbererzeugnisse, wie dies anhand eines in Zawada Lanckoronska, Kr. Brzesko, entdeckten Silberschatzes festgestellt werden konnte. Somit war Krakow, nicht aber Wislica der Mittelpunkt des „Urstammes" der Wislanen, und auch in späterer Zeit blieb es eine der wichtigsten Burgen ihres Territorialverbandes. Der Name Krakow, der possessiver Natur ist, geht möglicherweise auf eben jene Zeiten zurück. Wislica an der Nida war, ebenso wie Sandomierz, anfangs wohl der Mittelpunkt eines selbständigen „Stammes", der später von den Wislanen unterworfen wurde. Da diese beiden Orte an einer wichtigen Verkehrsstraße lagen und ein wirtschaftlich reiches Hinterland besaßen, spielten sie in der Geschichte dieses Teiles von Polen eine wichtige Rolle. Daß sie auch in der Zeit vom 10. bis zum 12. J h . noch ihre Bedeutung besaßen, geht aus den reichen archäologischen Funden jener Periode hervor. Ebenso wie das über die Entstehung und Entwicklung des „Reiches" der Wislanen Gesagte nur hypothetisch ist, wissen wir auch nicht viel über dessen 258
politische Rolle. Wir können uns nur ein ungefähres Bild von seiner Bedeutung machen. In der Periode der vermutlich größten territorialen Ausdehnung dieses Reiches umfaßte es verschiedene südliche protopolnische Stämme und, wie man wohl annehmen darf, den Großteil des fruchtbaren Gebietes in unserem Lande. Es beherrschte wichtige Handelsstraßen, welche den Westen mit Rußland verbanden, und auch die weniger frequentierten, zu gewissen Zeiten jedoch sehr bedeutsamen Straßen entlang des Dnestr, welche die Verbindung mit dem Schwarzen Meer und Byzanz herstellten. Auch ein Teil der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Verkehrsadern befand sich unter seiner Kontrolle. Wenn wir uns vor Augen halten, daß gerade in jener Periode die Rolle der Ostsee als großer nordeuropäischer Verkehrsweg wuchs und dort eine Reihe hervorragender slawischer Küstenstädte, darunter auch das berühmte Wolin, entstand, so können wir verstehen, welche Bedeutung die Beherrschung dieses Territoriums besaß und welche Reichtümer sich in den Händen der wislanischen Fürsten ansammelten. Der rasche Aufstieg der Wislanen mußte die Mährer beunruhigen, da er ihre eigenen Interessen unmittelbar zu bedrohen begann. Möglicherweise kam es unter diesen Umständen zu Kämpfen zwischen beiden verwandten Stämmen. Mähren bemühte sich zwar, mit seinem so plötzlich erstarkten Grenznachbarn um jeden Preis gute Beziehungen aufrechtzuerhalten, doch zeigte es sich recht deutlich, daß die beiderseitigen Interessen und Pläne miteinander kollidierten. Das Großmährische Reich strebte, soweit man dies aus gewissen indirekten Angaben erschließen kann, die Erweiterung seines Besitzstandes auf dem Wege der Unterwerfung verschiedener „Stämme" an. Dies gelang ihm verhältnismäßig leicht bei den an seiner Nordgrenze ansässigen „Stämmen"; im Süden dagegen stieß man ebenso auf größere Schwierigkeiten wie im Osten. Es fiel den Mährern nicht leicht, auf ihre Bestrebungen zu verzichten, da es dabei nicht zuletzt auch um die Beherrschung der Mährischen Pforte ging. In diesem Zusammenhang sei an eine Äußerung erinnert, die sich in Einhards Lebensbeschreibung Karls des Großen findet. Der Autor erwähnt, daß jener fränkische Herrscher die Grenzen seines Reiches bis zur Weichsel (Visula) ausdehnte. Was er damit meinte, ist noch ziemlich unklar und bedarf weiterer Untersuchung; vielleicht ist die Angabe auch übertrieben. Am wahrscheinlichsten ist, daß Karl angesichts der Neugestaltung der Verhältnisse die Bedeutung des mährischen Übergangs erkannte und daher bestrebt war, bis an die Quellen der Weichsel vorzustoßen. Ob es dazu gekommen ist, wissen wir nicht, da ein direkter Vorstoß der Franken in diese Richtung durch keine Belege erwiesen werden kann; denkbar ist wohl auch höchstens ein Versuch zur indirekten Beherrschung dieser Verkehrsader. Von Seiten Mährens haben wir es im oben geschilderten Fall vermutlich mit einer ähnlichen Aktion zu tun, was um so verständlicher wäre, als die geographische Lage des Landes diesen Gedanken geradezu aufdrängen mußte. Der für die Praxis der großmährischen Fürsten typische Versuch einer friedlichen Unterordnung der Wislanen zu einer Art tributpflichtigen Landes gelang nicht, weshalb zu drastischeren Mitteln gegriffen wurde. Unter Ausnutzung einer 259
Schwächeperiode der Wislanen und der ihnen lose untergeordneten anderen „Stämme" wurden sie von Großmähren unterworfen. Sie gerieten damit in die politische Einflußsphäre, vielleicht sogar in den direkten Machtbereich dieses damaligen Großreiches. Ihr weiteres politisches Schicksal ist ungewiß, und es werden verschiedene Möglichkeiten in diesem Zusammenhang erwogen. Eines scheint jedoch sicher zu sein: ihre Niederlage war so entscheidend, daß sie als wichtiger, die Entwicklung unseres Territoriums entscheidend gestaltender Faktor verschwanden. Sie spielten somit keine maßgebende Rolle mehr bei der Formung des polnischen Staates; diese fiel nun in erster Linie dem Zentrum in Großpolen zu. Immerhin hatte das Bestehen des wislanischen Reiches große Bedeutung nicht nur für das Wachstum des Territoriums seiner Begründer, sondern auch für das anderer Gebiete. In diesem Sinne kann man ihm eine wesentliche Rolle im Prozeß der Herausbildung des polnischen Staates zubilligen. Bei der obigen Darstellung habe ich weder die Frage der Taufe berührt, welche die Wislanen unzweifelhaft am Ende des 9. Jh. annahmen, noch die ihrer kulturellen Position. Die hiermit zusammenhängenden Probleme werden aufgrund künftiger Forschungen besser bearbeitet werden können, weshalb es unrichtig wäre, ihnen schon jetzt stärkere Aufmerksamkeit zu widmen.
B. Die Staatszentren in Großpolen Wie man den Ausführungen des Bayrischen Geographen entnehmen kann, bildete Großpolen zu Anfang des 9. Jh. nicht mehr ein relativ geschlossenes Territorium. Zu den wichtigsten „Stämmen", die sich hier feststellen lassen, zählten die Goplanen (Glopeani; die Bewohner der Gegenden um den Goplo-See) und die Lendizi (Lendzitzen, Lendzitschen). Über beide besitzen wir kaum mehr als trockene Angaben über die Zahl ihrer Burgen oder Burgbezirke beziehungsweise ihrer Siedlungen überhaupt, der sogenannten civitates. So besaßen die Lendizi angeblich 98 civitates, die Glopeani ,,400 oder etwas mehr". In jüngster Zeit wurden zu den Problemen dieser „Stämme" verschiedene Behauptungen aufgestellt; so glaubt man etwa, daß „Lendizi" der ursprüngliche Name desjenigen Stammes war, welchem wir in späterer Zeit unter der Bezeichnung „Polanen" begegnen, und daß dieser Namenswechsel mit dem Übergang vom Brandrodungsfeldbau zur vollentwickelten Ackerwirtschaft zusammenhängt. Zur Zeit, als ihr neuer Name auftauchte, waren bei den Lendizen die alten Wirtschaftsformen jedoch schon seit langem überholt; zur Änderung ihres Namens dürfte eher die Tatsache beigetragen haben, daß sie damals jene Bedeutung verloren hatten, welche sie zu Beginn des Frühmittelalters besaßen. Dies sind selbstredend alles ungewisse Vermutungen; klar ist jedoch, daß die Lendizen-Polanen in Großpolen während des 9. Jh. eine ziemlich bedeutende Macht darstellten. Die Lokalisierung ihrer Wohnsitze ist nicht einfach. Manche Forscher versuchen, diese im Raum 260
Schwächeperiode der Wislanen und der ihnen lose untergeordneten anderen „Stämme" wurden sie von Großmähren unterworfen. Sie gerieten damit in die politische Einflußsphäre, vielleicht sogar in den direkten Machtbereich dieses damaligen Großreiches. Ihr weiteres politisches Schicksal ist ungewiß, und es werden verschiedene Möglichkeiten in diesem Zusammenhang erwogen. Eines scheint jedoch sicher zu sein: ihre Niederlage war so entscheidend, daß sie als wichtiger, die Entwicklung unseres Territoriums entscheidend gestaltender Faktor verschwanden. Sie spielten somit keine maßgebende Rolle mehr bei der Formung des polnischen Staates; diese fiel nun in erster Linie dem Zentrum in Großpolen zu. Immerhin hatte das Bestehen des wislanischen Reiches große Bedeutung nicht nur für das Wachstum des Territoriums seiner Begründer, sondern auch für das anderer Gebiete. In diesem Sinne kann man ihm eine wesentliche Rolle im Prozeß der Herausbildung des polnischen Staates zubilligen. Bei der obigen Darstellung habe ich weder die Frage der Taufe berührt, welche die Wislanen unzweifelhaft am Ende des 9. Jh. annahmen, noch die ihrer kulturellen Position. Die hiermit zusammenhängenden Probleme werden aufgrund künftiger Forschungen besser bearbeitet werden können, weshalb es unrichtig wäre, ihnen schon jetzt stärkere Aufmerksamkeit zu widmen.
