Unserer Ruth Lernjahre: Ein Buch der Erziehung [3. Auflage. Reprint 2019] 9783486751567, 9783486751550


169 98 12MB

German Pages 267 [268] Year 1924

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Erste- Kapitel. Die ersten Lebensjahre im Elternhause
Zweite Kapitel. Vom Elternhause zur Schule. Wahl der Schule
Drittes Kapitel. Vorbereitung für den ersten Unterricht
Viertes Kapitel. Lehrerin oder Lehrer für die weibliche Iugend?— Schulleiterinnen
Fünftes Kapitel. Forderungen der Schule. Hilfe des Hauses
Sechstes Kapitel. Nadelarbeit und Handfertigkeit
Siebentes Kapitel. Nebenstunden. Nachhilfe. Willkürliche Ausdehnung der Ferien
Achtes Kapitel. Umgang
Neuntes Kapitel. Lektüre
Zehntes Kapitel. Urteilen und Verurteilen
Elftes Kapitel. Höhere Lehranstalten für die weibliche Jugend
Zwölftes Kapitel. Gemeinsame Erziehung der Geschlechter
Dreizehntes Kapitel. Religiöse, soziale und vaterländische Erziehung. Christliche Liebestätigkeit
Vierzehntes Kapitel. Abgang von der Schule
Fünfzehntes Kapitel. Im Pensionate
Sechzentes Kapitel. Von der Schule zur Familie
Siebzehntes Kapitel. Notwendigkeit der Berufswahl
Achtzehntes Kapitel. Abwägung weiblicher Berufe
Neunzehntes Kapitel. Eintritt in die Gesellschaft
Recommend Papers

Unserer Ruth Lernjahre: Ein Buch der Erziehung [3. Auflage. Reprint 2019]
 9783486751567, 9783486751550

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Unserer

Ruch Lernjahre Ein Buch der Erziehung

Don

Dr. Hugo Gruber Geheime« Studienrat Oberstudiendirektar der Viktoria Luisrn-Schule in Berlin-Dilmersdarf

Dritte,

neubearbeitete Auflage Druck und Verlag 9t. Oldenbourg, München und Berlin

1925

Der Mutter meiner Kinder iugeeignet.

Vorwort zur ersten Auflage. Omnia sponte fluant, absit violentia rcbus (Comeams, Orbis pictus.)

em trefflichen Werke von Adolf Matthias „Wie er­ ziehen

wir

unseren

Sohn

Benjamin?"

verdankt

diese» Buch die Anregung, steht ihm aber in Anlage und Inhalt fern.

Daß in

Lernfahren" -auch

„Ruth»

die

Frauenbestre­

bungen der Gegenwart gestreift werden mußten, liegt nahe

und bedarf nicht erst eingehender Begründung.

Warum ich „Ruth" wählte? Ruth bedeutet die Freun­ din, die Genossin.

Der Vater Theodor Körner» schreibt

in einem Briefe vom 11. Februar „3

gestehe,

daß



mir

1809 an den Sohn:

erwünscht

wäre,

wenigsten»

etliche Jahre mit meinem ««»gebildeten Sohn al« Freund zu verleben."

Sind un« Eltern nicht auch unsere Töchter

wahre Freundinnen, denen wir, gleich unseren Söhnen, da« Beste, wa« wir zu geben vermögen, Weisungen für da» Leben, bieten?

Wenn zu un« dann au« der gesamten Le­

bensführung unserer Töchter die dankbare Gesinnung Ruth» zur Naemi spricht: „Wo du hingehest, da will ich auch hin-

gehen, wo du bleibest, da bleibe ich auch," so haben wir den herrlichsten Lohn.

-

Dann aber heißt auch unsere älteste Tochter Ruth. Verlin-Wilmersdorf, im März 1902.

Dr. Hugo Gruber.

Vorwort zur zweiten Auflage. i«

günstig« Beurteilung

meiner

mich zur neuen Bearbeitung,

die

Schrift schon

ermutigte

die

durch

Neuordnung des höheren Mädchenschulwesens in Preußen

gerechtfertigt erscheint.

Von besonderem Nutzen waren mir

eingehendere Besprechungen

in

der

„Deutschen Literatur­

zeitung (Adolf Matthigtz), im „Literarischen Zentralblatt",

der „Lehrerin in Schule und Haus" (Hasberg), der „Deutscheu Monatsschrift für das gesamte Leben der Gegenwart"

„Pädagogischen Wochenblatt

für

gebildeten Lehrerstand Deutschland«",

der

(D. Weißenfels),

den akademisch

„Mädchenschule",

dem

dem

„Bayerischen

Schulwart",

der

„Praxis der Erziehungsschule" (W. Metz), dem „Frauen-

beruf", der „Saarbrücker Zeitung" (Zarth), in „Haus und Schule" (ZwitzerS) und im „Deutschen Schulmann". Einen nicht geringen Teil der in jenen Besprechungen geäußerten

Wünsch« habe ich in der neuen Auflage erfüllt.

Meinem

lieben Kollegen, Herrn Direktor Heinrich in Göttingen, sei

besonder« gedankt.

Sachkundige

Beurteiler werden mich

auch fernerhin durch ihre Ratschläge erfreuen. Berlin-Wilmersdorf, im August 1909.

Der Verfasser.

Vorwort zur dritten Auflage.

chon seit Kritgebeginn war da« „Ruthbuch", wie e« in

weitcn Kreisen genannt wird, vergriff««.

inzwischen

auch

auf

d«m

Gebiete

der

Di« -ch

Erziehung

und

de» Unterrichts vorbereitenden neuen Verhältnisse bedingte« di« vollständige Neubearbeitung und die spät« Veröffent­

lichung des Buches, da« wieder unter feiner alten Bezeich­

nung „Unserer Ruth Lernjahre" hinauSgeht. — Im neunten

Kapitel (Lektüre) durst« ich mich des fachkundigen Rate«

meines verehrien AmtSgenoffen, de« Herrn Studiendirektor«

Dr. Ewert in Berlin-Steglih, erfreuen. Auch di« „Frauen­

berufe" von Dr. Hilde Jende-Radomski habe» mir bei der Abwägung weiblicher Beruf« hier und dort werivolle Hin-

weif« gewährt. Daß mein Buch in einer größere« Zahl von Ober­

lyzeen regelmäßig durchgearbeitet und de« Sitzungen päda­

gogischer

Vorbereitungsanstalten

zugrunde

gelegt

wurde,

darf wohl als ein Zeichen der Zustimmung angesehen werden, die es unter den Vertretern der Pädagogik gefundm hat. Berlin-Wilmersdorf, im August 1025.

Der Verfasser.

