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German Pages 140 [159] Year 1922
TURNIERPRAXIS FÜR
EIN BUCH E R N S T E S SPIEL VON
FRANZ GUTMAYER Motto: "Was nicht ist, das kann noch werden, Rasch und hoch ist Heldenbrauch; Was ein anderer kann auf Erden, Ei bei Gott, das kann ich auch. F. G ri 11 p a r z er
MIT V I E L E N D I A G R A M M E N U N D E I N E M BILDNIS
TENAROFF
CAPABLANCA WEISS Z I E H T UND
GEWINNT
Berlin und Leipzig 1922 Vereinigung wissenschaftlicher Walter de Gruyter ®
Verleger
Co.
vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung :: J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung :: Georg Reimer :: Karl J . Trübner :: Veit & Comp.
Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechta,
l>ruck von Metzger & Wittig in Leipzig.
vorbehalten
In V e r e h r u n g und B e w u n d e r u n g dem WELTMEISTER
R. C A P A B L A N C A ZU
HAßANA
g e w i d m e t vom V e r f a s s e r
f ranz
G u t i n a ver
Vorwort. Dieses Buch handelt vom praktischen Schachspieler und da die Schachpraxis im Turnierspiel gipfelt, vom Turnierspieler. Nur das ernste Spiel hat Kunstwert, das leichte, leichtfertige nur Augenblickswert, wenn es der Unterhaltung, dem Geldgewinne dient. Mit vollem Ernste spielt man aber gewöhnlich nur im Turniersaale unter dem Drucke der Lage. Man soll Rechenschaft ablegen über sein Können. Rivalität, Ehrgeiz, Ruhmsucht treiben uns an, unser Bestes zu tun. Der Drang der Schicksalstunde verdoppelt, verzehnfacht unsere Kräfte. Hier nur kann der Schachpraktiker beweisen, w a s in ihm steckt. Hier muß er den Beweis der Kraft erbringen. Kein anderer gilt. Es fehlt an einem Buche über den Schachpraktiker. Die anderen Bücher reden nur von Schachtechnik, Schachkunst, Schach Wissenschaft. Aber das Handeln ist im Schach der erste Paktor, — das Wissen erst der zweite. Das Handeln prüfen, leiten, bestimmen ist vielleicht verdienstlicher als das Wissen mehren und das ist der Vorwurf dieses Buches. Ich habe die charakteristischen, drastischen, besten Beispiele aus der Schach praxis der Jahrhunderte ausgesucht, um die Grundsätze, die ich gebe, die Ansichten, die ich vertrete — glänzend zu beweisen durch die Gewalt und Macht der Tatsachen. Ich hoffe, daß jeder, der dieses Buch liest, mit einem anderen Begriff von echter Schachkunst herauskommt, als es ihm bisher möglich war. Trage ich nicht eigentlich die Schachkunst M o r p h y s vor, so weit sie mitteilbar ist? Dadurch stehe ich abseits von
VI
Vorwort.
meinen Zeitgenossen, die einer Gegensatzkunst huldigen. Ich habe die Kritik gegen mich, aber das große Publikum und den größten Schachgenius für mich. Grund genug, zufrieden zu sein und heiter und frohen Mutes in die Zukunft hinein zu schauen. Ich will dieses Buch dem neuen Weltmeister widmen, weil ich glaube, daß mit seinem Auftreten die heutige Dekadenzperiode als überwunden gelten kann. Echte Schachkunst lebt wieder auf. Es kommt ein neuer Frühling. Nur das diesmal die Frühlingswinde aus Amerika und Rußland herüberwehen. Gleichviel, sie sind uns immer hochwillkommen. Sie erfüllen unsre Brust mit Hoffnung, unser Herz mit Freude. Unsere Sehnsucht wird gestillt, unsere Träume erfüllt. I n n s b r u c k , Universitätsstr. 6, im Dezember 1921. Franz Gutmayer.
Inhalt. Seite
D a s p r a k t i s c h e Handeln
1
D a s k o m b i n i e r t e Handeln
10
E l e m e n t e (los kombinierten Handelns
18
D i e großen Mittel der K u n s t
21
D i e Z e i t als F a k t o r der W i r k u n g
30
D i e Zahl als F a k t o r der W i r k u n g
38
D i e großen Z w e c k e und Z i e l e der K u n s t
.
Zertrümmerung des befestigten Notstandes
43 44
D i e Abzugskonstelliition
53
D i e Doppelangriffskonstellation
58
D i e E r o b e r u n g de, F i g u r im Detileestand
.
81
D i e U m w e r t u n g des B a u e r n
68
Ü b e r Prinzip und Methode im praktischen S p i e l e
78
D e r leichte Ü b e r b l i c k
84
D e r T a k t des Urteils
92
D e r Spidcharakter D a s Genie Turnierpraxis
99 103
. . .
109
Turuiermaximen
118
Schlußwort
12ß
Das praktische Handeln. Die Schachkunst ist eine durchaus praktische Kunst, wo alles auf — die Handlung, die Ausführung, die Leistung ankommt, wo die schönsten, tiefsinnigsten, gehaltreichsten Pläne unnütz und wertlos sind, wenn sie mangelhaft, ungeschickt, linkisch und läppisch durchgeführt werden, wo M i t t e l und Z w e c k e auf gleicher Höhe stehen müssen. Man kann sie daher eigentlich durch das Studium aller möglichen, j e gegebenen Regeln doch nie erlernen, sondern nur durch Übung, Erfahrungen und die eifrige Nachahmung großer Vorbilder. Das Handeln im Schach ist eben die höchste Art von Handeln Die praktische Schachpartie ist eine — der wechselvolle Kampf. lange Kette von W e c h s e l w i r k u n g e n lebendiger Kräfte, die notwendig dem Gesetze der Kausalität unterliegen und in unabänderlichen, engen Schranken walten und wirken. Da ist für schrankenlose Willkür kein Spielraum. Es herrscht das eiserne Gesetz der Notwendigkeit und keine Missetat am Schachbrette begangen, bleibt ungerächt. Das ist ein töricht falscher Wahn zu glauben, man könne am Schachbrette die ungemessenen, regellosen Träume einer erregten Phantasie verwirklichen. Nein und nochmals nein. Man ist hier nie Herr der Ereignisse, die streng an der ewigen Kette von Ursache und Wirkung verlaufen, Wer sich den Umständen anpaßt, unterwirft, sich von ihnen leiten läßt, und das voll nimmt und mit starker Hand festhält, was ihm das Glück der Stunde gibt, was ihm der günstige Augenblick gewährt, das ist der Meister in dieser Kunst. Der, welcher den Umständen Gewalt antun will — ewiger Stümper. Die Schachpartie ist nie und nimmermehr ein Baugrund für — Luftschlösser und Kartenhäuser, sie ist hingegen ein fruchtbares gesegnetes Feld für den Scharfblick, der die Verkettungen und Verknotungen am Brette bis in die feinsten Wurzeln, Adern und Ausläufer zu verfolgen vermag. Man verliere nie aus dem Auge, daß Endzweck und Endziel der Schachpartie ist: — das N i e d e r w e r f e n des Gegners, das G u t m a y e r , Turnierpraxis.
1
2
Das praktische Handeln.
B r e c h e n seines Willens! Ihr Wesen ist der erbitterte Kampf, ihr großes Mittel — der G e w a l t a k t . Nur der Starke wird das Schicksal zwingen, wenn der Schwächling untersinkt. Die Schachpartie ist das Gebiet der Unsicherheit, des Zufalls, der Gefahren. Wer wollte hier alle Möglichkeiten ausschöpfen, alle Fährnisse überblicken. Helle Augen, kühner Mut und hoher Geist sind gleich nötig. Der ist weit fortgeschritten in der Kunst, der begriffen hat, daß er die eigenen Bewegungen am Brette richten muß nach denen seines Gegners — nicht nach — seinen Einbildungen und daß im Schachkampfe alles relativ — nichts absolut ist. Jede Schachpartie ist eine dramatische Handlung, die Anfang, Mitte und Ende hat. Der gegenseitige Aufmarsch der Kräfte — die Exposition, das Wechselspiel feindlicher Mächte — der Knoten, die dadurch heraufbeschworene Krise und Katastrophe — die endgültige Lösung. Die Schachkunst ist die Kunst, sich der g e g e b e n e n M i t t e l im Kampfe auf die höchste, energischste Art zu bedienen. Und da ihr Wesen — Kampf ist, so ist der A n g r i f f ihr auserlesen bestes Mittel und wirksamstes Prinzip. Wer die Himmelshöhe dieser Kunst erreichen will, für den gibt es nur einen Weg: — die Meisterpartien eines großen Schachkönigs -— z. B. M o r p h v s — nachspielen und immer wieder nachspielen und überdenken, sich nach ihm bilden. Das einzige Mittel, in die Geheimnisse der Kunst schnell, sicher, unaufhaltsam einzudringen. Der so aufgeklärte, erhellte Sinn wird dann die dem großen Schachkönige entgegengesetzten Maximen und Grundsätze der sogenannten Groß- und Weltmeister mit Verachtung zurückweisen. Die Schachpartien M o r p h y s sind der vollständigste, vollkommenste Lehrkursus über die großen Regeln der Kunst. Die Grundsatze für Angriff und Verteidigung gehen, fließen, springen daraus hervor, wie die Quelle aus dem Felsen. Aber alles das gelingt nur, wenn man im tiefsten Herzen — das heilige Feuer, die große Leidenschaft für diese Kunst trägt, wenn edler Ehrgeiz und nicht verächtlicher Geldgeiz in der Brust wohnt — die Liebe zum Großen und die Verachtung des Gemeinen. Ich erinnere mich noch aus meinen Lehr- und Wanderjahren, daß ich mit einer gewissen Scheu, Unsicherheit, Zaghaftigkeit jedesmal den Turniersaal betrat. Häßlich widerwärtige Gefühle, welche die Jungschächer leicht erleben und die viele Altschächer ins Grab mitnehmen. Vor meinen blinden Augen war es noch Nacht. Ich sah keinen sicheren, versprechenden, verheißungsvollen Weg zum Gewinn.
3 Freilich, wenn mein Gegner starke Fehler, grobe Versehen verbrach, dann konnte ich über ihn triumphieren. Armselige Aussicht auf eine ungewisse, höhlich zweifelhafte Zakunft, wo Glück und Zufall alles taten, meine Kunst nichst. Für solche Zufallssiege und Glücksgewinne hatte ich nur ein verächtliches Achselzucken. Ich wollte den ehrlichen, echten, wahren Sieg durch die großen Mittel der Kunst — den geistigen Sieg, nicht den nach der Art abscheulicher Patzer. Und ich fragte mich oft, w i e ist diese hohe Art von Partiesieg denkbar, möglich, erreichbar und fand damals keine erlösende Antwort. Die Bedingungen, die Mittel des Kampfes waren für mich und meinen Gegner dieselben. Wind und Sonne waren in diesem Zweikampfe gleich verteilt. Ich sah keine Möglichkeit auf eine höhere Art zu gewinnen, als durch Ausgleitungen meines Gegners. Aber war es nicht eine Fata morgana, die mich äffte, wie sie der durstende Wüstenreisende erlebt, der Wasser sucht, Wasser — sieht und Sand findet? Vielleicht gibt es gar keinen anderen Weg zum Gewinn, als auf Fehler der Gegner zu harren, zu warten, zu lauern mit der langen Geduld der Groß- und Weltmeister? Damals hatte ich M o r p b y noch nicht gefunden, noch nicht endeckt. Ich stieg zu den Höhen der Kunst hinauf — ohne Bergführer. Damals war ich fast — Neinsager. Heute bin ich entschiedener, überzeugter, bekehrter Jasager. Ja und tausendmal ja, es gibt für den ehrlichen, echten, wuchtig wertvollen Sieg Mittel und Weg: — das k o m b i n i e r t e H a n d e l n . Zukertort.
Tarrasch.
1. . Dd7 ?? Ein scheinbarer, natürlicher Defensivzug, der auf einen kleinen Machtzuwachs außerdem aspiriert — in Wirklichkeit ein schlimmes Versehen, das den Schwarzen in böse Ohnmachtszustände stürzt, Mangel am coup d'oeil. So wichtig ist das scharfe Sehen der kausalen Verhältnisse am Brette. Hier blind sein, heißt verloren sein. 2. Se6ü Eine scheinbar harmlose Ver-
1*
4
Das praktische Handeln.
änderung. Aber der d-Bauer wird — t o t e F i g u r und damit ist das Schicksal des Springers besiegelt. 2. . . . 3. T e 4 !
fe:
3. Auf: 3. 4. 5.
Se6ü — ... Dd5f Df5
Auf 2. . . . De6 auch 3. Te4. Aufgegeben.
Ke6 KfG
Pillsbury.
Tarrasch.
II
k
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Sliowalter.
1. . . .
W . v. Holthausen,
l.
...
Sd7??
Es gehört zu den dümmsten Sachen, seine Figuren — tot zu machen (Dd8). Dahinter lauert oft das Verhängnis. Der Enge folgt die Bedrängnis. 2. Lf7+Ü Nützt gut die Sottise aus und geht als Sieger nach Haus. Ein Angriffstor für den Springer bricht er auf, die Dame geht darauf. 2.
...