B. Die Staatszentren in Großpolen Wie man den Ausführungen des Bayrischen Geographen entnehmen kann, bildete Großpolen zu Anfang des 9. Jh. nicht mehr ein relativ geschlossenes Territorium. Zu den wichtigsten „Stämmen", die sich hier feststellen lassen, zählten die Goplanen (Glopeani; die Bewohner der Gegenden um den Goplo-See) und die Lendizi (Lendzitzen, Lendzitschen). Über beide besitzen wir kaum mehr als trockene Angaben über die Zahl ihrer Burgen oder Burgbezirke beziehungsweise ihrer Siedlungen überhaupt, der sogenannten civitates. So besaßen die Lendizi angeblich 98 civitates, die Glopeani ,,400 oder etwas mehr". In jüngster Zeit wurden zu den Problemen dieser „Stämme" verschiedene Behauptungen aufgestellt; so glaubt man etwa, daß „Lendizi" der ursprüngliche Name desjenigen Stammes war, welchem wir in späterer Zeit unter der Bezeichnung „Polanen" begegnen, und daß dieser Namenswechsel mit dem Übergang vom Brandrodungsfeldbau zur vollentwickelten Ackerwirtschaft zusammenhängt. Zur Zeit, als ihr neuer Name auftauchte, waren bei den Lendizen die alten Wirtschaftsformen jedoch schon seit langem überholt; zur Änderung ihres Namens dürfte eher die Tatsache beigetragen haben, daß sie damals jene Bedeutung verloren hatten, welche sie zu Beginn des Frühmittelalters besaßen. Dies sind selbstredend alles ungewisse Vermutungen; klar ist jedoch, daß die Lendizen-Polanen in Großpolen während des 9. Jh. eine ziemlich bedeutende Macht darstellten. Die Lokalisierung ihrer Wohnsitze ist nicht einfach. Manche Forscher versuchen, diese im Raum 260
von Lq.d oder Oströw Lednicki zu finden, wobei sie jedoch übersehen, daß seinerzeit das Nordufer des Jelonek-Sees in Gniezno Lednicki-Ufer hieß. Berücksichtigt man diesen Umstand, so wird ziemlich wahrscheinlich, daß sie im Streifen zwischen Gniezno und L^d gelegen haben. Die Lendizen hätten demnach außer Gniezno, Oströw Lednicki und Klecko auch so wichtige befestigte Plätze wie Giecz und L^d mit den dazugehörigen Gebieten beherrscht. Vielleicht reichte ihr Siedlungsbereich auch noch weiter nach Süden und umfaßte dort das Gebiet von Kalisz an der Prosna; nicht ausgeschlossen dürfte auch eine weitere Ausdehnung nach Norden werden. Höchstwahrscheinlich war der Raum um Gniezno die Urheimat der Lendizi; jedoch ist es ungewiß, ob sich dieses Gebiet in der ersten Hälfte des 9. J h . nicht bereits im Besitz der Goplanen befand. Anhand von archäologischem Material läßt sich feststellen, daß es eben in jenem Zeitraum dort zur Errichtung von Wehrsiedlungen mit massiven Verteidigungswällen kam. Das 9. J h . war auch eine Periode wesentlicher Vervollkommnung der Produktion sowie wachsenden Wohlstandes und deshalb sicherlich auch zunehmender Bevölkerungsdichte in jenem Gebiet. Schließlich begann damals auch die Anknüpfung weitreichender Handelsbeziehungen, wofür neben anderen Funden auch Silberhorte mit arabischen Münzen sprechen. Ihre größte Häufung finden wir eben in jenem Streifen Großpolens, der meiner Ansicht nach den Kernraum der Lendizen-Polanen bildete. Ansprechend ist die Gleichsetzung der Glopeaner mit den Goplanen oder den späteren, erst in hochmittelalterlichen Quellen (1136) begegnenden Kujawiern. Neben der Ähnlichkeit der Namen spricht hierfür auch der Umstand, daß der Goplo-See im frühen Mittelalter einen wichtigen Verkehrsweg bildete. An seinem Ufer standen zahlreiche alte Siedlungen. Ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, der die Verbindung mit Ost und West, Nord und Süd ermöglichte, lag in der Nähe von Kruszwica. Wenn wir noch hinzufügen, daß das Gebiet Kuj awiens reich an fruchtbarem Boden sowie an Salz, dem Gold jener Zeit, war, werden wir leicht verstehen, warum es die Aufmerksamkeit zahlreicher Zuwanderer auf sich zog und weshalb es hier verhältnismäßig früh zur Bildung einer starken politischen Organisation kommen konnte. Die Zahl der civitates, die den Goplanen vom Bayrischen Geographen zugeschrieben wurde, weist trotz der zweifellosen Übertreibung des Autors darauf hin, daß er im Besitz von Nachrichten war, welche das Bestehen einer solchen Organisation bestätigten; sie dürfte sich zu seiner Zeit auf dem Höhepunkt ihrer Macht befunden haben. Die eigentliche Heimat der Goplanen war der Raum um Kruszwica; wahrscheinlich beherrschten sie jedoch auch einige der Nachbargebiete. Bei der Ausweitung ihres Besitzstandes, der wohl nach allen Himmelsrichtungen erfolgte, eroberten sie auch einen Teil des früheren Gebietes der Lendizen-Polanen und drangen bis Lgczyca und Sieradz sowie Znin und Bydgoszcz vor. Derart vereinten sie unter ihrer Herrschaft einen Großteil der polnischen Lande und wurden in dem genannten Raum zur mächtigsten politischen Kraft. Die Lendizen-Polanen waren ihre stärksten Gegner. Anfänglich wurden sie von den Goplanen besiegt und zum Verlassen ihres Heimatgebietes um Gniezno gezwungen, das wohl auch ein Zentrum ihres heidnischen
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Kultes gewesen war. Ob sie dagegen auch aus Ostrow Lednicki verdrängt werden konnten, ist nicht sicher. Diese für die Goplanen zunächst so günstig verlaufenden Kämpfe bewirkten jedoch die neuerliche Vereinigung der übrigen, sich vorher gegenseitig befehdenden großen polnischen „Stämme". Sie brachte zunächst eine Ausweitung des Besitzstandes der Polanen über Poznan hinaus, wo ungefähr in dieser Zeit die erste stark befestigte Burg entstand. Den weiteren Verlauf der Geschehnisse kann man anhand der Chronik des Gallus Anonymus mit einem gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit rekonstruieren, nämlich wenn man seine ziemlich rätselhafte und vielfach angezweifelte Beschreibung der Niederlage des sagenhaften Popiel heranzieht. Seine Chronologie der Ereignisse läßt darauf schließen, daß der Tod dieses Popiel um die Mitte des 9. J h . und somit einige Jahrzehnte nach der vom Bayrischen Geographen gegebenen Beschreibung erfolgte. Dieser Zeitraum hätte den Lendizen-Polanen genügend Zeit zur Sammlung ihrer Kräfte geboten. In der Gallus-Chronik ist neben vielem anderen eine Stelle besonders bemerkenswert. Der Autor erzählt hier nämlich von zwei Wanderern, welche nach Gniezno kamen und einige Zeit später in der Hütte des Piast die Speisen in wunderbarer Weise vermehrten. Wir zitieren diesen Passus aus dem Anfang des . ersten Buches ausführlich: „ E s war nämlich in der Stadt Gniezno, was im Slawischen ,Nest' bedeutet, ein Fürst namens Popiel (Popel), der zwei Söhne hatte ... Nun geschah es gemäß den geheimen Ratschlüssen Gottes, daß hier zwei Gäste eintrafen, welche zum Festmahl nicht nur nicht eingeladen, sondern im Gegenteil mit Schimpf und Schande am Betreten der Stadt gehindert wurden. Sie ergriffen vor den unmenschlichen Einwohnern rasch die Flucht und lenkten ihre Schritte in den Vorort, wo sie durch einen glücklichen Zufall die Hütte eines fürstlichen Landmannes (aratoris) erreichten, der seinem Sohne ein Mahl rüstete." Es folgt eine Schilderung des gastfreundlichen Empfanges der Wanderer durch den Piast („Pazt, filius Chossistconis") und seine Ehefrau Rzepka (Repca) sowie die Prophezeiung künftigen Glückes seitens der Wanderer; weiter heißt es: „Als sie sich bei Tisch niedergelassen hatten und dem Brauch