Inhaltsverzeichnis Seit«

1. Kapitel: Die ersten Lebensjahre.......................................

1

2. Kapitel: Dom Elternhaus zur Schule..........................

16

3. Kapitel: Vorbereitung für den ersten Unterricht

42

4. Kapitel: Lehrerin oder Lehrer?............................................... 48

5. Kapitel: Forderungen der Schule. Hilfe des Hauses

6. Kapitel: Nadelarbeit und Handfertigkeit 7. Kapitel: Nebenstunden.

Nachhilfe.

.

57

....

76

Willkürliche Aus­

dehnung der Ferien..................................................... 87

8. Kapitel: Umgang...............................................................................96 9. Kapitel: Lektüre.............................................................................107

10. Kapitel: Urteilen

und Verurteilen...................................... 121

11. Kapitel: Höhere Lehranstalten für die weibliche Jugend

127

12. Kapitel: Gemeinsame Erziehung der Geschlechter .

.

147

13. Kapitel: Religiöse, soziale und vaterländische Erziehung

153

14. Kapitel: Abgang von der Schule.............................................160 15. Kapitel: Im Penfionate..........................................................164

16. Kapitel: Don der Schule zur Familie................................ 178

17. Kapitel: Notwendigkeit der Berufswahl................................ 197 18. Kapitel: Abwägung weiblicher Berufe............................... 202

J9. Kapitel: Eintritt in die Gesellschaft......................................254

Erste- Kapitel.

Die ersten Lebensjahre im Elternhause. ür di« Erziehung Ruth- ist «- von Bedeutung, zuerst

der Frage näh«r zu treten, «er über da- Kind zu h«. stimmen hat.

Wird Ruth vom Vater und von der Mutter erzogen oder

haben

sich

Großvater

und

Großmutter,

irgendein«

Tante oder «in Onkel oder endlich auch di« Dienstmagd dieseRecht angrmaßt?

Gewiß meinen «- di« „Alten" mit dem

„Herzen-kind" gut; fi« sehen ihm sein« Wünsch« an

den

Augen ab, da doch Vater und Mutter noch lange nicht di«

Erfahrung de- Leben- beflhen, um in den verschirdenen Lagen,

di« ihnen hier zum erstenmal «ntgegentrtten, da- Rechte zu finden.

Hat denn nicht auch di« Tante lange genug Er­

fahrungen in der kinderreiche« Familie de- Bruder- oder der Schwester sammeln dürfen, um fi« nun zu verwerten? Wa­

der Tante zugebilligt wird, sollt« man dem alten Freunde de»

großelterlichen

Hause-

vorenthalten?

Ist

denn

sein

stet- bereite- Eintreten in früheren Tagen so ganz in Ver­

gessenheit gekommen, und erinnert fich di« jung« Mutter nicht mehr der freudig«« Stunden, di« ihr von jener Seite ost«

mal- durch «in schöne- Geschenk bereitet wurden?

Aber auch

da- alte Inventar, di« Dienstmagd, di« von der Mutter an­

gelernt und von dem Ellernhaus« der Tochter überkommen, hat ficherlich zur Genüge dargetan, wa- fle zu leisten ver­

mag.

Nun soll ihr Einfluß bei der Jugend von heut« nicht

mehr in Bettacht kommen?

I. Kapitel. Man könnt« allen diesen freiwilligen Teilnehmern an der

Erziehung des Kinde« da« bekannte Wort rntgegenhalten, da« von dem Vorwitz handelt.

Lasset den Eltern di« Für­

sorge für Ruth; sie werde» am besten wissen, wann Ruth

Hunger und Durst hat; st« werden «rmeffen können, ob Ruth diese« zu tun oder jene« zu lassen hat.

'Man red« ihnen

nicht darein, noch weniger schlage man sich zu e i n e r Partei und suche di« andere von der Nützlichkeit dessen, was man geraten hat, zu überzeugen.

Unerwünschte« Eingreifen ver-

letzt; «« ist auch so überflüssig wie di« Ratschläge, dir einem

Reisenden, der zum erstenmal di« Alpen besuchen will, bei

der bloßen Erwähnung seiner Absicht von anderer Seit« werden: „Dorthin gehen Sie, da« lassen Sie, da« müssen Sie mitnehmen . . .",

«ährend

sich

der

Nachbar

über

dies« Vorschläge lustig macht, bi« weniger auf den wege­

gewandten al« auf den wortgewandten Mann Hinweisen.

Selbst ist der Mann; auch Eltern haben ein Anrecht, sich dies« Mahnung zu eigen zu machen.

Da« mögen Ruth«

Eltern tun.

den Mitteln

Vor allem mögen sie in

einig

bleiben, die Ruth« Erziehung dienen; dann wird ihr auch

der rechte Weg gebahnt sein. Nicht al«

ob Ruth« Eltern

den Entschluß

kund tun

sollten, daß um ihre« Kinde« willen ein« Mauer zwischen ihnen und anderen errichtet sei.

Wohlgemeinten Winken

gegenüber wird man nicht unzugänglich sein, zumal dann nicht, wenn st« mit der notwendigen Zurückhaltung gegeben

werden.

E« kann in der Tat gleichgültig sein, ob dann der

Großmutter zuliebe Ruth« Aehnlichkeit mit der Mutter her­ vorgehoben wirb, oder aber

die Tante

sich

darin

gefällt,

Ruth« Wesen mit ihrem eigenen, mit der Art, wie sie sich 2

Di«

trfleii

Lebensjahr«

im

Elternhaus«.

l'rht gibt ober in der Jugend -«geben hat, zu vergleichen.

Hat aber di« sorgsame Tante «in« besondere Vorlieb« für einen Vorname», warum sollten ihr die Eltern Ruths nicht den Gefallen tun, ihrem Kind« vier anstatt drei Vornamen

zu gebe»? Die Wahl de« Rufnamens ist Sach« der Eltern.

Diese- Recht macht man ihnen wohl nicht streitig; und „Ruth" mag nicht fern gelegen haben, wenn man erwägt, daß den Eltern am Traualtar das bekannt« Wort au- dem

Buche Ruth mit auf den Lebensweg gegeben «ar, da- von

der Treu« der Moabiterin zur alten Naemi handelt.

Damit

rechtferttgt sich auch da« Abweich«» von der heutigen Sitte

der Doppelnamen, di« glücklicherweise mir für Rufnamen in Betracht kommen.

Hiafichtlich der anderen Vornamen, di«

Ruth während der Zeit des Leben« anhasten, braucht man nicht ängstlich zu sein; dafür ist durch di« Rufnamen ihrer beiden Großmütter gesorgt, auch wen»

dies«

Ulrike

und

Konstanz« hießen.

Daß man übrigen« thedem Doppelnamen für da« männ« lich« Geschlecht benutzt«, berichtet un« der Liebling-dichter unserer Großmütter, Langbein, in seinem „guten Rat": „Um seltne Namen ist jetzt eft bei Taufen net;

Wer aber einen wünscht zu haben, Bei dem ihm nicht Nachäffung draht, Der nenne seinen Knaben — Juda» Jschariath!"