Sonst Se6.
Kf7
Dl'2??
Eine kolossale Dummheit: — mit einer toten Figur ziehen, agieren, handeln, als war siü lebendig. Sie muß doch das Matt (Td8 4 ; ) decken. Ist also S c h u t z f i g u r , also mausetot. Aber sie hält doch Richtung ein. Ich sagte nicht nein, würde die Verkettung von den Dingen, sie nicht zu einer zweiten Schutzrolle zwingen. 2. Te2ü Der A-propos-Zug. Die Dame beißt nicht — ist t o t e Figur und ein siegreicher Doppelangriff kommt herauf. K a u s a l e r Notstand! Der Turm i s t unrettbar verloren.
l>as p r a k t i s c h e
2. . . . Pf3 3. Tg2 Die Dame kann nicht wieder schlagen. Ainatrur.
5
Handeln.
3. Kg5 Gleichviel was er tut. Der König ist t o t e Figur jetzt, muß das Feld h4 dem Turme wehren. 3. . . . Th4ü Und er bewegt sich doch. 4. Kh4 g5f!! 5. Kg5 Kg7 und gewinnt.
TL BL fei m
Wm wm
baskc
l. ... 3+ E r ist. selbstverständlich tot verloren, aber Angriff — ist Veränderung, Wechsel in der Verkettung der Dinge. Auch noch dann, wenn er v e r z w e i f e l t e r A n g r i f f ist. Der Gegner muß zwangsweise ziehen. Kann er nicht ausgleiten, straucheln, fallen — noch auf ebenen Boden? Dieses Beispiel ist Beweis und Beleg. 2. Kg4?? Eine kolossale Dummheit. Er r u f t eine Verkettung der Dinge herauf, die dem Gegner ein großes Mittel in die Hand spielt, sich zu retten — den Z e i t v o r s p r u n g einmal, zweimal wiederholt. Das wirkt wie Blausäure, das tötet auf der Stelle (2. Kf2ü). 2. . . . Tcifü Jetzt ist der Angriff nicht mehr verzweifelt, eher verteufelt.
Scbluchtcr. 1. TglV? Ein wahnsinniger Fehler. Er dreht sich selbst den.Strick. Er gestattet dem Gegner eine furchtbare A b z u g s k o n s t e l l a t i o n gewaltsam aufzubauen durch die großen Mittel der Kunst. 1. . . . Dglü 2. K g l Tb2f ; 3. Tb8 Der Mangel an coup d'oeil. j Er durchschaut nicht die Ver! kettung der Dinge und gerät in eine böse Schlinge. Man muß ' das Auge erziehen und o b e r f l ä c h l i c h e s Spiel fliehen. j
6
Das praktische Handeln. Rubinsteiu.
Duras.
1. Le6?? Er verkennt, daß der Turm (dl) eine t o t e Figur ist — Schutzfigur für den Springer. Also nicht d o p p e l t wirken kann. 1. . . . Tbl! Nützt den Fehler aus und geht als Sieger nach Haus. Ist so ein Sieg auch ein Gluckstreft'er nur. Es freut einem doch die glückliche Kur.
1. . . . Tg8 2. Tb3?? Er übersieht ganz, daß der Turm Schutzfigur ist, die das Matt (Del 4=) deckt. Welcher Mangel an coup d'oeil, an Scharfblick für die Verkettung der Dinge. Man sieht, wohin diese Art von Blindheit führt — direkt ins Verderben. Die Schutzfigur wird vernichtet, er ist zugrunde gerichtet. 2.... Tgi+; 3. Sgl Del 4= Schutzfigur ist ein heikles Ding, denke Niemand von ihr gering. Von ihr hängt ab das Schicksal der Partie — das vergesse man auch nie. Thomas.
Alecbiu
Capablanca.
1. Da8?? Oberflächliches Spiel. Er übersieht, daß jetzt seine Dame t o t e Figur wird, Schutzfigur (wegen Tb8) und sich obendrein in kausalem Notstande befindet.
7 E r gibt dorn Gegner einen brillanten G e g e n a n g r i f f in die Hand, der ihn umwerfen müßte, hätte dieser Augen im Kopfe. Aber die Panik ruiniert ihn. Der falsche Augensehein nimmt ihm alle Geistesgegenwart. — Er gibt auf — es ist zum Totlachen — ein siegreiches Endspiel. 1. . . . Ta2ü 2. Te8 Ta8 3. Ta8 Ta8 und gewinnt das Endspiel. Aber Weiß konnte einen echten Schachsieg feiern, keinen Glückstreffer, Zufallssieg. Beweis: 1. Te8! Vernichtet eine S c h u t z f i g u r und macht die gegnerische Dame t o t (wegen T b 8 ^ ) . Nun konnte er mit einen köstlichen stupenden Doppelangriff dann fortsetzen. 1. . . . De8 2. Da4!ü E r gewinnt Turm und Partie.
1. . . . Tb8 2. Da7 Ta8 Diese Gier und Sucht nach m a t e r i e l l e r Ubermacht macht ihn blind f ü r die Gefahr. 3. Dc5?? Es stellt sich heraus, daß nicht kühner Wagemut sein Tun leitet, sondern Mangel an Optik. Er durchschaut nicht die V e r k e t t u n g der Dinge, sieht nicht, daß der Läufer S c h u t z figur ist, also t o t e Figur, daß man darauf sich nicht stützen kann und darf. 3. . . . Th2+! Das ist der leichte Gewinn. Der Sieg durch grobe Fehler des Gegners. Immerhin ist die Art der Ausnützung glänzend. Die energische Verfolgufag gegnerischer Mißgriffe ist in solchen Fällen Ersatz für Mangel an kombiniertem Handeln. Ein solcher Sieg stinkt wenigstens nicht. 4. Lh2 Dc5 Spielmann.
Anderssen.
Capablanca.
Knorrc.
1. L e i ! Die Verführung zu einer ko-
8 lossalen Dummheit. Er gibt ihm Gelegenheit zu einer lächerlichen, absurden Drohung ohne Tiefgang (Tf2??). Aber man soll nie tun, was der Gegner wünscht und will. Er hat kein Auge f ü r die Verkettung der Dinge. Natürlich muß der T u r m hinauf (Td8). Es droht ein starker Gegenangriff. Der t o t e Figuren hervortreibt (Lf4!). Ein Bauer mehr, — ein Doppelbauer ist noch keine gewonnene Partie. 1. . . . Tf2?? 2- Lf4! Dd8 Jetzt ist die Dame doppelt Schutzfigur, also doppelt t o t (Punkte c8 und e7). Die Katastrophe ist da. Diese Konsequenz hat er nicht gesehen der enge Blick. 3. Te7ü Df8 4. Dg7ü Jetzt kommt eine r e l a t i v e Übermacht herauf. Er nützt sie glänzend aus. E i n e Schutzfigur wird abgeschlacht. Die Angriffsfigur mehr entscheidet. 4. . . . Dg7 5. Te8 Dg8 6. L e 5 ^
1. . . . Dg2?? Die Mücke fliegt auf das Licht zu und verbrennt sich die Flügel, der kurzsichtige Schachpraktiker — auf die g l ä n z e n d e Kombination! Aber ihre Rechtfertigung liegt j e n s e i t s ihrer selbst. Das k o m b i n i e r t e Handeln ist nicht so
Swiderski.
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Marshall.
einfach. Das Augenmerk m i ß auf das Ganze gerichtet sein — auf den Zusammenhang, auf cie Verkettung der Dinge. Sonst tappt man im Dunkeln oder folgt wie hier einem lirlicht, daß geradeaus in den Sumpf führt. Hat M a r s h a l l auf cie Kurzsichtigkeit des Gegners gespielt, auf sein oberflächliches Spiel? Das bleibt zweifelhaft. Aber er hat die Sotisse voll uad ganz ausgebeutet, das verlaufene Pferd eingekreist und abgeschlachtet. Der Scharfblick für die Verkettung der DiDge. 2. Kg2 Seyf 3. Kf3! Sdl 4. c4ü Jetzt ist das Roß t o t . Der nächste Zug (Ke2) bringt es — in N o t . 1. T d l ? ? Er greift wirklich an mit einer mausetoten Figur. Welcher Skandal, welche Dummheit! Er durch-
Das praktische Handeln. Rubin.-teiii.
0
m„ Jm^m^ 'Jß' wMwß Zukerlort.
Sc!) Iccliti'i".
StcMIlitZ.
s c h a u t n i c h t die V e r k e t t u n g d e r Dinge am Brette. Aber damit h a t e r D;ime u n d P a r t i e verloren. W a r u m ist der T u r m t o t ? — W e i l die D a m e als Schutzf i g u r (sie deckt das Matt Dc'2=)=) im k a u s a l e n N o t s t a n d steht (es d r o h t Le3!!). Das hindert d e r T u r m auf e l — auf d l l ä ß t e r es zu. 1. . . . Dg4?? W e l c h e r Exzeß, welche K u l m i n a t i o n v o n Schachblindheit. E r g i b t seine G e w i n n s t e l l u n g auf, u m eine u n m ö g l i c h e D r o h u n g zu p a r i e r e n (Dd7=j=). Eine A r t Popanz, Vogelscheuche von D r o h u n g . D i e e w i g e Suggestion des Ang r i f f s . Man d e n k t n u r an Vert e i d i g u n g , nicht an Angriff. Mit 1. . . . L e 3 ü g e w a n n e r , j e t z t v e r l i e r t er.
1. Sc4? Die glänzende K o m b i n a t i o n — ohne T i e f b l i c k . E i n Fall z u m Totlachen. E r w i r d sein e i g n e r Totengräber. Kein Blick f ü r die V e r k e t tung der Dinge. D a m i t veru n g l ü c k t m a n schnell u n d leicht. E r sieht vielleicht die t o t e n F i g u r e n a m B r e t t e , aber sicher nicht — die l e b e n d i g e n (Sd8!). 1. . . . de! 2. T d 8 f Die g e g n e r i s c h e D a m e k a n n er n i c h t s c h l a g e n , seine eigene ist t o t , ist S c h u t z f i g u r (wegen Matt T d l ) . E r m u ß e r s t T ü r m e tauschen. A b e r d a m i t g i b t er d e m G e g n e r das ß e t t u n g s m i t t e l selbst in die H a n d , m a c h t dessen Figuren l e b e n d i g und s i c h e r . 2. . . . Sd8! Aufgegeben.
10
Das kombinierte
Handeln.
D a s kombinierte Handeln. Der Alltagsschächer hat kaum einen richtigen Begriff, eine zureichende Vorstellung von der immensen Machtgewalt — des kombinierten Angriffs. Woher sollte er auch diese Erfahrung schöpfen? Ist er doch mit seinem engen Blicke, befangenen Geiste und lahmen Willen völlig unfähig dazu. Aber damit fängt erst die e c h t e Schachkunst an, wo die seine — aufhört. Er trägt falsche, verkehrte Ansichten über den Schachkampf sein Leben lang im Kopfe herum. Einen Bauern — u m w e r t e n , in die Dame führen, das dünkt ihm das einzige ersprießliche, erfolgreiche, wünschbare Mittel zu sein, um eine stupende m a t e r i e l l e Ü b e r m a c h t sicher in die Hand zu bekommen, womit er seinen Gegner zerschmettern kann. Von der hohen Kraft der r e l a t i v e n Ü b e r l e g e n h e i t an Ort und Stelle, wo der Kampf heiß entbrannt, hat er nur eine verächtliche Meinung. Sie scheint ihm viel zu problematisch ungewiß, zu zufällig unsicher, als daß er sein Schicksal ihr anheimstellen, überantworten, anvertrauen sollte. Sicher gilt ihm nur, was man fest in der Hand hält — das M a t e r i e l l e . Für die Wertschätzung g e i s t i g e r G r ö ß e n — und das ist das kombinierte Handeln — hat er kein Organ. Kombinationen — denkt und sagt er — sind abenteuerlich, verwegen gefährlich, trügerisch. Das ist Vulkanboden. Darauf kann man keine Hütten bauen. Und so wird der Arme, der Unglückliche ausgesprochener D e k a d e n t , überzeugter Bekenner eines falschen Prinzips, das ihn auf immer und ewig abseits stellt von — echter, wahrer Schacbkunst. Was weiß er von der Riesenkraft des k o m b i n i e r t e n A n g r i f f s , der wie der Sturm daherbraust, wie die Lawine zerschmetternd und zerstörend niedergeht, wie die Feuersbrunst verzehrend wirkt. Worin wir keine Erfahrung haben, das existiert, besteht, ist nicht für uns. Dafür sind wir blind und taub. Aber die Kunst, seine Streitkräfte zu gemeinsamen Wirken und Handeln zusammenzuziehen, zu vereinigen — das ist j a gerade die echte, wahre Schachkunst, das allein ist sie. Z i e l und Z w e c k des Schachka.mpfes ist — das Niederwerfen des Gegners, das Brechen seines Willens und wie wäre das schneller, sicherer, wuchtiger zu erreichen, als durch Akkumulation, Konzentration, Häufung von Macht an dem brennenden Punkte des Kampfes, wo die Felderschlacht heiß und erbittert tobt, wo die Würfel der Entscheidung fallen — als durch ein überlegen kombiniertes Handeln.