gemäß über viele verschiedene Dinge sprachen, fragten die Ankömmlinge, ob wohl ein Getränk da sei, worauf der gastfreundliche Landmann erwiderte: ,Ich besitze wohl ein Fäßchen gegorenen Bieres, das ich für meinen einzigen Sohn zur Feier seines Haarschnittes vorbereitet habe, aber was bedeutet dieses wenige? Wenn ihr jedoch wollt, so trinket davon!' Es hatte nämlich dieser arme Landmann sich vorgenommen zur Zeit, als sein Fürst und Herr für seine Söhne ein Festmahl richtete (denn zu anderer Zeit.hätte er wegen seiner großen Armut dies nicht machen können), auch seinerseits für seinen kleinen Sohn anläßlich dessen ersten Haarschnittes ein bescheidenes Mahl zu geben und einige seiner ebenso armen Freunde zu diesem Mahl oder eigentlich bescheidenem Mittagessen einzuladen. Zu diesem Zweck hatte er ein Ferkel gemästet, das er für diesen Anlaß bestimmt hatte. Wunderbare Dinge geschehen, aber wer vermag die Größe Gottes zu fassen ? Oder wer wagt es, sich in die Geheimnisse der Güte Gottes zu vertiefen, die nicht selten schon in diesem Leben die Demut der Armen erhöht und nicht zögert, Gastfreundschaft sogar bei 262
den Heiden zu belohnen. Und so hießen die Gäste voll Zuversicht den Piast das Bier einzuschenken, da sie wohl wußten, daß die Menge des Biers beim Trinken sich nicht mindern, sondern im Gegenteil sich mehren würde. Man erzählt auch in der Tat, daß das Bier sich so gewaltig vermehrte, daß damit alle Gefäße gefüllt waren, die von den Nachbarn entliehen werden konnten, und jene, die sich nach dem Festmahl beim Fürsten fanden. Die Fremdlinge geboten auch das erwähnte Ferkel zu schlachten, dessen Fleisch, wie die Sage geht, zur allgemeinen Verwunderung zehn große Gefäße füllte, die man slawisch ,cebry' nennt. Und als Piast und Rzepka diese Wunder sahen, erblickten sie darin irgendein wichtiges Vorzeichen für ihren Sohn und trugen sich mit dem Gedanken, den Fürsten und seine Festgäste einzuladen, zögerten jedoch zunächst, bevor sie den Rat der Wanderer eingeholt hätten. Wozu zögern? — Und so wurden auf Rat und Geheiß dieser Gäste der Fürst und alle seine Tischgenossen von dem kleinen Landmann Piast in seine Hütte geladen. Der Fürst erachtete es gar nicht unter seiner Würde, die Hütte seines Bauern zu betreten. In dieser Zeit nämlich war das Fürstentum Polen noch nicht so groß und der Landesherr noch nicht so erfüllt von Stolz und Hoffart und umgab sich auch noch nicht mit so viel Prunk und Scharen von Höflingen. Es wurde somit dem Herkommen gemäß ein Fest bereitet, auf dem alles in Fülle vorhanden war, und die Gäste schnitten das Haar des Knaben und gaben ihm den Namen Ziemowit als günstiges Omen für sein künftiges Geschick". Es entsteht nun die Frage, ob obige, etwa um 863 spielende Erzählung, auch wenn sie der Form nach noch so entstellt ist, nicht doch irgendwie die politischen Verbindungen zwischen den Polanen und den Mährern widerspiegelt, welche zur selben Zeit angeknüpft wurden, als man mährischerseits eine Regelung des Verhältnisses zu den Wislanen anstrebte. Für die Polanen mochte es dabei um die Schwächung der sich immer stolzer gebärdenden Goplanen gehen, für die Mährer um die Gewinnung eines Bundesgenossen für den Kampf mit den Wislanen. Ziemlich wahrscheinlich ist, daß die Lendizen-Polanen bei ihren Kämpfen mit den Goplanen in irgendeiner Form Hilfeleistung von Mähren erhielten. Vielleicht muß man auch annehmen, daß die Goplanen mit den Wislanen verbündet waren, was von der geographischen Lage her ebenso wahrscheinlich gewesen wäre wie aufgrund der Entwicklungstradition beider „Stämme". Auf jeden Fall bieten die archäologischen Quellen eine Grundlage für die Feststellung, daß die von Gallus Anonymus hier in sehr nebuloser und in den Einzelheiten gewiß unrichtiger Form geschilderten Ereignisse sich tatsächlich abgespielt haben könnten. Die Mitte des 9. J h . ist nämlich in der Geschichte Großpolens ein Zeitraum, wo bereits stark befestigte Burgen als Mittelpunkte frühfeudaler Macht bestanden. Natürlich ist es schwer festzustellen, inwieweit die Behauptung von der bäuerlichen Abstammung des legendären Piast auf Wahrheit beruht; auch könnten die Namen von Piast und Popiel erfunden sein, ebenso wie die Schilderung des Todes von Popiel an anderer Stelle eine literarische Metapher ist. Wir wissen, daß ähnliche Überlieferungen auch über andere slawische Dynasten bestehen. Inwieweit man hier allerdings tatsächlich von einer Mitwirkung breiter Massen der Lendizen-Polanen im Kampf um die Rückgewinnung der von den stammes263
verwandten Goplanen eroberten Gebiete sprechen darf — diese Frage werden wir sicherlich niemals beantworten können. Jedenfalls begann spätestens in der zweiten Hälfte des 9. J h . die Expansion der Polanen, deren Name in dieser Form allerdings erst um 1000 in einigen Quellen auftaucht (so nannte Thietmar von Merseburg Mieszko I. ,,dux Poleniorum", und Boleslaw Chrobry (Abb. 173) wurde in der ältesten Lebensbeschreibung des hl. Adalbert von Prag ähnlich bezeichnet). Sie bereiteten dem goplanischen Fürsten eine Niederlage und machten sich diesen „ S t a m m " Untertan, wodurch Kruszwica und eine Reihe anderer wichtiger Stützpunkte in ihren Besitz ge-
Abb. 172
Porträt Boleslaws des Kühnen (Chrobry). Münze: CivitasGnezdun. Um 1000. Silber
langten. Welchen Gewinn sie im Gebiet der Wislanen davon trugen, wissen wir nicht; es ist jedoch recht wahrscheinlich, daß die Grenze ihrer Herrschaft damals südlich von Poznan verlief. Die Burg von Bonikowo bei Koscian lag vermutlich im damaligen polanisch-mährischen Grenzgebiet. Als man sie archäologisch untersuchte, wurden Überreste eines Verteidigungswalles gefunden, der wahrscheinlich mit Stein bedeckt war — ein Typus, der, wie die Funde in Mikulcice zeigten, im Gebiet Großmährens ebenfalls auftrat. Auch behauener, allerdings nur loser Stein wurde gefunden; möglicherweise sind dies Relikte eines massiven 264
Gebäudes, das sich auf dem Burggelände befand. Bonikowo war demnach zu jener Zeit vielleicht eine der großmährischen Festen. Das Reich der Polanen war lange Jahre hindurch nicht fähig, seinen Besitzstand nach Süden hin zu erweitern. Vielleicht gelang es ihm nach dem Zusammenbruch Mährens, den Südwesten Großpolens an sich zu reißen und einzuverleiben. Die polanische Expansion mußte daher in andere Richtungen gehen; sie richtete sich vornehmlich gegen Masowien, einen Teil des Lubliner Landes, die nördlichen Teile des ehemaligen Wislanenreiches und die an der Weichsel liegenden Gebiete Pommerns. Was Masowien betrifft, so konnten die Polanen als Herren des wichtigen Knotenpunktes von Kruszwica ihre Expansion in Richtung auf dieses Gebiet vorantreiben — um so mehr, als damals wohl auch das von Gallus Anonymus „vetus castellum contra Masowiam" genannte £§czyca in ihren Besitz gekommen war. Schon vor längerer Zeit wurde darauf hingewiesen, daß Masowien zu den recht frühzeitig eroberten Territorien des neu entstehenden polnischen Staates gehört haben dürfte. Zwar fehlen für diese Behauptung direkte Quellenbeweise; jedoch lassen mancherlei indirekte, darunter auch geographische Momente ihre Richtigkeit vermuten. Die Gewinnung Masowiens ermöglichte die weitere Expansion nach Osten, aber auch die Beherrschung des