Wer soll Pate bei Ruth sein?

Natürlich kommt in

erster Linie nur der männlich« Teil der Verwandtschaft und Freundschaft in Betracht; denn e« wäre «inerseiis ein« Ab­

sage an di« überkommen« Gewohnheit, dem Jungen weiblich« und dem Mädchen männliche Paten zu gebrn, anderseits

muß doch auch einigermaßen Ersatz dafür geschaffen werden,

1. Kapitel.

daß ein Teil der Verwandtschaft schon bei der Namengebung berücksichtigt wird.

Aber e« ist nicht immer leicht, die rechte Wahl zu treffen, nm auf keiner Seite anzustoßen; denn die Patenschaft scheint noch immer den nächsten Verwandten in Erbpacht gegeben zu fein, und ihnen allein gesteht man so noch all­ gemein da» Recht zu, für da» Wohl und Wehe de» Heran­ wachsenden Kinde» zu sorgen, unbekümmert darum, ob sie selbst schon bejahrt find. Vielleicht geben sie sich zuweilen der Meinung hin, daß da» Alter dem Vater nicht mehr die AuSficht gestattet, sein Kind zu erziehen. Werden die Paten dann eintreten? Im allgemeinen ist e» Regel geworden, daß da» Patenkind selbst zusehen muß, wie e» sich schlecht und recht durch da» Leben schlägt. Ruth» Paten find auch Freunde de« Hause», die dadurch nicht betroffen werden, daß man nach der Zeiten Sitte von ihnen ein Geschenk am Jahrestage der Geburt voraussetzt. Sie hätten e» auch gespendet, wenn sie dieser Ehre nicht teilhastig geworden wären. Hier und dort ist man jetzt davon abgegangen, den Taustag zum Geschenklag zu prägen. Mit dem Herkommen, die weise Frau am Tauftage zeitweilig al« Hauptperson wirken zu sehen, hat man auch gebrochen. Ruth« Eltern laffen an der übernommenen Verpflichtung die Freunde de» Hause« und die Verwandten nicht teilnehmen, und so ist da» Häubchen, da« einst so zierlich inmitten de« Teller« lag und mit ihm vereint die Runde unter den Geladenen zu machen pflegte, um die stet« hilfsbereite Frau mit klingender Münze zu belohnen, abgeschafst. Hier gibt e« keinen, der nicht von Herzen diesem Wandel, den die Zeit

Di« ersten Lebensjahr« im Elternhaus«. geschaffen

Hal,

zustimmt.

Wenn

aber mit dem

Ueber-

kommenen aufgeräumt wird, dann auch von Grund au». Doch

das verstimmt oft di« Alten, belustigt hingegen die Jungen.

Wo ist das Steckkiffen »ergangener Tag«?

Ruth hat

«in Taufkleid erhalten und nimmt fich darin nicht übel aus;

und di« Aermel find mit rosaseidenen Bändchen geschmückt; Tülldurchzug - meint «in« Bas« und rümpft di« Nase, al» fie di« modischen Elter» betrachtet und au» ihrem Munde di«

Rechtfertigung hört, warum fie vom Kiffen Abstand genom­

men und da» Kleidchen gewählt hätten.

Wie gern wär«

fie der Großmutter Ruths um den Hals gefallen, als dies« von der Neurrungssucht der füngerea Generation redet« und di« Deranttvortting für das schwach« Kreuz Ruths denen

überließ, kümmern.

di« fich um

die Erfahrungen

Aber Taustag



tag«, um so mehr Freudenlag«.

des Alters

nicht

Freudenlag; ft mehr Tauf­

So möchte man «» weit­

hin verkündigen, wenn nicht di« Sorge für di« Zukunft auch

«in Wort mitspräch«; und wenn dann ein« Els« und «in«

Christa in de» kommenden Jahren über di« Taufe gehaften werden und kein Han» und kein Peter erscheinen?

Da hört

man wohl au» der Bergpredigt immer von neuem da» Wort,

da» auf di« Vögel unter dem Himmel hinweist, aber auch

auf den Höchsten, der fie all« «rnährl.

Und mit Recht tritt

diese Mahnung immer wieder an unser Ohr, auch an jenem

Tag«, der Ruth der Gemeind« der Christe» zuführen soll.

Der Tauftag ist «in Freudentag, und «in Freudentag soll

er auch bleiben, an dem der Dank der Elter» zu dem Höch,

sten «mporsteigt und mit ihm di« innig« Bitte, da» Kind mit den Gabe» auSzustatten, di« für da» Lebe» notwendig

find.

An den Gräbern ihrer Kinder gedenken ost Eltern

I. Kapitel. der Stunde, da sie de- reichen Kindersegens müde waren; an den Gräbern der Kinder

aber

sehen

sie es

auch «in,

welches Unrecht fi« auf sich luden, al» fir da« Leben derer nicht wünschten, um deren Tod sie nun Nagen. Ruth» Eintritt in di« Welt war ein« Freud« für Eltern,

Großeltern, Tanten und Freunde.

Nun eilen sie alle zum

Tauftag« herbei, um — das Kind zu erfreuen; sie kommen

mit einer Gabe, die ihnen der Augenblick «ingegeben hat.

Daraus wird «ine Gewohnheit.

Wenn immer der Geburis,

tag Ruths naht, pflegen die Tanten die Köpf« zusammen,

zustecken, di« Großeltern beraten mit ihnen über «in prak. tische» Geschenk, di« Freunde hingegen wählen ein« Spielfache, da Gegenstände des Anzug» den Eltern nicht gerade

angenehm sein dürften, obwohl niemand darüber etwas G«.

naurres weiß. Sicherlich haben diese Praktiker oft gegen di« Ansicht der Eltern gefehlt; Spielsachen und nützlich« Dinge schließen einander im allgemeinen aus.

Wie «S aber mit nützlichen

Spielsachen bestellt ist, entgeht ost denen, die in ihnen da­

recht« Geschenk' erblicken. der Zeit Puppen

in

So sammeln sich denn im Lauf«

den verschiedensten Größen

an,

anch

Küchen und Puppenstuben, Bälle in Grau und in Bunt, mit und ohn« Netz, Ankleidefiguren, Geschirr für Gesellschaften und zum täglichen Zerbrechen, Bilderbücher und Dilderbau« kästen, dunste und hell« Puppenkleider, auch solch« au- Seid«

und Samt: alle» nur nützlich« Sachen, wie di« Geber de» Eltern gegenüber rühmen, wenn sie die Gabe herbeibringen.

Auch pflegen die Schenkenden mit entsprechenden Erklärungen nicht zurückhaltend zu sein.