11 Selbst Macht ¡111,sammeln, aufspeichern, a n h ä u f e n — den Gegner aber in O h n m a c h t erhalten, bringen, stürzen, das ist das g r o ß e P r i n z i p des Schachkainpfes u n d die Basis, B e d i n g u n g , V o r a u s s e t z u n g dazu ist — das k o m b i n i e r t e H a n d e l n . Der große Schachkönig macht nur kombinierte Bewegungen. I h n e n v e r d a n k t er seine Unbesiegbarkeit. E r h a t n u r den Blick f ü r das Ganze u n d kombiniert noch Streitkräfte, die an den entlegensten P u n k t e n des Brettes stehen zu einem Zwecke u n d Ziele, wo Groß- u n d W e l t m e i s t e r an dem Einzelnen h a f t e n bleiben, n u r A u g e n u n d Sinn haben f ü r den Stand eines verächtlichen Bäuerleins u n d m i t leichtem Herzen die stärksten Machtfiguren sinnlos, u n n ü t z t , freventlich tauschen. (Die modernen Holzhacker u n d Spielvereinfacher), wo d u r c h der K r ä f t e V e r e i n i g u n g selbst das Unendliche besteht. H e r r s c h t nicht in der S c h a c h k u n s t der Stärke t r o t z i g R e c h t u n d ihr seid so erpicht darauf eure S t r e i t m a c h t — zu schwächen, i h r Blinden, T a u b e n u n d Lahmen. D a r u m m a c h t i h r auch u n t e r 1 4 P a r t i e n z e h n Remis u n d v e r l i e r t vier (Matsch L a s k e r - C a p a blanua). I m S c h a e h k a m p f e gilt das Recht ü b e r l e g e n e r Gewalt. Wer hier nicht gebieten kann, ist Knecht. D e r Sch&cher bedarf aller F i g u r e n zu seinem großen Ziele. N u r im ganzen w i r k t er. Viele T r o p f e n geben erst das Meer. Nirgends ist es mehr vonnöten als i r g e n d w o — m i t e i n e m Blicke das Wesen des Ganzen zu u m f a n g e n , weil h i e r m e h r als i r g e n d w o m i t dem T e i l e auch zugleich das G a n z e gedacht werden muß. J e d e r s u c h t in der Schachpartie d u r c h Gewalt den anderen z u r E r f ü l l u n g seines Willens zu zwingen, also b r a u c h t er Macht u n d wieder Macht f ü r sich, f ü r den Gegner — O h n m a c h t . Das Schicksal einer Felderschlacht ist das R e s u l t a t e i n e s Augenblicks, e i n e s Gedanken. Man n ä h e r t sich einander m i t verschiedenen P l ä n e n , man wird handgemein, m a n schlägt sich eine Zeit lang. D e r e n t s c h e i d e n d e Moment erscheint, ein Geistesblitz g i b t den Ausschlag, der das versteckte Mittel m i t Licht ü b e r g i e ß t — noch ein ungeahntes, u n e r w a r t e t e s P l u s a n M a c h t f ü r sich oder ein P l u s a n O h n m a c h t f ü r den Gegner auf die Beine zu b r i n g e n , die unbedeutendste Reserve — also i m m e r u n d i m m e r wieder das k o m b i n i e r t e H a n d e l n f ü h r t ans Ziel. U m W e r t u n d B e d e u t u n g des k o m b i n i e r t e n H a n d e l n s richtig, voll u n d ganz zu v e r s t e h e n , b r a u c h t m a n n u r einen kritischen Blick zu werfen auf die B e d i n g u n g e n , u n t e r denen ü b e r h a u p t
12
Das kombinierte
Handeln.
im Schach gehandelt wird. W e r kennt nicht die engen, starren, unverrückbaren Grenzen, die jedem Handeln am B r e t t e gezogen sind? Nur e i n e F i g u r darf immer — wechselweise — ziehen, sich bewegen, Plätze tauschen. E s ist dies das Gesetz d e s Z e i t r h y t h m u s e s , das dem Aktionstriebe der beiden Partner enge, unübersteigliche, unzerbrechbare Schranken setzt. Die köstliche Gelegenheit also, etwas für das Ganze zu tun, kommt für die einzelne F i g u r selten genug. Man muß sie daher voll und ganz ausbeuten und nützen, nicht zu läppischen, linkischen, ungeschickten Zügen mißbrauchen. Man muß mit jedem Zuge womöglich mit — einer a n d e r e n F i g u r rücken, also möglichst konzentriert agieren und mit jeder, die man schon einmal bewegt — möglichst vieles tun. Mit jeder neuen Bewegung einer F i g u r kommen neue Umstände herauf — also neue M o t i v e zum Handeln: —- Figuren werden plötzlich l e b e n d i g oder t o t , geraden in irgendeine A r t von N o t s t a n d oder kommen in S i c h e r h e i t , wie es die Verkettung und Verknotung der Dinge am B r e t t e mit sich bringt. Hier nun mit e i n e r resoluten, besonnenen, tiefdurchdacbten Figurenbewegung möglichst v i e l e günstige Motive ins Leben rufen — k o m b i n i e r e n , das ist das schwierige Problem jedes Zuges. E r soll immer eine k o m b i n i e r t e B e w e g u n g sein: z. B . Ausnützung des Notstandes einer feindlichen F i g u r (Angriff) und zugleich Auferweckung von den Toten einer eigenen F i g u r . Durch solcherlei k o m b i n i e r t e s H a n d e l n werden immense Zeitvorsprünge gewonnen einen Gegner gegenüber, der in den Bewegungen seiner Figuren träge, ungeschickt, oberflächlich ist. Aber das ist nur die einfachste Art des kombinierten Handelns, die ihre Spitze, ihren Kulminationspunkt — im Doppelangriff, den jeder genüglich kennt, hat. Hier ein Beispiel übrigens: Eine viel wichtigere, bedeutungsvollere A r t von kombinierten Handeln ist unbedingt — der k o n z e n t r i s c h e oder k o m b i n i e r t e Angriff mehrerer Figuren auf e i n Ziel hin. Jede E r o b e r u n g , jede Z e r t r ü m m e r u n g eines befestigten Standes, jede erzwungene U m w e r t u n g e i n e s B a u e r n (in eine Dame) trotzt feindlicher Gegenanstalten und Widerstände setzt ein solches kombiniertes W i r k e n und Handeln mehrerer Figuren voraus. Sonst wären dergleichen Resultate einfach eine Unmöglichkeit. Man wird nun einsehen, warum ich anrate jede einzelne F i g u r möglichst ökonomisch zu bewegen: — damit a l l e schnell parat sind zum Handeln und man immer eine starke l e b e n d i g e T r u p p e in der Hand halte, wenn man — durch g ü n s t i g e M o t i v e ver-
Das kombinierte H a n d e l n .
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fährt, angeregt, aufgemuntert, — einen konzentrischen, kombinierten Angriff unternimmt gegen einen schwachen P u n k t der Feindesstellung. Diese Art von kombiniertem Handeln setzt vor allem voraus: — einen l e i c h t e n Ü b e r b l i c k über die vorhandenen Motive, also eine kräftige Optik, einen feinen T a k t d e s U r t e i l s um die stärkeren Motive herauszugreifen und einen frischen W a g e m u t , weil der Kampf am Brette notwendigermaßen ein Gebiet ist, wo Gefahr, Unsicherheit und Zufall herrschen und man n u r das Gemeine, Platte und Alltägliche fest in der Hand hält. Ich werde über diese Bedingungen f ü r große Erfolge ausführlich reden, vorerst aber das kombinierte Handeln in seinen Hauptformen ans Tageslicht stellen, also in seinen großen Zielen und Zwecken, Noch f r ü h e r aber die Mittel aufzeigen über die es souverän verfügt. Es wird sich dann von selbst das Prinzip der gesunden Spielführung ergeben und die Methode, die in der Praxis zu befolgen ist. Szcn.
3. Dg2! Sonst entscheidet die r e l a t i v e Übermacht gegen den König, die mit 3. Te2! heraufkommt. E r ! käme vom Eegen in die Traufe. 3. . . . 4. Kg2
Andersten.
1. . . . Telf?? Mangel, Unfähigkeit zum k o m b i n i e r t e n Handeln. E r verliert die Partie, aber sie war durch einen konzentrischen Angriff leicht, schnell, glänzend zu gewinnen (l.Sf3ü). Also demonstrieren, beweisen wir. 1. . . . Sf3ü 2. gf: Df3f!
Dg2 Te2ü
Das ist die Folge, das Ende, die Spitze des kombinierten Angriffs. E r gewinnt die Opferfigur zurück und — die Partie durch die m a t e r i e l l e Übermacht (fünf Bauern gegen drei) 5. K g 3 Te2 aufgegeben. 1. . . .
Kd5??
Macht n u r remis. Aber die Partie ist schnell, leicht, glänzend zu gewinnen. Es gehört n u r coup d'oeil und Scharfblick f ü r die Verkettung der Dinge und — k o m b i n i e r t e s Handeln dazu.
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Das kombinierte Handeln.
Salwe.
Beweis: 1. . . . g5ü Das geht offenbar ohne Nachteil noch Gefahr, ist nicht einmal ein Opfer. Beide Schlagfiguren (Lf4 und h4) sind ja t o t e Figuren, dem falschen Augenschein nach nur l e b e n d i g e . Aber das mußte gesehen werden oder der Sieg entschlüpft, fällt in den Brunnen, unter den Tisch 2. hg:? h4fü und erobert den Läufer ( k a u s a l e r N o t s t a n d des Königs). Oder anders: 2. Lg5? Tf3+ Also ist Weiß totverloren. 1. Db5?? Kein Umfassen, Umfangen des Ganzen mit dem Auge. Der Blick verengt, verdüstert wahrscheinlich durch moralische Depression: So verliert er eine totgewonnene Partie. Beweis: 1. De8+!
Das ist der k o m b i n i e r t e Angriff, der den Sieg im Eluge erhascht, davonträgt, erkämpft. Aber der Mangel an coup d'oeil stürzt ihn. Er sah nicht das Doppelmotiv, das in der Stellung verkrochen, versteckt, verpuppt ist. 1.... Kg 5 2. f4+n der Gewinnzug. Nur die schlimme Wahl zwischen Matt (3. De24:) oder Damenvernichtung (3. Dh8^!) je nachdem 3. Kg4 oder 5. Kf6 folgt. 1. Dh7f Ein Angriff hat immer starke Chancen. Er verändert gewaltsam die Lage der Dinge und gibt neuen Motiven das Leben, er tötet alte. In der V e r ä n d e r u n g liegt alles Hoffen, liegt die Zukunft. 1. . . . Kb6 Jetzt steht der König — im D e f i l e e , ein gefährlich schlimmer Stand.
Das kombinierte Handelu. liio.
nur. Er deckt 2. Sf6 und 3. Lh6=j= und damit tote Figur. Nun wird er d o p p e l t belastet (De7). Das f ü h r t zum Bankerott: zum Handeln zwingen eine Figur, die tot. 1. . . . Se7 2. Sföf Kd8 3. Sf7f Kc7 4. Lf4+ d6 5. Ld6 =j= Ein kombiniertes Handelfi höchster Art. Zeichen des Genies bei meinem Bart.
2. D c 7 f ü Das kombinierte Handeln in höchstem Grade. Die Schutzfigur fliegt zur Seite und muß noch dem eigenen König den Rettungsweg verstellen. Das ist echte Sehachkunst. 2. . . . 3. Ld 4
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Amateur.
Sc7
D. Doctsch.
1. D e 7 f ü Der Springer (Sg8) ist S c h u t z figur. Das erklärt die Sache
1. D f 8 f ü Er hat eine r e l a t i v e Übermacht gegen den feindlichen König, doch liegt sie tief. Der Gegner glaubt nicht daran. E r muß sie ihm durch ein 4 zügiges Matt — erst beweisen. 1. . . . Tf8?? 2. Tf8+ Sc8 So hofft er das Gleichgewicht aufrecht zu halten, aber das ist Mangel an Optik. Was hat er
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Das kombinierte Handeln.
erreicht? Einzusehen ist das leicht: — einen befestigten Stand, will es uns scheinen, auf ganz schwachen Beinen, den man im Nu zerbricht. Aber so feine Dinge sieht er nicht. 3. T a 8 f ü Ka8 4. Tc8 4= Aber Schwarz, hätte er bessere Augen, kann sich anders — stärker verteidigen. Und wer weiß, was dann geschah? Vielleicht ein Wetterumschlag. Doetsch hat, wie er mir sagte, diese Variante auch nicht durchdacht. Die r e l a t i v e Ubermacht ist hier viel verpuppter, versteckter, eingesponnener. 1. . . . Dd8! Der A-propos-Zug hält scheinbar das Gleichgewicht. Er darf die Hand nach dem Lorbeer nur strecken, vermag er weißen b-Bauer von den Toten zu erwecken. Das ist dann die entscheidende Reserve, welche die Schlacht gewinnt mit Elan und Verve durch der Dinge Verkettung. Es gibt dann — keine Rettung. 2. Ta8fü Zerschlägt einen befestigten Stand und gibt ihm eine neue Figur zum Angriff in die Hand. 2. ... Ka8 3. bc:ü! Der Bankerott! König und Dame tot und in Not. 1. Ld4 2. Lg7 3. Kc5
Kg6 Kh7 Kg6
Tscbigorin.