Südens. Ziemlich deutlich zeichnet sich ferner eine verhältnismäßig zeitige Ausdehnung in Richtung auf Westpommern ab. Die Beherrschung der Weichselmündung führte zu einer Stabilisierung der slawisch-pruzzischen Grenze in diesem Abschnitt und schnürte auch den über Truso führenden Verkehrsweg ab, was den Verfall dieser Siedlung zur Folge hatte. Ihre Funktionen gingen vom 10. J h . an auf Gdansk über. Die enge Verbindung dieses letzteren mit Polen trat 997, in der Zeit der Pruzzenmission des hl. Adalbert, zutage; Gdansk war, wie berichtet wird, die letzte polnische Stadt, aus der der Bischof auf seine Missionsreise auszog. Auch die Archäologie trug zur Erkenntnis dieser Verbindungen bei, indem sie die Konstruktion Gdansker Wehrbauten untersuchte und dabei feststellte, daß hier die typisch polnischen Verstärkungen der Schutzwälle mittels Asthaken auftraten. Es wäre unzutreffend anzunehmen, daß das Reich der Polanen gewissermaßen automatisch gewachsen wäre, daß jeder der aufeinander folgenden Fürsten seine Grenzen Schritt für Schritt erweitert hätte. In diesem Prozeß gab es Perioden gewaltigen Wachstums und vielleicht auch einmal des Rückgangs ebenso wie Jahre, in denen die Bemühungen um eine organische Verknüpfung der zuvor gewonnenen Gebiete vorherrschten. Ebenso wie wir nicht wissen, welche Landesteile in friedlicher Weise mit den polanischen Gebieten verschmolzen und welche durch das Schwert hierzu gezwungen wurden, ist uns auch unbekannt, in welchem Zeitraum vor der Thronbesteigung Mieszkos I. der Prozeß der Vereinigung der polnischen Lande stärker in Erscheinung trat. E s könnte dies ebenso gut am Ausgang des 9. wie zu Beginn des 10. Jh. oder sogar erst unmittelbar vor seiner Thronbesteigung der Fall gewesen sein. Viel hat die Ansicht für sich, daß vor dem eben erwähnten Zeitraum das Reich der Polanen außer Großpolen und Kuj awien auch Masowien und Ostpommern umfaßte. 18
Hensel
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Der Aufbau des frühfeudalen polnischen Staates wurde während der Regierung Mieszkos I., welche von 960 (?) bis 992 dauerte, beendet. Das Verdienst dieses Fürsten liegt vor allem in der Festigung des Werkes seiner Vorgänger. E r war es, der ein ganzes Netz von Burgen mit besonders starken Verteidigungsmauern errichtete. Doch war er nicht allein auf die Stärkung der Wehrkraft seines Staates bedacht, sondern auch, wie wir als sicher annehmen können, auf den wirtschaftlichen Aufschwung seines Landes. Ibrahim Ibn Jaqub hat in seinem bereits erwähnten Zitat nachdrücklich hierauf hingewiesen: „Was nun das Land des Mescheqqo anlangt, so ist es das ausgedehnteste ihrer Länder (d. h. der Westslawen), und es ist reich an Getreide, Fleisch, Honig und Fischen (oder Ackerland)". Leider wird das Datum der Entstehung dieses Reiseberichtes — meiner Meinung nach zu Unrecht — mitunter angezweifelt und die Ansicht vertreten, daß es sich bei ihm um eine Kompilation aus späterer Zeit handeln könne. Eben unter Mieszko I. entstanden auch viele handwerkliche Betriebe rings um die Burgen, und es wurden zahlreiche neue Städte in Polen gegründet. Dies war nur auf der Grundlage einer günstigen Entwicklung der Hauptproduktionszweige Ackerbau und Haustierzucht möglich. Im Rahmen seiner Pläne zur Vergrößerung des ihm von seinen Vorfahren hinterlassenen Gebietes unternahm Mieszko den Ausbau der Burg Poznan, welche er zu einer besonders mächtigen Feste ausgestaltete. Den mit etwa 0,3 ha nicht sehr bedeutenden Flächenraum der Burg umgürtete er mit einem starken, über 20 m breiten Verteidigungswall aus Stein und Holz. Poznan wurde so zum wichtigsten Ausfalltor nach Westen und Nordwesten. Mieszko I. trat sein Erbe zu einer Zeit an, als sich die äußere Lage Polens immer schwieriger gestaltete. Seine Vorfahren waren von deutscher Seite keiner unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt gewesen, da sich zwischen ihnen und dem Reich westslawische Verbände befanden, mit denen die deutschen Feudalherren nur schwer fertig werden konnten. Von dem Zeitpunkt an jedoch, in dem Mieszko auf die politische Bühne trat, begannen sich Interessenkonflikte zwischen ihm und diesen zunächst nicht allzu ernst, dann jedoch immer schärfer abzuzeichnen. Wie man annimmt, ergaben sie sich aus der Besitzergreifung des Lebuser Landes und später Westpommerns durch Polen. Glücklicherweise zeigte sich Mieszko seiner Aufgabe gewachsen, denn er war ein Staatsmann, der zwei der wichtigsten Tugenden des Politikers und Herrschers besaß, nämlich die Fähigkeit zum weisen Maßhalten und zur Beherrschung kriegerischer Gelüste. In der Erkenntnis, daß er sich nicht auf einen Kampf mit der gesamten Macht des Reiches einlassen konnte, war er, wo es nötig schien, zur Nachgiebigkeit bereit. Als Beispiel hierfür kann sein Verhalten im Zusammenhang mit der Besetzung des Lebuser Landes angeführt werden. Um dieses in seinem Besitz zu behalten, zögerte er nicht, sich zur Zahlung eines Tributs für den Raum bis zur Warta zu verpflichten — ein Verhältnis, welches zu geeigneter Zeit wieder aufgehoben wurde. Gleichzeitig baute er sofort nach der Besetzung jenes Gebietes hier auf den Trümmern der vormaligen Burgen ein neues Verteidigungssystem auf. Unmittelbar nach der Eroberung des Ortes Lebus ließ er dort eine starke Befestigung errichten. Die 266
Besetzung des Lebuser Landes erleichterte ihm die Beherrschung der Odermündung. Diese Position zu halten war allerdings keineswegs einfach, da er, um nicht die Feindschaft des ganzen Römisch-Deutschen Kaiserreiches auf sich zu ziehen, eine vorsichtige Politik zu führen gezwungen war. So schloß er Kompromisse, unter denen der wichtigste — vielleicht in der Erkenntnis, daß er als „Barbarenfürst" galt und diese in der damaligen Welt nicht anerkannt waren — darin bestand, die Taufe anzunehmen. Er entschloß sich dazu im Jahre 965. Offenbar hatte er hierbei große Widerstände zu überwinden, welche die Verzögerung um ein Jahr erklären würden. Die Taufe empfing er durch tschechische Vermittlung; durch sie erwirkte er ferner im Jahre 968 ein selbständiges Bistum in Poznan als Missionszentrum für ganz Polen. Auch schloß er ein Bündnis mit den Tschechen und sicherte sich auf diese Weise deren Unterstützung bei seinen Bemühungen um die Konsolidierung seines Staates. Die so geschaffene günstige Situation wurde von ihm gut ausgenutzt. E s gelang ihm, die Herrschaft über Westpommern mit Szczecin und Wolin zu erringen, wobei er sicherlich zunächst Kolobrzeg eroberte — einen Ort, wo gleichfalls ein hölzerner Verteidigungswall mit Asthakenkonstruktion aus der zweiten Hälfte des 10. J h . freigelegt wurde. Der letzte Erfolg Mieszkos war die Eingliederung von Schlesien und Kleinpolen in sein Reich. Mit ihr krönte er somit das Werk seiner Vorfahren durch die Vereinigung aller Lande mit frühpolnischer Bevölkerung zu einer staatlichen Gesamtheit. Damit schuf er, der mit Recht als der hervorragendste Herrscher der frühfeudalen Piastendynastie gilt, gleichzeitig die Grundlage für das Entstehen der polnischen Nation. Der Aufbau des „vielstämmigen" polnischen Staates dauerte einige Jahrhunderte; jedoch entscheidend für sein Entstehen und seine innere Konsolidierung waren die Ereignisse, welche sich von