Da hat e- ihnen die Pupp«

mit den goldblonden Haaren und dem modefarbenen Kleide

Di< erst««

kede-ojahr« im Elternhaus«,

angetan, die sicherlich nicht verfehlen wird, Ruth» Geschmack

zu fördern: ,,Pr«is« dem Ki»d» di« Pupp«», Wofür «e begierig die Groschen hin wirft; Wahrlich du wirst Krämer» und Kinder» «in Gott."

„Hier vrrmag Ruth di« Anfänge der Kochkunst zu trei«

den," meint «in« gutherzig« Tante: „Ihr könnt auch später den Spiritusbrenner durch den Gasbrenner ersetzen". „Ich

wählt« di« Puppenstube," erklärt «in« ander« Patin, „um auch euch"



und damit meint sie die Eltern Ruth»



„eine Freud« zu machen; ihr «erdet «» selbst zugeben muffen, daß durch ein Geschenk dieser Art der Ordnungssinn eure»

Kinde» nicht zum wenigften gefördert wird."

Und Ruth

freut sich über all« di« Ding«, und di« Eltern mahnen da» Kind zum Dank« oder fallen in seine Danke-wort« «in;

nur da« Inventar, die Dienstmagd, spricht zuweilen, wen« auch in halblautem Ton«, so etwa« von „bald in di« Rum­

pelkammer kommen".

Da» verletzt die Geber und trägt

der Sprecherin manchen Blick von oben nach unten «in,

bringt sie wohl auch zuweilen um de« Genuß «ine» ihr zu­

gedachten Trinkgelde». Aber bi« Magd hat recht; da» soll ihr nicht bestritten

«erden.

Wenn der Geburtstag vorüber ist, hat sie vor­

nehmlich mit dem Aufräumen der und argen Verdruß.

Geschenk«

viel Müh«

Anfänglich stimmen wohl noch di«

Töpfe zum Kochherd, im Lauf« der Wochen wird «» aber

immer schwerer, da» Paffend« zusammenzufinden; und wenn

e» wirklich früher einmal gepaßt hatt«, dann hat der Ge­ brauch «» nicht selten unpaffend gestaltet.

Da« Ende vom

Lied«: nach Wochen ein Chao«, au» dem man sich nicht mehr Gruber, Lernjahr«

2

7

1. Kapitel. Dieser Zug, da» Geschick alle» Irdi­

zurechtfinde« kann.

schen nachjuahmen, scheint sich bei mancher Ruth «inzubür-

gern; aber die Eltern pflegen diesem Drange beizeiten einen Riegel »orzuschieben.

Da» Chao» entwirrt sich.

Was be­

staubt in der Ecke de» Boden» liegt, kommt wieder jur Geltung.

Die Stühle der Puppenstube, die längst nicht mehr

Lehnen ihr Eigentum nennen, werden fein säuberlich von dem Schokoladenwaffer gesäubert, mit dem fi« bei Gelegenheit

einer Kindergesellschaft begossen waren, die

beflissene

indessen wird heimlich gebeten,

stet» Dienst-

die

zerbrochenen

Beine der Tischchen und Stühlchen wieder heil zu machen. Und sie nimmt sich der Gegenstände, die ihr auf den Opera-

tion»tisch gelegt werden, mit seltener Fürsorge an: Syndeti­ kon klebt, leimt und kittet alle». -

Mit der Erziehung de» Kinde» soll möglichst frühzeitig begonnen werden; da» ist ein alter Grundsatz, dem nicht selten

diejenigen

am

wenigstrn

neuem betonen.

nacheifern,

die ihn

immer

von

Von besonderer Wichtigkeit aber ist e», daß

die Erziehung im rechten Augenblick einsetzt.

Ruth vernich­

tet« die Spielsachen, al» sie ein und zwei Jahre alt war; die Eltern ließen Ruth gewähren, schafften neu« an, hatten

auch nicht» dagegen, daß der Freunde»krei» immer von neuem

Ruth beschenkte.

Al» nun aber der vierte Geburtstag kam

und Ruth mit Wehmut



auch flehte Kinder sind weh­

mütig gestimmt, namentlich wen« «» sich um

Puppen handelt



sah, daß sich

zerbrochen«

di« Spielsachen

nicht

in dem Maße vermehrten, al» sie selbst an Verstand zu-

nahm, vielmehr sich in demselben Maße verringerten, schloß

sie nicht darau», daß sie schon zu groß wär«, sondern erkannt« richtig, daß di« Eltern dem GeburtStagSmann Bescheid ge­

st

Di« erst«» L«b«»»i»hre im Elternhaus«, sagt hätte», nicht- Neues 1» bringen, wenn fit da- Alte so

ganz außer acht lass«.

Da möge« wohl di« gütige« Geber in ihrem Jnnern über der Elter» Vorgehen wenig erbaut sei»; sie fühlen sogar, aber natürlich nur ganz im Geheimen, Mitleid mit die sicherlich nur

Ruth,

handelt«.

wie

andere Kinder ihre- Alter­

Um de- liebe» Frieden« willen füge» sie sich,

drücke« vielleicht Ruth beim Kommen und Gehen nicht nur

«inen, sondern zwei Küff«, gleichsam al- Zeichen der Ent­ schuldigung, ungeschickterweis« auf den Mund, wählen /«doch

hinfort nicht Gegenständ« zum Spiel, sonder» zum Effea. So ist man vom Rege» in di« Traufe gekommen. Ruth verdirbt

sich

den Magen

Grund« meidet ganz

besonder-

und

wird

krank.

man fortan all« Süßigkeiten. zuträgliche

braucht sich über

Ding«

zum

Esten

Au- diesem Wer

aber

mitbringt,

ihre« Verbleib keine Gewiffen-biffe zu

machen; bafür finde» sich iuuner willige Abnehmer, nur nicht Ruth.

Dieser Wandel bleibt nicht «»bemerkt und bedingt

seit«»- der Geber «in andere- Verfahre», da- sich teilweis«

Ruth-

veränderter Behandlung

der Spielsachen anpaßt,

da- aber auch den Grundsatz der Nützlichkeit mehr in den Vordergrund stellt, ohn« damit gerade den Eltern Ruth­

unter di« Arme zu greif«».

„Bücher und Heft« möge« di« Eltern allein kaufen," da- ist di« Ansicht der Verwandte» und Freund«; „aber

da- Kleid ist in der Tat zu dünn für di« Jahre-zeit, und darum kann e- wirklich niemand übelnehmen, wenn man

Ruth ein neue» Kleid mitbringt." neue- Früh/ahrekleid «in.

Und Ruth heimst «in

Wenn dann di« heißere» Tage

kommen, da man da- Kind doch nicht so warm anziehen kann,

1. Kapitel. wird ihm ein Helle- Gewand beschert mit rosa und anderen Schleifen und einer wunderschönen Schärpe geschmückt. Da.

ju kommen dann bunte Lederschuhe — denn andere Schuhe trägt Jedermann - und kurze Strümpfe, die zur Abhärtung

beitragen sollen.