Jaiiowski.
4. Kb4 Kh7 5. b3ü Es ist ihm gelungen, einen b e f e s t i g t e n N o t s t a n d hat er erzwungen. L ä u f e r und b - B a u e r sind jetzt t o t e Steine nur und er macht die glücklichste Kur. Das Motiv seines Handelns liegt versteckt. Eine Auferweckung von den Toten er bezweckt (Freibauer). Der k a u s a l e N o t s t a n d von Bauer und Läufer gibt ihm die Mittel in die Hand. 5. . . . cb: 6. c4ü bc: 7. Ka4 Zugleich hat er einen festen befestigten Stand zerbrochen. Darauf kann er pochen. 1. Db5ü Das kombinierte Handeln im höchsten Glänze, im vollsten Lichte. Der Zug läge auf der Hand. Der Bauer kann nun nach dem Rand. Aber das ist nicht alles, was er bezweckt.
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Das kombinierte Handeln.
Zukertort.
Das eigentliche Motiv liegt tief versteckt. Man möchte seinen Augen nicht trauen. Eine siegreiche D o p p e l konstellati on unternimmt er, aufzubauen. Dazu muß er — soll sie ihm glücken, fast, alle Steine am Brette verrücken. 1. . . . Db5 2. c 8 D f Kf7 3. De6fü Der Geistesblitz! Hier liegt der Witz. Ein D o p p e l a n g r i f f entsteht und der Springer verloren geht. 3. . . . Ke6 4. S c 7 f Kd7 5. Sb5 und gewinnt.
1. a4Ü Der Turm a8 ist t o t , weil er das Matt (Tc8=^) abwehrt. Aber ein Gegenangriff kann ihn
G u t m a y e r , TurcierpraxU.
l e b e n d i g machen, z. B. T e l f und dann T a 2 f ! . Diese Art Auferweckung verhindert a4 und damit einen gefährlichen Gegenstoß — (1. T e l f 2. Kf2, T e 2 f 3. K g l , Te4 oder 3. Kf3?, T a 3 f ) . Nun kann mit ein paar Tigersätzen der eigne Angriff einsetzen. Kein Gegenangriff droht verderblich und der König ist nur allzu sterblich. 1. . . . ba: 2. Sf8ü Erzwingt eine f a t a l e Bewegung. Das einzige Fluchtfeld muß sich Schwarz — der Not gehorchend, nicht den eignen Trieb versperren, verrammeln, verstellen — das k o m b i n i e r t e H a n d e l n auf seiner Höhe. 2. . . . Tf8 3. T g 7 + KhS 3. T h 7 f Kg8 5. Tcg7 + .
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Elemente des kombinierten Handelns.
Elemente des kombinierten Handelns. Man kann die d u r c h die k a u s a l e n W e c h s e l w i r k u n g e n der F i g u r e n möglichen V e r k e t t u n g e n u n d V e r k n o t u n g e n der Dinge a m B r e t t e in z w e i K a t e g o r i e n t a f e l n bringen. D a n u r zweierlei A r t e n von Z u s t ä n d e n f ü r die F i g u r in B e t r a c h t k o m m e n : — die der B e w e g l i c h k e i t oder U n b e w e g l i c h k e i t und die des N o t s t a n d e s oder der Sicherheit, so w ü r d e die eine T a f e l die Zustände der t o t e n F i g u r u m f a s s e n , die andere die der F i g u r i m N o t s t a n d e , w o r a u s sich dann die Gegensätze der l e b e n d i g e n und g e s i c h e r t e n F i g u r von selbst ergeben. I c h habe dies a u s f ü h r l i c h im W e g z u r M e i s t e r s c h a f t u n t e r n o m m e n u n d k u r z auch in anderen B ü c h e r n angedeutet u n d w i l l auch hier eine abgekürzte U b e r s i c h t dieser elementaren Z u s t ä n d e g e b e n , auf denen alles H a n d e l n in der Schachpartie b e r u h t . Diese elementaren Z u s t ä n d e der t o t e n oder lebendigen F i g u r , der F i g u r im N o t s t a n d oder in Sicherheit sind die M o t i v e d e s H a n d e l n s in der S c h a c h p a r t i e , w e i l mit ihrem H e r a u f k o m m e n oder U n t e r t a u c h e n ein P l u s oder M i n u s von M a c h t unabweislich v e r k n ü p f t ist. Jede t o t e F i g u r , j e d e F i g u r im N o t s t a n d e ist ein Z u w a c h s an — O h n m a c h t , jede l e b e n d i g e , j e d e gesicherte ein Z u w a c h s an — M a c h t . U n d das k o m b i n i e r t e H a n d e l n besteht eben in der geschickten A r t , viele dieser M o t i v e f ü r e i n e n Z w e c k zu vereinen, zu gebrauchen, z u benützen. Man m u ß mittelst eines schnellen, sicheren Ü b e r b l i c k s sie in der H a n d h a l t e n w i e die K a r t e n , u m sie auszuspielen oder w e g z u w e r f e n , j e nachdem Gelegenheit und A u g e n b l i c k es v e r l a n g e n . D i e Mittel ü b e r die ein S p i e l p r a k t i k e r v e r f ü g t und die A r t , w i e er ü b e r sie v e r f ü g t , stellen ihn abseits, unterscheiden ihn von allen seinen Gegnern, wenn er sie darin übertrifft, ü b e r h o l t , überfliegt — j a machen i im f ü r diese z u m unbesiegbaren Helden, wenn er w i e M o r p h y , da erst zu spielen a n f ä n g t , w o die anderen — a u f h ö r e n . Diese einfachen E l e m e n t e des Handelns sind natürlicherweise in j e d e m kriegerischen A k t e am Schachbrette — z. B . bei F i g u r e n e r o b e r u n g e n , M a t t f ü h r u n g e n , Bauernumwert u n g e n — vielfach und i n n i g miteinander v e r b u n d e n . A b e r es w ä r e der u n g l ü c k l i c h s t e G e d a n k e von der W e l t , sie einzeln d u r c h eine s p e k u l a t i v e U n t e r s u c h u n g der j e w e i l i g e n S t e l l u n g e r m i t t e l n z u wollen. D a s w ü r d e z u r völligen Z e r s p l i t t e r u n g u n d z u r vorzeitigen E r m ü d u n g der G e i s t e s k r ä f t e f ü h r e n . Man m u ß sich
E l e m e n t e îles k o m b i n i e r t e n
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Handelns.
an den Eindruck der Totalerscheiuungen halten u n d dem I n s t i n k t e es überlassen, sie h e r a u s f ü h l e n , zu erraten, s i e ' vorauszuahnen in noch so verwickelten Lagen. Und hier mache ich aus eigenster E r f a h r u n g die A n m e r k u n g : — Es ist viel U n b e w u ß t e s im Handeln am Schachbrette u n d dieses unbewußte Handoln — was m a n I n s p i r a t i o n nennt — ist tausendmal höherwertig und sicherer als alles b e w u ß t e , als alles Handeln aus Grübelei und Reflexion heraus. Die glänzendsten, wuchtigsten, erfolgreichsten Handlungen in der Schachpartie sind auf den Impuls hin von solchen Inspirationen gewagt, unternommen, a u s g e f ü h r t worden — also dunkel n a c h d e m b l o ß e n T a k t e d e s U r t e i l s . Sie sind ewig leuchtende Beispiele der Macht des Unbewußten in der P a r t i e f ü h r u n g . Ich gebe ein Beispiel aus meiner P r a x i s : Man macht fast immer das Große, Bedeutende, Außergewöhnliche ohne zu wissen — w i e man es m a c h t .
2*
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Elemente des kombinierten Handelns.
ü
R
m
1. Lg5! Macht die Dame f e s s e l t o t .
KJKSh Ä l l mi»,. 1. Te8f! 2. Dh5f! Macht den König 2. . . . 3. Th8f! 4. Dh6
1. Dh6f! Bringt den König in den f r e i e n Notstand. 1. . . . gh: 2. Le5f Df6 3. LfÖ=(=
Kh7 bindetot. Dh6 Kh8
HZZH
1. Th8f! und Dh6+1! Bringt den König schnell in b e f e s t i g t e n N o t s t a n d . g-Bauer, Schutzfigur wird paralytisch tot.
KmJ^iM 1. Th7-|-! ^ Macht alle Figuren außer Springer z e i t t o t . 1. . . . Sh7: 2. Dg7 +
1. T d 6 f f Bringt den König — Sehutzfigur der Dame — in den k a u salen Notstand.
Die großen Mittel der Kunst. 1. . . . 2. T d i f 3. Dc7!
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Kd6 Ke6
1. T d 8 f Kb7 2. T b 8 f ! Kb8 B r i n g t die Dame und König in den D o p p e l n o t s t a n d . 3. Sc6+ Kb7 4. Se5!
Die großen Mittel der Kunst. In einem Gebiete des Handelns, das wesentlich — K a m p f ist, wie die Schachpartie, m a ß die Haupttendenz aller Operationen, Manöver. Evolutionen natürlich sein: — den Gegner niederzuwerfen, dessen Macht zu brechen, dessen Willen zu vergewaltigen. Es gibt d a f ü r nur ein H a u p t m i t t e l — den A n g r i f f , der zwei Gesichter, zwei H a u p t f o r m e n h a t : — die g e f ä h r l i c h e D r o h u n g (das, was man eigentlich Angriff nennt) und den Schlagakt. Beide haben dies miteinander gemeinsam, daß sie hervorrufen, herauftreiben, erzwingen — eine f a t a l e B e w e g u n g einer feindlichen Figur. F a t a l , weil sie f ü r den Verteidiger ungünstige, schlimme, gefährliche Motive erschafft, f ü r den Angreifer — g u t e , verheißungsvolle aussichtsreiche. Aber da der Angriff — Notstände braucht wie die Pflanze W ä r m e u n d Feuchtigkeit, wenn er wirksam sein soll und diese nicht immer zur Hand sind, so ist das zweite große Mittel der K u n s t — das a g r e s s i v e O p f e r , das zwei Gesichter h a t , g l a t t e s O p f e r oder T a u s c h o p f e r ist. Das g l a t t e O p f e r erzwingt eine f ü r den Gegner fatale Bewegung seiner Schlagfigur, sei es, daß dadurch f ü r ihn N o t s t ä n d e h e r a u f k o m m e n , sei es, daß das Verhältnis zwischen l e b e n d e n u n d t o t e n Figuren am Brette sich zu seinen Ungunsten verschiebt, sei es, daß er eine Auferweckung von den Toten an einer feindlichen F i g u r zulassen m u ß , sei es endlich, daß er einen f ü r die Entscheidung sinnlosen, überflüssigen Z u g machen muß (gefährlicher Tempoverlust). Die f a t a l e B e w e g u n g wird immer charakterisiert durch die u n g ü n s t i g e n M o t i v e , die sie f ü r den Gegner hervortreibt. Das Tauschopfer erzwingt eine ähnliche f a t a l e B e w e g u n g , wenn der Gegner wiederschlägt, v e r n i c h t e t aber außerdem ein bestimmtes feindliches F i g u r e n t y p , d. h. annuliert
Die großen Mittel der Kunst. 1. . . . 2. T d i f 3. Dc7!
