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German Pages 318 Year 2018
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 282
Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Bereich? Von
Sabine Keindl
Duncker & Humblot · Berlin
SABINE KEINDL
Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Bereich?
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg
Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg
und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 282
Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Bereich? Von
Sabine Keindl
Duncker & Humblot · Berlin
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Petra Wittig, München Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany
ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-15528-6 (Print) ISBN 978-3-428-55528-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85528-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie von Frau Professor Dr. Petra Wittig. Sie wurde im April 2017 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden. Das Rigorosum fand am 13.03.2018 statt. Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter, Frau Professor Dr. Petra Wittig, für die hervorragende Betreuung meines Promotionsvorhabens und die fortwährende wissenschaftliche Förderung, die ich bereits als studentische Hilfskraft an ihrem Lehrstuhl erfahren durfte. Frau Professor Dr. Wittig war es auch, die das Thema der vorliegenden Dissertation angestoßen hat, ein Thema, das trotz großer medialer Präsenz in der Wissenschaft bislang noch wenig Beachtung gefunden hat. Herrn Professor Dr. Frank Saliger danke ich für das von Beginn an bestehende wissenschaftliche Interesse an meinem Dissertationsprojekt und die Übernahme des Zweitgutachtens. Ebenfalls danken möchte ich Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Friedrich-Christian Schroeder und Herrn Professor Dr. Andreas Hoyer für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Strafrechtliche Abhandlungen – Neue Folge“. München, im April 2018
Sabine Keindl
Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich . . . . . . I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition von Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften 2. Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gem. Art. 137 Abs. 3 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergänzung des Schutzes des Selbstbestimmungsrechts durch Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Recht zur Erhebung von Kirchensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung und weitere Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Strafgewalt des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Strafgewalt der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis zwischen der Strafgewalt des Staates und der Strafgewalt der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Strafnorm zur Bestrafung der Untreue nach innerkirchlichem Recht 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG als Grenze der staatlichen Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bestimmung des durch § 266 StGB betroffenen Bereichs des Selbstbestimmungsrechts der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die praktische Umsetzung des gefundenen Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgerungen für die Causa Tebartz-van Elst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich . . I. Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befugnismissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 32 42 48 52 53 53 60 70 100 135 136 136 138 142 226 234 234 236 236 236 237
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Inhaltsübersicht 3. Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (= Pflichtwidrigkeit) . . . . . . 5. Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Causa Limburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH vom Bischöflichen Stuhl zu Limburg an das Bistum Limburg mit Vertrag vom 18.12.2009 . . . . . . . . . 2. Schenkung des Domplatzes Nr. 6, 7 vom Bistum Limburg an den Bischöflichen Stuhl zu Limburg mit Vertrag vom 18.12.2009 . . . . . . . . . . 3. Aufhebung des St. Georgswerks, Veräußerung von Forderungen und Verwendung der frei gewordenen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237 237 248 249 249 249 261 268 284 286
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich . . . . . . I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition von Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften 2. Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gem. Art. 137 Abs. 3 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Persönlicher Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachlicher Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ordnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Vermögensbereich als eigene Angelegenheit . . . . . . . . . . . (a) Vermögen i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Rechtsetzungsbefugnis im Vermögensbereich . . . . . . . . . . 4. Ergänzung des Schutzes des Selbstbestimmungsrechts durch Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachlicher Schutzbereich des Art. 138 Abs. 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis zu Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen für das Verhältnis zwischen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV und Art. 138 Abs. 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Recht zur Erhebung von Kirchensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung und weitere Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 24 25 26 32 32 34 34 35 36 36 38 39 39 41 42 42 42 45 46 47 48 48 49 52
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Inhaltsverzeichnis II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Strafgewalt des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Staat als Inhaber der Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Straf-„Recht“ des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Strafgewalt der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Begründung der Strafgewalt der römisch-katholischen Kirche . . . aa) Der Ursprung der kirchlichen Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) C. 1311 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sinn und Zweck der kirchlichen Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Subsidiarität der kirchlichen Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überblick über das kirchliche Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besonderer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis zwischen der Strafgewalt des Staates und der Strafgewalt der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Abschaffung des privilegium fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis zwischen der Strafgewalt des Staates und der Kirche nach geltendem Recht unter dem CIC/1983 und dem StGB . . . . . . . . . aa) Verpflichtender Charakter der staatlichen Strafgewalt . . . . . . . . . . . bb) Die Bestimmung der Konkurrenzsituation beim Vorliegen von res mixtae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Mangel an sachlichen Berührungspunkten hinsichtlich der Strafnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Mangel an sachlichen Berührungspunkten hinsichtlich der Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Staatliche Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kirchliche Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Beugestrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Sühnestrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Spruch- und Tatstrafen als Formen der Strafverhängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Ähnlichkeit des kirchlichen Strafrechts zum Disziplinarrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Unterscheidung von Straf- und Disziplinarrecht . . . . . (b) Die Darstellung der disziplinarrechtlichen Normen im Buch VI des CIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Buch VI, Teil II, Titel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Disziplinarnormen außerhalb des Titels III des Buches VI, Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die faktische Entwicklung des kirchlichen Strafrechts zu einem Disziplinarmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 53 56 60 60 60 62 65 66 67 68 70 70 71 75 75 77 78 81 81 81 81 83 83 84 85 85 86 86 88 89
Inhaltsverzeichnis (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die unterschiedliche Wirkungsweise staatlicher und kirchlicher Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konkurrierende Zuständigkeit staatlicher und kirchlicher Gerichte beim Vorliegen von res mixtae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsprechungsmonopol aus Art. 92 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) C. 1401 n ë 2 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Keine Geltung des Doppelbestrafungsverbots aus Art. 103 Abs. 3 GG im Verhältnis staatlicher und kirchlicher Gerichtsbarkeit . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Strafnorm zur Bestrafung der Untreue nach innerkirchlichem Recht a) Die Wesensmerkmale der Untreuestrafbarkeit gem. § 266 StGB . . . . aa) Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unrechtsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis der Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Täterstellung in Form des Vorliegens einer Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB . . . . . . (2) Treuebruchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB . . . . . . ff) Vermögensnachteil als tatbestandlicher Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) C. 1377 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen des c. 1377 CIC/1983 . . . . . . . . . (1) bona ecclesiastica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) alienatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erlaubnisbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) licentia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) C. 1291 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) C. 1292 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) C. 638 § 3 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) C. 1298 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Vergleich zwischen § 266 StGB und c. 1377 CIC/1983 . . . . . (1) Der Vergleich der von § 266 Abs. 1 StGB bzw. c. 1377 CIC/ 1983 geschützten Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleich des c. 1377 CIC/1983 mit dem Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 90 90 91 91 91 95 97 99 100 100 101 102 103 104 106 106 107 107 108 108 108 108 109 112 112 114 116 119 120 120 121 121 121 122
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Inhaltsverzeichnis (3) Das fehlende Erfordernis der für § 266 Abs. 1 Alt. 1, 2 StGB charakteristischen Vermögensbetreuungspflicht und deren Verletzung in c. 1377 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Das fehlende Erfordernis eines Vermögensnachteils in c. 1377 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) C. 1389 § 2 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Vergleich zwischen § 266 StGB und c. 1389 § 2 CIC/1983 . . (1) Vergleich der Unrechtsstruktur in § 266 StGB und c. 1389 § 2 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleich der Tathandlungen in § 266 StGB und c. 1389 § 2 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG als Grenze der staatlichen Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bestimmung des durch § 266 StGB betroffenen Bereichs des Selbstbestimmungsrechts der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht in Vermögensangelegenheiten durch aufgedrängten staatlichen Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Eingriff in die Kirchengutsgarantie aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Eingriff in die Ämterhoheit aus Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schranke des für alle geltenden Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Bestimmung des für alle geltenden Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . (1) Frühere Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Unterscheidung von Innen- und Außenbereich innerhalb der eigenen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Fallgruppen im Vermögensbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die kirchlichen Vermögensgruppen . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Unterscheidung des Innen- und des Außenbereichs . . (a) Finanzvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Kirchensteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Kollekte/Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (gg) Spenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Staatsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129 130 131 131 131 132 133 133 133 135 135 136 136 138 138 140 141 142 142 142 142 144 145 148 149 150 150 151 151 152 152
Inhaltsverzeichnis (ee) Staatliche Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . (zz) Privatwirtschaftliche Einnahmen . . . . . . . . . (b) Verwaltungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Folge für die Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Abwägungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 266 StGB als ein für alle geltendes Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangslage in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . (a) Herrschende Literatur zur Geltung des Strafrechts im kirchlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) BGH, NJW 1983, 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) BGH, NStZ 2000, 205 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) BGH, NStZ 2001, 155 f. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) OLG Schleswig-Holstein, BeckRS 2001, 17743 . . . . (ee) LG Nürnberg-Fürth vom 21.12.2009, Az.: 3 KLs 504 Js 1803/2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ff) BGH, BeckRS 2011, 16244 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (gg) Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter der evangelischen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Causa des früheren Bischofs Walter Johannes Mixa . (2) Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Keine Bindung der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn an die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Limburg a.d. Lahn (c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Waldhoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gmeiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Rostalski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die betroffenen Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schutz des Vermögens als Erfordernis der Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Echte Religionsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Erhöhter strafrechtlicher Schutz von Religionsgemeinschaften in weiteren Vorschriften des StGB . . . (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Geringe Eingriffsintensität gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die Betroffenheit des Selbstbestimmungsrechts als Frage der Geltungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . .
13 153 153 154 155 155 156 160 160 160 161 161 163 164 164 165 165 166 167 167 168 170 171 175 177 177 180 181 182 182 183 184 185 186
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Inhaltsverzeichnis (bb) Die Maßgeblichkeit des kircheninternen Pflichtenkatalogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die inzidente Anwendbarkeit kirchlicher Normen durch staatliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beispiele der Anwendung von Kirchenrecht durch staatliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Die Berücksichtigung des kirchlichen Maßstabs bei der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Die praktische Umsetzung durch Bindung an kirchliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Keine andere Beurteilung im kirchlichen Innenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Vergleich mit unstreitig anwendbaren Strafnormen im kirchlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Vergleich mit den Missbrauchsfällen . . . . . . . . . . . . . . (bb) Vergleich mit weiteren Strafnormen . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vergleich mit Diebstahl und Unterschlagung . . . . (b) Vergleich mit Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Vergleich mit anderen Gesellschaftsgruppen wie den Sportverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Recht auf Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Befugnis zur Verhängung von Strafen . . . . . . . . . . . . . (cc) Kein Doppelbestrafungsverbot gem. Art. 103 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Strafrechtliche Besonderheiten im Sport . . . . . . . . . . . (ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ff) Folgerungen für die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Die fehlende Berührung von Individualinteressen als untauglicher Differenzierungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Die Innerkirchlichkeit als untaugliches Abwägungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (h) Die Entwicklung des Untreuetatbestandes zum Antragsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (i) Verhinderung einer generellen Infragestellung der Norm durch unberechtigte Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (j) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schranken-Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die praktische Umsetzung des gefundenen Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . .
186 187 189 192 194 197 197 198 199 200 201 202 204 205 206 206 207 209 210 214 214 215 217 220 223 224 226 226
Inhaltsverzeichnis a) Kein verfassungsrechtlich begründetes Befassungsverbot . . . . . . . . . . . b) Konsequenzen für die Anwendung des § 266 StGB durch staatliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgerungen für die Causa Tebartz-van Elst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich . . I. Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befugnismissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (= Pflichtwidrigkeit) . . . . . . a) Verstoß gegen interne Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Asymmetrische/limitierte Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmung des Inhalts einer untreuerelevanten Pflicht . . . . . . . . (1) Innerer Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Untreuespezifischer Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Intensität der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Causa Limburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH vom Bischöflichen Stuhl zu Limburg an das Bistum Limburg mit Vertrag vom 18.12.2009 . . . . . . . . . a) Sachverhaltsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Missbrauchstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Befugnismissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Interne Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Cc. 1291, 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) C. 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Externe Wirksamkeit oder Unwirksamkeit? . . . . . . . . . . . . cc) Treuebruchstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geschädigter Vermögensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 226 230 234 234 236 236 236 237 237 237 238 240 241 241 243 245 248 249 249 249 249 250 250 251 251 253 253 253 255 255 256 256 256 256 256 258
16
Inhaltsverzeichnis
2.
3.
4. 5.
(3) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkung des Domplatzes Nr. 6, 7 vom Bistum Limburg an den Bischöflichen Stuhl zu Limburg mit Vertrag vom 18.12.2009 . . . . . . . . . . . . a) Sachverhaltsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB . . . . . . . . . . (1) Verpflichtungs- bzw. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Befugnismissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Treuebruchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB . . . . . . . . . . (1) Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung des St. Georgswerks, Veräußerung von Forderungen und Verwendung der frei gewordenen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhaltsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Befugnismissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aufhebung des St. Georgswerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Veräußerung der Forderungen des St. Georgswerks . . . . . . . . . (3) Verwendung des Vermögens des St. Georgswerks . . . . . . . . . . . dd) Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anlehnung an die Grundsätze der Haushaltsuntreue . . . . . . . . . (2) Lehre von der Zweckverfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Lehre vom individuellen Schadenseinschlag . . . . . . . . . . . . . . . c) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
260 261 261 261 261 262 262 263 263 263 264 264 266 267 268 268 268 268 269 270 270 270 270 272 273 275 277 277 278 280 281 284 284 284 286
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
Abkürzungsverzeichnis Abs. AfkkR Anm. AöR Art. Aufl. BayDG BayStG BayVBl. BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BRAO BVerfG BVerfGE c./cc. CIC ders./dies. d.h. EGBGB EGMR f. ff. GA GG ggf. HerKorr h. M. Hrsg. i. e. i. e. S. i. H. v. i. S. d. i.V. m.
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18 JöR Jura JuS JZ KirchStG KuR a. d. Lahn lit. NJW NStZ NVwZ RW s. S. StGB StPO StraFo StV VELKD ZevKr ZIP ZIS ZStW
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A. Einleitung „Im Anfang war die Badewanne.“ 1 Diese Worte hat Gerhard Matzig in seinem SZ-Artikel „Fluch der Badewanne“ ausdrücklich an den Prolog des Johannesevangeliums – „im Anfang war das Wort“ – angelehnt, um zu verdeutlichen, dass die sinnbildlich im Zentrum des Skandals um das Bischofshaus in Limburg stehende Badewanne den Anstoß für eine große Anzahl an Umstrukturierungen in der römisch-katholischen Kirche gab. Dabei verweist er auf geplante Reformen im Erzbistum München und Freising, wonach bauliche Vorhaben künftig externen Wirtschaftsprüfern unterstellt werden sollen.2 Durch die Auslagerung der Bauplanung und Kostenkontrolle soll weiteren Finanzskandalen vorgebeugt werden. Der Skandal in Limburg entwickelte sich um den Neubau des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus, welches als Haus der Bischöfe fungieren sollte. Nachdem der ursprüngliche Plan einer Renovierung des Bestandsgebäudes auf dem Domplatz 7 als bischöfliche Wohnung wegen dessen Sanierungsbedürftigkeit aufgegeben worden war, wurde 2007 der Neubau des Hauses der Bischöfe auf dem Domplatz 14 und die Renovierung der Häuser auf dem Domplatz 6 und 7 als Büroräumlichkeiten projektiert.3 Die von dem Architekten Professor Mäckler im Jahr 2007 vorgestellten Entwürfe sahen Investitionskosten i. H. v. ca. 6 Millionen Euro brutto vor.4 Aufgrund starker Kritik an der Höhe der Bausumme wurde ein Wettbewerb mit drei Architekturbüros für die Neuplanung ausgeschrieben.5 Als Investitionsvolumen für den Abriss und den Neubau auf dem Domplatz 14 war eine Summe zwischen 500.000 A und 750.000 A vorgegeben; die Renovierung des Domplatzes 7 sollte die Summe von einer Million Euro nicht übersteigen.6 Das als Sieger aus dem Architektenwettbewerb hervorgegangene Architekturbüro Hamm entwickelte bis Dezember 2008 eine Planung mit einem Kostenvolumen von ca. 7,15 Millionen Euro.7 Aufgrund von Änderungswünschen des Diözesanbischofs war die Bauaufsichtsbehörde jedoch nicht mehr bereit, für das ursprüng1
Matzig, Süddeutsche Zeitung 05./06.03.2016 (S. 15). Ders., Süddeutsche Zeitung 05./06.03.2016 (S. 15). 3 Prüfungskommission, Abschlussbericht Bistum Limburg (http://www.dbk.de/filead min/redaktion/diverse_downloads/presse_2014/2014-050b-Abschlussbericht-Limburg. pdf), S. 17 (geprüft am 01.04.2018). 4 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 54, 64. 5 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 19. 6 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 19, 42 f. 7 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 64. 2
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A. Einleitung
lich noch genehmigungsfähige Vorhaben eine Baugenehmigung zu erteilen.8 Die in der Folgezeit eingeschalteten Architekturbüros waren an keine Kostenvorgaben mehr gebunden, weshalb das Bauvorhaben jeweils erweitert wurde und der Finanzierungsbedarf anstieg.9 Im März 2009 wurden die Planungsarbeiten an das Architekturbüro Dischinger Schattner Zierer vergeben, das Investitionskosten in Höhe von 6,22 Millionen Euro inklusive der Nebenkosten veranschlagte.10 Da sich die Planung nach Angaben des Diözesanbaumeisters nicht als genehmigungsfähig erwies und das Architekturbüro Änderungswünsche des Diözesanbischofs ablehnte, wurden ab Mai 2010 die BLFP Frielinghaus Architekten mit der Planung beauftragt.11 Die von der Prüfungskommission als plausibel eingestufte Kostenschätzung der Architekten belief sich ursprünglich auf 6,19 Millionen Euro.12 Im Mai 2011 wurden die Baukosten jedoch bereits auf brutto 22,0 Millionen Euro beziffert.13 Die Prüfungskommission geht mit Stand vom 18.10.2013 von Gesamtkosten für das Bauprojekt in Höhe von brutto 31,05 Millionen Euro aus.14 Als Gründe für die erhebliche Abweichung von der Kostenschätzung sieht die Prüfungskommission nachträglich erfolgte Änderungswünsche und Standard-Erhöhungen an.15 Besonderes öffentliches Aufsehen erregte dabei die Errichtung der frei stehenden Badewanne, welche Kosten in Höhe von 4.000 A16 verursachte, und der Bau eines Wasserbeckens für Zierfische („KoiBecken“) zum Preis von brutto 213.000 A.17 Im Fokus der Öffentlichkeit standen jedoch nicht nur die erheblichen Kosten, sondern auch die mangelnde Transparenz und Information über die Kostensteigerung sowie die fehlende Beteiligung kircheninterner Kontrollgremien. Aufgrund schadensverursachender Verstöße gegen kircheninterne Pflichtmaßstäbe wurden Vorwürfe wegen Untreue gegenüber den kirchlichen Akteuren erhoben. Die Causa Limburg hat nicht nur erhöhte mediale Aufmerksamkeit erfahren und zu einem Umdenken in Bezug auf die kirchliche Finanzordnung geführt, sondern darüber hinaus Anlass geboten, erstmalig die Frage aufzuwerfen, ob der Straftatbestand der Untreue gem. § 266 StGB im kirchlichen Bereich anwendbar ist. Die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn hat in der Verfügung zu Az.: 5 Js 14546/13 unter Verweis auf die fehlende Anwendbarkeit des § 266 StGB bei ei8
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 102. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 35, 65. 10 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 64. 11 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 64, 67. 12 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 69, 75. 13 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 65, 69. 14 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 86. 15 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 75, 80. 16 Höll, Tebartz-van Elst – Limburger Bade-Wahn (http://www.sueddeutsche.de/pano rama/tebartz-van-elst-limburger-bade-wahn-1.2360442) (geprüft am 01.04.2018). 17 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 82. 9
A. Einleitung
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ner „innerkirchlich[en] Angelegenheit“ 18 die Aufnahme von Ermittlungen gegen den ehemaligen Limburger Diözesanbischof und die Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates des Bischöflichen Stuhles zu Limburg abgelehnt. Verneint man bereits die Anwendbarkeit einer Norm, wird der Zugang zur konkreten Normanwendung von vornherein verschlossen. Eine Subsumtion des vorgetragenen Lebenssachverhalts unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 StGB findet dann nicht mehr statt. Dies kann sich zugunsten des Beschuldigten auswirken, soweit dieser einer Verurteilung entgeht, jedoch gleichermaßen zu dessen Lasten, soweit er den gegen ihn erhobenen Vorwurf der strafbaren Untreuehandlung nicht durch einen Freispruch entkräften kann. Es ist daher der Frage nachzugehen, ob die römisch-katholische Kirche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland eine derartige Sonderstellung einnimmt, die es gebietet, kirchliche Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich von staatlichen Strafnormen wie dem Untreuetatbestand auszunehmen, ohne eine Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen anhand des konkreten Einzelfalls vorzunehmen. An die Begründung sind dabei hohe Anforderungen zu stellen, da die Exemtion der Kirche von der Anwendbarkeit des § 266 StGB eine aus Sicht der Kirche bestehende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt zum Vorschein bringen würde. Die Frage der Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich zeitigt nicht nur Relevanz für den konkret der Untreuehandlung beschuldigten Kirchenangehörigen, sondern gleichermaßen für die Reichweite des Schutzes kirchlichen Vermögens. Die infolge der Causa Limburg zu Transparenzzwecken veröffentlichten Zahlen der Vermögenswerte der Bistümer haben veranschaulicht, wie hoch die Vermögensbestände der einzelnen kirchlichen Vermögensträger sind. Nur beispielhaft sei das Gesamtvermögen des Erzbistums München und Freising in Höhe von ca. 6,3 Milliarden Euro genannt.19 Würde man die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich negieren, wären diese Vermögensmassen des staatlichen strafrechtlichen Schutzes beraubt und allein auf etwaige kircheninterne Schutzmechanismen verwiesen.
18 Herrchen, Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redaktion/ Portal / Meldungen / 2014 / Causa/TVE/ Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 1 f. (geprüft am 01.04.2018). 19 Drobinski/Wetzel, Katholische Kirche – Erzbistum München besitzt 6,3 Milliarden (http://www.sueddeutsche.de/politik/katholische-kirche-erzbistum-muenchenbesitzt-mil liarden-1.3042359) (geprüft am 01.04.2018).
B. Gang der Untersuchung Die soeben aufgeworfenen Fragen geben den Gang der Untersuchung vor. Das allgemeine Verhältnis zwischen Staat und Kirche soll an den Anfang der Untersuchung gestellt werden, um sodann in den weiteren Schritten den Untersuchungsgegenstand auf die Frage der Anwendbarkeit des § 266 StGB in den Fällen der Betroffenheit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts verengen zu können. § 266 StGB ist nur dann anwendbar, wenn grundsätzlich das staatliche Strafrecht im kirchlichen Bereich Geltung erlangt und sich § 266 StGB darüber hinaus in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als taugliche Schrankennorm erweist. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich dabei auf die Problemerörterung anhand des Beispiels der römisch-katholischen Kirche, da die Kanonisation der rechtlichen Bestimmungen im Codex Iuris Canonici von 1983 (CIC/1983) eine besonders anschauliche Darstellungsweise verspricht. Das gefundene Ergebnis kann jedoch im Grundsatz auf alle dem Anwendungsbereich des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG unterfallenden Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften übertragen werden. Die Frage der Anwendbarkeit des § 266 StGB bei kirchlichen Sachverhalten darf im Ausgangspunkt allein aufgrund der Sonderstellung der Kirche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gestellt werden. Würde die Kirche innerhalb des Staates keine besondere verfassungsrechtliche Stellung – insbesondere im Vermögensbereich – einnehmen, wäre die Frage der Exemtion der Kirche von der Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes von vornherein obsolet. Aus diesem Grunde ist zunächst der staatskirchenrechtliche Hintergrund der Untersuchung zu beleuchten (C. I.). Hieraus wird deutlich, dass das Thema der vorliegenden Arbeit zwar strafrechtlich verortet, gleichzeitig aber staatskirchenrechtlich eingekleidet und überlagert ist. Nach der Klärung des allgemeinen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche bedarf es einer genaueren Betrachtung der kirchlichen Strafgewalt und des Konkurrenzverhältnisses zur Strafgewalt des Staates (C. II. 1.–3.). Dabei ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob sich die kirchliche bzw. die staatliche Strafgewalt als exklusiv verstehen oder die kumulative Anwendung anderer Strafsysteme dulden. Darüber hinaus ist zu untersuchen, wie der Schutz des kirchlichen Vermögens vor Untreuehandlungen durch das kirchliche Strafrecht ausgestaltet ist, da bei einer Negation der Anwendbarkeit des § 266 StGB der Schutz
B. Gang der Untersuchung
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des kirchlichen Vermögens allein von kircheninternen Kontroll- und Strafmechanismen abhängig wäre (C. II. 4.). Verfügt die Kirche nicht über eine effektive Strafnorm zur Ahndung von Untreuestrafbarkeiten, spricht dies im Grundsatz dafür, § 266 StGB auch im kirchlichen Bereich zur Anwendung gelangen zu lassen. Kommt man zu dem Ergebnis, dass die staatliche und die kirchliche Strafgewalt nebeneinander Geltung beanspruchen können, ist der Gang der Untersuchung darauf zu konzentrieren, ob für den Fall der Betroffenheit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts in Vermögensangelegenheiten die Anwendbarkeit des § 266 StGB verneint werden muss (C. III.). Dies gebietet eine dezidierte Prüfung der Schranken des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und bildet zugleich den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Zuletzt sollen die Auswirkungen des gefundenen Ergebnisses zu Anschauungszwecken anhand der Causa Limburg dargestellt werden. Lässt man die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich zu, gelangt man zur Normanwendung und Prüfung des § 266 StGB. In einem ersten Schritt bietet sich eine überblicksartige Darstellung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 StGB unter besonderer Berücksichtigung der kirchlichen Besonderheiten an (D. I.), um in einem weiteren Schritt eine theoretische Abhandlung der möglichen Strafbarkeiten im Rahmen der Causa Limburg vornehmen zu können (D. II.).
C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich Die Frage nach der Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich kann sich nur aufgrund der besonderen Position der Kirche gegenüber dem Staat, insbesondere aufgrund des verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts der Kirche, stellen. Aus diesem Grunde wird einleitend die Sonderstellung der Kirche im staatlichen Rechtssystem unter besonderer Berücksichtigung des Vermögensbereichs veranschaulicht (I.). Hieran anschließend wird der Charakter und die Reichweite der staatlichen Strafgewalt im Verhältnis zur kirchlichen Strafgewalt dargestellt werden (II.). Zuletzt wird der Frage nachzugehen sein, ob das Selbstbestimmungsrecht der Kirche in Vermögensangelegenheiten der Anwendbarkeit der Strafnorm der Untreue aufgrund deren besonderen vermögensbezogenen Sachbezugs entgegen zu stehen vermag (III.). § 266 StGB nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als nicht nur die Strafgewalt der Kirche als Bestandteil des Selbstbestimmungsrecht tangiert wird, sondern zudem das von § 266 StGB geschützte Rechtsgut des Vermögens sachlicher Bestandteil des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts in Vermögensangelegenheiten ist.
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche (1.) wird anschaulich durch Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG beschrieben: „Es besteht keine Staatskirche“ (2.). Der in Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG dargestellte Grundsatz der Trennung der beiden Institutionen erfährt in den Folgeartikeln der Weimarer Reichsverfassung eine nähere Konkretisierung. Aufgrund der organisatorischen Separation vom Staat kommen der Kirche eigene Aufgabenbereiche zu, welche die Kirche kraft ihres verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG (3.) unter Beachtung der Schrankenregelung eigenständig ausgestalten kann. Dies betrifft namentlich auch den vom Straftatbestand der Untreue gem. § 266 StGB berührten Vermögensbereich. Gerade auf dem Gebiet der vermögensmäßigen Angelegenheiten gesteht das Grundgesetz der Kirche durch die zusätzliche Gewährung einer Bestandsgarantie kirchlicher Vermögensmassen in Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG eine besonders geschützte Stellung zu (4.). Ergänzt wird diese hervorgehobene Position durch die Befugnis der Kirche, als einzige Organisation neben dem Staat eigene Steuern erheben zu dürfen (Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG) (5.).
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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1. Definition von Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Allen genannten verfassungsrechtlichen Gewährleistungen liegen die Begriffe der Kirche20, der Religionsgesellschaften/Religionsgemeinschaften bzw. der Weltanschauungsgemeinschaften zugrunde. Zur genauen Abgrenzung sollen diese zunächst einführend definiert werden. Der Terminus der Religionsgesellschaft bzw. Religionsgemeinschaft wurde im deutschen Staatskirchenrecht entwickelt. Das Grundgesetz verwendet sowohl den Begriff der Religionsgemeinschaft (Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG) als auch den der Religionsgesellschaft (Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV, Art. 137 Abs. 2–Abs. 7 WRV, Art. 138 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 WRV, Art. 141 WRV jeweils i.V. m. Art. 140 GG). Dies ist allein „entstehungsgeschichtlich bedingt“ 21, da es sich bei dem Terminus der Religionsgesellschaft um den älteren Begriff handelt.22 Die Begriffe können jedoch synonym verwendet werden.23 Der Wortlaut „Religionsgemeinschaft“ kommt der Eigenvorstellung der Kirchen, die weniger eine irdische Vereinigung als eine göttliche Stiftung sein wollen, näher24 und wird daher dieser Arbeit zugrunde gelegt. Unter einer Religionsgemeinschaft versteht man nach der inzwischen „klassisch“ 25 gewordenen Definition von Gerhard Anschütz „ein[en] die Angehörigen eines und desselben Glaubensbekenntnisses [. . .] für ein Gebiet [. . .] zusammenfassender Verband zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben.“ 26 Einen Spezialfall der Religionsgemeinschaften stellen die Kirchen dar.27 Das Wort Kirche entstammt dem griechischen Terminus kyriakón („das zum Herrn (griechisch ky´rios) gehörige (Haus)“).28 Ursprünglich wurde hiermit der Ort bezeichnet, in dem der christliche Gottesdienst stattfand. Schon bald wurde der Begriff der Kirche in religionssoziologischer Hinsicht auch auf christliche Religionsgemeinschaften übertragen.29
20 Der Begriff der Kirche wird lediglich negatorisch in Art. 137 Abs. 1 WRV durch den Verweis auf die fehlende Existenz einer „Staatskirche“ verwendet. 21 Pieroth/Görisch, JuS 2002, 937 (938). 22 Reinhardt, in: Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts (839). 23 Vgl. BVerwGE 110, 326 (342); Pieroth/Görisch, JuS 2002, 937 (937). 24 Reinhardt, in: Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts (840). 25 Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 11 Rn. 3; Pieroth/Görisch, JuS 2002, 937 (938). 26 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 137 WRV Anm. 2. 27 Reinhardt, in: Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts (840). 28 Zwahr, Der Brockhaus, S. 2454. 29 Dies., Der Brockhaus, S. 2454.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Anders als bei der Religionsgemeinschaft steht bei der Weltanschauungsgemeinschaft nicht die Gottesfrage im Mittelpunkt, sondern das menschliche Dasein wird anhand weltlicher, nicht transzendenter Bezüge begründet.30 Eine Weltanschauungsgemeinschaft ist daher eine Gemeinschaft von Personen, die durch gemeinsame weltliche Daseinsvorstellungen verbunden sind und in diesem Sinne ihre Aktivitäten entfalten.31 2. Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG Gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG „besteht keine Staatskirche“. Bei der Bestimmung des Art. 137 Abs. 1 WRV handelt es sich um „vollgültiges Verfassungsrecht“ 32, da diese über die Regelung des Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporiert wurde. Die Vorschrift des Art. 137 Abs. 1 WRV geht nahezu wortgleich33 auf die Paulskirchenverfassung vom 28.03.1849 zurück und sollte historisch als Abkehr vom (protestantischen) Staatskirchentum in Gestalt des landesherrlichen Kirchenregiments verstanden werden, wonach die Kirchen als Landeskirchen organisch in den Staat eingegliedert waren und der Landesherr als „summus episcopus“, d.h. als oberster Bischof, fungierte.34 Heute drängt sich eine abstraktere Interpretation des Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG auf. Zum Teil wird Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG ein striktes laizistisches Trennungsgebot entnommen, welches jegliche Berührung zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften bzw. der Religion als solche verbietet.35 Diese Auffassung beruht weniger auf einer eigenständigen Auslegung des Art. 137 Abs. 1 WRV als vielmehr auf einer Deutung des Grundrechts der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG als verfassungsrechtliche Grundnorm aller staatskirchenrechtlicher Vorschriften:36 Die Kirchenartikel seien stets aus 30
Reinhardt, in: Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts (1011). Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 283. 32 BVerfGE 19, 206 (219). 33 Vgl. § 147 Abs. 2 der Paulskirchenverfassung 1849: „Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche.“ 34 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 137 WRV Anm. 1; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 18; Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 2; Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 262; Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 24. 35 Vgl. Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten, S. 215; vgl. Renck, BayVBl. 1999, 70 (73). 36 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 264; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 11. 31
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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der Perspektive der Religionsfreiheit auszulegen, so dass insoweit von einem „[g]rundrechtsorientierte[n] Religionsverfassungsrecht“ 37 gesprochen werden müsse.38 Die Abwehrfunktion der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG bedinge jegliche Enthaltung des Staates in religiösen Angelegenheiten und eine absolute Separation des Staates von den Religionsgemeinschaften, weshalb Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG nur als stringentes Trennungsgebot interpretiert werden könne. Im Grundgesetz vorgesehene Formen von Kooperation zwischen Staat und Kirche (vgl. Art. 7 Abs. 3, 5 GG, Art. 137 Abs. 5, 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG, Art. 141 WRV i.V. m. Art. 140 GG) müssten als verfassungswidriges Verfassungsrecht angesehen werden.39 Der Auffassung ist zuzugestehen, dass sich ein enger Zusammenhang zwischen dem Grundrecht der Religionsfreiheit und den staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung nicht in Abrede stellen lässt. Dies kann jedoch nicht so weit führen, dass jede institutionell ausgestaltete Norm der Art. 136 ff. WRV subjektiv-rechtlich im Lichte des Art. 4 Abs. 1, 2 GG auszulegen ist.40 So darf die gem. Art. 137 Abs. 5 WRV i.V. m. Art. 140 GG eröffnete Möglichkeit der Religionsgemeinschaften, den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft beizubehalten bzw. zu erlangen, nicht zwingend und ausschließlich aus der Religionsfreiheit hergeleitet werden.41 Wäre der hervorgehobene Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts Ausfluss der grundrechtlichen Gewährleistung der Religionsfreiheit, dürfte es keine Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und privatrechtlichen Religionsgemeinschaften mehr geben, da deren jeweilige Mitglieder gleichermaßen Träger des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG sind.42 Auch Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG enthält – neben dem aus der Religionsfreiheit abgeleiteten Neutralitätsgebot des Staates – Bestimmungen des objektiven Verhältnisses der Institutionen von Staat und Kirche.43 Die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen dürfen daher nicht als zwingende Ableitung, sondern als Ausprägung der Religionsfreiheit in ihrer objektiv-rechtlichen Schutzpflichtdimension ange37
Walter, Religionsverfassungsrecht, S. 200. Renck, BayVBl. 1999, 70 (73); Fischer, Volkskirche ade!, S. 99. 39 Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten, S. 214 ff.; Renck, BayVBl. 1999, 70 (74): „prinzipienwidriges Verfassungsrecht“ bzw. „legale Verfassungswidersprüche“. 40 So auch Korioth, in: Brenner/Huber/Möstl (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes, S. 727 (739). 41 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 1. 42 Vgl. Korioth, in: Brenner/Huber/Möstl (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes, S. 727 (743). 43 Vgl. Korioth, in: Brenner/Huber/Möstl (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes, S. 727 (740); zweifelnd Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 1 Fn. 5. 38
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
sehen werden.44 Eine normprägende Vorrangstellung der Religionsfreiheit gegenüber den Art. 136 ff. WRV i.V. m. Art. 140 GG wäre zudem grundgesetzsystemwidrig, da das Grundgesetz eine abstrakte „normativ abgestufte Verbindlichkeit“ zweier Normen von Verfassungsrang nicht kennt.45 Eine rein laizistische Interpretation des Art. 137 Abs. 1 WRV fußt daher auf einer zu weitgehenden Deutung der Reichweite des Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Darüber hinaus ist dem Wortlaut des Art. 137 Abs. 1 WRV lediglich ein Verbot des Staatskirchentums, nicht jedoch eine laizistische Trennung von Staat und Kirche zu entnehmen. In laizistischen Staaten wie Frankreich ist es üblich, die strikte Trennung zwischen Staat und Kirche ausdrücklich anzuordnen (vgl. Article 1er Constitution française du 4 octobre 1958: „La France est une République [. . .] laïque [. . .].“).46 Auch die Systematik der grundgesetzlichen Bestimmungen, die ausdrücklich Formen von Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche vorsehen (Art. 7 Abs. 3, 5 GG, Art. 137 Abs. 5, 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG, Art. 141 WRV i.V. m. Art. 140 GG), verdeutlicht, dass das Grundgesetz gewisse Lockerungen der grundsätzlichen Trennung von Staat und Kirche kennt und für zulässig erachtet.47 Die Annahme, es handle sich hierbei um verfassungswidriges Verfassungsrecht, stellt demgegenüber ein schwaches Argument dar, zumal die Rechtsfigur des verfassungswidrigen Verfassungsrechts umstritten ist und nur bei Überschreiten der „äußersten Grenzen der Gerechtigkeit“ 48 in Betracht gezogen werden darf.49 Schließlich wurde bereits in historischer Perspektive vor Erlass der Weimarer Reichsverfassung das System einer strikten Trennung von Staat und Kirche von den Verfassungsgesetzgebern verworfen und allein die Vorschrift des Art. 137 Abs. 1 WRV erlassen.50 44 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 1. 45 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 7; Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten, S. 145 f. Eine Ausnahme stellt lediglich der Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG dar, welche sich aufgrund ihrer Unantastbarkeit gegenüber jeder weiteren verfassungsrechtlichen Bestimmung durchzusetzen vermag. 46 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 12. 47 Vgl. dies., in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 12. 48 BVerfGE 3, 225 (232). 49 BVerfGE 3, 225 (233): „die theoretische Möglichkeit originärer „verfassungswidriger Verfassungsnormen“ [komme] einer praktischen Unmöglichkeit nahezu gleich [. . .]“; 4, 294 (296); vgl. Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 8; vgl. Hense, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1830 (1840); Campenhausen, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 47 (74). 50 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 12; vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 137 WRV Anm. 1.
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG ist vielmehr als ein Verbot der institutionellen und funktionellen Verbindung von Staat und Kirche zu verstehen.51 Dieses Trennungsgebot setzt die Unabhängigkeit staatlicher und religionsgesellschaftlicher Institutionen sowie die autonome Verfolgung ihrer jeweils eigenen Zwecke voraus.52 Ausgeschlossen ist damit die Wahrnehmung religiöser Aufgaben durch den Staat sowie die Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Religionsgemeinschaften.53 Insbesondere kommt eine Eingliederung der Religionsgemeinschaften in die Staatsverwaltung nicht in Betracht.54 Darüber hinaus verbietet Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG jegliche Form von staatlicher Aufsicht über die Religionsgemeinschaften.55 Das Trennungsgebot des Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG bezweckt die „Freiheit des Staates vor der Kirche wie [die] Freiheit der Kirchen von ungerechtfertigter staatlicher Einmischung“ 56. Die Verfassungsnorm des Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG hat neben ihrer institutionellen Bedeutung auch ideellen Gehalt, da sie das Verbot der Identifikation des Staates mit bestimmten Glaubensinhalten umfasst.57 Der Staat darf sich nicht mit einer konkreten Glaubensrichtung identifizieren oder diese gar zu einer Staatsreligion erheben.58 Ferner enthält Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG das Gebot der Parität zwischen allen Religionsgemeinschaften und 51 Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, S. 112; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 18; Hense, in: Haering/Rees/ Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1830 (1839); Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 2; Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 24; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 4 f.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 5 Rn. 141; Czermak, Religions- und Weltanschauungsrecht, § 9 Rn. 150; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 3; Hesse, in: Häberle/Hollerbach (Hrsg.), Konrad Hesse Ausgewählte Schriften, S. 355 (376); Hesse, JöR 1961, 3 (24). 52 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 18. 53 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 18; Classen, Religionsrecht, § 5 Rn. 111. 54 Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 16. 55 BVerfGE 18, 385 (386); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 18; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 7; Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 267. 56 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 262. 57 BVerfGE 108, 282 (300); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 20; Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher OnlineKommentar GG, Art. 140 Rn. 18; Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 4; Classen, Religionsrecht, § 5 Rn. 111; Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 238. 58 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 20; Hollerbach, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Band VI, S. 471 (533).
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Bekenntnissen.59 Bezüglich dieser Sachrichtungen weist Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG Übereinstimmung mit der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG auf.60 Die institutionelle und ideelle Trennung der Sphären von Staat und Kirche verbietet jedoch nicht sämtliche Berührungspunkte zwischen Staat und Kirche, die sich aus der Überschneidung der Betätigungsfelder und Personenkreise ergeben.61 Staat und Kirche stehen sich vielmehr in einem Verhältnis „wechselseitiger Zugewandtheit und Kooperation“ 62 gegenüber. Eine in Grenzen gehaltene Zusammenarbeit von Kirche und Staat sowie eine konfessionsneutrale, dem Gleichheitsgrundsatz genügende Förderung von Religionsgemeinschaften sind daher grundsätzlich möglich.63 Eine Kooperation zwischen Staat und Kirche ist zulässig, wenn sich die konkrete Art der Zusammenarbeit als verfassungsrechtlich gerechtfertigt erweist. Die vom Grundgesetz vorgesehenen Kooperationsmodelle in Form des Religionsunterrichts (Art. 7 Abs. 3 GG), der Bekenntnisschulen (Art. 7 Abs. 5 GG), der Kirchensteuererhebung (Art. 137 Abs. 5, 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG) und der Anstaltsseelsorge (Art. 141 WRV i.V. m. Art. 140 GG) weisen eine unmittelbare verfassungsrechtliche Anbindung und damit Rechtfertigung auf.64 Aber auch darüber hinaus kann es zulässige Kooperationsformen (wie z. B. theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten) geben, soweit hierfür ein hinreichender sachlicher Grund besteht.65 Bei den genannten Kooperationsmodellen handelt es sich nicht um „Ausnahmen“ 66 zum Trennungsgebot, sondern um Bestätigungen der in Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG bereits angelegten „freundlichen“ Trennung zwischen Staat und Kirche.67 Aufgrund der ho59
Kazele, VerwArch 2005, 267 (272). Vgl. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 20. 61 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 7; Hense, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1830 (1839); Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, 92 f.; Campenhausen, ZevKr 2002, 359 (362). 62 BVerfGE 42, 312 (330); vgl. BVerfG, BeckRS 2015, 49576, Rn. 93. 63 BVerfGE 44, 103 (104); Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 2; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 137 WRV Rn. 2; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 5; Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 272; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 95. 64 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 274. 65 Ders., in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 274. 66 So aber Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 23; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 137 WRV Rn. 2; Czermak, Religions- und Weltanschauungsrecht, § 9 Rn. 152. 67 Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 7; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 5; Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrig60
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hen gesellschaftlichen Bedeutung der verfassungsrechtlich begründeten Formen der Zusammenarbeit in den Art. 7 Abs. 3, 5 GG, Art. 137 Abs. 5, 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG und Art. 141 WRV i.V. m. Art. 140 GG lässt sich auch in der Rechtspraxis ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Trennung und Kooperation von Staat und Kirche nicht feststellen.68 Es bietet sich daher an, von einer bloßen „Trennung von Staat und Kirche in der Wurzel“ 69 oder einer „positive[n]“ 70 bzw. „balancierten Trennung“ 71 zu sprechen, die gleichheitswahrende und gemäßigte Formen von Kooperation zulässt. Der Terminus der „hinkenden Trennung“ 72 geht wiederum zu weit, da er den Grundsatz der Trennung bereits begrifflich infrage stellt. Erst recht muss dies für die Annahme einer „gelockerten Fortsetzung der Verbindung von Staat und Kirche“ 73 gelten. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland im Grundsatz getrennt sind, das Grundgesetz jedoch für sachlich gerechtfertigte Zonen der Kooperation offen ist. Die Kirche steht auch nicht außerhalb des Staates,74 sondern ihr werden innerhalb des Staates aufgrund der Anbindung ihrer Tätigkeit an das Grundrecht der Religionsfreiheit Freiheitsräume gewährt. Besonders viele Überschneidungen zwischen Staat und Kirche entstehen auf dem Gebiet des Vermögensrechts.75 Zwar ist die Sendung der Kirche primär geistlicher Natur.76 Die Kirche wird jedoch gleichermaßen als Organisation im weltlichen Bereich tätig und ist für ihr Wirken auf materielle Mittel angewiesen. Dabei kommt es zu zahlreichen Berührungen zwischen dem kirchlichen und dem keiten, S. 151: Kleine sieht diese Normen als leges speciales zu Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG an. Mückl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Band VII, S. 711 (752); vgl. Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, S. 154. 68 Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 7. 69 Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 6; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 90; vgl. Hollerbach, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Band VI, S. 471 (533): „Scheidung in der Wurzel“. 70 Mikat, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, S. 111 (146); Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 5. 71 Böckenförde, Religionsfreiheit, S. 162; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 14. 72 Stutz, Die päpstliche Diplomatie unter Leo XIII., S. 54 Anm. 2; Stutz, Die päpstliche Diplomatie unter Leo XIII., S. 54 Fn. 2. 73 Scheuner, ZevKr 1959/60, 225 (245); zustimmend Heckel, VVDStRL 1968, 5 (27). 74 Kazele, VerwArch 2005, 267 (270). 75 Pree, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1471 (1503). 76 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1532).
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staatlichen Rechtssystem. Die Kirche steht auf vermögensrechtlicher Ebene unter dem Einfluss der weltlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung, weshalb es zu einer Wechselwirkung kirchlichen und staatlichen Handelns kommt. Der Staat darf sich auch und gerade im Vermögensbereich der Besonderheit und Vorrangstellung der Kirche nicht verschließen, sondern muss der Eigenart der kirchlichen Funktion Rechnung tragen. Dies geschieht durch die Einräumung eines Selbstbestimmungsrechts u. a. in vermögensmäßigen Angelegenheiten gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG, die Gewährung einer Bestandsschutzgarantie kirchlichen Vermögens in Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG sowie die Verleihung der Befugnis, Steuern zu erheben (Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG). 3. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gem. Art. 137 Abs. 3 WRV i.V. m. Art. 140 GG Das Selbstbestimmungsrecht der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Art. 137 Abs. 7 WRV) ist in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG normiert. Hiernach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Die Artikel der Weimarer Reichsverfassung wurden über Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporiert und sind damit „vollgültiges Verfassungsrecht“ 77. a) Persönlicher Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG Träger des Selbstbestimmungsrechts sind alle Religionsgemeinschaften, unabhängig davon, in welcher Rechtsform sie verfasst sind.78 Für den personellen Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG ist nicht Voraussetzung, dass die Religionsgemeinschaft den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 137 Abs. 5 WRV i.V. m. Art. 140 GG innehat.79 Der Wortlaut des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG nimmt auf „jede Religionsgesellschaft“ Bezug. Aus Art. 137 Abs. 5 WRV i.V. m. Art. 140 GG wird in systematischer Hinsicht deutlich, dass nur ein Teil der Religionsgemeinschaften 77
BVerfGE 19, 206 (219). Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 39. 79 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 30; Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 39; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 18; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 137 WRV Rn. 11; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 52. 78
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im Sinne der Weimarer Reichsverfassung als öffentlich-rechtliche Körperschaften konstituiert sind. Durch die Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Körperschaft geht daher weder eine Einschränkung noch eine Erweiterung des Selbstbestimmungsrechts in materieller Hinsicht einher.80 Gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV wird das Selbstbestimmungsrecht auch auf Weltanschauungsgemeinschaften erstreckt. Darüber hinaus können sich alle selbstständigen Rechtsträger auf das Selbstbestimmungsrecht berufen, die – ohne selbst Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zu sein – einer solchen in der Weise zugeordnet sind, dass sie nach deren Selbstverständnis „ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend dazu berufen sind, ein Stück Auftrag der [Gemeinschaft] in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen“ 81. Dies ergibt sich aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG, wonach das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften an ihren für Kultus-, Unterrichtsund Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen gewährleistet werden. Daraus wird deutlich, dass auch Anstalten, Stiftungen und sonstiges Vermögen zu einer Religionsgemeinschaft gehören und an ihrem verfassungsrechtlichen Schutz – hier in vermögensrechtlicher Hinsicht – partizipieren können. Begriffssystematisch muss die von Art. 138 Abs. 2 WRV in Bezug genommene Religionsgesellschaft mit der in Art. 137 Abs. 3 WRV Genannten definitionsidentisch sein, woraus sich die Erstreckung des Schutzbereiches des Art. 137 Abs. 3 WRV auf rechtlich selbstständige Untergliederungen ergibt.82 Diesen Untergliederungen kommt das Selbstbestimmungsrecht nicht aus eigenem, sondern aus abgeleitetem Recht der jeweiligen Religionsgemeinschaft zu, die weiterhin alleinige Inhaberin des Selbstbestimmungsrechts bleibt.83 Praktische Relevanz besitzt diese Erweiterung auf rechtlich selbstständige Untergliederungen insbesondere in Bezug auf kirchliche Krankenhäuser, Schulen und karitative Institutionen, deren Tätigkeiten in den Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 WRV einbezogen werden.84
80 Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 39. 81 BVerfGE 46, 73 (85); Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher OnlineKommentar GG, Art. 140 Rn. 40; Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (534); Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 19; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 52. 82 BVerfGE 46, 73 (85); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 52. 83 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 19; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 52; Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 194. 84 Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (535); Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 19.
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b) Sachlicher Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG Der sachliche Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG erfasst das selbstständige Ordnen (aa)) und Verwalten (bb)) der eigenen Angelegenheiten (cc)) durch die Religionsgemeinschaft. aa) Ordnen Durch die Gewährleistung der selbstständigen Ordnung der eigenen Angelegenheiten soll sichergestellt werden, dass die Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften85 ihre Normen ohne staatliche Einflussnahme setzen können.86 Die Religionsgemeinschaften verfügen nicht nur über das Recht, staatsabgeleitete Vorschriften aufgrund staatlicher Rechtsetzungsermächtigung zu normieren – so wie dies für den Bereich der Kirchensteuer der Fall ist (sog. autonomes Kirchenrecht).87 Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG enthält vielmehr eo ipso die Befugnis für die Religionsgemeinschaften, aufgrund originärer, nicht vom Staat abgeleiteter Regelungskompetenz Vorschriften zu erlassen (sog. eigenständiges Kirchenrecht).88 Die so normierten eigenständigen bzw. autonomen Rechtsakte dürfen von einem religiös und weltanschaulich verpflichtend neutralen Staat nicht in die Kategorien des staatlichen Rechts eingeordnet werden. Andernfalls würde die verfassungsrechtlich gewährleistete Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung infrage gestellt.89 Beansprucht die Kirche jedoch für eine kirchenrechtliche Norm sui generis Außenwirkung in der weltlichen Rechtsordnung – was jeweils im Wege der Auslegung zu ermitteln ist –, so darf die betreffende Vorschrift nicht gegen höherrangiges staatliches Recht verstoßen, da sie andernfalls nach staatlichem Recht keine Wirksamkeit erlangen kann. Die Gültigkeit der betreffenden Rechtsvorschrift für den kircheninternen Bereich bleibt hiervon jeweils unberührt.90
85 Im Folgenden wird nur von Religionsgemeinschaften gesprochen werden. Die beschriebenen Rechte stehen jedoch gem. Art. 137 Abs. 7 WRV gleichermaßen den Weltanschauungsgemeinschaften zu. 86 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 30; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 49; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 101. 87 Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 177 f. 88 Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 178; Campenhausen/ Wall, Staatskirchenrecht, S. 102; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 23. 89 Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (536). 90 Pirson, in: Brunotte/Müller/Smend (Hrsg.), Festschrift für Erich Ruppel, S. 277 (293).
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Das Recht zur selbstständigen Normsetzung unabhängig von staatlichen Einflüssen steht auch einer staatlichen Regelung entgegen, welche das Inkrafttreten einer kirchenrechtlichen Norm unter den Vorbehalt einer staatlichen Genehmigung oder auch nur einer vorherigen Vorlage oder Prüfung durch staatliche Behörden stellt.91 Gleichermaßen darf die Veröffentlichung in weltlichen Publikationsorganen nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung erhoben werden.92 Die Ordnung der eigenen Angelegenheiten bedingt eine von einer staatlichen Ermächtigung unabhängige Normsetzungskompetenz der Religionsgemeinschaften und die Befugnis zur freien Ausgestaltung der so erlassenen Normen hinsichtlich ihres Inhalts und der Modalitäten ihrer Publikation. Lediglich diejenigen kirchlichen Normen, die den rein innerkirchlichen Rahmen verlassen und in der weltlichen Rechtsordnung verbindliche Wirkung beanspruchen, müssen für den Bereich des staatlichen Rechts den Maßstäben der höherrangigen staatlichen Normen genügen. bb) Verwalten Neben dem Ordnen erfasst das Selbstbestimmungsrecht auch das Verwalten der eigenen Angelegenheiten. Der Begriff des Verwaltens ist mit Blick auf die Funktion des Selbstbestimmungsrechts weit auszulegen.93 Von der „Verwaltung“ wird nicht nur der Vollzug gefasster Beschlüsse erfasst, sondern auch die Leitung und Organisation der Religionsgemeinschaft sowie das Tätigwerden gegenüber Dritten und die Wirkung nach außen im Sinne des Öffentlichkeitsauftrags.94 Darüber hinaus wird durch Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG eine selbstständige kirchliche Rechtsprechung einschließlich des Erlasses des jeweiligen Verfahrensrechts gewährleistet, wenn auch den von den Kirchengerichten gefassten Entscheidungen grundsätzlich nur kirchliche Wirkung zukommt.95 Durch die in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG vorgesehene Verwaltungsautonomie ist eine Staatsaufsicht im Bereich der eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaft verfassungsrechtlich ausgeschlossen.96 Die selbstständige Ver-
91 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 23; Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (535); Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 11 Rn. 2; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 23; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 49. 92 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (956). 93 Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (537). 94 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 49. 95 Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (537). 96 Ders., in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (537).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
waltung der eigenen Angelegenheiten beinhaltet auch das Recht zur freien Besetzung der kirchlichen Ämter. Lediglich aus historischen Gründen wurde diese Gewährleistung eigens in Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV herausgestellt.97 cc) Eigene Angelegenheiten (1) Allgemein Das Recht zur selbstständigen Ordnung und Verwaltung durch die Religionsgemeinschaften besteht nur im Bereich „ihre[r]“, d.h. der den Religionsgemeinschaften „eigenen“ Angelegenheiten. Fraglich ist daher, wie diese zu definieren sind. Denkbar wäre es, dass der Umfang des Selbstbestimmungsrechts bereits durch Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV – wenn auch unter Zuhilfenahme des unbestimmten Rechtsbegriffs der eigenen Angelegenheiten – vorgegeben ist. Der genaue Inhalt müsste demnach im Wege der Auslegung ermittelt und im Streitfall von den staatlichen Gerichten verbindlich festgelegt werden.98 Auf diese Weise entstünde jedoch ein innerer Widerspruch zur Normierung des Selbstbestimmungsrechts in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG. Würde das Grundgesetz und damit der staatliche Verfassungsgesetzgeber über den Inhalt der eigenen Angelegenheiten befinden, würde das Grundgesetz die Eigenständigkeit der Religionsgemeinschaften negieren, deren Schutz jedoch gerade Zweck des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG ist.99 Aufgrund der prinzipiellen Entflechtung zwischen Staat und Kirche darf die Definitionskompetenz über die eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften keinesfalls dem Staat überlassen bleiben.100 Der Staat ist zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität verpflichtet.101 Es ist ihm untersagt, „den Glauben oder Unglauben seiner Bürger [zu] bewerten“ 102. Der Umfang des Selbstbestimmungsrechts ist daher nicht durch die Verfassung selbst festgelegt. Vielmehr wird der Inhalt der eigenen Angelegenheiten von 97 Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 101; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 49; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 31. 98 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 137 WRV Anm. 4; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 6: Das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften müsse jedoch bei der Auslegung berücksichtigt werden; Wieland, Der Staat 1986, 321 (346). 99 Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (541). 100 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 31; a. A. Anschütz, Die Verfassungsurkunde für den preussischen Staat vom 31. Januar 1850, S. 307. 101 BVerfGE 18, 385 (386) (Gemeindeteilungsbeschluss); BVerfGE 93, 1 (16 f.); BVerfGE 123, 148 (178). 102 BVerfGE 12, 1 (4); BVerfGE 33, 23 (30).
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Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG als gegeben vorausgesetzt und mit dem so vorausgesetzten Inhalt geschützt.103 Die vorausgesetzte Reichweite der eigenen Angelegenheiten könnte zum einen aufgrund eines objektiven Maßstabes festgelegt werden. Zum Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften würde demnach alles gehören, „was materiell, der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach als eigene Angelegenheit anzusehen ist.“ 104 Problematisch hieran ist, dass mit der „Natur der Sache“ ein weiterer unbestimmter Rechtsbegriff herangezogen wird, der wiederum Anlass zur Kontroverse geben kann. Beispielsweise würde diese Formel im Bereich der Ehe schwerlich weiter helfen, da der Staat die Ehe als staatlich, die Kirche die Ehe – der Natur der Sache nach – als kirchlich einstufen würde.105 Eine materiell-objektive Rechtslage, die jenseits des weltlichen und des kirchlichen Bereichs ansetzt, ist in der Praxis im Streitfall mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden.106 Es muss daher vielmehr ein subjektivierender Maßstab herangezogen werden. Angesichts der religiösen und weltanschaulichen Neutralitätspflicht des Staates muss den Religionsgemeinschaften als Inhaber des Selbstbestimmungsrechts die Befugnis zukommen, nach Maßgabe ihres kirchlichen Selbstverständnisses selbst zu definieren, was zum Inhalt der eigenen Angelegenheiten des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG zählt.107 Das Selbstbestimmungsrecht erfährt durch die Definitions-
103 Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (539); Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, S. 258. 104 BVerfGE 18, 385 (387) (Gemeindeteilungsbeschluss); BVerfGE 42, 312 (334); Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, S. 258; mit Modifikationen: Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 60, wonach bei einer streitigen Materie eine Stellungnahme der Religionsgesellschaft einzuholen ist, um dem kirchlichen Selbstverständnis eingehend Rechnung zu tragen. Erweist sich ein Bereich nach materiell objektiver Betrachtung als staatlich, beansprucht die Religionsgesellschaft diesen in ihrer Stellungnahme jedoch als kirchlich, so ist das kirchliche Selbstverständnis dahingehend zu berücksichtigen, dass der Bereich nur insoweit in den staatlichen Bereich einbezogen wird, soweit die Erreichung des staatlichen Zwecks dies erfordert. 105 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 31; Tillmanns, NVwZ 2003, 43 (47); Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 61. 106 Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (541). 107 BVerfGE 66, 1 (19); BVerfGE 70, 138 (165); Heckel, VVDStRL 1968, 5 (41, 54); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 48; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 31; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 28; Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher OnlineKommentar GG, Art. 140 Rn. 33; Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 11 Rn. 4; Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (542); Kocher/Krüger/Sudhof, NZA 2014, 880 (882); Mager, in: Münch/
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
kompetenz der Religionsgemeinschaften auch keine unbeschränkbare Weite, da eine Eingrenzung auf Schrankenebene erfolgen kann.108 Zu den eigenen Angelegenheiten gehört daher alles, was nach dem Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft für ihr Tätigwerden und Wirken unentbehrlich ist.109 Die bloße Behauptung des Vorliegens einer eigenen Angelegenheit ist hierfür jedoch nicht ausreichend. Vielmehr muss wie im Falle der Berufung einer Vereinigung auf den Status einer Religionsgemeinschaft als Trägerin des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG110 eine Plausibilitätskontrolle durch die Gerichte erfolgen.111 Lediglich zur Veranschaulichung können Bereiche aufgezählt werden, die typischerweise von den Religionsgemeinschaften als eigene Angelegenheiten in Anspruch genommen werden. Hierunter fallen insbesondere die kirchliche Lehre und Verkündung112, die Organisation von Gottesdienst und Liturgie113, die Verfassung und Organisation der Kirchen114, die Kirchenmitgliedschaft 115, die Erhebung von Beiträgen und Gebühren116, die karitative Tätigkeit117 und die Regelung der Dienst- und Arbeitsverhältnisse mit den Mitarbeitern118. (2) Der Vermögensbereich als eigene Angelegenheit Als eigene Angelegenheit wird insbesondere auch der Vermögensbereich angesehen. Nach dem Bundesverfassungsgericht erfordert das Selbstbestimmungsrecht den „Einsatz finanzieller Mittel“ 119. Obwohl Vermögensangelegenheiten meist keinen unmittelbaren religiösen Bezug aufweisen, erfüllen sie dennoch eine materielle „Hilfsfunktion“ 120, um das Tätigwerden der Religionsgemeinschaften erst Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 34; Schlink, JZ 2013, 209 (211); Neureither, JZ 2013, 1089 (1090); Schlink, JZ 2013, 1093 (1094). 108 Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 34; Neureither, JZ 2013, 1089 (1091). 109 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 33. 110 Vgl. BVerfGE 83, 341 (353). 111 Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (543); Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 29; Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 33. 112 BVerfG, NJW 1980, 1041 (1041). 113 Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 34. 114 BVerfGE 18, 385 (388) (Gemeindeteilungsbeschluss). 115 BVerfGE 30, 415 (422). 116 BVerfGE 19, 206 (217). 117 BVerfGE 46, 73 (86 ff.). 118 BVerfGE 46, 73 (94 ff.); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 50. 119 BVerfGE 66, 1 (21). 120 Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 322.
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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zu ermöglichen. Die Religionsgemeinschaften haben im Rahmen des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG das Recht zur selbstständigen Vermögensverwaltung und zum Erlass eines kirchlichen Vermögensrechts.121 Durch das verfassungsrechtlich garantierte Vermögensverwaltungs- und Normsetzungsrecht gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG wird für die katholische Kirche der Forderung aus c. 1254 § 1 des Codex Iuris Canonici von 1983 (CIC/1983) entsprochen, wonach die „katholische Kirche [. . .] das angeborene Recht [hat], unabhängig von der weltlichen Gewalt, Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern.“ 122 (a) Vermögen i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG Zu dem von Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG erfassten Vermögen gehören sämtliche Vermögenswerte, die die „materielle Grundlage“ 123 des Tätigwerdens der Religionsgemeinschaften darstellen, unabhängig davon, ob sie „religiösen bzw. weltanschaulichen Zwecken“ 124 dienen. Dies ergibt sich anhand einer systematischen Auslegung des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV: Während Art. 138 Abs. 2 WRV lediglich auf Vermögen abstellt, das „für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmt [. . .]“ ist, spricht Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV in einer weiten Formulierung von „ihren Angelegenheiten“, ohne dass damit in dem auch hiervon erfassten Vermögensbereich eine weitere Einschränkung einhergehen sollte. Der Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG geht damit über den Begriff des Kirchenvermögens im kanonischen Recht (c. 1257 § 1 CIC/1983) hinaus, welcher durch eine systematische Einbeziehung des c. 1254 CIC/1983 stets die kirchliche Zweckbindung des betroffenen Vermögens voraussetzt.125 (b) Vermögensverwaltung Im Rahmen ihrer Befugnis zur selbstständigen Vermögensverwaltung sind die Religionsgemeinschaften frei in der Verwendung, Veräußerung, Belastung und 121 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 38; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 38; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 50. 122 Die in dieser Abhandlung zitierten deutschen Übersetzungen des lateinischen Wortlauts des Codex Iuris Canonici wurden folgender Quelle entnommen: Aymans/Geringer/Schmitz, Codex des kanonischen Rechtes. 123 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 38. 124 Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 76. 125 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1254 Rn. 4.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
dem Erwerb ihrer Vermögenswerte.126 Eine staatliche Aufsicht ist in diesen Bereichen grundsätzlich ausgeschlossen.127 Die früheren Amortisationsgesetze, die Erwerbsbeschränkungen ausschließlich zulasten kirchlicher Institutionen vorsahen, stellten einen Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht in Vermögensangelegenheiten aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV dar und wurden erstmals in Art. 2 Abs. 2 des bayerischen Konkordats vom 29.03.1924 aufgehoben.128 Nach der Inkorporation des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV in das Grundgesetz durch Art. 140 GG wurde in dem Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 05.03.1953 (BGBl. 1953, S. 41) die Vorschrift des Art. 86 EGBGB insoweit aufgehoben, als der Rechtserwerb durch juristische Personen mit dem Sitz im Inland von einer vorherigen staatlichen Genehmigung abhängig gemacht wurde.129 Vereinzelt fortbestehende staatliche Aufsichtsrechte ergeben sich lediglich aus den „für alle geltenden Gesetze[n]“ gemäß der Schrankenregelung in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV.130 Dies ist insbesondere im „Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, Boden- und Grundstücksverkehrsrecht, Umwelt- und Katastrophenschutz [sowie im] Friedhofswesen und Denkmalschutz“ 131 der Fall. Ist eine Religionsgemeinschaft gem. Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasst, hat sie auf der Grundlage der Selbstbestimmungsgarantie ferner das Recht, Sachen, die in ihrem Eigentum stehen oder über die sie die Verfügungsbefugnis besitzt, mit dinglicher Wirkung zu kultischen Zwecken zu widmen.132 Die Religionsgemeinschaft kann hierbei frei über die jeweilige Zweckbestimmung ihres Eigentums befinden. Es würde eine Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts darstellen, wenn der Staat der Religionsgemeinschaft eine bestimmte Widmung vorschreiben würde.133 Infolge der
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Mikat, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, S. 111
(189). 127 Meyer, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 907 (920); Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 73. 128 Mikat, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, S. 111 (189). 129 Ders., in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, S. 111 (189). 130 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (957). 131 Ders., in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (957). 132 Meyer, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 907 (909); Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (951). 133 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 71.
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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Widmung untersteht die Sache den Vorschriften des staatlichen öffentlichen Sachenrechts.134 Der Status als öffentliche Sache hat zur Konsequenz, dass jede den Widmungszweck beeinträchtigende tatsächliche oder rechtliche Veränderung ausgeschlossen ist.135 (c) Rechtsetzungsbefugnis im Vermögensbereich Aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG („ordnen“) folgt zudem die Befugnis der Religionsgemeinschaften, ein eigenes Vermögensrecht zu erlassen.136 Diese Rechtssetzungskompetenz kommt der Religionsgemeinschaft kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.Vm. Art. 140 GG („ordnen“) selbst zu, ohne dass es einer zusätzlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf.137 Ergänzt wird die Normsetzungsbefugnis in Vermögensangelegenheiten durch das Recht zur Wahl einer eigenständigen Form der Bekanntmachung.138 Die Publikation in einem kirchlichen Amtsblatt ist für eine wirksame Bekanntmachung ausreichend. Eine zusätzliche Veröffentlichung in staatlichen Amtsblättern darf nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung erhoben werden.139 Das innerkirchliche Vermögensrecht trifft dabei Regelungen zu den rechtlichen Beziehungen zwischen kirchlichen Vermögensträgern und gegenüber den Gläubigen.140 In vermögensrechtlichen Beziehungen zu nichtkirchlichen Personen muss sich die Kirche auf das staatliche Recht einlassen. Theoretisch könnte das kirchliche Vermögensrecht auf vertraglicher Basis zur Grundlage dieser Rechtsbeziehungen gemacht werden, aber auch in diesem Falle wäre das staatliche Vertragsrecht der Ausgangspunkt für die Geltung des kirchlichen Vermögensrechts.141 In Vermögensangelegenheiten sind die Religionsgemeinschaften in besonderer Weise mit dem weltlichen Bereich verflochten, so dass eine erhöhte Wechselwir134 Meyer, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 907 (910). 135 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (951). 136 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 71. 137 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (956); Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 130. 138 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (956). 139 Ders., in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (956). 140 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 71. 141 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 71.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
kung zwischen kirchlichem und staatlichem Recht entsteht. Die Frage nach der Außenwirkung kirchlicher Vermögensverwaltungsvorschriften im weltlichen Bereich wird aus diesem Grunde besonders relevant und erfordert eine Auslegung der betreffenden Rechtsnormen im konkreten Einzelfall. In vermögensrechtlichen Konstellationen, in denen sich religiöse und weltliche Aspekte überschneiden, kann eine Religionsgemeinschaft Rechtsnormen mit verbindlicher Außenwirkung erlassen, solange diese nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz stehen. Regelungen werden vor allem im Bereich des Vertretungsrechts sowie in Form von Veräußerungsverboten oder Genehmigungsvorbehalten für Verfügungen über im Eigentum der Religionsgemeinschaft stehende Güter getroffen.142 Über die Außenwirkung erlangen die kirchlichen Vermögensvorschriften auch im staatlichen Bereich Rechtserheblichkeit und Justiziabilität. 4. Ergänzung des Schutzes des Selbstbestimmungsrechts durch Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG Das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG steht in engem Zusammenhang mit der Kirchengutsgarantie aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG. Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG wird zum Teil als „Anwendungsfall“ 143, zum Teil als Ergänzung144 des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts angesehen. Dies bemisst sich danach, ob der durch die Kirchengutsgarantie gewährte Schutz über Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV hinausgeht (Ergänzung) oder aber vielmehr den Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts in einem Spezialfall konkretisiert (Anwendungsfall). Hierzu muss der Schutzgehalt des Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG definiert werden. a) Sachlicher Schutzbereich des Art. 138 Abs. 2 WRV aa) Schutzobjekt Gemäß Art. 138 Abs. 2 WRV werden „[d]as Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichtsund Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen gewährleistet.“
142 Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 130. 143 Lücke, JZ 1998, 534 (536). 144 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 6; Meyer, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 907 (915); BVerwGE 87, 115 (125); Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 270.
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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Das in Art. 138 Abs. 2 WRV genannte Eigentum ist mit dem Eigentumsbegriff aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG identisch.145 Unter Eigentum sind daher „alle vermögenswerten Rechte [. . .] zu verstehen, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.“ 146 Dem steht auch nicht entgegen, dass Art. 14 Abs. 1 GG nur das Eigentum Privater, nicht jedoch das Privateigentum schützt, so dass juristische Personen des öffentlichen Rechts sich hierauf grundsätzlich nicht berufen können.147 Zum einen handelt es sich lediglich um eine begriffssystematische Anlehnung an Art. 14 GG. Zum anderen werden alle Religionsgemeinschaften als umfassend grundrechtsfähig angesehen, auch wenn sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfasst sind.148 Dies liegt darin begründet, dass es sich hierbei um „vom Staat unabhängige [. . .] Einrichtungen“ 149 handelt. Aufgrund der Trennung von Staat und Kirche gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG und der Verpflichtung des Staates „zu [strikter] Neutralität und Nichteinmischung“ 150 in religiöse Angelegenheiten verteidigen auch Religionsgemeinschaften, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften konstituiert sind, „Grundrechte in [. . .] Bereich[en], in [denen] sie vom Staat unabhängig sind“ 151. Der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts wurde den Religionsgemeinschaften nur aus symbolischen Gründen verliehen, um ihnen eine organisationsrechtliche Gleichstellung mit privaten Vereinen zu ersparen und um deren öffentliche Bedeutung hervorzuheben.152 Hieraus sollte jedoch keine Grundrechtseinschränkung resultieren. Die in Art. 138 Abs. 2 WRV genannten „andere[n] Rechte“ nehmen Bezug auf „alle sonstigen vermögenswerten Rechte“ 153, die nicht vom engen Eigentumsbegriff aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG erfasst werden. Hierunter fallen beispielweise
145 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 7; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 29; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 138 WRV Rn. 26; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 29. 146 BVerfGE 112, 93 (107); BVerfGE 115, 97 (110). 147 BVerfGE 61, 82 (105). 148 BVerfGE 19, 1 (5); BVerfGE 42, 312 (322); BVerfGE 53, 366 (387); Epping, Grundrechte, Rn. 165; Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 14 GG Rn. 208. 149 BVerfGE 45, 63 (79); BVerfGE 61, 82 (103). 150 Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 328. 151 BVerfGE 15, 256 (262); BVerfGE 31, 314 (322); die Religionsgemeinschaften sind jedoch grundrechtsverpflichtet und nicht grundrechtsberechtigt, soweit sie in ihrer Position als Empfänger der Kirchensteuer betroffen sind. 152 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 6. 153 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 8.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
öffentlich-rechtliche Rechtspositionen wie kommunale und staatliche Kirchenbaulasten.154 Das Eigentum und die anderen Rechte müssen gem. Art. 138 Abs. 2 WRV an den für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen bestehen. Durch den Zusatz „sonstiges Vermögen“ wird ersichtlich, dass sämtliche Rechte am Kirchenvermögen von der Kirchengutsgarantie erfasst werden, sofern dieses die erforderliche Zweckbestimmung aufweist (Art. 138 Abs. 2 WRV „bestimmt“).155 Für den Religionsbezug des Kirchenvermögens ist ein bloß mittelbarer Zusammenhang zum religiösen Zweck ausreichend.156 Zwar legt der Wortlaut „bestimmt“ zunächst ein engeres Verständnis nahe. Aus der systematischen Stellung zu den „Unterrichtszwecken“ wird jedoch ersichtlich, dass eine mittelbare Zweckbestimmung genügen muss. Das für den Religionsunterricht benötigte Unterrichtsmaterial und die Einrichtungen einer kirchlichen Schule dienen nicht unmittelbar der Religionsausübung, unterfallen jedoch unstreitig der Kirchengutsgarantie.157 Die Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke werden eigens neben den unmittelbar religiösen Kultuszwecken aufgeführt, wodurch verdeutlicht wird, dass auch Zielsetzungen, die nicht den religiösen Kernbereich betreffen, in Bezug auf den Schutzbereich des Art. 138 Abs. 2 WRV gleichwertig neben den Kultuszwecken stehen.158 Hinzu kommt, dass die Aufzählung der Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke nur als beispielhaft und nicht als abschließend zu verstehen ist, so dass weitere, auch mittelbare Zweckbestimmungen hinzutreten können.159 Von Art. 138 Abs. 2 WRV wird daher sämtliches Kirchenvermögen mit unmittelbar oder mittelbar religiösem Zweckbezug erfasst. Es ist auch keine Abstufung des Schutzbereiches des Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG dergestalt vorzunehmen, dass der Schutz umso geringer wird, 154 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 7; a. A. Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 15; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 29; Böttcher, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 19 (21); Winter, Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 255. 155 Kästner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 891 (898). 156 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 31; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 138 WRV Rn. 28; Kästner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 891 (899); Winter, Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 254; a. A. Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 8; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 16. 157 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 31. 158 Lücke, JZ 1998, 534 (540). 159 Ders., JZ 1998, 534 (540).
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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je weiter sich der Zweckbezug des betroffenen Vermögensgegenstandes von dem rein religiösen Bereich entfernt. So wird vertreten, dass nur ,res sacrae‘ einen absoluten Schutz genießen, während der Schutzgehalt für das weitere Verwaltungsvermögen und insbesondere das Finanzvermögen je nach Religionsbezug immer weiter abnimmt.160 Hiergegen spricht, dass in Art. 138 Abs. 2 WRV die meist nur mittelbar der Religionsausübung dienenden Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke gleichwertig neben den Kultuszwecken aufgeführt werden, ohne dass aus dem Wortlaut eine Abstufung des Schutzgehalts ersichtlich würde. Darüber hinaus werden durch die These vom abgestuften Schutzbereich Aspekte des Schutzbereichs und der Schranken vermengt.161 Eine genaue Abstufung kann und muss gemäß den Vorgaben der Dogmatik im Rahmen der Abwägung auf der Ebene der Schranken, nicht jedoch bereits auf Schutzbereichsebene vorgenommen werden. Die Schrankenregelung des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV wird dabei auf Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG übertragen.162 bb) Schutzumfang Gem. Art. 138 Abs. 2 WRV werden die vermögenswerten Rechte „gewährleistet“. Diese Gewährleistung beinhaltet ein grundsätzliches Säkularisationsverbot sowie eine Bestandsgarantie.163 Art. 138 Abs. 2 WRV schützt das Vermögen in seinem Umfang, seiner Nutzbarkeit164 und „widmungsgemäße[n] Funktion“ 165. Bewahrt wird nur der status quo „nach Maßgabe [der bereits] vorhandenen rechtlichen Qualitäten“ 166. Die Kirchengutsgarantie erzeugt daher keine weiteren vermögenswerten Rechte, sondern setzt diese voraus und schützt sie in ihrem gegenwärtigen Umfang.167 Eine funktionale oder quantitative Erweiterung des Bestands der Vermögenswerte wird nicht von der Kirchengutsgarantie erfasst. Art. 138 Abs. 2 WRV gewährt insbesondere keinen Schutz vor einer Realisierung 160 Kästner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 891 (900); Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (949). 161 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 138 WRV Rn. 29; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 32. 162 BVerwGE 87, 115 (125); Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 10; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 18. 163 Meyer, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 907 (914). 164 Vgl. Pirson, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, S. 611 (616). 165 BVerwGE 87, 115. 166 BVerfGE 99, 100 (121). 167 Vgl. Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 18.
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der dem Vermögen von vornherein innewohnenden Beschränkungen, wie dies beispielsweise bei der Herbeiführung der Unwirksamkeit eines Rechts infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung der Fall ist.168 cc) Verhältnis zu Art. 14 GG Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG muss in seinem Schutzbereich von der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG abgegrenzt werden. Die beiden Gewährleistungen unterscheiden sich bereits in ihren Schutzobjekten voneinander. Während Art. 14 Abs. 1 GG nur das Eigentum schützt, schützt Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG das gesamte Vermögen, sofern es die erforderliche religiöse Zweckbestimmung aufweist. In dieser Hinsicht ist jedoch wiederum die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG weiter, da hiervon jegliches Eigentum unabhängig von einer religiösen Widmung erfasst wird. Die Religionsgemeinschaften müssen sich daher in Bezug auf dasjenige Eigentum, das weder unmittelbar noch mittelbar religiösen Zwecken zu dienen bestimmt ist, auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Steht dagegen gewidmetes Eigentum in Rede, ist Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG lex specialis.169 Hinsichtlich des Schutzgehalts geht die Kirchengutsgarantie über Art. 14 GG hinaus. Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG schützt das Religionsgut auch vor der Beeinträchtigung in seiner öffentlichen Funktion, während Art. 14 GG nur das privatrechtliche Verhältnis der Religionsgemeinschaften zu ihrem Eigentum betrifft.170 Ein Eingriff in Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG liegt daher bereits bei einer Zweckentfremdung des Vermögensgutes vor. Führt eine Enteignung zusätzlich zu einer Missachtung des Verwendungszwecks der kirchlichen Rechtsgüter, sind auch im Rahmen des Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG die Grundsätze des Art. 14 Abs. 3 GG heranzuziehen.171 An die Gemeinwohlbelange und an die Höhe der Entschädigung (Art. 14 Abs. 3 GG) sind jedoch gesteigerte Anforderungen zu stellen, da aufgrund des gegenüber Art. 14 GG erweiterten Schutzbereichs des Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG jede staatliche Enteignung bereits dem Grunde nach rechtfertigungs- und entschädigungsbedürftig ist, welche zu einer Zweckentfremdung des kirchlichen
168
BVerfGE 99, 100 (121). Kirchhof, in: Kämper/Thönnes (Hrsg.), Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Band 47, S. 7 (22). 170 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (949); Mikat, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, S. 111 (221); Pirson, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, S. 611 (615). 171 Mikat, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, S. 111 (222). 169
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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Vermögens führt.172 Die Missachtung des kirchlichen Verwendungszwecks ist am Maßstab des Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG, der Entzug des Eigentums am Maßstab des Art. 14 Abs. 3 GG zu messen.173 Gleichermaßen verhält es sich in Bezug auf eine abstrakt-generelle Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, welche zu einer Beeinträchtigung der Zweckbestimmung kirchlichen Vermögens führt. Auf der Ebene der Schranken ist jedoch die Eigentumsgewährleistung in Art. 14 GG weiter. Bei den Schranken wird im Rahmen von Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG nur ein abgestufter Schutz je nach dem Grad der Religionsbezogenheit gewährt, wohingegen Art. 14 GG jede Form von privatrechtlichem Eigentum im Grundsatz gleichwertig beurteilt.174 b) Folgerungen für das Verhältnis zwischen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV und Art. 138 Abs. 2 WRV Aus dem dargestellten Schutzbereich des Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG lassen sich nun Folgerungen für das Verhältnis zwischen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV und Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG ziehen. Es kann sich bei Art. 138 Abs. 2 WRV nicht lediglich um einen spezifizierten „Anwendungsfall“ des Selbstbestimmungsrechts handeln, da der Schutzgehalt des Art. 138 Abs. 2 WRV von dem des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV in einigen Bereichen abweicht und dieser insoweit das Selbstbestimmungsrecht „ergänzt“ und nicht konkretisiert. Während Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG handlungsbezogen ist und die freie Verwendung des Vermögens schützt, ist Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG sachbezogen und schützt die Verwendbarkeit des Vermögens für den religiösen Zweck.175 Art. 138 Abs. 2 WRV ist eine Bestandsgarantie, wohingegen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV Handlungsfreiheit gewährleistet. Es muss daher zwischen Nutzung und Nutzbarkeit, Handlung und Sache unterschieden werden. Würde staatlicherseits eine bestimmte gottesdienstliche Nutzung eines Gotteshauses vorgeschrieben, würde dies einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht und die Religionsausübungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 2 GG darstellen, nicht jedoch in die Kirchengutsgarantie aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG, da die Qualität des Gotteshauses als zu kultischen Zwecken gewidmete Sa-
172
Ders., in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, S. 111
(222). 173 Pirson, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, S. 611 (616). 174 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (949). 175 Pirson, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, S. 611 (615); Kremer, Enteignung von Kirchengebäuden, S. 71.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
che weiterhin erhalten bliebe.176 Damit ist jedoch nicht gesagt, dass nicht beide Garantien in bestimmten Konstellationen zusammen fallen können. Wird beispielsweise ein Gotteshaus durch staatliche Behörden beseitigt, beeinträchtigt dies nicht nur den Vermögensbestand, sondern macht auch das Selbstbestimmungsrecht als Handlungsfreiheit in Bezug auf das entzogene Objekt gegenstandslos.177 Auch wenn Art. 138 Abs. 2 WRV einen gegenüber Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV unterschiedlichen Regelungsgehalt aufweist, handelt es sich hierbei nicht um ein „aliud“, sondern um eine „Ergänzung“. Die beiden Garantien bedingen sich gegenseitig, da die Benutzungshandlung ohne den Bestand einer nutzbaren Sache nicht möglich ist und die Widmung einer Sache zum religiösen Zweck erst durch die daran anschließende Religionsausübung gemäß dieser Widmung ihren Sinn erfährt. Bestätigt wird dies durch das Bundesverwaltungsgericht, wonach Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG „die den Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleistete freie Ordnung und Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten nach der Seite ihres materiellen Substrats hin“ 178 „ergänzt“ 179. 5. Das Recht zur Erhebung von Kirchensteuer Soeben wurde dargestellt, dass der Kirche im Bereich des vom Straftatbestand der Untreue tangierten Vermögens das Recht zur eigenständigen Ordnung und Verwaltung gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG sowie eine Bestandsgarantie aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG zusteht. Durch diese grundgesetzlich eingeräumte Freiheit in Vermögensangelegenheiten unterscheidet sich die Kirche von anderen gesellschaftlichen Institutionen, auf welche § 266 StGB unstreitig Anwendung findet. Die Kirche verfügt auch deshalb über eine gegenüber anderen Gesellschaftsgruppen herausgehobene Stellung im Vermögensbereich, da ihr ein verfassungsrechtlich abgesichertes Sonderrecht zur Erhebung von Steuern gegenüber ihren Mitgliedern gem. Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG eingeräumt ist, welches das Ergebnis einer historischen Entwicklung war. a) Historische Entwicklung Seit mehr als tausend Jahren wirkte der Staat bei der Finanzierung der Kirchen mit. Dies geschah ursprünglich in Form von staatlichen Entschädigungen für Sä176 Pirson, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, S. 611 (620). 177 Ders., in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, S. 611 (619 f.). 178 BVerwGE 87, 115 (125). 179 BVerwGE 87, 115 (125).
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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kularisationen von Kirchengütern.180 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es infolge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 zu einer nahezu umfassenden Vermögenssäkularisation der Kirchen.181 Ihrer materiellen Mittel beraubt, waren die Kirchen auf erhebliche finanzielle Unterstützung durch den Staat angewiesen.182 Zunächst wurden die für die Erhaltung der Kirchengebäude und den Unterhalt der Kirchenbediensteten erforderlichen Gelder als Entschädigung aus dem Staatshaushalt erbracht.183 Im Zuge des 19. Jahrhunderts ging man jedoch vom Prinzip der Fremdfinanzierung durch den Staat auf das Prinzip der Eigenfinanzierung durch die Kirchen über.184 Das Fürstentum Lippe führte 1827 erstmals die Kirchensteuer zulasten der Kirchenmitglieder ein, wobei Unterstützung bei der Verwaltung und Vollstreckung gewährt wurde.185 Am Anfang des 20. Jahrhunderts war die Kirchensteuer in nahezu allen Staaten des Deutschen Reiches etabliert.186 Das Regime der Kirchensteuer wurde mit der Weimarer Reichsverfassung in Art. 137 Abs. 6 verfassungsrechtlich verankert. Diese Bestimmung wurde gem. Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporiert und durch das Kirchensteuergesetz, das in den Einigungsvertrag vom 31.08.1990 aufgenommen wurde, auch für die neuen Bundesländer eingeführt.187 b) Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG Gem. Art. 137 Abs. 6 WRV sind „[d]ie Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, [. . .] berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ Die Kirchensteuer stellt heute die zentrale Einnahmequelle der Großkirchen dar.188 Eine Religionsgemeinschaft kann nach Maßgabe ihres Selbstbestim180 Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1101). 181 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1534). 182 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 95. 183 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1534). 184 Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1101). 185 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1534). 186 Ders., in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1534). 187 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1534); Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1103). 188 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 94; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 226.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
mungsrechts selbst darüber befinden, ob sie eine Kirchensteuer erheben will oder nicht.189 Von den kleinen Religionsgemeinschaften, die als öffentlich-rechtliche Körperschaft verfasst sind, greifen nur wenige auf dieses Vorrecht zurück.190 Da die Steuer historisch als Ausdruck der Aufspaltung der Vermögenssphären von Staat und Kirche eingeführt wurde, wird hiermit auch nicht die grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche infrage gestellt. Sie ist vielmehr Ausdruck einer starken Kooperation zwischen beiden Institutionen, die trotz des Verbots der Staatskirche gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG fortbesteht. Die Sonderstellung der Kirche auf dem Gebiet des Steuerrechts geht jedoch nicht so weit, dass sie selbst von der Verpflichtung zur Zahlung staatlicher Steuern befreit wäre.191 Die Kirchensteuer ist eine echte Steuer i. S. d. § 3 Abs. 1 AO.192 Sie ist abzugrenzen von den Beiträgen, welche eine Religionsgemeinschaft – ungeachtet ihrer Rechtsform – kraft ihres verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts ohne weiteres erheben kann.193 Bei der Kirchensteuer handelt es sich um eine „öffentlich-rechtliche Zwangsabgabe“ 194. Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG überträgt nicht selbst die Hoheitsgewalt zur Steuererhebung auf die Kirche, sondern hierfür bedarf es einer einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in Form eines Steuergesetzes.195 Die Länder erlassen die Kirchensteuergesetze aufgrund ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz, die ihnen in Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG („nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen“) eingeräumt wird.196 Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG ist insoweit lex specialis zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 105 Abs. 2 i.V. m. Art. 72 Abs. 2 GG.197 Gleichzeitig resultiert
189 Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1116). 190 Ders., in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1118). 191 Vgl.Pree, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1471 (1503). 192 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 97; Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1108). 193 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 97; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 229: der Codex Iuris Canonici regelt in cc. 222 § 1, 1260, 1261 § 2, 1262 CIC/1983 allein das Beitragsrecht und nicht das Kirchensteuererhebungsrecht. Siehe hierzu auch Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1532). 194 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 97. 195 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 43. 196 Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1111).
I. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
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aus Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Länder, die erforderlichen Steuergesetze zu erlassen, damit die Religionsgemeinschaften ihr Steuererhebungsrecht realisieren können.198 Durch die entsprechenden Landesgesetze wird den Kirchen und Religionsgemeinschaften die „hoheitliche Befugnis“ 199 verliehen, Steuern einseitig durch Verwaltungsakt festzusetzen, die die staatlichen Organe ohne vorheriges Gerichtsverfahren notfalls mittels Verwaltungszwanges beizutreiben haben.200 Die nähere Ausgestaltung der Steuermodalitäten erfolgt durch die Kirchen in Form von Hebesatzbeschlüssen und/oder Kirchensteuerordnungen.201 Als Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer wird üblicherweise die Einkommensteuer (Lohnsteuer) gewählt, auf die ein bestimmter Prozentsatz (sog. Hebesatz) als Zuschlag erhoben wird.202 Die Befugnis zur Erhebung der Steuern aus Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG erfasst auch das Recht auf eine eigene Steuerverwaltung.203 Die meisten Kirchensteuergesetze haben den Religionsgemeinschaften die Option eingeräumt, die Verwaltung gegen Vergütung in Höhe von ca. 3 % des Kirchensteueraufkommens auf die staatlichen Finanzbehörden zu übertragen.204 In Bayern wird die Kirchensteuer gem. Art. 17 Abs. 1 BayKirchStG grundsätzlich durch die Religionsgemeinschaften selbst verwaltet. Die Verwaltung der in der Praxis besonders relevanten Kirchenlohn- und Kirchenkapitalertragsteuer steht jedoch gem. Art. 17 Abs. 2 S. 1 BayKirchStG auch in Bayern den Finanzämtern zu.205
197 Seiler, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 105 Rn. 116; Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1111). 198 Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1111). 199 BVerfGE 19, 206 (217). 200 Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 62; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 229; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 97. 201 Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1116); Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 62. 202 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1541): in Bayern derzeit 8 %. 203 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1542); Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 101. 204 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 101; Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1542); Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 101; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 101. 205 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 161; vgl. Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1542).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Gem. Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG erfolgt die Steuererhebung „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten“. Heutzutage gibt es keine Steuerlisten mehr. Der Wortlaut „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten“ wird daher als Ausdruck eines subjektiven öffentlichen Rechts der Kirchen auf Informationsgewährung gegenüber dem Staat ausgelegt.206 Dem kommt der Staat an Erfüllungs statt durch die Weitergabe von Meldedaten nach, soweit dies zur Steuererhebung erforderlich ist.207 Zur Erhebung der Steuer sind gem. Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG die Religionsgemeinschaften berechtigt, „welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind“. Steuergläubiger sind daher diejenigen juristischen Personen innerhalb einer Kirche bzw. Religionsgemeinschaft, welche als Körperschaften des öffentlichen Rechts statuiert sind.208 Steuerschuldner sind die Mitglieder der jeweiligen steuererhebungsberechtigten Körperschaft.209 Die Religionsgemeinschaften befinden nach Maßgabe ihres Selbstbestimmungsrechts selbst darüber, auf welcher lokalen Ebene Steuern erhoben werden.210 Die katholische Kirche hat sich für eine Diözesansteuer, die evangelische Kirche für eine Landeskirchen-, vereinzelt eine Gemeindesteuer entschieden.211 6. Zusammenfassung und weitere Fragestellung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Kirche insbesondere im Vermögensbereich über eine verfassungsrechtlich abgesicherte Eigenständigkeit verfügt. Nicht nur die Handlungsfreiheit in Vermögensangelegenheiten (Art. 137 Abs. 3 WRV), sondern auch der Bestand des Vermögens (Art. 138 Abs. 2 WRV) wurde über die Inkorporation in Art. 140 GG in den Verfassungsrang erhoben. Gleichermaßen verhält es sich mit dem Sonderrecht der Kirche zur Erhebung von Kirchensteuern aus Art. 137 Abs. 6 WRV.
206 Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1112). 207 Marré, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 1101 (1113); Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1536); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 43. 208 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1537). 209 Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 112; Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1538). 210 Mückl, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1532 (1537). 211 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 100.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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Hieraus könnte resultieren, dass die Kirche auch gegenüber der staatlichen Strafgewalt im Bereich ihres Vermögens über ein freies Entscheidungsrecht verfügt und somit das staatliche Strafrecht – insbesondere der Straftatbestand der Untreue aus § 266 StGB – im kirchlichen Bereich keine Anwendung findet. Dies führt zunächst zu der generellen Frage, welchen Charakter die staatliche Strafgewalt aufweist, woher diese rührt und wie ihr Verhältnis zu der kirchlichen Strafgewalt ausgestaltet ist. Denn nur wenn das staatliche Strafrecht im Grundsatz auch im kirchlichen Bereich Anwendung findet, bedarf es der Erörterung, ob dies in Bezug auf den Straftatbestand der Untreue deshalb anders zu beurteilen ist, da hier zusätzlich der Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts der Kirche in Vermögensangelegenheiten eröffnet ist.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt Die Frage nach der Anwendbarkeit des staatlichen Strafrechts im kirchlichen Bereich hängt maßgeblich von der Natur und Ausgestaltung der staatlichen Strafgewalt (1.) und deren Verhältnis zur Strafgewalt der Kirche (2.) ab. Im Folgenden wird daher aufgezeigt werden, worauf die jeweilige Strafgewalt des Staates bzw. der Kirche beruht und wie weit diese reicht, um sodann zu einer abschließenden Beurteilung des Verhältnisses zwischen kirchlicher und staatlicher Strafgewalt zu gelangen (3.). 1. Die Strafgewalt des Staates Es war das Ergebnis eines historischen Prozesses, dass der Staat die alleinige Strafgewalt an sich zog (a)). Die heute erwiesenermaßen bestehende Strafgewalt des Staates soll im Folgenden auch in begriffssystematischer Hinsicht und bezüglich ihrer Legitimationsgrundlage im Einzelnen dargestellt werden (b)). a) Der Staat als Inhaber der Strafgewalt Die Strafverfolgung befand sich nicht immer in staatlicher Hand. Im frühen römischen Recht wurde vielmehr zwischen Verbrechen gegen die Gemeinschaft und Verbrechen gegen den Einzelnen differenziert.212 Während Erstere der Strafgerichtsbarkeit und damit der öffentlichen Strafverfolgung unterstanden, war die Strafverfolgung bei Letzteren von der Initiative des Verletzten abhängig.213 Besonders gravierende Verbrechen gegen eine Person wie beispielsweise Tötungsdelikte berührten die Rechtsordnung der Allgemeinheit derart schwerwiegend,
212 213
Hübner, in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (3). Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (3).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
dass diese unter die öffentlich verfolgten Verbrechen gegen die Gemeinschaft subsumiert wurden.214 Zu den Verbrechen gegen den einzelnen Rechtsgenossen zählten dahingegen einfache Körperverletzungen, Beleidigungen sowie Eigentums- und Vermögensdelikte.215 Bei den einfacheren Delikten hatte das Opfer nur die Möglichkeit, Zivilklage auf Schadensersatz oder Sachverfolgung zu erheben.216 Die öffentliche Strafverfolgung und Gerichtsbarkeit standen hierfür nicht zur Verfügung; Strafverfolgung war vielmehr „Privatsache“ 217. Doch auch das zivilrechtliche Urteil zeigte eine gewisse strafrechtliche Wirkung, da der Täter nicht nur den tatsächlich entstandenen Schaden auszugleichen hatte, sondern vielmehr – je nach der Schwere des Delikts und dem Grad des Verschuldens – auf das Zwei- (duplum) oder Vierfache (quadruplum) verurteilt wurde.218 Die Summe war anders als im heutigen Strafverfahren nicht an die Staatskasse, sondern an den Verletzten auszuzahlen.219 Darüber hinaus konnte das Zivilgericht dem Verurteilten die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter sowie zum Ablegen eines Zeugnisses entziehen.220 Die Problematik der privaten Strafverfolgung bestand jedoch darin, dass der Verletzte sich dazu überwinden musste, einen Prozess anzustrengen, in welchem er selbst zur Beschaffung der Beweismittel verpflichtet war.221 Dies setzte finanzielle Mittel für die Einholung von Rechtsrat sowie ein gewisses Selbstbewusstsein voraus.222 Während die Bürger Roms hierzu meist in der Lage waren und zivilprozessuale Klagen bei strafrechtlichen Delikten erhoben, änderte sich dies mit den Bürgerkriegen im 1. Jahrhundert v. Chr.223 Die in Rom zunehmende Landbevölkerung und die Freigelassenen waren zur prozessualen Durchsetzung ihrer Rechte außerstande, so dass Delikte in diesen Bevölkerungsschichten meist sanktionslos blieben.224 Der Staat musste daher zur Aufrechterhaltung der strafrechtlichen Ordnung einschreiten. Dies geschah durch die Schaffung eines neuen strafgerichtlichen Verfahrens, welches ex officio eingeleitet wurde und vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht war.225 Daneben bestand weiterhin das Wahl214
Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (3). Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (3). 216 Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (4). 217 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 59. 218 Hübner, in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (4). 219 Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (4). 220 Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (4). 221 Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 183. 222 Hübner, in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (5). 223 Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (5). 224 Hübner, in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (5); Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 60. 225 Hübner, in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (5). 215
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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recht für das Opfer, seine Rechte auch auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen.226 Ein dort gewährter „zur poena erweitete[r] Schadensersatz“ 227 wurde bei der Strafzumessung im Strafverfahren berücksichtigt. Das Zivilverfahren verlor im strafrechtlichen Bereich immer mehr an Bedeutung, bis in der Spätantike die „Doppelspurigkeit der straf[-] und zivilprozessualen Strafverfolgung“ 228 endgültig abgeschafft wurde. In der germanischen Zeit überwog neben den Möglichkeiten von Selbsthilfe (Sippenfehde als eine Form der Blutrache) und außergerichtlichen Sühneverträgen die private Strafverfolgung in einem Parteiprozess, welcher durch den Verletzten oder seine Sippe initiiert wurde.229 Lediglich bei schwersten Verbrechen gegen die Gemeinschaft wurde die von der Initiative des Einzelnen abhängige Privatstrafe nicht für ausreichend erachtet und eine Art öffentliche Strafe vorgesehen.230 Die Entwicklung von der privaten zur staatlichen Strafverfolgung verfestigte sich zur Zeit der Gottes- und Landfrieden im Mittelalter.231 Mit der Einführung des staatlichen Gewaltmonopols wurde die Fehde als Privatstrafe abgeschafft und eine ausschließlich staatliche Strafgewalt begründet.232 Das staatliche Strafmonopol war die Konsequenz der Erstarkung der staatlichen Macht und der damit einhergehenden Entwicklung des staatlichen Gewaltmonopols.233 Das heutige Strafmonopol des Staates ist daher das Ergebnis eines langen historischen Prozesses und dessen Einführung war durch den „Zwang der Verhältnisse“ 234 bedingt. Da die Selbsthilfe zur Befriedung der inneren Ordnung nicht mehr ausreichte, musste der Staat die Strafverfolgung an sich ziehen.235 Private Gewalt in Form der Selbsthilfe zur Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche ist heute auf wenige, enge Ausnahmefälle (vgl. §§ 229, 562b Abs. 1, 859, 860, 910, 962 BGB) begrenzt.236 Die Selbsthilfe gem. § 229 BGB besteht auch nur subsidiär, „wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist“. Heute ist das Offizialprinzip, wonach die Strafgewalt grundsätzlich durch den Staat unabhängig vom Willen des Verletzten durchgesetzt wird, ausdrücklich in 226
Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (7). Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (8). 228 Ders., in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (9). 229 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 62; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 34; Schütze, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 2. 230 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 64. 231 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 67; Lüderssen, Die Krise des öffentlichen Strafanspruchs, S. 25. 232 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 68; Schütze, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 2. 233 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 69. 234 Hübner, in: Herzberg (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Oehler, S. 3 (6). 235 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 68. 236 Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, S. 37; Merkel, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 173. 227
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
§ 152 Abs. 1 StPO normiert.237 Hiernach ist allein die Staatsanwaltschaft als staatliche Behörde zur Erhebung der öffentlichen Klage berufen. Das Offizialprinzip wird durch die sog. Antragsdelikte eingeschränkt. Bei absoluten Antragsdelikten kann eine Strafverfolgung durch den Staat nicht ohne Strafantrag des Verletzten erfolgen; bei eingeschränkten bzw. bedingten Antragsdelikten muss bei Fehlen des Strafantrags ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vorliegen.238 Eine Durchbrechung des Offizialprinzips stellen die Privatklagedelikte dar, bei denen es dem Verletzten selbst obliegt, den staatlichen Strafanspruch bei fehlendem öffentlichen Interesse (§ 376 StPO) durch die Privatklage prozessual durchzusetzen.239 Hierdurch wird jedoch nicht die Strafverfolgung in den Bereich des Privaten verlagert, da auch der vom Privatkläger verfolgte Strafanspruch allein der Strafanspruch des Staates ist.240 Privatklage- und Antragsdelikte hindern bei fehlender Initiative des Berechtigten lediglich die Durchsetzung der Strafgewalt in Fällen fehlenden öffentlichen Interesses, ändern jedoch nichts an dessen staatlichem Charakter. Nach heute geltendem Recht verfügt daher ausschließlich der Staat und nicht die im jeweiligen Fall betroffene Privatperson über die Strafgewalt. „[D]ie Befugnis zu strafen [steht] ausschließlich dem Staat zu [. . .]; er hat das Gewalt- und Strafmonopol.“ 241 Diese aus staatlicher Sicht bestehende Exklusivität der eigenen Strafgewalt in Form des staatlichen Strafmonopols muss bei der Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses zur kirchlichen Strafgewalt Berücksichtigung finden, wobei sowohl die staats- als auch die kirchenrechtliche Perspektive zu erörtern sein werden. b) Das Straf-„Recht“ des Staates Nachdem die Entwicklung der staatlichen Strafgewalt soeben in historischer Hinsicht dargestellt wurde, muss nun auch in juristischer Hinsicht aufgezeigt werden, worin die Rechtsgrundlage staatlichen Strafens zu sehen ist. Mit ,ius puniendi‘ wurde ursprünglich die gesamte hoheitliche Strafgewalt (,potestas criminalis‘) bezeichnet, die aus dem Herrschaftsrecht (,imperium‘) und der gegenüber den Bürgern bestehenden obrigkeitlichen Schutzpflicht des Staates entsprang.242 Die damit bezeichnete Strafgewalt des Staates erfasste das Recht 237 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, § 152 Rn. 1; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 77 Rn. 1. 238 Sternberg-Lieben/Bosch, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 77 Rn. 1. 239 Valerius, in: Graf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StPO, § 374 Rn. 1. 240 Baumann/Weber, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 27; Valerius, in: Graf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StPO, § 374 Rn. 1. 241 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 71. 242 Klose, ZStW 1974, 33 (36).