Und

sie bringen

herbei,

alle, die

dem

Hause anverwandt und zugetan find, Hüte und Schärpen, Handschuhe und rosa, grüne und lachsfarbene Schmetter,

lingsschleifen für das Haar.

Die Sorge für die Leibwäsche

überläßt man den Eltern; und wenn dann der Sonntag

naht, da fich die Freunde persönlich von dem Aussehen Ruth»

überzeugen wollen, gibt e» ein Sinnen und Ueberlegen der Eltern, was fie Ruth um» und anhängen sollen, um alle zu

befriedigen und der Eifersucht oder de« Neid der Freunde des Hause» entgegenzutreten.

Der rote Hut, die rosa Haar,

schleife und die grüne Schärpe, die braunen Lederschuhe und

die kurzen Strümpfe, die ihrer Ergänzung harren, da fich da» eine Paar nicht lange bewährt, werden vereinigt.

An

Sonntagen pflegt man dann, um der lieben Eintracht willen, die Harmonie de» Anzüge» weniger al» an Wochentagen zu

beachten.

So geht e« lange, keinem zum Schaden, man«

chem zum Nutzen.

Schließlich aber versagt auch ein Tau«

tengemüt, wenn e» sieht, wie ihm nur äußerlich Genüge ge-

schicht und seine Ratschläge und Geschenke nur dann Der. «ertung finden, wenn e»

die Verhältnisse vorteilhaft er.

scheinen lassen. Indessen ist man im Kreise der dem Hause Nahestehen, den darüber verstimmt, daß Ruth der Dienstmagd besondere

Zuneigung entgegenbringt.

Selbst die Eltern haben wahr,

genommen, daß ihr Ansehen unter diesem Einflüsse leidet; denn Ruth» Abendgebet:

Di«

ersten

Lebenssahr«

im

Elternhaus«.

„Ich ii» klein, mein Her» sei rem,

Soll niemand drin wohnen, al« Jesu« allein"

ist plötzlich ohn« ihr Zulun «in «nbere« geworben; bi« Magd hat Ruth beten gelehrt: „lieber Gott, kannst »Ne« geb«»; gib auch, wa« ich bitt« nun:

Schütz« dies« Macht mein leben, laß «ich sanft und sicher ruhn;

Sieh auch »»» dem Himmel nieder auf di« lieb« Eltern mein;

laß tiM

all« morgen wieder fröhlich und

dir

dankbar sein!"

Und bennoch schweigen bi« Eltern, eingebenk der Erfah­

rung, baß Kindern im allgemeinen ein besonderer Hang zum

Dienstpersonal innewohnt, der nicht in die Brüche gehen bars

durch Vorhaltungen, bi« könnten.

vielleicht ohne Grunb geschehen

Da» alte Gebet scheint selbst

ben Eltern setzt

weniger für Ruth geeignet al« da» neue, unb fie finb ficher, daß nur gute Absicht bi« Belehrung veranlaßt hat.

Aber

bi« geistliche Belehrung geht weiter, ohne zunächst zur Kennt­

nis der Eltern zu kommen.

„Ruth lernt ein kleine» Ge­

dicht", heißt e», wenn fie länger al» sonst in ber Küche weilt;

inbeffen hört fie dort Gesangbuchverse und Bibel­

sprüche, spricht auch verständnislos nach, wa» sie vernimmt, merkt auf Engel unb Satan und beschäftigt ihre Phan-

taste oft bi« zum späten Abend in einer Weise, daß fie schließlich au» dem Schlafe mit den Worten auffährt: „Will

Sala» mich

»«rschliagen,

So laß di« Engel singen:

Die« Kind soll unverletzet sein."

Nun ist ber Augenblick herangenaht, ber dem Lehreifer

der Magd eine Schranke setzt.

Ruth aber nimmt von dem

allen nur wahr, baß man mit ihr hinfort mehr spielt «l» betet.

Dann unb wann wird ihr auch wohl noch ein schöne«

1. Jt e , i t« L

Märchen erzählt, jedoch nut, wenn di« Eltern ausgegangen find und die Magd di« Verantwortung über das leibliche und geistig« Wohl Ruths selbst zu tragen hat. Aber Ruth wird auch zuweilen von den Eltern mitge­ nommen. Namentlich an schönen Sommer- und Winter­ tagen, wenn «S gilt, durch «inen Spaziergang in Wald und Feld die Gleichförmigkeit des Lebens zu bannen und neuen Mut zur Arbeit zu schaffen. Freilich zieht es Ruth meist vor, mit anderen Kindern auf dem schönen Hofe zu spielen, anstatt fein fittfam neben Vater und Mutter herzugehen und dann schließlich für alle Anstrengung, die ihr «in kleiner Marsch verursacht, al» Belohnung ein Glas abgekocht« und noch lauwarm« Milch zu bekommen, di« st« auch nur in mäßigen Zügen genießen darf. Ruth» Pate findet aber durchaus nichts darin, wenn da» Kind bei der Hitz« einmal einen tüchtigen Schluck Bier nimmt. Er bringt es auch fertig, gelegentlich einmal, wenn es Vater und Mutter nicht sehen, Ruth einige Tropfen Wein kosten zu lasten. Wenn es Vater und Mutter nicht sehen — also hinter dem Rücken der Eltern und gegen ihr ausdrückliches Verbot? Selbst das Kind, dem Schweigen gebottn wird, erkennt, daß hier nicht alles in Ordnung ist. Aus dem Zuttauen wird allmählich Mißtrauen gegen den Geber, und in Ruths Augen wähnt man den Vorwurf zu lesen: Du lehrst mich falsch« Wege gehen. Kinder sind nicht Träger von Geheimnissen, und so hat auch Ruth richtig gehandelt, al« sie es der Mutter sagt«. Ruth« Eltern erwächst nun die neu« Ausgabe, dem Kinde Bedürfniffe wieder abzugewöhnen, ehe sie zur Gewöhnheil oder gar zur Leidenschaft werden. Das Mißtrauen

Di« erst«, £«6en*ja^t« im Elternhaus«. de« Kind«» zum Paten

bleibt jedoch bestehen; aber auch

da« Mißtrauen der Eltern bleibt ihm nicht erspart; und wenn

di«

Jahr«

vorüber

gegangen

find

und Ruth

zur

Selbstbesinnung gekommen ist, steht ein« Anklägerin vor

ihm, di« zuweilen nur scherzend seiner Taten gedenkt.

Doch

auch im Scherz liegt Ernst, ost bitterer.

Ruth empfindet bald auch innig« Freud«, auf der Flur und

im Wald« zu weilen.