der Mitte des 9. bis zur zweiten Hälfte des 10. J h . abspielten. In dieser Zeitspanne von über hundert Jahren gelang es den Polanen, im Ergebnis schwieriger Kämpfe und geschickter diplomatischer Schachzüge und auch nicht ohne manche Mißerfolge die verschiedenen frühpolnischen „Stämme" in einem Staatsorganismus zu vereinigen. Nach der Taufe Mieszkos I. fand dieses Werk zum ersten Male auch Anerkennung durch die anderen Mächte Europas. Die Jahre von der Thronbesteigung dieses Fürsten bis zu dem Zeitpunkt, da er das Christentum annahm, kann man als den Abschluß der entscheidenden Etappe im Aufbau des polnischen Staates ansehen. Den wichtigsten Faktor für dessen Entstehung stellten seine inneren Kräfte dar, nämlich das Aufblühen seiner Wirtschaft und die Entwicklung der gesellschaftlichen Struktur. Es ist demnach nicht verwunderlich, daß die polnischen Herrscher — die übrigens den Adler im Wappen führten (Abb. 173) —, insbesondere Mieszko I. und seine beiden unmittelbaren Nachfolger, aber auch in späterer Zeit Boleslaw Smialy (1058—1079) und Wladyslaw Herman (1080 — 1102) mit ihrem Reichtum, welcher zum Teil als Beute aus Kriegszügen mitgebracht wurde, die westliche Welt mit Staunen erfüllten. Hierzu sei der Bericht des zur Zeit Boleslaw Chrobrys lebenden Bischofs Thietmar von Merseburg (f 1018) angeführt, welcher über den Empfang Ottos I I I . in Gniezno im Jahre 1000 18*
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schrieb: „ J e d e Schilderung der prächtigen Aufnahme des Kaisers durch ihn und des Geleits durch sein Land bis Gniezno wäre unsagbar unglaubwürdig." (Qualiter autem cesar ab eodem tunc susciperetur et per sua usque ad Gnesin deduceretur, dictu incredibile ac ineffabile est.) Und einige Zeilen weiter heißt es: „Nach Regelung aller Fragen ehrte der Herzog den Kaiser durch reiche Geschenke und — das erfreute ihn am meisten — 300 gepanzerte Krieger." (Perfectis tunc omnibus imperator a prefato duce magnis muneribüs decoratur et, quod maxime sibi placuit, trecentis militibus loricatis.) Voller Bewunderung malte auch Gallus Anonymus ein Bild hiervon, wobei er insbesondere die reiche Kleidung der vor-
Abb. 173
Szczecin. Beschlag mit Adler (?) 12. Jh.
Abb. 174
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Domschatz, Krakow. Lanze des hl. Mauritius. Polnisches Exemplar
nehmen polnischen Frauen hervorhob. Selbst wenn man annimmt, daß seine Darstellung übersteigert ist und daß auch im Laufe der Zeit eine gewisse Legendenbildung hierüber entstanden war, so verbleiben für das wirkliche Vorhandensein eines märchenhaften Reichtums von Boleslaw Chrobry und seiner Umgebung noch immer genügend Anhaltspunkte. Das gleiche war, wie schon gesagt, auch bei Wladyslaw Herman der Fall; dieser sandte, um von Gott einen männlichen Nachkommen zu erbitten, eine Abordnung nach der französischen Abtei Saint Gilles, welche die wertvollsten Geschenke mit sich führte, unter ihnen die Figur eines Knaben aus purem Gold. Und schließlich berichtete Kosmas von Prag, ein tschechischer Chronist polnischer Abstammung, in seiner im 12. Jh. abgefaßten Chronik, daß der tschechische Fürst Bfetislav 1038/1039 bei Beendigung eines Kriegszuges reiche Beute aus Polen, darunter viele goldene Gegenstände und kirchliche Gefäße, auf über 100 Wagen mit in sein Land brachte. Der Chronik des Gallus Anonymus zufolge soll Otto III. im Jahre 1000 seinem Gastgeber Boleslaw eine Nachbildung der Mauritius-Lanze (Abb. 174) übergeben und bei diesem Akt gesagt haben: ,,,Bei der Krone meines Reiches, ich habe Größeres gesehen, als die Überlieferung berichtet'. Auf den Rat seiner Großen fügte er in Anwesenheit aller hinzu: ,Es ist nicht würdig, daß ein solcher Mann unter den Fürsten wie ein Herzog oder Graf benannt wird, sondern daß er emporgehoben wird auf den Königsthron, mit einer Krone geschmückt.' Und er nahm die Kaiserkrone von seinem Haupt und setzte sie auf das Haupt des Boleslaw (als Zeichen) eines Freundschaftsbundes und gab ihm einen Nagel vom Kreuze des Herrn für die Triumphfahne und die Lanze des hl. Mauritius als Geschenk; dafür gab ihm Boleslaw den Arm des hl. Adalbert." Schon dieser Bericht zeigt, daß es verfehlt wäre, den Einfluß äußerer Faktoren auf den Entstehungsprozeß des polnischen Staates zu unterschätzen. Fanden doch die Ereignisse, welche sich zu jener Zeit in Europa abspielten, ihren Widerhall auch in Polen. Betrachtet man beispielsweise die letzte Entwicklungsperiode von der Entstehung unseres Staates, so muß man sich gleichzeitig die zunehmende Bedeutung der sächsischen Dynastie für Deutschland vor Augen halten. Sie hing nicht zuletzt mit der Ostexpansion zusammen, die seit den Zeiten Heinrichs I. wieder besonders stark in Erscheinung trat, sowie mit der Gewinnung der Kaiserkrone durch dessen Nachfolger. Von Bedeutung für Polen waren auch der Aufschwung Großmährens sowie später dessen Verfall als Folge der Kämpfe mit den Magyaren. Im Osten wiederum entstand der starke russische Staat, und im Norden kam es immer erneut zu Einfällen der Wikinger. Auch der neuerliche Aufstieg von Byzanz war für das damalige Polen von erheblicher Wichtigkeit. Ein weiteres Moment, das in diesem Zusammenhang unbedingt zu erwähnen ist, bildete die Aufnahme von Ausländern in den fürstlichen Dienst. Fälle dieser Art sind zwar erst aus späterer Zeit bekannt, kamen aber wohl auch schon früher vor. Bei voller Anerkennung der Rolle der äußeren Faktoren bei der Entstehung des polnischen Staates müssen wir jedoch heute — und wir befinden uns hierbei in Übereinstimmung mit immer weiteren Kreisen von Gelehrten der verschiedensten Länder — die die insbesondere in der Periode zwischen den beiden Weltkriegen von 269
einem Teil der deutschen Historiker vertretene Theorie einer angeblich fremdländischen Herkunft der Piastendynastie ablehnen. Die Behauptung, daß Mieszko I., seine Vorfahren oder auch der sagenhafte Popiel aus dem skandinavischen Norden stammten, findet auch keinerlei Bestätigung durch die archäologischen Quellen. Die örtliche Verteilung von Überresten skandinavischer Kultüren auf polnischem Boden zeigt eine weit stärkere Konzentration im Norden des Landes als in seinem Zentrum und bietet solcherart ein gutes Bild der damals bestehenden Verhältnisse. Engere Kontakte mit Skandinavien bestanden nämlich allein in den nördlichen Grenzsäumen Polens; im Zentrum des Landes waren sie dagegen weit schwächer. In verschiedenen Orten des eben genannten Grenzgebietes, insbesondere in Wolin, lebten unter der slawischen Bevölkerung auch Zuwanderer aus dem Norden; auch deren Zahl war aber im Inneren ganz unbedeutend. Wohl gehörten dem Gefolge des Fürsten einige Ausländer an; keiner von ihnen gelangte jedoch in den Besitz des Thrones. Die Theorie von einer „nordischen" Abstammung der Piastendynastie ist damit zu Recht heute zu den Akten gelegt; sie findet, wie wir mit Genugtuung feststellen können, dort, wo ernsthafte Forschung betrieben wird, keine Anhänger mehr. Vom Ende des 10. J h . an wurde Polen, dessen Entwicklung wir in diesem Buche bis hierher verfolgt haben, zu einem wichtigen Element des politischen und kulturellen Europas. In der Geschichte Mitteleuropas fiel ihm nun zeitweilig eine erstrangige Rolle zu.