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zur Strafgesetzgebung (,potestas legislatoria‘), strafrechtlichen Verurteilung (,potestas iudiciaria‘) und zum Strafvollzug (,inspectio suprema‘).243 Aus dieser historischen Definition des ,ius puniendi‘ wird deutlich, dass ursprünglich das ,ius poenale‘, d.h. das objektive Strafrecht im Sinne der positiv gesetzten Normen, aus dem ,ius puniendi‘ abgeleitet wurde.244 Mit der zunehmenden Entwicklung hin zum Rechtspositivismus wandelte sich der Begriff des ,ius puniendi‘ und wurde in ein „subjektives Strafrecht“ des Staates abgeändert.245 Hierunter wurde nicht mehr die aus dem überpositiven Recht abgeleitete allgemeine Strafberechtigung des Staates verstanden, sondern die aus dem positiven Recht entstammende Befugnis des Staates zur Bestrafung einer Person im konkreten Einzelfall.246 Aus diesem Grunde kehrte sich das Verständnis zwischen dem ,ius puniendi‘ im subjektiven Sinne und dem ,ius poenale‘ um.247 Das subjektive Strafrecht des Staates wurde aus dem objektiven Recht (,ius poenale‘) hergeleitet.248 Dabei wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, dass dem Staat das Recht zur Strafnormsetzung zusteht.249 Die Rechtsgrundlage der staatlichen Strafberechtigung wäre damit das einfache Strafgesetz. Später erfolgte eine weitere Reduzierung des Straf-Rechts des Staates auf den sog. „Strafanspruch“ 250, um in einer Parallele zum Zivilrecht die konkrete Rechtsbeziehung zwischen dem Staat als Strafberechtigtem und dem Beschuldigten zu beschreiben. Das Straf-Recht des Staates kann jedoch nicht mit dem zivilrechtlichen Anspruchsbegriff des § 194 Abs. 1 BGB gleichgesetzt werden.251 Ein Anspruch als Forderungsrecht enthält auch die Befugnis zum Verzicht auf die Forderung, wohingegen der Staat auf die Strafverfolgung nicht nach Belieben verzichten kann, sondern hierzu nach Maßgabe des Legalitätsprinzips verpflichtet ist.252 Ferner setzt ein Anspruch einen „begünstigende[n] Distributionssatz“ 253 voraus, aus dem sich das Forderungsrecht ableitet. Die strafrechtlichen
243 244
Ders., ZStW 1974, 33 (37). Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 72; Klose, ZStW 1974, 33
(38). 245 Klose, ZStW 1974, 33 (39, 46); Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 72. 246 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 72 f. 247 Klose, ZStW 1974, 33 (39). 248 Finger, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 183; Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, S. 3; Schütze, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 3; Beling, Grundzüge des Strafrechts, S. 11. 249 Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, S. 3. 250 Klose, ZStW 1974, 33 (46). 251 Vgl. hierzu Volk/Engländer, Grundkurs StPO, § 2 Rn. 1. 252 Esser, Einführung in die Grundbegriffe des Rechts und Staates, S. 154; Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 93; Schumann, JZ 1986, 66 (70); Seelmann, ZStW 1983, 797 (825); BGH, NJW 1984, 2300 (2301). 253 Kaufmann, Strafanspruch Strafklagerecht, S. 97.
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Normen stellen nur den Täter belastende Rechtssätze dar, ohne dass damit gleichzeitig eine „Begünstigung“ des Staates einherginge.254 Das Wesen des Strafrechts liegt keinesfalls in der Begünstigung der Gemeinschaft, sondern in einer der Schuld entsprechenden Zuordnung von Strafe zur Verfolgung sozialund generalpräventiver Zwecke.255 Aus diesem Grunde wird in der heutigen Strafrechtswissenschaft auf den Begriff des staatlichen Strafanspruchs überwiegend verzichtet.256 Wenn weiterhin von Strafanspruch gesprochen wird, geschieht dies nicht im zivilistischen Sinne, sondern als untechnische Formulierung der generellen Befugnis des Staates zum Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen mittels der Strafe.257 Aufgrund der Kritik am Begriff des staatlichen „Strafanspruchs“ ging man zum ursprünglichen Verständnis des ,ius puniendi‘ als der generellen Strafberechtigung des Staates zurück.258 Die Rechtsgrundlage dieses ,ius puniendi‘ kann keinesfalls im ,ius poenale‘ gesehen werden, da dies einem Zirkelschluss gleichkäme. Der Staat darf keine Strafnormen erlassen, wenn ihm nicht vorab das allgemeine Recht zum Strafen zugestanden wird.259 Die einfachen Strafgesetze (,ius poenale‘) setzen daher die übergeordnete subjektive Befugnis des Staates zur Verhängung von Strafen voraus.260 Mit dem objektiven Strafrecht wird die allgemeine Strafberechtigung des Staates nur konkretisiert und festgelegt, wie der Staat seine Strafbefugnis auszuüben hat.261 Wenn somit das objektive Strafrecht die konkrete Umsetzung der staatlichen Strafgewalt darstellt, kann darin nicht zugleich die Grundlage eben dieser Strafgewalt gesehen werden.262 Das ,ius puniendi‘ benötigt das ,ius poenale‘ nur zur Spezifizierung seiner Anwendungsvoraussetzungen, nicht jedoch als Geltungsgrund. Es stellt sich damit weiterhin die Frage nach der Legitimationsgrundlage des staatlichen Straf-Rechts. Die staatliche Strafberechtigung ist untrennbar mit der Strafgewalt verbunden, welche sich wiederum aus der allgemeinen Staatsgewalt ableitet.263 Angesichts der starken Eingriffsintensität der staatlichen Strafgewalt und deren staatsrechtlicher Herleitung aus der Staatsgewalt könnte die Rechts254
Dies., Strafanspruch Strafklagerecht, S. 98. Dies., Strafanspruch Strafklagerecht, S. 98. 256 Klose, ZStW 1974, 33 (45); Schumann, JZ 1986, 66 (70). 257 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 93; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1 Rn. 11. 258 Klose, ZStW 1974, 33 (46). 259 Luden, Handbuch des teutschen gemeinen und particularen Strafrechtes, S. 13. 260 Wächter, Deutsches Strafrecht, S. 3. 261 Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, S. 2. 262 Klose, ZStW 1974, 33 (48). 263 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil, S. 11; Laubenthal, in: Fahl/Müller/Satzger u. a. (Hrsg.), Ein menschengerechtes Strafrecht als Lebensaufgabe, S. 481 (482). 255
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grundlage im Grundgesetz zu finden sein. Im Grundgesetz gibt es keine explizite Norm, welche die Strafberechtigung des Staates begründet. Keinesfalls kann das Rechtsstaatsprinzip als Rechtsgrundlage des ,ius puniendi‘ herangezogen werden. Das Rechtsstaatsprinzip verdeutlicht lediglich, dass die in anderen Vorschriften begründeten Staatsgewalten an Gesetz und Recht gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 GG), vermag aber nicht die Strafgewalt als Staatsgewalt selbst zu etablieren.264 Auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, welcher das Strafrecht zum Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung erklärt, kommt als Rechtsgrundlage nicht in Betracht, da es sich hierbei um eine formale Kompetenzvorschrift, nicht jedoch um eine materielle Befugnisnorm handelt.265 Aufgaben- und Befugnisnormen sind voneinander zu unterscheiden. Lediglich in Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG wird auf die verfassungsrechtliche Kompetenz des Staates zum Strafen explizit Bezug genommen. Gem. Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, „unter Strafe zu stellen“. Bei Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG handelt es sich jedoch um eine Ausnahmevorschrift, die nicht über den Wortlaut hinaus als Rechtsgrundlage für die generelle Strafberechtigung des Staates herangezogen werden darf.266 Mag es auch an einer expliziten Rechtsgrundlage fehlen, so enthält das Grundgesetz zahlreiche Bestimmungen, die das Straf-Recht des Staates jedenfalls implizit als gegeben erachten (Artt. 9 Abs. 2; 11 Abs. 2; 13 Abs. 3, 5; 26 Abs. 1 S. 2; 44 Abs. 2 S. 1; 46 Abs. 2; 60 Abs. 2; 74 Abs. 1 Nr. 1; 96 Abs. 2, 5; 102; 103 Abs. 2, 3; 104; 140 GG i.V. m. Art. 141 WRV).267 Aus der Gesamtschau der oben genannten Normen ergibt sich, dass das Grundgesetz die Strafberechtigung des Staates als ein jedem Gemeinwesen schlechthin „vorgegebenes Hoheitsrecht“ 268 für selbstverständlich voraussetzt.269 Bestätigt wird dies durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach „die Sicherung des Rechtsfriedens in Gestalt der Strafrechtspflege [. . .] seit jeher eine wichtige Aufgabe staatlicher Gewalt“ 270 ist. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist „die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten [. . .] ein wesentlicher Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens“ 271. 264
Klose, ZStW 1974, 33 (50); a. A. Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung,
S. 14. 265
Klose, ZStW 1974, 33 (59). Ders., ZStW 1974, 33 (60). 267 Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 14; Klose, ZStW 1974, 33 (66). 268 Klose, ZStW 1974, 33 (53). 269 Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, S. 909 (954); Schmidt-Jortzig, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 505 (505); Klose, ZStW 1974, 33 (60). 270 BVerfGE 51, 324 (343). 271 BVerfGE 29, 189 (194); BVerfGE 33, 367 (383); BVerfGE 34, 238 (248 f.); BVerfGE 38, 105 (116); BVerfGE 44, 353 (374); BVerfGE 77, 65 (76). 266
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2. Die Strafgewalt der Kirche Nachdem soeben dargestellt wurde, dass die Bundesrepublik Deutschland über eine historisch begründete und verfassungsrechtlich abgeleitete Strafgewalt verfügt, müssen nun der Grund und die Reichweite der kirchlichen Strafgewalt dargestellt werden, um abschließend das Konkurrenzverhältnis bestimmen zu können. Auch die römisch-katholische Kirche nimmt eine eigene Strafgewalt für sich in Anspruch (a)) und hat die hierfür geltenden Normen im sechsten Buch des Codex Iuris Canonici niedergeschrieben (b)). a) Die Begründung der Strafgewalt der römisch-katholischen Kirche aa) Der Ursprung der kirchlichen Strafgewalt Der Ursprung für die Begründung der kirchlichen Strafgewalt findet sich in Mt 18, 15–18.272 Dort schildert Matthäus das Vorgehen gegenüber einem „sündigen Bruder“ und sieht hierfür ein „dreiteiliges Disziplinarverfahren“ 273 vor. Zunächst erfolgt eine Zurechtweisung unter vier Augen. Zeigt dies keinen Erfolg, soll in Gegenwart von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Bleibt auch dies erfolglos, muss der Vorfall der Gemeinde angezeigt werden, welche sodann in der Sache entscheidet. Respektiert der Sünder den Spruch der Gemeinde nicht, so ist er als Heide oder Zöllner, d.h. als „öffentlicher Sünder“ 274 zu betrachten, der aus der Gemeinde ausgeschlossen wird. Zwar lässt diese Bibelstelle keinen eindeutigen Rückschluss darauf zu, dass bereits im Evangelium eine „Institution des Kirchenbannes“ 275 vorgesehen war. Es wird jedoch deutlich, dass einer „Sünde“ nicht nur mit ethischen Mitteln begegnet werden soll, sondern 272 Strigl, Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 6; Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1570); Mt 18, 15–18: „15 Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. 16 Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. 17 Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. 18 Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ 273 Strigl, Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 6. 274 Ders., Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 8. 275 Strigl, Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 8; Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1570); Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 41.
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durch eine Entscheidung einer Autorität unter Beachtung eines förmlichen Verfahrens.276 Auch Paulus schlägt in 1 Kor 5, 1–13 die Versammlung der Gemeinde vor, um über den Ausschluss eines „Unzüchtigen“ aus der Gemeinschaft, insbesondere aus der Eucharistiefeier (1 Kor 5, 11), zu befinden. Im ersten Timotheusbrief (1 Tim 1, 20) wird von dem Ausschluss von Gotteslästerern aus der Gemeinde berichtet. Aus den genannten Bibelstellen wird ersichtlich, dass ursprünglich als Strafe stets die Exkommunikation vorgesehen war, wobei diese bei Reue des Täters wieder rückgängig gemacht werden konnte (vgl. 1 Tim 1, 20; 2 Tim 2, 17).277 Später kamen das Interdikt sowie die Suspension als Beugestrafen hinzu.278 Strafgrund waren sowohl Sünden (,peccata‘) als auch Straftaten (,crimina‘).279 Während die Sünde das innere Verhältnis zu Gott betrifft (,forum internum‘), richtet sich eine Straftat gegen die äußere Ordnung der kirchlichen Gemeinde (,forum externum‘).280 Eine Differenzierung zwischen den beiden Sachverhalten entwickelte sich erst, als man die geheime von der öffentlichen Buße trennte.281 Heute ist klar zwischen Bußsakrament und kirchlichem Strafrecht zu unterscheiden. Während das Bußsakrament gem. c. 959 CIC/1983 auf die Verzeihung der Sünden durch Erlangung der Absolution von Gott gerichtet ist (,forum internum‘), fungiert das kirchliche Strafrecht als Mittel zur Wiederherstellung der äußeren Ordnung der Kirche (,forum externum‘).282 Jedes strafrechtliche Delikt stellt gleichzeitig eine Sünde dar; nicht jede Sünde erlangt jedoch die Qualität eines Delikts im Sinne des kirchlichen Strafrechts.283 Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sünde nach außen in Erscheinung tritt und gegen ein Strafgesetz verstößt.284 Das kirchliche Strafrecht wurde zunächst in zahlreichen Sammlungen niedergeschrieben und erst im Codex Iuris Canonici von 1917 (CIC/1917) einheitlich in einem Gesetzbuch kodifiziert.285 Die Bestimmungen des CIC/1917 waren in der Folge-
276 Strigl, Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 9. 277 Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 42. 278 Ders., in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1571). 279 Ders., in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1571). 280 Vgl. Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 40; Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 22 Rn. 2; Ling, JZ 2004, 596 (597). 281 Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1571). 282 Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 22 Rn. 2. 283 Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 44 Fn. 6. 284 Ders., Das kirchliche Strafrecht, S. 48. 285 Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1571).
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zeit Anlass zahlreicher Reformierungen, welche im heute geltenden Codex Iuris Canonici vom 29.11.1983 zusammengefasst wurden.286 bb) C. 1311 CIC/1983 Heute ist die Strafgewalt der Kirche in c. 1311 CIC/1983 normiert: „Nativum et proprium Ecclesiae ius est christifideles delinquentes poenalibus sanctionibus coercere. – Es ist das angeborene und eigene Recht der Kirche, straffällig gewordene Gläubige durch Strafmittel zurechtzuweisen.“ Die Strafgewalt ist ein „ius nativum“ der Kirche, d.h. ein der Kirche angeborenes Recht. Hierdurch wird verdeutlicht, dass dieses Recht der Kirche von Anfang an als solcher zuteil wird.287 Ferner ist die kirchliche Strafgewalt ein „ius proprium“. Ius proprium meint in der Gesetzessprache des CIC/1983 ein Recht, das weder verliehen noch delegiert wurde und nicht in Stellvertretung ausgeübt wird.288 Die Strafgewalt kommt der Kirche nach dem kanonischen Recht mit ihrer Existenz als solcher zu, ohne dass ihr diese durch eine weltliche Macht eingeräumt werden muss.289 Der Ursprung der Strafgewalt der Kirche ist nicht vom Staat abgeleitet. Anders als in der Vorgängernorm des c. 2214 § 1 CIC/1917 wird im Wortlaut des c. 1311 CIC/1983 jedoch nicht mehr eigens hervorgehoben, dass die kirchliche Strafgewalt unabhängig von jeder staatlichen Autorität ist (c. 2214 § 1 CIC/1917: „independens a qualibet humana auctoritate“) und die von der Kirche verhängten Strafen sowohl geistlicher als auch weltlicher Art sein können (c. 2214 § 1 CIC/1917: „poenis tum spiritualibus tum etiam temporalibus“). Durch die Änderung des Wortlauts wird deutlich, dass die Strafgewalt der Kirche unter dem geltenden CIC/1983 nicht mehr als Gegenüber und in Abgrenzung zur staatlichen Strafgewalt konzipiert sein soll.290 Die Strafgewalt der Kirche besteht gegenüber den ,christifideles delinquentes‘, d.h. den straffällig gewordenen Christen. Der Wortlaut der ,christifideles‘ nimmt zunächst Bezug auf alle Getauften. Die Systematik des CIC lässt jedoch erkennen, dass hierunter nur die lateinischen Katholiken zu verstehen sind:291 Gem. c. 1 CIC/1983 betreffen die Canones des CIC allein die lateinische Kirche. Aus c. 11 CIC/1983 wird zudem deutlich, dass durch die kirchlichen Gesetze des 286 Riedel-Spangenberger, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 345 (347). 287 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1311 Rn. 3. 288 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1311 Rn. 4. 289 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 91; Müller, in: Müller/Hierold/ Demel u. a. (Hrsg.), „Strafrecht“ in einer Kirche der Liebe, S. 183 (186). 290 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 90. 291 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1311 Rn. 5; Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 367.
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CIC/1983 nur diejenigen verpflichtet werden, „die in der katholischen Kirche getauft oder in diese aufgenommen worden sind [. . .].“ Es darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass in c. 1311 CIC/1983 die Strafgewalt der Kirche lediglich affirmativ festgestellt, d.h. als bestehend vorausgesetzt, nicht jedoch in materieller Hinsicht begründet wird.292 Zwar erhebt die Kirche für sich selbst nicht mehr den Anspruch, eine ,Societas perfecta‘ zu sein, d.h. „eine von staatlicher Gewalt losgelöste, in sich rechtlich vollständige und autarke Institution“.293 Mit der rechtlichen Vollkommenheit der Kirche war in der Tradition des Ius Publicum Ecclesiasticum noch die Legitimität der kirchlichen Strafgewalt begründet worden, da die Zwangsgewalt als wesensmäßiges Merkmal jeder vollkommenen Gesellschaft angesehen wurde.294 Um die Legitimation des kirchlichen Strafens zu ermitteln, muss auf die von den Straftatbestimmungen jeweils geschützten Rechtsgüter zurückgegriffen werden. Das Buch VI des CIC/1983 enthält Vorschriften, welche Fehlverhalten gegenüber kirchlichen Organisationsstrukturen mit einer Strafe belegen.295 So ahndet das kirchliche Strafrecht beispielsweise Meineid gegenüber einer kirchlichen Autorität (c. 1368 CIC/1983), Häresie (c. 1369 CIC/1983), physische Gewalt gegen kirchliche Autoritäten (c. 1370 CIC/1983), Vergehen gegen das kirchliche Lehramt (c. 1371 n ë 1 CIC/1983), Ungehorsam gegenüber Anweisungen (c. 1371 n ë 2 CIC/1983), den Rekurs gegen eine Maßnahme des Papstes (c. 1372 CIC/ 1983), die öffentliche Feindschaft gegen den Papst (c. 1373 CIC/1983), den Beitritt in eine kirchenfeindliche Vereinigung (c. 1374 CIC/1983), die Behinderung der Freiheit der Kirche (c. 1375 CIC/1983), die Entweihung heiliger Sachen (c. 1376 CIC/1983), die unerlaubte Veräußerung von Kirchenvermögen (c. 1377 CIC/1983), Fälschungshandlungen (cc. 1390, 1391 CIC/1983) sowie die Verletzung von Pflichten, die durch eine Bestrafung auferlegt wurden (c. 1393 CIC/ 1983). Soweit Vergehen gegenüber kirchlichen Autoritäten und Strukturen sanktioniert werden, unterscheidet sich die kirchliche Strafgewalt dem Grunde nach nicht von der staatlichen Strafgewalt, da diese vorrangig zum Schutz des Bestandes der Gemeinschaft ausgeübt wird.296 Dies ist im Bereich der Kirche nicht weniger legitim als bei anderen Sozialgemeinschaften.297 In der praefatio des 292 Eser, in: Schwab/Giesen/Listl u. a. (Hrsg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, S. 493 (494). 293 Laubenthal, in: Fahl/Müller/Satzger u. a. (Hrsg.), Ein menschengerechtes Strafrecht als Lebensaufgabe, S. 481 (485); vgl. auch Lüdicke, DRiZ 2010, 238 (238); Muckel, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1769 (1790); a. A. Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 367. 294 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 80. 295 Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 80. 296 Ders., Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 80. 297 Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 80; Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 365.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
CIC/1983 wird eigens hervorgehoben, dass die Kirche „als äußere, sichtbare und unabhängige Gesellschaft [auf das Strafrecht] nicht verzichten“ könne. Ferner muss der Kirche wie auch der Rechtsanwalt- und Ärzteschaft das Recht zustehen, disziplinarrechtlich gegen ihre Mitglieder vorzugehen (insb. Teil 2, Titel 3 des CIC/1983), um die ordnungsgemäße Amtsausführung der Kleriker zu gewährleisten. Die verbleibenden Strafnormen sind meist unmittelbar mit der Ausübung der katholischen Lehre verknüpft und erhalten im Schutz des Glaubens ihre Rechtfertigung (vgl. cc. 1364 (Apostasie, Häresie und Schisma), 1365 (verbotene Gottesdienstgemeinschaft), 1366 (nichtkatholische Taufe oder Erziehung), 1367 (Missbrauch eucharistischer Gestalten), 1394 (Versuch der Eheschließung durch einen Kleriker), 1395 § 1 CIC/1983 (eheähnliches Verhältnis eines Klerikers)).298 Gerosa stellt für die Legitimation von kirchlichen Strafen bei Verstößen gegen katholische Glaubensvorschriften darauf ab, dass die von der Kirche verhängten Sanktionen, insbesondere die Exkommunikation, weniger Straf- denn Bußcharakter aufweisen würden und das Bußsakrament von jeher Bestandteil der römischkatholischen Kirche war.299 Durch sein Fehlverhalten habe sich der Gläubige selbst aus der kirchlichen Gemeinde ausgeschlossen. Die Sanktion der Exkommunikation, welche durch ein deklaratives Urteil öffentlich verhängt werde, solle ihn dazu veranlassen, zu glaubensgerechtem Verhalten zurückzukehren, so dass er wieder in die Gemeinschaft aufgenommen werden könne.300 Aufgrund des fehlenden Vergeltungscharakters könne es sich nach Gerosa nicht um eine Strafe im eigentlichen Sinn handeln.301 Die Legitimation kirchlichen Strafens muss jedoch nicht mit der konzeptionellen und dogmatisch fragwürdigen Umwandlung von Strafen in Bußen einhergehen, zumal die Exkommunikation dem Empfinden des betroffenen Gläubigen nach durchaus Strafcharakter aufweist.302 Die Legitimität von Strafvorschriften in Glaubensfragen zeigt sich vielmehr dadurch, dass sich der Gläubige durch den Eintritt in die Kirche mit der Taufe den dort geltenden Glaubensinhalten unterworfen und diese für sich als verpflichtend anerkannt hat.303 Aus staatskirchenrechtlicher Sicht wird das kircheneigene Sanktionensystem aus dem Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 298
Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 81. Gerosa, Exkommunikation und freier Glaubensgehorsam, S. 287. 300 Ders., Exkommunikation und freier Glaubensgehorsam, S. 274 ff. 301 Ders., Exkommunikation und freier Glaubensgehorsam, S. 275 f. 302 Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 83. 303 Vgl. ders., Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 82; Saier, „Communio“ in der Lehre des zweiten vatikanischen Konzils, S. 70 f.; vgl. Luf, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 964 (966). 299
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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GG abgeleitet.304 Die Kirche ist eine eigenständige Organisation, der aus der Verfassung das Recht zukommt, ihre internen Strukturen autonom zu gestalten. Als solche muss der Kirche insbesondere das Recht zukommen, Angriffe auf ihre kircheneigenen Strukturen abzuwehren und erforderlichenfalls zu sanktionieren.305 cc) Sinn und Zweck der kirchlichen Strafgewalt Die Kirche nimmt für sich die Strafgewalt in Anspruch, um die Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung in der kirchlichen Gemeinschaft sicherzustellen. Es geht bei der Ausübung der kirchlichen Strafgewalt nicht nur darum, dem Täter sein Unrecht vor Augen zu führen (Spezialprävention). Vielmehr sollen durch die Verhängung einer Strafe die durch die Straftat eingetretene Störung der Gemeinschaft aufgehoben und das betreffende Handeln auch von den Mitchristen als fehlerhaft erkannt werden (positive Generalprävention).306 Bestraft wird insoweit nicht die Gewissensentscheidung des Einzelnen, welche die Kirche zu respektieren hat, sondern vielmehr die Folgewirkungen dieser Entscheidung auf die Ordnung der katholischen Gemeinschaft.307 Der Einzelne kann strafrechtlich nicht dazu gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu agieren. Stimmt jedoch seine Überzeugung nicht mehr mit dem Glauben der Kirche überein, kann er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.308 Die kirchliche Strafgewalt steht auch nicht im Widerspruch zur Darstellung der Kirche als Heilsgemeinschaft. Die Strafe dient vielmehr dazu, den Einzelnen zu Reue und Umkehr zu bewegen, damit er in die Gemeinschaft zurückkehren und erneut von den Heilmitteln der Kirche profitieren kann.309 Das „Heil der Seelen“ (,salus animarum‘) muss gem. c. 1752 CIC/1983 immer das oberste Gesetz des kanonischen Rechts sein. Dies gilt auch für den Bereich der kirchlichen Strafgewalt. Gerade die Personen, die schwerwiegende Taten begangen haben, sollen über das Mittel der Strafe wieder auf Gott hin ausgerichtet werden.310 Zeigt der Straffällige jedoch kein Zeichen von Reue, wird er nicht mehr in die Gemeinschaft aufgenommen. Aus kirchlicher Perspektive hat es hierbei sein Bewenden.311 Im staatlichen Strafrecht müssen demgegenüber Bemühungen zur Re304
Grundmann, JZ 1966, 81 (84). Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 80. 306 Vgl. Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 40. 307 Ders., in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1576). 308 Lüdicke, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 620 (622). 309 Eser, in: Schwab/Giesen/Listl u. a. (Hrsg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, S. 493 (497). 310 Müller, ThPQ 2011, 61 (67). 311 Eser, in: Schwab/Giesen/Listl u. a. (Hrsg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, S. 493 (503). 305
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
sozialisierung getroffen werden, da ein Leben außerhalb der staatlichen Gesellschaft als Alternative nicht in Betracht kommt. dd) Die Subsidiarität der kirchlichen Strafgewalt Von der kirchlichen Strafgewalt darf gem. c. 1341 CIC/1983 nur als ,ultima ratio‘ Gebrauch gemacht werden. Gem. c. 1341 CIC/1983 hat „[d]er Ordinarius [. . .] dafür zu sorgen, dass der Gerichts- oder der Verwaltungsweg zur Verhängung oder Feststellung von Strafen nur dann beschritten wird, wenn er erkannt hat, da[ss] weder durch brüderliche Ermahnung noch durch Verweis noch durch andere Wege des pastoralen Bemühens ein Ärgernis hinreichend behoben, die Gerechtigkeit wiederhergestellt und der Täter gebessert werden kann.“ Die Kirchenstrafe hat demnach einen subsidiären Charakter und darf nur verhängt werden, wenn die in c. 1341 CIC/1983 genannten Ziele nicht anderweitig erreicht werden können. Als erstes Ziel nennt c. 1341 CIC/1983 die Behebung des Ärgernisses („scandalum reparari“). Scandalum meint die fortbestehende Störung der äußeren Ordnung der kirchlichen Gemeinschaft.312 Gegenüber der Allgemeinheit darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass das Verhalten des Delinquenten von der Kirche unbeanstandet bleibt.313 Das Ärgernis für die Öffentlichkeit ist beispielsweise behoben, wenn nachweislich eine Besserung des Täters eingetreten ist.314 Insoweit besteht eine Wechselwirkung zu c. 1341 Var. 3 CIC/1983. Das Strafrecht ist ferner dann subsidiär, wenn auch ohne strafrechtliche Ahndung die Gerechtigkeit wiederhergestellt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Täter sein Fehlverhalten eingestellt, zu rechtskonformem Verhalten zurückgefunden hat oder aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen wurde.315 Eine genaue Abgrenzung des c. 1341 Var. 2 CIC/1983 zur Fallgruppe der Behebung des Ärgernisses (c. 1341 Var. 1 CIC/1983), wodurch auf die Belange der Allgemeinheit abgestellt wird, und der Besserung des Täters (c. 1341 Var. 3 CIC/ 1983), wodurch individuelle Aspekte in den Vordergrund gestellt werden, ist nicht möglich, so dass c. 1341 Var. 2 CIC/1983 keinen eigenständigen Anwendungsbereich aufweist.316
312 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris c. 1341 Rn. 3. 313 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris c. 1341 Rn. 3. 314 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris c. 1341 Rn. 3. 315 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris c. 1341 Rn. 4. 316 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris c. 1341 Rn. 4.
Canonici, Canonici, Canonici, Canonici, Canonici,
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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Wann eine Besserung des Täters (c. 1341 Var. 3 CIC/1983) eingetreten ist, wird in c. 1347 § 2 CIC/1983 definiert.317 Hiernach „ist davon auszugehen, dass ein Täter von der Widersetzlichkeit abgelassen hat, wenn er die Straftat wirklich bereut hat und er außerdem eine angemessene Wiedergutmachung der Schäden und eine Behebung des Ärgernisses geleistet oder zumindest ernsthaft versprochen hat.“ Aus c. 1341 CIC/1983 wird die Ambivalenz der Stellung der Kirche als Heilsund Rechtsgemeinschaft deutlich. Einerseits beansprucht die Kirche ihrem Selbstverständnis nach eine vollgültige innerkirchliche Strafgewalt. Da die Kirche gleichermaßen eine Heilsgemeinschaft darstellt, in der die seelsorgerische Betreuung jedes Einzelnen im Vordergrund steht, darf das Strafrecht jedoch nur subsidiär für den Fall eingreifen, dass das pastorale Bemühen nicht zum Erfolg führt.318 b) Überblick über das kirchliche Strafrecht Das kirchliche Strafrecht ist im sechsten Buch des Codex Iuris Canonici geregelt. Wie im deutschen Strafgesetzbuch erfolgt eine Unterscheidung zwischen dem allgemeinen („de delictis et poenis in genere“, cc. 1311–1363 CIC/1983) und dem besonderen Teil („de peonis in singula delicta“, cc. 1364–1399 CIC/ 1983). Dem vorangestellt sind in Buch I die für den gesamten Codex geltenden allgemeinen Normen sowie in Buch II Teil I die für alle Gläubigen geltenden Vorschriften. Der auch nach staatlichem Verständnis für das Strafrecht maßgebliche Grundsatz ,nulla poena sine lege‘ ist im Buch II Teil I Titel I in c. 221 § 3 CIC/1983 normiert. Hiernach haben die Gläubigen „das Recht, dass kanonische Strafen über sie nur nach Maßgabe des Gesetzes verhängt werden“. Die hervorgehobene Stellung der Norm unter den Rechten aller Gläubigen verdeutlicht die grundsätzliche Bedeutung dieses Prinzips.319 Der Grundsatz ,nulla poena sine lege‘ gilt im kirchlichen Strafrecht jedoch nicht vorbehaltlos. So kann gem. c. 1399 CIC/1983 „[a]ußer den Fällen, die in diesem oder in anderen Gesetzen geregelt sind, [. . .] die äußere Verletzung eines göttlichen oder eines kanonischen Gesetzes nur dann mit einer gerechten Strafe belegt werden, wenn die besondere Schwere der Rechtsgutsverletzung eine Bestrafung erfordert und die Notwendigkeit drängt, Ärgernissen zuvorzukommen oder sie zu beheben“. Diese nach staatlichem Rechtsdenken schwer verständliche Durchbrechung des Grundsatzes ,nulla poena sine lege‘ (staatlicherseits in Art. 103 Abs. 2 GG begründet) lässt sich dahinge317 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1341 Rn. 5. 318 Vgl. Ling, JZ 2004, 596 (596). 319 Ders., JZ 2004, 596 (597).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
hend begründen, dass es in der Kirche anders als im Staat keine strikte Trennung zwischen den Gewalten gibt.320 Der kirchliche Strafgesetzgeber verfolgt zugleich die Straftaten, wendet die Strafnormen auf den konkreten Fall an und legt die angemessene Strafe fest.321 Im staatlichen Rechtssystem ist es erforderlich, dass der Staatsbürger im Vorhinein erkennen kann, durch welche Verhaltensweisen er sich konkret in welcher Weise strafbar macht. Anderes kann bei der Kirche gelten, die sich selbst als Heilsgemeinschaft versteht. Aufgrund dieser besonderen Zwecksetzung ist es für die Kirche nötig, sofort einschreiten zu können, wenn sie die Heilsgemeinschaft als gefährdet oder bedroht ansieht.322 Die Vielzahl der möglichen Bedrohungen der Heilssendung lassen sich gerade nicht enumerativ aufzählen.323 Aus diesem Grunde sieht c. 1399 CIC/1983 für den Fall einer besonders schweren Rechtsverletzung die Möglichkeit der Bestrafung auch dann vor, wenn eine entsprechende Strafnorm fehlt. aa) Allgemeiner Teil Im allgemeinen Teil (I) des Buchs VI werden die für alle Strafnormen geltenden Grundsätze dargestellt. Der Codex Iuris Canonici von 1983 enthält anders als der Codex von 1917 in seinem c. 2195 § 1 keine Definition der Straftat mehr. Gem. c. 2195 § 1 CIC/ 1917 verstand man nach kirchlichem Recht „unter einem Delikt eine äußere und sittlich zurechenbare Verletzung eines Gesetzes, dem eine wenigstens unbestimmte kanonische Strafdrohung beigefügt ist“ 324. Nach heute geltendem kanonischem Recht können die Voraussetzungen einer Straftat implizit c. 1321 § 1 CIC/1983 entnommen werden. Gem. c. 1321 § 1 CIC/1983 wird „niemand [. . .] bestraft, es sei denn, die von ihm begangene äußere Verletzung von Gesetz oder Verwaltungsbefehl ist wegen Vorsatz oder Fahrlässigkeit schwerwiegend zurechenbar.“ Das kirchliche Strafrecht unterscheidet wie das deutsche Strafgesetzbuch zwischen einem objektiven (die äußere Verletzung eines Gesetzes oder Verwaltungsbefehls) und einem subjektiven Tatbestand (Vorsatz oder Fahrlässigkeit). Die objektiv festzustellende Gesetzesverletzung kann durch Tun oder Unterlassen begangen werden325 und muss nach außen in Erscheinung treten (cc. 1321 § 1, 320
Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 76. Ders., Die Strafgewalt der Kirche, S. 76. 322 Ders., Die Strafgewalt der Kirche, S. 76. 323 Strigl, in: Listl/Müller/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 921 (948). 324 Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 46. 325 Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 44; Scheuermann, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 203 (205). 321
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1330 CIC/1983). Nur so kann das Delikt (forum externum) von der Sünde (peccatum, forum internum) abgegrenzt werden.326 In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz (dolus) erforderlich. Eine Bestrafung wegen Fahrlässigkeit (culpa) kommt gem. c. 1321 § 2 Hs. 2 CIC/1983 nur in Betracht, wenn das Gesetz oder der Verwaltungsbefehl dies eigens vorsieht. Die Straftat muss dem Täter ferner „zurechenbar“ sein. Unter Zurechenbarkeit ist nicht die objektive Zurechnung im Sinne des staatlichen Strafrechts zu verstehen, sondern die persönliche Vorwerfbarkeit der Tat als Schuldvorwurf.327 Gem. c. 1321 § 3 CIC/1983 wird die Zurechenbarkeit und damit die Schuld vermutet, wenn „die äußere Verletzung des Gesetzes oder des Verwaltungsbefehls erfolgt [ist], es sein denn, anderes ist offenkundig“. Diese Regelung löst die frühere äußerst weitgehende Doluspräsumtion in c. 2200 § 2 CIC/1917 ab, wonach der Vorsatz bei nachweislicher äußerer Gesetzesverletzung vermutet wurde, bis das Gegenteil bewiesen war.328 Die Vermutung der Schuld mag aus der Sicht eines Rechtsstaats, in welchem die Unschuldsvermutung höchsten verfassungsrechtsrechtlichen Rang besitzt (Art. 20 Abs. 3 GG, vgl. auch Art. 48 Abs. 1 Grundrechte-Charta, Art. 6 Abs. 2 EMRK (Rang eines einfachen Bundesgesetzes, vgl. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG)), seltsam anmuten.329 Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass auch im deutschen Strafrecht der Vorsatzschuldvorwurf durch den Tatbestandsvorsatz zumindest indiziert wird.330 Gem. c. 1321 § 3 CIC/1983 gilt die feststehende äußere Verletzung eines Strafgesetzes als Indiz für das Vorliegen der persönlichen Schuld.331 Die Überprüfung der Zurechenbarkeit i. S. d. c. 1321 CIC/1983 erfolgt anhand einer Negativprüfung, wonach grundsätzlich von schuldhaftem Handeln auszugehen ist, wenn kein Schuldausschließungsgrund greift.332 Die Vermutung des c. 1321 § 3 CIC/1983 stellt nicht das Ergebnis der Beweisführung dar, sondern alle Schuldausschließungs- und Schuldmilderungsgründe müssen stets von Amts wegen durch das kirchliche Gericht überprüft werden.333 Nach c. 1321 § 1 CIC/1983 muss die Straftat dem Täter „wegen Vorsatz oder Fahrlässigkeit schwerwiegend (graviter)“ zurechenbar sein. Der Begriff „gra326
Vgl. Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 45. Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1321 Rn. 4. 328 Scheuermann, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 203 (207); Ling, JZ 2004, 596 (598); Ling, JZ 2004, 596 (598). 329 Vgl. hierzu Eser, in: Schwab/Giesen/Listl u. a. (Hrsg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, S. 493 (506); Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 115. 330 Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 13 Rn. 647. 331 Ling, JZ 2004, 596 (599). 332 Ders., JZ 2004, 596 (599). 333 Ling, JZ 2004, 596 (599); Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 380; streitig vgl. Ling, JZ 2004, 596 (599). 327
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
viter“ stellt keine zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung dar, sondern soll klarstellend verdeutlichen, dass bei Vorliegen von Vorsatzschuld oder subjektiver Sorgfaltswidrigkeit stets eine schwerwiegende Vorwerfbarkeit gegeben ist.334 Andernfalls müsste selbst bei Vorsatz ein darüber hinausgehender schwerer Schuldvorwurf festgestellt werden.335 bb) Besonderer Teil Der besondere Teil des Strafrechts wurde im CIC/1983 gegenüber dem CIC/ 1917 von vormals 101 Canones auf 36 Canones reduziert. Die Strafnormen werden in sechs Titeln zusammengefasst. So regelt der besondere Teil (II) des Liber VI des CIC die Straftaten gegen die Religion und die Einheit der Kirche (Titel I), gegen die kirchlichen Autoritäten und die Freiheit der Kirche (Titel II), die Amtsanmaßung und Amtspflichtverletzung (Titel III), das Fälschungsdelikt (Titel IV), Straftaten gegen besondere Verpflichtungen (Titel V) sowie Straftaten gegen Leben und Freiheit des Menschen (Titel VI). Im siebten Titel ist die oben dargestellte Durchbrechung des Grundsatzes ,nulla poena sine lege‘ gem. c. 1399 CIC/ 1983 normiert. Nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche wurden die sog. ,delicta graviora‘, zu denen insbesondere der sexuelle Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, aber auch andere schwerwiegende Straftaten zu zählen sind, in den Normen der Kongregation für die Glaubenslehre vom 21.05.2010 (Normae2010) veröffentlicht.336 Auf dem Gebiet des Strafrechts gibt es derzeit zahlreiche Reformbestrebungen.337 Insbesondere sollen die Regelungen über die ,delicta graviora‘ in den Liber VI des CIC/1983 einbezogen werden.338 3. Das Verhältnis zwischen der Strafgewalt des Staates und der Strafgewalt der Kirche Soeben wurde dargestellt, dass der Staat und die Kirche jeweils eine eigene Strafgewalt für sich in Anspruch nehmen. Es bedarf daher der Erörterung, in 334 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1321 Rn. 5. 335 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1321 Rn. 5. 336 Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1585); die Normae2010 modifizieren die Normae2001 und nehmen zusätzliche Vergehen gegen die Sitten als delicta graviora auf (vgl. hierzu: ders., AfkKR 2011, 466 (482)). 337 Siehe hierzu Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1588). 338 Ders., in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1590).
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welchem Verhältnis die Strafgewalten zueinander stehen. In historischer Tradition genossen die Kleriker Immunität gegenüber der strafrechtlichen Verfolgung durch den Staat in Form des sog. privilegium fori (a)). Nach der Abschaffung des privilegium fori muss das Verhältnis zwischen der staatlichen und der kirchlichen Strafgewalt nach heutiger Rechtslage erörtert werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf die gemischten Straftaten zu richten ist, welche sich sowohl nach staatlichem als auch nach kirchlichem Strafrecht als strafbar erweisen (b)). Nur in diesen Fallkonstellationen kann eine Konkurrenzsituation zwischen staatlicher und kirchlicher Strafgewalt auftreten. a) Die Abschaffung des privilegium fori Jahrhundertelang hatte sich die Kirche der staatlichen Strafgewalt entzogen und sich auf das sog. privilegium fori berufen, wonach Geistliche in allen Straf(und Zivilsachen) ausschließlich vor den kirchlichen und nicht vor den weltlichen Gerichten belangt werden konnten.339 Dies führte zwangsläufig dazu, dass das staatliche Strafrecht gegenüber Klerikern nicht zur Anwendung kam. Denn die Anwendung von Strafrecht durch ein Gericht stellt die Ausübung von Hoheitsgewalt dar und kann nur nach den Normen des Hoheitsträgers erfolgen, der dem Gericht seine Jurisdiktionskompetenz verliehen hat.340 Wenn die Kirche und der Staat jeweils Strafgewalt für sich in Anspruch nehmen, kann dies nur nach Maßgabe ihrer eigenen Strafnormen geschehen.341 Die Gewährung des privilegium fori zugunsten von Klerikern löste bei Sachverhalten, die sowohl nach staatlichem als auch nach kirchlichem Recht strafbar waren, den Jurisdiktionskonflikt der Gerichtsbarkeiten dergestalt, dass den kirchlichen Gerichten die exklusive
339
Harburger, Das privilegium fori im deutschen Recht, S. 12. Vgl. Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 2 Rn. 85; Ambos, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, vor §§ 3–7 Rn. 2; Eine Ausnahme würde nur die Übertragung von Hoheitsrechten darstellen, wie sie im Verhältnis der Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union stattfindet (vgl. Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, vor § 3 Rn. 1). Dies ist im Verhältnis Staat – Kirche jedoch nicht denkbar. 341 Binding, Handbuch des Strafrechts, S. 372; die Begründung hierfür wird heute auf Art. 20 Abs. 2, 3 GG gestützt. Da gem. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, bedarf die Ausübung von Strafgewalt der Legitimation durch das Volk in Form eines Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) (Böse, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, vor § 3 Rn. 63). Dem Vorbehalt des Gesetzes bei Eingriffen in Grundrechte durch die Strafgewalt wird aber nicht durch die Gesetze eines ausländischen Staates Genüge getan. Aus diesem Grunde wenden deutsche Strafgerichte grundsätzlich nur deutsches Strafrecht an (ders., in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, vor § 3 Rn. 63). Eine Ausnahme stellt die Verweisung deutschen Rechts auf das ausländische Strafrecht dar, wie beispielsweise in § 7 Abs. 1, 2 StGB. Auch in einem solchen Fall ist die Strafbarkeit nach ausländischem Recht aber nur der Ausgangspunkt für die Verhängung der Strafe nach deutschem Recht (ders., in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, vor § 3 Rn. 8). 340
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Strafgewalt gewährt wurde. Indem vor den Kirchengerichten nur kirchliches Strafrecht zur Anwendung kommt, stellte das privilegium fori zugleich die Negation der Anwendbarkeit staatlichen Strafrechts dar. Der Gedanke des privilegium fori ist bereits in der Bibel angelegt. In 1 Kor 6,1–8342 fordert der Apostel Paulus die Christen dazu auf, Streitigkeiten allein vor den geistlichen und nicht den weltlichen Gerichten auszutragen. In der römischen Kaiserzeit wurde das privilegium fori mit jeweils unterschiedlichen Ausprägungen anerkannt. Die Kaiser Constantius II. und Constans erließen erstmals im Jahre 355 eine ausdrückliche Anordnung (c. 12 Cod. Theod. XVI 2), wonach die strafrechtliche Verurteilung von Bischöfen in weltlichen Strafsachen nur vor einem kirchlichen Gericht erfolgen konnte.343 Im Jahre 415 wurde das privilegium fori durch die Kaiser Honorius und Theodosius II. auf alle Kleriker ausgedehnt (c. 41 Cod. Theod. XVI 2).344 Unter Justinian waren wiederum die weltlichen Gerichte in Kriminalsachen für alle dem Bischof unterstehenden Kleriker sachlich zuständig.345 Bevor jedoch deren Urteil vollstreckt werden konnte, musste der Bischof den straffälligen Kleriker degradieren. Hierbei kam ihm ein Nachprüfungsrecht zu, welches ihm die Möglichkeit eröffnete, die Degradation zu verweigern.346 In der Folgezeit war die Kirche bestrebt, die Kleriker niederer Weihung von der weltlichen Gerichtsbarkeit wieder auszunehmen.347 Durch das Edikt Chlotars II. aus dem Jahre 614 342 „1 Wagt es einer von euch, der mit einem anderen einen Rechtsstreit hat, vor das Gericht der Ungerechten zu gehen statt zu den Heiligen? 2 Wisst ihr denn nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Und wenn durch euch die Welt gerichtet wird, seid ihr dann nicht zuständig, einen Rechtsstreit über Kleinigkeiten zu schlichten? 3 Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden? Also erst recht über Alltägliches. 4 Wie könnt ihr dann jene, die im Urteil der Gemeinde nichts gelten, als Richter einsetzen, wenn ihr einen Rechtsstreit über Alltägliches auszutragen habt? 5 Ich sage das, damit ihr euch schämt. Gibt es denn unter euch wirklich keinen, der die Gabe hat, zwischen Brüdern zu schlichten? 6 Stattdessen zieht ein Bruder den andern vor Gericht, und zwar vor Ungläubige. 7 Ist es nicht überhaupt schon ein Versagen, dass ihr miteinander Prozesse führt? Warum leidet ihr nicht lieber Unrecht? Warum lasst ihr euch nicht lieber ausrauben? 8 Nein, ihr selber begeht Unrecht und Raub, und zwar an Brüdern.“ 343 Harburger, Das privilegium fori im deutschen Recht, S. 16; Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 124. 344 Harburger, Das privilegium fori im deutschen Recht, S. 19. 345 Harburger, Das privilegium fori im deutschen Recht, S. 28; Nissl, Der Gerichtsstand des Clerus im fränkischen Reich, S. 108. 346 Harburger, Das privilegium fori im deutschen Recht, S. 29. 347 Nissl, Der Gerichtsstand des Clerus im fränkischen Reich, S. 115; Harburger, Das privilegium fori im deutschen Recht, S. 38; die Forderungen erfolgten insbesondere durch das fünfte Konzil von Paris im Jahre 614. Hiernach sollte „kein weltlicher Richter ohne Wissen des Bischofs gegen einen Priester, Diakon oder irgendeinen Kleriker oder einen Junioren (d.h. die niederen Weihen vom Subdiakon abwärts) prozessieren oder ein Urteil fällen.“ (aus Harburger, Das privilegium fori im deutschen Recht, S. 38).
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wurde den Forderungen der Kirche für Priester und Diakone teilweise entsprochen. Sobald ein Priester oder Diakon in einem weltlichen Einleitungsverfahren einer Straftat überführt worden war, musste auf der Grundlage des Edikts noch vor der Verurteilung ein kirchlicher Untersuchungsprozess vor dem Bischof stattfinden.348 Erst wenn der kanonische Untersuchungsausschuss die Degradation des Klerikers beschlossen hatte, konnte die weltliche Verurteilung erfolgen.349 Die übrigen Kleriker mit niederen Weihen unterstanden weiterhin der weltlichen Strafgerichtsbarkeit.350 Mit dem Aufstieg des Papsttums ging eine Stärkung der kirchlichen Gerichtsbarkeit seit der Mitte des 11. Jahrhunderts einher.351 In seiner Constitution vom 22. November 1220 erkannte Friedrich II. das privilegium fori für sämtliche Straf- und Zivilprozesse aller Geistlichen an.352 Zur Vollstreckung der weltlichen Strafen war die Kirche jedoch auf die staatliche Gewalt (sog. brachium saeculare = weltlicher Arm) angewiesen.353 Der Begriff des ,brachium saeculare‘ bezog sich auf die Unterstützung, die der Staat der Kirche – verstärkt ab Beginn des 12. Jahrhunderts – zur Durchsetzung kirchlicher Zwangsmaßnahmen gewährte.354 Trotz der formalen Existenz des privilegium fori zugunsten der kirchlichen Gerichtsbarkeit wurde die Immunität der Geistlichen in der Praxis aus politischen und prozesstaktischen Gründen nur sehr einschränkend in Anspruch genommen.355 Oftmals wollten die Kleriker die guten Beziehungen zum königlichen Hof nicht gefährden und unterwarfen sich daher dessen Gerichtsbarkeit. Die Wahl des weltlichen Gerichts erfolgte auch aus taktischen Gründen, wenn vor dem weltlichen Gericht und nach Maßgabe der staatlichen Normen eine mildere Strafe oder gar ein Freispruch zu erwarten war. Daher lassen sich einige Fälle konstatieren, in denen sich die Kleriker nicht auf ihr Gerichtsstandsprivileg beriefen und weltliche Gerichte von einer Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige kirchliche Gericht Abstand nahmen.356 348 Nissl, Der Gerichtsstand des Clerus im fränkischen Reich, S. 124; Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 130. 349 Nissl, Der Gerichtsstand des Clerus im fränkischen Reich, S. 124; Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 130. 350 Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 130; Nissl, Der Gerichtsstand des Clerus im fränkischen Reich, S. 125. 351 Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 142. 352 Harburger, Das privilegium fori im deutschen Recht, S. 46. 353 Rees, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 299 (299); Hergenröther, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 610. 354 Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 58; Sambeth, in: Buchberger (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, S. 507 (507). 355 Siehe hierzu Diestelkamp, Recht und Gericht im Heiligen Römischen Reich, S. 22. 356 Ders., Recht und Gericht im Heiligen Römischen Reich, S. 6.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Seit dem 14. Jahrhundert wurde die kirchliche Gerichtsbarkeit durch die weltliche Gewalt eingeschränkt.357 So wurde beispielsweise der ,recursus ab abusu‘ eingeführt, wodurch bei dem Landesherrn Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des kirchlichen Gerichts eingelegt werden konnten.358 Nach der Reformation durfte die Kirche nur noch bei rein kirchlichen Sachverhalten von ihrer Strafgewalt Gebrauch machen; die verfügbaren Strafmittel waren auf den geistlichen Bereich beschränkt.359 Spätestens seit der Aufklärungszeit war in Deutschland das privilegium fori „qua desuetudo“ 360 abgeschafft.361 Obwohl das privilegium fori in den meisten Ländern immer mehr an Bedeutung verlor, hat die Kirche in ihrer Gesetzgebung hieran festgehalten.362 So wurde im Codex Iuris Canonici von 1917 das privilegium fori in Straf- und Zivilsachen ausdrücklich in den Canones 120 (für Kleriker), 614 (für Ordensleute) und 680 (für kirchliche Laien) normiert. Gem. c. 1553 § 1 n ë 3 CIC/1917 entscheidet die Kirche kraft eigenen und ausschließlichen Rechtes über alle Zivil- und Strafsachen, welche Personen betreffen, die von dem privilegium fori gemäß der cc. 120, 614, 680 CIC/1917 profitieren. („De omnibus causis sive contentiosis sive criminalibus quae respiciunt personas privilegio fori gaudentes ad normam can. 120, 614, 680“). Kardinäle und Bischöfe unterstanden gem. cc. 1557 § 1 2 ë bzw. 2227 § 1 CIC/1917 der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des Papstes. Der Papst selbst durfte und darf bis heute nach kanonischem Recht gem. c. 1556 CIC/1917 bzw. c. 1404 CIC/1983 (prima sedes a nemine iudicatur) von niemandem vor Gericht gebracht werden.363 Die Missachtung des privilegium fori wurde gem. c. 2341 CIC/1917 unter Strafe gestellt. Für die Erfüllung des Tatbestandes des c. 2341 CIC/1917 war ausreichend, dass der Geistliche vor dem weltlichen Gericht verklagt worden war.364 Mangels staatlicher Anerkennung des privilegium fori zeitigten diese Normen jedoch in Deutschland und in vielen anderen Ländern keinerlei praktische Relevanz mehr. Um die rechtliche Lage der existierenden Wirklichkeit anzupassen, wurden die Regelungen über das privilegium fori nicht mehr in den Codex Iuris Canonici von 1983 übernommen.365 Kirchenangehörige profitieren daher heute nicht mehr von einer Immunität gegenüber der staatlichen Strafgewalt. 357 Schwendenwein, in: Lackner/Mantl (Hrsg.), Identität und offener Horizont – Festschrift für Egon Kapellari, S. 409 (415). 358 Ders., in: Lackner/Mantl (Hrsg.), Identität und offener Horizont – Festschrift für Egon Kapellari, S. 409 (415). 359 Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 161. 360 Göbel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Codex Iuris Canonici des Jahres 1983, S. 120. 361 Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 161. 362 May, AfkKR 1966, 52 (78). 363 Vgl. Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 249. 364 Ders., Die Strafgewalt der Kirche, S. 250; Pontificia Commissio, AAS 1948, 301 (301).
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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b) Das Verhältnis zwischen der Strafgewalt des Staates und der Kirche nach geltendem Recht unter dem CIC/1983 und dem StGB Durch die Abschaffung des privilegium fori wurde die Reichweite der staatlichen Strafgewalt auf alle Angehörigen der römisch-katholischen Kirche erstreckt. Das staatliche Strafrecht findet somit nach heutiger Rechtslage auf diese Anwendung. Dies ist aus staatsrechtlicher Sicht derart offenkundig, dass auf eine klarstellende Regelung hierzu verzichtet wurde. Das Strafrecht gehört zum klassischen Hoheitsbereich eines jeden Staates. Es besteht gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG eine Trennung zwischen Staat und Kirche. Dies bedingt, dass der Staat seine Strafgewalt völlig unabhängig von der Kirche ausüben darf und muss. Andernfalls würde durch die Kirche ein Staat im Staat geschaffen und der Entstehung rechtsfreier Räume mit der damit einhergehenden rechtlichen Willkür Vorschub geleistet werden. Aufgrund der Aufhebung der strafrechtlichen Immunität für Kirchenangehörige muss das Verhältnis zwischen der Strafgewalt des Staates und der Kirche nach heute geltendem kanonischem und weltlichem Recht bestimmt werden. aa) Verpflichtender Charakter der staatlichen Strafgewalt Ein wichtiger Ausgangspunkt für die Bestimmung des Verhältnisses der beiden Strafgewalten ist der Charakter der staatlichen Strafgewalt. Die Strafgewalt des Staates ist im Grundsatz als verpflichtend und indisponibel gegenüber den ihr Unterworfenen ausgestaltet. Der Staat hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen, sobald ein auf ausreichenden Tatsachen fußender Anfangsverdacht besteht. Der Staat darf bei Vorliegen der Strafverfolgungsvoraussetzungen auch nicht zugunsten der Strafgewalt der Kirche von einem Strafverfahren absehen, sondern ist hierzu nach Maßgabe des Legalitätsprinzips verpflichtet. Nach dem Legalitätsprinzip ist die Staatsanwaltschaft gem. § 152 Abs. 2 StPO verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Gem. § 163 Abs. 1 StPO wird das Legalitätsprinzip auf die Behörden und Beamten des Polizeidienstes erweitert.366 Durch das Legalitätsprinzip soll eine gleichmäßige Strafrechtspflege gewährleistet und die Durchsetzung der staatlichen Strafgewalt sichergestellt werden.367 Das Legalitätsprinzip aus § 152 Abs. 2 365 Vgl. Schwendenwein, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 355 (369); Göbel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Codex Iuris Canonici des Jahres 1983, S. 122; Lüdicke, DRiZ 2010, 238 (238). 366 Griesbaum, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, § 163 Rn. 1; von Häfen, in: Graf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StPO, § 163 Rn. 1. 367 BVerfGE 46, 214 (222); Pfeiffer, in: ders. (Hrsg.), Strafprozessordnung, § 163 Rn. 1.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
StPO stellt die prozessuale Umsetzung der aus Art. 19 Abs. 4, 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 92 GG sowie dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Justizgewährungspflicht dar.368 Die den Staat gem. Art. 19 Abs. 4 GG treffende Pflicht zur Sicherstellung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege beinhaltet auch die Verpflichtung, in prozessualer Hinsicht für die zwingende Einleitung und Durchführung von Ermittlungsverfahren zu sorgen.369 Eine Ausnahme zum Legalitätsprinzip stellt das Opportunitätsprinzip dar, welches in den §§ 153–154e; 376 StPO; 45 JGG normiert ist (vgl. § 152 Abs. 2 StPO: „soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist“). Das Opportunitätsprinzip eröffnet den staatlichen Behörden die Möglichkeit, von der Strafverfolgung trotz an sich vorliegender Verfolgungsvoraussetzungen abzusehen.370 Durch die Einschränkungen wird das Legalitätsprinzip nicht grundsätzlich infrage gestellt. Diese sind vielmehr Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips, wonach die Bestrafung als ,ultima ratio‘ zurücktreten soll, wenn sie aus präventiven Gründen nicht geboten ist oder andere gewichtige Gründe entgegenstehen.371 Die Durchbrechungen rühren daher nicht von einer generellen Disponibilität der staatlichen Strafberechtigung, von der die kirchliche Strafgewalt Gebrauch machen könnte, sondern sind im konkreten Einzelfall insbesondere durch ein fehlendes öffentliches Interesse an einer Bestrafung begründet. Gleichermaßen verhält es sich mit den Einschränkungen der staatlichen Strafgewalt bei der Vollstreckung rechtskräftig verhängter Strafen.372 Nach einer Verurteilung kann der Täter unter den Voraussetzungen des § 57 StGB bedingt entlassen werden. Ferner kann die Vollstreckungsbehörde gem. § 456 a Abs. 1 StPO von der Strafvollstreckung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder aus dem Geltungsbereich der StPO ausgewiesen wird. Darüber hinaus steht dem Bund (§ 452 S. 1 StPO, Art. 60 Abs. 2, 3 GG) bzw. den Ländern (§ 452 S. 2 StPO) das Recht zur Begnadigung nach Rechtskraft des Strafurteils als Instrument zum Ausgleich von Unbilligkeiten bzw. zur Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit zu.373 Abgesehen von diesen eng begrenzten Einschränkungsmöglichkeiten „ist dem Staat der Verzicht auf die Verwirklichung seines Strafanspruchs einschließlich der Vollstreckung einer Strafe von Verfassung wegen untersagt“ 374. Der Staat kann über das „Ob“ der Durchsetzung sei368 Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 75; Schmidt-Jortzig, NJW 1989, 129 (133); Malmendier, NJW 1997, 227 (228). 369 BVerfGE 46, 214 (222). 370 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, § 152 Rn. 7. 371 Fischer, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, Einl. Rn. 10. 372 Hierzu und zu den folgenden Fallgruppen: BVerfGE 46, 214 (222). 373 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, § 452 Rn. 1. 374 BVerfGE 46, 214 (222).
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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ner Strafgewalt nicht verfügen; die Strafgewalt erweist sich als grundsätzlich indisponibel.375 Nicht anders verhält es sich aus der Perspektive des Opfers. Mit Ausnahme der absoluten Antragsdelikte kann das Opfer die Bestrafung des Täters nicht verhindern.376 Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur des Strafrechts ist eine Disposition über das „Ob“ und die Reichweite einer Bestrafung ausgeschlossen, auch wenn im konkreten Einzelfall der Verletzte kein Interesse an der Bestrafung des Täters zeigt.377 Die Strafverfolgung erfolgt im öffentlichen Interesse ohne Rücksicht auf den Willen des Verletzten durch den Staat. Das Straf-Recht des Staates geht mit einer grundsätzlichen Straf-Pflicht bei Vorliegen der gesetzlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen einher.378 Diese grundsätzliche Straf-Pflicht besteht auch gegenüber Kirchenangehörigen. bb) Die Bestimmung der Konkurrenzsituation beim Vorliegen von res mixtae Fraglich ist jedoch, ob neben dem Staat auch die Kirche eine Zuständigkeit in Strafsachen beanspruchen kann. Uneingeschränkt zulässig muss dies für den Fall rein innerkirchlicher Straftaten sein, die über kein Äquivalent im staatlichen Bereich verfügen. Straftaten, die nur ein kirchliches und kein staatliches Rechtsgut verletzen, können naturgemäß nur durch die Kirche geahndet werden.379 Der Staat ist bei glaubensbezogenen Fragen zu strikter Neutralität und Nichteinmischung verpflichtet. Bei sog. res mixtae, welche sowohl weltliche als auch kirchliche Angelegenheiten betreffen, bedarf es jedoch einer genaueren Untersuchung, wie die Konkurrenzsituation zwischen der kirchlichen und der staatlichen Strafgewalt ausgestaltet ist. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die res mixtae nur eng begrenzte Fallgruppen betreffen, da sich wenige sachliche Überschneidungen hinsichtlich der Strafnormen (1) und der möglichen Strafen (2) in den beiden Strafrechtssystemen finden und das kirchliche anders als das staatliche Strafrecht Ähnlichkeit zu einem bloßen Disziplinarrecht aufweist (3). Darüber hinaus unterscheiden sich die kirchliche und die staatliche Strafgewalt grundlegend in der Wirkungsweise ihrer Sanktionen (4). In vielen Fällen kann daher mangels Vergleichbarkeit der Strafgewalten keine Konkurrenzsituation auftreten.
375 376 377 378
Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, S. 93. So auch Rostalski, RW 2015, 1 (21). Baumann/Weber, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 27. Baumann/Weber, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 27; a. A. Klose, ZStW 1974, 33
(67). 379
Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 313.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
(1) Der Mangel an sachlichen Berührungspunkten hinsichtlich der Strafnormen Ein Kompetenzkonflikt kann nur dort entstehen, wo in sachlicher Hinsicht Überschneidungen bei den zu regelnden Gegenständen bestehen. Das kirchliche Strafrecht verfolgt anders als das staatliche Strafrecht nicht den Zweck, ein geordnetes Zusammenleben der Staatsbürger sicherzustellen, sondern zielt auf die Erhaltung des katholischen Glaubens und der Institution der katholischen Kirche.380 Die typischen durch den Staat verfolgten Delikte, die gegen das Eigentum, die persönliche Freiheit oder andere Werte der öffentlichen Ordnung gerichtet sind, werden daher vom kirchlichen Strafrecht von vornherein nicht behandelt, sondern der staatlichen Rechtsordnung überlassen.381 Es ist folglich zwischen den Strafnormen zu unterscheiden, die nur ein kirchliches Rechtsgut, nur ein staatliches Rechtsgut oder aber ein von beiden Institutionen erfasstes Rechtsgut schützen.382 Die Mehrzahl der im kirchlichen Strafrecht erfassten Normen sind rein „kirchliche Straftaten“ 383 und finden im staatlichen Strafrecht kein Äquivalent. Dies ist insbesondere bei den strafrechtlichen Vorschriften der Fall, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lehre und dem Glauben der katholischen Kirche stehen und den Verstoß gegen diese ahnden, wie beispielsweise cc. 1364 (Apostasie, Häresie, Schisma (Definitionen in c. 751 CIC/1983)), 1365 (verbotene Gottesdienstgemeinschaft), 1366 (nichtkatholische Taufe oder Erziehung der Kinder), 1367 (Wegwerfen, Entwenden oder Zurückbehalten der eucharistischen Gestalten), 1369 (Gotteslästerung), 1371 (Verstoß gegen die Lehre, Ungehorsam gegenüber einer kirchlichen Autorität), 1372 (Anrufung des Ökumenischen Konzils oder des Bischofskollegiums gegen eine Maßnahme des Papstes), 1373 (öffentliche Feindschaft gegen den Papst), 1374 (Beitritt in eine kirchenfeindliche Vereinigung), 1375 (Behinderung der Freiheit der Kirche), 1376 CIC/1983 (Entweihung heiliger Sachen). Zu diesen Normen findet sich im StGB keine Entsprechung, da in einem weltanschaulich neutralen Staat ein rein glaubensbezogener Verstoß keine Strafbarkeit begründen darf. Darüber hinaus werden auf der Grundlage der Bestimmungen des CIC/1983 Verstöße gegen kirchliche Amtspflichten geahndet: cc. 1378 (Absolution von der Sünde gegen das sechste Gebot; Eucharistiefeier ohne Priesterweihe; Erteilung der Absolution oder Abnahme der Beichte ohne Befugnis), 1379 (Vortäuschen einer Sakramentenspendung), 1380 (Sakramentenspendung oder -empfang aufgrund von Simonie), 1382 (Bischofsweihe ohne päpstlichen Auftrag), 1383 (Wei-
380 381 382 383
Lüdicke, DRiZ 2010, 238 (238). Ders., DRiZ 2010, 238 (238). Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 313. Dies., Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 313.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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he ohne rechtmäßige Weiheentlassschreiben), 1384 (unrechtmäßige Ausübung einer priesterlichen Aufgabe oder eines anderen geistlichen Dienstes), 1385 (unrechtmäßige Gewinnziehung aus einem Messstipendium (vgl. c. 947 CIC/1983)), 1387 (Versuch zur Verführung zur Sünde gegen das sechste Gebot bei der Spendung des Bußsakraments oder der Beichte), 1389 § 1 (Missbrauch kirchlicher Gewalt oder eines kirchlichen Dienstes), 1392 (Betreiben von Handel und Gewerbe durch Kleriker), 1393 (Verletzung der aus einer Kirchenstrafe auferlegten Verpflichtung), 1394 (Versuch der Eheschließung durch einen Kleriker oder Ordensangehörigen), 1395 § 1 (eheähnliches Verhältnis bzw. äußere Sünde gegen das sechste Gebot), 1396 CIC/1983 (Verletzung der Residenzpflicht). Auch insoweit existieren im staatlichen Strafrecht keine äquivalenten Normen. Dies ist dadurch begründet, dass sich der Staat aufgrund der Trennung von Staat und Kirche jeglicher Regelung der religionsbezogenen Amtspflichten der Kleriker zu enthalten hat (vgl. auch die Ämterhoheit der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG). Darüber hinaus handelt es sich bei den genannten Normen überwiegend um Disziplinarrecht, welches dogmatisch nicht in den staatlichen Strafbestimmungen enthalten sein kann, da sich Strafrecht und Disziplinarrecht gegenseitig ausschließen. Zudem könnten einige dieser vom CIC/1983 erfassten Strafnormen im allgemeinen staatlichen Strafrecht keine generelle Normierung erfahren, da deren Regelung in einem neutralen Umfeld – ohne Möglichkeit der Berücksichtigung der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG im Wege der praktischen Konkordanz – gegen das Grundgesetz verstoßen würde. So würde das strafrechtlich geahndete Verbot, Handel oder Gewerbe zu betreiben (vgl. c. 1392 CIC/1983), die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. Ein auf die Ebene der Strafbarkeit gehobenes Verbot der Eheschließung bzw. des Führens eines eheähnlichen Verhältnisses (vgl. cc. 1394, 1395 § 1 CIC/1983) wäre mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. 1 Abs. 1 GG unvereinbar. Es verbleiben lediglich neun Normen des CIC, die im StGB eine Entsprechung in allgemein formulierter Form finden (sog. res mixtae bzw. „gemischte Straftaten“ 384). Dies ist der Fall bei der Strafbarkeit des Meineids (c. 1368 CIC/1983 bzw. § 154 StGB), der Körperverletzung (c. 1370 CIC/1983 (lex specialis zu c. 1397 Var. 5 CIC/1983) bzw. §§ 223 ff. StGB), der Amtsanmaßung (c. 1381 § 1 CIC/1983 bzw. § 132 StGB) und der Bestechung bzw. Bestechlichkeit (c. 1386 CIC/1983 bzw. §§ 332, 334 StGB). C. 1386 CIC/1983 regelt den Fall, dass der kirchliche Dienstinhaber durch Schenkungen oder Versprechungen dazu veranlasst wird, etwas unrechtmäßig zu tun oder zu unterlassen, oder er hierfür Schenkungen oder Versprechungen annimmt. Aus c. 1386 CIC/1983 kann eine Parallele zur Bestechlichkeit aus § 332 StGB bzw. zur Bestechung aus § 334 StGB als Qualifikationstatbestände zur Vorteilsannahme gem. § 331 StGB bzw. zur Vor384
Dies., Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 313.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
teilsgewährung gem. § 333 StGB gezogen werden, da sich im Rahmen der §§ 332, 334 StGB die Unrechtsvereinbarung auf eine konkrete pflichtwidrige Diensthandlung beziehen muss. Die Strafbarkeit wegen Verletzung des Beichtgeheimnisses gem. c. 1388 §§ 1, 2 CIC/1983 kann als Sondertatbestand gegenüber der strafbaren Verletzung von Privatgeheimnissen durch Berufsgeheimnisträger in § 203 StGB angesehen werden, auch wenn dort die Geistlichen nicht als taugliche Täter genannt werden.385 Die Strafbarkeit wegen Falschanzeige eines Beichtvaters aufgrund einer Straftat i. S. d. c. 1387 CIC/1983 gegenüber einem kirchlichen Oberen in c. 1390 § 1 CIC/1983 sowie wegen verleumderischer Anzeige eines Delikts in c. 1390 § 2 CIC/1983 weist als Spezialfall Ähnlichkeiten zur generellen Strafbarkeit der falschen Verdächtigung in § 164 StGB auf. Soweit in c. 1390 § 2 CIC/1983 auch die Verletzung des guten Rufs bestraft wird, findet sich in den §§ 185 ff. StGB eine Entsprechung. C. 1391 n ë 1, 2 CIC/1983 regelt die Urkundenfälschung und -unterdrückung, die auch nach staatlichem Recht gem. §§ 267, 274 StGB strafbar sind. Gem. c. 1391 n ë 3 CIC/1983 wird derjenige mit einer gerechten Strafe belegt, der in einem öffentlichen kirchlichen Dokument falsche Angaben macht. Diese Norm kann mit § 348 StGB verglichen werden, welcher die Falschbeurkundung im Amt unter Strafe stellt. Im Übrigen ist im staatlichen Strafrecht die schriftliche Lüge straflos. Die Strafbarkeit von Sexualdelikten, welche (zu marginal) in c. 1395 § 2 CIC/ 1983 erfasst wird, findet sich im staatlichen Strafrecht in viel ausdifferenzierterer Form in den §§ 174 ff. StGB. Wie im staatlichen Strafrecht sind auch im kirchlichen Strafrecht – wenn auch in unbestimmterer Form – die Tötung (c. 1397 Var. 1 CIC/1983 bzw. §§ 211, 212 StGB), Entführung (c. 1397 Var. 2 CIC/1983 bzw. § 239, 239a StGB (je nach konkreter Ausgestaltung)), Freiheitsberaubung (c. 1397 Var. 3 CIC/1983 bzw. § 239 StGB) und die Verstümmelung bzw. schwere Körperverletzung (c. 1397 Var. 4, 5 CIC/1983 bzw. §§ 224, 226 StGB) strafbar. Die ausnahmslose Strafbarkeit der Abtreibung in c. 1398 CIC/1983 ist nicht vergleichbar mit der grundsätzlichen Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs gem. § 218 Abs. 1 StGB, da diese durch den Tatbestandsausschluss in § 218a Abs. 1 StGB, die Rechtfertigungsgründe wegen medizinischer (§ 218a Abs. 2 StGB) bzw. kriminologischer Indikation (§ 218a Abs. 3 StGB) sowie durch persönliche Strafausschließungsgründe in § 218a Abs. 4 S. 1 StGB bzw. die Möglichkeit des Absehens von Strafe gem. § 218a Abs. 4 S. 2 StGB relativiert wird. 385
Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 171.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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Die Darstellungen haben verdeutlicht, dass nur wenige kirchliche Strafnormen im staatlichen Strafrecht ihre Entsprechung finden. Während die kirchlichen Strafnormen meist einen unmittelbaren Glaubensbezug aufweisen, sind die staatlichen Strafnormen durch einen allgemeinen Gesellschaftsbezug gekennzeichnet. Soweit sich die Regelungsbereiche von staatlichem und kirchlichem Strafrecht nicht überschneiden, kann ein Kompetenzkonflikt zwischen staatlicher und kirchlicher Strafgewalt nicht auftreten. (2) Der Mangel an sachlichen Berührungspunkten hinsichtlich der Strafen Der soeben erörterte überwiegend kirchliche Gehalt der Straftatbestände des CIC/1983 erhält seine Entsprechung in den Strafmitteln als Rechtsfolge.386 Die Eigenständigkeit der kirchlichen bzw. der staatlichen Strafgewalt rührt deshalb auch aus der Unterschiedlichkeit und fehlenden Vergleichbarkeit der von Kirche bzw. Staat verhängten Strafen. (a) Staatliche Strafen Hauptstrafen sind im staatlichen Strafrecht gemäß der §§ 38 ff. StGB die Freiheits- und die Geldstrafe. Als Nebenstrafen kommen im StGB das Fahrverbot (§ 44 StGB), der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts (§ 45 Abs. 2, 5 StGB387), die Bekanntgabe der Verurteilung388 (§ 165 StGB) und zum Teil auch die Einziehung (§§ 73 ff. StGB) in Betracht.389 (b) Kirchliche Strafen Strafmittel in der Kirche sind demgegenüber gem. c. 1312 § 1 CIC/1983 Besserungs- oder Beugestrafen (poenae medicinales seu censurae, cc. 1331–1335 CIC/1983) sowie Sühnestrafen (poenae expiatoriae, c. 1336 CIC/1983). Diese werden in Form von Spruch- oder Tatstrafen (c. 1314 CIC/1983) verhängt. (aa) Beugestrafen Beugestrafen zielen auf die Besserung des verurteilten Kirchenmitglieds, der zu kirchenkonformem Verhalten zurückkehren soll.390 Der Begriff der ,poenae 386
Vgl. Lüdicke, DRiZ 2010, 238 (239). Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 45 Rn. 7. 388 Valerius, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 165 Rn. 2. 389 Vgl. hierzu Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 74 Rn. 2. 390 Ling, JZ 2004, 596 (600); Rees, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 247 (247); Wall/Muckel, Kir387
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censurae‘ entstammt ursprünglich der allgemeinen Bürgerschätzung (,censura‘) durch die Zensoren, bei der auch der sittliche Anstand des einzelnen Bürgers überprüft wurde (sog. ,censura morum‘) und die je nach Ergebnis zum Entzug von Privilegien führen konnte.391 Später erhielt der Begriff ,censura‘ die alleinige Bedeutung von Strafe und wurde so in die Rechtssprache übernommen.392 Beugestrafen sind gem. cc. 1331, 1332, 1333 CIC/1983 die Exkommunikation, das persönliche Interdikt sowie die Suspension. Die Exkommunikation bewirkt den einstweiligen Ausschluss eines Kirchenmitgliedes, das in besonders schwerwiegender Weise straffällig geworden ist, aus der kirchlichen Gemeinschaft.393 Dem Exkommunizierten ist gem. c. 1331 § 1 1 ë CIC/1983 jeglicher Dienst bei der Feier des eucharistischen Opfers oder bei anderen eucharistischen Feiern untersagt. Er darf nach c. 1331 § 1 2 ë CIC/1983 weder Sakramente spenden noch solche empfangen. Ferner ist ihm gem. c. 1331 § 1 2 ë CIC/1983 untersagt, jedwede kirchlichen Ämter, Dienste oder Aufgaben auszuüben oder Akte der Leitungsgewalt zu setzen. Das persönliche Interdikt (c. 1332 CIC/1983) hat dieselben rechtlichen Konsequenzen wie die Exkommunikation mit Ausnahme des Verbots der Ausübung kirchlicher Ämter, Dienste, Aufgaben oder von Akten der Leitungsgewalt (cc. 1332, 1331 § 1 Nr. 3 CIC/1983 e.c.). Die Suspension ist eine Beugestrafe, die allein gegenüber Klerikern ergeht und das Verbot aller oder einiger der mit einem Amt verbundenen Rechte, Aufgaben oder Akte der Weihebzw. Leitungsgewalt vorsieht.394 Eine Beugestrafe kann gem. c. 1347 § 1 CIC/1983 nur dann wirksam als Spruchstrafe verhängt werden, wenn der Täter zuvor „mindestens einmal verwarnt worden ist, seine Widersetzlichkeit aufzugeben“. Bei einer Tatstrafe kann eine vorherige Mahnung nicht erfolgen.395 Da Beugestrafen auf die Besserung des Täters zielen, werden sie nicht für eine bestimmte Zeit verhängt, sondern vielmehr solange aufrechterhalten, bis der Täter seine Widersetzlichkeit aufgegeben hat (c. 1347 § 2 CIC/1983).396 In einem solchen Fall endet die Beugestrafe
chenrecht, § 22 Rn. 2; Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1577). 391 Rees, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 247 (247). 392 Ders., in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 247 (247). 393 Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts, S. 277; Borras, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 657 (659). 394 Ling, JZ 2004, 596 (600). 395 Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 143; Rees, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 247 (247). 396 Rees, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 247 (247); Sebott, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 636 (636).
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nicht eo ipso, sondern durch den Akt des Strafnachlasses (c. 1358 § 1 CIC/ 1983).397 Auf diesen hat der Straffällige jedoch gem. c. 1358 § 2 2.Hs. CIC/1983 einen Anspruch.398 (bb) Sühnestrafen Der Strafzweck von Sühnestrafen ist demgegenüber die „Sühne begangenen Unrechts“ 399. Aus c. 1312 § 2 CIC/1983 wird ersichtlich, dass Sühnestrafen einem Gläubigen ein geistliches oder zeitliches Gut entziehen und mit dem übernatürlichen Ziel der Kirche vereinbar sein müssen. C. 1336 § 1 CIC/1983 nennt als Sühnestrafen 1 ë das Verbot oder Gebot, sich in einem bestimmten Ort oder Gebiet aufzuhalten, 2 ë den Entzug einer Vollmacht, eines Amtes, einer Aufgabe, eines Rechtes, eines Privilegs, einer Befugnis, eines Gunsterweises, eines Titels, einer Auszeichnung, auch wenn sie nur ehrenhalber verliehen wurde, 3 ë das Verbot, das auszuüben, was unter n ë 2 aufgeführt ist oder das Verbot, dieses an einem bestimmten Ort oder außerhalb eines bestimmten Ortes auszuüben, 4 ë die Strafversetzung auf ein anderes Amt und 5 ë die Entlassung aus dem Klerikerstand. Die Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. Durch das Partikulargesetz können gem. c. 1312 § 2 CIC/1983 andere Sühnestrafen aufgestellt werden. Sühnestrafen werden gem. c. 1336 § 1 CIC/1983 auf Dauer oder für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit verhängt. Sie enden durch Verbüßung oder durch Straferlass gem. cc. 1354 ff. CIC/1983.400 Auf Letzteren besteht jedoch anders als bei Beugestrafen kein Anspruch.401 (cc) Spruch- und Tatstrafen als Formen der Strafverhängung Kirchliche Strafen können sowohl in Form von Spruch- als auch in Form von Tatstrafen verhängt werden. Während eine Spruchstrafe gem. c. 1314 Alt. 1 CIC/ 1983 in einem förmlichen Verfahren „durch das Gericht oder den Ordinarius ausgesprochen“ 402 wird, tritt eine Tatstrafe gem. c. 1314 Alt. 2 CIC/1983 eo ipso durch das Begehen der Straftat ein. Bei einer Tatstrafe bedarf es keines förmlichen Verfahrens oder Urteilsspruches, vielmehr zieht sich der Täter die Strafe sofort mit erfolgter Ausführung der strafbaren Handlung zu.403 Selbst wenn das Delikt nicht zur Kenntnis eines Dritten gelangt, geht der Codex Iuris Canonici 397
Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 143. Vgl. Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 369; Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 22 Rn. 9. 399 Ling, JZ 2004, 596 (601). 400 Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 369. 401 Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 22 Rn. 9; Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 369. 402 Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 22 Rn. 9; Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1569 (1584). 403 Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 22 Rn. 10. 398
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
davon aus, dass sich der Straftäter aus innerer Überzeugung beispielsweise an die in c. 1331 CIC/1983 geregelten Folgewirkungen der Exkommunikation hält,404 auch wenn dies aus praktischer Sicht fragwürdig erscheinen mag. Die Strafe ist gem. c. 1314 CIC/1983 meistens eine Spruchstrafe. Das Strafmaß wird gem. c. 1315 § 2 CIC/1983 entweder durch das Gesetz selbst festgesetzt (so notwendigerweise bei Tatstrafen) oder in das Ermessen des Richters gestellt. (c) Zwischenergebnis Aus der Zusammenschau der Strafmittel wird deutlich, dass die römisch-katholische Kirche nur noch rein kirchliche Strafen verhängt. Die kirchliche Strafe unterscheidet sich von der weltlichen Strafe dadurch, dass dem Straffälligen ein allein nach Glaubensgrundsätzen messbares Gut bzw. mit einem kirchlichen Amt verbundene Befugnisse entzogen werden, nicht jedoch ein von dem religiösen Bereich unabhängiges Gut.405 Der kirchliche Gesetzgeber nahm damit Abstand von der Verhängung weltlicher Strafen, wie es zur Zeit des karolingischen Staatskirchentums bis in das hohe Mittelalter praktiziert wurde.406 Man unterschied hierbei zwischen sog. poenae spirituales und poenae temporales, wobei Letztere in poenae corporales und poenae pecuniariae unterteilt wurden.407 Als weltliche Strafen kamen insbesondere die Prügelstrafe gegenüber Personen niederen Standes, die ,decalvatio‘ (Ausreißen der Haare samt Kopfhaut), der Freiheitsentzug durch die Einweisung in ein Kloster oder in ein Gefängnis mit Arbeitszwang, die Verknechtung, Verbannung, Brandmarkung, der Vermögensentzug, der Entzug von Lehens-, Handels-, Erb- und Testierrechten und der Verlust staatlicher Ämter in Betracht.408 Zur Vollstreckung weltlicher Strafen bedurfte die Kirche jedoch der Hilfe des Staates in Form des ,brachium saeculare‘. Heutzutage sind körperliche Gewalthandlungen und Freiheitsstrafen nicht mehr vorgesehen. Die Wirkung der kirchlichen Strafen beschränkt sich auf den kircheninternen Bereich.409 Eine Ausnahme kann gem. c. 1312 § 2 CIC/1983 durch ein Partikulargesetz geschaffen werden, indem weitere Sühnestrafen eingeführt werden, durch die einem Gläubigen unter anderem auch ein „zeitliches“ 404
Dies., Kirchenrecht, § 22 Rn. 10. Vgl. Lüdicke, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 620 (620). 406 Strigl, Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 64; Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 125. 407 Strigl, Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 64. 408 Vgl. Strigl, Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 64; Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 125. 409 Ling, JZ 2004, 596 (600). 405
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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und damit weltliches Gut entzogen werden kann. Anders als staatliche Strafen dürfen kirchliche Strafen jedoch nicht mit Zwang durchgesetzt werden, sondern sind auf die freiwillige Befolgung auf der Basis des kirchlichen Gehorsams angewiesen.410 (3) Die Ähnlichkeit des kirchlichen Strafrechts zum Disziplinarrecht Nachdem soeben dargestellt wurde, dass sich das kirchliche und das staatliche Strafrecht grundlegend hinsichtlich der Strafnormen und der Strafmittel unterscheiden, soll nun ein Augenmerk darauf gerichtet werden, dass das kirchliche Strafrecht in großen Teilen disziplinarrechtlichen Charakter besitzt, weshalb auch insoweit kein Kompetenzkonflikt zum staatlichen Strafrecht entstehen kann. (a) Die Unterscheidung von Straf- und Disziplinarrecht Anders als die evangelische Kirche411 hat die römisch-katholische Kirche kein eigenständiges Disziplinarrecht geschaffen, weshalb sich viele disziplinarrechtliche Vorschriften in dogmatisch zweifelhafter Weise innerhalb der Strafrechtsnormen wiederfinden.412 Im Gegensatz zum Strafrecht erfasst das Disziplinarrecht nur solche Tatbestände, die von Angehörigen eines Berufsstandes aufgrund ihrer besonderen Dienststellung begangen werden können. Während das Strafrecht auf die „Vergeltung für die begangene Tat“ 413 unter Berücksichtigung präventiver Aspekte zielt, dient das Disziplinarrecht dazu, die Angehörigen eines Berufsstandes zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Pflichten zu veranlassen, diese bei feststehenden Verstößen entsprechend zu maßregeln bzw. sie in gravierenden Fällen aus dem Berufsstand auszuschließen.414 Das Disziplinarrecht stellt gegenüber dem Strafrecht nicht etwa ein bloßes ,minus‘, sondern ein echtes ,aliud‘ dar.415
410
Ders., JZ 2004, 596 (600). Paarhammer, in: Lüdicke/Paarhammer/Binder (Hrsg.), Recht im Dienste des Menschen, S. 403 (407); Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 78; Goos, KuR 2010, 209 (216 f.); es gibt zahlreiche diözesane Disziplinarordnungen, welche jedoch nur für im kirchlichen Dienst stehende Laien Anwendung finden (Rees, in: Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts, S. 207 (207); Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 77). 412 Für die Schaffung eines gesonderten Disziplinarrechts plädieren insbesondere Paarhammer, in: Lüdicke/Paarhammer/Binder (Hrsg.), Recht im Dienste des Menschen, S. 403 (408); Goos, KuR 2010, 209 (210); Strigl, in: Scheuermann/May (Hrsg.), Ius sacrum, S. 817 (831). 413 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I, § 2 Rn. 135 mit Kritik; Goos, KuR 2010, 209 (218). 414 Vgl. Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 78. 415 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I, § 2 Rn. 135; Paarhammer, in: Lüdicke/Paarhammer/Binder (Hrsg.), Recht im Dienste des Menschen, S. 403 (407). 411
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
(b) Die Darstellung der disziplinarrechtlichen Normen im Buch VI des CIC Das Buch VI des Codex Iuris Canonici enthält in Teil II zahlreiche Normen, deren Tatbestände ausschließlich von Klerikern oder Laien im kirchlichen Dienst erfüllt werden können, und die dogmatisch nicht als Strafnormen, sondern als disziplinarrechtliche Vorschriften angesehen werden müssen. Dies ist insbesondere bei den in Titel III („Amtsanmaßung und Amtspflichtverletzung“) genannten Normen der Fall.416 (aa) Buch VI, Teil II, Titel III Abgesehen von den Straftatbeständen der cc. 1381 (Amtsanmaßung) und 1386 Alt. 1 CIC/1983 (Bestechung), die keine spezifische Tätereigenschaft vorsehen, setzen die übrigen Normen des Titels III die Zugehörigkeit zum Klerus bzw. zu einem Orden voraus. Nicht jede Norm, die an die Eigenschaft eines Klerikers oder Ordensangehörigen anknüpft, darf als Disziplinarnorm angesehen werden. Vielmehr muss das Disziplinarrecht von den echten Amtsdelikten abgegrenzt werden, bei denen die Eigenschaft als Amtsträger nach staatlicher Strafrechtsdogmatik ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal i. S. d. § 28 Abs. 1 StGB darstellen würde.417 Ein gravierender Verstoß gegen Dienstpflichten kann nicht nur ein Disziplinarvergehen, sondern gleichermaßen eine Straftat darstellen.418 Dies beurteilt sich danach, ob durch die pflichtwidrige Handlung im Rahmen des Berufsstandes der Kleriker oder Ordensangehörigen die Gesamtheit der Gläubigen und die allgemeinen Grundlagen der Ordnung der Kirche so stark tangiert werden, dass dem nicht nur mit disziplinarrechtlicher Ahndung, sondern mit Kirchenstrafe begegnet werden muss,419 oder ob die milderen Mittel einer kircheninternen Disziplinierung hierfür ausreichend erscheinen.420 Im religiösen Bereich ist dies schwieriger zu beurteilen als im staatlichen, da der Pflichtenkreis eines Kirchenbediensteten nicht so leicht von der allgemeinen Glaubenslehre abgegrenzt werden kann.421 Ein dienstlicher Verstoß kann auch an den Grundlagen
416
Vgl. Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 165, 171. Heine/Eisele, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, vor § 331 Rn. 5. 418 Heintschel-Heinegg, in: ders. (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 331 StGB Rn. 63. 419 Vgl. Paarhammer, in: Lüdicke/Paarhammer/Binder (Hrsg.), Recht im Dienste des Menschen, S. 403 (405); Scheuermann, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 203 (203). 420 Vgl. Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 92; in allgemeiner Form hierzu Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I, § 2 Rn. 135. 421 Strigl, Das Funktionsverhältnis zwischen kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit, S. 210. 417
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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der Kirche rühren.422 Maßgebend kommt es somit darauf an, ob der Kleriker allgemeine religiöse oder rechtsethische Pflichten verletzt hat, die jedem Gläubigen vonseiten der Kirche auferlegt werden, oder ob er „nur“ den Regeln einer ordnungsgemäßen Dienstausübung als Berufsträger im Klerus nicht genügt hat.423 C. 1382 CIC/1983 stellt die Vornahme und den Empfang einer Bischofsweihe ohne päpstlichen Auftrag unter Strafe. Auf diese Weise soll die unberechtigte Bildung von Teilkirchen verhindert und die Einheit der römisch-katholischen Kirche sichergestellt werden.424 Aufgrund seiner Relevanz für die Gesamtkirche ist c. 1382 CIC/1983 als Straftatbestand einzuordnen. Gleichermaßen verhält es sich mit c. 1387 CIC/1983 (Verführung eines Pönitenten) und c. 1388 CIC/1983 (Verletzung des Beichtgeheimnisses). Durch diese Canones soll das Bußsakrament sowie das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Beichtvater und Pönitent geschützt werden.425 Aufgrund der Berührung der Interessen des außerhalb des Klerus stehenden Pönitenten kann insoweit nicht mehr von einer bloßen Disziplinarbestimmung gesprochen werden. Die Straftatbestimmungen stellen jedoch im Titel III die Minderheit dar: Die Canones 1378, 1379, 1380, 1383 CIC/1983 ahnden pflichtwidriges Verhalten im Rahmen der kirchendienstbezogenen Sakramentenspendung.426 Durch diese Normen soll „nur“ die ordnungsgemäße Dienstausübung durch Personen, die aufgrund ihres Amtes oder Dienstes über ein besonderes Näheverhältnis zur Kirche verfügen, sichergestellt werden,427 ohne dass die Gesamtheit der Gläubigen hiervon berührt würde. Da lediglich die Dienststellung betroffen wird428, sind diese als disziplinarrechtliche Vorschriften einzustufen. Die Canones 1384 (unrechtmäßige Ausübung einer priesterlichen Aufgabe oder eines anderen geistlichen Dienstes), 1389 § 1 CIC/1983 (Missbrauch kirchlicher Gewalt oder eines kirchlichen Dienstes) knüpfen nicht an eine spezifische Diensthandlung an, sondern ahnden in generalisierender Form die unrechtmäßige Erfüllung dienstlicher Pflichten und stellen damit die ureigenste Form einer typischen Disziplinarnorm dar. Die Höhe der Strafe wird in den Canones 1384, 1389 § 1 CIC/1983 nicht von Gesetzes wegen festgelegt und in c. 1384 CIC/1983 ist 422
Rees, Die Strafgewalt der Kirche, S. 82. Paarhammer, in: Lüdicke/Paarhammer/Binder (Hrsg.), Recht im Dienste des Menschen, S. 403 (408). 424 Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 167. 425 Ders., Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 170. 426 Vgl. ders., Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 165. 427 Paarhammer, in: Lüdicke/Paarhammer/Binder (Hrsg.), Recht im Dienste des Menschen, S. 403 (405); Scheuermann, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 203 (203). 428 Vgl. Paarhammer, in: Lüdicke/Paarhammer/Binder (Hrsg.), Recht im Dienste des Menschen, S. 403 (408). 423
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
die Strafverhängung zudem fakultativ. Auch im staatlichen Bereich weisen disziplinarrechtliche Vorschriften mangels Geltung des Art. 103 Abs. 2 GG nicht die Bestimmtheit auf, über die eine wirksame Strafnorm wegen Art. 103 Abs. 2 GG verfügen müsste.429 C. 1385 CIC/1983 sieht die disziplinarrechtliche Konsequenz des konkreten Verstoßes gegen die Dienstpflicht aus c. 947 CIC/1983 vor, wonach von einem Messstipendium jeglicher Schein von Geschäft oder Handel gänzlich fernzuhalten ist.430 Der Canon muss aufgrund seines spezifischen Dienstbezuges gleichermaßen als Disziplinarnorm angesehen werden. Anders als im staatlichen und evangelischen Disziplinarrecht wird im Bereich der römisch-katholischen Kirche oftmals der Tatbestand der Dienstpflichtverletzung nicht nur allgemein erfasst, sondern in eigenen Tatbeständen konkretisiert.431 Dies ändert nichts am disziplinarrechtlichen Charakter der entsprechenden Vorschriften, da diese ihrem Wortlaut und Sinn und Zweck nach die ordnungsgemäße Ausübung des Kirchenamtes gewährleisten sollen, um das Vertrauen der Gläubiger in die pflichtgemäße Amtserfüllung aufrechtzuerhalten. 432 (bb) Disziplinarnormen außerhalb des Titels III des Buches VI, Teil II Auch außerhalb des Titels III finden sich Bestimmungen, die einen Kleriker oder Ordensangehörigen als Täter voraussetzen (cc. 1392, 1394, 1395, 1396 CIC/ 1983), wobei es hier wiederum der Abgrenzung zu den Amtsdelikten bedarf. Sexualverbrechen, die durch Kleriker verübt werden, müssen in jedem Falle mit einer Kirchen- (und staatlichen Kriminal-)strafe geahndet werden (vgl. c. 1395 § 2 CIC/1983). Der Canon 1395 § 2 CIC/1983, wonach ein Kleriker mit gerechten Strafen belegt werden soll, der gegen das sechste Gebot des Dekalogs verstoßen hat, indem er die Straftat mit Gewalt, durch Drohungen, öffentlich oder an einem Minderjährigen unter achtzehn Jahren433 begangen hat, muss daher als echtes Amtsdelikt angesehen werden. Indem das Sexualverbrechen gegenüber einer anderen Person verübt wird, ist der kircheninterne Bereich verlassen und die erforderliche Außenwirkung gegeben. Die Allgemeinheit (der Gläubigen) und die 429 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I, § 2 Rn. 136; Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 168. 430 Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 168. 431 Ders., Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 171. 432 Ders., Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 165. 433 Wie bereits in Art. 4 § 1 Normae2001, wird in Art. 6 § 1 n ë 1 Normae2010 das Alter des minderjährigen Missbrauchsopfers von 16 (vgl. c. 1395 § 2 CIC/1983) auf 18 Jahre angehoben. Die Verjährungsfrist für die delicta graviora wurde von 5 (vgl. c. 1362 § 1 2 ë CIC/1983) zunächst auf 10 Jahre (Art. 5 § 1 Normae2001) und schließlich gem. Art. 7 § 1 Normae2010 auf 20 Jahre (vorbehaltlich der Derogation) erhöht. Die Frist beginnt gem. Art. 7 § 2 S. 2 Normae2010 mit dem Tag zu laufen, an dem der Minderjährige das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.