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Kd6 Ke6
1. T d 8 f Kb7 2. T b 8 f ! Kb8 B r i n g t die Dame und König in den D o p p e l n o t s t a n d . 3. Sc6+ Kb7 4. Se5!
Die großen Mittel der Kunst. In einem Gebiete des Handelns, das wesentlich — K a m p f ist, wie die Schachpartie, m a ß die Haupttendenz aller Operationen, Manöver. Evolutionen natürlich sein: — den Gegner niederzuwerfen, dessen Macht zu brechen, dessen Willen zu vergewaltigen. Es gibt d a f ü r nur ein H a u p t m i t t e l — den A n g r i f f , der zwei Gesichter, zwei H a u p t f o r m e n h a t : — die g e f ä h r l i c h e D r o h u n g (das, was man eigentlich Angriff nennt) und den Schlagakt. Beide haben dies miteinander gemeinsam, daß sie hervorrufen, herauftreiben, erzwingen — eine f a t a l e B e w e g u n g einer feindlichen Figur. F a t a l , weil sie f ü r den Verteidiger ungünstige, schlimme, gefährliche Motive erschafft, f ü r den Angreifer — g u t e , verheißungsvolle aussichtsreiche. Aber da der Angriff — Notstände braucht wie die Pflanze W ä r m e u n d Feuchtigkeit, wenn er wirksam sein soll und diese nicht immer zur Hand sind, so ist das zweite große Mittel der K u n s t — das a g r e s s i v e O p f e r , das zwei Gesichter h a t , g l a t t e s O p f e r oder T a u s c h o p f e r ist. Das g l a t t e O p f e r erzwingt eine f ü r den Gegner fatale Bewegung seiner Schlagfigur, sei es, daß dadurch f ü r ihn N o t s t ä n d e h e r a u f k o m m e n , sei es, daß das Verhältnis zwischen l e b e n d e n u n d t o t e n Figuren am Brette sich zu seinen Ungunsten verschiebt, sei es, daß er eine Auferweckung von den Toten an einer feindlichen F i g u r zulassen m u ß , sei es endlich, daß er einen f ü r die Entscheidung sinnlosen, überflüssigen Z u g machen muß (gefährlicher Tempoverlust). Die f a t a l e B e w e g u n g wird immer charakterisiert durch die u n g ü n s t i g e n M o t i v e , die sie f ü r den Gegner hervortreibt. Das Tauschopfer erzwingt eine ähnliche f a t a l e B e w e g u n g , wenn der Gegner wiederschlägt, v e r n i c h t e t aber außerdem ein bestimmtes feindliches F i g u r e n t y p , d. h. annuliert
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Die großen Mittel der Kunst.
spontan plötzlich jede A r b e i t s l e i s t u n g desselben und rottet es unter Umständen aus. Das Tauschopfer ist also die s t ä r k e r e Opferform. Was ich hier von der f a t a l e n B e w e g u n g gesagt habe, die das g l a t t e O p f e r erzwingt, gilt natürlich auch f ü r jeden gewöhnlichen, starken A n g r i f f s z u g . Auch bei ihm liegt Sinn und Bedeutung nur in — der f a t a l e n B e w e g u n g , die er hervortreibt und die immer sich als Ursache eines s c h l i m m e n M o t i v s , das für den Gegner h e r a u f k o m m t , erweist. Sei es Z e i t v e r l u s t , N o t s t a n d , A u f e r w e c k u n g v o n d e n T o t e n (bei e i g e n e n Figuren), Totmachen f e i n d l i c h e r Figuren. Ebenso gilt das über das T a u s c h o p f e r Gesagte für den s t a r k e n T a u s c h z u g gleichmäßig. Maßgebend ist auch hier die möglicherweise heraufkommende fatale Bewegung oder das A u s l ö s c h e n eines feindlichen Figurentyps. Mit dem A n g r i f f und O p f e r a n g r i f f — e r z w i n g t man eben alle guten M o t i v e , dio einem sonst nur als glückliche Zufälle über den Weg laufen: — Motive des N o t s t a n d e s , Motive der t o t e n oder l e b e n d i g e n Figur, Z e i t m o t i v e , Brettmotive. Motive des F i g u r e n t y p s . Ich habe sie im W e g z u r M e i s t e r s c h a f t , ausführlich besprochen. Noch ein dem A n g r i f f e gleichscharfes Gewaltmittel, — das aber nur im r e i n e n B a u e r n e n d s p i e l e in seiner ganzen Mächtigkeit auftritt — ist der Z u g s z w a n g . A n g r i f f , O p f e r a n g r i f f und Z u g s z w a n g sind also die drei Geißeln, mit denen man die Feindestruppen in O h n i n a c h t s s t e l l a n g e n hineinpeitscht, die eigenen zu Machtstellungen hinaufhebt. Wer sie besonnen, kühn energisch zu schwingen versteht, kann Wunder am Brette vollbringen und Unmögliches — möglich machen. Das sind die echten Mittel der Kunst, d i e g r o ß e n Mittel der Schachkönige. Die Groß- und Weltmeister haben noch ihre eigenen — k l e i n e n Mittel, die auf p h y s i o l o g i s c h e r Einwirkung auf die Person des Gegners beruhen: — das Hin- und Herziehen in toten Stellungen, das Totsitzen. Lasker hat in seinem Matsch gegen Capablanca 10 mal hintereinander mit dem Turm hin- und hergezogen. Man hofft durch solche armselige Manöver den Gegner zu ermüden, außer Fassung zu bringen und dies gelingt auch oft. M a r o c z k i hat, auf diese Art und Weise gegen Gottschall in Barmen den ersten Preis gewonnen. Den Schachkünstler erfaßt hier der große Ekel, der Schachspekulant zuckt die Achseln und meint, im Krieg sei alles erlaubt.
23 Aber seine Rechnung könnte leicht ein Loch haben. E r gewinnt zwar einen Zähler aber er sinkt, vom Schachkünstler zum Schachpatzer herab. Die Triebfeder seines Handelns ist nicht mehr ein edler Ehrgeiz — nein, ein schmutziger Geldgeiz. Die großen .Mittel der Kunst (Angriff und agressives Opfer) zeigen sich erst in ihrer vollen überwältigenden Mächtigkeit und furchtbaren Stärke beim kombinierten Handeln. Die Parteien, durch die der konzentrische, der kombinierte Angritl' dem Sturme gleich daherbraust, sind die dramatischsten, glänzendsten, wuchtigsten Proben der Kunst. T;irtakowcr.
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TÜP ™
1. 0 — 0 —Ol! Er arbeitet mit den großen Mitteln der Kunst. Das Opfer will einen Z e i t v o r s p r u n g gewinnen. E s ist die glänzende Einleitung zu einem — konzentrischen Angriff. 1. . . . Se4? Der Gimpel geht auf den Leim, der täppische Bär auf dem Honigseim. 2. D d b j ü Wieder die großen Mittel der Kunst, wer sie nicht kennt, hat vom Schachspiel keinen Dunst, 2. . . . 3. Lg5-)-(-
Das Doppelschach. Das ist der Abzug in seiner bissigsten Gestalt. E r wirkt hier mit konzentrierter Gewalt. Alle Schutzfiguren bleiben t o t . Ins Angemessene steigt die Not. 3. . . . Ke8 4. T d 8 4 : Oder: ... Kc7 4. L d 8 H-
Kd8
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M®s m Iv. „ Sü„ Épl I L . . „ . ^m^ w
Die S c h u t z f i g u r in den Kasten fliegt — r e l a t i v e Übermacht siegt. 1. T h 5 f gh: 2. D h 5 f Kg8 3. Dh8=j=
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Die großen Mittel der Kunst. Capablanca.
Mieses.
1. Td5?? Dadurch erhält Schwarz am brennenden Punkte das r e l a t i v e Übergewicht. Dem widersteht man nicht. 1. . . . Ddlfü 2. T d l T d l =f= Marshall.
Breyer.
1. . . . Th2f! Das relative Übergewicht! Widerstand ist furchtbar nicht. 2. E h 2 Dh4^=
K. Spielmann.
E.
IfeilmanD.
Dh4f! 1 Erobert das relative Übergewicht. Widerstand ist dagegen denkbar möglich nicht. 2. g3 Dg3f 3. hg: Lg34: A. Nicmzowitsch.
C. Behtlng.
1. S f 5 ! Natürlich der Läufer ist tote Figur wegen 2. De7. Er kann nicht schlagen. E s ist nur ein scheinbares Wagen.
Die großen Mittel der Kunst.
1. . . .
25
Dg5
3. . . . Df6 4. T h 8 f ü Der Dinge merkwürdige VerEcke, will sagen, — d o p p e l t e r kettung, Schwarz ist spontan j R a n d , für den König miseplötzlich ohne Rettung. Die ! rabelster Stand. Kommt er noch Dame ist — Schutzfigur, also dazu, in Not, ist er tot. toter Stein. Ihr Widerstand — 4. . . . Kh8 war Schein (wegen Se7f). Sie 5. Dh6 =j= wird p a r a l i s i e r t oder verjagt — ein großes Mittel der Kunst 1 gewagt. j Stanley, 2. . . . Dg4 ! HP 3. Se7=(= w* 2 . Tg4U
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k im m m WM • m • WM Morphy.
Marshall.
1. Lg6! Das öffnet Türen. Man kann die> ganzen Truppen zum Angriffe führen. Gegnerischer Läufer wird t o t . Hier winkt höchste Macht, dort gänzliche Ohnmacht droht. 1. . . . fg:?? 2. D g 6 f Lg7 3. Sg5 Der konzentrische Angriff, energisch, glänzend, schnell und tief.
1. h7! Hier kommt alles auf den Z e i t v o r s p r u n g an. Ein Tempo entscheidet. Alle Mittel der Kunst gelten. Weiß spielt kalt und kühn, aber besonnen und bedacht. Alles ist wohl berechnet. Nichts dem Zufalle überlassen. Schwarz spielt gut, aber er kann keine Gelegenheit zur Rettung erfassen und abpassen. 1. . . . b3! 2. T g 8 f Kb7ü Gewagt, doch besonnen. Nur durch das T e m p o wird die Partie gewonnen.
26 3. Th8ü Er läßt sich nicht erschrecken — und den Turm wohl schmecken. 3. . . . b2! Verzweifeltes, unseliges Geschick. Die Verkettung der Dinge bricht ihm das Genick. 4. T b 8 f ü Die großen Mittel der Kunst und des Glückes Gunst. 4. . . . Kb8 5. h8Df- und 6. Db2
1. Sh6f gb: 2. D h 8 f ü Kh8 3. Kf7 und 4. Lf6 4:
Thorold.
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Labourdonnalis.
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Dechapelles.
Weiß ist in einer Ohnmachtsstellung. Das Gleichgewicht hat sich längst verschoben. Was soll er tun? Er unternimmt einen verzweifelten Angriff. Angriff ist gewaltsame Veränderung der Lage. Könnte es keine günstige sein? — Die Ereignisse geben ihm Recht. Er bringt es noch zu einer p o s i t i o n e i l e n Übermacht. Und da zweifle einer noch an seiner Kunst!
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1. D e 3 f Kg8 2. D h 8 f ü Das T a u s c h o p f e r , eines der großen Mittel der Kunst, — Günstige Veränderungen erzwangen, Sieg schnell und wuchtig errungen. Hier leitet's einen A b z u g s a n g r i f f ein. Ausgiebiger kann es nicht sein. 2. . . . Kh8 3. L f 6 f ü Des Abzugs schlimme Tücken und Mücken. Es droht zugleich an zwei Orten. Wie soll Widerstand glücken? 3. . . . Kg8 4. T e S ^ In den großen Mitteln der Kunst — der leichte Gebrauch. Wie wenige Praktiker wissen sie zu benützen auch.
I>ie g r o ß e n
Mittel der
DrcUiipelles.
1. T d 8 f ! "Des kombinierten Handeln treffliches Exempel. i >ie ergiebigsten Motive weiß er zusammenzustellen (das des Tausches, des Angriffs, des Opfers, des Figurentyps). Seine Chancen müssen ins Ungeniessetie schwellen. Arbeitet er doch mit den großen Mitteln der Kunst. Wie wenige haben davon einen Dunst. 1. . . . Td8 2. T f 8 f ü Kf8 3. cd:D Die Mittel, die einer braucht, die A r t w i e er sie braucht — machen, daß der eine hoch auffliegt, der andere am Boden kraucht. 1. dr.ü
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Kunst. Holm.
2. a7! Lc6 3. ab:ü E r denkt, ein toter Stein — kann er beißen? — Nein! 3. . . . Lb5f Und beiLiter doch einmal, wird tragisch der Fall. j 4. So4!ü Lc6 | Ein ohnmächtiger, der läuft ; nicht Sturm. : 5. S e 5 f Nur kostbaio Zeit gehl verloren. Die Dame wird geboren.
j |
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E r arbeitet mit allen Mitteln | der K u n s t : —• Paralyse, Blockade, Zeitv o r s p r u n g . . . . und ihm lacht : des Glückes Gunst. j 1. . . . ed:
Morpby.
Die großen Mittel der Kunst.
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1. . . . Db5?? 2. Tf7f Kh8 3. De6fü Wieder das k o m b i n i e r t e Handeln. Durchstreichung, Abschlachtung, Vernichtung der S c h u t z f i g u r und damit Emporwuchern einer relativen Übermacht, die den König erdrückt, zermalmt, zerschmettert. 3. . . . TeG 4. Tf8+ Kg7 5. Tf7f Iih6 6. T h 7 ^ Das Opfer als das große Mittel der Kunst.
Schlagakt und doppelte Drohung — Schlag auf Schlag — zu einem Ziel und Zweck. Motiv — die t o t e Figur und ihr k a u s a l e r Notstand. 1. . . . Se7 1. Lb5ü Macht die Dame doppelt tot, das ist die Katastrophe. 1. . . . Sc6 2. de: Dc7 4. cb: Alles ist aus.
Lewitzky.
Maurian.
Morphy. 1. Le7! Schlachtet eine Schutzfigur. Das klärt den verhängten Himmel auf. Die schwarze Dame ist nun — eine t o t e Figur, Schutzfigur, die das Matt D e 7 ^ deckt. Das ist ein großes Mittel der Kunst — der k o m b i n i e r t e Angriff.
Alapin. 1. De8?? Welch läppischer, linkischer Zug. Er verliert eine t o t gewonnene Partie, gibt sie aus der Hand, wirft sie weg. Beweis: 1. Dg8f ü Das kombinierte Handeln. Als großes Mittel der Kunst das O p f e r , hier das Tauschopfer. Was geschieht? — Die wichtigste Schutzfigur des Königs wird
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Die großen Mittel der Kunst.
vernichtet, aufgerieben. E r selbst gerät in offensichtlichen, offenen Notstand. Eine relative Übermacht der A n g r i f f s f i g u r e n kommt herauf. Die Partie ist aus. 1. 2. 3. 4.
... Teg7f! Tg8f Tg7=f=
Die fatale Bewegung. 5. T f 3
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Stamma.
Kg8 Kh8 Kh7
Jänisch.
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Schumoff.
1. . . .
Tg2f!