Und wenn der Vater dann sein« Ruth

an der Hand führt, so gedenkt er der Worte de« wackere«

Christian Gotthilf Salzmann: Da« ist «in herrliche« Ziel,

ei« gute«, stohe«, gesunde« und vrrständige« Kind sein eigen nennen zu dürfen, da« in fich selbst jene Glückseligkeil «mp-

findet, di« zum Wohl« der andern Menschen mittätig zu sein imstande ist.

— Di« Wunder der Natur, die Schöp­

fung, bringen den Vater dazu, Ruth von dem lieben Gott

und seiner Gnad« zu erzählen, fi« vom Sichtbaren zum Un­ sichtbaren, von der Natur zu ihrem Schöpfer hinzuweisen, hinzuleiten.

Da« Kind empfindet hinfort keine Freud« im

wilden Laufen und Jagen; e« pflückt die Blumen am Wege«rand und läßt fich ihre Name« nennen. schönsten zu

einem Strauß«

zusammen,

Dann fügt e« di« um

fi«

heimzu-

bringen und ander« damit zu erste»««. Auch in den Bergen und an der See «eilt Ruth in ihren Kinderjahren.

Sie kommt während der Sommer­

ferien dorthin. Wenn fich Estern

zum erstenmal mit ihren Kindern,

die vielleicht eben erst da« schulpflichtig« Aster erreicht haden, auf Reisen begeben, fich dann an der Schönheit einer Landschaft erfreuen und auch ihre Kinder darauf aufmerk­

sam machen, so wundern fie fich zuweilen nicht wenig, daß

1. Kapitel. ihr« Empfindungen nicht geteilt «erden, ihnen sogar oft ein

gewiffer

Widerstand

wird.

entgegengesetzt

Di«

Eltern

rühmen den herrlichen Ort, die sonnigen Halden und tiefblauen Seen; sie preise» die reizvolle Ausficht.

Di« Kinder

vernehmen es, blicken wohl auch nach der Stell«, di« den

Gegenstand der Betrachtung bildet, hin; doch dann pflücken

fi« eine Beere oder erfreuen fich an einem Käfer, den fi« zufällig am Weg« entdecken, der ihnen von der Heimat her nicht

unbekannt

ist.

Ein

treffende» Wort Rousseau» in

seiner Vorrede zum „Emil": „Man kennt

nicht.

die Kindheit

Man sucht stet» den Mann im Kind« und d«nkt

nicht an da«, wa» «» vorher ist, «h« «« rin Mann ist", ««ist hi«r di« Eltrrn auf di« richtig« Fährt«.

Erst ganz

allmählich dämm«rt im Kind« da» Bewußtsein von der Er­ habenheit der Umgebung.

Man führe «» schrittweise dahin,

daß «» di« Ding« begreifen und ihr« Bedeutung, ihren Wert schätz«« lern«; dann wird «< schließlich auch ergriff««, und

sein« Sinne werden berauscht «erden von der Schönheit der Außenwelt, auf der da« Aug« des im Innern Gleichgültigen

regungslos und ermattet ruht. -

Wie wird di« Reise mit Ruth unternommrn? Wenn

hat,

Ruth

bedarf

fie

da» vierte

einer

Lebensjahr

besonderen

bereit» vollendet

Fahrkarte.

Zwar

ist

man im Freundeskreis« der Anflcht, daß man «» ihr noch

nicht ansehe, welche» Lebensjahr fi« erreicht hat.

Ruth-

Eltern aber wollen den Weg der Wahrheit um der kleinen

Ersparnis halber nicht verlaffen und «eisen da« Anfinnen zurück, Ruth ohn« Fahrkarte auf di« Reise mitzunehmen.

Ist da» wirklich allgemein üblich?

Sind wir nicht ost-

mal« in der Lage, zu beobachten, wie Eltern hier leicht mit 14

Di« «rft«n Lebensjahr« im Elternhaus«. der Wahrheit umgehen, und sollen wir un« da wunder«, wenn zehnjährig« und noch ältere Kinder sich für jünger au«,

gehen, al« fi« in der Tat find, nur, um auf Grund einer Kinderfahrkart« befördert zu werden? Haben fie nicht ost.

mal« in den Ettern ihr« Ratgeber gefunden? Und wenn auch nicht immer, vielleicht nur in seltenen Fällen, dem unrechten Tun di« gerecht« Straf« unmittelbar folgt, so vergrffe man nicht, seinen Anteil al« Vater oder Mutter an der beabfichtigten oder vollführten Täuschung, die

da« Kind unternimmt, in di« Wagschal« zu werstn.

Hast

du Vater und du Mutter in der Tat stet« dein Kind vor diesem Fehler zu bewahren verstanden? Hast du «« nie un. ternommen, um irgendwo

Eintrittsgeld zu ersparen, dein

Kind stillschweigend jünger zu machen, al« e« in Wirklichkeit

war?

Bist du ficher, daß von deinem Tun di« Kinde-seel«

unberührt geblieb«« ist?

Oder sollt« dein Kind geahnt ha­

ben, sollt« es sogar zu der Ueberzeugung gelangt sein, daß

du ihm im Unrechttun «in Wegweiser geworden bist? Hast

du ihm vielleicht geradezu di« Mittel und Weg« an di« Hand gegeben, wie e« verfahren soll, um durch Täuschung, ja durch Betrug etwa« auf billiger« Weis« zu erlangen? selbst.

Prüf« dich

Wie di« Alten sungrn, so zwitschern di« Jungen:

„Der Uebel größte« aber ist di« Schul d".

Zweite« Kapitel.

Vom Elternhause zurSchule. Wahl derSchule.

l« Rousseau in dem ersten Buche seine« „Emil" »er-

kündigte: „So wie di« Mutter di« wahr« Amme de« Kinde« ist, so ist der Vater dessen eigentlicher Lehrer.

Aber

der gibt »er, nicht Zeit zu haben, darum werden die Kinder in Pensionen ausgetan, wo sie sich von der Lieb« entwöhnen; zerstreute Geschwister kennen einander kaum.

E« liegt «in

schwerer Fluch auf Derabsäumung der Daterpflicht", mochte

er seiner eigenen Handlungsweise gedenken, di« e« -uliesi, daß seine Kinder im Findelhause Unterkunft fanden, um vor dem sicheren Untergang« gerettet zu werden. Ruth« eigentliche Lehrmeisterin ist die Mutter; sie ist

zugleich die „wahre Amme".

De« Vater» Zeit ist in un­

seren Tagen beschränkt; seine Tätigkeit gilt vor allem dem

Beruf«, um seiner Familie da« Notwendige zum Leben zu »erschaffen.