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Grundaussagen der katholischen Glaubenslehre werden hiervon so sehr berührt, dass eine bloße disziplinarrechtliche Ahndung hierzu außer Verhältnis stünde. Auch die Vorschrift des c. 1394 CIC/1983, wonach der Versuch der Eheschließung – wenn auch nur in ziviler Form – durch einen Kleriker (§ 1) bzw. einen Ordensangehörigen (§ 2) unter Strafe gestellt wird, muss als Straftatbestand angesehen werden. Aus Sicht der römisch-katholischen Kirche und der Gesamtheit der ihr angehörenden Gläubigen gehört das Zölibat zu den existentiellen Grundlagen des Amtes der Kleriker. Darüber hinaus betrifft das Eingehen einer Ehe den höchstpersönlichen Lebensbereich eines jeden Menschen, so dass der Kleriker bzw. Ordensangehörige in seiner Rechtsstellung als Person und nicht als Kirchendienstverpflichteter betroffen ist. Es fehlt daher am spezifischen Dienstbezug. Aus demselben Grunde stellt auch c. 1395 § 1 CIC/1983, nach dem ein Kleriker bestraft werden soll, wenn er in einem eheähnlichen Verhältnis lebt oder in einer anderen äußeren Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs verharrt und dadurch Ärgernis erregt, eine Strafnorm dar. Demgegenüber handelt es sich bei c. 1392 CIC/1983, wonach Kleriker oder Ordensleute bestraft werden, die entgegen den kanonischen Vorschriften Handel oder Gewerbe betreiben, wiederum um eine Disziplinarnorm. Der spezifische Dienstbezug ist insoweit gegeben, als sich das Tätigwerden im Kirchen- bzw. Ordensamt und das wirtschaftliche Handeltreiben dienstrechtlich gegenseitig ausschließen. Darüber hinaus stellt der Betrieb eines Handels oder Gewerbes keine derart schwerwiegende Handlung dar, dass hiervon auch die Gesamtheit der Gläubigen oder die Grundlagen der Kirche erschüttert würden. Gleichermaßen verhält es sich mit c. 1396 CIC/1983. Gem. c. 1396 CIC/1983 soll derjenige mit einer gerechten Strafe belegt werden, der die Residenzpflicht schwer verletzt hat, an die er aufgrund eines Kirchenamtes gebunden ist. Hierbei handelt es sich um eine typische disziplinarrechtliche Vorschrift, da die Residenzpflicht allein den innerkirchlichen Dienstbereich und die gebotene ordnungsgemäße Dienstausübung durch Seelsorge vor Ort betrifft, die Gesamtheit der Gläubigen jedoch unberührt lässt. (c) Die faktische Entwicklung des kirchlichen Strafrechts zu einem Disziplinarmittel Auch wenn einige Normen im Buch VI, Teil II verbleiben, denen der strafrechtliche Charakter nicht aberkannt werden kann, kommen diese in der Praxis nur in äußerst geringem Umfang zur Anwendung.434 De facto hat sich das kirchliche Strafrecht zu einem bloßen „Mittel zur Disziplinierung“ 435 derjenigen Kleriker entwickelt, die ihre Amtspflichten schwerwiegend verletzt haben. Gegen434 Listl, in: Kämper/Pfeffer (Hrsg.), Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Band 19, S. 9 (28). 435 Ders., in: Kämper/Pfeffer (Hrsg.), Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Band 19, S. 9 (28).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
über gläubigen Laien werden Strafmittel kaum angewandt. In der römisch-katholischen Kirche wird meist der väterliche Zuspruch oder die Ermahnung der strafrechtlichen Ahndung eines Fehlverhaltens vorgezogen, da dies ihrem Ideal als Heilsgemeinschaft mehr entspricht.436 (d) Zwischenergebnis In dem disziplinarischen Charakter des kirchlichen Strafrechts – sei es in dogmatischer Hinsicht, sei es in der praktischen Handhabung – zeigt sich eine erneute Wesensverschiedenheit zum kirchlichen Strafrecht. Diese Wesensverschiedenheit wiederum bringt es mit sich, dass ein Konkurrenzverhältnis zwischen kirchlichem und staatlichem Strafrecht nur marginal aufzukommen vermag. (4) Die unterschiedliche Wirkungsweise staatlicher und kirchlicher Sanktionen Die Strafgewalten des Staates bzw. der Kirche unterscheiden sich darüber hinaus grundlegend in der Funktionsweise der verhängten Sanktionen, welche jeweils einen verschiedenen Wirkbereich betreffen. Die Strafgewalt der Kirche beruht anders als die Strafgewalt des Staates auf dem Gebot der Freiwilligkeit. Von der kirchlichen Strafgewalt werden anhand einer systematischen Betrachtung der cc. 1, 11 CIC/1983 alle Christen erfasst, die in der römisch-katholischen Kirche getauft oder in diese aufgenommen worden sind. Der Geltungsbereich des kirchlichen Strafrechts endet nicht, wenn sich der Einzelne vom katholischen Glauben abkehrt.437 Diejenigen Personen, die sich vom katholischen Glauben abgewandt haben, werden die kirchlichen Strafen jedoch nicht mehr als Einbuße empfinden438, da diese ihre Wirkung allein im religiösen Bereich zeigen und auf das allgemeine gesellschaftliche Leben meist ohne Einfluss sind. Der von der Kirche intendierte Strafzweck kann durch die bloß äußere Verbüßung der Strafe ohne innere Empfindung eines Wertverlusts nicht erreicht werden.439 Daher haben die von der Kirche ausgesprochenen Strafen nur gegenüber solchen Tätern effektive Wirksamkeit, welche die Kirche als bedeutsam für ihr Leben anerkennen.440 Das Strafrecht der römisch-katholischen Kirche hängt von der freiwilligen Befolgung der verhängten Strafe durch die Gläubigen ab und erreicht seinen Zweck, wenn diese eine auf den geistlichen Bereich 436 Ders., in: Kämper/Pfeffer (Hrsg.), Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Band 19, S. 9 (29). 437 Strigl, in: Scheuermann/May (Hrsg.), Ius sacrum, S. 817 (828); Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1311 Rn. 5. 438 Schwendenwein, Das neue Kirchenrecht, S. 447. 439 Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 23. 440 Müller, ThPQ 2011, 61 (66).
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bezogene Strafe aufgrund ihres Glaubens als Wertverlust empfinden und deshalb zu glaubensgetreuem Verhalten zurückkehren. Eine Vollstreckung der verhängten Strafen gegen den Willen des Betroffenen kommt mangels kirchlicher Exekutivorgane, welche physische Gewalt ausüben könnten, nicht in Betracht.441 Dem gegenüber steht die staatliche Strafgewalt, die zwingende Geltung gegenüber jedermann beansprucht und die kraft des staatlichen Gewaltmonopols notfalls auch im Wege des Zwangs durchgesetzt werden kann. Weder der Staat noch der Verletzte darf über die staatliche Strafgewalt disponieren. Das Gebot der freiwilligen Unterwerfung unter die Strafe sowie die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Strafe durch Glaubensabkehr aufzuheben, ist dem staatlichen Strafrecht wesensfremd. (5) Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, dass in den überwiegenden Fällen kein Kompetenzkonflikt zwischen der staatlichen und der kirchlichen Strafgewalt eröffnet wird. Mangels sachlicher Überschneidungen hinsichtlich der Strafnormen und der möglichen Strafen kommt es in weiten Bereichen nicht einmal zu Berührungen zwischen der kirchlichen und der staatlichen Strafgewalt. Hinzu kommt, dass die kirchliche Strafgewalt äußerst zurückhaltend ausgeübt wird und viele kirchliche Normen lediglich disziplinarischen Charakter aufweisen. Auch der Charakter der Freiwilligkeit des kirchlichen Strafrechts findet im staatlichen Strafrecht kein Äquivalent. cc) Konkurrierende Zuständigkeit staatlicher und kirchlicher Gerichte beim Vorliegen von res mixtae In den wenigen Fällen, in denen eine Konkurrenzsituation auftritt, sind die staatlichen und die kirchlichen Gerichte parallel zuständig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Rechtsprechungsmonopol staatlicher Gerichte gem. Art. 92 GG (1) und der von c. 1401 n ë 2 CIC/1983 im Wortlaut angesprochenen „ausschließlichen“ Zuständigkeit kirchlicher Gerichte für die Verhängung von Kirchenstrafen (2). (1) Rechtsprechungsmonopol aus Art. 92 GG Die staatliche Strafgewalt entwickelte sich historisch mit dem Bestreben, die im Mittelalter vorherrschende Privatfehde abzuschaffen. Dieses Ziel konnte wirksam allein durch eine „Monopolisierung der Strafgewalt beim Staat“ 442 erreicht werden. Durch den ausschließlichen Charakter der staatlichen Strafgewalt unter 441 442
Ders., ThPQ 2011, 61 (66). Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 1 Rn. 2.
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Verdrängung der Selbstjustiz wurden Rechtsfrieden hergestellt und der Schutz der Bürger ausreichend gewährleistet.443 Das staatliche Gewalt- und Strafmonopol geht mit einem staatlichen Rechtsprechungsmonopol einher, da in der Gerichtsbarkeit eine Form der Umsetzung staatlicher Gewalt zu sehen ist. Die Ausübung der staatlichen Strafgewalt ist gem. Art. 92 GG bei den staatlichen Gerichten (des Bundes oder der Länder) konzentriert (= Rechtsprechungsmonopol).444 Nach Art. 92 GG ist „die rechtsprechende Gewalt [. . .] den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.“ Die Strafrechtspflege gehört nach dem materiellen Rechtsprechungsbegriff traditionell zum Bereich der rechtsprechenden Gewalt i. S. d. Art. 92 Hs. 1 GG.445 Unter staatlichen Gerichten i. S. d. Art. 92 GG versteht man eine Gerichtsbarkeit, die in Ausübung unmittelbarer oder mittelbarer Staatsgewalt tätig wird.446 Kirchliche Gerichte sind keine staatlichen Gerichte i. S. d. Art. 92 GG.447 Die Kirche ist gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG vom Staat getrennt und sie übt trotz ihres Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts grundsätzlich keine mittelbare staatliche Gewalt aus, da ihr dieser Status allein aus Prestigegründen, nicht jedoch zum Zwecke der Eingliederung in den Staat verliehen wurde.448 Kirchliche Gerichte weisen zudem nicht die für die Gerichtseigenschaft i. S. d. Art. 92 GG erforderliche Neutralität und Unabhängigkeit auf und sind mangels Vollstreckbarkeit ihrer Entscheidungen nicht mit der Effektivität des staatlichen Rechtsschutzes vergleichbar.449 Kirchliche Gerichte ähneln vielmehr privaten Gerichten. Unter privaten bzw. kirchlichen nicht-staatlichen Gerichten versteht man eine Gerichtsbarkeit, die unter der Trägerschaft von nichtstaatlichen Personen steht und deren Tätigkeit sich bei der Ausführung durch staatlich ernannte Richter als Rechtsprechung darstellen würde.450 443
Vgl. dies., Strafverfahrensrecht, § 1 Rn. 2. Appel, Verfassung und Strafe, S. 23. 445 Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 92 Rn. 6; Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 35. 446 Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 87; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 49; Classen, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 92 Rn. 38; Achterberg, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 92 Rn. 156, 159. 447 Angedeutet in BVerfG, NJW 1999, 349 (349 f.). 448 Achterberg, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 92 Rn. 171. 449 Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 224; Mikat, in: ders. (Hrsg.), Religionsrechtliche Schriften, S. 29 (93); Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 17; Ehlers, ZevKr 2004, 496 (504). 444
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Dem Wortlaut des Art. 92 GG kann weder die Zulässigkeit noch die Unzulässigkeit der privaten bzw. nicht-staatlichen kirchlichen Gerichte entnommen werden, da Art. 92 GG keinerlei Regelung bezüglich der privaten Gerichtsbarkeit trifft.451 Durch Art. 92 GG wird lediglich verdeutlicht, dass die staatliche Rechtsprechung allein den staatlichen Gerichten zukommt. Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Verfassungsgeber die schon vorkonstitutionell bestehenden nicht-staatlichen Gerichte mit Erlass des Art. 92 GG aufheben wollten.452 Zwar sollte „die Rechtspflege vornehmlich eine staatliche Aufgabe“ 453 sein. Die freie Wahl beispielsweise der Schiedsgerichtsbarkeit sollte aber nicht abgeschafft werden, solange dies nicht „zu einer Aushöhlung der staatlichen Gerichtsbarkeit führt“ 454. Die von Art. 92 GG unberührte Zulässigkeit nicht-staatlicher Gerichte wird auch durch die Rechtswirklichkeit bestätigt. Die Schiedsgerichte, die speziellen Parteischiedsgerichte, die Sportverbandsgerichte, die übrigen Verbands- und Vereinsgerichte sowie die Kirchengerichte sind allgemein anerkannt und haben zum Teil in den §§ 1029 ff. ZPO, 4, 101 ff. ArbGG, 14 PartG eine staatliche gesetzliche Regelung erfahren. Die Kirchengerichtsbarkeit findet ihre Grundlage innerhalb des Staatskirchenrechts als Bestandteil des verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV.455 Bei den privaten Schiedsgerichten beruht die Wirksamkeit der Entscheidung auf der freiwilligen Unterwerfung der Parteien unter den Schiedsspruch.456 Die Zulässigkeit privater Gerichte im zivilrechtlichen Bereich wird aus den Grund450 Achterberg, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 92 Rn. 173. 451 BGHZ 65, 59 (61); Classen, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 92 Rn. 41; Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 87; Detterbeck, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 28; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 92 Rn. 6; Wilke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, S. 633 (677); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 50. 452 Abg. Dr. De Chapeaurouge, PR, Rechtspflegeausschuss, StenPRot. Der 3. Sitzung vom 22. Oktober 1948, abgedruckt in: Schneider (Hrsg.), Das Grundgesetz Dokumentation seiner Entstehung, S. 252 f.; Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 87. 453 Vors. Zinn, StenProt. Der 3. Sitzung vom 22. Oktober 1948, abgedruckt in: Schneider (Hrsg.), Das Grundgesetz Dokumentation seiner Entstehung, S. 253. 454 Abg. Dr. De Chapeaurouge, PR, Rechtspflegeausschuss, StenPRot. Der 3. Sitzung vom 22. Oktober 1948, abgedruckt in: ders., Das Grundgesetz Dokumentation seiner Entstehung, S. 252. 455 Wilke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, S. 633 (678); Schliemann, NJW 2005, 392 (392). 456 Stelkens/Panzer, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, § 1 VwGO Rn. 21; Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 88.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
rechten, namentlich aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie bzw. specialiter aus Art. 9 Abs. 1, 12 Abs. 1 bzw. Art. 21 Abs. 1 GG entnommen.457 Anders verhält es sich im Bereich der Strafgerichtsbarkeit. Eine privatautonome Vereinbarung zwischen dem Strafenden und dem zu Bestrafenden kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die staatliche Strafgewalt ist indisponibel. Dies muss auch gegenüber dem von Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG geschützten Recht zur Errichtung einer kircheninternen Gerichtsbarkeit gelten. Private und kirchliche Gerichte, welche staatliche Strafen verhängen, sind daher unzulässig. Die Durchsetzung der ihrem Wesen nach ausschließlichen Strafgewalt muss allein den staatlichen Gerichten zukommen.458 Die Konzentration auf staatliche Gerichte liegt auch darin begründet, dass der Staat nur durch die Gewährung einer eigenen Gerichtsbarkeit seiner aus Art. 92 GG und dem Rechtsstaatsprinzip459 abgeleiteten Justizgewährleistungspflicht nachkommen kann, die im Gegenzug zur (überwiegenden) Abschaffung von Selbsthilfe erforderlich war.460 Die Justizgewährung stellt ein Recht, aber auch eine Pflicht des Staates dar.461 Angesichts der institutionellen Trennung von Staat und Kirche muss der Säkularstaat die Durchsetzung seiner strafrechtlichen Justizgewährungspflicht ausschließlich seinem eigenen Funktionsbereich zuordnen und darf diese nicht zur Disposition der kirchlichen Gerichte stellen.462 Dies bedeutet jedoch nicht, dass durch Art. 92 GG die Existenz kirchlicher „Strafgerichte“ verboten wird. Eine derartige Auslegung des Art. 92 GG wäre mit der verfassungsrechtlichen Garantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts als Grundlage der kircheninternen (Straf-)Gerichtsbarkeit nicht vereinbar. Die kirchlichen „Strafgerichte“ stellen lediglich keine tauglichen Organe zur Ausübung der staatlichen rechtsprechenden Strafgewalt im Sinne des Art. 92 GG dar. Die Zulässigkeit privaten bzw. kirchlichen „Strafens“ bleibt von Art. 92 GG unberührt, da dieses nicht als Strafen im staatlichen Sinne angesehen werden kann.463 Die von den Kirchengerichten verhängten „Strafen“ sind keine staatlichen Kriminalstrafen. Ihnen fehlt das hierfür typische sozialethische Unwerturteil:464 Die strafrechtlichen Entscheidungen der Kirchengerichte können nicht 457 Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 87; Stober, NJW 1979, 2001 (2006 f.). 458 Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 89. 459 Peglau, NVwZ 1994, 564 (564). 460 Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 11. 461 Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, S. 35. 462 Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 164. 463 Classen, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 92 Rn. 45. 464 Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 89.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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„im Namen der Allgemeinheit“, sondern nur im Namen der Kirche ergehen.465 Ihre Wirkung beschränkt sich auf den glaubensbezogenen und kircheninternen Bereich (s. S. 81 ff.). Kirchengerichte verhängen zudem ausschließlich kirchliche Strafen, durch welche dem Verurteilten ein nach Glaubensgrundsätzen messbares Gut entzogen wird. Die Verurteilung des Täters durch ein kirchliches Gericht zu weltlichen Strafen kommt demgegenüber nicht mehr in Betracht. Die durch die Kirchengerichte ausgesprochenen „Strafen“ sind vergleichbar mit disziplinarischen Sanktionen, die durch Berufsgerichte verhängt werden (s. S. 85 ff.).466 Zwar stellen Letztere staatliche Gerichte dar467; die Auswirkung ihrer gefassten Entscheidungen beschränkt sich jedoch auf den beruflichen Bereich. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass auf dem Gebiet des staatlichen Strafrechts aus dem Gewaltmonopol auch ein staatliches Monopol auf Rechtsprechung folgt. Kirchliche Strafgerichte sind dennoch nicht verfassungswidrig. Ihre als „Strafe“ bezeichneten Sanktionen sind keine Kriminalstrafen im staatlichen Sinne, sondern stellen in der Kirchengemeinschaft vereinbarte Reaktionen auf den Verstoß gegen kirchenrechtliche Pflichten dar. Das staatliche Rechtsprechungsmonopol stünde daher nur einer strafrechtlichen Verurteilung des Angeklagten durch kirchliche Gerichte zu weltlichen Strafen anstelle von staatlichen Gerichten entgegen. Eine parallele kircheninterne Disziplinierung durch kirchliche Gerichte bleibt hiervon unberührt. Der staatliche Rechtsschutz wird insoweit durch die kirchliche Gerichtsbarkeit ergänzt, nicht verdrängt.468 (2) C. 1401 n ë 2 CIC/1983 Auch nach kanonischem Recht ist eine konkurrierende Zuständigkeit von staatlichen und kirchlichen Strafgerichten möglich. Dem steht auch nicht c. 1401 n ë 2 CIC/1983 entgegen, wonach die Kirche „kraft eigenen und ausschließlichen Rechts über die Verletzung kirchlicher Gesetze sowie über alle sündhaften Handlungen [entscheidet], soweit es dabei um die Feststellung von Schuld und um die Verhängung von Kirchenstrafen geht.“ Die bisherige Regelung des Prinzips der Prävention beim Vorliegen von ,res mixtae‘ gem. c. 1553 § 2 CIC/1917 wurde in die Nachfolgenorm des c. 1401 CIC/ 1983 nicht übernommen.469 Weitere Vorschriften zur Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses bei gemischten Straftaten wurden nicht erlassen. Dies bedeutet 465 Classen, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 92 Rn. 45. 466 Rostalski, RW 2015, 1 (24). 467 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 927. 468 Schliemann, NJW 2005, 392 (392). 469 May, in: Listl/Müller/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 953 (955).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
jedoch nicht, dass aus kirchenrechtlicher Sicht eine Doppelzuständigkeit von kirchlichen und staatlichen Gerichten nunmehr ausgeschlossen ist, wenn eine Straftat vorliegt, welche sowohl nach staatlichem als auch nach kirchlichem Recht strafrechtlich zu verfolgen ist (,res mixtae‘).470 C. 1553 § 2 CIC/1917 wurde lediglich wegen seiner geringen Wirksamkeit nicht erneut aufgegriffen,471 ohne dass damit die mögliche konkurrierende Zuständigkeit zwischen weltlichen und kirchlichen Gerichten inhaltlich abgeschafft werden sollte. Die Verfasser des CIC/1983 befanden, dass die parallele Zuständigkeit von kirchlichen und staatlichen Gerichten in der heutigen Zeit derart etabliert wäre, dass sich eine eigenständige Regelung hierzu erübrigen würde.472 Auch die in c. 1401 n ë 2 CIC/1983 angesprochene „Ausschließlichkeit“ (iure exclusivo) der Zuständigkeit des kirchlichen Gerichts zur Verhängung von Kirchenstrafen steht der parallelen Geltung von kirchlicher und staatlicher Strafgewalt nicht entgegen. Die Ausschließlichkeit ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass allein das kirchliche Gericht – anders als das weltliche Gericht – seine Entscheidung für den Bereich des kanonischen Rechts trifft. Nur das kirchliche Gericht urteilt über die Verletzung kirchlicher Gesetze und der hinter diesen stehenden Werte. Indem kirchliche Gerichte ihre Entscheidungen in ihrem eigenen Rechtsbereich fällen, kann insoweit untechnisch von einer exklusiven Entscheidungskompetenz gesprochen werden473, welche der Zuständigkeit staatlicher Gerichte für das Gebiet des staatlichen Rechts nicht entgegensteht. C. 1401 CIC/ 1983 will nichts anderes aussagen, als dass staatliche und kirchliche Gerichte „ihre Entscheidungen jeweils für ihren Rechtsbereich“ 474 allein treffen. Liegt somit eine Tathandlung vor, welche sich sowohl nach staatlichem als auch nach kirchlichem Recht als strafbar erweist, sind staatliche und kirchliche Gerichte konkurrierend zuständig.475 Dies ist beispielweise bei dem sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker der Fall. Durch das staatliche Strafgericht wird der Täter am Maßstab des staatlichen Strafrechts (§§ 174 ff. StGB) und mit Blick auf die weltliche Gemeinschaftsordnung bestraft; durch das kirchliche Gericht wird der Täter auf der Grundlage des CIC/1983 (c. 1395 § 2 CIC/1983) 470 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1401 Rn. 5. 471 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 258. 472 Siehe die Diskussion in der CIC-Reformkommission: Pontificia commissio codici iuris canonici recognoscendo (Hrsg.), Communicationes, S. 218. 473 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 258; a. A. Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1401 Rn. 5, der die Exklusivität technisch definiert und für den Fall von res mixtae der Kirche das in c. 1401 CIC/1983 normierte ius exclusivum abspricht. 474 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 258. 475 Weiß, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1648 (1651).
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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und unter Berücksichtigung der kirchlichen Gemeinde bestraft.476 Das Doppelbestrafungsverbot aus Art. 103 Abs. 3 GG gilt in diesem Verhältnis nicht. dd) Keine Geltung des Doppelbestrafungsverbots aus Art. 103 Abs. 3 GG im Verhältnis staatlicher und kirchlicher Gerichtsbarkeit Gem. Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden. Die allgemeinen Strafgesetze sind nicht als Gegenbegriff zum Nebenstrafrecht, sondern als Abgrenzung zum Disziplinar-, Ordnungsstraf- und Polizeistrafrecht zu verstehen.477 Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 3 GG. Die ursprüngliche Fassung des Art. 136 Abs. 2 des Herrenchiemseer Entwurfs, wonach „niemand [. . .] wegen derselben Tat zweimal gerichtlich bestraft werden“ dürfe, wurde verworfen, da der Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rates die Befürchtung hatte, dass mit einer derartigen Norm auch ein Nebeneinander von Kriminal- und Disziplinarstrafe ausgeschlossen wäre.478 Für den Fall, dass der Grundsatz ,ne bis in idem‘ dennoch in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte, schlug man die heutige Fassung des Art. 103 Abs. 3 GG vor und stellte ausdrücklich fest, dass der Gegenbegriff zu den allgemeinen Strafgesetzen das Dienst-, Ordnungs- und Polizeistrafrecht sei.479 Die allgemeinen Strafgesetze erfassen daher die staatlichen Kriminalstrafgesetze.480 Bei den kirchlichen Strafen handelt es sich nicht um Kriminalstrafen i. S. d. Art. 103 Abs. 3 GG. Wie bereits dargestellt, weist das kirchliche Strafrecht in weiten Bereichen Ähnlichkeiten zu einem bloßen Disziplinarrecht auf. Die kirchlichen Strafen unterscheiden sich von den weltlichen Strafen in ihrer Art, Zielsetzung und fehlenden Vollstreckbarkeit. Kirchliche Strafen entziehen dem Täter ein für den Glauben relevantes Gut und haben daher nur gegenüber solchen Personen
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Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 258. BVerfGE 21, 391 (401); 43, 101 (105); Nolte, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rn. 212; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 103 Rn. 80; Kunig, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 103 Rn. 41; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 103 Rn. 287; a. A. Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 103 Rn. 101 f., der auch das Ordnungswidrigkeitenrecht zu den allgemeinen Stragesetzen zählt; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rn. 83. 478 Doemming/Füsslein/Matz, JöR 1951, 741 (742); Fliedner, AöR 1974, 242 (247); Fliedner spricht sich jedoch im Folgenden (S. 251 f.) gegen die Aussagekraft der Entstehungsgeschichte in Bezug auf das Polizeistrafrecht aus, da dieses zur damaligen Zeit noch in das StGB eingegliedert war und keine Selbstständigkeit aufwies. 479 Doemming/Füsslein/Matz, JöR 1951, 741 (744). 480 BVerfGE 21, 378 (383 f.); 43, 101 (105); Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rn. 83. 477
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Wirkung, denen an der Kirche etwas liegt.481 Weltliche Strafen werden demgegenüber glaubensneutral verhängt und grundsätzlich von jedem als Einbuße empfunden. Aufgrund ihrer verschiedenen Wirkbereiche sind die kirchlichen und die staatlichen Strafen qualitativ andersartig. Der Sinn kirchlicher Strafen in Form der Rückbesinnung auf die christlichen Maßstäbe geht über den von den staatlichen Strafen verfolgten Zweck hinaus. Auch der hinter Art. 103 Abs. 3 GG stehende Normzweck bedingt keine Erstreckung des Anwendungsbereiches des Art. 103 Abs. 3 GG auf das Verhältnis zwischen dem kirchlichen und dem staatlichen Strafverfahren. Durch Art. 103 Abs. 3 GG sollen Konfliktlagen zwischen der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit zugunsten Letzterer entschieden werden.482 Der Einzelne soll nach einer für ihn positiven oder negativen rechtskräftigen strafrechtlichen Entscheidung nicht weiterhin damit rechnen müssen, erneut belangt zu werden. Ein derartiges Spannungsverhältnis kann zwischen der kirchlichen und der staatlichen Strafgewalt wegen der gänzlich verschiedenen Anknüpfungspunkte und Wirkbereiche nicht aufkommen. Der Täter muss diesbezüglich nicht mit einer doppelten Bestrafung, sondern allenfalls mit einer weiteren wesensmäßig verschiedenen Sanktionierung rechnen. Der Grundsatz ,ne bis in idem‘ aus Art. 103 Abs. 3 GG findet daher im Verhältnis zwischen Staat und Kirche keine Anwendung.483 Die Kirchengerichte können auf diese Weise die auch staatlicherseits geahndete Straftat zusätzlich mit einer kirchlichen Strafe belegen.484 Umgekehrt hindert die strafrechtliche Verfolgung durch ein Kirchengericht nicht die Aufnahme von Ermittlungen durch den Staat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine bereits erfolgte Verurteilung zu kirchlichen oder staatlichen Strafen von dem jeweils anderen Gericht unberücksichtigt bleiben muss. Der Codex Iuris Canonici hat diesen Fall ausdrücklich geregelt: Gem. c. 1344 n ë 2 CIC/1983 kann das kirchliche Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen von der Verhängung einer Strafe absehen oder eine mildere Strafe verhängen oder eine Buße auferlegen, wenn der Schuldige hinreichend von einer weltlichen Autorität bestraft worden ist oder diese Bestrafung vorauszusehen ist. Hieraus wird noch einmal deutlich, dass aus Sicht der Kirche die kirchliche und
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Müller, ThPQ 2011, 61 (66). Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 103 Rn. 98; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 103 Rn. 13; Nolte, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rn. 232, hebt die Eigenständigkeit des Grundrechts aus Art. 103 Abs. 3 GG in Abgrenzung zum Rechtsstaatsprinzip hervor. 483 Ling, JZ 2004, 596 (596); Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 258. 484 Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 313; Müller, ThPQ 2011, 61 (69). 482
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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die staatliche Strafgewalt selbstständig nebeneinander stehen und keine verdrängende oder ausschließliche Wirkung aufweisen. Die Kirche hat aber die Möglichkeit, über die Vorschrift des c. 1344 n ë 2 CIC/1983 ihre eigene Strafgewalt gegenüber der Strafgewalt des Staates zurückzunehmen. Demgegenüber darf der Staat seine Strafgewalt keinesfalls im Hinblick auf die mögliche Verhängung von kirchlichen Sanktionen zurücknehmen. Der Staat hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen gegen Kirchenangehörige, sobald ein auf ausreichenden Tatsachen fußender Anfangsverdacht besteht (§ 152 Abs. 2 StPO, Legalitätsprinzip). Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine nach weltlichen Maßstäben messbare kirchliche Strafe wie der Amtsentzug zumindest als ein Gesichtspunkt in die Strafzumessungserwägungen einfließen kann.485 ee) Zwischenergebnis Im Ergebnis stehen sich die Strafgewalt des Staates und der Kirche selbstständig als eigenständige Rechtsinstitute gegenüber, ohne dass ein Kompetenzkonflikt eröffnet wird. Es herrscht ein Verhältnis der Parallelität und nicht der Exklusivität. Insbesondere vermag die kirchliche Strafgewalt, welche auf dem Selbstbestimmungsrecht gründet, keinesfalls die staatliche Strafgewalt zu verdrängen. Die kirchliche Immunität in Form des privilegium fori ist nach heutiger Rechtslage abgeschafft. Nur die staatliche Strafgewalt ist mit dem exklusiven Gewaltmonopol ausgestattet und erweist sich als indisponibel und verpflichtend. Folglich sind auch die Kirchenangehörigen der staatlichen Strafgewalt unterworfen. In Fällen, in denen ein Sachverhalt sowohl nach staatlichem als auch nach kirchlichem Recht strafbar ist, sind staatliche und kirchliche Gerichte konkurrierend zuständig. Derartige Konstellationen sind als marginal zu bezeichnen, da sich das staatliche und das kirchliche Strafrecht grundlegend hinsichtlich ihrer Strafnormen, des Wirkbereiches und der Durchsetzbarkeit der verhängten Sanktionen sowie des Strafzwecks unterscheiden. Der parallelen Zuständigkeitskompetenz steht auch nicht das staatliche Rechtsprechungsmonopol aus Art. 92 GG entgegen, da von dessen Regelungsbereich allein die staatlichen und nicht die privaten Gerichte erfasst werden. Die staatlichen und die kirchlichen Gerichte treffen ihre strafrechtlichen Entscheidungen jeweils für ihren eigenen Rechtsbereich und mit Wirkung gegenüber der Allgemeinheit des Staatsvolks bzw. der Gläubigen. Das
485 Weltliche Disziplinarmaßnahmen werden bei der Strafzumessung im staatlichen Strafverfahren berücksichtigt: BVerfGE 21, 378 (388) zur Berücksichtigung einer disziplinaren Freiheitsstrafe bei der Strafzumessung; siehe genauer zur Beschränkung von Doppelsanktionen durch Disziplinar- und Kriminalstrafen: Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 103 Rn. 276 ff.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Doppelbestrafungsverbot aus Art. 103 Abs. 3 GG greift in diesem Verhältnis nicht, da die von den kirchlichen Gerichten verhängten Sanktionen nicht als Kriminalstrafen im Sinne des staatlichen Strafrechts anzusehen sind. Die beiden Strafgewalten werden daher grundsätzlich unabhängig voneinander ausgeübt. Allenfalls kann die kirchliche Strafgewalt gegenüber der staatlichen Strafgewalt nach pflichtgemäßem Ermessen des Richters gem. c. 1344 2 ë CIC/1983 zurücktreten, keinesfalls jedoch umgekehrt. Die Darstellungen haben verdeutlicht, dass das staatliche Strafrecht auch Geltung gegenüber Katholiken und dem katholischen Klerus beansprucht. Um des Funktionierens des Gemeinwesens willen darf bei der Geltung der staatlichen Strafgewalt keine Ausnahme für die Kirche geschaffen werden, da andernfalls der Schaffung rechtsfreier Räume Vorschub geleistet würde. „Die Kirchen sind kein Staat im Staat.“ 486 Für die hier zu erörternde Frage der Anwendbarkeit des Untreuestraftatbestandes im kirchlichen Bereich folgt aus den Darstellungen in Kapitel II, dass die Strafgewalt der Kirche allein der Geltung staatlicher Strafnormen nicht entgegen zu stehen vermag. Im Rahmen von Kapitel III wird weiter zu erörtern sein, ob in Fällen, in denen zusätzlich hinsichtlich des von der jeweiligen Strafnorm erfassten materiellen Regelungsgehalts das Selbstbestimmungsrecht der Kirche tangiert wird, die staatlichen Strafnormen Anwendung finden können. 4. Keine Strafnorm zur Bestrafung der Untreue nach innerkirchlichem Recht Wurde soeben die Frage beantwortet, dass das staatliche Strafrecht nicht gegenüber dem kirchlichen Strafrecht zurücktritt, so muss dies erst recht für den Straftatbestand der Untreue gelten, da sich im kirchlichen Strafrecht keine Norm zur Bestrafung von Untreue findet und insoweit kein Kompetenzkonflikt eröffnet wird. a) Die Wesensmerkmale der Untreuestrafbarkeit gem. § 266 StGB Als Grundlage des Vergleichs von § 266 StGB mit den kanonischen Straftatbestimmungen sollen zunächst überblicksartig die Wesensmerkmale der Untreuestrafbarkeit gem. § 266 StGB dargestellt werden.
486 Frank, Interview mit Kirchenrechtler Professor Thomas Schüller „Die Bistumsleitung in Limburg muss Schadensersatz-Forderung stellen“ (26.07.2015) (http://www. ksta.de/politik/interview-mit-kirchenrechtler-professor-thomas-schueller–die-bistumslei tung-in-limburg-muss-schadensersatz-forderung-stellen–22630300) (geprüft am 01.04. 2018).
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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aa) Rechtsgut Das von § 266 StGB geschützte Rechtsgut stellt nach h. M. allein das individuelle Vermögen des Treugebers oder Geschäftsherrn dar.487 Nicht von § 266 StGB geschützt ist demgegenüber das individuelle Vertrauen des Vermögensinhabers in die Rechtschaffenheit des Täters488 oder das kollektive Vertrauen in die Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs489, da der Vertrauensbruch lediglich das Angriffsmittel darstellt, welches zur Schädigung des Schutzgutes des Vermögens führt.490 Vom Schutzbereich des § 266 StGB wird ferner nicht die Dispositionsbefugnis des Vermögensinhabers erfasst.491 Zwar zählt der BGH neuerdings die „Möglichkeit zur Disposition über das eigene Vermögen [. . .] zum Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition“ 492. Hiermit geht jedoch nicht notwendigerweise eine Erweiterung des Rechtsguts des § 266 StGB einher. Der BGH traf diese Feststellung im Rahmen der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils, welches nach dem Verschleifungsverbot493 strukturell von der Tathandlung zu unterscheiden ist. Die Entscheidung des BGH kann ohne Ausweitung des von § 266 StGB geschützten Rechtsguts dahingehend interpretiert werden, dass der endgültige Entzug sämtlicher Möglichkeiten zur Disposition über sein eigenes Vermögen zum faktischen Ausscheiden des vormaligen wirtschaftlichen Wertes aus dem Vermögen des Treugebers führt und hierin der 487 BVerfGE 126, 170 (200); BGHSt 43, 293 (297); 47, 295 (301); BGH, NJW 2000, 154 (155); BGH, NJW 2006, 522 (525); BGH, NJW 2011, 88 (91); Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 2; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 1; Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 2; Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 1; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 1; Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 23; Jahn/Ziemann, in: Leitner/Rosenau (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 266 Rn. 4; Waßmer, in: Graf/Jäger/Wittig (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 266 Rn. 9. 488 So aber Luthmann, NJW 1960, 419 (420). 489 So aber Dunkel, GA 1977, 329 (334 f.). 490 BVerfG, NJW 2010, 3209 (3212); Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 2.1; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 1; Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 23; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 3; Rönnau, ZStW 2007, 887 (890); Jahn/Ziemann, in: Leitner/Rosenau (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 266 Rn. 4. 491 BGHSt 43, 293 (297); 47, 295 (301); BGH, NStZ 2011, 520 (521); Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 1; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 1; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 1; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 2; Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 1. 492 BGHSt 52, 323 (339). 493 BVerfGE 126, 170 (198, 211); Saliger, ZStW 2000, 563 (569 f.); Saliger, NJW 2010, 3195 (3197).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
zu bestimmende Vermögensnachteil zu sehen ist.494 Maßgeblich ist darauf abzustellen, dass infolge des Entzugs jeder faktischen Dispositionsmöglichkeit ein endgültiger Vermögensverlust eingetreten ist. Eine bloße Beschränkung der Dispositionsmöglichkeit ohne vollumfängliche Aushöhlung des Vermögens vermag im Rahmen des § 266 StGB nicht zur Strafbarkeit zu führen. bb) Unrechtsstruktur Der Strafgrund der Untreue lässt sich anhand einer Abgrenzung495 zu den Straftatbeständen des Betrugs und der Erpressung verdeutlichen. Während die §§ 266, 253, 263 StGB mit dem Erfordernis eines Vermögensschadens bzw. -nachteils dasselbe Erfolgsunrecht beinhalten, unterscheiden sie sich grundlegend in ihrem Handlungsunrecht. Durch die §§ 253, 263 StGB wird das Vermögen vor den Angriffsmodalitäten des Zwangs (§ 253 StGB) bzw. der Täuschung (§ 263 StGB) geschützt. Hierbei handelt es sich um Angriffe „von außen“ 496, da die Tatbegehung kein rechtliches oder anderweitig begründetes Verhältnis des Täters zum Vermögen des Opfers voraussetzt.497 Anders verhält es sich im Bereich der Untreue: Hier schädigt der Täter fremdes Vermögen kraft der ihm vom Vermögensträger zugestandenen besonderen Herrschaftsposition „von innen heraus“ 498.499 Die Tatbestandsalternativen der Missbrauchs- bzw. der Treuebruchsuntreue unterscheiden sich insoweit nur in der Art der verliehenen Machtstellung.500 Der zivilrechtliche Schutz des Vermögensinhabers gegenüber dem Täter erweist sich als nicht ausreichend, da gerade die zivilrechtlich wirksame Rechtsübertragung im Außenverhältnis im Falle des Missbrauchstatbestandes zum Vermögensverlust zulasten des Treugebers führt und damit zum probaten Mittel der 494 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 4 f.; Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 1; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 1. 495 Den Vergleich zu den §§ 253, 263 StGB nehmen ebenfalls vor: Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 20; Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, 27 f.; Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 87; Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, S. 397 (zum damaligen Missbrauchstatbestand). 496 Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 20. 497 Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 87. 498 BVerfG, NJW 2010, 3209 (3212); Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 21; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 2; vgl. Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 3; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 3. 499 Sax, JZ 1977, 663 (666 f., 702 ff.); Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 21. 500 Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 21.
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Tathandlung wird.501 Aus diesem Grunde ist die strafrechtliche Ahndung zum effektiven Schutz des Rechtsguts des Vermögens „sola ratio“ und damit „ultima ratio“.502 Die Strafwürdigkeit der Untreue besteht vornehmlich darin, dass das Opfer durch die Einräumung der Machtposition und des damit einhergehenden Abbaus von Sicherungen die Möglichkeit zur Schädigung und so die Gefährlichkeit des Täters erhöht.503 Das Vermögen wird gerade durch denjenigen geschädigt, der durch die eingeräumte Dispositionsmacht „zum Schutz des Vermögens bestellt [. . .]“ 504 wurde. Der Unrechtsgehalt der Untreue ist daher in der pflichtwidrigen und vermögensschädigenden Aushöhlung einer inneren besonderen Machtposition über fremdes Vermögen zu sehen.505 cc) Verhältnis der Tatbestandsalternativen Als Tathandlung ist der Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB von dem Treuebruchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB abzugrenzen. Nach der sog. streng monistischen Lehre stellt der Missbrauchstatbestand einen „ausgestanzte[n] Unterfall“ 506 des Treuebruchstatbestandes dar, weil auch § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB das Vorliegen einer mit § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB inhaltlich kongruenten Vermögensbetreuungspflicht voraussetzt.507 Hierfür spricht der Wortlaut508 des Relativsatzes „dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“, der sich ausweislich seiner systematischen Stellung am Ende und seines sprachlichen Zusammenhangs mit dem unstreitig für beide Alternativen erfor501
Vgl. ders., in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 20. Ders., in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 1. 503 Vgl. Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 3; ders., Parteiengesetz und Strafrecht, S. 27; Labsch, Jura 1987, 343 (344). 504 Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 1; vgl. auch Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, S. 397. 505 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 3; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 3; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 2; Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 26 f. 506 Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 5; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 7; vgl. Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 6a; Waßmer, in: Graf/Jäger/Wittig (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 266 Rn. 29. 507 BGHSt 24, 386 (387); 33, 244 (250); 47, 187 (192); 50, 331 (342); Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 31; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 6; Heger, in: Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 4; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 17; Waßmer, in: Graf/Jäger/Wittig (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 266 Rn. 29. 508 Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 31; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 6; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 20 Rn. 750; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 11. 502
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derlichen Vermögensnachteil sowohl auf den Missbrauchs- als auch den Treuebruchstatbestand beziehen muss. Ferner dient das Erfordernis der Vermögensbetreuungspflicht auch im Rahmen des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB als Mittel zur Restriktion des (weiten) Tatbestandes.509 Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht erweist sich als das charakteristische Element der Untreuestrafbarkeit und angesichts des gleichlautenden Wortlauts besteht kein Grund, die Anforderungen an das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht bei den Tatbestandsalternativen unterschiedlich zu definieren.510 § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB ist daher lex specialis zu § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB.511 dd) Täterstellung in Form des Vorliegens einer Vermögensbetreuungspflicht Beide Tatbestandsalternativen der Untreue setzen als qualifizierte Täterstellung die inhaltlich identische Vermögensbetreuungspflicht des Handelnden voraus. § 266 StGB ist daher als echtes Sonderdelikt zu qualifizieren.512 Mögliche Entstehungsgründe der Vermögensbetreuungspflicht sind im Rahmen des Missbrauchstatbestands das Gesetz, ein behördlicher Auftrag oder ein Rechtsgeschäft, wobei mehrere Entstehungsgründe zusammenfallen können.513 Für den Treuebruchstatbestand kommt darüber hinaus ein faktisches Treueverhältnis als Entstehungsgrund in Betracht.514 In Bezug auf § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB ergibt sich dies explizit aus dem Wortlaut des Gesetzes, welches von der dem Täter „kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende[n] Pflicht“ spricht. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB nennt lediglich die Entstehungsgründe der „eingeräumte[n] Befugnis“ (Gesetz, behördlicher Auftrag, Rechtsgeschäft). Da im Bereich des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht jedoch gerade durch den Missbrauch der Befugnis erfolgt, zeichnet sich die Rechtsstellung des Täters durch eine Korrelation von Rechten und Pflichten aus, welche jeweils aus denselben Entste509 Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 31; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 20 Rn. 750. 510 Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 20 Rn. 750; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 31; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 17. 511 Statt aller Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 7. 512 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 1; Kindhäuser, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 1. 513 Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 33; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 12; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 38; Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 29. 514 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 38; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 12.
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hungsgründen herrühren.515 Aus diesem Grunde sind § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB auch implizit die Grundlagen der Vermögensbetreuungspflicht für den Missbrauchstatbestand zu entnehmen. Der genaue Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB, der von der Wahrnehmung bzw. Betreuung „fremder Vermögensinteressen“ spricht. Hieraus lässt sich lediglich die geforderte Fremdnützigkeit516 der Geschäftsbesorgung des Untreuetäters in Abgrenzung zu einem „vertraglichen (= synallagmatischen) Leistungsaustausch“ 517 entnehmen. Das Tätermerkmal der Vermögensbetreuungspflicht dient der Restriktion des weiten Untreuetatbestandes und kann daher nicht schon bei der Verletzung einer Pflicht i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB erfüllt sein, die geforderte Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners zu nehmen.518 Ein bloßer Vertragsbruch soll gerade nicht unter Strafe gestellt werden.519 Um die besondere Machtstellung zu begründen, bedarf es vielmehr einer gegenüber dem Zivilrecht hervorgehobenen Verbundenheit.520 Die Rechtsprechung bestimmt die Vermögensbetreuungspflicht anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände.521 Maßgebliche Indizien für das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht sind dabei insbesondere „der Grad der Selbstständigkeit, der Bewegungsfreiheit und der Verantwortlichkeit des Verpflichteten“ 522. Bei der Vermögensbetreuungspflicht muss es sich zudem um eine typische Haupt- und nicht nur eine Nebenpflicht des fremdnützigen Geschäftsbesorgungsverhältnisses handeln.523 Die von der Rechtsprechung ferner genannten 515 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 38; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 40. 516 BGHSt 55, 298; BGH, NJW 1991, 2574 (2574); BGH, NStZ 2006, 38 (39); BGH, GA 1977, 18 (19); OLG Hamm, NStZ 2015, 213 (214) Saliger, in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 11; Dierlamm, in: Joecks/ Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 48; Perron, in: Eser/ Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 23b; Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 23. 517 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 97; dies., in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 30. 518 BGHSt 1, 186 (188); 5, 187; 6, 314 (317 f.); 22, 190 (191); 33, 244 (251); BGH, NJW 1953, 1600 (1601); statt aller Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 9, 12, 27. 519 BVerfGE 126, 170 (209). 520 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 27. 521 So bereits RGSt 69, 58; übernommen z. B. durch BGHSt 13, 315 (317). 522 BGH, NStZ 1983, 455 (455); vgl. auch BGHSt 3, 289 (294); 4, 170; 13, 315 (317 ff.); BGH, NJW 1991, 2574 (2574); BGH, NStZ 2006, 38 (39); nach der Literatur stellt die Selbstständigkeit nicht nur ein Indiz, sondern eine materielle Voraussetzung der Vermögensbetreuungspflicht dar: vgl. hierzu Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 59. 523 BGHSt 1, 186 (189); 22, 190 (191); 33, 244 (250); BGH, NJW 1985, 2280 (2282); BGH, NJW 2010, 2948 (2949); BGH, NJW 2013, 1615 (1615) Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 31.
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Kriterien der Dauer und des Umfangs524 haben darüber hinaus keine eigenständige Aussagekraft, da durch diese die „inhaltliche Qualität der Tätigkeit“ 525 des Handelnden nicht beeinflusst wird und andernfalls eine Untreuestrafbarkeit bei einer erstmaligen Geschäftsbesorgung ausscheiden müsste.526 Zusammenfassend bedeutet daher die Vermögensbetreuungspflicht die „Geschäftsbesorgung für einen anderen in einer nicht ganz unbedeutenden Angelegenheit mit einem Aufgabenkreis von einigem Gewicht und einem gewissen Grad von Verantwortlichkeit“ 527. ee) Tathandlungen (1) Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB Die Tathandlung des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB besteht in dem Missbrauch einer durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. Missbrauch meint dabei den nach außen wirksamen Gebrauch der eingeräumten vermögensbezogenen528 Rechtsmacht in Form von rechtsgeschäftlichem oder hoheitlichem Handeln unter gleichzeitiger Verletzung der Pflichten im Innenverhältnis.529 Das Wesensmerkmal des Missbrauchstatbestands besteht daher in der Divergenz zwischen dem „internen Dürfen und dem externen Können“ 530. Darüber hinaus muss durch den Befugnismissbrauch die Vermögensbetreuungspflicht des Täters verletzt werden (= Pflichtwidrigkeit).531 Die Vermögensbetreuungspflicht charakterisiert das zwischen Treugeber und Untreuetäter bestehende Innenverhältnis.532 Hieraus folgt, dass in dem Überschreiten des internen rechtlichen Dürfens (= Befugnismissbrauch) gerade die Verletzung der Vermö-
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BGHSt 13, 315; OLG Hamm, NJW 1972, 298 (301). Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 64. 526 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 11; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 31. 527 Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 20 Rn. 752; vgl. Saliger, JA 2007, 326 (327 f.). 528 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 29; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 47; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 19. 529 Statt aller Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 20 Rn. 753. 530 Statt aller Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 20 Rn. 753; vgl. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 17. 531 Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 40. 532 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 9. 525
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gensbetreuungspflicht liegen muss.533 Nicht jeder Verstoß gegen eine interne Pflicht begründet jedoch eine strafwürdige Pflichtwidrigkeit. Eine solche liegt unter Berücksichtigung des Wesens des Strafrechts als ,ultima ratio‘ nur dann vor, wenn sich die verletzte Pflicht nach Maßgabe einer strafrechtsautonomen Auslegung des § 266 Abs. 1 StGB als untreuerelevant erweist.534 Es besteht daher eine asymmetrische oder limitierte Akzessorietät zu den internen außerstrafrechtlichen Verhaltensregeln.535 (2) Treuebruchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB Die Tathandlung des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB besteht allein in der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (=Pflichtwidrigkeit). Die Voraussetzungen der Pflichtwidrigkeit sind beim Missbrauchs- und beim Treuebruchstatbestand identisch. Als lex generalis ist der Treuebruchstatbestand für den Fall anwendbar, dass die Vermögensbetreuungspflicht auf einem bloß faktisch begründeten Treueverhältnis beruht und/oder kein rechtswirksames Tätigwerden nach außen vorliegt. ff) Vermögensnachteil als tatbestandlicher Erfolg Infolge der jeweiligen Tathandlung (= Kausalität, objektive Zurechnung) muss es zum Eintritt eines Vermögensnachteils (= Erfolgsunrecht) zulasten des Vermögensinhabers kommen. Bei der Untreue handelt es sich um ein „reines Verletzungserfolgsdelikt oder Bestandsschutzdelikt“ 536. Der Terminus des Vermögensnachteils ist gleichbedeutend mit dem Begriff des Vermögensschadens im Rahmen des Straftatbestandes des Betruges gem. § 263 StGB.537 Der Vermögensnachteil ist daher anhand einer Gesamtsaldierung durch einen Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Befugnismissbrauch und/oder der Pflichtverletzung zu bestimmen.538 533 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 38; Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 126. 534 Kubiciel, NStZ 2005, 353 (357); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33 ff.; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 35. 535 Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 174; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 35; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 47; siehe ausführlich hierzu S. 240 ff. 536 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3214. 537 BGHSt 15, 342 (343 f.); Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 115; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 39; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 205; für eine einschränkende Auslegung des Nachteilsbegriffs: Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 67. 538 BGHSt 15, 342 (343 f.).
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gg) Vorsatz In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz bezüglich aller Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes erforderlich. Eine überschießende Innentendenz in Form einer Bereicherungsabsicht ist anders als im Rahmen des § 263 StGB nicht erforderlich. Aus diesem Grunde handelt es sich bei der Untreue um ein „reines Fremdschädigungsdelikt und kein Vermögensverschiebungsdelikt“ 539. b) C. 1377 CIC/1983 Das katholische kanonische Recht enthält keine mit § 266 StGB vergleichbare allgemeine Strafnorm der Untreue. C. 1377 CIC/1983, der die unerlaubte Veräußerung von Kirchengütern unter Strafe stellt, könnte jedoch einen Spezialfall erfassen, der auch nach staatlichem Recht eine strafbare Untreuehandlung darstellen würde. Hierzu müssen zunächst die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des c. 1377 CIC/1983 erläutert werden, um sodann den Vergleich zur Strafnorm des § 266 StGB ziehen zu können. aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen des c. 1377 CIC/1983 C. 1377 CIC/1983 weist folgenden Wortlaut auf: „Qui sine praescripta licentia bona ecclesiastica alienat, iusta poena puniatur. – Wer ohne die vorgeschriebene Erlaubnis Kirchenvermögen veräußert, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden.“ (1) bona ecclesiastica C. 1377 CIC/1983 setzt den kanonischen Begriff des Kirchenvermögens (bona ecclesiastica bzw. res ecclesiasticae) voraus, welcher in c. 1257 § 1 CIC/1983 eine nähere Konkretisierung erfährt. Hiernach ist „[j]edes Vermögen, das der Gesamtkirche, dem Apostolischen Stuhl oder anderen öffentlichen juristischen Personen in der Kirche gehört, [. . .] Kirchenvermögen, für [welches] die folgenden Canones sowie die eigenen Statuten gelten.“ Unter den Terminus des Kirchenvermögens bzw. Kirchenguts (,bona‘) fällt somit die Gesamtheit aller geldwerten Rechte, die einer öffentlichen juristischen Person des kanonischen Rechts zugehört.540 Das Vermögen juristischer Personen des staatlichen Rechts untersteht dahingegen den Vorschriften des weltlichen 539 Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 2; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 1. 540 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 80; Puza, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 538 (539); Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 7.
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Rechts, auch wenn das betroffene Vermögensgut z. B. durch die Satzung kirchlichen Zwecken gewidmet ist.541 Eine öffentliche juristische Person des kanonischen Rechts ist gem. c. 116 § 1 CIC/1983 eine „Gesamtheit [. . .] von Personen oder Sachen, die von der zuständigen kirchlichen Autorität errichtet [wird], damit sie innerhalb der für sie festgesetzten Grenzen nach Maßgabe der Rechtsvorschriften im Namen der Kirche die ihnen im Hinblick auf das öffentliche Wohl übertragene eigene Aufgabe erfüll[t]“. Für das Vermögen von privaten juristischen Personen des kanonischen Rechts gelten gem. c. 1257 § 2 CIC/1983 die jeweiligen Statuten, soweit der CIC/1983 nicht ausdrücklich anderes bestimmt. Das Kirchenvermögen darf jedoch nicht um seiner selbst willen existieren.542 Die Kirche nimmt die Vermögensfähigkeit für sich in Anspruch, um ihre eigenen Zwecke verwirklichen zu können (c. 1254 § 1 CIC/1983). Ihre Vermögensfähigkeit versteht die Kirche dabei als angeborenes Recht (,ius nativum‘), welches ihr kraft ihres Wesens ohne Verleihung als solcher zukommt.543 Auch wenn die Begriffsbestimmung in c. 1257 § 1 CIC/1983 nicht ausdrücklich die kirchliche Zweckbindung zur Voraussetzung erhebt, muss diese aus systematischen Gesichtspunkten als konstituierendes Merkmal des Kirchenvermögens angesehen werden, da sowohl die Kirche als auch die sonstigen öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts gem. cc. 1254, 116 § 1 CIC/1983 stets auf die der Kirche eigenen Zwecke ausgerichtet sind.544 Beispiele für kirchliche Zwecke können der nicht enumerativen Aufzählung des c. 1254 § 2 CIC/1983 entnommen werden: die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter, die Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen. (2) alienatio Durch c. 1377 CIC/1983 wird nicht jede rechtswidrige Veräußerung von Kirchengütern unter Strafe gestellt, sondern nur eine erlaubnisbedürftige ,alienatio‘, zu deren Vornahme die ,licentia‘ der zuständigen Gremien nicht eingeholt wurde.545 Insoweit knüpft c. 1377 CIC/1983 an die Erlaubnispflichten der cc. 1291, 1292, 1298 und 638 § 3 CIC/1983 an.546 Während sich die cc. 1291, 1292, 1298 541
Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 7 f. Dies., Kanonisches Recht Band IV, S. 11; Hense, KuR 2007, 168 (176). 543 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 11. 544 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 80; Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1254 Rn. 4. 545 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 2. 546 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 2; Coriden/Green/Heintschel, The Code of Canon Law, S. 924. 542
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
CIC/1983 als leges generales auf das Stammvermögen von öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts beziehen, gilt c. 638 § 3 CIC/1983 ausweislich der Überschrift des Titels II des Buches II, Teil III, Sektion I als lex specialis nur innerhalb von Ordensinstituten. Der Begriff der ,alienatio‘ wurde von dem Verb ,alienare‘ abgeleitet, welches die wörtliche Bedeutung von „entfremden“ 547 aufweist. Das Adjektiv ,alienus‘ ist zu übersetzen mit „fremd, einem anderem gehörig“ 548. Der Alienationsbegriff im engen Sinne erfasst folglich die rechtsgeschäftliche Übertragung eines (kirchlichen) vermögenswerten Rechtes auf einen anderen.549 Die ,alienatio‘ beinhaltet rechtstechnisch sowohl die schuldrechtliche causa als auch die dingliche Verfügung.550 Unter den Begriff der ,alienatio‘ fallen daher beispielsweise Kaufverträge sowie deren Erfüllung durch die dingliche Eigentumsübertragung, die Schenkung als causa und deren dinglicher Vollzug sowie die Forderungsabtretung als Verfügungsgeschäft.551 Die Straftat des c. 1377 CIC/1983 ist jedoch erst dann vollendet, wenn die Rechtsinhaberschaft der Kirche bzw. der jeweiligen kirchlichen juristischen Person durch dinglichen Vollzug endgültig erloschen ist.552 Die ,alienatio‘ ist von einem Rechtsgeschäft i. S. d. 1295 CIC/1983553 abzugrenzen, „durch das die Vermögenslage einer juristischen Person verschlechtert werden könnte“. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsgeschäft, „welche[s] für die betroffene kirchliche juristische Person eine vermögensrechtliche Verpflichtung, Belastung, Beschränkung oder Gefährdung mit sich bringen“ 554 kann – ungeachtet der tatsächlichen positiven oder negativen wirtschaftlichen Auswirkung des in Rede stehenden Geschäfts.555 Zwar gelten die Alienationsbestimmungen der cc. 1291–1294 CIC/1983 gem. c. 1295 CIC/1983 auch für sog. „[v]eräuße547
Stowasser/Petschenig/Skutsch, Stowasser, S. 28. Dies., Stowasser, S. 28. 549 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 301; Heinrichsmeier, Das kanonische Veräusserungsverbot im Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 22; Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 526; Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (193). 550 Heinrichsmeier, Das kanonische Veräusserungsverbot im Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 22; Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 526; Schnizer, Schuldrechtliche Verträge der katholischen Kirche in Österreich, S. 99. 551 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 301. 552 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 3. 553 C. 1295 CIC/1983: „Die in den cann. 1291–1294 aufgeführten Erfordernisse, denen auch die Statuten der juristischen Personen anzugleichen sind, müssen nicht nur bei einer Veräußerung, sondern auch bei jedem Rechtsgeschäft beachtet werden, durch das die Vermögenslage einer juristischen Person verschlechtert werden könnte.“ 554 Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (193). 555 Ders., in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (194). 548
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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rungsähnliche Rechtsgeschäfte“ 556. Durch die Bestimmung des c. 1295 CIC/ 1983 wird aber deutlich, dass es sich bei den veräußerungsähnlichen Geschäften rechtstechnisch nicht um eine ,alienatio‘ handelt, da es andernfalls der Geltungserweiterung in c. 1295 CIC/1983 nicht bedurft hätte.557 Darüber hinaus unterliegen Gesetze, die eine Strafe festsetzen, gem. c. 18 CIC/1983 einer engen Auslegung. Der Wortlaut einer Strafnorm stellt die äußerste Grenze der Auslegung dar, weshalb eine Auslegung nicht dergestalt vorgenommen werden darf, dass diese nicht mehr vom unmittelbaren Inhalt des Gesetzestextes gedeckt ist.558 Aus diesem Grunde darf bei der Strafnorm des c. 1377 CIC/1983 keine Erweiterung des Begriffs der ,alienatio‘ auf veräußerungsähnliche Rechtsgeschäfte i. S. d. c. 1295 CIC/1983 vorgenommen werden. Streitig ist, ob neben der vollständigen Rechtsübertragung auch die Einräumung eines Rechts an einem kirchlichen Gegenstand (z. B. durch dingliche Verfügung in Form einer Hypothek, Grundschuld, Reallast bzw. durch die Bestellung eines Nießbrauchs oder in schuldrechtlicher Hinsicht durch Vermietung, Verpachtung oder Verleihung) unter den Begriff der ,alienatio‘ zu subsumieren ist oder eine solche vielmehr den veräußerungsähnlichen Rechtsgeschäften i. S. d. c. 1295 CIC/1983 angehört. Für die Einordnung zu den ,alienationes‘559 spricht, dass die Einräumung einer Belastung gleichermaßen zu einem Rechtsverlust zulasten des kirchlichen Vermögens führt und die Veräußerungsbestimmungen der cc. 1290 ff. CIC/1983 zum Schutz des kirchlichen Stammvermögens aufgestellt wurden.560 Bei c. 1377 CIC/1983 handelt es sich jedoch um eine Strafnorm, die im Lichte der Regelung des c. 18 CIC/1983 zugunsten des Täters eng ausgelegt werden muss. Die ,alienatio‘ ist daher ihrem ursprünglichen Wortsinn nach auf die reine vollumfängliche Rechtsübertragung auf einen anderen zu beschränken.561 Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Partikularnorm Nr. 19 der Deutschen Bischofskonferenz zu cc. 1292 § 1, 1295 und 1297 CIC, worin die Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten durch Hypotheken, Grundschulden, durch die Bestellung und Belastung von Erbbaurechten sowie 556 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 304. 557 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 2. 558 Ling, JZ 2004, 596 (598). 559 So Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 301; Schnizer, Schuldrechtliche Verträge der katholischen Kirche in Österreich, S. 98. 560 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 72. 561 Im Ergebnis so auch Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (194); Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 71; Heinrichsmeier, Das kanonische Veräusserungsverbot im Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 22: Heinrichsmeier zählt Belastungen zwar zu den veräußerungsähnlichen Rechtsgeschäften, sieht jedoch die alienatio als Überbegriff für die alienatio im engen Sinne und deren Erweiterung in c. 1295 CIC/1983.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
der Abschluss von Miet- und Pachtverträgen ausdrücklich zu den veräußerungsähnlichen Rechtsgeschäften gezählt werden. (3) Erlaubnisbedürftigkeit Der Täter macht sich gem. c. 1377 CIC/1983 nur dann strafbar, wenn er eine erlaubnisbedürftige Veräußerung vornimmt, ohne die ,licentia‘ der zuständigen Autorität eingeholt zu haben. Aus diesem Grunde sollen im Folgenden die Fallgruppen der erlaubnisbedürftigen Veräußerungsgeschäfte dargestellt werden. (a) licentia Vorab muss der Begriff der ,licentia‘ rechtstechnisch definiert werden. ,Licentia‘ wird wörtlich als „Erlaubnis“ 562 übersetzt. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, ob es sich hierbei um das Erfordernis einer vorherigen (= Einwilligung nach staatlichem Recht, s. § 183 S. 1 BGB) oder einer nachträglichen Zustimmung (= Genehmigung nach staatlichem Recht, s. § 184 Abs. 1 BGB) handelt. Nach der Auslegungsregel des c. 17 CIC/1983 ist für die Auslegung einer Norm primär auf deren Wortlaut abzustellen. Erweist sich dieser wie hier als nicht eindeutig, kann wie im staatlichen Recht auf Parallelfundstellen, auf Umstände und Zweck des Gesetzes sowie auf den telos der Norm zurückgegriffen werden. In anderen Vorschriften des Codex Iuris Canonici wird die ,licentia‘ zum Teil explizit als vorherige Zustimmung aufgefasst (z. B. c. 828 CIC/1983: „nisi impetrata prius [. . .] licentia“, c. 1602 § 2 CIC/1983: „praevia [. . .] licentia“). Außerhalb der hier in Rede stehenden Vorschriften des Titels III in Buch V herrscht daher Einigkeit, dass die ,licentia‘ notwendig vor dem Handeln erteilt werden muss.563 Aus systematischen Gesichtspunkten könnte aus den oben genannten Normen gefolgert werden, dass auch in c. 1377 CIC/1983 und den diesen zugrunde liegenden Canones 1291 ff. CIC/1983 die ,licentia‘ als Einwilligung zu definieren ist und lediglich auf eine klarstellende Regelung hierzu verzichtet wurde. Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass die ,licentia‘ in c. 1377 CIC/1983 „entgegen dem sonstigen Sprachgebrauch des Codex“ 564 eine Gültigkeitsvoraussetzung der Veräußerung (c. 1291 CIC/1983: „ad valide alienda bona“) darstellt565, während die ,licentia‘ in anderen Vorschriften des CIC lediglich eine Unbedenklichkeitserklärung beinhaltet, ohne dass die zustimmende Au562
Stowasser/Petschenig/Skutsch, Stowasser, S. 295. May, AfkKR 1983, 31 (34); Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (189). 564 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1298 Rn. 5; vgl. Hense, KuR 2007, 168 (187). 565 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1298 Rn. 5; Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 244. 563
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torität sich mit dem betreffenden Handeln identifizieren und hierfür die Verantwortung übernehmen muss.566 Das Gültigkeitserfordernis in c. 1291 CIC/1983 ist insoweit von einer bloßen Erlaubheitsvoraussetzung abzugrenzen.567 In inhaltlicher Hinsicht entspricht die ,licentia‘ in den cc. 1291 ff., 1377 CIC/1983 vielmehr einem ,consensus‘ als einer zur Gültigkeit unabdingbaren Zustimmung, so wie dies auch für den Wortlaut der inhaltsgleichen Norm des c. 1035 § 1 3 ë CCEO (Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium) („consensus auctoritatis competentis scripto datus, sine quo alienatio invalida est“) gewählt wurde.568 Die Heranziehung des Terminus der ,licentia‘ im CIC geschah aus rein formalen Gründen, da die ,licentia‘ bei Zustimmungserfordernissen in den hier vorliegenden Subordinationsverhältnissen zur Anwendung gelangt, während ,consensus‘ die Mitwirkungspflicht von gleichgeordneten Stellen bezeichnet.569 Da aufgrund des Bedeutungsunterschieds aus den anderen Vorschriften kein Rückschluss auf die zeitliche Komponente der ,licentia‘ in den cc. 1291 ff., 1377 CIC/1983 gezogen werden kann, hat die Konzilskongregation am 17.05.1919 zu den Vorgängernormen der cc. 1530 ff. CIC/1917 eine Resolution erlassen.570 In dieser legte die Kongregation dar, dass eine fehlende ,licentia‘ zur rechtlichen Nichtigkeit der Veräußerung intra omnes führt.571 Eine Heilung durch nachträgliche Genehmigung komme wegen der „Nicht-Existenz“ des Rechtsgeschäfts nicht in Betracht.572 Infolge der Nichtigkeit habe der Rechtsakt nie existiert und könne daher auch nicht ex post durch Heilung in Kraft gesetzt werden („tandem actus nullus sanari non potest, qui non sanatur nisi illud quod exstitit; actus autem nullus nec exsistit nec exstitit umquam“).573 Eine spätere Zustimmung der zuständigen Autorität sei nicht als nachträgliche Genehmigung, sondern als erstmalige Einwilligung in das von neuem abzuschließende Rechtsgeschäft anzusehen.574 Anders als im staatlichen Recht, in dem bei Genehmigungsvorbehalten der Rechtsgedanke der schwebenden Unwirksamkeit nach der Vertretungsregel des § 177 Abs. 1 BGB herangezogen wird, hat sich die Konzilskongregation für eine unheilbare Nichtigkeit entschieden und den Antrag auf Kodifizierung einer Heilungsvorschrift abgelehnt.575 Die ,licentia‘ ist daher als vorgängige Zustimmung in Form einer Einwilligung zu definieren.576 566
May, AfkKR 1983, 31 (39). Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (189). 568 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1291 Rn. 7; Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 527 Fn. 1. 569 Mörsdorf, Die Rechtssprache des Codex Iuris Canonici, S. 88. 570 Sacra Congregatio Concilii, AAS 1919, 382 (387). 571 Dies., AAS 1919, 382 (383). 572 Dies., AAS 1919, 382 (384). 573 Dies., AAS 1919, 382 (383 f.). 574 Dies., AAS 1919, 382 (384). 575 Dies., AAS 1919, 382 (387). 567
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Das Ergebnis, wonach die ,licentia‘ nur vorab und nicht nachträglich erteilt werden kann, erscheint zumindest in Bezug auf die Strafnorm des c. 1377 CIC/ 1983 aus staatlicher Strafrechtsdogmatik zwingend. Nach dem staatlichem Strafrecht muss stets zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung feststehen, ob das Verhalten strafbar ist oder nicht. Eine nachträgliche Genehmigung des tatbestandlichen Verhaltens mit der Folge der Straflosigkeit infolge eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses wäre hiermit nicht zu vereinbaren.577 Ob die ,licentia‘ gem. c. 1293 CIC/1983 rechtmäßig erteilt wurde, hat auf die Strafbarkeit gem. c. 1377 CIC/1983 keinen Einfluss. Die Überprüfung der Veräußerung auf das Vorliegen eines gerechten Grundes (c. 1293 § 1 1 ë CIC/1983), einer ordnungsgemäßen Schätzung des Veräußerungsgegenstandes durch einen Sachverständigen (c. 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983) sowie auf ausreichende Sicherheitsvorkehrungen (c. 1293 § 1 n ë 3 CIC/1983) läge außerhalb der Kompetenzund Einsichtsmöglichkeiten eines unterhalb der Kirchenaufsicht stehenden Täters. C. 1377 CIC/1983 stellt daher allein auf die Existenz der ,licentia‘ ab, ohne dass es ihrer Überprüfung auf Rechtsmängel bedarf. (b) C. 1291 CIC/1983 Gem. c. 1291 CIC/1983 wird „[z]ur gültigen Veräußerung von Vermögensstücken, die durch rechtmäßige Zuweisung (,legitima assignatio‘) das Stammvermögen (,patrimonium stabile‘) einer öffentlichen juristischen Person bilden und deren Wert eine rechtlich festgesetzte Summe überschreitet, [. . .] die Erlaubnis der nach Maßgabe des Rechts zuständigen Autorität verlangt.“ C. 1291 CIC/1983 gilt entsprechend dem ausdrücklichen Wortlaut nur für öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts. Bestätigt wird dies durch eine Zusammenschau des c. 1291 CIC/1983 mit c. 1257 § 2 CIC/1983 e.c., wonach „[f]ür das Vermögen einer privaten juristischen Person [. . .] die eigenen Statuten [gelten], nicht aber die folgenden Canones, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.“ Für private juristische Personen des kanonischen Rechts werden zumeist in den Statuten eigene Regelungen hinsichtlich der Vermögensaufsicht „durch den Bischof oder [einen] sonstigen Oberen“ 578 erlassen.
576 Hense, KuR 2007, 168 (188); Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (189); Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 164; Ciprotti, Apollinaris 1937, 593 (594); a. A., aber ohne Begründung: Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 527. 577 BGHSt 50, 331 (342); 60, 94; OLG Hamm, NStZ 1986, 119 (119); statt aller: Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 21. 578 Puza, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1560 (1562).
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Die von c. 1291 CIC/1291 statuierte Erlaubnispflicht bezieht sich ferner nur auf das Stammvermögen (sog. ,patrimonium stabile‘). Durch die Anknüpfung der Erlaubnispflichten an das Stammvermögen erfasst auch die Strafnorm des c. 1377 CIC/1983 mangels weiterer Spezifizierung der in Bezug genommenen Kirchengüter (,bona ecclesiastica‘) nicht jegliches Kirchenvermögen, sondern nur das ,patrimonium stabile‘. Der Gesetzgeber des CIC/1983 hat den Begriff des ,patrimonium stabile‘ nicht eigens definiert. Aus c. 1285 CIC/1985, der von „bewegliche[m] Vermögen [spricht], das nicht zum Stammvermögen gehört“, wird deutlich, dass auch bewegliches Vermögen zum Stammvermögen zählen kann, nicht jedoch alle ,bona mobilia‘.579 C. 1291 CIC/1983 löst die Vorgängernorm des c. 1530 § 1 3 ë CIC/ 1917 ab, welche die Erlaubnisbedürftigkeit für Veräußerungen von all jenen beweglichen oder unbeweglichen kirchlichen Sachen als Gültigkeitsvoraussetzung vorsah, die durch Aufbewahrung erhalten werden können („res ecclesiasticas immobiles aut mobiles, quae servando servari possunt“).580 Mit dem Begriff des ,patrimonium stabile‘ sollte das ursprüngliche Verständnis des c. 1530 § 1 3 ë CIC/1917 aufrechterhalten bleiben.581 Da der Terminus jedoch vornehmlich der vorindustriellen Zeit entstammt, muss der durch die fortschreitende Ökonomisierung einhergehenden Erweiterung des Sachbegriffs auf unkörperliche und sich verflüchtigende Stoffe durch eine flexible und offene Auslegung Rechnung getragen werden.582 Es ist daher nicht mehr auf die Erhaltung der Identität von wirtschaftlichen Werten abzustellen, sondern auf die Bewahrung der „finanziellen Selbsterhaltungskraft einer kirchlichen juristischen Person im Hinblick auf die ihr eigenen Zwecke“ 583. Die Zugehörigkeit einer Sache zum ,patrimonium stabile‘ bemisst sich folglich danach, ob der Vermögenswert „zur bleibenden finanziellen Ausstattung“ 584 der kirchlichen juristischen Person zu zählen ist und durch einen entsprechenden Widmungsakt (,legitima assignatio‘) der zuständigen kirchlichen Autorität dem Stammvermögen zugewiesen wurde.585 Das ,patrimonium stabile‘ ist daher dahingehend zu definieren, dass hierzu alle Sachen zählen, „die widmungsgemäß zur bleibenden Ausstattung einer [juristischen Person] gehören und objektiv geeignet sind, in ihrem Wert in der Weise erhalten zu wer579
Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (190). Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1291 Rn. 1. 581 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 302. 582 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 302. 583 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 302; vgl. Pinto, Commento al codice di diritto canonico, S. 735. 584 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 302. 585 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 303; Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (192). 580
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
den, da[ss] durch ihren Gebrauchs- oder Ertragswert die [juristische Person] ihre Zwecke dauerhaft zu erfüllen vermag“ 586. Zum Stammvermögen zählen beispielsweise Immobilien, Kunstgegenstände und Reliquien sowie Geld, das durch Widmung zum Stammkapital bestimmt wurde.587 Vom ,patrimonium stabile‘ ist das ,patrimonium liberum‘ als das frei verfügbare Vermögen zu unterscheiden, welches zum Verbrauch gewidmet ist, der Befriedigung der alltäglichen bzw. der gewöhnlichen Bedürfnisse dient, und dessen Veräußerung keiner ,licentia‘ bedarf.588 (c) C. 1292 CIC/1983 Gem. c. 1291 CIC/1983 unterliegt die Veräußerung von Stammvermögen einer kirchlichen juristischen Person des öffentlichen Rechts nur dann der Erlaubnispflicht, wenn der Wert des betroffenen vermögenswerten Rechts eine bestimmte Summe überschreitet. Die hierfür maßgeblichen Wertgrenzen und die jeweils zuständigen Autoritäten sind c. 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 zu entnehmen: § 1. Unbeschadet der Vorschrift von can. 638 § 3 wird, wenn der Wert des Vermögens, dessen Veräußerung beabsichtigt ist, innerhalb der von der Bischofskonferenz für ihren Bereich festzulegenden Unter- und Obergrenze liegt, bei juristischen Personen, die nicht dem Diözesanbischof unterstehen, die zuständige Autorität in den eigenen Statuten bestimmt; sonst ist die zuständige Autorität der Diözesanbischof, welcher der Zustimmung des Vermögensverwaltungsrates und des Konsultorenkollegiums bedarf, sowie derjenigen, die davon betroffen sind. Ihrer Zustimmung bedarf der Diözesanbischof selbst auch zur Veräußerung von Diözesanvermögen. § 2. Handelt es sich jedoch um Sachen, deren Wert die Obergrenze überschreitet, oder um Sachen, die der Kirche aufgrund eines Gelübdes geschenkt worden sind, oder um künstlerisch oder historisch wertvolle Sachen, so bedarf es zur Gültigkeit der Veräußerung außerdem der Erlaubnis des Heiligen Stuhles.
Gem. c. 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 ist zwischen einer Unter- und einer Obergrenze zu unterscheiden. Liegt der Wert des zu veräußernden Vermögens unterhalb der Untergrenze ist die Veräußerung gem. c. 1292 § 1 CIC/1983 e.c. grundsätzlich589 nicht erlaubnisbedürftig.590 Handelt es sich dahingegen um Vermögen, deren Wert zwischen der Unter- und der Obergrenze einzuordnen ist, ist zur Vornahme der Veräußerung die Erlaubnis der nach c. 1292 § 1 CIC/1983 maßgeblichen Autorität erforderlich: Bei öffentlichen juristischen Personen, die nicht dem Diöze586 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 303. 587 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 303. 588 Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (192). 589 Eine Ausnahme stellt c. 1292 § 2 Var. 2–4 CIC/1983 dar, wonach die Veräußerung geschenkter und künstlerisch oder historisch wertvoller Sachen ungeachtet ihres Werts stets der zusätzlichen Erlaubnis des Heiligen Stuhls bedürfen. 590 Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (196).
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sanbischof unterstehen, wird diese in den eigenen Statuten bestimmt (c. 1292 § 1 S. 1 Hs. 1 CIC/1983). Untersteht die öffentliche juristische Person des kanonischen Rechs jedoch dem Diözesanbischof, ist dieser selbst für die Erteilung der Erlaubnis zuständig. Er hat dabei gem. c. 1292 § 1 S. 1 Hs. 2 CIC/1983 die Zustimmung des Vermögensverwaltungsrates, des Konsultorenkollegiums591 und gegebenenfalls der von der Veräußerung betroffenen Personen592 einzuholen. Die Bindung des Diözesanbischofs an die Zustimmung dieser Gremien gilt gem. c. 1292 § 1 S. 2 CIC/1983 auch bei der Veräußerung von Diözesanvermögen.593 Liegt der Wert des zu veräußernden Vermögensgegenstandes dahingegen über der Obergrenze (= sog. Romgrenze594), bedarf es gem. c. 1292 § 2 CIC/1983 überdies („insuper“) der Erlaubnis des Heiligen Stuhls. Ungeachtet des Wertes muss die Erlaubnis des Apostolischen Stuhls zusätzlich zur bischöflichen Erlaubnis gem. c. 1292 § 2 Var. 2–4 CIC/1983 ferner bei der Veräußerung von Sachen eingeholt werden, die der Kirche aufgrund eines Gelübdes geschenkt worden sind oder die als künstlerisch oder historisch wertvoll anzusehen sind. In diesem Zusammenhang ist auch c. 1190 §§ 2, 3 CIC/1983 zu beachten, wonach bedeutende Reliquien sowie besonders verehrte Bilder ohne Erlaubnis des Apostolischen Stuhls auf keine Weise gültig veräußert werden können. Zur Bestimmung der erlaubnisbedürftigen Rechtsgeschäfte bedarf es keiner Entscheidung, ob es sich bei c. 1190 §§ 2, 3 CIC/1983 um eine in c. 1292 § 2 CIC/1983 ungenannte, eine weitere Erlaubnispflicht statuierende Anordnung handelt595 oder aber um (angesichts der Verortung im Gesetzbuch systematisch fragwürdige) Beispiele596 von künstlerisch oder historisch wertvollen Sachen i. S. d. c. 1292 § 2 Var. 3, 4 CIC/ 1983. Die verbindliche Festlegung der für c. 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 maßgeblichen Wertgrenzen obliegt gem. c. 1292 § 1 S. 1 CIC/1983 der Bischofskonferenz. Von 591 Die Deutsche Bischofskonferenz hat gem. c. 502 § 3 CIC/1983 beschlossen, dass die Aufgaben des Konsultorenkollegiums dem Kathedralkapitel übertragen werden (Stoffel, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 502 Rn. 9; vgl. AfkKR 1983, 542; siehe auch für den hier relevanten Bereich zur Veranschaulichung deklaratorisch: Partikularnorm Nr. 19 zu cc. 1292 § 1, 1295 und 1297 CIC/1983 Punkt II 1.a). 592 Hierunter sind die Personen zu verstehen, die „aufgrund eines bestimmten Rechtstitels ein rechtliches Interesse an dem [zu veräußernden Vermögenswert] haben“ (Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1292 Rn. 6). 593 Puza, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1560 (1562); Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1292 Rn. 5. 594 Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (196); Puza, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1560 (1563). 595 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1292 Rn. 12. 596 Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (198).
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dieser Befugnis hat die Deutsche Bischofskonferenz durch Erlass der Partikularnorm Nr. 19 zu cc. 1292 § 1, 1295 und 1297 CIC/1983 Gebrauch gemacht. Die wegen der Währungsumstellung überarbeitete Fassung der ursprünglichen Partikularnorm Nr. 19 von 1996 trat am 01.10.2002 in Kraft.597 Die Wertgrenzen können dabei für verschiedene Rechtsgeschäfte unterschiedlich ausgestaltet werden.598 Die Obergrenze wurde von der Deutschen Bischofskonferenz gem. der Partikularnorm Nr. 19 I. auf eine Summe von fünf Millionen Euro festgelegt. Hinsichtlich der Untergrenze wird zwischen Veräußerungen, veräußerungsähnlichen Rechtsgeschäften i. S. d. 1295 CIC/1983 und dem Bereich der kirchlichen Krankenhäuser und Heime differenziert. Da die Strafnorm des c. 1377 CIC/1983 allein für Veräußerungen gilt, wird auf die Darstellung der Wertgrenzen für veräußerungsähnliche Rechtsgeschäfte verzichtet. Gemäß der Partikularnorm Nr. 19 II 1. a) bedürfen alle Grundstücksveräußerungen unabhängig von einer Wertgrenze der Erlaubnis durch den Diözesanbischof, der dabei die Zustimmung der in c. 1292 § 1 S. 1 Hs. 2 CIC/1983 genannten Gremien einzuholen hat. Für alle übrigen Veräußerungen ist gem. der Partikularnorm Nr. 19 II 1. b) S. 1 die Zustimmung des Diözesanbischofs ab einer „Untergrenze“ von 15.000 Euro vorgesehen. Der Diözesanbischof ist jedoch erst dann an die Zustimmung des Diözesanvermögensverwaltungsrates, des Kathedralkapitels und der Betroffenen gebunden, wenn der Wert des betroffenen Gegenstandes 100.000 Euro übersteigt. Da es der für c. 1292 § 1 S. 1 Hs. 2 CIC/ 1983 maßgeblichen Zustimmung der weiteren Institutionen erst ab einem Wert von 100.000 Euro bedarf, ist die Untergrenze ungeachtet der differenzierenden Darstellung in der Partikularnorm Nr. 19 II 1.b) S. 1 bzw. S. 2 aus formalen Gründen mit 100.000 Euro und nicht mit 15.000 Euro zu beziffern.599 Die Summe von 15.000 Euro wird allein zur Bestimmung der außerordentlichen Vermögensverwaltung relevant (vgl. c. 1281 § 2 CIC/1983). Zwischen den Wertgrenzen von 15.000 und 100.000 Euro sind die Rechtsgeschäfte in den Bereich der außerordentlichen Vermögensverwaltung einzuordnen.600 Für den Bereich der kirchlichen Krankenhäuser und Heime ist gleichermaßen bei jeder Grundstücksveräußerung die bischöfliche Genehmigung mit Zustim597 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1292 Rn. 21; Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 73; die Partikularnorm Nr. 19 zu cc. 1292 § 1, 1295 und 1297 CIC/1983 ist abgedruckt in AfkKR 2002, 503–505. 598 Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (196); Heimerl/Pree/ Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 310; Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1292 Rn. 8. 599 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1292 Rn. 21. 600 Ders., in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1292 Rn. 21.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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mung des Vermögensverwaltungsrates, des Kapitels und der Betroffenen unabhängig vom Wert des Objekts (Partikularnorm Nr. 19 II 3.a)) erforderlich. Für alle übrigen Veräußerungsgeschäfte gilt eine einheitliche Untergrenze von 150.000 Euro (Partikularnorm Nr. 19 II 3.b)). (d) C. 638 § 3 CIC/1983 C. 638 § 3 CIC/1983: Zur Gültigkeit einer Veräußerung und jedweden Geschäftes, durch das sich die Vermögenslage einer juristischen Person verschlechtern kann, ist die mit Zustimmung seines Rates schriftlich gegebene Erlaubnis des zuständigen Oberen erforderlich. Wenn es sich aber um ein Geschäft handelt, das die vom Heiligen Stuhl für jede Region festgelegte Geldsumme überschreitet, und ebenso bei Geschenken an die Kirche aufgrund eines Gelübdes oder bei Wertsachen künstlerischer oder historischer Art ist außerdem die Erlaubnis des Heiligen Stuhles erforderlich.