Vernichtet zwangsweise eine wichtige Schutzfigur. Eine r e l a t i v e Übermacht an Feindestruppen steht vor der Feste des Königs. D r e i Figuren gegen z w e i , das ist der Bankerott, der schnelle, überraschende Tod. 2. Kg2 DgCf 3. K h l
Ld5+!
Eine günstige Veränderung zu erzwingen. N u r durch den A n g r i f f kann das gelingen. 4. f3 Lf3f!
Durch die großen Mittel der Kunst (Angriff, Opfer) feiert er einen schnellen, wuchtigen Sieg. 1. . . . 2. D b 8 f ü
Tb7
Der und der nächste Zug werfen alle Schutzfiguren auf die Seite, auf totes Feld. Der König ist tote Figur, ihn Matt zu setzen, brauchts einen Notstand n u r (Sc7!). Der erbitterte Kampf um eines Feldes Besitz (c7), das ist der Sache Witz. 2. . . . 3. T a 7 f ü 4. Sc7 4 :
Kb8 La7
1. T g 2 f ! Stürzt den König immer in ein D e f i l e e . Das ist die große
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Die Zeit als Faktor der W i r k u n g . Stamiua.
| i i
j
1. . . . Kf8! Sonst T h l 2. S d 7 f ü Ein Abzug mit überraschenden Resultaten: — Die letzte Fluchtmöglichkeit dem König genommen (Td7?) und der Turm el wieder zum Leben gekommen. 2. . . . •'!. T e 8 f ü
.
Td7
Das r e l a t i v e Ubergewicht. | | Widerstand gibt es nicht. 3. . . . Ke8 Gefahr. Ein plötzlicher Notstand trifft ihn — ohne Fluchtfeld.
4. Tg8 4=
Die Zeit als Faktor der Wirkung. Der Schachkampf ist auf den Zeitrhythmus aufgebaut, auf der wechselweisen Bewegung immer e i n e r Figur. Er ist ihr Lebensprinzip. Auf den Stoß folgt der Gegenstoß oder die Parade auf den Angriff — die Verteidigung. Dieser Zeitrhythmus ist der Pulsschlag, das Atemholen der Schachpartie. Setzt Puls und Atem aus, so tritt der Tod ein. Furchtbarstes Beispiel: — Der D o p p e l a n g r i f f , der Abzugsangriff. Aber auch jeder ü b e r f l ü s s i g e Zug, d.h. jeder sinnlose, zweckwidrige, zeitraubende Zug, jeder N i c h t - a - p r o p o s - Z u g führt in Lagen von äußerster Spannung zur Katastrophe. Des Handelns wechselvolles Spiel endet jählings, spontan plötzlich, sein Puls und Atem stockt, sein Pendel steht still. Der überflüssige Zug, der Nicht-a-propos-Zug, der Nullzug ist die große Gefahr in der Schachpartie. Er ist ein Nichts von einem Zug, ein schattenhafter, lebensarmer, kraftloser Zug, der nichts gut macht und alles verdirbt. Er gestattet dem zielbewußten Spielpraktiker tatsächlich zwei Züge hintereinander zu machen, d. h. zweimal so viel tun als der Gegner, doppelt zu handeln, wo der andere noch nicht — einmal handelt. Das muß diesen in den Bankerott treiben, Zeitmangel, d. h. Unmöglichkeit zum Handeln, zum Gegenstoßen, zum Parieren überfüllt ihn früher oder später und bricht ihm das Genick. Sieht man nun ein, wie heilig und sakrosankt der Zug dem Spielpraktiker sein muß, wie jeder lahme, linkische, läppische Zug — eine Hoch
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Die Zeit als Faktor der W i r k u n g . Stamiua.
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1. . . . Kf8! Sonst T h l 2. S d 7 f ü Ein Abzug mit überraschenden Resultaten: — Die letzte Fluchtmöglichkeit dem König genommen (Td7?) und der Turm el wieder zum Leben gekommen. 2. . . . •'!. T e 8 f ü
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Das r e l a t i v e Ubergewicht. | | Widerstand gibt es nicht. 3. . . . Ke8 Gefahr. Ein plötzlicher Notstand trifft ihn — ohne Fluchtfeld.
4. Tg8 4=
Die Zeit als Faktor der Wirkung. Der Schachkampf ist auf den Zeitrhythmus aufgebaut, auf der wechselweisen Bewegung immer e i n e r Figur. Er ist ihr Lebensprinzip. Auf den Stoß folgt der Gegenstoß oder die Parade auf den Angriff — die Verteidigung. Dieser Zeitrhythmus ist der Pulsschlag, das Atemholen der Schachpartie. Setzt Puls und Atem aus, so tritt der Tod ein. Furchtbarstes Beispiel: — Der D o p p e l a n g r i f f , der Abzugsangriff. Aber auch jeder ü b e r f l ü s s i g e Zug, d.h. jeder sinnlose, zweckwidrige, zeitraubende Zug, jeder N i c h t - a - p r o p o s - Z u g führt in Lagen von äußerster Spannung zur Katastrophe. Des Handelns wechselvolles Spiel endet jählings, spontan plötzlich, sein Puls und Atem stockt, sein Pendel steht still. Der überflüssige Zug, der Nicht-a-propos-Zug, der Nullzug ist die große Gefahr in der Schachpartie. Er ist ein Nichts von einem Zug, ein schattenhafter, lebensarmer, kraftloser Zug, der nichts gut macht und alles verdirbt. Er gestattet dem zielbewußten Spielpraktiker tatsächlich zwei Züge hintereinander zu machen, d. h. zweimal so viel tun als der Gegner, doppelt zu handeln, wo der andere noch nicht — einmal handelt. Das muß diesen in den Bankerott treiben, Zeitmangel, d. h. Unmöglichkeit zum Handeln, zum Gegenstoßen, zum Parieren überfüllt ihn früher oder später und bricht ihm das Genick. Sieht man nun ein, wie heilig und sakrosankt der Zug dem Spielpraktiker sein muß, wie jeder lahme, linkische, läppische Zug — eine Hoch
31 gefahr ist. wie nur der A - p r o p o s - Z u g jeder Lage sich gewachsen zeigt, sei die Spannung noch so groß, wie nur et die sichere Gewähr bieten, im Gesunden, Guten, Rechten zu sein und zu bleiben? Hier liegt die Glorie des A - p r o p o s - Z u g e s . Er ist der einzige Weg zur Unbesiegbarkeit und das große Mittel zu jedem echten, wuchtigen Sieg. Das Geheimnis seiner Riesenkraft ist — Ö k o n o m i e im Handeln. Er arbeitet immer mit Zeitvorsprüngen, kommt nie zu spiit an, was sellbst den Schnellzug häufig passiert. Und wie bringt er das fertig? — Er arbeitet mit feindlichen Notständen, er ist das schönste Beispiel des kombinierten Handelns. Der A-propos-Zug postiert eine Figur in wundervoller Weise und greift zugleich an. Er erweckt eine andere von den Toten, macht sie l e b e n d i g und greift zugleich an. Er wirft eine feindliche Figur zu den Toten und greift zugleich an. Er schafft einen neuen Notstand iin Gegnerspiel und greift zugleich an. Darum sind j a gemeiner Angriff, Doppelangriff, Abzugsangriff, Opferangriff — die großen Mittel der Kunst, weil sie ein großartig kombiniertes Handeln sind, das jeden Widerstand zerbricht und den echten, wichtigen, goldenen Partiesieg im Sturm an sich reißen, im Fluge erhaschen. Darum ist jeder Spielpraktiker von echtem Schrot uud Korn notwendig Angreifer und nur aus Not — Verteidiger, und selbst dann noch — Gegenangreifer. Der Zeitsieg ist die feinste Art von Sieg. Jede andere ist dagegen grob, klotzig, brutal. So gewinnt das Genie, der Scbachkönig, auf die andere Art der abscheuliche Patzer, der Alltagsschächer, der moderne Dekadent. Zeit ist Gold, sagt das Sprichwort und der große Spielpraktiker. Den immensen Wert der Zeit in der Schachpartie weiß nur der Schachkünstler zu schätzen, denn nur er hat die Ambition mit äußerster Präzision, mit Wucht und Glanz zu siegen und zu triumphieren. Der Schachspekulant ist hier Idiot. Erster Grundsatz f ü r den Schachpraktiker: — k e i n e Zeit verlieren. Schnell sehen, schnell handeln, a-propos handeln. Gib auf das eitle, zerfahrene, zersplitterte, zerrissene Tun und Handeln. Säume nicht, den Gefahren noch zeitig zu entrinnen. Zeit ist kostbar — fliegt und flieht. Achte als Künstler vor allem hoch — das Gesetz der Zeit, ihr holdes Maß. Das kombinierte Handeln erfordert Lebendigkeit, Energie, Elan in den Bewegungen der Figuren. Schnell einen Plan fassen und ihm prompt ausfähren, das ist hier das Eine, was not tut.
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Die Zeit als Faktor der Wirkung.
Aber die meisten Schächer sind trägen Sinnes. Nichts kann sie aus ihrer Ruhe aufschrecken. Erst wenn ihnen das Wasser an den Mund reicht, das Feuer die Fingernägel verbrennt, die Dinge keinen Aufschub leiden, dann erst beginnen sie energisch zu handeln. Aber gerade dann ist es nicht mehr Zeit. Dieses ewige Z u s p ä t ist der Jammer und das Elend der meisten Spielpraktiker. Der mächtigste von allen Herrschern ist der Augenblick. Darum ergreife — den rechten Augenblick, mache immer — den A-propos-Zug. Zweiter Grundsatz: den Gegner nicht Zeit lassen seine Truppen zu konzentrieren und einen entscheidenden Schlag zu führen. Schleppende Angriffe lassen aber den Gegner zu aussichtsreicher Verteidigung — Zeit und Tempo. Goldene Augenblicke ungenützt verloren und man hat das Glück verscherzt, verpaßt, verpraßt. Das Genie der Schachkunst liegt darin — z u e r s t am Ziele anzulangen. Der Schachkönig rennt seinen Gegner über den Haufen ehe er Zeit hat — sich auszukennen. Praktischer Blick und rechter Augenblick vermögen alles. Dritter Grundsatz: — die Zeit aufs äußerste ausnützen. Die große Leidenschaft f ü r die A - p r o p o s - Z ü g e im Herzen tragen. Es ist immer das Tempo mehr, über das man v e r f ü g t , welches den Sieg, einbringt, den Gewinn entscheidet, den Triumph voll und ganz macht. Wohlan, wohlauf Schächer, erkennt den W e r t der Zeit im Schachkampf und ihr habt , 6. T a y , Ka5, | 7. T c 6 , K b 4 , 8. Da2!, Dc6, | 9. D a 3 f , Kc4, 10. Dc3=j= j 6. Ta3 aufgegeben. Die Reserve I entscheidet.
Morphy. 1. T e l ! ! Der Zug liegt tief. Kein Wunder, sieht der Gegner schief. E r trägt des Geistes Stempel. F ü r die Geschichte des befestigten
I 1. D b 7 + De7 j Ein befestigter Stand hat seine i Gefahren, wenn in der Nähe j starke Streitkräfte sich offenbaren. Aber er tut nichts dem Gegner zu lieb. Er gehorcht der Not, nicht dem Trieb. 2. T d l f Schon geht er daran, den befestigten Stand zu zerschlagen.
4*
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Zertrümmerung des befestigten Notstandes.
JulieD.
Morphy.
Mit einer r e l a t i v e n Übermacht darf er es wagen. 2. . . . Ld6 Er will umsonst das Verderben wenden. Den anderen eilt's — schnell zu enden. 8. Td6f! Vernichtet die rettende Schutzfigur. Bei r e l a t i v e r Übermacht — die beste Kur. 8. . . . Kd6 4. T d l f Ke7 5. Dc7+
1. Tf8f Sc8 Das ist nun ein befestigter Stand. Es droht ihm kein Unglück scheinbar — vorderhand. Ihn zu zerschlagen, da muß man vieles wagen. 2. Db7+U Vernichtet die beste Schutzfigur. Durch Übermacht siegt man nur. Treibt die schlechteste zum Teufel. Das beste Eezept ohne Zweifel. 2.... Kb7 3. a6f Kb8 4. Sc6+ Ka8 5. Tc8f Der Springer ist nach hartem Strauß gefallen. Der König wird matt noch zu dem allen. Kio.
Slam ma.
1. Dd6f Ka8! Die Alternative ist oben Matt (Dd8#=). 2. Dc6! Der Läufer ist t o t e Pigur. Er macht Spaßdrohungen nur (wegen Td8 =)=). Aber wie zer-
Die Abzugskonstellation. schlägt er den b e f e s t i g t e n Stand? — Er hält eine R e s e r v e , eine Figur mehr — in der Hand. 2. ... Dc8 3. Td8ü Das bringt die Entscheidung herbei. D r e i Figuren kämpfen gegen zwei. Natürlich ist die schwarze
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Dame auch — t o t . Sie steht in k a u s a l e r N o t (wegen Db7 =j=). 3. . . . Tg8? 4. Db7 + Er läßt sich von keinem falschen Augenschein schrecken, tut den Gewinn — kurz und bündig — in die Tasche stecken.