Auch wenn diese

Bedingung an den Vater

nicht gestellt wär«, dürste er di« Sttllung nie antreten, die ihm Rousseau, der seine Kinder sündhaft vernachläffigl«, vor­

schreibt. Die ersten Jahre de« Kinde-leben« gehören der Mutter; sie hat di« schön« und zugleich verantwortungsvoll« Auf-

gäbe, di« Kindesseel« zu bilden, ihr den Begriff von Recht und Unrecht mit der Mild« «inzuflößen, wie sie dem weiblichen Geschlecht« im besonderen verliehen ist.

Der Vater

ist zwar von der Erziehertätigkeit nicht ausgeschloffen, je-

SB e m Elternhaus« jur Schul« — Wahl b«r Schul«, doch wird er sich zunächst mit der beratende« Stimme be­

gnügen,

«m

den Akt

der

Erziehung

nicht

Bahnen zu leiten »der wohl gar zu hemmen.

in

falsche

Kurzsichtige

Naturen, Menschen, die der rechten Erzieherart nie nach­

gestrebt haben, werden wohl dann und wann einmal zu der falschen Ueberzeugung kommen und damit auch nicht hinter

dem Berge Hallen, daß die Mutter da« Heft in der Hand

halte, während der Vater zusehe.

Ist e« bei ihnen in der

Gedenken sie nicht ihrer eigenen

Jugend ander« gewesen? Kinderzahre mit Freuden?

Und wenn e« ander« gewesen

ist, wenn der Vater allein regiert und die Mutter sich sei­

nem unbeugsamen Willen gefügt hat, ist e« nicht, al« ob

ein Wermutttropfen in die süße Zeit der Jugend fällt? Ist e« wirklich ungemischte Freude, an die sie zurückdenken

können?

Allerding« muß die Mutter auch dieser Aufgabe

in vollstem Maße gewachsen sein.

dern auch körperlich gesund,

Nicht nur geistig, son­

muß sie

aller

trotz

sozialen

Pflichten, die sie sich auferlegt und mit denen ihre Abwesen,

heit oft entschuldigt wird, für den eigenen Haushalt aus­ reichende Zeit haben, um sich dem Kinde widmen zu können.

Sie allein wird beurteilen können, ob de« Vater« Vorwurf,

der dem Kinde gilt, schließlich ihr selbst gebührt, da sie seine Richtung im besonderen

bestimmt.

Und

wenn



dann

heißt, daß Ruth in den Gerichten schon wählerisch sei, wenn auch der Vater seiner eigenen Jugend gedenkt, in der ihm die Wahl der Speisen nicht selbst überlaffen war, so

ist

e« die Mutter wieder, die dem rechten Ziele zusteuert, au« der mehr oder weniger hervortretenden Eßlust M Kinde«

auf sein körperliche« Befinden und nicht auf eine Laune oder gar auf ein Derwöhntsein zu schließen.

2. Kapitel. Soll man wirklich von einem wählerischen Kind« reden,

da» den Speis«» heul« nicht wie gestern zuspricht? Derjenige

Arzt hat in der Tat da» richtige Urteil abgegeben, der «» den Eltern an da» Herz legt, da» Kind nicht zum Esten

zu zwingen, sondern ihm di« Freiheit zu lasten, die für sein

Wohlbefinden notwendig ist.

Da» Auge de» rechten Er-

zieher» erkennt wahrlich, wenn Trotz und böser Will« bei

der Wahl der Speise» mitreden.

Dem soll nicht entgegen­

stehen, daß «in verminderte» Wohlbefinden zuweilen erntn Zwang zur Aufnahme der Nahrung erheischt; dann ist eben

der normal« Zustand nicht vorhanden und ein« besondere Lag« gegeben.

In diesem Falle mag der Arzt entscheiden,

wenn di« sogenannten Hausmittel, denen immerhin ein« ge-

wist« Bedeutung zukommt, nicht nützen.

Indessen wächst Ruth zur Freud« der Eltern heran. E» naht bi« Zeit, da Ruth in die Schul« geschickt werden soll. Da» soll zu Ostern geschehen, wenige Wochen nach Voll­ endung de» sechsten Lebensjahre».

Warum auch nicht? Oder

sollte man den Reden der Leut« Gehör schenken, di« dem

Kinde gern noch den Sommer gewähren, ehe e» dem Schul-

zwang« überantwortet werd«?

Sollt« man der Anficht still­

schweigend zustimmen, di« u r Schul« — Dahl btt Schul«, rückkehren, der kein« eigentlich« Familie vorau«setzt und di«

gemeinschaftlich« Erziehung der Kinder beider Geschlechter bi« zum sechste« Jahr« in Anstalten »orfieht; er will dort

vielmehr da« Kind für die Schul« vorbereitet»

und der

Mutter «in« Gehilfin geben, damit der Körper der Kinder

gekräftigt, die Sinne geübt und der erwachend« Geist be­

schäftigt «erde«. Maa kann da« „Heureka! Kindergarten soll di« Anstalt heißen", verstehen, da« Fröbel «inst freudig in di« Berg«

hineinrief, al« er den rechten Namen für seine Gründung

gefund«» zu haben glaubt«.

Di« Gegner de« Kindergarten« waren auch zu einer Zeit

»och nicht verstummt, al« er seinen Einzug in di« Schul« hielt, al« die Neuordnung de« höheren Mädcheaschulwesen«

vom Jahr« 1908 bestimmt«, daß für di« praktische Einfüh­ rung aller Schülerinnen de« Oberlyzeum« in di« Klein-

kinder-Erziehung «in Kiader-artea mit der Anstalt zu ver­ binden sei.

Noch beharre« die Gegner bei der Behauptung,

daß der Kindergarten ohn« Verstand»!« für di« Seel« de« Kinde« wirk«, daß er di« Kinde-natur »erkenn«, da er di«

Kinder in einem Lebendalter, in welchem ihnen di« physische»

und psychischen Vorbedingungen noch nicht eigen sind, einer

künstlichen

Unterweisung unterwerf«.

I» Preuße» ging

man unter dem Kulludminister von Raumer sogar so weit,

den Kindergarten «in« Zeitlang zu »erbieten und ihn al« ein«

Gefahr

national«

zu

erklären.

Erst

z«ha

Jahr«

später wurde da« Verbot zurückgenommen. Man

darf

nicht

übersehen,

garten manch« überflüffige Kindern tut,

dir

daß

der

Kinder­

Arbeit »ornehmlich an solchen

di« Mutter

im Hause

nicht

zu

ent-

2. Jt« f i t e L

behren brauch«», daß «r ferner die Kinder oft dazu verleitet, da« mechanische Erlernen dem verständni-vollen Eindringen in den Gegenstand vorzuziehen, eine Eigenart, die fich oft da­

ganze Lebe» hindurch zum Nachteil de- einzelnen bemerkbar macht.