Im Ordensrecht wird anders als im allgemeinen Vermögensrecht (cc. 1291 ff. CIC/1983) nicht zwischen einer Unter- und einer Obergrenze unterschieden. Vielmehr wird vom Apostolischen Stuhl nur eine einzige maßgebliche Wertgrenze festgesetzt, bei deren Erreichen seine Erlaubnis einzuholen ist. Im Übrigen bedarf gem. c. 638 § 3 S. 1 CIC/1983 jede Veräußerung ungeachtet des Werts des betroffenen Vermögensgegenstandes der schriftlich erteilten Erlaubnis des zuständigen Oberen, der dabei an die Zustimmung des Rates gebunden ist.601 Bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen rechtlich selbstständiger Klöster i. S. d. c. 615 CIC/1983 und von Instituten diözesanen Rechts muss gem. c. 638 § 4 CIC/1983 die schriftliche Zustimmung des Ortsordinarius hinzukommen. Übersteigt der Wert des veräußerten Vermögens jedoch die vom Heiligen Stuhl für jede Region festgelegte einzige Wertgrenze (= Romgrenze) oder handelt es sich um Geschenke an die Kirche aufgrund eines Gelübdes oder um Wertsachen künstlerischer oder historischer Art, ist gem. c. 638 § 3 S. 2 CIC/1983 zusätzlich die Erlaubnis des Heiligen Stuhls erforderlich.602 Der Heilige Stuhl kann dabei auch eine andere Geldsumme als Romgrenze festsetzen als diejenige, die die jeweilige Bischofskonferenz im Rahmen der lex generalis des c. 1292 §§ 1, 2 CIC/ 1983 für maßgeblich befunden hat.603 Der Apostolische Stuhl hat sich jedoch für den Geltungsbereich Deutschland dafür entschieden, die Romgrenze des c. 638 § 3 CIC/1983 gleichermaßen auf eine Summe von fünf Millionen Euro festzulegen.604 601
Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (198). Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (198); Henseler/ Meier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 638 Rn. 4. 603 Schwendenwein, Das neue Kirchenrecht, S. 578. 604 Henseler/Meier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 638 Rn. 6. 602
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
(e) C. 1298 CIC/1983 C. 1298 CIC/1983: „Wenn es sich nicht um sehr unbedeutende Sachen handelt, darf ohne eine besondere schriftliche Erlaubnis der zuständigen Autorität („sine speciali competentis auctoritatis licentia“) Kirchenvermögen weder an deren eigene Verwalter noch an Personen verkauft, vermietet oder verpachtet werden, die mit dem Verwalter bis zum vierten Grad blutsverwandt oder verschwägert sind.“
Zur Vermeidung von Interessenkonflikten sieht c. 1298 CIC/1983 außer in Bagatellfällen die Erlaubnisbedürftigkeit einer Veräußerung (u. a.) von Kirchenvermögen vor, wenn diese zwischen einer kirchlichen juristischen Person, vertreten durch den Verwalter, und diesem selbst (sog. Insichgeschäft) bzw. einer mit dem Verwalter bis zum vierten Grad verwandten oder verschwägerten Person abgeschlossen wird.605 Die Verwandtschaft bzw. die Schwägerschaft wird im kanonischen Recht nach Maßgabe der cc. 108 bzw. 109 CIC/1983 bestimmt. Die für die Erlaubnis zuständige Autorität („autoritas competens“) ist den cc. 1292 § 1, 312 § 1 (Vereine), 638 § 3 (Ordensinstitute) CIC/1983 (s. S. 116 ff.) zu entnehmen.606 Darüber hinaus gilt die Zuständigkeit des Heiligen Stuhls gemäß der Voraussetzungen der cc. 1292 § 2, 1190 CIC/1983 nach der ratio legis gleichermaßen im Rahmen des c. 1298 CIC/1983, auch wenn insoweit nicht von der „auctoritas competens“ gesprochen wird.607 (4) Subjektiver Tatbestand Wie im staatlichen Strafrecht muss der Täter in subjektiver Hinsicht mit Vorsatz bezüglich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes handeln (c. 1321 § 1 Alt. 1 CIC/1983). Eine fahrlässige Begehung kommt gem. c. 1321 § 2 Alt. 2 CIC/1983 mangels expliziter Bestimmung einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nicht in Betracht. Vorsatz meint gem. c. 1321 § 2 Alt. 2 CIC/1983 „die bewu[ss]te und gewollte Verletzung von Gesetz und Gebot“ 608 (vgl. c. 1321 § 2 Alt. 2 CIC/1983: „qui legem vel praeceptum deliberate violavit“). Der Täter muss daher vorsätzlich die Veräußerungshandlung vornehmen und dabei gerade auch die Änderung der Eigentumslage bzw. Rechtsinhaberschaft bezwecken.609 Ferner muss sich dieser bewusst sein, dass die Veräußerung erlaubnispflichtig ist, jedoch keine Erlaubnis erteilt wurde. Irrt der Täter dahingegen über den Charakter des Veräußerungsgegenstandes als Kirchengut oder über die Erlaubnisbedürftigkeit, han605 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1298 Rn. 2. 606 Ders., in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1298 Rn. 6. 607 Ders., in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1298 Rn. 6. 608 Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 49. 609 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 4.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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delt er vorsatzlos.610 Diese Konstellation entspricht einem Tatbestandsirrtum nach staatlichem Strafrecht gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Wusste der Täter schuldlos nicht um die Strafbarkeit seines Verhaltens, muss gem. c. 1324 § 1 n ë 9 CIC/ 1983 die Strafe gemildert oder durch eine bloße Buße ersetzt werden.611 C. 1324 § 1 n ë 9 CIC/1983 weist Ähnlichkeiten zu einem Verbotsirrtum gem. § 17 StGB auf. bb) Rechtsfolge Als Rechtsfolge sieht c. 1377 CIC/1983 die verpflichtende Bestrafung („puniatur“ = er „soll“ bestraft werden (Konjunktiv Präsens)) mit einer gerechten Strafe vor. Mangels Festlegung einer bestimmten als Tatstrafe bezeichneten Sanktion (vgl. c. 1314 Hs. 2 CIC/1983) und wegen des Regelfalls der Spruchstrafe (vgl. c. 1314 Hs. 1 CIC/1983) handelt es sich hierbei um eine „unbestimmte [. . .] Spruchstrafe“ 612, deren genaue Festsetzung gem. c. 1315 § 2 Alt. 2 CIC/1983 in das Ermessen des Richters gestellt wird. cc) Der Vergleich zwischen § 266 StGB und c. 1377 CIC/1983 Auf der Grundlage der soeben dargestellten Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 Abs. 1 StGB und des c. 1377 CIC/1983 soll nun ein Normenvergleich stattfinden. (1) Der Vergleich der von § 266 Abs. 1 StGB bzw. c. 1377 CIC/1983 geschützten Rechtsgüter C. 1377 CIC/1983 sanktioniert den Verstoß gegen die Alienationsbestimmungen, welche ihrerseits zum Schutz des Stammvermögens in seinem Bestand und seiner widmungsgemäßen Zweckbindung zu dienen bestimmt sind.613 Geschützt wird dabei nicht das Vermögen der Kirche als solches, sondern das individuelle Vermögen einer konkret betroffenen juristischen Person des kanonischen Rechts, damit diese die von ihr angestrebten Ziele erreichen kann.614 Dies ist im Zusammenhang mit c. 114 § 3 CIC/1983 zu sehen, wonach die Rechtspersönlichkeit nur an solche Gesamtheiten von Personen oder Sachen verliehen werden darf, die ein 610 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 4. 611 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 4. 612 Schütze, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 187. 613 Puza, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1560 (1561). 614 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1291 Rn. 2; Puza, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1560 (1561).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
nutzbringendes Ziel verfolgen und über die erforderlichen Mittel verfügen, die voraussichtlich zur Erreichung des festgesetzten Ziels genügen können. Bestimmte Rechtsgeschäfte über das Kirchenvermögen werden einem Erlaubnisvorbehalt als Gültigkeitsvoraussetzung unterstellt, damit durch eine gesteigerte kirchenaufsichtliche Kontrolle sichergestellt wird, dass die durch die Widmung erfolgte Zweckbestimmung des kirchlichen Vermögens dauerhaft erhalten bleibt.615 Nicht im kirchlichen Interesse liegende und widmungswidrige Rechtshandlungen sollen so verhindert werden.616 Die Alienationsvorschriften gewährleisten dabei, dass die jeweilige juristische Person des kanonischen Rechts ihren karitativen, geistlichen und pastoralen Aufgaben nachkommen kann.617 Indem c. 1377 CIC/1983 an die Verletzung der Alienationsvorschriften anknüpft und diese strafrechtlich sanktioniert, ist sein Rechtsgut in Anlehnung an die Schutzfunktion dieser Bestimmungen festzulegen. C. 1377 CIC/1983 dient daher dem Schutz des individuellen Vermögens. In seiner Rechtsgutsgewährleistung geht c. 1377 CIC/1983 jedoch über § 266 Abs. 1 StGB hinaus, da das Vermögen nicht nur in seinem Bestand, sondern gleichermaßen in seiner widmungsgemäßen Funktion geschützt wird. C. 1377 CIC/1983 schützt – anders als § 266 Abs. 1 StGB – auch die Dispositionsbefugnis des Vermögensinhabers, dessen widmungsentsprechende Aufgabenerfüllung gewährleistet werden soll. Einem Vergleich zwischen c. 1377 CIC/1983 und § 266 Abs. 1 StGB steht der erweiterte Schutzbereich des c. 1377 CIC/1983 jedoch nicht entgegen, da die Rechtsgutsbestimmungen der zu vergleichenden Normen hinsichtlich des Schutzes des Vermögensbestandes zumindest teilidentisch sind. (2) Vergleich des c. 1377 CIC/1983 mit dem Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB Die Untreuestrafbarkeit gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB zeichnet sich dadurch aus, dass sie ein intern pflichtwidriges, jedoch nach außen wirksames vermögensschädigendes Verhalten ahndet. Um mit § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB vergleichbar zu sein, müsste auch bei c. 1377 CIC/1983 eine Diskrepanz zwischen interner Pflichtwidrigkeit und externer Wirksamkeit festzustellen sein. Bei der ,licentia‘ handelt es sich um eine Gültigkeitsvoraussetzung, so dass eine ohne die erforderliche Zustimmung vorgenommene Veräußerung zumindest nach kirchlichem Recht618 unwirksam ist (vgl. c. 1291 CIC/1983: „ad valide alienda bona [. . .] requiritur licentia“ – „Zur gültigen Veräußerung von Vermö615
Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 525. Vgl. Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (967). 617 Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 163. 618 Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 187; Quaderni di diritto ecclesiale, Codice di diritto canonico commentato, S. 1088. 616
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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gensstücken [. . .] wird die Erlaubnis [. . .] verlangt“). Fraglich ist jedoch, ob der in den cc. 1291, 1292, 1298, 638 § 3 CIC/1983 statuierte Erlaubnisvorbehalt Außenwirkung gegenüber Dritten dergestalt zeigt, dass eine ohne Erlaubnis vorgenommene Veräußerung auch nach zivilem staatlichem Recht ungültig ist. Ist dies der Fall, fehlt es an der typischen Charakteristik des Missbrauchstatbestandes. Im Gegensatz zu anderen Bestimmungen treffen die Erlaubnispflichten der cc. 1291, 1292, 1298, 638 § 3 CIC/1983 selbst keine Aussage über ihre Außenwirkung im weltlichen Recht.619 Auch aus Art. 33 des Reichskonkordats lässt sich keine Feststellung hinsichtlich der Außenwirkung der Unwirksamkeitsklausel des c. 1291 CIC/1983 entnehmen. Hiernach werden „[d]ie auf kirchliche Personen oder kirchliche Dinge bezüglichen Materien, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, [. . .] für den kirchlichen Bereich dem geltenden kanonischen Recht gemäß geregelt“. Art. 33 des Reichskonkordats trifft lediglich eine Regelung für den kirchlichen Bereich, ohne auf die Anwendbarkeit und unmittelbaren Wirkungen der kanonischen Vorschriften auf das staatliche Recht einzugehen.620 Die systematische Auslegung legt eine bloß kircheninterne Wirkung der Erlaubnispflichten nahe: So spricht c. 1296 CIC/1983 ausdrücklich von dem Fall, dass „Kirchengüter ohne Beachtung der erforderlichen kanonischen Förmlichkeiten veräußert worden sind, die Veräußerung aber nach weltlichem Recht gültig ist“. Auch Lüdicke geht davon aus, dass die Vollendung der Straftat des c. 1377 CIC/1983 erst dann eintritt, wenn das Eigentum bzw. die Rechtsinhaberschaft der Kirche an dem betreffenden Vermögensgegenstand auf einen anderen übergegangen ist.621 Dies setzt – abgesehen von einem Erwerb nach Rechtsscheinsgrundsätzen – eine nach zivilem Recht wirksame Übereignung bzw. Abtretung und damit eine fehlende Außenwirkung der Erlaubnispflichten voraus. Als Argument für eine bestehende Außenwirkung der Alienationsbestimmungen wird dahingegen auf den Status der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts verwiesen, woraus gefolgert werden solle, dass die Kirche staatlich relevantes Recht mit Außenwirkung erlässt.622 Dabei wird verkannt, dass mit der Erhebung der Kirche in den Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft keine Eingliederung in den Staat verbunden war und von dem Status nicht auf die Rechtsform des Handelns geschlossen werden darf. 619 Peglau, NVwZ 1996, 767 (769): In Art. 712 SSE (Synodalstatuten der Diözese Essen) ist beispielsweise ausdrücklich geregelt, dass die beim Ordinarius einzuholende Genehmigung eine gegenüber Dritten wirksame Außengenehmigung darstellt. 620 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 503; Heinrichsmeier, Das kanonische Veräusserungsverbot im Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 131. 621 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 3. 622 Vgl. Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 540.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Der maßgebliche Anknüpfungspunkt muss vielmehr das der Kirche zustehende Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG sein. Indem die Kirche über das Recht zur eigenständigen Gestaltung ihrer Vermögensangelegenheiten verfügt, muss dieser auch das Recht zukommen, die Voraussetzungen des externen vermögensbezogenen Tätigwerdens ihrer Organe mit verbindlicher Außenwirkung festzulegen.623 Aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften mussten sich die Länder aus der Aufsicht über die kirchliche Vermögensverwaltung zurückziehen und die kirchlichen Regelungen lösten die staatlichen Vorschriften ab.624 Ohne Außenwirkung käme den kanonischen Vorschriften und damit der eigenständigen Rechtsetzungsbefugnis der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG nur ein sehr begrenzter Wirkbereich zu. Nachdem soeben dargelegt wurde, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirche die Außenwirkung von kirchlichen Vermögensverwaltungsregelungen bedingt, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen kirchliche Vorschriften zur Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts nach staatlichem Recht führt. Zum Schutz des Rechtsverkehrs und des Vertrauens eines außenstehenden Vertragspartners der Kirche wird nach einer Ansicht hierzu die Veröffentlichung in einem staatlichen Publikationsorgan gefordert.625 Vereinzelt wurde die Erlaubnisbedürftigkeit von Veräußerungen auch in staatlich publizierten Normen geregelt. So bestimmt beispielsweise Art. 10 § 4 des Bayerischen Reichskonkordats, welches als Staatskirchenvertrag unbestritten staatlich gültiges Recht darstellt, dass „[d]ie Güter der Seminarien, Pfarreien, Benefizien, Kirchenfabriken und aller übrigen Kirchenstiftungen [. . .] ohne Zustimmung der zuständigen kirchlichen Obrigkeit nicht veräußert werden [können]“. Beim Vorliegen eines staatlichen Umsetzungsaktes ist die Außenwirkung unbestritten, da die Geltung von staatlichen Normen im staatlichen Bereich keinerlei Erörterung bedarf. Art. 44 Abs. 2 Nr. 3, 5 KiStiftO sieht für den Geltungsbereich Bayern in Anlehnung an die cc. 1291, 1292 CIC/1983 u. a. die Genehmigungsbedürftigkeit durch das (Erz-)Bischöfliche Ordinariat als zuständige kirchliche Stiftungsauf-
623 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 324; Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1290 Rn. 8; Eckert/Heckel, MittBayNot 2006, 471 (472). 624 Ehret, NJW 1959, 1090 (1091); Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 538; Knüllig, ZevKr 1966/67, 116 (132). 625 LG Rottweil, NJW 1959, 1090 (1091); Marx, in: Friesenhahn/Scheuner/Listl (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 117 (130); Heinrichsmeier, Das kanonische Veräusserungsverbot im Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 131.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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sichtsbehörde (Art. 42 Abs. 2 KiStiftO) bei einer Veräußerung von Grundstücken sowie der „Veräußerung [. . .] von Sachen, vornehmlich von Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenständen, von besonderem, vor allem wissenschaftlichem, geschichtlichem oder künstlerischem Wert,“ vor. Durch Art. 44 KiStiftO werden die cc. 1291 ff. CIC/1983 partikularrechtlich ausgefüllt sowie durch die Hinzufügung weiterer Aufsichtsfälle substantiell erweitert.626 Die Regelungskompetenz der Kirche zum Erlass der KiStiftO basiert auf dem staatlichen Normsetzungsauftrag des Art. 23 Abs. 1 S. 2 BayStG. Die Regelungen wurden jedoch kirchenautonom ausgestaltet und gem. Art. 49 Abs. 2 KiStiftO in den Amtsblättern der jeweiligen bayerischen Diözesen bekannt gemacht. Trotz der staatlichen Rechtsgrundlage fehlt es auch insoweit an einer Veröffentlichung nach dem staatlichen Recht. Wie verhält sich daher die Außenwirkung bei autonomen sowie bei rein kircheninternen Normen wie c. 1291 CIC/ 1983, die ausschließlich in kirchlichen Publikationsorganen veröffentlicht wurden? Aus rechtsstaatlichen Gründen ist in jedem Falle zu fordern, dass die Erlaubnisbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts den außenstehenden Vertragspartnern öffentlich bekannt gemacht worden ist. Nur bei einer ausreichenden Möglichkeit der Kenntnisnahme soll sich die Kirche gegenüber Dritten auf die Erlaubnisbedürftigkeit berufen dürfen. Der Codex Iuris Canonici 1983 wurde am 25.01.1983 durch Papst Johannes Paul II. mit der Unterzeichnung der Apostolischen Konstitution Sacrae Disciplinae Leges promulgiert und in den Acta Apostolicae Sedis (AAS 75 [1983] Pars II XXX u. 317 S.) veröffentlicht.627 Die kirchenrechtliche Promulgation des weltweit geltenden kanonischen Gesetzbuchs genügt bereits dem Erfordernis der ausreichenden Bekanntmachung.628 Denn das Rechtsstaatsprinzip setzt lediglich voraus, „dass Rechtsnormen in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich sind, die es dem betroffenen Bürger gestattet, sich Kenntnis vom Inhalt des Gesetzes zu verschaffen. Darüber hinaus kann nicht verlangt werden, dass Rechtsnormen nur in einer ganz bestimmten Form bekanntgemacht werden [. . .].“ 629 Aus diesem Grunde ließ das Bundesverwaltungsgericht für die erforderliche Außenwirkung die Veröffentlichung der Kirchensteuerordnung in einem kirchlichen Amtsblatt genügen und erhob nicht die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt zur Voraussetzung.630 Auch das OLG Zweibrücken bejahte trotz feh626
Eckert/Heckel, MittBayNot 2006, 471 (474 Fn. 28). Riedel-Spangenberger, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 345 (347). 628 So Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 324, 504; Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1290 Rn. 8; Eckert/Heckel, MittBayNot 2006, 471 (472); angedeutet bei Eichmann/Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 540. 629 BVerwG, NVwZ 1990, 359. 630 BVerwG, NVwZ 1990, 359. 627
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
lenden staatlichen Umsetzungsaktes die Außenwirkung des c. 1532 § 2 CIC/1917 – der Vorgängernorm des hier in Rede stehenden c. 1292 § 1 CIC/1983 – und verwies darauf, dass „[d]ie entsprechenden Bestimmungen des kirchlichen Rechts [. . .] zwar nicht als Gesetz oder Verordnung veröffentlicht, aber auch nicht geheim“ 631 seien. Die Kirche könne wie jede andere juristische Person ihre Vertretungsmacht durch einen Erlaubnisvorbehalt nach außen wirksam beschränken.632 Nach dem OLG Zweibrücken würde es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz geben, welcher stets die Veröffentlichung von Einschränkungen organschaftlicher Vertretungsmacht erfordere.633 Der Vertragspartner einer kirchlichen juristischen Person müsse vielmehr mit einer Begrenzung der Vertretungsmacht des Handelnden rechnen.634 Dies galt jedenfalls im konkreten Anwendungsfall, da der Vertragspartner von der Erlaubnisbedürftigkeit des Vertrages wusste.635 Auch in der Praxis ist die Außenwirkung der kirchlichen Zustimmungsvorbehalte zwischenzeitlich anerkannt, so dass beispielsweise vor dem Grundbuchamt die Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Instanz durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde gem. § 29 GBO nachgewiesen werden muss.636 Die Alienationsbestimmungen weisen daher im staatlichen Bereich die erforderliche Außenwirkung auf.637 Wer mit einer kirchlichen juristischen Person kontrahiert, muss sich aus diesem Grunde vergewissern, ob entsprechende Zustimmungsvorbehalte zum Abschluss des geplanten Rechtsgeschäfts erforderlich sind.638 Nachdem nun erörtert wurde, dass die kanonischen Alienationsbestimmungen auch im staatlichen Rechtsbereich Außenwirkung aufweisen, muss in einem weiteren Schritt dargelegt werden, wie die Außenwirkung rechtstechnisch ausgestaltet ist.
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OLG Zweibrücken, MDR 1966, 672 (673). OLG Zweibrücken, MDR 1966, 672 (672). 633 OLG Zweibrücken, MDR 1966, 672 (672). 634 OLG Zweibrücken, MDR 1966, 672 (673). 635 OLG Zweibrücken, MDR 1966, 672 (673). 636 LG Memmingen, NJW 1990, 2069 (2069); OLG Hamm, OLGZ 1981, 129; Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 334 f.; Heinrichsmeier, Das kanonische Veräusserungsverbot im Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 128; Eckert/Heckel, MittBayNot 2006, 471 (474). 637 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1290 Rn. 8; Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 324; Meyer, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 907 (926); Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (967); Eckert/Heckel, MittBayNot 2006, 471 (472). 638 Vgl. Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1290 Rn. 8. 632
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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Bei den Erlaubnispflichten handelt es sich nicht um echte Vertretungsregelungen, so dass die §§ 177 ff. BGB i.V. m. 1290 CIC/1983 jedenfalls nicht unmittelbar herangezogen werden können. Eine Umdeutung in eine Formvorschrift nach Maßgabe des § 125 S. 1 BGB639 kommt nicht in Betracht, weil der Landesgesetzgeber und damit erst recht die Kirche gem. Art. 55 EGBGB zur Schaffung von Formvorschriften im Privatrechtsverkehr unzuständig ist.640 Darüber hinaus verfolgen Formvorschriften und Erlaubnispflichten nicht denselben Zweck. Während der Formzwang vor unüberlegtem und übereiltem Vorgehen schützen soll, statuieren Erlaubnispflichten Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Rechtsgeschäftes.641 Die staatlich publizierten und nach staatlichem Recht umgesetzten Erlaubnispflichten einer kirchlichen juristischen Person des öffentlichen Rechts stellen jedoch staatliches Recht642 dar, welches das „gesetzliche Verbot“ i. S. v. § 134 BGB643 enthält, eine Veräußerung ohne ,licentia‘ vorzunehmen.644 Soweit staatlich publizierte Normen in Rede stehen, erfolgt die Außenwirkung des Verstoßes gegen die Erlaubnisbedürftigkeit daher über die Figur des gesetzlichen Verbots i. S. v. § 134 BGB. Rechtsfolge einer fehlenden Erlaubnis ist jedoch nicht die Nichtigkeit i. S. v. § 134 Hs. 1 BGB, da sich gem. § 134 Hs. 2 BGB „aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Die abweichende Regelung ist den aufgeführten Genehmigungsvorbehalten nicht explizit zu entnehmen, ergibt sich aber aus deren Sinn und Zweck.645 Hiernach soll ein ohne Zustimmung abgeschlossenes Rechtsgeschäft nicht von vornherein nichtig sein, vielmehr soll dessen Wirksamkeit erst mit Erteilung der Genehmigung eintreten.646 Ein Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt führt daher in Anlehnung an die Vertretungsregelung des § 177 Abs. 1 BGB zunächst zur schwebenden Unwirksamkeit.647 Hierin ist auch kein Widerspruch zur oben dargestellten Definition der ,licentia‘ als vorhergehende Einwilligung im Gegensatz zur nachträglichen Genehmigung zu sehen, da vor639 So noch allgemein zu Genehmigungsvorbehalten im öffentlichen Recht: Scholz, NJW 1950, 81 (83). 640 Peglau, NVwZ 1996, 767 (768). 641 Knüllig, ZevKr 1966/67, 116 (125). 642 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (954). 643 BayObLG, NJW-RR 1990, 476 (477); OLG Braunschweig, NJW-RR 1992, 440 (440); Heinrichsmeier, Das kanonische Veräusserungsverbot im Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 132; Dittrich, ZevKr 1966/67, 100 (113); Zilles/Kämper, NVwZ 1994, 109 (113). 644 Knüllig, ZevKr 1966/67, 116 (127). 645 Vgl. Dittrich, ZevKr 1966/67, 100 (113). 646 Knüllig, ZevKr 1966/67, 116 (127). 647 BayObLG, NJW-RR 1990, 476 (477); Peglau, NVwZ 1996, 767 (768); Heinrichsmeier, Das kanonische Veräusserungsverbot im Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 133; Dittrich, ZevKr 1966/67, 100 (113); Zilles/Kämper, NVwZ 1994, 109 (113).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
liegend die Rechtsfolgen des staatlichen Rechts bei einem Verstoß gegen mit Außenwirkung ausgestatteten kirchlichen Vorschriften und nicht die kanonischen Regelungen selbst in Rede stehen, für welche allein das kanonische Recht maßgeblich ist. Aufgrund der getrennten Rechtsphären können der kanonische und der staatliche Gesetzgeber an einen Verstoß gegen kanonische Bestimmungen unterschiedliche Rechtsfolgen (sofortige bzw. nur schwebende Unwirksamkeit) anknüpfen. Darüber hinaus steht vorliegend die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach dem Zivilrecht und nicht die strafrechtliche Beurteilung einer fehlenden Erlaubnis in Rede. Steht dahingegen rein kircheninternes Recht in Rede, stellt der kirchliche Zustimmungsvorbehalt kein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB, sondern eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht dar648 – so wie dies auch bei privatrechtlichen Zustimmungsvorbehalten im Gegensatz zu behördlichen Genehmigungserfordernissen der Fall ist.649 Das von § 134 BGB in Bezug genommene Gesetz meint alle staatlichen Rechtsnormen im formellen und materiellen Sinne gem. Art. 2 EGBGB650, weshalb kirchlich eigenständiges Recht nicht unter diese Begriffsdefinition fällt. Rechtstechnisch unterscheidet sich die Beschränkung der Vertretungsmacht von einem gesetzlichen Verbot darin, dass c. 1291 CIC/1983 den Umfang des rechtlichen Dürfens und Könnens des Vertreters selbst beschreibt und ein Verstoß gegen c. 1291 CIC/1983 direkt die Rechtsfolge der schwebenden Unwirksamkeit gem. § 177 Abs. 1 BGB auslöst, ohne dass es der Unwirksamkeitsklausel des § 134 BGB bedarf.651 Aufgrund der Außenwirkung führt ein wegen fehlender Genehmigung intern pflichtwidriges Verhalten auch zur externen (schwebenden) Unwirksamkeit. Anders als im Rahmen des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB lässt sich gerade keine Diskrepanz zwischen interner Pflichtwidrigkeit und externer Gültigkeit feststellen. In Bezug auf die Missbrauchsalternative gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB muss c. 1377 CIC/1983 daher die Untreuecharakteristik abgesprochen werden. Es verbleibt ein möglicher Vergleich mit der als lex generalis anwendbaren Treuebruchsuntreue gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB, welche auch bei extern unwirksamem Verhalten denkbar ist.
648 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 324; Eckert/Heckel, MittBayNot 2006, 471 (472). 649 Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 134 Rn. 14. 650 Ellenberger, in: Bassenge/Brudermüller/Ellenberger u. a. (Hrsg.), Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, § 134 Rn. 2; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 134 Rn. 5. 651 Vgl. Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 134 Rn. 15.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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(3) Das fehlende Erfordernis der für § 266 Abs. 1 Alt. 1, 2 StGB charakteristischen Vermögensbetreuungspflicht und deren Verletzung in c. 1377 CIC/1983 Die sowohl für den Missbrauchs- als auch für den Treuebruchstatbestand des § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Täterstellung durch das Innehaben einer Vermögensbetreuungspflicht sowie die Tathandlung in Form der Verletzung eben dieser finden in c. 1377 CIC/1983 keine Entsprechung. Im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB kann nur derjenige Täter sein, dem die „besonders herausgehobene Pflicht“ 652 zukommt, die Vermögensinteressen des Vermögensträgers zu wahren. Bei der Vermögensbetreuungspflicht handelt es sich um ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal i. S. d. § 28 Abs. 1 StGB.653 Charakteristisch für die Untreue ist es, dass der Täter das fremde Vermögen aus einer inneren Machtposition heraus schädigt. Das Vermögen wird gerade von demjenigen geschädigt, der von dem Vermögensträger zum Schutz seines Vermögens eingeschaltet wurde.654 Anders verhält es sich im Bereich der Strafnorm des c. 1377 CIC/1983. Täter des c. 1377 CIC/1983 kann jeder getaufte Katholik (vgl. cc. 1, 11, 1311 CIC/ 1983, s. S. 62 f.) sein, der eine Rechtsstellung innehat, die es ihm ermöglicht, kirchliche Vermögensgüter wirksam zu veräußern.655 Die Frage der Wirksamkeit bestimmt sich dabei gem. c. 1290 CIC/1983 nach Maßgabe des geltenden zivilen Rechts.656 In den Täterkreis des c. 1377 CIC/1983 kann daher jeder Katholik fallen, der im Namen einer kirchlichen juristischen Person wirksam vermögenswerte Rechte zu übertragen vermag. Für die Strafbarkeit gem. c. 1377 CIC/1983 ist es irrelevant, ob diesem die vermögensmäßige Hauptpflicht zur selbstständigen Wahrung fremder Vermögensinteressen zukommt. Selbst wenn der Täter des c. 1377 CIC/1983 im konkreten Einzelfall de facto eine Stellung innehat, die den oben genannten Anforderungen an das Vorliegen einer fremdnützigen Vermögensbetreuungspflicht genügt, so ändert dies nichts daran, dass der Straftatbestand des c. 1377 CIC/1983 auch von demjenigen erfüllt werden kann, der nicht vermögensbetreuungspflichtig ist, so wie dies beispielsweise bei einem weisungsgebundenen Vertreter einer kirchlichen juristischen Person der Fall ist. Im Gegensatz zum Sonderdelikt des § 266 Abs. 1 StGB ist c. 1377 CIC/1983 als Allgemeindelikt zu qualifizieren. 652
Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 35. Vgl. BGH, NStZ 1997, 281 (281); BGH, NStZ 2012, 630 (630). 654 Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 1; vgl. Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 26. 655 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 5. 656 Ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1377 Rn. 5. 653
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Die fehlende qualifizierte Täterstellung ist als maßgeblicher Unterschied des c. 1377 CIC/1983 zum Sonderdelikt des § 266 Abs. 1 StGB hervorzuheben. C. 1377 CIC/1983 muss daher bereits an dieser Stelle der spezifische Untreuegehalt abgesprochen werden. (4) Das fehlende Erfordernis eines Vermögensnachteils in c. 1377 CIC/1983 Zudem muss es im Rahmen des c. 1377 CIC/1983 – anders als bei § 266 StGB – nicht zu einem Vermögensnachteil zulasten der betroffenen juristischen Person des kanonischen Rechts kommen. C. 1377 CIC/1983 stellt alleine darauf ab, dass Kirchengüter ohne die erforderliche Erlaubnis veräußert werden. Bestraft wird somit bereits die Verletzung der geltenden Alienationsbestimmungen (cc. 1291 f., 1298, 638 § 3 CIC/1983) ungeachtet einer tatsächlich dadurch eintretenden Minderung des kirchlichen Vermögens. Auf diese Weise soll eine potentielle Schädigung des kirchlichen Vermögens bereits „von vornherein abgewehrt werden“ 657. Es kommt nicht darauf an, ob durch die Veräußerung der Vermögensbestand verringert oder aber die durch die Veräußerung eintretende Vermögenseinbuße durch eine entsprechende Gegenleistung wirtschaftlich voll ausgeglichen wird. C. 1377 CIC/1983 ist anders als § 266 StGB kein Vermögensschädigungsdelikt, sondern allenfalls ein (untechnisches) „abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt“. Die Erweiterung des c. 1295 CIC/1983 auf Rechtsgeschäfte, durch welche die Vermögenslage einer juristischen Person verschlechtert werden könnte, findet bei der Strafnorm des c. 1377 CIC/1983 gerade nicht statt (s. S. 109 ff.). Darüber hinaus würde auch c. 1295 CIC/1983 allein die Möglichkeit einer Verschlechterung des kirchlichen Vermögens voraussetzen, ohne dass es tatsächlich zu dem Eintritt eines Vermögensnachteils – sei es auch nur in Form einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung – kommen muss. Der Täter macht sich daher gem. c. 1377 CIC/1983 auch dann strafbar, wenn er bei der ohne die erforderliche Erlaubnis vorgenommenen Veräußerung eine adäquate Gegenleistung erzielt oder sogar ein besonders gutes Geschäft für die Kirche abschließt. Während § 266 Abs. 1 StGB ein Erfolgsdelikt in der Form eines Verletzungsdeliktes658 darstellt, ähnelt c. 1377 CIC/1983 nach weltlicher Strafrechtsdogmatik einem Tätigkeitsdelikt, da c. 1377 CIC/1983 nicht den Eintritt eines von der Tathandlung abtrennbaren Erfolges in Form eines Vermögensnachteils voraussetzt, auch wenn die Tathandlung oftmals mit einem solchen einhergeht. 657
OLG Zweibrücken, MDR 1966, 672 (672). BVerfG, NJW 2010, 3209 (3214 f.); BGH, NStZ 2011, 520 (521); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 1; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 4; Waßmer, in: Graf/Jäger/Wittig (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 266 Rn. 10. 658
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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(5) Zwischenergebnis C. 1377 CIC/1983 weist gewisse Ähnlichkeiten zu § 266 Abs. 1 StGB auf, da es sich hierbei um eine vermögensschützende Strafnorm handelt und die Verletzung interner Pflichtmaßstäbe durch die Veräußerung ohne ,licentia‘ zur Tatbestandsvoraussetzung erhoben wird. C. 1377 CIC/1983 betrifft jedoch anders als § 266 Abs. 1 StGB ausschließlich einen Spezialtatbestand der Veräußerung von Kirchengütern und entbehrt zudem der typischen Untreuestruktur. Insbesondere fehlt es an der für § 266 Abs. 1 StGB als Sonderdelikt erforderlichen qualifizierten Täterstellung in Form einer Vermögensbetreuungspflicht. Darüber hinaus mangelt es infolge der Außenwirkung der kirchlichen Bestimmungen an der für den Missbrauchstatbestand maßgeblichen Divergenz zwischen internem Dürfen und externem Können. Des Weiteren setzt die Strafbarkeit gem. c. 1377 CIC/1983 im Gegensatz zu § 266 Abs. 1 StGB nicht den Eintritt eines Vermögensnachteils voraus, sondern knüpft allein an den Verstoß gegen die Alienationsvorschriften an. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass es sich bei c. 1377 CIC/1983 um ein Allgemeindelikt handelt, welches einem Tätigkeitsdelikt in Gestalt eines abstrakten Gefährdungsdeliktes ähnelt. Im Gegensatz hierzu stellt § 266 Abs. 1 StGB ein Sonder- sowie ein Erfolgsdelikt in der Form eines Verletzungsdelikts dar. c) C. 1389 § 2 CIC/1983 Ein weiterer Vergleich bietet sich mit der kanonischen Rechtsvorschrift des c. 1389 § 2 CIC/1983 an, welche die fahrlässige und unrechtmäßige Ausübung einer Kirchentätigkeit unter Strafe stellt, wenn hierdurch für einen Dritten ein Schaden entstanden ist: Can. 1389 – § 2. Qui vero, ex culpabili neglentia, ecclesiasticae potestatis vel ministerii vel muneris actum illegitime cum damno alieno ponit vel omittit, iusta poena puniatur. § 2. Wer aber aus schuldhafter Nachlässigkeit eine Handlung kirchlicher Gewalt, eines kirchlichen Dienstes oder einer kirchlichen Aufgabe unrechtmäßig zu fremdem Schaden setzt oder unterlässt, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden.
Zunächst werden die Tatbestandsvoraussetzungen (aa)) und die Rechtsfolge (bb)) des c. 1389 § 2 CIC/1983 dargestellt, um auf dieser Grundlage einen Vergleich zur Untreue nach staatlichem Recht vornehmen zu können (cc)). aa) Tatbestandsvoraussetzungen Täter des c. 1389 § 2 CIC/1983 kann jeder sein, der durch einen kirchlichen Auftrag zu der in Rede stehenden Handlung bzw. Unterlassung berechtigt und gegebenenfalls auch verpflichtet ist.659 Als Grundlage der Beauftragung kommt 659 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1389 Rn. 5.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
die Übertragung kirchlicher Gewalt (,potestas‘), eines kirchlichen Amtes (,ministerium‘) oder die amtsunabhängige Wahrnehmung einer kirchlichen Aufgabe (,munus‘) in Betracht.660 Der Begriff des ,ministerium‘ (= Dienst, Amt), welcher auch in c. 1389 § 1 CIC/1983 keine Erwähnung findet, weist neben ,potestas‘ (= Gewalt, Macht) und ,munus‘ (= Aufgabe, Amt, Dienst) keine eigenständige Bedeutung auf.661 Maßgeblich kommt es darauf an, dass der Täter durch eine entsprechende Aufgabenübertragung im umfassenden Sinn eine Tätigkeit für die Kirche wahrnimmt.662 Die Tathandlung besteht in der rechtswidrigen Ausübung einer Kirchentätigkeit oder in dem pflichtwidrigen Unterlassen eines Kirchenaktes. Durch diese unrechtmäßige Handlung muss (kausal) ein Schaden zulasten einer fremden Person („cum damno alieno“) verursacht worden sein. In subjektiver Hinsicht genügt Fahrlässigkeit („ex culpabili neglentia“). C. 1389 § 2 CIC/1983 stellt die einzige Straftatbestimmung des Codex Iuris Canonici dar, in welcher der kanonische Gesetzgeber Fahrlässigkeit für die Strafbarkeit ausreichen lässt (vgl. c. 1321 § 2 Hs. 2 CIC/1983).663 Anders als c. 1389 § 1 CIC/1983664 enthält c. 1389 § 2 CIC/1983 keine Subsidiaritätsklausel, so dass Idealkonkurrenz mit anderen Straftatbestimmungen, insbesondere mit c. 1377 CIC/1983665, möglich ist. Auch in c. 1389 § 1 CIC/1983 ist die Subsidiarität nur hinsichtlich einer anderweitigen Straffestsetzung wegen Amtsmissbrauchs und nicht hinsichtlich des Tatbestandes selbst vorgesehen.666 bb) Rechtsfolge Im Falle der Tatbestandserfüllung sieht c. 1389 § 2 CIC/1983 für die Strafzumessung die verpflichtende Bestrafung mit einer gerechten Strafe vor. Hierbei handelt es sich um eine Spruchstrafe (vgl. c. 1314 Hs. 1 CIC/1983). 660 Vgl. ders., in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1389 Rn. 5. 661 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 234; Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1389 Rn. 2. 662 Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 234. 663 Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1591 (1595 Fn. 15); Rees, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1615 (1632); Scheuermann, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 203 (205). 664 Can. 1389 – § 1. Ecclesiastica potestate vel munere abutens pro actus vel omissionis gravite puniatur, non exclusa officii privatione, nisi in eum abusum iam poena sit lege vel praecepto constituta. Wer eine kirchliche Gewalt oder eine kirchliche Aufgabe missbraucht, soll je nach Schwere der Tat oder Unterlassung bestraft werden, den Amtsentzug nicht ausgenommen, es sei denn, dass gegen diesen Missbrauch schon eine Strafe durch Gesetz oder Verwaltungsbefehl festgesetzt worden ist. 665 So auch Pusch/Wastl, AfkKR 2014, 502 (530 Fn. 99). 666 Lüdicke, in: ders. (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1389 Rn. 6.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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cc) Der Vergleich zwischen § 266 StGB und c. 1389 § 2 CIC/1983 Auf der Basis der dargestellten Tatbestandsvoraussetzungen des c. 1389 § 2 CIC/1983 soll nun im Folgenden ein Vergleich mit den spezifischen Merkmalen einer Untreuestrafbarkeit nach staatlichem Recht vorgenommen werden. (1) Vergleich der Unrechtsstruktur in § 266 StGB und c. 1389 § 2 CIC/1983 Auch wenn die zu vergleichenden Strafnormen mit dem Eintritt eines Vermögensnachteils dasselbe Erfolgsunrecht beinhalten, unterscheiden sie sich grundlegend in ihrer Unrechtsstruktur und Rechtsgutsbestimmung. Während § 266 StGB dem Schutz des Vermögens dient, zielt c. 1389 § 2 CIC/1983 auf die Wahrung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung durch die Kirchenbediensteten. Eine Aufgabenwahrnehmung für die Kirche muss unter Beachtung des kirchlichen Rechts geschehen und sich an der Sendung der Kirche orientieren.667 Nur auf diese Weise können die Lauterkeit der kirchlichen Dienstausübung und das hierin bestehende Vertrauen der Gläubigen gewahrt werden.668 C. 1389 § 2 CIC/ 1983 soll daher gewährleisten, dass ein Kirchenbeauftragter sich der mit seiner kirchlichen Tätigkeit verbundenen Verantwortung bewusst ist und für den Fall einer unrechtmäßigen und schadensverursachenden Handlung zur Rechenschaft gezogen wird.669 In dieser Tendenz weist c. 1389 § 2 CIC/1983 mehr disziplinarischen als strafrechtlichen Charakter auf, da durch eine pflichtwidrige, wenn auch für einen Dritten nachteilige Diensthandlung nicht die allgemeine Kirchenordnung und die Überzeugung der Gesamtheit der Gläubigen berührt werden.670 Indem der Dienstverpflichtete zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Kirchentätigkeit veranlasst werden soll, ist auch der für eine Disziplinarnorm spezifische Dienstbezug in c. 1389 § 2 CIC/1983 hergestellt. Disziplinarrechtliche Vorschriften stellen gegenüber Strafnormen kein minus, sondern ein aliud dar. (2) Vergleich der Tathandlungen in § 266 StGB und c. 1389 § 2 CIC/1983 Die Unterschiede zwischen § 266 StGB und c. 1389 § 2 CIC/1983 ergeben sich auch aus der Untersuchung der jeweiligen Tathandlungen. Die Tathandlungen des Untreuetatbestandes gem. § 266 Abs. 1 StGB zeichnen sich dadurch aus, dass der Täter aufgrund einer hervorgehobenen inneren Macht667
Aymans/Müller, Kanonisches Recht Band IV, S. 234. Vgl. Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 169. 669 Proctor, CLSA 1987, 227 (230). 670 In diese Richtung auch: Pahud de Mortanges, Zwischen Vergebung und Vergeltung, S. 165, 171. 668
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
position agiert, er die ihm zukommenden vermögensbezogenen internen Pflichtmaßstäbe verletzt und auf diese Weise eine Schädigung des Vermögens des Treugebers herbeiführt. Die beschriebene Verletzung kann durch extern wirksames Tätigwerden erfolgen (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB) oder als solche die eigentliche Tathandlung darstellen (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Maßgebliches Charakteristikum der Untreuestrafbarkeit nach staatlichem Recht ist der interne Angriffsweg auf das Vermögen des Treugebers kraft einer spezifischen Täterposition. Bei c. 1389 § 2 CIC/1983 geht es dahingegen um die Ahndung einer schadensverursachenden Dienstverletzung. Die Schädigung geschieht dabei nicht notwendigerweise „von innen heraus“, da der Geschädigte jede gegenüber dem Täter fremde Person („cum damno alieno“) sein kann und der Täter keine spezifische Pflichtenstellung gegenüber dem Vermögen des Opfers innehaben muss. Es mag Fallgestaltungen geben, bei denen die dienstpflichtwidrige Handlung zu einem Vermögensnachteil der Kirche als der Auftraggeberin der betroffenen kirchlichen Tätigkeit führt. Dabei handelt es sich aber nicht um den von c. 1389 § 2 CIC/ 1983 erfassten Regelfall, in dem außerhalb der Kirche stehende Dritte durch einen rechtswidrigen kirchlichen Akt einen Schaden erleiden. Beispielhaft671 sei die Assistenz eines Priesters bei einer kirchlichen Trauung genannt, ohne dass sich dieser zuvor um die notwendige Delegation gekümmert hat. Die Eheschließung ist damit kirchenrechtlich ungültig, wodurch ein Schaden des Brautpaares entstehen kann. Dies ist z. B. der Fall, wenn einer der Ehegatten in einer katholischen Einrichtung arbeiten möchte, in welcher nur katholisch getraute Personen eingestellt werden und dieser bei höchster Qualifikation allein aufgrund der Ungültigkeit der Eheschließung abgewiesen wird. Die Vermögensschädigung erfolgt in dieser Situation „von außen“. Selbst in der theoretisch vorstellbaren Konstellation einer Schädigung der Kirche muss der Täter im Rahmen des c. 1389 § 2 CIC/1983 nicht notwendigerweise aufgrund einer ihm zukommenden Vermögensbetreuungspflicht handeln. Ausreichend ist vielmehr die Kausalität der rechtswidrigen Kirchentätigkeit für die Herbeiführung des Vermögensschadens. Eine spezifische Täterstellung wird nicht zur Tatbestandsvoraussetzung des c. 1389 § 2 CIC/1983 erhoben. Täter kann jeder sein, der aufgrund eines entsprechenden Auftrags eine kirchliche Tätigkeit wahrnimmt. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass von c. 1389 § 2 CIC/1983 aufgrund der Weite des Tatbestandes und des Erfordernisses eines Vermögensnachteils als Erfolg auch nach staatlichem Recht strafbare Untreuehandlungen erfasst werden können. Dies ist dann der Fall, wenn dem Täter de facto eine Vermögensbetreuungspflicht gemäß den Voraussetzungen in § 266 Abs. 1 StGB obliegt und er diese verletzt, wodurch letztlich ein Vermögensnachteil zulasten der Kirche 671
Beispiel aus: Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 211 Fn. 99.
II. Die fehlende Disponibilität der staatlichen Strafgewalt
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herbeigeführt wird. Bei c. 1389 § 2 CIC/1983 handelt es sich daher im Grundsatz um eine mit der staatlichen Untreue vergleichbare Norm.672 In subjektiver Hinsicht geht c. 1389 § 2 CIC/1983 über die Strafbarkeitsvoraussetzungen der Untreue nach staatlichem Recht hinaus (§ 15 StGB), indem bereits fahrlässiges und nicht nur vorsätzliches Handeln für strafwürdig erachtet wird. Die mögliche Subsumtion strafbarer Untreuehandlungen unter c. 1389 § 2 CIC/1983 ändert jedoch nichts daran, dass der Tatbestand des c. 1389 § 2 CIC/ 1983 viel weiter gefasst ist und die untreuespezifischen Merkmale wie die Vermögensbetreuungspflicht und die interne Angriffsrichtung gerade nicht zur Voraussetzung erhoben werden. C. 1389 § 2 CIC/1983 entbehrt hinsichtlich des Angriffswegs, des Unrechtsurteils und der fehlenden vermögensbezogenen Pflichtenstellung des Täters der typischen untreuespezifischen Charakteristik. d) Zwischenergebnis Das kanonische Kirchenrecht enthält keine dem § 266 Abs. 1 StGB entsprechende Straftatbestimmung. Mangels einer eigenen Regelung der Untreuestrafbarkeit durch die Kirche besteht auch in Bezug auf die staatliche Strafnorm des § 266 StGB kein Kompetenzkonflikt zwischen kirchlichem und staatlichem Strafrecht. Die Anwendbarkeit des § 266 StGB kann daher nicht mit dem Argument in Abrede gestellt werden, dass die Kirche selbst eine eigene Norm zur Bestrafung der Untreue vorsehen würde, anhand derer es vorzugehen gälte. Diese These hätte zudem keinen Erfolg, da nach der Darstellung des Kapitels II selbst bei Bestehen einer kirchlichen Untreuenorm stets von der parallelen co-existentiellen Geltung von kirchlichen und staatlichen Strafvorschriften auszugehen wäre. 5. Zusammenfassung Die Darstellungen haben ergeben, dass die kirchliche Strafgewalt der Anwendbarkeit strafrechtlicher Normen im kirchlichen Bereich eo ipso nicht entgegen zu stehen vermag. § 266 StGB nimmt jedoch insofern eine Sonderstellung ein, als nicht nur die Strafgewalt der Kirche als Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts tangiert wird, sondern zudem das von § 266 StGB geschützte Rechtsgut des Vermögens sachlicher Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts in Vermögensangelegenheiten ist. Unbeantwortet ist daher bislang die Frage, ob staatliche Strafnormen in Fällen Anwendung finden können, in denen auch hinsichtlich des von der jeweiligen Strafnorm erfassten sachlichen Regelungsbereichs das Selbstbestimmungsrecht der Kirche betroffen ist.
672
Pusch/Wastl, AfkKR 2014, 502 (530).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG als Grenze der staatlichen Strafgewalt In Kapitel II. dieser Arbeit wurde erörtert, dass das staatliche Strafrecht trotz des parallelen Bestehens eines kirchlichen Strafrechts gegenüber dem Klerus und den Katholiken Anwendung findet. Hieraus wurde abgeleitet, dass auch der Straftatbestand der Untreue grundsätzlich gegenüber Kirchenangehörigen anwendbar ist. Fraglich ist, ob dies auch für den Fall gilt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirche in materieller Hinsicht bzgl. des von § 266 StGB erfassten Regelungsbereichs betroffen ist, indem kirchliches Vermögen als das geschädigte Vermögen in Rede steht. Es muss daher einer eingehenden Prüfung unterzogen werden, ob die Anwendbarkeit des Straftatbestands der Untreue infrage gestellt werden kann, wenn hierdurch in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche im Vermögensbereich aus Art. 137 Abs. 3 S. 1WRV i.V. m. Art. 140 GG bzw. in dessen Ergänzung aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG (1.) eingegriffen wird (2.). Das Selbstbestimmungsrecht besteht gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG nur innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Der Straftatbestand der Untreue kann im Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts daher nur dann Geltung erlangen, wenn die Vorschrift des § 266 StGB eine taugliche Schrankennorm darstellt (3.) und die konkrete Anwendung durch die Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft bzw. die hieran anschließende Beurteilung vor den staatlichen Strafgerichten den Verhältnismäßigkeitsmaßstäben genügt (4.). Zur Beurteilung der Reichweite der Schrankenbestimmung könnte es eine Rolle spielen, ob inner- oder außerkirchliche Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vermögensrechts betroffen sind. 1. Die Bestimmung des durch § 266 StGB betroffenen Bereichs des Selbstbestimmungsrechts der Kirche Bei der Anwendbarkeit des § 266 StGB gegenüber dem Klerus muss nicht notwendigerweise das Selbstbestimmungsrecht der Kirche berührt sein. Vielmehr sind theoretisch auch Fallgestaltungen denkbar, bei denen beispielsweise ein Pfarrer Untreuehandlungen zulasten eines Vermögens vornimmt, das ihm von außerhalb der Kirche stehenden Personen anvertraut wurde. Sind Dritte und nicht die Kirche die Geschädigten, liegt keine eigene Angelegenheit der Kirche i. S. v. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG mehr vor. Indem ein außerhalb der Kirche stehendes Vermögen verletzt wird, wird der Bereich der eigenen Angelegenheiten verlassen und der rein staatliche Bereich erreicht, innerhalb dessen die Strafgesetze des StGB unbestritten Geltung beanspruchen. Etwas anderes kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt gelten, dass der Täter ein Kirchenangehöriger ist. Der Täter selbst kann sich als Einzelperson nicht auf
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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das Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG berufen. Insoweit fehlt es bereits an der Eröffnung des persönlichen Schutzbereichs. In Bezug auf die Kirche wäre der persönliche Schutzbereich eröffnet. Zudem verfügt die Kirche in sachlicher Hinsicht kraft ihres Selbstbestimmungsrechts über eine eigene Gerichtsbarkeit673, mithilfe derer sie die strafrechtliche Ahndung von Kirchenangehörigen durchzusetzen vermag (vgl. c. 1401 2 ë CIC/1983).674 Wie bereits dargelegt, nimmt das kirchliche Strafrecht jedoch gegenüber dem staatlichen Strafrecht keine exklusive Stellung für sich in Anspruch. Vom Selbstbestimmungsrecht der Kirche ist es daher nicht erfasst, unter Ausschluss der staatlichen Strafgewalt selbst gegen den Untreuetäter strafrechtlich vorzugehen. Hinzu kommt, dass die Kirche für den Bereich von Untreuehandlungen keine spezifische Strafnorm vorsieht (s. S. 100 ff.). Bestraft der Staat dahingegen nach Maßgabe des § 266 StGB Untreuehandlungen zulasten des kirchlichen Vermögens, sind der persönliche und der sachliche Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG eröffnet. Das Selbstbestimmungsrecht ist jedoch nur unter dem Aspekt der staatlichen Einmischung in kircheninterne Vermögensangelegenheiten betroffen. Die Kirche kann auch bei Verletzung ihres eigenen Vermögens keinen ungerechtfertigten Eingriff in ihr Selbstbestimmungsrecht dahingehend rügen, dass es ihr durch die strafrechtliche Ahndung der gegen sie gerichteten Untreuehandlungen verwehrt wäre, selbst darüber zu befinden, ob ein strafbares Verhalten vorliegt und welche Sanktionen hiergegen auszusprechen sind. Aufgrund der Indisponibilität des staatlichen Strafanspruchs wird eine ausschließlich eigene strafrechtliche Ahndung von Fehlverhalten der Kirchenangehörigen nicht vom Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG erfasst. Die Argumentation muss insoweit bei kircheneigenem und fremdem Vermögen als Schädigungsobjekt identisch sein. Wie oben (s. S. 38 ff.) aufgezeigt, fällt das kirchliche Vermögen in den Bereich der von Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG gewährleisteten „eigenen Angelegenheiten“, welche die Kirche selbstständig ordnen und verwalten kann. Auch der Schutzbereich der Kirchengutsgarantie aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG, welche auf die Aufrechterhaltung des Bestandes und der widmungsgemäßen Nutzbarkeit des Kirchenvermögens zielt, ist in der Funktion als Ergänzung des Selbstbestimmungsrechts eröffnet. 673 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 138 WRV Rn. 113; Campenhausen, AöR 1987, 623 (624); Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, v. Art. 92 Rn. 120; Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 40; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 162; Mikat, in: ders. (Hrsg.), Religionsrechtliche Schriften, S. 29 (92); Campenhausen, AöR 1987, 623 (631). 674 Mikat, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 111 (154).
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2. Eingriff Das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht soll die Kirche vor Eingriffen des Staates in das eigenständige Ordnen und Verwalten ihrer Angelegenheiten schützen. Ein Eingriff ist nach dem modernen Eingriffsbegriff „jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten [. . .], das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht, gleichgültig, ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich [. . .], mit oder ohne Befehl und Zwang eintritt“ 675. a) Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht in Vermögensangelegenheiten durch aufgedrängten staatlichen Schutz Um beurteilen zu können, ob durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingegriffen wird, darf nicht auf die darin implizit enthaltene Verhaltensregel in Form des allgemeinen Verbots von Untreuehandlungen abgestellt werden, da sich diese allein an potentielle Untreuetäter und nicht an die Geschädigten richtet. Als Eingriff müssen gleichermaßen die in § 266 Abs. 1 StGB als solche angedrohten Sanktionen in Form von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe ausscheiden. Denn die Normierung einer Sanktionsvorschrift allein stellt noch keinen staatlichen Eingriff dar; ein solcher tritt erst dann ein, wenn der strafrechtliche Vorwurf seitens des Staates in Form einer Anklage erhoben bzw. im Schuldspruch festgestellt wird.676 Doch auch der erhobene Vorwurf bzw. die infolge eines auf § 266 Abs. 1 StGB lautenden Schuldspruchs verhängte Strafe stellen keinen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche dar, da diese den Untreuetäter und nicht die Kirche als Geschädigte treffen. Gleichermaßen verhält es sich mit der endgültigen Vollstreckung der rechtskräftig verhängten Strafe. Träger des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG ist alleine die Kirche bzw. deren selbstständige Untergliederungen, nicht jedoch der Klerus oder die anderen Kirchenangehörigen als potentielle Untreuetäter. Die Kirche wird durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB in ihrer Position als Geschädigte und nicht als Täterin betroffen. Letzteres wäre wegen der fehlenden Verbandsverantwortlichkeit im deutschen Strafrecht ohnehin nicht denkbar.677 Die Anwendbarkeit des § 266 StGB kann daher nur dann einen Eingriff darstellen, wenn die Kirche als Geschädigte zumindest faktisch in ihrem Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt wird. § 266 StGB dient im vorliegenden Untersuchungsfall dem Schutz des Vermögens der Kirche. Da ein strafrechtliches Verfahren jedoch mit einer Offenlegung 675 676 677
Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 261. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 96. Rostalski, RW 2015, 1 (15).
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von kircheninternen Vorgängen gegenüber dem Gericht verbunden ist, kann ein solches vonseiten der Kirche trotz des ihr entstandenen Vermögensnachteils unerwünscht sein. Auf diese Weise führt auch ein „Zuviel an staatlichem Schutz“ 678 zu einer Einschränkung der Abwehrfunktion679 des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Ein Eingriff kann daher in einem „aufgedrängten [. . .] Opferschutz [. . .]“ 680 zu sehen sein. Indem eine gegenüber der Kirche treuepflichtige Person wegen des Vorwurfs der Untreue strafrechtlich verfolgt wird, wird die Kirche faktisch zum Selbstschutz gezwungen. Die Konstellation des aufgedrängten Opferschutzes durch eine strafrechtliche Verfolgung von Amts wegen ist von der Konstellation des staatlichen Schutzes einer Person vor sich selbst zu unterscheiden. In einem solchen Fall kommt es zu einem Eingriff in das aus der allgemeinen Handlungsfreiheit abgeleitete Recht auf Selbstgefährdung.681 Vorliegend soll die Kirche jedoch nicht „vor sich selbst“, d.h. vor selbstschädigendem Verhalten geschützt werden, da die vermögensschädigende Maßnahme im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB von einem Dritten ausgeht. Zudem wendet sich die Kirche auch nicht gegen den Schutz ihres Vermögens als solches, sondern gegen die mit der strafrechtlichen Ahndung verbundene staatliche Einmischung in Kircheninterna. Die Fallgruppe des aufgedrängten staatlichen Opferschutzes hat mit der Konstellation des staatlichen Schutzes vor Selbstgefährdung lediglich gemein, dass hier nicht die Schutzpflichtdimension, sondern der Eingriffscharakter der verfassungsrechtlichen Gewährleistung in Rede steht.682 Es geht nicht um die Frage, ob der Staat einen ausreichenden Schutz des Vermögens gewährleistet, um dem Allgemeininteresse an der Pönalisierung von Untreuehandlungen zulasten des Vermögens des Treugebers gerecht zu werden. Vielmehr steht hier in Rede, ob der Staat durch die strafrechtliche Ahndung von Untreuehandlungen im kirchlichen Bereich das Mindestmaß an Schutz nach Maßgabe des Untermaßverbots überschreitet und auf diese Weise das aus der Abwehrfunktion des Selbstbestimmungsrechts abgeleitete Übermaßverbot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im engeren Sinne verletzt. Gegen den Eingriffscharakter eines aufgedrängten Opferschutzes durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB kann auch nicht eingewandt werden, dass es der 678
Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 259. Ders., Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 259. 680 Joecks, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Einl. Rn. 21. 681 Rigopolou, Grenzen des Paternalismus im Strafrecht, S. 50; Fischer, Die Zulässigkeit aufgedrängten staatlichen Schutzes vor Selbstschädigung, S. 30. Im Falle der Kirche würde die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG durch Art. 137 Abs. 3 WRV i.V. m. Art. 140 GG als lex specialis verdrängt. 682 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IX, S. 413 (529). 679
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Kirche möglich ist, in die Schädigung ihres Vermögens einzuwilligen683, wodurch bereits auf Tatbestandsebene im Missbrauchstatbestand der Missbrauch der Verpflichtungs- bzw. Verfügungsbefugnis und im Treuebruchstatbestand die Pflichtverletzung entfällt.684 Dabei werden die überwiegenden Fallgestaltungen übersehen, bei denen die Kirche erst nachträglich von der Untreuehandlung erfährt. Eine nachträgliche Genehmigung ist für ein wirksames tatbestandsausschließendes Einverständnis nicht ausreichend; das Einverständnis muss vielmehr vor der Tat erteilt worden sein, da bereits zum Zeitpunkt der Tat und nicht erst zum Zeitpunkt der Entdeckung der Tat feststehen muss, ob der Tatbestand erfüllt ist.685 Eine nachträgliche Genehmigung kann allenfalls auf der Ebene der Strafzumessung relevant werden.686 Untreuehandlungen, in welche die Kirche nicht eingewilligt hat, werden daher von Amts wegen verfolgt, unabhängig davon, ob die Kirche die Handlung später genehmigt oder der strafrechtlichen Verfolgung ausdrücklich widerspricht.687 Bei § 266 StGB handelt es sich – mit Ausnahme der Fälle des § 266 Abs. 2 StGB – um ein Offizialdelikt, welches unabhängig vom Willen des Geschädigten verfolgt wird. In der damit einhergehenden Aufdrängung des Vermögensschutzes durch den Staat ist der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht zu ersehen. b) Kein Eingriff in die Kirchengutsgarantie aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG Ein Eingriff in die Kirchengutsgarantie aus Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG, welche das Selbstbestimmungsrecht ergänzt (s. S. 47), lässt sich demgegenüber nicht feststellen, da die Schutzrichtungen des § 266 StGB und des Art. 138 Abs. 2 WRV identisch sind, soweit kirchlichen Zwecken gewidmetes Vermögen in Rede steht, und insoweit kein Rechtsgutskonflikt auftreten kann. § 266 StGB schützt allein „das individuelle Vermögen des Treugebers“ 688. Es handelt sich hierbei um eine „Bestandschutzgarantie“. Nicht vom Normzweck erfasst ist demgegenüber die Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers.689 Auch 683
So aber Rostalski, RW 2015, 1 (15). BGHSt 3, 23 (25); BGHSt 50, 331 (342); Heger, in: Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 20; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 20; Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/ Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 21; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 143. 685 BGHSt 50, 331 (343); OLG Hamm NStZ 1986, 119; Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 21. 686 Joecks, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Einl. Rn. 21. 687 Ders., in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Einl. Rn. 21. 688 Siehe Fn. 487. 689 Siehe Fn. 491. 684
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG gewährleistet anders als Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG ausschließlich den Bestand und die Zweckbindung des kirchlichen Vermögens.690 Indem Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG eine Bestandsgarantie all derjenigen vermögenswerten Rechte enthält, welche unmittelbar oder mittelbar religiösen Zwecken zu dienen bestimmt sind, stellt sie einen Teilbereich des von § 266 StGB gewährleisteten Normzwecks dar, der auf den Schutz jeglichen Vermögens gerichtet ist. Die Kirchengutsgarantie des Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG erfasst die Nutzbarkeit im Gegensatz zur Nutzung einer Sache, sie ist eine Bestandsgarantie und keine Handlungsfreiheit – so aber Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche in Vermögensangelegenheiten unterscheidet sich daher von dem durch § 266 StGB und Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG bezweckten Schutz des kirchlichen Vermögens in seinem gegenwärtigen Umfang durch die zusätzliche Gewährleistung der Dispositionsfreiheit. Die „Aufdrängung“ des Vermögensschutzes durch die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes betrifft jedoch nicht den status quo des Vermögens, der gerade aufrecht erhalten bleibt, sondern hindert die Kirche an ihrer eigenständigen Entscheidung darüber, ob und wie sie ihr Vermögen vor pflichtwidrigen Schädigungen schützen möchte. Es ist gerade die selbstständige Gestaltung der Vermögensangelegenheiten, welche durch einen aufgedrängten Vermögensschutz Einschränkungen erfährt.691 Die Kirchengutsgarantie des Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG erhält dahingegen durch die strafrechtliche Ahndung gem. § 266 StGB ein zusätzliches Gewicht, weshalb aufgrund des insoweit identischen Schutzumfangs der beiden Normen ein Eingriff in Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG ausscheiden muss. c) Kein Eingriff in die Ämterhoheit aus Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG Auch ein Eingriff in die Ämterhoheit als ausdrücklicher Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts (vgl. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG) liegt nicht vor, da es der Kirche weiterhin frei steht, ob sie durch staatliche Gerichte verurteilte Untreuetäter aus ihren kirchlichen Ämtern entlässt oder nicht. Anders als im Beamtentum oder dem Berufsstand der Rechtsanwaltschaft sind im Bereich der katholischen Kirche das Disziplinarverfahren692 und das staat690 Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 128. 691 A. A. Rostalski, RW 2015, 1 (15), welche einen Konflikt zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und § 266 StGB verneint, da beide Normen auf den Schutz des Vermögens zielen. Es ist jedoch zwischen Art. 137 Abs. 3 und Art. 138 Abs. 2 WRV zu differenzieren. 692 Wie oben (s. S. 85 ff.) dargelegt, befinden sich die Disziplinarnormen der römisch-katholischen Kirche innerhalb der als „Strafrecht“ bezeichneten Vorschriften des Liber VI des CIC.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
liche Strafverfahren nicht notwendig miteinander verknüpft. Im Beamtentum und in der Rechtsanwaltschaft muss das Disziplinar- bzw. das anwaltsgerichtliche Verfahren gem. Art. 24 Abs. 1 S. 1 BayDG (für Bayern) bzw. § 118 Abs. 1 S. 1 BRAO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt werden. Die dort festgestellten Tatsachen haben darüber hinaus gem. Art. 25 Abs. 1 BayDG bzw. § 118 Abs. 3 S. 1 BRAO für das folgende berufsrechtliche Verfahren Bindungswirkung.693 Der Kirche kann dahingegen gem. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG ihre Ämter ohne jeglichen Einfluss des Staates besetzen, so dass eine strafrechtliche Verurteilung eines Kirchenangehörigen kirchenintern nur diejenigen Auswirkungen zeitigt, für welche sich die Kirche selbst entscheidet. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er sich gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes hält (a)) und auch aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten im Rahmen der Schranken-Schranken nicht zu beanstanden ist (b)). Hierfür muss zunächst erläutert werden, welchem Schrankenvorbehalt das Selbstbestimmungsrecht der Kirche unterliegt und wie das für alle geltende Gesetz inhaltlich zu bestimmen ist (a) aa)). Die so ermittelten Grundsätze sind sodann auf den Straftatbestand der Untreue gem. § 266 StGB als Schrankennorm zu übertragen (a) bb)). a) Schranke des für alle geltenden Gesetzes aa) Die Bestimmung des für alle geltenden Gesetzes Das Selbstbestimmungsrecht besteht gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG nur „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. (1) Frühere Auffassungen In der Weimarer Zeit verstand man hierunter nach einem formalen Verständnis ein „für jedermann“ 694 geltendes Gesetz. Damit sollte kein Verbot von Sonderrecht ausgesprochen werden695, sondern die Schranke sollte vielmehr als allge693 Da die Untreue kein Verbrechen i. S. d. § 12 Abs. 1 StGB ist, führt eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr nicht zum automatischen Verlust der Fähigkeit, für die Dauer von fünf Jahren öffentliche Ämter zu bekleiden (§ 45 Abs. 1 StGB). 694 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 137 WRV Anm. 5. 695 Ders., Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, S. 550.
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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meiner Gesetzesvorbehalt fungieren. Eine derart extensive Schrankenauslegung ist zu weitgehend, da andernfalls eine Diskrepanz zu Art. 4 Abs. 1, 2 GG entstünde.696 Das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG und die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG weisen Überschneidungen auf. Die Religionsfreiheit kann jedoch anders als das Selbstbestimmungsrecht nur durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden. Aufgrund der partiellen Übereinstimmung beider Schutzbereiche würde der erhöhte Schutzgehalt der Religionsfreiheit durch die weite Schrankenziehung in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG unterlaufen werden.697 Aus diesem Grunde trat ein materielles Verständnis der Schrankenformel in den Vordergrund. Nach der sog. Heckel’schen Formel ist „das „für alle geltende Gesetz“ ein Gesetz [. . .], das trotz grundsätzlicher Bejahung der kirchlichen Autonomie vom Standpunkt der Gesamtnation als sachlich notwendige Schranke der kirchlichen Freiheit anerkannt werden mu[ss]; [mit anderen Worten] jedes für die Gesamtnation als politische, Kultur- und Rechtsgemeinschaft unentbehrliche Gesetz, aber auch nur ein solches Gesetz.“ 698 Diese Formel ist erheblichen Einwänden ausgesetzt. Zum einen ist sie zu unbestimmt, da die Unentbehrlichkeit für die Gesamtnation stets das Ergebnis einer Wertung darstellt.699 Darüber hinaus zeigt die NS-Historie Deutschlands, dass selbst ein für die (angebliche) „Gesamtnation“ unentbehrliches Gesetz mit dem Auftrag der Kirche unvereinbar sein kann.700 Andererseits finden sich auch weniger für die „Gesamtnation“ grundlegende Bestimmungen beispielweise aus dem Bau-, Denkmalschutz-, Naturschutzoder Polizei- und Sicherheitsrecht, die auch für die Kirchen Geltung beanspruchen sollten.701 Aus diesem Grunde wird die Heckel’sche Formel einhellig abgelehnt.702 696 BVerfGE 42, 312; Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 231. 697 Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 231; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 171. 698 Heckel, Verw.Arch. 1932, 280 (284). 699 Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 171; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 59; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 45; Grundmann, JZ 1966, 81 (83). 700 Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 109; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 171; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 11. 701 Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 109; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 171; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 11. 702 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 11; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 59; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 44; Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 37; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 45.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Heute wird zwischen der Bereichs- und der Abwägungslehre differenziert: (2) Bereichslehre Nach der Bereichslehre muss innerhalb der eigenen Angelegenheiten zwischen einem Innen- und einem Außenbereich unterschieden werden. Innerkirchliche Angelegenheiten würden keinen Einschränkungen durch das für alle geltende Gesetz unterliegen.703 Der Staat dürfe in die „inneren Verhältnisse [der Kirche] nicht eingreifen“ 704, da die Kirche „ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat [sei] und ihre Gewalt nicht von ihm herleite [. . .]“ 705. Zu den innerkirchlichen Angelegenheiten zählen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur rein innerkirchliche Sachverhalte, sondern gleichermaßen Vorgänge, die einen nur mittelbaren Bezug zur staatlichen Rechtsordnung aufweisen.706 Diejenigen Angelegenheiten, die sich unmittelbar auf die weltliche Rechtsordnung beziehen, werden dem sog. Außenbereich zugerechnet und durch das für alle geltende Gesetz beschränkt. Nach der Jedermann-Formel des Bundesverfassungsgerichts zählt hierzu nur ein Gesetz, das kein Sonderrecht gegenüber den Kirchen darstellt.707 „Trifft das Gesetz die Kirche nicht wie den Jedermann, sondern in ihrer Besonderheit als Kirche härter, ihr Selbstverständnis, insbesondere ihren geistig-religiösen Auftrag beschränkend, also anders als den normalen Adressaten, dann bildet es insoweit keine Schranke.“ 708 Um die Überzeugungskraft der Bereichslehre überprüfen zu können, welche in der Causa Limburg von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn herangezogen wurde, muss zunächst die Grundannahme einer Differenzierung zwischen Innenund Außenbereich innerhalb der eigenen Angelegenheiten einer eingehenden Prüfung unterzogen werden (a). Aus diesem Grunde muss der von § 266 StGB betroffene Vermögensbereich den Kategorien des Innen- bzw. Außenbereichs zugeordnet werden (b). Sodann bedarf es der Erörterung, welche Konsequenzen die Bereichslehre für die Heranziehung des § 266 StGB als Schrankennorm zeitigen würde (c).
703 BVerfGE 18, 385 (387 f.) (Gemeindeteilungsbeschluss); BVerfGE 42, 312 (334); BVerfGE 66, 1 (20); BVerfGE 72, 278 (289); Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1088); Weber, NJW 1989, 2217 (2219). 704 BVerfGE 18, 385 (Gemeindeteilungsbeschluss). 705 BVerfGE 18, 385 (Gemeindeteilungsbeschluss). 706 BVerfGE 42, 312 (334). 707 BVerfGE 42, 312 (334); Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 46. 708 BVerfGE 42, 312 (334).
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(a) Die Unterscheidung von Innen- und Außenbereich innerhalb der eigenen Angelegenheiten Wie oben (s. S. 36 ff.) dargestellt, zählen zu den eigenen Angelegenheiten alle Sachbereiche, die nach Maßgabe des Selbstverständnisses der Kirche von ihrem Auftrag erfasst sind und deren Einordnung zu den eigenen Angelegenheiten einer Plausibilitätsprüfung standhält. Unstreitig stehen den eigenen Angelegenheiten aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV die ausschließlich staatlichen Angelegenheiten gegenüber. Dazwischen finden sich die sog. gemeinsamen Angelegenheiten. Hiermit wird kein weiteres eigenständiges Rechtsinstitut beschrieben.709 Vielmehr handelt es sich dabei um eine faktische Situation, in der ein konkret betroffener Gegenstand sowohl zu den eigenen Angelegenheiten der Kirche als auch des Staates zu rechnen ist, je nachdem ob die kirchliche oder die staatliche Zweckbeziehung des Gegenstandes in Rede steht.710 Innerhalb der eigenen Angelegenheiten unterscheiden die Anhänger der Bereichslehre zusätzlich zwischen dem Innen- und dem Außenbereich. In dem Gemeindeteilungsbeschluss vom 17.02.1965 (BVerfGE 18, 385–388), in welchem sich das Bundesverfassungsgericht erstmalig zur Frage der Schrankenbestimmung des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV zu äußern hatte und dabei der Bereichslehre folgte, ging das Bundesverfassungsgericht fälschlicherweise davon aus, dass die innerkirchlichen Angelegenheiten mit den eigenen Angelegenheiten i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV gleichzusetzen seien.711 Innerkirchliche Angelegenheiten sind jedoch nicht mit den eigenen Angelegenheiten identisch, sondern sind nur ein Ausschnitt aus Letzteren.712 Zwar stellt jede innerkirchliche Angelegenheit zugleich eine eigene Angelegenheit i. S. v. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV dar. Nicht jede eigene Angelegenheit ist jedoch begriffsnotwendig innerkirchlich. Vielmehr sind auch Fallgestaltungen denkbar, bei denen eine eigene Angelegenheit den rein innerorganisatorischen Bereich der Religionsgemeinschaft verlässt. Wären die innerkirchlichen Angelegenheiten mit den eigenen Angelegenheiten identisch, würde die Schranke des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV unter Zugrunde709 Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 65. 710 Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 65; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 196; Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, S. 261. 711 BVerfGE 18, 385 (Gemeindeteilungsbeschluss); Grundmann, JZ 1966, 81 (83); Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 110; Hollerbach, AöR 1967, 99 (108); Campenhausen, ZevKr 1972, 127 (138). 712 So jetzt die neuere Rspr. vgl. BVerfGE 72, 278 (289); Grundmann, JZ 1966, 81 (84); Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1088); Heckel, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens – Festschrift für Peter Lerche, S. 213 (231); Campenhausen, ZevKr 1972, 127 (138); Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 110; Harling, NJW 1967, 2299 (2299).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
legung der vom Bundesverfassungsgericht im Gemeindeteilungsbeschluss angenommenen Bereichslehre gänzlich unterlaufen werden.713 Sobald die Kirche im Rahmen ihrer Selbstbestimmung tätig würde, wäre dies einer staatlichen Beschränkung von vornherein entzogen. Nur durch eine weite Definition der eigenen Angelegenheiten können auch gemeinsame Angelegenheiten hierzu gezählt werden, soweit die kirchliche Zwecksetzung berührt ist. Die innerkirchlichen Angelegenheiten sind daher Bestandteil des Überbegriffs der eigenen Angelegenheiten i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV und von dem Außenbereich abzugrenzen. Ob der Innen- oder Außenbereich berührt ist, beurteilt sich danach, inwieweit eine kirchliche Maßnahme auch im staatlichen bzw. gesellschaftlichen Bereich Wirkungen entfaltet.714 Unstreitig erfasst der Innenbereich die rein innerkirchlichen Angelegenheiten, die keinerlei Auswirkungen auf das staatliche bzw. gesellschaftliche Gebiet zeitigen (= geistlicher Kernbereich kirchlichen Wirkens).715 Hierunter fallen insbesondere die katholische Lehre, der Kult, die Sakramentenspendung, die Gestaltung des Gottesdienstes, die Kirchenverfassung, die innerkirchliche Organisation, die Bestimmung des Status von kirchlichen Amtsträgern sowie der Rechtsstellung der Kirchenangehörigen.716 Problematisch ist jedoch die Einordnung eines Sachverhalts, der sich mittelbar auf den staatlichen oder gesellschaftlichen Bereich auswirkt.717 Nachdem die Bereichslehre den Innenbereich entgegen dem ausdrücklichem Gesetzeswortlaut des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV von jeglicher staatlicher Beschränkung freistellt, bietet sich eine besonders enge Definition der dem staatlichen Recht nicht zugänglichen innerkirchlichen Angelegenheiten und damit deren Reduzierung auf den geistlichen Kernbereich an.718 Nur so kann im Rahmen der Bereichslehre die Effizienz der Schrankenklausel des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV aufrechterhalten bleiben.719 Nach dem Bundesverfassungsgericht zählt eine kirchliche Maßnahme jedoch auch dann zu den innerkirchlichen Angelegenheiten, wenn sie im staatlichen Zuständigkeitsbe-
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Grundmann, JZ 1966, 81 (84). Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 110. 715 Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1086); Grundmann, JZ 1966, 81 (84); Krämer, DVBl. 1981, 1 (1). 716 Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 158; Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1086); Grundmann, JZ 1966, 81 (84). 717 Krämer, DVBl. 1981, 1 (2). 718 Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 110; Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1086); Campenhausen, ZevKr 1972, 127 (136); Krämer, DVBl. 1981, 1 (1); Grundmann, JZ 1966, 81 (84); Rogge, Staatliche Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege, S. 106; Weber, NJW 2003, 2067 (2069). 719 Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 110. 714
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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reich zwar keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfaltet, sich jedoch mittelbar hierauf auswirkt.720 Durch diese weite721 Definition der innerkirchlichen Angelegenheiten wird der jedem staatlichen Zugriff entzogene Freiheitsbereich der Kirche vergrößert. Vom Innenbereich ist der Außenbereich innerhalb der eigenen Angelegenheiten abzugrenzen. Hiervon erfasst sind kirchliche Maßnahmen, die sich (unter Zugrundelegung der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts) unmittelbar auf den staatlichen oder den gesellschaftlichen Bereich auswirken. Überwiegend erfolgen die Auswirkungen auf das staatliche bzw. das gesellschaftliche Gebiet auf faktischer Ebene, indem der geistige Bereich überschritten wird. So stellt die karitative Tätigkeit der Kirche unstreitig eine eigene Angelegenheit dar.722 Diese wirkt sich durch die Spendenaufrufe und den Einsatz der Gelder zu sozialen Projekten – die nicht notwendigerweise allein dem religiösen Auftrag zu dienen bestimmt sein müssen – unmittelbar auf den weltlichen Bereich aus. Auch die kirchliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse („kirchliches Arbeitsrecht“), welche zu den eigenen Angelegenheiten zu rechnen sind723, erfährt gegenüber den Angestellten und Bediensteten die erforderliche unmittelbare Außenwirkung. Die unmittelbare Auswirkung auf den staatlichen Bereich kann gleichermaßen in formaler Hinsicht erfolgen, indem die Kirche aufgrund staatlicher Befugnisübertragung, jedoch kraft eigenen Rechts, Tätigkeiten ausübt. Klassisches Beispiel hierfür stellt die Kirchensteuer (Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG) dar. Das Recht zur Erhebung von Kirchensteuern kann nur deshalb als eigene – wenn auch gemeinsame – Angelegenheit der Kirche angesehen werden, da die Kirche nach der staatlichen Befugnisübertragung auf der Grundlage eines Steuergesetzes die Steuern aus eigenem Recht erhebt und selbst darüber befindet, ob 720 BVerfGE 42, 312 (334): „Eine Regelung, die keine unmittelbaren Rechtswirkungen in den staatlichen Zuständigkeitsbereich hat, bleibt eine ,innere kirchliche Angelegenheit‘ auch dann, wenn sie dorthin mittelbare Auswirkungen hat.“ 721 A. A. Grundmann, JZ 1966, 81 (84), der davon ausgeht, dass durch die Herausnahme aller Maßnahmen, die unmittelbare Auswirkungen im staatlichen Bereich haben, vielmehr eine Eingrenzung des innerkirchlichen Bereichs erfolgt, da sich in fast allen kirchlichen Bereichen bereits unmittelbare und nicht nur mittelbare Auswirkungen auf den staatlichen Bereich feststellen lassen. Durch diese „Einschränkung“ verbleiben nach Auffassung Grundmanns nur noch Wortverkündung, Sakramentsverwaltung sowie Kirchenstrafen und Kirchenzuchtsmaßnahmen als Bestandteil der innerkirchlichen Angelegenheiten, während sich „bereits im Ämterrecht unmittelbare Auswirkungen nach dem staatlichen Recht ergeben“. 722 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 39; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 40; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 8. 723 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 41; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 10.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
und inwieweit sie Steuern festsetzt.724 Hiervon abzugrenzen sind die Fälle, in denen die Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 137 Abs. 5 WRV i.V. m. Art. 140 GG) durch den Rechtsakt der Beleihung öffentlich-rechtliche Befugnisse als Bestandteil der mittelbaren Staatsverwaltung ausübt.725 Hier wird die Kirche nicht aus eigenem Recht, sondern aus abgeleitetem staatlichen Recht tätig, weshalb entsprechende Maßnahmen den rein staatlichen Angelegenheiten unterfallen, auch wenn die Kirche nach außen in Erscheinung tritt. Zusammenfassend bestehen die eigenen Angelegenheiten der Kirche unter Zugrundelegung der Bereichslehre aus einem Innenbereich sowie einem Außenbereich, der betroffen ist, sobald eine kirchliche Maßnahme unmittelbare Auswirkungen auf das staatliche bzw. das gesellschaftliche Gebiet zeitigt. Innerhalb des Außenbereichs sind die gemeinsamen Angelegenheiten von Kirche und Staat von den sonstigen Angelegenheiten zu unterscheiden, die nur im Aufgabenbereich der Kirche stehen. Von einer gemeinsamen Angelegenheit spricht man nur dann, wenn sowohl für den Staat als auch für die Kirche in dem betreffenden Gebiet der Aufgabenbereich eröffnet ist, ohne dass damit eine Konkurrenzsituation entsteht.726 (b) Fallgruppen im Vermögensbereich Der Vermögensbereich der kanonischen Vermögensträger als Anwendungsfall der eigenen Angelegenheiten i. S. v. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG soll im Folgenden den Kategorien des Innen- bzw. Außenbereichs nach Fallgruppen zugeordnet werden. Die Vermögensangelegenheiten werden in der überwiegenden Literatur und Rechtsprechung pauschal dem Außenbereich zugeordnet.727 Dies ist jedoch angesichts der Vielgestaltigkeit des kirchlichen Vermögens nicht überzeugend. Zur genauen Eingrenzung bedarf es daher zunächst einer einleitenden Erörterung der existierenden Vermögensgruppen der kirchlichen Vermögensträger. 724 Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 67. 725 Vgl. Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 153; Achterberg, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 92 Rn. 172; Ibler, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 86 Rn. 77. 726 Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 196. 727 BVerfG, NJW 1983, 2571 f.; BVerwGE 25, 226 (231 ff.); Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1088); Grundmann, JZ 1966, 81 (85); Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (953); Anschütz, Die Verfassungsurkunde für den preussischen Staat vom 31. Januar 1850, S. 308; Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 71; vgl. Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 158; vgl. Scheuner, ZevKr 1953/54, 352 (353).
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(aa) Die kirchlichen Vermögensgruppen Unter Kirchenvermögen versteht man nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen alle geldwerten weltlichen (,bona temporalia‘) Rechte, die einer öffentlichen juristischen Person des kanonischen Rechts (vgl. c. 116 § 1 CIC/1983) zugehören.728 Hierzu zählen körperliche Güter beweglicher und unbeweglicher Art sowie Rechte schuldrechtlicher oder dinglicher Art.729 Vermögensfähig sind die kirchlichen juristischen Personen auf allen Ebenen der Kirchenverfassung.730 Gem. c. 1255 CIC/1983 besitzen „[d]ie Gesamtkirche und der Apostolische Stuhl, die Teilkirchen und jedwede andere juristische Person, sei sie öffentlich oder privat, [. . .] die Fähigkeit, nach Maßgabe des Rechts Vermögen zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern.“ Aus der Sicht des Staates folgt dies aus der Anerkennung des Rechtsstatus einer juristischen Person. Aus der Sicht der Kirche bedürfen die Gesamtkirche und ihre selbstständigen Untergliederungen der Vermögensfähigkeit, um ihre Sendung unter den weltlichen Gegebenheiten verwirklichen zu können (vgl. cc. 1254 § 1, 2, 116 § 1 CIC/1983).731 Nach der in c. 1256 CIC/1983 kodifizierten Institutentheorie steht das Eigentum an den konkret betroffenen Vermögenswerten jeweils derjenigen juristischen Person – unter der obersten Autorität des Papstes – zu, welche das Vermögen rechtmäßig erworben hat.732 Innerhalb des Kirchenvermögens ist das Verwaltungs- von dem Finanzvermögen abzugrenzen. Während das Verwaltungsvermögen unmittelbar kirchlichen Zwecken, i. e. der Realisierung des katholischen Sendungsauftrags, zu dienen bestimmt ist (z. B. Gotteshäuser, kirchliche Verwaltungsgebäude, heilige Güter733), dient das Finanzvermögen dem kirchlichen Zweck nur mittelbar (z. B. Grund und Boden und weitere Geldanlagen734) und ist primär auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet.735 Ein Unterfall des Verwaltungsvermögens stellt das reine Kul728 Pree, in: Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts, S. 546 (546); Puza, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchenund Staatskirchenrecht, S. 538 (538). 729 Puza, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 538 (538). 730 Vgl. Hübner, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 537 (537). 731 Pree, in: Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts, S. 546 (547). 732 Kalb, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 303 (303). 733 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 83. 734 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (948). 735 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 83; Pree, in: Haering/Rees/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, S. 1471 (1488).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
tusvermögen dar, wozu insbesondere die ,res sacrae‘ zu zählen sind.736 In der römisch-katholischen Kirche sind unter ,res sacrae‘ gem. c. 1171 CIC/1983 diejenigen Sachen zu verstehen, die „durch Weihung oder Segnung für den Gottesdienst bestimmt“ sind. Erforderlich ist daher eine entsprechende Widmung in den Formen der Weihe oder Segnung durch die Kirche, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts konstituiert ist.737 Der Codex Iuris Canonici führt als ,res sacrae‘ die Kirchengebäude (c. 1214 CIC/1983), Altäre (c. 1237 CIC/1983) und Friedhöfe (c. 1240 CIC/1983) an. Einige Kirchengeräte werden ebenfalls durch Weihung oder Segnung zu ,res sacrae‘.738 So sieht das Benediktionale unter anderem die Weihe für Kelche, Hostienschalen, Orgeln, Glocken, Wegkreuze, Kreuzwege und gottesdienstliche Gewänder vor.739 Außerhalb des Kultusvermögens zählen auch Pfarr- und Gemeindehäuser, kirchliche Kindergärten, Studentenwohnheime, Krankenhäuser, Pflegeheime, Hochschulen, Bibliotheken und Archive zum Verwaltungsvermögen.740 (bb) Unterscheidung des Innen- und des Außenbereichs Entgegen der herrschenden Auffassung in der Literatur können nicht sämtliche kirchliche Vermögensangelegenheiten pauschal dem Außenbereich zugeordnet werden, sondern es muss nach der jeweils betroffenen Vermögensgruppe differenziert werden. (a) Finanzvermögen Das Finanzvermögen zählt zum Außenbereich der eigenen Angelegenheiten, da das Vermögen insoweit nur eine materielle Hilfsfunktion zur Wahrnehmung sämtlicher – auch nicht-religiöser – Aufgaben der Kirche erfüllt, vom religiösen Zweck jedoch überwiegend losgelöst ist. Das Halten von Geldanlagen und von Grund und Boden kann nur in den durch das staatliche Recht vorgesehenen Formen geschehen, da nur auf diese Weise ein finanzielles Tätigwerden im weltlichen Bereich ermöglicht wird. Die Zugehörigkeit des Finanzvermögens zum Außenbereich wird auch durch eine Darstellung der maßgeblichen Finanzquellen der Kirche verdeutlicht, welche Bestandteil des Finanzvermögens sind. 736 Busch, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 947 (948). 737 Schütz, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 3 (3). 738 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 84. 739 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 595. 740 Hübner, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 537 (537).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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(aa) Kirchensteuern Haupteinnahmequelle des kirchlichen Finanzsystems sind die Kirchensteuern (s. S. 49). Sie beruhen auf einer formalen Befugnisverleihung durch den Staat auf der Grundlage des Steuergesetzes und sind daher unmittelbar mit dem staatlichen Bereich rechtlich verknüpft. Der Staat steckt mit dem Steuergesetz, in welchem er die Voraussetzungen und möglichen Arten der Steuererhebung festlegt, den Rahmen ab, innerhalb dessen die Kirchen in materieller Hinsicht die Kirchensteuer regeln können.741 Den Kirchen kommt die Bestimmung über die Steuerfestsetzung, Beginn und Ende der Kirchensteuerpflicht sowie über Fragen der Steuerverwaltung zu.742 Da das staatliche Steuergesetz der materiellen Umsetzung durch die Kirche bedarf, bilden die Kirchensteuern einen Komplex, in welchem staatliche und kirchliche Aufgaben rechtlich ineinander greifen.743 Aufgrund dieser staatlichen Anbindung gehören sie den sog. gemeinsamen Angelegenheiten und damit notwendigerweise dem Außenbereich an.744 (bb) Kollekte/Sammlungen Eine weitere Einnahmequelle der Kirche stellen die für bestimmte karitative oder kirchliche Zwecke überwiegend außerhalb des Gottesdienstes vorgenommenen Sammlungen sowie die in den Gottesdiensten erbetene Kollekte dar (vgl. cc. 1265, 1266, 1274 § 1 CIC/1983).745 Die Spender geben der Kirche die Gelder im Hinblick auf deren klare Zweckbindung, welche von der Kirche bei der Verausgabung der Gelder vollumfänglich zu berücksichtigen ist (vgl. cc. 1267 § 3, 1284 § 2 n ë 3, 1300 CIC/1983). Werden die Sammlungen entgegen dieser Zwecksetzung gebraucht, führt dies zu einer Verletzung der finanziellen „Individualinteressen“ 746 der Spender. Auch wenn die Gelder formaljuristisch in das Vermögen der Kirche übergehen und zumindest mittelbar kirchlichen oder sozialen Zwecken zu dienen bestimmt sind, werden hiervon aufgrund der konkretisierten Zweckbestimmung weiterhin unmittelbar die Außeninteressen der Geldgeber berührt, so dass die Sammlungen nicht dem Innenbereich, sondern dem Außenbereich zugeordnet werden müssen. Aufgrund der Außenberührung darf auch eine zu rein religiösen Zwecken erfolgte Sammlung – wie beispielsweise eine
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Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 196. Dies., Staatskirchenrecht, S. 229. 743 Vgl. dies., Staatskirchenrecht, S. 196. 744 Vgl. Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 138; Leisner (Hrsg.), Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 81. 745 Vgl. Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 191. 746 Waldhoff, KuR 2014, 171 (186). 742
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Sammlung zur Renovierung des Altars im Petersdom – nicht zum kirchlichen Innenbereich gezählt werden. (gg) Spenden Neben den Sammlungen erhalten die Kirchen eine Vielzahl von Spenden. Im Gegensatz zu den Sammlungen ergehen diese nicht auf direktes Ersuchen durch die Kirche für ein bestimmtes Projekt, sondern aufgrund Eigeninitiative oder des allgemeinen Aufrufs zu Spenden.747 Auch Spenden sind in der Regel zweckgebunden und gehören daher wegen der unmittelbaren Berührung von finanziellen Außeninteressen dem Außenbereich an. Der Achtung der Zweckbestimmung von Spenden trägt c. 1267 § 3 CIC Rechnung, wonach „Gaben, die von Gläubigen für einen bestimmten Zweck gegeben sind, [. . .] nur zu diesem Zweck verwendet werden [dürfen].“ In den seltenen Fällen, in denen Spenden ohne Zweckbindung erfolgen, gehen diese in das sonstige allgemeine Vermögen der Kirchen auf.748 Das Geld der Kirche gehört stets dem Außenbereich an, da es als bloßes materielles Instrument zur Erfüllung sämtlicher, auch profaner Aufgaben dient. Dies gilt selbst dann, wenn mit dem Geld eine ,res sacra‘ angeschafft wird. Zwar gehört die ,res sacra‘ dem Innenbereich der Kirche an; diese Einordnung strahlt jedoch keinesfalls auf die für ihre Anschaffung aufgewendeten Mittel aus. (dd) Staatsleistungen Gem. Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG werden „[d]ie auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften [. . .] durch die Landesgesetzgebung abgelöst“. Der hierdurch begründete Gesetzgebungsauftrag an die Länder wurde bis heute nicht eingelöst749, so dass es weiterhin Staatsleistungen an die Kirche gibt. Staatsleistungen i. S. d. Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV sind Leistungen, die vor dem Inkrafttreten des Art. 138 WRV am 14.08.1919 auf der Grundlage von Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln zugunsten der Religionsgemeinschaften geschaffen und mit dem Ziel des Ausgleichs von Säkularisationen ausgezahlt wurden.750 Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG verbietet nicht die Neubegründung von Staatsleistungen nach dem 14.08.1919, gewährt aber nur für die vor diesem Datum begründeten Staatsleistungen eine Bestandsgarantie bis zu deren entschädi747 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 191. 748 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 197. 749 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 3. 750 Ders., in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 4.
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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gungspflichtigen Abschaffung durch die Gesetzgebung der Länder.751 Staatsleistungen sind durch den Staat gewährte Geldleistungen an die Kirche752, weisen somit rechtlich und begrifflich eine unmittelbare Beziehung zum Staat auf und sind folglich dem Außenbereich zuzurechnen. (ee) Staatliche Subventionen Als finanzielle Entlastungen der Kirche kommen auch staatliche Subventionen in Betracht. Im Gegensatz zu Staatsleistungen, die einen Ausgleich für einen erlittenen Vermögensverlust darstellen, werden staatliche Subventionen aufgrund des öffentlichen Interesses zur Förderung gemeinnütziger Belange gewährt.753 Anders als bei Staatsleistungen i. S. d. Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG muss bei Subventionen der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 i.V. m. Art. 19 Abs. 3 GG gewahrt werden.754 Es werden insbesondere diejenigen kirchlichen Aufgaben subventioniert, die gleichermaßen dem Aufgabenbereich des Staates zugehören wie beispielsweise die Erziehung (kirchliche Kindergärten), Bildung (kirchliche Schulen und Hochschulen), Pflege (kirchliche Altenheime) und das Gesundheitswesen (kirchliche Krankenhäuser, Beratungsstellen).755 So kommt der Staat durch die finanzielle Förderung von kirchlichen Schulen sowohl seinem eigenen Kulturauftrag als auch der Gewährleistung der Privatschulfreiheit aus Art. 7 Abs. 4 GG nach.756 Aufgrund des parallelen Bestehens der kirchlichen und staatlichen Aufgabenbereiche gehören die staatlichen Subventionen den gemeinsamen Angelegenheiten und damit dem Außenbereich an.757 (zz) Privatwirtschaftliche Einnahmen Wie jede andere vermögensfähige Person verfügt auch die Kirche über privatwirtschaftliche Einnahmen wie z. B. aus Kapitalvermögen, aus gewerblicher Tätigkeit (z. B. Betrieb eines Sägewerks zur Einholung der Erträge des Baumbe751 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 6; Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 138 WRV Rn. 123. 752 Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 138 WRV Rn. 122. 753 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 6. 754 Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 283. 755 Vgl. Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 203. 756 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 203; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 282. 757 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 6; Waldhoff, KuR 2014, 171 (174).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
standes auf dem kircheneigenen Grundbesitz), aus vertraglichen Vereinbarungen (z. B. Entgelt für die Teilnahme am Klosterseminar) sowie aus allen sonstigen zivilrechtlichen Formen des originären oder derivativen Vermögenserwerbs.758 Bei den privatwirtschaftlichen Einnahmen wird die Kirche nicht in ihrer Stellung als Glaubensinstanz, sondern als juristische Person im allgemeinen Rechtsverkehr betroffen, so dass eine unmittelbare Auswirkung auf den staatlichen Bereich gegeben ist. (b) Verwaltungsvermögen Demgegenüber stellt das Kultusvermögen als Bestandteil des Verwaltungsvermögens eine rein innerkirchliche Angelegenheit dar, da der staatliche und gesellschaftliche Bereich hiervon nicht berührt wird. Der Staat ist zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität verpflichtet und hat sich jeglicher Bewertung oder Einmischung in gottesdienstliche Angelegenheiten unter Einschluss der hierfür verwendeten Güter zu enthalten. Die Argumentation darf auch nicht dahin gehen, dass eine strafrechtliche Handlung zulasten des kirchlichen Vermögens selbst beim Vorliegen von ,res sacrae‘ stets dem Außenbereich zuzurechnen sei, da durch die staatliche Ahndung der Untreuehandlung der innerkirchliche Bereich zugunsten des staatlichen Bereichs verlassen werde. Dies würde eine petitio principii darstellen, da es hier gerade die Anwendbarkeit der staatlichen Strafgesetze darzulegen gilt, während auf dieser Annahme wiederum die Zuordnung zum Außenbereich fußen würde. Anders verhält es sich mit den außerhalb des Kultusvermögens stehenden weiteren Unterfällen des Verwaltungsvermögens (siehe die obige Aufzählung auf S. 150: Pfarr- und Gemeindehäuser, kirchliche Kindergärten, Studentenwohnheime, Krankenhäuser, Pflegeheime, Hochschulen, Bibliotheken und Archive). Zwar soll durch katholische Bildungs- und Erziehungseinrichtungen auch der kirchliche Sendungsauftrag verwirklicht werden, wodurch eine Anbindung an den innerkirchlichen Kernbereich in Betracht gezogen werden kann. Die meisten der vorgenannten Einrichtungen (z. B. Bibliotheken) können jedoch nach einer entsprechenden Zulassung gleichermaßen von Außenstehenden benutzt werden, die nicht notwendigerweise Kirchenangehörige sein müssen.759 Die konfessionsneutrale Zulassung stellt sogar den Regelfall der aufgeführten Einrichtungen dar. Da diese Institutionen zu den Grundlagen des gesellschaftlichen Lebens auch von Nichtreligiösen zählen können, ist insoweit die erforderliche unmittelbare Auswirkung auf den gesellschaftlichen Bereich gegeben, die zu einer Einordnung in den Außenbereich führt. 758 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 133. 759 Vgl. Mainusch, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 472 (473).
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(c) Folge für die Untreue Aus der obigen Darstellung wird deutlich, dass das von § 266 StGB geschützte Rechtsgut des Vermögens der Kirche überwiegend dem Außenbereich zuzuordnen ist. Lehnt man auch die von der herrschenden Literatur vorgenommene pauschale Einordnung sämtlichen Vermögens in den Außenbereich der eigenen Angelegenheiten ab, so verbleiben dennoch nur wenige Vermögensgruppen, die dem Innenbereich zugehören können: Lediglich die ,res sacrae‘ sind zu den innerkirchlichen Angelegenheiten zu zählen, da im Bereich von Glauben und Kultus der Staat zu strikter Neutralität und Nichteinmischung verpflichtet ist. Alle übrigen Vermögenskategorien unterfallen wegen deren unmittelbaren Anbindung an den staatlichen bzw. weltlichen Wirkungskreis dem Außenbereich. Unter Zugrundelegung selbst der strengen Bereichslehre wäre daher ein staatlicher Eingriff durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB in den meisten Fällen zulässig, soweit § 266 StGB kein Sonderrecht statuiert und in verhältnismäßiger Weise angewandt wird. (3) Abwägungslehre Der Bereichslehre steht die Abwägungslehre gegenüber. Zwar übernimmt die Abwägungslehre das formale Kriterium des Verbots von Sonderrecht760, geht jedoch in materieller Hinsicht davon aus, dass die in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV normierten Schranken für jegliche Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften gelten, da der Wortlaut der Schrankenregelung in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV nicht zwischen einem Innen- und Außenbereich differenziert.761 Ob eine Norm ein „für alle geltendes Gesetz“ i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV darstellt, beurteilt sich danach, ob im Rahmen einer Abwägung das durch die Schrankennorm geschützte Rechtsgut den im Einzelfall betroffenen Bereich des Selbstbestimmungsrechts überwiegt.762 Die beiden kollidierenden Rechtsgüter sind einander im Sinne praktischer Konkordanz so zuzuordnen, dass sie beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen.763 Ergänzt wird die Abwägungslehre durch die in Art. 5
760 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 60; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 13. 761 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 12; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 173; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 46. 762 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 63; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 173; Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 37; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 137 WRV Rn. 14. 763 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 47; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 63; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 173.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Abs. 2 GG764 praktizierte Wechselwirkungslehre.765 Hiernach ist die Schrankennorm im Lichte der Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts zu betrachten, während das Selbstbestimmungsrecht wiederum im Lichte der Bedeutung des kollidierenden Rechtsgutes zu gewichten ist.766 Zum Teil wird vertreten, dass das von dem Schrankengesetz geschützte Rechtsgut den Rang eines kollidierenden Verfassungsrechts aufweisen muss.767 Der Wortlaut des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV, der ausdrücklich einen (qualifizierten) Gesetzesvorbehalt vorsieht, bietet hierfür jedoch keinen Anhaltspunkt. In dogmatischer Hinsicht unterliegen im Grundgesetz nur vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte der Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts. Insoweit zeigt sich bereits anhand des Wortlauts des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV und des Art. 4 Abs. 1, 2 GG der Unterschied in der Schrankenziehung.768 Es kann daher jede Norm als Schranke des Selbstbestimmungsrechts herangezogen werden, die einem bestimmten Rechtsgut des Allgemeinwohls zu dienen bestimmt ist.769 (4) Stellungnahme Es bedarf daher des Streitentscheids, ob die Bestimmung der Schranken in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV unter Zugrundelegung der Abwägungs- oder der Bereichslehre zu erfolgen hat. Gegen die Bereichslehre lässt sich einwenden, dass die Herausnahme innerkirchlicher Sachverhalte aus der Schrankenziehung im Wortlaut des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV keine Stütze findet770 und insoweit contra legem erfolgt.771 Nach dem Wortlaut unterfallen vielmehr alle Angelegenheiten der Schranke des für alle geltenden Gesetzes.772 Wie oben aufgezeigt, erfassen die „eigenen Angelegenheiten“ der Religionsgemeinschaften sowohl
764 BVerfGE 7, 198 (Fall Lüth); Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 184. 765 BVerfGE 53, 366 (400): „Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV gewährleistet in Rücksicht auf das zwingende Erfordernis friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirchen sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck ist durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen.“ 766 Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 173. 767 Grzeszick, AöR 2004, 168 (210). 768 Vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 174. 769 Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 174; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 11. 770 So auch Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 181; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 62; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 172; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 46. 771 Grundmann, JZ 1966, 81 (82). 772 Ehlers, JuS 1989, 364 (369).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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innerkirchliche als auch gemeinsame Sachverhalte. Zudem geht die Bereichslehre zu weit, da durch die Subsumtion auch mittelbar staatlicher Angelegenheiten unter den innerkirchlichen Bereich nur noch wenige Fälle verbleiben, die einer Einschränkung unterliegen können.773 Indem innerkirchliche Angelegenheiten kategorisch jeglicher staatlicher Grenzziehung entzogen werden, wird in diesem Bereich die staatliche Souveränität pauschal begrenzt774, ohne dass auf Einzelfallaspekte eingegangen werden kann. Ferner verfügt die Bereichslehre über einen Mangel an Justiziabilität, da nicht festgelegt ist, wer im Streitfall letztverbindlich darüber entscheidet, ob eine kirchliche Maßnahme nur mittelbare oder bereits unmittelbare Auswirkungen auf den staatlichen Bereich hat.775 Die Abwägungslehre verdient gerade deshalb den Vorzug, da sie anders als die Bereichslehre keinen starren Vorgaben folgt, sondern den konfligierenden Gesichtspunkten im Rahmen einer Güterabwägung flexibel Rechnung trägt.776 Die Abgrenzung zwischen innerkirchlichen und außerkirchlichen Angelegenheiten kann nicht trennscharf vorgenommen werden, sondern ist stets das Ergebnis einer wertenden Betrachtung.777 Eine pauschale Einordnung in den Innen- bzw. Außenbereich erweist sich daher als wenig praktikabel und birgt das Risiko, dass natürliche Lebenssachverhalte willkürlich zerrissen werden.778 Aus diesem Grunde muss auf die kategoriale Unterscheidung eines Innen- und Außenbereichs nach Maßgabe der Bereichslehre verzichtet werden. Zwar ist der Gedanke der Bereichslehre im Grundsatz richtig, wonach der innerste Bereich der Kirche staatlicher Einmischung entzogen werden soll. Dieses Ergebnis kann jedoch gleichermaßen durch eine Abwägung erreicht werden, da gerade der Innenbereich der eigenen Angelegenheiten der Kirche als besonders schützenswert einzustufen ist und deshalb im Rahmen der Abwägung regelmäßig gegenüber dem durch die Schrankennorm geschützten Rechtsgut überwiegt.779 Dies hat letztlich ebenso zur Folge, dass der innerste Bereich der Kirche oftmals keiner Beschränkung unterliegt. Die oben vorgenommene Abgrenzung zwischen innerkirchlichen und gemeinsamen Sachverhalten innerhalb der eigenen Angelegenheiten i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV kann daher unter Zugrundelegung der Abwägungslehre nur insoweit an Bedeutung gewinnen, als an die Rechtfertigung
773 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 46. 774 Grundmann, JZ 1966, 81 (85). 775 Ders., JZ 1966, 81 (85). 776 So auch Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 185. 777 Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 172; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 45. 778 Campenhausen, AöR 1987, 623 (634). 779 So in der Vorauflage: Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 137 WRV Rn. 13; Grzeszick, AöR 2004, 168 (176).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
und das Gewicht des entgegenstehenden Rechtsguts umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je stärker die Nähe des betroffenen Gebiets des Selbstbestimmungsrechts zu dessen Innenbereich ausgeprägt ist.780 Auch in der Rechtsprechung, die bislang konsequent die Bereichslehre verfolgt hat, hat sich ein Wandel hin zur Abwägungslehre vollzogen. In seinem Urteil vom 11.02.2000, das von vielen als „Paukenschlag“ 781 bezeichnet wird, hat der 5. Zivilsenat des BGH (Az.: V ZR 271/99) hervorgehoben, dass „Selbstverwaltungsrecht und allgemeine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte [. . .] in einem Wechselverhältnis [stehen], dem durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen ist.“ 782 Diese Entscheidung wurde durch das Urteil des 5. Zivilsenats des BGH vom 28.03.2003 (Az.: V ZR 261/02, BGHZ 154, 306) bestätigt. Mit Urteil vom 28.02.2002 (Az.: 7 C 7/01, BVerwGE 116, 86–92) hat sich der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 11.02.2000 der Ansicht des BGH angeschlossen. Eine gegenläufige Tendenz machte jedoch der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 30.10.2002 (Az.: 2 C 23/01, BVerwGE 117, 145–149) deutlich, worin er statuierte, dass „ein vor jeder staatlichen Einflussnahme geschütztes Selbstbestimmungsrecht [. . .] den Religionsgesellschaften bei rein „innerkirchlichen“ Maßnahmen zu[stehe]. [. . .] Auch wenn die Maßnahme „hinübergreift“ in den Bereich des Öffentlichen, des Gesellschaftspolitischen und dort mittelbar wirkt, beseitigt das nicht ihren Charakter als kircheninterne Maßnahme. Erst für kirchliche Maßnahmen, die unmittelbare Wirkung in dem vom Staat zu ordnenden Bereich haben, gilt das uneingeschränkte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht.“ 783 Der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat diese Rechtsprechung jedoch mit Urteil vom 27.02.2014 (Az.: 2 C 19/12, BVerwGE 149, 139–153) expressis verbis aufgegeben.784 Auch das Bundesverfassungsgericht ist seit dem Beschluss vom 25.03.1980 (Az.: 2 BvR 208/76) von der früheren Bereichslehre in einigen Entscheidungen auf die Abwägungslehre übergegangen.785 Vereinzelt kombiniert das 780
Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 113. Weber, ZevKr 2004, 385 (386). 782 BGH, NJW 2000, 1555 (1556). 783 BVerwGE 117, 145 = NJW 2003, 2113. 784 BVerwGE 149, 139: „Seine entgegenstehende Rechtsprechung (Urteil vom 30. Oktober 2002 – BVerwG 2 C 23.01) gibt der Senat auf.“ „Die Grenze ist im Einzelfall im Wege der Abwägung zu bestimmen.“ „Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck ist durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen.“ 785 BVerfGE 53, 366 (400): „Die inkorporierten Kirchenartikel der Weimarer Verfassung bilden mit dem Grundgesetz ein organisches Ganzes. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewährleistet in Rücksicht auf das zwingende Erfordernis friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirchen sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck ist durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen.“ 781
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Bundesverfassungsgericht in dogmatisch zweifelhafter Weise beide Theorien,786 indem es im Grundsatz von der Bereichslehre ausgeht787, jedoch bei Vorliegen eines außerkirchlichen und nicht innerkirchlichen Sachverhalts im Übrigen eine Abwägung gemäß der Wechselwirkungslehre vornimmt788. In anderen Entscheidungen legt das Bundesverfassungsgericht dahingegen dogmatisch konsequent allein die Abwägungslehre zugrunde.789 Zuletzt ging das Bundesverfassungsgericht wieder zur Bereichslehre zurück,790 ist dabei jedoch auf erhebliche Kritik seitens der Literatur gestoßen, da sich das Bundesverfassungsgericht zu den Schranken äußerte, obwohl der Streitgegenstand hierzu keinen Anlass bot und das Bundesverfassungsgericht dabei jegliche Auseinandersetzung mit der in der übrigen Rechtsprechung anders lautenden Auffassung vermissen ließ.791 Die Abwägungslehre führt dazu, dass bereits auf Schrankenebene eine Güterabwägung vorgenommen wird, um festzustellen, ob durch die betreffende Norm eine Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts in grundgesetzkonformer Weise vorgenommen werden kann. Während im Rahmen der Schranken untersucht wird, ob der durch die Schrankennorm verfolgte Zweck sich gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht im Allgemeinen durchzusetzen vermag, erfolgt auf der 786
Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 139. Vgl. BVerfGE 66, 1 (20): „Daraus folgt allerdings nicht schon, dass die Frage der Zulässigkeit eines Konkurses bei kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts eine rein innere kirchliche Angelegenheit beträfe, bei der der Staat keinerlei Schranken in Gestalt allgemeiner Gesetze errichten könnte [= Bereichslehre].“ 788 So auch Maurer, Abhandlungen zum Kirchenrecht und Staatskirchenrecht, S. 185; Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 150; BVerfGE 66, 1 (22): „Selbst wenn aber die Konkursordnung von ihrer Zielsetzung und ihrer rechtspolitischen Bedeutung her prinzipiell ein für alle geltendes Gesetz im Sinne von Art. 137 Abs. 3 WRV ist, ist damit nicht gesagt, dass diese staatliche Regelung in jedem Fall dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht vorgeht. [. . .] Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewährleistet mit Rücksicht auf das zwingende Erfordernis des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck ist durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen [= Abwägungslehre].“ BVerfGE 72, 278 (289): „Bei rein inneren kirchlichen Angelegenheiten kann ein staatliches Gesetz für die Kirche überhaupt keine Schranke ihres Handelns bilden [= Bereichslehre]. Aber auch in dem Bereich, in dem der Staat zum Schutze anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter ordnen und gestalten kann, trifft ein dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Schranken ziehendes Gesetz seinerseits auf eine ebensolche Schranke, nämlich auf die materielle Wertentscheidung der Verfassung, die über den für die Staatsgewalt ohnehin unantastbaren Freiheitsraum der Kirchen hinaus ihre und ihrer Einrichtungen besondere Eigenständigkeit gegenüber dem Staat anerkennt. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck ist durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen [= Abwägungslehre].“ 789 Vgl. BVerfGE 70, 138. 790 BVerfG, NJW 2009, 1195 (1196). 791 Germann, ZevKr 2009, 214 (215); Weber, NJW 2009, 1179 (1182). 787
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Ebene der Schranken-Schranken eine Verhältnismäßigkeitsprüfung dahingehend, ob auch im konkreten Einzelfall das kollidierende Rechtsgut nicht über Gebühr in das Selbstbestimmungsrecht eingreift. Zusammenfassend ist daher der Abwägungslehre zu folgen. Bei den folgenden Darstellungen wird jedoch vereinzelt auf die Bereichslehre zurück zu kommen sein, da die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn diese ihrer Verfügung zugrunde gelegt hat und die Überzeugungskraft ihrer Erwägungen anhand der Bereichslehre überprüft werden muss. Dabei ist stets zu beachten, dass nur ein kleiner Teil des kirchlichen Vermögensbereichs (z. B. ,res sacrae‘) dem Innenbereich zuzurechnen ist, so dass auch nach der strengeren Bereichslehre die Anwendbarkeit des § 266 StGB im überwiegenden Vermögensbereich nicht infrage gestellt werden darf. Im Folgenden soll nun überprüft werden, ob sich § 266 StGB als taugliche Schrankenregelung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche erweist. bb) § 266 StGB als ein für alle geltendes Gesetz § 266 StGB müsste ein für alle geltendes Gesetz i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG darstellen. Bei § 266 StGB handelt es sich um eine personen- und glaubensneutrale Vorschrift, die gemäß den Vorgaben der Jedermann-Formel nicht als Sonderrecht fungiert, sondern vielmehr „für alle“ Geltung beansprucht. § 266 StGB vermag aber nur dann eine Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, wenn der von § 266 StGB intendierte Schutz des Vermögens den hier konkret betroffenen Bereich des Selbstbestimmungsrechts im Rahmen einer Abwägung überwiegt (= Abwägungslehre). (1) Ausgangslage in Literatur und Rechtsprechung (a) Herrschende Literatur zur Geltung des Strafrechts im kirchlichen Bereich In der herrschenden Literatur wird das Strafrecht ohne jegliche Problemerörterung als klassische Materie des für alle geltenden Gesetzes i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG genannt.792 Der Grund hierfür liegt darin, dass das 792 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 137 WRV Rn. 15; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 46; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 49; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 112; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 32; Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 46; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 174.