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Kapitel II. Die ältesten Ackerbauern
und
Viehzüchter
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Kapitel V. Der Anfang einer neuen-Epoche
— Die
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Hunnen
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Kapitel XII. Die politischen
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Register der Fundorte und Kulturen
Acheuleen 3, 4, 5 Altmühl 8 Aquileia 171 Aquincum (Budapest) 173 Aunjetitz — Unetice bei Prag 77, 89 Aunjetitzer Kultur 65, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 88, 90, 99 Aurignacien 7 Badener Kultur 19 Bagdad 208 Baltenkultur 95 Baltische Gruppe 65, 84 Bamberg 209 Bandkeramik, Kultur der 28, 29, 37 Barleben, Kr. Wolmirstedt 35 Beilngries-Ried-West (Bayern) 109 B§blo, Kr. Krakow 45 Beradz, Kr. Opatöw, früher Kr. SandoBiala, Kr. Lodz 178 [mierz 74 Biezdrowo-Zakrzewo, Kr. Szamotuly 113 Bijelo-Brdo-Kultur 210 Biskupiec, Kr. Reszel 65 Biskupin, Kr. Znin 34, 79, 81, 82, 107, 108, 109, 110, 112, 115, 117, 118, 119, 120, 121, 126, 133, 137 Bodrogkereszturkultur 19, 21, 23 Bonikowo, Kr. Koscian 264, 265 Borucin, Kr. Aleksandrow Kujawski Taf. 16 Brandgrubenkultur 159, 160, 166 Brunary Wyzne, Kr. Gorlice Taf. 13 Bruszczewo, Kr. Koscian 79 Brzesc Kujawski, Kr. Wloclawek 21, 23, 29, 32, 34. 56. 129
Brzezie, Kr. Pleszew 117 Brzezno, Kr. Gorzöw Wlkp. 209 Bülcker Kultur 19, 20, 21, 23 Bydgoszcz 261 B y l a n y (CSSR) 18 B y t y n , Kr. Szamotuly 39, 49, Taf. 1 Byzanz 195, 201, 203, 204, 206, 233, 259 Carnuntum 171 Chelleen 5 Chelm 59, 65, 115, 139, 203 Chelm Drezdenecki, Kr. Strzelce Krajenskie 223 Chodlik, Kr. Opole Lubelskie 213, 257 Cieszyn 157 Cieszynkultur 157 Cmielow, Kr. Opatöw 39, 40, 45, 46, 47, 48, 49, 50, Taf. 2 Czarnkow 248 Czerwinsk, Kr. Plonsk 228, 232 Czgstochowa 11, 130 Cz^stochowa-Raköw 102, 129, 130 Darzlubie, Kr. Puck Taf. 8 Desxczno, Kr. Gorzow 125, 128 Dijon 222, 240 DJubnia-Zeslawice, Kr. Krakow 29 Dobiegniewo, Kr. Strzelce 62 Dobre, Kr. Radziejöw Taf. 1 Dobrodzien, Kr. Lubliniec 185, Taf. 15 Dobrodziengruppe 185, Taf. 15 Dobrzyca, Kr. Walcz Taf. 5 Dodöw, Kr. Proszowice 49 Donau (ländische) Kulturen 20, 21, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 34, 35, 36, 37, 38, 48, 50, 56, 79, 89 289
Dratów, Kr. Opole Lubelskie 94 Drohiczyn 209 Dziadowa Skala, Kr. Zawiercie 6 Dzierzylaw, Kr. Glubczyce 8 Elbe-Dnepr-Gruppe 99 Fatjanowokultur 89 Fürstengräbergruppe Taf. 12 Gaj, Kr. Kolo 50 Garwolin 88 Gawroniec, Kr. Opatów 48 Gdansk 62, 65, 198, 202, 215, 218, 234, 235. 265 Gdynia-Oksywie 159 Gesichtsurnengruppe (-kultur) 137, 138, 139, 140, 1 4 1 , 143, 145, 179, Taf. 9 Giebultów, Kr. Krakow, früher Kr. Miechów 173 Giecz, Kr. ároda 219, 221, 226, 233, 261 Gliñcz Nowy, Kr. Kartuzy 144 Glinice, Kr. Dzierzoniów 35 Glockenbecherkultur 19, 20, 65, 72, 73, 74, 75, 78, 84, 98, 102 Glockengräbergruppe (-kultur) 138, 139, 145. 279 Glogów 254 Gniezno 190, 191, 195, 196, 197, 199, 200, 201, 208, 210, 213, 216, 217, 220, 222, 228, 230, 231, 232, 233, 237, 245, 251, 257, 258, 261, 262, 267, 268 Golçbiewo, Kr. Pruszcz Gdañski, früher Kr. Gdansk 179, 180 Gòra Pulawska, Kr. Pulawy 7 Gorszewice, Kr. Szamotuly 133 Górzyca-Gruppe 126 Goslawice, Kr. Opole Taf. 1 1 Gozlice, Kr. Sandomierz 229 Grabowo, Kr. Stargard Szczecinski 143 Grabowo Bobowskie, Kr. Starogard Gdañski Taf. 8 Grobia, Kr. Miçdzychôd 79 Grobia-ámiardowo-Gruppe 77, 78, 79 Gródek Nadbuzny, Kr. Hrubieszów 47, 49, 5 0
Grodnia, Kr. Sierpe 171 Grodnica, Kr. Gostyn Wlkp. 92 290
Groszowice, Kr. Opole 163, 245 Grubengrabkultur 64 Hallstattkultur 102, 1 1 5 , 149 Heinrichow 218 Helmarshausen 232 Hildesheim 209 Hügelgräberkultur 93 Igolomia, Kr. Proszowice 26, 35, 168, 169, 244 Inowroclaw 1 5 1 , 171 Iwanowice, Kr. Miechów 84, 87, 1 5 1 , 153 Iwno, Kr. Szubin 78 Iwnogruppe 77, 78, 79, 81, 82, 88, 93, 99 Jablkowo, Kr. Wq.growiec Taf. 7 Jacewo, Kr. Inowroclaw 170 Jakuszowice, Kr. Kazimierza Wielka 184 Janislawice, Kr. Skierniewice 13 Jankowo, Kr. Inowroclaw 1 1 7 , 127 Jastorfkultur 147, 148 Jerzmanowice, Kr. Olkusz 5, 8, 9 Jerzmanowicekultur 9 Jizerni Vtelno 83 Jordanów, Kr. Dzierzoniów siehe Jordanow álq-ski Jordanówgruppe 56, 65 Jordanów ¡§lq,ski, Kr. Dzierzoniów 21, 23, 2 4. 5 1 . 52, 122 Jordansmühl siehe Jordanów Sl^ski Jurków, Kr. Busko-Zdrój 88
Kalisz 158, 1 7 1 , 176, 177, 219, 228, 230, 261 Kaliszanki, Kr. W^growiec 1 1 6 Kamennaja Mogila (UdSSR) 39 Kamieniec, Kr. Toruñ 136 Kamieñ Pomorski 219 Kamm- und Grübchenkeramikkultur 19, 20, 60, 61, 62, 67, 93, 99 Kaszowo, Kr. Milicz 219, 220 Keltische Kultur 1 5 1 , 152 Kielce 40, 45, 162 Kietrz, Kr. Glubczyce 1 1 1 , 1 1 2 , 130, 132 Kiew 56, 93, 97, 208, 250