E» bleibe aber auch nicht unerwähnt, daß fich die

Zahl der Gegner de« Kindergarten« in jener Zeit merklich

mehrte,

al- der Vorstand de- Bunde« deutscher Frauen-

vereine, ohne in Betracht zu ziehen, daß dadurch fegen«volle Erziehung-kräfte in der Familie »»«geschaltet würden, die

Bitte an die deutschen Bundesregierungen richtete, für da«

vorfchulpflichtige Alter aller Kinder zwei Jahre lang den pflichtmäßigen Besuch de« Kindergarten- zu fordern.

Nicht achtlos sollte man an den Vorschlägen, die der bekannte Oberfchulrat Hermann Schiller gibt, vorübergehen,

der in klarer Erkenntnis nicht so sehr den Besuch de« Ki». dergarten» seitens der Kinder aus den besseren Ständen be­

tont, obwohl er nicht der Ansicht ist, daß diese nicht auch in

die Kindergärten gehen sollten.

Hermann Schiller ist über­

zeugt, daß Kindergärten für die Dörfer und die Arbeiter-

bevölkerung der Großstädte und der Fabrikbezirke not tun,

da diesen Kindern sowohl sprachlich als auch nach dem Umfang ihre» Vorstellungskreife» und der Fähigkeit der (Eltern, den Kindern nach diesen beiden Richtungen hin Förderung

angedeihen zu lassen, zuerste Hilfe zuteil werden müsse, die

privaten Kindergärten

ihnen aber

nicht

zugänglich

find.

Staat und Gemeinde sollten die Hilfe gewähre«.

Sicherlich wird man auch feiten» der Gegner die Be­ deutung der Kindergärten nicht verkennen. wünschen müssen, daß

Man wird aber

ihre Tätigkeit vor allem auf jene

Kinder gerichtet fei, die ohne Aufsicht sind und die elterliche

CD em Elternhaus« jur Schul« — Wahl der Schul«. Pfleg« entbehren muffen, dadurch aber in Gefahr geraten zu verwahrlosen. Pestalojzi hat recht, wenn er es nicht „jedem Narrenvater und jeder Narrenmutter" freistellt, aus ihren Kindern da« zu machen, was fi« aus ihnen machen wollen. Nicht unbeachtet bleib« auch Henny Schumachers Ansicht, di« sich in ihrer Schrift über Fröbel dahin äußert, daß di« väterlich« Crziehungskrast de» Manne» auch im Kindergarten nicht ganz ausgeschaltet werben dürfe, um de- Manne» und um de» Kinde» willen; denn di« zumeist stärker« sachlich« Einstellung de» Manne» sei auch schon im Kleinkinde-aller notwendige» Erziehungsmittel zur Sachlichkeit. — Wenn euft jur Schul« - Wahl b«r Schul«, {u

Haus«,

da

doch

em«

groß«

Ansteckungsgefahr

vor­

liegt?" „Da» geht halt so nicht an," erwidert« der «acker«

Schulmeister, „dazu bedürfen fi« «ine» ärztlichen Zeugniffrs, und da» kostet immer «in« Mark; da lasten fi« lieber di« Kinder in di« Schul« gehen."

Also deshalb?

Da konnt«

man es den Eltern wirklich nicht übelnehm««, wenn fi« mit

aller Entschiedenheit für «in« Befferung der Zustände ein­

traten, die dann auch da» Gesetz betreffend di« Bekämpfung überiragbarer Krankheilen gebracht hat. — Soll Ruth nach der Grundschule «in« öffentlich« höher« Mädchenschule besuchen?

In vielen Fällen wird eine Wahl ausgeschloffen fei«, da di« Zahl der öffentliche« höheren Lehranstalten für Mäd­ chen noch v«rhältni»mäßig gering ist.

Meist find fie nur

in größeren Städte« vorhanden, dort aber auch reichlich ge­ füllt.

Au« dieser Tatsache erhellt bereits «in« gewiff« Vor-

lieb« der Elter« für öffentlich« Anstalten, und die Erfahrung lehrt, daß ihnen von jener Seit« auch Vertrauen entgegen­

gebracht wird. Man wird aber den Privatschulen di« Daseinsberechti­

gung in keiner Weis« streilig machen dürfen, zumal fi« in

einigen Gegenden

di«

einzigen

Bildungsstätten

find

und

bleiben für unser« Töchter, di« nach einer höhere« Bildung streben.

Di« Gemeinden, in denen fie vorhanden find, ver­

mögen ost nicht di« Kosten für de« Unterhalt einer oder

mrhrerer öffentlicher Lyzeen aufzubringen, zum Teil find fi« sogar nicht einmal imstande, ihre private» Anstalten durch

Geldmittel zu unterstützen. Die Privatschult vermag anderer­

seits einzelnen Schülerinnen, di« besonderer Rückficht bedürfen, von wesentlichem Vorteil zu sein, da fi« mir in Ausnahme-

2. Kapitel. fällen an der Ueberfüllung der Klaffen wie di« öffentlichen

Anstalten leidet.

Bedarf die Tochter einer gewiffen Rück­

sicht, so mag sie walten; den» eS ist selbstverständlich, daß sich Lehrer und Lehrerin in weniger überfüllten Klaffen den ein-

zelnen Schülerinnen mehr widmen können.

Soll man aber anderstitS di« Vorteil« der öffentlichen Lyzeen verschweigen, da sie doch offenbar sind?

Soll man

sich wirklich der Selbsttäuschung hingebrn, daß di« Ideale

in der Privatschul« «in« beffer« Pflegt erfahren, die weib-

liche Erziehung hingegen in ihrer Eigenart in dem öffent­ lichen Lyzeum Gefahr läuft?

Da» scheint in einigen Krei­

sen «in geflügelte» Wort geworden zu sein. Warum übernehmen denn di« Gemeinden die nicht unbedeutenden Kosten, um öffentlich« Lyzeen zu gründen und

zu erhalten, wenn sie ihren Zweck ohne besonder« Ausgaben

erreichen könnten?

Warum begünstigen di« vorgesetzten Be­

hörden di« Errichtung dieser Art Schulen, wenn sie nicht von

ihren Vorzügen überzeugt wären?

Oder sollt« wirklich «in

denkender Mensch auf den Gedanken kommen, daß die Ver­ treter

einer Stadtgemeinde,

deren Einkünfte

unter

dem

Vorhandensein einer ärmeren Bevölkerung wesentlich leiden,

Ausgaben

zustimmen

sollten,

die

im Grund«

genommen

zwecklos sind? Auf der Zusammensetzung des Lehrerkollegiums beruht zum großen Teile da« Ansehen der Schul«.

Nun dürfen

wir zwar Gott danken, daß un» nicht solch« Lehrertypen be-

schieden find, wie sie uns Otto Ernst im „Flachsmann al» Er-

zieher" vorführt; auch di« schlichtest« Privatschule kann damit in unseren Tagen nicht aufwarten, und könnte sie «»,

dann wär« sie nicht wert, den Namen „Schule" zu führen.

V »» Elternhaus« jur 0