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Strafrecht nur in engen Grenzen (ultima ratio) und überwiegend zum Schutz höchster verfassungsrechtlich begründeter Rechtsgüter zur Anwendung gelangt und sich deshalb der jeweilige Normzweck der Strafvorschrift im Rahmen der Abwägung regelmäßig gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche durchsetzen muss. Darüber hinaus steht die Kirche trotz ihrer organisatorischen und funktionalen Trennung vom Staat nicht außerhalb des Staates und seiner Rechtsordnung. Deshalb darf es „keine strafrechtsfreien Räume innerhalb der Kirche“ 793 geben. Hofmann geht sogar so weit, dass er „[d]ie Anwendbarkeit des Strafrechts“ 794 auf Sachverhalte, in welchen das Selbstbestimmungsrecht der Kirche berührt ist, selbst bei Vorliegen innerkirchlicher Angelegenheiten, für „unstreitig“ 795 erachtet. Der Straftatbestand der Untreue könnte aber deshalb eine Sonderstellung einnehmen, da dieser aufgrund seiner (limitierten) Akzessorietät an interne Pflichtenmaßstäbe anknüpft, welche die Kirche im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts in Vermögensangelegenheiten eigenständig festlegen kann. (b) Rechtsprechung (aa) BGH, NJW 1983, 1807 Dem hat der BGH in seinem Urteil vom 28.01.1983 (Az.: 1 StR 820/81, BGHSt 31, 232–235 = NJW 1983, 1807) – wenn auch ohne differenzierte Stellungnahme – eine Absage erteilt. Angeklagt war der für Liegenschaften zuständige Referent und Mitarbeiter eines erzbischöflichen Ordinariats. Das Ordinariat hatte die Aufsicht über mehrere Stiftungen übernommen, welche es bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beraten und zu unterstützen hatte.796 Die Ausübung der Stiftungsaufsicht oblag der Finanzkammer des Ordinariats, die von dem Prälaten als Finanzdirektor geleitet wurde. Da der Prälat im finanztechnischen Bereich nicht die erforderliche Sachkunde besaß, übertrug er die Stiftungsaufsicht auf der Grundlage mündlicher Abreden auf den Angeklagten, auch wenn er selbst weiterhin formal die Aufsicht nach außen ausübte. Dem Angeklagten oblag es, die Pflichten der Finanzkammer ordnungsgemäß zu erfüllen, insbesondere die Stiftungen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen fürsorglich zu beraten und Aufgaben der Finanzkammer als Genehmigungsbehörde unter Beachtung der stiftungsrechtlichen Vorschriften wahrzunehmen. Im Rahmen des Erwerbs von Grundstücken für die Stiftungen veranlasste der Angeklagte die betreffenden 793 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 32. 794 Ders., in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 32. 795 Ders., in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 32. 796 Zum Sachverhalt im Folgenden: BGH, NJW 1983, 1807 (1807 ff.).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Veräußerer, „einen höheren als den tatsächlich von ihnen geforderten Verkaufspreis beurkunden zu lassen“ 797 und vereinnahmte selbst die Differenzbeträge – in zwei Fällen gemeinsam mit dem Mitangeklagten. Der Angeklagte wurde daraufhin wegen Untreue zulasten der Stiftungen gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB verurteilt. Auch wenn der BGH das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufhob und zurückverwies, hat er dennoch Stellung zur Vereinbarkeit einer Verurteilung wegen Untreue mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche genommen. Die Stiftungen können sich als rechtlich selbstständige Untergliederungen aus abgeleitetem Recht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen, wie aus einer systematischen Betrachtung der Art. 137 Abs. 3 S. 1, 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG ersichtlich wird (s. S. 32 f.). Der BGH machte deutlich, dass Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG zwar „das Recht der Kirchen auf Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit [garantiere]“ 798, „die Verfolgung dabei begangener Straftaten [. . .] davon [aber] nicht berührt [kursiv nicht im Original]“ 799 werde. Auf diese Weise bejaht der BGH in pauschaler Weise die Geltung sämtlicher Strafnormen und in concreto des Straftatbestandes der Untreue, auch wenn der Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts der Kirche eröffnet ist. Dieses Ergebnis scheint für den BGH derart offenkundig, dass er sich nicht einmal zu einer differenzierten Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht und dem Schutz des Vermögens als Rechtsgut des § 266 StGB veranlasst sieht. Nach den Maßstäben der Bereichslehre wäre im konkreten Fall der Außenbereich der eigenen Angelegenheiten der Kirche i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG betroffen gewesen, da die kirchliche Aufsicht über ihre eigenen Stiftungen wegen des Ineinandergreifens von staatlichen und kirchlichen Bestimmungen den gemeinsamen Angelegenheiten angehört.800 Der BGH hat sich bislang noch nicht zur Anwendbarkeit des Strafrechts im kirchlichen Innenbereich geäußert. Auch in zahlreichen weiteren Entscheidungen haben der BGH und andere Obergerichte die Verurteilung von Mitarbeitern der Kirche oder anderer eigenständiger Träger der Kirche wegen Untreue bestätigt bzw. die jeweiligen Urteile nur wegen anderer Revisionsgründe aufgehoben. In diesen Entscheidungen wurde die Frage, ob § 266 StGB im Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts Anwendung findet, nicht einmal thematisiert: 797
BGH, NJW 1983, 1807. BGH, NJW 1983, 1807 (1809). 799 BGH, NJW 1983, 1807 (1809). 800 Hammer, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 612 (613); Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 277. 798
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(bb) BGH, NStZ 2000, 205 Mit Urteil vom 08.03.1999 (Az.: 161 Js 37832/97 31 KLs (14/98)) verurteilte das LG Schwerin als Vorinstanz den Geschäftsführer des Diakonievereins eines Kirchenkreises wegen Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus.801 Der Angeklagte war für die Konten des Diakonievereins allein zeichnungsberechtigt gewesen und hatte die so erlangten Gelder zum Kauf eines eigenen Hauses und Autos verwendet. Dadurch war dem Diakonieverein ein Gesamtschaden von ca. 488.000 DM entstanden. Auf die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten hob der BGH das Urteil mit den Feststellungen auf, da das LG Schwerin zu Unrecht eine Strafrahmenmilderung nach §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hatte. Wegen der wirksamen Revisionsbeschränkung erlangte der auf § 266 StGB lautende Schuldspruch horizontale Teilrechtskraft.802 Auch in diesem Verfahren war das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG in persönlicher und sachlicher Hinsicht betroffen, da das Vermögen des rechtlich selbstständigen Diakonievereins geschädigt wurde. Nicht nur die Kirchen und Religionsgemeinschaften können sich auf das Selbstbestimmungsrecht berufen, sondern gleichermaßen alle selbstständigen Rechtsträger, die – ohne selbst Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zu sein – einer solchen in der Weise zugeordnet sind, dass sie nach deren Selbstverständnis „ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend dazu berufen sind, ein Stück Auftrag der [Gemeinschaft] in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen“ 803. Dies ist bei selbstständigen diakonischen Einrichtungen, welche sich der partiellen Pflege des religiösen Ziels ihrer Gemeinde verschrieben haben, der Fall.804 Der Diakonieverein nimmt das Selbstbestimmungsrecht wiederum nur aus abgeleitetem Recht der jeweiligen Religionsgemeinschaft in Anspruch.805 Das Urteil des LG Schwerin verdeutlicht, dass die Betroffenheit des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG im konkreten Fall einer Verurteilung wegen Untreue nicht entgegenstand. 801
Zum Sachverhalt: BGH, NStZ 2000, 205 (205). Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, § 344 Rn. 7; § 318 Rn. 31; Einl. Rn. 185a. 803 BVerfGE 46, 73 (85); Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 40; Hesse, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 521 (534); Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 19; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 52. 804 Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 138 WRV Rn. 40; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 19. 805 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 19. 802
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
(cc) BGH, NStZ 2001, 155 f. Diese Annahme wird auch durch das Urteil des BGH vom 11.10.2000 (Az.: 3 StR 336/00, NStZ 2001, 155) bestätigt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:806 Der Angeklagte war hauptamtlich kommissarischer Verwaltungsleiter einer kirchlichen Stiftung und als solcher für den Zahlungs- und Finanzverkehr zuständig. In dieser Funktion wurden ihm auch die erforderlichen Kontovollmachten eingeräumt. Der Angeklagte erteilte einer Aktiengesellschaft Aufträge zum Erwerb von Aktien, Devisen- und Aktien-Optionen und bezahlte diese von Bankkonten der Stiftung aus. Hierbei überzog er die Konten und ließ sich Überziehungskredite einräumen. Die Aktiengesellschaft verbrauchte die Gelder absprachewidrig für sich selbst, wodurch der kirchlichen Stiftung ein Schaden entstand. Das LG Oldenburg sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Untreue mangels Vorsatzes frei, da der Angeklagte darauf vertraut habe, dass es zu keinem Nachteil für die Stiftungen kommen werde. Der BGH hob das Urteil auf Revision der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen auf, da der Tatrichter den Vorsatz des Angeklagten nicht verneinen könne, bevor er festgestellt habe, worin der Missbrauch der Befugnisse des Angeklagten liege und inwiefern dieser zu einem Vermögensnachteil zulasten der Stiftung geführt habe. Dieses Vorgehen verdeutlicht, dass der BGH sogleich auf die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 StGB eingeht, ohne vorab auch nur die Frage der Anwendbarkeit des § 266 StGB im Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts aufzuwerfen. Der Angeklagte wurde schließlich mit Urteil des LG Oldenburg vom 09.02. 2011 wegen Untreue in acht Fällen und versuchter Untreue in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung auf Bewährung ausgesetzt wurde.807 Aus den Urteilen wird deutlich, dass die Gerichte die Geltung des § 266 StGB im kirchlichen Bereich für selbstverständlich voraussetzen und sich diesbezüglich nicht einmal zu einer klarstellenden Stellungnahme veranlasst sehen. (dd) OLG Schleswig-Holstein, BeckRS 2001, 17743 Dieser Eindruck wird bestärkt durch den Beschluss des 1. Strafsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 16.10.2001 (Az.: 1 Ss 267/01). Die Vorinstanz hatte den Angeklagten wegen Untreue zulasten einer Kirchengemeinde verurteilt.808 Das Oberlandesgericht stellte ausdrücklich fest, dass „der 806
Zum Sachverhalt: BGH, NStZ 2001, 155 (155). Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 21; LG Oldenburg vom 09.02.2001, Az.: 1 KLs 1/01-W (nicht veröffentlicht). 808 OLG Schleswig-Holstein, BeckRS 2001, 17743. 807
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
165
Schuldspruch [wegen Untreue] und die ihn tragenden Feststellungen nicht zu beanstanden“ 809 seien und hob das Urteil lediglich im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf. (ee) LG Nürnberg-Fürth vom 21.12.2009, Az.: 3 KLs 504 Js 1803/2008 Auch im Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 21.12.2009 stand das Selbstbestimmungsrecht der evangelisch-reformierten Kirche in Bayern einer Verurteilung wegen Untreue nicht entgegen: Im Jahr 2008 nahm die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Ermittlungen (u. a.) gegen den Rechner der allgemeinen Kirchenkasse der evangelisch-reformierten Kirche in Bayern wegen des Verdachts der Untreue auf.810 Dem Angeklagten lag zur Last, Gelder von Kirchenkonten der evangelisch-reformierten Kirche in Bayern abgehoben und zweckwidrig für sich oder Dritte verwendet zu haben.811 Geschädigte war die evangelisch-reformierte Kirche in Bayern, welche wie die römisch-katholische Kirche über ein verfassungsrechtlich garantiertes Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG verfügt. Mit Urteil vom 21.12.2009 wurde der Rechner der allgemeinen Kirchenkasse vom LG Nürnberg-Fürth wegen Untreue in 61 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.812 Die 3. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth ging in der Urteilsbegründung sofort auf die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der Untreue ein, ohne die Frage der Anwendbarkeit des § 266 StGB im Geltungsbereich des Selbstbestimmungsrechts der evangelisch-reformierten Kirche in Bayern auch nur aufzuwerfen. (ff) BGH, BeckRS 2011, 16244 Mit Urteil vom 12.03.2010 (Az.: 5 Kls 5 Js 14275/09) hat das Landgericht Limburg an der Lahn den Angeklagten, der als Mitarbeiter des bischöflichen Ordinariats des Bistums Limburg an der Lahn und als Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Katholischen Kirchen in Limburg an der Lahn tätig war, wegen Untreue zulasten des Kirchenvermögens in 362 Fällen zu einer Gesamtfreiheits809
OLG Schleswig-Holstein, BeckRS 2001, 17743. OLG Nürnberg, Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ermittelt wegen Untreue begangen zum Nachteil der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern (18.07.2008) (https://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/n/presse/archiv/2008/01527/) (geprüft am 05.06.2016). 811 Dass., Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ermittelt wegen Untreue begangen zum Nachteil der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern (18.07.2008) (https://www. justiz.bayern.de/gericht/olg/n/presse/archiv/2008/01527/) (geprüft am 05.06.2016). 812 Rieger, Ehemaliger Rechner wegen Untreue in 61 Fällen verurteilt (http://www. reformiert-bayern.de/4680-0-0-22.html) (geprüft am 01.04.2018); LG Nürnberg-Fürth vom 21.12.2009 – Az.: 3 KLs 504 Js 1803/2008. 810
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
strafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt.813 Der Angeklagte hatte seine Stellung als Geschäftsführer missbraucht, um ca. 2 Mio. A in bar von Konten der römisch-katholischen Kirche abzuheben und für private Zwecke zu verwenden.814 In seinem Beschluss vom 01.09.2010 (Az.: 2 StR 347/10) hat der BGH die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen, weshalb die Verurteilung wegen Untreue rechtskräftig wurde. Die vom BGH bestätigte Entscheidung des Landgerichts Limburg an der Lahn ist für die Beurteilung der Causa Tebartz-van Elst besonders hervorzuheben, da das Verfahren vor dem Landgericht Limburg an der Lahn ohne die Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft Limburg an der Lahn nicht eröffnet worden wäre. Hieraus wird deutlich, dass die Staatsanwaltschaft Limburg an der Lahn in der Vergangenheit die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich für zulässig erachtete. Die Causa Tebartz-van Elst ist auch nicht deshalb anders zu beurteilen, da es sich bei dem Verdächtigen um einen Bischof als einem Angehörigen des Klerus und nicht lediglich um einen Angestellten der Kirche handelte, wie dies in den zuvor dargestellten Entscheidungen der Fall war. Für die Betroffenheit des Selbstbestimmungsrechts der Kirche kommt es allein darauf an, dass das kirchliche Vermögen geschädigt wird. Dies ist unabhängig von der konkreten Stellung der Person des Handelnden. Eine Differenzierung nach der Bedeutung des Amtes in der Kirche815 würde eine sachwidrige Ungleichbehandlung darstellen. (gg) Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter der evangelischen Kirche Die bis dato uneingeschränkte Praxis staatlicher Behörden, § 266 StGB auch im kirchlichen Bereich anzuwenden, wird bestätigt durch die Aufnahme von Ermittlungen vonseiten der Staatsanwaltschaft München I gegen den Leiter der Finanzabteilung des evangelisch-lutherischen Stadtdekanats in München im Jahr 2014 wegen des Verdachts der Untreue.816 Dem Leiter der Finanzabteilung wurde zur Last gelegt, entgegen der geltenden Anlagerichtlinien der Landeskirche riskante Anlagegeschäfte vorgenommen und hierdurch einen Vermögensnachteil zulasten des evangelisch-lutherischen Stadtdekanats München in Höhe
813
Sachverhalt und Schuldspruch aus BGH, BeckRS 2011, 16244. BGH, BeckRS 2011, 16244. 815 Rostalski, RW 2015, 1 (17): Laut Rostalski „wirft das frühere Anklageverhalten der Staatsanwaltschaft Limburg die Frage nach einer weiteren Differenzierung im Hinblick auf die jeweilige kirchliche Stellung des Täters einer Untreue auf“. 816 Krügel/Riedel, Finanzspekulation – Fest im Glauben an hohe Renditen (http:// www.sueddeutsche.de/muenchen/finanzspekulation-fest-im-glauben-an-hohe-renditen-1. 1877408) (geprüft am 01.04.2018); Krass/Wetzel, Finanzskandal der evangelischen Kirche – Abgezockt (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/finanzskandal-der-evangeli schen-kirche-abgezockt-1.1882513) (geprüft am 01.04.2018). 814
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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von bis zu 12,9 Millionen Euro verursacht zu haben.817 Der weitere Verfahrensgang wurde nicht veröffentlicht. (c) Die Causa des früheren Bischofs Walter Johannes Mixa Ergänzend ist anzuführen, dass Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst nicht der erste Bischof war, gegen den in der Öffentlichkeit Vorwürfe wegen Untreue erhoben wurden. Auch bei dem ehemaligen Bischof von Augsburg, Walter Johannes Mixa, stand eine Strafbarkeit wegen Untreue im Raum. Es bestand der Verdacht, dass Bischof Mixa in seiner Zeit als Stadtpfarrer von Schrobenhausen als Vorsitzender des Kuratoriums der dort ansässigen katholischen Waisenhausstiftung Stiftungsgelder durch die Anschaffung von Kunstwerken und Säulensockeln für den Pfarrgarten zweckwidrig verwendet habe.818 Aufgrund eingetretener Verfolgungsverjährung kam es nicht zur Aufnahme von Ermittlungen.819 Der Fall Mixa macht deutlich, dass in der Vergangenheit die Anwendbarkeit des Straftatbestandes der Untreue gegenüber einem ranghohen Kleriker, namentlich einem Bischof, zumindest in der Öffentlichkeit und von Juristen wie dem Hamburger Strafverteidiger Dr. Gerhard Strate820 nicht in Zweifel gezogen wurde. Zu keinem Zeitpunkt fand eine Auseinandersetzung mit der Frage der Anwendbarkeit des § 266 StGB statt. Da bezüglich der Untreuevorwürfe keine veröffentlichte Verfügung seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft Ingolstadt vorliegt, kann nicht beurteilt werden, wie die Staatsanwaltschaft die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich beurteilt hätte. Aus der Causa Mixa lassen sich daher nur begrenzt Rückschlüsse auf die Geltung des Straftatbestandes der Untreue gegenüber einem Bischof ziehen. (2) Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn Trotz dieser zahlreichen Entscheidungen, insbesondere des Urteils des BGH vom 28.01.1983 (Az.: 1 StR 820/81), in welchem der BGH explizit herausstellte, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht die Verfolgung von Straftaten unberührt lässt, hat sich mit Bekanntwerden der Causa Tebartz-van Elst ein Streit da817 Wetzel, Finanzskandal der evangelischen Kirche – Dekanat drohen 12,9 Millionen Euro Verlust (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/finanzskandal-der-evangelischenkirche-dekanat-drohen-millionen-euro-verlust-1.1885366) (geprüft am 01.04.2018). 818 Schäffer, Katholische Kirche: Mixas Stich und das Strafrecht (http://www.faz.net/ aktuell/politik/katholische-kirche-mixas-stich-und-das-strafrecht-1966213.html?printPa gedArticle=true#/elections) (geprüft am 01.04.2018). 819 Ders., Katholische Kirche: Mixas Stich und das Strafrecht (http://www.faz.net/ aktuell/politik/katholische-kirche-mixas-stich-und-das-strafrecht-1966213.html?printPa gedArticle=true#/elections) (geprüft am 01.04.2018). 820 Ohne Stellungnahme zur Anwendbarkeit: NDR, Panorama: Verdacht der Untreue gegen Bischof Mixa (http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/pressemixa100.html) (geprüft am 01.10.2016).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
rüber entzündet, ob der Straftatbestand der Untreue im kirchlichen Bereich und speziell in dessen Innenbereich Anwendung findet. Die Staatsanwaltschaft Limburg an der Lahn lehnte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Diözesanbischof Dr. Franz Peter Tebartz-van Elst und die Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates des Bischöflichen Stuhles zu Limburg wegen des Fehlens eines Anfangsverdachts gem. §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO ab.821 Der Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens würde „ein verfassungsrechtlich begründetes Befassungsverbot“ 822 entgegenstehen. (a) Keine Bindung der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn an die Rechtsprechung des BGH Die fehlende Berücksichtigung des Urteils des BGH vom 28.01.1983 (Az.: 1 StR 820/81, BGH, NJW 1983, 1807) erscheint fragwürdig, stellt jedoch keine Verletzung des Legalitätsprinzips aus § 152 Abs. 2 StPO dar, da eine Bindungswirkung gegenüber der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn nicht eingetreten ist. Zwar ist die Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde nach der Rechtsprechung des BGH bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob eine verfolgbare Straftat i. S. d. § 152 Abs. 2 StPO vorliegt, grundsätzlich an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden.823 Andernfalls würde Art. 92 GG unterlaufen werden, wonach die rechtsprechende Gewalt allein den Richtern anvertraut ist. Durch die Ablehnung der Aufnahme von Ermittlungen oder durch eine Verfahrenseinstellung hätte die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, den hierfür eigentlich zuständigen Gerichten die Prüfung der entsprechenden Rechtsfrage gänzlich vorzuenthalten.824 Darüber hinaus könnte die „Einheit der Rechtsanwendung und die Gleichheit vor dem Gesetz“ 825 infrage gestellt werden, wenn die Frage nach der Strafbarkeit eines Verhaltens nicht mehr durch die „Auslegung und ständige Anwendungspraxis durch die dazu berufenen Gerichte“ 826 bestimmt werden würde, sondern in das Ermessen der jeweiligen Staatsanwaltschaft gestellt wäre.827 Dabei darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Staatsanwaltschaft gem. § 150 GVG von den Gerichten unabhängig ist.828 Darüber hinaus verpflich821 Herrchen, Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redaktion/ Portal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 1 (geprüft am 01.04.2018). 822 Rostalski, RW 2015, 1 (2); Verfügung zu Az.: 5 Js 14546/13, S. 2. 823 BGHSt 15, 155; zustimmend Kühne, Strafprozessrecht, § 6 Rn. 143 f. 824 BGHSt 15, 155. 825 BGHSt 15, 155. 826 BGHSt 15, 155. 827 BGHSt 15, 155. 828 Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 9 Rn. 14; Hellmann, Strafprozessrecht, § 3 Rn. 66; Bohnert, Die Abschlußentscheidung des Staatsanwalts, S. 302.
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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tet das Legalitätsprinzip die Staatsanwaltschaft (und die Polizei) lediglich zur Verfolgung von Handlungen, die sich nach dem Gesetz als strafbar erweisen829; ein „Interpretationsvorrang“ 830 zugunsten der Gerichte ist hiermit nicht verbunden. Richtigerweise ist daher zu differenzieren: Die Staatsanwaltschaft darf entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Anklage erheben, da andernfalls die Korrektur einer einmal etablierten Rechtsprechung nicht mehr möglich wäre.831 Hält die Staatsanwaltschaft anders als die höchstrichterliche Rechtsprechung eine Strafbarkeit für nicht gegeben, ist sie dennoch zur Erhebung der Anklage verpflichtet. Andernfalls könnte die Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Entscheidung hierüber verhindern, obwohl die Letztentscheidung über die Auslegung einer Rechtsvorschrift gemäß Art. 92 GG und dem Gewaltenteilungsprinzip den Gerichten anvertraut ist.832 Dies gilt jedoch nur bei Vorliegen einer „feste[n] höchstrichterliche[n] Rechtsprechung“ 833. Die Kriterien hierfür sind unbestimmt. Angesichts der gegen die Bindung der Staatsanwaltschaft sprechenden Erwägungen bedarf es jedenfalls einer hinreichenden Festigung der Rechtsprechung im Sinne von „eindeutige[n] BGH-Urteile[n] bzw. [einer] ständige[n] unangefochtene[n] Rechtsprechung unterer Gerichte“ 834. Dadurch, dass sich der BGH in seinem Urteil vom 28.01.1983 (Az.: 1 StR 820/81) zwar explizit, jedoch ohne Auseinandersetzung in der Sache, zur Geltung des Straftatbestandes der Untreue im Anwendungsbereich des Selbstbestimmungsrechts der Kirche geäußert hat, kann noch nicht von einer gefestigten Rechtsprechung gesprochen werden, zumal das Urteil von anderen Senaten und Gerichten nicht wieder aufgegriffen wurde. Die anderen oben dargelegten Entscheidungen ergingen ohne jegliche Auseinandersetzung mit der Thematik. Liegt noch keine feste höchstrichterliche Rechtsprechung vor, hat die Staatsanwaltschaft unter Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsregeln des Gesetzes selbst zu entscheiden.835 Trotz fehlender Bindung der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn an das oben zitierte BGH-Urteil wäre eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem zumindest wünschenswert gewesen. 829
Lesch, Strafprozessrecht, Rn. 68. Weßlau, in: Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zur StPO, § 152 StPO Rn. 18. 831 Beulke, Strafprozessrecht, § 5 Rn. 89; Schmid, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, § 170 Rn. 7; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, vor § 141 GVG Rn. 11. 832 Ranft, Strafprozeßrecht, § 13 Rn. 242; Beulke, Strafprozessrecht, § 5 Rn. 90. 833 BGHSt 15, 155. 834 Beulke, Strafprozessrecht, § 5 Rn. 90. 835 BGHSt 15, 155 (158); Schmid, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, § 170 Rn. 7. 830
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
(b) Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn In der Presseinformation vom 02.07.2014 gab Herr Oberstaatsanwalt Herrchen von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn folgende Erklärung ab: „Im Rahmen der Prüfung eines Anfangsverdachts, den sogenannten Vorermittlungen, bei denen sowohl der Bericht der Prüfungskommission der Deutschen Bischofskonferenz als auch weitere kirchenrechtliche Unterlagen beigezogen wurden, hat sich ein solcher Anfangsverdacht nicht ergeben. Zwar konnten etliche Verstöße gegen innerkirchliches Recht, insbesondere gegen Beteiligungsrechte kirchlicher Gremien (im Einzelnen dargelegt im Bericht der Prüfkommission der Deutschen Bischofskonferenz und geregelt im Codex Juris Canonici, kirchenrechtlichen Partikularnormen und dem Statut des Bischöflichen Stuhls zu Limburg), festgestellt werden, diese führen jedoch nicht zu einer möglichen Strafbarkeit von Dr. Tebartz-van Elst. Eine Strafbarkeit bei innerkirchlichen Entscheidungen und Verhaltensweisen kommt nur dann in Betracht, wenn außerkirchliche Belange strafrechtlich relevant tangiert wären. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn Handlungen gegen die körperliche Integrität, das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder auch Diebstahlsdelikte vorliegen würden. Der vorgenannte Grundsatz ergibt sich direkt aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und zwar dem dortigen Artikel 140 in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig. Zu dem verfassungsrechtlich geregelten Autonomiebereich der Religionsgesellschaften/Kirchen gehört die innere Organisation, das kirchliche Finanzwesen und die Vermögensverwaltung sowie eine eigene, den staatlichen Rechtsschutz verdrängende Gerichtsbarkeit (vgl. BVerfG, NVwZ 1989, 452). Dieses kirchliche Selbstbestimmungsrecht hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen bestätigt; vergleiche NJW 1999, 350; 2009, 1196; 1976, 2125. Damit handelt es sich bei der internen Vermögensverwaltung des Bischöflichen Stuhls, der bei den Baumaßnahmen auf dem Domplatz die Bauherrschaft inne hatte und den Löwenanteil der Baukosten trug, um eine innerkirchliche Angelegenheit, die sich der Beurteilung der Strafjustiz entzieht. Diese Auffassung vertritt im Übrigen auch der Bischöfliche Stuhl als in Betracht kommender Geschädigter. Der Gesichtspunkt der innerkirchlichen Angelegenheit gilt auch hinsichtlich der Aufhebung des St. Georgswerks und Verwendung der hierdurch frei gewordenen Mittel. Beim St. Georgswerk handelte es sich um ein zweckbestimmtes Sondervermögen, als dessen Träger der Diözesanbischof bzw. der Bischöfliche Stuhl von Limburg bestimmt war. Das St. Georgswerk war keine Körperschaft des öffentlichen oder des Privatrechts. Bischof Dr. Tebartz-van Elst war kraft seines Amtes befugt, das St. Georgswerk aufzulösen. Auch bei der Veräußerung von Forderungen des St. Georgswerks an das Bistum Limburg handelte der Bischof befugt. Anders ist die Mittelverwendung für die Baumaßnahmen auf dem Domplatz unter kirchenrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Hier wäre der Wille der Geber im Sinne eines pastoralen oder karitativen Zwecks der Mittelverwendung zu beachten gewesen. Da aber, wie
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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bereits ausgeführt, Verstöße gegen rein innerkirchliche Normen im Rahmen der Vermögensverwaltung keine rechtliche „Außenwirkung“ entfalten, liegt auch insoweit kein strafrechtlich verfolgbares Verhalten des emeritierten Bischofs vor.“ 836
(c) Eigene Stellungnahme Die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn hat trotz der Feststellung zahlreicher Verstöße gegen innerkirchliches Recht den Anfangsverdacht bzgl. einer Strafbarkeit wegen Untreue gem. § 266 StGB abgelehnt. Dies wird damit begründet, dass es sich bei der internen Vermögensverwaltung um eine innerkirchliche Angelegenheit handle, die sich der Beurteilung der Strafjustiz entziehe, da eine Strafbarkeit nur in Betracht komme, wenn außerkirchliche Belange strafrechtlich relevant tangiert seien. Als betroffene Bereiche des Selbstbestimmungsrechts nennt die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn die innere Organisation, das kirchliche Finanzwesen, die Vermögensverwaltung und eine eigene, den staatlichen Rechtsschutz verdrängende Gerichtsbarkeit. Eine eigene Gerichtsbarkeit ist unstreitig Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts der Kirche.837 Im hier betroffenen Bereich des Strafrechts darf es jedoch „keine eigene, den staatlichen Rechtsschutz verdrängende Gerichtsbarkeit“ 838 geben. Wie bereits erörtert, ist die staatliche Strafgewalt indisponibel. Die kirchliche Strafgewalt kann daher allenfalls kumulativ, keinesfalls jedoch alternativ in Betracht gezogen werden. Dies muss hier umso mehr gelten, da es im Bereich der römisch-katholischen Kirche keine eigene Norm zur Bestrafung von Untreue gibt (s. S. 100 ff.). Die Kirche kann daher mangels justiziabler Norm nicht das Recht für sich in Anspruch nehmen, ausschließlich selbst über etwaige Untreuehandlungen zu befinden. Auch die von der Staatsanwaltschaft zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NVwZ 1989, 452) ist hierfür nicht weiter behilflich. In dem Beschluss verwarf das Bundesverfassungsgericht eine Urteilsverfassungsbeschwerde als unzulässig, mit der sich ein Pfarrer gegen das Urteil des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der VELKD wandte, in welchem seine Versetzung „mangels 836 Herrchen, Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redak tion/Portal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf) (geprüft am 01.04.2018). 837 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 138 WRV Rn. 113; Campenhausen, AöR 1987, 623 (624); Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, v. Art. 92 Rn. 120; Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 40; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 162; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 310; Mikat, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 111 (154). 838 Herrchen, Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redak tion/Portal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 2 (geprüft am 01.04.2018).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
gedeihlichen Wirkens“ 839 für rechtmäßig befunden wurde. Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass das kirchengerichtliche Urteil keinen Akt öffentlicher Gewalt i. S. d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG darstelle. Das Urteil bilde vielmehr eine innerkirchliche Maßnahme, die dem Kern des Selbstbestimmungsrechts zugehöre.840 Aus diesem Beschluss lässt sich keine relevante Aussage für die strafrechtliche Bewertung des Handelns des Bischofs Dr. Tebartz-van Elst entnehmen. Im Fall des Bischofs von Limburg lag keine kirchengerichtliche Entscheidung vor. Hinzu kommt, dass das dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegende Urteil auch nicht im Bereich des Strafrechts, sondern des kirchlichen Verwaltungsrechts erging. Es erschließt sich auch nicht, inwieweit die übrigen in der Presseinformation zitierten Beschlüsse und Urteile des Bundesverfassungsrechts zur Stützung der Position der Staatsanwaltschaft herangezogen werden können. In den genannten Entscheidungen vertritt das Bundesverfassungsgericht die (weitgehend überholte) Bereichslehre, wonach innerkirchliche Angelegenheiten der Überprüfung durch staatliche Gerichte entzogen seien.841 Dies läge darin begründet, dass die Kirche in innerkirchlichen Angelegenheiten keine öffentliche Gewalt ausübe.842 Bei einer Überprüfung des innerkirchlichen Bereichs durch staatliche Gerichte würde es zu einer unzulässigen staatlichen Einmischung kommen, da die kirchlichen Gerichte „in diesen [innerkirchlichen] Angelegenheiten [mitbestimmen]“ 843 könnten. Thematisch äußern sich diese Entscheidungen weder zur Geltung von strafrechtlichen Normen im kirchlichen Bereich844 noch zur Einordnung von Vermögensfragen innerhalb der vom Selbstbestimmungsrecht erfassten eigenen Angelegenheiten. Der einzige Berührungspunkt zur Causa Limburg besteht darin, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirche behandelt wird.845
839
BVerfG, NVwZ 1989, 452. Vgl. BVerfG, NVwZ 1989, 452. 841 BVerfG, NJW 1999, 350: „Für die allein den inneren Bereich der Religionsgesellschaften betreffenden Angelegenheiten ergeben sich nach Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 III WRV aus den staatlichen Gesetzen keine Schranken ihres Handelns [. . .]. Die den Religionsgesellschaften in diesem Bereich von Verfassungs wegen gewährleistete Eigenständigkeit und Unabhängigkeit schließt hier jede staatliche Einmischung – auch eine Überprüfung durch staatliche Gerichte – aus [. . .].“ 842 Vgl. BVerfG, NJW 1976, 2123 (2125): „Der individuellen und kollektiven Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit des Art. 4 I und II GG korrespondiert die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften (Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 III WRV). Sie entstammen einem für die Staatsgewalt unantastbaren Freiheitsbereich und leiten ihre Gewalt nicht vom Staat her [. . .].“ 843 BVerfG, NJW 2009, 1195 (1196). 844 So auch Rostalski, RW 2015, 1 (16). 845 So auch dies., RW 2015, 1 (16). 840
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.09.1998 (NJW 1999, 350) betrifft die Wahl von Personen in kirchliche Gremien und stuft diese als „innerkirchliche Organisationsfrage“ 846 ein. In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.12.2008 (NJW 2009, 1196) wird das kircheninterne Dienstund Amtsrecht thematisiert. Die zuletzt zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 21.09.1976, NJW 1976, 2125) betrifft die Frage, ob eine Vorschrift der bremischen-evangelischen Kirche, wonach die Ausübung eines Abgeordnetenmandats zur Beurlaubung im kirchlichen Dienst für die Dauer des Mandats führt, verfassungswidrig ist. Zwar werden hierbei mitunter auch das Selbstbestimmungsrecht und dessen Schranken thematisiert, ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Fall des Diözesanbischofs Dr. Tebartz-van Elst lässt sich jedoch nicht erkennen. Darüber hinaus wird nicht berücksichtigt, dass die Rechtsprechung zur Bereichslehre vom Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht inzwischen explizit aufgegeben wurde und auch das Bundesverfassungsgericht – wenn auch nicht mit vergleichbarer Konsequenz – zur Abwägungslehre übergegangen ist (s. S. 156 ff.). Doch selbst wenn die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH die Bereichslehre zugrunde legen möchte, hätte eine differenzierte Auseinandersetzung dahingehend stattfinden müssen, ob und inwieweit der Vermögensbereich zu den innerkirchlichen Angelegenheiten zu zählen ist. Eine Gleichsetzung eigener mit innerkirchlichen Angelegenheiten ohne Differenzierung zwischen Innen- und Außenbereich verbietet sich im Lichte der oben unter S. 145 f. dargestellten Untersuchung. Auch die von der Staatsanwaltschaft zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts machen deutlich, dass eine Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts bei Maßnahmen, die „den kirchlichen Bereich überschreiten oder in den staatlichen Bereich hineinreichen“ 847 gerechtfertigt sein kann. Die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn stellt fest, dass es sich „bei der internen Vermögensverwaltung [. . .] um eine innerkirchliche Angelegenheit“ 848 handle. Die pauschale Einordnung als innerkirchliche Angelegenheit erscheint angesichts der obigen Darstellung (s. S. 150 ff.) zweifelhaft, da nicht dargetan ist, inwiefern bei der Beauftragung des Baus des Limburger Bischofssitzes (Diözesanes Zentrum St. Nikolaus) der Innenbereich kirchlichen Wirkens berührt wäre. Für die Zuordnung zum Innen- bzw. Außenbereich wäre zwischen den betroffenen Vermögensgruppen und den kircheninternen Organisationsvorschriften zu differenzieren gewesen. 846
BVerfG, NJW 1999, 350. BVerfG, NJW 2009, 1195 (1196). 848 Herrchen, Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redak tion/Portal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 2 (geprüft am 01.04.2018). 847
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Hinsichtlich der Vermögenszuordnung wird nur der Außenbereich der eigenen Angelegenheiten tangiert, da vorliegend keine ,res sacra‘ in Rede steht. Selbst wenn man den Bischofsitz in einer sehr weitgehenden Betrachtung (und schwer vertretbar) noch als Teil des Gotteshauses und damit als Bestandteil einer ,res sacra‘ ansehen wollte, steht hier die Verwendung finanzieller Mittel für den Bau des Bischofssitzes und nicht eine Verfügung über diesen selbst in Rede. Die Einordnung eines Gegenstandes als ,res sacra‘ vermag nicht die hierfür verwendeten Finanzmittel gleichermaßen in den Status von ,res sacrae‘ zu erheben. In Bezug auf die verletzten kanonischen Organisationsbestimmungen könnte die Sachlage anders zu beurteilen sein. Hierzu legt die Staatsanwaltschaft dar, dass „Verstöße gegen rein innerkirchliche Normen im Rahmen der Vermögensverwaltung keine rechtliche „Außenwirkung“ entfalten“ 849, weshalb eine Strafbarkeit nach staatlichen Strafbestimmungen ausscheiden müsse. Zunächst ist richtig, dass die Festlegung der hier relevanten Zustimmungsvorbehalte bei rechtsgeschäftlichen Übertragungen (cc. 1291 ff. CIC/1983) sowie die verpflichtend zu beachtende Zweckwidmung kirchlichen Vermögens (vgl. c. 1300 CIC/ 1983) in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Kirche fallen. Diese hat zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis eines spezifischen kirchlichen Gremiums einzuholen ist. Bei der Normsetzung muss die Kirche frei von staatlichen Einflüssen bleiben. Geht es aber um die Beachtung und Prüfung der so normierten Vorschriften, sind die hier maßgeblichen Alienationsvorschriften (cc. 1291 ff. CIC/1983) nicht nur von den staatlichen Behörden anzuwenden, sondern führt deren Nichtbeachtung auch zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach staatlichem Recht (s. S. 122 ff). Die Vorschriften entfalten entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft sogar unmittelbare rechtliche Außenwirkung im technischen Sinne. Soweit kanonische Bestimmungen in Rede stehen, welche keine Außenwirkung im staatlichen Bereich zeitigen – so wie dies hinsichtlich der Beachtung der Zweckwidmung gem. c. 1300 CIC/1983 der Fall ist –, ist deren Einordnung in den Innenbereich vertretbar. Wendet man jedoch richtigerweise die Abwägungslehre an, kann die Anwendbarkeit des § 266 StGB auch diesbezüglich nicht versagt werden. Die kanonischen Organisationsvorschriften normieren die für die Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 StGB relevanten Maßstäbe. Indem der Staat an einen derartigen Normenverstoß strafrechtliche Konsequenzen knüpft, wird dem innerkirchlichen Organisationsrecht maximal zur Geltung und Durchsetzung verholfen.850 Die Anbindung an die kircheninternen Normen stellt keinen 849 Ders., Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redaktion/Por tal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 2 (geprüft am 01.04.2018). 850 Angedeutet bei Germann, in: Kämper/Thönnes (Hrsg.), Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Band 47, S. 112 (117).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
175
ungerechtfertigten Eingriff in die kirchliche Organisations- und Normsetzungsbefugnis als Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts der Kirche dar, sondern macht das kircheninterne Organisationsrecht nach staatlichem Recht justiziabel. Obgleich im Innenbereich auch nach der Abwägungslehre erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung gestellt werden müssen, sind diese vorliegend erfüllt. Die Akzessorietät des Untreuetatbestandes bringt es mit sich, dass die innerkirchlichen Organisationsregeln durch eine Sanktionsmöglichkeit erhöhten Schutz erfahren. Bei einer Exemtion dieser Normen vom Anwendungsbereich des § 266 StGB würde das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ins Gegenteil verkehrt, indem es sich mangels anderweitiger adäquater kircheninterner Sanktionsmöglichkeiten des Normenverstoßes zum Nachteil der Kirche auswirken würde.851 Die durch die Causa Tebartz-van Elst erstmals aufgeworfene Frage der Anwendbarkeit des § 266 StGB im Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts hat in der Literatur zu Kontroversen geführt: (3) Waldhoff Waldhoff stimmt der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn im Ergebnis zu, vertritt jedoch anders als diese ein „eigenes Abschichtungsmodell“ 852: Im Ausgangspunkt unterscheidet Waldhoff zwischen dem rein internen und dem staatlichen Bindungen unterliegenden Finanzbereich der Kirche. Liegen kirchliche Finanzmittel vor, die wie die Kirchensteuer auf staatlicher Ermächtigung beruhen, mittels staatlicher Zwangsgewalt eingezogen werden und der staatlichen Rechnungskontrolle unterliegen, könne die generelle Bindung an weltliches Recht und damit auch die Anwendbarkeit des Straftatbestands der Untreue nicht verneint werden.853 Anders würde es sich im Bereich „rein innerkirchlicher Finanzen“ 854 verhalten, die keiner staatlichen Finanzkontrolle unterlägen. In diesem Bereich würde § 266 StGB keine Anwendung finden. Dies folge aus einer Abschichtung, welche sich einerseits aus einer Kombination des Charakters und der Funktion des Kirchenrechts im Geltungsbereich des Grundgesetzes und andererseits aus der Frage ergebe, welche Rechtsgüter von § 266 StGB im konkreten Fall geschützt werden.855 Der spezifische Charakter des Kirchenrechts führe dazu, dass staatliche Gerichte dieses aufgrund der religiös-weltanschaulichen Neutralitätspflicht des Staates weder auslegen noch anwenden dürften.856 Staatliche Richter dürften sich 851 852 853 854 855 856
So der Gedanke auch bei: Pusch/Wastl, AfkKR 2014, 502 (517). Waldhoff, KuR 2014, 171 (182). Ders., KuR 2014, 171 (181). Ders., KuR 2014, 171 (181). Ders., KuR 2014, 171 (182). Ders., KuR 2014, 171 (182).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
zu Glaubensfragen nicht äußern und verfügten zudem nicht über die erforderliche Sachkenntnis in kircheninternen Belangen.857 Es verböte sich insoweit auch eine Gleichstellung mit der Anwendung ausländischen Rechts, über welches das Gericht bei fehlender Sachkenntnis gem. § 293 ZPO Freibeweis erheben könne.858 Im öffentlichen Recht, dem das Kirchenrecht zuzurechnen ist, würde es an einer mit § 293 ZPO vergleichbaren Norm fehlen.859 Darüber hinaus würde die Kirche anders als ausländische Staaten über ein Selbstbestimmungsrecht „in Bezug auf die deutsche Rechtsordnung“ 860 verfügen. Dieses brächte es mit sich, dass es allein der Religionsgemeinschaft selbst obläge, festzustellen, ob gegen innerkirchliches Recht verstoßen wurde; ein staatliches Strafgericht sei hierzu außerstande.861 Erst wenn eine verbindliche Entscheidung einer kirchlichen Instanz vorläge, könnten die staatlichen Gerichte unter Zugrundelegung dieser Entscheidung tätig werden.862 Im Folgenden wirft Waldhoff die Frage auf, ob das so gefundene Ergebnis mit den Schranken des für alle geltenden Gesetzes aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG zu vereinbaren sei.863 Er folgt dabei richtigerweise der Abwägungslehre und nennt Strafgesetze im Grundsatz als „Musterfälle der für Jedermann geltende[n] Gesetze“ 864. Für die Anwendbarkeit des § 266 StGB komme es im Rahmen der Abwägung jedoch maßgeblich darauf an, „ob das durch den Straftatbestand gesicherte Schutzgut ein rein (inner-)kirchliches [sei] oder ob (darüber hinausgehende) Individualinteressen berührt“ 865 seien. Die Untreue könne nur dann zur Anwendung gelangen, wenn auch Individualinteressen Dritter geschädigt würden.866 Stehe dagegen die Schädigung des rein kirchlichen Vermögens in Rede, sei § 266 StGB unanwendbar, da in einem solchen Fall „nur noch der staatliche Strafanspruch gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht für eine Anwendung des Strafrechts [streite], [während] Individualrechte Dritter [. . .] nicht mehr in die Abwägung einbezogen werden [könnten]“ 867. Eine Anwendung des § 266 StGB würde andernfalls „zu einem paternalistischen Schutz der Kirchen vor sich selbst führen“ 868.
857 858 859 860 861 862 863 864 865 866 867 868
Ders., KuR 2014, 171 (182). Ders., KuR 2014, 171 (183). Ders., KuR 2014, 171 (183). Ders., KuR 2014, 171 (183). Ders., KuR 2014, 171 (184). Ders., KuR 2014, 171 (184). Ders., KuR 2014, 171 (184). Ders., KuR 2014, 171 (184). Ders., KuR 2014, 171 (185). Ders., KuR 2014, 171 (186). Ders., KuR 2014, 171 (186). Ders., KuR 2014, 171 (186).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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(4) Gmeiner Auch Gmeiner geht davon aus, dass staatliche Gerichte zur Auslegung und Prüfung kircheninterner Normen nicht befugt seien.869 Der innerkirchliche Bereich müsse „solange justizfrei [bleiben], solange er keine unmittelbaren Berührungspunkte zum staatlichen Recht aufweis[e]“ 870. Wegen des Religionsbezugs sei der staatliche Richter zur Auslegung kirchenrechtlicher Vorschriften außerstande. Eine Heranziehung von Gutachten komme nicht in Betracht, da das staatliche Gericht diese nicht auf ihre Überzeugungskraft überprüfen könne und dürfe.871 Bei einer Schlüssigkeitsprüfung von theologischen und kirchenrechtlichen Gutachten bestehe erneut die Gefahr eines Eingriffs in das religiöse Selbstverständnis, wenn die Vertretbarkeit der Aussagen an weltlichen Maßstäben gemessen werde.872 Dies gelte jedenfalls für diejenigen kirchlichen Rechtsfragen, welche sich „allein auf das Innenverhältnis ohne Außenwirkung“ 873 bezögen. Für den Straftatbestand der Untreue zieht Gmeiner die Schlussfolgerung, dass die interne Pflichtwidrigkeit von den staatlichen Stellen nicht bewertet werden könne. Der Staat dürfe bereits die Zugehörigkeit der betroffenen Vermögensgruppe zum Stamm- bzw. frei verfügbaren Vermögen nicht feststellen.874 Gleichermaßen verhalte es sich mit der Einordnung eines Kirchenakts in die außerordentliche bzw. ordentliche Verwaltung.875 Diese Differenzierungen sind jedoch relevant für die Anwendbarkeit der kanonischen Vermögensverwaltungsvorschriften. Das allgemeine Auslegungsverbot müsse auch insbesondere deshalb gelten, da jegliches kirchliche Vermögen einer Zweckbindung unterliegt, welche festzustellen der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen sein müsse, da es andernfalls zu einem Eingriff in das kirchliche Selbstverständnis käme.876 (5) Rostalski Demgegenüber kritisiert Rostalski die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft und bejaht die Anwendbarkeit des Straftatbestandes der Untreue im kirchlichen Bereich. Rostalski hält die Unterscheidung zwischen inner- und außerkirchlichen Belangen als Beurteilungsmaßstab der Anwendbarkeit des § 266 StGB für im Grundsatz verfehlt.877 Hierbei knüpft sie jedoch nicht an die anhand der Be869 870 871 872 873 874 875 876 877
Gmeiner, ZIS 2016, 19 (22). Ders., ZIS 2016, 19 (22). Ders., ZIS 2016, 19 (22). Ders., ZIS 2016, 19 (22). Ders., ZIS 2016, 19 (22). Ders., ZIS 2016, 19 (23). Ders., ZIS 2016, 19 (23). Ders., ZIS 2016, 19 (19 f., 23). Rostalski, RW 2015, 1 (12).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
reichslehre erfolgte Differenzierung zwischen dem Innen- und dem Außenbereich der eigenen Angelegenheiten i. S. v. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG an, sondern definiert einen kircheninternen Sachverhalt (untechnisch) dahingehend, dass „sowohl Opfer als auch Täter einen spezifischen Bezug zur Kirche als Institution aufweisen“ 878. Auch die Kritik richtet sich nicht – unter Zugrundelegung der staatskirchenrechtlichen Dogmatik – gegen die von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn herangezogene Bereichslehre, sondern erfolgt in allgemeiner Form durch die Betonung der „[g]rundsätzlich ausnahmslose[n] Geltung rechtlicher Verhaltensnormen in einer freiheitlich verfassten Gesellschaft“ 879. In einer solchen Rechtsgemeinschaft sei jeder Staatsbürger zur Einhaltung aller Rechtsnormen verpflichtet.880 Der Verzicht auf die eigene schrankenlose Freiheit werde durch die Bindung auch aller anderen Staatsbürger an die Rechtsordnung kompensiert.881 Würden für Einzelne wie die Kirche sachgrundlose Ausnahmen statuiert, würde dies zu Rechtsunsicherheit führen und die Bereitschaft aller anderen zur Normgeltungsanerkennung reduzieren.882 Die punktuelle Nichtgeltung einer Vorschrift werfe die Frage nach ihrer allgemeinen Geltung auf.883 Nach der Auffassung von Rostalski würde daher die Differenzierung zwischen inner- und außerkirchlichen Angelegenheiten als Kriterien der Anwendbarkeit von Strafnormen eine Missachtung von fundamentalen Grundsätzen des rechtsstaatlich und freiheitlich verfassten Gemeinwesens darstellen.884 Hieraus zieht Rostalski den Schluss, dass die Herausnahme der innerkirchlichen Vermögensinteressen aus dem Schutzbereich des § 266 StGB durch die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn sachgrundlos erfolgt sei.885 Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG würde keine andere Beurteilung rechtfertigen, da sich hieraus keinesfalls eine Aufhebung des Schutzes des kirchlichen Vermögens entnehmen lasse.886 Rostalski geht sogar so weit, dass sie einen Konflikt zwischen der ratio des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG und dem Straftatbestand der Untreue aus § 266 StGB verneint, da die Normzwecke jeweils auf den Schutz des Vermögens gerichtet seien.887 Darüber hinaus wende sich § 266 StGB ausschließlich gegen Individualpersonen und nicht gegen
878 879 880 881 882 883 884 885 886 887
Dies., RW 2015, 1 (11). Dies., RW 2015, 1 (12). Dies., RW 2015, 1 (13). Dies., RW 2015, 1 (13). Dies., RW 2015, 1 (13). Dies., RW 2015, 1 (17). Dies., RW 2015, 1 (13). Dies., RW 2015, 1 (13). Dies., RW 2015, 1 (14). Dies., RW 2015, 1 (15).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
179
die Kirche als Institution, weshalb diese auch deshalb nicht in ihrem Selbstbestimmungsrecht betroffen sei.888 Ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht kann jedoch nicht in Zweifel gezogen werden, wie bereits unter Abschnitt C. III. 2. (S. 138 ff.) ausführlich dargestellt wurde. Auch die von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn vorgenommene Einordnung des Sachverhalts als innerkirchlich ist nach der Auffassung von Rostalski nicht haltbar.889 In dem Verstoß gegen die dem § 266 StGB zugrunde liegende Verhaltensnorm bringe der Täter zum Ausdruck, dass er deren Geltungskraft jedenfalls punktuell nicht anerkenne.890 Auf diese Weise negiere er „die Allgemeingültigkeit des Rechts“ 891 und spreche damit alle Gesellschaftsmitglieder an.892 Von einer rein „innerkirchlichen Angelegenheit ohne Gemeinwohlrelevanz“ 893, von der die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn ausgeht, könne daher keine Rede sein. Damit die allgemeine Geltung des § 266 StGB nicht infrage gestellt werde, dürfe der Normenverstoß durch den Täter nicht sanktionslos bleiben.894 Die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn hätte daher laut Rostalski Ermittlungen aufnehmen und Anklage erheben müssen, da eine Ausnahme von der in § 152 Abs. 2 StPO nach Maßgabe des Legalitätsprinzips statuierten Verfolgungspflicht nicht ersichtlich gewesen sei.895 Auch ein Verzicht des Geschädigten auf die strafrechtliche Ahndung könne an der Pflicht des Staates zur Strafverfolgung nichts ändern.896 Die Durchsetzung der staatlichen Strafgewalt dürfe nicht vom Willen des Opfers abhängig gemacht werden.897 Zuletzt verweist Rostalski darauf, dass die staatliche Strafgewalt keinesfalls hinter der kirchlichen Strafgewalt zurück stehe, da kirchliche Gerichte zur Verhängung von Strafen im staatlichen Sinne institutionell unzuständig seien898 (s. auch S. 91 ff.). Die von einem Kirchengericht verhängten Sanktionen seien vielmehr mit „Maßnahmen aus dem Berufs- oder Verbandsrecht“ 899 vergleichbar. Indem die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn die Aufnahme von Ermittlungen ablehnte, sei der Verstoß gegen die allgemeingültige Norm des § 266 StGB
888 889 890 891 892 893 894 895 896 897 898 899
Dies., RW 2015, 1 (15). Dies., RW 2015, 1 (19). Dies., RW 2015, 1 (19). Dies., RW 2015, 1 (19). Dies., RW 2015, 1 (19). Dies., RW 2015, 1 (19). Dies., RW 2015, 1 (20). Dies., RW 2015, 1 (20). Dies., RW 2015, 1 (21). Dies., RW 2015, 1 (21). Dies., RW 2015, 1 (22). Dies., RW 2015, 1 (22).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
unbeantwortet geblieben und dessen Geltungskraft infrage gestellt worden.900 Rostalski plädiert daher für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen.901 (6) Eigene Stellungnahme Die soeben dargestellten Ansichten sollen nun im Folgenden auf ihre Überzeugungskraft hin überprüft und eigene Abwägungskriterien entwickelt werden. Hierbei ist im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Normzweck des § 266 StGB und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche im Vermögensbereich (a) zu überprüfen, welchem Rechtsgut der Vorrang zukommt. Folgende Argumentationslinien sind dabei zu berücksichtigen: Der durch § 266 StGB gewährleistete Schutz des Vermögens auch und gerade der Kirche entspricht der Systematik des Strafgesetzbuches, welche von einer erhöhten Schutzwürdigkeit von Religionsgemeinschaften im Strafrecht ausgeht (b). Darüber hinaus wird der Kirche dieser Schutz auch nicht ohne Berücksichtigung ihres eigenen Selbstverständnisses „aufgedrängt“, da die innerhalb der Kirche aufgestellten Pflichtmaßstäbe zum Umgang mit dem kirchlichen Vermögen im Rahmen der limitiert-akzessorischen Prüfung in § 266 StGB in vollem Umfang Berücksichtigung finden und kirchlichen Entscheidungen sogar Bindungswirkung zukommt (c). Im Rahmen der Abwägung bietet sich ferner ein Vergleich mit anderen Straftatbeständen an, die im kirchlichen Bereich unbestritten Geltung beanspruchen (d). Auch der Vergleich mit anderen Gesellschaftsgruppen wie den Sportverbänden lässt erkennen, dass die Anwendbarkeit des Straftatbestandes der Untreue trotz des Bestehens eines Selbstbestimmungsrechts und eines verbandsinternen Strafrechts nicht ohne weiteres infrage gestellt werden darf (e). Ferner wird – in Anlehnung an Waldhoff – der Frage nachzugehen sein, ob für die Geltung des § 266 StGB im kirchlichen Bereich dann eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, wenn hinsichtlich des verletzten Rechtsguts nur ein rein kirchliches Schutzgut in Rede steht und keine außerhalb der Kirche stehenden Individualinteressen in die Abwägung einbezogen werden können (f). Bei der Abwägung sind insbesondere die sog. innerkirchlichen Angelegenheiten einzubeziehen, da diese auch nach der Abwägungslehre ein erhöhtes Rechtfertigungsbedürfnis auslösen (g). Schließlich wird zu berücksichtigen sein, dass die Ablehnung der Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich einer Entwicklung des § 266 StGB zu einem absoluten Antragsdelikt Vorschub leisten (h) und – in Anlehnung an Rostalski – zu einer generellen Infragestellung des Untreuetatbestandes führen könnte (i).
900 901
Dies., RW 2015, 1 (26). Dies., RW 2015, 1 (26).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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(a) Die betroffenen Rechtsgüter Zur genauen Abgrenzung müssen zunächst die jeweils von § 266 StGB und Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG geschützten Rechtsgüter bestimmt werden, welche in die Abwägung einzustellen sind. § 266 StGB dient dem Schutz des Vermögens. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG ist hier gleichermaßen im Vermögensbereich betroffen. Anders als Art. 138 Abs. 2 WRV erfasst Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV auch jegliches Vermögen, unabhängig davon, ob dieses einen unmittelbaren oder mittelbaren religiösen Zweckbezug aufweist. Obwohl § 266 StGB und Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV insoweit dasselbe Rechtsgut betreffen, sind ihre Schutzbereiche entgegen der Auffassung von Rostalski nicht vollumfänglich identisch: Vom Selbstbestimmungsrecht der Kirche wird das freie Ordnen und Verwalten in Vermögensangelegenheiten erfasst. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG stellt eine Handlungsfreiheit dar und soll für die Kirche die eigenständige Verwendung, Veräußerung und Belastung des eigenen Vermögens ohne staatliche Einflussnahme sicherstellen (s. S. 47). Dem gegenüber schützt der Straftatbestand der Untreue den Bestand des Vermögens.902 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass von § 266 StGB neben dem status quo auch die dem Vermögen innewohnenden gesicherten Anwartschaften und Expektanzen geschützt werden.903 Aus diesem Grunde kann auch das Unterlassen einer Vermögensmehrung zu einem Vermögensnachteil im Rahmen des § 266 StGB führen904, sofern eine „gesicherte Aussicht des Treugebers auf den Vorteil bestand“ 905. Nicht vom Normzweck des § 266 StGB erfasst ist jedoch die Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers (s. S. 101 f.). Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche in Vermögensangelegenheiten unterscheidet sich daher von dem durch § 266 StGB bezweckten Vermögensschutz durch die zusätzliche Gewährleistung der Dispositions-, Organisations- und der allgemeinen Handlungsfreiheit. Deshalb liegt auch gerade in der staatlichen Aufdrängung des Vermögensschutzes der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche, da hierin eine ungewollte staatliche Einmischung gesehen werden kann (s. S. 138 ff.). Indem die Schutzbereiche der gegenüber zu 902 Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 97; Zieschang, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, § 266 Rn. 56; Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 40. 903 BGHSt 17, 147 (147 f.); BGHSt 20, 143 (145); BGH, NStZ 2003, 540 (541); BVerfGE 126, 170 (213); OLG Bremen, NStZ 1989, 228 (229); Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 111. 904 BGHSt 31, 232 (234 f.); Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/ Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 46. 905 Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 116; Dierlamm, in: Joecks/ Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 210; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 43.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
stellenden Normen des § 266 StGB bzw. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV hinsichtlich des zu gewährleistenden Rechtsguts teilidentisch sind, ist es vordergründig die Verwehrung der Eigenständigkeit in Vermögensangelegenheiten durch die Aufdrängung des strafrechtlichen Schutzes, welche im Folgenden der Rechtfertigung bedarf. (b) Schutz des Vermögens als Erfordernis der Gesetzessystematik Da der Straftatbestand der Untreue dem Schutz des Vermögens dient, würde die fehlende Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes dazu führen, dass das Vermögen der Kirche weniger geschützt würde als das Vermögen anderer Institutionen. Zwar verfügt die Kirche gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG über ein Selbstbestimmungsrecht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten und kann daher ihr Vermögen eigenständig verwalten und innerkirchliches Vermögensrecht setzen. Aus dieser Eigenständigkeit resultiert jedoch keinesfalls eine geringere Schutzbedürftigkeit der Kirche im Vermögensbereich.906 Das verfassungsrechtlich in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG begründete Selbstbestimmungsrecht wurde den Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften zur Stärkung und Privilegierung ihrer Position und als Ausdruck ihrer Sonderstellung im Staat gewährt.907 Die Sonderstellung der Kirche kann allenfalls als Begründung für einen höheren Schutz, keinesfalls jedoch für eine Herabsenkung des Schutzes der Kirche in vermögensrechtlichen Angelegenheiten herangezogen werden. Aus einer systematischen Betrachtung aller Normen des Strafgesetzbuches wird deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber den Religionsgemeinschaften auch und gerade im Strafrecht einen verstärkten Schutz einräumen wollte. Dies geschah durch die Normierung echter Religionsdelikte sowie durch die Anordnung einer Strafandrohung bzw. -schärfung bei Handlungen, die gegen religiöse Gegenstände gerichtet sind. Es würde daher der Systematik des Strafgesetzbuchs widersprechen, gerade die Kirche aus dem Schutzbereich der allgemein geltenden Strafnorm des § 266 StGB auszunehmen. (aa) Echte Religionsdelikte Der elfte Abschnitt des StGB (§§ 166–168 StGB) befasst sich eigens mit „Straftaten, welche sich auf Religion und Weltanschauung beziehen“. Auf diese Weise kommt der Staat seiner aus der objektiven Wertordnung908 des Grundrechts der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) abgeleiteten Schutzpflicht nach, Beein906 907 908
So auch Rostalski, RW 2015, 1 (14). BVerfGE 18, 385 (Gemeindeteilungsbeschluss); BVerfG, NJW 2009, 1195 (1195). BVerfGE 7, 198 (Lüth).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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trächtigungen der Religionsfreiheit auch im nichtstaatlichen Bereich abzuwehren, ohne dass damit jedoch eine inhaltliche Einmischung in religiöse Angelegenheiten einhergeht.909 § 166 StGB stellt die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen als Formen der Störung des öffentlichen Friedens unter Strafe.910 § 167 StGB regelt die Strafbarkeit bei Störungen der Religionsausübung. Die Vorschrift des § 167 a StGB will das Pietätsempfinden der Teilnehmer einer Bestattungsfeier vor Störungen schützen.911 § 168 StGB, der die Störung der Totenruhe unter Strafe stellt, schützt das Pietätsgefühl der Angehörigen des Verstorbenen, den Achtungsanspruch des Verstorbenen selbst sowie das Pietätsgefühl der Allgemeinheit.912 Während die §§ 166, 167 StGB einen unmittelbar religiösen bzw. weltanschaulichen Bezug aufweisen, knüpfen die §§ 167 a, 168 StGB nur mittelbar an religiöse Realitäten an. Die §§ 167 a, 168 StGB dienen dem Schutz von Religionsgemeinschaften nur insoweit, als eine Bestattungsfeier bzw. das Gedenken an den Verstorbenen im konkreten Einzelfall in einem religiösen Kontext steht.913 Sie werden daher nur den mittelbaren Schutznormen zugunsten der Religionsgemeinschaften zugerechnet, auch wenn sie in systematischer Hinsicht zu den echten Religionsdelikten zu zählen sind.914 (bb) Erhöhter strafrechtlicher Schutz von Religionsgemeinschaften in weiteren Vorschriften des StGB Neben den echten Religionsdelikten hat der Gesetzgeber in zahlreichen weiteren Vorschriften des StGB die erhöhte Schutzbedürftigkeit der Rechtsgüter von Religionsgemeinschaften durch eine Strafandrohung oder -schärfung realisiert. So liegt gem. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 StGB in der Regel ein besonders schwerer Fall des Diebstahls vor, wenn der Täter aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient. § 304 Abs. 1 Var. 1 StGB sieht für die Beschädigung oder Zerstörung von Gegenständen der Verehrung einer im Staat bestehenden Religionsgesellschaft oder von Sachen, die dem Gottesdienst gewidmet sind, eine gegenüber § 303 StGB erhöhte Strafdro909
Winter, KuR 2008, 58 (61). Valerius, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 166 Rn. 1. 911 Valerius, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 167a Rn. 1; Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 167a Rn. 1. 912 Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 168 Rn. 2; Heuchemer, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 168 Rn. 1. 913 Eser, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1019 (1020). 914 Ders., in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1019 (1020). 910
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
hung vor.915 Gem. § 306 a Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt ein Fall der schweren Brandstiftung vor, wenn eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wird. § 194 Abs. 3 S. 3 StGB räumt Amtsträgern und Behörden der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts ein selbstständiges Antragsrecht neben dem der verletzten Person ein, wenn die Tat während oder in Bezug auf die Amtsausübung begangen wurde.916 Dies verstärkt den Schutz der Religionsgemeinschaften, da diese eigenständig die Strafverfolgung betreiben können.917 Der Gesetzgeber hat sich ferner für einen Schutz des Vertrauensverhältnisses zu einem geistlichen Seelsorger im Strafgesetzbuch sowie in der Strafprozessordnung entschieden. So ist ein Geistlicher gem. § 139 Abs. 2 StGB nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist. In prozessualer Hinsicht gebührt ihm gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht. Ferner dürfen schriftliche Mitteilungen und Aufzeichnungen zwischen dem Beschuldigten und dem Seelsorger gem. § 97 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO grundsätzlich nicht beschlagnahmt werden. In § 132 a Abs. 3 StGB wird der Missbrauch von Amtsbezeichnungen, Titeln, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts unter Strafe gestellt. Gem. § 133 Abs. 1, 2 StGB macht sich strafbar, wer Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in amtlicher Verwahrung einer Kirche oder anderen Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts befinden oder von dieser dem Täter oder einem anderen amtlich in Verwahrung gegeben worden sind, zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder der dienstlichen Verfügung entzieht. Auch wenn die §§ 132 a Abs. 3, 133 Abs. 1, 2 StGB nach ihrem Normzweck nicht auf den Schutz der Religionsgemeinschaften, sondern der Allgemeinheit gerichtet sind918, wird durch die Einbeziehung der Religionsgemeinschaften in den Tatbestand verdeutlicht, dass eine Strafbarkeit im kirchlichen Kontext nicht minder strafwürdig ist als eine vergleichbare Handlung im weltlichen Bereich. (cc) Zwischenergebnis Wird die Kirche – anders als andere Institutionen – in einigen Strafvorschriften expressis verbis als besonders schutzbedürftig herausgestellt, so muss sie erst 915 Dogmatisch handelt es sich bei § 304 StGB jedoch nicht um eine Qualifikation zu § 303 StGB (Stree/Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 304 Rn. 1; Wieck-Noodt, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 304 Rn. 2). 916 Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 194 Rn. 5. 917 Eser, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1019 (1021). 918 Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 132a Rn. 2; Eser, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1019 (1022); Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 133 Rn. 2.
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recht vom Schutzbereich einer allgemeinen Strafnorm wie § 266 StGB erfasst werden.919 Es wäre inkonsistent, wenn der Gesetzgeber einerseits die Kirche durch eine explizite Anordnung von Strafschärfungen in strafrechtlicher Hinsicht privilegieren, diese jedoch andererseits aus dem allgemeinen Schutzbereich des § 266 StGB ausnehmen würde, welcher im Übrigen jede natürliche und juristische Person erfasst. Dies muss umso mehr gelten, als das Vermögen der Kirche sogar verfassungsrechtlich in Art. 137 Abs. 3 S. 1 und 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG abgesichert ist. Ein geringerer Schutz des Vermögens der Kirche durch die Verneinung der Anwendbarkeit des § 266 StGB wäre damit nicht zu vereinbaren. Erst recht darf die Anwendbarkeit des § 266 StGB nicht für innerkirchliche Angelegenheiten ausgeschlossen werden, da diese aufgrund ihrer engen Beziehung zum religiösen Kernbereich gerade eines besonders ausgeprägten Schutzes bedürfen. (c) Geringe Eingriffsintensität gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche Während der Schutz des Vermögens durch § 266 StGB der Gesetzessystematik entspricht und vom gesetzgeberischen Willen unterstützt wird, wird das im Rahmen der Abwägung auf der anderen Seite zu berücksichtigende Selbstbestimmungsrecht der Kirche in Vermögensangelegenheiten durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB nur geringfügig tangiert. Die Kirche kann trotz der Bestrafung einer Individualperson wegen Untreue weiterhin frei über ihre Vermögensangelegenheiten entscheiden, ihr Vermögen verwalten und eigenständig Pflichtmaßstäbe zum Umgang mit dem kirchlichen Vermögen festsetzen. Die Kirche ist insbesondere auch hinsichtlich der Beurteilung der weiteren Eignung des Untreuetäters als kirchlicher Amtsträger von dem Ausgang des staatlichen Strafverfahrens unabhängig. Die Bestrafung wegen Untreue trifft allein den Einzelnen, die Kirche bleibt hiervon – abgesehen von eventuellen Imageschäden – unberührt. Aus diesem Grunde konnte ein Eingriff nur in einer staatlichen Aufdrängung des Schutzes des kirchlichen Vermögens gesehen werden. Der durch § 266 StGB gewährte Vermögensschutz wird der Kirche auch nicht über Gebühr aufgedrängt. Vielmehr bleibt die kirchliche Eigenständigkeit in Vermögensangelegenheiten weitestgehend gewahrt, da durch die limitierte Akzessorietät des Untreuetatbestandes der kircheninterne Pflichtenmaßstab für die Beurteilung der Strafbarkeit maßgeblich ist und bei der Auslegung und Anwendung der kirchlichen Normen die kircheninterne Lehre und Rechtsprechung von der staatlichen Gerichtsbarkeit in vollem Umfang berücksichtigt werden. Lässt man somit die Anwendbarkeit des § 266 StGB zu, wird die hieran anschließende Prü-
919 Angedeutet bei: Eser, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1019 (1023).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
fung der Tatbestandsvoraussetzungen unter voller Gewährleistung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts in Vermögensangelegenheiten vorgenommen. Zwar ist die Frage der Anwendbarkeit einer Norm von der hiervon abhängigen Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die Geltungsvoraussetzungen zu unterscheiden. Die Frage, ob die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingreift, kann aber nicht ohne Berücksichtigung der Normanwendung beurteilt werden. Die Anwendung lässt gerade einen Rückschluss auf die Intensität der Beeinträchtigung der Eigenständigkeit der Kirche in Vermögensangelegenheiten zu. Würde durch die moderateste Normanwendung zu sehr in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eingegriffen werden, müsste durch eine Verneinung der Anwendbarkeit des § 266 StGB der Zugang zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von vornherein verschlossen werden. (aa) Die Betroffenheit des Selbstbestimmungsrechts als Frage der Geltungsvoraussetzungen Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht primär durch die Anwendbarkeit und Geltung des Straftatbestands der Untreue, sondern erst durch dessen Prüfung und konkrete Anwendung betroffen wird. Die Anwendbarkeit einer Norm eröffnet nur die Möglichkeit zur Subsumtion der Tatbestandsvoraussetzungen sowie die hieran anschließende Herbeiführung der vorgesehenen Rechtsfolgen. Ob das Selbstbestimmungsrecht unverhältnismäßig tangiert ist, hängt von dem Inhalt der zu prüfenden Geltungsvoraussetzungen ab. Solange bei der praktischen Umsetzung des § 266 StGB das kirchliche Selbstverständnis ausreichend gewahrt bleibt, dürfen gegen die Eröffnung des Anwendungsbereiches des § 266 StGB keine Einwände erhoben werden. Maßgeblich kommt es daher darauf an, ob § 266 StGB in einer Weise ohne Überschreitung der Grenzen des Wortlauts ausgelegt und angewendet werden kann, dass dem Selbstbestimmungsrecht adäquat Rechnung getragen wird. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche vermag die Anwendbarkeit des Straftatbestands der Untreue nicht zu verhindern, soweit dieses bei der Determinierung der für den (limitiert) akzessorischen Tatbestand maßgeblichen Pflicht sowie bei der Feststellung ihrer Verletzung in verfassungskonformer Weise Berücksichtigung findet.920 (bb) Die Maßgeblichkeit des kircheninternen Pflichtenkatalogs Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche wird insbesondere deshalb gewahrt, da die Kirche durch ihre eigene Rechtsetzung die vermögensbezogenen Pflichtenmaßstäbe selbst festlegen kann, an welche die Strafbarkeit gem. § 266 StGB 920 Angedeutet bei Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 46.2.
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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kraft der (limitierten) Akzessorietät des Untreuetatbestandes anknüpft. Durch eine entsprechend weite Definition der vermögensbezogenen Pflichten kann die Kirche de facto die Strafbarkeit der Vermögensbetreuungspflichtigen gem. § 266 StGB verhindern. Das kirchliche Recht kann sich jedoch nur dann als Entscheidungsmaßstab durchsetzen, wenn die staatlichen Gerichte zur jedenfalls impliziten Anwendung kirchlicher Normen befugt sind. (a) Die inzidente Anwendbarkeit kirchlicher Normen durch staatliche Gerichte Um eine Strafbarkeit wegen Untreue beurteilen zu können, müssen die staatlichen Gerichte über die interne Pflichtwidrigkeit als Vorfrage befinden. Die Pflichtwidrigkeit ergibt sich dabei aus dem konkret anwendbaren Kirchenrecht. Die kirchlichen Normen werden nicht als Streitgegenstand herangezogen, sondern inzident zur Prüfung der von § 266 StGB aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen. Entgegen der Auffassung von Waldhoff und Gmeiner921 sind die staatlichen Gerichte zur inzidenten Anwendung kirchlichen Rechts befugt.922 Der BGH hat hierzu dargelegt, dass staatliche Gerichte „selbst dann“ 923 zur Rechtsprechung im kirchlichen Bereich zuständig sind, „wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze religionsgemeinschaftliche Vorfragen zu klären sind“ 924. Der BGH begründet dies damit, dass „die staatliche Gerichtsbarkeit [. . .] wegen der Justizgewährungspflicht, die aus dem [. . .] Streitgegenstand folgt, einer Entscheidung nicht ausweichen [könne], auch wenn im Rahmen der Begründetheit innergemeinschaftlichen Vorfragen in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist“ 925. Wenn sich § 266 StGB als taugliche Schrankennorm und damit als zulässiges staatliches Recht erweist, ist das staatliche Gericht auch zur inzidenten Anwendung und Prüfung des für die Pflichtwidrigkeit maßgeblichen Kirchenrechts befugt. Die akzessorische Ausgestaltung des Untreuetatbestandes ermöglicht auf diese Weise die inzidente Anwendung von „Fremdrecht“ 926. 921
Waldhoff, KuR 2014, 171 (183); Gmeiner, ZIS 2016, 19 (22). VG Göttingen NVwZ 1999, 794 (794); Weber, NJW 1989, 2217 (2221); Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 174; Heckel, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens – Festschrift für Peter Lerche, S. 213 (227); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 62; Kästner, NVwZ 2000, 889 (891); Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, S. 129. 923 BGH, NJW 2000, 1555 (1556). 924 BGH, NJW 2000, 1555 (1556), bestätigt durch BGH, NJW 2003, 2097. 925 BGH, NJW 2000, 1555 (1556). 926 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 34. 922
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Die staatlichen Gerichte wenden bei der Inzidentprüfung nicht von sich aus das kirchliche Recht an. Die Heranziehung der kirchlichen Normen erfolgt allein aufgrund des Rechtsanwendungsbefehls des § 266 StGB, welcher den Verstoß gegen die internen Pflichten zum Tatbestandsmerkmal erhoben hat.927 Die Justizgewährleistungspflicht wird damit auf die inzident zu klärenden Vorfragen erstreckt. Die dem Staat obliegende Justizgewährungspflicht, welche aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 92 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitet wird, unterscheidet sich von der allgemeinen Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG darin, dass sie nicht nur die Obliegenheit enthält, einen Rechtsweg zu unabhängigen Gerichten zu eröffnen928, sondern darüber hinaus die staatlichen Gerichte verpflichtet, über alle Rechtsfragen zu entscheiden, „deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet“ 929, selbst wenn inzident Normen aus dem Kirchenrecht heranzuziehen sind.930 Obwohl das Urteil des BGH nur im Bereich des Zivilrechts erging, muss die inzidente Prüfung kirchenrechtlicher Vorfragen durch staatliche Gerichte auch und gerade im Strafrecht zulässig sein. Andernfalls würde die staatliche Strafgewalt in den Bereichen, in denen Strafnormen inzident die Prüfung internen Rechts erfordern (z. B. §§ 266, 332, 334 StGB), zur Disposition der Kirche gestellt, die durch die Statuierung entsprechender Normen ihre Angehörigen der staatlichen Strafhoheit entziehen könnte. Dies ist nicht Sinn und Zweck des Selbstbestimmungsrechts und des damit einhergehenden Normsetzungsrechts. Das Selbstbestimmungsrecht „gewährleistet den Religionsgemeinschaften nur das Ordnen durch eigenes Recht, aber nicht einen rechtsfreien Raum“ 931. Es gibt insbesondere „keine strafrechtsfreien Räume innerhalb der Kirche“ 932. Das Selbstbestimmungsrecht vermag daher nicht die staatliche Justizgewährungspflicht zu beschränken, sondern hat lediglich Auswirkungen auf das Maß der Justiziabilität im konkreten Einzelfall.933 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Kirche mit dem Erlass von eigenen Normen die Erwartung bekundet, dass diese Normen auch von allen Beachtung finden.934 Die Anerkennung der Eigenständigkeit der Kirche bringt es gerade mit sich, dass sich die kirchlichen Maßstäbe vor staatlichen Gerichten durchsetzen und insoweit Außenwirkung entfalten. Ohne die inzidente Anwend927
Vgl. Weber, NJW 1989, 2217 (2221). Ders., NJW 1989, 2217 (2219). 929 BGH, NJW 2000, 1555 (1556). 930 Nolte, NJW 2000, 1844 (1844). 931 Magen, NVwZ 2002, 897 (900). 932 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 32. 933 Steiner, NVwZ 1989, 410 (415); BGHZ 154, 306. 934 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 62. 928
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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barkeit des kirchlichen Rechts durch staatliche Gerichte könnte die Außenwirkung nicht realisiert werden. Im Rahmen des Straftatbestands der Untreue geht der Staat sogar so weit, dass er der Verletzung kirchenrechtlicher Verpflichtungen maximale Wirkung beimisst, indem er sie mit strafrechtlichen Sanktionen belegt.935 Von der zulässigen inzidenten Anwendung von kirchenrechtlichen Normen ist die Konstellation zu unterscheiden, in der kirchliches Recht den Streitgegenstand bildet. In einem solchen Fall sind ausschließlich kirchliche Gerichte zur Entscheidung berufen.936 Die Erörterung kircheninterner Rechtsfragen als Streitgegenstand würde mangels anwendbaren staatlichen Rechts als Entscheidungsmaßstab die Kompetenz der staatlichen Gerichte überschreiten. (b) Beispiele der Anwendung von Kirchenrecht durch staatliche Gerichte Die Zulässigkeit der inzidenten Anwendung von Kirchenrecht wird durch zahlreiche Entscheidungen staatlicher Gerichte bestätigt, in welchen Kirchenrecht herangezogen wurde.937 In dem auf Seite 161 zitierten Urteil des BGH vom 28.01.1983 (Az.: 1 StR 820/81, BGHSt 31, 232–235) hat der BGH die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 Abs. 1 StGB nicht nur durch die Darstellung des Verstoßes gegen die rechtsgeschäftlichen Absprachen, sondern auch durch die Anwendung von Normen der Kirchenstiftungsordnung dargetan. Bei der Kirchenstiftungsordnung handelt es sich wegen ihrer Rechtsgrundlage im staatlichen Recht (Art. 23 Abs. 1 S. 2 BayStG) nicht um eigenständiges, sondern um autonomes Kirchenrecht. Ihre inhaltliche Ausgestaltung unterliegt jedoch dem Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG. Die Heranziehung 935 Germann, in: Kämper/Thönnes (Hrsg.), Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Band 47, S. 112 (117). 936 Vgl. Magen, NVwZ 2002, 897 (898); Maurer, JZ 2000, 1111 (1113); Weber, NJW 1989, 2217 (2221). 937 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 63 BVerfGE 18, 385 (388) (Anwendung von § 14 der hessen-nassauischen Kirchengemeindeordnung vom 25. März 1954); BVerfGE 42, 312 (343 f.) (Anwendung von § 1 des Kirchengesetzes der Bremischen Evangelischen Kirche); BVerfGE 46, 73 (93) (Anwendung des Statuts eines katholischen Krankenhauses); BVerfGE 70, 138 (Anwendung der Satzung eines katholischen Krankenhauses); BGHZ 12, 321 (325) (Anwendung des Pensionierungsgesetzes einer außerordentlichen Landessynode unter Zugrundelegung von dessen Gültigkeit); BGHZ 14, 294 (296) (Anwendung der Kirchengemeindeordnung und der Friedhofs- und Begräbnisordnung einer Kirchenstiftung); BGHZ 26, 116 (118 ff.) (Anwendung des CIC/1917); BGHZ 46, 96 (99f.) (Anwendung des Pfarrerdienstgesetzes der Evangelischen Kirche); BVerwGE 28, 345 (346 ff.) (Anwendung des Kirchengesetzes über die Besoldung und Versorgung der Pfarrer der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck); BVerwGE 30, 326 (327) (Anwendung des Kirchenbeamtengesetzes).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
der Kirchenstiftungsordnung im Rahmen der Prüfung der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht verdeutlicht daher die Zulässigkeit der inzidenten Anwendung kirchlicher Normen im Rahmen des § 266 StGB, auch wenn die betreffenden Vorschriften nach Maßgabe des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ausgearbeitet wurden. In anderen Entscheidungen hat der BGH sogar Normen des Codex Iuris Canonici als klassische Formen des originären Kirchenrechts angewandt.938 Für die inzidente Anwendung von Kirchenrecht im Rahmen des § 266 StGB ist es ohne Belang, welchen Rechtscharakter die jeweilige kircheninterne Rechtsnorm aufweist939, da allein darauf abzustellen ist, ob das anwendbare staatliche Recht als Streitgegenstand die inzidente Prüfung von Kirchenrecht erfordert. Dies gilt für alle Formen des kirchlichen Rechts im technischen Sinne. Von dem kirchlichen Recht sind die Rechtsakte zu unterscheiden, die von den Religionsgemeinschaften, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften konstituiert sind, kraft der Übertragung staatlicher Hoheitsrechte (Beleihung) erlassen werden. Rechtstechnisch handelt es sich hierbei nicht um kirchliches, sondern um staatliches Recht, da die Kirchen in Ausübung staatlicher Gewalt handeln.940 Die so erlassenen Normen können daher nicht nur im Rahmen einer Inzidentkontrolle, sondern als unmittelbarer Streitgegenstand von den staatlichen Gerichten überprüft werden. Innerhalb des Kirchenrechts im eigentlichen Sinne sind die staatsabgeleiteten von den originären Kirchennormen zu unterscheiden.941 Die Kirche erlässt zum einen Vorschriften auf der Grundlage einer staatlichen Rechtssetzungsbefugnis (z. B. im Bereich der Kirchensteuer).942 Diese Normen stellen die von der jeweiligen staatlichen Rechtsgrundlage geforderte Konkretisierung dar und weisen damit eine unmittelbare Anbindung an das staatliche Recht auf. Trotz dieser Anbindung wird der Normeninhalt nach Maßgabe des Selbstbestimmungsrechts ausgestaltet. Daneben gibt es Kirchennormen, die aufgrund der originären Rechtssetzungsmacht der Kirche erlassen werden, welche aus dem Selbstbestimmungsrecht („Ordnen“) abgeleitet wird.943 Insoweit setzt die Kirche sog. eigenständiges Kirchenrecht944, welches sich den Kategorien des staatlichen Rechts entzieht (z. B. Codex Iuris Canonici). 938
BGHSt 9, 140 (141); BGHSt 21, 64 (65). Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 62. 940 Magen, NVwZ 2002, 897 (898); Weber, NJW 1989, 2217 (2221). 941 Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 177. 942 Ders., Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 177. 943 Ders., Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 178. 944 Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 102; Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 154. 939
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Sowohl autonome als auch originäre Kirchennormen unterliegen der Inzidentkontrolle durch die staatliche Gerichtsbarkeit, soweit dies für die Entscheidung von vom staatlichen Recht aufgeworfenen Rechtsfragen erforderlich ist.945 Gerade im Bereich der Untreue spielt es keine Rolle, ob sich die Pflichtwidrigkeit aus Normen i. S. d. staatlichen Rechts oder aus den weltlichen Kategorien nicht zugänglichem Kirchenrecht ergibt. Der Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB setzt den Missbrauch einer durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis voraus. Auch originäre Kirchenvorschriften könnten unter die „Gesetze“ subsumiert werden946, da sie – wenn auch außerhalb der Kategorien des weltlichen Rechts – aus Sicht der Kirche „rechtsverbindlich gemeint“ 947 waren. Selbst wenn man nicht so weit gehen möchte, sondern unter „Gesetz“ nur weltliche Normen im formellen und/oder materiellen Sinne verstehen möchte, so stellen Kirchennormen zumindest ein „Plus“ gegenüber bloß rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen als der zweiten Variante des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB dar. Hinzu kommt, dass eine klare Zuordnung zu einem der in § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB genannten Entstehungsgründe aus praktischer Sicht nicht zwingend erforderlich ist, zumal sich die Befugnis oftmals aus einem Zusammenwirken mehrerer Entstehungsgründe ergibt.948 Maßgeblich kommt es darauf an, dass die rechtsförmliche Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, aus verbindlich vereinbarten oder normierten Vorgaben abgeleitet wird. Originäre Kirchennormen stellen unzweifelhaft aus der Perspektive von Kirchenangehörigen eine für diese verbindliche Vorgabe dar. Jedenfalls kommt im Bereich originärer Kirchennormen die Treuebruchsalternative des Untreuetatbestandes gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB in Betracht. Es ist allgemein anerkannt, dass für die Erfüllung des Treuebruchstatbestandes i. S. v. § 266 Alt. 2 StGB auch rein tatsächliche Treuverhältnisse ausreichen.949 Wenn ein bloß faktisches Treueverhältnis zur Begründung einer Vermögensbetreuungspflicht genügt, muss dies erst recht für nicht-staatliche Vorschriften gelten, welche hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Gestaltung überwiegend normativen Charakter aufweisen.