Die Abzugskonstellation. Ich habe sie im vorigen Kapitel bereits reichlich gewürdigt und gelobt. Nirgends anderswo in der Partie tritt das kombinierte Handeln so offenkundig augenscheinlich, so dreist und verwegen in die Erscheinung. Seine fürchterliche Machtgewalt liegt nicht allein darin, daß er für den Gegner — die Z e i t s t i l l s t e h e n heißt. Das tut auch der D o p p e l a n g r i f f , sondern daß er sich sein zweites Angriffsobjekt oder Handelnsmotiv auf dem ganzen weiten Brette — unter Umständen, denn im Schachkampf ist alles r e l a t i v — willkürlich bestimmen, auswählen, aussuchen kann. Diese Art von Zug (der Abzug) ist ein Hochtyrann, der das Wort — U n m ö g l i c h nicht kennt. E r i s t nur zu oft die Wetterscheide zwischen Partiesieg und Partieverlust. Er kann mit Zaubergewalt die herrlichsten, hoffnungsreichsten, siegesgewissesten Stellungen aufbauen oder — zerstören. In ihm tobt und stürmt und braust die Riesenmacht der Zeit. E r arbeitet mit zwei Zugtempi zugleich. Der Gegner, dieser Unglückliche, dieser Totverlorene hat nur eines zur Gegenwehr, zum Widerstand. Der Arme geht unter aus Mangel an Zeit. E r kann nicht zwei feindliche Stöße, die in e i n e m Atem erfolgen, mit e i n e m Gegenstoß parieren. Er wird das Opfer des kombinierten Handelns. Zeitvorsprung gewinnt am schnellsten die Schlacht, weil er Widerstand — unmöglich macht. 1. Dg2+Ü Baut auf eine Abzugskonstel-
lation; ein überraschend schneller Sieg ist der Lohn. 1. . . . Kg2 2. Tg3=j=ü Das Abzugs allerschlimmste Art, die alle Schutzfiguren macht
Die Abzugskonstellation. schlägt er den b e f e s t i g t e n Stand? — Er hält eine R e s e r v e , eine Figur mehr — in der Hand. 2. ... Dc8 3. Td8ü Das bringt die Entscheidung herbei. D r e i Figuren kämpfen gegen zwei. Natürlich ist die schwarze
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Dame auch — t o t . Sie steht in k a u s a l e r N o t (wegen Db7 =j=). 3. . . . Tg8? 4. Db7 + Er läßt sich von keinem falschen Augenschein schrecken, tut den Gewinn — kurz und bündig — in die Tasche stecken.
Die Abzugskonstellation. Ich habe sie im vorigen Kapitel bereits reichlich gewürdigt und gelobt. Nirgends anderswo in der Partie tritt das kombinierte Handeln so offenkundig augenscheinlich, so dreist und verwegen in die Erscheinung. Seine fürchterliche Machtgewalt liegt nicht allein darin, daß er für den Gegner — die Z e i t s t i l l s t e h e n heißt. Das tut auch der D o p p e l a n g r i f f , sondern daß er sich sein zweites Angriffsobjekt oder Handelnsmotiv auf dem ganzen weiten Brette — unter Umständen, denn im Schachkampf ist alles r e l a t i v — willkürlich bestimmen, auswählen, aussuchen kann. Diese Art von Zug (der Abzug) ist ein Hochtyrann, der das Wort — U n m ö g l i c h nicht kennt. E r i s t nur zu oft die Wetterscheide zwischen Partiesieg und Partieverlust. Er kann mit Zaubergewalt die herrlichsten, hoffnungsreichsten, siegesgewissesten Stellungen aufbauen oder — zerstören. In ihm tobt und stürmt und braust die Riesenmacht der Zeit. E r arbeitet mit zwei Zugtempi zugleich. Der Gegner, dieser Unglückliche, dieser Totverlorene hat nur eines zur Gegenwehr, zum Widerstand. Der Arme geht unter aus Mangel an Zeit. E r kann nicht zwei feindliche Stöße, die in e i n e m Atem erfolgen, mit e i n e m Gegenstoß parieren. Er wird das Opfer des kombinierten Handelns. Zeitvorsprung gewinnt am schnellsten die Schlacht, weil er Widerstand — unmöglich macht. 1. Dg2+Ü Baut auf eine Abzugskonstel-
lation; ein überraschend schneller Sieg ist der Lohn. 1. . . . Kg2 2. Tg3=j=ü Das Abzugs allerschlimmste Art, die alle Schutzfiguren macht
Die Abzugskonstellation.
54 H. Helms.
Als Sieger kommt man immer fast aus dem Kampf zurück. 2. f 3 Sh3f 3. Khl Dd2 L. Nardus.
J . F. Smyth.
tot, — wird der König d o p p e l t j bedroht — D o p p e l m a t t . J . R . Capoblanca. Janowski.
Coria.
1. Sg2 ?? Das ist zwar plausibel nach allem Augenscheine, hilft aber einem schlimmen Abzugsangriff auf die Beine. 1. . . . Dg5ü Er erfaßt mit scharfem Blick das günstige Geschick. Das ist der großen Optik Glück.
1. . . . Dflfü Ein tief durchdachtes kombiniertes Handeln. Es vermag eine scheinbare Niederlage überraschend schnell in Sieg zu verwandeln. 2. K f l Sd2f 3. K g l Telf 4. Kh2 Sflf 5. K h l Sg3+! Dieser Abzug war der eigentliche Geistesblitz, des k o n z e n t r i s c h e n Angriffs bester Witz. 1. . . . Da2?? Damit macht er nur Remis. Aber er hält den Sieg in der Hand durch eine feine A b z u g s k o n s t e l l a t i o n . Mangel an Takt des Urteils. Er findet den Ap r o p o s - Z u g nicht.
55 J . Breyer.
Er hat nach dem mächtig schnellen Sieg die hohe Brunst. Nur mit A - p r o p o s - Z ü g e n arbeitet er gern. Das verlangt von ihm — sein Stern. Hier kommt ein gehaltvoller Abzug herauf und alle Tore der gegnerischen Festung springen auf. 1. . . . Ke7 .. 2. S g ö f f ü Öffnet- alle Angriffswege. Nun werden furchtbar die Schlüge. 2. . . . Kd8 3. S f 7 f Kc8 4. Se7
R . .Spielmann.
Beweis: 1. . . . Lg5+Ü 2. f-i Te5! 3. T d 8 f Kd8 4. Der> De5 5. Te5 Lf 'if Der Dinge Verkettung, durch den heraufkommenden D o p p e l a n g r i f f ist er ohne Rettung.
Rio.
A, A.
#• • •mm WM mx mi 4m ü u Hü 'WM mk gp i ü &m ¡Hü fi m B •mm w mm • ¡¡g§ k HP • IUP Wm «8" • 1 Staiuma.
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1. De7ü Die stärksten Mittel anzuwenden, ist des Meisters Kunst.
1. Sb6! Das öffnet Angriffsweg6 und es folgen wuchtige Schläge. 1. . . . Tb6! Der andere Zug ist nicht besser. E r liefert ihn noch früher ans Messer. 2. D h l f . Die Dame sucht in P o s i t i o n zu gelangen — mit Zeitgewinn
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Die
Abzugskonstellation.
Das ist des Angriffs Bedeutung und Sinn. 2. . . . Tb7 3. Dh8f Tb8 4. Db8fü Die Freiheit des Geistes, die alle Mittel nützt, sie ist es, die den Sieg verbürgt und vor Niederlagen schützt. Er arbeitet jetzt mit des Abzugs Doppelkraft. 4. . . . Kb8 5. T d 8 f f Kb7 6. Tb8=j=
Unmögliche Züge gelingen. Der Angriff entfaltet seine stärksten Schwingen. Der Springer eilt in P o s i t i o n , — allen Schutzfiguren zum Hohn. 2. . . . Kg8 3. Sh64= Morphy.
Amateur.
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Delmar.
Das D o p p e l s c h a c h hat eine Zauberkraft, die aus dem Wege alle Hindernisse schafft. Es ist ein Mittel allerhöchster Art. Es sich e r f i n d e n — den Meister offenbart. 1. D h 8 f ü Dies Opfer baut die A b z u g s s t e l l u n g auf. Es gibt keine zureichende Antwort darauf 1. . . . ' Kh8 2. S f 7 f ü
Marache.
1. . . . Te4ü Wie er gewinnt — die Art, den großen Meister offenbart. Die feinsten Motive er kombiniert, so daß der andere überrascht — überrumpelt wird. 2. De4 Sg3ü Damit bringt er die weiße Dame in Not und macht zugleich den König — vollständig t o t . 3. Dh7? Natürlich ist für solche Tücken der Gegner blind. Er handelt töricht wie ein Kind. Aber seine Stunde war gekommen. Verloren war die Dame, hätt' er den Springer genommen (Dd4) 3. . . . Se2=j=
Die Abzugskonstellation. Barel debcn.
57 Tliieriog.
¡üt
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JÖL
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Mieses.
Schlcchtcr.
Die Stellung ist hochgespannt, aber Weiß hält einen Abzug in der Hand. Damit briDgt er das Unmögliche noch fertig. Er siegt, wo man ist seines Untergangs gewärtig. Das ist des kombinierten Handelns Kraft, daß es außerordentliche Gelegenheit schafft. Der Motive Fülle klug vereint — nichts dann unmöglich scheint. 1. D e 8 f ü Die Schutzfigur vernichten. 1. . . . Te8 2. T e 8 f Le8 3. c 7 f ü Nun kann der Bauer siegreich vorrücken, kein Widerstand wird glücken. 3. . . . Tf3 4. c8D4=
— doppelte Kraft, weil jeder Widerstand der S c h u t z f i g u r dagegen erschlafft. Der König kommt ins Doppelfeuer. Er muß selber rücken, das macht die Wirkung so ungeheuer. Und während er taumelt im sinnlosen Lauf — baut eine r e l a t i v e Übermacht an Ort und Stelle sich auf. 2. K h l Lf8++ 3. Kh2 T h l =j= Das D o p p e l s c h a c h — ein Kunstgriff höchster Art. Widerstand dagegen ist hart. Wenn alle Schutzfiguren werden zu Stein, wie soll er da möglich sein?
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1. . . . Te4ü Er arbeitet mit des Abzugs 1. . . . Dhlfü ! schlimmen Tücken, fällt ihm soEinen Geistesblitz das Glück ' gleich in Hanke und Rücken. ihm schenkt. Großartig ist, w i e ' Sein Mittel ist von allerhöchster er den Sieg sich denkt. Hier 1 Art. Widerstand dagegen leisten, gibt der Abzug seinem Handeln ist schwer und hart.
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Die DoppelangriffskonstelUition. 2. De4 Sg3ü Nun droht er auf z w e i Selten. Der Sieg kann ihm nicht entgleiten (3. De4 u. 3. Se2=j=). 3. Dd4! Noch der beste Rat. Die Dame schlagen, war abscheuliche Patzerei in der Tat 3. . . . Se2f 4. Khl Dh2fü Nun hat er an Kampfesstelle — r e l a t i v e Übermacht. Die einzige Schutzfigur wird einfach umgebracht. 5. Kh2 Th8f 6. Dh4 Th4=(= Die Doppelangriffskonstellation.
Der D o p p e l a n g r i f f ist der Milchbruder des A b z u g s a n g r i f f s . Vermag er auch lange nicht so viel wie dieser, so hat er wieder das voraus, daß er so alltäglich, so häufig vorkommt wie der andere selten. Er ist die Alpenrose, der andere — das Edelweiß! Aber ist das ein Grund, sich zu verwundern? Wie, hat er nicht s e c h s e r l e i F o r m e n , mit denen er am Brette auftritt, je nachdem er den Charakter einer der sechserlei Figurentypen trägt. Bald ist er G a b e l a n g r i f f (Bauer), bald s c h i e f e r (Läufer), bald g e r a d e r , Doppelangriff (Turm), bald wieder s c h i e f g e r a d e r ( D a m e , auch König), bald z i c k z a c k a r t i g e r (Springer). Die gefährlichsten Figurentypen für den Doppelangriff sind natürlich — D a m e und S p r i n g e r wegen dem weiten Umkreis ihrer Feuerwirkung und der zerfahrenen, zerstreuten Art und Weise derselben. Auch der D o p p e l a n g r i f f ist eine herrliche Schule f ü r kombiniertes Handeln. Resolut, energisch, fanatisch auf Doppelangriff spielen — vielleicht die beste Kur gegen chronische Schachblindheit. Gerade beim Doppelangriff tritt das kombinierte Handeln in seiner ganzen Machtgewalt und Herrlichkeit in die Erscheinung, wenn es gilt b e i d e a n z u g r e i f e n d e F i g u r e n erst in die typische Doppelangriffsstellung hineinzujagen, hineinzuzerren, hineinzureißen. Das ist ein Meisterstück praktischer Schachkunst, daß ich immer höflich bewundert habe.
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Die DoppelangriffskonstelUition. 2. De4 Sg3ü Nun droht er auf z w e i Selten. Der Sieg kann ihm nicht entgleiten (3. De4 u. 3. Se2=j=). 3. Dd4! Noch der beste Rat. Die Dame schlagen, war abscheuliche Patzerei in der Tat 3. . . . Se2f 4. Khl Dh2fü Nun hat er an Kampfesstelle — r e l a t i v e Übermacht. Die einzige Schutzfigur wird einfach umgebracht. 5. Kh2 Th8f 6. Dh4 Th4=(= Die Doppelangriffskonstellation.