KJecko, Kr. Gniezno 261 Klodzko 150, 171 Kóln 209, 232, 240 Kóros (Cris)-Starcevo-Kultur 19, 20, 21, 23 Kokorzyn, Kr. Koscian 50 Kolobrzeg 192, 216, 267 Konradówka, Kr. Zlotoryja 3, 4 Konin 171, 205 Konstantinopel 208 Kórnik, Kr. Srem 145 Korytnica, Kr. Kielce 157 Kosciangruppe 77, 78, 79, 80, 81 Kowanówko, Kr. Oborniki 171 Kraków 3, 7, 8, 11, 66, 84, 157, 168, 184, 192, 1 9 7 , 2 1 0 , 2 1 3 , 2 1 6 , 219, 222, 228, 230, 2 3 1 , 232, 244, 245, 247, 249, 256, 257. 258, 268
Kraków-Nowa H u t a 151, 161, 193, 244, 257 Kraków-Nowa H u t a (Mogila) 187 Kraków-Nowa H u t a (Pleszów) 25, 29, 88 Kraków-Sandomierz-Gruppe 64, 65, 84 Kr^znica Jara, Kr. Lublin 39, 51 Krupina (CSSR) 89 Kruszwica, Kr. Inowroclaw 47, 108, 117, 1 1 8 , 120, 1 2 7 , 128, 136, 1 7 1 , 197, 203, 204, 207, 2 1 4 , 2 1 6 , 230, 232, 245, 257, 2 6 1 , 264, 265, Taf. 20
Krzemionki, Kr. Opatów 39, 40, 42, 43, 44. 51. 52, 53, 86 Ksi^znice Wielkie, Kr. Kazimierza Wielka 64 Kugelamphorenkultur 19, 20, 40, 55, 56, 57, 58, 60, 63, 65, 67, 68, 70, 88
Kundakultur 12 iabgdy-Przyszówka, Kr. Gliwice 125 Lq,d, Kr. Slupca 261 tagowo, Kr. Koscian 151 Laski, Kr. Kgpno 120 Las Stocki, Kr. Pulawy 55 Lausitzer Kultur 95, 99, 100, 101, 102, 105, 106, 108, 109, 1 1 1 , 1 1 5 , 1 1 6 , 120, 1 2 1 , 1 2 3 , 128, 129, 1 3 1 , 1 3 2 , 1 3 3 , 134, 1 3 7 , 138, 139, 140, 143, 145, 148, 149, 179. 277, Taf. 5
Lazy, Kr. Wolów 109, 121
Lebus 78, 251, 266, 267 Lçczyca 114, 213, 215, 228, 233, 234, 245, 261, 265
Lçczyca-Dzierzbiçtôw 180 Legnica 219, 221, 254 Lçki Male, Kr. Koscian 78, 81, 82 Lengyel 23 Lengyelkultur 19, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 33, 34, 35, 36, 48, 56, 65
Lesno, Kr. Chojnice 173 Levallois 5 Levy Hradec 258 Leznica Wielka, Kr. Lçczyca 173 Limoges 232 Linienbandkeramik, Kultur der 19, 20, 2 1 , 22, 26, 27, 34
Lódz 218 Lojewo, Kr. Inowroclaw 63 Lubaczówgruppe 65, 66, 71 Lubna, Kr. Sieradz 93, 94 Lubieszewo, Kr. Gryfice Taf. 12 Lublin 20, 23, 65, 213, 257, 265 Lubliniec 185 Lubowidz, Kr. Lçbork 1 7 1 / 1 7 5 Liibsow siehe Lubieszewo Liittich 222, 240 Lutomiersk, Kr. Lask 211, 218 Lysa Gòra, Kr. Opoczno 237 Maciejowice, Kr. Grodków 21 Mad'arovcekultur 76, 77, 88, 99 Magdalénien 9, 10, 11 Magdeburg 209 Maglemosekultur 12 Malachowo, Kr. Gniezno Taf. 14 Malonne (Belgien) 232 Marszowicer Gruppe 65, 66, 76, 77, 78 Maszyce, Kr. Olkusz 10 Michelsberger Kultur 19 Miçdzychôdgruppe 77, 78 Miçdzyzdroje, Kr. Wolin 92 Mierzanowice, Kr. Opatów 84, 85, 86 Mierzanowicer Gruppe 65, 77, 84, 85, 86, 87, 93- 99 Mikulôice (CSSR) 201, 264 Miroslawice, Kr. Mogilno 57 Mitteldneprgruppe 97 Mlodzikowo, Kr. Sroda 169 291
Mogilno 92, 1 1 7 , 231 Morawy (Kujawien) 209, 226 Moustérien 5 Naumburg 241 Niedzwiedz, Kr. Miechów 31 Niepoczolowice, Kr. Wejherowo Taf. 7 Niestronno, Kr. Mogilno 200 Nosocice, Kr. Glogów 30, 34, 50 Novohrad 222 Nowa Cerekwia, Kr. Glubszyce 1 5 1 Nowa Huta siehe Kraków-Nowa Huta Nowa Slupia, Kr. Kielce 164 Nowgorod, Groß- 210, 224 Nowy Tomysl 78 Obliwice, Kr. Lçbork 143 Ocice, Kr. Boleslawiec 21 Oderschnurkeramikgruppe 65, 66, 71 Ojców, Kr. Olkusz 3, 5 Oksywiegruppe 159, 160, 164, 166, 180, 182 Olbia Taf. 14 Olszanica, Kr. Krakow 20, 29 Opatowice, Kr. Radziejów 57, 59 Opole 1 7 1 , 190, 198, 200, 201, 202, 210, 215, 216, 218, 220, 234, 235, 254 Orchowo, Kr. Mogilno 212 Orle, Kr. Wejherowo 13 Orszymowotyp 195 Ostrów Lednicki, Kr. Gniezno 209, 219, 221, 226, 228, 231, 258, 262 Ostrózki, Kr. Pruszcz Gdañski 142 Otal^zka, Kr. Grójec 170, 181 Owczarnia, Kr. Kartuzy 142
179,
208, 239,
213, 261,
Pelczyce, Kr. Olawa 33 Périgordkultur 8 Peryn bei Nowgorod 238 Piekary, Kr. Krakow 3 Pietrowice Wielkie, Kr. Racibórz 53 Pikutkowo, Kr. Wloclawek 57 Plock 194, 209, 216, 219, 221, 227, 228, 232 Podîçze, Kr. Bochnia 1 5 1 Pommerellische Gruppe Taf. 5 292
Pomorzany 226 Poswiçtne, Kr. Plorisk 169 Poznan 49, 194, 198, 199, 201, 205, 209, 210, 216, 217, 219, 220, 221, 230, 231, 232, 237, 245, 257, 262, 264, 266, 267 Pr^dnikgruppe 5 Prag (Hradcany) 258 Protoaunjetitzer Kultur 66 Prusy 226 Przeczyce, Kr. Zawiercie 126 Przemçczany, Kr. Proszowice 185 Przemysl 218, 219, 221, 226 Przeslawice, Kr. Grudzi^dz Taf. 6 Przeworskgruppe(-kultur) 149, 157, 159, 160, 164, 165, 177, 178, 182, Taf. 10 Psary, Kr. Ostrów Wlkp. 195 Púchovkultur 157 Rachów, Kr. Krasnik 45 radialverzierten Keramik, Kultur der 21, 23, 25, 26, 27, 29, 32, 35, 57, 68 Radom 257 Radzim, Kr. Oborniki 234 Regensburg 232, 250 Rheinzabern 173 Roszkowice, Kr. Brzeg 72 Rozwadów, Kr. Tarnobrzeg 164 Rudki, Kr. Kielce 162, 164 Rudki, Kr. Opatów 163 Rzq-dkowice, Kr. Zawiercie 135 Rz^dz, Kr. Grudzi^dz 157 Rzeszów 20 Rzucewogruppe 65, 66, 67, 97 Saint Gilles 269 Samborzec, Kr. Sandomierz 74 Sandomierz 23, 64, 65, 66, 97, 203, 233, 258 Sanie, Kr. Milicz 126 Santok, Kr. Gorzów Wlkp. 208, 213 Saspow, Kr. Olkusz 27 Schnurkeramik, Kultur der 19, 20, 40, 63, 64, 65, 66, 69, 70, 71, 76, 77, 78, 83, 84, 88, 97. 99
Sernai 89 Siedlemiñtyp 182 Siemirowice, Kr. Lçbork 1 3 1 Sieradz 222, 261