945 Heckel, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens – Festschrift für Peter Lerche, S. 213 (227); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 62. 946 Rostalski, RW 2015, 1 (5). 947 Dies., RW 2015, 1 (5). 948 Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 36; Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 14; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 12. 949 Statt aller Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 27.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
(g) Die Berücksichtigung des kirchlichen Maßstabs bei der Auslegung Gegen die Anwendung kirchlicher Normen durch staatliche Gerichte kann auch nicht eingewandt werden, dass Kirchenrecht oftmals „[untrennbar] mit Glaubensfragen [. . .] verbunden“ 950 und daher der Beurteilung des Staates, welcher zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität verpflichtet ist, entzogen sei. Darüber hinaus scheitert die Anwendung von kirchlichen Normen durch staatliche Gerichte auch nicht an der fehlenden Sachkompetenz staatlicher Richter in Kirchenfragen.951 Mit der grundsätzlichen Bejahung der inzidenten Anwendbarkeit kirchlichen Rechts durch staatliche Gerichte ist noch nichts über die Reichweite der Justiziabilität ausgesagt. Die Frage der Anwendbarkeit der Norm ist von der Frage der inneren Richtigkeit der Normanwendung zu unterscheiden.952 Es ist zutreffend, dass sich der Staat aufgrund seiner Neutralitätspflicht jeglicher Beurteilung religiöser Fragen zu enthalten hat.953 Die im Codex Iuris Canonici enthaltenen vermögensbezogenen Normen sind jedoch überwiegend organisatorisch aufgebaut (vgl. z. B. die Alienationsbestimmungen) und enthalten grundsätzlich keine Bezugnahme auf Glaubensfragen, weshalb eine Anwendung durch staatliche Gerichte leichter zu rechtfertigen ist.954 Zudem bedeutet die Heranziehung kirchlicher Normen ungeachtet des konkreten Inhalts der anzuwendenden Vorschrift auch keine Mitbestimmung des Staates bei kircheninternen Angelegenheiten, da die staatlichen Gerichte bei der Auslegung der kirchlichen Normen ausschließlich das Selbstverständnis der Kirche zugrunde zu legen haben und keine staatlichen Maßstäbe heranziehen dürfen.955 Das Selbstbestimmungsrecht hat insoweit Auswirkungen auf das Maß der Justiziabilität im konkreten Einzelfall:956 Anders als bei zivilrechtlichen Normen, welche das Strafgericht selbstständig auslegen und anwenden kann (vgl. auch § 262 StPO), ohne an die zivilrechtliche
950
Waldhoff, KuR 2014, 171 (182). So aber ders., KuR 2014, 171 (183), s. S. 175. 952 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 64. 953 Kästner, NVwZ 2000, 889 (891); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 65. 954 OVG Münster NJW 1994, 3368 (3369). 955 Heckel, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens – Festschrift für Peter Lerche, S. 213 (227); Sachs, DVBl. 1989, 487 (494); Weber, NJW 1989, 2217 (2221); Evers, in: Brunotte/Müller/Smend (Hrsg.), Festschrift für Erich Ruppel, S. 329 (349); Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 138 WRV Rn. 16; vgl. Solte, Theologie an der Universität, S. 127. 956 Steiner, NVwZ 1989, 410 (415). 951
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Rechtsprechung oder Literaturmeinung gebunden zu sein,957 müssen kirchenrechtliche Normen mit dem Inhalt herangezogen werden, der ihnen durch die kirchenintern hierfür zuständigen Gerichte und Gremien beigemessen wurde.958 Sachgerechtes Differenzierungskriterium zwischen kirchen- und zivilrechtlichen Vorfragen ist das verfassungsrechtlich in Art. 137 Abs. 3 S. 1 i.V. m. Art. 140 GG gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Staatliche Gerichte dürfen kirchliche Normen aufgrund der staatlichen Neutralitätspflicht nicht eigenständig auslegen. Sie sind hierzu auch faktisch nicht in der Lage, da sie nicht über den erforderlichen Einblick in kircheninterne Strukturen und Glaubensfragen verfügen.959 Insoweit bietet sich ein Vergleich mit der Anwendung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte an.960 Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, dass der Kirche anders als ausländischen Staaten ein Selbstbestimmungsrecht „in Bezug auf die deutsche Rechtsordnung“ 961 zukomme und die Fallkonstellationen daher einem Vergleich nicht standhalten könnten. Ausländische Staaten können abgesehen von der Einhaltung supranationaler Standards ihre Rechtsetzung frei beschließen. Zwar wird diesen im deutschen Hoheitsbereich keine Selbstbestimmung eingeräumt, der Kirche kommt das Recht zur Selbstbestimmung jedoch auch nur in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu. Die Kirche steht „unter, nicht neben dem Grundgesetz“ 962. Eine Vergleichbarkeit zwischen ausländischen und kirchlichen Normen ist deshalb gegeben, da beide Normgeber ihr Recht aufgrund vollumfänglicher (für ausländische Staaten) bzw. begrenzter (für die Kirche) Eigenständigkeit beschließen und diese Eigenständigkeit es mit sich bringt, dass das so erlassene Recht dem staatlichen deutschen Richter oft unbekannt ist und daher vor Gericht des Beweises bedarf.963 Die deutsche Rechtsordnung setzt bei einem staatlichen Gericht nicht die Kenntnis ausländischen Rechts voraus.964 Aus diesem Grunde ist es dem deut957 Rönnau, ZStW 2007, 887 (913); vgl. Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (172); Lüderssen, StV 2009, 486 (492); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 34. 958 Magen, NVwZ 2002, 897 (902). 959 Pirson, in: Brunotte/Müller/Smend (Hrsg.), Festschrift für Erich Ruppel, S. 277 (279). 960 So auch Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 155; Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 65; Magen, NVwZ 2002, 897 (902); a. A. Waldhoff, KuR 2014, 171 (183). 961 Waldhoff, KuR 2014, 171 (183). 962 Rogge, Staatliche Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege, S. 104 unter Verweis auf den Titel der Staatsrechtslehrertagung 1967 „Die Kirchen unter dem Grundgesetz“. 963 Vgl. BayLSG, 13, 102 (108), worin ausdrücklich die Grundsätze des § 293 ZPO für Kirchenrecht herangezogen werden. 964 Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 154.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
schen Gericht möglich, über das ausländische Recht im Wege des Freibeweises Beweis zu erheben.965 Trotz des Fehlens einer mit § 293 ZPO vergleichbaren Vorschrift in der StPO gelten im Strafprozess insoweit dieselben Regeln zur Beweisaufnahme.966 Übertragen auf das Kirchenrecht bedeutet dies, dass sich der staatliche Richter nicht auf seine Unkenntnis im Kirchenrecht berufen darf, sondern vielmehr alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen hat967, um die von § 266 StGB vorausgesetzte Pflichtwidrigkeit auch bei einem kirchlichen Sachverhalt bestimmen zu können. Die Bindung an das kirchliche Normenverständnis bei der Gesetzesauslegung gilt nicht nur für eigenständiges, sondern gleichermaßen für autonomes Kirchenrecht, da der Inhalt dieser Vorschriften auf der Grundlage des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts eigenständig festgelegt wird. Das Selbstbestimmungsrecht ist bei der Auslegung der kirchlichen Normen durch die Anlehnung an die kirchlichen Maßstäbe zu berücksichtigen. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit von kirchlichen Normen im Gegensatz zur Überprüfung der Wirksamkeit ist darüber hinaus ausgeschlossen.968 Die inzidente Anwendung kirchenrechtlicher Normen ohne zusätzliche staatliche Überprüfung von deren Rechtmäßigkeit (mit Ausnahme von Willkür) verhilft damit dem aus dem Selbstbestimmungsrecht abgeleiteten Normsetzungsrecht der Kirche zur vollen Geltung. Von einer Verfügung über das Kirchenrecht969 durch dessen Anwendung kann daher keine Rede sein. (d) Die praktische Umsetzung durch Bindung an kirchliche Entscheidungen Problematisch ist jedoch die praktische Umsetzung der Anbindung staatlicher Gerichte an das kirchliche Normenverständnis. Geht es um die Auslegung eines Rechtssatzes des Codex Iuris Canonici, müssen durch das staatliche Gericht insbesondere die Entscheidungen der päpstlichen Kommission für die authentische Interpretation des Codex Iuris Canonici zugrunde gelegt werden.970 Gleicher-
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Ders., Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 154. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, § 244 Rn. 7; Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 155; a. A. Waldhoff, KuR 2014, 171 (183). 967 BayLSG, KirchE 13, 102 (108); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 65. 968 BGHZ 12, 321 zur fehlenden Überprüfbarkeit von kirchlichem Verfassungsrecht; BGHZ 154, 306 (311 ff.). 969 Maurer, in: Erichsen/Hoppe/Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes Festschrift für Christian-Friedrich Menger, S. 285 (290); ders., Abhandlungen zum Kirchenrecht und Staatskirchenrecht, S. 184. 970 Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 156. 966
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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maßen bietet sich ein Rückgriff auf eine etwaig vorhandene gefestigte Rechtsprechung kirchlicher Gerichte in der konkreten Streitfrage an.971 Liegt bereits eine Entscheidung eines kirchlichen Gerichts im konkreten Streitfall vor, ist diese für die staatliche Gerichtsbarkeit bindend und ungeprüft zugrunde zu legen.972 Bestätigt wird dies durch die Rechtsprechung des BGH, wonach „eine Entscheidung einer innergemeinschaftlichen Angelegenheit durch ein Gericht der Religionsgemeinschaft [. . .] für den Senat bindend und einer Überprüfung nicht zugänglich [ist]“ 973. Die Entscheidung des kirchlichen Gerichts ist präjudiziell für die staatlichen Strafgerichte.974 Dies kann zur Konsequenz haben, dass „staatliche Gerichte an der Durchsetzung von Entscheidungen mitwirken, von denen sie mangels vollständiger Überprüfbarkeit gar nicht wissen, ob die angeordneten Maßnahmen berechtigt sind“ 975. Nach dem BGH ist dies „im Hinblick auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften hinzunehmen, jedenfalls solange die Entscheidung nicht willkürlich ist oder gegen fundamentale Rechtsprinzipien verstößt“ 976. Die Entscheidung darf keiner Rechtmäßigkeits-, sondern nur einer Wirksamkeitskontrolle977 dahingehend unterzogen werden, „ob sie gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt, wie sie in dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 I GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und dem des ordre public (Art. 6 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben“ 978. Diese Begrenzung folgt aus den Schranken der für alle geltenden Gesetze, denen das Selbstbestimmungsrecht unterliegt.979 Die Tatbestandswirkung der Entscheidung eines kirchlichen Gerichts führt daher dazu, dass die staatliche Gerichtsbarkeit eine von der Kirche angenommene Pflichtwidrigkeit grundsätzlich – in den Grenzen der Willkür – ungeprüft zu unterstellen hat. 971
Magen, NVwZ 2002, 897 (902). BGH, NJW 2000, 1555 (1556); dazu Kästner, NVwZ 2000, 889 (891); Nolte, NJW 2000, 1844 (1845); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 31; Insoweit wird der Forderung Waldhoffs in vollem Umfang entsprochen, wonach ein staatliches Strafgericht einen Verstoß gegen innerkirchliches Recht nicht mit Rechtsfolgen feststellen könne, sondern sich nur auf eine verbindliche Entscheidung einer hierzu berufenen kirchlichen Instanz stützen könne (Waldhoff, KuR 2014, 171 (184)). 973 BGH, NJW 2000, 1555 (1556). 974 Winter, Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 218; Campenhausen, AöR 1987, 623 (632); vgl. Ruppel, in: Pawlowski/Wieacker (Hrsg.), Festschrift für Karl Michaelis, S. 267 (280). 975 BGH, NJW 2000, 1555 (1556). 976 BGH, NJW 2000, 1555 (1556 f.). 977 BGH, NJW 2003, 2097 (2099). 978 BGH, NJW 2003, 2097 (2099). 979 Vgl. Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1090). 972
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Fehlt es an einer Entscheidung durch kirchliche Gremien, gestaltet sich das Prozedere schwieriger. Keinesfalls darf das staatliche Gericht in diesem Fall die präjudizielle Vorfrage aus dem kirchlichen Bereich selbst entscheiden.980 Vielmehr hat das staatliche Gericht eine Stellungnahme des vertretungsbefugten Kirchenorgans einzuholen und ungeprüft seiner Entscheidung zugrunde zu legen.981 Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die „anerkannten Maßstäbe [. . .] der verfa[ss]ten Kirchen“ 982 „durch entsprechende gerichtliche Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden aufzuklären“ 983 sind. Zumeist geschieht dies durch Einholung eines Rechtsgutachtens.984 Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, dass die Einholung kirchlicher Gutachten durch ein staatliches Strafgericht mangels Nachprüfbarkeit der kircheninternen Vorgänge mit der Pflicht zur Ermittlung der materiellen Wahrheit aus § 244 Abs. 2 StPO nicht zu vereinbaren sei.985 Insoweit kann die Argumentation des BGH zur Bindungswirkung kirchengerichtlicher Entscheidungen übertragen werden. Auch wenn kirchliche Gerichte meist nicht den Anforderungen entsprechen, die das Grundgesetz an das Richteramt stellt (z. B. Unabhängigkeit gem. Art. 97 Abs. 1 GG), werden deren Entscheidungen ungeprüft übernommen, obwohl dies dazu führen kann, „dass staatliche Gerichte an der Durchsetzung von Entscheidungen mitwirken, von denen sie mangels vollständiger Überprüfbarkeit gar nicht wissen, ob die angeordneten Maßnahmen berechtigt sind“ 986. Gleichermaßen verhält es sich mit der Berücksichtigung kirchlicher Gutachten, die auf der Basis des kirchlichen Selbstverständnisses erstellt wurden. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht modifiziert insoweit innerprozessuale Vorgänge wie die Amtsaufklärungspflicht. Auch die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn hat bei der Prüfung eines Anfangsverdachts der Untreue gem. § 266 StGB gegenüber dem Diözesanbischof Dr. Tebartz-van Elst den Bericht der Prüfungskommission der Deutschen Bischofskonferenz sowie weitere kirchenrechtliche Gutachten beigezogen und aus
980 Sachs, DVBl. 1989, 487 (495); insoweit weitgehender Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1091); sehr weitgehend und für eine Zwangssäkularisierung der religiösen Normen bei Fehlen kircheninterner Anhaltspunkte plädierend: Magen, NVwZ 2002, 897 (902). 981 Sachs, DVBl. 1989, 487 (495); Heckel, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens – Festschrift für Peter Lerche, S. 213 (228). 982 BVerfGE 70, 138 (166). 983 BVerfGE 70, 138 (168). 984 BayLSG KirchE 13, 102 (104, 108); ArbG Würzburg, KirchE 17, 227 (233); Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 156; Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 65; Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 184. 985 So aber Gmeiner, ZIS 2016, 19 (22). 986 BGH, NJW 2000, 1555 (1556).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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diesen Unterlagen zahlreiche Verstöße gegen innerkirchliches Recht des Codex Iuris Canonici und des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg entnommen.987 (e) Zwischenergebnis Zusammenfassend kann die fehlende Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich daher entgegen Waldhoff und Gmeiner nicht mit dem aus dem Selbstbestimmungsrecht abgeleiteten Auslegungsverbot kirchlicher Normen durch staatliche Gerichte begründet werden.988 Zum einen setzt § 266 StGB lediglich die inzidente Anwendung kirchlicher Pflichtenmaßstäbe voraus. Zum anderen werden diese von den staatlichen Gerichten weder eigenständig ausgelegt noch auf ihre Vereinbarkeit mit dem staatlichem Recht überprüft. Es findet lediglich eine restriktive Willkürkontrolle statt, welche zulässig ist, da die eigenen Angelegenheiten der Kirche nur in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes gewährleistet werden.989 Die Anwendung einer Norm ist von der hieran anknüpfenden Auslegung und Prüfung in Form einer Rechtskontrolle zu unterscheiden.990 (cc) Keine andere Beurteilung im kirchlichen Innenbereich Eine andere Beurteilung ist auch nicht im kirchlichen Innenbereich gerechtfertigt, wenn man insoweit die von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn präferierte Bereichslehre heranzieht. Die Konstellation ist nur als marginal zu bezeichnen, da aufgrund des weithin organisatorischen Aufbaus der kirchlichen Vermögensnormen unter Außerachtlassung von Glaubensfragen und der überwiegenden Einordnung des Vermögens in den Außenbereich zumeist keine Berührung des Innenbereichs festgestellt werden kann. Selbst wenn der Innenbereich tangiert wäre – wie dies beispielsweise bei einer Untreuehandlung durch widmungswidrige Verfügung über eine ,res sacra‘ vorstellbar wäre –, ist hiermit kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche verbunden. Gemessen an den dargestellten Grundsätzen dürfte das staatliche Gericht nicht selbst darüber befinden, ob die betreffende Sache dem Gottesdienst gewidmet wurde. Vielmehr müssten ausschließlich das kircheninterne Verständnis und die hieran anknüpfenden rechtlichen Folgen in 987 Herrchen, Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redak tion/Portal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 1 (geprüft am 01.04.2018). 988 So aber Waldhoff, KuR 2014, 171 (183); Gmeiner, ZIS 2016, 19 (22). 989 Vgl. Rüfner, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 1081 (1090). 990 Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, S. 128.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Form von besonderen verfügungsrechtlichen Beschränkungen der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Richterliche Rechtsanwendung unter größtmöglicher Beachtung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche stellt keinen ungerechtfertigten staatlichen Eingriff in (inner-)kirchliche Angelegenheiten dar, da die Autonomie der Kirche bei der Anwendung ihres Rechts durch die staatlichen Gerichte zur Geltung kommt.991 Durch die grundsätzlich unbeschränkte staatliche Akzeptanz des kirchlichen Normenverständnisses und der kirchengerichtlichen Entscheidungen wird dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche in vollem Umfang Durchsetzungskraft verliehen.992 Die eigenständige Rechtsetzungsgewalt der Kirche fände keine Berücksichtigung, wenn die kirchlichen Normen staatlicherseits ignoriert werden müssten. Das staatliche Gericht beschränkt sich lediglich darauf, die von § 266 StGB vorgesehenen Rechtsfolgen an die kirchenintern festgestellte Pflichtwidrigkeit anzuknüpfen.993 Dies muss auch im kirchlichen Innenbereich zulässig sein. Für das Gebiet des Arbeitsrechts ist dies bereits unstreitig anerkannt. Bei der gerichtlichen Nachprüfung eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes wegen Verletzung der Loyalitätspflichten gegenüber der Kirche besteht Einigkeit, dass die Arbeitsgerichte „die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen“ 994 haben. Hierbei handelt es sich meist um unmittelbar dem kirchlichen Innenbereich zugehörige Glaubensfragen. Liegt nach kirchlichem Maßstab eine Verletzung von Loyalitätspflichten vor, ist auf einer zweiten Stufe anhand der staatlichen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften (§§ 1 KSchG, 626 BGB) zu prüfen, ob die angenommene Pflichtverletzung eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen vermag.995 (dd) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei der Heranziehung des Untreuetatbestandes als Schrankennorm der kirchlichen Eigenständigkeit in Vermögensangelegenheiten in vollem Umfang Rechnung getragen wird. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die Kirche durch die Formulierung von vermögensbezogenen Pflichten den Beurteilungsmaßstab für die Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 StGB selbst festlegt. Die so erlassenen Kirchennormen dürfen inzident von den staatlichen Gerichten angewandt werden. Bei der Auslegung der
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Steiner, NVwZ 1989, 410 (413). Nolte, NJW 2000, 1844 (1845). Vgl. Solte, Theologie an der Universität, S. 126. BVerfGE 70, 138 (167). BVerfGE 70, 138 (168).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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kirchlichen Vermögensvorschriften sind diese jedoch verpflichtet, das Selbstverständnis der Kirche ggf. unter Heranziehung von Gutachten zugrunde zu legen. Liegt bereits eine Entscheidung eines kirchlichen Gerichts in diesem Bereich vor, hat das staatliche Gericht dessen Ergebnis ungeprüft – in den Grenzen der Willkür – zu unterstellen. Es ist gerade Ausdruck der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche in Vermögensangelegenheiten, dass im Rahmen der Inzidentkontrolle die kirchlichen Maßstäbe Geltung und Außenwirkung erlangen. Dies geschieht dabei ohne staatliche Einmischung, da sich der Staat jeglicher Bewertung und eigenständigen Auslegung der kirchlichen Normen enthält. Die fehlende Anwendbarkeit des § 266 StGB kann daher nicht mit einem Anwendungsund Auslegungsverbot kirchlicher Normen durch staatliche Gerichte begründet werden. Da die Anwendung des § 266 StGB unter weitgehender Wahrung der kirchlichen Eigenständigkeit vorgenommen wird, kann hieraus der Rückschluss auf eine geringe Intensität des Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gezogen werden. Auf diese Weise werden die widerstreitenden Positionen im Wege praktischer Konkordanz einander so zugeordnet, dass sie beide in größtmöglichem Umfang zur Geltung gelangen.996 Der durch § 266 StGB intendierte strafrechtliche Vermögensschutz vermag sich durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB auf kirchliche Sachverhalte vollumfänglich durchzusetzen. Gleichermaßen wird dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche in Vermögensangelegenheiten Rechnung getragen, indem den staatlichen Gerichten bei der inzidenten Anwendung des Kirchenrechts – abgesehen von einer Willkürprüfung – kein Beurteilungsspielraum zukommt und diese an die Entscheidungen kirchlicher Gremien gebunden sind. Aus den Erörterungen wird deutlich, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirche nicht die Anwendbarkeit des § 266 StGB als solche hindert, sondern vielmehr bei der Bestimmung der internen Pflicht und deren Verletzung (= Normanwendung) durch die Bindung an die kircheninterne Rechtsprechung und Literatur zu berücksichtigen ist.997 (d) Vergleich mit unstreitig anwendbaren Strafnormen im kirchlichen Bereich Da die Frage der Geltung des Strafrechts im kirchlichen Bereich bislang nur für den Straftatbestand der Untreue gestellt wurde, bietet sich ein Vergleich mit anderen Strafnormen an, die auch von den Vertretern der Gegenauffassung bei kirchlichen Angelegenheiten für uneingeschränkt anwendbar gehalten werden.
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BVerfGE 35, 202 (225); OVG Münster, NJW 1994, 3368 (3369). Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 46.2. 997
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
(aa) Vergleich mit den Missbrauchsfällen In den Missbrauchsfällen der römisch-katholischen Kirche finden unstreitig die §§ 174 ff. StGB Anwendung. Dies wird auch von den Verfechtern der Unanwendbarkeit des § 266 StGB im innerkirchlichen Bereich zu Recht als gegeben vorausgesetzt.998 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass sich die Missbrauchsfälle von den Untreuehandlungen darin unterscheiden, dass verfassungsrechtlich höchstrangige Güter von konkreten Personen betroffen sind und damit über den kirchlichen Bereich hinausgehende Individualinteressen in Rede stehen.999 Keiner Erörterung bedarf dies bei außerhalb des Klerus stehenden Opfern sexuellen Missbrauchs, auch wenn diese Angehörige der Kirche sind. Wie verhält es sich jedoch mit Angehörigen des Klerus? Würde man die Auffassung der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn ins Extreme überspitzen, müsste dann im Falle eines Missbrauchs eines Klerikers durch einen anderen nicht gleichermaßen eine „innerkirchliche Angelegenheit“ angenommen werden, die sich den staatlichen Strafgesetzen entzieht? Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Vertreter der Gegenauffassung mit dem Terminus „innerkirchlich“ nicht auf die bildliche Beschreibung eines Vorgangs „innerhalb der Pforten der Kirche“ Bezug nehmen, sondern auf den Innenbereich der vom Selbstbestimmungsrecht der Kirche gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV erfassten eigenen Angelegenheiten – unter Zugrundelegung der Bereichslehre. Der Innenbereich ist ungeachtet der Person des Opfers bei Missbrauchshandlungen nicht betroffen. Zwar beinhaltet das Selbstbestimmungsrecht der Kirche auch die eigenständige Bestrafung ihrer Kirchenangehörigen, wie es in den cc. 1311 ff. CIC/1983 Niederschlag gefunden hat. In c. 1395 § 2 CIC/ 1983 wird der sexuelle Missbrauch unter Anwendung von Gewalt, durch Drohungen, öffentlich oder an einem Minderjährigen unter achtzehn Jahren (vgl. Art. 6 § 1 n ë 1 Normae2010) unter Kirchenstrafe gestellt. Aufgrund der Verletzung der physischen und psychischen Integrität der individuellen Person des Opfers durch den Missbrauch wird jedoch stets der Innenbereich kirchlichen Waltens verlassen und der Außenbereich erreicht. Hinzu kommt, dass die Existenz kirchlicher Strafnormen auch bei Berührung des Innenbereichs keinesfalls als Argument für eine Verdrängung der staatlichen Strafnormen (§§ 174 ff. StGB) herangezogen werden darf. In Kapitel II. wurde bereits umfassend erörtert, dass die Kirche keine exklusive, die staatliche Strafgewalt verdrängende Funktion innehaben darf. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche vermittels eigener Strafnormen reicht daher keinesfalls so weit, dass das Bestehen einer kirchlichen Vorschrift zur Unanwendbarkeit der staatlichen Strafnorm führen könnte. 998 Vgl. Waldhoff, KuR 2014, 171 (175); Herrchen, Presseinformation (https:// www.bistumlimburg.de/fileadmin/redaktion/Portal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presse erklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 1 (geprüft am 01.04.2018). 999 Waldhoff, KuR 2014, 171 (185).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Ein anderer Bereich des Selbstbestimmungsrechts ist in den Missbrauchsfällen nicht eröffnet. Hierin ist neben der erhöhten Schwere der Tathandlung der Unterschied zwischen den Missbrauchsfällen und den Untreuehandlungen zu sehen. Die Missbrauchsfälle sind nicht nur deutlich schwerwiegender als Untreuehandlungen, sondern die Möglichkeit der Selbstbestimmung der Kirche ist bei ihnen auch erheblich reduziert. Anders als im Bereich der Untreue, in dem die Eigenständigkeit im Vermögensbereich als maßgebliche Kategorie des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG betroffen ist, findet sich in den Fällen sexuellen Missbrauchs neben dem Innehaben eines eigenen, nicht-exklusiven kirchlichen Strafrechts, keine weitere vom Selbstbestimmungsrecht erfasste Fallgruppe. (bb) Vergleich mit weiteren Strafnormen Es gibt jedoch andere Strafnormen, deren Anwendbarkeit im kirchlichen Bereich noch nicht infrage gestellt wurde und die das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gleichermaßen betreffen wie der Straftatbestand der Untreue. Für die Eröffnung des persönlichen Schutzbereichs des Selbstbestimmungsrechts der Kirche kommt es nicht darauf an, dass die in Rede stehende Tat von Kirchenangehörigen begangen wird, da allein die Kirche Träger des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG ist, nicht jedoch ihre Angehörigen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Kirche selbst materiell in ihrer Eigenständigkeit beschränkt wird, die ihr kraft des Selbstbestimmungsrechts zukommt. Theoretisch wäre ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche durch die Aufdrängung von strafrechtlichem Schutz auch bei einem außenstehenden Täter vorstellbar. De facto handelt es sich hierbei um einen konstruierten Fall, da die Kirche der Verfolgung eines Außenstehenden wegen nicht zu befürchtender Imageschäden meist nicht entgegenstehen würde und folglich hierin keine „Aufdrängung“ von strafrechtlichem Schutz gegen den Willen der Kirche gesehen werden kann. Beschränkt man somit die Betroffenheit des Selbstbestimmungsrechts der Kirche vornehmlich auf strafbare Handlungen von Kirchenangehörigen, ist für den Eingriff in die kirchliche Eigenständigkeit aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG das Bestehen einer kirchlichen strafrechtlichen Parallelnorm, aufgrund derer auch kirchenrechtlich gegen die jeweilige Person vorgegangen werden könnte, nicht ausreichend, wie dies bereits für die Missbrauchsfälle aufgezeigt wurde. Vielmehr kommt es darauf an, dass die von dem staatlichen Straftatbestand berührte Thematik (z. B. das Vermögen im Bereich des § 266 StGB) Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts der Kirche ist, die Kirche geschädigt wird und sie die daraufhin ergehende strafrechtliche Verfolgung des Täters als Aufdrängung von Schutz gegen ihren Willen ansieht. Beispielhaft wäre der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs gem. § 123 Abs. 1 StGB zu nennen. Die Unterhaltung und Verwaltung der kirchlichen Ge-
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
bäude und das von § 123 Abs. 1 StGB geschützte individuelle Hausrecht1000 sind Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts der Kirche.1001 Bei dem Hausfriedensbruch handelt es sich jedoch gem. § 123 Abs. 2 StGB um ein absolutes Antragsdelikt, so dass die Kirche durch das Nicht-Stellen eines Strafantrags eine strafrechtliche Verfolgung gegen ihren Willen selbst verhindern kann und § 123 Abs. 1 StGB als Eingriffsnorm ausscheiden muss. Gleichermaßen verhält es sich mit der Beleidigung der Kirche als Kollektiv (vgl. § 194 Abs. 3 S. 3 StGB)1002 gem. §§ 185 ff. StGB, da die Beleidigung gem. § 194 Abs. 1 S. 1 StGB nur auf Antrag verfolgt wird. Bei der Sachbeschädigung gem. § 303 Abs. 1 StGB handelt es sich um ein relatives Antragsdelikt gem. § 303c StGB, so dass eine strafrechtliche Ahndung gegen den Willen der Kirche als Geschädigte nur in den Fällen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung erfolgen kann. Als Beispiele für Strafnormen, bei denen die Kirche als juristische Person die Geschädigte sein kann, materiell eine eigene Angelegenheit der Kirche i. S. v. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG in Rede steht und in thematischer Hinsicht eine Vergleichbarkeit mit § 266 StGB gegeben ist, sind jedoch die §§ 242, 246, 263 StGB zu nennen. (a) Vergleich mit Diebstahl und Unterschlagung Die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn hat ausdrücklich die Anwendbarkeit von Diebstahlsdelikten im kirchlichen Bereich bejaht und den Unterschied zum Untreuetatbestand darin gesehen, dass bei Diebstahlsdelikten anders als bei Untreuedelikten „außerkirchliche Belange strafrechtlich relevant tangiert“ 1003 wären. Bestiehlt ein Kirchenangehöriger einen außenstehenden Dritten, sind ohne Zweifel „außerkirchliche Belange“ betroffen, so dass § 242 StGB unstreitig Anwendung findet. Die Sachlage unterscheidet sich insoweit nicht von der Untreuehandlung eines Kirchenangehörigen zulasten eines Außenstehenden, bei der aufgrund der Berührung von außerhalb der Kirche stehenden Individualinteressen auch von der Gegenansicht die Anwendbarkeit des § 266 StGB bejaht wird.1004 Begeht ein Kirchenangehöriger einen Diebstahl zulasten eines anderen Kirchenangehörigen, darf keinesfalls von einem „innerkirchlichen“ Sachverhalt gespro1000
Statt aller Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 123 Rn. 2. Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 38. 1002 Valerius, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 185 Rn. 11. 1003 Herrchen, Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redak tion/Portal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 1 (geprüft am 01.04.2018). 1004 Waldhoff, KuR 2014, 171 (185). 1001
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chen werden. Da die Kirche nicht die Geschädigte und ihre eigene Strafgewalt nicht-exklusiv ist, wird in einem solchen Fall nicht einmal in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingegriffen. Nicht anders verhält es sich bei der Untreuehandlung zulasten des Vermögens eines Kirchenangehörigen, wenn der Täter ebenfalls kirchenangehörig ist. Es erschließt sich jedoch nicht, weshalb der Diebstahl von Kirchengut durch einen Priester anders beurteilt werden solle als eine Untreuehandlung durch einen Priester zulasten des kirchlichen Vermögens. Für ein solches Diebstahlsdelikt zulasten der Kirche sind keine betroffenen „außerkirchlichen Belange“ im untechnischen Sinne1005 ersichtlich, welche bei einer entsprechenden Untreuehandlung nicht tangiert wären. Auch im Übrigen besteht kein tauglicher Sachgrund für eine Ungleichbehandlung zwischen Diebstahl und Untreue. Hinsichtlich ihres Rechtsguts sind die beiden Strafnormen der §§ 266 Abs. 1, 242 Abs. 1 StGB teilidentisch. Während die Untreue alle vermögenswerten Rechte gewährleistet, schützt das Diebstahlsdelikt das Eigentum als Unterfall des von § 266 StGB erfassten Vermögens. Vom Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG wird die freie Verfügung über das Eigentum gleichermaßen wie über das sonstige Vermögen erfasst. Die Erweiterung der geschützten Rechtsposition in § 266 StGB vermag daher nicht als Sachgrund für eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Anwendbarkeit der jeweiligen Strafnorm als Schranke i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG herangezogen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der speziellen Angriffsrichtung einer Untreuehandlung. § 266 StGB erfasst lediglich Angriffe „von innen heraus“, die aus einer gehobenen inneren Machtposition auf das Vermögen des Treugebers erfolgen. § 242 StGB, welcher ein Allgemeindelikt darstellt, setzt keine qualifizierte Täterstellung voraus und unterscheidet daher nicht zwischen Angriffen von innen bzw. von außen. Das Diebstahlsdelikt kann faktisch aber gleichermaßen von einem Vermögensbetreuungspflichtigen und damit nicht nur von außen, sondern auch „von innen heraus“ begangen werden. Aus diesem Grunde hat der BGH ausdrücklich die Möglichkeit von Tateinheit zwischen Untreue (Treuebruchstatbestand) und Diebstahl bejaht, selbst wenn der Diebstahl ebenso durch eine nicht in einem besonderen Treueverhältnis stehende Person hätte begangen werden können.1006 Die Konstellation eines unmittelbar schädigenden Eingriffs in Sachen des Treugebers durch eine Diebstahlshandlung
1005 Versteht man die Außerkirchlichkeit im technischen Sinne unter Zugrundelegung der Bereichslehre, sind Vermögens- und Eigentumsangelegenheiten überwiegend dem kirchlichen Außenbereich zuzurechnen (s. o.), so dass stets von betroffenen außerkirchlichen Belangen im technischen Sinne gesprochen werden müsste. Dies muss gleichermaßen für Untreue und Diebstahl gelten. 1006 BGHSt 17, 360.
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des Treuepflichtigen, der über eine Obhutsstellung hinsichtlich der betroffenen Sache verfügt, mag zwar als untreue-atypisch anzusehen sein.1007 Ist der Treuepflichtige jedoch gerade dazu angehalten, Diebstahlshandlungen vonseiten Dritter zu verhindern, wäre es widersprüchlich, wenn diesem selbst bei Vornahme derartiger Handlungen ein strafrechtlicher Vorwurf in Form der Untreue und des Diebstahls erspart bleiben würde.1008 Wird eine Treuebruchshandlung gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu eigenen Gunsten begangen, unterscheidet sich diese Konstellation vom Diebstahl in manchen Fällen nur darin, dass der Täter zuvor keinen Gewahrsam über die betroffene Sache hatte. Hatte der Täter keinen Gewahrsam, kommt veruntreuende Unterschlagung gem. § 246 Abs. 2 StGB in Betracht. Da an das Anvertrautsein i. S. d. § 246 Abs. 2 StGB geringere Anforderungen als an die Vermögensbetreuungspflicht i. S. v. § 266 Abs. 1 StGB gestellt werden, ist dieses bei einer Aneignungshandlung im Rahmen eines Treueverhältnisses i. S. d. § 266 Abs. 1 StGB erst recht erfüllt.1009 Die veruntreuende Unterschlagung tritt jedoch gegenüber § 266 Abs. 1 StGB auf Konkurrenzebene zurück, wenn der Täter bereits zum Zeitpunkt der Untreuehandlung mit Zueignungsvorsatz handelt.1010 Indem die Straftatbestände von Untreue und Diebstahl sogar durch dieselbe materielle Handlung verwirklicht werden können und sich hinsichtlich ihres Rechtsguts überschneiden, ist kein tauglicher Sachgrund ersichtlich, um die Ungleichheit hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit im kirchlichen Bereich zu rechtfertigen. Für die Frage der Anwendbarkeit des § 266 StGB als Schranke i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG darf es keine Rolle spielen, ob ein Kirchenangehöriger Eigentum der Kirche stiehlt bzw. unterschlägt oder aber eine Untreuehandlung zulasten des kirchlichen Vermögens begeht. (b) Vergleich mit Betrug Auch die Anwendbarkeit des Straftatbestandes des Betrugs im kirchlichen Bereich wird nicht infrage gestellt.1011 Die §§ 263 Abs. 1, 266 Abs. 1 StGB schützen jeweils das Vermögen vor Schädigungen und weisen daher dieselbe Rechtsgutsbestimmung auf. Der Begriff des 1007 Seiner, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Teil 5 Kap. 2 Rn. 165. 1008 Seier, in: dies., Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Teil 5 Kap. 2 Rn. 165. 1009 Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 246 Rn. 17. 1010 BGHSt 6, 314 (316); 8, 260; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 53; Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 55; a. A. Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SKStGB, § 266 23 ff., der § 266 StGB durch die Hinzufügung des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals einer Vermögensverfügung in ein Exklusivitätsverhältnis zu §§ 242, 246 Abs. 2 StGB setzen möchte. 1011 Radtke, ZevKr 1999, 71 (82) zur Strafbarkeit von Kirchenvorständen.
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Vermögensnachteils in § 266 Abs. 1 StGB ist mit den Terminus des Vermögensschadens in § 263 Abs. 1 StGB identisch.1012 Die für den Betrug charakteristische Täuschungshandlung hat auch keinen „außerkirchlichen Bezug“, wenn man insoweit die Terminologie der Verfügung der Staatsanwaltschaft a. d. Lahn zugrunde legt. Ein Betrug zulasten der juristischen Person der Kirche kommt mangels personaler Handlungsfähigkeit der Kirche nur in der Konstellation des Dreiecksbetruges durch Täuschung gegenüber einer im Lager der Kirche stehenden Person infrage. Täuscht ein Kirchenangehöriger eine Person, die im Lager der Kirche steht, liegt gleichermaßen ein kircheninterner Vorgang vor, so wie dies auch im Falle einer Untreuehandlung zulasten der Kirche durch einen Kirchenangehörigen der Fall ist. Von berührten außerkirchlichen Belangen (im untechnischen Sinne, s. Fn. 1005) kann keine Rede sein. Betrug und Untreue in Form des Treuebruchstatbestandes können zudem durch ein- und dieselbe materielle Tat verwirklicht werden, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Vornahme der Täuschung bereits in einem Treueverhältnis zu der zu schädigenden Kirche stand und infolge der Täuschung der Vermögensschaden bzw. -nachteil hervorgerufen wird.1013 Aufgrund der bestehenden Vergleichbarkeit von Untreue- bzw. Betrugshandlungen zulasten des kirchlichen Vermögens spricht die unbestrittene Anwendbarkeit des § 263 StGB auch für die Geltung des Straftatbestandes der Untreue im kirchlichen Bereich. Zwischen den beiden Strafnormen sind keine gewichtigen sachlichen Differenzierungsgründe ersichtlich, die eine unterschiedliche Handhabung rechtfertigen könnten. (cc) Zwischenergebnis Angesichts der unbestrittenen Anwendbarkeit der §§ 242, 246 StGB und des § 263 StGB im kirchlichen Bereich besteht kein Anlass, § 266 StGB sachwidrig hiervon auszunehmen. Dies muss umso mehr gelten, als Diebstahl, Betrug und Untreue ähnliche Rechtsgüter schützen und jeweils den vom Selbstbestimmungsrecht der Kirche erfassten Vermögensbereich betreffen, der als Unterfall auch die freie Verfügung über das Eigentum erfasst. Darüber hinaus kann der Straftatbestand der Untreue mit Aneignungs- bzw. Betrugshandlungen zusammenfallen. In einer Konstellation, in der der Täter seine Vermögensbetreuungspflicht durch das treuwidrige Ansichnehmen von Geld gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB verletzt, kann diese Handlung gleichzeitig Betrug bzw. Diebstahl oder Unterschlagung darstellen, je nachdem, ob der Täter das Geld gerade durch Täuschung des Gegenübers an sich nimmt (§ 263 Abs. 1 StGB) oder die Erlangung des Geldes durch Wegnahme (§ 242 StGB) bzw. rechtswidrige Zueignung (§ 246 StGB) er1012 1013
Siehe Fn. 537. Vgl. hierzu allgemein BGHSt 8, 260; BGH, NStZ 2008, 340.
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folgt. In dem zusätzlichen Erfordernis der Täuschung, Wegnahme oder der rechtswidrigen Zueignung kann kein Sachgrund gesehen werden, der die unterschiedliche Anwendbarkeit im kirchlichen Bereich zu rechtfertigen vermag. (e) Vergleich mit anderen Gesellschaftsgruppen wie den Sportverbänden Die Anwendbarkeit der Untreue im kirchlichen Bereich wird nicht nur durch den Vergleich mit anderen Strafnormen, sondern auch durch den Vergleich mit anderen Gesellschaftsgruppen bestätigt, innerhalb derer § 266 StGB unbestritten Geltung beansprucht. Würde für die Kirche eine Ausnahme hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 266 StGB geschaffen, würden auch andere anerkannte Gesellschaftsgruppen eine Freistellung ihrer Mitglieder von einer Strafverfolgung auf der Grundlage des § 266 StGB für sich reklamieren. Dies muss umso mehr gelten, als strukturelle Ähnlichkeiten zwischen der Kirche und der Organisation anderer Gesellschaftsverbände bestehen. Zur Verdeutlichung bietet sich ein Vergleich mit der Organisation von Sportverbänden an. Dabei soll keinesfalls der Eindruck entstehen, dass Religion und Sport inhaltlich verglichen oder rangmäßig gleichgestellt werden. Es soll alleine ein struktureller Vergleich unter besonderer Berücksichtigung der hieraus resultierenden Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des Strafrechts im Allgemeinen und des Straftatbestandes der Untreue im Besonderen gezogen werden. (aa) Recht auf Selbstbestimmung Auch Sportverbände verfügen über ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Selbstbestimmung aus Art. 9 Abs. 1 GG. Der persönliche Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG ist eröffnet, da es sich bei den Sportverbänden um Vereine i. S. d. Art. 9 Abs. 1 GG handelt. Hierunter versteht man eine Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.1014 Es bedarf keiner zusätzlichen Heranziehung des Art. 19 Abs. 3 GG, da es sich bei Art. 9 Abs. 1 GG nach herrschender Auffassung um ein sog. Doppelgrundrecht handelt, welches sowohl die individuelle als auch die kollektive Vereinigungsfreiheit gewährleistet.1015 Dem Kollektiv eines Sportverbandes kommt daher unmittelbar aus Art. 9 Abs. 1 GG eine eigene Grundrechtssubjektivität zu. 1014 BVerwG, NJW 1998, 2545 (2546); Cornils, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 9 GG Rn. 5; siehe auch § 2 Abs. 1 VereinsG, dessen Legaldefinition der verfassungsrechtlichen Definition des Art. 9 Abs. 1 GG entlehnt ist. 1015 BVerfGE 13, 174 (174); 80, 244 (253); Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 9 Rn. 23; Cornils, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 9 GG Rn. 3.
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In sachlicher Hinsicht beinhaltet Art. 9 Abs. 1 GG nicht nur als individuelle Vereinigungsfreiheit das Recht, einen Verein zu gründen, ihm beizutreten bzw. von ihm fernzubleiben oder auszutreten1016, sondern auch als kollektive Vereinigungsfreiheit das Recht zur Organisation der internen Strukturen und zur äußeren Betätigung – jedenfalls im Kernbereich1017. Von Art. 9 Abs. 1 GG wird über den Wortlaut hinaus zudem das Recht auf Selbstbestimmung geschützt. Nach dem Bundesverfassungsgericht umfasst „der Schutz des Grundrechts [. . .] sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigungen die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte. Denn ohne solche Selbstbestimmung könnte von einem freien Vereinigungswesen keine Rede sein; Fremdbestimmung würde dem Schutzzweck des Art. 9 I GG zuwiderlaufen.“ 1018 Das Selbstbestimmungsrecht der Sportverbände beinhaltet die Befugnis zur Festlegung und Organisation der eigenen Ziele, zur freien Rechtswahl sowie zum Erlass eines einheitlichen Regelwerks für den gesamten Verband (Verbandsautonomie).1019 Im Rahmen ihres so erlassenen Satzungs- und Ordnungsrechts besitzen die Sportverbände ein Recht zur Selbstverwaltung.1020 Aus den Darstellungen wird deutlich, dass die Sportverbände wie die Religionsgemeinschaften über ein Recht auf Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten verfügen. Soweit private Religionsgemeinschaften in Rede stehen, ist Art. 137 Abs. 3 WRV i.V. m. Art. 140 GG lex specialis zu Art. 9 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der als öffentlich-rechtliche Körperschaft konstituierten römisch-katholischen Kirche kommt allein Art. 137 Abs. 3 WRV i.V. m. Art. 140 GG als Rechtsgrundlage in Betracht. In Bezug auf die Rechtsetzung ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht jedoch weiter als die Gewährleistung in Art. 9 Abs. 1 GG, da den Sportverbänden anders als den Religionsgemeinschaften keine originäre Rechtsetzungsbefugnis zukommt.1021 (bb) Befugnis zur Verhängung von Strafen Kraft ihres Selbstbestimmungsrechts verfügen die Sportverbände über die Befugnis zur Verhängung von „Strafen“. Die „Strafgewalt“ der Sportverbände wird aus Art. 9 Abs. 1 GG und nicht mehr aus der einfachgesetzlichen Rechtsgrund1016
BVerfGE 10, 89 (102). BVerfGE 30, 227 (241). 1018 BVerfGE 50, 290 (354). 1019 BVerfGE 50, 290 (355); Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, 36, 39 f.; Geraats, Doppelbestrafungsverbot und Sportverbandsgerichtsbarkeit, S. 51. 1020 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, S. 41 f. 1021 Ders., Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, S. 41. 1017
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lage des § 25 BGB abgeleitet.1022 Da die Vereine gem. Art. 9 Abs. 1 GG das Recht besitzen, eigene Regelungen aufzustellen, muss ihnen auch die Befugnis zukommen, die Durchsetzung dieser Vorschriften durch die Einführung von Sanktionen für den Fall der Nichtbeachtung abzusichern.1023 Nur auf diese Weise kann die Effektivität der sportlichen Regeln gewährleistet werden. „Die Schaffung, Fortschreibung, Überwachung und Durchsetzung dieser Regeln ist nach dem Verständnis der geltenden Rechtsordnung ebenso wenig eine staatliche Aufgabe wie die Organisation des Spitzen- und Breitensports, als deren Teil sie verstanden werden mu[ss]. Sie ist vielmehr eine von den Verbänden, die sich die Pflege und Organisation der jeweiligen Sportart zum Ziel gesetzt haben, in Ausübung ihrer Verbandsautonomie (Art. 9 GG) zu erfüllende Aufgabe“ 1024. Die Einordnung der Verbandsstrafgewalt als Vertragsstrafe gem. §§ 339 ff. BGB kommt demgegenüber nicht in Betracht1025, da zwischen dem Verband und seinen Mitgliedern kein Vertragsverhältnis, sondern ein nach dem Mehrheitsprinzip funktionierendes Mitgliedschaftsverhältnis besteht1026 und die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG nicht nur die Summe der Vertragsfreiheiten seiner Mitglieder beinhaltet1027. Auf der Grundlage ihrer Vereinsautonomie und Strafgewalt haben Sportverbände Verbandsgerichte und Sanktionsnormen aufgestellt. Zieht man das Beispiel des Deutschen Fußball-Bundes e. V. (DFB) heran, wurden ein Sportgericht und ein Bundesgericht gem. §§ 39 ff. der DFB-Satzung als erst- bzw. zweitinstanzlich zuständige Gerichtsbarkeit errichtet. Gem. § 41 Nr. 1 der DFB-Satzung bestrafen die genannten Gerichte Verstöße gegen das DFB-Recht und befinden über Streitigkeiten nach dem DFB-Recht, soweit die Entscheidung nicht ausdrücklich einem anderen DFB-Organ vorbehalten ist. Bei unsportlichem Verhalten sowie bei unter Strafe gestellten Verstößen gegen die Satzung und Ordnungen des DFB und das Ligastatut kommen gem. § 44 Nr. 2 der DFB-Satzung folgende Sanktionen in Betracht: Verwarnung, Verweis, Geldstrafe, Platzverbot, Amtsverbot, Sperre, Ausschluss (u. a. von der Benutzung der Einrichtungen des DFB),
1022 BGH, JZ 1995, 461 (462) Vieweg, JZ 1984, 167 (170); Reuter, JZ 1980, 101 (107); Löwer, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 9 Rn. 34; Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, S. 53; Geraats, Doppelbestrafungsverbot und Sportverbandsgerichtsbarkeit, S. 54 f. 1023 Vgl. BGH, JZ 1995, 461 (462); vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band II, S. 922. 1024 BGH, JZ 1995, 461 (462). 1025 BGHZ 21, 370; Ellenberger, in: Bassenge/Brudermüller/Ellenberger u. a. (Hrsg.), Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, § 25 Rn. 13. 1026 Schöpflin, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 25 Rn. 42. 1027 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, S. 51.
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Lizenzentzug, Entzug der Trainerzulassung, Platzsperre, Punkteaberkennung und die Versetzung in eine tiefere Spielerklasse. Auch insoweit besteht eine strukturelle Vergleichbarkeit zur kirchlichen Rechtsprechung und zur Verhängung kirchlicher Sanktionen, da die Verbandsgerichte wie die kirchlichen Gerichte keine staatlichen Gerichte i. S. d. Art. 92 GG darstellen. Träger der sportlichen Verbandsgerichte sind die als private Vereine konstituierten Sportverbände, weshalb es sich bei den Gerichten um nicht-staatliche private Gerichte handelt, die vom Regelungsbereich des Art. 92 GG nicht erfasst sind.1028 Auch die von den Verbandsgerichten verhängten Sanktionen sind keine Kriminalstrafen im staatlichen Sinne1029, sondern in der Verbandssatzung (§ 25 BGB bei einem rechtsfähigen Verein) vereinbarte privatrechtliche Rechtsfolgen einer Verletzung von dort festgelegten privatrechtlichen Pflichten.1030 Darüber hinaus betrifft die Art der Sanktionen nur den von dem jeweiligen Sportbereich erfassten Teil des gesellschaftlichen Lebens und nicht den allgemeinen Lebensbereich. In der fehlenden Staatlichkeit der Gerichtsbarkeit und der Rechtsnatur der ausgesprochenen Sanktionen entsprechen sich die Strukturen des kirchlichen und des sportlichen Bereichs. (cc) Kein Doppelbestrafungsverbot gem. Art. 103 Abs. 3 GG Die Konsequenz der soeben dargestellten Natur der sportlichen Gerichtsbarkeit und der sportlichen „Strafen“ besteht darin, dass – wie auch im kirchlichen Bereich – das Doppelbestrafungsverbot „ne bis in idem“ aus Art. 103 Abs. 3 GG im Verhältnis zur staatlichen Gerichtsbarkeit keine Anwendung findet.1031 Bei den Verbandsstrafen handelt es sich nicht um „allgemeine Strafgesetze“ i. S. d. Art. 103 Abs. 3 GG. Hierunter ist das Haupt- und Nebenstrafrecht in Abgrenzung zum Disziplinar-, Ordnungsstraf- und Polizeistrafrecht zu verstehen.1032 1028 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, S. 57; Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 87. 1029 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 9 Rn. 110. 1030 Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 92 Rn. 89. 1031 Vgl. BGHZ 21, 370 (374); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 249 f.; Scherrer/Ludwig, Sportrecht, S. 279; Haas/Martens, Sportrecht, S. 207; Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, S. 75; Fahl, SpuRt 2001, 181 (181 ff.); Reschke, SpuRt 2001, 183 (184); Summerer, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 115 (244) unter Aufgabe seiner früheren a. A. in: Summerer, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 1998, S. 80 (160); Reiß, Die Strafgewalt der Vereine, S. 72; a. A. Reinhart, SpuRt 2001, 45 (46 ff.); Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (809): Reinhart weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass seine Auffassung auf heftigen Widerspruch gestoßen und vereinzelt geblieben ist. 1032 BVerfGE 21, 379; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 103 Rn. 286 f.
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Die privaten Verbandsstrafen im Sport weisen in materieller Hinsicht disziplinarischen Charakter1033 auf und sind daher von den in Art. 103 Abs. 3 GG geregelten Kriminalstrafen zu unterscheiden.1034 Die Verbandsstrafen verfügen zudem über eine andere Funktion als die allgemeinen Strafgesetze.1035 Während das Strafrecht auf den Schutz der für ein gedeihliches Miteinander in der Gesellschaft fundamentalen Rechtsgüter zielt, sollen Verbandsstrafen lediglich das sportethische Verhalten der jeweiligen Verbandsmitglieder gewährleisten.1036 Die Nichtgeltung des Art. 103 Abs. 3 GG führt jedoch nicht dazu, dass das Verbandsstrafverfahren auf das staatliche Strafverfahren keinerlei Auswirkung hat. So kann von einem staatlichen Verfahren/von der Klageerhebung gem. § 153 bzw. § 153 a StPO abgesehen bzw. das Verfahren (vorläufig) eingestellt werden, wenn aufgrund der verhängten Sanktionen durch den Verband kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung mehr besteht (§ 153 StPO) oder die zusätzlich zur ausgesprochenen Verbandsstrafe ausgewählten Auflagen oder Weisungen geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht (§ 153a StPO).1037 Des Weiteren kommt die Verhängung einer milderen Strafe unter Berücksichtigung der bereits durch die Verbandsstrafe erlittenen Einbußen bei der Strafzumessung in Betracht.1038 Keinesfalls darf dies jedoch dazu führen, dass die staatlichen Behörden die strafrechtliche Verfolgung stets willkürlich davon abhängig machen, ob sie das Ergebnis des verbandsgerichtlichen Strafverfahrens zufrieden stellt oder nicht.1039 (dd) Strafrechtliche Besonderheiten im Sport Die erfolgten Darstellungen haben verdeutlicht, dass sich die Organisation der internen Gerichte und der dort verhängten Sanktionen im sportlichen und im 1033 Reschke, SpuRt 2001, 183 (184); für eine Strafgewalt sui generis: Reinhart, SpuRt 2001, 45 (47 f.). 1034 Geraats, Doppelbestrafungsverbot und Sportverbandsgerichtsbarkeit, S. 134. 1035 Reiß, Die Strafgewalt der Vereine, S. 72. 1036 Reschke, SpuRt 2001, 183 (183). 1037 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 247; Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (809) unter Verweis auf die h. M. 1038 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, S. 75; Bettermann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band III, S. 775 (812); Geraats, Doppelbestrafungsverbot und Sportverbandsgerichtsbarkeit, S. 151 ff., will das Sportverbandsgerichtsverfahren dahingegen als Täter-Opfer-Ausgleich einordnen (zweifelhaft). 1039 So die Kritik von Reinhart, SpuRt 2001, 45 (48) unter Verweis auf das zurückhaltende Einschreiten von staatlichen Strafbehörden in sportlichen Angelegenheiten: ders., SpuRt 1997, 1 (2). Hiergegen kann jedoch eingewandt werden, dass bei fehlendem Strafantrag eine Verfolgung von Körperverletzungs- oder Sachbeschädigungsdelikten ohnehin nur bei Bestehen eines besonderen öffentlichen Interesses erfolgen kann (§§ 230 Abs. 1 S. 1, 303c StGB).
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kirchlichen Bereich weitgehend entsprechen. Angesichts dieser gleichen Ausgangslage erscheint es daher besonders interessant, zu untersuchen, wie bei den Sportverbänden die Frage der Anwendbarkeit des materiellen Strafrechts, insbesondere des § 266 StGB gelöst wird. Hieraus können Schlussfolgerungen auf die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich gezogen werden, da eine sachwidrige Ungleichbehandlung von strukturell Gleichem gem. Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Betracht kommt. Der Sport nimmt im Strafrecht eine Sonderstellung ein, da im Bereich des regelgeleiteten Bewegungskampfsportes Verletzungen des Gegners und Beschädigungen von dessen Sportgerät oft unvermeidlich bzw. mit der unübersichtlichen und schnellen Sportbewegung wesensmäßig verbunden sind und daher von den Sportlern sehenden Auges in Kauf genommen werden müssen.1040 Soweit es um die Privilegierung von wesensmäßigen Folgen des Sports geht, spricht man vom Sportstrafrecht im engeren Sinne.1041 Hierbei handelt es sich um Körperverletzungs- und Sachbeschädigungsdelikte gegenüber sportlichen Gegnern, die „im“ Sport und nicht nur „bei Gelegenheit“ des Sports verübt werden, d.h. solche, die durch die jeweilige Sportausübung „bedingt“ sind.1042 In einem derartigen Fall nimmt die herrschende Meinung eine konkludente Einwilligung des Verletzten als Rechtfertigungsgrund an, wenn es sich um (leicht) fahrlässige, sogar regelwidrige Verletzungen handelt.1043 Der Ausschluss des Tatbestandes durch eine restriktive Auslegung des Merkmals der körperlichen Misshandlung1044 oder durch Verneinung des objektiven Tatbestandes aufgrund erlaubten Risikos1045 bei sportüblichem Verhalten kommt demgegenüber nicht in Betracht, da hierdurch der Wille des Verletzten, dessen Rechtsgut von den Strafnormen gerade geschützt werden soll, unberücksichtigt bleibt. Das Sportstrafrecht im engeren Sinne ist von den Konstellationen abzugrenzen, bei denen die Straftat nur „beim“ Sport und nicht „im Sport“ 1046 begangen wird, so dass die sportliche Betätigung lediglich als Handlungshintergrund dient. 1040 Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (770 f.). 1041 Ders., in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (772). 1042 OLG Karlsruhe, NJW 1982, 394 (394); Reinhart, SpuRt 1997, 1 (2); Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (772 f.). 1043 BGHSt 4, 88 (92); BayOblGSt 1960, 266 (270); 1961, 180 (182 f.); Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 228 Rn. 109; Kubink, JA 2003, 257 (260 f.); für mutmaßliche Einigung: Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (800). 1044 So Eser, JZ 1978, 368 (371). 1045 So aber Dölling, ZStW 1984, 36 (60 f.); Zipf, ZStW 1970, 633 (636, 651); Meliá, ZStW 1999, 357 (385). 1046 Unterscheidung nach Reinhart, SpuRt 1997, 1 (2); Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (771 f.).
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Dies kann auch bei Körperverletzungen der Fall sein, die beispielsweise in der Kabine begangen werden. Überwiegend betrifft dies jedoch Fälle von Eigentumsund Vermögensdelikten, die mit der sportlichen Betätigung nichts gemein haben und daher nicht privilegierungsfähig sind.1047 Insoweit spricht man vom sog. Sportwirtschaftsstrafrecht als Unterfall des Sportstrafrechts im weiteren Sinne.1048 Die Wirtschaftskriminalität gewinnt auch bei Sportverbänden zunehmend an Bedeutung, da sich viele Verbände zu umsatzstarken Aktiengesellschaften (z. B. FC Bayern München AG) und damit zu großen Wirtschaftsunternehmen entwickelt haben.1049 Zur Schließung von Strafbarkeitslücken hat der Gesetzgeber kürzlich die Straftatbestände des Sportwettbetrugs (§ 265 c StGB) und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (§ 265 d StGB) eingeführt und auf diese Weise die Möglichkeiten der wirtschaftsstrafrechtlichen Verfolgung im Sportbereich erweitert.1050 Indem die Untreue gem. § 266 StGB innerhalb von Sportverbänden mangels jeglicher Verbindung zur Sportausübung lediglich „beim“ und nicht „im“ Sport verübt werden kann, stellt diese keinen privilegierungsfähigen Fall dar und muss somit ohne Einschränkung Anwendung finden.1051 Der Straftatbestand der Untreue besitzt im sportlichen Bereich auch praktische Relevanz – insbesondere wenn Spielertransfers in Rede stehen. Wird für einen Spielerneukauf die intern festgelegte Höchstsumme nach außen wirksam überschritten, kommt der Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB in Betracht.1052 Wird innerhalb von Sportverbänden eine „schwarze Kasse“ gebildet, kann dies zur Untreuestrafbarkeit nach allgemeinen Grundsätzen führen.1053 Die Anwendbarkeit des § 266 StGB innerhalb von Sportverbänden wird auch von der Rechtsprechung vorbehaltlos bejaht.1054 Beispielhaft sei die Anklage eines Vorsitzenden eines Sportvereins wegen Untreue im sog. „Bundesligaskandal“ der Saison 1970/1971 genannt.1055 Dem Angeklagten lag zur Last, Bestechungsgelder vom Vereinskonto 1047 Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (772). 1048 Ders., in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (759). 1049 Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (758); Weise, Finanzielle Beeinflussungen von sportlichen Wettkämpfen durch Vereinsfunktionäre, S. 5. 1050 RegE der Bundesregierung vom 06.04.2016 (http://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_Strafbarkeit_Sportwettenbetrug_und_Wett bewerbsmanipulation.pdf). 1051 Vgl. Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (758, 841, 842 ff.). 1052 Ders., in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (843). 1053 Allgemein für Vereine: Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 76. 1054 Vgl. z. B. BGH, NJW 1975, 1234. 1055 BGH, NJW 1975, 1234 ff.; LG Bielefeld, JZ 1977, 692 ff.
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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an gegnerische Fußballspieler zur Absicherung des Liga-Erhalts gezahlt zu haben.1056 Der BGH wendet § 266 StGB gegenüber dem Vorsitzenden ohne jegliche Problemerörterung an und bejaht die Pflichtverletzung, bezweifelt jedoch im konkreten Fall das Vorliegen eines Vermögensnachteils, da die durch den LigaErhalt zu erwartenden Gewinne wirtschaftlich höher zu bewerten sein könnten als die bezahlten Bestechungsgelder.1057 Das LG Bielefeld, an das die Sache zurückverwiesen wurde, hat den Angeklagten wegen fehlender Herbeiführung eines Vermögensnachteils freigesprochen.1058 Der Freispruch ändert jedoch nichts daran, dass die Anwendbarkeit des § 266 StGB im sportlichen Bereich zweifellos von der Rechtsprechung anerkannt wird. Die im Urteil des BGH implizit bestätigte Anwendbarkeit des § 266 StGB ist von der konkreten Normanwendung zu unterscheiden. Aus aktuellem Anlass seien auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Präsidenten des DFB und einstigen Vizepräsidenten des Organisationskomitees, den im Jahr 2006 amtierenden DFB-Präsidenten und damaligen Schatzmeister des Organisationskomitees sowie den früheren DFB-Generalsekretär im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 genannt.1059 Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens aufgrund des „in Betracht kommenden Tatvorw[u]rf[s] der Untreue [lediglich] wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung“ 1060 abgelehnt, nicht jedoch wegen einer generellen Infragestellung der Anwendbarkeit des § 266 StGB im sportlichen Bereich.1061 In Bezug auf den Verdacht der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall wurde dahingegen ein Anfangsverdacht bejaht.1062 Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat zwischenzeitlich bekannt gegeben, dass ein Verfahren gegen Franz Beckenbauer, Horst R. Schmidt, Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach wegen des Verdachts der Untreue und Geldwäsche eingelei-
1056
BGH, NJW 1975, 1234 (1234). BGH, NJW 1975, 1234 (1235). 1058 LG Bielefeld, JZ 1977, 692 ff. 1059 Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Durchsuchungen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) (https://sta-frankfurt-justiz.hessen.de/irj/STA_Frankfurt_am_Main_ Internet?rid=HMdJ_15/STA_Frankfurt_am_Main_Internet/nav/acf/acf4027c-47e6-c711d88e-f197ccf4e69f,a715b305-ce8b-051f-012f-312b417c0cf4„11111111-2222-3333-444 4-100000005002 %26_ic_seluCon=a715b305-ce8b-051f-012f-312b417c0cf4 %26shown av=false.htm&uid=acf4027c-47e6-c711-d88e-f197ccf4e69f&shownav=false) (geprüft am 25.09.2016). 1060 Siehe Fn. 1059. 1061 Zur theoretischen Prüfung einer möglichen Untreuestrafbarkeit im Rahmen der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 siehe Hoven/Kubiciel/Waßmer, NZWiSt 2016, 121 (122 ff.). 1062 Siehe Fn. 1059. 1057
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
tet wurde.1063 Zwar betrifft dies eine Strafbarkeit wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung nach schweizerischem Recht (Art. 158 des Schweizerischen Strafgesetzbuches). Aus der Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Untreue nach ausländischem Recht lassen sich jedoch zumindest Rückschlüsse auf eine Vereinbarkeit des Selbstbestimmungsrechts des DFB mit der Anwendbarkeit des § 266 StGB im deutschen Rechtsraum ziehen. (ee) Zwischenergebnis Das Strafrecht ist daher auch im sportlichen Bereich grundsätzlich uneingeschränkt anwendbar. Ausnahmen werden lediglich auf der Ebene der Einwilligung für diejenigen Straftatbestände (§§ 223 ff., 303 StGB) geschaffen, bei denen die tatbestandsmäßige Handlung gerade wesensmäßig für die (fahrlässige) Ausübung des betroffenen Bewegungskampfsportes ist. Die Einschränkung der Strafbarkeit im sportlichen Bereich hat daher nichts mit dem verfassungsrechtlich in Art. 9 Abs. 1 GG garantierten Selbstbestimmungsrecht der Vereine zu tun, sondern resultiert aus der Notwendigkeit einer praktikablen Lösung, um das Zusammenfallen von tatbestandsrelevanter Handlung und regelkonformer bzw. fahrlässig regelwidriger Sportausübung strafrechtlich bewerten zu können. Darüber hinaus betrifft die Privilegierung von Deliktshandlungen „im“ Sport im Gegensatz zu Handlungen „beim“ Sport allein die Rechtfertigungsebene (oder nach der Mindermeinung die Tatbestandsebene). Die Anwendbarkeit der Strafnormen als solche, welche die Prüfung des Tatbestandes erst eröffnet, wird auch in per se privilegierungsfähigen Fällen nicht infrage gestellt. (ff) Folgerungen für die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich Nichtsdestotrotz wird im kirchlichen Bereich nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft Limburg an der Lahn bereits die Anwendbarkeit des § 266 StGB abgelehnt. Anders als bei Sportverbänden findet nicht nur eine privilegierende Berücksichtigung der Besonderheiten der Kirche auf Rechtfertigungs- bzw. Tatbestandsebene statt, sondern § 266 StGB wird schlechthin von der Anwendbarkeit im kirchlichen Kontext ausgenommen. Da Religionsgemeinschaften und Sportverbände jeweils über ein Selbstbestimmungsrecht in eigenen Angelegenheiten und insbesondere eine eigene Strafgewalt verfügen, erscheint die unterschiedliche Handhabung fragwürdig. Bei der Kirche kommt anders als bei Sportverbänden auch keine Differenzierung zwischen deliktischen Handlungen „bei“ 1063 Schmid, Schweizer Justiz zur WM-Affäre: Ermittlungen gegen Beckenbauer wegen Geldwäsche und Untreue – SPIEGEL ONLINE (http://www.spiegel.de/sport/fuss ball/franz-beckenbauer-schweizer-justiz-ermittelt-in-der-wm-affaere-a-1110393.html) (geprüft am 01.04.2018).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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und „in“ der Religion in Betracht, da sich jede Straftat von vornherein als „wider“ die christliche Religion erweist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Eigenheit der Kirche nicht auch im Rahmen der Anwendung des § 266 StGB – in Abgrenzung zur hier zu erörternden Anwendbarkeit – Berücksichtigung finden und insoweit eine Privilegierung erfahren kann. Wie bereits dargetan, würde bei der Anwendung des Straftatbestands der Untreue die akzessorisch zu bestimmende interne Pflichtwidrigkeit allein anhand der Maßstäbe und Auslegungsgrundsätze der Kirche bestimmt, ohne dass es zu einer staatlichen Einmischung käme. Auf diese Weise wird der Selbstdefinitionsmacht der Kirche und der staatlichen Neutralitätspflicht ausreichend Rechnung getragen. Angesichts der (allein) strukturellen Identität von Kirche und Sportverbänden ist kein Sachgrund ersichtlich, über die gebotene Berücksichtigung der kirchlichen Auslegungsmaßstäbe im Rahmen der Pflichtwidrigkeit hinaus die Geltung des § 266 StGB im kirchlichen Bereich bereits per se abzulehnen, während diese Strafnorm im sportlichen Bereich ohne jegliche Einschränkung Anwendung findet. Das Beispiel der Sportverbände verdeutlicht vielmehr, dass ein verfassungsrechtlich abgesichertes Selbstbestimmungsrecht und eine hieraus resultierende eigene Strafgewalt allein die Exemtion von einer Strafbarkeit gem. § 266 StGB nicht zu rechtfertigen vermögen. Ein derartiges Selbstbestimmungsrecht kann allenfalls zu einem rechtsärmeren Raum, keinesfalls jedoch zu einem rechtsfreien Raum führen.1064 (f) Die fehlende Berührung von Individualinteressen als untauglicher Differenzierungsmaßstab Die dargestellten Vergleiche mit anderen Strafnormen und anderen Gesellschaftsgruppen haben nahe gelegt, den Straftatbestand der Untreue auch im Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zur Anwendung gelangen zu lassen. Die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich darf auch dann nicht infrage gestellt werden, wenn Individualrechte Dritter nicht in die Abwägung einbezogen werden können.1065 Für die Geltung des Straftatbestands der Untreue ist keine andere Beurteilung gerechtfertigt, wenn hinsichtlich des verletzten Rechtsguts nur ein rein kirchliches Schutzgut in Rede steht und keine außerhalb der Kirche stehenden Individualinteressen betroffen sind. Die Praxisrelevanz einer derartigen Konstellation ist äußerst gering, da das kirchliche Vermögen – wie oben aufgezeigt (s. S. 150 ff.) – überwiegend dem Außenbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zuzurechnen ist, in dem wesensmäßig außerhalb der Kirche stehende 1064 Vgl. zur Terminologie: Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, S. 751 (757). 1065 So aber Waldhoff, KuR 2014, 171 (186).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Interessen tangiert werden. Untreuehandlungen an Kirchensteuern, Staatsleistungen sowie staatlichen Subventionen unterfallen wegen deren unmittelbaren staatlichen Anbindung unstreitig dem § 266 StGB.1066 Bei Sammlungen bzw. Kollekten und privaten Spenden mit konkreter Zweckbestimmung sind neben den kirchlichen Belangen auch finanzielle Individualinteressen betroffen, welche nach der Ansicht von Waldhoff allein die Anwendbarkeit des § 266 StGB zu rechtfertigen vermögen.1067 Privatwirtschaftliche Einnahmen als weitere Finanzquelle der Kirche sind ohnehin im weltlichen Bereich anzusiedeln, so dass § 266 StGB hierauf unstreitig Anwendung findet. Nur das Kultusvermögen kann als rein „innerkirchlich“ aufgefasst werden. Werden Untreuehandlungen zulasten des Kultusvermögens der Kirche begangen, werden keine Belange von außerhalb der Kirche stehenden Personen tangiert. Dies wird von Waldhoff als Argument dafür herangezogen, die Behandlung solcher Fälle allein der Entscheidung der Kirche im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts zu überlassen und eine Strafverfolgung durch den Staat für ausgeschlossen zu erachten.1068 Die fehlende Berührung von Außeninteressen ist jedoch gerade wesensmäßig für den Untreuetatbestand, der den Verstoß gegen Binnenrecht sanktioniert. Der Gesetzgeber hat sich explizit dafür entschieden, interne Pflichtverletzungen, die zu einem Vermögensnachteil führen, zu einer Straftat zu erheben. Maßgeblich ist alleine, ob das Vermögen des Treugebers durch eine Pflichtverletzung „von innen heraus“ 1069 geschädigt wird. Werden neben dem Vermögensinhaber weitere Personen geschädigt, ist dies nach Maßgabe anderer Strafnormen zu beurteilen. Dem steht auch nicht entgegen, dass in einem solchen Fall im Rahmen der Abwägung „nur noch [kursiv nicht im Original] der staatliche Strafanspruch gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht für eine Anwendung des Strafrechts [streitet, während] Individualrechte Dritter [. . .] nicht mehr in die Abwägung einbezogen werden [können]“ 1070. Die staatliche Strafgewalt ist grundsätzlich indisponibel und vermag daher bereits eo ipso die Anwendbarkeit von Strafgesetzen in der gem. §§ 3 ff. StGB bestimmten Reichweite zu rechtfertigen. Auch für die Kirche wird kein strafrechtsfreier Raum geschaffen1071, da die Kirche nicht außerhalb des Staates steht, sondern Bestandteil der Gesellschaft im 1066
Ders., KuR 2014, 171 (186). Ders., KuR 2014, 171 (186). 1068 Ders., KuR 2014, 171 (186). 1069 BVerfGE 126, 170 (201); Schünemann, NStZ 2005, 473 (474); Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 1; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 2; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 3; Rönnau, ZStW 2010, 299 (302). 1070 Waldhoff, KuR 2014, 171 (186). 1071 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 32. 1067
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Staat ist.1072 Selbst von Anhängern der Bereichslehre, welche der Kirche einen größeren Freiheitsbereich einräumen, wird betont, dass „[d]ie Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts [. . .] keine Ausklammerung aus der staatlichen Rechtsordnung im Sinne rechtsfreier Räume [bedeute]“ 1073. Zudem beansprucht die Kirche – auch in Bezug auf das Strafrecht – nicht mehr, eine ,Societas perfecta‘ zu sein.1074 Bis zum zweiten Vatikanischen Konzil sollte mit diesem Begriff die Unabhängigkeit und strukturelle Verschiedenheit der Kirche gegenüber dem Staat sowie ihre Befugnis zu „staatsunabhängiger Gewalt im Bereich der Legislative, Exekutive und Judikative“ 1075 betont werden. Seit dem zweiten Vatikanischen Konzil versteht sich die Kirche überwiegend nicht mehr als vollkommene Gesellschaft, die in einem Gegensatz zum Staat steht, sondern als ,Societas sui generis‘, welche primär eine Glaubensgemeinschaft (,communio fidelium‘) darstellt und sich um das Wohl derselben Menschen sorgt wie der Staat – wenn auch mit jeweils unterschiedlichen Ansätzen.1076 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche durch die Zugrundelegung der kirchlichen Maßstäbe bei der Auslegung und Prüfung der innerkirchlichen Normen auf ein Mindestmaß reduziert wird. Verneint ein kirchliches Gericht beispielsweise rechtsirrig das Vorliegen einer entsprechenden Widmung, gegen die der Beschuldigte im Rahmen einer ihm zur Last gelegten Untreuehandlung verstoßen hätte, so ist das staatliche Gericht hieran in den Grenzen der Willkür ohne Nachprüfungsmöglichkeit gebunden. Wird somit das Selbstbestimmungsrecht der Kirche geringfügig tangiert, wohingegen sich die Strafgewalt des Staates grundsätzlich zur Vermeidung rechtsfreier Räume in allen Bereichen der Gesellschaft durchsetzen muss, so fällt auch bei fehlender Berührung von Individualinteressen Außenstehender die Abwägung zugunsten der Anwendbarkeit des § 266 StGB aus. (g) Die Innerkirchlichkeit als untaugliches Abwägungskriterium Das Abwägungsergebnis ändert sich auch bei der Betroffenheit des kirchlichen Innenbereichs nicht.1077 Zwar verbietet sich unter Zugrundelegung der Abwägungslehre die kategorische Unterscheidung zwischen dem Innen- und dem 1072
Waldhoff, KuR 2014, 171 (178). BVerfG, NJW 2009, 1195 (1195). 1074 Laubenthal, in: Fahl/Müller/Satzger u. a. (Hrsg.), Ein menschengerechtes Strafrecht als Lebensaufgabe, S. 481 (485). 1075 Schwarz, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 557 (557). 1076 Ders., in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 557 (559 f.). 1077 So auch Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 1; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 1.1. 1073
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Außenbereich. Innerkirchliche Belange werden aber insofern relevant, als diese ein erhöhtes Rechtfertigungsbedürfnis auslösen. Bei anderen Strafnormen spielt der Innenbereich für die Frage der Anwendbarkeit der konkreten Vorschrift keine Rolle. Anders als bei den Vermögensangelegenheiten, die überwiegend dem Außenbereich zuzurechnen sind, handelt es sich bei dem Sakrament der Taufe und der Durchführung eines Gottesdienstes unstreitig um Bestandteile des kirchlichen Innenbereichs. Nichtsdestotrotz können Straftaten während der Ausübung kultischer Handlungen vom Staat verfolgt werden. Warum sollte die fahrlässige Körperverletzung durch einen Priester während einer Taufe anders zu beurteilen sein als auf offener Straße?1078 Gleichermaßen verhält es sich mit einer beleidigenden Äußerung, die von einem Geistlichen während einer Predigt ausgesprochen wird.1079 Eine solche ist unstreitig gemäß §§ 185 ff. StGB strafbar.1080 Wenn somit andere staatliche Strafnormen sowohl im Innen- als auch im Außenbereich für anwendbar gehalten werden, sollten für den Fall des Straftatbestands der Untreue keine anderen Maßstäbe gelten, auch wenn der Untreuetatbestand durch die akzessorische Anknüpfung an innerkirchliche Normen und die Möglichkeit der Schädigung der Kirche insoweit eine Sonderstellung einnimmt. Die innerkirchlichen Belange bilden im Rahmen des § 266 StGB – anders als bei den oben beschriebenen Straftaten der Körperverletzung und der Beleidigung – nicht nur den Handlungshintergrund, sondern können in seltenen Fällen das Schädigungsobjekt (für den Fall von ,res sacrae‘) bzw. den Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der internen Pflichtwidrigkeit (für den Fall von innerkirchlichem Organisationsrecht) darstellen. Die Innerkirchlichkeit stellt jedoch auch im Bereich der Untreue keinen sachlichen Differenzierungsmaßstab dar und vermag nicht zur Unanwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich zu führen, zumal innerkirchliche Vermögensangelegenheiten nur eine Randgruppe (,res sacrae‘, innerkirchliches Vermögensverwaltungsrecht ohne Außenwirkung) bilden. Deutlich wird dies durch die Betrachtung der Funktion des staatlichen Strafens. Durch das Strafrecht sollen individuelle und kollektive Interessen geschützt werden, welche von der Rechtsgemeinschaft als besonders bedeutend angesehen werden.1081 Nach diesen Grundsätzen strafwürdige Verhaltensweisen werden in 1078 Vgl. Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 12; Ehlers, JuS 1989, 364 (369). 1079 Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 160; Germann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 140 Rn. 46. 1080 Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, S. 160. 1081 Pusch/Wastl, AfkKR 2014, 502 (516).
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engen Grenzen (Strafrecht als ,ultima ratio‘) durch die staatlichen Behörden geahndet. Die durch die Strafnorm definierte Gemeinschädlichkeit des eingetretenen Erfolges hängt nicht davon ab, ob die tatbestandsmäßige Handlung außerhalb oder innerhalb eines besonders geschützten kirchlichen Raumes begangen wird,1082 da die Kirche zwar vom Staat getrennt ist, jedoch nicht außerhalb der staatlichen Rechtsordnung steht. Sobald ein vermögensbetreuungspflichtiger Kirchenangehöriger eine interne Pflichtverletzung begeht, welche zu einem Vermögensnachteil der Kirche führt, wird dies auf der Grundlage des § 266 StGB als gemeinschädlich und strafwürdig empfunden. Der Straftatbestand der Untreue muss insbesondere auch deshalb im Innenbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts anwendbar sein, da andernfalls dessen Schutzfunktion gerade bei den erhöht schutzwürdigen innerkirchlichen Belangen ins Gegenteil verkehrt werden würde. Die spezifische Struktur des § 266 StGB bedingt die Erstreckung seines Anwendungsbereiches auf innerkirchliche Angelegenheiten. Bei der Normierung einer Untreuestrafbarkeit im Innenbereich geht es nicht um die Frage, ob sich der Staat unzulässig in innerkirchliche Angelegenheiten einmischt, sondern darum, ob der Innenbereich vom strafrechtlichen Vermögensschutz des § 266 StGB ausgenommen werden soll. Grundsätzlich bedarf die Anwendbarkeit des für alle geltenden Gesetzes i. S. v. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG im Innenbereich einer erhöhten Rechtfertigung. § 266 StGB nimmt aber deshalb eine Sonderstellung ein, da es nicht um staatliches Eindringen in innerkirchliche Vermögensangelegenheiten, sondern um den staatlichen Schutz und die Justiziabilität eben dieser Angelegenheiten geht. Eine unzulässige inhaltliche Bewertung von innerkirchlichen Fragen durch staatliche Gerichte wird durch die Bindung an kirchliche Gutachten und Entscheidungen bei der Normanwendung und -auslegung verhindert. Es wäre mit der besonderen Schutzwürdigkeit des Innenbereichs nicht zu vereinbaren, wenn dieser keinen strafrechtlichen Schutz genießen würde. Kircheninterne Organisationsvorschriften als Beispiel vermögensbezogener innerkirchlicher Belange erhalten durch die strafrechtliche Ahndung interner Pflichtverletzungen gerade die von der Kirche gewünschte Außenwirkung. Würde man dahingegen den (marginalen) vermögensbezogenen Innenbereich von der Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes ausschließen, würde der Schutz des kirchlichen Vermögens eine erhebliche Einschränkung erfahren. Dies muss umso mehr gelten, da sich im kirchlichen Bereich keine mit dem staatlichen Strafrecht vergleichbaren und adäquaten Sanktionsmöglichkeiten finden.1083 Insbesondere wurde im kanonischen Recht keine untreuespezifische Strafbarkeit normiert. Darüber hinaus würde es auch bei entsprechenden Normen an deren effektiven Umsetzung fehlen, da das staatliche Straf- und Gewaltmonopol alleine 1082 1083
Dies., AfkKR 2014, 502 (516). Dies., AfkKR 2014, 502 (517).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
dem Staat anvertraut ist.1084 Die besonders schützenswerten innerkirchlichen Angelegenheiten würden auf diese Weise ihres strafrechtlichen und anderweitigen Schutzes beraubt. Pusch und Wastl ist daher in folgender These zuzustimmen: „Soweit der Staat das Gewaltmonopol für sich in Anspruch nimmt, muss er davon auch im innerkirchlichen Bereich Gebrauch machen“ 1085. Das Strafmonopol des Staates verbietet eine Schaffung rechtsfreier Räume zugunsten der Kirche – auch und gerade im Innenbereich. Auf die innerkirchlichen Besonderheiten kann bei der Normanwendung in ausreichendem Maße Rücksicht genommen werden. Die Innerkirchlichkeit darf aber für die Frage der Anwendbarkeit von strafrechtlichen Normen kein Maßstab sein. (h) Die Entwicklung des Untreuetatbestandes zum Antragsdelikt Das gefundene Ergebnis wird bestätigt, wenn man sich die Konsequenzen und die Tragweite der Auffassung der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn vergegenwärtigt. Nach der Ansicht der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn ist der Untreuetatbestand gem. § 266 StGB bei einem „innerkirchlichen“ Sachverhalt wegen des verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG unanwendbar. Diese Auffassung vertritt „auch der Bischöfliche Stuhl als in Betracht kommender Geschädigter“.1086 Wenn man somit eine Anwendbarkeit des § 266 StGB gegen den Willen der Kirche mit dem Selbstbestimmungsrecht für unvereinbar hielte, würde dies dann nicht in der Konsequenz dazu führen, dass die Anwendbarkeit des § 266 StGB bei entsprechendem Strafverlangen durch die kirchlichen Gremien hergestellt werden könnte? Denn auch die Anerkennung der strafrechtlichen Verfolgung im kircheninternen Bereich nach Maßgabe des § 266 StGB wäre Ausdruck einer eigenständigen Entscheidung im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts. Das bewusste Aussprechen für die Geltung des § 266 StGB im Einzelfall würde keinen Verzicht, sondern vielmehr eine Form der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts durch die Kirche darstellen. Der durch § 266 StGB gewährte Vermögensschutz wäre dann nicht mehr „aufgedrängt“. Stellt man somit konsequent auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche ab, dürfte dieser die Heranziehung des § 266 StGB bei ausdrücklichem Strafverlangen nicht verwehrt werden. Damit wäre jedoch die Anwendbarkeit des § 266 StGB nach Maßgabe eines absoluten Antragsdelikts in das Belieben der Kirche gestellt. Dies würde zwangsläufig auch in anderen Bereichen (z. B. Sportverbände, Gesellschaften, Parteien, Geheimdienst) zu 1084
Dies., AfkKR 2014, 502 (517). Dies., AfkKR 2014, 502 (517). 1086 Herrchen, Presseinformation (https://www.bistumlimburg.de/fileadmin/redak tion/Portal/Meldungen/2014/Causa_TVE/Presseerklaerung_der_Staatsanwaltschaft.pdf), S. 2 (geprüft am 01.04.2018) 1085
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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einem Umdenken führen. Denn der Untreuetatbestand stellt gemäß seiner akzessorischen Deliktsstruktur eine „staatliche Einmischung“ in interne Angelegenheiten dar. Die Erwägung, dass der durch § 266 StGB gewährte Schutz für den Vermögensträger aufgedrängt sein kann und es daher sachgerechter wäre, jedem selbst die Entscheidung über die Strafverfolgung des Täters nach Maßgabe eines absoluten Antragsdelikts zu überlassen, ist in allen Lebensbereichen vorstellbar. So sind beispielsweise Fallgestaltungen bei Gesellschaften denkbar, bei denen die Vertreter der Gesellschaft die strafrechtliche Verfolgung des Vermögensbetreuungspflichtigen (insbesondere in Fällen von Personenidentität) verhindern1087 oder hierüber im konkreten Einzelfall selbst befinden möchten. Dennoch wird die Anwendbarkeit des § 266 StGB innerhalb von Gesellschaften nicht infrage gestellt. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirche durch die Inkorporation des Art. 137 Abs. 3 WRV in Art. 140 GG ein Gut von Verfassungsrang darstellt und hierin ein sachlicher Differenzierungsgrund zu sehen ist. Denn auch die unternehmerische Freiheit der Vertreter der Gesellschaften wird hinsichtlich ihrer materiellen Mittel in Art. 14 Abs. 1 GG und hinsichtlich der beruflichen Handlungsweisen in Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesichert. Eine Verneinung der Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich würde daher letztendlich einem Plädoyer für die generelle Entwicklung des § 266 StGB zu einem absoluten Antragsdelikt gleichkommen. Die Untreue ist grundsätzlich als Offizialdelikt ausgestaltet. Lediglich in Bagatellfällen handelt es sich gem. §§ 266 Abs. 2, 248 a StGB um ein relatives Antragsdelikt. Bei einer Untreue zulasten von Angehörigen, Betreuern, Vormunden oder einer Person, mit der der Täter in häuslicher Gemeinschaft lebt, liegt gem. §§ 266 Abs. 2, 247 StGB ein absolutes Antragsdelikt vor. In allen übrigen Fällen werden Untreuehandlungen ohne Rücksicht auf den Willen des Verletzten von Amts wegen verfolgt. In Italien sind die als Sondertatbestände ausgestalteten Untreuetatbestände demgegenüber absolute Antragsdelikte.1088 Gem. Art. 2634 Abs. 4 des Codice civile bedarf es eines Strafantrags des Verletzten. Ein fehlender Strafantrag kann nicht durch das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses ersetzt werden. Ein Verständnis hierfür mag man dahingehend aufbringen, dass die staatliche Verfolgung von strafrechtlicher Untreue aufgrund deren (limitierten) Akzessorietät stets mit dem Eindringen in interne Strukturen verbunden ist und daher auch außerhalb der Unternehmens- und Kirchenebene dem Willen des Verletzten widersprechen kann.
1087 1088
Einen Ausweg würde lediglich die actio pro socio darstellen. Rönnau, ZStW 2010, 299 (322); Foffani, ZStW 2010, 374 (374).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Nichtsdestotrotz entspricht die Ausgestaltung des § 266 StGB als Offizialdelikt dem Willen des deutschen Gesetzgebers. Aufgrund der erheblichen Bedeutung von Wirtschaftsunternehmen in der heutigen Zeit besteht ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Aufklärung von Wirtschaftsstraftaten,1089 das nicht durch die Voraussetzung eines Strafantrags unterlaufen werden darf. Anders als im familiären Kreis (vgl. §§ 266 Abs. 2, 247 StGB) verbietet sich eine interne „Erledigung“ von Untreuedelikten, da § 266 StGB auf diese Weise seine „wichtige Vermögenssicherungsfunktion in der Praxis weitgehend verlieren“ 1090 würde. Auch in Italien wird es als eine Minderung der Effizienz und „Leistungsfähigkeit der Strafvorschrift[en]“ 1091 angesehen, dass die Untreuetatbestände als absolute Antragsdelikte normiert sind. Erfahrungen bei anderen Delikten wie beispielsweise § 299 StGB, der vor dem ersten KorrBekG als absolutes Antragsdelikt ausgestaltet war, haben gezeigt, dass Unternehmen als Geschädigte oftmals keinen Strafantrag stellen, um Imageschäden sowie die Offenlegung von Betriebsinterna zu vermeiden.1092 Insbesondere in Gesellschaften, in denen die Entscheidungsträger gleichzeitig die Vertreter sind, würde es oft an einem Strafantrag fehlen. Dies zu verhindern, ist Sinn und Zweck der Ausgestaltung des § 266 StGB als Offizialdelikt. Der Wille des Vermögensinhabers bleibt dabei auch nicht gänzlich unberücksichtigt, da dessen Einverständnis bereits auf Tatbestandsebene den Missbrauch der Verpflichtungs- bzw. Verfügungsbefugnis (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB) bzw. die Pflichtverletzung (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) ausschließt.1093 Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Strafrecht gerade auf eine „Entprivatisierung des Konflikts zwischen Täter und Opfer gerichtet“ 1094 ist und daher im Grundsatz losgelöst von dem Willen des Verletzten sein muss, was gegen die Ausgestaltung des § 266 StGB als Antragsdelikt spricht. Ein Strafantragserfordernis wird vom Gesetzgeber in Fällen mangelnden öffentlichen Interesses insbesondere aus Effizienzgesichtspunkten in der Praxis festgelegt.1095 Gem. Nr. 6 Abs. 1 S. 1 RiStBV wird der Staatsanwalt wegen einer Straftat, die nur auf Antrag zu verfolgen ist, in der Regel erst tätig, wenn ein ordnungsgemäßer Strafantrag vorliegt. Die Ausgestaltung als Antragsdelikt dient daher mitunter auch der „Schonung der begrenzten Justizressourcen“ 1096 – ein Aspekt, der im Falle des Straftatbestands der Untreue unangebracht erscheint. 1089
Rönnau, ZStW 2010, 299 (322). Ders., ZStW 2010, 299 (322). 1091 Foffani, ZStW 2010, 374 (381); Foffani, in: Sieber/Dannecker/Kindhäuser u. a. (Hrsg.), Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, S. 767 (784). 1092 Rönnau, in: Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2008, S. 81. 1093 Heger, in: Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 20. 1094 Rostalski, RW 2015, 1 (21). 1095 Vgl. dies., RW 2015, 1 (21). 1096 Gertler, in: Graf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StPO, Nr. 6 RiStBV Rn. 1. 1090
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
223
Der Straftatbestand der Untreue hat eine erhebliche kriminalpolitische Bedeutung und ist zu einem „Zentraldelikt des modernen Wirtschaftsstrafrechts“ 1097 avanciert. Durch eine Reformierung des § 266 StGB in ein relatives oder gar absolutes Antragsdelikt würde die Verfolgung vieler großer Wirtschaftsstraftaten unterlaufen und die angesichts der Unbestimmtheit des Tatbestandes ohnehin schon gestellte Legitimationsfrage des Untreuetatbestandes drängender werden. Die Orientierung der Anwendbarkeit des § 266 StGB am Willen der Kirche würde daher einer Debatte zur Umstrukturierung des § 266 StGB in ein absolutes Antragsdelikt Vorschub leisten, wodurch § 266 StGB in vielen Fällen an praktischer Relevanz einbüßen würde. Letztlich würde dies zu einer generellen Infragestellung des Untreuetatbestandes führen, was angesichts dessen gesteigerter Bedeutung im Rahmen der Wirtschaftskriminalität nicht hinnehmbar ist. (i) Verhinderung einer generellen Infragestellung der Norm durch unberechtigte Ausnahmen Die Exemtion der Kirche aus dem Anwendungsbereich des § 266 StGB würde nicht nur der Entwicklung des § 266 StGB zu einem Antragsdelikt den Weg bereiten, sondern darüber hinaus die allgemeine Normgeltungsanerkennung in Zweifel ziehen. Rostalski ist darin zuzustimmen, dass durch die Schaffung einer sachwidrigen Ausnahme für die Kirche die gesellschaftliche Anerkennung gegenüber der Norm des § 266 StGB weiter schwinden würde.1098 Aus der Sicht des Einzelnen wäre nicht einzusehen, warum sein schädigender Verstoß gegen interne Pflichten eine Strafbarkeit auslösen würde, während ein vergleichbares Verhalten zulasten der Kirche ungestraft bliebe. Darüber hinaus würden auch andere Gesellschaftsgruppen wie Parteien und Sportverbände unter Verweis auf ihre interne Organisationsfreiheit die Nichtgeltung des § 266 StGB für sich reklamieren, da ihnen dies die Möglichkeit böte, staatliche Regulierungen innerhalb von privatautonom organisierten Rechtsverhältnissen zu verhindern. Die Selbstregulierung würde oftmals der Fremdregulierung vorgezogen. Durch die Schaffung von weiteren Ausnahmen würde § 266 StGB immer mehr ausgehöhlt und die Geltungskraft des § 266 StGB infrage gestellt werden.1099 Der Straftatbestand der Untreue erweist sich jedoch im Gesamtsystem des deutschen Strafrechts als unentbehrlich.1100 Aufgrund der Ahndung von „Ver-
1097 1098 1099 1100
Rn. 3.
Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 3. Rostalski, RW 2015, 1 (13). Dies., RW 2015, 1 (17). Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
mögensangriffe[n] von innen heraus“ 1101 unterscheidet sich § 266 StGB von allen weiteren Eigentums- und Vermögensdelikten und erfährt in seinem spezifischen Strafgrund der Verletzung einer übertragenen internen Machtstellung seine Legitimation.1102 Die typischerweise „von außen“ erfolgenden Tathandlungen des Betrugs bzw. der veruntreuenden Unterschlagung weisen einen gegenüber § 266 StGB wesensmäßig verschiedenen Strafgrund auf und sind daher nicht geeignet, die Strafbarkeit wegen Untreue zu ersetzen.1103 Zudem betrifft der Untreuetatbestand wegen seiner Anknüpfung an eine besondere Machtstellung oftmals höherrangige Entscheidungsträger in Großunternehmen. Es wäre nicht einzusehen, weshalb der „kleine Dieb“ weiterhin bestraft würde, während die „Großen und Mächtigen“ 1104 bei einem Verstoß gegen die ihnen auferlegten Vermögensbetreuungspflichten straflos ausgingen. In dieser Hinsicht streitet auch die „Systemgerechtigkeit“ 1105 des Strafrechts für eine Beibehaltung der Untreuestrafbarkeit.1106 Es gilt daher bereits, aller Anfänge zu wehren, wenn man die aufgrund der Weite des Tatbestands ohnehin schon geringer werdende Akzeptanz gegenüber § 266 StGB nicht untergraben möchte. Gesteht man der Kirche eine Ausnahme in Bezug auf die Geltung des Straftatbestands der Untreue zu, bestünde die Gefahr einer generellen Infragestellung der Legitimation des § 266 StGB. (j) Zwischenergebnis Aus den obigen Darstellungen wird deutlich, dass die Anwendbarkeit des Straftatbestands der Untreue auch im Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts der Kirche nicht verneint werden darf, da sich § 266 StGB nach einer Abwägungsentscheidung als taugliche Schrankennorm i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG erwiesen hat. Hierbei ist insbesondere hervorzuheben, dass § 266 StGB nur den Schutz des kirchlichen Vermögens bezweckt und der Kirche nicht etwa Vorschriften in Bezug auf die Handhabung ihres Vermögens 1101
Rönnau, ZStW 2007, 887 (891). Rönnau, ZStW 2007, 887 (891); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 3; Saliger, HRRS 2006, 10 (17). 1103 Saliger, HRRS 2006, 10 (17). 1104 Rönnau, ZStW 2007, 887 (891); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 3; Saliger, HRRS 2006, 10 (17). 1105 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 3. 1106 Vgl. Ransiek, ZStW 2004, 634 (636); vgl. Englisch, NJW 2005, 2974 (2974); Schünemann spricht davon, dass sich angesichts der zunehmenden Gerichtsentscheidungen wegen Untreue eine Tendenzwende vom Unterschichts- zum Oberschichtsstrafrecht feststellen lasse (Schünemann, NStZ 2006, 196 (196)); generell dazu: ders., in: Kühne/ Miyazawa (Hrsg.), Alte Strafrechtsstrukturen und neue gesellschaftliche Herausforderungen in Japan und Deutschland, S. 15 (S. 15 ff.). 1102
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
225
macht. Ein Eingriff konnte daher allein in Form eines aufgedrängten Schutzes festgestellt werden. Die Eingriffsintensität ist jedoch gering und verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da der besondere Schutz von Kirchen und Religionsgemeinschaften dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wie aus der Systematik des Strafgesetzbuches deutlich wird. Religiöse und kircheninterne Maßstäbe werden zudem bei der Auslegung und Subsumtion des § 266 StGB in den Grenzen der Willkür ungeprüft vorausgesetzt. Darüber hinaus legt die unstreitige Anwendbarkeit der §§ 242, 246, 263 StGB nahe, auch alle weiteren Straftatbestände im kirchlichen Bereich anzuwenden. Gleiches gilt für die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Strafnormen im Bereich anderer Gesellschaftsgruppen wie der Sportverbände, welche kraft ihrer Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG ebenfalls über ein verfassungsrechtlich geschütztes Selbstbestimmungsrecht und ein verbandsinternes Strafrecht verfügen. Auch wenn die Sportverbände nicht eine gleichermaßen hervorgehobene Stellung im Staat wie die Kirche innehaben, kann der Vergleich mit diesen jedenfalls als Indiz dafür herangezogen werden, dass eine interne Organisationsfreiheit und ein eigenes Sanktionensystem allein noch nicht die Exemtion von der Anwendbarkeit des § 266 StGB zu rechtfertigen vermögen. Etwas anderes darf auch nicht gelten, wenn ein innerkirchlicher Tatbestand in Rede steht. Innerkirchliches Kultusvermögen bedarf gerade eines besonderen – insbesondere strafrechtlichen – Schutzes und kann daher nicht als Argument für eine fehlende Anwendbarkeit des § 266 StGB herangezogen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob neben den Belangen der Kirche noch weitere Interessen von außerhalb der Kirche stehenden Personen betroffen sind. Zudem darf der Straftatbestand der Untreue nicht durch die Schaffung von sachwidrigen Ausnahmen ausgehöhlt oder zu einem Antragsdelikt fortentwickelt werden. Mit der Gewährung von Ausnahmen für die Kirche würde die allgemeine Normgeltungsanerkennung gegenüber § 266 StGB schwinden und die Frage nach der grundsätzlichen Legitimation des Straftatbestandes der Untreue aufgeworfen. Letztlich würde eine Verneinung der Anwendbarkeit der Untreue im (inner-) kirchlichen Bereich zur Schaffung von strafrechtsfreien Räumen zugunsten der Kirche und damit zur nicht gewollten Existenz eines Staates im Staat führen. Dies ist angesichts der Indisponibilität der staatlichen Strafgewalt nicht hinnehmbar. Dem Bundesverfassungsgericht ist daher darin zuzustimmen, dass „[d]ie Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts [. . . zwar] eine die gemeinschaftliche Freiheitsausübung respektierende Sonderstellung innerhalb der staatlichen Rechtsordnung [begründet]“ 1107, aber „keine Ausklammerung aus der staatlichen Rechtsordnung im Sinne rechtsfreier Räume [bedeutet]“ 1108.