Der D o p p e l a n g r i f f ist der Milchbruder des A b z u g s a n g r i f f s . Vermag er auch lange nicht so viel wie dieser, so hat er wieder das voraus, daß er so alltäglich, so häufig vorkommt wie der andere selten. Er ist die Alpenrose, der andere — das Edelweiß! Aber ist das ein Grund, sich zu verwundern? Wie, hat er nicht s e c h s e r l e i F o r m e n , mit denen er am Brette auftritt, je nachdem er den Charakter einer der sechserlei Figurentypen trägt. Bald ist er G a b e l a n g r i f f (Bauer), bald s c h i e f e r (Läufer), bald g e r a d e r , Doppelangriff (Turm), bald wieder s c h i e f g e r a d e r ( D a m e , auch König), bald z i c k z a c k a r t i g e r (Springer). Die gefährlichsten Figurentypen für den Doppelangriff sind natürlich — D a m e und S p r i n g e r wegen dem weiten Umkreis ihrer Feuerwirkung und der zerfahrenen, zerstreuten Art und Weise derselben. Auch der D o p p e l a n g r i f f ist eine herrliche Schule f ü r kombiniertes Handeln. Resolut, energisch, fanatisch auf Doppelangriff spielen — vielleicht die beste Kur gegen chronische Schachblindheit. Gerade beim Doppelangriff tritt das kombinierte Handeln in seiner ganzen Machtgewalt und Herrlichkeit in die Erscheinung, wenn es gilt b e i d e a n z u g r e i f e n d e F i g u r e n erst in die typische Doppelangriffsstellung hineinzujagen, hineinzuzerren, hineinzureißen. Das ist ein Meisterstück praktischer Schachkunst, daß ich immer höflich bewundert habe.
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Die Doppelangriffskonstellation. Kostitsch.
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Fahrni.
schein. Der Turm (Te8) ist zuguterletzt — ein toter Stein (wegen Lc5). ]. . . . Kd8 2. S b 7 f Ein Doppelangriff — für die Dame mit unmöglicher Flucht. Seine Mittel sind ausgesucht, seine Optik — stark. Darum hat sein Spiel Kraft und Mark.
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1. Dh7! . Baut auf eine Doppelkonstellation. Die schönsten Vorteile hat er davon 1. . . . Kh7 2. S g 5 f Kg6 3. Se6 aufgegeben. E. Spielmann.
Hilse.
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A •m i Îi .t â » mi p f âM
¡¡¡g «1" f ««i 1mtV m •â SI « 1 • Schünmann.
1. f6+!! Errät der schwarzen Stellung Gebrechen. Arbeitsüberlast u n g (e7) gehört zu den tödlichsten Schwächen. 1. . . . ef: 2. e7! Ein Turm geht gewaltsam verloren. Er hat sich eine — gute Gabel auserkoren. O. Duras.
1. Td8ü Benützt des schwarzen Spieles Schwäche gegen allen Augen-
1. e6! 2. e7! 3. e8DH
Kg8 Kf7
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Die Doppelangriffskonstellation. N. N.
H. Müller.
Der Bauer rückt schnell nach dem Rand, damit bekommt Weiß eine Doppelkonstellation in die Hand. 3. . . . Ke8 4. Lböfü
Mittel in der Hand. Er w.rft den drohenden Turm an die Wand. Daß ist des Opfers Zauberkraft, daß es unmögliihe Motive schafft. 1. TfSfü Tf8 2. Dd5f! Er hat sich einen Doppelangriff erobert mit kühnem Geist. Was viel — in solcher Lage — heißt. 2. . . . Tf7 3. Da8+ Tf8 4. Da2 ^ Tf7 5. Da8f Tf8 6. Dd5f Tf7 7. Ta8=j= Stamma.
Mendmim.
Die weiße Stellung scheinet schlecht. Doch dem A u g e n s c h e i n traut der Praktiker nie recht. Er weiß, er trügt so oft da, wo er fürchtet oder hofft. Die Gefahr zu wenden, hat er ein
Ein Geistesblitz gewinnt lie Partie oft schnell, ist nur das Auge scharf und hell. Er sieht hier die Gelegenheit zu einim Doppelangriff da. Nicht jedäm Praktiker läge sie so nah. 1. Td8f Kb7 2. Tb8+Ü Durch Opferangriffs Maeht wird nun der König auf das
61 ominöse Feld gebracht, wo er steht mit der Dame in der Springerkonstelhition. Ein schlim- ' mes Unglück ist die Folge davon. 1 2. . . . Kb8 I 3. S c 6 + Kb7 ! 4. Seö Des kombinierten Handelns Machtgewalt macht dem Meister — heiß, wo der Patzer bleibet kalt. E r sieht den entfernten Gewinn, wenn der andere dasitzt mit zugeschlossenem, toten Sinn. 1. . . . Th2f!! Er will den König mit der Dame in eine Doppelkonstellation des Springertyps zwingen und damit den Sieg schnell und wuchtig erringen.
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Cbarousck.
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Makowetz.
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2. Kh2 Th8f 3. K g l Se2+ 4. Kg2 Sc3 Des Angriffs wechselvolles Spiel. Es führt allein ans Ziel.
Die Eroberung der Figur im Defileestand. Das Glanzstück und Schulbeispiel dieser Art von Figurengewinn ist bekanntlich die Mattsetzung des Königs. Schöner, reicher, glanzvoller, wuchtiger tritt das kombinierte Handeln nirgendswo anders in der Schachpartie auf. Die ganze Schachkunst ist hier konzentriert. Es gibt kein Mittel der Kunst, das hier nicht in Anwendung käme. Das Studium der eleganten, der langatmigen, der überraschenden Mattführungen ist ein vollkommen zureichender Lehrkursus der praktischen Schachkunst. Man kann hier alle Meisterkniffe und Griffe in höchster Fülle und Vollkommenheit bei der Tat ertappen. Ich wüßte wirklich kein angemesseneres, kein tauglich besseres Mittel, schnell in die h ö h e r e S c h a c h k u n s t eingeweiht zu werden. Man überspringt alle niedrigeren Grade der Kunst, überrascht alle ihre Geheimnisse und wird sofort — S e h e n d e r . Und welche Hochschule tut hier ihre Tore auf — für kombiniertes Handeln. Hier, wo es gilt mit Übermacht an Ort und Stelle aufzutreten, wo die relative, die p o s i t i o n e i l e Ubermacht alles ist und die m a t e r i e l l e — nichts, hier, wo man diese Art von Übermacht um jeden Preis, durch jedes Mittel in die Hand zu bekommen sucht — sei
61 ominöse Feld gebracht, wo er steht mit der Dame in der Springerkonstelhition. Ein schlim- ' mes Unglück ist die Folge davon. 1 2. . . . Kb8 I 3. S c 6 + Kb7 ! 4. Seö Des kombinierten Handelns Machtgewalt macht dem Meister — heiß, wo der Patzer bleibet kalt. E r sieht den entfernten Gewinn, wenn der andere dasitzt mit zugeschlossenem, toten Sinn. 1. . . . Th2f!! Er will den König mit der Dame in eine Doppelkonstellation des Springertyps zwingen und damit den Sieg schnell und wuchtig erringen.
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Cbarousck.
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Makowetz.
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2. Kh2 Th8f 3. K g l Se2+ 4. Kg2 Sc3 Des Angriffs wechselvolles Spiel. Es führt allein ans Ziel.
Die Eroberung der Figur im Defileestand. Das Glanzstück und Schulbeispiel dieser Art von Figurengewinn ist bekanntlich die Mattsetzung des Königs. Schöner, reicher, glanzvoller, wuchtiger tritt das kombinierte Handeln nirgendswo anders in der Schachpartie auf. Die ganze Schachkunst ist hier konzentriert. Es gibt kein Mittel der Kunst, das hier nicht in Anwendung käme. Das Studium der eleganten, der langatmigen, der überraschenden Mattführungen ist ein vollkommen zureichender Lehrkursus der praktischen Schachkunst. Man kann hier alle Meisterkniffe und Griffe in höchster Fülle und Vollkommenheit bei der Tat ertappen. Ich wüßte wirklich kein angemesseneres, kein tauglich besseres Mittel, schnell in die h ö h e r e S c h a c h k u n s t eingeweiht zu werden. Man überspringt alle niedrigeren Grade der Kunst, überrascht alle ihre Geheimnisse und wird sofort — S e h e n d e r . Und welche Hochschule tut hier ihre Tore auf — für kombiniertes Handeln. Hier, wo es gilt mit Übermacht an Ort und Stelle aufzutreten, wo die relative, die p o s i t i o n e i l e Ubermacht alles ist und die m a t e r i e l l e — nichts, hier, wo man diese Art von Übermacht um jeden Preis, durch jedes Mittel in die Hand zu bekommen sucht — sei
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Die Eroberung der Figur im Defileestand.
es durch Vertreibung, Vernichtung, Paralysierung der S c h u t z f i g u r e n , sei es durch Heranschleppung neuer A n g r i f f s f i g u r e n — hier muß das kombinierte Handeln auf seiner letzten Höhe stehen oder es wird nichts geleistet. Aber auch hier wieder zeigt sich die hohe Geistigkeit der Schachkunst in strahlendem Lichte, in voller Herrlichkeit, im großartigsten Glorienschein. Es gibt berühmte Matte von solchem wunderbaren Glänze, daß man sich daran nicht satt sehen kann. Alle Zauber und Schleier der Märchenwelt sind darüber ausgegossen und ausgebreitet. Ich nenne nur das prachtvolle, geistreiche, überraschende — e r s t i c k t e Matt, das freilich jeder abscheuliche Patzer heute nachahmt und nachäfft, das er aber trotzdem auch heute noch nicht imstande ist, durch kombiniertes Handeln selbständig zu erschaffen. Er hascht es nur, fängt es ein, wie man einen dummen Schmetterling hascht und fängt, wenn es ihm als Glücksfall gerade über den Weg läuft und die Dummen haben Glück. Wohlan, wohlauf, Schachpraktiker macht das Matt, dieses gute Ende aller Dinge am Brette — macht es zum Gegenstand eures eifrigsten, eures höchsten Studiums. Der Gewinn, der euch entgegenlacht, ist immens. Ihr lernt das kombinierte Handeln aus dem ff, ihr trinkt lebendiges Wasser aus der allerbesten Quelle. Dinge Verkettung bringen Schutzfiguren keine Rettung. 1. . . . Kh8 2. Se7ü Hält den König im Defilee fest, macht ihn zur toten Figur. Jetzt braucht es des entscheidenden Angriffs nur. 2. ... Te8 3. Thl=(= Oder auch 1. . . . Kf7 2. Te7 =j= 1. Th8fü Er zwingt den König in ein ! 1. T g 7 f ü D e f i l e e und in den N o t s t a n d Vernichtet die einzige Schutzhinein. j f i g u r . Der König kämpft gegen Damit ist das Gesetz der Er- zwei Figuren — allein, jetzt niir. oberung erfüllt: 1.... Kg 7 Kg8 2. De7f E n s e und Not. Nach der i
63 Amateur.
Damit ist er eingekeilt in fürchterlicher Enge. 2. D c 6 f ü Der Opferzug bringt ihn auch noch ins Gedränge. Der Bauer b7 ist offenbar zweimal Toter. Er deckt Dc6=(= und La6 =|= ganz allein. Also Arbeitsüberlastung ist da und der Bankerott damit nah. 2. . . .
bc.
3. La6=j= M o r p h v.
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3. Df8f Kh7 Das Gesetz der Eroberung sich zu erfüllen droht. Der König j k o m a t in E n g e und Not. | 4. Df7 =)=' j Ersticktes Matt.
J . R. C a p a b l a n c a .
Thompson.
A. Alechiu.
Morphy. Td7+! Dei Springer ist t o t e Figur (wegen 1 ^ 7 4=)- Seine Drohung Spiegelfechterei ja nur. Kc8
1. . . . Tg2! Vernichtet eine wichtige Schutzfigur. Der König wird festgesetzt, in E n g e und N o t getrieben, das Eroberungsgesetz erfüllt. 2. Tg2 f5! 3. Kh5 Dh3+ 4. Kg6 Te64= Das kombinierte Handeln, das den echten Schachkünstler macht, — kühn verwegen, aber besonnen und bedacht. Der Scharfblick sieht, woran der konzentrische
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Die Eroberung der F
Angriff zerschellt, und man schafft das hinderliche Figurent y p gewaltsam aus der Welt.
J . Gunsberg.
A. Niemzowitscli.
1. Te6ü Beseitigt eine Schutzfigur, macht eine andere lebendig. Der Z u g f ü r den kombinierten Angriff notwendig. 1. . . . Te6! 2. LeG-fKe4 3. d 3 f ! Kd3 4. Lf5 =j= P. Wenman.
1. Sg6! Die Feuersperre (f8). Damit ist der König in der fürchterlichsten E n g e und kommt iüs Gedränge. 1. . . . Le3f 2. Kc2 Th7? 3. Te7 =[= Die relative Übermacht des Weißen war auch zu groß. Es bedurfte des A - p r o p o s - Z u g e s