Skomorochy, Kr. Hrubieszôw 88 Skowarcz, Kr. Pruszcz Gdanski 79 âlçza ( = Zobtenberg) 237, 254 Slçzatyp 71 Slopanowo, Kr. Szamotuly 161 Sîupca, Kr. Slupca 118, 120 SJupsk 62 Smiardowo Krajenskie, Kr. Zlotôw 79, 83 émiardowo-Grobia-Gruppe 99 Smolq,g, Kr. Starogard Gdanski 63 Smuszewo, Kr. W^growiec 1 1 7 Sobiejuchy, Kr. Znin 119, 1 2 1 Sobôtkatyp 71 Solutréen 8, 9 Stare Miasto, Kr. Konin 234 Starogard Gdanski 142 Starovvice, Kr. Nysa 28 Stary Bydzov 83 Steinkistengrâberkultur 137, 138, 279 Stichbandkeramik, Kultur der 19, 20, 21, 23. 26, 34, 35, 56 Stobnica, Kr. Oborniki 1 2 1 Stradôw, Kr. Kazimierza Wielka 257 Strettweg (Steiermark) 143 Strzelce, Kr. Mogilno 180 Strzelce, Kr. Namyslôw 22 Strzelno, Kr. Mogilno 204, 219, 221, 228, Taf. 19 Strzyzôw, Kr. Hrubieszôw 87, 88 Strzyzôwgruppe 65, 66, 77, 87, 88 Swi^tniki, Kr. Radziejôw Kujawski 50 Swiderien 10, 1 1 , 12 Swidry-Kunda-Kultur 61 éwidry Wielkie, Kr. Otwock 1 1 âwieciechôw, Kr. Krasnik 45 Swobnica 120 Sypniewo, Kr. Makôw Mazowiecki 225 Szczawnica Zdrôj, Kr. Walbrzych 127 Szczecin 116, 190, 192, 199, 216, 218, 222, 224, 225, 267, 268 Szczytno, Kr. Wioclawek 165 Szeletien 8 Szeligi, Kr. Plock 196 Szlachcin, Kr. ¡Sroda 40 Tarchalice, Kr. Wolôw 163, 245 Tarnowien 1 1 , 12
Tayacien 5 Tomaszôw, Kr. Proszowice 84 Toporôw, Kr. Wielun 161 Torun 136 Trencin 246 Trichterbecherkultur 19, 20, 37, 38, 40, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 60, 63, 67, 68 Tripolje 23 Tripoljekultur 19, 21, 23, 33 Tropiszôw, Kr. Proszowice 168, 185 Truso 265 Trzciniec, Kr. Pulawy 94 Trzcinieckultur 63, 90, 92, 93, 94, 99, 101 Trzebiatôw, Kr. Gryfice 238 Trzemeszno, Kr. Mogilno 228, 231 Tuchola 206 Tum, Kr. Lçczyca 214, 229 Tyniec, Kr. Krakôw 120, 228, 256, 258, Taf. 17 Unëtice siehe Aunjetitz Urnenfelderkultur 105 Vesele bei Piesfany 89 Veselekultur siehe Mad'arovcekultur Vinôa bei Belgrad 23 Vindobona (Wien) 1 7 1 Vorlausitzer Kultur 90, 91, 92, 93, 99
Warschau (Warszawa) 1 1 , 162 Warszawa-Henrykôw 145 Wq,sosz, Kr. Szubin 81 Wejherowo-Krotoszyn-Kultur 122, 137, 138, 139, 140, 141, 145, 146, 147 Wenedische Kultur 159 Wesôlki, Kr. Kalisz 157, 182 Wicina, Kr. Lubsko 136, 137 Wiçckowy, Kr. Koscierzyna 141 Wieliczka, Kr. Krakôw 192 Wierzchowie, Kr. Krakôw 8 Wierzchowo, Kr. Szczecinek Taf. 5 Wietrzychowice, Kr. Kolo 54 Wilanôw (Warszawa) 167 Wislica, Kr. Busko Zdrôj 209, 219, 228, 230, 231, 256, 257, 258 293
Witaszkowo ( = Vettersfelde), Kr. Lubsko 134. 135. 137 Witow, Kr. t^czyca 10, 1 1 Wloctawek 209 Wojcin, Kr. Mogilno 1 1 3 Wojdal,- Kr. Inowroclaw 92 Wolica Nowa, Kr. Wloclawek 94 Wolin, Kr. Swinoujscie 192, 203, 216, 218, 221, 222, 224, 225, 234, 239, 259, 267, 270 Wolka tasiecka, Kr. towicz 175, 176 Wolow 1 1 4 Woskowice Male, Kr. Namyslow 1 1 6 Wroblewo, Kr. Szamotuiy Taf. 9 Wroclaw 1 7 1 , 190, 216, 218, 222, 228, 230, 232, 234, 239, Taf. 18 Wroclaw-Osobowice 114, 1 1 9 Wroclaw-Partynice 171 Wroclaw-Zakrzow (Sackrau) 165, 167, 174, 182 Wyci^ze, Kr. Krakow 26, 29, 35, 88, 1 5 1 Wysockokultur 106
294
Zadowice/ Kr. Kalisz 161, 178 2agan 123 Zakrzow, Kr. OJawa siehe WroclawZakrzow Zalesie, Kr. Slupca 207 Zar§bowo, Kr. Aleksandrow Kujawski 49 Zawada Lanckoronska, Kr. Brzesko 119, 206, 258 Zawichost, Kr. Sandomierz 50 Zeliezovce 23 2eliezovcekultur 21 Zerniki Gorne, Kr. Busko Zdroj 93, 94 Zermki Wielkie, Kr. Wroclaw 185 Zlota, Kr. Sandomierz 25, 27, 29, 30, 33, 64, 68, 69, 74, 86, Taf. 3, 4 Zlotagruppe 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 87, 97, 99, Taf. 3, 4 Zlotniki, Kr. Proszowice 26 Znin 232, 248, 261 Zuschen, Kr. Fritzlar-Homberg 39 Zurawki, Kr. Starogard Gdanski 63 Zwierzyniec (Krakow) 7
TAFEL 1
Bytyri, Kr. Szamotuly. Ochsengespann (beschädigt), Kupfer 1 Hcnsel
TAFEL 2
Cmielow, Kr. Opatow. Tongefäß mit Widdern
TAFEL
TAFEL 4
TAFEL 5
Wierzchowo, Kr. Szczecinek. Sichelhalskragen. Bronzezeit Periode V
Dobrzyca, Kr. Walcz. ,, Kalenderscheibe". Bronzezeit, Periode V. Lausitzer Kultur, pommerellische Gruppe 2
Henscl
TAFEL 6
PrzesJawice, Kr. Grudzi^dz. Gefäß aus Bronze, I m p o r t aus Italien. Jüngere Bronzezeit
TAFEL 7
TAFEL 8
TAFEL 9
T A F E L 10
TAFEL 11
T A F E L 12
Lubieszewo, Kr. Gryfice. Glaspokal mit Gladiatoren aus „Fürstengrab" der sog. Fürstengräber- oder Lubieszewogruppe (Lübsow) der älteren römische Kaiserzeit
TAFEL
Brunary Wyzne, Kr. Goriice. Bronzefigur (eine Möbeldekoration?). Römische Kaiserzeit
3
Hensel
T A F E L 14
Malachowo, Kr. Gniezno. Bronzestatuette: Isis mit Horos, vom Beginn u. Z., Import, wahrscheinlich über Olbia
T A F E L 15
Dobrodzien, Kr. Lubliniec. Verschiedenes Fundgut der Dobrodzierigruppe, 5. und 6. Jh. u. Z. 3*
T A F E L 16
Borucin, Kr. Aleksandröw ICujawski. Silberschatzfund aus der 1. Hälfte des 1 1 . J h .
T A F E L 17
Tyniec, Kr. Krakow. Knauf eines Bischofsstabes
T A F E L 18
Wroclaw. Bischofsstab. 12. Jh.
T A F E L 19
Strzelno. Romanische Säulen. 2. Hälfte des 12. Jb.
T A F E L 20
Kruszwica, Kr. Inowrociaw. Fragment einer seidenen Stola aus dem 12. Jh.