1107 1108
BVerfG, NJW 2009, 1195 (1195). BVerfG, NJW 2009, 1195 (1195).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
b) Schranken-Schranken Da § 266 StGB eine zulässige Schrankennorm i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG darstellt, müsste im Rahmen der Schranken-Schranken anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung untersucht werden, ob auch in dem jeweiligen konkreten Einzelfall der von § 266 StGB betriebene Vermögensschutz nicht über Gebühr in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingreift. Dies erfordert eine Darstellung der spezifischen Sachverhaltskonstellation und variiert je nach Fallgestaltung. Eine allgemeingültige Erörterung der Schranken-Schranken ist daher an dieser Stelle nicht möglich. Auf die praktische Prüfung der Schranken-Schranken wird im Rahmen der Analyse der Causa Limburg einzugehen sein. 4. Die praktische Umsetzung des gefundenen Ergebnisses Soweit im konkreten Einzelfall kein Verstoß gegen die Schranken-Schranken festzustellen ist, ist der Eingriff in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB verfassungsrechtlich gerechtfertigt. In praktischer Hinsicht hat dies zur Konsequenz, dass der Aufnahme von Ermittlungen bzw. der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und dem anschließenden Zwischen- und Hauptverfahren vor Gericht kein Hindernis entgegensteht. Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus einem verfassungsrechtlich begründeten Befassungsverbot (a)). Die Entscheidungsbefugnis des staatlichen Strafgerichts zur Beurteilung einer Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Kontext muss vielmehr in jedem Einzelfall anhand der Schrankenregelung des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG beurteilt werden (b)). a) Kein verfassungsrechtlich begründetes Befassungsverbot Da der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, soweit die Schranken-Schranken im jeweiligen Einzelfall nicht überschritten werden, besteht nicht das von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn angenommene „verfassungsrechtlich begründete [. . .] Befassungsverbot“ 1109. Überdies erscheint die Rechtsfigur des verfassungsrechtlich begründeten Befassungsverbots bei einem Verstoß gegen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG dogmatisch zweifelhaft. Ein Befassungsverbot untersagt dem Gericht, „sachlich über den erhobenen Vorwurf zu befinden“ 1110, während ein Bestrafungsverbot lediglich die Bestra1109
Rostalski, RW 2015, 1 (2), Verfügung zu Az.: 5 Js 14546/13, S. 2. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, Einl. Rn. 143. 1110
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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fung des Täters verhindert, der Durchführung des Verfahrens gegen diesen jedoch nicht entgegensteht.1111 Beim Vorliegen eines Befassungsverbots muss das Verfahren zwingend eingestellt werden.1112 Ein Befassungsverbot wurde bei dem Fehlen folgender gerichtsbezogener, personenbezogener und sachbezogener Prozessvoraussetzungen bejaht: deutsche Gerichtsbarkeit, sachliche und örtliche Zuständigkeit, Strafmündigkeit, Leben des Beschuldigten, wirksame Anklage, wirksamer Eröffnungsbeschluss, keine entgegenstehende Rechtskraft, keine anderweitige Rechtshängigkeit, keine auslieferungsrechtlichen Beschränkungen (Spezialitätsgrundsatz).1113 Ein verfassungsrechtlich begründetes Befassungsverbot wurde bislang in der Dogmatik noch nicht entwickelt. Bei der Anerkennung weiterer Befassungsverbote muss Zurückhaltung geübt werden.1114 Im Rahmen der Bestrafungsverbote ist anerkannt, dass diese in engen Grenzen unmittelbar aus der Verfassung oder der EMRK abgeleitet werden können.1115 Diskutiert wird dies insbesondere1116 für die Fälle der Tatprovokation durch einen Lockspitzel sowie der überlangen Verfahrensdauer.1117 So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der unzulässigen Tatprovokation eines bislang Unverdächtigen den Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK bejaht und infolgedessen dem Beschwerdeführer eine Entschädigung für die gesamte Haftdauer zugebilligt.1118 Aus der Feststellung des EGMR, dass dem Beschwerdeführer „von Beginn an vollständig ein faires Verfahren entzogen war“ 1119, wird geschlussfolgert, dass der EGMR bei unzulässiger Tatprovokation ein Verfahrenshindernis wegen Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs annimmt.1120 Der BGH wendet demgegenüber die sog. Strafzumessungslösung an und gewährt bei unzulässiger Tatprovokation einen schuldunabhängigen Strafmilderungsgrund.1121 In einer neueren Entscheidung hat sich 1111
Ders., in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, Einl. Rn. 143. Ders., in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, Einl. Rn. 143a. 1113 Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, Einl. Rn. 143; Kudlich, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), Münchener Kommentar zur StPO, Einl. Rn. 361 ff. 1114 Vgl. Kudlich, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), Münchener Kommentar zur StPO, Einl. Rn. 359. 1115 Ders., in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), Münchener Kommentar zur StPO, Einl. Rn. 384. 1116 Für weitere Fallgruppen siehe Hillenkamp, NJW 1989, 2841 (2844 ff.); Weiler, GA 1994, 561 (569 ff.). 1117 Kudlich, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), Münchener Kommentar zur StPO, Einl. Rn. 384; Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, Einl. Rn. 143. 1118 EGMR, NStZ 1999, 47 ff. 1119 EGMR, NStZ 1999, 47 (48). 1120 Sommer, NStZ 1999, 49 (49); im Ergebnis Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/ Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, Einl. Rn. 148a; a. A. BGHSt 45, 321. 1121 BGHSt 45, 321; BGH, StV 2014, 321 (323 f.). 1112
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
der EGMR bei rechtswidriger Tatprovokation für ein Beweisverwertungsverbot ausgesprochen.1122 Weniger umstritten ist die Einordnung der Fälle überlanger Verfahrensdauer. Bei einem Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz kann „in ganz außergewöhnlichen Sonderfällen“ 1123 (im BGH-Fall: Verfahrensdauer von 13,5 Jahren) aus der Verletzung des Rechtsstaatsprinzips gem. Art. 20 Abs. 3 GG und des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden.1124 In den sonstigen Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung wendet der Bundesgerichtshof die Vollstreckungslösung an.1125 Bei leichten Fällen genügt die ausdrückliche Feststellung in den Urteilsgründen.1126 Angesichts der Möglichkeit, aus dem Verstoß gegen das Grundgesetz (und die EMRK) unmittelbar Bestrafungsverbote abzuleiten, erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, ein Befassungsverbot aus der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG zu entnehmen, sobald die Entscheidung im kirchlichen Kontext ergehen soll. Die Anerkennung eines Befassungsverbots durch unmittelbaren Rückgriff auf die Verfassung ist aber nur in äußerst engen Grenzen möglich. In einem solchen Fall stehen sich die jeweilige verfassungsrechtliche Gewährleistung und das Strafverfolgungsinteresse gegenüber. Nicht jeder Grundrechtsverstoß oder sonstige Verfassungsverstoß darf zu einem Befassungsverbot führen. Dies wird insbesondere aus § 136 a StPO ersichtlich, wonach selbst bei gravierenden Grundrechtsverstößen kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Beweisverwertungsverbot angenommen wird.1127 Die dargestellten Fallgruppen eines Verfahrenshindernisses wegen Verletzung des GG oder der EMRK machen zudem deutlich, dass ein solches nur in besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen wie beispielsweise einer überlangen Verfahrensdauer von 13,5 Jahren in Betracht kommt. Anders als bei einer (potentiellen) Verletzung des Selbstbestimmungsrechts weisen die genannten Fallgruppen der Tatprovokation und der Verletzung des Beschleunigungsgebots zudem eine Konnexität zum Verfahrensgang auf, indem der Prozess rechtsstaatswidrig verzögert bzw. der Grundsatz der Waffengleichheit verletzt und hierdurch die Verteidigung des Beschuldigten erschwert wird. Ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht durch die Anwendbarkeit einer Norm steht dahingegen in keinem derartigen prozessualen Kontext. Bei Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG geht es vielmehr um die materielle Frage, ob das Gebot staatlicher 1122 1123 1124 1125 1126 1127
EGMR, NJW 2015, 3631 (3635). BGHSt 46, 159. BGHSt 46, 159. BGHSt 52, 124. BGH, NJW 2010, 1155 (1156). BGH, StV 2014, 321 (323); Rieß, JR 1985, 45 (47).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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Neutralität in religiösen Fragen einer strafrechtlichen Entscheidung durch staatliche Gerichte im kirchlichen Kontext entgegensteht. Darüber hinaus muss ein Befassungsverbot aus Geboten der Bestimmtheit und der Gleichbehandlung an objektiv feststellbare Tatsachen anknüpfen und darf nicht das Ergebnis einer wertenden Betrachtung darstellen.1128 Selbst wenn man der Bereichslehre folgt, ist die Einordnung in den Innen- bzw. den Außenbereich wegen der unterschiedlichen Beurteilung der Auswirkung eines Sachverhalts auf den staatlichen Bereich mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Nach der hier vertretenen Abwägungslehre würde das Bestehen des Befassungsverbots von einer im Ermessen des Richters stehenden Abwägungsentscheidung abhängig gemacht werden. Durch die Anknüpfung an Wertungsergebnisse besteht die Gefahr, dass die Konturen der Rechtsfigur des Befassungsverbots verschwimmen.1129 Die Annahme eines verfassungsrechtlich begründeten Befassungsverbots muss daher ,ultima ratio‘ sein1130 und kann nur in „äußersten Extremfällen rechtsstaatswidrige[r] Rechtsverstöße irreparabler Art“ 1131 in Betracht kommen, so dass die „Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr hinnehmbar“ 1132 ist. Es darf keine andere gleich effektive Möglichkeit der Kompensation des Verfassungsverstoßes bestehen. Bei der Prüfung der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche ist dies jedoch ohne weiteres möglich. Es bedarf daher nicht des Rückgriffs auf die Figur des Befassungsverbots – ein solches wurde von der herrschenden Meinung auch noch nicht angedacht. Dasselbe Ergebnis wird vielmehr durch die konsequente Anwendung der Schrankenregelung in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG erreicht. Nicht nur die Normsetzung kann einen Eingriff in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG darstellen, sondern gleichermaßen die konkrete Anwendung und Umsetzung der Normgeltungsvoraussetzungen vor einem staatlichen Gericht. Die Rechtmäßigkeit des staatlichen Vorgehens ist dabei am Maßstab des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG zu untersuchen. Gegenstand der Untersuchung ist die wertende Frage, ob das staatliche Gericht im konkreten Anwendungsfall eine Prüfungs- bzw. Beurteilungsbefugnis besitzt.1133 1128 BGHSt 24, 239 (240); 32, 345 (351 f.); Seelmann, ZStW 1983, 797 (831); ablehnend unter Verweis auf die erforderlichen Wertungsfragen im Rahmen anderer Verfahrenshindernisse (z. B. Verhandlungsunfähigkeit): Weiler, GA 1994, 561 (579 ff.); Rieß, JR 1985, 45 (47); Küpper, JR 2000, 257 (258 f.). 1129 OLG München, NJW 2008, 3151 (3154); Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/ Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, Einl. Rn. 148. 1130 Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung, Einl. Rn. 148; Hillenkamp, NJW 1989, 2841 (2847). 1131 Rieß, JR 1985, 45 (48). 1132 Hillenkamp, NJW 1989, 2841 (2847). 1133 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 61; Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 127.
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Dies ist nicht im Rahmen der Zulässigkeit durch eine kategorische Verneinung bzw. Bejahung der Eröffnung des Rechtswegs zur staatlichen Gerichtsbarkeit zu prüfen, sondern als materielle Frage der Begründetheit.1134 Bei der Zulässigkeit genügt die Feststellung, dass es sich bei § 266 StGB um staatliches Recht handelt, weshalb im Grundsatz der Rechtsweg zu den staatlichen Strafgerichten eröffnet ist. Ob diese auch im konkreten Einzelfall trotz der Betroffenheit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zur Entscheidung befugt sind, ist dahingegen eine Frage der Begründetheit. Nur für den Fall der Bejahung der Entscheidungskompetenz des staatlichen Strafgerichts wird die weitere Prüfung in der Sache vorgenommen. Auf diese Weise wird auch ohne Annahme eines verfassungsrechtlich begründeten Befassungsverbots dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche ausreichend Rechnung getragen. Die Prüfung der Entscheidungskompetenz des staatlichen Gerichts soll nun anhand des Beispiels des § 266 StGB dargestellt werden. b) Konsequenzen für die Anwendung des § 266 StGB durch staatliche Gerichte Während es im vorhergehenden Kapitel C. III. 1.–3. darzulegen galt, dass der Staat zur Normierung einer Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Bereich befugt ist, steht vorliegend die Frage in Rede, ob die staatlichen Gerichte zur Entscheidung über eine Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Kontext befugt sind. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche ist nicht nur dann betroffen, wenn staatliche Instanzen anstelle der Kirche eine Strafbarkeit bei Verstößen gegen kircheninternes Recht vorsehen, sondern auch dann, wenn die Gerichte in Umsetzung der normierten Strafbarkeit hierüber Recht sprechen.1135 Auch wenn nicht die Kirche, sondern der Angeklagte durch das Strafverfahren unmittelbar betroffen wird, sind die staatlichen Gerichte aufgrund der Akzessorietät des Untreuetatbestandes dennoch vor kirchenrechtliche Fragen gestellt.1136 Das Problem der Entschei1134 BGHZ 154, 306 (313 ff.): „Ob und inwieweit eine innerkirchliche Angelegenheit der Kontrolle durch staatliche Gerichte unterfällt, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs.“; OVG Koblenz, NJW 2009, 1223 (1224); OVG NRW, DVBl. 2012, 1585 (1586); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 61; Weber, NJW 1989, 2217 (2220); Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 127, 132; Campenhausen/ Wall, Staatskirchenrecht, S. 319; Heckel, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens – Festschrift für Peter Lerche, S. 213 (222, 236); Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 174. 1135 Vgl. in allgemeiner Form: OVG Münster, NJW 1994, 3368 (3369). 1136 Vgl. Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 159, der die unmittelbare Beteiligung der Religionsgemeinschaft am Verfahren nicht als Voraussetzung für die Betroffenheit von deren Selbstbestimmungsrecht sieht.
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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dungsbefugnis staatlicher Gerichte in kirchlichen Angelegenheiten gehört zu einer der größten Streitfragen des Staatskirchenrechts.1137 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese bislang nur im Zivil- und im öffentlichen Recht (im engeren Sinne) diskutiert wurde, nicht jedoch im Strafrecht.1138 Das Strafrecht nimmt deshalb eine Sonderstellung ein, da es anders als im Zivilund dem sonstigen öffentlichen Recht nicht um die Ermöglichung der Rechtsdurchsetzung für den einzelnen Bürger geht, sondern um die Bestrafung des Letzteren durch den Staat. In Kapitel C. II. 3. wurde bereits ausführlich dargelegt, dass die Strafgewalt der Kirche die Zuständigkeit staatlicher Strafgerichte aufgrund des staatlichen Strafmonopols nicht zu verdrängen vermag, da „keine strafrechtsfreien Räume innerhalb der Kirche“ 1139 eröffnet werden dürfen. Mit der Darstellung in Kapitel C. II. 3. war somit automatisch eine Absage an eine exklusive Gerichtsbarkeit der Kirche in Strafsachen verbunden, soweit es sich hierbei um vom staatlichen und kirchlichen Recht geahndete Straftaten (res mixtae) handelt. Da von einer parallelen und nicht exklusiven Geltung der jeweiligen Strafgewalten auszugehen ist, stellt sich die Frage der Entscheidungsbefugnis staatlicher Gerichte auf dem Gebiet des Strafrechts nicht in der gleichen Intensität wie auf den Gebieten des Zivil- und des öffentlichen Rechts i. e. S. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass durch die Anwendbarkeit der jeweiligen Strafnorm nicht über Gebühr in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingegriffen wird. Ist dies der Fall, sind die staatlichen Gerichte auch zu deren Anwendung und Prüfung im Bereich der eigenen kirchlichen Angelegenheiten i. S. v. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG befugt. Die Frage nach der zulässigen Schrankennorm ist damit unweigerlich mit der Frage der Entscheidungskompetenz der staatlichen Gerichte verbunden. Die Zuständigkeit staatlicher Gerichte ist nur im Bereich des für alle geltenden Gesetzes eröffnet.1140 Nach der von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn herangezogenen Bereichslehre müsste die Entscheidungsbefugnis des staatlichen Strafgerichts bei der Betroffenheit des Innenbereichs kirchlicher Angelegenheiten von vornherein abgelehnt werden. Die Bereichslehre hat sich jedoch bereits bei der Bestimmung der Schranken i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG als nicht tragfähig erwiesen.
1137 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 113; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 50; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 209; Weber, NJW 2003, 2067 (2067). 1138 Deutlich wird dies beispielsweise bei Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 31, wo zwischen den verschiedenen Gerichtszweigen differenziert wird. 1139 Ders., in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 32. 1140 Weber, NJW 1989, 2217 (2219).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
Neben den oben dargestellten Argumenten (s. S. 156 ff.) ist die Bereichslehre für die Frage der Entscheidungskompetenz staatlicher Gerichte gerade im Strafrecht nicht haltbar, da nicht nur die allgemeine Justizgewährungspflicht1141 als „Kehrseite des staatlichen Gewaltmonopols“ 1142, sondern auch die Indisponibilität der staatlichen Strafgewalt eine Eröffnung der staatlichen Gerichtsbarkeit gebietet. Durch die Bereichslehre wäre der staatlichen Gerichtsbarkeit die Entscheidung vollumfänglich entzogen, während unter Zugrundelegung der Abwägungslehre lediglich das Maß der Justiziabilität aufgrund der gebotenen Rücksichtnahme auf das Selbstbestimmungsrecht beschränkt wird (s. S. 192 ff.). Darüber hinaus ist in dem von § 266 StGB betroffenen Vermögensbereich in der Regel der Außenbereich der eigenen Angelegenheiten der Kirche betroffen. Doch selbst im Außenbereich hält die Bereichslehre die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte nur unter drei alternativen einschränkenden Voraussetzungen für gegeben. So soll der staatliche Rechtsweg nur dann in Betracht kommen, wenn keine kirchliche Gerichtsbarkeit zur Verfügung steht oder diese unzureichend ist (= Subsidiarität der staatlichen Gerichtsbarkeit).1143 Trotz des parallelen Bestehens kirchlicher Gerichte könne die Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit nach der sog. Angebotstheorie ferner durch vertragliche Vereinbarungen oder koinzidente Vorschriften des kirchlichen und staatlichen Rechts (z. B. § 135 S. 2 BRRG) begründet werden.1144 Eine weitere Möglichkeit der Eröffnung der Kompetenz staatlicher Gerichte werde auf der Grundlage des Art. 19 Abs. 4 GG geschaffen, für den Fall, dass die Kirchen öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG ausüben.1145 Diese Einschränkungen der Entscheidungskompetenz der staatlichen Gerichtsbarkeit selbst im Außenbereich sind jedoch abzulehnen:1146 Die Subsidiarität der staatlichen Strafgerichtsbarkeit ist mit dem staatlichen Strafmonopol von vornherein unvereinbar. Im Bereich des § 266 StGB kommt mangels einer spezifischen kirchlichen Norm zur Bestrafung der Untreue ohnehin kein kirchliches Strafverfahren in Betracht. Das Erfordernis des Einverständnisses der Kirche nach Maßgabe der Angebotstheorie ist gleichermaßen abzulehnen, da es auf diese Weise in das Belieben der Kirche gestellt wäre, die staatliche Gerichtsbarkeit zuzulassen oder auszuschließen. Die Eröffnung der Entscheidungskompetenz staatlicher Gerichte nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 4 1141 Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 117; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140 Rn. 31. 1142 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 50; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 215. 1143 So noch BGHZ 34, 372 (374); BGHZ 154, 306 (312); Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 17. 1144 So noch BGHZ 46, 96 (101); BVerwGE 28, 345 (346 ff.); BVerwGE 30, 326 (327). 1145 BVerwGE 25, 226 (228 ff.); 28, 345 (346 ff.); 30, 326 (327); 117, 145 (147). 1146 So ausdrücklich jetzt BGH, NJW 2000, 1555 (1556).
III. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als Grenze der Strafgewalt
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GG geht von vornherein fehl, da hierdurch privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften außer Acht gelassen werden und auch die als öffentlich-rechtliche Körperschaft konstituierten Religionsgemeinschaften keine staatliche Gewalt ausüben.1147 Denn öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG meint staatliche vollziehende Gewalt.1148 Mit der Verleihung des Körperschaftsstatus war keine Integration der Kirchen in den Staat, sondern deren Erhebung in eine gegenüber den einfachen Vereinen privilegierte Position verbunden. Lediglich in den Fällen, in denen die Kirchen durch das Mittel der Beleihung im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung tätig werden, üben auch diese staatliche Gewalt aus. Werden die Kirchen nicht innerhalb der Reichweite ihres Selbstbestimmungsrechts, sondern im staatlichen Gebiet tätig, stellt sich die Frage nach der Entscheidungsbefugnis der staatlichen Gerichte von vornherein nicht. Darüber hinaus steht beim strafprozessualen Verfahren in einem kirchlichen Kontext kein staatlicher Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber der Kirche (Art. 19 Abs. 4 GG), sondern die Bestrafung des Einzelnen durch den Staat in Rede. Auf dem Gebiet des staatlichen Rechtswegs muss sich daher gleichermaßen die Abwägungslehre durchsetzen. Die Befugnis staatlicher Gerichte zur Entscheidung in kirchlichen Angelegenheiten bemisst sich nach dem einschlägigen materiellen Recht, welches sich im Rahmen einer Abwägung als zulässige Schranke des für alle geltenden Gesetzes i. S. v. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG erweisen muss.1149 Da die oben dargestellte Abwägung ergab, dass durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB nicht unverhältnismäßig in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingegriffen wird, handelt es sich hierbei um zulässiges staatliches Recht, welches den Entscheidungsmaßstab vor Gericht bilden kann und die Prüfungskompetenz staatlicher Gerichte eröffnet. Dem BGH ist darin zuzustimmen, dass „die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet“ 1150. Mit der Einordnung des § 266 StGB als taugliche Schrankennorm und damit als zulässiges staatliches Recht war somit gleicher1147 BVerfGE 18, 385 (385); Campenhausen/Unruh, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 WRV Rn. 118; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 216; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 19 Rn. 112. 1148 OVG Münster, NJW 1978, 905; Enders, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 19 Rn. 55; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 6 Rn. 216; a. A. Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, S. 85. 1149 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 15; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 73; Mager, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 140 Rn. 42; Korioth, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 137 WRV Rn. 51; Campenhausen/Wall, Staatskirchenrecht, S. 314; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 137 WRV Rn. 17. 1150 BGH, NJW 2000, 1555 (1556); aufgegriffen durch BVerwGE 116, 86 (88).
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C. Die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes im kirchlichen Bereich
maßen die Aussage verbunden, dass die staatlichen Gerichte zu dessen Prüfung befugt sind. 5. Ergebnis Die Ausführungen haben ergeben, dass § 266 StGB ein für alle geltendes Gesetz i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG darstellt, wenn auch im konkreten Einzelfall aus Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht über Gebühr in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingegriffen wird (sog. SchrankenSchranken). Da sich die Entscheidungskompetenz staatlicher Gerichte nach der Reichweite des für alle geltenden Gesetzes richtet, ist mit der Einordnung des § 266 StGB als zulässige Schrankennorm die Zuständigkeit der staatlichen Strafgerichtsbarkeit für die Sachprüfung gegeben. Die Bejahung der Anwendbarkeit des § 266 StGB und der Beurteilungsbefugnis der staatlichen Gerichte eröffnet den Zugang zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 StGB, was anhand der Vorgänge im Rahmen der Causa Limburg darzustellen sein wird.
IV. Folgerungen für die Causa Tebartz-van Elst Aus der vorgenommenen Abwägung können Folgerungen für die Causa Tebartz-van Elst gezogen werden. Die Staatsanwaltschaft Limburg an der Lahn geht von einer unrichtigen Grundannahme aus, indem sie den Sachverhalt pauschal unter die innerkirchlichen Angelegenheiten subsumiert. Nach der weitgehenden Abschaffung der Bereichslehre bedarf es innerhalb der eigenen Angelegenheiten keiner Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich mehr, da für jegliche eigenen Angelegenheiten die Schranke des für alle geltenden Gesetzes aus Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG Anwendung findet. Eine kategorische Einordnung in den Innen- oder Außenbereich ist mit letzter Klarheit weder möglich noch nötig, da im Rahmen der Abwägung (Abwägungslehre) jedem konkreten Einzelfall in allen Facetten Rechnung getragen werden kann. Eine Katalogisierung der eigenen Angelegenheiten in einen Innen- und Außenbereich bringt es mangels einer klaren Grenzziehung notwendigerweise mit sich, dass natürliche Lebenssachverhalte willkürlich zerrissen werden.1151 Selbst wenn man die Unterscheidung zwischen inner- und außerkirchlichem Verhalten aufrechterhalten möchte, um der Intensität der Betroffenheit des Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Abwägung ausreichend Rechnung tragen zu können, ist dies im Fall Tebartz-van Elst nicht in überzeugender Weise erfolgt. Überwiegend wird der Vermögensbereich pauschal dem Außenbereich unterstellt, jedenfalls müssen finanzielle Vorgänge in Form der Beauftragung außerhalb der Kirche stehender Architekten, Bauunternehmer, Handwerker etc. dem Außenbereich zugerechnet werden. Selbst wenn man auf das innerkirchliche Organisationsrecht als Bestand1151
Campenhausen, AöR 1987, 623 (634).
IV. Folgerungen für die Causa Tebartz-van Elst
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teil des kirchlichen Innenbereichs abstellt, hätte in einem weiteren Schritt eine Abwägung dahingehend erfolgen müssen, ob die kirchliche Vermögensverwaltung gegenüber dem durch § 266 StGB verfolgten Vermögensschutz überwiegt. Angesichts der Verstärkung des Schutzes der Kirche durch die strafrechtliche Ahndung, der Durchsetzung der Außenwirkung der betroffenen Vorschriften und der vollen Berücksichtigung der kirchlichen Eigenständigkeit bei der Normanwendung hätte spätestens auf der Ebene der Abwägung § 266 StGB als taugliche Schrankennorm anerkannt werden müssen. Dies muss umso mehr gelten, als es bereits eine Vielzahl von Entscheidungen des BGH und von Oberlandesund Landgerichten gibt, in welchen Mitarbeiter der Kirche wegen Untreue verurteilt wurden, ohne dass die Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich infrage gestellt wurde (s. S. 161 ff.).
D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich Nachdem soeben dargelegt wurde, dass der Straftatbestand der Untreue im kirchlichen Bereich Anwendung findet, bedarf es der Erörterung, unter welchen Voraussetzungen eine Strafbarkeit wegen Untreue in kirchlichen Angelegenheiten angenommen werden kann (I.). Die Wesensmerkmale der Untreuestrafbarkeit wurden bereits unter Abschnitt C. II. 4. a) (s. S. 100 ff.) erörtert. Daran soll im Folgenden angeknüpft und gleichzeitig eine Konkretisierung der Anforderungen an eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit vorgenommen werden. Nach der allgemeinen Erörterung der Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Bereich, wird in einem zweiten Schritt (II.) dargelegt werden, ob das Verhalten des Diözesanbischofs Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst und anderer Kirchenbediensteter in der Causa Limburg den Straftatbestand der Untreue erfüllen würde. Dabei soll auf keinen Fall der Eindruck einer Vorverurteilung des Diözesanbischofs oder anderer betroffener Personen erweckt werden, da dies mit der Unschuldsvermutung nicht zu vereinbaren wäre. Die Darstellungen beruhen auf den Feststellungen des Abschlussberichts der Prüfungskommission, welche im Falle eines staatlichen Strafverfahrens auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit1152 überprüft werden müssten. Darüber hinaus müsste der Verteidigung zwingend Gehör verschafft werden. Es handelt sich daher um eine theoretische Abhandlung auf der Grundlage des der Öffentlichkeit bekannten Abschlussberichts1153 und erhebt keinesfalls den Anspruch, den Ermittlungsanforderungen eines staatlichen Verfahrens zu entsprechen.
I. Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Bereich 1. Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis Zur Erfüllung des Missbrauchstatbestandes gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB muss dem Täter eine ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsge1152 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 10: „[D]as vorhandene Aktenmaterial [ist] lückenhaft und zum Teil nur beschränkt aussagekräftig“. 1153 Die beschriebene Vorgehensweise erfolgte so auch bei Rostalski, RW 2015, 1 (3 Rn. 3).
I. Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit
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schäft eingeräumte Befugnis zukommen, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. Im kirchlichen Bereich ergeben sich insoweit keine Besonderheiten. Die Verpflichtungs- bzw. Verfügungsbefugnis ist anhand des Codex Iuris Canonici, der geltenden kirchlichen Satzungen, der Statuten des betroffenen bischöflichen Stuhls oder nach Maßgabe einer rechtsgeschäftlich übertragenen Machtstellung zu beurteilen. 2. Befugnismissbrauch Ein Missbrauch der Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB liegt auch in kirchlichen Angelegenheiten nur dann vor, wenn der Täter extern wirksam, intern jedoch pflichtwidrig handelt. Zur Bestimmung des Überschreitens der Innenberechtigung werden die für das jeweilige Verhältnis zwischen Täter und Opfer kirchenintern geltenden Bestimmungen relevant. Die staatlichen Gerichte sind bei der Subsumtion des Befugnismissbrauchs an die Entscheidungen kirchlicher Gerichte bzw. anderer zuständiger Gremien gebunden (s. S. 192 ff.). Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, ob die kircheninterne Unwirksamkeit auch Außenwirkung hat, so dass ein mit einem Dritten abgeschlossenes Rechtsgeschäft keine Rechtsgültigkeit erlangen kann. In einem solchen Fall ist der Missbrauchstatbestand von vornherein ausgeschlossen und es bedarf des Rückgriffs auf den Treuebruchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB. 3. Vermögensbetreuungspflicht In beiden Untreuetatbeständen muss dem Täter eine Vermögensbetreuungspflicht zukommen, die ihn befähigt, mit einem ausreichenden Grad an Selbstständigkeit, Bewegungsfreiheit und Verantwortlichkeit in fremden kirchlichen Vermögensangelegenheiten zu agieren. Für den Fall einer Untreue zulasten des kirchlichen Vermögens wird die Vermögensbetreuungspflicht kirchenintern begründet. 4. Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (= Pflichtwidrigkeit) Die für beide Untreuetatbestände erforderliche Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht ist anhand des internen Verhältnisses zwischen Untreuetäter und Vermögensinhaber zu beurteilen, wobei die staatlichen Gerichte auch insoweit an kirchenintern verbindliche Entscheidungen gebunden sind. Für den Fall des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB muss die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gerade durch den Missbrauch der eingeräumten Befugnis erfolgen. Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht zeichnet sich durch den Verstoß gegen kircheninterne Pflichten aus (a)). Aufgrund des ultima-ratio-Gedankens des Strafrechts kann nicht jede Verletzung kirchlicher Regelungen eine
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
Strafbarkeit nach sich ziehen. Zur Begründung von strafwürdiger Untreuerelevanz bedarf es daher einer strafrechtsautonomen Auslegung (b)), die ein spezifisches Verhältnis zwischen Pflichtverletzung und Vermögensbetreuungspflicht sowie zwischen Pflichtverletzung und dem von § 266 StGB geschützten Rechtsgut des Vermögens erfordert (b) aa)). Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Pflichtwidrigkeit auf „gravierende“ Pflichtverletzungen tatbestandlich zu reduzieren ist (b) bb)). a) Verstoß gegen interne Pflichten Sowohl der Missbrauchs- als auch der Treuebruchstatbestand setzen die Verletzung der dem Täter obliegenden Vermögensbetreuungspflicht voraus. Inhalt und Maßstab der relevanten internen Pflichten sind der Treueabrede zu entnehmen, welche sich ihrerseits aus dem zwischen Täter und Vermögensinhaber bestehenden Rechtsverhältnis ergibt.1154 Es erfolgt daher im Grundsatz eine akzessorische Anbindung an die außerstrafrechtlichen Verhaltensregeln der gesamten Rechtsordnung.1155 Die Rechtsnatur des betroffenen Rechtsverhältnisses ist dabei irrelevant. Die Untreue erweist sich im Ausgangspunkt als akzessorisch „zu allen anderen Rechtsgebieten“ 1156, unabhängig davon, ob die Vermögensbetreuungspflicht zivil- bzw. öffentlich-rechtlich 1157 begründet ist oder wie im Falle von originären Kirchennormen (z. B. Codex Iuris Canonici) eine Rechtsnatur ,sui generis‘ aufweist. Die außerstrafrechtlichen Verhaltensregeln können sich aus individuellen Vorgaben des Vermögensinhabers, aus konkreten gesetzlichen Bestimmungen sowie aus allgemeinen gesetzlichen Sorgfaltsmaßstäben ergeben, soweit diese dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 103 Abs. 2 GG genügen.1158 Als Beispiel für die Normierung konkreter Verhaltensregeln im kanonischen Recht sei c. 1284 § 1 CIC/1983 genannt, welcher jedem Verwalter von kirchlichem Vermögen die erhöhte Sorgfaltspflicht eines guten Hausvaters („diligentia boni patrisfamilias“) auferlegt und diese durch Regelbeispiele in c. 1284 § 2 CIC/1983 konkretisiert. Bei dem Begriff des bonus pater familias handelt es sich um einen juristischen Terminus technicus und nicht lediglich um eine kirchliche Amtsbe1154
BGHSt 55, 288 (300). Vgl. BGHSt 47, 187; 47, 295 (297); 49, 147 (155); 50, 331 (335); 55, 288 (300); BVerfG, NJW 2010, 3209 (3213); Ransiek, ZStW 2004, 634 (644); Rönnau, ZStW 2007, 887 (906); Saliger, HRRS 2006, 10 (14); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 18; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SKStGB, § 266 Rn. 47; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 173; Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 58. 1156 Saliger, HRRS 2006, 10 (14). 1157 Als Beispiel hierfür sei die Haushaltsuntreue genannt, vgl. BGH, NStZ 2011, 520 (521); BGHSt 55, 288 (300); Rönnau, ZStW 2007, 887 (906); Saliger, in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33. 1158 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33. 1155
I. Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit
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schreibung.1159 C. 1284 CIC/1983 ist vergleichbar mit den gesetzlich normierten Sorgfaltspflichten eines „ordentlichen Geschäftsmannes“ aus § 43 Abs. 1 GmbHG und eines „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.1160 Anders als in den §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 1 S. 2 AktG werden die Sorgfaltsanforderungen des bonus pater familias jedoch in gesetzlich konkretisierten Fallgruppen spezifiziert, wodurch dem nach staatlichem Recht geltenden Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG Genüge getan wird. Can. 1284 § 1. Alle Verwalter sind gehalten, ihr Amt mit der Sorgfalt eines guten Hausvaters zu erfüllen. § 2. Deshalb müssen sie: 1 ë darüber wachen, dass das ihrer Sorge anvertraute Vermögen auf keine Weise verloren geht oder Schaden leidet; zu diesem Zweck müssen sie, soweit erforderlich, Versicherungsverträge abschließen; 2 ë dafür sorgen, dass das Eigentum an dem Kirchenvermögen auf nach weltlichem Recht gültige Weise gesichert wird; 3 ë die Vorschriften sowohl des kanonischen als auch des weltlichen Rechts sowie alle Bestimmungen beachten, die von dem Stifter, dem Spender oder der rechtmäßigen Autorität getroffen worden sind, besonders aber verhüten, dass durch Nichtbeachtung der weltlichen Gesetze der Kirche Schaden entsteht; 4 ë Vermögenseinkünfte und Erträgnisse genau und zur rechten Zeit einfordern und sie sicher verwahren und nach dem Willen des Stifters oder nach den rechtmäßigen Bestimmungen verwenden; 5 ë die Zinsen aufgrund von Darlehen oder Hypotheken in der festgesetzten Zeit begleichen und dafür sorgen, dass das aufgenommene Kapital in geeigneter Weise getilgt wird; 6 ë das Geld, das nach Bestreitung der Ausgaben übrig bleibt und nutzbringend angelegt werden kann, mit Zustimmung des Ordinarius für Zwecke der juristischen Person anlegen; 7 ë die Einnahmen- und Ausgabenbücher wohlgeordnet führen; 8 ë am Ende jeden Jahres über die Verwaltung Rechenschaft ablegen; 9 ë Dokumente und Belege, auf die sich vermögensrechtliche Ansprüche der Kirche oder des Institutes gründen, gebührend ordnen und in einem entsprechenden und geeigneten Archiv aufbewahren, authentische Kopien derselben aber, soweit sich das leicht durchführen lässt, im Archiv der Kurie hinterlegen. § 3. Die jährliche Erstellung von Haushaltsplänen über die Einnahmen und Ausgaben durch die Verwalter wird dringend empfohlen; dem Partikularrecht aber bleibt es überlassen, diese anzuordnen und Art und Weise der Aufstellung genauer zu bestimmen. 1159 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1284 Rn. 2; Pusch/Wastl, AfkKR 2014, 502 (524). 1160 Pusch/Wastl, AfkKR 2014, 502 (524).
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
Der Verstoß auf der Primärrechtsebene ist jedoch lediglich notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung zur Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB.1161 Zwar scheidet eine Pflichtwidrigkeit von vornherein aus, wenn das betreffende Handeln nach Maßgabe des geltenden (hier: Kirchen-) Rechts zulässig oder auch nur vertretbar ist, da andernfalls ein Widerspruch zum Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung entstünde.1162 Umgekehrt führt nicht jede Primärrechtswidrigkeit zu einer strafwürdigen Pflichtwidrigkeit. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Rechtsverletzung im Innenverhältnis unter Berücksichtigung des Wesens des Strafrechts als ,ultima ratio‘1163 die erforderliche Untreuerelevanz aufweist, was anhand einer strafrechtsautonomen Auslegung des § 266 Abs. 1 StGB zu bestimmen ist.1164 Aufgrund dieser Einschränkung ist die Akzessorietät als „asymmetrisch“ 1165 oder „limitiert“ 1166 zu bezeichnen. b) Asymmetrische/limitierte Akzessorietät Unter Zugrundelegung einer strafrechtsautonomen Prüfung muss der verletzten Verhaltensregel innerhalb des grundsätzlich durch die Vermögensbetreuungspflicht gekennzeichneten Verhältnisses zwischen Untreuetäter und Vermögensinhaber strafrechtliche Untreuerelevanz zukommen.1167 1161 BVerfGE 126, 170 (204); Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 35; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 54; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33. 1162 BGHSt 55, 288 (300); Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 173 f.; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33; Saliger, HRRS 2006, 10 (14); Kraatz, ZStW 2011, 447 (449); Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 93; Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 94 allerdings als Ausgangspunkt für die von ihm vertretene sektorale Zivilrechtsakzessorietät; Dierlamm, StraFo 2005, 397 (398). 1163 Vgl. Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 93 f.; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 47. 1164 Kubiciel, NStZ 2005, 353 (357); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 35. 1165 Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 174; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 33; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 35; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 47; Lüderssen, in: Dölling (Hrsg.), Jus humanum, S. 727 (729); Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 56; a. A. Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 94; ders., Organuntreue, S. 25, der unter Hervorhebung einer strafrechtseigenen Interpretation des § 266 StGB lediglich eine sektorale Zivilrechtsakzessorietät vertritt. 1166 Kraatz, ZStW 2011, 447 (447, 449). 1167 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 46; Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 135 f.; Dierlamm, in: Joecks/ Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 170.
I. Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit
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Nach dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich bei dem Kriterium der Pflichtwidrigkeit um ein „komplexes normatives Tatbestandsmerkmal“ 1168, welches unter Zugrundelegung der Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 103 Abs. 2 GG so ausgelegt werden muss, dass „die Anwendung des Untreuetatbestands auf Fälle klarer und deutlicher (evidenter) Fälle pflichtwidrigen Handelns [beschränkt ist], Wertungswidersprüche zur Ausgestaltung spezifischer Sanktionsregelungen [vermieden werden] und de[r] Charakter des Untreuetatbestands als eines Vermögensdelikts [bewahrt wird]“ 1169. aa) Bestimmung des Inhalts einer untreuerelevanten Pflicht Nicht jede Pflichtverletzung eines Vermögensbetreuungspflichtigen kann als Verletzung eben dieser Vermögensbetreuungspflicht angesehen werden.1170 Aus diesem Grund weist nicht jede interne Rechtswidrigkeit Untreuerelevanz auf. Es ist allgemein anerkannt, „dass Beziehungen, die sich insgesamt als Treueverhältnis i. S. des § 266 Abs. 1 StGB darstellen, Verpflichtungen enthalten können, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt ist“ 1171. (1) Innerer Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensbetreuungspflicht Der Strafgrund der Untreue setzt voraus, dass die Schädigung des Vermögens gerade aus der dem Täter zukommenden herausgehobenen inneren Machtstellung erfolgt, weshalb ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Vermögensbetreuungspflicht zu fordern ist.1172 Fraglich ist, wie dieser Zusammenhang ausgestaltet sein muss. Ein bloß „inklusiver Zusammenhang“ 1173, nach dem die Vermögensschädigung oder die Pflichtverletzung „gerade innerhalb des durch das Treueverhältnis begründeten Pflichtenkreises lieg[t]“ 1174, ist als Restriktionskriterium nicht ausreichend, da hiermit nichts anderes beschrieben wird, als dass die Pflichtwidrigkeit die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht erfordert.1175 Die Pflichtverletzung kann nicht weiter gehen als der Umfang der Pflicht selbst.1176 1168
BVerfGE 126, 170 (204). BVerfGE 126, 170 (210); vgl. auch BGHSt 55, 288 (300). 1170 Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 31. 1171 BGHSt 47, 295 (297). 1172 Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 32. 1173 Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 65. 1174 OLG Hamm, NJW 1973, 1809 (1911); vgl. auch BGHSt 47, 295 (297); Heger, in: Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 15; Kindhäuser, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 62. 1175 Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 135. 1169
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
Vielmehr ist darüber hinaus ein innerer Zusammenhang zwischen Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung erforderlich1177, was anhand des „Inhalt[s] und Umfang[s] der Treueabrede [zu bestimmen ist], wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen1178 und deren Auslegung nach Treu und Glauben ergibt“ 1179. Der innere Zusammenhang ist gegeben, wenn die für die Vermögensbetreuungspflicht konstituierenden Voraussetzungen auch für die außerstrafrechtliche Pflichtverletzung vorliegen, d.h. wenn die Pflichtverletzung eine Hauptpflicht betrifft, im Rahmen einer fremdnützigen Geschäftsbesorgung erfolgt, die Vermögensinteressen des Treugebers tangiert und auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Treupflichtigen basiert.1180 Auf diese Weise können „einfache schuldrechtliche Verpflichtungen“ 1181 wie beispielsweise Herausgabeund Erstattungspflichten1182 sowie das allgemeine Schädigungsverbot1183 als Pflichtverletzung ausgeschieden werden. Zum Teil wird sogar ein funktionaler Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensbetreuungspflicht dergestalt gefordert, dass „sich die konkrete Pflichtverletzung als signifikante Ausübung der eigenverantwortlichen inneren Machtposition des Treunehmers erweis[t] bzw. wesentlich von ihr mitgeprägt“ 1184 sei. Maßgebend komme es darauf an, dass der Täter die Pflicht „nicht nur bei Gelegenheit der Vermögensbetreuung, [. . .] [sondern] als Vermögensbetreuer verletz[e]“ 1185. Diese Ansicht setzt auf einer zweiten Stufe an. Erst wenn feststeht, welchen Inhalt eine untreuerelevante interne Verhaltenspflicht aufweisen muss, kann in einem zweiten Schritt geklärt werden, ob der Vermögensbetreuungspflichtige diese Pflicht gerade in seiner Eigenschaft als Vermögens1176 Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 33; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 185. 1177 BGH, NJW 1992, 250 (251); Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 185; Seier, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Teil Kap. 2, Rn. 163; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 35a. 1178 Liegt der Treuebruchstatbestand durch faktisches Handeln vor, kommt es nicht auf ein Vertragsverhältnis, sondern allein auf die zwischen Untreuetäter und Vermögensinhaber bestehende Treueabrede an. 1179 BGH, NJW 1991, 1069 (1069). 1180 Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 70. 1181 BGHSt 28, 20 (23); BGH, NJW 1988, 2483 (2485). 1182 Vgl. BGH, NJW 2002, 2801 (2802) Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 70. 1183 Ders., in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 69. 1184 LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275 (3281); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 46; vgl. Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 35 f. 1185 Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 36; vgl. Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 46; Burkhardt, NJW 1973, 2190 (2190).
I. Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit
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betreuer verletzt hat.1186 Der funktionale Zusammenhang betrifft die Art und Weise, nicht den hier behandelten Inhalt der Pflichtverletzung. (2) Untreuespezifischer Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Rechtsgut Um zum Kreis der Vermögensbetreuungspflichten zu zählen, muss die verletzte Verhaltensregel zudem einen Bezug zu dem von § 266 StGB geschützten Vermögen aufweisen. Durch diese tatbestandliche Restriktion soll verhindert werden, dass aufgrund der akzessorischen Anknüpfung des Untreuestraftatbestandes an außerstrafrechtliche Verhaltensregeln Schutzzwecke in die Untreue Eingang finden, welche nicht dem Schutz des Vermögens dienen.1187 Maßgebliches Kriterium einer untreuerelevanten Pflichtwidrigkeit stellt daher das Erfordernis eines zumindest mittelbar vermögensschützenden Charakters der betroffenen Pflicht dar.1188 Der Schutzzweck des § 266 StGB zielt auf die Gewährleistung des Vermögens des Treugebers. Eine verletzte Pflicht kann daher nur dann einen ausreichenden inneren Zusammenhang zur Vermögensbetreuungspflicht aufweisen, wenn diese ihrerseits über einen untreuespezifischen Zusammenhang1189 zu dem von § 266 Abs. 1 StGB geschützten Rechtsgut des Vermögens verfügt. Bei der verletzten Verhaltensregel muss es sich daher um eine zumindest mittelbar vermögensschützende Pflicht handeln. Auf diese Weise wird der Forderung des Bundesverfassungsgerichts entsprochen, bei der Auslegung des § 266 StGB den Charakter des Untreuetatbestands als eines Vermögensdelikts zu wahren.1190 Für die Bestimmung des mittelbar vermögensschützenden Charakters einer Norm kommt es nicht darauf an, dass durch den Gesetzesverstoß Schadensersatzansprüche1191 oder spezifische, sich zumindest mittelbar auf das Vermögen auswirkende Sanktionen ausgelöst werden.1192 Die Ermittlung des Fremdvermögensbezugs der außerstrafrechtlichen Verhaltensregel erfordert vielmehr eine eingehende Auslegung des Normzwecks.1193 1186 So auch Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 139. 1187 Saliger, NJW 2010, 3195 (3197); Rönnau, StV 2009, 246 (247). 1188 BGHSt 55, 288 (301) – Siemens AUB; 56, 203 (211) – Parteispenden-Fall; BGH, wistra 2011, 424 (425); Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 40a; Wittig, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar StGB, § 266 Rn. 35 b; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 51; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 35; Ransiek, ZStW 2004, 634 (672); a. A. BGH, NStZ 2013, 165 (166) – Telekom-Spitzelaffäre. 1189 BGHSt 55, 288 (300 f.) – Siemens AUB. 1190 Vgl. BVerfGE 126, 170 (210). 1191 BGHSt 55, 288 (301). 1192 BGHSt 56, 203 (211); noch offen gelassen von BGHSt 55, 288 (301). 1193 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 37.
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Ein unmittelbarer Fremdvermögensbezug1194 ist demgegenüber nicht erforderlich, da andernfalls die Reichweite des Untreuetatbestandes über Gebühr eingeschränkt werden würde. Weist man nur den Vorschriften Untreuerelevanz zu, die „gerade dem Vermögensschutz des Geschädigten“ 1195 dienen und „genuin zum Zwecke der Schadensverhinderung aufgestellt“ 1196 sind, bleiben diejenigen Bestimmungen außer Betracht, die vordergründig Ziele verfolgen, die dem jeweils betroffenen gesellschaftlichen Lebensbereich entstammen (z. B. die anerkannten Regeln des Sports) und lediglich sekundär Vermögenszwecken zu dienen bestimmt sind. Im kanonischen Recht besteht z. B. gem. c. 1190 § 1 CIC/1983 das Verbot, heilige Reliquien zu verkaufen. Der Normzweck des Veräußerungsverbots besteht primär in dem Erhalt des hohen geistlichen Werts der Reliquien für die Gläubigen.1197 Dass der Kirche durch die Veräußerung der heiligen Objekte auch ein erheblicher monetärer Wert entzogen werden würde, wird vom Schutzzweck der Norm nur mittelbar erfasst. Nach der engeren Auffassung, die einen unmittelbar vermögensschützenden Charakter der Verhaltensregel voraussetzt, wäre daher eine strafbare Untreue bei einem Verstoß gegen c. 1190 § 1 CIC/1983 nicht vorstellbar. Eine derartige Konsequenz wäre freilich hinzunehmen, wenn sie dem gesetzgeberischen Willen entspräche. Denn aus einem unbefriedigenden Ergebnis darf nicht zirkulär auf einen falschen Ausgangspunkt geschlossen werden. Durch das Erfordernis eines unmittelbaren Fremdvermögensbezugs würde jedoch der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Wahrung des Charakters des Untreuetatbestands als eines Vermögensdelikts nicht hinreichend nachgekommen werden, da Strafbarkeitslücken vermehrt aufträten und so der von § 266 StGB verfolgte Schutz des Vermögens verkürzt würde.1198 Das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG wird dadurch auch nicht überschritten, da der Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB allgemein auf die Verletzung der Vermögensinteressen des Treugebers abstellt, ohne einen unmittelbaren Bezug zu dessen Vermögen vorauszusetzen. Die Vermögensinteressen werden bereits bei einer bloß mittelbar vermögensbezogenen Pflichtverletzung tangiert. Die Restriktion auf mittelbar vermögensschützende Normen ist zudem ausreichend, um zu verhindern, dass § 266 StGB zu einer „Superverbotsnorm“ 1199 avanciert, bei der 1194 So aber Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 170; Kubiciel, NStZ 2005, 353 (360), der auf einen konkreten Zusammenhang zum Vermögensschutz verweist; Günther, in: Heinrich/Hilgendorf/Mitsch u. a. (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Weber, S. 311 (316). 1195 Corsten, HRRS 2011, 247 (249). 1196 Ders., HRRS 2011, 247 (249). 1197 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1292 Rn. 12. 1198 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 36. 1199 Ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 36.
I. Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen der Untreuestrafbarkeit
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jeder Legalitätsverstoß auf die Ebene einer strafwürdigen Pflichtwidrigkeit gehoben werden würde. bb) Intensität der Pflichtverletzung Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts wird zum Teil abgeleitet, dass für die Annahme einer untreuerelevanten Pflichtwidrigkeit eine gravierende Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht erforderlich ist. Erstmals wurde dies vom 1. Strafsenat des BGH in seinen Urteilen vom 06.04.2000 und 15.11.2001 (BGHSt 46, 30–36; 47, 148–156) zur Untreue durch die Vergabe von riskanten Krediten bekräftigt. Insbesondere in dem zweiten Urteil (BGHSt 47, 148–156), in welchem die Rechtsprechung aus BGHSt 46, 30–36 fortgeführt wurde, machte der BGH deutlich, dass „[f]ür die Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB [. . .] maßgebend ist, ob die Entscheidungsträger bei der Kreditvergabe ihre bankübliche Informations- und Prüfungspflicht bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers gravierend [kursiv nicht im Original] verletzt haben“. Auch in seinem Urteil „SSV Reutlingen“ vom 06.12.2001 (BGHSt 47, 187– 202) zur Untreue bei der Vergabe von Spenden durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft griff der 1. Strafsenat des BGH das Kriterium der gravierenden Pflichtverletzung auf. Der BGH betonte den weiten Handlungsspielraum des Vorstands einer Aktiengesellschaft auf der Grundlage der Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und legte dar, dass „für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit i. S. des Untreuetatbestandes des § 266 StGB nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung [genüge]; diese muss vielmehr gravierend sein“. Der 1. Strafsenat des BGH knüpfte an seine Rechtsprechung in der KinoweltEntscheidung vom 22.11.2005 (BGH, NJW 2006, 453–456) an, welche Untreuehandlungen durch ungesicherte Geldtransfers innerhalb einer Unternehmensgruppe zum Gegenstand hatte. Der BGH hob erneut den weiten Handlungsspielraum des Vorstands einer Aktiengesellschaft hervor. Überschreitet der Vorstand „hingegen die – weit zu ziehenden – äußersten Grenzen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit [. . .] und wird damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt, so liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit i. S. von § 266 StGB begründet“ 1200. Mit Urteil vom 21.12.2005 (BGHSt 50, 331–346; Mannesmann/Vodafone) hat der 5. Strafsenat des BGH dahingegen ausdrücklich das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung abgelehnt – zumindest in Situationen, in denen keine 1200
BGH, NJW 2006, 453 (454 f.).
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
risikoreichen unternehmerischen Entscheidungen in Rede stehen.1201 Die Entscheidung betraf die Bewilligung kompensationsloser Anerkennungsprämien an Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat. In der Folgezeit wurde die Frage aufgeworfen, ob das einschränkende Merkmal der gravierenden Pflichtverletzung generell, nur bei unternehmerischen Entscheidungen mit Handlungsspielraum oder gar nicht erforderlich sei, weil ein solches Kriterium dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB nicht zu entnehmen sei. Mit Beschluss vom 23.06.2010 (BVerfGE 126, 170–233) hat das Bundesverfassungsgericht hierzu Stellung genommen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Kriterium der gravierenden Pflichtverletzung eine „tatbestandsbegrenzende Funktion“ 1202 eingeräumt und dargelegt, dass „[d]er gegen die Rechtsprechung erhobene Einwand, dass sich dem Wortlaut des Tatbestands das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung nicht entnehmen lasse [. . .], [. . .] angesichts der dargelegten Notwendigkeit einer Beschränkung (Restriktion) des sehr weiten Wortlauts nicht [überzeuge]“ 1203. Das Bundesverfassungsgericht bejaht eine gravierende Pflichtverletzung jedoch nur dann, wenn diese evident ist.1204 Als Konsequenz der bundesverfassungsrechtlichen Entscheidung wurde in der weiteren Rechtsprechung die Rechtsfigur der gravierenden Pflichtverletzung vermehrt angewandt. Das Kriterium soll dabei nicht nur für pflichtwidrige unternehmerische Entscheidungen mit Ermessensspielraum gelten1205, sondern als allgemeines Restriktionsmerkmal für jegliche untreuespezifische Pflichtwidrigkeit fungieren1206. Zur Verdeutlichung sei das Urteil des OLG Hamm vom 21.08.2012 (III-4 RVs 42/12) genannt, in welchem das OLG Hamm ausdrücklich klarstellte, dass die Ansicht, wonach „auch einfache Verstöße als ausreichend für die Begründung der Strafbarkeit angesehen [werden] (BGHSt 50, 331 [Mannesmann]) [. . .] nach der Entscheidung des BVerfG vom 23.6.2010 [. . .] nach Überzeugung des Senats nicht mehr aufrechterhalten“ 1207 werden könne. Auch in der Literatur ist die gravierende Pflichtverletzung als allgemeines tatbestandsbegrenzendes Merkmal überwiegend anerkannt.1208 1201
BGHSt 50, 331; Rönnau, NStZ 2006, 218 (218). BVerfGE 126, 170 (208). 1203 BVerfGE 126, 170 (210 f.). 1204 BVerfGE 126, 170 (211). 1205 BGHSt 55, 266 (276) – Trienekens-Urteil; LG Hamburg, BeckRS 2015, 09104 (Kreditvergabe). 1206 BGHSt 56, 203 (213) – Kölner Parteispendenfall; BGH, NStZ 2013, 715 (715) – IGB-Fall: „Tatbestandsmäßig im Sinne des § 266 StGB ist allerdings eine Pflichtwidrigkeit nur dann, wenn sie klar und evident war (siehe dazu BVerfGE 126, 170, 210 f.). Deshalb hat die Rspr. grundsätzlich nur schwere Pflichtverletzungen ausreichen lassen.“; OLG Celle, BeckRS 2013, 15199. 1207 OLG Hamm, NStZ-RR 2012, 374 (374). 1208 Jahn/Ziemann, ZIS 2016, 552 (560); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 48; offen gelassen von: Dierlamm, in: Joecks/ 1202
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Zumindest für Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum erscheint die Einführung eines tatbestandlichen Restriktionsmerkmals erforderlich, da andernfalls jede auch noch so geringfügige Überschreitung der Ermessensgrenzen zu einer Strafbarkeit wegen Untreue führen könnte. Bei gebundenen Entscheidungen sollte die Anwendung des tatbestandsbegrenzenden Merkmals dahingegen von dem Maß der Konkretisierung der betroffenen Pflichten abhängen. Ist für den Pflichtenträger ohne weiteres erkennbar, welche Sorgfaltsmaßstäbe von ihm abverlangt werden, kann auch ein geringfügiger Verstoß gegen klar erkennbare Vorgaben eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit begründen. Ist der Pflichtenkatalog jedoch auslegungsbedürftig, sollte im Hinblick auf die Funktion des Strafrechts als ,ultima ratio‘ nur ein gravierender Verstoß strafbarkeitsbegründend wirken. Der von der Gegenansicht erhobene Einwand der fehlenden Bestimmtheit des Kriteriums1209 der gravierenden Pflichtwidrigkeit wendet sich andernfalls „gegen den Grundrechtsträger“ 1210. Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, muss anhand einer Gesamtabwägung aller konkreten Umstände beurteilt werden.1211 Bei Handlungen mit unternehmerischem Entscheidungsspielraum sind als Indizien insbesondere die „fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, [die] Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, [die] fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie [das] Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich [die] Verfolgung rein persönlicher Präferenzen“ 1212 zu berücksichtigen. Handlungen im kirchlichen Bereich sind jedoch schlechterdings mit an der Wirtschaftlichkeit orientierten unternehmerischen Entscheidungen zu vergleichen. Die Rechtsprechung hat für sonstige Pflichtverletzungen außerhalb von Maßnahmen mit unternehmerischem Handlungsspielraum – soweit diese für restriktionsbedürftig angesehen werden – noch keine Indizienkataloge zur Beurteilung einer gravierenden Pflichtverletzung aufgestellt. Das bislang herangezogene Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 175; Beschränkung der gravierenden Pflichtverletzung auf Entscheidungen mit Handlungsspielraum: Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 61; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 46; Theile, ZIS 2011, 616 (626); Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 76; gegen das Merkmal der gravierenden Pflichtverletzung: Schünemann, in: Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, § 266 Rn. 95 ff.; Schünemann, NStZ 2005, 473 (475): Schünemann sieht die gravierende Pflichtverletzung als noch unvollkommenen Verweis auf die noch zu entwickelnden Regeln der objektiven Zurechnung; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 56 f.; Ransiek, ZStW 2004, 634 (643). 1209 Vgl. Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 266 Rn. 56. 1210 Jahn/Ziemann, ZIS 2016, 552 (560). 1211 BGHSt 47, 187; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 175. 1212 BGHSt 47, 187; weiterführend zur Kritik an einer starr indizienbasierten strafrechtsautonomen Schweretheorie: Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 50.
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Kriterium der Willkür oder evidenten Unvertretbarkeit des Pflichtenverstoßes1213 vermag nur Extremfälle auszuscheiden und stellt das Ergebnis einer wertenden Betrachtung dar. Daher erscheint es überzeugend, in solchen Fällen mit Saliger zwischen den Pflichtverletzungen zu unterscheiden, welche nach dem jeweils geltenden Gesetz Sanktionen auslösen, und solchen, welche sich als gesetzlich nicht sanktionsbewehrte formelle, nebensächliche oder marginale materielle Verstöße darstellen.1214 Bei Ersteren stellt die bloße Rechtsverletzung bereits eine gravierende Pflichtwidrigkeit dar; bei Letzteren müssen anhand einer strafrechtsautonomen Gesamtabwägung das Ausmaß, die Art und Weise der Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens sowie die verfolgten Interessen zur Beurteilung der Gravität herangezogen werden.1215 Diese Differenzierung ist auf den kirchlichen Bereich übertragbar, da im Codex Iuris Canonici diverse interne Pflichtverstöße nicht nur sanktions-, sondern sogar strafbewehrt sind. Auf diese Weise hat der kanonische Gesetzgeber selbst die Pflichtverstöße „nach einer Schweregrenze sondiert“ 1216, indem er allein die gravierenden Verstöße mit einer Strafbewehrung versah. So löst der Verstoß gegen die Alienationsbestimmungen der cc. 1291 ff. CIC/1983 bei vorsätzlichem Handeln die Strafbarkeit gem. c. 1377 CIC/1983 aus. Es besteht daher kein Anlass, einer Verletzung der cc. 1291 ff. CIC/1983 die Untreuerelevanz abzusprechen. Bei nicht sanktionsbewehrten Pflichtverstößen muss dahingegen überprüft werden, ob sich diese im Einzelfall anhand einer Gesamtabwägung als unvertretbar erweisen. 5. Vermögensnachteil Für die Ermittlung des Vermögensnachteils gelten die zum Vermögensschaden im Rahmen des Betrugs entwickelten Grundsätze.1217 Im kirchlichen Bereich lassen sich dabei keine Abweichungen vom allgemeinen Schadensbegriff feststellen. Aufgrund des Status der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts und der umfassenden Zweckbindung des kirchlichen Vermögens ist es jedoch vorstellbar, die im Rahmen der Haushaltsuntreue entwickelten Grundsätze für zweckwidrige Mittelverwendungen bei einseitigen Zuwendungen und zweiseitigen Austauschgeschäften auf die Untreue zu übertragen. Diese Frage stellt sich bei der Causa Limburg hinsichtlich der Aufhebung des St. Georgswerks und wird daher an dieser Stelle zu erörtern sein. 1213 Hierauf abstellend Matt, in: Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 266 Rn. 80. 1214 Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 51. 1215 Ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 51; vgl. für das Aktienrecht auch Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (314). 1216 So der Gedanke im Rahmen der Parteiuntreue bei Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 52. 1217 Siehe Fn. 537.
II. Causa Limburg
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6. Subjektiver Tatbestand Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes ergeben sich im kirchlichen Bereich keine Besonderheiten.
II. Causa Limburg Die dargestellten Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 StGB werden nun anhand des Beispiels der Causa Limburg auf einen konkreten Anwendungsfall übertragen. Die Darstellungen beschränken sich auf die von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn ihrer Verfügung zugrunde gelegten Sachverhalte, welche die Abtretung der Anteile an der „Gemeinnütziges Siedlungswerk“-GmbH (1.), die Schenkung des Domplatzes Nr. 6, 7 (2.) sowie die Aufhebung des St. Georgswerks (3.) zum Gegenstand haben. Die folgenden Erörterungen sollen lediglich Anhaltspunkte liefern, in welche Richtung staatliche Ermittlungen hätten aufgenommen werden können und unter welchen Gesichtspunkten eine Strafbarkeit von vornherein ausscheidet. Die Sachverhaltsdarstellungen im Abschlussbericht sind hinsichtlich der einzelnen Tathandlungen und des jeweiligen Taterfolgs nicht präzise genug, um eine Strafbarkeit gutachterlich feststellen zu können. Dies bliebe einem staatlichen Verfahren vorbehalten. Darüber hinaus soll hervorgehoben werden, dass sich nicht jedes Verhalten notwendigerweise als strafrechtlich relevant erweist, welches mediale Aufmerksamkeit erzeugt und moralisch als fragwürdig angesehen werden kann. 1. Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH vom Bischöflichen Stuhl zu Limburg an das Bistum Limburg mit Vertrag vom 18.12.2009 a) Sachverhaltsdarstellung Der Bischöfliche Stuhl zu Limburg hielt Anteile an der „Gemeinnütziges Siedlungswerk-GmbH“ (im Folgenden „GSW-GmbH“) in Frankfurt am Main. Mit Notarvertrag vom 18.12.2009 trat der Bischöfliche Stuhl zu Limburg drei Geschäftsanteile an der GSW-GmbH an das Bistum Limburg ab.1218 Dabei handelte der Generalvikar kraft Amtes im Namen des Bistums Limburg, während für den Bischöflichen Stuhl der Finanzdirektor agierte, der am 22.10.2009 durch den Generalvikar hierzu bevollmächtigt worden war.1219 Der Diözesanbischof war an dem Geschäft nicht beteiligt; auch andere Organe des Bischöflichen Stuhls wurden nicht einbezogen.1220 Der Aufsichtsrat der GSW-GmbH hatte der Veräuße1218 1219 1220
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 22. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 22. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 23, 30, 37.
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rung mit Beschluss vom 07.12.2009 zugestimmt.1221 Die Veräußerung der Anteile erfolgte zum Nennwert i. H. v. 6.714.954,03 A, ohne dass zuvor ein Wertgutachten eingeholt worden war.1222 Nach dem Abschlussbericht erweist sich eine Bestimmung des Verkehrswerts der Anteile als schwierig, da die GSW-GmbH zwar gewerblich tätig ist, jedoch Ähnlichkeiten zu einer gemeinnützigen Gesellschaft aufweist.1223 Bewertet man die übertragenen Beteiligungen nach ihrem Anteil an der Gesellschaft und am bilanziellem Eigenkapital, ist ihr Wert jedoch um ca. 5-mal höher als der Verkaufspreis einzustufen.1224 b) Objektiver Tatbestand In diesem Sachverhaltskomplex müssten die staatlichen Ermittlungen im Hinblick auf die Person des nach außen auftretenden Finanzdirektors wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB geführt werden. Im Folgenden soll eine rein theoretische Prüfung einer möglichen Untreuestrafbarkeit auf der Grundlage des vom Abschlussbericht der Prüfungskommission vorgelegten Sachverhalts erfolgen. Die Erörterungen stehen stets unter dem Vorbehalt anderweitiger Tatsachenfeststellungen im Rahmen eines staatlichen Ermittlungsverfahrens und der zu berücksichtigenden Einwände vonseiten der Verteidigung. aa) Anwendbarkeit des § 266 StGB Gemäß den Erörterungen in Abschnitt C. III. 3. a) bb) (S. 160 ff.) erweist sich § 266 StGB als taugliche Schranke i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG. Durch die Anwendung des § 266 StGB auf den konkreten Einzelfall wird auch nicht über Gebühr in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eingegriffen (sog. Schranken-Schranken). Bei den Anteilen an der GSW-GmbH handelt es sich um eine privatwirtschaftliche Geldanlage, mithilfe derer aufgrund der gemeinnützigen Ausgestaltung des Immobiliendienstleisters mittelbar kirchliche karitative Zwecke verfolgt werden. Der Bischöfliche Stuhl zu Limburg nimmt durch seine Beteiligungen an der Immobilienverwaltungsgesellschaft an dem allgemeinen weltlichen Immobilienverkehr teil. Selbst nach der von der Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn herangezogenen strengeren Bereichslehre wären die betroffenen Anteile lediglich dem Finanzvermögen des Bischöflichen Stuhls und damit dem Außenbereich des Selbstbestimmungsrechts zuzuordnen (s. S. 150). Im Außenbereich ist das Selbstbestimmungsrecht des Bischöflichen Stuhls nicht erhöht schutzwürdig, so dass in 1221 1222 1223 1224
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn.
3), S. 3), S. 3), S. 3), S.
22. 23. 99. 99.
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concreto einer Anwendung des § 266 StGB auf den Vorgang der Veräußerung der GSW-Anteile keine Einwände entgegenstehen. Die für die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit maßgeblichen kanonischen Alienationsvorschriften erhalten durch die strafrechtliche Ahndung Rechtserheblichkeit im staatlichen Bereich, weshalb auch insoweit durch die Anwendbarkeit des § 266 StGB nicht unverhältnismäßig in das Selbstbestimmungsrecht eingegriffen wird. bb) Missbrauchstatbestand (1) Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis Der Finanzdirektor agierte aufgrund rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht (§ 166 Abs. 2 S. 1 BGB) des Generalvikars, welcher seinerseits gem. § 32 KVVG1225 gesetzlicher Vertreter des Bischöflichen Stuhls zu Limburg ist. Die gesetzliche Vertretungsmacht des Generalvikars bezieht sich ausweislich des Titels des KVVG auf Vermögensangelegenheiten. Der Finanzdirektor trat als Untervertreter und nicht als Ökonom des Bischöflichen Stuhls auf, welcher gem. § 5 des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2003 vom Bischof zur unmittelbaren Wahrnehmung der Vermögensverwaltung hätte bestellt werden müssen.1226 Für die Prüfung der Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis spielt es keine Rolle, ob der Generalvikar dem Finanzdirektor im Namen des Bischöflichen Stuhls zu Limburg oder im eigenen Namen Untervollmacht erteilte. Im ersten Fall stellt die Untervollmacht in ihrer Wirkung eine Vollmacht des Bischöflichen Stuhls gem. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Im letzteren Fall vertritt der Finanzdirektor als Untervertreter den Generalvikar in seiner Eigenschaft als Vertreter des Bischöflichen Stuhls zu Limburg, mit der Folge, dass die Rechtswirkungen seines Handelns letztlich den Bischöflichen Stuhl selbst treffen, indem die Wirkungen „gleichsam gemäß den beiden Vollmachtverhältnissen durch den (Haupt-) Vertreter hindurch[gehen]“ 1227. Ungeachtet der konkreten rechtlichen Ausgestaltung wirken die Rechtsfolgen der vom Finanzdirektor im Namen des Bischöflichen Stuhls (bzw. im Namen des Generalvikars in seiner Funktion als Vertreter des Bischöflichen Stuhls) abgegebenen Willenserklärungen letztendlich für und wider den Bischöflichen Stuhl.1228 1225 Gesetz über die Verwaltung und Vertretung des Kirchenvermögens im Bistum Limburg (KVVG) vom 23.11.1977 (Staatsanzeiger für das Land Hessen 1977, S. 2429). 1226 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 22. 1227 BGH, NJW 1960, 1565 (1566); NJW 1977, 1535 (1535). 1228 Angesichts der gesetzlich verankerten Vertretungsmacht des Generalvikars in Vermögensangelegenheiten in § 32 KVVG muss nicht auf die Norm des § 2 Abs. 2 des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2003 abgestellt werden, wonach der Generalvikar den Bischof in der Vertretung des Bischöflichen Stuhls vertritt. Aber auch
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Rechtstechnisch ist die Vertretungsmacht von einer Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis abzugrenzen. Verfügungsberechtigt (§ 185 BGB) ist der in der Verfügungsmacht nicht beschränkte Vollrechtsinhaber oder derjenige, der kraft Gesetzes oder Rechtsgeschäfts zur Verfügung über das fremde Recht berechtigt ist.1229 Der maßgebliche Unterschied zur Vertretungsmacht besteht darin, dass bei Personenverschiedenheit der Verfügungsbefugte das Rechtsgeschäft im eigenen Namen, aber mit entsprechender Ermächtigung des Vollrechtsinhabers (§ 185 BGB) abschließt, der Vertreter dahingegen gem. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB im fremden Namen.1230 Anders als in der Konstellation der Verfügungsermächtigung eines Dritten gem. § 185 BGB kommt es in den Fällen der Stellvertretung auf die Verfügungsbefugnis des Vertretenen und nicht des Vertreters an. Eine Verpflichtungsbefugnis ist die Befugnis zum Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts im eigenen Namen, dessen Rechtswirkungen jedoch nicht den Handelnden, sondern den Ermächtigenden treffen.1231 Im deutschen Recht gibt es das Rechtsinstitut der Verpflichtungsermächtigung nicht, da dies mit dem Offenkundigkeitsprinzip der Stellvertretung nicht zu vereinbaren wäre.1232 Die in § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB angesprochene Befugnis ist jedoch weniger rechtstechnisch als vielmehr dahingehend zu verstehen, dass dem Handelnden die rechtliche Möglichkeit zukommt, über Vermögensrechte eines anderen wirksam zu verfügen oder diesen wirksam zu einer Verfügung zu verpflichten.1233 Es ist dabei irrelevant, ob die betroffene Rechtshandlung im eigenen (§ 185 BGB) oder im fremden Namen als Stellvertreter (§ 164 Abs. 1 BGB) vorgenommen wird.1234 Die Untervertretungsmacht des Finanzdirektors beinhaltet daher die erforderliche Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis i. S. d. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB.
in diesem Fall würde man zu dem gleichen Ergebnis gelangen. Es läge lediglich eine mehrstufige Untervertretung vor, da der Finanzdirektor als Vertreter des Generalvikars agieren würde, welcher seinerseits im Namen des Bischofs handelt, welcher wiederum Vertreter des Bischöflichen Stuhls ist. Für Vermögensangelegenheiten ist jedoch § 32 KVVG spezieller. 1229 Vgl. Kindl, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 929 Rn. 37 f. 1230 So auch Bayreuther, in: Säcker/Rixecker/Oetker u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 185 Rn. 2. 1231 Ders., in: Säcker/Rixecker/Oetker u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 185 Rn. 31. 1232 Ders., in: Säcker/Rixecker/Oetker u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 185 Rn. 31. 1233 Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 34. 1234 Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 10; Dierlamm, in: Joecks/ Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 34.
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Für den Fall, dass der Finanzdirektor als Untervertreter des Generalvikars auftrat, käme auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Generalvikars als Vertretenem für diejenigen Handlungen des Finanzdirektors in Betracht, welche er vorsätzlich geschehen ließ.1235 (2) Befugnismissbrauch Ein Befugnismissbrauch i. S. d. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB setzt eine Diskrepanz zwischen interner Pflichtwidrigkeit und externer Wirksamkeit voraus. (a) Interne Pflichtwidrigkeit (aa) Cc. 1291, 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 Der Finanzdirektor hat als (Unter-)Vertreter des Bischöflichen Stuhls zu Limburg in die Übertragung der Anteile an der GSW-GmbH auf das Bistum Limburg eingewilligt, ohne die Erlaubnis des Diözesanbischofs und des Heiligen Stuhls einzuholen. Gem. c. 1291 CIC/1983 wird zur gültigen Veräußerung von Vermögensstücken, die durch rechtmäßige Zuweisung das Stammvermögen einer öffentlichen juristischen Person bilden und deren Wert eine rechtlich festgesetzte Summe überschreitet, die Erlaubnis der nach Maßgabe des Rechts zuständigen Autorität verlangt (zu den genauen Voraussetzungen s. S. 114 ff.). Der Bischöfliche Stuhl zu Limburg ist gem. § 1 Abs. 1 seines Statuts von 2003 eine öffentliche juristische Person nach kanonischem Recht i. S. d. c. 116 § 1 CIC/ 1983. Bei den Anteilen an der GSW-GmbH handelt es sich zudem um Stammvermögen. Zum Stammvermögen (patrimonium stabile) zählen alle Vermögenswerte, die „zur bleibenden finanziellen Ausstattung“ 1236 der kirchlichen juristischen Person dienen und durch einen entsprechenden Widmungsakt (,legitima assignatio‘) dem Stammvermögen zugewiesen wurden.1237 Im Bischöflichen Stuhl zu Limburg wurde jedoch die Ausweisung des Stammvermögens unterlassen.1238 Im Abschlussbericht werden hieraus widersprüchliche Konsequenzen gezogen. An einer Stelle wird darauf verwiesen, dass die cc. 1291 ff. CIC/1983 mangels bestehenden Stammvermögens von vornherein keine Anwendung fänden.1239 An
1235
Vgl. Perron, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 14
Rn. 7. 1236 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 302. 1237 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 303; Schmitz, in: Aymans/Egler/Listl (Hrsg.), Fides et ius, S. 189 (192). 1238 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 22. 1239 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 22.
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anderer Stelle wird aus der fehlenden Widmung gefolgert, dass „im Zweifel dem Stammvermögen jene Vermögenswerte zuzurechnen [seien], ohne welche die juristische Person nicht über die erforderlichen Mittel zur dauerhaften Erreichung ihrer Zwecke verfügen würde“ 1240 – „[s]olange die Zuweisung zum Stammvermögen nicht erfolgt“ 1241 sei. Die zweite vermittelnde Schlussfolgerung ist überzeugender, da eine unterlassene Ausweisung von Stammvermögen nicht dazu führen darf, dass Zustimmungs- und Kontrollrechte von übergeordneten Autoritäten umgangen werden. Schüller geht sogar so weit, dass er bei fehlender Widmung von Stammvermögen die Rechtsvermutung aufstellt, dass sämtliches Vermögen der betroffenen juristischen Person Stammvermögen darstellt.1242 Immobilien sind wesensmäßig Vermögenswerte von dauerhaftem Bestand und unterfallen daher typischerweise dem Stammvermögen1243 gemäß der vermittelnden Ansicht im Abschlussbericht. Gleichermaßen muss es sich mit Anteilen an einer Immobiliengesellschaft verhalten. Darüber hinaus stellt die Abtretung von GmbH-Anteilen eine ,alienatio‘ i. S. d. c. 1291 CIC/1983 (s. S. 109 f.) dar. Die Erlaubnisbedürftigkeit der Abtretung bemisst sich nach den in c. 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 angesprochenen Wertgrenzen (s. S. 116 ff.). Der Verkehrswert der übertragenen Anteile an der GSW-GmbH beträgt bis zu einem Fünffachen des Kaufpreises zum Nennwert i. H. v. 6.714.954,03 A. Bereits der Kaufpreis liegt über der von der Deutschen Bischofskonferenz in der Partikularnorm Nr. 19 zu c. 1292 § 1 CIC/1983 festgelegten Ober- bzw. Romgrenze von fünf Millionen Euro. Zur gültigen Abtretung wäre daher gem. c. 1292 § 1 CIC/1983 die Erlaubnis des Diözesanbischofs vonnöten gewesen, welcher hierbei „der Zustimmung des Vermögensverwaltungsrates und des Konsultorenkollegiums bedarf“. Die Deutsche Bischofskonferenz hat gem. c. 502 § 3 CIC/1983 beschlossen, dass die Aufgaben des Konsultorenkollegiums dem Kathedralkapitel (= Domkapitel) übertragen werden. In deklaratorischer Form wird dies auch von § 3 S. 2 Alt. 1 des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2003 festgestellt. Darüber hinaus wurden auf der Ebene des Bischöflichen Stuhls zu Limburg die Aufgaben des Vermögensverwaltungsrates gem. § 3 S. 2 Alt. 2 des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2003 auf die Verwaltungskammer übertragen. Der Finanzdirektor hätte daher die Erlaubnis des Diözesanbischofs einholen müssen, welcher seinerseits an die Zustimmung des Domkapitels und der Verwaltungskammer gebunden gewesen wäre. Wegen der Überschreitung der Romgrenze
1240
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 24. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 24. 1242 Schüller, in: Valentin (Hrsg.), Der ,Fall‘ Tebartz-van Elst, S. 119 (126). 1243 Vgl. Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 303. 1241
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hätte die Abtretung der GmbH-Anteile darüber hinaus gem. c. 1292 § 2 CIC/ 1983 der Erlaubnis des Heiligen Stuhles bedurft. Der Finanzdirektor hat daher intern pflichtwidrig gehandelt. Ausweislich der expliziten Anordnung in c. 1291 CIC/1983 („ad valide alienda bona . . .“) war die Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH mangels Einholung der ,licentia‘ der zuständigen Autoritäten kirchenrechtlich ungültig. (bb) C. 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 Darüber hinaus wurde gegen die interne Vorschrift des c. 1293 § 1 n ë 2 CIC/ 1983 verstoßen, da für die Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH kein Schätzgutachten eingeholt wurde.1244 Gem. c. 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 ist zur Veräußerung von Vermögen, dessen Wert die festgesetzte Untergrenze überschreitet, eine von Sachverständigen schriftlich vorgenommene Schätzung der zu veräußernden Sache erforderlich. Die fehlende Einholung des Gutachtens führt für sich betrachtet nicht zur Unwirksamkeit der Veräußerung, stellt jedoch einen internen Sorgfaltspflichtverstoß dar.1245 Das Gutachten ist relevant für die Ermittlung der gem. cc. 1291 f. CIC/1983 geltenden Wertgrenzen1246 und die Bestimmung des Kaufpreises, da gem. c. 1294 § 1 CIC/1983 eine Sache in der Regel nicht unter dem Schätzpreis veräußert werden darf. (b) Externe Wirksamkeit oder Unwirksamkeit? Wie bereits dargestellt (s. S. 122 ff.), zeigt die wegen fehlender Erlaubnis i. S. d. c. 1291 CIC/1983 herbeigeführte kirchenrechtliche Ungültigkeit des betroffenen Rechtsgeschäfts Außenwirkung im weltlichen Bereich. Ein ohne Erlaubnis abgeschlossenes Rechtsgeschäft ist zunächst gem. § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam und wird bei Verweigerung der Genehmigung endgültig unwirksam. Die Abtretung der GSW-Anteile wurde auch nicht nachträglich durch den Heiligen Stuhl und den Diözesanbischof unter Einholung der erforderlichen Gremienbeschlüsse genehmigt. Vielmehr wurde über die Rückabwicklung der Abtretung beraten, wenn auch diesbezüglich kein Beschluss gefasst wurde.1247 Wegen der externen Unwirksamkeit scheidet der Missbrauchstatbestand zur Begründung der Strafbarkeit aus, so dass auf den Treuebruchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB als ,lex generalis‘ zurückgegriffen werden muss.
1244
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 23. Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1293 Rn. 2. 1246 Ders., in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1293 Rn. 6. 1247 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 27. 1245
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cc) Treuebruchstatbestand (1) Vermögensbetreuungspflicht Die Vermögensbetreuungspflicht des Finanzdirektors müsste anhand seiner Position und spezifischen Pflichtenstellung in einer Gesamtabwägung aller Umstände beurteilt werden. Der genaue Aufgabenkreis des Finanzdirektors ist aus dem Abschlussbericht nicht ersichtlich. Bei der Stellung eines Finanzdirektors handelt es sich auch nicht um eine im Codex Iuris Canonici für jeden Bischöflichen Stuhl vorgesehene Position, so dass nicht auf allgemeine kirchenrechtliche Normen für die Aufgabenbeschreibung zurückgegriffen werden kann. Insbesondere wurde der Finanzdirektor vorliegend nicht durch den Bischof zum Ökonomen gem. § 5 des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2003 ernannt.1248 Zwar legt die Bezeichnung als Finanzdirektor eine verantwortliche und eigenständige Stellung in fremden Vermögensangelegenheiten nahe. Für eine strafrechtliche Beurteilung des Vorliegens einer Vermögensbetreuungspflicht sind die Tatsachenfeststellungen jedoch nicht ausreichend. Es ist nicht auszuschließen, dass der Finanzdirektor ausschließlich auf Weisung des Diözesanbischofs oder des Generalvikars handeln kann. (2) Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht Falls der Finanzdirektor vermögensbetreuungspflichtig ist, wäre im Einzelnen darzulegen, inwieweit er durch den Verstoß gegen die oben dargelegten internen Normen seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat und ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Vermögensbetreuungspflicht besteht. Der untreuespezifische Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem von § 266 StGB geschützten Vermögen kann an dieser Stelle bereits bejaht werden, da die cc. 1291 f., 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 eine Durchbrechung des grundsätzlichen Veräußerungsverbots von kirchlichem Vermögen nur unter äußerst strengen Voraussetzungen zulassen und auf diese Weise den Bestand des kirchlichen Vermögens sichern. Die cc. 1291 f., 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 verfügen damit sogar über einen unmittelbar vermögensschützenden Charakter. dd) Vermögensnachteil (1) Geschädigter Vermögensträger Als geschädigter Vermögensträger kommt hier allein der Bischöfliche Stuhl zu Limburg in Betracht, da dieser Inhaber der veräußerten Anteile an der GSW1248
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 22.
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GmbH ist (vgl. die Institutentheorie in c. 1256 CIC/1983). Der Bischöfliche Stuhl muss als Rechtsperson von dem Bistum (= Teilkirche) abgegrenzt werden. Das Bistum und der Bischöfliche Stuhl stellen verschiedene selbstständige Vermögensträger dar und können daher jeweils Geschädigte einer eigenen Untreuehandlung sein. Der Begriff des Bischöflichen Stuhls bezeichnet – dem eigentlichen Wortsinn nach – den Sitz des Bischofs in der Kathedrale (,sedes episcopalis‘, Kathedra) sowie das ursprünglich von der Kathedra ausgeübte bischöfliche Amt selbst.1249 Im vermögensrechtlichen Sinne steht der Bischöfliche Stuhl für eine rechtsfähige Vermögensmasse, welche dem Diözesanbischof für seine Amtsausübung zur Verfügung steht.1250 Der Bischöfliche Stuhl hat als Vermögensmasse den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach staatlichem Recht (vgl. Art. 13 Reichskonkordat; für den Bischöflichen Stuhl zu Limburg deklaratorisch § 1 Abs. 2 des Statuts von 2003); auch nach kanonischem Recht ist der Bischöfliche Stuhl eine öffentliche juristische Person gem. c. 116 § 1 CIC/1983 (vgl. § 1 Abs. 1 des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2003). Rechtshistorisch erfasste die Vermögensmasse „Bischöflicher Stuhl“ das sog. Bischöfliche Tafelgut (,mensa episcopalis‘), welches im 9. Jahrhundert aus der Aufspaltung des Kathedralvermögens in das Kapitalgut (,mensa capituli‘) und das eben genannte Mensalvermögen entstand.1251 Die ,mensa episcopalis‘ besitzt als bischöfliches Benefizium Rechtspersönlichkeit (vgl. cc. 99, 1356, 1409 f., 1423 § 2, 1653 CIC/1917) und ihre Erträge werden für den Unterhalt und die Amtsführung des Diözesanbischofs verwendet.1252 Im Codex Iuris Canonici von 1983 findet die ,mensa episcopalis‘ keine Erwähnung mehr; sie besteht jedoch gem. c. 4 CIC/1983 als sog. wohlerworbenes Recht fort.1253 Da das Bistum anders als der Bischöfliche Stuhl bis zu einer Entscheidung der Kommission zur authentischen Interpretation des CIC vom 23. Juni 1953 keine kirchliche Rechtspersönlichkeit besaß, wurde der ,mensa episcopalis‘ Vermögen zugestiftet, welches diözesanen Zwecken diente, auch wenn es mit dem Benefizium des Diözesanbischofs in keinerlei Zusammenhang stand.1254 In wirtschaftlicher Hinsicht müssen daher auch heute noch innerhalb des Vermögens des Bischöflichen Stuhls das alte Bischöfliche Tafelgut, weitere dem Bischöflichen Stuhl zugeflos1249 Schlief, in: Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, S. 270 (270). 1250 Schüller, HerKorr 2014, 11 (12). 1251 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 380; Schüller, HerKorr 2014, 11 (12 f.). 1252 Schüller, HerKorr 2014, 11 (12 f.); Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 380. 1253 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 380; Schüller, HerKorr 2014, 11 (13). 1254 Schüller, HerKorr 2014, 11 (12).
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sene Vermögenswerte und das faktische Diözesanvermögen unterschieden werden.1255 Rechtlich stehen jedoch sämtliche genannten Vermögensmassen unter der Vermögensträgerschaft des Bischöflichen Stuhls. Bei einer Schädigung des eigentlichen Mensalvermögens, des weiteren Vermögens des Bischöflichen Stuhls und des faktischen Diözesanvermögens ist daher immer der Bischöfliche Stuhl der benachteiligte Vermögensträger. (2) Vermögensnachteil Der Vermögensnachteil ist durch einen Vergleich der Vermögenslage vor und nach der Pflichtverletzung zu bestimmen. Die Geschäftsanteile wurden lediglich zum Nennwert (6.714.954,03 A) abgetreten, während der Anteil am Eigenkapital einen ca. 5-mal höheren Wert ergeben hätte. Die Vermögensdifferenz ist daher zunächst mit ca. 26.859.816,12 A (4 6.714.954,03 A) zu beziffern. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass die Pflichtverletzung zur (schwebenden und dann endgültigen) Unwirksamkeit der Abtretung führte. In einer solchen Konstellation ist ein Vermögensnachteil fraglich, da unmittelbar infolge der Pflichtverletzung ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB entsteht und dessen Existenz im Gegensatz zu den Gestaltungsrechten nicht von der Ausübung einer Gestaltungserklärung abhängt. Beim Betrugstatbestand werden gesetzliche Bereicherungsansprüche als nicht kompensationsgeeignet angesehen, da diese eine Form der Schadenswiedergutmachung darstellen1256, welche durch die Tathandlung des Täters bedingt ist, indem eine fehlende causa zur Tatbestandsvoraussetzung des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB erhoben wird. Da die Kondiktionsansprüche eine rechtsgrundlose Bereicherung des Täters und damit den Vermögensnachteil für das Betrugs- oder Untreueopfer voraussetzen, können diese dem Täter bei der Schadensbegründung nicht zugutegehalten werden.1257 Für den Straftatbestand der Untreue werden zur Ermittlung des Vermögensnachteils die im Rahmen des § 263 StGB zum Vermögensschaden entwickelten Grundsätze herangezogen.1258 Die vorliegende Situation stellt sich aber insofern anders dar, als sich der Bereicherungsanspruch nicht gegen den Täter, sondern gegen einen Dritten als Vertragspartner (hier: das Bistum Limburg) richtet und damit gerade keine Schadens1255
Ders., in: Valentin (Hrsg.), Der ,Fall‘ Tebartz-van Elst, S. 119 (145 Fn. 23). Hefendehl, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 263 Rn. 518; Satzger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 263 Rn. 222. 1257 Statt aller Wittig, in: Schulz/Reinhart/Sahan (Hrsg.), Festschrift für Imme Roxin, S. 375 (384). 1258 Wittig, in: Schulz/Reinhart/Sahan (Hrsg.), Festschrift für Imme Roxin, S. 375 (384); Perron, in: Eser/Bosch/Eisele u. a. (Hrsg.), Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 42; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 73. 1256
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wiedergutmachung durch den Untreuetäter darstellt. Die Unwirksamkeit der Abtretung war jedoch gleichermaßen durch die Pflichtverletzung des Täters bedingt, da die fehlende Einholung der ,licentia‘ nach staatlichem Recht Außenwirkung zeigte. Wenn im Rahmen des Betrugs ein gegen den Täter selbst gerichteter Anspruch den Vermögensschaden nicht zu beseitigen vermag, muss dies erst recht für einen gegen einen Dritten gerichteten Anspruch gelten, da die Ausgleichspflicht eines Dritten dem Täter trotz des ultima-ratio-Gedankens im Strafrecht nicht zugutekommen darf. Lässt man somit den Bereicherungsanspruch gänzlich unberücksichtigt, ergibt sich der Vermögensnachteil aus der oben dargestellten Wertdifferenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der Anteile an der GSWGmbH. Will man aufgrund der strukturellen Verschiedenheit der Untreue in Abgrenzung zum Betrug – insbesondere aufgrund des Angriffswegs von innen heraus und der spezifischen Pflichtenstellung des Täters – eine restriktive Auslegung des Nachteilsbegriffs vornehmen1259 und entgegen der herrschenden Meinung den Bereicherungsanspruch als kompensationstauglich ansehen, wäre ein vollendeter Vermögensnachteil unter dem Gesichtspunkt einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung denkbar. Die Vermögensgefährdung würde sich daraus ergeben, dass die Ausübung des Bereicherungsanspruchs stets mit dem Risiko der Durchsetzbarkeit behaftet ist. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Fallgruppe der schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung immer weiter eingeschränkt wurde. Nach dem Bundesverfassungsgericht kann eine solche aus Bestimmtheitsgründen nur dann einen strafbaren Vermögensnachteil darstellen, wenn eine Bezifferung der Schadenshöhe nach anerkannten Bewertungsmaßstäben möglich ist, da andernfalls eine verfassungswidrige Überdehnung der Untreuestrafbarkeit eintreten würde.1260 Eine Bezifferung des Prozessrisikos kann an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. Trotz der zunehmend restriktiven Rechtsprechung spricht im Hinblick auf die im Bereicherungsrecht bestehende Möglichkeit, den Anspruch durch Einwendungen gem. § 818 Abs. 3 BGB auszuschließen, viel dafür, in dieser Konstellation eine schadensgleiche Vermögensgefährdung anzunehmen. Hierfür müsste jedoch untersucht werden, ob das Bistum aufgrund der engen personellen Verzahnung mit dem Bischöflichen Stuhl Kenntnis von der fehlenden Einholung der ,licentia‘ hatte und sich somit gem. § 819 Abs. 1 BGB wegen Bösgläubigkeit nicht auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB berufen darf. Sind die Einwendungen wegen positiver Kenntnis des Bistums Limburg von dem fehlenden Rechtsgrund ausgeschlossen, ließe sich eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung mangels eines deutlichen Prozessrisikos nicht mehr begründen. 1259 Allgemein für eine einschränkende Auslegung ohne Bezug zur konkreten Streitfrage: Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 69. 1260 BVerfGE 126, 170.
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Überzeugender ist es jedoch, mit der herrschenden Meinung gesetzliche Bereicherungsansprüche von vornherein als kompensationsuntauglich einzustufen und in der Differenz zwischen Verkehrswert und Veräußerungspreis den Vermögensnachteil zu sehen, da die Bereicherungsansprüche nur infolge der zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führenden Pflichtwidrigkeit zur Entstehung gelangten. Andernfalls bliebe strafwürdiges Handlungsunrecht durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht in kriminalpolitisch unvertretbarer Weise strafrechtlich ungesühnt.1261 (3) Kausalität Unter Zugrundelegung der „conditio-sine-qua-non-Formel“ darf die Pflichtverletzung nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Vermögensnachteil in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfällt.1262 Es ist daher der hypothetische Kausalverlauf zu betrachten, wenn der Finanzdirektor die zuständigen Aufsichtspersonen um ihre Erlaubnis (,licentia‘) zur Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH vom Bischöflichen Stuhl an das Bistum von Limburg gebeten hätte. Es besteht nur dann die erforderliche Kausalität zwischen der vorgeworfenen Pflichtverletzung und dem eingetretenen Vermögensnachteil, wenn die hypothetisch angerufenen Autoritäten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihre Zustimmung versagt hätten. Dies stellt eine Frage des Nachweises dar und kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Keinesfalls darf dem Heiligen Stuhl oder dem Diözesanbischof unterstellt werden, dass sie das wirtschaftlich nachteilige Geschäft bewilligt hätten. Im Rahmen der staatlichen Ermittlungen wäre aber zu berücksichtigen, dass die Anteile an der GSWGmbH nicht an einen außenstehenden Dritten, sondern an das dem Bischöflichen Stuhl nahestehende Bistum Limburg abgetreten wurden. Die Abtretung hatte strukturelle Gründe, da der Bischöfliche Stuhl zu Limburg nicht Gesellschafter einer Immobilienverwaltungsgesellschaft sein wollte.1263 Darüber hinaus herrschte Unzufriedenheit bezüglich eines konkreten Projekts der GSW-GmbH, mit welchem der Bischöfliche Stuhl in der Öffentlichkeit nicht identifiziert werden wollte.1264 Die Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH wäre zudem zur Finanzierung des in der Öffentlichkeit umstrittenen Diözesanen Zentrums St. Nikolaus nicht unbedingt erforderlich gewesen.1265 Diese Erwägungen wären bei der Beurteilung der Kausalität mit einzubeziehen.
1261
Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 142. Ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 98. 1263 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 99. 1264 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 99. 1265 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 100. 1262
II. Causa Limburg
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Aus den dargestellten Gründen kann auch der Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil im Rahmen der objektiven Zurechnung nicht abschließend beurteilt werden. c) Subjektiver Tatbestand Unter Zugrundelegung einer noch nachzuweisenden Erfüllung des objektiven Tatbestandes wäre auch der subjektive Tatbestand eine Beweisfrage. Nimmt man eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung als vollendeten Vermögensnachteil an, muss für die Bejahung eines bedingten Vorsatzes neben der Kenntnis von der Möglichkeit des Schadenseintritts insbesondere eine „Billigung der Realisierung dieser Gefahr“ 1266 vorliegen. d) Zwischenergebnis Eine Strafbarkeit des Finanzdirektors wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB kann mangels ausreichender Sachverhaltsangaben nicht abschließend bewertet werden. Die Strafbarkeit hängt maßgeblich davon ab, ob der Finanzdirektor eine vermögensbetreuungspflichtige Stellung innerhalb des Bischöflichen Stuhls innehat, die erforderliche Kausalität zwischen der Abtretung ohne vorherige Einholung der ,licentia‘ und dem Vermögensnachteil gegeben ist und ein vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden kann. 2. Schenkung des Domplatzes Nr. 6, 7 vom Bistum Limburg an den Bischöflichen Stuhl zu Limburg mit Vertrag vom 18.12.2009 a) Sachverhaltsdarstellung Mit Notarvertrag vom 18.12.2009 schenkte das Bistum Limburg die Gebäudeund Freifläche Domplatz 6, 7 (Grundbuch des Amtsgerichts Limburg von Limburg, Blatt 3554, lfd. Nr. 11, Flur 24, Flurstück 54/1) an den Bischöflichen Stuhl zu Limburg.1267 Für das Bistum Limburg agierte der Generalvikar kraft Amtes.1268 Eine Beteiligung des Bischofs bzw. der diözesanen Gremien fand nicht statt.1269 Der Bischöfliche Stuhl zu Limburg wurde vom Finanzdirektor vertreten, welcher auf der Grundlage einer Bevollmächtigung durch den Generalvikar tätig wurde.1270 Der Grundstückswert wurde einvernehmlich (für die Gebühren-
1266 1267 1268 1269 1270
BGHSt 51, 100 (121 f.). Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn.
3), S. 3), S. 3), S. 3), S.
23. 23. 23. 23.
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
festsetzung) mit 895.000 A beziffert, ohne dass ein Wertgutachten eingeholt wurde.1271 Bei der Bezifferung des Werts wurde berücksichtigt, dass das Grundstück nicht für allgemeine Zwecke genutzt werden darf.1272 b) Objektiver Tatbestand In diesem Tatkomplex wäre eine mögliche Untreuestrafbarkeit des Generalvikars gem. § 266 Abs. 1 StGB zu untersuchen. aa) Anwendbarkeit des § 266 StGB Durch die Anwendung des § 266 Abs. 1 StGB auf diesen konkreten Einzelfall wird nicht unverhältnismäßig in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eingegriffen (Schranken-Schranken). Zum Zeitpunkt der Schenkung waren die Gebäude auf dem Domplatz 6, 7 keiner konkreten Nutzungsart gewidmet.1273 Das Haus auf dem Domplatz 6 fungierte vormalig als Küsterhaus.1274 Als kirchliches Verwaltungs- und Wohngebäude für Kirchenangestellte diente das Gebäude unmittelbar kirchlichen Zwecken und war daher ursprünglich dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen. In diesem Bereich ist das Selbstbestimmungsrecht verstärkt ausgeprägt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Gebäuden auf dem Domplatz 6, 7 nicht um ,res sacrae‘ handelte, bezüglich welcher der Staat zu strikter Nichteinmischung verpflichtet wäre. Zudem bestand zum Zeitpunkt der Schenkung bereits die Absicht, die Gebäude vollständig abzureißen und die entstehende Freifläche zum Neubau des Hauses der Bischöfe zu nutzen.1275 Angesichts des Abrissvorhabens muss die ursprüngliche kirchliche Funktion der Gebäude in den Hintergrund treten. Es kann auch nicht auf das zum damaligen Zeitpunkt noch geplante Haus der Bischöfe abgestellt werden, da Gegenstand der Schenkung allein der Domplatz 6, 7 in seinem gegenwärtigen Zustand war. Durch den strafrechtlichen Schutz des Domplatzes 6, 7 wird daher nicht über Gebühr in die vermögensbezogene Eigenständigkeit des Bistums Limburg eingegriffen, da der geplante Neubau und die anstehende Nutzung hiervon gänzlich unberührt bleiben. Hinsichtlich der für die Prüfung der Pflichtwidrigkeit herangezogenen kanonischen Vorschriften kann wiederum die Herstellung der Justiziabilität nach staatlichem Recht als Argument für die Anwendbarkeit des § 266 StGB angeführt werden.
1271 1272 1273 1274 1275
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn.
3), S. 23, 99. 3), S. 23. 3), S. 62. 3), S. 17. 3), S. 17.
II. Causa Limburg
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bb) Missbrauchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB (1) Verpflichtungs- bzw. Verfügungsbefugnis Gem. § 32 KVVG werden das Bistum und der Bischöfliche Stuhl durch den jeweiligen Bischof oder den Generalvikar, während der Sedisvakanz durch den Kapitularvikar, vertreten. Aufgrund der dem Generalvikar eingeräumten gesetzlichen Vertretungsmacht kommt diesem die Befugnis zu, im Namen des Bistums Limburg schuldrechtliche Verträge abzuschließen und über das Vermögen des Bistums zu verfügen. Wie bereits dargelegt, ist eine Vertretungsmacht für die untechnisch zu definierende Verpflichtungs- bzw. Verfügungsbefugnis i. S. d. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB ausreichend. (2) Befugnismissbrauch Der Generalvikar hat im Namen des Bistums eine Willenserklärung zum Abschluss des Schenkungsvertrages abgegeben, ohne zuvor die ,licentia‘ des Bischofs und der diözesanen Gremien einzuholen. Es steht daher erneut ein Verstoß gegen c. 1291 CIC/1983 in Rede (s. o.). Die vorliegend zu betrachtende Schenkung fällt unter den Begriff der ,alienatio‘1276 i. S. d. c. 1291 CIC/1983 und bei den betroffenen Immobilien am Domplatz 6, 7 handelt es sich typischerweise um Stammvermögen. Der exakte Verkehrswert der Immobilien wurde im Abschlussbericht der Prüfungskommission nicht ermittelt. Im Notarvertrag wurde der Grundstückswert mit 895.000 A beziffert. Ungeachtet der Wertgrenzen in c. 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 bedarf gem. der Partikularnorm Nr. 19 II. 1. a) der DBK zu cc. 1292 § 2, 1295, 1297 CIC/1983 jede Veräußerung von Grundstücken der Genehmigung durch den Diözesanbischof. Der Diözesanbischof ist gem. c. 1292 § 1 S. 1 CIC/1983 seinerseits an die Zustimmung des Vermögensverwaltungsrates und des Domkapitels gebunden, wenn der Wert des Veräußerungsgegenstandes 100.000 A (= Untergrenze) übersteigt. Dieser Zustimmungsvorbehalt der diözesanen Gremien gilt ausweislich des affirmativen c. 1292 § 1 S. 2 CIC/1983 auch bei der Veräußerung von Diözesanvermögen. Der Generalvikar wäre daher verpflichtet gewesen, vor der Abgabe der Schenkungserklärung die Erlaubnis des Diözesanbischofs einzuholen, welcher seinerseits der Zustimmung des Domkapitels und der Verwaltungskammer bedurft hätte, welche im Bistum Limburg bis einschließlich März 2016 die Beispruchsrechte des Diözesanvermögensverwaltungsrates wahrgenommen hat.1277
1276 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 301. 1277 Bistum Limburg (Hrsg.), Grundlegende Informationen zur Diözesanen Vermögensverwaltung im Bistum Limburg (https://www.bistumlimburg.de/finanzen/neuedioezesane-vermoegensverwaltung.html) (geprüft am 17.08.2016).
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
Die Obergrenze von fünf Millionen Euro wurde demgegenüber nicht überschritten, so dass die zusätzliche Anhörung des Heiligen Stuhls gem. c. 1292 § 2 CIC/1983 nicht erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus hat es der Generalvikar versäumt, das für eine ,alienatio‘ erforderliche Wertgutachten gem. c. 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 einzuholen. Wie bereits dargelegt, führt eine ohne ,licentia‘ vorgenommene Schenkung zur Ungültigkeit des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts nach kirchlichem und nach staatlichem Recht, so dass der Missbrauchstatbestand mangels Diskrepanz zwischen externem Können und internem Dürfen nicht in Betracht kommt. cc) Treuebruchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (1) Vermögensbetreuungspflicht Der Generalvikar ist gegenüber dem Vermögen des Bistums Limburg vermögensbetreuungspflichtig. Als Inhaber seines Kirchenamtes kommt ihm ordentliche stellvertretende Leitungsgewalt (sog. ,potestas ordinaria vicaria‘, c. 131 § 2 Alt. 2 CIC/1983) zu.1278 Seine Funktion wirkt sich vornehmlich auf den exekutiven Bereich der diözesanen Verwaltung aus: Gem. c. 479 § 1 CIC/1983 kommt „[d]em Generalvikar [. . .] kraft Amtes in der ganzen Diözese die ausführende Gewalt zu, die der Diözesanbischof von Rechts wegen hat, um alle Verwaltungsakte erlassen zu können, jene aber ausgenommen, die sich der Bischof selbst vorbehalten hat oder die von Rechts wegen ein Spezialmandat des Bischofs erfordern.“ Der Diözesanbischof verfügt gem. c. 391 § 1 CIC/1983 über die gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt in der Diözese. Die Gesetzgebungsgewalt wird gem. c. 391 § 2 Var. 1 CIC/1983 nur durch den Bischof selbst ausgeführt, die exekutive Gewalt kann gleichermaßen durch den Generalvikar nach Maßgabe des Rechts vollzogen werden (c. 391 § 2 Var. 2 CIC/1983). Die Jurisdiktionsgewalt kann gem. c. 391 § 2 Var. 3 CIC/1983 auch einem Vikar zukommen. Im Interesse einer klaren Funktionentrennung sollte jedoch die Beteiligung des bereits exekutiv tätigen Generalvikars an der richterlichen Gewalt, insbesondere seine Ernennung zum Gerichtsvikar, unterbleiben (vgl. c. 1420 § 1 CIC/ 1983).1279 Nach dem Bischof gebührt dem Generalvikar die am weitesten reichende ausführende Gewalt (,potestas‘) im Bistum.1280 Er ist „der faktische Leiter der diö1278 Bier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 475 Rn. 2. 1279 Bier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 479 Rn. 2; Eichmann/Mörsdorf/Aymans, Kanonisches Recht, S. 378; Bier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 475 Rn. 3. 1280 Bier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, vor c. 475 Rn. 2.
II. Causa Limburg
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zesanen Verwaltung“ 1281. Zur Exekutivgewalt (c. 479 § 1 CIC/1983) zählt auch die Verwaltung des Diözesanvermögens, so dass der Generalvikar grundsätzlich der unmittelbare Verwalter des Vermögens des Bistums ist.1282 Hiervon ausgenommen sind jedoch gem. c. 134 § 3 CIC/1983 diejenigen Akte, die in den Canones ausdrücklich dem Diözesanbischof im Bereich der ausführenden Gewalt zugewiesen sind, es sei denn, dem Generalvikar wird ein Spezialmandat erteilt. Die alleinige Zuständigkeit des Diözesanbischofs betrifft relevante Bereiche der unmittelbaren Vermögensverwaltung wie die Ernennung und Absetzung des Diözesanökonoms (c. 494 CIC/1983) und das Setzen von Akten von größerer Bedeutung bzw. der außerordentlichen Verwaltung (c. 1277 CIC/1983).1283 Eine weitere Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Generalvikars im Bereich der unmittelbaren Vermögensverwaltung folgt aus der Ernennung anderer administrativer Gremien zur Setzung von Verwaltungsakten (vgl. cc. 492 ff.: Vermögensverwaltungsrat, Diözesanökonom). Angesichts dieser spezifischen Kompetenzzuweisungen an andere Organe kommt dem Generalvikar nur eine sehr eingeschränkte Gewalt zum Erlass von Verwaltungsakten auf dem Gebiet der unmittelbaren diözesanen Vermögensverwaltung zu.1284 Die unmittelbare Vermögensverwaltung ist jedoch von der mittelbaren Vermögensverwaltung zu unterscheiden, welche in der Aufsicht über die Akte der unmittelbaren Vermögensverwalter besteht.1285 Als Ordinarius übernimmt der Generalvikar gem. c. 1276 CIC/1983 auch die Aufsicht über die Verwaltung des diözesanen Vermögens. Nach kanonischem Recht ist das Zusammenfallen von unmittelbarer und mittelbarer Vermögensverwaltung in einer Person möglich und häufig anzutreffen.1286 Gem. c. 1276 § 1 CIC/1983 „[hat] der Ordinarius [. . .] gewissenhaft die Verwaltung des gesamten Vermögens zu überwachen, das den ihm unterstellten öffentlichen juristischen Personen gehört [. . .]“. Gem. c. 1276 § 2 CIC/1983 haben die Ordinarien „unter Beachtung der Rechte, der rechtmäßigen Gewohnheiten und der Umstände [. . .] durch Erlass besonderer Instruktionen innerhalb der Grenzen des allgemeinen und partikularen Rechts das gesamte Geschäft der Verwaltung der kirchlichen Güter zu ordnen“. 1281 Ders., in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, vor c. 475 Rn. 2. 1282 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 358. 1283 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 358. 1284 Bier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 479 Rn. 3; Bier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, vor c. 492 Rn. 2; Bier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 492 Rn. 6; Bier, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 494 Rn. 4; a. A. Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 358. 1285 Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 253. 1286 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 253.
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
Unter den Begriff des Ordinarius fallen gem. c. 134 § 1 CIC/1983 auch die Generalvikare. Der Generalvikar ist folglich gem. c. 1276 § 1 CIC/1983 verpflichtet, die Vermögensverwaltung derjenigen öffentlichen juristischen Personen zu überwachen, die seiner Leitung unterstellt sind. Zur Erfüllung dieser Aufgabe kommt dem Generalvikar gem. c. 1276 §§ 1, 2 CIC/1983 eine Aufsichts- und Normgebungskompetenz zu.1287 Die gleichen aufsichtlichen Befugnisse stehen auch dem Diözesanbischof als Ordinarius (c. 134 § 1 CIC/1983) zu; die Aufsicht kann zudem gem. c. 1278 CIC/1983 auf den Diözesanökonomen übertragen werden. Angesichts dieser kumulativen aufsichtlichen Zuständigkeiten bedarf es gem. c. 473 CIC/1983 einer genauen Festlegung der jeweiligen Aufgabenbereiche.1288 Trotz seiner eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten als unmittelbarer Vermögensverwalter und der ihm nicht allein zukommenden Aufsichtsbefugnis im Bereich der mittelbaren Vermögensverwaltung muss der Generalvikar als vermögensbetreuungspflichtig gegenüber dem Diözesanvermögen angesehen werden. C. 1276 CIC/1983 macht deutlich, dass der Generalvikar als einer der Ordinarien in besonderer Weise Verantwortung für die Vermögensverwaltung des Bistums trägt. Ein kirchlicher Vermögensträger wie das Bistum bedarf der weltlichen Güter, um seine religionsbezogenen Ziele verwirklichen zu können (vgl. den Rechtsgedanken für die gesamte römisch-katholische Kirche in c. 1254 § 1 CIC/1983). Indem der Generalvikar die ordnungsgemäße Vermögensverwaltung überwacht, damit das Bistum die ihm eigenen Zwecke erreichen kann, ist er in die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen eingeschaltet. Die für eine Vermögensbetreuungspflicht erforderliche Fremdnützigkeit des Pflichtenkreises ist daher gegeben. Darüber hinaus wird dem Generalvikar durch die übertragene Aufsichtsbefugnis eine erhebliche Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit im Vermögensbereich eingeräumt. Bei der eigenständigen Vermögensverwaltung handelt es sich zudem nicht um eine Neben-, sondern eine Hauptpflicht des Generalvikars, welche diesem im Rahmen seiner Leitungsaufgabe zukommt. Die Tätigkeit als Vermögensaufsicht bildet damit die Grundlage der Vermögensbetreuungspflicht des Generalvikars. (2) Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht Durch den Verstoß gegen die cc. 1292 § 1, 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 hat der Generalvikar seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Die cc. 1292 § 1, 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 weisen den erforderlichen Vermögensbezug auf, da durch die Aufstellung restriktiver Voraussetzungen für die Veräußerung von Kirchengütern sichergestellt wird, dass der Bestand des kirchlichen Vermögens nicht willkürlich 1287 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1276 Rn. 2. 1288 Ders., in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1276 Rn. 3.
II. Causa Limburg
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geschmälert wird. Darüber hinaus besteht nicht nur ein innerer, sondern sogar ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Vermögensbetreuungspflicht, da der Generalvikar in seiner Position als extern auftretender Vermögensverwalter und Vertreter des Bistums die Einholung der Zustimmung der zuständigen Gremien sowie die Beauftragung eines Wertgutachtens unterließ und in die Schenkung einwilligte. Die Pflichtverletzung geschah damit in Ausübung seiner Funktion als Generalvikar und nicht nur bei Gelegenheit seiner Kirchenamtstätigkeit. Die Umgehung der Zustimmungspflichten stellt auch einen gravierenden Pflichtenverstoß dar. Die Strafbewehrung in c. 1377 CIC/1983 macht deutlich, dass der kanonische Gesetzgeber einer Verletzung der Alienationsvorschriften eine besondere Schwere beimisst, so dass das tatbestandsbegrenzende Kriterium einer gravierenden Pflichtverletzung vorliegend erfüllt ist (vgl. S. 248). Die Vornahme der Schenkung ohne Einholung des Wertgutachtens weist dahingegen als Pflichtverletzung nicht die erforderliche Intensität aus, da bei einer Schenkung wesensmäßig keine Gegenleistung zu erbringen ist, deren Höhe nach dem objektiven Wert des Schenkungsgegenstandes zu bemessen gewesen wäre. Aufgrund der fehlenden Gegenleistung kann anhand einer Gesamtabwägung aller Umstände auch kein besonderes Eigeninteresse des Generalvikars bestanden haben, durch den Verzicht auf ein objektives Gutachten die Höhe des Preises sachwidrig zu beeinflussen. dd) Vermögensnachteil Das Bistum Limburg kommt vorliegend als geschädigter Vermögensträger in Betracht. Gem. c. 1255 CIC/1983 besitzen die Gesamtkirche und der Apostolische Stuhl, die Teilkirchen und jedwede andere juristische Person, sei sie öffentlich oder privat, die Fähigkeit, nach Maßgabe des Rechts Vermögen zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern. Das Bistum (= Diözese), welches gem. c. 373 CIC/1983 von Rechts wegen Rechtspersönlichkeit besitzt (unter dem Vorbehalt der ordnungsgemäßen Errichtung)1289, ist gem. c. 1255 CIC/1983 als Teilkirche vermögensfähig und damit möglicher Geschädigter einer Untreuehandlung. Dem Vermögensabfluss durch die Veräußerung der Gebäude- und Freifläche auf dem Domplatz 6, 7 steht zunächst keine Kompensation gegenüber. Dies wird auch nicht durch die Unwirksamkeit der Schenkung infrage gestellt, da diese bereits dinglich vollzogen wurde und der infolge der Pflichtverletzung unmittelbar entstehende Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nicht kompensationstauglich ist (s. S. 258 ff.). 1289 Auch aus der Sicht des staatlichen Rechts handelt es sich bei dem Bistum um eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, vgl. Art. 13 Reichskonkordat; Schlussprotokoll zu Art. 5 § 1 Abs. 2 S. 2 des Konkordats zwischen seiner Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Staate Bayern vom 29. März 1924.
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
Bei einer einseitigen Zuwendung würde nach einer streng ökonomischen Betrachtungsweise wegen der kompensationslosen Leistungshingabe stets ein Vermögensnachteil entstehen.1290 Nach der Lehre von der Zweckverfehlung kann der Vermögensabfluss jedoch auch durch die Erreichung des mit der Leistung verfolgten wirtschaftlichen oder sozialen Zwecks ausgeglichen werden.1291 An dieser Stelle wäre daher zu untersuchen, welchen Zweck das Bistum mit der Schenkung der Gebäude- und Freifläche auf dem Domplatz 6, 7 verfolgt hat und ob dieser durch den Vollzug der Schenkung verwirklicht wurde. Denkbar wäre, dass das Bistum die Schenkung als zusätzliche Gegenleistung für die am selben Tag erfolgte Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH unter Verkehrswert ansah, so dass wirtschaftlich gesehen die unter (1.) und (2.) beschriebenen Rechtsgeschäfte Tauschcharakter aufweisen würden. Eine weitere Intention könnte die Einschaltung des Bischöflichen Stuhls als Bauherr und der damit verbundene Wille sein, die Bauherreneigenschaft und Eigentümerstellung in einer Person zu vereinigen. Mangels genauerer Tatsachenfeststellungen kann die etwaige Kompensation durch Zweckerreichung vorliegend nicht abschließend beurteilt werden. Falls ein Vermögensnachteil wegen fehlender Zweckerreichung vorläge, wäre es die Aufgabe von staatlichen Ermittlungen, zu überprüfen, ob bei Hinwegdenken der Pflichtverletzung der Vermögensnachteil in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfallen wäre (= Kausalität). c) Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand ist Nachweisfrage. d) Zwischenergebnis Eine Strafbarkeit des Generalvikars wegen Untreue kommt nur in Betracht, wenn die Schenkung vermögenszweckwidrig erfolgt ist, so dass die eingetretene Vermögenseinbuße nicht durch die Erreichung des damit verfolgten Ziels kompensiert wurde. 3. Aufhebung des St. Georgswerks, Veräußerung von Forderungen und Verwendung der frei gewordenen Mittel a) Sachverhaltsdarstellung Das „Diözesanwerk für Wiederaufbau und Wohnungsbau in der Diözese Limburg“ (St. Georgswerk) wurde am 28.11.1948 durch eine Verfügung des Bischofs 1290
Munz, Haushaltsuntreue, S. 104, 138. Vgl. die Anwendung der Zweckverfehlungslehre auch im Rahmen der Untreue: BGH, NStZ 1986, 455 (Schulleiter-Fall); BGH, NJW 2001, 2411 (2414). 1291
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Ferdinand Dirichs gegründet, um Kriegsschäden an kirchlichen Gebäuden nach dem zweiten Weltkrieg zu beheben und die entstandene Wohnungsnot zu lindern.1292 Es handelte sich hierbei um ein unselbstständiges Sondervermögen des Bischöflichen Stuhls, welches ursprünglich aus Spenden, Kollekten und Sammlungen stammte.1293 Gem. Art. 2 der Satzung des St. Georgswerks bestand der Zweck des Sondervermögens darin, zum Wiederaufbau kirchlicher Gebäude und zur Erstellung von Wohnungen beizutragen.1294 Für den Fall der Aufhebung oder Auflösung des St. Georgswerks bzw. des Fortfalls seiner bisherigen Zwecke traf Art. 7 S. 2 der Satzung die Bestimmung, dass das Vermögen des St. Georgswerks nur für ausschließlich und unmittelbar kirchliche, gemeinnützige und mildtätige Zwecke verwendet werden dürfe.1295 Durch ein Dekret vom 27.09.2011 hob der Diözesanbischof Dr. Tebartz-van Elst das St. Georgswerk mit Wirkung zum 30.09.2011 auf und verwies zur Begründung darauf, dass in der heutigen Zeit die Erfüllung des ursprünglichen Zwecks des St. Georgswerks nicht mehr möglich sei.1296 In Art. 3 des Aufhebungsdekrets war festgelegt, dass der Bischöfliche Stuhl das Vermögen „ausschließlich und unmittelbar für seine [. . .] kirchlichen Zwecke verwenden“ 1297 werde. Mit Zustimmung der zuständigen Verwaltungskammer wurden die im St. Georgswerk enthaltenen, gegen Dritte gerichteten Forderungen zum Buchwert von 6.893.600 A durch den Bischöflichen Stuhl an das Bistum von Limburg abgetreten.1298 Im Übrigen enthielt das Sondervermögen des St. Georgswerks Fondsanteile mit einem Marktwert von 6.359.673 A (Buchwert 5.623.000 A), Immobilien im Werte von 523.000 A und sonstige Vermögenspositionen i. H. v. 814.800 A.1299 Das durch die Auflösung des St. Georgswerks seitens des Bischöflichen Stuhls erzielte Reinvermögen mit einem Gesamtwert von 14.591.073 A (abgestellt auf den Marktwert) wurde überwiegend zur Finanzierung des Baus des Hauses der Bischöfe (jetzt: Diözesanes Zentrum St. Nikolaus) verwendet.1300 b) Objektiver Tatbestand Unter Zugrundelegung dieses von der Prüfungskommission vorgelegten Sachverhalts erfolgt eine theoretische Abhandlung einer möglichen Untreuestrafbarkeit des Diözesanbischofs gem. § 266 Abs. 1 StGB.
1292 1293 1294 1295 1296 1297 1298 1299 1300
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn.
3), S. 32, 95. 3), S. 32 f. 3), S. 32. 3), S. 32. 3), S. 32 f. 3), S. 33. 3), S. 33. 3), s. Auflistung auf S. 95. 3), S. 95, 34.
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
aa) Anwendbarkeit des § 266 StGB Die Anwendbarkeit des § 266 StGB greift im konkreten Fall der Aufhebung des St. Georgswerks, der Forderungsabtretung und der Verwendung der frei gewordenen Gelder nicht unverhältnismäßig in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ein (Schranken-Schranken). Das zweckgebundene Sondervermögen des Bischöflichen Stuhls zu Limburg in Form des St. Georgswerks ist auch nach seiner Aufhebung weiterhin den Individualinteressen der Geldgeber unterworfen. Trotz der formalen Einordnung der Gelder in das (Sonder-)Vermögen des Bischöflichen Stuhls bleibt die Anbindung an die Belange von außerhalb der Kirche stehenden Personen aufrechterhalten. Durch die strafrechtliche Ahndung am Maßstab des § 266 StGB werden daher nicht nur rein kircheninterne Vermögensinteressen (entgegen dem Willen der Kirche), sondern darüber hinausgehende Außeninteressen geschützt. Die Betroffenheit von Außenstehenden bedingt jedoch die Anwendbarkeit des staatlichen Strafrechts. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht führt keinesfalls so weit, dass außerhalb der Kirche stehende Individualinteressen vom strafrechtlichen Schutz des § 266 StGB ausgenommen werden könnten, nur weil diese in einem kirchlichen Kontext vorzufinden sind. Aus diesem Grunde stehen einer Anwendung des § 266 StGB auf die Vorgänge im Zusammenhang mit dem St. Georgswerk keine Einwände entgegen. bb) Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis Der Diözesanbischof besitzt gem. § 32 KVVG die erforderliche Befugnis, den Bischöflichen Stuhl als dessen Stellvertreter schuldrechtlich zu verpflichten und über das Vermögen des Bischöflichen Stuhls in dessen Namen zu verfügen. cc) Befugnismissbrauch Ein Befugnismissbrauch läge nur dann vor, wenn intern pflichtwidrig, extern jedoch wirksam gehandelt wurde. (1) Aufhebung des St. Georgswerks Die Entscheidung zur Aufhebung des St. Georgswerks als solche kann nach internen Pflichtmaßstäben nicht beanstandet werden, da es dem Diözesanbischof oblag, darüber zu befinden, ob der satzungsmäßige Zweck des St. Georgswerks noch erreicht werden könne.1301 Gem. § 6 Abs. 4 des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg vom 01.04. 2011 musste der Diözesanbischof für diese Maßnahme nicht die Zustimmung des 1301
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 33.
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Vermögensverwaltungsrates einholen. Durch Normen auf der Ebene des Bischöflichen Stuhls darf jedoch nicht von Vorschriften des Codex Iuris Canonici wie c. 1277 CIC/1983 dispensiert werden, welcher eine Anhörungs- bzw. Zustimmungsbedürftigkeit für bestimmte Vermögensverwaltungsakte vorsieht. Für die Anwendbarkeit des c. 1277 CIC/1983 spielt es daher keine Rolle, dass im Statut des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2011 anders als in § 3 S. 1 des Statuts von 2003 die Vorschriften über die Vermögensverwaltung des CIC (cc. 1277 ff. CIC/1983) nicht mehr deklaratorisch für anwendbar erklärt wurden. C. 1277 CIC/1983 beinhaltet folgende Regelung: „Was das Setzen von Akten der Verwaltung betrifft, die unter Beachtung der Vermögenslage der Diözese von größerer Bedeutung sind, mu[ss] der Diözesanbischof den Vermögensverwaltungsrat und das Konsultorenkollegium hören; er bedarf jedoch der Zustimmung eben dieses Rates und auch des Konsultorenkollegiums, außer in den vom allgemeinen Recht oder den Stiftungsurkunden besonders vorgesehenen Fällen, für das Setzen von Akten der außerordentlichen Verwaltung. Die Bischofskonferenz aber hat zu bestimmen, welche Akte als solche der außerordentlichen Verwaltung zu gelten haben.“ Eine Zustimmungsbedürftigkeit gem. c. 1277 S. 1 Alt. 2 CIC/1983 scheidet aus, da es sich bei der Aufhebung eines Sondervermögens nicht um eine von der Deutschen Bischofskonferenz in der Partikularnorm Nr. 18 gem. c. 1277 S. 2 CIC/1983 festgelegte Fallgruppe von Akten der außerordentlichen Vermögensverwaltung handelt. Denkbar wäre aber eine Pflicht zur Anhörung des Vermögensverwaltungsrates und des Domkapitels wegen eines Akts von größerer Bedeutung gem. c. 1277 S. 1 Alt. 1 CIC/1983. Dies setzt voraus, dass c. 1277 CIC/1983 auf der Ebene des Bischöflichen Stuhls Anwendung findet. Der Wortlaut der Norm spricht nur von der Vermögenslage der Diözese (,statu oeconomico dioecesis‘). Dem gegenüber steht die vorliegend betroffene Rechtsperson des Bischöflichen Stuhls als selbstständiger Vermögensträger. Bei einer rein personalen Betrachtung bleibt unberücksichtigt, dass aufgrund der fehlenden Rechtspersönlichkeit der Diözese bis zum Jahr 1953 auch das Vermögen, welches diözesanen Zwecken gewidmet war, in die rechtsfähige Vermögensmasse des Bischöflichen Stuhls (sog. ,mensa episcopalis‘, s. S. 256 ff.) übergeleitet wurde. Innerhalb des Vermögens des Bischöflichen Stuhls ist daher zwischen den Vermögensbestandteilen zu differenzieren, welche de iure und de facto dem Bischöflichen Stuhl zugeordnet sind und solchen, welche de facto, wenn auch nicht de iure diözesanes Vermögen darstellen. Auf Letztere müssen die diözesanen Normen des Codex Iuris Canonici gleichermaßen Anwendung finden, da deren Zuordnung zum Bischöflichen Stuhl allein historisch bedingt war.1302 Nach 1302 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1277 Rn. 4; Schüller, HerKorr 2014, 11 (13).
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dem Abschlussbericht stellt das St. Georgswerk keine Gründung des Bischöflichen Stuhls, sondern ein Werk des Bistums dar, welches als Sondervermögen an den Bischöflichen Stuhl angebunden wurde.1303 Hieraus wird im Abschlussbericht der Schluss gezogen, dass es sich bei dem St. Georgswerk „zumindest um eine res mixta zwischen Bistum und Bischöfliche[m] Stuhl“ 1304 handelt. Die exakte Einordnung und damit die Entscheidung über die Geltung des c. 1277 CIC/1983 müsste jedoch unter Einholung weiterer Sachverhaltsfeststellungen einem ausführlichen Rechtsgutachten vorbehalten bleiben.1305 Die interne Pflichtwidrigkeit kann daher auf der Grundlage der gegebenen Tatsachen nicht abschließend bewertet werden. Geht man davon aus, dass es sich bei dem St. Georgswerk um historisch bedingtes faktisches Diözesanvermögen handelt, welches unter der Vermögensträgerschaft des Bischöflichen Stuhls steht, hätte der Diözesanbischof gem. c. 1277 S. 1 Alt. 2 CIC/1983 den Vermögensverwaltungsrat und das Domkapitel anhören müssen.1306 Der Missbrauchstatbestand scheidet aber jedenfalls deshalb aus, da in der Aufhebung des St. Georgswerks durch das Dekret des Diözesanbischofs kein Tätigwerden nach außen gegenüber Dritten gesehen werden kann.1307 (2) Veräußerung der Forderungen des St. Georgswerks Ein Befugnismissbrauch kann auch nicht in der Veräußerung der gegen Dritte gerichteten Forderungen des St. Georgswerks an das Bistum Limburg gesehen werden. Durch diesen Vorgang wurde nicht gegen interne Pflichten verstoßen, da die zuständige Verwaltungskammer ordnungsgemäß zustimmte und ein Zustimmungserfordernis seitens des Vermögensverwaltungsrates ausweislich des § 6 Abs. 4 lit. b des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg vom 01.04.2011 nicht bestand.1308 Gem. § 6 Abs. 4 lit. b des Statuts bedarf der Bischof der Zustimmung des Vermögensverwaltungsrates für den Erwerb und die Veräußerung von beweglichen Gütern, die von hohem Wert sind, wobei Wertgrenzen im Vermögensverwaltungsrat festzulegen sind. Wertgrenzen wurden im Bischöflichen Stuhl zu Limburg nicht bestimmt.1309 Die Annahme eines hohen Werts erscheint angesichts einer Summe von 6.893.600 A (mehr als) naheliegend. Nach dem Abschlussbericht der Prüfungskommission würde die Veräußerung der Forderungen jedoch keine Veräußerung im eigentlichen Sinne des § 6 Abs. 4 lit. b des Statuts 1303
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 33. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 33. 1305 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 33. 1306 So auch Schüller, in: Valentin (Hrsg.), Der ,Fall‘ Tebartz-van Elst, S. 119 (124). 1307 Eine Strafbarkeit gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB kann mangels genauerer Tatsachenfeststellungen für die Prüfung des c. 1277 CIC/1983 als Grundlage einer internen Pflichtwidrigkeit nicht abschließend bewertet werden. 1308 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 33. 1309 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 33. 1304
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darstellen, da lediglich Verbindlichkeiten gegen Geld getauscht wurden (Aktivtausch).1310 Wie bereits dargelegt, sind die staatlichen Stellen zur eigenständigen Auslegung und Prüfung kirchlicher Normen nicht befugt, sondern haben die Rechtsauffassung der zuständigen kirchlichen Gremien in den Grenzen der Willkür zugrunde zu legen. Eine wirtschaftliche Definition der Veräußerung i. S. d. § 6 Abs. 4 lit. b des Statuts in Abgrenzung zu einer rechtstechnischen Bestimmung des Veräußerungsbegriffs darf daher nicht in Abrede gestellt werden. Die Einordnung als Aktivtausch in Abgrenzung zu einer Veräußerung wäre auch auf die cc. 1291, 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 zu übertragen, wonach es für Veräußerungen von Stammvermögen, welche die Obergrenze von 5 Millionen Euro übersteigen, der Zustimmung des Vermögensverwaltungsrates, des Domkapitels und der Erlaubnis des Heiligen Stuhls bedarf. Dies muss jedoch nicht entschieden werden, da es sich bei den veräußerten Forderungsrechten nicht um Stammvermögen handelt, so dass die cc. 1291, 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 jedenfalls aus diesem Grunde nicht anwendbar sind. Im Bistum Limburg hat der Vermögensverwaltungsrat entgegen seiner Pflicht gem. § 6 Abs. 3 lit. c des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2011 kein Stammvermögen ausgewiesen.1311 Solange eine Zuweisung unterbleibt, unterfallen im Zweifel all jene Vermögensbestandteile dem Stammvermögen, welche zur bleibenden Ausstattung des betroffenen Vermögensträgers zählen und zur dauerhaften Erreichung seiner Zwecke erforderlich sind.1312 Nach der Zweckbestimmung der Spender soll der Erlös aus der Aufhebung des St. Georgswerks gerade für unmittelbar gemeinnützige Zwecke verbraucht werden und nicht zur bleibenden monetären Grundausstattung des Bischöflichen Stuhls zu Limburg dienen. Daher ist der Erlös dem zum Verbrauch bestimmten Vermögen (,patrimonium liberum‘) und nicht dem Stammvermögen zuzurechnen. (3) Verwendung des Vermögens des St. Georgswerks Die Verwendung des infolge der Aufhebung des St. Georgswerks und der Veräußerung von dort enthaltenen Forderungen entstandenen Vermögens für die Baufinanzierung des Diözesanen Zentrums Sankt Nikolaus stellt jedoch einen Verstoß gegen die interne Pflicht des c. 1300 CIC/1983 dar. Gem. c. 1300 CIC/ 1983 sind „[d]ie Willensverfügungen von Gläubigen, die zu frommen Zwecken Schenkungen vornehmen oder etwas hinterlassen, sei es durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen, und die rechtsgültig angenommen wurden, [. . .] auf das sorgfältigste zu erfüllen auch im Hinblick auf die Art ihrer Verwaltung und die Verwendung des Vermögens, vorbehaltlich der Vorschrift von can. 1301 § 3“. 1310 1311 1312
Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 23, 33. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 22, 29. Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 24.
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Die Vorschrift des c. 1300 CIC/1983 dient der uneingeschränkten Absicherung des Spenderwillens. Sobald eine Spende – egal in welcher Rechtsform – rechtsgültig angenommen wurde, ist der Wille des Gebers „mit allen Konsequenzen zu erfüllen“ 1313. Ausweislich des Wortlauts des c. 1300 CIC/1983 ist die Zweckbestimmung des Zuwendenden insbesondere auch bei der hier in Rede stehenden Verwendung des Vermögens zu beachten. Durch die Annahme der Zuwendung unterwirft sich die betroffene kirchliche Autorität der vom Schenker angeordneten Auflagen und trägt für deren Vollziehung die Verantwortung. Der Ordinarius ist dabei gem. c. 1301 §§ 1, 2 CIC/1983 als Vollstrecker aller frommen Willensverfügungen verpflichtet, darüber zu wachen, dass die frommen Verfügungen erfüllt werden. Bestimmungen in letztwilligen Verfügungen, die diesem Recht des Ordinarius entgegenstehen, sind gem. c. 1301 § 3 CIC/1983 außer Acht zu lassen. Art. 7 S. 2 der Satzung des St. Georgswerks legt für den Fall der Aufhebung des Werks fest, dass das Vermögen „nur für ausschließlich und unmittelbar kirchliche, gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verwendet werden“ 1314 dürfe. Gem. c. 1300 CIC/1983 müsste dieser Zweckbestimmung vorbehaltlos nachgekommen werden. Der Diözesanbischof sah in seinem Aufhebungsdekret vor, dass das Vermögen ausschließlich eigenen kirchlichen Zwecken des Bischöflichen Stuhls zugutekommen sollte und setzte es in concreto zur Finanzierung des Diözesanen Zentrums Sankt Nikolaus ein. Der Verwendung der Gelder für kirchliche Zwecke des Bischöflichen Stuhls könnten keine Einwände entgegen gesetzt werden, solange diese kirchlichen Zwecke die in Art. 7 S. 2 der Satzung angesprochene karitative Einbettung aufweisen würden. Die Finanzierung des Hauses der Bischöfe, welches vornehmlich als Rückzugsort für den jeweiligen Diözesanbischof, für den Empfang von Gästen und für repräsentative Zwecke dienlich sein sollte, lässt die erforderliche Anbindung an gemeinnützige, mildtätige Zwecke missen. Dies muss umso mehr gelten, als Art. 7 S. 2 der Satzung des St. Georgswerks eine ausschließliche und unmittelbare Verfolgung karitativer Zwecke verlangt, so dass mittelbar gemeinnützige Vorhaben hiervon nicht erfasst werden. Auch der ursprüngliche Satzungszweck in Form der Behebung von Kriegsschäden an kirchlichen Gebäuden und der Linderung von Wohnungsnot kann durch den Neubau eines einzigen bischöflichen Domizils nicht erreicht werden, sondern stellt eine „Engführung des Zwecks des St. Georgswerks“ 1315 dar. Aus diesem Grunde wurde durch die Baufinanzierung mit Mitteln aus der Aufhebung des St. Georgswerks der Wille der ursprünglichen Geber verletzt, so dass ein Verstoß gegen die interne Vorschrift des c. 1300 CIC/1983 gegeben ist.1316 1313 Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, c. 1300 Rn. 4. 1314 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 32. 1315 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 34. 1316 Zum gleichen Ergebnis kommend: Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 33; Rostalski, RW 2015, 1 (6).
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In Bezug auf die externe Wirksamkeit ist davon auszugehen, dass die Gelder aus der Auflösung des St. Georgswerks zur Erfüllung von wirksamen Verträgen an Architekten, Handwerker und sonstige Dienstleister im Rahmen des Baus des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus ausbezahlt wurden. Für eine Feststellung der Untreuestrafbarkeit wäre eine Darstellung des Einsatzes sämtlicher Gelder anhand der spezifischen Vertragsverhältnisse vonnöten. Mangels diesbezüglicher Tatsachenfeststellungen im Abschlussbericht der Prüfungskommission muss für die vorliegende theoretische Prüfung eine externe Wirksamkeit unterstellt werden. Bei fehlender externer Wirksamkeit käme eine Treuebruchsuntreue gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB in Betracht. Die Verletzung des c. 1300 CIC/1983 hat auch keinen Einfluss auf die externe Wirksamkeit der abgeschlossenen Verträge nach Maßgabe einer Außenwirkung, da bereits im kircheninternen Bereich beim Verstoß gegen c. 1300 CIC/1983 keine Unwirksamkeit angeordnet ist. Der Wortlaut des c. 1300 CIC/1983 selbst sieht keine Unwirksamkeit als Rechtsfolge vor. In systematischer Hinsicht verdeutlicht insbesondere c. 1291 CIC/1983 („ad valide alienda bona“ – „zur gültigen Veräußerung der Güter“), dass der kanonische Gesetzgeber die Unwirksamkeitsfolge oftmals explizit in seinen Normen festlegt. Auch aus teleologischen Gesichtspunkten wäre eine automatische Unwirksamkeit bei einer Zweckverfehlung mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit verbunden, da stets Unklarheit herrschen würde, ob ein betroffenes Rechtsgeschäft noch vom Geberwillen gedeckt und damit wirksam oder aber nicht mehr hiervon gedeckt und folglich nichtig ist. dd) Vermögensbetreuungspflicht Der Diözesanbischof hat eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls zu Limburg. Da vorliegend die Körperschaft des Bischöflichen Stuhls zu Limburg in Rede steht, dürfen nur die Normen zur Begründung der Vermögensbetreuungspflicht herangezogen werden, die sich auf den Bischöflichen Stuhl in Abgrenzung zur Diözese beziehen. Aus diesem Grunde wird im Folgenden die Zitierung der cc. 381, 391, 393 CIC/1983 wegen des im Wortlaut explizit hergestellten Bezugs auf die Körperschaft der Diözese unterlassen. Der Diözesanbischof übt gem. c. 1276 CIC/1983 als Ordinarius (c. 134 § 1 Var. 2 CIC/1983) die Vermögensaufsicht gegenüber dem Bischöflichen Stuhl aus. Die hiermit einhergehende fremdnützige Verantwortung für die Vermögensverwaltung des Bischöflichen Stuhls stellt die Grundlage der allgemeinen Vermögensbetreuungspflicht des Diözesanbischofs dar. Da sich nach kanonischem Recht die Vereinigung von mittelbarer aufsichtlicher und unmittelbarer Vermögensverwaltung in einer Person nicht ausschließt1317, ist 1317 Vgl. Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 253.
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der Diözesanbischof zudem gem. c. 1279 § 1 CIC/1983 der unmittelbare Vermögensverwalter des Bischöflichen Stuhls. Gem. c. 1279 § 1 CIC/1983 steht „[d]ie kirchliche Vermögensverwaltung [demjenigen] zu, der die Person, der dieses Vermögen gehört, unmittelbar leitet, falls das Partikularrecht, die Statuten oder eine rechtmäßige Gewohnheit nichts anderes vorsehen und unbeschadet des Eingriffsrechts des Ordinarius im Falle der Nachlässigkeit des Verwalters“. Der Diözesanbischof vertritt gem. § 6 Abs. 1 c) des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2011 die Körperschaft des Bischöflichen Stuhls in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten. Als Leiter des Bischöflichen Stuhls ist er grundsätzlich der unmittelbare Vermögensverwalter i. S. d. c. 1279 CIC/1983. Dies wird durch § 6 Abs. 1 a) des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2011 affirmativ und konkretisierend festgestellt. In seiner Position als unmittelbarer Vermögensverwalter treffen den Diözesanbischof gem. § 6 Abs. 1 a) des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2011 die vermögensbezogenen Sorgfaltspflichten des c. 1284 CIC/1983. Der in c. 1284 § 2 CIC/ 1983 enthaltene umfangreiche Katalog an konkretisierten Vermögensschutzpflichten verdeutlicht die weitreichende Vermögensbetreuungspflicht des Diözesanbischofs. Er ist insbesondere gem. c. 1284 § 2 n ë 3 dazu angehalten, „die Vorschriften sowohl des kanonischen als auch des weltlichen Rechts sowie alle Bestimmungen [zu] beachten, die von dem Stifter, dem Spender oder der rechtmäßigen Autorität getroffen worden sind, besonders aber [zu] verhüten, dass durch Nichtbeachtung der weltlichen Gesetze der Kirche Schaden entsteht“. Die Einhaltung (auch) der kircheninternen Pflichtmaßstäbe wird daher zu der vom Bischof zuvörderst zu beachtenden Pflicht erhoben. Bestätigt wird die bestehende Vermögensbetreuungspflicht des Diözesanbischofs zudem durch c. 392 CIC/1983, worin der Bischof expressis verbis verpflichtet wird, Missbrauch in Vermögensangelegenheiten zu verhindern. Gem. c. 392 § 1 CIC/19831318 „ist der Bischof gehalten, die gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche zu fördern und deshalb auf die Befolgung aller kirchlichen Gesetze zu drängen“. Der erforderliche Vermögensbezug wird in c. 392 § 2 CIC/ 1983 hergestellt, wonach der Bischof „darüber zu wachen [hat], dass sich [keine] Missbräuche in die kirchliche Ordnung einschleichen, besonders in Bezug auf den Dienst am Wort, die Feier der Sakramente und der Sakramentalien, die Verehrung Gottes und der Heiligen und auch in Bezug auf die Vermögensverwaltung“. Der Bischof ist gerade dazu berufen, Pflichtverletzungen im Vermögensbereich, welche sich als untreuerelevante Tathandlungen erweisen könnten, zu vermeiden. Wird dem Diözesanbischof die Pflicht auferlegt, Vermögensmissbräuche zu verhindern, so muss dies auch die Handlungen seiner eigenen Person betreffen. 1318 Der Abschlussbericht stellt fälschlicherweise auf c. 396 § 1 CIC/1983 ab (s. S. 37), welcher die Visitationspflicht des Bischofs regelt.
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In Bezug auf den hier zu beachtenden Willen der Geldgeber kommt dem Diözesanbischof sogar eine gesetzlich konkretisierte Vermögensbetreuungspflicht zu. Gem. c. 1301 § 1 CIC/1983 ist der Diözesanbischof als Ortsordinarius der Vollstrecker der betroffenen frommen Willensverfügungen. Er trägt gem. c. 1301 § 2 CIC/1983 die unmittelbare Verantwortung für die Einhaltung des Geberwillens. Im vorliegenden Fall kann die Vermögensbetreuungspflicht daher nicht nur der allgemeinen Pflichtenstellung des Diözesanbischofs in Bezug auf das Vermögen des Bischöflichen Stuhls entnommen werden, sondern vielmehr konkretisierten gesetzlichen Bestimmungen. ee) Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht In dem Missbrauch der Befugnis durch die satzungswidrige Verwendung des Sondervermögens des St. Georgswerks liegt auch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht. Insbesondere besteht ein innerer und sogar ein funktionaler Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensbetreuungspflicht, da der Diözesanbischof in seiner Position als Vollstrecker frommer Willensverfügungen und damit in der Funktion als Vermögensbetreuungspflichtiger die Verwendung der Gelder angeordnet hat. Darüber hinaus ist die verletzte Vorschrift des c. 1300 CIC/1983 vermögensschützend, so dass auch eine entsprechende Anbindung der Pflichtverletzung an das von § 266 StGB geschützte Rechtsgut gegeben ist. C. 1300 CIC/1983 dient dem Schutz der Vermögensinteressen der Geldgeber. Zwar geht es dabei nicht um die Wahrung des Bestandes des Sondervermögens in Form des St. Georgswerks, sondern um dessen zweckmäßigen Einsatz gemäß dem Willen der Spender. Der Wortlaut des § 266 StGB stellt aber ausdrücklich auf die Wahrnehmung fremder „Vermögensinteressen“ ab, so dass auch der Schutz von Vermögensinteressen neben dem Bestandsschutz von § 266 StGB erfasst sein muss.1319 Ob die Pflichtverletzung als gravierend einzustufen ist, wäre anhand des Verschuldensgrades und der subjektiv verfolgten Interessen auf der Grundlage weiterer Tatsachenfeststellungen zu beurteilen. Maßgeblich kommt es darauf an, ob die vom Diözesanbischof getroffene Maßnahme „evident unvertretbar und/oder willkürlich ist, [so dass] sie auch unter Berücksichtigung [seines] Handlungsspielraums nicht mehr als eine im materiellen Stiftungsinteresse liegende Entscheidung gedacht werden kann“ 1320. ff) Vermögensnachteil Die Verwendung des zweckgebundenen Vermögens für den Bau des Diözesanen Zentrums Sankt Nikolaus stellt einen Vermögensabfluss dar. Dem stehen ent1319 Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen, S. 141 ff., nimmt sogar nur bei einer vermögensinteressenbezogenen Pflicht eine für § 266 StGB spezifische Vermögensbetreuungspflicht an. 1320 Saliger, in: Walz/Hüttemann/Rawert u. a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2005, S. 209 (225).
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sprechende Handwerker- und Architektenleistungen sowie ein Materialerwerb gegenüber. Zur Prüfung einer Strafbarkeit wären eine genaue Darstellung des Vermögensflusses und die Beurteilung des Verkehrswerts der hierdurch erworbenen Leistungen vonnöten. Mangels genauerer Sachverhaltsangaben kann dem hier nicht entsprochen werden. Für die vorliegende theoretische Strafbarkeitsprüfung muss daher unterstellt werden, dass die erworbenen Dienstleistungen und Materialien ihren Preis wert waren, so dass primär betrachtet eine wirtschaftliche Kompensation der Vermögensverausgabung eingetreten ist. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass das frühere Sondervermögen in Form des St. Georgswerks auch nach seiner Auflösung einer Zweckbindung unterliegt. Fraglich ist daher, ob bei einem zweiseitigen Austauschgeschäft trotz Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ein Vermögensnachteil allein aufgrund der materiell zweckwidrigen Mittelverwendung festgestellt werden kann. (1) Anlehnung an die Grundsätze der Haushaltsuntreue Insoweit könnte auf die im Rahmen der Haushaltsuntreue entwickelten Grundsätze bei zweckwidriger Vermögensverausgabung zurückgegriffen werden. Eine Anlehnung an die Haushaltsuntreue ist möglich, da jegliches Vermögen der Kirche, welche als Körperschaft des öffentlichen Rechts konstituiert ist, einer Zweckbindung unterliegt und damit als öffentliches Vermögen zu definieren ist. Gleichermaßen verhält es sich mit dem hier betroffenen Vermögen des Bischöflichen Stuhls zu Limburg. Die römisch-katholische Kirche hat gem. c. 1254 § 1 CIC/1983 „das angeborene Recht, unabhängig von der weltlichen Gewalt, Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern“. Die eigenen Zwecke sind dabei gem. c. 1254 § 2 CIC/1983 „vor allem [. . .] die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter, die Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen“. Auch öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts wie der Bischöfliche Stuhl zu Limburg sind gem. c. 116 § 1 CIC/1983 in ihrem Vorgehen stets auf die Erfüllung der ihnen zukommenden zweckgebundenen Aufgabe ausgerichtet. Die Zweckbestimmung stellt die immanente Grenze jedes zulässigen vermögenswirksamen Handelns dar.1321 Es obliegt der kirchlichen Vermögensaufsicht, die Grenze durch Festlegung konkreter Zwecke zu bestimmen und ihre Einhaltung sicherzustellen.1322 Die kirchliche Zweckwidmung muss aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Kirche von den staatlichen Behörden anerkannt werden.1323 1321 Vgl. Heimerl/Pree/Primetshofer, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 59. 1322 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 59. 1323 Dies., Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, S. 71.
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Darüber hinaus enthält das kanonische und das Teilkirchenrecht eine Vielzahl an formellen Vorgaben zu Zuständigkeit, Verfahren und Form. Auf jeder Ebene eines kirchlichen Vermögensträgers erfolgt die Aufstellung eines eigenen Haushaltsplans. So sieht § 6 Abs. 3 des Statuts des Bischöflichen Stuhls zu Limburg von 2011 die Verabschiedung des Haushaltsplans durch den Vermögensverwaltungsrat vor. Wie im Bereich der Haushaltsuntreue muss daher auch im kirchlichen Bereich der allgemeine Gedanke gelten, dass ein rein formeller Verstoß keine Strafbarkeit wegen Untreue auslösen darf.1324 Es muss vielmehr stets der Eintritt eines Vermögensnachteils hinzukommen, um zu verhindern, dass der Straftatbestand der Untreue gem. § 266 StGB zu einer Amtsmissbrauchsnorm1325 avanciert. Die frühere Rechtsprechung hatte die Bediensteten einer katholischen Kirchengemeinde, die an der Verwaltung des Kirchenvermögens mitwirkten, als Beamte im strafrechtlichen Sinne definiert.1326 Dies war jedoch dem Umstand geschuldet, dass die kirchliche Vermögensverwaltung unter staatlicher Aufsicht stand, was mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche in Vermögensangelegenheiten nicht zu vereinbaren war. Die kirchliche Verwaltung ist gerade nicht Bestandteil der Staatsverwaltung. Aus diesem Grunde hat der BGH seine ursprüngliche Rechtsprechung aufgegeben und fortan konstituiert, dass Kirchenbedienstete keine Amtsträger im strafrechtlichen Sinne sind.1327 Trotz der Trennung von Staat und Kirche und der Selbstbestimmung der Kirche im Vermögensbereich erlaubt die dargestellte strukturelle, wenn auch nicht personelle Ähnlichkeit in der Vermögensverwaltung eine Anlehnung an die Grundsätze der Schadensermittlung im Rahmen der Haushaltsuntreue. Dies muss insbesondere im vorliegenden Fall eines (aufgelösten) zweckgebundenen Sondervermögens gelten, da hier nicht nur allgemeine und unbestimmte kirchliche Zwecke i. S. d. c. 1254 § 2 CIC/1983 in Rede stehen, sondern die Vermögensverwaltung von vornherein durch den konkretisierten Spenderwillen beschränkt ist. Jede andere Aufgabenwahrnehmung außerhalb des Spenderwillens erweist sich daher als unzulässig. Diesbezüglich bietet sich auch ein Vergleich mit der Stiftungsuntreue an, die sich dogmatisch nur darin von der Haushaltsuntreue unterscheidet, dass nicht die allgemeine öffentliche Gesamtaufgabe bzw. ein bestimmter Haushaltstitel, sondern der explizite Stifterwille zu erfüllen ist.1328 Aus diesem Grunde ist der Anwendungsbereich des sog. Titeltausches bei der Stiftungsuntreue im Gegensatz zur Haushaltsuntreue beschränkt, da jegliche 1324 Zur Haushaltsuntreue: BGHSt 40, 287 (294); 43, 293 (297); BGH, NJW 2001, 2411 (2413); Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 266 Rn. 115; Dierlamm, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 259. 1325 Vgl. Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 121. 1326 BGHSt 8, 273. 1327 BGHSt 37, 191. 1328 So auch Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 196.
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Mittelausgabe entgegen dem Stifterwillen rechtswidrig ist. Nach der Figur des Titeltausches scheidet ein Vermögensnachteil aus, wenn der Täter die Mittel zwar nicht für den vorgesehenen Zweck, jedoch zur „Erfüllung von Aufgaben verwendet, die der Vermögensträger gleichfalls wahrnehmen muss“ 1329 und auf diese Weise Aufwendungen erspart werden. Bei einem konkretisierten Stifterwillen kann nur begrenzt eingewandt werden, dass die Gelder zwar nicht für den hierfür festgelegten Zweck, jedoch für einen anderen noch vom Stifterwillen gedeckten Zweck eingesetzt worden sind. Dies würde eine entsprechend weite Zweckbestimmung bzw. die Verfolgung mehrerer Zwecke voraussetzen. Aus diesem Grunde bleibt vorliegend der Einwand verschlossen, die aus der Auflösung des St. Georgswerks stammenden Gelder hätten zumindest allgemeinen kirchlichen Zwecken gedient. Zwar steht vorliegend keine Stiftung, sondern ein Sondervermögen in Rede. Die von den Geldgebern in beiden Fällen jeweils festgelegte konkrete Zweckbindung des betroffenen Vermögens schafft jedoch die Grundlage für eine Vergleichbarkeit. (2) Lehre von der Zweckverfehlung Von der Rechtsprechung wurde die Lehre von der Zweckverfehlung, welche in der Betrugsdogmatik entwickelt wurde, auf die Untreue und dort insbesondere auf die Haushaltsuntreue übertragen.1330 Bei zweckwidrigem Mitteleinsatz könnte ein Vermögensnachteil daher damit begründet werden, dass „die zweckgebundenen Mittel verringert wurden, ohne da[ss] der Zweck erreicht wurde“ 1331. Vorliegend wurde der Erlös aus der Auflösung des St. Georgswerks für den Bau des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus verwendet, ohne dass damit der Zweckwidmung der Spender entsprochen wurde. Die Lehre von der Zweckverfehlung findet jedoch im Rahmen von wirtschaftlich ausgeglichenen Austauschgeschäften keine Anwendung.1332 Bei einem ausgewogenen Austauschgeschäft würde die Lehre von der Zweckverfehlung allein auf der Grundlage von enttäuschten Erwerbsinteressen schadens- und damit strafbarkeitsbegründend wirken.1333 Hierdurch würde die strafrechtliche Reichweite 1329
BGHSt 40, 287 (294 f.) – BND. Für einseitige Zuwendungen: BGH, NStZ 1986, 455 (Schulleiter-Fall); BGH, NJW 2001, 2411 (2414). 1331 BGHSt 43, 293. 1332 OLG Köln, NJW 1979, 1419 (1420); Hefendehl, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 263 Rn. 728; Fischer, in: ders. (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 263 Rn. 137; Kühl, in: Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 263 Rn. 56; Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, § 263 Rn. 214; Perron, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, § 263 Rn. 105; Satzger, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 263 Rn. 229; a. A. OLG Düsseldorf, NJW 1990, 2397 (2397 f.); BGH, wistra 2003, 457 (459). 1333 Heghmanns, ZIS 2015, 102 (106); Satzger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, § 263 Rn. 229. 1330
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der §§ 263, 266 StGB entgegen dem gesetzgeberischen Willen um den Schutz der Dispositionsfreiheit ergänzt werden1334. Darüber hinaus kann generell gegen die Lehre von der Zweckverfehlung vorgebracht werden, dass der wirtschaftliche bzw. der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff durch die Berücksichtigung von immateriellen Zwecksetzungen ausgehöhlt werden würde.1335 Es bedarf jedoch keines Streitentscheids, da ein Vermögensnachteil jedenfalls nach der Lehre vom individuellen Schadenseinschlag begründet werden kann. (3) Lehre vom individuellen Schadenseinschlag Der BGH hat die für private Vermögensinhaber beim Betrug entwickelte Lehre vom individuellen Schadenseinschlag in seiner Intendanten-Entscheidung (Urteil vom 04.11.1997 – 1 StR 273/97; BGHSt 43, 293–300) auf die Haushaltsuntreue übertragen – wenn auch nur in einem obiter dictum. Nach der Lehre vom individuellen Schadenseinschlag kommt trotz rechnerischer Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ein Vermögensschaden in Betracht, „wenn der Erwerber (a) die angebotene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann oder (b) durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird oder (c) infolge der Verpflichtung nicht mehr über die Mittel verfügen kann, die zur ordnungsmäßigen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder sonst für eine seinen persönlichen Verhältnissen angemessene Wirtschaftsoder Lebensführung unerlässlich sind“ 1336. Hieran anknüpfend hat der BGH in Bezug auf die Haushaltsuntreue festgestellt, dass unter besonderen Umständen trotz objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ein Vermögensnachteil eintreten kann, „wenn durch die Haushaltsüberziehung eine wirtschaftlich gewichtige Kreditaufnahme erforderlich wird, wenn die Dispositionsfähigkeit des Haushaltsgesetzgebers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird und er durch den Mittelaufwand insbesondere in seiner politischen Gestaltungsbefugnis beschnitten wird“ 1337. Diese Voraussetzungen sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Nach der Fehlleitung der Mittel war zur Realisierung des ursprünglichen Zwecks des Sondervermögens des St. Georgswerks keine Kreditaufnahme erforderlich. Der Bischöfliche Stuhl hat angekündigt, die Verwendung des Vermögens aus der Auflösung des St. Georgswerks rückabzuwickeln und dessen Zweckbindung wiederherzustellen.1338 Angesichts des bedeutenden Umfangs des 1334 Hefendehl, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 263 Rn. 728. 1335 Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 191 f.; Schmoller, JZ 1991, 117 (120 f.). 1336 St. Rspr. und h. Lit.; grundlegend BGHSt 16, 321 – Melkmaschinenfall. 1337 BGHSt 43, 293 (299) – Bugwellenentscheidung. 1338 Frankfurter Neue Presse, Bistum Limburg nach Skandalbischof Tebartz-van Elst: Wolfgang Rösch (http://www.fnp.de/rhein-main/limburgerbischof/Wolfgang-Roesch-
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
Gesamtvermögens des Bischöflichen Stuhls ist hierzu kein „gewichtiges“ Darlehen vonnöten. Durch die Herstellung der ursprünglichen Zweckbestimmung des Sondervermögens des St. Georgswerks wird auch nicht die Dispositionsfähigkeit oder die Gestaltungsbefugnis des Bischöflichen Stuhls beeinträchtigt. Der Bischöfliche Stuhl war durch das Bauprojekt zu keinem Zeitpunkt in seinem wirtschaftlichen Bestand gefährdet.1339 Eine bilanzielle Beeinträchtigung des Bischöflichen Stuhls lässt sich nicht feststellen, da durch den Einsatz der liquiden Mittel Anlagevermögen geschaffen wurde.1340 Der Bischöfliche Stuhl ist daher finanziell in der Lage, die Konsequenzen des medialen Skandals um die Causa Limburg – wie die Wiederherstellung der Zweckbestimmung des Vermögens aus dem St. Georgswerk – zu tragen. Die wichtigste Fallgruppe des individuellen Schadenseinschlags in Form der mangelnden individuellen Verwendbarkeit (Fallgruppe (a) der „Melkmaschinenentscheidung“) hat der BGH in seiner Intendanten-Entscheidung nicht auf die Haushaltsuntreue übertragen. Damit ist jedoch keine Absage an die Anwendbarkeit dieser bedeutenden Fallgruppe des individuellen Schadenseinschlags auf den Bereich der (Haushalts-)Untreue verbunden.1341 Der Grund liegt vielmehr darin, dass im konkret zu entscheidenden Sachverhalt nach Ansicht des BGH1342 eine zweckentsprechende Mittelverwendung gegeben war, bei der bestimmungsgemäß eine persönliche Unverwendbarkeit ausscheidet.1343 Darüber hinaus ist generell für die in der Intendanten-Entscheidung betroffenen Transferzahlungen eine mangelnde individuelle Verwendbarkeit nicht vorstellbar.1344 Die Intendanten-Entscheidung verdeutlicht jedoch, dass auch im Rahmen der Haushaltsuntreue für die Nachteilsbestimmung auf die individuellen Verhältnisse des Vermögensinhabers in Abgrenzung zu bloßen Affektionsinteressen abgestellt werden darf.1345 Die fehlende individuelle Verwendbarkeit lässt sich für den Bereich der Haushaltsuntreue und insbesondere der Stiftungsuntreue besonders rechtssicher feststellen, da durch die explizite Festlegung des Stifterwillens eine zweckentspreWir-sind-im-Heilungsprozess;art25268,866727) (geprüft am 01.04.2018); ZEIT ONLINE GmbH, Bistum Limburg: Limburger Sondertopf betrug 13 Millionen Euro (19.02. 2014 (http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-02/bistum-limburg-vermoegen-st-georgswerk) (geprüft am 01.04.2018). 1339 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 100. 1340 Abschlussbericht der Prüfungskommission (s. Fn. 3), S. 98; vgl. Bilanz vom 31.12.2012, S. 97. 1341 Im Ergebnis so auch Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 201 f.; nur für das Kriterium der objektiven Unbrauchbarkeit der Gegenleistung votierend – unter Ablehnung der Fallgruppen der Intendanten-Entscheidung: Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 234. 1342 A. A. Munz, Haushaltsuntreue, S. 154. 1343 Dies., Haushaltsuntreue, S. 153. 1344 Schünemann, StV 2003, 463 (468). 1345 Vgl. Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 201.
II. Causa Limburg
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chende Verwendbarkeit gleichsam „verobjektiviert“ 1346 ist. Aus diesem Grunde bedarf es nicht des Rückgriffs auf einen unbeteiligten objektiven Betrachter bzw. „sachlichen Beurteiler [. . .]“ 1347, da der subjektive Stifterwille und der objektiv für jedermann ersichtliche Verwendungswert für die Stiftung zusammenfallen.1348 Für das hier betroffene zweckgebundene Sondervermögen des Bischöflichen Stuhls zu Limburg kann durch einen Vergleich mit der Stiftungsuntreue der Schluss gezogen werden, dass jede zweckwidrige Mittelverwendung sich als „objektiv unbrauchbar“ 1349 erweist und dies die Grundlage des Vermögensnachteils darstellt. Zwar ist anders als bei der Stiftungsuntreue der Vermögensträger des hier betroffenen Sondervermögens der Bischöfliche Stuhl zu Limburg selbst und nicht eine rechtsfähige Stiftung als eigenständige Rechtspersönlichkeit. Für den Bischöflichen Stuhl ist der Einsatz der Gelder zum Bau des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus durchaus brauchbar und sinnvoll. Bei einer derartigen Globalbetrachtung würde jedoch die Zweckbestimmung des Sondervermögens außer Acht gelassen werden, welche dazu führt, dass das Vermögen objektiv keine sonstige zumutbare Verwendung außerhalb des festgelegten Zwecks finden darf. Das Diözesane Zentrum St. Nikolaus erweist sich als ungeeignet zur Erfüllung des ursprünglichen Zwecks des St. Georgswerks in Form der Linderung von Wohnungsnot und des Wiederaufbaus von kirchlichen Gebäuden sowie zur Erfüllung des subsidiären Zwecks, welcher in der Vornahme unmittelbar gemeinnütziger und mildtätiger Aufgaben bestand. Liegt folglich eine fehlende individuelle Verwendbarkeit nach Maßgabe des individuellen Schadenseinschlags vor, so kann der betroffene Gegenstand für die Nachteilsermittlung nicht mehr mit dem Verkehrswert, sondern nur mit dem Wiederverkaufswert angesetzt werden.1350 Soweit vorliegend unkörperliche Dienstleistungen erworben wurden, erweisen sich diese als nachträglich unverkäuflich. Der Nachteil entspricht daher vollumfänglich dem bezahlten Entgelt für die Dienstleistungen. Erworbenes Material könnte dahingegen mit einem gegenüber dem ursprünglichen Verkehrswert (wegen des Einbaus) deutlich geminderten Wert wieder veräußert werden. Auf diese Weise wäre der konkrete Vermögensnachteil zu ermitteln. Dies muss an dieser Stelle offen bleiben, da eine Berechnung eines Vermögensnachteils ohne exakte Darlegung des jeweiligen Mittelabflusses nicht möglich ist.
1346 Munz, Haushaltsuntreue, 154, 166; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 203; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 236; vgl. Saliger, in: Walz/Hüttemann/Rawert u. a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2005, S. 209 (221). 1347 So für die mangelnde individuelle Verwendbarkeit bei privaten Vermögensinhabern: BGHSt 16, 321 (326). 1348 Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 203. 1349 So für die Stiftungsuntreue ders., Stiftungsuntreue, S. 203. 1350 Schünemann, StV 2003, 463 (468); Munz, Haushaltsuntreue, S. 167 ff.
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
c) Subjektiver Tatbestand Es wäre Aufgabe eines staatlichen Ermittlungsverfahrens, zu überprüfen, ob der Diözesanbischof die zweckwidrige Verwendung und den hierdurch herbeigeführten Vermögensnachteil zumindest billigend in Kauf nahm oder fahrlässig davon ausging, dass die Verwendung der Gelder zur Finanzierung des Hauses der Bischöfe auf der Grundlage des Codex Iuris Canonici rechtmäßig war. d) Zwischenergebnis Bei entsprechendem Nachweis von vorsätzlichem Handeln wäre eine Strafbarkeit des Diözesanbischofs gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB wegen der zweckwidrigen Verwendung der Mittel aus der Auflösung des St. Georgswerks denkbar. In Bezug auf die Auflösung des St. Georgswerks selbst und die Forderungsabtretung lässt sich dahingegen kein Verstoß gegen kircheninterne Pflichtmaßstäbe feststellen. 4. Zusammenfassung Hinsichtlich der Abtretung der Anteile an der GSW-GmbH vom Bischöflichen Stuhl zu Limburg an das Bistum Limburg mit Vertrag vom 18.12.2009 käme eine Strafbarkeit des Finanzdirektors wegen Untreue in Betracht. Die Erfüllung des Missbrauchstatbestandes gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB scheidet aus, da die verletzten Alienationsvorschriften der cc. 1291, 1292 §§ 1, 2 CIC/1983 rechtliche Außenwirkung zeigen, so dass die betroffenen Rechtsgeschäfte auch nach staatlichem Recht (extern) unwirksam sind. Im Rahmen des Treuebruchstatbestandes wäre zu untersuchen, ob der Finanzdirektor eine Stellung innehat, die den Anforderungen an eine Vermögensbetreuungspflicht genügt, welche der Finanzdirektor durch den Verstoß gegen die internen Vorschriften der cc. 1291; 1292 §§ 1, 2; 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 verletzt hätte. Eine weitere Frage wirft die Kausalität der Pflichtverletzung für den Vermögensnachteil auf, da den zuständigen Aufsichtsgremien keinesfalls unterstellt werden kann, dass sie zu einem wirtschaftlich nachteiligen Geschäft ihre Zustimmung erteilt hätten; andererseits kann der Abtretung auch nicht von vornherein ein schlüssiges Gesamtkonzept im Zusammenhang mit der im Gegenzug erfolgten Schenkung abgesprochen werden. Für die strafrechtliche Beurteilung der Schenkung des Domplatzes Nr. 6, 7 vom Bistum Limburg an den Bischöflichen Stuhl zu Limburg mit Vertrag vom 18.12.2009 wäre eine Treuebruchsuntreue durch den Generalvikar denkbar. Wegen der Außenwirkung der verletzten Alienationsbestimmungen kann wiederum nicht auf den Missbrauchstatbestand zurückgegriffen werden. Der Generalvikar hat kraft seiner Mitwirkung an der unmittelbaren Vermögensverwaltung und seiner hervorgehobenen Position als mittelbarer Vermögensverwalter eine Vermögensbetreuungspflicht inne, welche durch den Verstoß gegen die cc. 1291; 1292 §§ 1; 1293 § 1 n ë 2 CIC/1983 verletzt worden ist. Der Eintritt eines Vermögens-
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nachteils des Bistums Limburg hängt davon ab, ob die infolge der Schenkung erlittene Einbuße durch einen damit verfolgten Zweck kompensiert wurde. Dies zu beurteilen, wäre Aufgabe der staatlichen Behörden durch die Aufnahme weiterer Ermittlungen. Die Vorgänge rund um das St. Georgswerk haben die meiste mediale Aufmerksamkeit erfahren, da in deren Zusammenhang eine Strafbarkeit des Diözesanbischofs wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB in Betracht käme. Es muss hierbei zwischen der Aufhebung des St. Georgswerks, der Forderungsabtretung und der Geldverwendung differenziert werden. Die interne Pflichtwidrigkeit der Aufhebung des Sondervermögens hängt von der Anwendbarkeit der diözesanen Norm des c. 1277 CIC/1983 auf einen Bischöflichen Stuhl ab. Die Forderungsabtretung ist rechtlich nicht zu beanstanden, da diesbezüglich keine Zustimmungspflichten von Organen des Bischöflichen Stuhls umgangen wurden. Durch die Verwendung der Gelder für den Bau des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus hat der Diözesanbischof jedoch gegen seine Pflicht zur Wahrung der Zweckbestimmung der Geldgeber aus c. 1300 CIC/1983 verstoßen. Hierin war auch die Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht zu sehen, welche dem Diözesanbischof als Leiter des Bischöflichen Stuhls aufgrund seiner hervorgehobenen Position als Vermögensaufsichtsorgan und unmittelbarer Vermögensverwalter mit einer Vielzahl an gesetzlich konkretisierten Sorgfaltspflichten (vgl. c. 1284 CIC/ 1983) zukommt. Der Vermögensnachteil konnte wegen der Zweckbindung des kirchlichen Vermögens in Anlehnung an die Grundsätze der Haushalts- und Spendenuntreue unter Heranziehung der Lehre vom individuellen Schadenseinschlag ermittelt werden. Die strafrechtlichen Abhandlungen verdeutlichen, dass mit der Bejahung der Anwendbarkeit des § 266 StGB noch nichts über das Ergebnis der strafrechtlichen Verfolgung gesagt ist. Neben dem je nach Fallgestaltung möglichen Fehlen von objektiven Tatbestandsvoraussetzungen bedarf es bei allen dargestellten Tatkomplexen zusätzlich des Nachweises der vorsätzlichen Handlung. Auch die in der Öffentlichkeit viel diskutierte Badewanne hat strafrechtlich keine Bedeutung, soweit sie objektiv ihr Geld wert ist und für ihre Anschaffung keine Gelder entgegen ihrer Zweckwidmung verwendet wurden. Mag eine luxuriöse Badewanne auch für eine bescheidene christliche Lebensführung unangemessen sein, so zieht deren Anschaffung nicht notwendigerweise eine Strafbarkeit nach sich. Die Erörterungen haben gezeigt, dass die Zulassung der Anwendbarkeit des § 266 StGB nur die Möglichkeit zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 StGB im kirchlichen Kontext eröffnet. Die Anwendbarkeit ist von der konkreten Normanwendung zu unterscheiden. Die Anwendung des § 266 StGB durch die Staatsanwaltschaft und das Strafgericht kann für den Betroffenen negativ (für den Fall der Verurteilung), aber auch positiv ausfallen, wenn er frei-
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
gesprochen bzw. das Verfahren eingestellt wird und er sich auf diese Weise trotz medialer Vorverurteilung gesellschaftlich rehabilitieren kann. Es ist lediglich nicht hinnehmbar, die Prüfung in der Sache am Maßstab des § 266 StGB von vornherein abzulehnen. Die vorliegende Abhandlung stellt daher kein Plädoyer für die Bestrafung von Kirchenmitgliedern, sondern für die Eröffnung der Prüfungsmöglichkeit einer Untreuestrafbarkeit im kirchlichen Kontext dar, ohne dass damit eine Aussage über den Ausgang des jeweiligen Verfahrens getroffen werden sollte. 5. Ausblick Die Causa Limburg hat in der römisch-katholischen Kirche zu einem Umdenken und dem Ruf nach mehr Transparenz und Kontrolle in der kirchlichen Vermögensverwaltung geführt.1351 So forderte beispielsweise der katholische Stadtdekan von Frankfurt, Dr. Johannes zu Eltz, die Kirche auf, Konsequenzen aus der Causa Limburg zu ziehen und trat für „eine Kultur der Fehlbarkeit in der unfehlbaren Kirche“ 1352 ein. Das Bistum Limburg selbst hat den Finanzskandal zum Anlass genommen, die Bestimmungen der Vermögensverwaltung grundlegend zu reformieren. Am 01.04.2016 trat das Artikelgesetz über die diözesane Vermögensverwaltung im Bistum Limburg in Kraft (Amtsblatt des Bistums Limburg Nr. 4/2016). Das Gesetz führt einen Diözesanvermögensverwaltungsrat ein, dessen Aufgaben bislang von der Verwaltungskammer des Bischöflichen Ordinariats und dem Diözesankirchensteuerrat wahrgenommen worden waren.1353 Des Weiteren dient das Gesetz der personellen Entflechtung der Mitglieder der diözesanen Gremien. Insbesondere galt es, etwaige Personenidentitäten in Verwaltungskammer und Domkapitel aufzuheben.1354 In den Diözesanvermögensverwaltungsrat dürfen künftig nur noch externe Ehrenamtliche berufen werden.1355 So bestimmt Art. 2 § 4 g) des neuen Artikelgesetzes, dass Mitglieder des Diözesanvermögensverwaltungsrates „nicht im kirchlichen Dienst auf der Ebene des Bistums Limburg oder des Bischöflichen Stuhls zu Limburg tätig sein“ dürfen.
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So beispielsweise Schüller, KuR 2013, 168 (169). Wagner, Forschungsjournal Soziale Bewegungen 2015, 71 (79). 1353 Bistum Limburg (Hrsg.), Grundlegende Informationen zur Diözesanen Vermögensverwaltung im Bistum Limburg (https://www.bistumlimburg.de/finanzen/neuedioezesane-vermoegensverwaltung.html) (geprüft am 17.08.2016). 1354 Bistum Limburg (Hrsg.), Grundlegende Informationen zur Diözesanen Vermögensverwaltung im Bistum Limburg (https://www.bistumlimburg.de/finanzen/neuedioezesane-vermoegensverwaltung.html) (geprüft am 17.08.2016); genauer hierzu Schüller, KuR 2013, 168 (172 f.). 1355 Bistum Limburg (Hrsg.), Grundlegende Informationen zur Diözesanen Vermögensverwaltung im Bistum Limburg (https://www.bistumlimburg.de/finanzen/neuedioezesane-vermoegensverwaltung.html) (geprüft am 17.08.2016). 1352
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Ferner wird gem. Art. 4 § 1 des Gesetzes über die diözesane Vermögensverwaltung im Bistum Limburg eine Finanzkammer des Bischöflichen Ordinariats zur Unterstützung und Beratung des Diözesanbischofs in der Leitung und Beaufsichtigung der kirchlichen Finanz- und Vermögensverwaltung eingerichtet. Das Artikelgesetz sieht zudem in Art. 5 § 1 die Einsetzung eines Ausschusses „Bau und Liegenschaften“ vor, welcher gem. Art. 5 § 2 Abs. 1 S. 1 alle Bau- und Liegenschaftsangelegenheiten kurienintern vorzubereiten hat, die aufgrund der Vorgaben des Codex Iuris Canonici und der Partikularnormen Beispruchsrechte des Diözesanvermögensverwaltungsrates und des Domkapitels auslösen. Auf der Ebene des Bischöflichen Stuhls wird nun ausdrücklich hervorgehoben, dass die Vorschriften des CIC/1983 über die Vermögensverwaltung des Diözesanvermögens und die diese ergänzenden Partikularnormen der Deutschen Bischofskonferenz auf das Vermögen des Bischöflichen Stuhls Anwendung finden (Art. 7 § 5 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die diözesane Vermögensverwaltung im Bistum Limburg). Ferner wird der noch in § 2 Abs. 1 d) des Statuts von 2011 festgelegte Zweck des Bischöflichen Stuhls zur Instandhaltung des Hauses der Bischöfe von Limburg, „das auch diözesan für Begegnungen und repräsentative (und damit kirchliche) Zwecke genutzt wird“, in dem neuen Statut nicht mehr erwähnt (vgl. Art. 7 § 2 des Artikelgesetzes). Auf diese Weise wird der Forderung des c. 1254 § 2 CIC/1983 entsprochen, der Repräsentation nicht als legitime Widmung für das Kirchenvermögen ansieht.1356 Angesichts dieser Reformbestrebungen kann man sich den versöhnlichen Worten von Manfred Grothe, dem emeritierten Weihbischof des Erzbistums Paderborn und ehemaligen Apostolischen Administrator des Bistums Limburg, anschließen, der sich im April 2014 in einem Brief mit folgenden Worten an die Gläubigen wandte: „Limburg ist ein Bistum von gesundem Selbstvertrauen und mit einer eigenen Geschichte. Es ist in den letzten Monaten in aller Welt bekannt geworden. Möge sich dies künftig auch daraus ableiten, dass ihm ein Neuanfang gelungen ist, weil es eine Krise angenommen hat und darin gereift ist.“ 1357 Auch auf gesamtkirchlicher Ebene fand eine Neuordnung der Vermögensverwaltung – insbesondere nach Bekanntwerden der Enthüllungen der zweiten Vatileaks-Affäre – statt. In seinem Motu Proprio „I beni temporali – die weltlichen Güter“ vom 04.07.2016 hat Papst Franziskus eine strikte institutionelle Trennung zwischen Vermögensaufsicht und Vermögensverwaltung eingeführt.1358 Die Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls APSA (Administratio Patrimonii Sedis Apostolicae) ist künftig allein zuständig für die Vermögensverwaltung, während 1356
Schüller, HerKorr 2014, 11 (14). Valentin, in: ders. (Hrsg.), Der ,Fall‘ Tebartz-van Elst, S. 7 (7). 1358 Papst Franziskus, Motu Proprio I beni temporali (http://w2.vatican.va/content/ francesco/en/motu_proprio/documents/papa-francesco-motu-proprio_20160704_i-benitemporali.html), S. 2 (geprüft am 01.04.2018). 1357
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D. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Untreue im kirchlichen Bereich
die aufsichtlichen Befugnisse von dem vatikanischen Wirtschaftssekretariat übernommen werden1359, welches Papst Franziskus mit dem „statuto della segreteria per l’economia“ am 22.02.2015 eingeführt hat1360. Möchte man der Causa Limburg daher etwas Positives abgewinnen, so besteht dies sicherlich in dem Anstoß zur Neustrukturierung der kirchlichen Vermögensverwaltung. Illustrativ lässt sich daher mit den Überschriften zweier Artikel der Süddeutschen Zeitung an die einleitenden Worte dieser Abhandlung anschließen: „Im Anfang war die Badewanne“ 1361 – und die „Wanne [bleibt symbolhaft] heikel“ 1362. Um weitere mediale Skandale à la Limburg zu vermeiden, wurde letztendlich den Forderungen nach Transparenz und Funktionentrennung in der kirchlichen Finanzverwaltung entsprochen.
1359 Ders., Motu Proprio I beni temporali (http://w2.vatican.va/content/francesco/ en/motu_proprio/documents/papa-francesco-motu-proprio_20160704_i-beni-temporali. html), S. 2 (geprüft am 01.04.2018). 1360 Ders., Statuti dei nuovi Organismi Economici (http://w2.vatican.va/content/fran cesco/it/motu_proprio/documents/papa-francesco_20150222_statuti-segreteria-per-eco nomia.html#STATUTO_DELLA_SEGRETERIA_PER_L %E2 %80 %99ECONOMIA_) (geprüft am 01.04.2018). 1361 Matzig, Süddeutsche Zeitung 05./06.03.2016 (S. 15). 1362 Höll, Wanne heikel, Süddeutsche Zeitung vom 30.08.2016 (S. 8).
E. Zusammenfassung Abschließend sollen die Ergebnisse der Abhandlung zusammengefasst werden: • Die Kirche verfügt über eine exponierte Stellung im Staat, da sie gem. Art. 137 Abs. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG funktional und organisatorisch von den staatlichen Einrichtungen getrennt ist. • In dem vom Straftatbestand der Untreue betroffenen Vermögensbereich zeichnet sich die Sonderstellung der Kirche insbesondere durch das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG, die Bestandsgarantie in Art. 138 Abs. 2 WRV i.V. m. Art. 140 GG und die Befugnis zur Erhebung von Kirchensteuern gem. Art. 137 Abs. 6 WRV i.V. m. Art. 140 GG aus. • Die hervorgehobene Stellung der Kirche im Staat führt nicht dazu, dass staatliche Strafnormen im kirchlichen Bereich unanwendbar sind, da die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen keinen rechtsfreien Raum für die Kirche innerhalb des Staates eröffnen und die frühere Immunität der Kleriker in Form des privilegium fori abgeschafft ist. • Die Anwendbarkeit der Normen des Strafgesetzbuches wird nicht durch das Bestehen einer eigenen kirchlichen Strafgewalt als Bestandteil des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts infrage gestellt, da sich das kirchliche und das staatliche Strafrecht grundlegend hinsichtlich der von den jeweiligen Strafnormen erfassten Regelungsbereiche, der Art der verhängten Strafen sowie des Strafzwecks unterscheiden. Soweit Überschneidungen in sachlicher Hinsicht bestehen, erweist sich die staatliche Strafgewalt aus staatsrechtlicher Sicht als indisponibel und exklusiv. Die Exklusivität der staatlichen Strafgewalt steht einer parallelen Ahndung des zu beanstandenden Verhaltens durch die Kirche nicht entgegen, da aus der Sicht des Staates die Strafvorschriften der Kirche keine Strafnormen im staatsrechtlichen Verständnis darstellen, sondern eine Ähnlichkeit zu berufsrechtlichen Disziplinarnormen aufweisen. Die kirchlichen Gerichte sind zudem keine staatlichen Strafgerichte i. S. d. Art. 92 GG, so dass die Existenz kirchlicher Gerichte keinen Verstoß gegen das in Art. 92 GG normierte Rechtsprechungsmonopol des Staates darstellt. Die Kirche versteht ihre Strafgewalt nur in Bezug auf die Anwendung der kanonischen Strafvorschriften als exklusiv und geht im Übrigen von einer konkurrierenden Zuständigkeit kirchlicher und staatlicher Gerichte aus. Gem. c. 1344 n ë 2 CIC/1983 steht es im Ermessen des kirchlichen Richters, von einer kirchenrechtlichen Strafverhängung abzusehen, soweit der Beschuldigte bereits hinreichend durch eine
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E. Zusammenfassung
staatliche Autorität bestraft worden oder eine solche Bestrafung vorauszusehen ist. Hierdurch wird die Grundlage für eine Subsidiarität der kirchlichen gegenüber der staatlichen Strafgewalt – zumindest in verfahrensrechtlicher Hinsicht – geschaffen. • In Bezug auf den Straftatbestand der Untreue besteht kein Kompetenzkonflikt zwischen dem kirchlichen und dem staatlichen Strafrecht, da sich in den cc. 1377, 1389 § 2 CIC/1983 lediglich Vorschriften finden, welche partielle Überschneidungen mit dem staatlichen Straftatbestand der Untreue gem. § 266 StGB aufweisen, ohne dass diese der Spezifik des § 266 StGB in Form der internen Angriffsrichtung aufgrund einer vermögensbezogenen hervorgehobenen inneren Machtstellung entsprechen. • Der Anwendbarkeit des Straftatbestandes der Untreue steht auch nicht die Betroffenheit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts in Vermögensangelegenheiten entgegen. • Der Eingriff darf nicht in der Aufstellung der in § 266 StGB enthaltenen Verhaltensregeln, dem auf § 266 StGB lautenden Schuldspruch oder der Vollstreckung der verhängten Strafe gesehen werden, da die Kirche wegen der fehlenden Verbandsverantwortlichkeit im deutschen Strafrecht allein in der Position als Geschädigte betroffen sein kann. Ein Eingriff kann nur in den Konstellationen vorliegen, in denen der Kirche der strafrechtliche Vermögensschutz des Staates durch die Verfolgung eines Kirchenangehörigen am Maßstab des § 266 StGB gegen ihren Willen aufgedrängt wird und kein Fall des § 266 Abs. 2 StGB gegeben ist, in dem der Straftatbestand der Untreue ausnahmsweise als Antragsdelikt ausgestaltet ist. • Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da sich § 266 StGB als ein für alle geltendes Gesetz i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG und damit als taugliche Schrankennorm erweist. • Die Schranken sind nicht unter Zugrundelegung der Bereichslehre zu bestimmen, wonach ein Außen- und ein Innenbereich zu unterscheiden und Letzterer kategorisch jeder Beschränkung durch den Staat entzogen ist. Das für alle geltende Gesetz ist vielmehr durch Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche und dem Normzweck des § 266 StGB zu ermitteln. Die Unterscheidung eines Innen- und Außenbereichs nach Maßgabe der Bereichslehre erweist sich als nicht tragfähig, da eine trennscharfe Abgrenzung der einzelnen Bereiche nicht möglich ist und nur durch eine Abwägung jedem konkreten Einzelfall in allen Facetten Rechnung getragen werden kann. Eine Katalogisierung der vom Selbstbestimmungsrecht erfassten eigenen Angelegenheiten in einen Innen- und Außenbereich brächte es mangels einer klaren Grenzziehung mit sich, dass bestimmte Vermögensgruppen willkürlich der Regulierung durch den Staat entzogen wären. Entgegen der herrschenden Literatur darf der Vermögensbereich auch nicht pauschal dem Außenbereich zuge-
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ordnet werden, da auf diese Weise den mannigfaltigen Vermögensbestandteilen und deren unterschiedlichen Schutzwürdigkeit nicht ausreichend Rechnung getragen wird. • Die Abwägung zwischen der eigenständigen Behandlung vermögensbezogener Angelegenheiten durch die Kirche gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG und dem strafrechtlichen Schutz des Vermögens durch § 266 StGB fällt zugunsten der Anwendbarkeit des § 266 StGB im Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts der Kirche aus. • Die Systematik des Strafgesetzbuches verdeutlicht durch die Normierung „echter“ und „unechter“ Religionsdelikte, dass Religionsgemeinschaften einen besonderen strafrechtlichen Schutz genießen. Es wäre systemwidrig, das kirchliche Vermögen entgegen dieser im Gesetz angelegten Privilegierung vom Anwendungsbereich einer allgemeinen Strafnorm wie § 266 StGB auszunehmen. • Die Aufdrängung des Vermögensschutzes durch den Staat weist demgegenüber eine geringe Intensität auf, da aufgrund der limitierten Akzessorietät des Untreuetatbestandes an die kircheninternen Pflichtmaßstäbe angeknüpft und auf diese Weise den innerkirchlichen Normen zur Justiziabilität nach staatlichem Strafrecht verholfen wird. Bei der Auslegung der kirchenrechtlichen Vorschriften ist das staatliche Gericht in den Grenzen der Willkür an die Rechtsprechung bzw. Gutachten kirchlicher Gremien gebunden, ohne dass diese auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden dürfen. Da den staatlichen Gerichten bei der inzidenten Anwendung der kirchlichen Normen kein Beurteilungsspielraum zukommt, kann hierin kein unverhältnismäßiges Eindringen in kircheninterne Angelegenheiten gesehen werden. • Es wäre inkonsistent, die Kirche als Geschädigte von der Anwendbarkeit des § 266 StGB auszunehmen, während andere Straftatbestände wie die §§ 242, 246, 263 StGB auch bei kirchlichen Sachverhalten unbestritten Geltung beanspruchen. Die genannten Normen sind mit dem Straftatbestand der Untreue vergleichbar, da diese ebenso den vom Selbstbestimmungsrecht erfassten Vermögensbereich betreffen, ihre Rechtsgüter mit dem von § 266 StGB geschützten Vermögen zumindest teilidentisch sind und ihre jeweiligen Tathandlungen mit einem Untreueverhalten in einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne zusammenfallen können. Die Negation der Anwendbarkeit des § 266 StGB bei gleichzeitiger Bejahung der Geltung der §§ 242, 246, 263 StGB im kirchlichen Bereich würde eine sachgrundlose Ungleichbehandlung darstellen. • Ein struktureller Vergleich der Kirche mit anderen Gesellschaftsgruppen wie den Sportverbänden macht deutlich, dass ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Selbstbestimmungsrecht und ein eigenes Sanktionensystem nicht die Exemtion von der Anwendbarkeit des § 266 StGB zu rechtfertigen vermögen. Organisationsspezifische Besonderheiten müssen auf der Ebene der Normanwendung Berücksichtigung finden, dürfen jedoch keinesfalls zur Ablehnung
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E. Zusammenfassung
der Normgeltung und damit zu einem rechtsfreien im Gegensatz zu einem bloß rechtsärmeren Raum führen. • Auch die fehlende Berührung von Individualinteressen rechtfertigt keine andere Beurteilung der Anwendbarkeit des § 266 StGB im kirchlichen Bereich, da ein rein interner Verstoß gegen Binnenrecht ohne die Betroffenheit von Außenstehenden wesensmäßiges Merkmal des Untreuetatbestandes darstellt. • Innerkirchliche Angelegenheiten dürfen nicht vom Anwendungsbereich des § 266 StGB ausgenommen werden, da andernfalls die von § 266 StGB intendierte Schutzfunktion gerade bei den erhöht schutzwürdigen innerkirchlichen Vermögensbestandteilen ins Gegenteil verkehrt werden würde. • Eine Exemtion der Kirche von der Geltung des § 266 StGB würde auch bei anderen Gesellschaftsgruppen zu einem Umdenken führen und Forderungen zugunsten einer Entwicklung des § 266 StGB zu einem absoluten Antragsdelikt Vorschub leisten. Die Ausgestaltung des Untreuetatbestandes als absolutes Antragsdelikt würde zu einer Effizienzminderung der Strafvorschrift führen und die erhöhte kriminalpolitische Bedeutung des § 266 StGB für den Bereich von Wirtschaftsstraftaten unterlaufen. • Bei der Schaffung einer Ausnahme von der Untreuestrafbarkeit für die Kirche würde auch in anderen Gesellschaftsbereichen die Normgeltungsanerkennung gegenüber § 266 StGB schwinden und die Frage nach der Legitimation der Untreuestrafbarkeit aufgeworfen werden. • Erweist sich § 266 StGB auch im konkreten Einzelfall im Rahmen der Schranken-Schranken als ein zulässiges für alle geltendes Gesetz i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV i.V. m. Art. 140 GG, kann der Straftatbestand der Untreue vor den staatlichen Gerichten als Entscheidungsmaßstab herangezogen werden. Die Zuständigkeit staatlicher Gerichte beurteilt sich nach der Reichweite des für alle geltenden Gesetzes, so dass mit der Einstufung des § 266 StGB als taugliche Schrankennorm unweigerlich die Aussage verbunden ist, dass die staatlichen Gerichte zu dessen Prüfung befugt sind. Lediglich das Maß der Justiziabilität wird durch die Bindung der staatlichen Gerichte an kirchliche Entscheidungen eingeschränkt. • Dogmatisch darf diese Problematik nicht unter dem Stichwort eines „verfassungsrechtlich begründeten Befassungsverbots“ erörtert werden, sondern die Entscheidungskompetenz des Gerichts ist durch eine konsequente Anwendung der Schrankenregelung des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV als materielle Frage zu Beginn der Begründetheit aufzuwerfen. • Die infolge der Anwendbarkeit des § 266 StGB eröffnete Normanwendung bzw. Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 StGB muss unter Berücksichtigung der Besonderheiten des kanonischen Kirchenrechts vorgenommen werden. Im Rahmen des Missbrauchstatbestandes gem. § 266 Abs. 1
E. Zusammenfassung
293
Alt. 1 StGB ist insbesondere darauf zu achten, ob der Verstoß gegen kircheninterne Pflichtmaßstäbe auch in der staatlichen Rechtsordnung Außenwirkung zeigt, so dass die für § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB erforderliche Diskrepanz zwischen internem Dürfen und externem Können verneint und auf den subsidiären Treuebruchstatbestand gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB zurückgegriffen werden muss. • Aufgrund der Zweckgebundenheit des kirchlichen Vermögens und der Formalisierung der kanonischen Vermögensverwaltungsvorschriften bietet sich für die Ermittlung des Vermögensnachteils eine Anlehnung an die Grundsätze der Haushalts- und Spendenuntreue an. • Durch die Einbeziehung des kirchlichen Vermögens in den Schutzbereich des § 266 StGB wird Verstößen gegen innerkirchliche Rechtsvorschriften Justiziabilität nach staatlichem Recht beigelegt. Der Staat verhilft auf diese Weise den kircheninternen Vorschriften zur maximalen Geltungskraft. Ohne die Bejahung einer staatlichen Sanktion bliebe die Rechtserheblichkeit von innerkirchlich pflichtwidrigem Handeln ungewiss.
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Sachverzeichnis Abwägungslehre 155, 157, 158, 159, 160, 173, 174, 175, 176, 180, 217, 229, 232, 233, 234 alienatio 109, 110, 111, 113, 254, 263, 264 Ämterhoheit 79, 141 Angelegenheiten – außerkirchliche 144, 150, 174 – eigene 32, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 48, 136, 137, 138, 144, 145, 146, 147, 148, 155, 156, 157, 162, 172, 173, 178, 181, 182, 197, 207, 214, 231, 233, 234, 290 – gemeinsame 145, 148, 151, 153, 162 – innerkirchliche 144, 155, 157, 161, 172, 173, 185, 198, 218, 219, 220, 231, 234, 292 Antragsdelikt 56, 180, 220, 221, 222, 223, 292 Außenbereich 144, 145, 146, 147, 148, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 157, 162, 173, 174, 178, 197, 200, 215, 218, 229, 232, 234, 250, 290
Disziplinarrecht 64, 77, 79, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 95, 97, 133, 141, 210, 289 Doppelbestrafungsverbot, ne bis in idem 97, 100, 209
Befassungsverbot, verfassungsrechtlich begründet 168, 226, 227, 228, 229, 230, 292 Bereichslehre 144, 145, 146, 148, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 162, 172, 173, 178, 197, 200, 217, 229, 231, 232, 234, 250, 290 Betrug 204, 205 Beugestrafe 61, 81, 82, 83 Bischöflicher Stuhl 257, 271 brachium saeculare 73, 84 Bußsakrament 61, 64, 87, 121
Kathedralkapitel 118, 254 Kirchengutsgarantie 42, 44, 45, 46, 47, 137, 140, 141 Kirchenrecht – autonomes Kirchenrecht 34, 189, 194 – eigenständiges Kirchenrecht 34, 190 Kirchensteuer 30, 34, 49, 50, 51, 52, 125, 147, 151, 175, 190, 216, 289 Kirchenvermögen nach kanonischem Recht, bona ecclesiastica 39, 108, 115, 149 Kultusvermögen 150, 154, 216, 225
Diebstahl 170, 183, 202, 203, 204, 205 Diözesanvermögensverwaltungsrat 118, 263, 286, 287
Eingriff 46, 47, 58, 137, 138, 139, 140, 141, 155, 175, 177, 179, 181, 185, 197, 201, 217, 225, 229, 290 Finanzvermögen 45, 149, 150, 250 Haushaltsuntreue 248, 278, 279, 280, 281, 282 Heckel’sche Formel 143 Individueller Schadenseinschlag 281, 282, 283, 285 Innenbereich 146, 147, 148, 151, 152, 155, 157, 160, 162, 168, 173, 174, 197, 198, 200, 218, 219, 290
Legalitätsprinzip 57, 75, 76, 99, 168, 169, 179
Sachverzeichnis licentia 108, 109, 112, 113, 114, 116, 120, 122, 127, 131, 255, 259, 260, 261, 263, 264 Limburg 19, 20, 21, 23, 144, 160, 165, 166, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 175, 178, 179, 196, 197, 200, 202, 214, 220, 226, 231, 234, 236, 248, 249, 250, 251, 253, 254, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 275, 276, 278, 279, 282, 283, 284, 285, 286, 287, 288 mensa episcopalis 257, 258, 271 Offizialdelikt 140, 221, 222 Offizialprinzip 55 patrimonium liberum 116, 273 patrimonium stabile 115, 116, 253 Pflichtwidrigkeit 106, 107, 122, 128, 174, 177, 187, 191, 194, 195, 198, 215, 218, 236, 238, 240, 241, 243, 245, 246, 247, 248, 251, 253, 260, 261, 262, 272, 285 privilegium fori 71, 72, 73, 74, 75, 99, 289 Rechtsprechungsmonopol 91, 92, 95, 99, 289 Religionsfreiheit 26, 27, 30, 31, 79, 143, 182 res mixtae 77, 79, 95, 96, 231 res sacrae 45, 150, 154, 155, 160, 174, 218, 262 Romgrenze 117, 119, 254 Selbstbestimmungsrecht – der Kirche 32, 34, 64, 93, 124, 136, 141, 143, 160, 162, 171, 178, 181, 185, 186, 250, 262, 270
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– der Sportverbände 207, 214 Societas perfecta 63, 217 Spendenuntreue 285, 293 Spruchstrafe 82, 83, 121, 132 Stiftungsuntreue 279, 282, 283 Strafgewalt – der Kirche 22, 60, 62, 63, 65, 66, 70, 74, 75, 76, 81, 90, 91, 99, 100, 135, 171, 179, 200, 203, 231, 289 – der Sportverbände 207, 208, 214 – des Staates 21, 22, 53, 55, 56, 58, 63, 71, 75, 76, 81, 90, 91, 94, 99, 100, 137, 171, 179, 188, 216, 217, 225, 232, 289, 290 Sühnestrafe 81, 83, 84 Tatstrafe 81, 82, 83, 84, 121 Tebartz-van Elst 166, 167, 168, 170, 172, 173, 175, 196, 234, 236, 269 Trennung von Staat und Kirche 28, 31, 43, 50, 79, 94, 279 Vermögensbetreuungspflicht 103, 104, 105, 106, 107, 129, 131, 134, 135, 187, 189, 190, 191, 204, 205, 219, 237, 238, 241, 242, 243 – des Diözesanbischofs 275, 276, 277 – des Finanzdirektors 256 – des Generalvikars 264, 266 Vermögensnachteil 107, 130, 131, 181, 205, 248, 258, 268, 278, 280, 281, 283 Verwaltungsvermögen 45, 149, 150, 154 Wechselwirkungslehre 156, 159 Zweckverfehlungslehre 268, 280, 281